Instrumenta Sacra: Untersuchungen zu römischen Opfer-, Kult- und Priestergeräten [Reprint 2012 ed.] 3110161265, 9783110161267

Die Herausforderung religionsgeschichtlicher Forschung besteht darin, die Erschließung von Quellen in ihren Kontexten un

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Instrumenta Sacra: Untersuchungen zu römischen Opfer-, Kult- und Priestergeräten [Reprint 2012 ed.]
 3110161265, 9783110161267

Table of contents :
1 Methode, Ziel und Forschungsgeschichte
1.1 Methode und Ziel
1.2 Forschungsgeschichtliche Anmerkungen
2 Religion und Kult. Ein kurzer Überblick
2.1 Die Opferzeremonien im römischen Kult
3 Quellenlage
3.1 Die archäologischen Quellen
3.2 Die literarischen Quellen
4 Opfer- und Kultgeräte
4.1 Die Gefäße
4.2 Die Schlaggeräte
4.3 Die Schneidegeräte
4.4 Schlaggeräte und Messer: Verwendung im Tieropfer
4.5 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer
4.6 Kultmusik und Musikinstrumente
4.7 Sonstige im Opferkult gebräuchliche Geräte
5 Priestergeräte und Insignien
5.1 Die ‘Tracht-Zeichen’
5.2 Die Insignien-Zeichen
6 Zeremonialschmuck
6.1 Die infula
6.2 Die dorsualis
6.3 Das frontalium
7 Chronologie und Vorbilder
8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Opfer- und Kultgeräte
8.1 Öffentliche Repräsentation
8.2 Private Repräsentation
8.3 Exkurs: Die Opferschale als Friedenssymbol
8.4 Resumé
9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte
9.1 Gefäße und Behältnisse
9.2 Schlaggeräte
9.3 Schneidegeräte
9.4 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer
9.5 Musikinstrumente
9.6 Sonstige
9.7 Priestergeräte und Insignien
9.8 Zeremonialschmuck
10 Zusammenfassung
11 Katalog der Denkmäler
11.1 Rom und Italien
11.2 Die Provinzen
11.3 Realia
11.4 Numismatische Zeugnisse
Bibliographie
Museums- und Aufbewahrungsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen und Tafeln
Griechische und lateinische Bezeichnungen der Opfer-, Kult- und Priestergeräte
Sachregister

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Anne Viola Siebert Instrumenta Sacra

w DE

G

1749

I

1999

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Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten herausgegeben von Fritz Graf Hans G. Kippenberg Lawrence E. Sullivan Band 44

Walter de Gruyter Berlin · New York 1999

Instrumenta Sacra Untersuchungen zu römischen Opfer-, Kultund Priestergeräten

von Anne Viola Siebert

Walter de Gruyter Berlin · New York 1999

Die Reihe Religionsgeschicbtliche Versuche und Vorarbeiten wurde 1903 begründet von Albrecht Dieterich und Richard Wünsch. Die Bände I —XV erschienen 1903 — 1915 unter der Herausgeberschaft von Ludwig Deubner und Richard Wünsch. Die Bände X V I - X X V I I erschienen 1 9 1 6 - 1 9 3 9 unter der Herausgeberschaft von Ludolf Malten und Otto Weinreich. Die Bände XXVIII - XXXVIII erschienen 1 9 6 9 - 1 9 8 2 unter der Herausgeberschaft von Walter Burkert und Carsten Colpe.

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek —

CIP-Einheitsaufnahme

Siebert, Anne Viola: Instrumenta sacra : Untersuchungen zu römischen Opfer-, Kult- und Priestergeräten / von Anne Viola Siebert. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1999 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten ; Bd. 44) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-11-016126-5

© Copyright 1999 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Rotaprint-Druck Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort

Der Standpunkt der Archäologen ist nicht der einzige, von dem aus antike Kunst betrachtet werden kann. Jedes Kunstwerk, und sei es noch so gering, fiihrt auf seine Weise Kampf gegen Vergänglichkeit und Tod. Es will auch zur Nachwelt sprechen. Diese hat das Recht, es mit eigenen Augen zu betrachten, ihre eigenen Gedanken hineinzulegen, aber das ist Aufgabe des Dichters, nicht des Vertreters der Altertumswissenschaft. Dann muß aber gesagt werden: Hier endet die gelehrte Interpretation, und es beginnt die Ausdeutung im Sinne der Jetztzeit. A. Rumpf, Gnomon 26, 1954, 364

Altertumskunde und religionswissenschaftliche Forschung sind engverbundene Disziplinen. Unabhängig davon, ob es sich um materielle Güter, überlieferte Schriftquellen oder mündliche Traditionen handelt, versuchen beide Fachrichtungen, antike Kulturen über ihre religiösen Hinterlassenschaften zu erfassen und zu definieren. Klassische Archäologie und Religionswissenschaft tragen einen erheblichen Teil dazu bei, Sozialstrukturen, Mentalität und auch politisches Verhalten von Griechen und Römern zu erklären und zu verstehen. Neben der für den Historiker wichtigen politisch orientierten Verlaufsgeschichte, der Strukturanalyse antiker Schriftquellen des Altphilologen und der für den Archäologen wichtigen kunsthistorischen Betrachtungsweise materieller Hinterlassenschaften bieten sie die Möglichkeit, in gemeinschaftlicher Anstrengung ein nahezu umfassendes Bild dieser Kulturen zu erstellen, indem gleichberechtigt alle Formen antiker Zeugnisse in die Betrachtung einbezogen werden. Einen Denkanstoß, Archäologie und Religionswissenschaft mit ihren unterschiedlichen Methoden, aber auch Gemeinsamkeiten zu erläutern, bietet P. O. SZOLC in einem 1974 erschienenen Aufsatz (Numen 21, 1974, 1-16). Es ist der Versuch, zu zeigen, daß die Archäologie für die Religionsforschung diverse Möglichkeiten bietet, eine recht umfassende Darstellung bestimmter Religionsformen zu geben. Diesen Aspekt erfüllen historische und philologische Forschungen

VI

Vorwort

nur teilweise aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Schriftquellen, die z.B. durch verderbte Texte behindert werden können. Dagegen ist die archäologische Quelle, unabhängig davon, ob es sich dabei um Funde aus Grabzusammenhängen, Tempelruinen, Votivgaben, Götterstatuetten oder auch 'Historische Reliefs' handelt, ein unverfälschtes Zeugnis, das zunächst einmal aus sich selbst spricht. Es unterliegt nur in geringem Maße einer Zweideutigkeit, muß aber selbstverständlich in seinem zeitlichen, historischen, topographischen und /oder inhaltlichen Kontext zum Sprechen gebracht werden, unter Mithilfe der beiden anderen altertumswissenschaftlichen Disziplinen. So arbeiten Archäologie, Geschichte und Philologie in Ergänzung einander einer religionswissenschaftlichen Disziplin zu und bieten gemeinsam Einblick in Struktur und Ausprägung einer Lebensform. Für den vorliegenden Fall soll dieses exemplarisch an der römischen Religion bzw. ihren nachweisbaren 'Kulttatsachen' nachgezeichnet werden. Die vorliegende Untersuchung stellt die in Teilen geringfügig überarbeitete Version meiner Dissertation dar, die im Wintersemester 1995/96 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen wurde. Das endgültige Manuskript war im Herbst 1997 abgeschlossen, so daß Neuerscheinungen nur noch in Ausnahmefällen berücksichtigt werden konnten. Angeregt wurde die Arbeit von Prof. Dr. H. Wiegartz, der sie auch betreute. Das Korreferat übernahm Prof. Dr. D. Salzmann. Im Zuge meiner Beschäftigung mit dem Thema bekam ich viele Anregungen und weiterführende Kritik von außerhalb, für die ich sehr dankbar bin. Besonders die Streitgespräche mit meinen Freunden und Kommilitonen innerhalb und außerhalb der Klassischen Archäologie, die in unermüdlicher Geduld immer aufmunternde Worte parat hatten und sich auch den Korrekturen und anderen 'Technika' annahmen, sei an dieser Stelle gedankt, stellvertretend hierfür stehen A. Rüter, U. Eiling und I. Köb. Foto-/Graphische Unterstützung erhielt ich von G. Störmann, St. Brentfuhrer und E.-M. Poppe-Ludwig. Ebenso habe ich Prof. Dr. D. Böschung (Köln), Prof. Dr. T. Hölscher (Heidelberg) und Prof. Dr. J. Rüpke (Potsdam) wichtige Anregungen in archäologischer und philologischer Hinsicht, Prof. Dr. F. Graf (Basel) und Prof. Dr. H. G. Kippenberg (Bremen) darüber hinaus die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe 'Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten' zu verdanken. Der Deutsche Akademische Austauschdienst ermöglichte mir im Zuge meiner

Vorwort

VII

Forschungen einen mehrmonatigen Rom-Aufenthalt zur intensiven Recherche am Deutschen Archäologischen Institut. In ganz besonderer Weise gebührt jedoch der Dank meinen Eltern und meiner Schwester, die mich in all meinen Vorhaben in jedweder Art untersttizt und während der gesamten Zeit meines Studiums sowie vor allem während der Promotionsphase mir mit ihrer Zuwendung und Aufmunterung stets zur Seite standen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.

Münster, im Juni 1998

Anne Viola Siebert

Inhaltsverzeichnis

1 Methode, Ziel und Forschungsgeschichte 1.1 Methode und Ziel 1.2 Forschungsgeschichtliche Anmerkungen

1 1 4

2

Religion und Kult. Ein kurzer Überblick 2.1 Die Opferzeremonien im römischen Kult

9 11

3

Quellenlage 3.1 Die archäologischen Quellen 3.2 Die literarischen Quellen

17 17 18

4

Opfer- und Kultgeräte 4.1 Die Gefäße 4.1.1 Die acerra 4.1.2 Trankopfergefäße 4.1.2.1 Kannen und Krüge 4.1.2.2 Die Spendeschale-paiera 4.1.2.3 Das polybrum 4.1.2.4 Die Schöpfgefäße 4.1.2.5 Exkurs: Gefäße der Vestalinnen 4.1.2.6 Opferschalen 4.1.3 Gefäße zum Kochen des Opferfleisches 4.1.4 Opferkörbe 4.2 Die Schlaggeräte 4.2.1 Die securis und die sacena 4.2.2 Die dolabra 4.2.3 OCT malleus 4.3 Die Schneidegeräte 4.3.1 Die secespita 4.3.2 Der culter 4.3.3 Das clunaculum 4.4 Schlaggeräte und Messer: Verwendung im Tieropfer 4.5 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer 4.5.1 Die ara

25 26 27 31 32 40 45 47 52 55 59 63 68 70 73 74 75 75 79 84 85 88 90

χ

Inhaltsverzeichnis

4.5.2 4.5.3 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3

Tragbare Altäre und Räucherständer Die Opfertische Kultmusik und Musikinstrumente Di e tibia Die tuba und das cornu Die fidia Sonstige im Opferkult gebräuchliche Geräte Das mantele Das aspergillum Di enapurae

93 98 103 104 105 107 108 108 110 115

5

Priestergeräte und Insignien 5.1 Die'Tracht-Zeichen' 5.1.1 Der galerus 5.1.2 Oie corona spicea 5.2 Die Insignien-Zeichen 5.2.1 Oerlituus 5.2.2 Die 'Symbol-Geräte'

117 118 118 128 130 130 132

6

Zeremonialschmuck 6.1 Oie, ínfula 6.2 Di edorsualis 6.3 Das frontalium

137 137 139 143

7

Chronologie und Vorbilder

147

8

Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Opfer-und Kultgeräte 8.1 Öffentliche Repräsentation 8.1.1 Politik und Propaganda 8.1.2 Kaiserkult und religiöse Selbstdarstellung 8.2 Private Repräsentation 8.2.1 Grab-und Totenkult 8.2.2 Schmuck und Bildzeichen 8.3 Exkurs: Die Opferschale als Friedenssymbol 8.4 Resumé

157 158 158 167 176 176 196 199 201

9

Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte 9.1 Gefäße und Behältnisse 9.2 Schlaggeräte 9.3 Schneidegeräte 9.4 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer 9.5 Musikinstrumente

203 204 242 247 250 257

Inhaltsverzeichnis

9.6 9.7 9.8

Sonstige Priestergeräte und Insignien Zeremonialschmuck

XI

260 264 269

10 Zusammenfassung

273

11 Katalog der Denkmäler 11.1 Rom und Italien 11.2 Die Provinzen 11.3 Realia 11.4 Numismatische Zeugnisse

275 276 311 319 320

Bibliographie Museums-und Aufbewahrungsverzeichnis Verzeichnis der Abbildungen und Tafeln Griechische und lateinische Bezeichnungen der Opfer-, Kultund Priestergeräte Sachregister

332 351 353 355 359

1 Methode, Ziel und Forschungsgeschichte

1.1 Methode und Ziel Grundlagen des römischen Staates, der res publica, sind Kult und Religion. Daher ist die römische Kultur geprägt von sakralen Ordnungen und kultisch-religiösen Handlungen. Sie haben Eingang in das tägliche Leben gefunden und dieses maßgeblich mitbestimmt. Religiöse Vorschriften und Symbolik erfuhren dabei ihren Niederschlag in der bildenden Kunst und in zeitgenössischen literarischen Werken. Diese Bereiche spiegeln deutlich die vom Staat verordnete und die im Privatleben ausgeübte Religiosität wider und geben Einblick in kultische Handlungen und Opferrituale. Die Untersuchung der für die Durchführung dieser Opferrituale notwendigen Opfer-, Kult- und Priestergeräte sowie der Trachtbestandteile gibt trotz eines nur geringen Ausschnittes aus diesem kultisch-sakralen Bereich einen Einblick in Kultverhalten, Kultausübung und die soziale Zusammensetzung der am Kult beteiligten Personengruppen. Ziel ist die möglichst vollständige Zusammenstellung und die archäologische Aufarbeitung, d.h. kritische Untersuchung der für den reibungslosen Ablauf einer im römischen Staatskult vollzogenen Kult- und Opferzeremonie notwendigen Hilfsmittel und deren religions- und sozialhistorische Einordnung in den rituellen Zusammenhang. Berücksichtigt werden archäologische Denkmäler der späten Republik und der Kaiserzeit in Verbindung mit den zeitgenössischen literarischen Quellen, die jeweils Aussagen zu kultischen Tätigkeiten oder zu mit dem Kult verbundenen Geräten liefern. Diese Eingrenzung ergibt sich daraus, daß für die frühe Republik das Bildmaterial sehr spärlich ist und ab Mitte des 4. Jhs. n. Chr. das christliche Bildgut in den Vordergrund tritt. Ebenfalls werden, um einen Gesamteindruck der verwendeten Geräte zu geben, die nur aus dem Schriftgut überkommenen Geräte mit in die

2

1 Methode, Ziel und Forschungsgeschichte

Untersuchung einbezogen. Durch den Vergleich mit den Schriftquellen soll die z.T. nicht aus dem bildlichen Kontext ablesbare Funktion innerhalb kultischer Handlungen und des religiösen Lebens der Römer rekonstruiert werden. Opfergeräte sind Geräte, mit denen unmittelbar geopfert wird. Sie stehen mit dem Opfervorgang in ursächlichem Zusammenhang, sind 'aktiv' daran beteiligt. Zu dieser Gruppe sind Geräte zu zählen wie Kanne und Schale beim Trankopfer oder das Messer, mit dem die Tötung des Opfertieres vollzogen wird. Kultgeräte dagegen werden beim Opferritual verwendet, können aber auch anderweitig genutzt werden und stehen für vor- und nachbereitende oder begleitende Maßnahmen zur Verfügung. Sie sind 'passiv' in das Opfergeschehen eingebunden. Diese Unterscheidung scheint gerechtfertigt zu sein, denn eine Einschränkung nur auf die Geräte, mit denen das eigentliche Opfer vollzogen wird, ist im Zusammenhang mit der gesamten Kultausübung unzureichend. Um die Kultrituale umfassend verstehen zu können, ist es darüber hinaus notwendig, die Frage nach ihren Trägern zu stellen, nach den Priestern und den priesterlichen Sodalitäten. Das Kultpersonal (Opferdiener und Musiker) ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung; sie werden nur dann berücksichtigt, wenn sie im Zusammenhang mit der Erläuterung bestimmter Opfer- und Kultgeräte von Interesse sind.1 Dies geschieht, indem die priesterliche Tracht, ihre einzelnen Bestandteile sowie die Insignien der einzelnen Priesterkollegien näher erläutert werden. Dabei fällt es manchmal schwer, eine scharfe Abgrenzung zwischen Trachtbestandteil und Insigne (z.B. bei den Flamines) und Priesterinsigne und Opfergerät (z.B. simpuvium) zu ziehen, da manche Geräte - laut unserer Definition - mit einer ambivalenten 'Bedeutung' belegt sind. Im Vordergrund der Untersuchung steht die Herausbildung von Typologie und Erscheinungsform der Gerätschaften, die folgende Leitfragen aufwirft: • Wie sehen die Geräte aus, die aus den literarischen Quellen überliefert werden? • Wo kommen sie vor, d.h. in welchem künstlerischen Zusammenhang finden wir sie? • Wie ist ihre Verwendung innerhalb der kultischen Tätigkeit? Es handelt sich dabei um Geräte aus verschiedenen Funktionsbereichen des Kultes. Sie werden nach systematischen Gesichtspunkten zusammengestellt und betrachtet. Die Gliederung umfaßt dabei folgende Kategorien: Gefäße / Behältnisse, Schlag-

1

Eine umfassende Analyse der Opferdiener- und Kultmusikerdarstellungen sowie ihrer ikonographischen Aspekte in der Kunst ist bereits erfolgt: FLESS 1995. Vgl. auch SPAULDING 1911.

1.1 Methode und Ziel

3

gerate, Schneidegeräte, Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer, Musikinstrumente, priesterliche Trachtbestandteile, die sowohl Kultgerät als auch Amtsinsigne sein können, sowie Zeremonialschmuck. Darüber hinaus wird auf die Erläuterung der Priestergeräte und -insignien Wert gelegt sowie der kultische Schmuck fur die Opfertiere und andere im Kult verwendete Gegenstände in die Untersuchung einbezogen. Um die zu erläuternden Gerätschaften richtig in ihrem kultischen Zusammenhang verstehen zu können, wird ein kurzes, überblickhaftes Kapitel über die Opfergebräuche und -handlungen (Kap. 2) vorangestellt. Die Systematik ( S y s K a f , Kap. 9) stellt die einzelnen Opfer-, Kult- und Priestergeräte gemäß ihrer Funktion aufgegliedert und in alphabetischer Reihenfolge nach den durch die Quellen überlieferten, lateinischen Bezeichnungen in Kurzform dar. Folgendes Schema wird verwendet: Name des Gerätes, Verwendung (V) innerhalb des Opfervorganges, Form (F), Material (M), Denkmäler und Bildträger (D), auf denen das Gerät erscheint, Synonyme, d.h. synonyme Begriffe, etymologische Erklärungen und Deminutivformen für das Gerät (SE). Daneben erscheinen Quellen- (Qu) und Inschriftenverweise (In). Ausgewählte Quellen werden im Volltext wiedergegeben, die einerseits die lateinischen Bezeichnungen nennen und andererseits die Gegenstände in ihrem kultischrituellen Zusammenhang erläutern und beschreiben. Außerdem wird auf moderne Forschungs- und Sekundärliteratur (Lit) verwiesen. Des weiteren werden der Vollständigkeit halber auch Gegenstände in die Untersuchung und den Katalog aufgenommen, die archäologisch (d.h. ikonographisch und real) nicht nachgewiesen werden können. Aufgrund dieses Gliederungsschemas will der systematische Katalog als Materialsammlung für weitere Untersuchungen dienen und ein Instrument für die Benennung einzelner Opfer- und Kultgeräte in die Hand geben. Bei Vorlage der möglichst vollständigen Systematik mag gefragt werden, warum ein gesonderter Denkmälerkatalog (Kap. 11) angeboten wird. Er ist unentbehrlich, weil er die zur Untersuchung herangezogenen Bildträger auflistet, auf Sekundärliteratur und Abbildungen verweist und dann, zwar nur teilweise, d.h. skizzenhaft, die dargestellten Opferszenen beschreibt, aber grundsätzlich alle Opfer- oder Kultgeräte nennt. Er bietet einen repräsentativen Querschnitt der Denkmäler, die in irgendeiner Form Kult- und/oder Opferszenen oder Opfer-, Kult- und Priestergeräte abbilden. Berücksichtigt werden auch diejenigen Denkmäler, die uns heute nur noch durch Zeichnungen bekannt sind, aber für den Gesamtkontext durchaus Aussagekraft besitzen.

1 Methode, Ziel und Forschungsgeschichte

4

Kernfrage und Hauptaufgabe dieser Untersuchung bleiben die Beantwortung der Frage nach dem Sinngehalt - der Aussage und der Erzählabsicht - von Opfer-, Kultund Priestergeräten auf Denkmälern, ebenso die Beantwortung der Frage nach den Zielgruppen, die damit angesprochen werden sollten (Kap. 8). Die Notwendigkeit einer Bearbeitung von Kultgeräten sowie der Riten besteht darin, daß innerhalb der religionshistorischen Forschung seitens der Klassischen Altertumskunde dieser Bereich, der sich mit den Opferpraktiken und den sie betreffenden 'Hilfsmitteln' beschäftigt, ein Desiderat darstellt. Die o.g. Fragestellungen und Ziele sind nicht nur für die Klassische Archäologie von Interesse, sondern müssen übergreifend in allen Altertumswissenschaften diskutiert werden. Der gewählte Arbeitsansatz ist somit der Versuch, zu zeigen, daß die klassischen Altertumswissenschaften zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit zurückfinden müssen, um in gemeinsamer Anstrengung allgemeingültige Antworten zu finden. Die Beurteilung religiöser Hinterlassenschaften gibt nicht nur Auskunft über Formen und Funktionen von Kult, Opfer und den dazu benötigten Gerätschaften, sondern erlaubt Einblicke in das Bewußtsein und das Wesen einer Kultur, die auch die christlich-abendländische Welt maßgeblich geprägt hat.

1.2 Forschungsgeschichtliche Anmerkungen In der archäologischen Forschung werden zahlreiche Begriffe von Opfer-, Kult- und Priestergeräten verwendet. Nicht immer ist ihr Gebrauch einheitlich oder in jedem Falle als richtig erwiesen. Oftmals werden sogar verschiedene Geräte mit ein und demselben Begriff belegt, besonders häufig bei Gefäßen. Daher haben sich Wissenschaftler stets bemüht, die genaue Begriffsbestimmung der einzelnen Geräte herauszufinden. Bereits gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jhs. beschäftigten sich L. BEund der französische Mönch und Privatgelehrte Β . D E MONTFAUCON (1655-1741) mit der Monumentenwelt des griechischen und römischen Altertums. L. BEGER, der 1 6 8 6 in die Dienste des Großen Kurfürsten von Brandenburg trat und dem in dieser Position später auch die Leitung des Antikenkabinetts übertragen wurde, setzte sich in dem bedeutendsten deutschen Monumentenwerk GER 2 ( 1 6 5 3 - 1 7 0 5 )

2

ARCHÄOLOGENBILDNISSE 1 - 2 ; DER ARCHÄOLOGE 188 Nr. 4 7 .

1.2 Forschungsgeschichtliche Anmerkungen

5

vor J. J. WLNCKELMANN - dem Thesaurus Brandenburgicus selectus3 - unter anderem auch mit einigen Opfer- und Kultgeräten auseinander, die sich in der fürstlichen Sammlung befanden. Diese bearbeitete er im dritten Band des Thesaurus, indem er sie mit Text und Abbildungen veröffentlichte. Funktionszuweisungen der einzelnen Geräte sowie Hinweise auf antike Textstellen, die sich mit dem jeweiligen Gerät befassen, bestimmen den interpretatorischen Hauptteil dieses Werkes. Im Rahmen seines Werkes L'Antiquité expliquée et représentée en figures4 beschäftigte sich Β . DE MONTFAUCON im zweiten Band mit dem Untertitel Le culte des Grecques et des Romaines, der sich den religiösen Kulten der Griechen und Römer widmet, auch mit den einzelnen römischen Opfer- und Kultgeräten. Neben deskriptiven Texten zu Form und Funktion der von ihm als zum römischen Kult gehörig interpretierten Geräte gibt er Hinweise auf antike Schriftquellen und bildet in zahlreichen Kupferstichen Umzeichnungen antiker Originale ab. Darauf folgt ein Kapitel, das sich ausschließlich mit den Opferriten und kultischen Handlungen innerhalb der römischen Religion auseinandersetzt. Die Erläuterungen zu den verschiedenen Opfern (blutige, unblutige, staatliche, private Opfer), zur Beschaffenheit der Opfertiere (Aussehen, Geschlecht, Farbe) und den Göttern, denen sie geopfert wurden, sind recht ausführlich. Außerdem widmet er sich dem Ablauf einiger Opferzeremonien, die er anhand von Szenen auf ausgewählten Denkmälern erläutert. Auch hier nimmt MONTFAUCON zur Unterstützung seiner Beweisführung antike Quellen und Abbildungen antiker Denkmäler zu Hilfe5.

3

L. BEGER, Thesaurus Brandenburgicus selectus III (1701). Das Werk erschien seit 1696 in Köln / Spree.

4

Für diese Arbeit stand nur die deutsche Ausgabe zur Verfügung: P. BERNHARD DE MONTFAUCON, Griechische, Römische und andere Alterthiimer für Studierende, Zeichner, Mahler, Bildhauer, Kupferstecher, Gold- und Silberarbeiter und andere Künstler in einen teutschen Auszuge gebrachte von M. Johann Jacob Schatz und mit Anmerkungen versehen von Johann Salomon Semler herausgegeben von Johann Ferdinand Roth (Nürnberg) 1807. V g l . STARK 1 8 8 0 , 1 4 3 f.; SITTL 1 8 9 5 , 1 1 ; HAUSMANN 1 9 6 9 , 1 1 f f . ; D E R ARCHÄOLOGE 1 9 2

Nr.

5 1 ; SICHTERMANN 1 9 9 6 , 7 5 .

5

Trotz der erstaunlichen Genauigkeit seiner Beobachtungen sind B. DE MONTFAUCON in einzelnen Fällen Fehler unterlaufen, indem er Geräte als sakral oder kultisch bezeichnet, von denen wir heute wissen, daß sie anderen Zwecken gedient haben. Als Beispiele sind die unter den Nummern 18-22 auf Taf. LVI erwähnten Ligulae zu nennen, die MONTFAUCON als Geräte des Haruspicium anspricht, aber eher aus dem medizinischen Bereich stammen. Vgl. E. Künzl, BJb 182, 1982, 58 Abb. 5. 69 Abb. 43,5. 90 Abb. 68,8. 109 Abb. 86,1. 2. Die zahlreichen Fehldeutungen hat bereits J. J. WLNCKELMANN in seiner Geschichte der Kunst des Altertums angeprangert: „Montfaucon hat sein Werk entfernt von den Schätzen der alten Kunst zusammengetragen und hat mit fremden Augen und nach Kupfern und Zeichnungen geurteilt, die ihn zu großen Vergehen verleitet haben" (J. J. Winckelmann, Geschichte der Kunst des Altertums, nach Textvorlage von V. Fleischer, Berlin / Wien 1913).

1 Methode, Ziel und Forschungsgeschichte

6

Einen neben L. BEGER und B. DE MONTFAUCON ebenfalls noch recht frühen Ansatz in der Beschäftigung mit Opfer- und Kultriten findet sich bei J. G. GRAEVIUS6 im Thesaurus antiquitatum romanarum (1735), das nach dem Werk des O. PANUVIUS7 De ludís (16. Jh.) entstanden ist. Bei J. G. GRAEVIUS ist die Schrift Romanorum veterum sacra ritusque beigegeben. Hier finden sich zahlreiche Illustrationen, die das bis dahin bekannte Wissen zum Komplex der römischen Opferriten überwiegend recht frei, vereinzelt aber auch sehr genau wiedergibt. Besonders sticht dabei eine Radierung hervor, die in nahezu perfekter Wiedergabe einzelne Aspekte des römischen Kultverhaltens, insbesondere des Staatskultes, illustriert. Versatzstückhaft werden von einzelnen Denkmälern Szenen herausgenommen und zu einer Gesamtschau zusammengesetzt. Durch die richtigen Beischriften werden diese noch zusätzlich erklärt.8 Einen umfangreicheren und wohl zunächst erschöpfenden Versuch zur genauen Begriffsbestimmung der in Opfer und Kult verwendeten Geräte legte R. v. SCHAEWEN in ihrer 1940 erschienenen Dissertation zu römischen Opfergeräten vor.9 Was hier auf den ersten Blick als umfassend erscheint, muß jedoch relativiert werden, da die Geräte kaum in ihrem kultischen Zusammenhang erklärt werden. Ein erläuterndes Kapitel zu Opfer- und Kultriten, das die Einbindung und das Funktionsverständnis einzelner Geräte erleichtern könnte, fehlt völlig. Die Autorin setzt durch die Untergliederung ihrer Arbeit nach Gefäßen und Geräten fur die Libation sowie Gefäßen und Geräten fur das Tieropfer grundsätzliche Kenntnisse des römischen Opferritus und -Vorgangs voraus. Ihre Art der Unterteilung ist insofern unglücklich gewählt, als jedes Tieropfer mit einem Voropfer in Form einer Libation verbunden war und beide so eine Einheit bildeten. Über die Bearbeitung der Opfergeräte hinausgehend, beschäftigt sich die Autorin mit der Tracht und den Insignien der Priester, obwohl diese Dinge zunächst nicht unmittelbar mit den eigentlichen Opfergeräten und demnach mit der Themenstellung in Beziehung stehen. Obgleich die Autorin einen umfangreichen beschreibenden Teil zur Erläuterung der Gerätformen liefert, fehlt doch zur Verifizierung der Angaben ein ausfuhrlicher Abbildungsteil oder -verweis sowie ein vollständiger Katalog, der die zitierten Denkmäler übersichtlich auflistet. Außerdem weist die Arbeit stellenweise Mängel im Verständnis der lateinischen Quellen auf, was falsche Funk-

6

SICHTERMANN 1 9 9 6 , 7 4 f.

7

SICHTERMANN 1 9 9 6 , 6 0 f.

8

S i e h e W R E D E - H A R P R A T H 1 9 8 6 , 1 2 3 N r . 1 3 7 A b b . 7 0 ; F L E S S 1 9 9 5 , 1 3 T a f . 1.

9

SCHAEWEN 1 9 4 0 .

1.2 Forschungsgeschichtliche Anmerkungen

7

tionszuweisungen oder Materialbestimmungen nach sich zieht. Dennoch ist die Untersuchung von R. V. SCHAEWEN bisher die einzige, die zum Opferkult gehörige Gerätschaften in einen Gesamtzusammenhang gebracht hat. Diese Arbeit stellt einen Versuch dar, eine kleine Reihe von Geräten sowohl von archäologischer als auch von philologischer Seite her zu beleuchten. Doch scheint dies nur zum Teil gelungen, so daß die Opfer-, Kult- und Priestergeräte in einer Gesamtschau noch immer ein Forschungsdesiderat darstellen. Daneben liegen zahlreiche Einzelbetrachtungen' 0 vor, die sich jeweils nur mit einem Opfer- oder Kultgerät auseinandersetzen oder eine Gerätgruppe beleuchten, wie z.B. H. MISCHKOWSKI (1917) mit Untersuchungen zu Opfertischen, K. FRIIS JOHANSEN ( 1 9 3 2 ) zu Opferäxten, W . HILGERS ( 1 9 6 9 ) zu diversen und H . U . NUBER (1972)

oder

E . ZWIERLEIN-DIEHL ( 1 9 8 0 )

zu speziellen Opfergefäßen oder

F . DICK

(1973) zu Priestertrachtbestandteilen. Die ausfuhrliche Besprechung der o.g. Arbeiten und Untersuchungen erfolgt an entsprechender Stelle im Rahmen der Analyse der einzelnen Geräte. Mit diesen Einzelbetrachtungen zu Kult- und Opfergeräten erschöpft sich der derzeitige Forschungsstand. Die verschiedenen Einzelartikel der großen Lexika wie Pauly 's Realencyklopädie oder D A R E M B E R G - S A G L I O bieten zusätzliche Hinweise zur obigen Problematik. Daneben sollten die kurzgefaßten Abhandlungen in den bereits um die Jahrhundertwende erschienenen kulturgeschichtlichen Handbüchern von E. G U H L und W. Ko3 NER (Leben der Griechen und Römer [1893]), J. MARQUARDT (Das Privatleben der 2 Römer , Handbuch der römischen Altertümer VII [1886; ND 1990]) und H. B L Ü M NER (Die römischen Privataltertümer, HA WIV 2.2 [1911]) nicht außer acht gelassen werden. Besonders hinzuweisen ist noch auf die Arbeit von G. ROHDE (Die Kultsatzungen der römischen Pontífices [1936]). Im Rahmen der Untersuchung zu den commentarli oder den libri pontificium gibt dieses Werk mit der Interpretation der uns überlieferten Kulttatsachen nützliche Angaben zu einzelnen Opfer- und Kultgeräten in bezug auf ihre Verwendung innerhalb pontifikaler Zeremonien. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß bisher Opfer- und Kultgeräte nur punktuell in ihrer Form und Funktion von archäologischer und philologischer Seite her erläutert worden sind. Selten sind sie in einen Kontext mit allen bekannten Geräten

10 Die ausführliche Besprechung der nachfolgenden Arbeiten und Untersuchungen erfolgt an entsprechender Stelle im Rahmen der Analyse der einzelnen Geräte.

8

1 Methode, Ziel und Forschungsgeschichte

gestellt und dort in ihrer Gesamtbedeutung behandelt worden. Dennoch bieten die genannten Arbeiten fruchtbare Ansätze zur Weiterbeschäftigung mit diesem Thema. Die nun vorliegende Arbeit will versuchen, einen Ausgleich zwischen Singulärbetrachtungen und ausführlicher Darstellung von archäologisch überliefertem Material zu schaffen sowie ein breites Spektrum der in Opfer und Kult verwendeten Geräte aufzuzeigen. Dies geschieht mittels eines deskriptiven Teils zu den Riten selbst, mit der Betrachtung der Gerätschaften im einzelnen, eines übersichtlichen systematischen Katalogs der Geräte sowie eines bequemen Zugangs zu den Quellen anhand des Quellen- und Denkmälerkataloges.

2 Religion und Kult. Ein kurzer Überblick

Zum besseren Verständnis muß das nähere Umfeld, aus dem die zu untersuchenden Geräte stammen, beleuchtet werden. Das bedeutet, die Begriffe 'Opfer' und 'Kult' müssen zunächst aus dem Zusammenhang heraus, d.h. aus der römischen Religion selbst erklärt werden. Wenn hier von 'römisch' oder 'römischer Religion' gesprochen wird1, so geschieht dies aus dem Wissen heraus, daß die Ursprünge Roms und seiner Religion auf latinisch-sabinische Wurzeln zurückgehen und erst unter etruskischem Einfluß und später begannen, sich zu verfestigen2 und konkret herauszubilden. So wie das politische Leben mit von dem Wandel der Staatsformen geprägt war, unterliegt auch der Götterglaube und die Religion einem Wandel, der sich in der Ausprägung unterschiedlicher Kulte und differenziertem Kultverhalten ausdrückt.3 Religio, das sorgfaltige Bedachtsein auf die Pflichten des Kultes und des mit ihm verbundenen Ritus - kurz ausgedrückt „die korrekte Einstellung"4 - , ist - nach Cicero (inv. 2, 161) - für den Römer das, was außerhalb des menschlichen Bereiches wirkt und auf das man Rücksicht nehmen und achtgeben muß: „religio est, quae superioris cuiusdam naturae, quam divinarti vocant, curam caerimoniaque adfert,"5

1

Als kurzen Überblick über die römische Religion und die orientalischen Einflüsse auf das religiöse Leben der Römer siehe den einführenden Aufsatz von VERSNEL 1981, 41 ff.

2

Vgl. PFIFFIG 1975; PALLOTTINO 1988, 306. — Zu Rom in der Königszeit unter latinisch-etruskischem Einfluß: ALFÖLDI 1977. — Allgemeiner Überblick über die Entwicklung römischer Religionsausübung und Götterverehrung in der Frühzeit: WISSOWA 1902, 15-54.

3

Diese komplexe Thematik ist ausfuhrlich erklärt bei KOCH 1960, 94 ff.

4

KOCH 1960, 99.

5

Häufig wird religio auch als cultus deorum umschrieben; vgl. Cie. nat. deor. 2, 8; Val. Max. 1, 1,8.

10

2 Religion und Kult. Ein kurzer Überblick

Religio6 beinhaltet die Ehrfurcht vor zwei wichtigen Bereichen, die im Römischen von den Begriffen sacer und fas umfaßt werden. Sacer7 (heilig) ist vom römischen Verständnis her das, was den Göttern gehört, ihnen verfallen 8 und somit dem profanen Leben, dem profanen Gebrauch entzogen ist. Ebenso ist das Opfer sacrum9. Fasw (Recht, Pflicht) dagegen bezieht sich auf alles, was dem Menschen zu tun erlaubt ist, ohne daß er von religiöser Seite Bedenken haben müßte. Die Einhaltung der Unterscheidung dieser beiden gegensätzlichen Bereiche bedeutet für den Römer Gewissenhaftigkeit, Beachtung dessen, was heilig ist, und Rücksichtnahme auf die Ansprüche der höheren Mächte." Es ist das Gebundensein an eine für den Menschen außerhalb seines Wirkungskreises stehende Macht - die Götter. Es äußert sich in der ständigen Bereitschaft oder Verpflichtung, das Verhältnis zu ihnen zu pflegen, Störungen derselben zu vermeiden oder durch bestimmte Handlungen wieder zu beheben. Das stellt die eigentliche Religiosität12 dar. Die Römer selbst bezeichnen sich als frommes Volk, dessen Charaktereigenschaft es ist, stets den Willen der Götter zu er- und hinterfragen, sie mit Festen zu verehren. Eine sehr treffende Definition von Religion hat F. P F I S T E R gegeben, indem die Vielschichtigkeit dieses Phänomens beschrieben und herausgehoben wird: „Unter Religion verstehe ich das in Handlungen [...] oder in Erzählungen [...] oder in künstlerischer Gestaltung [...] oder in begrifflicher Reflexion [...] sich äußernde Verhältnis zu einer nach

6

WISSOWA 1 9 0 2 , 3 1 8 m i t A n m . 3; KOBBERT 1 9 1 4 , 5 6 5 f f . ; LATTE 1 9 6 0 , 3 9 ; WLOSOK 1 9 7 0 , 3 9 ff.; MUTH 1 9 7 8 , 2 9 0 f f . insb. 3 2 7 ; MUTH 1 9 8 8 , 2 1 8 ff. m i t A n m . 5 7 7 u. 5 8 2 .

7

WISSOWA 1902, 3 2 5 f.; R E I A 2 ( 1 9 2 0 ) 1626 ff. s.v. S a c e r ( G a n s c h i n i e t z ) ; LATTE 1 9 6 0 , 3 8 ; K1P

4 (1979) 1486 f. s.v. Sacer (Abel). 8

Damit sind auch Menschen gemeint. Da man nur in äußersten Ausnahmefallen Menschen opferte - dies galt als unrömisch - , wurden diese fur sacer erklärt und waren damit 'vogelfrei'. Durch diesen Akt wurden sie den Göttern zur Verfugung gestellt, waren ihnen verfallen. — WISSOWA 1902, 354; MUTH 1988, 306 Anm. 805. — Ein Verbot von Menschenopfern in Rom wurde erst 97 v. Chr. eingeführt: Plin. nat. 30, 12. Zu dieser komplexen Problematik sowie der römischen Auffassung und Einstellung zu Menschenopfern: SCHWENN 1915.

9

Die lateinische Bedeutung von Opfer ist sacrificium. Es ist der Akt, bei dem eine Sache oder ein Lebewesen in den Besitz einer Gottheit übergeht. — Isid. orig. 6, 19, 38: sacrificium, quasi sacrum factum". — DAREMBERG-SAGLIO IV.2 (1911) 973 ff. s.v. Sacrificium (Toutain).

10 RE VI.2 (1909) 2001 s.v. Fas (Waser); LATTE 1960, 38; KIP 2 (1979) 516 s.v. Fas (Eisenhut). 11 WISSOWA 1 9 0 2 , 3 1 8 ; KOBBERT 1 9 1 4 , 5 7 2 ; LATTE 1 9 6 0 , 39; MUTH 1 9 7 8 , 3 0 7 . 12 LATTE 1 9 6 0 , 3 9 ; WLOSOK 1 9 7 0 , 4 1 . 4 3 .

2.1 Die Opferzeremonien im römischen Kult

11

dem Glauben des Menschen in irgendwelchen Wirkungen sich kundtuenden Kraft [ - r ·

1 3

Gemäß dieser Definition ist der Kultus die äußere Form der Religion, in der sich die Verehrung der höheren Mächte, der Götter, vollzieht und darüber hinaus hilft, allgemein auf sie zu wirken.14 Dies wird mit verschiedenen Mitteln zum Ausdruck gebracht. Nur wenn man sich dieser Mächte {pax deorum) sicher ist, hat jeder einzelne die Gewähr, daß sie auch in jeder Situation wirken. Im Vordergrund stehen dabei Gebete und Opfer15, wobei das Opfer den Mittelpunkt des römischen Götterkultes bildet. Daneben finden akustische Elemente16 Geräusche jeder Art, Gesänge und Musik - ebenso Eingang in Kultpraktiken wie bestimmte Bewegungen17, etwa das Niederknien oder Tänze. Die drei Begriffe religio, cultus und sacrificium können nicht voneinander getrennt werden18, ohne daß es zu einer Begriffseinengung kommt. Denn alle drei Begriffe bedingen sich gegenseitig, wobei cultus und sacrificium zusammen die religio bilden. Sie ihrerseits steht in enger Beziehung zur pietas, die durch die äußere Kultausübung (religio) stets bekräftigt werden muß.19

2.1 Die Opferzeremonien im römischen Kult Das Spektrum der in Opfer und Kult verwendeten Gerätschaften, Gefäße und Instrumente, der priesterlichen Attribute und Trachtbestandteile ist vielfältig. Es ist für ihre weitere Betrachtung notwendig, zuerst die sakralen Grundlagen zu erläutern, nämlich die Opferzeremonien selbst. Es soll jedoch nicht versucht werden, alle Teilbereiche der römischen Opfer und ihrer einzelnen Abläufe in ihrem gesamten

13 PFISTER 1 9 2 2 , 2 1 0 7 f.

14 MuTH 1978, 339. — Die moderne Religionswissenschaft definiert den Begriff 'Kult' als religiöse Handlungen in ihrer Gesamtheit; vgl. Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe 3 (1993) 474 f. (Lang). 15 Das Opfer ist die einfachste und primäre Handlung im Gottesdienst. — WISSOWA 1902, 344 f.; BURKERT 1 9 8 1 , 1 1 0 ; SCHOLZ 1 9 8 1 , 2 8 9 . 16 PFISTER 1 9 2 2 , 2 1 5 1 f.; WILLE 1 9 6 7 , 2 6 f f . 17 PFISTER 1 9 2 2 , 2 1 5 8 f f . 18 MUTH 1 9 7 8 , 2 9 9 m i t A n m . 2 7 . 19 V g l . MUTH 1 9 7 8 , 3 4 2 f.; MUTH 1 9 8 8 , 2 1 8 f. A n m . 5 7 6 .

12

2 Religion und Kult. Ein kurzer Überblick

Umfange darzustellen. Der kurze Überblick hat zum Ziel, den allgemeinen Opferablauf aufzuzeigen, um der anschließenden Erläuterung der Opfer-, Kult- und Priestergeräte die für ihr Verständnis notwendige Grundlage zu vermitteln.20 Das Opfer ist eine der einfachsten Arten, sich gegenüber einer Gottheit zu äußern. Der lateinische Ausdruck fur diesen Vorgang ist immolatio und bedeutet ursprünglich das Bestreuen des Tieres mit gesalzenem Spelt (mola salsa21·, Fest. 110 M. 97 L. s.v. immolare) als Akt der Reinigung vor der eigentlichen Tötung. Allgemein wird der Begriff immolatio aber auch gerade für Tieropfer verwendet. Eng verknüpft mit dieser Art des Opfers sind die Trank- und Rauchopfer, im lateinischen libatio, die als Voropfer vor großen Opferakten vollzogen werden.22 Unblutige Opfergaben, die gerade im Hauskult dargebracht wurden, sind Erstlinge des Feldes (primitiae), Abgaben vom täglichen Speisetisch, aber auch Räucherwerk und Lichtspenden.23 Blutige Opfergaben, d.h. Tieropfer, sind schon in der Frühzeit im Kult nicht unbekannt. Demnach kennt die römische Religion zwei Arten von Opfern, die blutigen und unblutigen. Bei den unblutigen Opfern werden flüssige Gaben wie Wein24 oder Milch auf den Altar gegossen. Ebenso werden dabei Gewürze, Kräuter, Weihrauch, außerdem Früchte25, Kuchen und mola salsa verbrannt. Beim blutigen Opfer steht immer die Schlachtung eines Tieres (hostia26) im Mittelpunkt der Handlung. Doch wird nicht irgendein Tier dafür ausgewählt, sondern das zu opfernde Tier muß bestimmten Anforderungen entsprechen. Das erste Gebot ist die Makellosigkeit. Es muß purus sein, d.h. es darf keinerlei Anzeichen äußerer

20 An dieser Stelle wird allerdings auf die Erläuterung der einzelnen Rituale der kleineren Priesterschaften und Sodalitäten verzichtet, da dies den Rahmen einer allgemeinen Einführung sprengen würde. Die Kulthandlungen der kleineren Gruppen finden im Zusammenhang mit der Besprechung der einzelnen Gerätschaften und Priesterinsignien im zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung Platz, insofern sie für die Interpretation der Geräte wichtig sind. — Ausfuhrliche Darstellung der einzelnen Opfergebräuche bei WLSSOWA 1902, 344 ff.; LATTE 1914, 1122 ff.; LATTE 1 9 6 0 , 3 7 5 f f . ; SCHOLZ 1 9 8 1 , 2 8 9 ; OGILVIE 1 9 8 4 .

21 Fest. 141 M. 124 L.: „mola etiam vocatur far tostum et sale sparsum, quod eo molito hostiae asperganturPaul. Fest. 142 M. 125 L. — RE XV.2 (1932) 2516 f. s.v. Mola salsa (Koch). Zur Verwendung und Eigenart von mola salsa im römischen Kult: PROSDOCIMI 1991, 1297 ff. 2 2 PFISTER 1 9 1 4 , 2 6 7 f f . ; HANELL 1 9 3 7 , 2 1 3 6 f f . 2 3 WISSOWA 1 9 0 2 , 3 0 .

24 Cato agr. 132. 134; Ο v. fast. 2, 653. 4, 935. — Zur besonderen Signifikanz des Weines im Opferkult: KIRCHER 1910. 25 farra: Ον. fast. 1, 338; 2, 519. — f r u g e s : Ο v. fast. 2, 651; Cie. leg. 2, 8; Plin. nat. 18, 7. — baccae: Cie. leg. 2, 8. 26 RE VIII.2 (1913) 2498 ff. s.v. Hostia (Meyer).

2.1 Die Opferzeremonien im römischen Kult

13

Verletzungen des Fells aufweisen, wie es z.B. durch das Tragen eines Joches der Fall gewesen wäre. Auch ein bestimmtes Alter ist ein Auswahlkriterium.27 Weiterhin sucht man die Tiere nach Farbe und Geschlecht aus. Von Arnobius (nat. 7,19) wird überliefert, daß den himmlischen Göttern weiße, analog dazu den unterirdischen schwarze, den weiblichen weibliche und den männlichen männliche Tiere geopfert wurden. Ganz so scharf abgegrenzt darf diese Aussage jedoch nicht gesehen werden, die Wahrheit liegt wahrscheinlich dazwischen. Arnobius hatte als Theoretiker und Christ erstens kein so großes Interesse an den eigentlichen Tatsachen und zweitens verallgemeinert er somit. Daneben regeln genaue Vorschriften, welche Tierarten den einzelnen Gottheiten geopfert werden dürfen.28 Das übliche Opfertier war zunächst, da es im häuslichen Bereich am häufigsten gehalten wurde, das Schwein (Varrò rust. 2, 4, 9). Zusammen mit dem Rind und dem Schaf als weitere Vertreter aus den Reihen des Nutzviehs bildete es dann das bedeutendste Opfer, das Suovetaurilium, das im Staatskult, gerade auch in späterer Zeit, vollführt wurde. Nachdem das Opfertier ausgewählt worden ist, wird es - mit Ausnahme der Schafe, deren Vlies schon alleiniger Schmuck war - geschmückt. Binden werden um den Kopf gebunden, von denen Quasten bzw. Bänder herabflattern; ein breites, in Fransen endendes Rückentuch wird über den Rücken gelegt. Rindern kann bisweilen noch ein dreieckiges Gestell mit bunten Bändern zwischen die Horner gesetzt werden.29 Danach werden die Tiere in feierlicher Prozession zum Opferplatz gefuhrt, wo zu Beginn der Handlung ein Herold Schweigen befiehlt, die Unreinen des Platzes verweist30 und mit dem Ausruf 'hoc age' (Plut. Num. 14, 2) Aufmerksamkeit und Ruhe fordert, damit keine unheilverheißenden Laute das Opfer stören. Durch Cato (agr. 132) ist die einleitende Formel überliefert, die der Opferherr vor dem Opfer und dem Opfermahl des privaten Bereichs spricht: Jovi dapali culignam vini quantam vis polluceto; eo die feriae bubus et bubulis et qui dapem facient. cum pollucere oportebit, sic facies: lupiter dapalis, quod tibi fieri oportet in domo familia mea culignam vini dapi, eius rei ergo macte hac illace polludendo esto '. manus interluito,

27 Plin. nat. 8, 206; Vario rust. 2, 4, 16. 2 8 V g l . WISSOWA 1 9 0 2 , 3 4 7 ff.; LATTE 1 9 1 4 , 1 1 2 0 ; LATTE 1 9 6 0 , 3 7 9 ff.

29 Siehe auch Kap. 6.1-3, S. 137 ff. 30 ,j?rocul, o proeul este profani'. — Dieser Ausruf ist mythisch begründet. Die Sibylle rief ihn aus, als Aeneas das Opfer am Eingang zur Unterwelt vollzog: Verg. Aen. 6, 258.

14

2 Religion und Kult. Ein kurzer Überblick

postea vinum sumito: 'Iupiter dapalis, macte istace dape pollucenda esto, macte vino ferio esto '."31 Nun kann das durch Flötenspiel begleitete Opfer beginnen. Zu Anfang reinigt sich der Opfernde die Hände mit Wasser aus einem fließenden Gewässer32, wobei ihm ein Opferdiener (minister33) aus einer Kanne das Wasser über die Hände gießt und ihm anschließend ein Handtuch reicht.34 Dieser Akt ist nötig, um sich der kultischen Reinheit, die höchstes Gebot fur Mensch, Opfertier und Opfergerät ist, sicher zu sein.35 Ein Voropfer, bestehend aus Wein und Weihrauch, findet am Altar, einem Kohlebecken oder einem tragbaren Räucherständer statt. Das Tier wird mit Wasser gereinigt36 und die eigentliche immolatio vollzogen: dem Tier werden Wein und mola salsa, die von den Vestalinnen zubereitet wird37, über den Kopf gestreut; ebenso wird der gesalzene Spelt über das Messer und den Altar gegeben, wobei der Spelt mit einem Behältnis wieder aufgefangen wird.38 Nach diesen Voropfern wird das Tier losgebunden und sein Schmuck entfernt. Als symbolische Opferung - die eigentliche Tötung überläßt der Opfernde in historischer Zeit Opferschlächtern - zieht der Opferherr mit dem Messer einen imaginären Strich von der Stirn bis zum Schwanz des Tieres.39 Dann beginnt die Schlachtung. Zwei neben dem Tier kniende Opferschlächter drücken es zu Boden und biegen den Kopf nach links, während der Opferherr am Altar erneut eine Wein- und Weihrauchspende darbringt.

31 Siehe auch LATTE 1927, 13. 32 Verg. Aen. 4, 635; georg. 4, 377; Liv. 1, 45, 6; O y. fast. 4, 778. 33 FLESS 1995, 15 ff. 43 f. 48 ff. wählt zunächst als Bezeichnung für den jugendlichen Opferdiener 'minister', da dieser neutral, ohne Bezug auf den sozialen Rang der Person anwendbar ist, obwohl sich in der Forschung allgemein 'camillus' durchgesetzt hat. Camillus ist aber nur im Zusammenhang mit dem Flamen oder der Flaminica korrekt. 34 Verg. georg. 4, 377; Serv. Aen. 1, 701. 35 LATTE 1914, 1127; LATTE 1960, 385. — Waschung als apotropäische Handlung: NUBER 1972, 109 ff. 36 O y. fast. 1, 327; Dion. Hal. ant. 1, 72, 15. 37 Paul. Fest. 65 M. 57 L.; O y. fast. 3, 284; Verg. Aen. 2, 133; Serv. Ecl. 8, 82. — RE I A 2 (1920) 2093 f. s.v. Salz (Blümner); RE XV.2 (1932) 2516 f. s.v. Mola salsa (Koch). 38 Cie. div. 2, 37; Serv. Aen. 133. — WlSSOWA 1902, 352. 39 Cato agr. 132; Serv. Aen. 12, 120.

2.1 Die Opferzeremonien im römischen Kult

15

Der Opferschlächter (popa40) erhebt sein Schlaggerät und bittet um Erlaubnis, zuschlagen zu dürfen ([agone741). Nachdem dieses bejaht worden ist, versetzt er dem Tier den betäubenden Schlag, worauf ein weiterer Opferschlächter (victimarius42) das Messer an den Hals setzt (supponere cultros4i) und es in die Schlagader stößt. Damit ist der eigentliche Opfervorgang, die animales hostiae, bei der nur das Leben des Tieres geopfert wird, beendet (Macr. Sat. 3, 231). Handelt es sich jedoch um eine consultatoria hostiae (Macr. Sat. 3, 5, 5), wird anhand der Eingeweideschau (extispicium, haruspicium) der Götterwille erkundet.44 Dabei werden dem Tier die Eingeweide (exta) entnommen und auf ihren Zustand hin untersucht.45 Sind sie einwandfrei, hat die Gottheit das Opfer akzeptiert, wenn nicht, muß die Zeremonie mit weiteren Tieren so lange wiederholt werden, bis keinerlei Makel mehr auftreten. Nachdem die exta entnommen sind, werden sie mit mola salsa bestreut und gekocht.46 Nach dem Abkühlen werden sie mit einem Messer zerkleinert und vom Opferherrn als Mahlzeit fiir den Gott auf den Altar gelegt.

40 Suet. Cal. 32; Serv. Aen. 12, 120. — Zum Opferschlächter: FLESS 1995, 70 ff. 41 Sen. contr. 2, 3, 19; As. Pollio: ,filius inquit, cervicem porrigit, carnifex manum tollat, respicat adpatrem et dicat: agone?"·, Ον. fast. 1, 322.

deinde

42 FLESS 1995, 70 ff. 90 ff. 43 Verg. Aen. 6, 248; georg. 3, 492; Serv. Aen. 6, 248; Ov. met. 8, 599. 44 RE VII.2 (1912) insb. 2449 ff. s.v. Haruspices (Thulin); RAC 13 (1986) insb. 658 ff. s.v. Haruspex (Ter Vrugt-Lentz). 45 Cie. div. 1, 118. 2 , 3 5 . 46 Varrò ling. 5, 104; Plaut. Rud. 135.

3 Quellenlage

3.1 Die archäologischen Quellen Das reichhaltige archäologische Quellenmaterial, das für die Untersuchung zu den Opfer-, Kult- und Priestergeräten herangezogen werden kann, umfaßt eine Reihe unterschiedlicher Gattungen. An dieser Stelle soll nur kurz auf die einzelnen Gruppen verwiesen werden, da im weiteren Verlauf bei der Besprechung der Gerätschaften näher auf den Charakter dieser besonderen Zeugnisse eingegangen werden wird. Vollständigkeit bei einem derart disparaten und großen Denkmälerbestand zu erreichen, ist illusorisch. Anzumerken ist, daß der Hauptbestandteil der zu besprechenden Denkmäler aus der römischen Kaiserzeit stammt. Wir bewegen uns in einem zeitlichen Rahmen zwischen dem 1. bis 3. Jh. n. Chr. Vereinzelte Objekte früherer oder späterer Epochen sollen dennoch nicht unbeachtet bleiben. Alle Bildträger beziehen sich in ihrem Inhalt eindeutig auf das kultische Opferritual. Die künstlerische Formensprache variiert von 'ausschweifend', d.h. ausführlich in der Wiedergabe auch von Kleinigkeiten bis hin zu eher 'nüchterner' Ausdrucksweise. Dies ist insbesondere der Fall, wenn einzelne Geräte nur singulär, z.B. auf Altären, wiedergegeben werden. Daneben werden Motive, gerade bei Opferszenen, häufig versatzstückhaft verwendet und dem äußeren Format des Denkmals angeglichen. Auf eine reiche Ausschmückung treffen wir in erster Linie bei den großformatigen Reliefs. Eine umfangreiche Gruppe stellen Bildträger dar, die die betreffenden Geräte in Szenen aus dem Kult (Prozessionen, Libations- oder Tieropfer) abbilden. Dazu gehören großformatige Reliefs, in der Regel die 'Historischen Reliefs', Reliefs auf Altären und Sarkophagen, Abbildungen an Ehren- und Triumphbögen, Münzbilder, Malereien und Mosaiken. Daneben werden die Geräte auch von ihrem kultischen Zusammenhang losgelöst dargestellt. Diese finden sich auf dekorativen Friesen, oft aus architektonischem Kontext, auf Altären, wo sie oftmals die Nebenseiten singulär oder in Verbindimg mit weiteren Geräten schmücken, sowie auf Münzbildem und

18

3 Die Quellenlage

auf Gemmen. Hier erscheinen diese Geräte als Insignien einzelner Priesterkollegien. Auffallend ist das Vorhandensein der Opfer- und Kultgeräte nicht ausschließlich auf Denkmälern des sakralen oder sepulkralen Bereichs, sondern ihre recht häufige Repräsentanz in profanem Zusammenhang. Die Masse des archäologischen Materials ist sehr umfangreich, so daß nur ein repräsentativer Teil in die Untersuchung einbezogen werden kann. Jedoch ist das Repertoire an einzelnen Formen, im Gegensatz zu den vielen in der Literatur überlieferten Opfer- und Kultgeräten, in wesentlich geringerem Maße archäologisch nachzuweisen.

3.2 Die literarischen Quellen Neben den zahlreichen archäologischen Quellen trägt bei der Behandlung römischer Opfer-, Kult- und Priestergeräte die literarische Überlieferung einen wesentlichen Teil für ihr Verständnis bei. Diese Quellen bieten in Ergänzung zum Bildbestand zusätzliche Informationen hinsichtlich Benennung, Form und Funktion oder farblicher Gestaltung bestimmter Geräte. Hinweise auf römische Opferrituale und -Vorgänge sowie allgemeines kultisches und priesterliches Gerät begegnen in fast allen Gattungen der lateinischen Überlieferung. Dabei fallen drei Formen besonders ins Gewicht: die Lexikographie, die Dichtung und die Annalistik. Von den Werken des lexikographischen Bereichs sind zunächst die des Varrò (de lingua latina)' zu nennen. Obwohl die Verweise aus de lingua latina am gesamten hier betrachteten Quellenmaterial nur rund 5 % ausmachen, liefern sie dennoch allgemeingültige und wertvolle Angaben zum eigentlichen Gegenstand dieser Untersuchung. Die Fragmente (Antiquitates rerum Divinarum und De vita populi Romani) lassen darüber hinaus ergänzende Informationen über die römische Frühgeschichte und Religion zu. Bereits während der ausgehenden Republik war es für die Römer schwierig, den Ursprung der eigenen Religion nachzuvollziehen. Da Varrò eine Kulturgeschichte des römischen Volkes am Herzen lag, kommt den etymologischen Ausführungen, wie sie in diesem Werk im Vordergrund stehen, besondere Bedeu-

1

Marcus Terentius Varrò, D e lingua latina ( 4 7 ^ 5 ν. Chr.), De vita populi Romani (um 43 ν. Chr.). — ALBRECHT 1992, 4 7 2 ff. — Allgemein zur Darstellung der römischen Religion bei Varrò: CARDAUNS 1976; CARDAUNS 1978, 80 ff.

3.2 Die literarischen Quellen

19

tung zu.2 Um seinen Lesern diesbezüglich eine Hilfestellung zu geben, fügte Varrò im 6. Buch eine Erläuterung römischer Feste und Festtage sowie den Kalender ein unter Verzicht auf nicht-römische (d.h. griechische und orientalische) Einflüsse. In den res divinae, die in unserem Zusammenhang allerdings nicht ins Gewicht fallen, da sie nur unzureichend überliefert sind, beweist Varrò ebenfalls große Kenntnis bezüglich des römischen Kultwesens. In diesem Werk widmet er sich ausschließlich der Besprechung der einzelnen Priesterschaften, Kultstätten, des Festkalenders, der Riten und der Götter. 3 Daneben tritt Festus als einer der wichtigsten Lexikographen für unseren Bereich auf. Gemeinsam mit den Anmerkungen seines unter Karl d. Gr. arbeitenden Kommentators und Bearbeiters Paulus Diaconus (um 720-799), dem die Rekonstruktion zahlreicher verlorengegangener Passagen des Festus-Originals zu verdanken ist, nehmen statistisch gesehen Festus' Aussagen mit ca. 15 % den breitesten Raum innerhalb des Quellenmaterials ein. Sein Glossar De verborum significatu* bietet umfangreiches Material über Bräuche, Lebensweise, Religion und Sprache der Römer. Es geht auf das maßgebende lateinische Wörterbuch gleichen Namens des Verrius Flaccus zurück, der in augusteischer Zeit arbeitete. Trotz der Tatsache, daß die Schaffenszeit des Festus in das 2. Jh. n. Chr. fallt, reflektiert sein Werk die 'Sprachwelt' der augusteischen Zeit. Somit bietet Verrius Flaccus über Festus einen tiefen Einblick in den Sprachgebrauch des religiösen Lebens dieser Epoche; vor allem aber ging es Verrius Flaccus um die Zusammenstellung und Erklärung nicht mehr im allgemeinen Sprachgebrauch seiner Zeit verankerter Wörter, Begriffe und Bedeutungen. Verrius Flaccus' Werk erhebt daher den Anspruch, „ein Bild der alten Zeit und ihrer Einrichtungen, denen ja in jener Zeit sich das Hauptinteresse des Römers zuwandte, zu geben". 5 Dennoch dürfen wir uns bei der Lektüre des Festus- bzw. Verrius-Flaccus-Lexikons nicht blind darauf verlassen, daß jede Glosse mit dem Hinweis auf einen sakralen Zusammenhang auch tatsächlich einer pontifikal-sakralen Quelle entnommen ist.6

2

ALBRECHT 1 9 9 2 , 4 8 1 . 4 8 3 .

3

ALBRECHT 1 9 9 2 , 4 7 6 .

4

Sextus Pompeius Festus, De verborum significatu (2. Jh. n. Chr.), auf der Grundlage eines älteren Lexikons des Verrius Flaccus. — ALBRECHT 1992, 693 f.

5

ROHDE 1 9 3 6 , 5 1 .

6

V g l . ROHDE 1 9 3 6 , 5 2 .

20

3 Die Quellenlage

Den Wert solch antiquarischer 'Sammelleidenschaft', wie sie bei Vairo oder Festus zu finden ist und mit der die verschütteten Kenntnisse römischer Religion und Religiosität zusammengestellt wurden7, hat W. FAUTH8 in eindringlicher, wenn auch überzogener Form formuliert: „Selbst der museale Eifer und die enorme Erudition, mit denen Ovids Generationsvorgänger Varrò die verschütteten und überwucherten Trümmer römischen Glaubens zu bergen sich bemühte, mußten ihre Zuflucht zu philosophisch-allegorischen Tüfteleien nehmen, um abgestorbenen und verwahrlosten Reliquien der Väterreligion wieder ein wenig Substantialität zu verleihen; und so gesellen sich bei ihm und anderen notwendig zu den wertvollen authentischen Nachrichten über kultische Praezepta und sakrifizielle Prozeduren Interpretationsversuche etymologischer und ätiologischer Art, die meist wissenschaftlicher Nachprüfung nicht standhalten." Ähnlich wichtig für die Kenntnis antiker Begrifflichkeiten des religiös-kultischen Bereichs, aber auch für die Sprache, Literatur und Kultur der Römer sind die in lexikalischer Form gestalteten originum sive etymologiarum libri XX des Exzerpisten und Kompendiators antiker Literatur Isidoras von Sevilla aus dem 7. Jh.9 Sie sind entstanden aus der Angst der Gelehrten dieser Zeit, daß die von den Römern tradierten kulturellen Errungenschaften in Literatur, Kunst und Philosophie gänzlich einem Bildungsverfall anheimfallen könnten, der sich gerade im westgotischen Bereich manifestierte. Isidoras widmete sich in einzelnen Kapiteln römischen Kulttatsachen, indem er zwar nicht selbst eigene Überlegungen anstellte, sondern früheres, altes Wissen, das zu seiner Zeit Gefahr lief verlorenzugehen, enzyklopädisch zusammenfaßte. In der Hauptsache handelt es sich um Sueton10. Für den Bereich der Dichtung ist Vergils" Aeneis von immenser Wichtigkeit, besitzt sie doch einen religiös-sakralen Grandcharakter. Gebete und Opferhandlungen spielen im Rahmen dieser sagenhaften Darstellung eine große Rolle. Beinahe alle Ereignisse um den mythischen Gründungshelden Aeneas, der göttlicher Führung bedarf und so sein Handeln nach den Göttern ausrichtet, wie es für einen homo religiosus unabdingbar ist, sind von einer kultischen Handlung begleitet. Obwohl die

7

Zu antiquarischer Tätigkeit römischer Schriftsteller und deren Wirkung auf andere Gattungen: RAWSON 1 9 8 5 , 2 3 3 f f .

8

FAUTH 1 9 7 8 , 1 1 3 .

9

MANITIUS 1911, 60 ff.; RE IX.2 (1916) 2069 ff. s.v. Isidoros (Philipp); ALBRECHT 1992, 1022.

1 0 ALBRECHT 1 9 9 2 , 1 1 1 7 .

11 Allgemein zu Vergil: ALBRECHT 1992, 531 ff.

3.2 Die literarischen Quellen

21

Aussagen Vergils innerhalb eines fiktiven, mythologischen Kontextes gemacht werden, decken sich seine Angaben und die seines ebenso wichtigen Kommentatoren Servius12 mit anderen Schriftstellern, so daß hieraus auf reale Kultvorstellungen geschlossen werden darf.13 Eine Fülle an Informationen bietet ebenfalls Ovid in den metamorphoses und den fasti.l4 Hierbei darf jedoch nicht vergessen werden, daß alle Hinweise auf die die römische Religion betreffenden Sachgüter und Kulthandlungen stets vor dem Hintergrund einer literarisch-poetischen Kunstgattung verhandelt werden, die ihren eigenen Gesetzen folgt. Die frühchristlichen bzw. spätlateinischen Schriftsteller tragen ebenfalls einen wichtigen Anteil zur Kenntnis römischer Kulttatsachen bei. Sie behandeln Wesenszüge römischer Religion. Obwohl Arnobius d. Ä.15 in seinem Werk adversus nationes gegen den heidnischen Polytheismus ankämpft, geht er doch unterschwellig auf die Fragen römischer Kultpraxis und deren dazu benötigten Gerätschaften ein. Ebenso erörtert Macrobius16 bereits in der ersten Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. im Rahmen seiner saturnalia antiquarische, historische und philologische Fragen, die z.T. sakral-religiöse Bereiche reflektieren. Neben den Schriftstellern lateinisch-römischer Herkunft ergänzen auch griechisch schreibende Autoren das Bild römischer Sakralaltertümer. Ein wichtiger Repräsentant ist der kleinasiatische Annalist Dionysios von Halikarnassos17, der aufgrund seines 20 Jahre währenden Romaufenthaltes (ab 30 v. Chr.) einen tiefen Einblick in römisches Kultleben nehmen konnte. Mit seiner altrömischen Geschichte, den Ρωμαϊκής Αρχαιολογίας äußert er sich ebenfalls zum Kultverhalten und vor allem zu einzelnen Priesterkollegien, so daß wir in diesem Zusammenhang Informationen zum Aussehen der Priestertracht erhalten. In ähnlicher Weise verfährt auch Livius in seinem Geschichtswerk ab urbe condita.18

12 V g l . HOLSTEIN 1 9 1 5 ; ALBRECHT 1 9 9 2 , 1 1 6 9 .

13 Für den letzten Absatz: LEHR 1934; WLOSOK 1970, 44. Siehe auch BERJNGER 1932. 14 Allgemein zusammenfassend: FAUTH 1978, 104 ff. 15 SCHANZ 1896, 357 ff.; RE II. 1 (1896) 1206 f. s.v. Amobius (Jülicher); NPauly 2 (1997) 22 f. s.v. Arnobius (Mora). 16 RE XIV. 1 (1928) 170 ff. s.v. Macrobius (Wessner). 17 RE V.l (1903) 934 ff. s.v. Dionysios (Schwarz); NPauly 3 (1997) 635 ff. s.v. D. von Halikarnassos (Fornaro). 18 RE XIII. 1 (1926) 816 ff. s.v. Livius (Klotz); ALBRECHT 1992, 659 ff.

22

3 Die Quellenlage

Bei inschriftlichen Quellen haben wir es größtenteils mit Erwähnungen zu tun, die kultisches und priesterliches Gerät als sakral verwendete Gegenstände bezeichnen. Daneben beziehen sich die epigraphischen Zeugnisse häufig auf Kollegien, die sich aufgrund der Verwendung einzelner Geräte zu bei Opfer- oder Sakralhandlungen unverzichtbaren Gruppen entwickelt haben, wie z.B. das collegium tibicinium Romanorum qui sacris publicis praesto sunt19. Inschriften sind aber auch hilfreich bei der genauen Identifizierung einiger Geräte bezüglich Form und Benennung. Dies trifft besonders bei Grabsteinen zu, die Berafsbezeichnungen und das dazugehörige Gerät abbilden.20 Von herausragender Bedeutung hinsichtlich des epigraphischen Materials und der Kenntnis des römischen Festkalenders sind die acta fratrum Arvalium. Die Festprotokolle (acta) und Festlieder dieser für den staatlichen Vegetations- bzw. Saatkult und späteren Kaiserkult zuständigen Bruderschaft sind die vollständigsten schriftlich festgehaltenen Belege eines Kultes aus römischer Zeit. Die Kulthandlungen, der Ablauf von Gelübden wurden festgehalten, und alle anwesenden Mitglieder wurden namentlich aufgeführt.21 Von den 20er Jahren v. Chr. bis in das frühe 4. Jh. n. Chr. sind die Erwähnungen im Wortlaut22 erhalten. Wendungen wie 'in sacris ' und 'a sacris' im Zusammenhang mit Gerätschaften sind oftmals Hinweise darauf, daß den jeweiligen Autoren Quellen zur Verfügung standen, die in irgendeiner Form pontifikales Recht verzeichnet hatten. G. ROHDE interpretiert bzw. übersetzt 'in sacris', das häufig bei Festus und auch Servius zu finden ist, mit 'beim Opfer', 'im Kult' oder 'in sakraler Hinsicht'. Es kann aber auch bedeuten, daß ein Gegenstand, der mit 'in sacris' verbunden wird, in pontifikalen Büchern / Kommentaren erwähnt wurde. Es wäre dann mit 'in sakralen Aufzeichnungen' zu übersetzen. Diese unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten sind zu bedenken, wenn aus den Schriftquellen auf die Verwendung eines Gerätes oder Ge-

19 CIL I.22 988. Vgl. auch CIL VI.l 3877. 3877a. 20 Vgl. SysKat. 55 (culter). — Grabstein aus Capua: GUMMERUS 1913, 83 Abb. 11; ZIMMER 1982, Nr. 137; CIL X 3984. 2 1 HENZEN 1 8 7 4 ; MARQUARDT 1 8 8 5 , 4 4 8 f.; WISSOWA 1 9 0 2 , 4 8 5 f f . ; PASOLI 1 9 5 0 ; LATTE 1 9 6 0 , 3

mit Anm. 3. 65. 278. 295. 310 f.; PALADINO 1988. — Ausführliche Bibliographie zur ArvalProblematik bis 1978: OLSHAUSEN 1978, 820 ff. — Maßgeblich jetzt nur noch SCHEID 1990a und 1990b; auchSYME 1980. 2 2 N O R D E N 1 9 4 1 , 1 0 9 f f . ; RÜPKE 1 9 9 5 , 4 5 f f . — Z u P r i e s t e r b ü c h e r n : SINI 1 9 8 3 .

3.2 Die literarischen Quellen

23

fäßes im Kult geschlossen werden soll. In jedem Fall kann man jedoch davon ausgehen, daß mit diesem Zusatz versehene Ausdrücke auf kultisch-sakral verwendete Gegenstände hinweisen.23

23 Für den letzten Absatz vgl. ROHDE 1936, 55 ff.

4 Opfer- und Kultgeräte

Die meisten Opfer- und Kultgeräte sind durch ihre Form rein funktional bestimmt und haben nur teilweise eigene, spezielle kultisch-sakrale Namen. Werden sie losgelöst aus jedem kultisch-sakralen Zusammenhang betrachtet, bezeichnen sie zunächst Gegenstände, die ebenso im Alltag ihren Platz gehabt haben, so das Messer, die Schöpf- und Kochgefaße. Erst aufgrund besonderer Umstände werden sie zum 'Kultgerät' oder 'Opfergerät', und zwar dann, wenn wir das bestimmte Objekt in Szenen wiederentdecken, die durch eindeutige und klar definierte (Bild)-Chiffren wie z.B. die velatio capitis einen kultischen oder sakralen Akt widerspiegeln. Zu solchen Szenen gehören neben denen im archäologischen Bestand vorkommenden Reliefs, Münzbildern etc. auch die 'Situationsbeschreibungen', die wir in der Literatur als Berichte zu oder von Opfern finden. Dann besitzen wir einen Hinweis, daß profan verwendete Geräte auch im sakralen Umfeld ihren Platz hatten. Die Bildquellen, die Auskunft über Opfer- und Kultgeräte geben, stammen aus vielen Kunstgattungen, sei es auf Reliefs, in der Glyptik oder der Rundplastik. In fast allen Bereichen der römischen Kunst treten diese Geräte zutage, wo sie in sehr unterschiedlichem Zusammenhang anzutreffen sind, und zwar sowohl in szenischen Darstellungen als auch in Einzelabbildungen. Die Wiedergabe dieser Kultgegenstände finden wir im sakralen Kontext z.B. auf Altären oder innerhalb von Tempeldekorationen, im sepulkralen auf Sarkophagen oder Grabsteinen sowie im profanen an öffentlichen Gebäuden und sonstigen öffentlich hervorragenden Bauwerken; darüber hinaus können archäologische Zeugnisse sowohl öffentlicher, politischer wie privater Natur sein.

4 Opfer- und Kultgeräte

26

4.1 D i e G e f ä ß e

Der Verwendungszweck der bei kultischen Handlungen benötigten Gefäße ist sehr vielfältig. Sie werden zur Vorbereitung der Kulthandlung benutzt, aus ihnen oder in ihnen werden flüssige und feste Gaben gespendet, sie werden zum Kochen des Fleisches und der exta sowie zum Umrühren desselben verwendet. Daneben kann aber auch das Blut der geopferten Tiere in ihnen aufgefangen werden. Die meisten Gefaßformen werden auch im profanen Bereich, als Eß- und Trinkgeschirr, verwendet. Jedoch sind häufig die Sakralgeräte kostbar, aus Metall bzw. Edelmetall gefertigt. Gefäße aus Ton erhalten dann einen Platz im Kult, wenn ihnen eine lange Überliefemngsdauer ('aus Numas Zeiten', z.B. das simpuvium, luv. 6, 343) bescheinigt ist, sie also in eine feste reale oder auch ideelle Tradition aus der Gründungszeit Roms und den Anfängen römischer Kultausübung eingebunden sind. Ein breites Spektrum der im künstlerischen Zusammenhang abgebildeten Gefäßformen überliefern die pompejanischen Wandmalereien. Obwohl der Großteil der dort dargestellten Gefäße in einem dekorativen und nicht in einem szenischen Kontext erscheint, können sie in erster Linie zur Formenbestimmung herangezogen werden. Aufgrund der relativ fest datierten Malereien sind wir in der Lage, die augenscheinlich im 1. Jh. n. Chr. verwendeten Gefäße kennenzulernen, obwohl Gefäße oftmals in altertümlichen Formenspektren wiedergegeben werden, um ein kultischsakrales Umfeld besonders akzentuiert herauszustellen. Einen weitgefächerten Überblick über die in der pompejanischen Wandmalerei verwendeten Gefäße gibt die Arbeit von A. E. Riz.1 Daher wird im weiteren Verlauf der Untersuchung auf genaue Analyse der Opfer- und Kultgefäße in pompejanischer Wandmalerei verzichtet; vielmehr werden sie an entsprechender Stelle zum Vergleich herangezogen. Teilweise traten bei der Benennung einzelner Gefäße Schwierigkeiten auf. Dies betrifft weniger die Beschreibung und primäre Funktionszuweisung als vielmehr den Umstand, daß für ein Gefäß mehrere synonym gebrauchte - antike oder moderne Bezeichnungen verwendet werden. Auch diesem Problem soll an gegebener Stelle nachgegangen und dem jeweiligen Gefäß eine allgemeingültige, möglichst antike Benennung zugewiesen werden. Wenn auch indirekt und eher als Zufallsprodukt, so doch umfangreich bezüglich der Beachtung der antiken Literatur und Formbeschreibung, setzt sich W. HiLGERS

1

RiZ 1990.

4.1 Die Gefäße

27

im Rahmen seiner Dissertation2 zu lateinischen Gefaßnamen u.a. auch mit den Opfergefäßen auseinander. Diese Arbeit ist eine wertvolle Quelle hinsichtlich der genauen Begriffs- und Formenbestimmung römischer Opfer- und Kultgefäße. Denn im Rahmen der Funktionszuweisungen und ihrer Verwendungsmöglichkeiten wird auch die kultisch-sakrale Sphäre der Gefäße mit Zitathinweisen aus der antiken Literatur beleuchtet.

4.1.1 Die acerra

Die acerra3 ist ein beim Rauchopfer verwendetes Behältnis. Es enthält den Weihrauch (Fest. 18 M. 17 L.), der bei den Opferhandlungen auf den Altar bzw. das Feuer (Pers. 2, 5) gestreut wurde. Obwohl meines Wissens nur eine einzige acerra im Original (R 5; Taf. 3b) erhalten ist, besteht an ihrer Form keinerlei Zweifel. Die Identifizierung und damit verbunden die Funktion dieses Gefäßes erfolgt nicht allein aufgrund von literarischen Beschreibungen, obwohl die acerra in den Quellen oft genannt wird, sondern primär durch ihre Darstellung in der Kunst. Da der Kasten bei Festus ( 18 M. 17 L.) auch als arcula turaría bezeichnet wird und arcula / arca die Bezeichnung für Kästchen / Kasten ist, wurde mit acerra durchaus die richtige Benennung für dieses Behältnis gefunden. Die acerra ist ein rechteckiger Deckelkasten, dessen Form kaum variiert wird. Bedingt dadurch, daß sie als 'Kasten' in ihrer zunächst funktional bestimmten Ausformung als Aufbewahrungsbehältnis klar umrissen ist, ist die acerra keinem großen stilistischen Wandel unterworfen. Deckelkästen dieser Art finden sich nicht nur im römischen Kult- und Alltagsleben wieder, sie sind vielmehr - unterschiedlich in Verwendung und Material auch aus dem griechischen und unteritalischen Raum bekannt4, wo sie gerade im Leben der Frauen als Kosmetik- oder Schmuckbehälter sowie im Totenbrauchtum als Beigabe5 eine wichtige Rolle spielten.

2

HILGERS 1 9 6 9 .

3

SysKat. 1 (acerra). — Daneben gibt es den Begriff 'acerra' auch als Räuchergefäß (SysKat. 57), vgl. Kap. 4.5.2, S. 95.

4

Kurz umrissen von ATTINGER-GIES 1985, 58 ff. (mit weiterführender Lit.).

5

THIMME 1 9 6 4 , 18 m i t A n m . 1 2 - 1 4 ; HEURGON 1 9 7 2 , 2 1 1 ; LOHMANN 1 9 7 9 , 7 6 m i t A n m . 5 8 8 f.

28

4 Opfer- und Kultgeräte

Bezüglich ihrer Größe, der Anbringung von Füßchen und den verschiedenen Verzierungselementen können bei der acerra Unterschiede auftreten. Daneben wird der Kasten sowohl geschlossen als auch mit geöffnetem Deckel dargestellt, so daß die in ihm aufbewahrten Weihrauchkörner zu sehen sind.6 Die Größe der einzelnen Kästen läßt sich natürlich nur im Vergleich zu den mit ihnen dargestellten Personen erkennen. So trägt der Opfernde eines Reliefs aus Ostia (A 10) ebenso wie die rechte Figur auf einem Larenaltar in Florenz (110) einen Kasten, der gerade die Handfläche ausfüllt, während die acerrae der jugendlichen Opferdiener vom Konstantinsbogen (E 5 a) oder von der Decennalienbasis (F 8a) mit beiden Händen gehalten werden müssen. Die acerra ist ganz unterschiedlich verziert: Schlichte Exemplare finden sich beispielsweise auf einer Basis (J 3; Taf. IIb), einem Sarkophagdeckel (K 5) und einem Relieffries (H 1 ; Taf. 7b). Daneben gibt es Kästchen mit geometrisch-rechteckigen Verzierungen, Rahmungen (A 10; D 2) oder mit konzentrisch angeordneten Quadraten und Rechtecken, die einfache Ornamente (Gg 4. 8) bilden können. Im Gegensatz dazu können Weihrauchkästchen auch sehr üppig verziert sein. Vegetabile und figürliche Dekore sind hier zu nennen. Das frühe Beispiel auf der sog. 'Ara Borghese' (A 2) zeigt auf der Vorderseite zwei übereinander angeordnete lotusähnliche Gebilde, die seitlich jeweils von zwei Blütenrosetten gerahmt werden. Um diese ist schlangenförmig eine Girlande gewunden. Auf der Nebenseite befindet sich ein Sproß, vielleicht eine Lilie. Etwas jünger und in seiner Darstellung nicht so anspruchsvoll ist der Kasten von einem Fries (G 4). Am Rand mit stilisierten, fleischigen Blättern versehen, weist er in den unteren Ecken eichblattähnliche Blätter auf. Die Mitte der Kastenvorderseite wird von einem sphärischen Rechteck beherrscht, das ein Schloß andeutet. Rechts, links und darunter gruppieren sich jeweils peltaförmige Ornamente.7 Wellenranken mit eingerollten Enden (A 21; Taf 3a) dienen ebenfalls der Verzierung. Besonders reichhaltig ornamental verzierte acerrae befinden sich am Fries der Porticus Octaviae (F 1). Die drei Exemplare am Porticusfries haben eine langrechteckige Form mit Löwenklauenfußchen8 und geöffnetem Deckel. Ihr Dekor ist vege-

6

Beispiele für geöffnete acerrae: A 2. 10. 21 11 21 | Κ 5.

7

Möglicherweise ebenfalls ein Schloß ist auf dem Altar Gg 4 dargestellt.

8

Die Form des Kastens mit Löwenklauenfußchen findet sich bereits im großgriechischen Bereich, wie das Beispiel eines unteritalischen Kästchens aus Ton (Mitte 4. Jh. v. Chr.) verdeutlicht; es weist in Anlehnung an wohl aus Holz gefertigte Kästen ebenfalls derartige Füßchen auf. Archäolog. Slg. Universität Zürich, Inv. 3843; siehe ATTINGER-GIES 1985, 58 (Anm. 2-9).

4.1 Die Gefäße

29

tabil. Den oberen und unteren Rand des ersten Kastens umrahmt ein Perlstab. Drei Bukranien zieren das Mittelfeld, in ihren Zwischenräumen befinden sich Lorbeerzweige. 9 Ein leicht stilisiertes lesbisches Kyma umläuft den zweiten Kasten10 am oberen Rand. Das Mittelfeld und die rechte Nebenseite werden ebenfalls von einem Perlstab gerahmt. Ein Lotus-Palmettenfries ziert das Hauptfeld. Der dritte Kasten des Porticusfrieses11 steigert seinen Schmuck zusätzlich durch die Verzierung der Deckelinnenseite. Hier befinden sich in den Ecken je ein Bukranium, zwischen denen eine Girlande hängt. Der Deckel selbst wird ebenfalls von einem Perlstab umsäumt. Der Kastenkörper zeigt auf der Vorderseite alternierende Palmetten, zwischen denen sich eine Wellenranke schlängelt. Den Oberrand verziert ein lesbisches Kyma, das Mittelfeld wird mit einem Perlstab eingefaßt. Zu den figürlich verzierten acerrae zählen u.a. diejenigen des Nordfrieses der Ara Pacis Augustae (I 2b. c; Taf. 8). In beiden Fällen stellen sie sich als mittelgroße Kästen dar, die von den Opferdienern auf der Hand und dem Unterarm getragen werden. Die acerra von Platte 1 ist von einer Profilrahmung umzogen. Auf der Vorderseite ziert sie ein Stier, auf der Nebenseite ein Flötenspieler. Der zweite Kasten ist ebenfalls profiliert gerahmt. Seine Vorderseite zeigt in der Mitte einen Dreifuß, der rechts von einem Flötenspieler, links von einem Stier flankiert wird. Die acerra des kleinen Frieses vom Argentarierbogen (E 6) ist mit zwei Eroten geschmückt, die eine Girlande tragen. Auch der Kasten eines Iuno-Altares (121)12 schien, geht man von der Genauigkeit des Zeichners des Codex Pighianus aus, reichhaltig figürlich verziert gewesen zu sein. Möglicherweise hat es sich sogar um eine Opferszene am Altar oder Dreifuß gehandelt, wie aus den vagen Angaben zu ersehen ist. Das Rauchopfer13, als selbständiges Opfer oder in Verbindung mit blutigen und unblutigen Opfern, ist ein fester Bestandteil des Kultes. Entsprechend zahlreich sind

9

STUART JONES, MUS. Cap. 261 Nr. 100 bezeichnet dieses als 'spray of bays'. Dieser Auffassung ist eher zu folgen als der von SCHAEWEN 1940, 40 geäußerten, es handele sich um Girlanden. Siehe zum Vergleich die eindeutige Darstellung einer Girlande auf der Deckelinnenseite des zweiten Kastens. Siehe Detailaufnahme bei LEONCINI 1987, 22 Abb. 1.

10

STUART JONES, MUS. C a p . T a f . 6 1 N r . 1 0 2 .

11

STUART JONES, MUS. C a p . T a f . 6 1 N r . 1 0 2 . 1 0 4 .

12 SCHAEWEN 1940, Taf. IV. — In neuer Beschreibung: WREDE-HARPRATH 1986, 18 Abb. 5. 13

PFISTER 1 9 1 4 , 2 6 7 f f .

4 Opfer- und Kultgeräte

30

seine Darstellungen und die Belege fur die Verwendung der acerra. Die Ikonographie der Opferhandlung, in der der Kasten erscheint, ist stets sehr ähnlich und über die Jahrhunderte kaum variiert worden.14 Bei den Opfern treffen wir die acerra meist in den Händen eines jugendlichen Opferdieners {camillus / minister)15 an, der gemeinsam mit dem Opfernden an das Feuer herantritt.16 Vereinzelt findet sich das Weihrauchkästchen auch in den Händen des Opfernden selbst, wie z.B. bei dem Togatus auf einem Relief aus Ostia (A 10), der ein kleinformatiges Exemplar hält. Es kann ebenfalls Utensil von Priesterinnen (A 17; Med 6) sein, die u.a. Behälter in Pyxidenform verwenden, wie auch einige Priesterinnenstatuen verdeutlichen.17 Im sakralen Bereich tritt der Weihrauchkasten, losgelöst vom Opferzusammenhang, noch singulär - teilweise auch im Verbund mit weiteren emblematisch verwendeten Geräten - auf Altären auf. Eine Regel bezüglich der Kombination mit anderen Geräten ist jedoch nicht zu erkennen. Daneben erscheint er auf Opfergerätfriesen.18 Auf dem Iuno-Altar (121) tritt die acerra gemeinsam mit den Libationsgeräten Kanne und Schale sowie dem Tablett (lanx) auf. Der pompejanische VespasianAltar (I 7; Abb. 3) zeigt sie auf der rechten Nebenseite gemeinsam mit dem mantele und dem lituus. Auf einigen provinzialrömischen Altären wird die acerra zusammen mit der dolabra oder dem culter dargestellt.19 Daß ein Weihrauchkästchen allein eine Altarseite schmücken kann, beweist ein Altar in Mainz (Gg 6). Im Antiquarium Communale in Rom befinden sich mehrere Elfenbeinfragmente (R 5; Taf. 3b), von denen eines figürlich verziert ist. Nach eingehender Unter-

14 Friihkaiserzeitlich: Gg 2. — 2. Jh. n. Chr.: E 5a | F 6. — Antoninisch: Κ 9 | Gg 18. — Severisch: A 18 I Gg 24. — Tetrarchisch: A 21 | F 7. 15 Zur Definition von Camillus / Minister: Kap. 2.1, S. 14 Anm. 33. 16 A 21 I E 5. — Vgl. auch Plin. nat. 35, 70; Suet. Tib. 44. 17 Marmorstatue aus dem Macellum in Pompeji; Neapel, Mus. Naz. Inv. 6041 ; RUMPF 1941, 22 Nr. 2 T a f . 2 c ; SCHOLZ 1 9 9 2 , 4 5 f. N r . S t . 2 7 A b b . 3 0 . 3 2 ; ZANKER 1 9 9 5 , 9 4 f f . A b b . 4 0 . — S t a t u e

einer Priesterin am Räucheraltar; obwohl beide Hände fehlen, deuten der Altar und die Annhaltung daraufhin, daß sie mit der rechten Hand aus einer patera über dem Altar gespendet und in der linken ein kleines Weihrauchgefäß gehalten haben wird; Boston, Mus. Fine Arts, Inv. 34.113; COMSTOCK-VERMEULE 1976, 224 Nr. 355. — Vgl. auch Grabstele mit opfernder Frau; die in einer Nische stehende Matrone bringt an einem thymiaterium ein Rauchopfer dar. In der linken Hand hält sie eine kleine würfelförmige Pyxis, mit der rechten streut sie Weihrauch über die Flammen; Dresden, Albertinum; KNOLL u.a. 1993, 46 Nr. 26. 18 Vgl. D 5 | G 4 | H 1 . 19 Gg 4 (mit culter). 8 (mit dolabra).

4.1 Die Gefäße

suchung und verschiedenen Rekonstruktionsversuchen stellte E .

31

LA ROCCA

fest, daß

es sich hierbei um Reste eines Weihrauchkästchens aus der frühen Kaiserzeit handelt. Das figürlich verzierte Fragment bildet die Hauptseite des Kastens. Dargestellt sind fünf Personen, die an einer Opferhandlung beteiligt sind20. Ein kleiner, jugendlicher Opferdiener reicht einem Mann, dessen Kopf verhüllt ist, eine Schüssel und gießt in diese eine Flüssigkeit. Ein zweiter und ein dritter Mann stehen links neben und hinter einem Dreifuß. Am rechten Bildrand befindet sich ein weiterer Opferdiener, der auf einer großen Platte Früchte oder Brote darbringt. Die Interpretation E.

L A ROCCAS

geht dahin, in dieser Szene die kontinuierende

Darstellung eines Opfers zu sehen. Zunächst fallt das zweifache Vorhandensein ein und desselben Opfernden mit velatio capitis auf, der uns hier in zwei verschiedenen Situationen gegenüber steht. Erst läßt er sich vom Opferdiener die Hände mit Wasser übergießen, danach opfert er am Dreifuß. Der szenische Schnitt innerhalb dieser Darstellung muß also zwischen den 'beiden' Priestern gemacht werden. Eine weitere Besonderheit dieses Stückes liegt darin, daß uns hier die einzig bekannte Darstellung einer rituellen Handwaschung vorliegt. Die Verzierung dieses Kästchens bestätigt die nur aus dem Relief bekannten acerrae mit figürlicher Verzierung, wie z.B. diejenigen auf dem Prozessionsfries der Ara Pacis (I 2b. c; Taf. 8) oder dem Iuno-Altar (121).

4.1.2 Trankopfergefaße Darstellungen von Libationsgeräten sowie von entsprechenden Opferhandlungen belegen die große Bedeutung der Trankopfer21 für die römische Religion und fuhren diese plastisch vor Augen. Diese Opfer waren recht häufig und konnten als selbständige Spenden oder als Voropfer bei Tieropfern angewendet werden. Die Gefäße, die stets gemeinsam bei Trankopfern benutzt wurden, sind Kanne und Schale. Sie bilden eine geschlossene Einheit, die sich in verschiedenen Bereichen der Kunst manifestiert. Des weiteren zählt zu den Libationsgefäßen die Schöpfkelle.

20 Die Beschreibung erfolgt von links nach rechts. — Abb. siehe auch HÖLSCHER 1988b, 372. 21

HANELL 1937, 2 1 3 6 f f .

32

4 Opfer- und Kultgeräte

4.1.2.1 Kannen und Krüge Bei den Kannen des Trankopfers sind zwei Typen zu unterscheiden, die über die Form der Halsöffhung bestimmt werden können. Es handelt sich zum einen um Kannen mit schmalem Hals, bei denen nur ein tropfenweises, langsames Ausgießen möglich ist. Für diese hat sich in der Forschung allgemein die Bezeichnung gutus22 durchgesetzt. Zum anderen gibt es die Kanne mit etwas weiterem Hals, die nach deutschem Sprachempfinden auch mit 'Krug' bezeichnet werden könnte. Der lateinische Ausdruck hierfür ist urceus,23 Die erstgenannte Gruppe umfaßt gleich mehrere Bezeichnungen, die letzten Endes ein und dieselbe Kannenform meinen. Die unterschiedlichen Namen resultieren eher aus der Unübersichtlichkeit der Sprachetymologie. Es handelt sich um die Begriffe guturnium, cuturnium und gutus.2* Vielfach wird versucht, die Gefäßbezeichnung über die der Kanne anhaftenden Eigenschaften zu definieren. Demnach wird gutus häufig vom lateinischen Wort für Tropfen (gutta, -ae f.) oder durch die Charakterisierungen bei Varrò und den Erwähnungen in den Glossarien25 von guttatim abgeleitet, was darauf deuten soll, daß aus dieser Kanne nur tropfenweise gegossen werden konnte. Daher ist als wichtiges Merkmal eine enge Öffnung zu postulieren. WALDE-HOFFMANN dagegen lehnen diese Verbindung ab, zumal guttus eine schlechte Schreibweise von ursprünglich 'gutus'26 ist, was häufig in den Quellen verwendet wird27 und somit die eigentlich richtige Schreibweise darstellt. Weiterhin spricht nach WALDE-HOFFMANN für die Schreibung von 'gutus' die Ableitung von der griechischen Form κϋαθος, κώθον, was wiederum den Bezug zu cuturnium /guturnium herstellt. Auch fur diese beiden Bezeichnungen sehen WALDE-HOFFMANN einen Zusammenhang. Sie erkennen in ihnen ein und dasselbe Wort, das durch Assimilation bzw. in Anlehnung an gutta oder guttur eine andere Form ausgebildet hat. Demnach wäre

22

HILGERS 1 9 6 9 , 5 8 f.

23 SysKat. 46 (urceus). — HlLGERS 1969, 83 f. 24 SysKat. 26 (guttus/gutus),

25 (guturnium

/cuturnium).

25 Varrò ling. 5, 124; Gloss. V 24, 15; V 72, 17; Amob. nat. 2, 59: „quid ist, quodguttatim 26

WALDE-HOFFMANN 1938, 6 2 9 .

27 Hör. sat. li 6, 117; Plin. nat. 16, 185; Varrò ling. 5, 124.

faciat".

4.1 Die Gefäße

33

guturnium aufgrund volksetymologischer Anlehnung an o.g. Begriffe entstanden28: c = g, tt = von guttus. Ikonographisch betrachtet kann man zwei Typen von guti unterscheiden29. Es gibt einerseits Kannen30, die zwischen Schulter und Bauch abgeknickt sind und sich konkav zum Hals zusammenziehen, und andererseits Kannen31, bei denen Bauch und Schulter in geschwungener Linie ineinander übergehen, deren Schulter und Hals jedoch gewinkelt voneinander abgesetzt sind. In beiden Gruppen kann die Form zwischen einer gestreckten oder gedrungenen Gestalt variieren. Beide Typen besitzen einen Henkel, einen eingezogenen Fuß sowie eine Kleeblattmündung. Der Henkel wird zwar schriftlich nie erwähnt, darf aber der Funktion des Gefäßes entsprechend und wegen der zahlreichen bildlichen Überlieferungen als gesichert angenommen werden. Er ist geschwungen und verläuft von der Mündung bis zur Schulter. Von sehr gestreckter Form sind Beispiele auf folgenden Denkmälern: Schmuckplatte in St. Petersburg (D 6), Vespasian-Tempel (D 2; Taf. 5), Divus-Augustus-Altar (I 5). Gedrungen erscheint die Kanne auf einer Ara aus der Villa Doria Pamfili (I 35) sowie die auf der Ara in Puzuoli (I 22; Taf. 10a). Der Fuß ist entweder schlicht oder mit einem Blatt- oder Zungenmuster verziert. Oft ist er auch durch einen Ring vom Gefäßkörper abgesetzt, unabhängig von der Verzierung des Fußes.32 Von der frühen bis in die späte Kaiserzeit finden sich auf den Denkmälern sowohl schlichte als auch verzierte Kannen. Wie bei den acerrae muß auch hier zwischen ornamentalem (Zungen- und Riefelmuster sowie einfache Wellenranken), vegetabilem (Wellenranken pflanzlicher Art) und figürlichem Schmuck unterschieden werden. Den pflanzlichen Mustern sind Blätter und Girlanden zuzuordnen. Ab der augusteischen bis zur flavischen Epoche treten alle genannten Ornamentierungsmöglichkeiten miteinander kombiniert auf93, wobei Hals, Schulter, Bauch und Fuß jeweils unterschiedlich geschmückt sein können. Oft ist der Bauch durch

28 cuturnium ist wohl die ältere der beiden Formen; KELLER 1891, 91 ff. 29 Wie JUNG 1986, 14 mit Anm. 46 die Beschreibung von SCHAEWEN 1940, 16 zu Recht kritisiert. 30 A 16 I D 5 I E 6 I G 3 I H 2. 6 11 8. 9. 20. 26. 35 I J 3 I Κ 2. 5. 10 I Cc 2b. 31 D 2 I F 1 I G 4 I Gg 8 11 2a. 5. 10. 21. 22. 31 I J 1 I Cc 1. 32 Schlicht: D 5 11 26. 31. 21. 22 | Κ 10. — Zungenmuster: D 2 11 8. — Ring: I 5. 31 | Cc 1. 33 Vgl. Kannen folgender Monumente: F 1. 6 | I 6. 22. 26. 31. 35 | Κ 2.

4 Opfer- und Kultgeräte

34

einen umlaufenden Streifen in zwei Zonen untergliedert. 34 Aus augusteischer Zeit bietet der Fries von derPorticus Octaviae zwei Beispiele. Der erste gutus (F 1, Frgt. 100) hat einen geriefelten Hals. Der Gefaßkörper, durch einen scharfen Knick vom Hals abgesetzt, weist zwei Zonen auf, um deren obere sich Lorbeerzweige und um deren untere sich Zungenmuster ziehen. Die andere Kanne (F 1, Frgt. 104) besitzt ebenfalls einen geriefelten Hals. Die Riefen laufen auf der Gefaßschulter weiter, die vom Hals durch einen schmalen Ring getrennt wird. Angaben über die mögliche Verzierung des Bauches lassen sich nicht machen. Ein sehr prägnantes Beispiel dieser Kannenform erscheint als Malerei im Tablinum der Casa die Quattro Stili, Pompeji (Reg. I 8, 17)35. Es weist alle Merkmale frühkaiserzeitlicher Formensprache für diese Gefäße auf: der Körper ist oval und mit Kanneluren versehen, die aus einem Blattkelch erwachsen. Die Schulter ist stark vom Körper abgesetzt und der Hals eingezogen. Die Kanne hat eine Kleeblattmündung, und der Henkel ist mit einer dreiteiligen Daumenplatte versehen. Die beiden Kannen des Sarkophages Caffarelli (K 2) fallen durch ihre besonders klare und feingliedrige Reliefierung auf. Die Kanne der vorderen Langseite ist an Hals und Schulter mit Eichenblättem versehen. Der Bauch setzt sich davon durch einen scharfen, mit Perlband gezierten Knick ab. Er selbst ist durch einen Ring mit Flechtband geteilt. Die obere Zone weist eine Wellenranke aus Akanthusblättern auf, die untere ein Zungenmuster. Das zweite Exemplar dagegen hat einen unverzierten Hals-Schulter-Bereich. Der Knick zwischen diesem und dem Körper sowie der den Bauch umlaufende Ring sind mit einem Perlband versehen. Der obere Teil trägt eine Efeuranke, das Gefäßunterteil ist mit fünf lanzettförmigen, zum Teil übereinandergelegten Blättern verziert. Bemerkenswert ist, daß die beiden Kannen nicht aus dem Zusammenhang losgelöst und als singulares Ornament zum schmückenden Beiwerk degradiert sind, sondern sich organisch in die Girlanden- und Tänienkomposition der Sarkophaglangseiten einfügen. Sie hängen, an ein Band geknüpft, an einem Nagel zwischen den vom Bukranium herabflattemden Tänien. 36 Ein frühkaiserzeitliches Opfergeräterelief (I 26; Taf. 10b) zeigt eine Kanne, die der Form nach zu denen mit scharf abgesetztem Hals gehört und Ähnlichkeiten mit

34 1 5. 35 I Κ 2. 35 3. Stil (nach 50 n. Chr., claudisch). — Riz 1990, 59 Kat.-Nr. 44 Taf. 22,1; PPM I, 862 Abb. 30-31. 36

RODENWALDT 1 9 2 5 , T a f . I. II.

4.1 Die Gefäße

35

der ersten Kanne des Porticus-Octaviae-Frieses (F 1, Frgt. 100) aufweist. Ihr Hals und der Fuß, der durch einen Ring nochmals gesondert vom Gefaßkörper abgesetzt ist, bleiben unverziert. Dagegen zeigt der Bauch, durch einen Streifen geteilt, im oberen Teil Riefeln, im unteren das Zungenmuster. Die Kleeblattkanne des claudischen Amemptus-Altares (131; Taf. Ila) unterscheidet sich in ihrer Form ein wenig von denen der vorangegangenen Epoche und leitet eine neue stilistische Stufe ein. Ihr Körper macht einen eher runden als eiförmigen und daher weicheren Eindruck; der Hals ist nicht mehr so sehr eingezogen, auch der Henkel verläuft weniger schwungvoll als bei den anderen Beispielen. 37 Die Verzierung schließt sich jedoch den anderen an. Die geriefelte Hals-Schulter-Zone, der Gefäßbauch sowie der Fuß werden jeweils voneinander durch Ringe abgesetzt. Über die Kanne vom ebenfalls claudischen Iuno-Altar (121) lassen sich nur vage Aussagen machen, da dieser nur noch auf einer Handzeichnung überliefert ist. Wahrscheinlich trug der obere Bauchteil eine Wellenranke, der untere möglicherweise übereinander gelegte Blätter. Flavisch können die Altäre und somit die Kannen des Altares aus Puzuoli (122; Taf. 10a) und des Altares der Orchivia Damalini (I 35) datiert werden. Des weiteren zählt hierzu der nur noch aus der Handzeichnung des Anonymus Destailleur 38 bekannte gutus vom Gebälkfries des Minerva-Tempels (D 5; Taf. 14) auf dem Nervaforum. 39 Die Kannen der beiden Altäre haben einen geriefelten Hals und einen zweigeteilten Bauch, in dessen oberem Horizontalstreifen eine Wellenranke verläuft; im unteren befindet sich auf dem Stück aus Puzuoli (I 22; Taf. 10a) ein breites Zungenmuster, wie es z.B. auf dem pompejanischen Vespasian-Altar (I 7; Taf. 9a) im oberen Gefäßbereich zu finden ist. Die Kanne des Orchivia-Damalini-Altares (I 35) hat in der unteren Zone zungenblattähnliche Ornamente. Im Vergleich zu der Kanne auf dem Altar aus Puzuoli ist sie detailreicher gestaltet. Der Hals, mit feineren Riefen versehen, setzt sich vom Körper durch zwei schmale Ringe ab, die auch den Körper horizontal untergliedern. Insgesamt erscheint der Altar als das qualitätvollere

37 Vgl. auch die Kanne des Grabmals der Cartinia (H 6). — GOETZE 1939, Abb. 5a. 38 Handzeichnung des 16. Jhs. (Hdz 4151, Blatt 9, verso, 433 χ 444 mm), Staatl. Mus. Berlin Kunstbibliothek. Die Zeichnungen dieses Anonymus stammen möglicherweise von dem Architekten und Bildhauer Hugues Sambin. — BERCKENHAGEN 1970, 23; 'Zwischen Phantasie und Wirklichkeit'. Römische Ruinen in Zeichnungen des 16. bis 19. Jahrhunderts aus den Beständen des SPK (Ausstellungskat. Berlin) (1988) 178. 39

PLATNER-ASHBY 1929, 2 2 7 ff. s.v. F o r u m N e r v a e ; BLANKENHAGEN 1940, 4 1 ; NASH, R o m I 433.

4 Opfer- und Kultgeräte

36

Stück. Die beiden Nebenseiten sind reich verziert: von den Hömem eines Widders und eines Ammonskopfes, an denen Bänder flattern, hängt jeweils eine Fruchtgirlande herab, in deren Lunette Opfergeräte angebracht sind. Unter den Köpfen befinden sich zwei Adler mit gespreizten Flügeln. Unterhalb der Girlanden sitzen Tauben, die an den Früchten picken. Obwohl die Handzeichnung der dritten Kanne vom Minerva-Tempel (D 5; Taf. 14) nur Vermutungen über ihr ursprüngliches Aussehen zuläßt, soll sie hier nicht unerwähnt bleiben. Vom Stil her weist der Fries Ähnlichkeiten mit dem des VespasianTempels (D 2; Taf. 5) auf. Dies liegt in erster Linie an der reichhaltigen Verzierung der auf ihm dargestellten Opfergeräte. So war der gutus im oberen Teil von einem Girlandenomament, im unteren von einem Zungenmuster umgeben. Um die Gefäßmitte verlief ein Perlband. Im Vergleich zu diesem Exemplar sind die Kannen vom Vespasian-Tempel (D 2; Taf. 5)40 sehr viel reicher und vor allem figürlich geschmückt, wodurch sie innerhalb der auf skulptierten Denkmälern dargestellten Kannen als isoliertes Beispiel stehen. Drei Bildzonen, jeweils mit dem Perlband voneinander getrennt, umziehen das Gefäß des Gebälkfragmentes im Tabularium mit unterschiedlichen Szenen. Der Hals trägt einen die Flügel spreizenden Vogel. Auf der oberen Bauchzone tritt ein Mann einem heranspringenden Fabeltier mit der Lanze entgegen, im unteren Bereich stoßen Nashorn und Büffel 41 aufeinander ein. Der Henkel ist figürlich gestaltet, als kleiner, mit der Nebris bekleideter Satyr mit kräftigem Körper und lockigen Haaren. Er steht auf Zehenspitzen auf dem Perlstab der Schulterzone, hält sich mit den Händen an der Gefaßmündung fest und sieht in die Kanne hinein. Die zweite Kanne des sich noch in situ befindlichen Friesteiles ist mit dionysischen Szenen und Eroten versehen. In der Toreutik der Kaiserzeit sind szenisch-figürlich verzierte Kannen keine Seltenheit, wie die Kannen mit Szenen des trojanischen Krieges aus dem Tempelschatz von Berthouville oder die Kannen mit dem Motiv der stier- und widdertötenden Niken des Silberschatzes von Boscoreale beweisen 42 , so daß die Wiedergabe skulptierter Kannen (und Gefäße allgemein) in realen Formen ihre Vorbilder haben.

40 Vgl. GUSMAN 1913/14, II Taf. 66. 41

V g l . SCHAEWEN 1 9 4 0 , 17.

42 BABELON 1916, 81 ff. — Zur stilistischen und chronologischen Einordnung der BoscorealeKannen: KÜTHMANN 1959, 52 ff.; BARATTE 1986, 63 f.

4.1 Die Gefäße

37

Der urceus stellt die zweite Form der Kanne dar. Es handelt sich um ein Gefäß für Wein und Wasser. Im Gegensatz zum gutus ist seine Form bauchiger und hat eine weniger enge, aber eingezogene Öffnung, die meist den gleichen Durchmesser wie die Standplatte besitzt. Der Henkel43 weist keine geschwungene Linie auf. Auch wenn der urceus hauptsächlich profan verwendet wird,44 außer im christlichen Kult, ist er dennoch aufgrund der Formendefinition auf einigen römischen Denkmälern mit Opferhandlungen oder -geräten nachzuweisen. Dies bezieht sich gerade auf die Kannen, die formenspezifisch nicht als gutus angesprochen werden können. Dennoch darf nicht der Anspruch erhoben werden, im Bildmaterial immer exakt gutus und urceus voneinander trennen zu können. Vielfach liegt die unterschiedliche Formausprägung von Kannen einzig und allein in der Reliefqualität begründet. Es ist davon auszugehen, daß der Römer sich des Formenunterschiedes nicht konkret bewußt gewesen ist. Einzig und allein die literarischen Quellen geben Auskunft darüber, welche Kanne eindeutig zu Kult- und Opferzwecken verwendet wurde, zumal dann, wenn sie mit entsprechenden Zusätzen wie 'in sacrifiais' oder 'sacrificare' versehen ist, wie für guturnium (Fest. 51 M. 44 L. s.v. cuturnium) und gutus (Plin. nat. 16, 185) überliefert ist. Ein 'typisches' Beispiel für den urceus in der Gestalt eines herkömmlichen Kruges mit bauchigem Körper findet sich auf einem Grabsteinrelief aus Verona (I 29). Gemeinsam mit anderen Opfergeräten befindet er sich auf dem Mittelfeld eines im Relief wiedergegebenen Biselliums. Von der Grundform eines urceus abweichend erweisen sich die Exemplare dreier Denkmäler: ein Relieffries im Vatikan (H 1 ; Taf. 7b), ein Relieffragment in der Galleria Borghese (A 4; Taf. 1) sowie der Fries vom Vesta-Tempel (D 9). Die drei Kannen gleichen sich darin, daß sie eine eingezogene Schulterzone, einen leicht geschwungenen Henkel und einen Standfuß besitzen, also auf den ersten Blick eher dem gutus zugeordnet werden müßten, zumal - laut Definition - der Standplattendurchmesser nicht dem der Halsöffnung entspricht, sondern schmaler ist. Vergleicht man jedoch die Öffnung dieser Kannen mit der eines typischen gutus, z.B. mit denen des Sarkophages Caffarelli (K 2), so wird man feststellen, daß diese so weit sind, daß man aus ihnen nicht tropfenweise hätte gießen können. Demnach müssen diese Beispiele als urcei angesprochen werden, und man muß die Definition für diesen

43 Im Gegensatz zum gutus werden Henkel beim urceus literarisch erwähnt, vgl. Marl. 11, 56, 3; 14, 106, 1. 44

HlLGERS 1 9 6 9 , 8 3 .

4 Opfer- und Kultgeräte

38

Kannentyp neben der bereits feststehenden ebenfalls von seinem Hals- bzw. Öffnungsdurchmesser abhängig machen. In der Kunst der römischen Provinzen nimmt die bauchige Kanne mit breitem Standplattendurchmesser (urceusj verhältnismäßig viel Raum ein und ist Bestandteil zahlreicher Altar- und Weihesteine. Formenspezifisch kann man anhand der ausgewählten Beispiele zwei Gruppen erkennen. Zum einen handelt es sich um den Typus mit bauchigem, fast eiförmigem Körper, von dem aus sich in geschwungener Linie der Hals und die Gefäßmündung konvex entwickeln. Der Fuß ist nicht vom Körper abgesetzt, sondern leicht eingezogen und geht organisch in den Gefäßbauch über. Der Henkel spannt sich halbkreisförmig von der Öffnung bis unterhalb des Halses. 45 Der andere Typus nähert sich eher der gwft/s-Form an. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Kannen mit abgesetztem, z.T. hohem Fußteil und stark geschwungenem Henkel. Die Gefäßform als solche ist ebenfalls eiförmig. 46 Im Vergleich zum gutus scheint der urceus schlicht gehalten zu sein. Nur wenige Ausnahmen zeigen verzierende Elemente, die denen der guti vergleichbar wären. Der urceus einer Altarplatte aus Äugst (Gg 3) ist nur am Gefäßkörper mit sehr plastisch herausgearbeitetem Zungenmuster versehen; der Hals bleibt gänzlich unverziert. Über einen urceus auf einem Mainzer Altar für Iuppiter und Iuno (Gg 20), der ebenfalls am Körper sowie am Gefäßhals mit einem Zungenmuster versehen zu sein scheint, das 'negativen' Kanneluren ähnelt, lassen sich keine genaueren Angaben machen. Er ist nur noch in einem Holzschnitt überliefert und infolgedessen nur sehr unpräzise wiedergegeben. Ikonographisch findet sich der urceus der provinzialrömischen Bildträger hauptsächlich auf den Nebenseiten der Altäre. Hier erscheint er im Zusammenhang mit anderen im Kult beheimateten Geräten, kann aber auch isoliert47 auftreten. Häufig ist die Kombination mit der Schale, wobei beide Geräte sowohl auf der linken wie auf der rechten Nebenseite anzutreffen sind.48 Daneben tritt der urceus

45 A a 3 | G g 6 . 23. 46 Gg 12. 19. 26. 47 Gg 12. 14. 48 LN: Gg 15. 16. — RN: Gg 22. 26.

4.1 Die Gefäße

39

auch gemeinsam mit der Schale und dem Messer (culter) auf.49 Belegt ist femer die Zusammenstellung mit Schale und clunaculum oder Schale und securis.50 In szenischem Zusammenhang erscheint der urceus auf einem späten Relieffragment aus der Zeit des Claudius Gothicus (A 21; Taf. 3a), wo er vor dem eigentlichen Opfer zum Einsatz gekommen sein muß, da der jugendliche Opferdiener, der ihn in der rechten Hand hält, im Hintergrund der eigentlichen Opferszene steht, während der Opfernde bereits über dem focus libiert. Das Relief zeigt eine typische Wein- und Weihrauchopferszene am Dreifuß. Opferdiener mit acerra und Flöte sowie urceus, einer zweiten Schale und Handtuch (mantele) assistieren dem opfernden Kaiser. Losgelöst aus einem szenischen Verbund dagegen ist die Darstellung auf der rechten Nebenseite eines Hochzeitssarkophages (K 14) des 3. Jhs. Hier präsentieren drei Camilli die nötigen Requisiten einer Trank- und Weihrauchspende: acerra, urceus, Schale und mantele. Singular sind zwei Szenen, die die Kanne in unmittelbarem Einsatz zeigen. Zum einen handelt es sich um die Opferszene auf der sog. Domitius-Ara (J 1 ; Taf 12), wo gerade ein Opferdiener den Wein in die patera des Opfernden gießt. Zum anderen zeigt das acerra-Fragment (R 5; Taf. 3b), wie der Opferdiener aus der Kanne etwas in eine Schale gießt. Ebenso singulär ist ein Opferdiener auf einem Matronenweihestein in Köln (Aa 3), der nur durch die zwei Requisiten, den urceus und die mantele, als zu einem Trankopfer gehörige Person charakterisiert wird. Formal wird man sagen können, daß aufgrund der weiteren Mündung und des breiteren Halses der urceus eher zu Waschzwecken verwendet wurde, weil hierbei das Wasser 'schwallartiger' gegossen werden kann, während der gutus wegen seines engen Halses und der kleineren Mündung mehr fur die Weinspende gedacht war. Damit der kostbare Wein nicht unnötig verschwendet wurde, sollte mit der Kanne nur tropfenweise gegossen werden können.

49

Gg

6.19.

50 Schale und clunaculum

finden

sich z.B. auch auf Altären des Magna-Mater-Kultes: Altar,

P e r i g u e u x , 1 . / 2 . J h . n . C h r . ; R E I N A C H , R R III 5 3 9 ; E S P É R A N D I E U II N r . 1 2 6 7 ; H E R M A N N

1961,

140 Nr. 68. — Trotz seiner Zugehörigkeit zu diesem orientalischen Kult soll hier auf den Opfergeräteschmuck des Altares verwiesen werden, da die Verwendung zunächst unabhängig vom jeweiligen Kult ist, das Gerät in erster Linie rein funktional gebraucht wird.

4 Opfer- und Kultgeräte

40

4.1.2.2 Die Spendeschale - patera Bedeutungsgleich in ihrer Verwendung sind die phiala und die patella /patina51; in der bildlichen Überlieferung läßt sich bezüglich ihrer Verwendung aber kein Unterschied feststellen, so daß der Begriff der patera bei der folgenden Erläuterung im Vordergrund steht. Die bildliche Überlieferung kennt noch einen zweiten Typ, der sich durch einen Griff oder Stiel auszeichnet. Das Problem dieses Typs der 'Griffschale' soll jedoch erst unten diskutiert werden.52 Die patera (und patella) diente als Sakralgerät des römischen Kultes - sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich - sehr unterschiedlichen Zwecken. In erster Linie nimmt sie eine zentrale Stellung bei der Weinspende ein. Die zahlreichen schriftlichen Belege ermöglichen ein anschauliches Bild der verschiedenen Opferanlässe, doch können sie an dieser Stelle nicht im einzelnen diskutiert werden. Als Beispiel sei ein Opfer angeführt, das, obwohl es dem Bereich der Mythologie entstammt, durchaus auf reale Bedingungen übertragen werden kann. Ovid {met. 9, 160) berichtet von Hercules, der dem Iuppiter Cenaeus {met. 9, 136) an einem marmornen Altar aus einer patera Wein darbringt. Aus dem tatsächlichen Kultgeschehen stammt die Nachricht über die Weinspende mit paterae am Altar durch die Arvalbrüder.53 Daneben wird aus der patera sowohl dem Stier Wein zwischen die Hörner gegossen als auch mola salsa gestreut. Dieser Vorgang (immolatio54) ist als Weihe des Tieres zu verstehen. Besonders deutlich ist dieser Teil der Opferzeremonie auf einem Altar des 1. Jhs. n. Chr. dargestellt.55 Die rechte Nebenseite zeigt, wie ein jugendlicher Opferdiener im Larenkostüm einen Stier heranfuhrt. Der rechts daneben stehende Opfernde - die Toga über die Stirn gezogen - ist im Begriff, dem Stier aus einer patera zwischen die Hörner zu libieren.

51 SysKat. 34 {patella), 36 (phiala). 52 Siehe Kap. 4.1.2.3, S. 45 ff. 53 Act. Arv. a. 81 (CIL VI.l 2060, Z. 12). 54 Serv. Aen. 4, 57; 10, 541; Cie. div. 2, 37. — LATTE 1914, 1127 f. — Vgl. Kap. 2.1, S. 12 f. 14. 55

M u s . Cap., Inv. 1 9 5 8 . — STUART JONES, M u s . Cap. 3 1 0 ff. N r . l a T a f . 8 3 ; PLETRANGELI 1 9 5 1 , 5 3 Nr. 14; SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 1 6 7 f. A b b . 9 7 c ; HELBIG 4 II N r . 1 4 2 1 ( S i m o n ) ; TURCAN 1 9 8 8 ,

29 Nr. 59 Taf. 28.

4.1 Die Gefäße

41

Ebenso wurden diese Schalen zum Auffangen des Blutes beim Stieropfer verwendet 56 , als Trinkschale für den Opfernden 57 oder als Geschirr beim Opfermahl 58 , was jedoch alles anhand des archäologisch überlieferten Bildmaterials nicht zu belegen ist, sondern nur aus den Schriftquellen erschlossen werden kann. Auch im Totenkult spielt die patera /patella eine wichtige Rolle, wie archäologische und schriftliche Quellen gleichermaßen belegen. Von Schalen mit Kuchen, die im Rahmen des Festes für Vacuna bzw. Vesta 59 als Totenopfer dargebracht werden, berichtet wiederum Ovid (fast. 6, 309 f.).60 Aber auch flüssige Spenden, d.h. Wein, wurden den Toten zuteil; dies geschah meist im Zusammenhang mit dem Totenmahl während der Parentalia. 61 Archäologische Beweise indirekter Art für dieses Opfer mögen die auf den Nebenseiten der Grabaltäre wiedergegebenen Schalen und Kannen sein. Auch die auf den sog. mensae funerariae der späteren Zeit reliefiert eingelassenen paterae weisen in diese Richtung. 62 Aus Grabungsbefunden selbst sind Schalen bekannt, die auf die Toten- oder Ahnenspeisung verweisen. So gehörten zu den Urnen aus der Forumsnekropole in Rom 63 Reste von Speisebeigaben, die z.T. auf gesondert beigegebenen Schalen neben die Urnen gelegt wurden. Diese Totenspeisung, wie sie der archäologische Befund andeutet, wird durch Iuvenal (5, 84 f.) bestätigt, der davon spricht, daß einem Gast als Totenmahlzeit ein Hummer und ein halbes Ei auf einer patella angeboten werden. Als kultisch verwendetes Gefäß kann die Schale in noch ganz anderer Form verwendet werden. Häufig wird in den Quellen davon berichtet, daß sie als Weihgeschenk in die Tempel gestiftet wurde. 64

56 Cie. div. 1, 46; Val. Max. 5, 6, 2. — Siehe darüber hinaus ausfuhrliche Quellenbelege bei HlLGERS 1 9 6 9 , 2 4 2 .

57 Val. Fl. 1, 818; Verg. Aen. 1, 178. 58 Val. Fl. 2, 347. 59

BÖMER 1 9 4 3 , 1 2 4 ff.

60

V g l . a u c h BÖMER 1 9 5 8 , 3 6 0 f.

61 BÖMER 1943, 29 ff. 36 ff.; RE S XII (1970) 979 ff. s.v. Parentalia (Eisenhut); K1P 4 (1979) 512 s.v. Parentalia (Spira). 62 Siehe auch Kap. 8.2.1, S. 176 ff. 190. — Vgl. auch das Beispiel eines 'Altares' der Cella memoriae unter der Bonner Münsterkirche, in den eine Terra-Sigillata-Schale eingelassen war; LEHNER 1 9 3 0 , 3; H O R N - K O N Z L (Hrsg.) 1987, A b b . 2 4 2 .

63 BÖMER 1943, 130; GJERSTAD 1956, 156 ff. 64 Liv. 6, 4, 3; Plin. nat. 12, 42.

42

4 Opfer- und Kultgeräte

Das Material beschränkt sich bei sakral verwendeten paterae auf die Edelmetalle Gold und Silber; sie konnten auch reich verziert sowie mit Edelsteinen besetzt sein.65 Nicht nur die literarischen Quellen geben darüber Auskunft, daß die Schalen mit zahlreichen Ornamenten versehen waren. Über ihr Aussehen liegen uns durch Darstellungen auf Altären, Friesen und anderen Reliefdarstellungen ausreichende Informationen vor. Neben den zahlreichen verzierten Schalen kennt die römische Kunst auch schlichte, unverzierte paterae. Beispiele unterschiedlicher Epochen und Herkunft belegen dies, wie z.B. der Laren-Altar des Vicus Sandalarius aus dem Jahr 2 v. Chr. (I 10), ein Opfergerätefries (H 1; Taf. 7b), der möglicherweise von einem Grabbau stammt, oder aus Britannien der Altar für die Di Conservatores aus dem 3. Jh. n. Chr. (Gg 26).66 Die verzierten paterae weisen Musterungen und Dekore auf, die H. L U S C H E Y 6 7 bereits für die griechische Phiale (φιάλη), mit der der Begriff patera sowie deren Form und Verwendung durchaus gleichzusetzen sind68, untersucht und unterschieden hat. Seinen Beschreibungen soll hier im wesentlichen bezüglich einer Klassifizierung gefolgt werden69, da die Feinabstufung innerhalb der Verzierungen, wie sie von R. V. S C H A E W E N vorgenommen wurde, als nicht ausreichend erscheint.70 Paterae mit Blattornamentik, die laut H. L U S C H E Y auf der „Unterseite mit einem Kelch spitz endender Blätter bedeckt"7' sind, findet man auf Denkmälern der gesamten Kaiserzeit. Die einzelnen Blätter sind meist in zwei Lagen übereinander angeordnet, so bei den Schalen der Altäre in Oderzo (119; Abb. 2) und Puzuoli (122; Taf. 10a), wo die fleischigen Blütenblätter durch die Andeutung der Blattrispe

65 Gold / Silber: Verg. georg. 2, 192; Plin. nat. 33, 153; Liv. 27, 4, 8. — Edelstein: Verg. Aen. 1, 728. 66 Vgl. auch weiter D 10 | G 3 11 12. 29 | Κ 5 | Gg 11. 67

LUSCHEY 1 9 3 9 ; ders., R E S V I I ( 1 9 4 0 ) 1 0 2 6 f f . s.v. Φ ι ά λ η .

68 NUBER 1972, 140. — Vgl. auch SysKat. 36 (phiala). 69 Die Bezeichnungen LUSCHEYS beziehen sich auf Originale des griechischen Kunstkreises und deren Ableitungen aus dem Vorderen Orient und Ägypten. Dennoch scheint es legitim, die Terminologie auch auf römische Beispiele zu übertragen. Es muß noch darauf verwiesen werden, daß manche Begriffe nicht exakt anzuwenden sind, weil die zu behandelnden Beispiele - da skulptiert - nur zweidimensional betrachtet werden können, LUSCHEY jedoch von getriebenen Originalen ausgeht. 70 SCHAEWEN 1940, 25 ff.: Einteilung in einfache, unverzierte Schalen, Schalen mit Lotusknospenverzierung und Blütenschalen. 71

LUSCHEY 1 9 3 9 , 126; SCHAEWEN 1940, 28.

4.1 Die Gefäße

43

untergliedert sind, und bei einer Schale des Frieses vom Vespasian-Tempel (D 2; Abb. 1). Der Omphalos der Schale vom Altar in Puzuoli (I 22; Taf. 10a) führt zudem noch das Blütenmuster weiter. Daneben kann die Blütenanordnung auch durch reicher ausgestaltete Akanthusblätter charakterisiert sein. Beispiele für diese Gestaltungsmöglich-

Vespasian-Tempel (D 2)

keit finden sich auf dem AmemptusAltar (I 31; Taf. Ila) und dem Vespasian-Altar (I 7; Taf. 9a) sowie, als spätes Exemplar, auf dem kleinen Fries des Argentarierbogens (E 6).

Im Gegensatz dazu gibt es Schalen (G 4), deren Omphalos als Blüte oder Kelchblatt gestaltet und deren Randzone mit kleinen rosettenförmigen Blumen umgeben ist. Die Schale des Frieses derPorticus Octaviae (F 1, Frgt. 104) ist zusätzlich zu ihrem Kelchblattomphalos mit einem Ring spitz endender Blätter oder mit Lotusknospenmuster versehen (F 1, Frgt. 100). Die Schalen im Girlandenfries der Ara Pacis stellen die frühesten Beispiele dieser Art Blütenschalen dar.72 Zwei patera-Typen, zum einen eine Zungenschale mit Palmetten auf dem Omphalos, zum anderen die hier zu behandelnde Blütenschale mit sphärischem Dreieck auf dem Omphalos, wechseln im oberen Teil des Altarinnenraumes in den Girlandenlunetten ab. Das Kelchblattmuster, das seinen Ursprung in Schalen auf etruskischen Sarkophagen, Aschenkisten und in calenischen Schalen73 hat, wo die Kelchblätter sehr gedrängt angeordnet sind, wird allmählich aufgelöst, so daß nur noch wenige Blätter isoliert zum zierenden Schmuck werden. Dieser Schritt ist somit zu Beginn der augusteischen Zeit vollzogen. Dieser Schale auf dem Ara-Pacis-Fries am nächsten verwandt ist das Exemplar, das auf der vorderen Längsseite des Sarkophages Caffarelli (K 2) dargestellt wird. Es zeichnet sich aus durch ein leicht eingetieftes Relief und feine, strichförmige Lotusblüten zwischen

72

SIMON 1 9 6 7 , 1 3 .

73

PAGENSTECHER 1 9 0 9 , 8 5 A b b . 3 9 ; LUSCHEY 1 9 3 9 , 1 1 9 .

4 Opfer- und Kultgeräte

44

den Kelchblättern.74 Diesen friihkaiserzeitlichen Schalen sind die schmalen, klar gegliederten Blätter eigen, die nur noch wenig an vegetabile Formen erinnern. Dieses Problem wird dadurch gelöst, daß dem Omphalos eine blütenähnliche Gestalt gegeben wird und die Zwischenräume zwischen den Blättern mit weiteren pflanzlichen Ornamenten gefüllt werden. Zum Teil erfolgt, wie H. LUSCHEY es ausdrückt, eine,Ungleichung [der Blätter] an den architektonischen Eierstab" durch eine fleischigere Modellierung der Blätter.75 Die folgende Gruppe faßt paterae zusammen, die als verzierten Omphalos einen Kopf oder ein Gesicht tragen und unter dem Typus der im Hellenismus aufkommenden sog. 'Emblemschalen' 76 subsumiert werden. Die Schale des Bogens von Orange (Ce 1) zeigt innerhalb einer sehr schematischen Anordnung lanzettförmiger Blätter und stilisierter Lotusblüten den Kopf eines Satyrn mit Vollbart. Einen jugendlichen, männlichen Kopf finden wir auf der Schale des Iuno-Altares (121), der von einem vereinfachten Girlanden-Rosetten-Arrangement umgeben ist. Ein antoninischer Tempelfries in Ostia (D 8; Taf. 6) zeigt ebenfalls eine patera mit männlichem (?) Gesicht, allerdings in vereinfachter Form. Im Gegensatz dazu stellen sich die beiden Schalen der Friese vom VespasianTempel (D 2a. b) und vom Minerva-Tempel vom Nervaforum (D 5; Taf. 14) sehr reich verziert dar. Ammonskopf (D 2a; Taf. 5) und ein Gorgonenhaupt (D 2b; Abb. 1) finden sich beim Vespasian-Tempel, die Schale des Minerva-Tempels zeigt einen Ammonskopf. Genauere Aussagen lassen sich jedoch nur über den Ammonskopf des Vespasian-Tempels machen. Er ist durch den wilden Haar- und Bartwuchs, die weit aufgerissenen Augen und die tief herabhängenden Hörner charakterisiert. Eingerahmt wird dieser Kopf durch fleischige, lanzettartige Blätter in zwei Schichten, die Ammonsmaske des Minerva-Tempelfrieses durch drei Lagen spitz endender Blätter.77

74 LUSCHEY 1939, 120 mit Aran. 698. 75

LUSCHEY 1 9 3 9 , e b d . — V g l . F 1.

76 RE S VII (1940) 1027. — Daß diese 'Emblemschalen' tatsächlich ihren Anfang in hellenistischer Zeit haben und die Darstellung der Ammonsköpfe auf paterae als Rezeption gewertet werden kann, mag eine calenische Hochreliefschale mit vergleichbarem Ammonskopf (St. Petersburg, Ermitage) beweisen; STEFANI 1869, 397 Nr. 910; PAGENSTECHER 1909, 70 Nr. 111; MATZ 1932, 2 2 A b b . 7.

77 Zu figürlich verzierten Omphaloi: LUSCHEY 1939, 29.

4.1 Die Gefäße

45

4.1.2.3 Das polybrum Im Zusammenhang mit Darstellungen eines Libations-, Vor- oder Hauptopfers tritt neben der eingangs erläuterten patera noch ein zweiter Schalentyp auf, die sog. 'Griffschale'. Sie ist dieser in der Form sehr ähnlich, besitzt aber als Zusatz einen Stiel oder Griff.78 Die Deutung der Griffschale, die sehr häufig gemeinsam mit der Kanne auftritt, ist problematisch. H. U . NUBER ist dieser Schwierigkeit bezüglich einer sakralen Verwendung in seiner Dissertation über Kanne und Griffschale grundlegend nachgegangen.79 Sie setzt sich mit Form und Funktion dieser beiden Geräte hinsichtlich ihres profanen Einsatzes im Haushalt, aber auch ihrer kultischen Verwendung bei Opfer- und Begräbnisfeierlichkeiten auseinander. Auch von anderer Seite wurde das Problem der sog. 'Griffschalen' angerissen80, doch erschöpft sich die Erläuterung oft im bloßen Aufzählen der Denkmäler, auf denen diese Griffschale erscheint. Eine exakte Ausdeutung wird nicht vorgenommen. Bereits L. BEGER81 hat die Griffschale begrifflich mit der patera gleichgesetzt, worin ihm später verschiedentlich gefolgt wurde82; dies geschah jedoch ohne Rückhalt in den literarischen Quellen, die eine patera mit Griff, von L. BEGER als patera manubriata benannt, als Gefaßbezeichnung nicht bezeugen. Mit der Gleichsetzung von patera und Griffschale wurde ebenfalls eine identische Funktion impliziert - die der Opferschale - , doch ist diese keineswegs gegeben. In zahlreichen Opferszenen sehen wir den Opfernden, am Altar stehend mit der grifflosen Schale (patera) in der Hand, in seiner unmittelbaren Nähe einen Opferdiener, der sowohl Griffschale als auch Kanne in den Händen hält.83 Schon anhand weniger Beispiele wird deutlich, daß der eigentliche Opfervorgang nur mit der patera vollzogen wird84, niemals aber mit der Griffschale. Eine Austauschbarkeit beider Gefäße scheint nicht möglich,85 denn während fur die patera

78 Am Griffende befindet sich häufig eine Protome (Widder-, Ammons- oder Hundekopf, Masken). — RADNÓTI 1938, 8 4 f. 79

NUBER 1 9 7 2 , 9 0 ff.

80

SCHAEWEN 1940, 32.

81

BEGER 1 7 0 1 , 3 8 4 f.

82 RADNÓTI 1938, 81 ff. Anm. 1 ('griffige Opferschalen'); RADNÓTI 1957, 178 ff. 83

A 21 11 7 I G g 24. — V g l . NUBER 1972, Taf. 24, 1.

84 A 5. 17. 21 I F 8 11 7 I J 1 I Gg 24. 85

NUBER 1 9 7 2 , 9 0 .

4 Opfer- und Kultgeräte

46

die Funktion eines Libationsgerätes eindeutig nachgewiesen ist, kommt offensichtlich fur die Griffschale eine andere Verwendung in Frage. Diese andere Funktion wird dem Betrachter nur indirekt vermittelt - durch die Person des jugendlichen Opferdieners (Minister).86 Er ist durch drei Attribute gekennzeichnet: die Kanne in der rechten Hand, die Griffschale in der linken und das auf dem Arm liegende oder von der Schulter hängende Fransentuch (mantele).87 Weiterhin ist zu bemerken, daß der jugendliche Opferdiener nie in Aktion zu sehen ist, seine Tätigkeit also vor oder nach dem vom Opferherrn vollzogenen Opfer liegen muß. An diesem Punkt setzt auch die Deutung der Griffschale an. Führen wir uns den Ablauf einer Opferhandlung vor Augen88, so bleibt festzuhalten, daß sich der Opfernde vor dem eigentlichen Ritual zwecks kultischer Reinheit die Hände mit Wasser wäscht und sie anschließend abtrocknet. Dieser Vorgang ist somit der einzig mögliche Zeitraum, während dessen der jugendliche Opferdiener mit den erwähnten Geräten seiner Aufgabe nachzukommen hatte. Er goß dem Opferherrn aus der Kanne das Wasser über die Hände, fing dieses wiederum mit der Griffschale auf und reichte ihm anschließend das Handtuch89. Die Schale benötigt also einen Griff, damit sie bequem unter die Hände des Opfernden gehalten werden kann und somit niemand mit den durch das Wasser abgewaschenen Dämonen 90 in Berührung kommt. Für die Handhabung von Kanne und Griffschale gibt Fabius Pictor eine Anweisung, nach der die Opferdiener bei Hand- und Fußwaschungen in der linken Hand die Schale, in der rechten das Wassergefäß halten sollen: „aquam manibus pedibusque dato, polybrum sinistrum manu teneto, dexterarum cum aqua."9] Vom Handtuch wird ausdrücklich berichtet, daß es bei Opferhandlungen gewöhnlich über dem Arm getragen wurde (Serv. Aen. 12,169). Die Griffschale und die mit ihr eng verbundene Kanne waren also das Service, mit dem kultische Handwaschungen vorgenommen wurden. Daneben gibt es für den Gebrauch noch andere Interpretationen, wie z.B. die Möglichkeit, daß diese Griffschale zum Auffangen des

86 Siehe auch FLESS 1995,15 ff. 87

A 4 . 8. 2 1 1 1 7 I Κ 14.

88

LATTE 1 9 1 4 , 1 1 2 7 ; LATTE 1 9 6 0 , 3 8 5 f f . ; NUBER 1 9 7 2 , 100. 1 0 4 . — S i e h e a u c h K a p . 2 . 1 , S.

89

MARQUARDT 1 8 8 6 , 3 1 2 A N M . 3 - 5 .

11 ff. 90 Siehe besonders NUBER 1972, 108 ff. 91

F a b . P i c . 15 fr. N o n . 5 4 4 . — V g l . NUBER 1 9 7 2 , 1 0 4 .

4.1 Die Gefäße

47

Blutes92 benutzt worden sei, wofür es jedoch - wie für die patera - ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte im archäologischen Bildmaterial sowie in der literarischen Überlieferung gibt. Durch die Stelle bei Fabius Pictor und eine Erwähnung in den Glossarien (Gloss. V, 655, 10) ist aber die eigentliche Bezeichnung der Griffschale überliefert: polybrum,93 Wegen seiner Funktion ist das polybrum als Kultgerät anzusprechen, da mit ihm nicht das eigentliche Opfer vollzogen, sondern es für vorbereitende Maßnahmen genutzt wurde. Im Gegensatz dazu ist die patera ein Opfergerät, da sie zum Vollzug der Opferhandlung nötig war.94 Trotz der eindeutigen Verwendung der Griffschale bleibt die Frage zum Teil offen, warum gerade auf Altären der Provinzen häufig die Kombination von Griffschale und Kanne zu finden ist.95 Antworten darauf sind zwar versucht, aber nicht ausreichend begründet worden.96

4.1.2.4 Die Schöpfgeföße Weitere Libationsgefäße sind die Schöpfgefäße und -kellen. Zu ihnen zählen capis und ihre Unterformen capedo und capeduncula97 sowie cyathus98 und simpulum / simpuvium". In einer kleineren Einzelbetrachtung ist das simpuvium bisher nur einmal - bei E. Z W I E R L E I N - D I E H L 1 0 0 - Gegenstand der Forschung gewesen, wobei die Bedeutung und Verwendung dieses Gerätes insbesondere im Hinblick auf einzelne Priesterkollegien untersucht worden ist.

92

V g l . BEGER 1 7 0 1 , 3 8 4 ; NUBER 1 9 7 2 , 1 0 2 .

93

S y s K a t . 3 8 (polubrum

/polybrum).

— SCHAEWEN 1 9 4 0 , 4 6 ; HILGERS 1 9 6 9 , 2 6 2 f.

94 Siehe Kap. 4.1.2.2, S. 40 ff. 95 Gg5. 7. 8. 10. 16. 19.22.23. 96

GJ0DESEN 1 9 4 4 , 1 7 4 . — NUBER 1 9 7 2 , 1 0 7 A n m . 5 9 0 w e i s t d a r a u f h i n , d a ß m a n f ü r d a s r ö m i -

sche Germanien keine bestimmten Kulte herausfinden kann, die speziell die Griffschale für Opferhandlungen vorschreiben. 97 SysKat. 9 (capedo), 10 (capeduncula), 11 (capis). 98 SysKat. 21 (cyathus). 99 SysKat. 43 (simpuvium

/simpulum).

1 0 0 ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 0 5 f f .

48

4 Opfer- und Kultgeräte

Die Geräte capis und simpulum / simpuvium und ihre Synonyme weisen mit kleinen Unterschieden die gleiche Form auf und sind teilweise begrifflich untereinander austauschbar. So werden das simpulum /simpuvium und der aus dem Griechischen bekannte cyathus (κύαθος) als ein und dasselbe Gefäß gedeutet, was anhand der Quellen, die beide Schöpfgefaße parallel nennen, gut belegt ist und zumindest literarisch ihre formale Gleichheit bestätigt.101 Der cyathus ist ein Becher mit geschwungenem Henkel und besitzt nicht das dem simpulum /simpuvium eigentümliche, schöpfkellenartige Aussehen. Der Form nach bezeichnet das simpuvium ein kleines, napfförmiges Gefäß mit einem länglichen Stiel. Dieser kann unterschiedlich ausgeführt sein - mit gebogenem Ende, mit Kugelknaufende oder von gerader Form.102 Die Charakteristik des cyathus, tassenförmige und mit einem kleinen Standfuß versehene Kellenart, ist in einem Beispiel aus der Wandmalerei der Casa di C. Iulius Polybius in Pompeji (Reg. IX, 13, 3)103 besonders gut erkennbar. Seitlich auf dem oberen Mündungsrand angesetzt, schwingt der Henkel bis auf halbe Höhe des Gefäßes hinunter. Aufgrund des bei Varrò überlieferten Hinweises kann jedoch davon ausgegangen werden, daß im Gegensatz zu den Griechen, die den κύαθος hauptsächlich bei Trinkgelagen104 nutzten, die Römer das simpulum / simpuvium ausschließlich bei Opfer- und Kulthandlungen verwendeten. E. SIMON setzt das simpulum /simpuvium mit der capis gleich. Die realen Beispiele dieser Schöpfgefäße, wie sie etwa auf dem Forum Romanum beim VestaTempel gefunden wurden, bezeichnet sie aufgrund formaler Kriterien als „einhenkeligen Kantharos", für den sie als korrekte Benennung den italischen Namen 'capis ' vorschlägt.105 Die capeduncula ist eine derivate Form des capedo, die nach der literarischen Überlieferung ebenso wie die Hauptform capedo bereits sehr alt ist.106 Daneben gibt es für die Schöpfkelle die Bezeichnungen simpulum, simpuvium und simpuium. Trotz der Vielfalt dieser Wortformen handelt es sich jedoch nur um ein Gefäß, für das 'simpuvium ' die richtige Benennung ist. A. BRINCKMANN weist daraufhin, daß

101 Varrò ling. 5, 124; Paul. Fest. 337 M. 455 L.; luv. 6, 342. 102 Siehe auch ZWIERLEIN-DIEHL 1980, 407 Abb. 1. 103 3. Stil II Phase II b (35^42 n. Chr., caliguläisch). — RJZ 1990, 74 f. Nr. 101 Taf. 34,1. 104 Varrò ling. 5, 124; Athen. 6, 255a. 1 0 5 ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 1 4 ; SIMON 1 9 9 0 , 2 3 3 m i t A n m . 19.

106 Cie. nat. deor. 3, 43. — HlLGERS 1969, 138.

4.1 Die Gefäße

49

simpulum und simpuvium gleichbedeutend seien107; auch M. NIEDERMANN'08 sieht in simpulum lediglich eine verlesene Form aus simpu(v)ium. Die lateinische Überlieferung benutzt häufig beide Begriffe, selbst die grammatische Literatur erklärt immer nur eine von beiden Formen, ohne die Existenz der anderen zu berücksichtigen. Sie kommt aber stets auf die gleiche Funktion zu sprechen.109 Auf der Suche nach einer Erklärung für diesen Umstand führte BRINCKMANN simpulum als verderbtes Wort ins Feld, da laut Überlieferungskette die ältesten Quellenbelege stets das simpuvium110 nennen.111 Simpuvia finden sich sehr häufig auf spätrepublikanischen und kaiserzeitlichen Münzen, wo sie hauptsächlich als Insigne der Pontífices112 zu interpretieren sind, so etwa auf Denaren des Q. Caecilius Metellus (81 v. Chr.; Mü 3), des P. Sulpicius Galba (69 ν. Chr.; Mü 5) und des C. Antonius (43 v. Chr.; Mü 20). Zusätzlich zeigen die Münzbilder Handlungen aus dem Bereich des Vesta-Kultes, wo das simpuvium seinen festen Platz hatte." 3 Weiteres bildliches Indiz für die Verwendung im Dienst der Vesta ist die Prozession auf der Innenseite der nördlichen Altarwange der Ara Pacis (12e): Die zweite Vestalin von rechts hält das simpuvium in der Hand.114 Neben den kultischen Aktivitäten für Vesta ist die Schöpfkelle nur noch für die Kulthandlungen der Arvalbrüder eindeutig in den Quellen bezeugt. Im Rahmen ihrer rituellen Handlungen benutzte man das simpuvium zum Füllen der 'scyfï mit Wein." 5 Die für diesen Kult überlieferten Arvalakten sind die einzigen Schriftzeug-

107 BRINCKMANN 1 9 0 8 , 1 3 9 ff.; DAREMBERG-SAGLIO I V . 2 ( 1 9 1 1 ) 1 3 4 6 s.v. S i m p u l u m ( P o t t i e r ) ;

RE III A 1 (1927) 213 s.v. Simpuvium (Leonard). 108 NIEDERMANN 1 9 3 5 / 3 6 , 2 7 2 . 109 BRINCKMANN 1 9 0 8 , 140.

110 Laut WALDE-HOFFMANN 1938, 540 ist auch simpulum eine alte Form, die vom umbrischen seples abgeleitet ist. Diesen Umstand hat SCHAEWEN 1940, 36 Anm. 178 nicht erkannt. 111 Zur Erklärung: Die Römer vermieden eine Doppelschreibung von V (u) (simpuvium [simpuuium] => simpuium), was dazu führte, daß durch Verschreibung des I (i) von simpuium zu einem L dann das Wort simpulum entstand. Es erscheint angebracht, im folgenden simpuvium zu verwenden und sich bei den verwendeten Quellen vor Augen zu halten, daß simpulum und simpuvium gleichbedeutend sind. 112 Vgl. auch Liv. 10, 7, 10. — Zu dieser Problematik siehe ausfuhrlich Kap. 5.2.2, S. 132 ff. 113 z.B. C. Clodius Vestaiis (43 v. Chr.): BMCRR I, 564 Nr. 4196. III Taf. 55, 10. — M. Lepidus (39 v. Chr.): BMCRR I, 580 Nr. 4259. III Taf. 57, 11. — ZWIERLEIN-DIEHL 1980, 418. 114 Das ist von KOEPPEL 1987, 142 nicht als solches erkannt worden. Er sieht hierin ein Stück Stoff, das die Vestalin mit beiden Händen gehalten hat. — SCOTT RYBERG 1955,41 Abb. 22a. 115 SysKat. 41 (scypkus). — Zur Form 'scyfus' vgl. z.B. Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 26).

50

4 Opfer- und Kultgeräte

nisse, die den Gebrauch des simpuviutn für Opferhandlungen bestätigen und den hohen Stellenwert dieses Gerätes bezeugen." 6 Neben der Darstellung des einzelnen Gerätes auf Münzen findet man nur wenige Bildbeispiele für den direkten Einsatz der Schöpfkelle während einer Opferhandlung. Selbst diese erscheinen dann nur wieder auf Münzbildem oder präsentieren sich exemplarisch auf einigen Medaillons, z.B. für Lucilla (164—165 n. Chr.; Med 6), Crispina (178-185 η. Chr.; Med 9) und Iulia Domna (Med 10; 11).117 Hier ist in ikonographisch gleicher Weise jeweils ein Opfer von zweimal drei verschleierten Vestalinnen vor dem Vesta-Tempel dargestellt. Geopfert wird von den beiden Priesterinnen, die direkt am Rundaltar stehen. Die linke hält das simpuvium, die rechte eine acerra, wobei sie ihre rechte Hand über dem Altar ausstreckt.118 Daneben kommt das simpuvium in der Flächenkunst nur in emblematischer Form auf dekorativen Friesen, Reliefs und Altären vor, teilweise gemeinsam mit anderen Opfergeräten.119 Ebenso kann es als Zierelement in den Lunetten von Girlandenbögen (G 5) dienen, wie es auch von anderen Opfergeräten bekannt ist.120 Im bildlich dargestellten, architektonischen Zusammenhang ist das simpuvium in Tempelgiebeln bezeugt, wie z.B. bei dem korinthischen Tempel des sog. Opferreliefs 'Mattei' (A 12; Taf. 2d), ebenfalls gemeinsam mit dem lituus sowie Lanzen (hastae) und einem Schild.121 Auf einem beträchtlichen Anteil von Altären ist dieses Gefäß zu finden, wie singulär auf den Rückseiten zwischen Girlandenschwüngen, wobei die übrigen Seiten mit jeweils weiteren Geräten versehen sind122, oder, wie bei dem Larenaltar im Vatikan (I 13), innerhalb eines Lorbeerkranzes. Daneben tritt das simpuvium aber auch gemeinsam mit anderen Kultgegenständen auf, nämlich dem Libationsservice

116 Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 26): sumpuis. Auch als sampu(v)ium bekannt, vgl. WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 5 4 0 . — HENZEN 1874, C C I V ; PASOLI 1 9 5 0 , 65. 117 V g l . ZWIERLEIN-DIEHL 1980, 4 1 8 .

118 Auf dem Lucilla-Medaillon (Med 6) sieht man in der rechten Hand der rechts stehenden Vestalin die patera, die jedoch modern herausgearbeitet wurde; DRESSEL 1973, 114 Anm. 1. 119 Die Friese F 1, E 6, G 4 und H 4 zeigen das Schöpfgefäß im Verbund mit anderen Opfergerätschaften. Das Beispiel H 4 fällt ein wenig aus dem Rahmen, da die Kelle nicht additiv neben die anderen Geräte gestellt ist, sondern eher funktional wie auf der mensa abgelegt wirkt. 120 Vgl. Friesblöcke D 10: Girlanden haltende Viktorien, urceus, patera, culter, aspergillum. Friesblöcke Dd 2: aspergillum, galerus. 121 H i e r z u vgl. HOMMEL 1954, A n m . 4 4 3 , 2.

122 I 20: patera, Messer, gutus 11 5: gutus.

4.1 Die Gefäße

51

(gutus und patera) auf derselben Altarseite, so auf dem pompejanischen VespasianAltar (I 7; Taf. 9a) und dem Altar in Puzuoli (I 22; Taf. 10a). In Verbindung mit Gerätschaften des Stieropfers erscheint die Kelle auf einem Mainzer Altarrelief (Gg 10). Der dem Augustuskult zugewiesene Altar in Soriano (I 12) bildet das simpuvium zusammen mit dem lituus, der patera und der Corona civica ab und verweist somit auf Augustus' diverse Priesterämter. Das simpuvium besaß einen hohen Stellenwert innerhalb der Opfer- und Kultgeräte, was durch das Beiwort 'Numae' 123 bezeugt ist. Sein hohes Alter bezeugen keramische simpuvia-FrS-gmente des 7. Jhs. v. Chr., die bei Grabungen in unmittelbarer Nähe des Vesta-Tempels, auf dem Capitol, beim Comitium und in der Regia auf dem Forum Romanum gefunden wurden.124 Daneben wird die Bedeutung des simpuvium dadurch bestärkt, daß es als Insigne fur den Pontifex und im Vesta-Kult zu kultischen Ehren kam und auch nur von Mitgliedern der pontifikalen Vereinigungen während Opferhandlungen benutzt wurde. Wahrscheinlich wurde es sogar in dem von Numa gegründeten Vesta-Tempel aufbewahrt.125 Der Stellenwert des simpuvium ist auch daran abzulesen, daß noch zu Anfang des 5. Jhs. n. Chr. den frühen christlichen Schriftstellern dieses Gefäß im Zusammenhang mit dem Vesta-Kult ein Begriff ist. Im Vergleich zu seiner herausragenden Stellung unter den Kultgeräten allgemein fällt auf, daß es im Gegensatz zu seiner häufigen emblematischen Wiedergabe nur in sehr wenigen szenischen Darstellungen zu finden ist.

123 Prud. 2, 511-516. 1 2 4 GJERSTAD 1 9 6 0 , 1 9 3 A b b . 1 2 4 , 14 f f . 2 2 7 A b b . 140, 6 f. 3 0 1 A b b . 1 9 5 , 2. 3 6 3 A b b . 2 3 3 . 3 7 2 .

Sicherlich ist bei diesen Funden zu berücksichtigen, daß die Gefäße aufgrund ihrer Erscheinungsform auch im häuslichen Bereich Verwendung fanden und als solche zu einem späteren Zeitpunkt als Weihegeschenke Eingang in die kultische Sphäre gefunden haben könnten. 125 VAN DEMAN 1 9 0 9 , 2 6 ; KOCH 1 9 5 8 , 1 7 2 4 ; ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 2 7 .

52

4 Opfer- und Kultgeräte

4.1.2.5 Exkurs: Gefäße der Vestalinnen An die vorangegangenen Erwähnungen zu den im Vesta-Kult verwendeten Schöpfkellen soll im folgenden ein kurzer Exkurs zu den von den Vestalinnen gebrauchten Opfergeräten angeschlossen werden. Dies erscheint notwendig, da sich die Angaben bezüglich der Gefäße und Geräte häufen, die mit Vesta oder den Vestalinnen in Verbindung gebracht werden können. Die Problematik besteht jedoch darin, daß bis auf ein sicher und ein als wahrscheinlich nachgewiesenes Gefäß alle anderen nur literarisch bezeugt zu sein scheinen. Es handelt sich um futis, fut(t)ilis, seria, culullus, urna und molucrum,126 Mit den Begriffen futis und fut(t)ile kann bezüglich des Aussehens und der Verwendung ein und dasselbe Gefäß bezeichnet werden. Es handelt sich um eine Art Becher mit einer weiten Mündung. Charakteristisch ist der nach außen gewölbte Boden, der ein Stehen des Bechers verhindert, der somit in der Hand gehalten werden muß. Die Vestalinnen durften kein Wasser aus einem stehenden Gewässer und kein Wasser, das in einem Behältnis aufbewahrt wurde, verwenden,127 so daß das Wasser täglich frisch von der Quelle an der Porta Capena geholt werden mußte, und es galt als piaculum, dieses Wasser während des Marsches auf die Erde zu setzen. Ein Gefaßboden, wie ihn die futis /fut(t)ilis besitzt, verhindert dies.128 Auf dem kleinen Fries der Ara Pacis (I 2e) bildet eine Prozession von sechs Vestalinnen einen Teil des gesamten Opferzuges und zeigt gleichzeitig die Priesterinnen in Ausübung ihres Amtes. In der linken Hand einer jungen Priesterin, die die Prozession anfuhrt, finden wir ein Gefäß, auf das die Beschreibung der futis /fut(t)ilis mit einem runden Boden und einer weit geöffneten Mündung zutrifft. Ein Gefäß, in diesem Falle eher ein Behältnis, das nicht ausschließlich für den Vesta-Kult bestimmt war, aber speziell zu opfervorbereitenden Handlungen durch die Vestalinnen benutzt wurde, ist das molucrum. Hierbei handelt es sich, laut litera-

126 SysKat. 19 (culullus), 23 (futis), 24 (fut(t)ilis), 33 (molucrum), 42 (seria), 47 (urna). 127 Dies ist eindeutig für die Zubereitung der Salzlake bezeugt. — Fest. 160 M. 153 L.: „muries dicebatur sai in pila tunsum et in ollam fictilem coniectum et infurno percoctum, quo dehinc in aqua[m] misso Vestales virgines utebantur in sacrificio"·, Fest. 158 M. 152 L. 1 2 8 S e r v . Aen.

11, 3 3 9 . — KOCH 1 9 5 8 , 1 7 1 7 f f . ; LATTE 1 9 6 0 , 1 0 9 ; v g l . a u c h PREUNER 1 8 6 4 , 3 0 5 ;

BRELICH 1 9 4 9 , 5 1 ; GJERSTAD 1 9 7 3 , 2 6 0 f.

4.1 Die Gefäße

53

rischer Aussage, wahrscheinlich um ein Holzbrett mit einer Mulde129, auf dem die von den Vestalinnen zubereitete und bei den Opfern verwendete mola salsa130 lag. Es bleibt zu fragen, wo das molucrum bildlich überliefert ist. Erste Ansätze zur Lösung dieses Problems sind bei I. SCOTT RYBERG 131 ZU finden. Bei der Beschreibung der Opferszene des Vespasian-Altares (I 7) in Pompeji verwies sie auf einen Opferdiener132, der eine 'Platte' in der Hand hält, auf die die Beschreibung passen würde und tatsächlich das vermutete molucrum sein könnte; die dargestellte Szene zeigt den Augenblick, in dem der Stier hereingeführt wird und der Opfernde im Begriff ist, mit der patera etwas über dem Altar zu spenden, möglicherweise mola salsa. Dafür spricht auch die Bewegung der rechten Hand des jugendlichen Opferdieners, die den Eindruck erweckt, er entnehme dem Behältnis etwas, bei dem es sich keineswegs um Kuchen oder Früchte handelt. Eine inhaltlich ähnliche Szene bietet ein Larenaltar (115) im Vatikan. Der Unterschied zum Vespasian-Altar besteht allerdings darin, daß der Moment der Stiertötung beinahe erreicht ist: der Victimarius holt bereits zum tödlichen Schlag aus, während der Opferherr das Voropfer vollzieht. Auch hier hält ein Opferdiener ein mit mola salsa gefülltes molucrum, da ebenfalls keine Hinweise auf Früchte oder Kuchen zu finden sind. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des gesalzenen Spelts steht die seria, ein weiteres mit dem Vesta-Heiligtum verbundenes Gefäß. Sie wird stets als Gefäß benannt, das sich im Vesta-Tempel oder in seinen Nebenräumen befand, dort vielleicht sogar fest in den Boden eingelassen war.133 Genutzt wurde die seria als eine Art Vorratsgefaß, in dem die Salzlake (muría oder mûries) fur die Herstellung der mola salsa verwahrt wurde.134 Darüber hinaus

129 Paul. Fest. 141 M. 124 L.; 143 M. 125 L. 130 Fest. 65 M. 57 L.: „casta mola genus sacrifica, Kap. 2.1, S. 14.

quod Vestales virgines faciebant".

— Siehe

131 SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 8 3 A n m . 6.

132 Es handelt sich u m die Person links im Relief hinter dem jugendlichen Opferdiener mit dem Waschgeschirr. 133 Paul. Fest. 250 M. 296 L.; 251 M. 297 L. — Zu diesen Nebenräumen zählt eine Vorratskammer. Hier wurden wahrscheinlich auch alle anderen fur den Opferdienst benötigten Requisiten verwahrt; KOCH 1958, 1729 f. Diese Vorratskammer mit penus zu bezeichnen, ist nach RADKE strikt abzulehnen; seiner Meinung nach handelte es sich vielmehr um die im Tempel verwahrten, für die Kulthandlungen notwendigen Vorräte — Vgl. hierzu die Diskussion um die Bezeichnung bei RADKE 1981, 356 ff. mit Anm. 130 f. Siehe auch VAN DEMAN 1909, 38 f. 134 Fest. 158 M. 152 L.: „muries [...], et in seriam coniecto, quae est intus in aede Vestae". — RE XVI.l (1933) 661 f. s.v. Muria (Hug)

54

4 Opfer- und Kultgeräte

nimmt man an, daß in der seria auch die heiligen Geräte für den Vesta-Kult aufbewahrt wurden, wie aus einer Textstelle in der Historia Augusta (Heliog. 6, 8) hervorgeht. Zur Form dieses Gefäßes werden keine konkreten Aussagen gemacht. Auszugehen ist jedoch von dolia-Ühnlichen Gefäßen135, die jedoch kleiner als diese sind, einen schmaleren Hals haben sowie in der Form136 gestreckter erscheinen. Culullus bezeichnet einen zumeist tönernen Becher, der von den Pontífices und insbesondere von den Vestalinnen verwendet wurde.137 Seiner Form nach dürfte er der calix, der griechischen Kylix (κυλιξ) ähnlich gewesen sein, wie etymologische Herleitungen vermuten lassen.138 Genauere Angaben zur speziellen Form lassen sich wegen der für dieses Gefäß fehlenden bildlichen Überlieferung auch hier nicht machen. Zuletzt sei noch die urna erwähnt.139 Sowohl die schriftlichen als auch die bildlichen Zeugnisse lassen keine gesicherten Aussagen über Aussehen und Funktion im sakralen Bereich zu. Allgemein nimmt man für dieses Gefäß eine bauchige Form an, die manchmal mit Deckel und Henkeln ausgestattet war.140 Ganz allgemein ist die urna ein Gefäß zum Wasserschöpfen und -holen.141 Aus diesem Grund muß sie im Zusammenhang mit der eindeutig bezeugten Verwendung der futís beim Vesta-Kult gesehen werden.142

135 C o l u m . 1 2 , 2 8 ,

1,7.

136 Schol. Pers. 2, 11; Isid. orig. 20, 6, 6.

137 Porph. Hör. carm. 1, 31, 10. 1 3 8 NIEDERMANN 1 9 5 0 , 1 5 4 m i t H i n w e i s a u f KELLER 1 8 9 1 , 8 2 .

139 O y. fast. 3, 14; Prop. 4, 4, 15 f. 140 Ein Gefäß, auf das die Beschreibung der sakralen urna passen könnte, zeigt die Reverse einer Münze des Q. Cassius (55 v. Chr.). Sie zeigt neben dem Vesta-Tempel, dem curulischen Sessel und einer Tafel dieses Gefäß, das allgemein allerdings als Stimmume bezeichnet wird. — RRC 152, Nr. 917; vgl. auch BMCRR I, 482 Nr. 3871. III Taf. 48, 11.1, 482 Nr. 3873. III Taf. 48, 12. 1 4 1 HILGERS 1 9 6 9 , 3 0 0 .

142 Im mythologischen Bereich wird die urna als Wassergefäß mit den Danaiden in Verbindung gebracht. — Zu den Danaiden vgl. ROSCHER, ML 1.1 (1884-90) 949 ff. s.v. Danaiden (Bernhard); ROSCHER, ML III.l (1897-1902) 540 ff. s.v. Nymphen (Höfer). — Zahlreiche bildliche Darstellungen zeigen die urna. Die Wiedergabe einer Szene in der Wandmalerei aus dem Mythos der Danaiden oder der Quellnymphen belegt den Zusammenhang dieses Gefäßes mit diesem Sagenkreis. Hier lehnt sich die Quellnymphe Sangaritis auf ein bauchiges Gefäß, das den literarischen Beschreibungen der urna als bauchig und von großem Fassungsvermögen sehr nahe kommt. —

4.1 Die Gefäße

55

Zu diesen Wasserbehältnissen im vestalischen Kult mag das Gefäß gehören, das auf dem Fries des Vesta-Tempels abgebildet ist. Möglicherweise haben wir es hierbei mit einer Art 'Hydria' zu tun, deren dritter Henkel auf der Rückseite des Gefäßes 'versteckt' ist. Der eigentümlich rechteckige Block deutet auf einen Ständer oder eine anderweitige Halterung hin. Eine solche Konstruktion würde sich für 'Rundbodengefaße', die für das für kultische Zwecke benötigte Wasser gefordert werden, anbieten. Obwohl das Gefäß steht, kommt es nicht mit dem Boden in Berührung und genügt so den Vorschriften.

4.1.2.6 Opferschalen Neben der patera als üblicher Spendeschale sowie ihren Nebenformen patella und phiala kennt die lateinische Überlieferung noch andere Schalen und im weiteren Sinne Platten und Schüsseln für den Opfergebrauch. Zu diesen zählen clarnus, culigna, spondeum undpraefericulum m , die zwar schriftlich bekannt, aber bildlich für uns nicht zu fassen oder nicht nachzuweisen sind, da die Zuordnung der überlieferten Bezeichnungen zu konkreten, dargestellten Gefäßen nicht immer möglich ist. Da dem spondeum eine sehr spezielle Bedeutung zuzukommen scheint, die eher rein inhaltlich als formal erklärt werden kann, soll seine Erläuterung ausführlich im Rahmen des Kapitels zum Aussagegehalt und der Erzählabsicht römischer Opfer-, Kult- und Priestergeräte144 erfolgen. Der clarnus, ein synonymer Begriff für die lanx, fand im Venus-Kult als Aufbewahrungsbehältnis fur Obst145 Verwendung; die culigna dagegen wurde als Weinopfergefäß benutzt.146 Ebenso wie der culullus mit der calix verwandt ist, ist auch culigna über das griechische κυλίχνη, einer Verkleinerungsform von κύλιξ, mit calix verwandt, so daß man von einer Schalenform ausgehen muß.

Zur bildlichen Darstellung der urna im Zusammenhang mit den Danaiden: Domus des Pinarius Cerialis, Cubiculum, Pompeji, Reg. III 4, 4; 4. Stil. — Riz 1990, 71 Nr. 86 Taf. 31, 2; CERELLI u.a. 1990, Abb. 31; SCHEFOLD 1962, 114 f. Taf. 79; PPM III, 464 f. Nr. 36a. — Zur Quellnymphe: ROSCHER, ML IV (1909-15) 274 s.v. Sagaritis (Höfer). — Zum Fassungsvermögen: Cato, agr. 10, 2 und 13, 3: „urnam quinquagenariam" (27 Liter Fassungsvermögen); urnales II (2 Einurnenkrüge = 2 x 1 Urne = 13,03 Liter), siehe hierzu THIELSCHER 1963, 51,316. 143 SysKat. 14 {clarnus), 18 (culigna), 39 (praefericulum), 144 Siehe auch Kap. 8.3, S. 199 ff. 145 Schol. Pers. 1. 146 Cato agr 132.

44

(spondeum).

56

4 Opfer- und Kultgeräte

In der älteren Sekundärliteratur wird das praefericulum als eine Art Kanne beschrieben.147 Jedoch ist festzuhalten, daß unter diesem Gefäß eine große, weitausladende tiefere Schale oder Schüssel, vielleicht ein Becken aus Metall, d.h. Kupfer oder Bronze (aeneum) zu verstehen ist.148 Anhand der Untersuchungen zu den Kannen gutus und urceus ist jene Bezeichnung des praefericulum als Kanne hinfällig. Das praefericulum wurde bei Opfern fur die Ops Consiva149, einer Göttin für den Erntesegen, verwendet. Sie hatte in der Regia ihren Kultplatz, weshalb das praefericulum auch im Sacrarium der Regia zusammen mit der secespita (Messer) aufbewahrt wurde.150 Aus den Quellen ist bekannt, daß es bei Prozessionen vor den Priestern hergetragen wurde, woher sich der Name ableitet. Aus der Verbindung mit Ops und secespita ist zu schließen, daß es bei unblutigen Opfern benutzt wurde. Die lanx151 ist ein weites, offenes Gefäß152, das vermutlich als Schale oder Schüssel verstanden werden kann. Zum einen soll die lanx ausgehöhlt bzw. leicht eingetieft (cava) gewesen sein, zum anderen wird sie als rund bzw. oval (rotunda), aber auch als eckig (quadrata) beschrieben.153 Zusätzliche Eigenschaften kann die Oberflächengestaltung zum Ausdruck bringen. So muß man einerseits von völlig schlichten Platten ausgehen, andererseits aber auch verzierte (caelata) Exemplare berücksichtigen.154 Im Original ist eine größere Anzahl in Edelmetall erhalten. Auch wenn man bei ihnen nicht unbedingt einen sakralen Charakter ausmachen kann und daher von Tafelgeschirr auszugehen hat, so bieten sie jedoch Aufschluß über Form, Aussehen und

147 DÜTSCHKE I 29 ff.; vgl. auch RE XII.2 (1954) 1347 s.v. praefericulum (Gross). 148 Laut Paul. Fest. 249 M. 292 L. handelt es sich um ein geräumiges Gefäß. — SCULLARD 1985, 254 versteht hierunter allerdings einen besonderen, großen Kessel aus Bronze. 149 WISSOWA 1902, 168; RE XVIII.l (1939) 749 ff. s.v. Ops (Rohde). 150 Varrò ling. 5, 21: „Opeconsiva dies ab dea Opeconsiva, cuius in regia sacrarium, quod ideo actum, ut eo praeter virgines Vestales et sacerdotem publicum introeat nemo". — Siehe Kap. 4.3.1, S. 75 ff. 151 SysKat. 28 (lanx). 152 Verg. georg. 2, 195. 153 cava: Mart. 10, 31, 19. — Dies widerspricht nicht unbedingt der Form einer Schüssel oder Schale, wie HlLGERS 1969, 65 Anm. 363 begründet, da die lanx häufig auch als 'Waagschale', die ja flach ist, bezeichnet wird. 154 caelata: Ov. Pont. 3, 5,20. — Goldeinlage: Mart. 14, 97. — Graviert: Petron. 31, 10. — Reliefiert: Cie. Att. 6, 1, 13.

4.1 Die Gefäße

Technik. Meines Erachtens sind beispielsweise die bei E.

57

PERNICE

und

F. WINTER155

als 'Teller' bezeichneten Platten des Hildesheimer Silberschatz lances. Auch zum Silberschatz aus der Casa del Menandro in Pompeji (Reg. I 10, 4) gehörten einige Platten dieses Typus'. 156 Alle Vertreter zählen zur Gruppe der Platten mit unverzierter Innenfläche und verziertem Rand oder Griffplatte. Daneben haben wir Zeugnis von lances mit reichverziertem, meist graviertem Innenfeld, für die die 'Corbridge'lanx, wenn auch spätrömisch, ein Beispiel ist.157 Zu den bildlich überlieferten und aus einem sakralen Zusammenhang stammenden Platten geben Altäre mit Einzeldarstellungen der lanx oder rituelle Szenen Auskunft, wobei die Platten oft in Seitenansicht wiedergegeben sind und daher meist keine Angaben zu Verzierungselementen zulassen, sondern nur im Hinblick auf ihren kultischen Verwendungszweck erläutert werden können. Der Iuno-Altar (121) zeigt eine ovale lanx mit breitem, scharf abgesetztem Rand. Verziert ist dieser mit Wellenranken. Auf der Plattenfläche befinden sich ein Zweig sowie zwei runde Früchte, wahrscheinlich Granatäpfel. Das Relief mit dem Penatenopfer des Aeneas von der Ara Pacis (12a) könnte eine lanx in szenischem Zusammenhang meinen. Der jugendliche Opferdiener, der die Kanne trägt, hält auch einen großen 'Teller' mit diversen Früchten für das Opfer bereit. Dieser Teller sieht einer lanx nicht besonders ähnlich, da er sehr plastisch herausgearbeitete Riefen hat und daher auch als patera angesprochen werden könnte. Doch die Größe und ihr offenkundiger Verwendungszweck als Fruchtschale sprechen für die lanx. Im Opferzug auf der Ara der Vicomagistri (113) führt ein jugendlicher Opferdiener eine flache Platte mit, deren Inhalt nicht genau erkennbar ist - vielleicht Früchte oder Kuchen. Um hoch aufgestapelte Früchte handelt es sich beim Inhalt der lanx, die der Opferdiener auf einem Grabaltar im Thermenmuseum (I 33) trägt. Dagegen nur in querschnitthafter Seitenansicht sichtbar ist die lanx auf dem Suovetaurilienrelief der Decennalienbasis (F 8a). Allerdings sind bei dieser Reliefdarstellung die Formen und Konturen schwach, so daß sich nur vage Aussagen über Art und Umfang des Schaleninhalts machen lassen; es dürfte sich jedoch um Früchte handeln.

155 PERNICE-WINTER 1901, 4 7 ff. 51 f. 156 MAIURJ 1932, 3 6 2 N r . 2 8 ^ 1 3 T a f . L V - L V I . 157 DREXEL 1915, 192 ff.

4 Opfer- und Kultgeräte

58

Auch die lanx des - allerdings umstrittenen - Bostoner Opferreliefs (A 3), die von einer Opferdienerin getragen wird, enthält Früchte. Durch diese Reliefs wird der Verwendungszweck der lanx deutlich. Sie wurde für die Darbringung von Früchten benutzt, insbesondere der primitiae, der Erstlinge der Ernte.158 Neben dieser Verwendung überliefern uns die Quellen noch den Gebrauch der lanx für die Aufbewahrung der exta sowie der Hülsenfrüchte und des Kuchens (liba) bei der Spende.159 Abgebildet scheinen jene Arten der Opfergaben auf einer Schale zu sein, die sich auf der Nebenseite eines kleinen Weihealtares für Minerva in Trento befindet (117; Taf. 9b). Als außergewöhnliches Beispiel soll noch die lanx des kleinen Frieses der Ara Pacis Augustae (I 2b) angeführt werden. Hier trägt ein Victimarius auf der hocherhobenen Platte ein Messer, den culter, gerade so, als wolle er es in feierlicher Art und Weise präsentieren. Formal betrachtet sind die lanx, satura lanx bzw. satura160 genannten Platten ein und dasselbe Gefäß. Vom Kult des Liber Pater oder auch Bacchus ist überliefert, daß an den Liberalia (17. März)161 die Priesterinnen des Liber Pater überall in der Stadt Kuchen verkauften, den sie für den Käufer auf einem kleinen Tragaltar (foculus]62) opferten.163 Von Vergil (georg. 2, 393 ff.) erfahren wir dazu: „ergo rite suum Baccho dicemus honorem /carminibuspatris lancesque et liba feremus."164 Daher scheint es möglich, durch die Verbindung von liba, lanx und Bacchus (Liber Pater) eine Beziehung zur satura herzustellen. Denn die satura lanx, die wohlgefüllte, üppige Schale165, trifft den Charakter des Wein- und Fruchtbarkeitsgottes Liber Pater. Möglicherweise wurden die liba der Liberalia auf ebensolchen saturae feilgeboten.166

158 Suet.frgm. 3, 20, 10; Porph. Hör. epist. 1, 11. 159 exta·. Verg. georg. 2, 194; Lucan. 6, 710. — Hülsenfrüchte: Liv. 40, 59, 7. — Kuchen: Verg. georg. 2, 393. 160 SysKat. 40 (satura). 161 SCULLARD 1 9 8 5 , 141 f f . ; RÜPKE 1 9 9 5 , 2 6 3 A N M . 6 0 .

162 SysKat. 59 (focus

/foculus).

163 Varrò ling. 6, 14; Ον. fast. 3, 713 ff. 164 Verg. georg. 2, 393 f. — Vergil, geórgica, hrsg. und erkl. von W. RICHTER (1957) 241. 165 Satur, satura, saturum = 1. satt, gesättigt, 2. reichlich, fruchtbar, voll, vgl. OLD 1694 s.v. satur. 166 Möglicherweise dargestellt ist der Verkauf von Kuchen an den Liberalia in einem Wandbild aus dem Tablinum der Casa dei Dioscuri in Pompeji, das eine am Boden sitzende Frau zeigt, die

4.1 Die Gefäße

59

Auch im Rechtsleben der römischen Frühzeit besaß die lanx eine Bedeutung, wenn auch in abstrahierter Form. Im ius civile erscheint sie im Zusammenhang mit den XII tabulae (tab. 8, § 15)167 beim Straftatbestand des Diebstahls in der Formel 'lance et licio', bei der förmlichen Hausdurchsuchung. Der Bestohlene folgte dem vermutlichen Täter in dessen Haus und führte dort eine Hausdurchsuchung durch, nackt bzw. nur mit einem Schurz (licium) bekleidet, die lanx in der Hand haltend.168 Trotz mehrfacher Versuche ist die Bedeutung von lance et licio und damit auch der lanx in diesem Zusammenhang bisher nicht zufriedenstellend gelöst geworden. Möglich wäre es, sie im Zusammenhang mit Opferspenden zu sehen, die als Sühne fur die Störung des Hauses und der Hausgötter aufgrund dieser Aktion durchgeführt werden mußten.169 Eine profane Erklärung für lanx und licium könnte sein, daß die Nacktheit das Unterschieben des scheinbar entwendeten Eigentums ins Haus der beschuldigten Person verhindern sollte. Die lanx war somit für die Aufnahme der gestohlenen und wiedergefundenen Gegenstände gedacht.

4.1.3 Gefäße zum Kochen des Opferfleisches Das Kochen der exta und des Fleisches war ein obligater Akt des Opfers.170 Die zu diesem Zweck verwendeten, überlieferten Gefäße sind in ihrer Gestalt und in ihrer eigentümlichen Verwendung genau definiert. Wir unterscheiden dabei Gefäße, in denen gekocht, und Geräte, mit denen gerührt wurde. In den literarischen Quellen sind dafür vier Kochgefaße belegt, von denen archäologisch sicher allerdings nur die

einem Mann die liba (?) überreicht. — Neapel, Mus. Naz., Inv. 9106; vgl. SIMON 1990, 127 Abb. 154. 167 Gai. 3, 192; Gell. 16, 10, 8. — Siehe DULL 1971, 93. 168 RE XXIV (1963) 788 ff. s.v. quaestio, lance et licio (Horak); ausführlich WOLF 1970; WIEACKER 1 9 8 8 , 2 4 5 .

169 Spenden an die Hausgötter während des Mahles: Hör. carm. 4, 5, 29 ff.; Serv. Aen. 1, 730. — Gruß an die Hausgötter beim Betreten und Verlassen des Hauses: Plaut. Stich. 534 f.; Cato agr 2, 1. — Vgl. RE XXIV (1963) 798 ff. — Zur Verehrung der Hausgötter: FRÖHLICH 1991, 24 f. 170 LATTE 1960, 3 8 9 f. m i t A n m . 1.

60

4 Opfer- und Kultgeräte

aula / ollam nachgewiesen werden kann. Daneben werden extar, lebes und clibanus genannt.172 Die truam diente zum Umrühren. Die aula / olla, die eine wichtige Rolle in der Verehrung der Arvalbrüder spielt174, ist ein relativ großes Gefäß. Für dieses Gefäß gibt es keine einheitliche Sprachregelung, so daß beide Begriffe gleichermaßen nebeneinander bestehen. Der Einfachheit halber wird im folgenden aula verwendet. Sehr häufig wird in der Forschungsliteratur der Eimer im Opferzusammenhang mit situla bezeichnet. Da jedoch die literarischen Quellen für situla keinen Hinweis auf sakrale Verwendung geben, wird auf diesen Begriff an dieser Stelle verzichtet und eimerförmige Behälter als aula bezeichnet.175 Die archäologischen Quellen machen eindeutige, nahezu identische Aussagen zu seiner Form; dennoch handelt es sich um einen Eimer mit Bügelhenkel. Zum Teil ist er mit einem Standring versehen und kann eine eingezogene Schulter-Hals-Zone besitzen. Seine Form dürfte nach den bildlichen Darstellungen mit den sog. 'Hemmoorer Eimern' bzw. den Eimern aus dem pompejanischen und capuanischen176 Gebiet erklärt werden, die annähernd ähnlich aussehen. Wir finden diese Eimer besonders im Zusammenhang mit dem Stieropfer177. Daneben sind sie in den Händen der Opferdiener178 zu sehen oder zusammen mit anderen Opfergeräten Bestandteil dekorativer Friese179. Der größte Teil der überlieferten aulae gehört einer Gruppe an, die sich durch einen „scharf eingezogenen Hals"180 auszeichnen. Der Opferschlächter eines Reliefs in der Villa Medici (A 20) trägt sogar zwei Eimer. Der geschulterte Eimer besitzt einen Hals, der sehr stumpf von der Gefäß-

171 SysKat. 6 (aula / olla). 172 SysKat. 22 (extar), 29 (lebes), 15 (clibanus). 173 SysKat. 45 (trua). 1 7 4 WISSOWA 1 9 0 2 , 4 8 7 A n m . 5 ; THULIN 1 9 6 8 , 7.

175 Zur situla: DAREMBERG-SAGLIO IV.2 (1911) 1357 ff. s.v. Situla (Grenier); RE III A 1 (1927) 415 ff. s.v. situlus (Leonard); HILGERS 1969, 77 ff. 282 f. 1 7 6 WILLERS 1 9 0 1 , 1 1 5 f f . A b b . 4 5 ; WILLERS 1 9 0 7 .

177 A 8. 20 I E 5 I F 5 11 2d. 178 E 3a. b 11 10. 179 E 6a (Zwischenrelief) | F 2. 180 WILLERS 1 9 0 1 , 1 1 7 .

4.1 Die Gefäße

61

Schulter abgesetzt ist und in eine stark geschwungene Hohlkehle ausläuft.181 Den zweiten, etwas kleineren Eimer finden wir ebenfalls bei H. WILLERS beschrieben.182 Wozu dieser Opferschlächter die beiden Eimer bei diesem Opfer braucht, ist unklar. Szenen vergleichbarer Art fuhren zu keiner Klärung. Das ikonographische Schema von auf der Schulter getragenen aulae findet sich auch auf dem Gebälkfries des Trajansbogens von Benevent (E 3a). Die Opferschlächter tragen, vergleichbar demjenigen auf dem Relief A 20, eine aula auf der Schulter. Das Motiv des in der Hand gehaltenen Eimers findet sich auf dem Extispicien-Relief (F 5; Taf. 2b) wieder. Es ist bei dem Relief A 20 nicht davon auszugehen, daß beide Eimer zur Aufnahme der exta dienen sollen. Vielmehr mag hier eine Verschmelzung zweier dem Künstler bekannter Haltungsschemata mit Eimern stattgefunden haben, die jedoch nicht inhaltlich zu deuten sind. Der Beneventer Fries (Nord-Ost-Seite; E 3a) zeigt ebenfalls zwei Opferschlächter, die die Last einer anscheinend sehr schweren aula gemeinsam tragen. B. AN183 DREAE vermutete, daß es sich bei dem Eimerinhalt um den Wein handelt, was fragwürdig erscheint, da Opferschlächter im allgemeinen nichts mit der Weinspende beim Voropfer zu tun haben. Würden hier tatsächlich die benötigten Mengen des Weins für die nachfolgenden Opfer transportiert, hätte man eher jugendliche Opferdiener zu erwarten, die sich um die ausreichenden Vorräte zu kümmern hatten, da sie stets in enger Verbindung mit dem Weinopfer standen. Der Form nach ist das eimerähnliche Gefäß des Reliefs aus der Villa Medici (A 20) ebenfalls der o.g. Gruppe zuzuweisen. R. v. SCHAEWEN benannte dieses Gefäß mit armillumm·, dies ist aber aufgrund der literarischen Quellen nicht möglich. Laut Festus wird das armillum zwar auf der Schulter getragen, aber gleichzeitig als vas vinarium bezeichnet. Auch Varrò weist es den Weingefäßen zu und macht mit dem Begriff 'urceoli ' eine eindeutige Aussage zur Form, wonach das armillum ein krugähnliches Gefäß war, das für Wein verwendet wurde.185 Die aula des Opfergerätfrieses vom Amphitheater in Capua (F 2; Abb. 5) liefert ein weiteres Beispiel für die Form eines 'Hemmoorer Eimers'. Interessant ist hier-

1 8 1 WILLERS 1 9 0 1 , 1 1 6 A b b . 4 5 , 5. 1 8 2 WILLERS 1 9 0 1 , 1 1 6 A b b . 4 5 , 15. 1 8 3 ANDREAE 1 9 7 9 , 3 2 6 .

184 SCHAEWEN 1940, 58. — Siehe auch SysKat. 2 (armillum). 185 Fest. 2 M. 2 L.; Varrò vit. pop. Rom. Non. fr. 547.

4 Opfer- und Kultgeräte

62

bei, daß wir ein bildlich dargestelltes Exemplar vor uns haben, das aufgrund seiner Form mit den Eimern des Produktionsortes Capua identifiziert werden könnte.186 Zur eigentlichen Verwendung der aula - dem Kochen der Eingeweide und des Fleisches - finden wir in den bildlich überlieferten Quellen keine Hinweise. Als profanes Kochgeschirr ist sie aus Plautus' Komödie 'Aulularia' bekannt187, auch wenn sie dort nicht näher beschrieben ist. Eine Szene daraus illustriert das Wandbild der Casa dei Quadretti teatrali, Pompeji (Reg. 16, 11)188: Dort kommt der Koch, um den Kochtopf (aula), in dem der Schatz versteckt ist, abzuholen, damit er das Hochzeitsmahl zubereiten kann. Die aula steht - in diesem Fall von ihrem Besitzer gut bewacht - auf einem Dreifuß. Sie zeigt eine bauchige, lang-ovale Form, an den Schultern ist sie leicht eingezogen. Damit unterscheidet sie sich erheblich von den oben besprochenen aulae in Form der 'Hemmoorer Eimer' und lehnt sich eher an die kesselförmige lebesm an, die wir auf einem Weihealtar in Bonn (Gg 24; Taf. 13) finden (s.u.). Neben dem Stieropfer war die aula bei der Eingeweideschau in Gebrauch, wie auf dem Extispicien-Relief (F 5; Taf. 2b) zu sehen ist. Einem auf dem Rücken liegenden Stier wird von einem Opferschlächter, der dahinter kniet, der Leib aufgeschnitten. Von rechts tritt ein Opferdiener heran. Mit der Rechten schultert er die dolabra, in der Linken hält er ein eimerähnliches Gefäß, wohl die aula. Wozu hätte der Eimer sonst gedient haben sollen, wenn nicht zur Aufnahme der exta, die der Schlächter dem Stier entnehmen wird? Entgegen dem etruskischen Ritus gehörte es beim römischen Haruspicium dazu, daß die Eingeweide des Opfertieres nach der Entnahme gekocht wurden, wie Varrò ausdrücklich erwähnt.190 Wahrscheinlich singular ist sowohl in der stadtrömischen als auch provinziellen Kunst die Darstellung einer Kochszene, die sich auf der rechten Seite eines Weihealtars für die aufanischen Matronen befindet (Gg 24; Taf. 13): Ein Opfergehilfe gießt wohl etwas in einen großen Kessel. In der rechten Hand hält er einen Gegenstand mit Griff, die Fläche des Gerätes scheint an sechs Stellen durchbohrt zu sein. Mög-

186

Zu der Produktionsstätte Capua und ihren Erzeugnissen:

187

Plaut. Aul

2, 4 - 6 .

— Vgl.

STOCKERT 1983, 4

f.

11

WILLERS 1 9 0 7 ,

26.

f.

188 3. Stil, II. Phase Ile (50 n. Chr. claudisch). — Riz 1990, 102 Nr. 216 Taf. 59, 1; PPM I, 361 ff. insb. 373 Abb. 22. 189 SysKat. 29 (lebes). 190 Varrò ling. 5, 98. —

THULIN

1968, 7. — Vgl. auch Kap. 2.1, S. 15.

4.1 Die Gefäße

63

licherweise haben wir es hierbei mit der trua (Rührlöffel) zu tun, aber gesichert ist diese Annahme nicht, gerade im Hinblick auf die literarischen Quellen. Diese Szene kultisch-sakral zu interpretieren, ist dann legitim, wenn sie zu den anderen Szenen des Steins in Beziehung gesetzt wird. Die Opferszene der Vorderseite spricht für sich. Auch die rechte Nebenseite, die einen Opferdiener mit einem Schwein auf den Schultern wiedergibt, das möglicherweise zu Opferzwecken gedacht war, macht die Fortführung und Beendigung dieser Zeremonie mit dem anschließenden Kochen der Reste des Opfertieres wahrscheinlich. Eine lebes, deren Form anhand des Bildmaterials und der Quellen nicht genau zu definieren ist, verbirgt sich möglicherweise hinter dem großen, kesselartigen Gefäß, wie es in der Kochszene des Weihealtares für die aufanischen Matronen (Gg 24; Taf. 13) zu sehen ist. Selbst die literarischen Angaben helfen nicht viel weiter, da der Begriff 'lebes' im klassischen Latein nur selten vorkommt. Lediglich in den späteren Bibelübersetzungen und der christlich-lateinischen Literatur191 finden sich Hinweise auf seine Funktion als Kochkessel.

4.1.4 Opferkörbe Im römischen wie auch im griechischen Kult ist der Gebrauch von Körben belegt, von denen drei Typen unterschieden werden können, das canistrum, das cumerum und der

corbis.m

Begrifflich ist das canistrum vom griechischen Korb abgeleitet, der mit κάνουν oder κάνα bezeichnet wird. Während für den griechischen Kult dieses Behältnis in seiner Funktion eindeutig geklärt ist193, kann dem römischen Pendant keine klare Definition zugewiesen werden. Mit dem κάνουν des griechischen Kultes von homerischer bis in hellenistische Zeit hat sich J.

SCHELP

bezüglich seiner Erwähnung in

Kunst und Literatur auseinandergesetzt. Seine Ausführungen können ergänzend ñudas Verständnis des römischen Korbes herangezogen werden. Die literarischen Quellen weisen dem canistrum vielfältige Aufgaben zu. Es ist mit Brot und Früchten

191 HILDERS 1969, 211 mit Anm. 691. 192 SysKat. 8 (canistrum),

16 (corbis), 20

(cumerum).

193 Aufbewahrungsbehältnis für diverse Opferutensilien wie Gerste ( ο ύ λ α ί , ο λ α ί , ούλοχύταν), Messer etc. Daneben spielt der Korb auch eine wichtige Rolle im griechischen Hochzeitskult. — SCHELP 1975, insb. 21-26. Siehe auch speziell zum griechischen Kult: VAN STRATEN 1995, 31 ff. 162 ff.

4 Opfer- und Kultgeräte

64

bzw. den Opfergaben194 gefüllt; es wurde, ebenso wie in Griechenland bei den Kanephorien195, im römischen Kult von jungen Mädchen196 getragen. Eine Campanaplatte (A l)197 der republikanischen Zeit kann als ein Beleg fur das canistrum tragende Mädchen gelten. Zwei vor einem Räucherständer (thymiateriumm) stehende Mädchen halten einen flachen Korb mit erhobener Hand auf dem Kopf. Der archaisierende Stil199 der Figuren kann ohne weiteres als Zeugnis zumindest fur die Kenntnis solch kultischer Handlungen aus dem Griechischen angesehen werden, zumal Ovid (met. 2, 713) von diesen Mädchen berichtet200: ,j>uellae [...] vertice supposito [...]pura coronatisportabant sacra canistris." In ähnlicher Weise stellen sich mehrere Karyatiden in der Villa Albani201 dar. Hier tragen junge Mädchen einen relativ großen, flachen Korb auf dem Kopf, den sie mit beiden Händen balancieren. Bestätigt wird diese Verwendung des canistrum noch durch Beispiele aus der pompejanischen Wandmalerei. Aus dem oberen Peristyl der Villa di San Marco, Castellamare di Stabia202 stammt ein Malereifragment, das ein junges Mädchen mit canistrum auf dem Kopf zeigt. Diese Person gehört zu einer Reihe von Opfernden, so daß der sakrale Charakter des Gefäßes an dieser Stelle offenkundig ist. Die Art der Malerei läßt auf ein canistrum aus Metall schließen, wie es auch real überliefert ist. Ein bronzener 'Korb' aus Herculaneum mag dies verdeutlichen.203

194 luv. 5, 74; Οv.fast. 2, 650; Verg. Aen. 8, 180. 195 Das Tragen des κανούν war in Griechenland ausgewählten Mädchen vorbehalten und bedeutete eine Ehre für sie selbst und die gesamte Familie. Die Ehre, diesen Korb tragen zu dürfen, war von so großer Bedeutung, daß dafür anscheinend sogar getötet wurde: Harmodios ermordete Hipparchos, weil seiner Schwester die Ehre der Korbträgerin bei den Panathenäen verweigert w o r d e n w a r ( T h u k . 6, 5 6 ) . — BURKERT 1 9 7 2 , 11 f.; SCHELP 1 9 7 5 , 15 f.; VAN STRATEN 1 9 9 5 ,

14 ff.; RE X.2 (1919) 1862 ff. s.v. Kanephoroi (Mittelhaus). 196 Ov. met. 2, 712-713. 197 Vgl. GUSMAN 1913/14,1 Taf. 28.

198 SysKat. 61 (thymiaterium). 1 9 9 BORBEIN 1 9 6 8 , 1 8 9 f f .

200 Gemeint sind hier Panathenäen. — BÖMER 1969, 406. 201 BOL 1990, Nr. 179 f. Nr. 225. 202 Neapel, Mus. Naz., Inv. 8966,4. Stil (claudisch, 50-55 n. Chr.). — RlZ 1990, 57 Nr. 33 Taf. 19, 2.

203 Neapel, Mus. Naz., Inv. 76531, Mitte 1. Jh. n. Chr. — R]Z 1990, 34 Taf. 1; zum Vergleich siehe ebd. 57 Nr. 33 Taf. 19,2.

4.1 Die Gefäße

65

Die Darstellung eines Opferdieners bestätigt eine weitere Aussage Ovids204, daß auch Jungen mit dem canistrum in Verbindung zu bringen sind. Das Relieffragment von der sog. 'Ara Pietatis Augustae' (16a) zeigt einen Opferdiener, der einen großen geflochtenen Korb mit beiden Händen auf dem Kopf trägt. Der Korb, von dem eine Wollbinde (ínfula) herunterhängt, ist mit einem Tuch abgedeckt und läßt nur an der rechten Seite einen Blick auf seinen Inhalt zu, der nicht eindeutig identifiziert ist. Die runden Gegenstände werden einerseits als Kuchen (liba) angesprochen, andererseits auch als Früchte.205 Daß sich ebenfalls Getreide im Korb befand, belegt die dreieckig schraffierte Struktur, die als Ähre verstanden werden kann. Es wäre für die Thematik des Reliefs durchaus passend, in dem Jüngling einen fictor Vestalium zu sehen, d.h. den mit dem Backen von Kuchen für die Vestalinnen betrauten Opferdiener.206 Eine Szene mit dem Opfer des Romulus an Mars ( K l l ) zeigt eine andere Form des Korbes. Er hat einen relativ hohen Rand und eine kleine Grundfläche, scheint aber auch mit Früchten oder Kuchen gefüllt zu sein. Dies mag ein vereinzeltes Beispiel für den corbis sein. Der dritte Korb, der für Kult- oder Opferzwecke verwendet wurde, ist nach Ausweis der Quellen das cumerum bzw. die cumera. Die Quellen verwenden beide Formen parallel und weisen den Korb als Utensil aus, das bei Hochzeitsfeierlichkeiten207 zum Einsatz kam, wie folgende Formulierungen bezeugen: „cumerum: vas nuptiale" (Fest. 50 M. 43 L.), „cumeram vas quoddam [...], quod in nuptiis ferebant" (Fest. 63 M. 55 L.) und „nuptiis camillus cumerum feri" (Varrò ling. 7, 34). Während die Brautleute beim Gebet den Altar umrundeten, wurde es von einem jugendlichen Opferdiener (camillus) vor ihnen hergetragen.208

204 Ov. fast. 2, 650. liba: TORELLI 1 9 8 2 ,

205

71.

— Früchte:

HELBIG" II

Nr.

1751

(Simon);

TURCAN 1 9 8 8 , 2 4

Nr.

38

Taf. 19. 206 Zum fictor Vestalium: WLSSOWA 1902, 446 Anm. 5; RE VI.2 (1909) 2271 s.v. Fictores (Ihm); FLESS 1995, 21 mit Anm. 58-60. — Die Anwesenheit der Vestalinnen an der sog. 'Ara Pietatis Augustae' ist durch das Relief mit dem Vestalinnenbankett belegt und stellt so den inneren Zusammenhang zum Jüngling dar (Rom, Mus. Cap., Inv. 2391). — COLINI 1935, 48 ff. Abb. 9; HORN 1 9 3 6 , 4 7 4 ; R . B l o c h . In: CAGIANO DE AZEVEDO 1 9 5 1 , 5 6 f f . ; SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 7 1 f. A b b . 3 6 d ; GREIFENHAGEN 1 9 6 7 , 6 f. A b b . 1; TORELLI 1 9 8 2 , 7 1 T a f . II 2 9 ; KOEPPEL 1 9 8 3 , 7 3 f f . 1 1 4 f. N r . 2 3 A b b . 2 8 ; HÖLSCHER 1 9 8 8 a , 5 3 4 m i t A n m . 5 4 ; TURCAN 1 9 8 8 , 3 9 N r . 9 7 T a f . 5 2 ; SIMON 1 9 9 0 , 2 3 3 . 3 0 7 A b b . 2 9 7 .

207 RE Vm.2 (1913) 2131 ff. s.v. Hochzeit (Heckenbach). — Vgl. für das Griechische: DEUBNER 1925, 210 ff. 208 Serv. Aeri 4, 62; Val. Fl. 8, 242 ff.; Varrò ling. 7, 34; Fest. 50 M. 43 M.

4 Opfer- und Kultgeräte

66

Der Korb besteht aus geflochtenen Palmenzweigen oder Gräsern (Fest. 50 M. 43 L.). Ps. Acron nennt in den Scholien zu Horaz (sat. 1,1, 53) drei Formen dieses Gefäßes209; demnach unterscheidet man sehr große Behältnisse, die aus Weidenruten geflochten waren, sowie fiinktionsgleiche rfo/ium-formige Gefäße aus Ton, die beide der Lagerung von Getreide dienten, außerdem Gefäße mit einem kleineren Hohlmaß. Im Vergleich zum cumerum wird die sprachliche Variante 'cumera' auch als Vorratsgefäß, z.T. aus Ton210 gefertigt, das den dolia2n ähnlich ist. Sie dient der Aufbewahrung von Getreide. Von diesem Umstand und der engen sprachlichen Verbundenheit von cumerum und cumera schließt A. ROSSBACH darauf, daß der Inhalt des cumerum bei Hochzeitsfeierlichkeiten ebenfalls aus Getreide bestehe.212 Von Festus (63 M. 55 L.) wissen wir, daß sich in dem Korb die verhüllten nubentis utensilio befanden, nur läßt er offen, worum es sich dabei im einzelnen handelte. A. ROSSBACH vermutet hier Getreide oder Opferspelt; denn utensilio113, so argumentiert er, seien das zum Leben notwendige Getreide. Da die cumera, das Vorratsgefäß also, im allgemeinen Getreide enthält und das cumerum ein sachverwandtes Gerät darstellt, dürfte die Bezeichnung der utensilia nubentis als Opferspelt gerechtfertigt sein, zumal zu jeder Hochzeit ein Opfer mit mola salsa vollzogen wurde und Camilli214 bei jedem Opfer stets Gefäße mit mola salsa (vgl. molucrum) mit sich führten. Im Gegensatz zu Material und Herstellungstechnik ist über die Form nichts weiter bekannt. Darstellungen, die eine eindeutige Identifikation dieses Behältnisses zulassen, sind kaum vorhanden. Die rechte Nebenseite eines Hochzeits-Sarkophages (K 14) stellt im Flachrelief drei jugendliche Opferdiener dar. Die linke Figur trägt ein an den Körper gedrücktes

209 Siehe auch Porph. Hör. epist. 1, 7, 30. 210 Schol. Hör. sat. 1, 1. 211 Das dolium ist ein Vorratsgefaß, vgl. HILGERS 1969, 171 ff. Nr. 140. 2 1 2 ROSSBACH 1 8 5 3 , 3 1 7 f f . ; KÄSER 1 9 4 8 , 3 4 2 f f . — E h e s c h l i e ß u n g (confarreatio)

bei Patriziern

mit feierlichen Worten und dem Opfer von Feldfrüchten und Brot (panis farreus): Gai. inst. 1, 1 1 2 ; Ulp. reg. 9. 213 utensilia, -ium, n. = brauchbare Dinge, insb. Lebensmittel. 214 Bei Hochzeitsfeierlichkeiten waren als Opferdiener speziell die als Camilli zu bezeichnenden jugendlichen Opferdiener anwesend, da die Confarreatio in Anwesenheit des Flamen Dialis durchgeführt wurde. — FLESS 1995, 47. — Gegen eine Teilnahme des Flamen Dialis wendet sich RADKE 1989, 209 ff.; nach Auswertung der Quellen (Serv. Aen. 4, 374; georg. 1,31) sieht dagegen VANGGAARD 1988, 108 den Flamen Dialis als Anwesenden der Handlung.

4.1 Die Gefäße

67

Behältnis. Über seine Form und die damit verbundene Funktionszuweisung läßt sich über die Einzelbetrachtung des Reliefs nicht viel Aufschluß gewinnen. Im Gesamtzusammenhang mit den Darstellungen auf der Hauptseite ergeben sich jedoch interpretatorische Ansätze. In der mittleren Bogenarchitektur befindet sich das Paar, die dextrarum iunctio vollziehend. Hinter ihm steht die göttliche Ehestiñerin Iuno Pronuba215, vor ihm Hymenaios216 mit der Hochzeitsfackel. Dem Hochzeitsritus gemäß wird nach der dextrarum iunctio das Opfer vollzogen. Anklänge daran finden sich schließlich auf den Sarkophagnebenseiten. Die drei Opferdiener tragen das Service für die kultische Handreinigung sowie das Handtuch (mantele), eine Rolle mit dem carmen nuptiale217 und das besagte Gefäß. Die Opferschlächter mit dem Stier befinden sich auf der linken Nebenseite. Dem Ablauf der Zeremonie gemäß könnte es sich um das Behältnis handeln, das der Opferdiener vor dem Brautpaar herträgt, so daß hier von einem cumerum mit den verhüllten utensilia nubentis gesprochen werden darf, zumal dieses Behältnis eine Abdeckung zu haben scheint.218

215 RE XIII. 1 (1957) 750 ff. s.v. Pronuba (Weinstock). 2 1 6 ROSCHER, M L 1.2 ( 1 8 8 6 - 9 0 ) 2 8 0 0 ff. s.v. H y m e n a i o s ( S t o l l ) ; R E I X . l ( 1 9 1 4 ) 1 3 0 ff. s.v. H y m e -

naios (Maas). 217 Als Deutung der Figuren sind teilweise die 'Drei Grazien' vorgeschlagen worden. Dies kann aber nicht zutreffen, da die Figuren mit bei Opfern benötigten Geräten (neben dem cumerum, gutus und polybrum) ausgestattet sind. — DÜTSCHKF. I 31 ; ROßBACH 1871, 168. 218 Allerdings gibt die recht schematische Darstellung des Gefäßes keine Hinweise auf Flechtwerk. Diese Tatsache braucht jedoch nicht zu verwundem, da Behältnisse dieser Art auch aus Ton bekannt sind (Schol. Hör. sat. 1,1).

68

4 Opfer- und Kultgeräte

4.2 Die Schlaggeräte Der Gebrauch der Schlaggeräte219 (Äxte, Beile und Hämmer) beschränkt sich innerhalb der Opferriten allein auf das Tieropfer. Daneben können sie aber auch als Priesterinsignien220 fungieren. Die meisten dieser Instrumente sind aus dem profanen Bereich bekannt, wo sie als Werkzeuge in der Metall- und Holzverarbeitung Verwendung finden.221

219 In der Literatur herrscht Unklarheit über den Gebrauch der Begriffe 'Axt' und 'Beil'. Tatsächlich ist die terminologische Unterscheidung beider Begriffe in der Archäologie schwierig. Es ist legitim, sich des von der Ur- und Frühgeschichte definierten Unterscheidungskriteriums - der Größe von Klinge und Länge des Holms (Schaffung) - zu bedienen. So nimmt man für die Axt eine größere, schwerere Klinge mit einer langen Schäftung an, die einen zweihändigen Gebrauch bedingt. Das Beil dagegen besitzt eine leichtere Klinge mit verhältnismäßig breiter, einseitig geschweifter Schneide. Der Holm ist kürzer als bei der Axt (bis zu 50 cm Länge) und für die einhändige Handhabung geeignet. Diese Kriterien können eine Hilfe für die korrekte Begriffsanwendung bezüglich der Beile und Äxte sein, um der verwirrenden Vielfalt der Bedeutungen entgegenzuwirken. Tatsächlich können aber an dieser Stelle nur die rein äußerlichen Merkmale in Betracht gezogen werden. In manchen Fällen der Denkmäler kann jedoch die klärende Definition nicht uneingeschränkt beibehalten werden; zumeist dann nicht, wenn das entsprechende Gerät zum Beispiel die Form und das Aussehen eines Beiles hat, aber dennoch mit beiden Händen geführt wird. Dies ist bei folgenden Beispielen der Fall: Der Opferschlächter des Sarkophages, Florenz (K 7) schwingt mit beiden Armen eine eigentlich als securis anzusprechende Axt. Das gleiche gilt für das Stieropferrelief, Florenz (A 14). Darüber hinaus ist es generell schwierig, nur anhand bildlicher Zeugnisse immer die richtige Benennung zu finden. Die an sich klar definierten Erscheinungsformen können daher nur richtungsweisend sein. Auch in der Ur- und Frühgeschichte, die gerade im Hinblick auf diese beiden Geräte bzw. Werkzeuge eine befriedigende Definition versucht hat, herrscht gewisser Zweifel in der genauen Anwendung der Begrifflichkeiten. Dennoch ist der Definitionsversuch für das hier zu skizzierende Problem sehr hilfreich. — Vgl. auch RGA I (1973) 536 s.v. Axt (Jankuhn) sowie II (1976) 154 s.v. Beil (Müller-Beck). 220 Siehe Kap. 4.2.1, S. 70 ff.; Kap. 5.2.2, S. 132 ff. 221 BLÜMNER 1879 gibt eine zusammenfassende Darstellung der Gerätschaften für den handwerklichen Gebrauch. — Nur exkursartig soll an dieser Stelle auf ein weiteres Schlaggerät eingegangen werden, das lediglich im weitesten Sinne als Kultgerät verstanden werden kann. Es handelt sich dabei um die ascia. Da die ascia weder als typisches Kult- noch als Opfergerät bezeichnet werden kann, wird sie nur in dieser Kurzform und auch nicht im SysKat. aufgeführt, siehe daher: BLÜMNER 1879, 204 ff.; RE II.2 (1896) 1522 f. s.v. Ascia (Mau). — Cie. leg. 2, 59; Plin. nat. 7, 35. — Von Isidor (orig. 19, 19, 12) erfahren wir, wie diese Axt ausgesehen hat: sie besitzt einen kurzen Stiel, eine quergestellte herabgezogene Schneide und auf der anderen Seite einen hammerartigen Kopf. Eigentlich wurde die ascia für die Holzbearbeitung genutzt. Daneben fungiert sie aber auch als Handwerksgerät des Steinmetzen; BLÜMNER 1879, 208 ff. — Die exakte Benennung dieses Werkzeuges ist dadurch gesichert, daß die ascia häufig auf römischen Grabsteinen in Kombination mit der Inschrift SUB ASCIA DEDICA VIT oder SUB ASCIA POSUIT ab-

4.2 Die Schlaggeräte

69

Die Gruppe der Schlaggeräte kennt sechs Gerätschaften, die mit dem Opfervorgang oder dem kultischen Bereich in Verbindung gebracht werden können; die Literatur nennt darunter vier Beiltypen für das Tieropfer (acieris, bipennis, sacena und securis)222, sowie eine Axt (dolabra) und einen Hammer (malleus) 223 . Acieris und bipennis können anhand des Denkmälerbestandes, wie es für diese Untersuchung von Relevanz gewesen ist, kaum identifiziert werden, so daß sie nur aufgrund der literarischen Zeugnisse zu skizzieren sind. Die acieris wird als Gerät der Pontífices und Flamines genannt. Sie hat eine funktionale Ähnlichkeit mit der securis und ist aus Bronze gefertigt. Das Doppelbeil 224 (bipennis) ist neben seiner Verwendung als Gerät für das Tieropfer, z.B. im Kult der kleinasiatischen Bellona (Tib. 1, 6, 47) 225 , bei dem es der securis vergleichbar eingesetzt wird, auch im bacchischen Kultus226 bekannt.

gebildet wurde. — BLÜMNER 1879, 209; RE II.2 (1896) 1522; NPauly 2 (1997) 75 f. s.v. Ascia (Herz); ThLL II 762 f. s.v. Ascia (4.). — Hauptsächlich auf Inschriften der Gallia Narbonensis, z.B.: CIL XII2012. — Die Bedeutung dieser speziellen Weiheformel ist in der Forschung umstritten; DEONNA 1 9 5 6 , 1 9 ff.; THEVENOT 1 9 5 7 , 1 3 8 ff.; THEVENOT 1 9 5 9 , 1 4 2 f f . ; MANACORDA

1972, 346 ff.; R A C 12 (1983) 5 9 0 - 6 3 7 s.v. Grabrecht (Klingenberg); MATTSON 1990. Allge-

mein wird sie dahingehend interpretiert, daß das Grabmal in noch unfertigem Zustand geweiht und die Inschrift angebracht wurde, um es als locus religiosus auszuweisen, vor Entweihung zu schützen und dem Besitzer die ständige Verfügbarkeit zu gewährleisten. 222 SysKat. 48 (acieris), 49 (bipennis), 52 (sacena), 53 (securis). 223 SysKat. 50 (dolabra), 51 (malleus). 224 Die Darstellung einer bipennis als Holzbearbeitungsgerät befindet sich auf der linken Nebenseite eines Votivaltars für Minerva (I 16). — ZIMMER 1982, Nr. 84. 225 RE III.l (1897) 255 f. s.v. Bellona (Aust); WISSOWA 1902, 289 ff.; LATTE 1960, 281 f. 355 mit Anm. 5; NPauly 2 (1997) 556 s.v. Bellona (Graf). 226 Die securis gilt als Attribut des Bacchus und seiner Begleiter. — RE III. 1 ( 1899) 488 f. s.v. Bipennis (Mau). — Siehe z.B. Mosaik, Djemila, Mus. Dalle Grandi Terme, Anfang 3. Jh. n. Chr.; DUNBABIN 1978, 256 Nr. 4a. 178 Taf. 70; LIMC III, 1, 551 Nr. 136*, III, 2, 440.

4 Opfer- und Kultgeräte

70

4.2.1 Die securis und die sacena Die securis wird bei Opfern verwendet, während die sacena, in ihrem Ursprung227 ebenfalls so genutzt, in historisch-römischer Zeit eher als Kultbeil und Pontifikalabzeichen anzusprechen ist. Die relativ breite Klinge der sacena hat eine trapezoide Form und ist einschneidig, wobei die Schneide selbst gerade oder leicht gebogen sein kann. Die Form entspricht der eines Schaftlochbeils. K . FRIIS J O H A N S E N hat fur dieses Beil die im Laufe der Zeit gewandelte Funktion vom Opfer- zum Kultbeil nachgezeichnet. Den Ursprung der sacena sieht er im Etruskischen und erläutert die Entwicklung von etruskischen Beilen zur sog. dolabra pontificalis22%. Die große Ähnlichkeit der sacenae, wie sie aus der römischen Zeit von Priestern bekannt sind, mit denen etruskischer Herkunft verdeutlicht die Abbildung eines Beils in der etruskischen Tomba dei rilievi, Cerveteri.229 Diese sacena als Opfergerät anzusprechen, erscheint gerechtfertigt, zumal sich unterhalb des Beils noch Geräte befinden, die der Form nach mit einem Messer, vielleicht der secespita210, vergleichbar sind. K. FRIIS J O H A N S E N begründet seine Annahme, daß dieses Messer ein Opfermesser ist, damit, daß entsprechende Geräte für den Gebrauch im Haushalt auf einem anderen Pfeiler auftreten.231 Das Beil der Tomba dei rilievi hat der Form nach große Ähnlichkeit mit einem im Original erhaltenen Beil in den Vatikanischen Museen, das wohl aufgrund seiner Größe232 praktischen Zwecken nicht dienen konnte und somit als Kultbeil angesehen werden muß.

Sicher als sacena zu identifizieren sind Beile, wenn man sich streng an die Formenbeschreibung233 hält, nur auf wenigen in die Untersuchung einbezogenen Denkmälern. Das gilt für das Prozessionsrelief der Ara Pacis Augustae (Südfries; I 2c), das auch gleichzeitig die einzige Darstellung der sacena in einem szenischen Kontext ist. Hinter der Gruppe mit den Flamines schreitet ein junger Mann, der über

2 2 7 FRIIS JOHANSEN 1 9 3 2 , 1 2 0 f.

228 Fest. 319 M. 423 L.; Paul. Fest. 318 M. 422 L. 2 2 9 FRIIS JOHANSEN 1 9 3 2 , 123 f f . A b b . 8 f.; R i c c i 1 9 5 5 , 8 9 3 ff.; BLANCK. 1 9 8 6 , 3 3 T a f . II. V . X I . XVII.

230 SysKat. 56 (secespitä). 2 3 1 FRIIS JOHANSEN 1 9 3 2 , 126.

232 Zitiert nach SCHAEWEN 1940, 52 Taf. 9, 1 (non vidi). 233 Zur Definition von 'Beil' siehe Ausführungen Anm. 219 in diesem Kap.

4.2 Die Schlaggeräte

71

der Schulter die sacena trägt. Bereits E. PETERSEN234 hat diesem Beil seine Funktion als tatsächliches Opferinstrument abgesprochen, weil es durch seine kunstvolle Gestaltung fur den eigentlichen Gebrauch ungeeignet gewesen235 wäre und daher eher als priesterliches Amtssymbol einzustufen ist. In der Person des Beilträgers ist der Flaminius lictor236, der Begleiter oder Diener des Flamen Dialis zu sehen, der in jenen Zeiten, als die Priester ihre blutigen Opfer noch selbst vollzogen, die Aufgabe hatte, dem Flamen Dialis, der selbst kein solches Opfer vornehmen durfte, die Tötung des Tieres abzunehmen.237 Nachdem jedoch die Opferschlächter dieses als Aufgabe übernommen hatten, wurde der Flaminius lictor zum Begleiter des höchsten Iuppiter-Priesters. Das Beil sei daher eine Insigne und darüber hinaus Erinnerung an die einstigen kultischen Aufgaben. Dennoch ist Festus (93 M. 82 L.) nicht eindeutig zu entnehmen, daß die Flaminii lictores tatsächlich bei der Tötung der Tiere mitwirkten, wie K. HANELL diesen Verweis verstanden haben möchte.238 Wenn in dieser Person ein Flaminius lictor, d.h. ein sakraler Lictor zu erkennen ist, wäre vielmehr das unverbundene Paar Stäbe als Amtsinsigne zu erwarten und kein Beil.239 1. SCOTT RYBERG und F. FLESS240 sehen in dem Beilträger dagegen keine priesterliche Person, sondern gehen von einem Diener aus. Während I. SCOTT RYBERG ihn noch allgemein als Apparitor benennt, weist F. FLESS ihm aufgrund seiner Jugendlichkeit und Körpergröße im Vergleich zu den vor ihm schreitenden Flamines und dem hinter ihm befindlichen Agrippa eine Funktion als Opferdiener zu. Sie benennt ihn mit 'Flaminius camillus', da auf dem Prozessionsfries (I 2b) die einzelnen Opferdiener den entsprechenden Priestergruppen zugeordnet sind.241 So wie

2 3 4 PETERSEN 1 9 0 2 , 2 9 . 2 3 5 I n d i e s e m S i n n e a u c h FR1IS JOHANSEN 1 9 3 2 , 1 1 3 f f . 1 4 7 f. 1 5 2 ; H A N E L L 1 9 6 0 , 5 2 f.

236 Fest. 93 M. 82 L.: ,flaminius lictor est, qui flamini Diali sacrorum causa praesto est"·, 2, 23; Plut, quaest. Rom. 113.

Ov.fast.

237 HANELL 1960, 52. — Gegen HANELLS Deutung dieser Person spricht sich FLESS 1995, 48 f. aus. 2 3 8 HANELL 1960, 53.

239 HANELL 1960, 54 ff. — Zu diesen unverbundenen Doppelstäben der sakralen Lictores, die auf die Vorschrift zurückgeführt werden, daß die Flamines nichts Gebundenes an sich haben oder auch nur sehen durften, siehe VANGGAARD 1988, 88 ff.; SCHÄFER 1989, 229. 240 SCOTT RYBERG 1949, 86; FLESS 1995, 49 f. — Als Apparitor oder Flaminius lictor bezeichnet: POLLINI 1 9 7 8 , 9 1 ; L A R O C C A 1 9 8 3 , 2 4 .

241 Beispielsweise Opferdiener (Nr. 8) mit acerra, mantele und patera hinter einem Togatus mit verhülltem Haupt (d.h. einem Opfernden?) auf dem Nordfries; siehe KOEPPEL 1987, 130 Kat. 6 Abb. 18; Opferdiener (Nr. 24) mit gutus, mantele und acerra, der scheinbar dem Togatus (capite velato) im Hintergrund zugeordnet ist; KOEPPEL 1987, 133 Kat. 6 Abb. 26.

72

4 Opfer- und Kultgeräte

die in den Händen der Opferdiener des Nordfrieses befindlichen Kultgeräte als Insignien zu verstehen sind, weist auch das Beil auf eine solche Bedeutung hin. Erklärt wird diese Annahme zum einen mit der 'altertümlichen' Form des Beiles, die für den tatsächlichen Gebrauch in den Händen von Opferschlächtern nicht nachgewiesen ist; zum anderen existieren Abbildungen ähnlicher Beile auf Münzen, die eindeutig als Priesteramtsinsignien zu verstehen sind. Aufgrund der Festus-Stelle (319 M. 423 L.: dolabra pontificalis) wird die sacena dem Pontifikat zugeschrieben und ist daher schwerlich mit den Flamines in Verbindung zu bringen, obwohl die Kombination von sacena und galerus z.B. auf Münzen oder Gemmen durchaus geläufig ist.242 Die Bezeichnung des Beilträgers als Opferschlächter (popa)243 ist aufgrund seiner Tracht und des gesamten ikonographischen Erscheinungsbildes abzulehnen. Daneben ist die sacena anscheinend nur auf dekorativen Friesen zu finden, etwa auf dem Fries der Porticus Octaviae (F 1, Frgt. 100; 104) und auf den beiden flavischen Friesen des Vespasian-Tempels (D 2) und des Minerva-Tempels (D 5; Taf. 14). Ihren Bezug zum Stieropfer mögen vier archäologisch überlieferte sacenae verdeutlichen.244 Es handelt sich um jeweils ca. 7 cm hohe und 3 cm breite Beile, deren Holmschäftungen die Form eines Stieres besitzen und bei denen die eigentliche Schneide unterhalb des Tierkörpers ansetzt. Da die Geräte aufgrund ihrer Größe nicht für den Opferkult verwendet werden konnten wie auch das Beispiel eines Beils aus Bolsena (R 2), ist ihr Votivcharakter eindeutig. Möglicherweise liegt in ihnen eine tatsächliche Insigne vor, die vom Priester als Ausweis seiner Amtsbefugnis und Würde bei feierlichen Anlässen getragen wurde. Wahrscheinlich wurde sie nicht wie bei dem Priester der Ara Pacis über der Schulter, sondern nur in der Hand getragen, da die Größe der Geräte mit einer entsprechenden Schäftung im gegebenen Fall übertrieben lang gewesen wäre und somit unglaubwürdig gewirkt hätte. Die securis, die früher das für den Lictor und die curulischen Magistrate charakteristische Gerät gewesen ist245, wird während der Kaiserzeit zu dem Beil, mit dem

242 Münzen: FRiis JOHANSEN 1932, 142 Taf. 11,4-6; KENT-OVERBECK-STYLOW 1973, Nr. 80 Tai 20. — Gemmen: Β 5 (Abb. 7). — Auch in anderem Zusammenhang treten beide Amtsinsignien gemeinsam auf: D 2b. 5 | F 1 | Η 1. 243 RE XVIII.l (1942) 2094. 2098 s.v. Pacis, Ara Augustae (Riemann); TORELLI 1982, 44. 2 4 4 KÖRTE 1 9 1 7 , 5 3 ; FRIIS JOHANSEN 1 9 3 2 , 1 5 2 f.; JESSUP 1 9 7 0 , 3 4 8 f f . 2 4 5 SCHÄFER 1 9 8 9 , 2 2 1 .

4.2 Die Schlaggeräte

73

die Opferschlächter ihres Amtes walten. Sie hat eine relativ kleine, einschneidige Klinge, deren zweites Ende über die andere Seite des Holmes reicht. Obwohl für dieses Beil konkrete Formenbeschreibungen vorliegen, die auch in Darstellungen wiederzufinden sind, ist der Begriff 'securis ' zunächst die allgemeine Bezeichnung für Beil, ohne direkten Bezug auf die Form zu nehmen.246 Die Stieropferszene eines hadrianischen Tessera-Mosaiks aus Ostia (Ν 1 ) zeigt die für Beile postulierte einhändige Anwendung dieses Opfergerätes. Auf dem Extispicien-Relief (F 5; Taf. 2b) und dem Stieropferrelief der sog. 'Ara Pietatis Augustae' (I 6c)247 wird deutlich, daß die securis ein Schaftlochbeil ist, der Holm also im Beilkörper verankert wird. Über das Material der securis läßt sich nur indirekt etwas aus einer Notiz bei Festus erschließen. Da Festus die acieris als bronzene Sonderform der securis bezeichnet, mag die securis selbst wohl aus Eisen gewesen sein.248

4.2.2 Die dolabra

Die dolabra249 ist die in der Literatur und auf Denkmälern für das Opfer bezeugte Axt. Durch den Grabaltar eines dolabrarius collegii fabrorum aus Aquileia ist das genaue Aussehen dieser Axt belegt.250 In der Regel besitzt sie eine dem Holm parallele, breite und scharfe Schneide. Auf der gegenüberliegenden Seite läuft die Klinge spitz zu und ist nach unten gebogen. Der Axtkörper selbst besteht aus Eisen. Besonders deutlich ist die Form auf dem Gebälkfries des Vesta-Tempels (D 9), auf einem Fries aus Capua (F 2; Abb. 5) und dem Minerva-Altar (I 16) im Kapitolinischen Museum zu erkennen. Wenn auch der Holm einer postulierten Länge von über 50 cm nicht ganz entspricht, so weist doch die Klinge in allen drei Fällen eine breite Schneide mit abwärts gebogener Spitze auf. Die Klinge selbst wirkt in allen Fällen sehr groß.

246 Vgl. FRIIS JOHANSEN 1932,141. 247 KOEPPEL 1983, 103 Abb. 16. 248 Fest. 10 M. 9 L.: s.v. acieris. — SCHAEWEN 1940, 50 hat die Festus-Stelle falsch verstanden, indem sie der acieris als Material Eisen, der securis Bronze zuwies. Vgl. auch LATTE 1960, 384. 249 SysKat. 50

(dolabra).

250 Mus. Venedig, 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr. — Dieser verschollene Altar ist in Zeichnungen erhalten, so daß die Gerätform ersichtlich ist. Tiberius Claudius f. wird mit geschulterter dolabra dargestellt. Tl(berius) CLAVDIVS [...] DOLABRA(ÌUS) COL(egii) FAB(rorum). — BLÜMNER 1879, 205f.; GUMMERUS 1913, 121 Nr. 39; CALDERINI 1930, 311; ZIMMER 1982, Nr. 163; CIL V 908.

74

4 Opfer- und Kultgeräte

Den beidhändigen Gebrauch bezeugt sehr schön der Opferschlächter auf dem sog. 'Tiberius-Becher' des Boscoreale-Schatzes (O 1), der den betäubenden Schlag sehr engagiert ausfuhrt. Auch der Opferschlächter des antoninischen Sarkophages (K 10) fuhrt das Gerät, das ein außergewöhnliches Aussehen besitzt, mit beiden Händen.

4.2.3 Der malleus

Der malleus251 (Hammer) wird zur Betäubung des Tieres verwendet, in der Regel Großvieh (d.h. Stiere, Kälber) 252 . Die Grundform zeichnet sich durch einen kleinen runden, fast kugelförmigen Kopf (rostrum) aus; der Hammer hat einen langen hölzernen Schaft, der den beidhändigen Gebrauch voraussetzt. Im allgemeinen ist der Hammerkopf aus Eisen (Plin. nat. 34, 144). Hält man sich die Verwendung des Hammers - die Betäubung - vor Augen, so kann man ebenso einen hölzernen Kopf annehmen, der für diese Aufgabe sicherlich ausreichend gewesen sein dürfte. Auf einer Altarplatte in Oderzo (119; Abb. 2) ist ein malleus mit verhältnismäßig langem Holm und einem im Vergleich dazu relativ kleinen, geradezu 'kugelrunden' Kopf zu sehen. Variationen dieser Grundform finden sich in der Pompa triumphalis des augusteischen Frieses vom Apollo-Sosianus-Tempel (D 1). Die beiden kugeligen Köpfe erscheinen abgeflachter, während die Exemplare vom Vespasian-Tempel (D 2) vergleichsweise flach und mit einer konkaven Eintiefung versehen sind. Ähnliches findet sich bei dem malleus des Louvre-Frieses (G 4), bei dem sich die 'Mulde' nicht über die gesamte Abb. 2: Altarplatte. Oderzo (119)

Fläche des rostrum zieht, sondern sich innerhalb einer runden umlaufenden

Erhebung befindet. Von diesen sehr plastisch dargestellten Beispielen läßt sich eine direkte Verbindung zu den ma//e«.s-Darstellungen der Provinzialkunst herstellen.

251 SysKat. 51 (malleus). 2 5 2 V g l . ZIMMER 1 9 8 2 , 1 9 m i t A n m . 9 9 f .

4.3 Die Schneidegeräte

75

Auf diesen häufig in Flachrelief wiedergegebenen Altarreliefs sind die Köpfe als Scheiben dargestellt; um sie herum ziehen sich mehrere konzentrische Kreise, die sicherlich die Mulde oder leichte Vertiefungen meinen 253 . Daneben werden auch Hammerköpfe dargestellt, die eine eher zylindrische Form besitzen, wie die recht plumpe Variante des Altares der Lares Augusti (111) verdeutlicht. Der Opferschlächter des Stieropferreliefs vom Septimius-Severus-Bogen in Leptis Magna (Cc 2a) dagegen benutzt einen Hammer mit eher quaderförmigem Kopf.

4.3 Die Schneidegeräte

Die Messer sind die sowohl für das Tieropfer als auch für die unblutigen Opfer und Kulthandlungen benötigten Schneidegeräte. Drei verschiedene Formen 254 sind aus der Literatur und den archäologischen Quellen überliefert, das clunaculum, der cutter und die secespita,255

4.3.1 Die secespita Die secespita ist das einzige Messer, das durch ausführliche literarische Quellenbelege unser Wissen über Form, Material, Verwendungszweck sowie die Personengruppe, von der es verwendet wurde, zu einem erheblichen Teil erweitert. Aufgrund dieses Umstandes kann ein klares Bild dieses Messers gezeichnet werden, obwohl seine bildliche Überlieferung gegenüber der literarischen vergleichsweise dürftig ist. Laut einer durch Festus256 überlieferten Aussage des Antistius Labeo aus augusteischer Zeit257 und der fast gleichlautenden Passage im Aeneis-Kommentar des Ser-

253 Gg 6. 7. 10. 17. 254 SysKat. 54 (clunaculum), 55 (culter), 56

(secespita).

255 Der Aussage ROHDEs, das römische Opfer kenne vier Schneidegeräte, ist zu widersprechen und die von ihm als Messer angesprochene scena (resp. sacena) und acieris nicht zu dieser Gruppe zuzählen; ROHDE 1936, 162. 256 Fest. 348 M. 472 L.; Paul. Fest. 349 M. 473 L. 257 RE 1.2 (1894) 2548 ff. s.v. Antistius (Jörs); NPauly 1 (1996) 798 s.v. Antistius Labeo (Giaro).

4 Opfer- und Kultgeräte

76

vius 258 handelt es sich um ein längliches, eisernes Messer mit einem runden und massiven Griff aus Elfenbein. Dieser Griff ist mit goldenen und silbernen Klammern versehen und mit Bronze- bzw. Kupfernägeln beschlagen. Die archäologischen Quellen259 belegen des weiteren, daß die Klinge auf der Schneidenseite gebogen, auf der stumpfen Seite gerade gearbeitet ist. Verwunderlich ist nach dieser klaren Beschreibung eine andere Erwähnung bei Festus (336 M. 453 L.), daß Unklarheit herrscht, ob es sich bei der secespita um ein Beil, eine Axt oder um ein Messer handelt. G. ROHDE260 möchte die Diskrepanz der Textstellen damit erklären, daß er die von Antistius Labeo beschriebene Form der secespita erst in augusteischer Zeit anzusiedeln versucht und zwar im Zusammenhang mit Augustus' Wiederbesetzung des Flaminats ab 11 v. Chr.261 Sowohl G. ROHDE

als auch

H . JORDAN

wunderten sich über das prunkvolle Aussehen des Mes-

sers, das gar nicht zu der überlieferten Schlichtheit der aus alten Zeiten überkommenen Opfer- und Kultgeräte paßt.262 Die Wiederbesetzung des Priesteramtes der Flamines hat ebenfalls die Wiederentdeckung des dazugehörigen Kultgerätes zur Folge. So erklärt sich die widersprüchliche Textstelle bei Festus, da sie von einem Gewährsmann aus der Zeit zwischen 'Aufgabe' und Wiederbesetzung des Flaminats (87-11 v. Chr.) stammen muß, dem seinerseits die secespita kein Begriff mehr gewesen ist. Weiterhin spricht für die 'Spätdatierung' dieses Messertyps, daß es nicht vollständig aus Kupfer bzw. Bronze gewesen ist, wie es für das Messer des Flamen DiaIis vorgeschrieben ist, der z.B. seinen Bart nur mit einem kupfernen bzw. bronzenen Messer scheren durfte. 263 In Anlehnung an diese Vorschrift sind die Kupfemägel {„[...]fixum

clavis aeneis", Fest. 348 M. 472 L.) zu verstehen, die als pars pro toto

für ein Messer komplett aus Kupfer gelten dürfen. Doch ist die Vorschrift, im Kult, insbesondere im Opferkult nur kupferne oder Bronze enthaltende Messer verwenden

258 Serv. Aen. 4, 262. 259 A 4. 8 I D *8. 9 1126 I R 3. 4. 2 6 0 ROHDE 1 9 3 6 , 1 6 3 .

261 Die lange Vakanz der Position des Flamen Dialis nach 87 v. Chr., genauer gesagt nach Caesars Tod 44 v. Chr., und die Wiederbesetzung dieses Amtes durch Augustus hat nichts mit einer 'Erneuerung des Flaminats' zu tun, denn Caesar war als Flamen Dialis in einer Weise abgesetzt worden, die eine Wiederbesetzung zu seinen Lebzeiten verbot. — WLSSOWA 1902, 64. 69. 2 6 2 JORDAN 1 8 7 1 , 2 7 6 ; ROHDE 1 9 3 6 , 1 6 3 . 2 6 3 Serv. Aen.

1 , 4 4 8 ; M a c r . Sat. 5 , 1 9 , 1 3 . — S i e h e a u c h BRELICH 1 9 7 2 , 1 7 ff.; VANGGAARD 1988,

94. — Zu den Tabuvorschriften für den Flamen Dialis: Gell. 10, 15. — LATTE 1927, 12 f.; VANGGAARD 1 9 8 8 , 8 8 ff.

4.3 Die Schneidegeräte

77

zu dürfen, nicht unbedingt auf den realen Opfervollzug zu übertragen. Gerade bei Kultgeräten sind „Kontinuitäten plausibel zu machen" 264 , die aus älteren, archaischen Epochen herrühren, so z.B. der lapis silex der Fetialen265, das steinerne Messer, mit dem bei Friedensschlüssen ein Schwein geopfert wurde. Es sollte wohl an ein Gerät aus der 'Steinzeit' 266 erinnern. Doch waren im tatsächlichen Kult die Opfergeräte aus den ihrer Zeit entsprechenden Materialien. 267 Allerdings sind Archaisierungen gerade bei Ritualen der republikanischen und augusteischen Epoche durchaus auszumachen. Die secespita wird neben den Flamines von den Pontífices und den Flaminicae benutzt, insbesondere zum Schneiden des Kuchens. 268 G.

ROHDE

fuhrt an, daß der

Flamen Dialis stets ein Gefäß mit Kuchen bei sich hatte.269 Da der Kuchen mit einem Messer zerteilt wird, ist anzunehmen, daß sich der Flamen dazu der secespita bediente. K.

LATTE

schließt auch das Abschneiden der Stirnhaare der Opfertiere mit

der secespita durch den Pontifex nicht aus.270 Auch die Vestalinnen verwendeten dieses Messer.271 Aus der Tatsache, daß die Vestalinnen eigenhändig keine Tieropfer, d.h. blutigen Opfer vollziehen, aber die secespita benutzen, ist auf den Gebrauch dieses Messers bei unblutigen Opfern zu schließen. Die Quellen geben keine Hinweise auf die Teilnahme der Vestalinnen an blutigen Opfern. Ovid (fast. 4, 637-640) berichtet lediglich, daß sie während der Fordicidia (15. April)272 bei der rituellen Schlachtung der trächtigen Kuh anwesend waren, Tertullian (spect. 5, 7) erwähnt ihre Teilnahme im Zusammenhang mit den

2 6 4 RÜPK.E 1 9 9 5 , 5 1 0 .

265 Ausführlich zu dieser Priesterschaft WIEDEMANN 1986, 478 ff.; weiterführend: RÜPKE 1990, 97ff. 2 6 6 WLSSOWA 1 9 0 2 , 1 0 4 . 3 2 5 . 4 7 7 f. m i t A n m . 7 ; LATTE 1 9 6 0 , 1 2 1 f f . — A u s f ü h r l i c h HESSEL-

MEYER 1907, 260 ff. (Heft 7), 295 ff. (Heft 8). — Zur zeitlichen Einordnung des Steins und des Begriffs 'Steinzeit' sei nachdrücklich auf RÜPKE 1990, 111 ff. 114 verwiesen. 267 GRAF 1990, 78.

268 Paul. Fest. 349 M. 473 L.; 348 M. 472 L. 2 6 9 ROHDE 1936, 163.

270 RE II A 1 (1921) 974 s.v. Secespita (Latte). 2 7 1 D E C A Z A N O V E 1 9 8 7 , 1 7 0 m i t A n m . 5 7 ; SCHEID 1 9 9 3 , 4 2 3 f. m i t A n m . 19 f f . 2 7 2 SCULLARD 1 9 8 5 , 1 5 8 f.

78

4 Opfer- und Kultgeräte

Tieropfern an den Consualia (21. August)273; auch an den Opisconsivia (25. August)274 sollen sie ihren Anteil gehabt haben (Varrò ling. 6, 21). In der bildlichen Überlieferung findet sich die secespita insbesondere auf Reliefs und Münzbildern. Die Münzen geben sie häufig gemeinsam mit den Priesterinsignien sacena und simpuvium wieder, wie etwa auf zwei Denaren des P. Sulpicius Galba (um 69 v. Chr.; Mü 5) und einem Aureus des C. Cassius Brutus und des Lentulus Spinther (um 4 3 ^ 2 v. Chr.; Mü 25). Ein Messer, dessen Form eindeutig auf eine secespita verweist, befindet sich auf dem Gebälkfries des Vesta-Tempels (D 9). Es hat eine langgezogene275, leicht dreieckige, gerade Kontur. Der Griff wirkt sehr massig und ist im Relief rund bzw. oval wiedergegeben; er läuft in einem Knauf aus. Eine Grifftülle verbindet ihn mit der Klinge, in die er hineingesteckt zu sein scheint. Die Klinge ist ihrerseits am Heft mit der Tülle befestigt. Diese Dreiteiligkeit ist typisch für secespitae. Halten wir uns Festus' Erwähnung (348 M. 472 L.) vom Gebrauch der secespita durch die Vestalinnen vor Augen, so haben wir es bei diesem Fries mit eben dieser Messerform zu tun. Es besteht somit eine inhaltliche Beziehung zwischen dem Opfer- und Kultgerät selbst und seiner Abbildung am Tempel der Vesta. Die secespita auf einer Reliefplatte (126) ist in ähnlicher Weise gestaltet. Im Gegensatz zur geraden Klingenform des Exemplars vom Vesta-Tempel ist die Schneideseite vom Heft bis zur Spitze leicht gebogen. Der Griff ist wiederum sehr massiv angedeutet und endet in einer Knaufplatte. Klinge und Knauf sind am Heft scharf gegeneinander abgesetzt. Ein bildlicher Hinweis sowie eine inhaltliche Verknüpfung mit dem Gebrauch der secespita durch die Flamines ist in diesem Zusammenhang durch die Abbildung der Flamenkappe gegeben. Dieser Schluß ist jedoch nicht unbedingt zwingend. Nimmt man die daneben abgebildeten Opfer- und Kultgeräte hinzu, werden hier die Attribute verschiedener Priesterschaften, z.B. der Pontífices (sacena) aufgezählt. Vergleichbar mit den vorab besprochenen Messern ist dasjenige auf einem Opfergeräterelief in der Galleria Borghese (A 4; Taf. 1). Hier fallen jedoch die kantigere Erscheinung des Griffes sowie die beidseitig gebogene Klinge auf. Gemessen am

2 7 3 V g l . WISSOWA 1 9 0 2 , 1 6 7 . 4 4 4 m i t A n m . 5; LATTE 1 9 6 0 , 7 2 ; SCULLARD 1 9 8 5 , 2 4 8 f. 2 7 4 DUMÉZIL 1 9 7 4 , 1 6 8 f.; SCULLARD 1 9 8 5 , 2 5 4 .

275 Der Rand des Architravblocks ist beschädigt, so daß die Messerspitze fehlt. Ergänzt man diese jedoch, kann man von einer recht langen Klinge ausgehen (Verhältnis Griff : Klinge = ca. 1 : 2).

4.3 Die Schneidegeräte

79

Gesamterscheinungsbild fügt es sich aber gut in die Reihe der besprochenen secespita-Formen ein. Problematischer dagegen ist ein Messer auf dem Opfergerätefries im Louvre (G 4). Das Messer besitzt im Vergleich zu den o.g. secespitae eine gedrungene Form. Die Klinge ist spitz-dreieckig, an der Schneidenseite stärker gebogen im Gegensatz zu der stumpfen, fast geraden Seite. Der Griff ist massiv in Form eines Greifvogelkopfes gestaltet, der realiter geschnitzt gewesen sein dürfte. Das Heft ist durch drei Nägel mit der Klinge verbunden, im Fries als kleine Kreise angedeutet. Daneben paßt der kunstvoll ausgearbeitete Griff sehr gut zu der Beschreibung des 'prunkvollen' Messers bei Festus (348 M. 472 L.; 349 M. 473 L.), wenngleich auch keine literarischen Erwähnungen bezüglich eines derart gestalteten Griffes vorliegen. Ein möglicher Interpretationsansatz für dieses Exemplar könnte sein, daß dieses Messer in der Praxis beim Opfer unter Umständen nicht mehr verwendet wird; dies ist durch die figürliche Gestaltung und den zu kurzen Griff bedingt, die eine sinnvolle Handhabung kaum zulassen.276

4.3.2 Der culter Der culter - allgemein ein Ausdruck für 'Messer' und somit zunächst funktional bestimmt - ist ebenfalls ein wichtiges Gerät im Opferkult. Er ist literarisch gut belegt und auch in der bildlichen Überlieferung reichhaltig vertreten. Für dieses Messer liegt wie bei der dolabra und der ascia der glückliche Umstand vor, ihm seinen richtigen Namen zuweisen zu können. Die Grabstele des Q. Tiburtius Menolavus in Capua277 bildet einerseits zwei Messer ab, andererseits weist die Inschrift den Verstorbenen als Messerschmied (cultrarius)278 aus; daraus ist die richtige Bezeichnung 'culter ' für diese Art von Messer gesichert. Mit der Berufsbezeichnung 'cultrarius ' allerdings auf einen Opferschlächter schließen zu wollen, ist fragwürdig, da er in dieser Bedeutung literarisch nur einmal belegt ist (Suet. Cal. 32). Dennoch wird der Begriff in der modernen Literatur häufig in der Bedeutung 'Opferschlächter' benutzt.

276 Die gedrungene Erscheinung des Messers gleicht sich dem ebenfalls gedrungenen Gesamtbild des Frieses an, was natürlich gegen eine unbequeme Handhabung sprechen würde. 2 7 7 GUMMERUS 1 9 1 3 , 8 3 N r . A b b . 11; ZIMMER 1 9 8 2 , N r . 1 3 7 ; C I L X . l

3984.

278 Vgl. CIL X.l 3987; E. de Ruggiero, Dizionario epigrafico di antichità Romana (seit 1895) s.v. cultrarius. — Allgemein zum römischen Handwerk: PETRJKOVITS 1981, 62-132.

80

4 Opfer- und Kultgeräte

Das Grabsteinrelief zeigt zwei Messer mit dreieckiger, relativ breiter Klinge, deren stumpfe Seiten jeweils leicht gebogen und deren scharfe Seiten gerade sind. Der Griff läuft in einem runden Knauf aus.279 Die dreieckige Grundform der Klinge sowie der kurze, in einem Knauf endende Griff sind wesentliche Charakteristika der cultri. Variiert wird in Einzelfällen nur die Klinge, indem das Konvexe der stumpfen Seite ebenfalls auch auf der Schneideseite anzutreffen ist. Cultri auf folgenden Monumenten zeigen dies: Fries der Porticus Octaviae (F 1, Frgt. 104), Capitol-Altäre (Brescia; I 8. 9), Fries des VespasianTempels (D 2; Taf. 5) und Fries des aurelianischen Sonnentempels (D 10) und belegen, daß sich die culter-Form des römisch-italischen Raumes in zweieinhalb Jahrhunderten (1.-3. Jh. n. Chr.) kaum geändert hat. Eine Ausnahme bildet das Messer auf der sog. 'Ara Borghese' (A 2). Seiner Grundform nach zu urteilen, handelt es sich um einen culter. Die Besonderheit dieses Stückes besteht in einer Schneide, die zum Ende hin eingekerbt ist. Daß diese Art der Klingenkontur keine Abweichung ist, beweisen mehrere Münzreverse der augusteischen Epoche; hier sind sie allerdings mit Attributen aus militärischem Zusammenhang kombiniert.280 In späterer Zeit ist diese Messerart weder auf Münzen noch auf anderen Denkmälern anzutreffen. Im provinzialrömischen Bereich tritt der culter hauptsächlich auf Weihealtären auf. Hier wird er stark variiert, so daß nur noch eine annähernd dreieckige Klingenform die Benennung sichert. Die Bandbreite der Variationen spiegelt sich in Klingen wider, die eine stark gebogene Schneide sowie eine gerade stumpfe Seite haben281, also im Vergleich zu den Messern der 'Messerschmied-Altäre' und der AmemptusAra (I 31; Taf Ila) genau umgekehrt gearbeitet sind. Hierbei läßt sich die Form nicht auf einen begrenzten Zeitraum einschränken, sondern ist durchgehend vom 1. bis zum 3. Jh. anzutreffen. Daneben treten scharf konturierte Messer auf, deren Klinge ein spitzwinkliges, gleichschenkliges Dreieck bildet, ebenso Messer mit eingekerbter Klinge, die in

279 Ein Messer gleicher Art befindet sich auf einem weiteren Grabstein eines Messerschmiedes (I 36): die linke Nebenseite gewährt einen Blick in die Werkstatt des Schmiedes, wo an einem Gestell links außen der culter hängt, der denen des o.g. Grabsteins gleich ist. Ebenso fügt sich das Messer auf der Amemptus-Ara (I 31) in diese Gruppe ein. 280 Denare des P. Carisius, Emerita ca. 25-23 v. Chr. — BMCRR II, 374 Nr. 110-112. III Taf. 102, 2-4. 281 Gg 4. 5. 8. 15. 26.

4.3 Die Schneidegeräte

81

Grundzügen mit dem culter der sog. 'Ara Borghese' vergleichbar sind.282 Völlig aus dem Rahmen fallt der culter eines Götteraltares in Corbridge (Gg 25), der so 'grobschlächtig' ist, daß er an die Hackmesser römischer Schlachter erinnert.283 Neben der Darstellung des Messers selbst kennt die römische Kunst noch die der dazugehörigen Scheiden und Etuis. Diese haben eine dreieckig-ovale, wappenschildähnliche Form und besitzen teilweise seitlich angebrachte Ösen für Gürtelriemen. Sie werden um die Hüfte geschnallt und seitlich - rechts oder links - getragen, wie die Opferschlächter verschiedener Relieffragmente und Opferszenen sehr deutlich zeigen.284 Am Oberrand schauen die Griffenden zweier oder mehrerer Messer hervor, woraus zu schließen ist, daß das Etui mindestens zwei Messer aufnehmen kann. Für diesen Fall müßten die Messer gegengleich, d.h. mit den Schneiden aneinander oder auch teilweise übereinander gesteckt werden. Ein Beispiel, das die genannten Merkmale sehr plastisch verdeutlicht, ist auf dem Opfergerätefries im Louvre (G 4) abgebildet.285 Das Etui besteht aus einem versteifenden Außenrahmen, dessen untere Spitze zusätzlich durch ein Ortband verstärkt wird. Der obere Rand ist mit dem zwischen dem Rahmen angebrachten Material vernietet. Die Etui-Vorderseite zeigt ein stilisiertes Pflanzenmotiv, das dem auf der Scheide eines Opferschlächters vom Durchgangsrelief des Trajansbogens (E 3b) vergleichbar ist. Daß der culter sowie sein Etui eine rein funktionale Form haben, verdeutlicht die Messerscheide auf einem Skyphos des Boscoreale-Schatzes. Formal gleicht sie den genannten Beispielen: zwei Griffenden, verzierte Vorderseite, Trageriemen. Da der Becher nicht mit Opferhandlungen in Zusammenhang steht, sondern eine Allegorie der vier Jahreszeiten als Dekor trägt, kann in diesem Fall nicht von einem Messer ausgegangen werden. Man muß es daher als Küchen- oder Schlachtermesser bezeichnen, wofür auch das gefesselte Schwein spricht.286 Eine Parallele befindet sich auf dem Gebälkfnes des Minerva-Tempels (D 5; Taf. 14). Wenn auch die Handzeichnung des Anonymus Destailleur die genauen Einzel-

282

Gg

11. 12. 2 3 .

2 8 3 V g l . ZIMMER 1982, Nr. 2.

284 A l l . 13 I Κ 7 11 6. 285 Klar erkennbar ist neben den Griffenden und den seitlichen Riemenösen der Tragegurt. 2 8 6 BARATTE 1986, 5 6 ff. — Z u r s a k r a l - d i o n y s i s c h e n D e u t u n g d i e s e s B e c h e r s : SCHUMACHER 1 9 7 9 ,

249 ff.

82

4 Opfer- und Kultgeräte

heiten dieses Stückes verunklärt wiedergibt, lassen sich Rahmen und Verzierungselemente (Darstellung einer Chimäre) erkennen. Ansätze eines Gürtelriemens sind vorhanden. Die beiden Messergriffenden sind als Greifenköpfe geformt wie bei dem als Löwenkopf gestalteten Messergriff auf dem Vespasian-Fries (D 2a)287. Alle weiteren Darstellungen von cu/ter-Scheiden zeigen drei Griffenden.288 Der Opferschlächter eines Sarkophages in Mantua (Κ 10) trägt sogar vier im Etui, was auch auf Altären der Provinzen (z.B. Gg 7) nicht unbekannt ist. Diese Erscheinungsform wirft die Frage auf, ob es sich tatsächlich um Messer in culter-Form handelt. Eine mögliche Antwort auf diese Frage bietet ein heute verschollener, aber auf einem Holzschnitt überlieferter Altar aus Mainz (Gg 20). Die Abbildung zeigt auf der linken Nebenseite neben anderen Geräten des Tieropfers (dolabra, malleus) ein dreieckiges Messeretui. Es scheint aus weichem Material, wahrscheinlich Leder, gefertigt zu sein und ist am oberen Rand durch einen Ring verstärkt. Drei Griffenden sind zu erkennen; sie sind rund und jeweils mit einem kugelförmigen Knauf versehen. Die Griffe laufen zur Klinge nach unten hin breiter aus. Da alle drei Messer diese schmale Form haben, sind sie nicht mit der als charakteristisch postulierten culter-Form zu identifizieren. Extremer dagegen wirkt das Etui eines ebenfalls nur noch auf einem Holzschnitt überlieferten Altares (Gg 21), in dem sechs Messer stecken. Diese Erscheinung läßt vermuten, daß der Künstler zwar Messerscheiden der besprochenen Art in irgendeiner Weise gekannt hat, sich aber ihrer eigentlichen Aufgabe bezüglich Form und Funktion nicht mehr bewußt war. Als erwiesen gilt, daß culter - dreieckige Messer - für die Tötung des Tieres verwendet wurden. Dies macht die als kontinuierende Darstellung geltende Szene des Stieropfers am Bogen von Leptis Magna deutlich (Cc 2b). Im ersten Teil wird der Stier in der Prozession zum Opferplatz gefuhrt. Einer der beiden ihn begleitenden Opferschlächter hält in der rechten Hand ein bereits aus der Scheide gezogenes, dreieckiges Messer. Die folgende Szene vermischt zwei Vorgänge innerhalb des Opferablaufes. Einerseits holt einer der beiden Opferschlächter mit dem Hammer zum betäubenden Schlag aus, andererseits scheint der Stier schon tot zu sein, wenn auch noch nicht völlig zusammengebrochen, denn der zweite Opferschlächter hat ihm bereits das Messer in den Hals gestoßen.

287 Vgl. GUSMAN 1913/14, II Taf. 66. 288 A 11. 14 I E 6a. Β | Η 1 | Gg 10.

4.3 Die Schneidegeräte

83

Auch zwei Opferschlächter des Opferzuges vom Apollo-Sosianus-Tempel (D 1 a, b) halten in der rechten Hand den gezückten culter, ähnlich denen der Szene vom Bogen in Leptis Magna (Cc 2b). Es ist zu fragen, warum zahlreiche Opferdiener mit einem Futteral ausgestattet sind, aus denen drei Griffe herausschauen. Es findet sich keine Darstellung, die konkret einen culter im Gebrauch zeigt, es sei denn als bereits in den Hals des Tieres gestoßenes Messer, dessen Griff der Opferdiener mit seiner geballten Faust umklammert. Eine Erklärung für das Vorkommen von mehreren Messern in den Etuis wäre, darin keine ausgesprochenen cultri sehen zu wollen, sondern kleinere, schmale Messer. Wie bereits zuvor ausgeführt, besteht die Funktion des culters darin, dem Tier die Halsschlagader zu durchtrennen (supponere cultros, Serv. A en. 6, 248). Die Bildquellen zeigen diesen Augenblick der Opferung nur bei Stieropfern. Ovid (fast. 1, 346 f.) berichtet, daß der culter auch zum Öffnen des Tierleibes benutzt wird, wie die Szene des Extispicien-Reliefs (F 5; Taf. 2b) illustriert, wobei der am Boden kniende Opferschlächter im Begriff ist, die Eingeweide zu entfernen. Dieser Vorgang ist allerdings verdeckt wiedergegeben, da sich die rechte Hand des knienden Opferdieners hinter dem Körper des Stieres befindet. Der Togatus - möglicherweise der Haruspex oder Extispex289 - links davon streckt dem Opfernden mit der rechten Hand einen dreieckigen Gegenstand - vielleicht einen culter - entgegen. Doch leider ist diese Partie ergänzt, so daß abschließend keine allgemeingültige Festlegung der Aktion stattfinden kann; dennoch ist diese Ergänzung durchaus als sinnvoll zu betrachten. Der Schlüssel für die Mehrzahl von cultri mag im Ablauf der Opferung selbst liegen: für das Durchtrennen der Halsschlagader wird das erste Messer, für das Heraustrennen der exta ein zweites benutzt. Es scheint angesichts der bei Opferhandlungen immer wieder geforderten kultischen Reinheit unvorstellbar, daß ein bereits blutbeflecktes Messer für einen weiteren Opferabschnitt genutzt werden sollte, zumal vor der eigentlichen Opferung der culter zur Weihung mit mola salsa bestreut wurde, die nach dem erstmaligen Gebrauch des Messers wieder erneuert werden müssen. Die literarischen Quellen erwähnen ausdrücklich den Gebrauch dieses Messers für das Opfer von Rindern allgemein, unterscheiden aber nach vacca, taurus und

289 KOEPPEL 1985b, 205 zu Fig. 1.

84

4 Opfer- und Kultgeräte

bos.290 Auch kleinere Tiere wie Schafe (aries) und Ziegen (hircos) werden mit diesem Messer getötet.291 Es verwundert, daß das Schwein, das bei privaten Opfern am häufigsten verwendete Tier, für den Opfertod durch den culter literarisch nicht genannt wird.

4.3.3 Das clunaculum Die Deutung des clunaculum als Opfergerät erweist sich als problematisch, falls es überhaupt zu diesen gerechnet werden kann. K. LATTE292 geht davon aus, daß es nur durch Zufall in den sakralen Bereich gerückt wurde. Dafür fuhrt er eine Textstelle bei Festus (50 M. 43 L.: „clunaclum cultrum sanguinarium dictum, vel quia clunes dependit, vel quia clunes hostiarum dividi?') an, die seiner Meinung nach nicht korrekt verstanden worden ist bzw. der eine falsch aufgefaßte Etymologie zugrunde liegt. K. LATTE bezieht sich hier auf „quia clunes hostiarum dividit\ begründet dies aber nicht näher. Die Beziehung zum Opferkult mag sich aus der Zusammenstellung von cultrum und sanguinarum sowie dem Begriff hostiarum ergeben. Ein weiterer Punkt ist, daß sowohl Festus (50 M. 43 L.) als auch Isidor (orig. 18, 6, 6), dieser natürlich nur in kompilatorischer Art und Weise, das clunaculum als ein an der Körperseite getragenes Messer verstehen; dies fuhrt leicht zu Irritationen, da doch im Bildbestand diese Tragweise ausdrücklich für den culter nachgewiesen worden ist. Dennoch zeigen die Bildquellen neben dem culter mit seiner typischen dreieckigen Form und der ebenfalls klar umrissenen secespita ein drittes Messer, das seiner Form nach weder mit dem einen noch mit dem anderen Messer gleichgesetzt werden kann. Wir finden ein solches deutlich von der culter-Form abgesetztes Messer auf dem Fries von der Porticus Octaviae (F 1, Frgt. 100) als dolchartig, zweischneidig und spitz. Der Griff ist rund und am oberen Ende durch eine Knaufplatte abgesetzt, an der sich eine Schlaufe befindet. Wie solche Messer bei der Opferung eingesetzt werden könnten, verdeutlichen einige kaiserzeitliche Darstellungen, deren Motiv - die stiertötende Nike bzw. Vic-

290 vacca: Act. lud. saec. Sept. 4, 6. — taurus: Ov.fast. 291 aries: Ov. mei. 7, 314. — hircos: Aug. civ. 18, 2. 2 9 2 LATTE 1 9 1 4 , 1 1 2 4 .

1, 347. — bos: Ov.fast. 4, 413.

4.4 Schlaggeräte und Messer: Verwendung im Tieropfer

85

tona - in seinem Grundschema auf die Darstellungen an der Athener Nike-Balustrade293 zurückgeht. Als Beispiel dafür werden die Darstellungen des Frieses von der Basilica Ulpia (F 4)294 sowie zweier Silberkannen aus dem Schatz von Boscoreale295 skizziert. Wir haben einmal den Typus I296, bei dem sich die Nike von hinten auf den Stier kniet und ihm von oben mit der rechten Hand das Messer in den Hals stößt.297 Typ II298 zeigt die neben dem Stier kniende Göttin. Mit der Linken zieht sie den Stierkopf zurück; ihre Rechte holt zu einem Stoß von unten aus.299 Die Silberkannen weisen neben einem Altar antithetisch angeordnete Niken auf, die den oben genannten Typen entsprechen. In allen Fällen ist das Opfergerät ein schmales, spitz zulaufendes Messer, das einem Dolch sehr ähnlich sieht. Aus dem ikonographischen Kontext ist zu schließen, daß das clunaculum ebenfalls zum Durchtrennen der Halsschlagader gebraucht wird. Daß bei der erwähnten Szene und denen anderer römischer Bildträger stets ein Stier - und kein anderes Tier - geopfert wird300, ist belegt. Deshalb kann hier vermutet werden, daß das clunaculum hauptsächlich bei Stieropfern verwendet wird, was aber einer gesicherten Grundlage entbehrt.

4.4 Schlaggeräte und Messer: Verwendung im Tieropfer

In der römischen Kultausübung dienen securis, dolabra und malleus zur Betäubung des Tieres, um unheilvolles Schreien zu vermeiden, wobei der malleus insbesondere für die Kälber (Ov. met. 2, 624 f.) benutzt wurde. Während die beiden erstgenannten Geräte auch in anderen Bereichen Verwendung fanden, wie z.B. die dolabra (F 6) bei Schanzarbeiten im militärischen Bereich, ist der Gebrauch des malleus aus-

293 K.UNISCH 1964; BORBEIN 1968, 43 ff. — Diese Stieropferikonographie ist auch aus dem Bereich des Mithras-Kultes bekannt, der sich das Bild des stiertötenden Gottes zu eigen gemacht hat. Siehe z.B. VERMASEREN 1956, Nr. 75 Abb. 26 (Mithras-Relief, Syrien); Nr. 76 Abb. 27 (Mithras-Statuette, Syrien); Nr. 164 Abb. 46 (Durchbrucharbeit, Sizilien). — MERKELBACH 1984. 2 9 4 GOETHERT 1 9 3 6 , 7 4 A b b . 3 , 4 T a f . 1. 2 9 5 BARATTE 1 9 8 6 , 6 1 f. A b b . S . 6 3 . 6 4 . 2 9 6 KUNISCH 1 9 6 4 , 2 0 ff.; BORBEIN 1 9 6 8 , 4 3 f.

2 9 7 GOETHERT 1936, T a f . 1, 2; BARATTE 1986, 63 (rechte Kanne). 298 KLINISCH 1964, 6 9 ff. (hier als T y p IV bezeichnet); BORBEIN 1968, 4 4 ff. 299 GOETHERT 1936, T a f . 1, 1; BARATTE 1986, 63 f. (linke Kanne). 3 0 0 KUNISCH 1 9 6 4 , 7 8 f f .

4 Opfer- und Kultgeräte

86

schließlich auf den Opferbereich beschränkt. Selbst Reliefszenen aus dem Arbeitsleben der Metzger zeigen ihn nie301. Der Opferablauf bindet die Geräte wie folgt in das Geschehen ein. Der Popa fragt vor der Schlachtung, ob er zuschlagen dürfe, schwingt sodann eines der Geräte und schlägt zu. Dieser Moment der Opferhandlung ist vielfach künstlerisch festgehalten und findet sich zu allen Zeiten und in diversen Gattungen, unter anderem auf dem sog. Tiberius-Becher' (O 1), auf einem Larenaltar (115), dem Stieropferrelief Florenz (A 14), zwei Sarkophagen (K 7. 10) dem Stieropferrelief Villa Medici (A 20) und am Septimius-Severus-Bogen (Cc 2a). Bei aller ikonographischen Ähnlichkeit dieser häufigen Stieropferszenen fallt auf, daß jeweils innerhalb einer abgeschlossenen Opferszene immer nur eines der drei Schlaggeräte benutzt wird.302 Dieses Phänomen trifft man auch in den 'Stierfuhrungsreliefs' bzw. Prozessionsdarstellungen an, die zwei oder mehrere Opferschlächter innerhalb des Zuges zeigen, wie z.B. die zwei Opferschlächter auf dem Architravfries vom Apollo-SosianusTempel (D 1), die beide einen malleus tragen, oder die drei Opferschlächter vom Gebälkfries des Trajansbogens (E 3 a) mit geschulterten dolabrae. Daraus ist zu schließen, daß securis, dolabra und malleus gleichberechtigt innerhalb der Stieropferrituale Verwendung finden, aber niemals gleichzeitig anzutreffen sind. Eine gewisse Sonderstellung in dieser Hinsicht nehmen die verschiedenen Opferszenen der Trajanssäule ein,303 wo zwar beide Gattungen vorkommen, jedoch innerhalb einzelner, abgeschlossener Opferszenen nur für sich, niemals aber gemeinsam erscheinen.304 Die dolabra hingegen tritt auf der Säule nur in ihrer profanen Bedeutung als Schanzgerät in Erscheinung.305 Bezüglich der Verwendung des Hammers im Opferkult und seines konkreten praktischen Gebrauchs äußert R. V. SCHAEWEN, daß er in späterer Zeit „nur noch tra-

301 Zu Metzger-Darstellungen siehe Z I M M E R 1982, 17 ff. 93 ff. — Die bildlichen Darstellungen geben keinerlei Hinweis auf den Gebrauch des malleus im Fleischereibetrieb. 302 Zur Frage eines möglichen gemeinsamen Vorbildes für diese Szenen siehe Kap. 7, S. 151 mit Anm. 16. 303 Sicherlich ist es richtig, wenn ander auftreten. 304

SCHAEWEN

1940, 52 behauptet, daß Axt und Hammer nebenein-

Abb. 80 (LUI, 132-134) (securis). Abb. 161 (CII-CIII, 270-272) {malleus).

COLONNA TRAIANA

(XCI,

237-239). Abb. 188

305 COLONNA TRAIANA Abb. 77 (LI-LII, 129-131). Abb. 124 (LXXIII, 188-190). Abb. 164 (XCII, 241-243).

4.4 Schlaggeräte und Messer: Verwendung im Tieropfer

87

ditionell im Opfer getragen wurde" und schließlich nur noch auf dekorativen Friesen anzutreffen sei.306 Begründet wird diese Annahme damit, daß der Opferschlächter eines Larenaltars (115) den vermeintlichen malleus307 über der Schulter trägt. Wendet man diese Aussage auf Darstellungen an, die tatsächlich einen über der Schulter getragenen Hammer zeigen308, so finden wir dieses ikonographische Detail mehr als ein Jahrhundert lang in dieser Form belegt. Entkräftet werden kann R. V. S C H A E WENs

Behauptung zudem noch durch andere Darstellungen, die eindeutig zeigen,

daß der malleus noch im 3. Jh. n. Chr. als im Opfer 'aktiv' zum Einsatz kam, wie das bereits oben zitierte Stieropferrelief des Bogens von Leptis Magna (Cc 2a) beweist. Hinsichtlich der Feststellung, daß die drei zur Diskussion stehenden Schlaggeräte gleichberechtigt und daher wohl auch gegeneinander austauschbar für die Betäubung herangezogen werden können und aus diesem Grund pro Opferszene auch nur eines der drei erscheint, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der malleus in späterer Zeit nicht mehr verwendet wird. Ikonographisch dürften wir dann sicherlich einen Opferdiener erwarten, der den zum rein kultischen Gerät gewordenen Hammer schultert, wie z.B. den Beilträger auf dem Prozessionsfries der Ara Pacis (I 2c)309, und einen zweiten Diener, der mit einem anderen Schlaggerät die eigentliche Betäubung vollzieht. Dies trifft aber bei keinem der von R. v.

SCHAEWEN

zitierten Bei-

spiele zu. Sicher ist es richtig, daß der malleus in kleinerer und zierlicherer Form auf dekorativen Friesen erscheint, unzutreffend, daß er in späterer Zeit nur noch in dieser Form und nur noch auf diesen Friesen auftaucht. Denn der auch von R. v. SCHAEWEN

angeführte malleus des Louvre-Frieses (G 4) datiert bereits in vespasia-

nische Zeit, ebenso der des Vespasian-Tempels (D 2). Der erhaltene Abschnitt des severischen Frieses vom Vesta-Tempel (D 9) enthält entgegen ihrer Auffassung überhaupt keinen Hammer 310 .

3 0 6 SCHAEWEN 1 9 4 0 , 52.

307 Bei diesem Schlaggerät handelt es sich allerdings nicht um einen malleus, sondern um die securis\ 3 0 8 A u g u s t e i s c h : I 11. 12 1 G g 2. — T r a j a n i s c h : F 6; vgl. COLONNA TRAIANA A b b . 161 ( X C I ,

237-239). 309 Siehe Kap. 4.2.1, S. 70 ff. 310 Vgl. SCHAEWEN 1940, 52 f. — Ihre Beispiele für dekorative Friese sind jedoch teilweise noch in das 1. Jh. n. Chr. zu datieren und daher alles andere als 'spät' zu bezeichnen.

4 Opfer- und Kultgeräte

88

Die Schlachtung als religiöser Akt311 läßt hinsichtlich der Verwendung der benötigten Geräte einige Parallelen zum Metzgerhandwerk zu, da die Opfergeräte in erster Linie funktional bestimmt sind. Für ihre Benennung dienen teilweise Inschriften auf Handwerkergrabsteinen in Verbindung mit den entsprechenden, abgebildeten Geräten. Sie zeigen den engen Bezug des Berufsstandes zum einstigen sakralen Ursprung, dem Opfer. Der culter als ausgesprochenes 'Schlachtgerät' findet sich somit sehr häufig auf entsprechenden Grabsteinen. Tritt er zusammen mit dem typischen Hackmesser auf, das zum Zerteilen des Tieres verwendet wurde, oder der dolabra, ist er als Gerät des Metzgers zu verstehen. 312 Findet der culter sich allerdings gemeinsam mit anderen Geräten wie patera und gutus, die dem allgemeinen Opfergeschehen zugeordnet werden können, muß auch seine Bedeutung eher diesem Bereich, insbesondere dem Stieropfer in staatskultischem Zusammenhang, zugewiesen werden. Aber culter und dolabra sind für sich genommen nicht nur als Zunftabzeichen des Fleischereigewerbes 313 zu verstehen, sondern - abgesehen von Reliefszenen mit kultisch-sakralem Hintergrund - auch singular als Opfergeräte nachgewiesen. Ein imbestreitbarer Beweis dafür ist ein Grabstein in Brindisi, der neben einander beide Geräte abbildet. Die Inschrift benennt den Verstorbenen als Victimarius, den Opferdiener bei Tieropfem. 314

4.5 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer So wie das Opfer im Mittelpunkt der römischen Religionsausübung und des Opferkultes steht, nehmen die Altäre und ihre funktional verwandten Sonderformen eine wichtige Rolle innerhalb des Opferkultes ein. Zu unterscheiden ist zwischen Geräten, •

an denen Wein und (oder) Weihrauch gespendet und auch andere Opfergaben verbrannt werden, und

311 Zu dieser komplexen Problematik vgl. BURKERT 1972, 8 ff. 3 1 2 Vgl.

Zimmer

1 9 8 2 , Nr. 1 2 - 1 7 .

313 Als ein solches Zunftabzeichen mag möglicherweise eine Gemme aus Bari (B 11) gelten, die sacena und culter als singulare Geräte abbildet. 314

Sciarra 1 9 6 3 / 6 4 , 6 6 Nr. 6 3 Abb. 10; Sciarra 1976, 18 Nr. 109. - Grabinschrift: D(is) M(anibus) / EROS PvBLIC / VlCTIMARIvs / V(ixit) A(nnos) XL COLLE / GIVS De SVO / Prjva(?). — Zum Victimarius: FleSS 1995, 70 ff.

4.5 Die altarähnlichen Geräte

89

• an denen nicht direkt geopfert wird, sondern die zur Aufnahme oder Bereitstellung von Opfergaben und -geräten dienen, quasi einen präsentativen Charakter besitzen. Zur erstgenannten Gruppe zählen ara, focus /foculus und Dreifuß315, wobei focus und Dreifuß auch für die Spende von Wein und Weihrauch ( "ture et vino in igne foculo fecit ")316 genutzt werden und somit ebenfalls in die zweite Kategorie gehören. Räucherständer wie die acerra, das thymiaterium und das turibulum / candelabrum werden ausschließlich für Opfer von Weihrauch und anderen Räucherwaren verwendet.317 Die mensa gehört dem zweiten Typus an.318 Hinsichtlich der Altäre (arae) wird auf eine genaue Beschreibung und Formenanalyse verzichtet, da diese bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen sind.319 Bei H. C. BOWERMANN stehen Definition der Gattung und Terminologie im Vordergrund; ein Katalog von Opferaltären, nach formalen Kriterien geordnet, sowie eine kurze Untersuchung der dekorativen Elemente bilden den Hauptteil dieser Untersuchung. W. HERMANN untersucht die Götteraltäre nach typologischen Gesichtspunkten und nimmt eine funktionale Trennung von Basen und Grabaltären vor. Doch leider stellt seine Arbeit nur eine unvollständige Sammlung der bearbeiteten Gattung dar. Bei D. BÖSCHUNG stehen typologische und chronologische Aspekte stadtrömischer Grabaltäre im Vordergrund, während O. DRÄGER Studien zu Fragen der Formengeschichte, Aufstellung, Darstellungsintention und sakralen Bedeutung römischer Schmuckbasen angestellt hat.

315 SysKat. 58 (ara), 59 (focus / foculus), 62 (tripodium / Dreifuß). 3 1 6 A c t . A r v . a. 8 7 ( C I L V I . l 2 0 6 5 , Z . 2 9 ) . — V g l . WISSOWA 1 9 0 2 , 3 5 2 A n m . 3 .

317 SysKat. 57 (acerra), 61 (thymiaterium), 63 (turibulum). 318 SysKat. 60 (mensa). 319 In der nun vorliegenden Betrachtung werden die Altäre im Hinblick auf ihren direkten, aus dem Bildmaterial und der Literatur ablesbaren Bezug zu Opfer und Kult betrachtet. Ebenso werden nur die für dieses Problem relevanten, auf ihnen abgebildeten Szenen berücksichtigt. — In Ausw a h l : ALTMANN 1 9 0 5 ; BOWERMAN 1 9 1 3 , 5 - 9 ; HERMANN 1 9 6 1 ; GABELMANN 1 9 6 8 , 8 7 - 1 0 5 ;

BÖSCHUNG 1987; DRÄGER 1994. — Zur römischen Terminologie zu den Begriffen 'focus' und 'altaría'·. MARQUARDT 1885, 161 ff.

90

4 Opfer- und Kultgeräte

4.5.1 Die ara So wie die üblichen Opfergeräte Teil des Tempelinventars sind, gehört der Altar, den wir im folgenden mit seinem lateinischen Namen ara nennen, ebenfalls zu diesen wichtigen Gegenständen. Das Wort 'ara' bezeichnet ganz allgemein eine Feuerstelle oder Brandopferstätte320. Aus dieser Bedeutung heraus hat sich ''ara' im Laufe der Zeit zur Bezeichnung für jede Opferstätte entwickelt.321 Festus (29 M. 27 L.) gibt für die Herleitung von altaría - einem gleichbedeutenden Begriff für ara - folgende Erklärung: „altana ab altitudine sunt dicta, quod antiqui diis superis in aedificiis a terra exaltatis sacra faciebant [...] ",322 In der Regel bezeichnet sie einen steinernen Altar, wie er in zahlreichen überlieferten Beispielen erhalten ist. Allgemein ist die Form der arae zunächst bestimmt durch den Tempel und den dortigen Opferkult.323 Daneben können arae auch Altäre und Opferstätten bezeichnen, die aus einfachsten Materialien errichtet sind, z.B. aus aufgehäufter Erde oder aufgeschichteten Steinen.324 Dann werden sie arae temporales oder arae gramineae genannt.325 Diese Sitte spiegelt die stets geforderte Einfachheit des römischen Kultes wider.326 Auch sind Grassoden oder Lehmpackungen als feuerfeste Schicht bekannt, damit der Altar keine Brandbeschädigungen erlitt.327 Ein Anklang an die frühen Zeiten der Kultausübung besteht später noch, indem auf jedem Altar Grassoden liegen mußten, wie Servius diesen Brauch in seinem Kommentar zu Vergils Aeneis erläutert.328 Tatsächlich findet sich noch in der mittleren

3 2 0 BOWERMAN 1 9 1 3 , 6.

321 RE II. 1 (1896) 338 f. s.v. Ara (Reisch). 322 Vgl. Serv. ecl. 5, 66: pitaría [...] quae ab altitudine constant esse nominata"; Isid. orig. 15, 4, 14: pitare autem ab altitudine constat esse nominatum, quasi alta ara". — altaría·. Altaraufsätze, die das Opfergut aufnehmen; Solin. 8, 6; Lucan. 3, 404; Tac. ann. 16, 31; Serv. Verg. Ecl. 5, 66. 3 2 3 MARQUARDT 1 8 8 5 , 1 6 2 .

324 Beispiel für aus Steinen aufgeschichtete Felsaltäre: Relief auf der Vorderseite eines rechteckigen Altars: ein Silen opfert an einem Felsaltar. — Tarquinia, Mus. Naz., ohne Inv., iul.-claud.; DRAGER 1994, Nr. 109 (mit weiterer Lit.). 325 Verg. Aen. 12, 118; Ov. met. 7, 240. 15, 573; trist. 5, 5, 9; fast. 2, 645; Sil. 4, 701. 3 2 6 WISSOWA 1 9 0 2 , 3 0 . 3 2 7 DRAGER 1 9 9 4 , 2 4 f.

328 Serv. Aen. 12, 119; vgl. auch S. H. A. Max. et Balb. 11,5.

4.5 Die altarähnlichen Geräte

91

Kaiserzeit der Brauch, arae temporales zu errichten, wie der Kult der Arvalbrüder bezeugt.329 Das Aeneas-Relief der Ara Pacis (12a) vermittelt einen Eindruck solch altertümlicher Altarformen, indem Aeneas an einem aus einzelnen Felsbrocken aufgeschichteten und mit einer Girlande umwundenen Altar ein Opfer darbringt. Um die zeitliche Dimension, d.h. den Rückgriff auf die römische Frühzeit und den damit verbundenen Gebrauch altertümlicher Altäre herauszuheben, wird Aeneas mit einem Schultermantel, wie ihn die Griechen trugen, dargestellt, allerdings in einer romanisierten Form als Opfernder im capite-velato-Habitus. Dies bringt einerseits die Verbundenheit des Augustus mit der griechischen 'Herkunft' des iulisch-claudischen Herrscherhauses zum Ausdruck, andererseits kann dies mit der von ihm durchgeführten Neuordnung der römischen Kulte, der Rückbesinnung auf die alten Werte sowie dem allgemeinen von Augustus praktizierten Klassizismus in Verbindung gebracht werden330. Die Dekoration der römischen Altäre ist durch deren Funktion als Hauptbestandteil des Opferkultes bestimmt. Sie sind mit Reliefs versehen, die auf der Hauptseite in den meisten Fällen eine Opferszene zeigen, während auf den Nebenseiten oft einzelne Opfergeräte abgebildet werden. Die Hauptseite des Vespasian-Altars (I 7) zeigt ein Libationsopfer am Dreifuß sowie zwei Opferschlächter mit dem noch zu opfernden Stier, zwei jugendliche Opferdiener, Abb. 3: Vespasian-Ältar. Rechte Nebenseite,

Pompeji (17)

den

Flötenspieler

und

den

Lictor.

Der

Schmuck der Nebenseiten (links: patera,

simpuvium, gutus, rechts: mantele, acerra, lituus; Abb. 3; Taf. 9a) bezieht sich sachlich auf die Szene der Vorderseite. Als für das Opfer benötigte Requisiten stehen die Geräte darüber hinaus in einem unmittelbaren, inneren Bezug zu dieser Opferszene. Die Corona civica und die Lorbeerbäume auf der Rückseite sind als Zeichen kaiserlicher Macht331 zu deuten.

3 2 9 A c t . A r v . a. 2 2 4 ( C I L V I . l 2 1 0 7 , Z . 6 ) ; HENZEN 1 8 7 4 , 141 f. 1 4 4 . 3 3 0 V g l . HÖLSCHER 1 9 8 7 , 4 8 .

331 ALFÖLDI 1971b, 15 ff. 36.

4 Opfer- und Kultgeräte

92

Die häufig auf den Nebenseiten der Altäre dargestellten Opferdiener stellen ebenfalls einen inhaltlichen Bezug zum Relief der Hauptseite her wie z.B. der Weihealtar für die aufanischen Matronen (Gg 24)332. Der innere Zusammenhang der beiden Nebenseiten - links eine Opferdienerin (?) mit acerra und darunter ein Opferdiener, der ein Schwein trägt, rechts ein Opferdiener, der die exta kocht333 - ergibt sich zur Szene der Vorderseite dadurch, daß man hier den Ablauf des Opfers ablesen kann, ohne jedoch alle Einzelheiten explizit darzustellen: während ein Diener das Opfertier heranträgt, wird, quasi als zentrale Handlung, die Libation vollzogen, im Anschluß daran und an die Tötung des Tieres werden dann die Eingeweide gekocht. Ist der Bildschmuck sehr einfach gehalten, kann das am Altar zu vollziehende Opfer auch nur symbolisch dargestellt sein, am häufigsten durch die patera und die Kanne (gutus oder urceus) auf den Nebenseiten.334 Dies trifft auch für Altäre zu, die ihrerseits auf Reliefs erscheinen. 335 Neben denen im Original erhaltenen Beispielen können wir durch Darstellungen in der Flächenkunst (Reliefs, Münzen oder Mosaiken) Kenntnis zu Form, Aufstellung und Verwendung von Altären gewinnen. Zum Teil stellen diese Bildzeugnisse die einzige Quelle zu bestimmten Formen dar, die aufgrund ihrer Herstellungsweise und ihrer Materialien nicht mehr nachweisbar sind (ara temporalis). Ein Altar auf einem Bildfeld der Trajanssäule (F 6, Szene VIII) ist aus denselben Steinen errichtet, vielleicht sogar aufgemauert, wie die Lagermauer hinter ihm. Dies ist ein Hinweis darauf, daß Altäre dieser Form einem rein funktionellen Gebrauch entspringen, der sich nach den äußeren Gegebenheiten richtet; daß beim Erstellen auf vorhandene Materialien zurückgegriffen wird, wie sie bei der Errichtung eines Legionslagers verwendet werden, scheint logisch zu sein. Dies deutet daraufhin, daß Altäre dieser Form gerade im militärischen Bereich336 bekannt sind; sie dienen einem rein funktionellen Gebrauch, der sich nach den äußeren Gegebenheiten richtet. Daneben verdeutlicht er die Notwendigkeit eines 'Untersatzes' für die Kultausübung auch im militärischen Bereich, d.h. im Feld. Da das Prätorium und der Bereich davor 'heiliger

3 3 2 HORN 1 9 8 7 , 4 8 .

333 Vgl. Kap. 4.1.3, S. 62. 3 3 4 BOWERMAN 1 9 1 3 , 8 7 .

335 So ist der auf dem Severus-Bogen, Leptis Magna, abgebildete Altar außer mit Kanne und Schale zusätzlich noch mit der acerra verziert (Cc 2b). Siehe auch die Kannen aus dem Silberschatz von Boscoreale: Nike beim Widderopfer; auf den Altarseiten befinden sich Kanne und Schale über an Bukranien angebrachten Girlanden; KÜTHMANN 1959, 53; BARATTE 1986, 20. 63. 3 3 6 BOWERMAN 1 9 1 3 , 9 1 ; HERMANN 1 9 6 1 , 5 1 .

4.5 Die altarähnlichen Geräte

93

Raum' waren, war dies der Aufstellungsort für die im Legionslager verwendeten Altäre337, wo in der Regel die consultatorischen Opfer vor Beginn eines Feldzuges abgehalten wurden. 338

4.5.2 Tragbare Altäre und Räucherständer Focus /foculus und Dreifuß sind Geräte, die stellvertretend für die ara benutzt werden. Gerade während der Kaiserzeit, so vermitteln es die bildlichen Quellen, wird häufig an ihnen und nicht an Altären geopfert. Focus und Dreifuß unterscheiden sich von den arae dadurch, daß sie tragbar, teilweise zusammenklappbar und nicht ortsgebunden waren. Die Unterscheidung zwischen focus /foculus und Dreifuß ist schwierig und vor allem anhand des vorliegenden Bildmaterials nicht genau zu terminieren. K. SCHWENDEMANN

hat in seiner Untersuchung zu den antiken Dreifußen, die er in ih-

rer gesamten Entwicklung und Ausprägung für die Kultausübung der Griechen und den römischen Kult darstellt, versucht, Unterschiede zwischen beiden herauszuarbeiten. 339 Neueste Untersuchungen zu dieser Geräteart führte U. die Ergebnisse

SCHWENDEMANNS

KLATT

durch, die

in großen Teilen revidiert.

K. SCHWENDEMANN ordnet die im römischen Opferkult verwendeten Dreifüße typologisch den Klappdreifüßen zu, wobei er einen Teil der foci / foculi als 'Untergruppe' der Klappdreifüße bezeichnet, ohne dies jedoch näher zu begründen, weist aber daraufhin, daß sie nicht unter diese Gruppe subsumiert werden können. 340 Den Klappdreifüßen liegt als Struktur der Stabdreifuß zugrunde. Die senkrechten Stäbe werden am Endpunkt durch Quer- und Diagonalstäbe mit Hilfe eines Scharniers ver-

337 Cie. div. 1, 72; Hygin. 11. — Siehe auch RIST 1920, 23; HELGELAND 1978, 1491;RÜPKE 1990, 250 ff. 338 Opfer der Flotte fanden an Altären statt, die direkt am Meer oder am Hafen aufgestellt waren: Verg. Aen. 5, 235; App. civ. 5,96. — F 6, Szene LXXX: Empfang der römischen Flotte. 339 SCHWENDEMANN 1921, 98 ff. Die Untersuchung nimmt insbesondere Bezug auf die Verwendung des Dreifußes im griechischen Apollon-Kult. — KLATT 1995, 3 4 9 - 5 7 3 ; insb. 351 ff. zu Forschungsstand und -geschichte. 340 SCHWENDEMANN 1921, 113. So möchte er die Dreifüße des Marc-Aurel-Reliefs vom Konstantinsbogen (E 5a) sowie des Argentarierbogens (E 6a), an dem Septimius Severus und Iulia Domna libieren, als foculi verstanden wissen.

4 Opfer- und Kultgeräte

94

bunden. Im Kreuzungspunkt der Querstäbe beweglich, sind sie mit den festen Stäben vertikal gegeneinander verschiebbar.341 Dreifuße dieser Art finden wir auf dem Durchgangsrelief des Beneventer Trajansbogens (F 3b) und dem Sarkophag Monticelli (Κ 9). Daneben ist auch mit Dreifußen zu rechnen, die zwar Querstäbe besitzen, aber zusätzlich noch mit festen Horizontalverstrebungen versehen und demnach nicht zum Zusammenklappen geeignet sind wie die Dreifüße der Sarkophage in Florenz (K 7) oder in Mantua (Κ 10). Κ. SCHWENDEMANN bezeichnet die Plattendreifuße, wie sie innerhalb der Opferszene vom Vespasian-Altar (I 7) oder auf dem Relieffragment Rom, Thermenmuseum (A 21) anzutreffen sind, ebenfalls als foci /foculi. Hier wird die Schwierigkeit deutlich, eine korrekte typologische und terminologische Unterscheidung zwischen diesen Dreifußtypen vorzunehmen; eindeutige Untersuchungskriterien werden nicht geboten, teilweise werden Dreifüße sogar als Synonym von ara (altaría) bezeichnet.342 Daher scheint es angebracht, focus /foculus und Dreifuß synonym zu verwenden, wobei der Dreifuß als Hauptform im Vordergrund steht.343 Neben den Formen des Klappdreifußes sind auch Platten- oder Tischdreifuße in Gebrauch. Dabei handelt es sich um runde Platten, die von Beinen getragen werden. Die bei Opferzeremonien verwendeten Exemplare werden als Feueraltäre genutzt und haben aus diesem Grund teilweise einen aufragenden Rand wie die Platten auf dem sog. 'Tiberius-Becher' ( O l ) und der Decennalienbasis (F 8b). Andere dagegen besitzen keinen Rand, wie auf der Ara 'Karthago' (Gg 2) oder dem Vespasian-Altar (I 7) zu sehen ist. Klapptische (resp. Klappdreifiiße) sind als wichtige Requisiten kultischer Handlungen bezeugt. In dieser Verwendung erscheinen Klappdreifiiße mit Laufscharniermechanismus. Beispiele zur Illustration finden sich besonders gut in pompejanischer Wandmalerei. Die Szene mit dem Genius und den Laren (Reg. IX 12, 7)344 gibt einen Klappdreifuß wider, auf dessen Tischplatte Opfergaben und Opfergeräte stehen,

3 4 1 Z u r T e r m i n o l o g i e : KLATT 1 9 9 5 , 3 5 4 ff. 3 4 2 BOWERMAN 1913, 3. — V g l . Ov. met. 4, 7 5 3 .

343 Vgl. BOWERMAN 1913, 3; HERMANN 1961, 16. — Mit focus sollte im eigentlichen Sinne nur der Teil der ara oder der Altarbekrönung bezeichnet werden, der zur Aufnahme der Opfergaben dient. DRAGER 1994, 24 mit Anm. 67 spricht sich gegen diese Deutung des Begriffs 'focus' (Brandfläche des römischen Altars) aus mit dem Hinweis auf eine willkürliche etymologische Ausdeutung durch P. Garchon, DAREMBERG-SAGLIO II.2 (1896) 1194 s.v. Focus. — Siehe auch K a p . 4 . 5 . 1 , S. 9 0 A n m . 3 2 2 . 3 4 4 FRÖHLICH 1 9 9 1 , 3 3 9 N r . F 7 1 T a f . 5 8 , 2.

4.5 Die altarähnlichen Geräte

95

Szene eines opfernden Genius in einem Thermopolium (Reg. I 8 , 8)345 verwendet den Dreifuß als Feueraltar, in dessen flacher Schale mit ebenem Boden das Feuer zur Verbrennung von Räucherwerk lodert. Bemerkenswert ist, daß die Wandmalereien einen Typus wiedergeben, der zum Zeitpunkt der Erstellung bereits seit fast 100 Jahren bekannt war. Bewährtes und altehrwürdiges Gerät scheint zur Verwendung bei kultischen Handlungen geradezu als erprobt zu gelten.346 Womit wieder einmal ein retardierendes, von Archaismen geprägtes Phänomen zum Tragen kommt. Das Bildmaterial zeigt, daß der in der Kaiserzeit verwendete Dreifuß gerade im Staatskult zum Einsatz kommt, beispielsweise bei Suovetaurilienopfern. 347 Besonders gern scheint ab Mitte / Ende des 1. Jhs. n. Chr. der Kaiser am Dreifuß geopfert zu haben, wie die Münzprägung zum Ausdruck bringt.348 Für das reine Weihrauch- oder Rauchopfer gibt es einen kleinen tragbaren Räucheraltar, auf dem besonders bei Begräbnissen und Totenfeiern der Weihrauch verbrannt wird. Er wird acerra oder auch ara turicrema genannt.349 Über seine Form werden keine Aussagen gemacht; die Bezeichnung acerra scheint laut Valerius Maximus (3, 3, 3) synonym für das turibulum verwendet worden zu sein, von dem wir genaue Beschreibungen und Originale besitzen. Die acerra kann aber nicht ganz unscheinbar gewesen sein, denn Cicero (leg. 2, 60) berichtet, daß das Zwölftafelgesetz (tab. 10, § 6a) ein Verbot enthielt, das u.a. das Herumtragen und das Aufstellen von acerrae bei Begräbnissen als Luxus untersagte. 350 Ein weiterer synonymer Begriff für die im folgenden zu beschreibenden Räucherständer ist der Ausdruck candelabrum,351 Er wird für Geräte gebraucht, die in

345

FRÖHLICH

1 9 9 1 , 2 5 2 f. N r . L 8 T a f . 2 , 1; P P M I, 8 0 2 f f . A b b . 3 a . b .

346 Vgl. KLATT 1995, 4 3 0 ff. 347 E 5a I F 7. 348 KLATT 1 9 9 5 , 4 3 5 f. 349 Sie ist nicht identisch mit der eingangs erwähnten acerra als Weihrauchbehälter. — Vgl. Kap. 4.1.1, S. 27 ff. — SysKat. 1 (acerra). 350 Siehe D Ü L L 1971, 96. — Z u m Problem der leges sumptuaria: B A L T R U S C H 1988, 44 ff. — Speziell zu den acerrae: M A R Q U A R D T 1886, 345 ff. Anm. 4; W I E A C K E R 1971, 773. 351

D A R E M B E R G - S A G L I O 1.2 (1887) 873 s.v. Candelabrum (Saglio); RE II.2 (1899) 1461 ff. s.v. Candelabrum (Mau); NPauly 2 (1997) 548 ff. s.v. Beleuchtung (Hurschmann).

96

4 Opfer- und Kultgeräte

ihrer Struktur und im formalen Aufbau angelehnt sind an die im Griechischen entwickelten und verwendeten thymiateria mit dreiseitiger Basis. Eigentlich steht der Begriff candelabrum im Römischen für Geräte, die zum Aufstecken von Kerzen (candela) dienten und später als Lampenträger bezeichnet wurden.352 Die undifferenzierte Verwendung dieser Bezeichnung für Räucherständer in der Art griechischer thymiateria ist stets ein Problem der modernen Forschung gewesen, die sich trotz naheliegenderer Begriffe wie des turibulum an candelabrum festgehalten hat. So hat sich 'Kandelaber' eingebürgert.353 Im folgenden wird für die aus dem griechischen Bereich entlehnten Räucherständer der Begriff turibulum verwendet, um Mißverständnissen entgegenzuwirken. Das turibulum (thymiaterium) ist als Altar in Opferszenen anzutreffen. Für die griechischen Räucherständer dieser Art aus der klassischen und hellenistischen Epoche dienen die zahlreichen Vasenbilder als Zeugnisse. Neben Handlungen des profanen Bereichs begegnen die Ständer gerade in Opferszenen oder erscheinen im Zusammenhang mit Göttern.354 Während der gesamten Kaiserzeit finden sie sich dekorativ auf Friesen und als Verzierungselemente sepulkraler Objekte (Grabaltäre, Grabbauten, Sarkophage). Daneben sind sie als Originale hauptsächlich im sepulkralen und sakralen Bereich nachweisbar.355 Allgemein ist das turibulum auch stark in den Kaiserkult eingebunden.356 Es kann an dieser Stelle nicht Aufgabe sein, die Formenvielfalt, die Entwicklungsphysiologie und die im Original erhaltenen Geräte 'en detail' nachzuzeichnen; dies ist bereits an prominenter Stelle ausführlich geschehen.357 Es soll im folgenden vielmehr ein kurzer Überblick über die Verwendung und die im Denkmälerbestand vorhandenen turibula- bzw. thymiateria-Typen gegeben werden. In vielen Fällen der auf römischen Denkmälern abgebildeten turibula handelt es sich um Geräte mit einer dreiseitigen Basis, über der sich ein Stamm mit 'Kelchblattschalen' in unterschiedlicher Anzahl erhebt; den Abschluß bildet eine das Rauchopfer aufnehmende, meist größere Schale. Die Basis selbst wird von Tierklau-

352 Vgl. RE II.2 (1899) 1461 ff. — Varrò ling. 5, 119. 353 Dem Problem der Definition von Kandelabern und der kunstgeschichtliehen Einordnung dieser Geräte in den Gesamtkontext des römischen Ausstattungsluxus' hat sich in vorbildlicher Weise angenommen: CAIN 1985. 354 Ausführlicher Abbildungsnachweis bei CAIN 1985, 13 Anm. 84. 355 Zur Verwendung der thymiateria im Griechischen ausfuhrlich CAIN 1985, 14 ff. 356 Zu diesem Aspekt siehe ausführlicher Kap. 8.1.1, S. 162 f. 357 WIGAND 1912, 1 ff., insb. Typentafel.

4.5 Die altarähnlichen Geräte

97

en getragen. Beispiele für diese Form besitzen der Fries im Louvre (G 4), wobei dieses Gerät nur aus seiner prismatischen Basis und der sich darüber erhebenden, bekrönenden Schale besteht, und der Fries der Porticus Octaviae (F 1, Frgt. 99; 104) mit zwei Kelchblattschalen sowie dem Abschluß. Oftmals sind die Basen Träger dekorativer Motive. Die Nebenseiten des Sarkophages Caffarelli (K 2) zeigen ein turibulum mit vermutlich dreiseitiger Basis auf Löwenklauen-Füßen. Die Basisflächen sind mit für die frühe Kaiserzeit typischen Volutenranken geschmückt. Die turibulum-Basis des Basilica-Ulpia-Frieses (F 4)358 dagegen ist viereckig und mit kleinen Blütenrosetten versehen. Ein Räucheraltar etwas anderer Gestalt findet sich auf einem Campanarelief (A l). 359 Unterhalb der dreiseitigen Basis befindet sich eine Anordnung dreier Sphingen, die auf in Tierköpfen endenden Pferdefüßen ruhen. Die Bekrönung des Rundgrabes der Cartinia in Falerii (H 6) ist an vier Stellen von altarähnlich gestalteten Quadern 360 unterbrochen, die jeweils als dekoratives Element ein turibulum tragen. Ihr Aufbau ist in allen Fällen gleich: Sirenen als tragender Unterbau, darüber die vermutlich vierseitige Basis, an deren oberen Ecken sich Widderköpfe 361 befinden. Der Schaft besteht aus drei Kelchen, als Bekrönung dient ein Krater, in dem das Feuer brennt.362 Mit der Motivik dieser turibula ist auf der einen Seite der sepulkrale Charakter dieser Geräte allgemein belegt, auf der anderen Seite der konkrete Bezug zu Begräbnis- und Totenkult gegeben. Die Sirenen, die Todesdämonen, stehen als Symbol für den Tod und die Unterwelt. Sie erleichtem dem Toten mit ihrem Gesang den Weg ins Jenseits.363

3 5 8 V g l . GOETHERT 1 9 3 6 , 7 4 A b b . 2.

359 Vgl. GUSMAN 1913/14,1 Taf. 28. 3 6 0 GOETZE 1 9 3 9 , 3.

361 GOETZES Interpretation der Widderköpfe als Zeichen des Ianus ist zu bejahen, zumal der Widder das Opfertier dieses Gottes ist. Die Vierzahl der Widderköpfe erinnert an den sog. 'IanusQuadrifrons' - den viergesichtigen Ianus - , der gerade in Falerii große Verehrung genoß. Dies würde bezüglich der turibulum-Verzierung eher den Bezug des Grabbaues zu seinem Standort als zu Ianus als dem „Gott der Schwelle des Jenseits" herstellen. — Ov. fast. 1,318; Varrò ling. 6, 12. — HENZEN 1874, 144; WISSOWA 1902, 91. 94; RE S III (1918) 1182 s.v. Ianus (Otto); GOETZE 1 9 3 9 , T a f . 4 A b b . 4 a . 3 6 2 GOETZE 1 9 3 9 , T a f . 4 , 4 a .

363 ROSCHER, ML IV (1909-15) 601 ff. s.v. Seirenen (Weicker); RE III A 1 (1927) 288 ff. s.v. Sirenen (Zwicker); K1P 5 (1975) 79 f. s.v. Seirenes (v. Geisau).

4 Opfer- und Kultgeräte

98

Ein letzter Räucherständertyp ist der balusterförmige Ständer 364 ; auf einem Sockel, der seitlich leicht eingezogen ist, erhebt sich ein zweiter Aufsatz. Zum Teil können diese Geräte auch verdickte Zwischenglieder haben. An einem solchen Räucheraltar spendet ein Togatus Weihrauch (A 10). Der Altar ist zwar nicht rund bzw. zylindrisch wie die meisten Geräte dieser Art; aber sein Gesamterscheinungsbild eingezogene Seiten an Unterbau und Aufsatz - erlaubt die Zuweisung zu diesem Typ.

4.5.3 Die Opfertische

Ein altarähnliches Gerät völlig anderen Charakters haben wir in der mensa vor uns. Sie wurde nicht direkt fur Opferhandlungen verwendet, sondern vielmehr als Ablage bei den das Opfer vor- und nachbereitenden Handlungen. 365 Mit diesem Kultgerät bei Griechen und Römern hat sich erstmals H.

MISCH-

KOWSKI366 in seiner 1917 erschienenen Dissertation auseinander gesetzt. Er untersucht den Tisch im Hinblick auf seine altarähnliche Verwendung sowie weiterer Kultmöglichkeiten. An

MISCHKOWSKI

anschließend hat sich

CHR.

GOUDINEAU

(1967) noch einmal mit den Tischen im Kult beschäftigt, wobei in dieser Arbeit hauptsächlich der Dionysos-Kult im Vordergrund stand.367 Literarisch ist diese Gattung besonders gut belegt, so daß ein beinahe perfektes Bild der mensa nachgezeichnet werden kann368, dennoch ist das archäologische Bildmaterial mit der literarischen Überlieferung nur teilweise in Einklang zu bringen. Die außerordentliche Bedeutung der mensa als Kultgerät und Kultobjekt wird eindringlich vor Augen geführt. Als Grundbestandteil des Tempelinventars (supellex sacra)m

kann die mensa den Altar in all seinen Funktionen vertreten. Sie über-

nimmt die Eigenschaft des Polsters (pulvinar), das für die Speisung der Gottheit, respektive des Götterbildes, errichtet wird.370 Macrobius (Sat. 3, 11, 5-6) zählt drei

3 6 4 V g l . WIGAND 1912, T y p e n t a f . I V 1 2 0 - 1 3 0 .

365 Für die im Totenkult gebräuchlichen mensae funerariae siehe unten Kap. 8.2.1, S. 190. 3 6 6 MISCHKOWSKI 1917. 3 6 7 GOUDINEAU 1967, 7 7 ff. 3 6 8 V o n MISCHKOWSKI 1917 e i n g e h e n d a n a l y s i e r t ; vgl. a u c h BOWERMAN 1913, 4 f. 3 6 9 M a c r . Sat. 3, 11, 5 - 6 . — MOMMSEN 1877, 5 9 ff. 3 7 0 BOETTICHER 1881, 5 3 9 ff.; WISSOWA 1 9 0 2 , 4 0 7 .

4.5 Die altarähnlichen Geräte

99

verschiedene zum Kult gehörige Gerätschaften auf: Gefäße (vasa), Gerät (instrumentum) und Zierat (ornamentum). Der Tisch hat unter diesen Gerätschaften eine herausragende Stellung, da auf ihm Speisen (epulae), Trankopfer (libationes) und andere Opfergaben (stipes) niedergelegt werden. Das Wichtigste aber ist, daß er mit dem Tempel und dem Altar gemeinsam konsekriert wird.371 Von den Römern ist bekannt, daß sie Tische speziell auch den Göttern weihten.372 Göttern aller Bereiche konnte diese Ehre zuteil werden. Aus dem Staatskult sind Iuno, Iuppiter und Dea Dia überliefert; bei den fremden Göttern waren es Cybele373, Mithras374, Priapos375, Bacchus und Silvanus376. Weiterhin berichten die Quellen von unterschiedlichen Eigenschaften der sacra mensa. Es werden erwähnt: mensa anclabris111, mensa curialis™, mensa assidelam, mensa trivialis380 und mensa paniceam. Die mensa anclabris scheint direkt zum Gottesdienst verwendet worden zu sein, indem auf ihr die Gefäße insbesondere für den Wein bereit gehalten wurden.382 Eines der Stuckreliefs aus der Basilika Sotterranea bei der Porta Maggiore in Rom (A 6) kann auf diesen Typus bezogen werden. Es handelt sich um einen vierbeinigen, schlichten Tisch mit rechteckiger Platte, dessen Beine an einer Lang- und den Schmalseiten durch Querverstrebungen verstärkt sind. Darauf stehen Gefäße - drei Schalen und eine Kanne - , die fur ein Trankopfer dort abgestellt wurden.

371 Für den letzten Absatz vgl. Serv. Aen. 8, 279; Macr. Sat. 33, 11, 5-7. — MISCHKOWSKI 1917, 8 f. 372 Bei den Griechen war es ebenfalls bekannt, den Göttern statt Altäre Tische zu weihen, siehe GOUDINEAU 1 9 6 7 , 7 8 A n m . 2.

373 Ov.fast. 4, 367 f. 374 CIL VI.42 31038. 375 Carm. Priap. 16, 1. 376 CIL V.l 815; X.l 205. 377 Fest. 11 M. 10 L.: s.v. anclabris; 77 M. 67 L.: s.v. escariae. 378 Fest. 64 M. 56 L.: s.v. curiales mensae. 379 Fest. 19 M. 18 L. s.v. adsedelae. 380 Fest. 158 M. 150 L. 381 Dieser Tisch ist nicht weiter bekannt. Es soll sich bei ihm um einen sog. 'Brottisch' von runder Form handeln; Serv. Aen. 3, 257. — Siehe auch: Enciclopedia Virgiliana III (1987) 485 f. s.v. mensae paniceae (Scheid). 3 8 2 BOETTICHER 1 8 8 1 , 5 4 0 ; MISCHKOWSKI 1 9 1 7 , 2 0 .

100

4 Opfer- und Kultgeräte

Die mensa auf einem Opfergerätefries im Thermenmuseum (H 4; Taf. 7c) besitzt eine rechteckige Platte, die von Tierbeinen getragen wird. Auf dem Tisch liegen ein simpuvium und eine kleine Schale. Ein anderes Beispiel für die mensa anclabris ist auf einem frühkaiserzeitlichen Relieffragment im Vatikan (A 7) wiedergegeben. Auf dem Tisch standen einige Gefäße, deren Unterseiten noch zu erkennen sind. Darüber hinaus war er aufwendig in zwei Registern verziert. Nach der Deutung T. HÖLSCHERS war ein Tisch wiedergegeben, der in leicht perspektivischer Übereckstellung zu denken ist. Auf den Nebenseiten des Tischkastens waren links ein Altar mit pulvinus und brennendem Feuer und rechts ein Opferzug von Frauen sowie ein Lorbeerkranz angegeben. Auf der Vorderseite des Tischkastens waren in der Oberzone eine patera zwischen zwei Bukranien angebracht383; das untere Register zeigt Muscheln und Akanthusblätter. Insgesamt betrachtet muß der Tisch in eine Opferszene eingebunden gewesen sein. Für den sakral-kultischen Charakter der Szene sprechen die Verzierungen des Tisches selbst.384 Einen Tisch, auf dem verschiedene Geräte des Opferkultes abgelegt sind, erkennen wir auf der Ara des Amemptus (131; Taf. lla)ni und dürfen annehmen, hier ebenfalls eine Form der mensa anclabris vor uns zu haben. Auf der Tischplatte sind eine Kanne, eine Schale und ein Messer angeordnet. Der Tisch selbst ist ebenso wie Kanne und Schale detailreich verziert. An der Plattenkante befinden sich Zahnschnitt und Blattkyma. An den in stilisierten Tierklauen endenden Beinen und an der Querstange verläuft ein Ornament, das ein gedrehtes Band imitiert. Nicht ganz so qualitätvoll ist die mensa auf einem Fries aus Capua (F 2; Abb. 5). Sie ist von rechteckigem Grundschnitt und durch Querstangen im oberen und unteren Drittel der Beine verstärkt. Auf der Platte liegen zwei nicht zu identifizierende Gegenstände, wovon der rechte ein Messer in einer Scheide sein könnte. Neben der Aufnahme von Opfergeräten und Speisen kann der Tisch auch selbst Kultmal bzw. Untersatz für das Kultbild sein. Einen bildlichen Hinweis darauf geben ein hadrianisches Relief (A 28) oder Medaillone des Antoninus Pius, Marcus Aurelius und Commodus386: eine schlangenumwundene Salus-Statuette ist als Kult-

383 Die Ornamente dürfen als Appliken verstanden werden, die an Originaltischen in Bronze gearbeitet waren; siehe zur Verwendung von Bronzeappliken an Sakralgeräten: KREILINGER 1996, 3 6 f. 3 8 4 V g l . HÖLSCHER 1 9 8 8 a , 5 3 2 f f . 3 8 5 V g l . ALTMANN 1 9 0 5 , T a f . 2. 3 8 6 WINKLER 1 9 9 5 , 9 8 m i t A n m . 4 8 8 . 4 9 0 .

4.5 Die altarähnlichen Geräte

101

bild auf die mensa gestellt worden, vor ihr steht ein Gefäß, das wahrscheinlich Opferflüssigkeit enthält. Auf der mensa kann auch direkt geopfert werden (Fest. 64 M. 56 L.). Dies wird durch ein Relief in Bordeaux untermauert, das offensichtlich eine kultische Szene darstellt.387 Auf einem niedrigen Tisch, um den vier Personen herumstehen, liegt ein Schwein, dem die rechten Hinter- und Vorderläufe sowie der Kopf fehlen. Dieses Tier ist geopfert worden, und eine Eingeweideschau steht kurz bevor.388 Die mensa curialis ist auf keinem der bekannten Bilddenkmale dargestellt. Von Festus (64 M. 56 L.) ist zu erfahren, daß sie im Opferkult der Iuno Curis389, der Beschützerin der Curie, verwendet wird. Ebenfalls nicht nachweisbar ist die mensa assidete, die mit den Tätigkeiten der Flamines in Verbindung gebracht wird.390 Es heißt von ihnen, daß sie, an der mensa sitzend, ihre heiligen Handlungen vollziehen. Da die Kultausübung durch die Errichtung eines Altares oder die Aufstellung eines Tisches begründet und durch die Entfernung derselben beendet werden kann391, ist die Dringlichkeit eines solchen 'Untersatzes' für die Darbringung des Opfers an die Gottheit gegeben. Anscheinend war der Tisch so wichtig, daß er selbst bei einem Tempel oder Heiligtum ohne Brandopferaltar nicht fehlen durfte; er konnte sogar als alleiniges Kultgerät bei heiligen Handlungen fungieren.392 In diesem Fall wird der Tisch, der ohne Altar und Tempel gebraucht wird, mensa trivialism genannt. Die mensapanicea, den 'Brottisch', archäologisch zu erklären, ist nicht möglich. Vielmehr wurde bisher von sprachgeschichtlicher Seite versucht, sich diesem Phänomen zu nähern, wobei P. K R E T S C H M E R eine akzeptable Lösung anzubieten hat. Im Zusammenhang mit einer immer wieder zitierten Textstelle aus den - in einem um-

3 8 7 ESPÉRANDIEU I I N r . 1 1 0 0 .

388 Daß es sich hierbei nicht u m eine normale Schlachtung handelt, ist daran erkennbar, daß eine Vielzahl von Personen um den Tisch und das Tier herumsteht, was sonst nicht der Fall ist. Schlachter bei ihrer Tätigkeit werden im allgemeinen in ihrem Laden beim Zerteilen des Fleisches oder beim Ausnehmen des Tieres dargestellt. — Vgl. ZIMMER 1982, 17 ff. 389 Auch Iuno Cur(r)itis oder Quiritis. — ROSCHER, ML II.2 (1890-1897) 596 ff. s.v. Iuno Cur(r)itis (Roscher); OTTO 1905, 198 ff.; RE X.l (1917) 1123 s.v. Iuno (Thulin). 390 Fest. 19 M. 18 L.: s.v.

adsedelae.

3 9 1 MISCHKOWSKI 1 9 1 7 , 8 f f . 3 9 2 BOETTICHER 1 8 8 1 , 5 4 1 .

393 Paul. f e s r . 158 M. 150 L.

102

4 Opfer- und Kultgeräte

brischen Dialekt verfaßten - Iguvinischen Tafeln 3 ' 4 werden mefa spefa genannt, die Teilen der Opfertiere hinzugefügt werden sollen. Es handelt sich mit Hinweis auf Varrò (ling. 5, 104) um Lebensmittel vegetabiler Art. An anderer Stelle werden auf den Tafeln weitere Dinge genannt, nämlich strucla und fasiu, die ebenfalls den Teilen der Tiere hinzugefügt werden sollen.395 Strucla entsprechen den im Lateinischen als strues bekannten Kuchen und fasiu den farrea (Speltkuchen).396 Daher wird in der Forschung die Meinung vertreten, bei mefa handele es sich um die liba (Kuchen). Die reimende Wortverbindung mefa spefa entspricht mensa pensa ('abgemessen und abgewogen'); es meint wahrscheinlich, daß auch für Brote ein bestimmtes, vorgeschriebenes Maß galt. Vergil (Aen. 7, 107-111) berichtet, daß es im Kult eine alte Sitte gab, laut der man als Unterlage für Speisen und Gaben ein aus Speltmehl gebackenes (Fladen-)Brot verwendete. Dieser Fladen wurde im Umbrischen als mefa spefa bezeichnet, woraus sich wiederum die lateinische mensa erklärt und ableitet. Diese Bezeichnung ist später, als man für die Aufstellung von Opfergaben nicht mehr Brotfladen verwendete, auf die hölzerne (Tisch-)Platte übertragen worden. Daher erklärt sich m.E. auch die bei Vergil (Serv. Aen. 3, 257) erwähnte mensa 397

panicea. Nur literarisch bekannt ist die Sitte, dem Hercules und der limo Lucina ein Opfer für die glückliche Geburt eines Kindes auf dem Tisch darzubringen.398 Des weiteren fand die mensa nach der Einführung des Lectisterniums im Jahre 399 v. Chr. Verwendung, wobei das Bild des Gottes auf einem Bett (lectus), das Speiseopfer auf der mensa vor dem Bett liegt.399 Bei gewöhnlichen Hausopfern wird die mensa durch Aufsetzen eines Salzfasses, einer patella und eines Götterbildes zum Opfertisch geweiht.400 394 Via 22 ff.: „surur purdouitu, /preseselo naratu, /prosesetir mefa /spefa, ficla ars- / ueitum aruiofetu". (lat. Übers.: „item porricito, /prosecta narrato, /prosectis mefam /spefam, offam ad/arvia fetu"), zitiert nach KRETSCHMER 1917, 79. — Allgemein: DEVOTO 1940. 395 III 34; VIb 23: „prosesetir strusla, ficla arveitu"\ IIa 12. 3 9 6 KRETSCHMER 1 9 1 7 , 7 9 .

397 HAURJ-KARRER 1972, 31 mit ANM. 3 (S. 143). Siehe auch ENK 1913, 386 ff. sowie MACKAIL 1 9 1 4 , 8 9 f. 398 Tertull. de anim. 39. 399 Das Lectistemium wurde auf Geheiß der Sibyllinischen Bücher eingefiihrt; Liv. 5, 13, 6. — WISSOWA 1 9 0 2 , 3 5 6 ; ROSSTAYLOR 1 9 3 5 , 1 2 2 ff.; LATTE 1 9 6 0 , 2 4 2 f f . ; GLADIGOW 1 9 9 4 , 2 1 f .

400 Amob. nat. 2, 67: ,¿acras facitis mensas salinorum adpositu et simulacris deorum?" Porph. Hör. od. 2 , 16, 14; Paul. Fest. 1 5 7 M . 1 4 8 L . — BOETTICHER 1 8 8 1 , 5 4 4 ; MlSCHKOWSKI 1 9 1 7 , 3 1 f.

4.6 Kultmusik und Musikinstrumente

103

4.6 Kultmusik und Musikinstrumente

Der Kult ist einer der wichtigsten Bereiche, in dem die Römer in erster Linie auf Musik zurückgriffen. In einer Untersuchung zu den Geräten des römischen Kultes darf daher die Betrachtung der Musik und Musikinstrumente nicht fehlen; sie sollen an dieser Stelle aber nur kurz gestreift werden401, da sie bereits von anderer Seite ausfuhrlich besprochen worden sind.402 Kultische Musik hatte - nach dem Urteil der antiken Autoren - die Aufgabe, einerseits die Götter zu besänftigen und gnädig zu stimmen403, andererseits der magischen Vertreibung von Dämonen und Abschirmung gegenüber allen das Opfer störenden Einflüssen zu dienen.404 Auch Tanz und Gesang sind wichtiger Bestandteil im Kultgeschehen, besonders bei den Saliern und Arvalbrüdem. So begehen die Salier ihre alljährlichen Waffenumzüge mit archaischen Liedern, Weisen und Tänzen.405 G. WILLE wertet die Tanzformen und Lieder der Salier als „eines der urtümlichsten Überbleibsel früher römischer Kultmusik". Zahlreiche Reliefs mit Darstellungen sakraler Handlungen verdeutlichen die Wichtigkeit der dabei anwesenden Musiker. Jede Form von Opfer - sowohl Weinund Weihrauchspenden als auch Tieropfer - wird von Musik begleitet. Ihr Zweck besteht in ihrer apotropäischen Wirkung, in der Vorstellung von einer magischen Macht, die wohlgesonnene Geister herbeiruft und böse Dämonen vertreibt. Um dieses zu gewährleisten, muß die Musik ununterbrochen gespielt werden. Die Ausnahme bildet das Opfer im Totenkult406, das generell ohne Musik vollzogen wird, wäh-

401 Einen kurzen Überblick über die Musikinstrumente, die die Griechen im Kult benutzten und die teilweise auch bei vergleichbaren römischen Feierlichkeiten herangezogen wurden, bietet ein einführender Aufsatz von HALDANE 1966, 98 ff., des weiteren NORDQUIST 1992, 143-168. 402 Dies ist bereits in Untersuchungen zur Musik bei den Römern allgemein abgehandelt worden: QUASTEN 1930; WILLE 1967. Daneben siehe auch FLEISCHHAUER 1963, 6 Anm. 10 ff. 403 Hör. carm. 1, 36, 1 ff. 4 0 4 W I L L E 1 9 6 7 , 3 7 f.

405 Z u m Salierlied: Cie. orat. 3. 197; Varrò ling. 7, 3; Hör. epist. 2, 1, 86. — RE I A 2 (1920) 189Iff. — Illustriert ist der Tanz der Salier während des Waffenumzuges in einem Karneol des 3. Jhs. v. Chr. in Florenz, der zwei Priester zeigt, die über den Schultern die an eine Stange gehängten Schilde tragen; siehe auch FLEISCHHAUER 1963, 48 Abb. 21. 22; WILLE 1967, 43 ff. 4 0 6 WILLE 1967, 38.

4 Opfer- und Kultgeräte

104

rend musikalische Untermalungen bei Totenfeierlichkeiten im allgemeinen in Form von Klagegesängen oder instrumentaler Begleitung durchaus geläufig waren 407 .

4.6.1 D i e tibia

Das wichtigste Musikinstrument im Kult ist die tibia, die Flöte408, die bei Darstellungen von Opferzeremonien fast nie fehlt. Geprägt durch etruskischen Einfluß ist die Flöte das älteste und am weitesten verbreitete Musikinstrument des römischen Kultes. Vielfältig sind die Anlässe, zu denen die Flöte bei Opferhandlungen gespielt wurde; zu den großen politischen und staatlichen Ereignissen zählt z.B. die Koloniegründung Capuas, von der Cicero (leg. agr. 2, 34, 93) berichtet. Im privaten Hauskult, d.h. beim Larenkult oder dem des Genius familiaris ist die tibia ebenso vertreten, wie zahlreiche pompejanische Wandmalereien belegen. 409 Der Flötenspieler und sein Instrument sind zahlreich in der Literatur und der Kunst belegt und bilden einen festen Bestandteil bildlicher Opferdarstellungen, 410 wobei der Musiker meist hinter dem Altar oder unmittelbar neben diesem steht und im Profil oder frontal dargestellt sein kann.411 Man findet den Flötenspieler schon in republikanischer Zeit auf Opferreliefs wie z.B. auf dem sog. 'Domitius-Ahenobarbus-Altar' (J 1); hier steht der Spieler - in Seitenansicht - mit einer Doppel-í¿¿ró links neben dem Altar, noch hinter Mars, zu dessen Ehren das Opfer vollzogen wird.

407 WILLE 1967, 65 ff. 69 ff.

408 SysKat. 66 (tibia). 409 In einer Malerei einer Küche (Casa di Sutoria Primigenia, Reg. 113,2) sieht man den Genius selbst, wie er an einem Rundaltar das Opfer darbringt. Zu seiner Rechten steht Iuno, auf der linken Altarseite der Flötenspieler. An die Opferszene schließen sich rechts dreizehn Personen an, die als Mitglieder einer großen Familia, der Hausgemeinschaft, gedeutet werden können. — FRÖHLICH 1991, 261 Taf. 28, 1-2; PPM II, 876 ff. Abb. 23-27. — Weitere pompejansiche Beispiele für Flötenspieler bei Hausopfern: Pompeji, Herkunft unbekannt; 4. Stil, Neapel, Mus. N a z , I n v . 8 9 0 5 ; FLEISCHHAUER 1 9 6 3 , 6 0 A b b . 2 9 ; FRÖHLICH 1 9 9 1 , 2 9 2 K a t . L 9 8 T a f . 1 0 , 2 . —

Casa di Iulius Polybius (Reg. IX 13, 1-3); FRÖHLICH 1991, 298 Kat. L 109 Taf. 14, 2. — Casa dell'Efebo (Reg. I 7, 10-12); FRÖHLICH 1991, 251 Kat. L 5 Taf. 3, 1. 24, 1; PPM I, 624 f. Abb. 7 f. — Caupona (Reg. V 2,b/c); FRÖHLICH 1991, 267 Kat. L 44 Taf. 31,2. 410 Ein kurzer, prägnanter Überblick zur kunsthistorischen und ikonographischen Entwicklung der Darstellung von Flötenspielern bei Opferhandlungen findet sich bei FRÖHLICH 1991, 115 ff. Ausführlich zur ikonographischen Auswertung der Musiker siehe FLESS 1995, 79 ff. 411 Vgl. z.B. I 11 I Κ 10. — Cie. dom. 123; leg. 34, 93; Plin. nat. 22, 11; 28, 11.

4.6 Kultmusik und Musikinstrumente

105

Ein ebenfalls republikanisches Beispiel ist die Rundbasis für Hercules Invictus (J 2), auf der Musiker ebenfalls die heilige Handlung begleiten. Frontal dargestellt sind die Flötenspieler z.B. auf den beiden Larenaltären 111 und 115. Gerade bei staatlichen Opfern obliegt die musikalische Untermalung den Flötenbläsern. Aus ihnen heraus bildete sich im Laufe der Zeit das - epigraphisch gut belegte - collegium tibicinum Romanorum, qui sacris publicis praesto sunt.m Flötenspieler begegnen häufig im Zusammenhang mit Handlungen, die zum Totenkult gehören.413 Ein Beispiel alter, auch in Etrurien verbreiteter Tradition ist die von Frauen abgehaltene Totenklage, wie sie das mit der Totenaufbahrung vom Haterier-Grabmal (H 7c) zeigt. Dort sieht man zwei am Fußende des Lectus funebris sitzende Frauen, die die Nenia darbringen, das rhythmisch geformte Lied, das beim Begräbnis zu Flötenklängen gesungen wird.4'4

4.6.2 Die tuba und das cornu Neben der Flöte werden hauptsächlich die Trompete {tuba) und das Horn (cornu) in der römischen Kultmusik verwendet.415 Die tuba ist ein gerades Blechblasinstrument, das der salpinx416 verwandt ist. Es hat eine langgestreckte, konische Form und läuft zum Schalltrichter hin breiter aus. Die Verwendung von sog. 'Opfertrompeten' wird auf Numa zurückgeführt417, was darauf schließen läßt, daß dieses Instrument seit Beginn römischer Kultausübung in Gebrauch ist. Während die tibia sowohl bei großen Staatsopfem418 als auch

412 Die Kultmusiker waren Angestellte des öffentlichen Dienstes und setzten sich überwiegend aus Freigelassenen zusammen. — CIL 1.2 989; VI.l 240. 1054. VI.42 32449. — Vgl. auch WILLE 1967, 33 ff. 413 z.B. Aschenurne mit Pompa funebris und Opfer vor einem Grabmal; 2. Hälfte 2. Jh. v. Chr., L o n d o n , B r i t i s h M u s . ; SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 16 f. A b b . 11 ; FLEISCHHAUER 1 9 6 3 , 5 0 A b b . 23.

— Im Totenkult werden die Flötenspieler dann auch als siticen bezeichnet; MARQUARDT 1886, 3 5 1 A n m . 8; FLEISCHHAUER 1 9 6 3 , 5 4 . — V g l . SINN-FREYBERGER 1 9 9 6 , 4 8 m i t A n m . 3 0 .

414 Paul. Fest. 163 M. 155 L.: „NENIA est carmen, quod in funere laudandi gratia cantatur ad tibiam [ . . . ] ". — MARQUARDT 1 8 8 6 , 3 5 2 A n m . 3. 4 ; WILLE 1 9 6 7 , 6 5 f.

415 SysKat. 64 (cornus), 67 (tuba). 416 RE I A 2 (1920) 2009 f. s.v. Salpinx (Maux). 417 Calp. ecl. 1, 65, 67 ff. 418 Die Tubabläser bzw. Trompeter, die bei öffentlichen, staatlichen Kultfeierlichkeiten spielten, waren seit der Kaiserzeit den staatlichen Priestern gleichgestellt. — FLEISCHHAUER 1963, 62.

106

4 Opfer- und Kultgeräte

im kleineren Rahmen bei Familien- oder Hausopfern gespielt wird, ist der Einsatz der tuba ausschließlich auf die großen staatlichen Opferfeierlichkeiten beschränkt. Man findet Trompeter (tubicines) besonders auf Denkmälern, die Opfer dieser Art illustrieren, wie z.B. auf der Ara der Vicomagistri (114)419 mit der Darstellung einer Opferprozession zu Ehren des Genius Augusti. Vor drei Stieren, die dem Anlaß entsprechend geschmückt sind, marschieren drei Trompeter mit ihren erhobenen Instrumenten. Besonders bei den Suovetaurilien wird die Trompete verwendet. So gewinnt sie ihren Bezug zum Militärischen, denn in diesem Bereich hat sie ihren festen Platz, bedenkt man ihre ursprüngliche Verwendung als Signalinstrument. Beim Fest des Tubilustrium420, das zweimal im Jahr begangen wird (23. März, 23. Mai)421 werden die bei heiligen Handlungen benutzten Trompeten gereinigt, die am nächsten Tag zur Einberufung der Heeresversammlung gebraucht werden.422 Dieses zeigt das Suovetaurilienrelief vom Bogen des Marcus Aurelius (C 5a). In einer Szene vereinigt sind Prozession, Opfer und Lustratio exercitus dargestellt. Der beim Opfer blasende Trompeter ist allerdings kein gewöhnlicher Opferdiener, sondern ein mit dem Schienenpanzer bekleideter Soldat. Auch das Horn ist bei staatlichen Opfern in Gebrauch, die im Rahmen militärischer Aktivitäten stehen, denn es ist eigentlich das Signalhorn des römischen Heeres. Seine Verwendung im Zusammenhang mit Opfern des privaten Bereiches negieren die Bildquellen völlig. Dagegen ist es gleich mehrmals belegt in Szenen der Trajanssäule423, die Suovetaurilien im Zusammenhang mit der Lustratio exercitus zeigen. Es fällt schwer, das Horn als typisches Kultinstrument zu deuten, da man davon ausgehen kann, daß vorhandene Instrumente verwendet wurden, ohne daß ein konzeptueller Zusammenhang bestand.

419 FLEISCHHAUER 1963, 62 f. 420 RE VII A 1 (1939) 755 ff. s.v. Tubilustrium (Ehlers); RÜPKE 1995, 2 1 4 - 2 2 1 . 421 SCULLARD 1985, 146 f. 189 f. 422 V a n o ling. 6, 14: „dies tubilustrium appellator, quod eo die in Atrio Sutorio sacrorum tubae lustratui-"; Fast. Praenest.: Martius 23. Β X [Tubil(ustrium)], np [Feriae] Marti. Hie dies appellator ita quod in atrio Sutorio tubi lustrantur, quibus in sacris utuntur; vgl. Inscriptiones Italiae Academiae Italiae con sociatae ediderant XIII.2 (1963). Näheres siehe auch SCULLARD 1985, 146 f.; RÜPKE 1 9 9 5 , 2 1 4 - 2 2 1 . 423 COLONNA TRAIANA 188 (CII-CIII, 2 7 0 - 2 7 2 ) , 189 (CHI, 2 7 1 - 2 7 3 ) .

4.6 Kultmusik und Musikinstrumente

107

4.6.3 Die fidia Bei weitem seltener als alle vorangegangenen Musikinstrumente ist die fidia (Leier)424 in der Kultmusik der Römer anzutreffen, zumal sie ursprünglich nicht zum römischen Kult gehört hat, der zunächst auf Saiteninstrumente verzichten konnte. Mit der Übernahme des graecus ritus im 4. Jh. v. Chr. wurde die fidia schließlich Bestandteil der römischen sakralen Sphäre, wobei die Musiker ebenfalls mit einem eigenen Kollegium 425 vertreten waren. Hier liegen auch die Gründe dafür, daß die Leier verhältnismäßig selten auf Kultszenen abbildenden Denkmälern erscheint. Die fidia findet man insbesondere im Hercules-Kult, wie bereits die Rundbasis für Hercules Invictus (J 2) verdeutlicht, auch das Census-Relief der sog. 'Domitius-Ara' (J 1) zeigt einen Leierspieler. Häufig handelt es sich bei der Leier um einen hölzernen, schalenförmigen Schallkörper, von dessen Jocharmen aus die einzelnen Saiten zum Körper gespannt werden.

424 SysKat. 65 {fidia). 425 Diesen Zusammenschluß sakraler Musiker belegt eine Inschrift aus dem Jahr 102 n. Chr.: CIL VI.l 2192.

4 Opfer- und Kultgeräte

108

4.7 Sonstige im Opferkult gebräuchliche Geräte

4.7.1 Das mantele Ein Gegenstand, der im eigentlichen Sinne weder Kult- noch Opfergerät ist, aber mit opfervorbereitenden Maßnahmen in Verbindung steht, ist das in der Forschung als 'mappa ' oder 'mantele 1426 bezeichnete Handtuch. 'Mappa ' ist die ältere der beiden Formen und meint eher eine Serviette als ein Handtuch427 und wird auch nicht im Zusammenhang mit Opferhandlungen erwähnt. Im Kommentar des Servius zur Aeneis wird deutlich, daß die mappa ein Tuch für den Alltagsgebrauch (Serv. Aen. 1,107) und im Circus ist, das mantele dagegen ausschließlich für den sakralen Gebrauch (Serv. Aen. 12, 169) bestimmt ist. Für das bei Opferhandlungen verwendete Handtuch sollte daher der Begriff mantele benutzt werden. Es handelt sich um ein mit Fransen versehenes oder zottiges (villis) m Leinentuch (mit angerauhter Oberfläche). In der Malerei finden sich Hinweise auf seine farbliche Gestaltung.429 Das mantele ist im Opferzusammenhang von der Person des jugendlichen Opferdieners nicht zu trennen. Gemeinsam mit dem Waschservice (Kanne und Schale) ist es unmittelbar mit ihm verbunden. Er reicht dem Opfernden das Tuch zum Abtrocknen der Hände nach der rituellen Handwaschung. Das Tuch gehört demnach zur funktionalen Ausstattung des Opferdieners, ohne direktes Attribut oder gar Trachtbestandteil zu sein430 (z.B. I 7; vgl. auch Abb. 3; Taf. 9a\ Κ 14).

426 SysKat. 69 (mantele / mappa). 427 Quint, inst. 1, 5, 57; Mart. 7, 72, 2; 10, 87, 6. 428 Ον. fast. 4, 933; Verg. georg. 4, 377. 429 Als Beispiel sei das Tuch aus der Malerei eines Zwischensockels im Triclinium der Casa dei Ceii, Pompeji (Reg. 16, 15) angeführt. Die Darstellung zeigt über einem Waschgefäß (luterion) ein weißes mit Fransen versehenes Tuch, das oberhalb der Fransen drei rote Streifen hat. Wenn auch hier direkt keinerlei Hinweise auf eine Opferhandlung vorliegen, sondern die Deutung der Gegenstände eher in Richtung Satumaliengeschenke geht, mag doch die Verbindung mit dem Waschbecken zu der Annahme berechtigen, daß uns hier ein Handtuch in der Art des mantele vorliegt; 3. Stil (claudisch, 50 n. Chr.) PPM 1,446 Abb. 58; Riz 1990, 95 Nr. 189 Taf. 53, 3. — Zu den Saturnalien(-geschenken): Mart. 5, 18, 1. - RE II A 1 (1921) 204 f. Saturnalia (Nilsson); LATTE 1 9 6 0 , 2 5 4 f f .

430 Vgl. SCHAEWEN 1940, 65 f., die das Handtuch zur Insigne bzw. zum Trachtbestandteil des jugendlichen Opferdieners erklärt.

4.7 Sonstige im Opferkult gebräuchliche Geräte

109

Zahlreiche Reliefszenen belegen nicht nur die Zugehörigkeit des mantele zum Opferdiener, sondern lassen Rückschlüsse auf Trageweise und Aussehen zu. So wird es - vor oder nach der Handwaschung - über dem Arm oder auch über der Schulter getragen; über den Arm gelegt hat es der Opferdiener des Nordfrieses (12b) und des kleinen Frieses der Ara Pacis Augustae (12d), über der Schulter der eines Weihereliefs (Aa 3), des Aeneas-Reliefs (I 2a) und des Vespasian-Altars (I 7). Nicht verwechselt werden darf das mantele mit ähnlich aussehenden, fransenbehangenen Tüchern, die ebenfalls mit dem Kultpersonal in enger Beziehung stehen. Bei diesem ricinium431 handelt es sich um ein zur Kleidung gehörendes Tuch, das sowohl fiir die Arvalbrüder432 als auch für die jugendlichen Opferdiener überliefert ist. Die Larenstatuettenträger der Ara der Vicomagistri (I 14) verhüllen ihr Haupt mit einem solchen Tuch. Der kleine Tunicatus auf dem Nordfries der Ara Pacis (12b) benutzt das ricinium nicht zur Verhüllung des Kopfes, sondern hat es über der Schulter liegen.433 Im Gegensatz zu den an der Ara Pacis dargestellten mantela verlaufen die Fransen bei dem als ricinium gedeuteten Tuch nur als breiter Streifen um die Saumkanten, während bei den mantela das ganze Tuch eine flauschige, fransige Oberfläche besitzt. Dagegen spricht jedoch, daß das Tuch des jugendlichen Opferdieners mit Kanne und Griffschale von der Hauptseite des Vespasian-Altares (I 7) scheinbar auch nur am Rand von Fransen gesäumt ist und nur dadurch, daß es wie zusammengelegt wirkt, der Eindruck einer angerauhten Oberfläche hervorgerufen wird. Ebenso hat das mantele eines Opferdieners auf einem Relief im Thermenmuseum eine glatte Oberfläche und keine Fransen am Rand.434 Auch als Element dekorativer Friese ist das mantele zu finden, wie z.B. auf den Friesen aus dem Louvre (G 4) und von der Porticus Octaviae (F 1, Frgt. 100). In beiden Fällen hängt das mantele säuberlich über einem Stab. Beide Tücher zeigen die zottige Oberflächenstruktur; an dem mantele des Porticus-Frieses sind darüber hinaus noch deutlich Saumfransen zu erkennen. Noch plastischer dargestellt ist der zot-

431 DAREMBERG-SAGLIO IV.2 (1911) 5868 s.v. Rica, Ricinium (Pottier); RE I A 1 (1914) 799 f. s.v. Ricinium (Hug). 432 HENZEN 1874, 38; SCOTT RYBERG 1955, 77; FLESS 1995, 53. 433 FLESS 1995, 51; KOEPPEL 1987, 137 Nr. 38. 434 Rom, Mus. Naz., Inv. 489. — FLESS 1995, 104 Kat. 7.

110

4 Opfer- und Kultgeräte

tige, angerauhte Stoff des Tuches auf der linken Nebenseite des Vespasian-Altares (17; Abb. 3; Taf. 9a) oder bei dem über dem Arm hängenden Exemplar des Camillus vom Prozessionsfries der Ara Pacis Augustae (12b). Die Unverzichtbarkeit von Gegenständen mit lustrativem Charakter wie das Handtuch (vgl. auch aspergillum) bei Opferhandlungen wird so wieder einmal deutlich, wenn man die Vielzahl seiner Abbildungen betrachtet.

4.7.2 Das aspergillum Nur durch seine Abbildungen im dekorativen Zusammenhang, d.h. auf Opfergerätfriesen oder als vereinzeltes Versatzstück, ist der Wedel (aspergillum) bekannt. 435 Da Angaben zum Weihwedel in den Quellen fehlen, stellt die Benennung mit dem mittellateinischen 'aspergillum ' eine Art Hilfsbenennung fur dieses Gerät dar. Das Wort wird abgeleitet von 'aspersio' (Besprengung). Die Quellen nennen, wenn sie von Besprengungen sprechen, Lorbeer- oder Olivenzweige, die als Grundformen des Wedels zu betrachten sind. Die Vielfalt der Darstellungen beweist aber die Notwendigkeit des aspergillum als Kultrequisite. Die Wedel sind in zweierlei Form gestaltet. Einerseits kann der Schaft wie ein Rinderhuf 436 gebildet sein. Während sich in anatomischer Hinsicht alle Beispiele ähneln, bestehen in der Gestaltung des Übergangs vom Schaft zum eigentlichen Wedel Unterschiede. Das aspergillum auf dem Altar in Oderzo (I 19; Abb. 2) erweitert sich leicht trichterförmig nach oben und ist scharf gegen den Wedel abgesetzt, ebenso wie auf einer Altarbekrönung (I 38), einer kleinen Basis Rom, Thermenmuseum (J 3; Taf. IIb) sowie auf dem Fries des sog. Tempio delle Corporazioni in Ostia (D 8; Taf. 6). Vergleichbar ist auch das Beispiel auf dem Opfergerätfries im Louvre (G 4); doch hier ist das Schaftende mit einer in Bögen geformten Manschette umgeben. Bei folgenden Beispielen dagegen leitet der Pferdeschweif völlig übergangslos in den Schaft über: auf dem Fries des sog. Sonnen-Tempels des Aurelian

435 SysKat. 68 (aspergillum). 436

deutet die 'anatomisch' gebildeten aspergillum-Gnfte als Ziegenbeine. Das ist nicht richtig. Auch seine Verweise auf S C H A E W E N 1 9 4 0 , 4 5 f. Taf. 2 , 2 ; 7 , 4 . ; 8 , 2 bestätigen seine Angaben nicht, da S C H A E W E N sich keineswegs zu 'Ziegenbeinen' äußert und außerdem die angeführten Tafel-Beispiele entweder Rinderhufe oder schlichte Griffe zeigen.

WREDE 1983, 195

4.7 Sonstige im Opferkult gebräuchliche Geräte

111

(D 10), dem Deckelfries des sog. 'Priestersarkophages' im Vatikan (K 5) und dem Zwischenrelief vom Argentarier-Bogen (E 6a). Andererseits kann der Schaft auch schlicht, d.h. nicht hufförmig gestaltet sein. Das prägnanteste Beispiel für diesen Typ zeigt ein kleiner Opfergerätfries Rom, Thermenmuseum (H 4; Taf. 7c); das Exemplar wirkt in seiner gesamten gestalterischen Form eher 'nüchtern'. Der Wedel selbst besteht aus einem verhältnismäßig langen und schmalen Griff, der sich nach oben hin leicht verbreitert. Ohne jeden Übergang entwickelt sich hieraus der eigentliche Wedel, der in einer stark stilisierten Weise wiedergegeben ist und keinerlei Ähnlichkeit mit einem Pferdeschweif aufweist. Ebenso einfach geformt ist der Griff des Wedels von einem Weihealtar aus Mainz (Gg 10). Die Griffe anderer aspergilla sind dagegen etwas aufwendiger gehalten. Meist besitzen sie Profilringe, die sich häufig am Übergang zwischen Schaft und Wedel befinden und so das Griffende untergliedern. Die beiden Beispiele vom Fries der Porticus Octaviae (F 1, Frgt. 100; 104) grenzen sich vom Wedel durch solch einen schmalen Ring ab und besitzen zusätzlich am unteren Ende des Griffs jeweils eine kleine Schlaufe. Ebenfalls mit einer Schlaufe versehen ist das aspergillum auf einem Friesfragment vom Provinzialforum in Tarragona (Dd 2; Abb. 4). Sein Griff ist detailreich durch lanzettförmige Ornamente im oberen Bereich verziert bzw. durch Profilringe oben und unten sowie in der Mitte untergliedert. Von seiner Form her erinnert dieser Griff an eine Fackel, ebenso wie der des aspergillum eines bronzenen Altarbeschlags (Gg 9). Dieser verbreitert sich nach oben hin ein wenig und ist durch

Abb. 4: aspergillum. Friesausschnitt. Tarragona (Dd 2)

zwei Ringe in gleichmäßige Abschnitte untergliedert; zum Wedel selbst grenzt er sich ebenfalls durch einen solchen Ring ab. Der aspergillum-Gúñ vom Fries des Vespasian-Tempels im Tabularium (D 2b; Taf. 5) kann nicht in die Untersuchung einbezogen werden, da dieser ergänzt ist und auch durch sein Gegenstück auf dem am Tempel selbst in situ ver-

bliebenen Gebälkfries nicht rekonstruiert werden kann. Bisher ist nur eine einzige Abbildung eines aspergillum im szenischen Zusammenhang bekannt: das des Prozessionsfrieses vom Apollo-Sosianus-Tempel (D 1 ).

112

4 Opfer- und Kultgeräte

Der Victimarius437 hält es in der rechten Hand, wobei der eigentliche Wedel seitlich zwischen ihm und dem rechts neben ihm stehenden tuba-JSläser herabfällt. Bereits D. FACENNA438 hat dieses Gerät als Wedel ansprechen wollen, hat jedoch einschränkend hinzugefugt, daß es sich aufgrund der ungenauen Darstellungsweise ebenso gut um einen culter handeln könnte, wie ihn zwei andere Opferschlächter dieses Frieses in den Händen halten. Dies möchte ich aus zwei Gründen ablehnen: Erstens sind die cultri dieser Opferdiener sehr eindeutig gearbeitet und daher als solche klar erkennbar, und zweitens werden sie so gehalten, daß die Klinge nach hinten zeigt.439 Der Diener mit dem vermeintlichen Messer hielte es (das durch eine Falte auf dem Schurz als dreieckiges Gebilde zu deuten wäre) mit der Klinge nach vorn. Gebraucht werden der Wedel und die ihm verwandten Geräte (z.B. Zweige) zu Lustrationszwecken u.a. bei der Consecratio des neuen Tempels auf dem Capitol, dessen Bauplatz beispielsweise die Vestalinnen mit Wasser besprengen (Tac. hist. 4, 53): „dein virgines Vestales cumpuerispuellisquepatrimis matrimisque aqua e fontibus omnibusque haustaperluere." Obwohl Tacitus an dieser Stelle das Gerät zum Sprengen nicht ausdrücklich nennt, kann davon ausgegangen werden, daß hierfür ein wedelähnlicher Gegenstand verwendet wurde. Auch bei der Lustration, wo ebenfalls im Rahmen kultischer Reinheit Weihwasser versprengt wird, ist ein solcher vorauszusetzen. Das Benetzen oder Besprengen von Kopf und Kleidung spielte ebenfalls eine außerordentliche Rolle, wie z.B. vor Betreten eines Heiligtums (Ov. met. 1, 371-373). Als Vorbereitung auf das Opfer besprengte man sein Haupt (Ov.fast. 4, 55) und seinen Körper (Verg. Aen. 4, 635) mit Wasser. Wie die bei Lustrationen verwendeten Wedel ausgesehen haben und verwendet wurden, verdeutlicht das Suovetaurilium der sog. 'Domitius-Ara' (J 1; Taf. 12). Der hinter dem Stier schreitende Opferdiener hält zwei Zweige in den Händen, wobei er mit dem rechten Arm eine Bewegung vollzieht, die auf die Besprengung des Opferstieres hindeutet. Ebenso ist auch der Opferschlächter440 des kleinen Opferzuges der Ara Pacis (I 2d) zu deuten. Einen ähnlichen Zweig hält ein lorbeerbekränzter Mann auf der Trajanssäule in der Hand (F 6, Szene CH). Auch hier ist ein Reinigungsritus,

437 Es handelt sich hier um die von KOEPPEL 1989, 35 mit Nr. 12 bezeichnete Figur. 4 3 8 FACENNA 1 9 5 4 , 2 8 .

439 Opferschlächter Nr. 14 und 16 nach KOEPPEL 1989, 35. 440 Nr. 5 nach KOEPPEL 1988, 139.

4.7 Sonstige im Opferkult gebräuchliche Geräte

113

die Lustratio exercitus, dargestellt. Obwohl der Mann nicht in Ausübung einer konkreten rituellen Handlung gezeigt ist, deutet das Gefäß in seiner linken Hand auf Weihwasser hin, das er mit Hilfe des Zweiges versprengen wird.441 Völlig abwegig erscheint dagegen der Gebrauch des Wedels als 'Fliegenklatsche' (flabellum), mit der bei Tieropfern die sich ansammelnden Fliegen verscheucht werden.442 Wäre dies der Fall, so könnte man in den Darstellungen einen weiteren Opferdiener erwarten, der dieses Gerät in der Hand hielte. Diese Kombination entspräche dann der des jugendlichen Opferdieners mit dem Waschgeschirr, dessen Tätigkeit für die gesamte Opferhandlung von immenser Wichtigkeit ist, und müßte ebenso durch die Person des Dieners - gleichsam als pars pro toto - angedeutet werden. Ferner müßten sich in diesem Falle in der Literatur Hinweise auf einen derartigen Gebrauch des Wedels finden. Zudem widerspricht dieser profane Einsatz des Wedels der Würde des Ritus. Er dürfte dann auch nicht als dekoratives Element in Friesen oder gar auf Altären erscheinen. Denn durch die Abbildung auf diesen Denkmälern wird dem aspergillum bereits seine herausragende kultische Stellung zuerkannt. Auffallig ist die Form des Wedels, die im Bildbestand neben der schlichten Gestaltung des Schaftes sehr häufig als Rinderhuf mit Pferdeschweif wiedergegeben ist. Sucht man in der römischen Religionsgeschichte nach möglichen Hinweisen für dieses Phänomen, so bietet die Opferung des sog. 'Oktoberrosses' einen möglichen Erklärungsansatz für den Pferdeschweif. Die folgenden Ausführungen mögen als Erklärungsvorschlag betrachtet werden, ohne daß sie konkret belegbar sind: Zu den alten Riten der Römer gehörte ein Fest, das an den Iden des Oktober zu Ehren des Mars mit einem Wagenrennen gefeiert wurde.443 Nach Abschluß des Rennens opferte der Flamen Martialis dem Mars das rechte Pferd des siegreichen Zweispänners.444

441

S o a u c h g e d e u t e t v o n SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 1 1 0 m i t A n m . 2 3 A b b . 5 7 u n d FLESS 1 9 9 5 , 2 4 .

442 Vgl. HAYNES-HIRST 1939, 36. — Z u m f l a b e l l u m in spätantik-christlicher Verwendung im Rahmen kultischer Handlungen: RAC 7 (1969) 226 ff. s.v. Fächer (Diez); RBK V (1993) 736 f. s.v. Liturgische Geräte (v. Elbern) zum Verscheuchen von Insekten von den Opfergaben auf dem Altar. 4 4 3 WISSOWA 1 9 0 2 , 1 3 1 ff. 3 8 2 f.; LATTE 1 9 6 0 , 1 1 9 f.; SCULLARD 1 9 8 5 , 2 7 1 ff.

444 Man nimmt an, daß das Pferd durch einen Speerwurf getötet wurde. RADKE 1990, 343 ff. schränkt diese Annahme dahingehend ein, daß durch diese Form der Tötung die Gefahr für den Wagenlenker zu groß gewesen wäre. Daher ist eher anzunehmen, daß man ein am Krieg beteiligtes Pferd - das sühnender Reinigung bedurfte - angetrieben und in schnellem Lauf getötet hat.

114

4 Opfer- und Kultgeräte

Kopf und Schweif des Tieres wurden vom Rumpf abgetrennt. Während die Einwohner der Subura und der Via Sacra einen Kampf um den Kopf veranstalteten, wurde der noch blutende Schwanz zur Regia gebracht, damit das Blut auf den Staatsherd tropfen konnte. Darüber hinaus bewahrten die Vestalinnen das Blut des Pferdes auf. Ursprung und Bedeutung dieses Ritus liegen noch immer im Unklaren. Einerseits wird er mit landwirtschaftlichen Beweggründen in Verbindung gebracht, wobei das Pferd als Opfer für ertragreiche Ernte galt.445 Andererseits mag er mit den Sühneriten nach kriegerischen Auseinandersetzungen in Zusammenhang stehen, wie auch die Suovetaurilien, beispielsweise beim Armilustrium am 19. Oktober, solchen zuzuordnen sind. Wie können diese beiden derart unterschiedlichen Gesichtspunkte zur Erklärung des Pferdeschweifes als Wedel herangezogen werden? In einer ausführlichen Untersuchung ist H. WAGENVOORT446 der Bedeutung des Schwanzes im allgemeinen nachgegangen und mißt dem von ihm so bezeichneten 'Schwanzkult' eine starke Bedeutung zu; seiner Ansicht nach ist diese kultische Bedeutung nicht nur auf die Riten im Zusammenhang mit dem Oktoberroß beschränkt. So sieht er gewisse Parallelen in dem korntragenden Schwanz des Stieres im Mithras-Kult und der Verehrung eines thrakischen Reitergottes. Einige Forscher sehen im Schweif des Oktoberrosses eine Form der Fruchtbarkeitsmagie; H. WAGENVOORT formuliert vorsichtig, daß dieser im Zusammenhang mit der Kornernte steht.447 Daneben legt er auch die besondere Stellung des Pferdes als Personifikation der Kraft dar.448 Besonders im Griechenland der Frühzeit (seit dem 12. Jh. v. Chr.) ist der Glaube an diese Eigenschaft vom ursprünglich in dieser Hinsicht verehrten Stier auf das Pferd übergegangen und erst sehr viel später von den Griechen und Römern übernommen worden. Laut H. WAGENVOORT „[...] war es vor allem [...] das Pferd - vielleicht mit einem Gott identisch - das Vermögen besaß, Fruchtbarkeit und Kraft zu fördern. Dieses Vermö-

445 Fest. 220 M. 246 L.: „[...] id sacrificium fiebat ob frugum

eventum".

4 4 6 WAGENVOORT 1 9 6 2 , 2 7 3 ff. 4 4 7 WAGENVOORT 1 9 6 2 , 2 7 6 .

448 Daß das Pferd schon immer eine besondere Stellung innegehabt hat, zeigt sich besonders in der Verwendung des Schweifes als Helmbusch der Krieger; auch im mythischen Bereich, bei der Darstellung von Satyrn, die häufig mit diesem ausgestattet sind, findet sich die scheinbare Anlehnung an die von Pferden ausgehende Kraft. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang die allgemeine religiöse Bedeutung des Pferdes als numinoses Wesen.

4.7 Sonstige im Opferkult gebräuchliche Geräte

115

gen konzentrierte sich besonders im Schwanz, der gewissermaßen mit dem Phallos gleichgesetzt wurde." 449 Bei der Erklärung des rinderhuf- und schweifförmigen Wedels im Kult der Römer mögen diese Erläuterungen helfen. Möglicherweise spielen in der Ausprägung dieser speziellen Wedelform zwei Punkte eine Rolle. In der lustrativen Opferung eines an Kriegshandlungen beteiligten Pferdes und dem Verbringen des Schwanzes in die Regia, wo sein Blut auf den Staatsherd tropft, liegt eine Ambivalenz: festzuhalten ist, daß das aspergillum ein Kultgegenstand für reinigende - lustrale Zwecke ist. Es hat sich in der vorliegenden Form aus dem uralten Glauben an Kraft und Fruchtbarkeit, die dem Pferdeschwanz innewohnt, entwickelt. Darüber hinaus besteht anscheinend eine enge Beziehung zum eigentlichen Grund der Opferung des Tieres, nämlich die Reinigung von Vergehen. So verwundert es kaum, wenn das Blut, das den Staatsherd benetzte, den Segen für den Staat vermehren sollte, gleichzeitig aber auch der Pferdeschweif zu lustralen Zwecken verwendet wurde. Die Schaftform, die einem Rinderbein oder -huf entlehnt ist, sollte ihrerseits, wie beispielsweise auch das Bukranium, an das Rind als wichtigstes Opfertier im Staatskult erinnern.

4.7.3 Die napurae Seile aus Hanf oder Stroh, die napurae450, wurden zur Vorbereitung von Opfern verwendet und dienten nach Aussage des Festus (165 M. 160 L.; 169 M. 168 L.) zum Heranfuhren der zum Opfer bestimmten Tiere, insbesondere der Schweine. Daß solche Seile als Hilfsmittel 451 Verwendung fanden, ist auch dann nichts Besonderes, wenn der Idealfall das freiwillige, ungefuhrte Laufen 452 des Tieres zum Opferplatz verlangte.

4 4 9 WAGENVOORT 1 9 6 2 , 2 8 7 ; vgl. a u c h BURKERT 1 9 7 2 , 8 1 .

450 SysKat. 70 (napura). 451 Darüber hinaus fanden Stäbe zum Abtreiben der Rinder Verwendung, FLESS 1995, 70 ff. 452 Liv. 21, 63, 13; Lucan. 7, 165-167; Fest. 286 L. 287 L.: s.v. piacularia 1 8 3 ; M a c r . Sat.

3 , 5 , 8 ; S e r v . Aeri.

auspicia-, Plin. nat. 8,

2, 1 4 0 ; 9 , 6 2 4 . — W I S S O W A 1 9 0 2 , 3 5 1 ; L A T T E 1 9 6 0 , 3 8 6 . —

Das Mosaik aus dem Pronaos der sog. Caserma die Vigili, Ostia (N 1 ) beweist, daß das freiwillige Antreten der Tiere nur eine ideale Wunschvorstellung gewesen ist, denn die Stiere werden von Opferdienern mit Stäben an den Altar getrieben.

4 Opfer- und Kultgeräte

116

Weil jedoch Festus ausdrücklich Pontífices minores als Hersteller dieser Seile erwähnt und diese Glossen wohl als Zitate aus Pontifikalbiichem zu verstehen sind453, haftet ihnen der Charakter eines Kultgerätes an. Doch darf dies trotz allem nicht überbewertet werden. Im Bildbestand sind diese Seile nicht eindeutig nachweisbar. Lediglich das sog. 'Zwei-Stier-Relief (A 18) zeigte einst ein Seil, das durch den Nasenring eines Stieres gezogen war, wie eine Zeichnung im Codex Vaticanus Latinus454 bezeugt; am Relief selbst ist es heute nicht mehr nachweisbar.455 Da die napurae ausschließlich im Zusammenhang mit Schweinen erwähnt werden, bleibt jedoch zu fragen, ob es sich in diesem Fall tatsächlich um die besagten Seile handelt.

kr-σ Abb. 5: Fries aus Capua. Neapel, Mus. Naz. (F 2)

4 5 3 R O H D E 1 9 3 6 , 5 2 f.

454 Nr. 3439, fol. 85 Α. 4 5 5 TORTORELLA 1 9 8 9 , 2 5 9 A b b . 4 .

5 Priestergeräte und Insignien

Die isoliert abgebildeten Opfer- und Kultgeräte, also diejenigen, die losgelöst von jeder Form szenischem Zusammenhangs erscheinen, zeigen einen Teil der priesterlichen Tracht. Im Rahmen einer Behandlung römischer Opfer- und Kultgeräte nehmen solche als 'Priestergeräte' zu bezeichnenden Gegenstände eine Sonderstellung ein. Ihre Definition läßt sich nicht auf einen klar umrissenen Begriff einengen. Vielmehr umfaßt er mehrere Gesichtspunkte, die zunächst darzulegen sind: Priesterliche Geräte sind im Sinne der Definition1 'Kultgeräte'; sie werden beim Opferritual gebraucht, finden aber auch anderweitig Verwendung. Ihre Besonderheit besteht darin, daß sie unmittelbar mit dem priesterlichen Personenkreis verbunden sind, wobei die Verbundenheit durch verschiedene Merkmale zum Ausdruck gebracht wird: 'Tracht-Zeichen' • Trachtbestandteile, die mit einem Priesteramt in Verbindung gebracht werden, die nur dieses eine Amt auszeichnen und somit zum unverwechselbaren Kennzeichen werden, werden 'Tracht-Zeichen' genannt. ' Insignien-Zeichen' • sind im Sinne der Definition Opfer- und Kultgeräte. Sie entwickeln sich aufgrund ihrer engen Verbundenheit mit den jeweiligen Priestern, die diese Geräte im Kult verwenden. Dies bedeutet, daß bestimmte Opfer- und Kultgeräte gleichzeitig auch Priestergeräte sein können. Allen Gegenständen ist gemeinsam, daß sie, wenn sie losgelöst aus dem szenischen Zusammenhang erscheinen, einen zeichen- und monogrammhaften Charakter annehmen und als Bildchiffre dienen.

1 Zur Definition siehe Kap. 1, S. 2.

5 Priestergeräte und Insignien

118

5.1 Die 'Tracht-Zeichen' Z u d e n 'Tracht-Zeichen' zählen in erster Linie die K o p f b e d e c k u n g e n 2 ; dies m a g darin begründet sein, daß d i e s e eher z u attributiven Z e i c h e n w e r d e n k o n n t e n als die Oberbekleidung, z u m e i s t die T o g a 3 , die in der R e g e l fiir alle Priesterschaften g l e i c h war.

5.1.1 D e r

galerus

Z u d e n als 'Tracht-Zeichen' z u charakterisierenden Insignien gehört der galerus,

die

a l l g e m e i n als Priestermütze b e k a n n t e K a p p e . 4 Form, A u s s e h e n und Material d e s galerus

sind durch die Q u e l l e n hinreichend be-

schrieben und gesichert und w e r d e n durch das a r c h ä o l o g i s c h e Bildmaterial bestätigt und ergänzt. D e r galerus

ist i m B e s o n d e r e n v o n den P o n t í f i c e s und den F l a m i n e s be-

kannt, w o b e i in der b i l d l i c h e n Ü b e r l i e f e r u n g in der R e g e l nur d i e F l a m i n e s m i t dieser K o p f b e d e c k u n g erkennbar sind (s.u.). Darüber hinaus ist er aber a u c h für die

2

Mit dem Phänomen der rituellen Hauptverhüllung bei Kult- und Opferhandlungen haben sich verschiedentlich Autoren auseinandergesetzt. Besonders hervorzuheben ist die Arbeit von H. FREIER 1965. Ausgehend von den Schriftquellen - einer minutiösen Quellenauswertung - wird hier ein fundierter Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten und Anlässe der Hauptverhüllung bei den Römern vermittelt; darüber hinaus nimmt ein Kapitel zur Problematik der verschiedenen Kopfbedeckungen im priesterlich-sakralen Bereich einen breiten Raum ein. Mit Vergleichen aus der Archäologie, gerade im Hinblick auf die Priester und deren Tracht, liefert FREIER durch die Kombination von schriftlichen und archäologischen Quellen aufschlußreiche Ergebnisse, die eine breitgefächerte Grundlage für weitere Untersuchungen bilden.

3

Die Besprechung der priesterlichen Kleidung allgemein würde an dieser Stelle über den Rahmen der Arbeit hinausgreifen. Sie bedarf einer eigenen Untersuchung, die hier nicht geleistet werden kann. — Für einen Überblick zu diesem Komplex siehe: LATTE 1960, 404; GOETTE 1990, 7 f.

4

Mit dieser Kopfbedeckung hat sich die Forschung nur am Rande auseinandergesetzt. Allein die Dissertation von F. DICK 1973 verspricht eine besonders genaue Analyse der vorliegenden Problematik. Einerseits werden erstmalig die bis dahin bekannte Sekundärliteratur und teilweise auch die Quellen zusammengetragen. In der Betrachtung des angeführten archäologischen Materials fallt die Auswertung allerdings nüchtern aus, da eine intensive Auseinandersetzung mit dem Material und damit einhergehend eine interpretatorische Analyse fehlen. Es werden bekannte Forschungsmeinungen referiert und hintereinandergestellt, ohne jedoch eine konkrete Auswertung zu bieten, wie sie von einer archäologisch ausgerichteten Untersuchung dieser Art zu erwarten wäre.

5.1. Die Trachtzeichen

119

Salier 5 und möglicherweise fiir die Haruspices 6 überliefert. Eine enganliegende Kappe bildet die Grundform der Priestermütze, die mit Bändern (offendices 7 ) unter dem Kinn gehalten wurde. Daneben konnte sie auch gesondert gearbeitete Aussparungen fiir die Ohren aufweisen. Besonders anschaulich wird die Form des galerus bei dem Flamen-Porträt aus der Villa die Papiri (C 2) vor Augen geführt. Die Kappe liegt sehr eng am Kopf an, läßt aber durch halbrunde Aussparungen die Ohren frei. Jeweils an den Außenspitzen dieser freien Stelle waren die Kinnbänder gesondert angesetzt, die jedoch heute ebenso fehlen wie der apex, dessen Einlaßloch auf dem Kopf zu erkennen ist. Hinsichtlich der Form dem Beispiel aus der Villa die Papiri ähnlich, aber aufgrund nachlässiger Arbeit unproportioniert wirkend, ist der galerus eines weiteren Flamen-Porträts (C 5) aus antoninischer Zeit im Vatikan. In diesem Fall kann man nicht mehr von einer enganliegenden Kappe sprechen, da sie viel zu klein ist und nur locker auf dem Kopf sitzt. Sie besitzt aber ebenfalls Ohrenausschnitte, an deren Ecken die Kinnbänder angesetzt sind. Neben jenen Beispielen, die die Stirn frei lassen, indem der Kappenrand einen geraden Abschluß bildet, gibt es auch Exemplare, die bogenförmig in die Stirn gezogen sind. Dies findet sich, neben den Ohrenausschnitten, bei den galeri der Friesfragmente von der Porticus Octaviae (F 1, Frgt. 100; 104), der Ara Pad s (I 2b; Abb. 6) sowie denen des Vespasian- und des Minerva-

Abb. 6: Flamines mit galeri. Ara Pads Augusti (12b)

Tempels (D 2. 5; Taf. 5; 14). Auch der zunächst ausgefranst oder gezackt wirkende Rand des galerus auf einer der Pantheon-Platten (D 7) scheint diese Merkmale anzudeuten.

5

Paul. Fest. 329 M. 439 L. — Der setzt an dieser Stelle allerdings apex mit galerus gleich.

6

KÖRTE 1917, 17 ff. führt mehrere Haruspex-Statuetten an, die Kopfbedeckungen in Form kappenartiger, den galeri ähnlichen Formen, teilweise mit apex versehen, tragen.

7

Fest. 205 M. 222 L.; Paul. Fest. 204 M. 223 L. — ROHDE 1936, 160.

120

5 Priestergeräte und Insignien

Statt der Ohrenaussparungen konnten aber auch Backenlaschen zur Befestigung der Kinnbänder dienen, die über oder auf den Ohren saßen und anscheinend gesondert an der Kappe angesetzt waren (F 2, Abb. 5; E 5). Verschiedentlich sind die Kappen auch verziert. Ob das Dekor auch auf realen Kappen vorhanden gewesen ist, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden; die Schriftquellen, die als einzige Anhaltspunkte hierzu liefern könnten, äußern sich zu diesem Aspekt nicht. Aber man wird davon ausgehen können, daß in Einzelfállen Verzierungen vorhanden gewesen sind. Die bildlich überlieferten galeri mit Schmuckdekor finden sich einmal mehr auf dem Prozessionsrelief der Ara Pacis (I 2b; Abb. 6). Hier befinden sich in den Zwickeln zwischen der Stirnpartie und dem Ansatz der Backenlaschen Palmetten, realiter vielleicht als Lederapplikationen oder als dünne Bronzetreibarbeiten. Die Kappen auf den Friesen des Vespasian- und des Minerva-Tempels zeigen Lorbeerzweige, diejenigen des Vespasian-Tempels zusätzlich noch geflügelte Blitze. Kann man die Palmetten der Mützen von der Ara Pacis einfach als Schmuckelemente interpretieren, lassen die der beiden Tempelfriese eine weitergehende inhaltliche Deutung zu. Der Lorbeer mag als Zeichen der lustralen Weihung und Reinheit gelten, die dem Flamen anhaftete; die Blitze, als Symbol Iuppiters, nehmen direkten Bezug auf die enge Verbundenheit und das Amt der Flamines Dialis im Kult des höchsten römischen Gottes. Über das Material der Kappen erfahren wir nur aus den Quellen; demnach wurden sie aus dem Fell oder gegerbten Leder eines Opfertieres hergestellt. 8 Eines Opfertieres deshalb, so S. EITREM, „weil das Fell und die Wolle eines Opfertieres doppelt kräftig wegen der vorhergehenden rituellen Reinigung des Tieres ist."9 Für die Struktur einer behaarten Oberfläche, die auf Fell hindeuten würde, finden sich im archäologischen Quellenmaterial allerdings keine Belege. 10

8

Nach ROHDE 1936, 156 rührt diese Vorschrift daher, daß es für den Flamen Dialis in Rom einst üblich war, die gesamte Haut eines Tieres überzustreifen, um sich dessen Kraft zu bemächtigen. Zurückgeführt wird diese Annahme auf die Textstelle eines Briefes Marcus Aurelius' an Fronto (Front. 4, 4), wo von einem Flamen berichtet wird, der einst auf dem apex, hier wird wohl der galerus gemeint sein, das Fell eines geopferten Tieres in die Stadt zurückgetragen hat. Siehe auch PLEY 1 9 1 1 , 3 8 f.

9

EITREM 1 9 1 5 , 3 8 .

10 Dies kann nicht damit zusammenhängen, daß Fell schwierig darzustellen ist, denn die zottige Oberfläche des mantele wird in den Reliefdarstellungen durchaus deutlich. Siehe auch Kap. 4.7.1, S. 108 ff.

5.1. Die Trachtzeichen

121

Die Bezeichnung 'galeras ' bietet aus etymologischer Sicht einige Informationen zum Material. Ursprünglich war die Mütze aus dem weißen Winterfell eines Wiesels oder eines artverwandten Tieres gefertigt worden, wie die sprachgeschichtliche Herleitung vermuten läßt.11 Weiße, kappenartige Kopfbedeckungen sind im römischen Kult belegt. Festus (10 M. 9 L.) und Gellius (10, 15, 31) geben den entsprechenden Hinweis, daß die Flamines einen weißen galerus trugen. Hier wird ausdrücklich auf die weiße Farbe hingewiesen und zugleich die Bezeichnung 'albogalerus' bzw. 'albus galerus' eingeführt. 'Galerus ' ist dann zum allgemeinen Ausdruck für die Priesterkappe geworden12. Einerseits ist das Wissen um die im Wort enthaltene Farbangabe anscheinend verlorengegangen und hat durch den Zusatz 'albus ' eine Tautologie nach sich gezogen. Andererseits bedeutet dies, daß die galeri der Pontífices eine andere Farbe besaßen und deshalb die Kappe der Flamines eigens mit diesem Zusatz erwähnt werden mußte. Trotzdem dürfte dem antiken Leser der Festus- oder Gellius-Textstellen und dem in Kultfragen sehr gewissenhaften Römer durchaus klar gewesen sein, daß gerade die Priester des höchsten Gottes - Iuppiter - nur weiße Trachtattribute tragen konnten, zumal dann, wenn es altbekannte Vorschrift war, dem Iuppiter nur weiße Stiere zu opfern.13 Eine weitere Besonderheit, der apexu, eine auf die Kappe aufgesetzte Spitze, unterscheidet den galerus des Flamen von dem des Pontifex. Es handelt sich um einen Holzstab, an dem ein Wollfaden (filum) und eine Wollflocke15 befestigt sind und an dessen unteren Ende sich eine runde Querscheibe befindet. Unterschiede in der Form und der Länge des apex, wie im archäologischen Bildmaterial zu erkennen ist, machen die Klassifizierung von Flamines maiores und minores wahrscheinlich.

11 Der lateinische Begriff galerus leitet sich über galea vom griechischen γαλέη oder γαλή ab, was Wiesel oder Marder heißt. — Siehe auch WALDE-HOFFMANN 1938, 579 s.v. galea; ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 2 6 6 s.v. g a l e a ; FREIER 1 9 6 5 , 4 5 .

12 Vgl. auch die Diskussion zur Benennung der priesterlichen Mützen mit pil(l)eus bei HELBIG 1 8 8 7 ; SAMTER 1 8 9 4 , 5 3 5 f f . ; DICK 1 9 7 3 , 9 6 f f .

13 Fest. 10 M. 9 L.: s.v. albogalerus. — Selbst Anfang des 4. Jhs. n. Chr. hielt man teilweise noch am religiösen Konservativismus fest und opferte weiterhin weiße Stiere (Arnob. nat. 2, 68); siehe auch Hör. carm. saec. 49. — WLSSOWA 1902, 348; LATTE 1960, 210. — Zum Opfer von weißen Tieren: MAYER 1927, 28 ff. 14 apex bezeichnet im allgemeinen zunächst nur die Spitze: Fest. 18 M. 17 L.; Serv. Aen. 2, 663; dann als pars pro toto: Gell. 10, 15, 17. 15 FREIER 1 9 6 5 , 4 4 .

122

5 Priestergeräte und Insignien

Der Begriff apex wird in der Literatur häufig für die gesamte Priesterkappe verwendet, was daraus resultiert, daß er zu einem festen die Flamines charakterisierenden Kennzeichen geworden ist.16 Eine Textstelle im Kommentar zu Vergils Aeneis (Serv. Aen. 1, 305) weist den apex einwandfrei als Insigne des Flamen aus: „apices, quod insigne flaminum fuit." Hierbei ist allerdings nicht festzustellen, ob die gesamte Priestermütze oder tatsächlich nur der spitze Aufsatz gemeint war; im ersten Falle wäre der Begriff apex bereits bei Vergil als pars pro toto überliefert. Sogar für den 'Naturkundler' Plinius ist die Bedeutung des apex ein feststehender Begriff, wenn er ihn in der Naturalis Historiae (22, 96) als Vergleich für die Form einer bestimmten Pilzart17 anführt:,fungi [...] mox candidi, velut apice flaminibus insignibus pediculis." Diese Textstelle verwendet 'apex' ebenfalls im Sinne eines pars pro toto für die gesamte Mütze, denn der botanische Vergleich verweist eindeutig auf die halbrunde Form der Hutpilze.18 In erster Linie gelten die angeführten Merkmale für die Flamines maiores.19 Auch die seit Caesar eingeführten Flamines Divorum können dieser Gruppe zugewiesen werden,20 obwohl sie sakralrechtlich den Pontífices angegliedert waren. Der Südfries der Ara Pacis dokumentiert das Erscheinungsbild dieser Priester besonders gut. Vier Flamines, die sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild sehr ähneln, tragen die ihnen eigentümliche Sonderform der Toga (Laena) und besitzen darüber hinaus die gleiche Form des galerus. Es handelt sich um die typische enganliegende Kappe, die bis in Nacken und Stirn reicht. Halbkreisförmige Ohrenausschnitte, an deren Enden dünne Riemen ansetzen, lassen die Ohren frei. Die Riemen vereinigen sich unterhalb der Ohren und werden unter dem Kinn verknotet. Palmetten in den

16 Neben dem galerus mit dem apex ist die Sonderform der Toga, die kundliches Detail, das den Flamen von den übrigen Pontífices absetzt; einer Zusammenstellung signifikanter Beispiele für die Gestaltung auch RE XII. 1 (1924) 419 f. s.v. Laena (Lange); LATTE 1960, 404; 351 Anm. 36.

Laena, ein weiteres trachtvgl. GOETTE 1990, 7 f. mit der Laena. Daneben siehe SCHAFER-GANZERT 1980,

17 Siehe dazu auch J. André, Lexique des termes de botanique en Latine (1956) 143 s.v. fungus (Candidus): agaricum (Familie der Hutpilze, z.B. Champignon) auch Hydnum erinaceus Bull.; ders., Les noms de plantes dans la Rome antique (1985) 107 s.v. fungus (candida): Lepiota procera Fries; L. puellaris Moser (lepiota gehört zur Familie der Agaricales). 18 Siehe C. J. Alexopoulos, Einführung in die Mykologie (1966) 413; J. Webster, Pilze (1983) 410. 19 SAMTER 1 9 0 9 , 2 4 8 4 f f . ; VANGGAARD 1 9 8 8 . — Z u m F l a m e n D i a l i s : PÖTSCHER 1 9 6 8 , 2 1 5 f f . 2 0 WISSOWA 1 9 0 2 , 2 8 6 . 2 8 8 f. 4 4 9 f. 5 2 1 f.; LATTE 1 9 6 0 , 3 1 9 .

5.1. Die Trachtzeichen

123

Zwickeln zwischen Ohrenausschnitt und Hinterkopf sind das einzige verzierende Element an den Hauben. Der apex ist als sehr lange, dünne Spitze dargestellt. Eine relativ große Scheibe am Übergang von der Haube zum apex vervollständigt das Gesamterscheinungsbild. Durch das gemeinsame Auftreten von vier Flamines in einer Szene, wofür die Ara Pacis (I 2b) die einzige Bildquelle ist, wird es möglich, diese Priester genau zu identifizieren. Dargestellt sind - dies ergibt sich aus der Anzahl - die drei Flamines maiores (Dialis, Martialis und Quirinalis) sowie der Flamen Iulialis. Obwohl nicht zuletzt auch aufgrund der Anwesenheit dieser Priester auf dem Fries stets Zweifel an der historischen Realität der Darstellung laut wurden, ist die Gruppe zumindest inhaltlich schlüssig zu erklären. Obwohl zum Zeitpunkt des Gelöbnisses der Ara Pacis Augustae (13 v. Chr.) das Amt des Flamen Dialis unbesetzt war 21 , ist einer der vier Männer als dieser zu deuten (der vierte in der Priester-Gruppe). Einerseits wird diese Figur damit erklärt, daß sie im Gegensatz zu den drei anderen Flamines, deren Ämter im Jahr 13 v. Chr. besetzt waren und deren Amtsinhaber sogar namentlich benannt werden können 22 , keine Porträtzüge aufweist. Andererseits ist er durch die lange Rute (commoetaculum 23 ) ausgezeichnet, mit dem der Flamen Dialis Unreinheiten von sich fernhielt. Da Augustus bei seinem Opfer nicht auf die Anwesenheit des höchsten Iuppiter-Priesters verzichten konnte und wollte, ließ er ihn in Form einer Idealfigur mit den entsprechenden Amtsinsignien 24 darstellen. G. M.

KOEPPEL

dagegen sieht in dem Flamen Dialis eher eine reale Person als eine 'allegorische' Figur, nämlich einen Vertreter aus den Reihen des Pontifikalkollegiums. 25 Die Person des Beilträgers möchte er als Rex sacrorum verstanden wissen 26 , was jedoch nicht treffend zu sein scheint, da der Rex sacrorum als höchster Vertreter des Pontifikal-

21 Der letzte Amtsinhaber, L. Cornelius Menila, hatte 87 v. Chr. Selbstmord begangen. Erst 11 v. Chr. wurde wieder ein neuer Flamen Dialis ernannt; vgl. Tac. ann. 3, 58; Cass. Dio 54, 36, 1. — RE IV.l (1900) 1408 s.v. Cornelius (Münzer); NPauly 3 (1997) 176 s.v. C. Menila, L. (Elvers). 22 Flamen Martialis: L. Cornelius Lentulus; vgl. KLEBS 1897, Bd. I 453 Nr. 1131; GROAG-STEIN 1936, Bd. II 384 Nr. 1. — Flamen Iulialis: Sex. Appuleius; vgl. GROAG-STEIN 1936, Bd. I Nr. 960. 23 SysKat. 73 (commoetaculum). 24 Diese Insignien finden sich in dem bereits genannten commoetaculum und in der Hand der ihm nachfolgenden Person. In ihr sieht K. HANELL den Apparitor bzw. Flaminius lictor, den ständigen Begleiter des Flamen Dialis. Dieser trägt die sacena, die ihrerseits eine Insigne für die Aufgaben dieses speziellen Lictor ist und die enge Verbundenheit zwischen beiden priesterlichen Personen andeutet. — Vgl. dazu Ausführungen im Kap. 4.2.1, S. 70 ff. 25 V g l . T a c . ann. 3, 5 8 . — WISSOWA 1 9 0 2 , 5 0 4 m i t A n m . 6; KOEPPEL 1 9 8 8 , 100. 2 6 KOEPPEL 1 9 8 5 a , 17 ff.; KOEPPEL 1 9 8 7 , 1 2 3 z u N r . 26.

124

5 Priestergeräte und Insignien

kollegiums 27 wohl kaum als letzter Priester in einer Prozession Aufstellung nehmen würde. Das gleiche Argument könnte auch fiir den Flamen Dialis angeführt werden, der als oberster unter den Flamines ebenfalls die letzte Position einnimmt. Da jedoch in der künstlerischen Ausgestaltung des Prozessionsfrieses real-historischen Personen zunächst Vorrang eingeräumt wurde, ließe sich dieses Phänomen ohne weiteres erklären. Neben dem Flamen Iulialis der Ara Pacis zeigt die Basis einer Ehrenstatue fiir C. Antonius Rufus aus Alexandria Troas (Hh 1) ebenfalls den galerus bei einem Priester des Kaiserkultes. Aus der Inschrift (CIL III. 1 386) ist ersichtlich, daß C. Antonius Rufus Flamen Divi Iuli gewesen ist. Auf der linken Nebenseite der Basis ist die unverzierte Kappe in Form einer Halbmondsichel wiedergegeben. Auffällig ist der verhältnismäßig lange apex, der eine kleine Scheibe am Ansatz besitzt, die sich in der Mitte des Stabes wiederholt. Dies ist bei dem Beispiel von der Ara Pacis nicht der Fall und scheint generell ein Zeichen fur den späteren Zeitansatz des galerus zu sein. Dadurch, daß die Funktion der Flamines auf der Ara Pacis gesichert ist, können Priester dieses Standes auch auf anderen Bildwerken einfacher identifiziert werden. Daraus ist zunächst abzulesen, daß die Flamines maiores an einem relativ langen apex erkennbar waren; wenn im Vergleich dazu Bildzeugnisse herangezogen werden, die einen galerus mit einer kleineren Spitze wiedergeben und inschriftlich noch als Insigne eines Flamen minor gekennzeichnet sind, fällt dieser Schluß leicht. In dieser Diskussion wird stets als Beweis die Bekrönung eines Grabaltares vom Casale di Roma Vecchia (I 37) aus der trajanisch-hadrianischen Zeit angeführt, auf der sich neben einem simpuvium und einem lituus ein floral verzierter galerus mit einem kleinen apex befindet. Hier ist die Spitze zu einem Knopf degeneriert. Es liegt auch nicht mehr die charakteristische Scheibe zwischen Kalotte und Übergang zum apex vor, statt dessen besitzt er eine Art 'Ummantelung', die am unteren Rand bogenförmig gestaltet ist. Es wäre einfach, das Erscheinungsbild dieser apex-Form damit zu erklären, daß es sich bei diesem Stück im Gegensatz zu den Beispielen von der Ara Pacis um eine einfache, volkstümliche Arbeit handelt. Doch die Grabinschrift für T. Statilius Optatus (CIL VI.42 31863) liefert einen entscheidenden Hinweis mit der leider fragmentierten Inschrift ( F L A M I N I C

). Diese ist bereits von

TH. MOMMSEN

im Corpus

27 Zum Rex sacrorum: WISSOWA 1902, 91. 432 ff.; RE 1 A 1 (1914) 721 s.v. Rex sacrorum (Rosenberg); LATTE 1960, 110. 402 f.; K1P 4 (1979) 1387 f. s.v. Rex Sacrorum (Radke); M u r a 1988, 2 0 8 . 2 9 5 f.; L A W 3 ( 1 9 9 0 ) 2 6 0 9 s.v. R e x s a c r o r u m ( L e B o n n i e c ) .

5.1. Die Trachtzeichen

125

Inscriptionum Latinarum auf einen Flamen minor bezogen worden, da es unter den Flamines minores zwei Ämter gibt, auf die das ' C hindeuten kann, nämlich Cerialis oder Carmentalis.28 Leider läßt die entsprechende Rekonstruktion der Inschrift selbst hinsichtlich Zeilenlänge, Breite des Steins etc. keine verbindliche Antwort zu. In jedem Fall dürfen wir jedoch von einem galerus mit apex ausgehen, der sich auf einen Flamen minor bezieht. Ein Vergleichsbeispiel zur Untermauerung dieser Deutung für das Stück vom Casale di Roma Vecchia (I 37) befindet sich auf den Friesfragmenten von einem Bau am Provinzialforum 29 in Tarragona (Dd 2), das allerdings flavisch zu datieren ist. Auf diesen Fragmenten sind zweierlei Formen des galerus mit apex abgebildet, wobei sie sich in der Kappenform und in der Gestaltung der Spitze unterscheiden. Der galerus auf dem Fragment a ist fast halbrund, am unteren, geraden Rand durch einen Saum abgesetzt und besitzt gesondert angebrachte, gegabelte Kinnriemen. Der apex zeichnet sich durch die typische Scheibe am Ansatz aus. In der Mitte des Stabes, der sich zur Spitze hin veijüngt, befindet sich eine weitere, kleinere Scheibe. Der galerus des Friesfragmentes b schließt nicht mit einem geraden, unteren Rand ab. Hier entwickeln sich vielmehr die Kinnbänder aus der Kappe selbst, indem der Kappenrand an den Seiten heruntergezogen wird. Zusätzlich ist er auf der Stirn mit einer Palmette verziert. Der apex ist ein gedrungener, relativ kurzer Stab, der zwar durch eine Scheibe am Ansatz von der Kalotte abgesetzt ist, sich aber nur sehr wenig verjüngt und am oberen Ende stumpf endet. Was bedeuten unterschiedliche galerusFormen in einer Darstellung? Andere Beispiele, die ebenfalls mindestens zwei Priesterkappen in einem Fries vereint zeigen, z.B. der Fries des Vespasian-Tempels (D 2; Taf. 5), weisen diese starken Unterschiede nicht auf. Nicht nur die Form der Kappe ist identisch, insofern

28 SAMTER 1909, 2485. — Flamen Cerealis: Kultverwalter der Ceres; WISSOWA 1902, 180 mit Anm. 13; LATTE 1960, 37; SCULLARD 1985, 21. 40. 159. — Flamen Carmentalis: Kultverwalter der Carmenta; WISSOWA 1902, 160 mit Anm. 3; SCULLARD 1985, 40. 94. — Carmenta / Carmentis; altrömische Gottheit; Fest (Carmentalia) 11. und 15. Januar; siehe auch RADKE 1965, 81 ff. (Carmenta). 86 ff. (Ceres). — TH. MOMMSEN (CIL VI 31863) schlug seinerseits den Flamen Cerialis vor. Ihm wurde hierin verschiedentlich gefolgt: KÖRTE 1917, 31 f.; DICK 1973, 113. Aber auch Ergänzung zu Flamen Carmentalis: SCHAFER-GANZERT 1980, 354 Anm. 50. Selbst die jüngst erschienene Arbeit über die Flamines bietet hierzu keine neueren Erkenntnisse, vgl. VANGGAARD 1 9 8 8 , 7 3 ff.

29 Zugehörigkeit: Fries der Porticus des oberen Bezirkes oder Innengliederung des großen Saales in Tarragona. Vgl. TR1LLMICH u.a. (Hrsg.) 1993, 326 Taf. 102b; FISHWICK 1987, 150 ff.: AugustusTempel. — RE S XV (1978) 600 s.v. Tarracco (AlfÖldy): Fragmente eines munizipalen Altars.

126

5 Priestergeräte und Insignien

dies trotz der unterschiedlich starken Korrosion der Fragmentteile noch zu sehen ist, sondern auch die Verzierung mit Lorbeerblättern und Blitzbündeln ist die gleiche. Für die Exemplare in Tarragona ist versucht worden, die indifferenten Formen auf die dortigen religionspolitischen Verhältnisse zurückzufuhren. Sie werden mit den in Tarragona wirkenden Flamines provinciae30 in Verbindung gebracht, die an der Spitze des Provinziallandtages standen und letztendlich für die Pflege des Kaiserkultes der Provinz zuständig waren. Welche Form der beiden galeri dem Flamen provincialis zukam, ist abschließend nicht zu klären. Möglicherweise ist ihm die Kappe mit dem gedrungeneren apex zuzuweisen, um den Unterschied zwischen Flamines maiores und den Kaiserkultpriestern einer Provinz darzulegen. G. KÖRTE dagegen wies beide Kappen vorsichtig denen in der Provinz anwesenden Flamines zu: den galerus mit stumpfem apex dem Flamen municipalis, den anderen dem Flamen provincialis. Er sah die Differenzierung im unterschiedlichen Rang beider Priester, von denen die Flamines provinciae höher stehen.31 Neben den Flamines werden in den Quellen auch Pontífices als Träger des galerus überliefert.32 Bisher schien diese Aussage im archäologischen Denkmälerbestand allerdings nicht belegt zu sein. Dennoch gibt es ein Beispiel für diese Form der Kappe. Dargestellt ist der galerus bei einer kleinen Statuettengruppe33, die lange Zeit mißdeutet worden ist.34 Dabei handelt es sich um einen Stier und einen vor diesem sitzenden Mann, der das Tier mit der rechten Hand an einem Strick festhält und mit der Linken unter den Bauch des Tieres greift. Lange Zeit ist die Gruppe als 'Melker und Kuh' gedeutet worden, so auch von W. AMELUNG, der sich über die merkwürdige Ergänzung des Euters zu Hoden wunderte. H. R. GOETTE konnte zeigen, daß diese Ergänzung richtig ist. Er deutet die Handlung als probatio victimae35, bei der ein männliches Tier auf seine Zeugungskraft untersucht wird. Denn nur ein bos mas durfte dem Iuppiter geopfert werden.36 Diese Tätigkeiten fielen in den Aufgabenbereich der Pontífices minores, die als Diener den Pontífices bei deren Amtshandlun-

3 0 R E S X V ( 1 9 7 8 ) 6 0 0 . 6 1 7 ff.; HÄNLEIN-SCHÄFER 1985, 2 3 2 ff. 31 KÖRTE 1917, 32.

32 Apul. apol. 22. —pilleus in der Bedeutung von galerus: Paul. Fest. 355 M. 484 L.: „quidam, pilleum lanatum forma metali figuratum, quoßamines acpontífices utuntur [...] ". 33 Rom, Mus. Vat. (Sala degli animali), ohne Inv.; AMELUNG, Vat. Kat. II, 392 ff. Nr. 233 Taf. 44. 34 Sie wurde einer neueren Betrachtung unterzogen durch GOETTE 1986, 61 ff. 35 Cie. leg. agr. 2, 93; Plin. nat. 8, 183. 36 RE VIII.2 (1913) 260 f. s.v. Hostia (Krause).

5.1. Die Trachtzeichen

127

gen zur Seite standen.37 Gerade bei sakralen Zeremonien, die den Staatskult betrafen - und zu solchen gehörte auch das Stieropfer an Iuppiter als höchsten Gott - waren diese Pontífices minores anwesend. Die Tracht des Mannes läßt Schlüsse auf seinen Status innerhalb der sakralrechtlichen Hierarchie zu. Er ist bekleidet mit einer gegürteten Tunica und einer eng am Kopf anliegenden Kappe. Die Tunica spricht gegen eine Zugehörigkeit zu einem der höheren Priesterämter, da ihren Mitgliedern die Toga zukam. Ebenso tragen Opferdiener - Camilli und Ministri - nur die Tunica, niemals die Toga.38 Dagegen ist die Kappe ein Hinweis auf einen anderen Status, der sich von dem der jugendlichen Opferdiener unterscheidet, für die die Kappe nicht nachgewiesen ist.39 Demnach weist die Kappe dem Mann der Statuengruppe einen Platz zwischen Priester und einfachem Opferdiener zu, wozu der Status eines Pontifex minor zählt. Der fehlende apex unterstützt diese Interpretation ebenfalls. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß der galerus die kennzeichnende Kopfbedeckung fur die Pontífices des römischen Staatskultes ist. Für die in der sakralen Hierarchie sehr hoch stehenden Flamines ist er noch besonders durch den apex gekennzeichnet. Daneben können für die Unterscheidung der Flamines in 'maiores' und 'minores' Unterschiede in der Ausgestaltung der Spitze festgestellt werden, wobei den Flamines maiores die längere, feingliedrigere Form zukam, während bei den Flamines minores der apex entweder sehr stumpf und relativ dick wiedergegeben oder sogar zu einem knopfartigen Gebilde geworden ist. Die IuppiterPriester (Flamines Dialis) trugen zudem die weiße Variante der Kappe, den albogalerus. Die Quellen kennen ebenfalls eine kappenartige Kopfbedeckung für die Priestersodalität der Salier.40 Einen Eindruck von der Kopfbedeckung dieser Priester erhalten wir durch ein Porträt, das wahrscheinlich den jungen Marcus Aurelius zeigt

37 LATTE 1960, 401; RE S XV (1978) 338 s.v. Pontífices (Szemler). 38 Vgl. FLESS 1995, 37 ff. — Eine Ausnahme bildet das Suovetaurilien-Relief im Louvre (I 3. 4). Hier wird die Toga auch von den Opferdienem getragen, sowohl von denjenigen mit acerra und gutus als auch denen, die Opfertiere heranführen, wobei ihre Toga hochgeschürzt ist. 39 Bei ihnen ist, wenn überhaupt, im Bildbestand nur der Lorbeerkranz bezeugt: F 6 (Szene CIII) | E 5. — Opferschlächter (Victimarii / Popae): I 2d. 40 Sie dienten dem Mars bzw. Quirinus. — MUTH 1988, 244. 246 ff.

128

5 Priestergeräte und Insignien

(C 4).41 Der reich verzierte galerus ist so gestaltet, als ob er in vier einzelne Segmente unterteilt wäre, die durch ein Riemenwerk gehalten werden. Auf der Kalotte wird dieses Riemenwerk durch eine runde Scheibe gehalten, in die einst der apex eingesetzt gewesen sein muß. Zusätzlich hierzu sind die einzelnen Segmente noch verziert. Die linke Seite schmücken ein culter und ein malleus, die rechte Seite die sacena sowie die λόγχη 4 2 , der Stab oder die Lanze, mit der die Salier bei ihren Kulthandlungen auf die Schilde oder das Fell einschlugen.43 Daneben ist die Büste mit einer Trabea bekleidet.44 Dieses militärische Kleidungsstück gehörte ebenso zur Tracht der Salier, so daß auch dies ein Indiz dafür ist, in dem Porträt einen Salier zu sehen. Gerade das lanzenförmige Gerät, das für das Flaminat und auch andere Pontifikalämter nicht bekannt ist, spricht für diese Annahme.45

5.1.2 Die corona spicea Ein zur Priestertracht gehöriges und eindeutig als Insigne bezeugtes Attribut ist der aus Ähren geflochtene Kranz der Arvalbrüder46, der durch sein Material eindeutigen Bezug zum ursprünglichen Vegetationskult der Dea Dia nimmt.47 Diese corona spicea'48 ist in mehreren Quellentexten genannt und beschrieben worden, so daß ihre Identifizierung keine Probleme bereitet. Plinius (nat. 18, 6) beschreibt einen mit weißen Bändern zusammengebundenen Ährenkranz, den er ausdrücklich als das Ab-

41 In der älteren Forschung wurde der Kopf als Marcus Aurelius (Annius Verus) angesprochen. Die Kooptation in das Kollegium der Salier 128 n. Chr. fand noch als Annius Verus statt. Aufgrund stilistischer Merkmale muß der Kopf aber später datiert werden. — Vgl. WEGNER 1939, 182; SCHÄFER-GANZERT 1 9 8 0 , 3 6 0 A n m . 7 5 ; KIENAST 1 9 9 0 , 137.

42 Dion. Hal. ant. 2, 70. 4 3 W i s s o w A 1 9 0 2 , 4 8 1 f f . ; LATTE 1 9 6 0 , 1 1 5 f f . ; SCULLARD 1 9 8 5 , 1 2 9 f f . — S i e h e a u c h BORGNA

1993, 9 ff. — Siehe auch sog. Mäizmosaik, Rom, Villa Borghese (ca. 230-250 n. Chr.); HERBIG 1 9 2 5 , 2 8 9 f f . ; CROUS 1 9 3 3 , 6 6 f f . ; STACCIOLI-MORENO 1 9 8 1 , 6 6 N r . 8 0 .

44 WISSOWA 1902, 428; GABELMANN 1977, 327 ff. — Zu den Attributen der Salier siehe allgemein: HELBIG 1 9 0 5 , 2 0 5 f f . — Z u r T r a b e a : W R E D E 1 9 8 8 , 3 8 1 f f .

45 Im Gegensatz hierzu vgl. SCHÄFER 1986, 129 f. 46 Die Ährenkränze wurden von den Arvalbrüdern den Göttinnen im Heiligen Hain aufgesetzt; CIL VI.l 2055; HENZEN 1874, 34. — Vgl. auch RE IV.2 (1901) 1636 s.v. Corona (Fiebiger). 47 SCHEID 1990b, 665-669 sieht in Dea Dia die Göttin des für den Ackerbauern hilfreichen Sonnenlichts bzw. des guten Wetters (auch 708 ff.). — ALTHEIM 1931, 129 ff. sieht in ihr eine Mondgottheit. 48 SysKat. 71 (corona

spicea).

5.1. Die Trachtzeichen

129

zeichen der Arvalbruderschaft bezeichnet. Ebenso verfährt Gellius (7, 7, 8), der aber nicht ausdrücklich schreibt, daß der Kranz mit Binden zusammengebunden war, was allerdings fur die Identifizierung dieses Kopfschmuckes im Bildbestand nicht von Bedeutung ist. Den Ährenkranz mit den weißen infulae49 der Arvalbrüder finden wir etwa bei Porträts der Kaiser Marcus Aurelius oder Antoninus Pius. Sie lassen sich mit der Arvalbruderschaft gut verbinden, weil von diesen Kaisern eine Mitgliedschaft in diesem Kollegium 50 überliefert ist. Eine Büste des Marcus Aurelius 51 trägt neben dem Kranz auch die typische ínfula; ebenso ist dieser Schmuck bei einem Kopf des Antoninus Pius im Louvre (C 6) zu erkennen. Zu beachten ist jedoch bei Porträts mit Ährenkränzen, daß nur solche als Mitglieder der Arvalbruderschaft zu deuten sind, die dem römischen Kultverhalten entsprechend unter der corona spicea capite velato dargestellt sind. Andere mit Ährenkränzen versehene Porträts capite aperto sind dagegen als Eingeweihte oder Anhänger der eleusinischen Mysterien zu deuten. Diese Kränze - formal selbstverständlich als coronae spiceae zu bezeichnen - stellen aber nicht die hier zu behandelnden Ährenkränze dar und werden an dieser Stelle deshalb auch nicht weiter erläutert.52

49 Siehe Kap. 6.1, S. 137 ff. 50 Zur Mitgliedschaft dieser Kaiser im Arvalkollegium: HÜTTEL 1926/33, Bd. I, 168 f. 169 mit A n m . 2 3 9 ; BIRLEY 1 9 6 6 , 6 8 m i t A n m . 2 ; MUTH 1 9 8 8 , 3 0 2 .

51 Büste des Marcus Aurelius, London, Brit. Mus., SMITH 1904, 162 Nr. 1907; vgl. ALFÖLDI 1979, 5 8 1 Taf. 3 7 , 2. 52 Ebenso wie die o.g. coronae werden an dieser Stelle auch die sog. Büstenkronen und Diademe der Kaiserpriester, vornehmlich aus Kleinasien nicht behandelt. Sie stellen einen Reflex aus dem griechischen Osten dar und sind somit kein eigentümlicher Bestandteil römisch-staatskultischer Priesterinsignien. — Z u r Thematik siehe ausführlicher: DICK 1973, 177 f.; INAN-ALFOLDI-ROSENBAUM 1 9 7 9 , 3 8 ff.; ROSENBAUM-ALFOLDI 1 9 8 4 , 3 4 f f . ; KRÖN 1 9 8 9 , 3 7 3 - 3 9 0 ; v . PRITTWITZ u . GAFFRON 1 9 8 9 , 1 3 3 f f .

5 Priestergeräte und Insignien

130

5.2 Die Insignien-Zeichen

5.2.1 Der lituus

Die 'Insignien-Zeichen' sind abhängig von der bestimmten kultischen Aufgabe eines Priesters. Ein eindeutiges Beispiel für ein 'Insignien-Zeichen' stellt der lituus53 dar, ein gekrümmter, später spiralförmig gestalteter Stab aus Holz oder Metall. Neben der Bezeichnung für Musikinstrumente, insbesondere für eine gekrümmte Trompete 54 im militärischen Bereich, meint 'lituus' die Amtsinsigne des Königs und wurde allmählich im Verlauf der späten Republik 55 zum Symbol der imperatorischen Macht und dann auch zum Wahrzeichen des Princeps. Dabei beruhte der Wandel des Sinngehaltes dieses Gerätes wohl auf der großen Bedeutung des Augurate 56 , besonders seit Augustus und seinen Nachfolgern. Die Reiterstatue des Augustus in Athen (C 1) trägt an der linken Hand einen Ring, in dessen Ringplatte ein lituus eingraviert ist. Eine Hüftmantelstatue des Augustus (C 3) trägt einen ebenso verzierten Ring 57 . In beiden Fällen darf man den lituus als Zeichen fur das Imperium des Herrschers betrachten. 58 Ähnliches kommt auch auf den folgenden Kameen zum Ausdruck: 59 Augustus mit dem lituus in der rechten Hand ('Gemma Augustea'), Tiberius in gleicher Haltung ('Grand Camée de France'), Claudius in vergleichbarer Pose auf einem Adler sitzend ('Claudius-Kameo'). W.-R. MEGOW60 sieht in dem lituus auf den erstgenannten Prunkkameen den Verweis auf ein priesterliches Amt der beiden Principes, was auf der einen Seite sicherlich zutrifft, da Augustus und Tiberius Mitglieder der vier wichtigsten Priesterkollegien gewesen sind. Auf der anderen Seite ist die formale Gestaltung der beiden Kameen derart von politisch orientierter Bildprogrammatik durchsetzt, die auf die Nachfolgeregelung oder militärische Erfolge

53 SysKat. 74 (lituus). — Bezüglich der Analyse der Forschungsgeschichte zu diesem Gerät vgl. die Anmerkungen zu der Arbeit von DICK 1973 ; siehe Kap. 5.1.1, S. 118 Anm. 4. 54 Ov. fast. 3, 216; Hör. carm. 1, 122. 5 5 ALFÖLDI 1 9 7 6 , 156 ff. 5 6 V g l . ALFÖLDI 1 9 3 5 , 2 4 f.; GAGÉ 1 9 8 8 , 5 2 ff.

57 Die Gravur sieht BÖSCHUNG 1993a, 114, Kat. 15, als sekundär bzw. ergänzt an. 5 8 V g l . a u c h KAHLER 1 9 9 1 , 3 0 4 .

59 MEGOW 1987: Gemma Augustea: 155 ff. Kat. A 10 Taf. 3; 'Claudius-Kameo': 199 f. Kat. A 80 Taf. 27,1; 'Grand Camée de France': 202 ff. Kat. A 85 Taf. 33,5. 6 0 MEGOW 1 9 8 7 , 1 3 6 .

5.2. Die Insignien-Zeichen

131

abzielt, da hier vordergründig auf die Machtposition der beiden Herrscher angespielt werden soll. Stünde tatsächlich das priesterlich-sakrale Amt im Vordergrund, dürfte man erwarten, daß die Kaiser capite velato dargestellt wären. Denn gerade seit Augustus ist das verhüllte Haupt abstraktes Kennzeichen und feste Bildchiffre für den Ausdruck der pietas des gläubigen Römers.61 Augustus, Tiberius und auch Claudius werden auf den Kameen jedoch unverhüllten Hauptes dargestellt bzw. sind bekränzt oder lassen sich bekränzen. Der lituus gilt als Symbol für das Imperium, das Herrscher, Politiker oder Feldherren innehatten, denn von Anfang an vereinigten alle Magistrate Auspicium und Imperium; politisch-militärische Gewalt war stets mit religiös-priesterlicher Würde verbunden.62 Von größerer Bedeutung ist jedoch der lituus als Kultgerät und Insigne der Auguren, die ihn zur Bezeichnung der Himmelsregionen bzw. des templum63 verwenden. So tritt er im Zusammenhang mit der Deutung göttlicher Zeichen auf. In seiner ursprünglichen Bestimmung ist er jedoch als 'Zauberstab' zu verstehen. Über seine Herkunft herrschen in den antiken Quellen unterschiedliche Meinungen. Er wird mythologisch betrachtet - dem Romulus im Zusammenhang mit der Stadtgründung Roms zugeschrieben64, als dieser mit dem Stab die einzelnen Regionen festlegte: ,.¿¡uid? lituus iste vester, quod clarissimum est insigne auguratus, unde vobis est traditus? nempe eo Romulus regiones direxit tum, cum urbem condidit" (Cie. div. 1, 30). Ebenso dem mythologischen Bereich zugehörig ist die Verbindung mit Numa Pompilius, bei dessen Inauguration der zuständige Augur mit dem lituus die Himmelsregionen beschrieb.65

6 1 ZANKER 1 9 9 0 , 132 f.; BÖSCHUNG 1 9 9 3 a , 9 6 .

62 Der lituus gilt daneben als Zeichen des Imperium des Octavian (= Princeps) und Auspiciensymbol des Feldherm; vgl. MANNSPERGER 1982, 334 Anm. 30. — Der lituus ist seit Sulla häufig in triumphalem Zusammenhang anzutreffen, was seine Beziehung zum Feldherren in besonderer Weise unterstreicht; vgl. GAGÉ 1931, 85. — Letztendlich ist der lituus aber als Symbol für Augur und Imperator zu verstehen; vgl. FEARS 1975, 598; FEARS 1977, 102 ff. 63 Serv. Aen. 7, 187. — WEINSTOCK 1932, 95 ff.; RE V A 1 (1934) 480 ff. s.v. Templum (Weinstock); LATTE 1948, 143 ff.; K1P 5 (1979) 584 s.v. Templum (Gross). 64 Dieser Augurenstab, mit dem Romulus die Stadtgründung zelebrierte, ist zu unterscheiden von dem sog. 'lituus des Romulus', der in der Curia Saliorum auf dem Palatin aufbewahrt wurde. Bei diesem handelte es sich vielmehr um eine tuba, die Kriegstrompete. — WISSOWA 1902, 482 Anm. 1; SCHAEWEN 1940, 66: hier als Augurenstab aufgefaßt. 65 Liv. 1,18, 6-9. — Siehe auch LATTE 1927, 9.

132

5 Priestergeräte und Insignien

Versucht man die Abbildungen der litui auf den Denkmälern zu deuten, muß man zwischen den beiden symbolhaft dargestellten Bereichen - Augurât (Religion) und Imperium (Politik) unterscheiden. Religiös, d.h. kultisch-sakral und auf das Priesteramt des Auguren bezogen, müssen wohl all diejenigen litui interpretiert werden, die gemeinsam mit anderen Opferund Kultgeräten abgebildet werden. Hierbei muß sich das Amt aber nicht auf eine spezielle Person beziehen. Die allgemeine kultische Bedeutung spiegelt sich insbesondere in Tempelfriesen (D 3. 5. 6; Taf. 14) wider. Auch in Giebeln waren wohl litui angebracht, wie Reliefdarstellungen zeigen: wie der korinthische Tempel auf dem Opferrelief 'Mattei' (A 12; Taf. 2a), der möglicherweise das Aedes Penates Dei auf der Velia66 meint, oder der tempeiförmig gestaltete lanuvische Penatenschrein des Aeneasreliefs (I 2a).

5.2.2 Die 'Symbol-Geräte' Neben 'Insignien-Zeichen', die eng mit einer bestimmten Priesterschaft verbunden sind, gibt es etliche symbolträchtige Geräte, die funktional betrachtet bereits als Opfergeräte bekannt sind. Aufgrund der Tatsache, daß sie bei bestimmten zeremoniellen Handlungen bestimmter Priester immer wieder auftreten, entwickeln sie sich zu Abzeichen dieser Priestergruppen. Welches Gerät symbolisiert welches Priesteramt? Zur Klärung dieser Frage lassen sich am besten Münzbilder heranziehen. Aufgrund der Kombination von Umschrift mit Nennung der entsprechenden Ämter und der Gerätabbildung selbst bieten sie einen ersten Hinweis. Auch die biographische Kenntnis über die jeweiligen Münzmeister hinsichtlich einer Mitgliedschaft in Priesterkollegien kann Anhaltspunkt sein, auch wenn diese auf den Münzen nicht eigens vermerkt ist. Das Pontifikat wird auf einem Denar des C. Antonius67 (Mü 20) aus dem Jahr 43 v. Chr. ausgedrückt. Die Nennung seines politischen Amtes (PRO Cos) befindet sich auf der Averse; die Reverse bildet simpuvium, culullus und sacena unter Nennung der Beischrift P O N T I F E X ab. Für die sacena ist die eindeutige Beziehung zum Amt

66 M. Torelli bei KOEPPEL 1983, 85 Anm. 155. Siehe auch RICHARDSON 1992, 289 s.v. Penates Dei, Aedes (Rodriguez Almeida). 67 RE 1.2 (1894) 2582 ff. s.v. Antonius (Klebs); NPauly 1 (1996) 810 s.v. C. Antonius (Will).

5.2. Die Insignien-Zeichen

133

des Pontifex als 'dolabra pontificalis ' bereits herausgestellt worden.68 Das simpuvium sowie der culullus müssen aufgrund der Beischrift ebenfalls mit diesem Amt in enger Verbindung stehen. Dies wird durch die Quellen bestätigt, die beide Geräte zwar nicht ausdrücklich als Insigne, doch aber als Gefäße nennen, die speziell von den Pontífices verwendet werden.69 Auf einem Denar Caesars (46 v. Chr.; Mü 17) wird das Ober-Pontifikat70 (PONT MAX) mit dem culullus, das Augurât (AVGVR) mit dem lituus ausgedrückt. Daneben finden sich noch das aspergillum und die Kanne. Da der Wedel der Schöpfkelle an die Seite gegeben ist, wird auch er als Zeichen für ein pontifikales Amt gelten dürfen, die Kanne und der lituus fur das Augurât. Zur Gegenprobe dieser These dient ein Aureus des M. Antonius (43 v. Chr.; Mü 23). Dieser zeigt auf der Reverse neben dem Kopf des Lepidus (seit 57 v. Chr. Pontifex, seit 44 v. Chr. Pontifex maximus) aspergillum und simpuvium. Diese Angaben fuhren zu dem Schluß, im aspergillum nicht nur ein Symbol für den Pontifex zu sehen, sondern es vielmehr für den Pontifex maximus in Anspruch zu nehmen, zumal gerade dann, wenn eine Schöpfkelle bereits das Pontifikat andeutet. Genauso stellt der Krug (gutus / urcetts) in Verbindung mit dem lituus ein weiteres Zeichen für das Augurât71 dar. Bestätigt werden kann diese Annahme durch eine Goldprägung des A. Hirtius fur Caesar (Mü 16) aus dem Jahr 46 v. Chr. Dieser Aureus (Rev) zeigt neben der sacena als Hinweis auf Caesars Pontifkat ebenfalls lituus und Kanne. Ein Jahr früher wird ein anderer Aureus (Mü 14) für Caesar geprägt, der die Bildzeichen auf beiden Münzseiten verteilt: das Pontifikat wird auf der Averse durch sacena und culullus, das Augurât auf der Reverse durch gutus und lituus versinnbildlicht.72 Ein weiteres Bildzeichen für das Pontifikat ist die secespita. Als Beispiel fur auf Münzen dargestellte Messer sei die Reverse eines Denar des P. Sulpicius Galba (69 v. Chr.; Mü 5) als verhältnismäßig frühes Beispiel genannt. Ein Aureus (Av) des

68 Vgl. Kap. 4.2.1, S. 70 ff. 69 culullus: Porph. u. Schol. Hör. carm. 1, 31, 10. —simpuvium·. Cie. rep. 6, 2; Schol. luv. 6, 343. 70 Caesar war von 63-44 v. Chr. Pontifex maximus. 71 Andeutung des Augurats auch auf Prägungen fur M. Antonius durch P. Sepullius Macer; Av. C R A W F O R D I, 4 9 1 N r . 4 8 0 , 2 2 ( v g l . M ü

19).

72 Gleichzeitig mit der Symbolisierung des Augurâtes kann mit dem lituus auch das Imperium eines Herrschers, Politikers oder Feldherren zum Ausdruck gebracht werden. Diese Macht wird teilweise gemeinsam mit dem gutus auf Münzen dargelegt: CRAWFORD I, 373 f. Nr. 359, 1.2 (Rev). 390 Nr. 374, 2 (Rev).

134

5 Priestergeräte und Insignien

Cassius (43^42 v. Chr.; Mü 25) bildet ebenfalls diese Geräte ab. Beide Münzen zeigen die secespita und die sacena, die den culullus einrahmen. Axt und Schöpfkelle haben wir bereits dem Pontifikat zuweisen können. Da das Messer gemeinsam mit den erstgenannten Geräten auftritt, liegt auch hier die Vermutung nahe, es mit diesem Amt zu verbinden. Leider helfen in beiden Fällen Umschriften nicht weiter. Von P. Sulpicius Galba ist bekannt, daß er seit 69 v. Chr. Pontifex war, worauf die Emission durch die Abbildung von simpuvium und sacena bezug nimmt. Brutus hatte dieses Amt wahrscheinlich vor 45 v. Chr. inne, wie durch Cicero (Brut. 1, 5, 3) angedeutet wird. 73 Daneben erwähnen die Quellen wiederum dieses Messer als ein Gerät, das insbesondere von den Mitgliedern der Pontifikalkollegien (Flamines, Vestalinnen und Pontífices) verwendet wird. 74 Die Quindecimviri sacris faciundis (XVviri s. f.)75, das dritte wichtige Priesterkollegium, waren mit der Verwahrung und Befragung der Sibyllinischen Bücher betraut und standen zudem in einem engen Verhältnis zu Apollon. 76 Wann diese Verbindung eingetreten ist, kann nicht genau gesagt werden 77 , spätestens aber wohl seit Beginn des 1. Jhs. v. Chr. Durch die Aufbewahrung der Sibyllinischen Bücher im Apollon-Tempel auf dem Palatin seit 12 v. Chr. wurde diese Beziehung noch verstärkt.78 Diese Verbindung des Kollegiums zu Apollo hat sich auch auf die Ausprägung von Insignien ausgewirkt, die eindeutig mit dem Apollonkult in Zusammenhang stehen. Kennzeichen dieser Priesterschaft ist der Dreifuß, der als apollinisches Symbol für sich spricht. Nachweislich in dieser Bedeutung wird er häufig auf Münzen deijenigen Münzmeister abgebildet, die diesem Kollegium angehörten. Den eindeutigen Beweis dafür, daß der Dreifuß das Amtssymbol der Quindecimviri gewesen ist, erhalten wir in der archäologischen Überlieferung erst verhältnismäßig spät, nämlich

7 3 V g l . BARDT 1 8 7 1 , 16 N r . 8 3 ; ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 0 8 .

74 Vgl. Kap. 4.3.1, S. 75 ff. 75 Siehe auch BOYANCÉ 1964, 334 ff. 7 6 L i v . 10, 8 , 2 . — MOMMSEN 1 8 6 4 , 8 4 f.; BARDT 1 8 7 1 , 2 8 f f . ; W i s s o w A 1 9 0 2 , 4 6 1 f f . ; HOFFMAN LEWIS 1 9 5 5 , 8 6 f f ; GAGÉ 1 9 5 5 , 6 9 5 f f . ; RADKE 1 9 5 9 , 2 1 7 ff.; LATTE 1 9 6 0 , 3 9 7 f.; R E X X I V

(1963) 1114 ff. s.v. Quindecimviri (Radke); KLIP 4 (1979) 1304 ff. s.v. Quindecimviri sacris faciundis (Radke); MUTH 1988, 264 ff. 298 f.; LAW 3 (1990) 2499 s.v. Quindecimviri sacris faciundis (Le Bonniec). 77 RE XXIV (1963) 1138. 78 Zur Symbolik des Dreifußes unter Augustus und seinem Verhältnis zum Kult des Apollon: SCHNEIDER 1986, 67 ff. insb. 70 mit A n m . 415.

5.2. Die Insignien-Zeichen

135

wiederum in Form einer Münze. 79 Im Jahr 69 η. Chr. läßt Kaiser Vitellius einen Aureus (Mü 46) 80 prägen, der auf der Reverse neben dem Dreifuß einen Delphin 81 und einen Raben abbildet. Die Umschrift äußert unmißverständlich, daß der Kaiser Mitglied dieser Priestervereinigung gewesen ist (Xv

VIR SACR FAC).82

Ausgehend von diesem Stück können nun auch andere Emissionen mit dem Dreifuß erklärt werden, wie z.B. ein Denar des L. Manlius Torquatus (65 v. Chr.; Mü 8). Er weist mit seinen Abbildungen auf Vorder- und Rückseite auf die Mitgliedschaft des Münzmeisters in diesem Kollegium 83 hin: Kopf der Sibylle (Av) und Dreifuß (Rev). Der Proquaestor L. Sestius macht auf einem Quinar (43/42 ν. Chr.; Mü 27) durch den Dreifuß auf seine priesterliche Stellung als Quindecimvir aufmerksam, verweist aber auch gleichzeitig auf das Amt des Pontifex (simpuvium) und des Flamen (galerus).M Das letzte der vier großen römischen Priesterkollegien, das der Septemviri epulones (Vllviri epulones) 85 , wird durch die patera symbolisiert. Diese Erkenntnis ist ebenfalls aus der Münzprägung zu erschließen. Im Jahr 16 v. Chr. läßt Antistius Vêtus einen Denar (Mü 36) fur Augustus prägen, dessen Reverse neben simpuvium, lituus und Dreifuß die patera trägt. Drei der 'Symbol-Geräte' ließen sich bereits erklären und spielen somit auf Augustus' Mitgliedschaft in den Kollegien der Ponti-

79 Erst aus der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. erhalten wir neben dem numismatischen Nachweis des Dreifußes als Abzeichen eines Quindecimvir s. f. beispielsweise auch im sepulkralen Bereich den Hinweis fiir den Dreifuß als Zeichen für diese Priesterschaft. So ist z.B. die Grabfassade des dort inschriftlich erwähnten consularen Quindecimvir s. f. P. Clusius Maximus Paulinus mit einem großen Dreifuß geschmückt. — FUHRMANN 1941, 460 ff. Abb. 58; SCHNEIDER 1986, 70 Anm. 415.

80 Vgl. auch den Denar (Mü 45) aus dem gleichen Jahr, der die gleiche Reverse aufweist. Lediglich die Umschrift der Averse unterscheidet sich ein wenig von der des Aureus (Mü 46). 81 RE XXIV (1963) 1139. — Vgl. auch Serv. Aen. 3, 332: „hodieque quindecimvirorum cortinis delphinus in summo ponitur ut pridie quam sacrificium faciunt, velut symbolum delphinus circumfertur". 82 Zu den Priesterämtern des Vitellius: Tac. hist. 3, 86, 1; Suet. Vit. 5, 1. — RE S IX (1962) 1709 s.v. Vitellius (Hanslik); ZWIERLEIN-DIEHL 1980, 409; K.IENAST 1990, 106 f. 8 3 GOETTE 1 9 8 4 , 5 8 2 f.; HOLLSTEIN 1 9 9 3 , 181 ff. 186.

84 Zur historisch-politischen Einordnung der Münze vgl. WALLMANN 1989, 34 ff. 8 5 BARDT 1871, 31 ff.; WLSSOWA 1902, 3 5 7 . 4 4 6 ; R E II A 2 ( 1 9 2 3 ) 1552 ff. s.v. S e p t e m v i r i ( K l o t z ) ; HOFFMAN LEWIS 1 9 5 5 , 9 2 f f . ; LATTE 1 9 6 0 , 2 5 1 . 3 9 8 f.; MUTH 1 9 8 8 , 2 9 7 f.

136

5 Priestergeräte und Insignien

fices, der Auguren und der Quindecimviri an.86 Die Bedeutung des vierten Zeichens ist aus seinem Tatenbericht (gest. 7) zu erschließen, wo er seine Zugehörigkeit zu den einzelnen Ämtern nennt: ,j>ontifex maximus, augur, XVvirum sacris faciundis, VHIvirum epulonum, frater arvalis, sodalis Titius, fetialis fui." Pontifikat, Augurât und Quindecimvirat gehören zu den vier großen und wichtigsten Priesterkollegien; alle diese haben wir bereits hinsichtlich ihrer Amtssymbole erläutert. Da auch die Septemviri epulones dazugehören, dürfte dieses Kollegium durch das verbliebene Gefäß, die patera, versinnbildlicht werden. Da die Septemviri epulones mit der Ausrichtung des Ludorum epulare sacrificium, des Speiseopfers für Iuppiter bei den Ludi Romani und Plebeii87 betraut waren, erklärt sich die Schale als Emblem. Daß dieses Speiseopfer sinnvollerweise auf einer patera lag, ist nicht auszuschließen, zumal beispielsweise im einfachen häuslichen Kult die Götter mittels der patera bewirtet wurden.88 Die Häufung von 'Tracht- und Insignien'-Zeichen wird auf Münzen, Medaillons und auch Gemmen weiter fortgeführt und ist insbesondere in der Kaiserzeit anzutreffen. Seit Augustus waren die Imperatoren, seit dem Jahr 51 n. Chr. erstmals mit Nero auch die Caesares, Mitglieder aller, zumindest aber der vier großen Priesterkollegien. Daß die o.g. Bildträger dann als 'Gedenkprägungen' der Prinzen und Kaiser an die Aufnahme in die Kollegien erinnern sollten, ist eindeutig.89 Diese Tradition ist bis in das 3. Jh. hinein zu verfolgen und endet ab Mitte des Jahrhunderts mit den Prägungen des Herennius Etruscus und des Traianus Decius in den Jahren 250-251 (Mü 82).

86 Diese Münze ist als Hinweis auf die Aufnahme des Augustus in das Kollegium der Septemviri e p u l o n e s a n z u s e h e n ; v g l . SIMON 1 9 9 3 , 6 1 . — ZANKER 1 9 8 3 , 3 2 m i t A n m . 4 7 d a g e g e n s i e h t d i e

Münze im Zusammenhang mit den Vota (Opfer und Spiele für die Gesundheit des Actium-Siegers) von Actium, die reihum von den verschiedenen Priesterkollegien - im Jahre 16 v. Chr. von den Septemviri epulones - ausgerichtet werden mußten. 8 7 SCULLARD 1 9 8 5 , 2 6 2 ff. 2 7 6 ff. 8 8 SIMON 1 9 5 3 .

89 Folgende Beispiele mögen der Illustration dienen. Mü 43-44 (51 n. Chr.): Aureus und Denar von Claudius für Nero. — Mü 4 7 ^ 9 (70-71 n. Chr.) und Mü 51-53 (74 n. Chr.): Darstellung der Priesterämter des Vespasian. — Mü 54-56 (97 n. Chr.): Nerva. — Mü 57-58 (125-128 n. Chr.): Hadrian. — Mü 60 (139 n. Chr.): Antoninus Pius. — Mü 64 (139 n. Chr.): Marcus Aurelius. — Mü 67 (196/7 n. Chr.): Caracalla. — Mü 71-73 (198-200 n. Chr.): Geta. — Mü 74-75 (221-222 n. Chr.): Severus Alexander. — Mü 76-79 (236/37 n. Chr.): Maximinus für Maximus. — Mü 80-81 (238 n. Chr.): Balbinus und Pupienus für Gordian III.

6 Zeremonialschmuck

Zum Opfer gehört unbedingt eine Gruppe von Gegenständen, die sich auf das kultische Umfeld beziehen. So wie der Mensch durch besondere Kleidung, Reinheitsvorschriften und bestimmte Verhaltensweisen der res sacra Ehrerbietung erweist, finden sich für Tiere, Kultmale und -gebäude besondere Formen kultischen Schmucks. Im folgenden soll insbesondere auf den Schmuck der Tiere' eingegangen werden. Für die anderen Bereiche, wie den Schmuck an Altären oder Gebäuden, liegen bereits ausführliche monographische Abhandlungen vor, die es erlauben, an dieser Stelle lediglich darauf zu verweisen.2

6.1 Die ínfula Die Wollbinde (ínfula) ist neben den Girlanden3 das gängigste Schmuckutensil, das im kultischen Bereich Verwendung findet. Bei vielerlei Gelegenheiten wird sie benutzt und ist nicht auf bestimmte Einzelfälle festgelegt, sondern dient gleichermaßen als Schmuck für Tiere und kultische Gegenstände.4 So hängen infulae z.B. häufig an den Bukranien seitlich von den Hörnem herab, wobei dies sicherlich auf den Stier in

1

Schon bei Homer (Od. 3, 432-438) ist belegt, daß das Schmücken der Tiere ein gängiges Kultritual in der Antike war. — Siehe auch BURKERT 1972, 10 mit Aran. 9; BURKERT 1990, 21. Dieser Brauch ist nicht allein auf die Antike festgelegt, sondern findet sich in gewisser Hinsicht auch heute noch im modernen Mitteleuropa z.B. in Form der buntgeschmückten 'Pfingstochsen'; vgl. dazu JAHN 1884, 136 f. (bekränzte Rinder). 315 ff. (Blumenkranz auf dem Kopf des Rindes; Horner mit Gold und Silber belegt; Zitrone auf Hörnerspitzen; Blumen und bunte Bänder hingen am Schwanz).

2

Siehe die Untersuchungen von DRÄGER 1994 und BÖSCHUNG 1987.

3

Zur Entwicklung der Girlande in Plastik und Malerei des Hellenismus und der Kaiserzeit siehe: NAPP 1930. Weiterhin auch TuRCAN 1971, 92 ff.; RAC 11 (1981) 1 ff. s.v. Girlande (Turcan).

4

Fest. 113 M. 100 L.; Vano ling. 7, 24; Verg. georg. 3, 486-489.

138

6 Zeremonialschmuck

natura zu beziehen ist, der vor seiner Opferung mit Binden versehen worden war. 5 Auch Geräte waren in dieser Form geschmückt, beispielsweise die turibula der Zwischenreliefs am Trajansbogen von Benevent (E 3).6 Möglicherweise ist die sog. Astragalbinde (s.u.) auf dem Relief mit dem Opferdiener auf der sog. 'Ara Pietatis' (I 5a) als Schmuck des canistrum zu verstehen und nicht mit der Tracht dieses Opferdieners zu verbinden. Auch sakrale Gebäude konnten mit Binden geschmückt werden, ebenso das Hochzeitshaus 7 . Daneben ist die ínfula Trachtbestandteil der Priester 8 , wobei die Vestalinnen sie als ständige Kopfbedeckung tragen und niemals ablegen. 9 Bei Priesterinnen und Priestern wird die Binde diademartig um den Kopf getragen, wobei beiderseits hinter den Ohren Bänder oder Quasten herabhängen. Bisweilen kann sie auch mit anderen Trachtbestandteilen kombiniert werden, z.B. mit dem Ährenkranz 10 der Arvalbrüder, wie ein Porträt des Marcus Aurelius verdeutlicht. 11 Die Quellen beschreiben die ínfula als zweifarbige, aus roten und weißen Fäden gedrehte Wollbinde. 12 Daneben ist die in einzelne Segmente untergliederte, allgemein als Astragalbinde bezeichnete Variante bekannt, die allerdings in dieser Form nicht in den Quellen beschrieben wird, nach Ausweis des Bildmaterials jedoch sehr häufig wiedergegeben wird.

5

Im Bildmaterial siehe z.B.: D 2. 4 | F 1 | G 1. 4.

6

HASSEL 1 9 6 6 , T a f . 6 f.

7

Lucan. 2, 355; Plin. nat. 29, 30; Serv. A en. 4, 458.

8

FREIER 1 9 6 5 , 7 1 ff.

9

Besonders gut erkennbare Beispiele für infulae bei Vestalinnen: sog. 'Cancelleria-Relief B, Rom, Mus. Vat., Inv. 13392-95 (domitianisch); MAGI 1944, 106 ff. 115 ff. Taf. IV; GREIFENHAGEN 1967, 6 f.; KOEPPEL 1984, 31 ff. Nr. 8. — Büste einer Vestalin, Florenz, Uffizien, Inv. 1914. Nr. 150 (trajanisch); MANSUELLI 1961, 96 Nr. 109; JUCKER 1961a, 93 ff. Taf. 28-29. — Statuenfragment einer Vestalin, Rom, Mus. Naz., Inv. 639 (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.); VAN DEMAN 1908, 324 ff. Fig. 15; MNRom 1,1, 269 f. Abb. 165.

10 Siehe Kap. 5.1.2, S. 128 f. 11 Plin. nat. 18, 2, 6. — Büste des Marcus Aurelius, London, Brit. Mus.: vgl. ALFÖLDI 1979, 581 Taf. 37, 2. 12 Diese tordierte Struktur der Wollbinde finden wir möglicherweise an drei Vestalinnenköpfen im Antiquarium auf dem Palatin wieder. Bei der Drapierung der fünf sichtbaren um den Kopf gelegten Wülste muß bedacht werden, daß die Beschaffenheit der sog. 'sex crines' bei diesen Priesterinnen noch nicht gänzlich geklärt ist und somit u.U. auch besagte Frisurform vorliegen könnte. — V g l . DRAGENDORFF 1 8 9 6 , 2 8 6 ; KOEPPEL 1 9 8 6 , 4 3 N r . 2 0 A b b . 2 3 f.; s i e h e a u c h SIEBERT

1995, 77 ff.

6.2 Die dorsualis

139

Das Verhältnis bzw. der Unterschied zwischen ínfula und vitta ist eindeutig geklärt.13 Häufig wird der Begriff 'vitta ' synonym ftir die gesamte Wollbinde verwendet, wobei die vittae eher die Enden (d.h. Quasten; Fransen) bezeichnen. Gerade in der Dichtersprache fallt dieses Phänomen auf.14 Die archäologischen Bildquellen weisen analog zu den Schriftquellen daraufhin, daß infulae insbesondere ein Schmuckutensil der Opfertiere gewesen sind. Werden dorsualis und frontalium nur eingeschränkt für bestimmte Tiere verwendet (s.u.), ist die Schmuckbinde gleichermaßen für Stiere, Schweine und Schafe benutzt worden.15 Ihnen wird die Binde in den meisten Fällen vom über die Stirn gelegt, den Stieren oftmals um die Hörner gewunden (A 12; Taf. 2a\ I 6c; O 1), was besonders gut erkennbar ist; bei Schwein und Schaf wird sie an den Ohren befestigt.

6.2 Die dorsualis Die dorsualis'6, abgeleitet von dem lateinischen Ausdruck dorsum (Rücken), ist ein Schmuckband bzw. eine Schmuckdecke' 7 von variierender Breite und Länge zur Zier des Tierrückens. Meist handelt es sich um ein gerändertes Tuch, das in Fransen18 oder Quasten" endet und zu beiden Seiten des Körpers herabhängt. Das Tuch selbst kann schlicht gearbeitet oder teilweise recht aufwendig mit ornamentalen oder vegetabilen Mustern verziert sein. Die wenigen Quellen nennen nur Seide als Material (S. H. A. Gall. 8, 2), aber genauso werden auch Wolle oder Leinen als gängige Textilmaterialien der Antike verwendet worden sein. Die dorsualis schmückte nur kurzhaarige Tiere, nämlich Schweine und Rinder, da man das Vlies der Schafe als ausreichende Zierde erachtete. 13 STAFFHORST 1965, 1-3. Siehe auch BOMER 1986, 292 zu OV. met. 15, 130. 14 SysKat. 77 (ínfula). 15 Stiere: A 11. 17 | D 1 | E 2 | F 7. 8 11 6. 14 | J 1 | O 1. — Schweine: F 7. 8. — Schafe: F 7. 8. 16 SysKat. 75 (dorsualis). 17 In ihrer Untersuchung zu den Pompae der Kaiser Gallienus und Aurelianus, wie sie in der Historia Augusta beschrieben werden, setzt MERTEN 1968, 68 die dorsualis mit vitta und ínfula gleich. Von dieser Aussage ist allerdings Abstand zu nehmen, da für die beiden Begriffe deutlich unterschiedliche Aufgaben beschrieben sind. 18 E 2. 3 I F 6 (Szene VIII, LXXXVI, CH, CHI). 8 | O 1. 19 Opferzugfragment 'Ravenna-Relief. Ravenna, Mus. Naz. — HIMMELMANN 1989, 239 Abb. 22b.

140

6 Zeremonialschmuck

In den Quellen begegnet der Begriff 'dorsualis' nur als Hapaxlegomenon in der Gallienus-Vita der Historia Augusta; trotzdem wurde 'dorsualis ' in der archäologischen Forschung namengebend für diese spezielle Art des kultischen Schmucks bei Opfertieren.20 Allerdings wird der Begriff nicht nur für Schmuckdecken angewendet, die nachweislich der späten Kaiserzeit angehören, sondern für alle Schmuckformen dieser Art. Die archäologischen Quellen liefern ein sehr viel anschaulicheres Bild vom Aussehen dieser Decken. Durch die gesamte Kaiserzeit hindurch finden sich verschiedenartig gestaltete Beispiele nebeneinander. Für die republikanische bis augusteische Zeit kann festgehalten werden, daß unverzierten dorsuales der Vorrang eingeräumt wurde. Der Stier auf dem sog. 'Census-Relief der Domitius-Ara (J 1 ; Taf. 12) trägt ein schlichtes Schmuckband, das nur durch eine schmale 'Randprofilierung' ein wenig abgesetzt wird. Zu bedenken ist allerdings, daß das Band bei all seiner Schlichtheit farblich abgesetzt oder komplett bemalt gewesen sein kann, wovon bei allen Reliefs ausgegangen werden muß. Zudem wird das Band sehr eng, wie ein Gürtel, um den Körper herumgeführt und hängt weder, wie bei anderen Beispielen, seitlich herunter noch endet es in Quasten oder Fransen. Vergleichbar mit obigem Beispiel wäre der Rückenschmuck des Stieres auf einem Relief aus der hadrianisch-antoninischen Zeit (A 17). Auch hier ist das Band wie ein enganliegender Gürtel um den Tierleib gelegt; es ist vollkommen schlicht gearbeitet und nur durch eine leichte Randprofilierung untergliedert. Ähnlich sehen die Schmuckbänder der in der Pompa triumphalis mitgeführten Stiere auf dem Fries des Apollo-Sosianus-Tempels ( D l ) aus. Auch sie sind verziert und wie ein Gürtel um den Körper gelegt. Im Gegensatz zum Beispiel der Domitius-Ara (J 1) und dem hadrianischen Opferrelief (A 17) erscheinen die dorsuales hier allerdings nicht profiliert gerahmt.

20 Durch diese besondere Stellung in den Quellen war MERTEN versucht, eine interessante etymologische, wenn auch auf tönernen Füßen stehende Erklärung fur die Verwendung des Begriffs zu finden: im Mittelalter taucht die dorsualis im christlich-kirchlichen Wortschatz erstmals wieder auf, wo es im 5. Jh. synonym mit dem Pallium als Insigne des Bischofs erscheint. Dieses Pallium wurde bei Prozessionen vom Bischof um den Hals getragen. MERTEN sieht in der Verwendung des Begriffs dorsualis fiir die Schmuckdecken der römischen Opfertiere eine Begriffsübertragung eines dem Autoren gängigen Wortes auf eine ihm bekannte Sache, die er aber nicht mit ihrem eigentlichen Namen benennen konnte; MERTEN 1968, 68 ff. — Vgl. auch Lexikon des Mittelalters III (1984-86) 1325 s.v. Dorsale (v. Wilckens); VI (1993) 1663 f. s.v. Pallium (Kranemann).

6.2 Die dorsualis

141

Mit dem Übergang von der augusteischen zur tiberischen Zeit setzt in der Bildkunst scheinbar ein Wandel in der Darstellung der Schmuckbänder für Tiere ein. Diese werden nun verziert, hängen länger an den Körperseiten der Tiere herunter oder enden in Fransen oder Quasten, wie es in den Quellen beschrieben wird. Zu den häufigsten Verzierungselementen zählen Rankenfriese oder Rechteckmäander, in deren Füllungen sich Rosetten u.ä. befinden. Auf den im Louvre befindlichen Reliefs der nachaugusteischen Zeit, die ein Entsühnungsopfer (I 3) und eine Stierführung (14) zeigen, sind beide Formen vertreten. Der Stier des Suovetauriliums trägt ein relativ kurzes Schmuckband locker über den Rücken gelegt ist. Es ist mit einem Rechteckmäander und Blüten in den Füllungen verziert und läuft leicht spitz zu. Wider Erwarten ist das Schwein bei diesem Opfer nicht mit einem Band geziert.21 Auf dem Relief I 4 trägt der zweite Opferstier ein rankenverziertes Band. Ähnlich ornamentiert wie dieses Band ist auch die dorsualis des Stieres auf einem etwa zeitgleichen Relieffragment mit der Darstellung eines Opferzuges 22 . Hier läuft das Band spitz zu und wird wohl in einer Quaste geendet haben, wie das kugelförmige Element unterhalb des Stierbauches andeutet. Die vegetabilen Ornamente beider dorsuales erinnern an jene Ranken, die die Umfassungsmauer der Ara Pacis schmücken. Zwar läßt sich der Aufbau der einzelnen Pflanzengebilde nicht exakt auf die Schmuckbänder der Stiere übertragen, doch ist das Grundschema in jedem Fall erkennbar: die Entwicklung der Ranke aus einem Akanthuskelch mit zwei senkrecht übereinanderliegenden Einrollungen. 23 So wie dem Rankenmotiv der Ara Pacis eine besondere Bedeutung zugrunde liegt, mag auch fur die dorsualis ein eigener Sinnzusammenhang abgeleitet werden.

T H . KRAUS

sah in den Ara-Pacis-Ranken „die wirkliche Natur, die den heiligen Bezirk umgibt und ihn wie eine Hecke [...] gegen die Außenwelt schützend abgrenzt. [...] So verschmolz hier der entwerfende Meister das Bild der Natur mit einer durch lange Tra-

21 Suovetaurilium am Bogen von Susa (E 1); Rückseitenreliefs der Anaglypha Traiani (F 7); Suovetaurilium Trajanssäule, Szene CHI (F 6); Decennalienbasis (F 8a): Stier; dorsualis des Schweins allerdings unverziert und nur profiliert gerahmt. 22 Möglicherweise zum sog. 'Ravenna-Relief gehörend. Ravenna, Mus. Naz. — HIMMELMANN 1989, Abb. 22b. 2 3 K R A U S 1 9 5 3 , 9 f f . A b b . 1.

142

6 Zeremonialschmuck

dition gleichsam geheiligten Form des Pflanzenornamentes, um sozusagen die Feierlichkeit zu steigern." 24 Die Übertragung einer solchen Interpretation der Rankenmotivik auf andere für den Kult wichtige Gegenstände kann eine mögliche Erklärung dafür sein, warum diese Verzierungselemente seit der nachaugusteischen Zeit auch bei zunächst unscheinbar anmutenden kultischen Gegenständen immer öfter Verwendung fanden. Vielleicht sollte somit dem Tier zusätzlich eine besondere sakrale Aura verliehen werden, neben der schon bestehenden Weihung und der kultischen Schmückung. Andererseits bietet sich ein fortlaufendes Rankenmotiv zur Verzierung eines langrechteckigen Untergrundes prinzipiell an, wie es aus der Bauornamentik bekannt ist. In der nachfolgenden Zeit bis in das 4. Jh. n. Chr. hinein ändert sich die Dekorform der Schmuckdecke nicht. Ranken- und Mäandermotive werden weitergeführt: der Gebälkfries des Beneventer Trajansbogens (E 3a) vereinigt beide Versionen, wobei der Rechteckmäander 25 noch die gleichen Formen aufweist wie das Suovetaurilienrelief im Louvre (I 3). Teilweise kommen andere Motive hinzu, die sich, wie die anderen Muster auch, an der langrechteckigen Form des Gegenstandes orientieren. Die profiliert gerahmten dorsuales auf der sog. 'Ara der Vicomagistri' (I 14) sind mit Quadraten geschmückt, in deren Mitte teilweise buckelformige Elemente konzentrisch eingefügt sind. Die dorsualis des Reliefs aus Grumentum (A 22) aus dem Ende des 3. Jhs. weist kreisförmige Musterelemente in stark stilisierter Manier auf. Eine völlig andere Struktur besitzt die dorsualis des Stieres auf einem vermutlich kaiserzeitlichen Altar in Kopenhagen (I 27). Es handelt sich um eine aus fleischigen Blättern oder Zweigen zusammengesetzte Girlande, wie sie auch den in der Opferszene verwendeten Altar schmückt; hier liegt einer der Fälle vor, bei dem gleichermaßen Kultgerät (sc. Altar) und Tier mit denselben, einfachen Mitteln geschmückt werden. Die Schweine des Suovetaurilien-Zuges in den Szenen VIII-IX der Trajanssäule (F 6) sowie des Lustrationsreliefs am Konstantinsbogen (E 5a) tragen aus Blättern geflochtene dorsuales.

24

1 8 f.; siehe auch S I M O N 1 9 6 7 , 1 2 f. 3 1 : Hauptbedeutung der Rankenfriese ist der symbolische Hinweis auf das 'Goldene Zeitalter' (aurea aetas) mit ihrer alle Lebensbereiche berührenden Fülle; vgl. L'ORANGE 1962, 7-16. — Zur Frage der 'Abgrenzung' von sakralem gegen profanen Bezirk siehe: B O R B E I N 1 9 7 5 , 2 4 4 f. — Zur Deutung der Ornamentik der Ara Pacis siehe neuerdings: C A S T R I O T A 1 9 9 5 . KRAUS 1953,

25 Linke Nebenseite (Nord-West) und Landseite (Nord-Ost).

6.3 Das frontalium

143

Schmuckdecken oder deren Ornamente lassen sich so von ursprünglich natürlichen Materialien wie Blattgirlanden ableiten, wodurch die häufige Verwendung von vegetabilen Ornamenten auf den Decken erklärt ist. Daß bei feierlichen kultischen Handlungen vegetabile Materialien zum Schmuck von Tieren 26 Verwendung fanden, beweist das sog. 'Zwei-Stiere-Relief im Louvre (A 18). Anstatt der sonst üblichen infulae trägt der rechte Stier eine Blütengirlande als Schmuck an Hörnem und Stirn.

6.3 Das frontalium Ein feierlicher Schmuckbestandteil ganz anderer Art findet sich nur bei zum Opfer geweihten Stieren. Es handelt sich dabei um eine metallene, vielleicht sogar vergoldete Stimplatte, die den Tieren zwischen die Hörner gesetzt wurde. Da die Antike für diese Form des Kultschmucks keinen eigenen, allgemeingültigen Begriff kennt, muß auf Hilfskonstruktionen zurückgegriffen werden. Zwei mögliche Benennungen können aus anderen Verwendungsbereichen in Betracht gezogen werden. Das frontalium27 ist das in der Reiterei verwendete Stimblatt, das sowohl zum Schmuck als auch zum Schutz der Pferde diente.28 Einen vagen Hinweis auf die Verwendung dieser Schmuckplatten in einem kultischen Kontext bietet Kallixeinos in seiner Beschreibung 29 der Prozession des Ptolemaios Philadelphos im Jahre 285 v. Chr. Hier nennt er das π ρ ο μ ε τ ω π ί δ ι ο ν , den griechischen Ausdruck fur frontalium. In der Prozession wurden 2000 Stiere mitgeführt, deren Hörner vergoldet waren und auf deren Stirn sich goldene Schmuckplatten befanden. Dieser Hinweis ist besonders wichtig, da der eigentliche kultische Schmuck für Tiere, sowohl in Griechenland als

26 Daß Girlanden zu jeder Zeit als Schmuck von Gebäuden oder Altären verwendet wurden, beweisen allein die zahlreichen Girlandenfriese, die als immerwährende steinerne Umsetzung dieses Schmucks gegenüber dem vergänglichen betrachtet werden müssen. 27 Eigentlich ist dieser Begriff in Form von 'frontalia ' ein Pluraletantum neutrum. Er wird jedoch im folgenden im Singular angewendet. — Siehe auch SysKat. 76 {frontalium / lamina). 28 DAREMBERG-SAGLIO II.2 (1896) 1342 f. s.v. Frontale (Lafaye). — Griech. προμετωπίς: das Stimblatt; Kallix. bei Ath. 5, 202 Α. προμετωπίδιον: Stirnband, bes. eiserne Bedeckung der Stirn des Kampfrosses; Xen. Kyr. 6, 4, 1; 7, 1,2. 29 Kallix. bei Ath. 5, 202 A. — Ausführlich: RJCE 1983, 110 ff.

144

6 Zeremonialschmuck

auch in Rom, eigentlich aus Bändern (infulae) bestand 30 , wobei vergoldete Hörner 31 für Opfertiere durchaus üblich waren. Bei Heranziehung dieser Textstelle muß bedacht werden, daß es sich bei der von Kallixeinos beschriebenen Prozession um eine dem hellenistischen Bereich entstammende dionysische Feier handelt, die sicherlich nicht ohne weiteres auf Phänomene des römischen Staatskultes zu übertragen ist. Die lamina ist ebenfalls als Schmuckplatte für Opfertiere bekannt. Jedoch ist der Begriff in diesem speziellen kultischen Bedeutungszusammenhang nur im Kommentar zur Aeneis (Serv. Aen. 5, 366) zu finden: „velatum, id est coronatum. tem, quia soient habere laminas quasdam

'auro ' au-

[...]."

Da der Vergleich mit den Stirnplatten der Stiere aus dem dionysischen Opferzug eine einleuchtende Erklärung bietet, das griechische π ρ ο μ ε τ ω π ί ς / π ρ ο μ ε τ ω π ί δ α ς mit 'frontalium' übersetzt werden kann und außerdem ausdrücklich für Stiere genannt wird, ist der Bezeichnung 'frontalium'' für die kultischen Stirnplatten der Tiere gegenüber 'lamina' der Vorzug zu geben. Wenn auch in den Quellen keine eindeutige und gänzlich zufriedenstellende Bezeichnung für diese besonderen Schmuckplatten zu finden ist, so ist ihr Gebrauch in den Aufzeichnungen der Arvalbrüder dennoch belegt; denn cornua auro iugata32 und B(oves) F(eminas) A(uro) IUNCT(as)33 werden genau diesen Umstand gemeint haben. Die Form der Stirnplatte kann nur über die Bildquellen erschlossen werden, da sich die literarischen Zeugnisse außer zur Nennung des Begriffs in keiner Weise äußern. Die Form der Platten variiert zwischen dreieckig, halbmond- oder peltaförmig. Teilweise scheinen sie auch ornamental verziert gewesen zu sein. Die Beispiele für die dreieckige Version sind im Verhältnis häufiger anzutreffen als die übrigen. Gerade in der frühen Kaiserzeit finden sich noch stark an die geometrische Grundform angelehnte Exemplare. Die beiden profilgerahmten Stirnplatten der Stiere vom Fries des Apollo-Sosianus-Tempels ( D l ) weisen eine sehr einfache Struktur auf, die ganz dem schlichten, klaren Charakter dieses Frieses entspricht.

3 0 BÖMER 1 9 7 6 , 2 4 3 z u O v . met.

7, 161.

31 Vergoldung der Hörner von Rindern bei besonders feierlichen Opferzeremonien: Plin. nat. 33, 39; Ov. met. 7, 161; Verg. Aen. 5, 366; 9, 624; 9, 627; georg. 1, 219; Liv. 25, 12, 13 (bei Ziegen); Horn. II. 10, 294; Od. 3, 384; 3, 426. 437; Paneg. Mess. 15. — Inschriften: Act. Arv. a. 86 (CIL VI.l 2064, Z. 3). — Siehe BÖMER 1976, 2 4 3 z u O v . met. 7, 161; 10, 112. 32 S. H. A. Gall. 8, 2. 33 Act. Arv. a. 224 (CIL VI. 1 2107, Ζ. 7 f.).

6.3 Das frontalium

145

Das nächst jüngere Beispiel findet sich auf dem sog. 'Tiberius-Becher' (O 1). Neben der klaren dreieckigen, profilgerahmten Form ist dieses frontalium insgesamt aufwendiger gestaltet. Die untere Profilleiste ist zudem durch ein Perlband angereichert3'1; die obere Spitze wird durch einen knaufartigen Abschluß bekrönt. Auf der tympanonähnlichen Innenfläche befindet sich ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln. In seiner Grundform zwar noch immer dreieckig, nun aber durch stärker geschwungene Linien ausgezeichnet, ist das frontalium der Stierführungsszene von der sog. 'Ara Pietatis' (I 6c). Über der an den Seiten zu kleinen Voluten sich einrollenden Grundleiste, die am oberen Rand durch ein kleines Perlband abgesetzt ist, erhebt sich das nach innen gebogene, ebenfalls mit Perlband versehene Oberteil. Die angestumpfte Spitze wird ebenso wie die seitlichen Perlbänder von zwei rosettenförmigen Blüten geziert. Im 'Tympanon' befindet sich eine aus sieben schmalen Blättern zusammengesetzte Palmette. Nach Aussage der Bildquellen scheint die Abbildung dreieckiger frontalia mit dem des Stieres auf der Nord-Ost-Seite des Beneventer Trajansbogens (E 3a) abzubrechen und erst wieder mit der antoninischen Epoche, vorzugsweise auf Sarkophagen, einzusetzen. In dieser Zeit sind auch die 'Tympana' im Idealfall nur profilgerahmt und höchstens mit emblemähnlichen, kreisförmigen Elementen versehen (K 9. 10. 16). Etwas anders gestaltet ist das frontalium des Stieres auf der Decennalienbasis (F 8a). Der untere Teil der Platte ist halbkreisförmig geschwungen und profiliert gegen das Oberteil abgegrenzt. Dieses läuft dreieckig in geschwungenen Konturen nach oben hin zusammen. Aus flavischer Zeit stammen die beiden Beispiele für peltaförmige frontalia. Besonders aufwendig gestaltet ist die Platte des Stieres auf dem sog. Opferrelief 'Mattel' im Louvre (A 12; Taf. 2a). Scheinbar ohne jede Halterung sitzt die Platte mit der geschwungenen Unterseite auf der Stirn auf. Nach oben hin rollen sich ihre Enden leicht ein. Der Profilrand ist mit einem kleinen Lochmuster versehen, das den Eindruck vermittelt, als lägen Nietlöcher vor. Die Innenfläche zieren zwei Lilien, die aus den Zwickeln erwachsen; vom Oberrand hängt eine Palmette herab. Das frontalium eines Stieres35 vom Titusbogen (E 2) war pelta- vielleicht sogar halbkreisförmig gestaltet, was aufgrund seines Erhaltungszustandes nur schlecht zu

34 Ebenfalls profilgerahmt und mit einem knaufähnlichen Abschluß versehen ist das frontalium eines Stieres auf einer kleinformatigen Bronzeapplik aus Ungarn (Szombathely, Savaria Mus., Inv. 543562). — Vgl. R O N K E 1994, 378 f.; K R E I L I N G E R 1996, 77 f. 199 Kat. 196 Taf. 41. 35 Nr. 30 nach

PFANNER

1983, 84.

146

6 Zeremonialschmuck

erkennen ist. Es sitzt mit einer breiteren Unterseite auf der Stirn auf, wobei diese, der Kopfform folgend, nach innen geschwungen gewesen sein könnte. An den Seiten rollen sich die Enden ein. Des weiteren ist zu erkennen, daß dieses Stück in 'àjour-Technik' (Durchbruchsarbeit) gestaltet war.

7 Chronologie und Vorbilder

An dieser Stelle ist die Frage nach möglichen Vorbildern oder Vorläufern in der Darstellung von Opfer-, Kult- und Priestergeräten nötig. Wichtig ist dabei immer zu berücksichtigen, daß wir stets mit zweierlei Darstellungsebenen dieser Geräte zu rechnen haben: mit der szenischen Wiedergabe, die die Geräte im Zusammenhang mit kultischen Handlungen zeigt, und der singulären Darstellung, die die Geräte ohne den szenisch-kultischen Hintergrund wiedergibt. Für die erste Form wäre es möglich, nach Vorbildern in der griechischen Kunst zu suchen, die aufgrund vergleichbarer Kultformen ähnliche Ikonographien gebildet haben könnte. Die Darstellung von Kultgeräten insbesondere in der römischen Staatskunst setzt konsequent an der Wende vom 2. zum 1. Jh. v. Chr. ein, eine Feststellung, die für beide oben angesprochenen Darstellungsebenen zutrifft. Bezogen auf die in dieser Untersuchung behandelten Denkmäler nehmen diejenigen aus der republikanischen Zeit bis zu Augustus rund 7 % ein. Daran schließen sich mit 59 % diejenigen an, die in die Phase 'Augustus bis Ende 1. Jh. n. Chr.' zu datieren sind; schließlich verteilen sich auf den Zeitraum vom 2. bis zum 4. Jh. n. Chr. ca. 34 % der Denkmäler. Über die Jahrhunderte hinweg lassen sich keine wesentlichen Darstellungsveränderungen - auch beim Gebrauch - der einzelnen Kult- und Priestergeräte feststellen.1 In den Opferszenen der römischen Kunst finden sich immer die gleichen Typen von Opfernden und Opferpersonal. Sie setzen sich aus einem wiederkehrenden Spektrum vorhandener Figurentypen zusammen und beziehen sich jeweils auf be-

1

Die unterschiedliche Wiedergabe einzelner Geräte wie z.B. der acerrae hinsichtlich der Verwendung von Füßchen in schlichter Form oder als Löwenklauen oder die Gestaltung von Wand und Deckel ist in erster Linie als spezieller Stil des einzelnen Denkmals zu verstehen. Wenn das gesamte Denkmal sehr detailgetreu (bei szenischen Wiedergaben) oder großflächig (bei Friesen mit viel Platz für das einzelne Gerät) dargestellt ist, dann wird in der Regel auch auf die besondere Ausführung der Geräte Aufmerksamkeit verwendet.

148

7 Chronologie und Vorbilder

stimmte Abschnitte des Opfervorgangs.2 Diese werden lediglich im Verlauf der kunstgeschichtlichen Entwicklung umgeformt. Im Hinblick auf die Ausprägung bestimmter 'Dienertypen' und scheinbare Abhängigkeiten von griechischen Vorbildern muß darauf verwiesen werden, um mit den Untersuchungsergebnissen von F. FLESS ZU argumentieren, daß aufgrund diverser Gemeinsamkeiten in der Kultpraxis die Darstellung griechischer und römischer Opferszenen ähnliche oder gleiche Formen ausbildet.3 So lassen sich beispielsweise die Flötenspieler nur bezüglich Armhaltung und Darstellung der Flöte vergleichen, da die Handhabung des Instrumentes keine andere Möglichkeit zuließ; die Opferdiener, die die Tiere führen, sind nur hinsichtlich ihres Bewegungsmotives miteinander zu vergleichen. Sucht man für die römische Repräsentationskunst nach Vorbildern oder Vorläufern in der Darstellung singulärer Kultgeräte, so wird man feststellen, daß die griechische Kunst diese Form der Wiedergabe nicht kennt. Darstellungen von Schalen, wie z.B. am Siphnierschatzhaus in Delphi können nur als Ausnahme betrachtet werden. Die griechische Bildsprache nennt Kultgeräte nur im direkten Zusammenhang von Opferszenen. Sie werden eingebunden in den Ablauf der Handlung wiedergegeben, stehen aber nie als pars pro toto für den gesamten Opferablauf. Verkürzte Wiedergaben kultischer Abläufe finden sich, werden aber als ikonographisches Versatzstück aus einem Szenenkomplex herausgenommen und geben zum Beispiel das Spendeopfer am Altar wieder. Einzelne Geräte werden zum Symbol für bestimmte Handlungen oder deuten ganz allgemein das Thema 'Opfer' an, sie werden aber nie singulär abgebildet. Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen ist das κάνουν, der griechische Opferkorb, der alle wichtigen zum Vollzug von Opfern benötigten Uten-

2

BRENDEL 1 9 3 0 , 1 9 6 ff.; RODENWALDT 1935, 9 ff.; SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 190 f f . ; HÖLSCHER

3

FLESS 1995, 88 ff. argumentiert fiir eine gewisse Unabhängigkeit der Opferszenen und Opferdienertypen des römischen Bereichs von möglichen griechischen Vorbildern. Sie weist nachdrücklich daraufhin, daß differenziert werden muß zwischen formaler und inhaltlicher Abhängigkeit der römischen Figurentypen von den griechischen und daß zu prüfen ist, ob es sich um parallele Darstellungsweisen in der Kultrealität handelt, die zur Ausprägung ähnlicher Typen geführt hat. Für eine Übernahme bestimmter 'Dienertypen' aus dem griechischen Kunstkreis spricht sich FRÖHLICH 1991, 114 ff. aus. Man sollte jedoch eher, wie FLESS, darauf verweisen, daß zwar von Ähnlichkeiten gesprochen werden kann, daß diese aber in gewisser Unabhängigkeit voneinander entwickelt werden können, da der Gebrauch von gewissen Geräten oder bestimmte kultische Handlungen bestimmte Haltungsschemata verlangen. Vgl. HIMMELMANN 1997, 56 ff. zur Gruppe der knienden Opferschlächter, die den Stier zu Boden drücken, während ein weiterer mit der Axt den tödlichen Schlag ausführt, als genuin römische Schöpfung der augusteisch-tiberischen Zeit.

1 9 8 0 , 3 1 7 ; RONKE 1 9 8 7 , 162 ff. 2 8 4 ff.; FLESS 1 9 9 5 , 87.

7 Chronologie und Vorbilder

149

silien enthält.4 Gerade in der Vasenmalerei wird er in den Händen von Opferdienern zur Chiffre fur das Voropfer; neben dem Altar abgestellt, weist er darauf hin, daß das Voropfer bereits abgeschlossen ist.5 Allein, ohne die konkreten kultischen Szenen, werden wir den Korb allerdings nie finden, wie z.B. in der römischen Kunst die Abbildung singulärer acerrae, die eindeutig ein Symbol für die Weihrauchspende sind. Die religiöse und gesellschaftliche Restauration unter der Herrschaft des Augustus und ihr Einfluß auf fast alle Bereiche des täglichen Lebens zieht in nahezu allen Kunstgattungen die Darstellung sakraler Symbole und kultischer Szenen nach sich.6 In augusteisch-tiberischer Zeit werden die Haupttypen, sowohl bei den Opferszenen als auch bei der singulären Darstellung von Kultgeräten eingeführt, in flavischer Zeit in vielfaltiger Weise fortgeführt. Im 2. Jh. stagniert die Entwicklung und ist zu keiner wirklichen Neu- oder Weiterentwicklung fähig. Typisch für die römische Kunstentwicklung und Darstellung kultischer Szenen ist, daß das religiöse Empfinden zur Ausprägung der immer gleichen Kompositionen führte. Weiterentwicklungen und Variationen sind nur dort zugelassen, wo konkret feststellbare Kultveränderungen dargestellt werden oder der Zeitstil das Kunstwerk beeinflußt. 7 Für die Opferszenen läßt sich nur bedingt eine Weiterführung im Sinne von Variation feststellen. Mit fortschreitender Zeit nimmt die realistische Darstellungsweise bis in die trajanische Zeit hinein immer mehr ab. Waren zu Anfang die Opfergeräte in ihrem Verhältnis zu den Opferdienern, von denen sie benutzt werden, realistisch wiedergegeben8, z.B. auf der Ara Pacis, verflacht bis zum Bildfries der Trajanssäule (F 6)9 diese Art der Darstellung. Die Zeit von der späten Republik bis zu Augustus ist dadurch geprägt, daß nur verhältnismäßig wenige Zeugnisse vorhanden sind, die sich Kultszenen oder Kultgeräte zu eigen machen. Die frühesten überlieferten römischen Opferdarstellungen' 0

4

V g l . SCHELP 1 9 7 5 , 2 1 f f . 5 7 ; VAN STRATEN 1 9 9 5 , 162 f f .

5

SCHELP 1 9 7 5 , 6 0 .

6

Vgl. ROSTOVTZEFF 1923/24, 281 ff. insb. 289 ff. Siehe auch ZÄNKER 1990, 108 ff. — Überblickshaft auch OGILVIE 1984.

7

RODENWALDT 1 9 3 5 , 10.

8

Hier paßten die acerrae zu den Händen der jugendlichen Opferdiener.

9

Hier werden die Beile in den Händen der Opferschlächter zu kleinformatigem 'Beiwerk', das im Verhältnis zur Größe der Personen und Tiere keinen realen Nutzen mehr haben konnte.

10 J 1. 2. — Vgl. auch Fragment eines Terrakottagiebels mit der Darstellung eines Opferschlächters (um 100 v. Chr.).

150

7 Chronologie und Vorbilder

setzen in der späten Republik ein. Das bekannteste früheste datierte Beispiel für die Darstellung einer römischen Opferszene ist das Census-Relief der sog. 'DomitiusAra' (J 1) aus dem Zeitraum zwischen 115-104 v. Chr. Das nächst jüngere ist die Rundbasis mit der Darstellung eines Opfers an Hercules Invictus (um 110 v. Chr.; J 2). Daneben kennen wir noch einen Denar des L. Pomponius Molo (97 v. Chr.; Mü 1), der das Weihrauchopfer über dem Altar zeigt und gleichzeitig die Opferung einer Ziege andeuten soll. Die nächsten Beispiele die der Münzprägung ausgenommen - finden wir dann erst wieder in caesarischer Zeit bei den Gemmen, die einen lituus neben dem Kopf des Caesar (B 13. 14) abbilden. Ein Beispiel fur die singulare Abbildung von Opfer- und Kultgeräten ist die sog. 'Ara Borghese' (A 2), die fast friesartig, jedoch ohne Überschneidungen der Objekte, einzelne Opfer- und Kultgeräte abbildet. Sie ist aufgrund der besonderen Form der secespita durch den Vergleich mit Münzabbildungen in spätrepublikanisch-frühaugusteische Zeit zu datieren. Das erste Auftreten bestimmter Geräte als konkrete Symbole für Priesterämter 11 - in scheinbar untergeordneter Position - fällt in das zweite Jahrzehnt des 1. Jhs. v. Chr. und etwas später. Sie finden sich in erster Linie auf Münzen. Schon in der späten Republik werden Münzen geprägt, die nur einzelne Opfer- oder Kultgeräte als Beizeichen auf der Reverse verwenden. Diesen kam sehr bald ein starker Symbolcharakter zu, der über den eigentlichen, nur begrifflichen Inhalt des Bildzeichens hinausging.12 Zu Anfang werden hauptsächlich Kanne und lituus abgebildet, die jedoch im Laufe der Zeit, bis in die Kaiserzeit hinein, um zahlreiche andere Symbolund Trachtzeichen 13 erweitert werden. Allgemein kann die augusteische und tiberische Epoche als die Zeit gelten, in der die Hauptvertreter der mit Opfer-, Kult- und Priestergeräten versehenen Denkmäler geschaffen wurden. In den nachfolgenden Perioden wurden die bekannten Schemata lediglich variiert und wiederholt. Es finden keine eindeutigen Neuerungen statt, die mit der Chiffre für 'Kult', 'sakral' oder pietas anders verfahren als ihre Vorgänger. Wichtigstes Kultmal und gleichzeitig zentrales Kunstwerk dieser Epoche ist die Ara Pacis Augustae (12) aus dem Jahr 9 v. Chr. Für eine Untersuchung wie die vor-

FLESS 1995, 103 Kat. 1; Fragment eines Frieses mit einem Ausschnitt einer Stierfiihrung (spätrepublikanisch); FLESS 1995, 103 Kat. 4. 11 Vgl. Kap. 5.1, S. 118 ff. 12 Vgl. auch HÖLSCHER 1980, 275 ff.; HÖLSCHER 1982, 273 f. 13 Zur Definition siehe Kap. 5, S. 117.

7 Chronologie und Vorbilder

151

liegende ist dieser Altar von besonderer Bedeutung. Einerseits zeigen die einzelnen Reliefs Szenen aus der Mythologie Roms, teilweise eingebunden in Opferszenen (I 2a), andererseits wird Einblick in den Gebrauch von Opfer- und Kultgeräten gegeben. Darüber hinaus finden wir erstmals klare Hinweise auf Priestergeräte bzw. Amtsinsignien und vor allem die Amtstracht römischer Priester im Staatskult. Eine dritte Ebene verweist auf Opfergeräte im dekorativen Zusammenhang (Schalen zwischen Girlanden auf der Innenseite der Umfassungsmauer). hat für die Ara Pacis herausgearbeitet, daß einige Reliefs thematisch und inhaltlich durch griechische Vorbilder aus unterschiedlichen Epochen beeinflußt worden sind.14 T. HÖLSCHER

Weitere wichtige Darstellungselemente, die uns Einblicke in den Ablauf von kultischen Zeremonien geben, sind die Stieropferszenen, die gerade auf Altären einen breiten Raum einnehmen, und Stierfiihrungsszenen. Die Darstellung von Stieropfern hat auch in Rom eigentlich eine lange Tradition. Literarisch ist für die Stadt Rom ein Wandgemälde aus der Porticus des um 50 v. Chr. errichteten Pompeius-Theaters überliefert15, das den Moment der Tötung des Stieres festhält, nachdem er durch den Opferschlächter in die Knie gezwungen und an den Hörnern zu Boden gedrückt wurde. Die zahlreichen Darstellungen dieser Opferform und ihre ikonographischen Gemeinsamkeiten über Jahrhunderte hinweg lassen zwar den Schluß zu, daß erstens das Gemälde der Pompeius-Porticus und zweitens auch die anderen zahlreichen Kunstwerke auf ein gemeinsames Vorbild zurückgehen. Als solches kann ein Gemälde des sikyonischen Künstlers Pausias16 aus dem 4. Jh. v. Chr. gelten. Ihm wird ein thematisch entsprechendes monumentales Gemälde von Plinius (an gleicher Stelle erwähnt) zugeschrieben. Ob allerdings dieses Tafelbild ein Original des Pausias ist und in der Porticus verbaut wurde, ist aber aufgrund der Textstelle bei Plinius nicht zu entscheiden. Trotz der Möglichkeit, daß ein Wandgemälde dieser griechischen Art auf die römische Kunst gewirkt hat, legt G. R O D E N W A L D T nahe, daß diese Form der Darstellung typisch römisch ist, nämlich durch die strenge Wiedergabe des Opferzeremoniells, da das 'Verhalten' der am Opfer Beteiligten genau dem römischen Kult entspricht.

14 HÖLSCHER 1 9 8 7 , 1 7 . 4 5 f f . 15 PLIN. nat.

3 5 , 2 6 . — JORDAN 1 9 0 7 , 5 3 0 f f .

16 BRUNN 1 8 8 9 , 9 8 f f . ; T H I E M E - B E C K E R 2 6 ( 1 9 3 2 ) 3 1 7 f. s.v. P a u s i a s ( v . L o r e n t z ) ; BRENDEL 1 9 3 0 , 1 9 6 f f . ; RODENWALDT 1 9 3 5 , 1 0 .

152

7 Chronologie und Vorbilder

Unter den Stieropferszenen ist die Darstellung auf der sog. 'Ara Karthago' (um 14 n. Chr.; Gg 2) die früheste. Sie zeigt vermutlich Augustus, wie er über einem Dreifuß eine Libation vollfuhrt, die als Voropfer für die anschließende Opferung des Stieres gedacht ist. Die 'Stierfuhrung', der Moment, in dem der zum Opfer bestimmte Stier von einem Opferschlächter in die Szene gefuhrt wird, geht dem eigentlichen Opfergeschehen voraus. Ab der tiberischen Zeit ist dieses Element in seinem Grundschema festgefügt. Im Griechenland des frühen 3. Jhs. v. Chr. liegt der Beginn, daß Gebäudeschmuck in eine feste, beständige Form umgesetzt wurde. Waren die Schädel geopferter Stiere und die schmückenden Girlanden bis jetzt in der Regel in natura an Tempeln verwendet worden,17 wurden sie nun in Stein umgesetzt (Demeter-Tempel von Pergamon, Anf. 3. Jh. v. Chr). Als feste Zeichen bestimmten sie „den Sakralwert der Architektur. Sie umschrieben die heilige Aura der Gebäude, indem sie anders als der frühere Bauschmuck nicht mehr die inhaltliche Bedeutung herausstellten, sondern allgemein die sakrale Bestimmung."18 Dazu zählen Girlanden-Bukranien-Friese aus Griechenland und dem griechischen Osten. Seit dem 2. Jh. v. Chr. kennen wir sie als geläufigen Schmuck des ionischen Frieses, wie das Beispiel des Gymnasiums von Priene zeigt. Der Fries des PortunusTempels von Rom19 in Rom (ca. 70 v. Chr.), bestehend aus Lorbeergirlande, Bukranien und Räucherständern, ist das einzige frühe für Rom überlieferte Beispiel eines ionischen Opfergerätfrieses, wie er in vergleichbarer Form aus Griechenland bekannt ist. Daneben kennen wir aber auch Friese mit szenischer Darstellung aus dem sakral-kultischen Bereich wie vom Apollo-Sosianus-Tempel (um 20 v. Chr.; D l ) . Kult- und Priestergeräte im Bereich der Architektur nehmen ihren Anfang mit dem Fries am Propyläen-Neubau in Eleusis aus dem Jahr 49 v. Chr. An diesem von einem Römer in Auftrag gegebenen Bauwerk befindet sich der erste, wenn auch von lokalen eleusinischen Traditionen20 beeinflußte, römische Metopen-Triglyphenfries

17 HONROTH 1 9 7 1 , 7. 8.

18 HESBERG 1981, 117 f m i t A n m . 306 f. Vgl. HESBERG 1980, 6 5 m i t A n m . 281.

19 Ausführlich ADAM 1994, 63 ff. Siehe auch FLECHTER 1906, 239 ff. 20 Diese Traditionen leiten sich unter dem Einfluß ostgriechischer Grabreliefs oder Grabstelen aus dem böotischen Raum ab, die in besonderer Weise Metopenfriese mit Waffen, Gefäßen und anderen Geräten abbilden.

7 Chronologie und Vorbilder

153

mit der Darstellung von Kultgeräten.21 Hier finden sich am großen Architrav - dem eleusinischen, d.h. griechischen staatlichen Kult22 entsprechend - Geräte und Symbole des Demeter-Kultes (Cista mystica, Ährenbündel und Fruchtdolden mit Mohnkapseln) 23 wie auch die im römischen Kultwesen vertrauten Beispiele von Kanne und Schale24 und das Opfersymbol Bukranium25. Für Rom selbst sind Metopen-Triglyphenfriese mit einer Vielzahl von Opfer- und Kultgeräten nicht überliefert. Einzig bekanntes Beispiel, das annähernd auf kultische Bereiche bezug nimmt und alternierend Bukranien und Schalen abbildet, ist der Gebälkfries der der Basilica Aemilia als Forumsfassade vorgeblendete Porticus Cai und Lucii Caesaris26 (augusteisch). Lediglich in Norditalien und den Westprovinzen finden wir um die Zeitenwende und im 1. Jh. n. Chr. in dieser Form geschmückte Friese.27 Friese mit Girlanden und Bukranien sind für den italisch-römischen Raum im sepulkralen Bereich bereits aus spätrepublikanischer Zeit bekannt. Zu nennen sind als Beispiele das Bibulus-Grab (60/50 v. Chr.) oder das Caecilia-Metella-Grab (um 20 v. Chr.).28 Tempel mit Opfergerätfriesen setzen in flavischer Zeit ein und sind bis in die spätere Kaiserzeit hinein bekannt. Die für unser Problem relevanten Beispiele wie der Vespasian- und der Minerva-Tempel stellen gleichzeitig die überlieferten Belege für

21 HÖRMANN 1932, 4 5 ff.

22 Nach der endgültigen Vereinigung der attischen Demen zu einem einheitlichen athenischen Staat am Ende des 7. Jhs. v. Chr. und der Angliederung von Eleusis an diesen Staat unter Solon wurde der Kult der Demeter und der Kore zum offiziellen Staatskult. 23 Ein weiteres eleusinisches Architekturteil mit Kultgeräten ist ein Friesfragment, das heute in die äußere Südmauer der Kirche Panagia Gorgoepikoos in Athen eingemauert ist. Es handelt sich ebenfalls u m einen Metopen-Triglyphenfries, auf dessen Metopen patera und Bukranium, auf den Triglyphen jedoch aufgesetzte Fackeln mit Mohnkolben abgebildet sind sowie ein dem römischen Räuchergefäß turibulum ähnliches Gefäß zeigt. Zugewiesen wird dieses Fragment einem Altar- oder Tempelfries des städtischen Eleusinions in Athen, da es am Westabhang der Akropolis gefunden wurde. — Vgl. STEINER 1906a, 338 ff.; HÖRMANN 1932, 47; Zum Eleusinion: TRAVLOS, Athen 198 ff. (mit weiterer Lit ). 24 Die Schalen werden auch als Rosetten gedeutet, die die Blüten des der Proserpina heiligen Granatapfels darstellen sollen; LENORMANT 1862, 398; HÖRMANN 1932, 46 Anm. 4. 25 Stier und Bukranium sollen der Demeter heilig gewesen und ein Symbol des Kultes in Eleusis gewesen sein, vgl. LENORMANT 1862, 53. 84 f. Nr. 25. 26 TOEBELMANN 1923, 27 ff. Neuerdings H. Bauer. In: AUGUSTUS 1988, 200 ff. 27 Vgl. G 1 - 3 I Ee 1. 28 EISNER 1986, 18 ff. 36 ff. 203 ff. (mit weiterer Lit.).

154

7 Chronologie und Vorbilder

diese Aussage dar.29 Selbstverständlich hat es auch vor der flavischen Epoche Tempelfriese gegeben, die auf kultische Handlungen und ihr sakrales Umfeld zu beziehen sind. Die Anfänge, Kultgeräte auf Urnen, Sarkophagen oder ihren Deckeln abzubilden, liegen erst in claudischer Zeit. Dies darf im Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte der römischen Sarkophage nicht verwundem. Die Bestattung des unverbrannten Leichnams und damit verbunden die Verwendung von Sarkophagen ist - von wenigen Beispielen der republikanischen und frühkaiserzeitlichen Epoche abgesehen ein Phänomen, das erst ab dem 2. Jh. v. Chr. zu beobachten ist.30 Der Sarkophag der Aemilia Secundina (K 1) aus der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. fuhrt die Reihe der wenigen Sarkophage an, die überhaupt mit Kultgeräten verziert sind.31 Die eigentümliche römische Form an diesem Sarkophag ist die symmetrisch-parallele Anordnung von Kanne und Schale sowie die Inschriftentafel in der Mitte der Vorderseite; dies sind Formen, die erst später so richtig in der römischen Kunst zum Tragen kommen. Rückgriffe oder vielleicht Übernahmen aus der hellenistischen Phase finden sich jedoch in der Anlehung der Schalen auf der Sarkophag-Vorderseite, wie sie von Sarkophagen der etruskischen Zeit bekannt sind.32 Stadtrömische Grabdenkmäler mit Opfer- und Kultgeräten zeigen in ihrer formalen Gestaltung den Einfluß von Altarund Tempelfriesen (/-reliefs). In ihrer sepulkralen Bedeutung sind diese Darstellungen eher als italisches Erbe aufzufassen33, quasi als Abstraktion des frühhellenistisch-(groß-)griechischen Totenmahls. Der tiberische Sarkophag Caffarelli (K 2) ist der erste Vertreter dekorativer Girlandensarkophage. Die vierseitige Verzierung - hier Kanne, Schale und Räucherständer - entspringt griechischen Traditionen.34 Er gilt hinsichtlich seiner dekorativen Elemente als Vorbild für zahlreiche zeitlich nachfolgende Grabaltäre sowie Girlandenfriese mit Opfer- und Kultgeräten in architektonischem Zusammenhang.

29 Weitere Hinweise hierzu bietet das Relief vom Haterier-Grabmal (H 7); vgl. auch D 4. 3 0 KOCH-SLCHTERMANN 1 9 8 2 , 6 1 f f . 3 1 HERDEJÜRGEN 1 9 8 4 , 1 8 . 3 2 HERDEJÜRGEN 1 9 8 4 , 1 9 .

33 Vgl. beispielsweise die Reliefs der Tomba dei rilievi, siehe Kap. 4.2.1, S. 70 mit Anm. 229. 3 4 RODENWALDT 1 9 2 5 , 5.

7 Chronologie und Vorbilder

155

In seiner Gesamtheit, auch wenn die Abbildung der o.g. Kultgeräte eine römische Eigenart ist, finden sich in der Gestaltung des Sarkophags einige Details wieder, die klar auf griechische Vorbilder oder Traditionen zurückgehen. Die Verzierung der vier Seiten - in gleichberechtigter Ausführung - ist bereits angesprochen worden; in erster Linie fallt der Kasten als Grundform griechischer Sarkophage ins Auge sowie der Falz für die Einlassung eines Deckels, der bei römischen Sarkophagen so nicht zu finden ist.

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Opfer- und Kultgeräte Wenn wir römische Kunst begreifen wollen, müssen wir Religion im weitesten Sinne nehmen, als das ehrfürchtige Verhalten des Menschen zu den Mächten, die sein Dasein bestimmen

Der Gesamtkomplex der Opferdarstellungen sowie der Abbildung einzelner Geräte innerhalb der römischen Kunst muß dem Gesichtspunkt der von religiös-kultischer Seite geprägten pietas oder der pietas erga deos, dem richtigen Verhalten gegenüber den Göttern2, und dem Wunsch nach 'Frieden mit den Göttern' {pax deorum) subsumiert werden. Pietas ist innerhalb der römischen Bildsprache zu einer festen Chiffre geworden. Wo Frömmigkeit oder religiöse Pflichterfüllung künstlerisch zum Ausdruck gebracht werden soll, geschieht dies durch Opferszenen, die kultische Verhaltensweisen darlegen, durch an Kult erinnernde Zeichen (Opfergeräte, Bukranien3 und Girlanden4) und durch die velatio capitis, die pietätvolle Kopfverhüllung. 5 Vor allem Opfer waren der sichtbare Beweis fur die Bezeugung der pietas erga deos, die durch kultische Handlungen immer wieder bestätigt werden mußte.6 So wurden Gegenstände des kultischen Bereichs zu fest definierten, allgemein verständlichen Symbolen entwickelt. Dies ist gerade seit augusteischer Zeit aufgrund der Neuordnung des Kultes und der Rückbesinnung des Augustus auf die alten Werte zu beobachten und bis in die späte Kaiserzeit hinein anzutreffen. 1

SCHEFOLD 1 9 6 4 , 9 .

2

Die Problematik dieses Begriffes ist ausgiebig behandelt bei ULRICH 1930. — Vgl. allgemein z u m p / E T O - B e g r i f f : DÖRR1E 1 9 5 9 , 1 f f . ; L A T T E 1 9 6 0 , 3 9 f.; M U T H 1 9 7 8 , 3 4 2 f.

3

Zur exakten Beschreibung des Bukranium und seiner korrekten Begriffsbestimmung vgl. BÖRKER 1975, 244 ff.

4

HÖLSCHER 1 9 8 0 , 3 1 5 ; ZANKER

5

Dies gilt gerade dann, wenn dadurch ein Herrscher wegen seiner Handlungsweise herausgehoben werden soll, die den religiösen Bindungen des Staates und des Staatsoberhauptes entspricht. — Cie. nat. deor. 1,41, 116.

6

DÖRRlE 1959, 18.

1990,112.

158

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

8.1 Öffentliche Repräsentation

8.1.1 Politik und Propaganda Die Tempelfiiese sind durch ihre Beziehung zu einem sakralen Bau verhältnismäßig einfach zu deuten, zu einem Ort, an dem Kult gepflegt wurde. Die Zusammenstellung der Geräte auf diesen Friesen ist recht einheitlich. 7 Tempel mit Opfergerätfriesen setzen in flavischer Zeit ein und sind bis in die spätere Kaiserzeit hinein bekannt. Im Vergleich mit bekannten Tempelfriesen 8 (Vespasian[D 2; Taf. 5] und Minerva-Tempel [D 5; Taf. 14]) zeigt sich, daß Kanne, Schale, Messer, Wedel und Axt die am häufigsten vertretenen Geräte auf dieser Form von Fries sind. Dies trifft auch zu, wenn der Fries nur indirekt bekannt ist wie der des Iuppiter-Tonans-Tempels (D 4) auf einem Relief vom Haterier-Grabmal. 9 Etwas aus dem Rahmen fällt der Fries des Vesta-Tempels (D 9), der in Übereinstimmung mit den anderen Friesen nur Kanne, Messer und Axt abbildet, zusätzlich aber noch als einziger eine Art 'Hydria' und eine ungewöhnliche 'Einhenkelschale' trägt, die an anderen Friesen bzw. in anderem Zusammenhang bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Auch das Pantheon (D 7) - eine Restaurierung des frühen 2. Jhs. n. Chr. - fallt mit seinem spärlichen Bildschmuck im Gegensatz zu den flavischen Tempelfriesen auf. Hier finden sich zwar Reliefs, die mit Symbolen des Opferritus versehen sind, doch unterscheiden sie sich in Struktur und Inhalt erheblich von den bisher üblichen. Erstens sind sie an nicht so exponierter, gut sichtbarer Stelle angebracht, und zweitens nimmt immer nur ein Opfer- oder Kultgerät zwischen turibula und Girlanden

7

Wenn die Zusammenstellung aufgrund des Erhaltungszustandes mehr oder weniger vollständig zu ermitteln ist. — Die beiden Zwischenfriese der Innenreliefs vom Argentarierbogen (E 6) können als Hinweis darauf dienen, welche Geräte auch auf den Tempelfriesen abgebildet gewesen sein konnten und nach welchem Schema sie gestaltet waren. Auf den Pfeilern sind zu sehen: (rechter Pfeiler) lituus, gutus, patera, galerus, aspergillum, simpuvium, culter, (linker Pfeiler) acerra, securis, patera, gutus, malleus und olla. Die Wiedergabe der Geräte dürfte auf die der großen Tempelfriese, insbesondere des Vespasian-Tempels (D 2), zurückgreifen.

8

Siehe auch: Tempel an der Via delle Botteghe oscure, Rom (D 3), munizipaler Augustus-Tempel, Tarragona (Dd 2), Sonnentempel des Aurelian, Rom (D 10), Tempio delle Corporazioni, Ostia (D 8), Vesta-Tempel, Rom (D 9).

9

Abb. siehe NASH, Rom I 536 Abb. 662. — Es ist ebenfalls ein solcher Fries vom Trajansbogen, Benevent (E 3c) bekannt, der als Fries des Vespasian-Tempels gedeutet wird; HASSEL 1966, 14 Taf. 10, 2.

8.1 Öffentliche Repräsentation

159

auf den einzelnen Reliefplatten Platz ein. Darüber hinaus fehlen Geräte des blutigen Opfers (Messer oder Schlaggeräte) völlig. Zu fragen ist, ob den am Pantheon abgebildeten Geräten nur der schlichte Ausdruck von pietas zukommt oder ob vielleicht doch mehr aus ihnen abzulesen ist. Nach Cassius Dio (53, 27) kann man davon ausgehen, daß der dem heutigen Pantheon vorausgegangene Bau eigentlich Augustus hätte geweiht werden sollen. Dies war aber durch den Princeps untersagt worden, so daß sich hinter dem primären Programm dieses Tempels nun ein Bau verbirgt, der lediglich in enger Beziehung zum Augustus- bzw. Kaiserkult steht10, zumal im Jahre 59 n. Chr. an dieser Stelle der Termin für ein staatskultisches Opfer seitens der Arvalbrüder" verkündet worden ist. Das Pantheon der trajanisch-hadrianischen Epoche birgt scheinbar keine Indizien, die auf diese Form des Staatskultes hinweisen würden. D. HEILMEYER formuliert ganz allgemein, daß die dort angebrachten Opfergerätreliefs eine der vier Tugenden des römischen Bürgers bedeuten: pietas·, diese wurde durch Trajan sehr propagiert. 12 'Bürgertugend' hat noch in dem Symbol der Corona civica Ausdruck erfahren, die sehr wahrscheinlich in übergroßer Form im Vorhallengiebel13 angebracht war. Mit der Corona civica ließ Trajan sich gerne darstellen, so daß die Verknüpfung der 'Bürgerpropaganda', wie Augustus sie seit 27 v. Chr. vorgelebt hatte, mit der des 'optimus princeps"'' parallelisiert wurde. Veranschaulicht wird diese Haltung Trajans besonders durch Münzen und Porträts, die ihn in dieser Zeit (ab 103/106 n. Chr.) vorzugsweise mit der Corona civica zeigen. 15 Nimmt man diese Hinweise zusammen, so ergibt sich eine Interpretationsmöglichkeit nicht nur für die Reliefs, sondern für den gesamten Bau. D.

HEILMEYER

sieht

hierin zu Recht drei Aspekte verwirklicht: die „pietätvolle Restaurierung eines römischen Tempels, die Wiederbelebung der [...] augusteischen Kaiserideologie und die Pflege der [...] ersten Keime des römischen Kaiserkultes". In erster Linie sind diese Aspekte am Bauwerk selbst und der mit ihm verbundenen Ideologie festzumachen.

10

HEILMEYER 1 9 7 5 , 3 4 4 f f .

11

A c t . A r v . a . 5 9 ( C I L V I . l 2 0 4 1 ) : ISDEM C O ( n ) S ( u l i b u s ) P R ( i d i e ) IDUS I A N U A R ( i a s ) IN PANTHEO ADSTANTIBUS L . CALPURNIO L . F. PLSONE MAG(lStro) [ . . . ] ARVALIBUS SACRIFICIUM DEAE D I A E

INDIXIT [...]. — Das Opferfest der Arvalbrüder war kalendarisch nicht festgelegt. In j e d e m Jahr mußte sein T e r m i n neu verkündet (indictio) werden. Das geschah u.a. a m Pantheon, seit flavischer Zeit häufiger auch im T e m p e l der Concordia; vgl. OLSHAUSEN 1978, 823. 12

HEILMEYER 1 9 7 5 , 3 4 5 .

13

DE FINE LICHT 1 9 6 6 , 4 6 .

14

FRANKFORT 1 9 5 7 , 3 3 3 f f .

15

z.B. RIC II, 254 Nr. 149 f. 274 Nr. 421; GROSS 1940, 75 ff.

160

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Die auf den Reliefs abgebildeten Opfer- und Kultgeräte unterstreichen diesen Gedanken nochmals, ohne jedoch in den Vordergrund gerückt zu werden. Allgemein ist bezüglich der Opfergerätfriese festzuhalten, daß von den Geräten auf eine besondere Beziehung zu der im Tempel verehrten Gottheit oder der dort praktizierenden Priesterkollegien nicht zu schließen ist. Eine gewisse Ausnahme kann lediglich bei der auf dem Fries des Vesta-Tempels (D 9) abgebildeten secespita gemacht werden, da der Gebrauch dieses Messers in enger Beziehung zur Kultausübung der Vestalinnen steht.16 Auch die 'Hydria' 17 ist nicht schwer im Zusammenhang mit vestalischen Tätigkeiten zu erklären, holten die Priesterinnen doch das fur Kultzwecke benötigte Wasser von draußen vor der Stadt. Auf die religiöse Stellung des Stifters oder des 'Restaurators' können die Geräte nur insofern bezogen werden, als daß sie zum Ausdruck der pietas des einzelnen gereichten. Die Geräte stehen vielmehr für die Kultausübung im allgemeinen. Damit ist aber noch nicht geklärt, warum Opfergerätfriese seit der flavischen Epoche ein spezielles Phänomen der Kunst sind. Die Darstellung und der Ausdruck von pietas, die stets bei der Abbildung von Kultgeräten die primäre Rolle spielt, ist nicht erst eine 'Erfindung' der flavischen Zeit.18 Im großen Stil ist die Zurschaustellung seit dem frühen Prinzipat unter Augustus bereits voll ausgeprägt, jedoch unter Zuhilfenahme anderer Ausdrucksmittel. Die Opferszene an der Ara Pacis durch Augustus, ja sogar der Altar selbst zeugen von einem starken Willen, diese Herrschertugend öffentlich zu zeigen; Tempelfriese dieser Zeit verwenden ebenfalls Versatzstücke des kultischen Handelns, wie Lorbeerzweige, turibula und Bukranien am seitlichen Fries des Apollo-Sosianus-Tempels 19 (D 1) verdeutlichen. Mag der Bezug auf Augustus durch diese Elemente in einem zweiten Schritt erfolgt sein, so sind sie in ihrer primären Bedeutung auf den mit diesem Tempel verbundenen Apollo-Kult zu beziehen. Andererseits findet sich die Verbindung von Lorbeer (als Girlande), Bukranien und Räucherständern auf stadtrömischem Boden beispielsweise bereits am Portunus-Tempel 20 , also einem nicht mit Apoll zu verbindenden Kultbau.

16

Vgl. Kap. 4.3.1, S. 75 ff. SysKat. 56 (secespita).

17

Auch wenn die Hydria von ihrer Funktion als Wassertransportgefäß auch fur einen im römischen Kult angesiedelten Vorgang wie den Aufgaben der Vestalinnen gut zu erklären ist, findet man diese sonst nicht im römischen Kult verwendet; vgl. auch DlEHL 1964, 173.

18

Zu den Tempelfriesen siehe Kap. 8.1.1, S. 158 f.

19

LA ROCCA 1 9 8 5 , 8 6 f f . A b b . 8. 12.

20

Ausführlich siehe: FlECHTER 1906, 239 ff.; ADAM 1994, 63 ff.

8.1 Öffentliche Repräsentation

161

Friese (insb. Tempelfriese) sind aber in erster Linie Träger politischer Aussagen, die mit Hilfe mythologischer Szenen (Mars-Ultor-Tempel) oder der Nachzeichnung realer Ereignisse (Apollo-Sosianus-Tempel; Dl) 2 1 operieren. Die einzige Ausnahme stellen die Friesplatten von der Porticus Octaviae ( F l ) dar, die erstmals eine Reihe von kultischen Geräten abbilden; aber auch hier sind sie nicht allein verwendet, sondern werden in eine Gesamtkomposition kultisch-politischer Aussageabsicht eingebunden. Wie kann der 'flavische Opfergerätfries' gedeutet werden? Eine mögliche Erklärung ist die bewußte Absetzung von der iulisch-claudischen Formensprache und der mit der Einsetzung einer neuen Herrscherdynastie verbundene Wunsch nach Neuerung. Man suchte nach Mitteln, um die eigene pietas und religiöse Stellung prägnant zu verdeutlichen, ohne direkte Anleihen bei seinen Vorgängern zu machen, und verwendete daher die 'Auflistung' der einzelnen Geräte als prägnante Symbole. Die Errichtung des Vespasian-Tempels durch Titus zu Ehren seines Vater Vespasian und die Auswahl des 'Friesprogramms' läßt jedoch klare Schlüsse zu. Vespasian wählte sich Augustus zum Vorbild. Bei Augustus erhielten die Opfer- und Kultgeräte bereits einen konkreten 'Doppelsinn' und standen mit der Übernahme der Herrschaft Augustus nach Actium in direktem Zusammenhang (s.u. zu den Friesplatten Porticus Octaviae). Nach dem Tod des Titus vollendete Domitian den Bau und widmete ihn gleichermaßen dem Vater und dem Bruder und stellt somit seine pietas gegenüber dem Vater und der Familie dar. Zur Unterstreichung dieser religiösen Verpflichtung werden Kultgeräte auf dem Tempelfries piaziert. Darüber hinaus waren die kultisch gebrauchten Geräte so ehrwürdig, daß ihnen ein Platz in exponierter Stellung, insbesondere an einem Tempel zukam. Schwieriger gestaltet sich die Klärung der Bedeutung der Opfer- und Kultgeräte auf Friesen öffentlicher und besonders herausragender Bauten. Im Vordergrund der Betrachtung stehen die Friesplatten, die neben Schiffsteilen wie Steuerruder, Anker oder Schiffsschnäbeln ebenfalls Opfer-, Kult- und Priestergeräte abbilden. Der Fries stammt von einem Bau, der sich im Bereich des Circus Flaminius befand, unmittelbar in der Nähe der Porticus Octaviae, die Augustus um 20 v. Chr. im Namen oder zu Ehren seiner Schwester hat erbauen bzw. benennen lassen.22 Aufgrund seiner or-

21

Dreifacher Triumph des Octavian im Jahre 29 v. Chr. Vgl. E. La Rocca. In: AUGUSTUS 1988, 125 f.

22

FITTSCHEN 1 9 7 6 , 1 9 0 f.; NASH, R o m 1 2 3 2 . II 2 5 4 .

162

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

namentalen Einfassung gehören die Friesplatten nicht zu einem Gebälk über einer Säulenreihe, sondern waren eher in eine Wand eingelassen. Der Fundort der Platten (F 1) weist auf ein Gebäude innerhalb der Zone um den Circus; das Areal, in dem die Triumphzüge Aufstellung nahmen.23 Bei diesem Fries erhebt sich die Frage, warum profane Gegenstände wie die Schiffsteile gemeinsam mit Geräten kultisch-sakraler Provenienz dargestellt werden. Festzuhalten ist zunächst, daß in dieser Zeit die Darstellung erbeuteter Schiffsteile auf den verschiedensten Gebäuden keine Besonderheit war und abgeleitet wurde von den hellenistischen Waffenfriesen. Aber warum werden sie mit kultischen Geräten verbunden? Die Deutung des Frieses im Zusammenhang mit dem Seesieg des Octavian· Augustus über Marc Anton und Kleopatra bei Actium scheint vollständig gesichert zu sein.24 Zur Erinnerung an diesen Sieg werden daher Schiffsteile der Feindes- und Siegerseite abgebildet. Die Gegenstände des Siegers sind mit den Bildern der Vorfahren und der Götter geziert25 und durch diese gleichsam erhöht. Sie bringen die Überlegenheit des Siegers als Folge seiner Götterfurcht (religio) zum Ausdruck. Gleichzeitig verweisen die Kult- und Priestergeräte auf die religiöse Stellung des Siegers, wobei die einzelnen Geräte Octavian-Augustus' Zugehörigkeit zu den einzelnen Priesterschaften andeuten mögen. Neben der Zugehörigkeit des Octavian-Augustus zu den verschiedenen Priesterkollegien sei daraufhingewiesen, daß nach dem Sieg von Actium Octavian-Augustus in die Gebete der Priesterschaften aufgenommen wurde (Cass. Dio 51, 19, 7; 51, 20, 1). Auch dies könnte ein Bezug zu den Geräten auf dem Fries sein, was indirekt die Andeutung von OctavianAugustus' pietas und religiöser Stellung sinnkräftig unterstreicht. Folgt man der von L . L E O N C I N I einleuchtend begründeten Rekonstruktion der Plattenanordnung26, so ergibt sich ein Bild symmetrischer Komposition. Bei dieser stehen die turibula im Zentrum, rechts und links von ihnen folgen zunächst die Schiffsteile. Diese Sequenzen werden von Bukranien und Tänien gegen die Kultund Priestergeräte abgegrenzt. Im übertragenen Sinne mag dies bedeuten: Attribute, die die pietas und religiöse Stellung des Siegers und Bauherrn sowie die religiösen Einrichtungen des Staates zum Ausdruck bringen, umrahmen Zeichen der versinn-

23

V g l . HÖLSCHER 1 9 8 4 a , 2 0 7 f.

24

HÖLSCHER 1 9 8 4 a , 2 0 5 ; HÖLSCHER 1 9 8 5 , 8 1 f f . i n s b . 8 7 ; HÖLSCHER 1 9 8 8 b , 3 6 4 f f . N r . 2 0 0 .

25

D e t a i l a b b i l d u n g : LEONCINI 1 9 8 7 , 13. 2 1 f f .

26

LEONCINI 1 9 8 7 , A b b . 1.

8.1 Öffentliche Repräsentation

163

bildlichten virtus - der militärischen Tüchtigkeit und siegerringenden Kraft - des Augustus und erhöhen zugleich die ví'rtwí-Symbole. Überwiegend begegnet uns das turibulum zwar im Totenkult (s.u.), hier kann es aber auch als allgemeines Zeichen fur die pietas des Kaisers gedeutet werden. Dies kommt auf einer Denar- bzw. einer Aureus-Serie (Mti 40) zum Ausdruck, die wohl zwischen 2 vor und 14 n. Chr. geprägt worden ist. Die Reverse zeigt neben einem turibulum Girlanden, paterae und ein Bukranium. Allgemein steht das turibulum für die pietas des Kaisers27, die durch die Schale, den kultischen Schmuck sowie durch das an Staatsopfer gemahnende Bukranium verstärkt wird. Andererseits ist es auch Zeichen für den mit Augustus verbundenen Kaiser- bzw. Geniuskult. Seit 30 v. Chr. wurde dem Genius Augusti ein Opfer, bestehend aus Wein und Weihrauch dargebracht28, darüber hinaus war der Stier29 das Opfertier für diesen. Abzulesen ist aus diesen Angaben, daß dem turibulum eine besondere Stellung im Kaiserkult zukam. Die wichtigsten Tugenden, die Augustus' Ehrenschild (clipeus virtutisf zierten, werden auch auf diesem Fries in anschaulicher Weise abstrahiert. Gerade diese beiden Begriffe haben eine besondere politische Aktualität und Relevanz31: virtus steht für die Tapferkeit und Tüchtigkeit des Octavian-Augustus im Kampf gegen die Caesar-Mörder und - für den vorliegenden Fall besonders wichtig - für die Überwindung des Marc Anton und der Kleopatra in einem bellum iustum\ pietas steht - verbunden mit virtus - für die Pflichterfüllung gegenüber den Göttern (pietas erga deos)32 und vor allem dem Staate (pietas erga patriam)33, den es gegenüber äußeren Feinden zu schützen galt.34 Daneben aber ist pietas auch als moralische Komponente im Rahmen staatspolitischer Maßnahmen zu verstehen. Sie bedeutet nämlich auch politische Zuverlässigkeit, Anständigkeit und Loyalität gegenüber dem Staate. Octavian-Augustus hat es verstanden, den Begriff pietas für sich und sein Handeln auszulegen und zu benutzen, wie es im Kampf gegen die Mörder des Caesars und dem

27

CAIN 1985, 143 Anni. 4.

28

Zur Spende fiir den Genius: TAEGER 1960, 133 ff. Vgl. auch KIENAST 1982, 184.

29

RE VII. 1 ( 1910) 1163 f. s.v. Genius (Otto); KUNCKEL 1974, 25.

30

Augustus, res gestae 34. — Zum Clipeus virtutis und zur Entwicklung der Ehren- und Weiheschilde: HÖLSCHER 1967, 98 ff. insb. 105 ff.: zum Zusammenhang des Schildes mit dem Sieg von Actium.

31

LIEGLE 1 9 3 2 , 9 2 .

32

LIEGLE 1 9 3 2 , 8 6 f f .

33

ULRICH 1 9 3 0 , 1 4 f f .

34

DÖRRIE 1 9 5 9 , 1 9 ; HÖLSCHER 1 9 6 7 , 1 0 7 m i t A n m . 6 6 8 f.

164

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Kampf gegen Marc Anton zum Ausdruck kam. Dieser Fries, der Kultgeräte und Schiffsteile in gesonderten Abschnitten zusammenfaßt, versinnbildlicht die pietas und virtus des Siegers. Das wird besonders dann sinnfällig, wenn man seinen Fundund den möglichen Anbringungsort berücksichtigt. Die Gegend um den Circus Flaminius - die Triumphalgegend - wurde durch Augustus völlig neu aufgebaut und umgestaltet. Die mit Kultgeräten und Schiffsteilen geschmückten Platten demonstrieren somit nachhaltig einen immerwährenden Triumph und 'konservieren' die Triebfedern dieses Erfolges: pietas, virtus und religio. Selbstverständlich geht es ebenso um eine Sakralisierung von Beutestücken; Beute aus einem hart errungenen Sieg. Mit der Zusammenstellung der Kultgeräte wird der harte Kampf und anschliessende Sieg noch zusätzlich in seiner Bedeutung unterstrichen. Neben Reliefs mit Tropaia gallischer Waffen und mit Teilen römischer Seeschiffe befindet sich an der Nordostseite des Bogens von Orange (Ce 1) auf der zweiten Attika ein kleiner Fries mit aspergillum, gutus, patera, simpuvium und lituus, der so gar nicht zum Gesamtbauwerk passen will. Vielmehr vermittelt er den Eindruck, als sei er einer kleineren Architektur oder aus dem Bereich der Kleinkunst entnommen.35 Es gibt mehrere Möglichkeiten der Datierung und damit verbunden verschiedene Anlässe, die für die Erbauung dieses Bogens in Frage kommen.36 Einerseits ist er in Verbindung mit dem Aufstand des Iulius Sacrovir im Jahre 21 n. Chr. gebracht worden. Andererseits ist er im Zusammenhang mit einer von Tiberius beabsichtigten Reise nach Gallien gesehen worden.37 In beiden Fällen würden die Waffen- und Schiffsreliefs für die Zurschaustellung des Sieges über die Gallier und die Niederwerfung des Iulius Sacrovir sprechen.38

35

PETERS 1 9 8 6 , 9 7 .

36

Die Meinung, der Bogen sei erst in severischer Zeit entstanden, soll hier nicht weiter berücksichtigt werden, da sie sich bisher in der Forschung nicht begründet hat durchsetzen können. V g l . MLNGAZZINI 1 9 5 7 , 1 9 3 f f . ; ANDERSON 1 9 8 7 , 1 5 9 f f .

37

RE X.l (1918) 796 ff. s.v. Iulius (Sacrovir) (Stein); KÄHLER 1964a, 829; PAAR 1979, 216.

38

Die Datierung des Bogens in die frühe Kaiseizeit ist mittlerweile unumstritten; es bleibt die Frage nach Anbringung der Inschrift für Tiberius (d.h. die Frage nach Gleichzeitigkeit von Bau und Inschrift oder Anbringung der Inschrift an einem älteren Bau). Die abgekürzte keltische Namensinschrift für Sacrovir sollte nicht für eine Datierung herangezogen werden; vgl. FRENZ 1991, 83.

8.1 Öffentliche Repräsentation

165

Nimmt man dagegen eine frühere Datierung des Bogens an,39 so steht das Bauwerk im Zusammenhang mit der Gründung der Kolonie Arausio im Jahr 36 v. Chr.40 Dies wird augenfällig durch die Anlage des Bogens und seinen eindeutigen Bezug auf den Stadtplan. Er liegt genau im Schnittpunkt von Pomerium und Cardo maximus, ca. 110 m vor der Stadt.41 I.

PAAR

und H. G. FRENZ42 stützen sich bei ihren

Überlegungen, dem Bogen einen konkreten Grund der Errichtung zu geben, auf den von Α. V. GLADISS43 geprägten Begriff des sog. 'Stadtgründungsbogens'. Solche Bögen stehen an der Linie der vor der Stadtgründung durch das Augurium festgelegten Grenze, dem Pomerium 44 . Dieser Akt wird gerade in den Provinzen - wie Varrò (ling. 5, 143) berichtet - als symbolische Gründung Roms mit den damit verbundenen Riten eines altehrwürdigen Zeremoniells wiederholt. Dies geschah nach der symbolischen Festlegung der Stadtgrenze durch das rituelle Pflügen (sulcus primigenius). Es ist die Erinnerung an die heilige Zeremonie, durch die Romulus einst 'Ur-Rom', die Roma quadrata, gegründet hatte. Insofern erlangen die an diesem Bogen angebrachten Opfer- und Kultgeräte eine Bedeutung, die über den pietas-Gedanken hinausgeht. Sie verkörpern die symbolisch dargestellte Koloniegründung und das damit verbundene Augurium. Für diese Annahme spricht der lituus als Insigne und Kultgerät des Auguren, mit dem er den Bereich der neuen Stadt abgrenzt 45 , sowie die Tatsache, daß die Städte oder Kolonien bei ihrer Gründung mit diesem Priesterkollegium ausgestattet wurden. 46 Mit

39

Dies wird von verschiedenen Seiten immer wieder betont. Vgl. CHEVALLIER 1979, 127; PAAR 1979, 220. 223; FRENZ 1991, 85 (spätestens tiberisch). — Unter Caesar wurde Arausio Kolonie mit römischem Recht: Als Colonia Firma Iulia Arausio Secundorum durch Veteranen der Legio II Gallica besiedelt und zwischen 21 und 26 n. Chr. von Veteranen der Legio Augusta verstärkt. Ein historischer Abriß der römischen Okkupation und Kolonisierung Galliens und der Narbonensis findet sich bei: CHEVALLIER 1979, 8 ff.; RIVET 1988, 74 ff. 272 ff. Siehe auch RE II. 1 (1895) 401 f. s.v. Arausio (Ihm); RE VII.l (1910) 653 ff. s.v. Gallia Narbonensis (Weiß); NPauly 1 (1996) 962 s.v. Arausio (Lafond).

40

AMY-DUVAL u . a . 1962, 157.

41

V g l . S t a d t p l a n v o n O r a n g e : AMY-DUVAL u.a. 1962, Taf. 1; CHEVALLIER 1979, 128 A b b . 89. —

Die Dedikationsinschrift, in der Tiberius namentlich genannt wird, wurde demnach erst sekundär angebracht; PAAR 1979, 217 ff. 42

PAAR 1979, 2 2 4 f f . ; FRENZ 1 9 9 1 , 85.

43

GLADISS 1972, 2 8 f.

44

R E X X I . 2 ( 1 9 5 2 ) 1 8 6 7 ff. s.v. P o m e r i u m ( B l u m e n t h a l ) ; RYKWERT 1 9 7 6 , 27. 4 6 f f .

45

RYKWERT 1 9 7 6 , 4 7 .

46

WISSOWA 1902,450 f. — Frühere Forscher nehmen an, der Bogen sei von einem Priester gestiftet worden, wofür die Geräte als Indiz gelten: ESPÉRANDIEU I Nr. 260; LÖWY 1928, 31 f.

166

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

dem aspergillum könnte der Standort der neuen Stadt geweiht worden sein; gutus, patera und simpuvium stehen als allgemeine Symbole für die mit der Stadtgründung verbundenen Opfer. 47 Mag dieser Weg der Interpretation der Kultgeräte auf tönernen Füßen stehen, so ist eher anzunehmen, daß die Geräte auf die Darstellung von pietas48 abzielen mit dem Hinweis auf diverse Priesterämter49. Kanne und Schale verkörpern dann - wieder einmal - das symbolisch gemeinte Trankopfer als offensichtliches Kürzel für die Opfer im allgemeinen einerseits, andererseits könnten gutus und lituus als Hinweise auf die Institutionalisierung von Religion in einer neugegründeten Kolonie dienen, die mit Auguren und Pontífices ausgestattet wurde.50 Ist mit dem Sieg des Octavian-Augustus bei Actium ein wesentlicher Kriegserfolg zu verzeichnen, der sich auf die weiteren innen- und außenpolitischen Maßnahmen Roms im besonderen auswirkte, so lassen sich die Reliefs vom Oranger Bogen nicht ausschließlich auf die politisch-militärischen Erfolge51 Roms beziehen. Virtus und pietas stehen mit den Waffen- und Opfergerätfriesen im Vordergrund; die Darstellung militärischer Erfolge, die Eroberung weiterer Gebiete, z.B. die Unterwerfung der Narbonensis, und religiöse Propaganda werden zwar wie bei der Porticus Octaviae an einem Bauwerk demonstriert, beziehen sich aber vordergründig auf eine allgemeine Triumph- und Siegessymbolik.52 Da die Darstellung militärischer Ereignisse - allein durch das Format bestimmt - sehr viel ausführlicher zum Tragen kommt, darf für Orange die Interpretation auf religiöse oder kultische Ereignisse

47

V g l . a u c h PETERS 1 9 8 6 , 139.

48

Zu dieser Form der Interpretation siehe KÜPPER-BÖHM 1996, 104 Anm. 5 84 mit frühester Literatur.

49

Besonders sei hier das Pontifikalamt des Kaisers anzuführen, wenn man die Deutung der In-

50

Vgl. RÜPKE 1990, 259 f.

s c h r i f t in d i e Ü b e r l e g u n g m i t e i n b e z i e h t : PICARD 1 9 5 7 , 3 2 5 m i t A n m . 2; PICARD 1 9 9 2 , 127.

51

Zur Ausdeutung und politisch-historischen Einordnung des Bogens von Orange siehe die Disk u s s i o n b e i PETERS 1 9 8 6 , 1 4 2 ff.

52

Der Ehrenbogen des Drusus deutet an, daß Opfergeräte an frühkaiserzeitlichen Bauwerken üblich waren. Im Bildbestand einzig und allein überliefert ist der Drususbogen, der auf dem Architrav Opfergeräte hatte: patera, lituus, simpuvium, lituus, gutus. Der Bogen wurde für Drusus aufgrund seiner erfolgreichen Germanenfeldzüge errichtet (Suet. Claud. 1). Die Anbringung von Sakralgeräten an einem Bauwerk, das militärische Tugenden ehrt, deutet somit auf die Verbindung von virtus und pietas, wie schon von Augustus mit den Friesplatten von der Porticus Octaviae und letztendlich vom Bogen in Orange deutlich gemacht wird. — Zum Drususbogen a u f M ü n z e n : BERNHART 1 9 2 6 , 1 132. I I T a f . 94, 6; KÜTHMANN-OVERBECK 1 9 7 3 , 7 5 f. N r . 1 4 6 ; HILL 1 9 8 9 , 4 9 . S i e h e a u c h D E MARIA 1 9 8 8 , 2 7 2 f f .

8.1 Öffentliche Repräsentation

167

nicht überstrapaziert werden. Allerdings gilt dies auch für die Waffen- und Schiffsreliefs, die, wenn wir uns den 'Stadtgründungsbogen' vor Augen halten, ebenfalls keinen konkreten historischen Sieg meinen. 53

8.1.2 Kaiserkult und religiöse Selbstdarstellung Altäre, die dem Staats- oder Kaiserkult dienten, sind ebenfalls Träger von Opferszenen und singulären Opfergeräten. Daneben entlehnt ihr Dekor Elemente von den Götteraltären. Weist der Schmuck der Götteraltäre auf das dort vollzogene Stieropfer hin 54 , häufig in Form von Bukranien und daran aufgehängten Girlanden, ist er bei den Altären des Kaiserkultes eine eindeutige sakral definierte Bildchiffre. Es kommen weitere, nicht nur aus Kanne und Schale bestehende Kultsymbole wie beispielsweise Geräte des Stieropfers (culter oder malleus) hinzu, sondern auch Geräte aus dem Bereich der Weihrauchspende (acerra) und andere. Neben den beiden typischen Vertretern von Opfergeräten auf Altären insbesondere des sepulkralen Bereichs, gutus / urceus und patera, ist im Verlauf des 1. Jhs. n. Chr. eine quantitative Zunahme der Darstellung von Opfer- und Kultgeräten auf derartigen Bildträgern überhaupt zu verzeichnen, die eine Kombinationserweiterung einzelner Opfergeräte unter- und zueinander zur Folge hat. Darüber hinaus treten vermehrt Opferszenen auf, eine Feststellung, die durch die Untersuchungen E. SCHRAUDOLPHs55

bezüglich römischer Götterweihungen bestätigt wird.

Die auf Larenaltären abgebildeten Opfer- und Kultgeräte müssen auf die Person des verehrten Kaisers bezogen werden, da der Kult der Lares Augusti mit der altrömischen Vorstellung und Verehrung des Genius des Pater Familias 56 verbunden und der Kaiser als Oberhaupt der 'Staatsgemeinde ' zu sehen ist. Durch simpuvium, patera und lituus auf der Rückseite eines Laren-Altares (I 12) im Konservatorenpalast wird hier auf Augustus verwiesen, was durch die ebenfalls angebrachte Corona civica zusätzlich untermauert wird, die seit 27 v. Chr. zum Ausdruck der virtus des Kai-

53

FRENZ 1991, 85.

54

NAPP 1933; BÖRKER 1 9 7 5 , 2 4 4 ff.

55

SCHRAUDOLPH 1993, 5 4 ff.

56

Zu dieser Thematik siehe auch: NlLSSON 1954, 7 7 ff.; GONZENBACH 1968, 100; MUTH 1988, 2 4 0 mit Anm. 6 0 0 .

168

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

sers auf vielen Denkmälern der Staatskunst erscheint. Beim vorliegenden Beispiel steht das simpuvium als Insigne für den Pontifex (maximus), der lituus für das Augurenamt des Kaisers. Betrachtet man die auf der linken Nebenseite abgebildeten Geräte nicht isoliert für sich, sondern bezieht die Vorderseite des Altares in die Betrachtungen ein, so können diese auch einfacher, nämlich mit pietas erklärt werden. So sieht J. RONKE in dem Altar keinen ausgesprochenen Laren-Altar, sondern einen Grab- oder Ehrenaltar für einen munizipalen Beamten.57 Der magistratische Personenkreis in der Kaiserzeit ließ sich gern bei der Durchführung rituell-kultischer Handlungen darstellen.58 Daß hier trotz der Annahme, es handele sich um einen Grab- oder Ehrenaltar, den Laren und dem Genius Augusti geopfert wird, ist der rechten Nebenseite zu entnehmen, die einen Lar abbildet. Die Opfer- und Kultgeräte sind aufgrund ihrer allgemeinen Symbolik auf Augustus zu beziehen. Doch für den Fall, daß der Altar ein Ehrenmonument für einen stadtrömischen Munizipalbeamten wäre, würde dieser Beamte selbst gleichzeitig seine eigene pietas dem Kaiser gegenüber zum Ausdruck bringen wollen. Ebenso eng an die Person des Augustus lehnt sich aufgrund seiner ausgeprägten Bildmotivik ein Altar im Vatikan (11) an. Er ist ein bedeutsames Beispiel dafür, wie eindringlich die Herrschaft des Princeps als ruhmvoller Höhepunkt der Geschichte Roms dargestellt wird. Clipeus virtutis, Lorbeerbäume und die Göttin Victoria auf der Vorderseite sind die Bildchiffren zum Ausdruck der Macht des Princeps. Die Rückseite zeigt erstmals in der Geschichte der römischen Kunst die Apotheose; als Aspiranten für die 'Himmelfahrt' stehen für diesen Akt Romulus59, Caesar60 oder Aeneas61 zur Diskussion. Pietas ist das Thema der beiden Nebenseiten, die jeweils Bezug auf Ereignisse der Vorgeschichte Roms nehmen. Die rechte Seite verdeutlicht mit der 'Auffindung der lavinischen Sau' durch Aeneas die mythische Gründung der

57

RONKE 1 9 8 7 , 6 5 m i t A n m . 6 0 ; s i e h e a u c h GONZENBACH 1 9 6 8 , 9 8 .

58

Wie dies mit dem Stieropfer durch eine Person in priesterlicher Funktion auf der Vorderseite der Fall sein kann; die Hervorhebung der opfernden Einzelperson durch übersteigerte Größenproportionen zeigt dabei die exponierte Stellung des Opfernden an.

59

HÖLSCHER 1988b, 394: mit Hinweis auf die Himmelfahrt des Romulus beim Comitium.

60

HELBIG4 I Nr. 255 (Simon); Adler zwischen Caelus und Sol ist der entscheidende Hinweis auf den Adler des Iuppiter, der bei Apotheosen römischer Kaiser als göttlicher Bote geschickt wurde. Außerdem fuhrt Caesar die Liste der Konsekrierten in der Geschichte Roms an. Siehe auch ZANKER 1969, 210 ff. mit Hinweis auf Venus Genetrix und der Verbindung mit dem iulischclaudischen Haus und seiner trojanischen Abstammung.

61

NIEBLING 1 9 5 6 , 3 1 2 f f .

8.1 Öffentliche Repräsentation

169

Stadt und setzt zugleich den pius Aeneas mit dem pius Augustus gleich. Die linke Seite zeigt die Begründung des Larenkultes, indem Augustus den zuständigen Kultbeamten die Larenstatuetten62 überreicht. Angespielt wird hier auf die Reorganisation und Neubegründung dieses Kultes durch Augustus im Jahre 7 v. Chr., die er als Pontifex maximus durchführte.63 Daher deuten die lituus, patera und gutus oberhalb der Girlanden auf Augustus' Stellung als oberster Priester der Römer. Der lituus als Wahrzeichen des Princeps verweist in erster Linie auf sein Imperium. Er kann an dieser Stelle aber auch eine weitere Anspielung auf die römische, mythologisch verklärte Frühzeit darstellen, wenn man sich die Rolle des Romulus bei der Stadtgründung Roms nochmals vor Augen hält.64 Dies ist als ein zusätzlicher Hinweis auf Augustus als würdevollen Erben römischer Macht zu werten, der zum übrigen Bildprogramm des Altares außerordentlich gut passen würde. Ebenso sind die Reliefs des Laren-Altares des Vicus Sandalarius (I 10), die auf der Vorderseite Augustus und einen seiner Enkel, L. Caesar, in Ausübung auguraler Pflichten (augurium ex tripudiis) zeigt.65 Er hält den lituus in der Hand, der nicht mehr nur als Kultgerät aufzufassen ist, sondern in seiner Bedeutung weitergeht. Er ist als Garant für das seit Augustus bestehende alleinige Recht des Herrschers der Götterbefragung vor Amtshandlungen zu verstehen.66 Darüber hinaus werden Kultgeräte mit Zeichen verbunden, die der kaiserlichen Selbstdarstellung dienten. Zu den prominentesten Beispielen gehören die beiden Lorbeerbäume und die Corona civica, die Augustus im Januar 27 v. Chr. verliehen worden sind.67 Beide Symbole entstammen alten Traditionen, d.h. auch republikani-

62

Laut GONZENBACH 1968, 98 mit Anm. 59 handelt es sich bei den beiden Statuetten in den Händen der Teilnehmer um die Larenstatuetten; die dritte Statuette, die sich noch in Augustus' Händen befindet, stellt den Genius Augusti dar.

63

R E X I I . 1 ( 1 9 2 4 ) 8 1 0 f f . s . v . L a r e s ( L i e b e n ) ; NIEBLING 1 9 5 6 , 3 0 3 f f . ; FRÖHLICH 1 9 9 1 , 2 7 .

64

Cie. div. 1, 17, 30. — Siehe Kap. 5.2.1, S. 130 ff.

65

KLENAST 1990, 75. — SIMON 1986, 70 f. 240 Abb. 87 sieht in der Person mit dem lituus L. Caesar, der im Jahr 2. v. Chr. die Toga virilis anlegte und in das Augurenamt eingeführt wurde. Sie spricht sich für L. Caesar aus, da dieser in seinem 'Ehrenjahr' auf einem öffentlichen Denkmal nicht fehlen durfte. ZANKER 1990, 128 f. Abb. 101 dagegen sieht in dem Augura Augustos selbst. GROSS 1962, 76 ff. sieht in der Person mit dem lituus Augustos bzw. seinen Genius, zu seiner Rechten einer der beiden Enkel, die Frau ist möglicherweise Livia, die mit Götterattributen ausgestattet ist. — ALFÖLDI 1971b, 32. — Zum augurium ex tripudiis·. MARQUARDT 1885, 8 0 ; WISSOWA 1 9 0 2 , 4 5 9 .

66

MARQUARDT 1885, 61. 65. 68. 96 (Auszugsauspicien).

67

Zur Bedeutung der Lorbeerbäume: PREMERSTEIN 1937, 254; ALFÖLDI 1971b, 7. 9. 15 ff.; SIMON 1 9 7 5 , 3 9 ; KLENAST 1 9 8 2 , 8 0 f. 1 8 4 .

170

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

sehen Grundgedanken. Mit der Verleihung an den Princeps erhielten sie neues Gewicht und Bedeutung. Sacrosanctitas oblag dem Lorbeer als Baum des Gottes Apoll seit der Frühzeit; so wurde er als flankierende Pflanze vor den Amtssitzen der ehrwürdigen Priesterschaften, den Tempeln und den hochrangigen politischen Amtslokalen eingesetzt. Stellte der Eichenkranz zunächst eine relativ bescheidene militärische Ehrung für eine große Tat dar, nämlich die Rettung eines römischen Bürgers, mußte er wohl auch als Ehrensymbol fur Augustus primär gedeutet werden. P. Z A N K E R 6 8 hebt die Eiche als Baum des Iuppiter69 hervor, worin ebenfalls der Bezug Augustus' zum höchsten Gott des römischen Pantheons zu sehen ist. Ein kleinformatiger Bildträger, der eine enorme Bedeutung im öffentlichen Leben besaß, ist in erster Linie die Münze, das Zahlungsmittel, das jedermann zugänglich war und somit breiten Raum bot, um kultisch-religiöse Absichten und Einstellungen kundzutun. Gerade Münzbilder verwenden gerne insignienhafte Symbole oder pictogrammartige Kürzel für den Ausdruck bestimmter Ämter, Tugenden und militärischer Leistungen. Opferhandlungen werden teilweise sehr detailreich auf den Reversen wiedergegeben, während auch emblematische Kultgeräte zur Verdeutlichung sakraler Ereignisse und Strukturen in unterschiedlicher Kombination verwendet werden. Schon in der späten Republik werden Münzen geprägt, die zunächst nur einzelne Opfer- oder Kultgeräte quasi als Beizeichen auf der Reverse verwenden. Diesen Zeichen kam sehr bald ein starker Symbolcharakter zu, der über den eigentlichen, nur begrifflichen Inhalt des Bildzeichens hinausging.70 Häufig ist es der Wunsch des Prägebeamten nach Selbstdarstellung, der zur Abbildung bestimmter Geräte führte. Der Hauptgrund ist primär die Herausstellung der eigenen Mitgliedschaft in bestimmten Priesterkollegien.

Corona civica: eigentlich Ehrenauszeichnung fur die Rettung eines römischen Bürgers. Seit Augustus nur Zeichen derpater-patriae-Wüide des Herrschers; vgl. RE IV.2 (1901) 1639 f. s.v. Corona (Haebler); STEINER 1906b, 40 ff.; ALFÖLDI 1971a; RITTER 1971, 81 ff.; GOETTE 1984, 587 f. 68

ZANKER 1 9 9 0 , 9 8 .

69

Ebenso gab es den Kranz von der dem Iuppiter geweihten Eiche als Ehrenpreis. — ALTMANN 1905, 174.

70

V g l . a u c h HÖLSCHER 1 9 8 0 , 2 7 5 f f . ; HÖLSCHER 1 9 8 2 , 2 7 3 f.

8.1 Öffentliche Repräsentation

171

Als Beispiel sei ein Denar des P. Sulpicius Galba (69 ν. Chr.; Mii 5) angeführt, der mit der Abbildung zahlreicher Kultgeräte auf konkrete priesterliche Aufgaben verweist. Die Averse zeigt den verschleierten Kopf der Vesta, die Reverse secespita, sacena und simpuvium. Sulpicius Galba war mindestens von 71 bis 57 v. Chr. Pontifex. 71 Wie oben gezeigt wurde, sind die drei Geräte in den Quellen 72 eindeutig als Kultgeräte der Pontífices bezeugt, so daß sie in dieser Form auf den Münzen als Embleme für dieses Priesteramt gelten müssen. Selbst der Vesta-Kopf nimmt auf die Aufgaben des Pontifex Bezug. Da der Pontifex maximus in seiner Funktion als oberster Priester auch die Oberaufsicht über das Kollegium der Vestalinnen besaß, 73 mag dieses Motiv auf seine mögliche Stellung innerhalb der sakralrechtlichen Hierarchie hinweisen (obwohl dieses Amt für ihn nicht nachgewiesen ist). Womöglich feierte S. Galba mit der Prägung dieser Münzserie seinen Eintritt in das Pontifikalkollegium, dessen Mitgliedschaft für das Fortkommen im politischen Leben von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen ist.74 In dieser Hinsicht wären die Kultgeräte auf Münzen nicht nur als Abzeichen für den Pontifex zu deuten, sondern vor allem als eine Art öffentliches Propagandamittel beispielsweise gegenüber politischen Gegnern zu werten. Eine Denarserie des Triumvirn M. Aemilius Lepidus aus dem Jahr 58 v. Chr. verwendet ebenfalls Opfergeräte oder Priestertrachtattribute zum Ausdruck der Mitgliedschaft im Pontifikalkollegium. Wieder findet sich hier das als Insigne der Pontífices bestätigte simpuvium (Mü 9) bzw. der culullus (Mü 10). Daneben wird auch ein bandartiger Gegenstand abgebildet, der als 'Vestalinnenbinde', d.h. ínfula mit den charakteristischen vittae zu verstehen ist. Da im Vesta-Kult die beiden genannten Gefäße ebenfalls ihren festen Platz hatten und die Binde auf die Vestalinnen bezogen werden muß, wird mit diesen Münztypen wiederum auf das Amt des Pontifex angespielt, das M. Aemilius Lepidus spätestens seit 64 v. Chr. innehatte. 75 Andererseits weist W. HOLLSTEIN76 bei der eingehenden Erläuterung dieses Münztyps darauf hin, daß der Münzmeister nicht nur seine eigene priesterliche Position zur Schau stellen wollte. Vielmehr verwies er auf das langwährende Pontifikat seines ruhmvol-

71

Cie. har. resp. 12. — RE IV A 1 (1931) 758 s.v. Sulpicius (Münzer).

72

Siehe SysKat. 43 (simpuvium /simpulum),

52 (sacena), 56 (secespita).

73

W I S S O W A 1 9 0 2 , 4 1 8 ; R O H D E 1 9 3 6 , 1 1 3 ; LATTE 1 9 6 0 , 1 1 0 .

74

M Ü N Z E R 1 9 2 0 , 2 ; B E R G E M A N N 1 9 9 2 , 1 3 9 ; HOLLSTEIN 1 9 9 3 , 1 5 5 .

75

Macr. Sat. 3, 13, 11.

76

HOLLSTEIN 1 9 9 3 , 2 3 6 .

172

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

len und berühmten Ahnen M. Aemilius Lepidus, um sich der Tradition ehrwürdig zu zeigen. Somit werden hier zum Zwecke der Darstellung von Familienpropaganda und eigener Person Kult- und Priestergeräte zu klaren Bildchiffren transformiert. Betrachtet man nur den begrifflichen Inhalt dieses Bildzeichens und läßt zunächst seine Nebenbedeutungen außer acht, so verweisen sie eindeutig auf die tatsächlichen priesterlichen Ehren; berücksichtigt man jedoch noch ihre assoziative Nebenbedeutung, so rücken sie Familientraditionen in den Vordergrund, die somit den Münzmeister als würdigen Erben und letztes Glied dieser Traditionskette ausweisen. Der lituus77 ist ein Priesterabzeichen, das im Zusammenhang mit dem simpuvium sogar als Amtsabzeichen für den Pontifex maximus gelten kann.78 Als 'Kultgerät' ist er auf die Auguren79 bezogen und wird im Laufe der Zeit zum eindeutigen Emblem dieser Priester. Somit erscheint er als unverkennbares Zeichen auf Münzen, als Hinweis auf die Mitgliedschaft im Augurenkollegium des Münzmeisters oder Prägebeauftragten, wie ein Denar des Faustus Cornelius Sulla (Mü 11) belegt. Hier wird der lituus mit dem Augurât verbunden, wobei sich die Forschung streitet, ob es auf Faustus selbst80 oder auf seinen Vater Sulla81 zu beziehen ist; ein Denar des Münzmeisters Quintus Pompeius Rufus weist mit dem lituus ebenfalls auf dieses Amt hin, das wieder nicht eindeutig zugewiesen werden kann. Zur Disposition stehen nun Sulla oder Q. Pompeius Rufus, der Konsul des Jahres 58 v. Chr.82 Die Reihe der in der Kaiserzeit mit lituus dargestellten Persönlichkeiten läßt sich beliebig fortsetzen. Seit dem frühen Prinzipat erinnern Münzen mit einzelnen Geräten häufig an den Herrscher als Mitglied der großen Priesterkollegien. Erläutert sei das am Beispiel des Augustus, der - wie er selbst berichtet83 - Mitglied der vier wichtigsten Kolle-

77

Zusammenstellung der Quellen und Darlegung der Verwendung, Form und Funktion des lituus bei den Römern siehe DICK 1973. — RE XIII. 1 (1926) 805 f. s.v. Lituus (Latte); K1P 3 (1979) 686 s.v. Lituus (Eisenhut).

78

Vgl. Kap. 5.2.2, S. 132 ff.

79

R E I I . 2 ( 1 8 9 6 ) 2 3 1 3 f f . s . v . A u g u r e s ( W i s s o w a ) ; WISSOWA 1 9 0 2 , 4 5 0 f f . ; LATTE 1 9 6 0 , 3 9 7 ;

KIP 1 (1979) 734 ff. s.v. Augures (Eisenhut); NPauly 2 (1997) 279 ff. s.v. Augures (Briquel). 80

Augur seit 57 v. Chr. — Cass. Dio 39, 17, 2 — RE IV.l (1900) 1516 s.v. Cornelius (Münzer); NPauly 3 (1997) 185 s.v. C. Sulla, Faustus (Elvers).

81

Vgl. HOLLSTEIN 1 9 9 3 , 2 7 3 ff.

82

Der Münzmeister ist mütterlicherseits der Enkel des Sulla und wird in dieser Beziehung die Ehrung seines Großvaters beabsichtigt haben. — CRAWFORD I, 456 Nr. 434, 2; HOLLSTEIN 1993, 346 ff.

83

Augustus, gest. 7.

8.1 Öffentliche Repräsentation

173

gien gewesen ist. Zum Ausdruck kommt dies auf einem Aureus des Münzmeisters C. Antistius Vetus (16 v. Chr.; Mü 36). Die Münzreverse trägt das simpuvium (Pontifex), den Dreifuß (Quindecimviri s. f ), die patera (Septemviri epulones) und den lituus (Augur).84 Der lituus wird folgerichtig als Symbol des ius auspicii des Imperators sowie als Zeichen der Priesterwürde bewertet.85 Darüber hinaus wird ihm von der Forschung der Charakter eines 'Piktogramms' für den Augustus-Namen zugeschrieben, indem das Kürzel 'AVG-' eine ambivalente Lesung erhält. War die Abkürzung bis zum Jahr 27 v. Chr., dem Jahr der Verleihung der Augustus-Würde an Octavian, ausschließlich für 'augur' angewendet worden, wird sie danach im numismatischen wie auch epigraphischen Kontext ebenso für 'augustus' 86 verwendet. Für die Herleitung des Augustus-Namens bietet Sueton in der Augustus-Vita (7, 3) eine Erklärung, die versucht, diesen Namen von augurium abzuleiten: „[...] ut Augustus potius vocaretur, non tantum novo sed etiam ampliore cognomine, quod loca quoque religiosa et in quibus augurato quid consecratur augusta dicantur ab auctu vel ab avium gestu gustuve, sicut etiam Ennius docet scribens: Augusto augurio postquam incluía condita est." Daß der lituus seit Augustus verstärkt zur Symbolisierung der Princepswürde herangezogen wurde, steht außer Zweifel. Sie beruht auf der enormen Bedeutung, die der erste Princeps selbst dem Augurenamt beigemessen hat.87 Wäre mit dem Augurenstab auch die assoziative, wertende Nebenbedeutung von 'Augustuswürde' gemeint, so müßten sich gerade bei den Münzen der anderen Kaiser Hinweise darauf finden, daß bei den Beischriften auf die Nennung AVG verzichtet würde und statt dessen nur der lituus z.B. neben dem Porträt erschiene. Dies trifft jedoch nicht zu, vielmehr erscheint der Augurenstab auf Münzen der Nachfolger des Augustus sehr oft gemeinsam mit den anderen bereits häufig zitierten Opfergeräten, die dann vielmehr die Mitgliedschaft in den einzelnen Priesterkollegien anzeigen sollen.88 Bei

84

HABEL 1892, 351 ff. Siehe besonders WISSOWA 1902, 429 f. — Zur Darstellung der sakralen Ämter des Augustus auf Münzen: SIMON 1993, 61 ff. — Siehe auch Kap. 5.2.2, S. 132 ff.

85

G O N Z E N B A C H 1 9 6 5 , 8 f f . ; G O N Z E N B A C H 1 9 6 8 , 8 9 f. — S i e h e a u c h K a p . 5 . 2 . 1 , S. 1 3 0 f f .

86

Siehe auch KOCH 1960, 110 ff.

87

Zu diesem umfassenden Aspekt siehe ausführlich GAGÉ 1988, 52 ff. — Zur Diskussion dieser komplexen Bedeutungs- und Forschungsproblematik von augustus, augere und augurium: ERKELL 1 9 5 2 , 9 f f . ; FABBRINI 1 9 7 4 , 9 7 f f . — V g l . a u c h A L F Ö L D I 1 9 7 1 b , 1 6 A n m . 5 6 ; K I E N A S T

1982, 80 Anm. 47. 88

Folgende Gerätkombinationen mit dem lituus sind auf Kaiserprägungen zu finden; simpuvium, lituus, Dreifuß und patera·. Nero (Mü 43. 44). — simpuvium, aspergillum, urceus/gutus und Ii-

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

174

spielhaft sei hierzu eine Drachme des Caligula (Mü 42) angeführt. Die Umschrift der Averse vermerkt den Kaisertitel des Caligula

( C CAESAR A V G GERMANICVS),

wobei

AVG für die 'Augustuswürde' steht; die Reverse hebt die politischen und sakralen Ämter des Kaisers hervor (IMPERATOR PONT M A X

A V G TR POT)

und meint mit

AVG

diesmal eindeutig das Augurenamt, welches darüber hinaus noch durch den lituus unterstrichen wird, ebenso wie das simpuvium für das Amt des Pontifex maximus steht. Eine Denarserie feiert die Aufnahme Neros in diese vier Priesterämter im Jahr 51 n. Chr. Sie weist in Anlehnung an den Aureus des Augustus die gleiche Zusammenstellung der Geräte und ikonographische Verteilung derselben auf der Reverse auf (Mü 43. 44). Die Münztypen bieten eine Vielzahl an Gerät-Kombinationen, so daß eine völlig eindeutige Zuschreibung einzelner Geräte als Abzeichen bestimmter Priesterschaften nur bedingt möglich ist89 oder aber für manche Priesterschaften z.T. mehrere Geräte als Attribute zugewiesen werden können. Medaillons 90 waren im Gegensatz zu den Münzen besondere Prägungen, die zu bestimmten Anlässen als Geschenke an einen eingeschränkten Personenkreis ausgegeben wurden, sog. 'Anlaß-Prägungen'.91 Sie erinnern in besonderem Maße an die Aufnahme der Kaiser und Prinzen in die Priesterkollegien.

tuus: Vespasian (Mü 47-49; 51-53), Nerva (Mü 54-56), Hadrian (Mü 57-58), Antoninus Pius (Mü 60-61), Herennius Etruscus u. Trajan Decius (Mü 82). — culter, aspergillum, gutus, lituus und simpuvium·. Antoninus Pius (Mü 59), Marcus Aurelius (Mü 62; 64-66), Geta (Mü 71-73), Severus Alexander (Mü 74-75), Maximus (Mü 76; 78-79), Gordian III. (Mü 80). — lituus, culter, patera, gutus, simpuvium und aspergillum·. Caracalla (Mü 67; 69-60), Maximus (Mü 77), Gordian III. (Mü 81). 89

WlSSOWA 1902,430.

90

ROSENBAUM-ALFÖLDI 1 9 7 8 , 2 1 3 .

91

Zu den Ereignissen, derer mit besonderen Prägungen gedacht wurde, zählen zum Beispiel Jahresfeiern. Diese werden häufig in einen kultisch-religiösen Rahmen eingebunden, der sich auf diesen Sonderemissionen widerspiegelt. Besonders deutlich wird dies bei einem Medaillon (Med 3) des Jahres 145/46 n. Chr., das zu einer Serie gehört, die aus Anlaß der 900-Jahr-Feier Roms unter Antoninus Pius geprägt wurde. Die Reverse zeigt das Penatenopfer des Aeneas nach seiner Ankunft in Latium, das in Anlehnung an das Aeneas-Relief der Ara Pacis (I 2a) gestaltet worden ist; vgl. BERNHART 1926, 70. 78 (Textbd.). — Eine weitere Darstellung aus der römischen Mythologie und Gründungsgeschichte zeigt ein Medaillon dieser Gedenkserie, das sich auf die Einfuhrung des Asklepiuskultes in Rom bezieht; DRESSEL 1973, 40 ff. Nr. 16 Taf. II 5. — G Ö B L 1 9 7 8 , 3 0 ; ROSENBAUM-ALFÖLDI 1 9 7 8 , 2 1 3 .

8.1 Öffentliche Repräsentation

175

Aus diesem Anlaß wurde auch ein Medaillon (Med 7) für den 14-jährigen Commodus92 geprägt. Die Reverse zeigt culter, galerus und das simpuvium und zusätzlich noch ein Bukranium. Bekräftigt wird diese Aussage durch die Umschrift PoNTiF(ex) auf der Reverse, die zwar das Pontifikat nochmals ausdrücklich erwähnt, aber ausreicht, um auch auf alle anderen Priesterämter Bezug zu nehmen, da es das vornehmste aller Ämter war.93 Bereits mit neun Jahren wurde Caracalla 197 n. Chr. Mitglied sämtlicher Priesterkollegien, was ebenfalls mit der Prägung eines Medaillons (Med 12) gefeiert wurde. Im Gegensatz zu dem Medaillon des Commodus (Med 7) werden zur Charakterisierung dieser Ämter allerdings noch mehr Opfer- und Kultgeräte verwendet. Neben dem bereits bekannten culter und simpuvium treten zusätzlich lituus, patera, gutus und aspergillum auf; das Bukranium fehlt. Opfergeräte werden zum Ausdruck der pietas (augusti) verwendet. Dies geschieht einerseits durch die Abbildung der personifizierten Göttin Pietas, die Opfergeräte in den Händen hält,94 oder durch die mit der Umschrift P I E T A S A V G gerahmten Geräte95. Marcus Aurelius war der erste, der diesen p/etas-Münztyp mit der Beischrift prägen ließ. Er ist Ausdruck einerseits der offiziellen pietas gegenüber dem Staat und der Religion, andererseits des Sohnes gegenüber dem Vater. Die Adoption Marcus Aurelius' durch Antoninus Pius (138 n. Chr.) und die Aufnahme in die Priesterkollegien, die im Zusammenhang mit der Verleihung der Caesarenwürde steht, bedeutete für ihn große Ehre.

92

S. H. A. Comm. 1: „quarto decimo aetatis anno in collegium sacerdotum adscitus est"; ebd. 12: „adsumptus est in omnia sacerdotalia sacerdos XIII kal. Invictas Pisone et Iuliano consutibus".

93

DRESSEL 1 9 7 3 , 1 1 5 .

94

Aureus und Denar des M. Antonius: CRAWFORD I, 524 Nr. 516, 4.5.

95

Beispielsweise Aureus des Marcus Aurelius (Mü 62; 64-66). Siehe auch ULRICH 1930, 72 f. — Commodus; RIC III, 263 Nr. 613; BMCREIV, 479 Nr. 647 Taf. 66, 10. Vgl. auch BERNHART 1 9 2 6 , 116; KLAUSNER 1952, 121 f.

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

176

8.2 Private Repräsentation

8.2.1 Grab- und Totenkult Die Bestattungssitten Roms und des römischen Reiches waren Wandlungen unterworfen bzw. regional verschieden, was zur Ausprägung unterschiedlicher 'Sepulkralmonumente' führte. 96 Die Verbrennung des Toten, die während der gesamten Republik zu verfolgen ist, forderte für die Verwahrung der sterblichen Überreste einen relativ kleinen Behälter, die Urne. 97 Zunächst noch aus Ton gefertigt, wird sie in augusteischer Zeit in Marmor umgesetzt. Die Urne wurde in Grabkammern bzw. -gebäuden beigesetzt. Grabaltäre dienten dem sichtbaren Angedenken des Toten. Die Bestattung des unverbrannten Leichnams und damit verbunden die Verwendung von Sarkophagen ist dagegen - von einigen Ausnahmen der republikanischen und frühkaiserzeitlichen Ära abgesehen - ein Phänomen, das erst ab dem 2. Jh. n. Chr. zu beobachten ist.98 Einem letzten Bereich, der einen gesteigerten Grabluxus und Selbstdarstellungszwang ausdrückt, gehören die architektonischen Grabbauten an.99 Jede der vier genannten Arten von Sepulkraldenkmälern weist zu allen Zeiten, wenn auch mit wechselnder Quantität, als Reliefschmuck Geräte des sakralen Bereichs auf. Die Deutung der auf den Nebenseiten von Grabaltären 100 abgebildeten Trankopfergeräte läuft allgemein auf pietas hinaus.101 Gutus oder urceus, die beiden möglichen Kannen, oder die patera als Spendeschale befinden sich auf den Nebenseiten

96

TOYNBEE 1 9 7 1 .

97

KOCH-SICHTERMANN 1 9 8 2 , 4 1 f f . — Z u r E i n f ü h r u n g : SINN 1 9 8 7 , 4 f f .

98

KOCH-SICHTERMANN 1 9 8 2 , 6 1 f f .

99

EISNER 1986, 212 ff. (historische Entwicklung und Herkunft der Grabbauten); HESBERG 1992, 13 ff.

100 Zur Definition des Begriffs bzw. der Ausprägung von Grabaltären vgl. BÖSCHUNG 1987, 12: „Grabaltäre sind Grabsteine in Altarform. Ihre Dekoration und ihre Gestaltung leiten sich von Götteraltären ab"; 47 f.; HERMANN 1961, 60 f. 74 f. — Diese Definitionen grenzen sich gegen die von ROCKEL 1983, 22 ff. ab, der den Begriff 'Grabaltar' für architektonische, gebaute Altargräber verwendet. Diese Bezeichnung ist hier aber nicht gemeint. 101 So ist es auch unerheblich, ob die Geräte nur im Zusammenhang staatskultischer oder genuin römischer Zeremonien auftreten. Auch in den Bereichen orientalischer Kulte sind vergleichbare Kombinationen anzutreffen, wie z.B. im Isiskult; vgl. ELNGARTNER 1991, Kat. 133.

8.2 Private Repräsentation

177

der Altäre, wobei die patera stets auf der rechten und die Kanne auf der linken Seite'02 angebracht ist. Beide Gefäße können in diesem Fall nur das symbolisch dargestellte Trankopfer meinen, das im Totenkult eine wichtige Rolle spielte.103 Auf weitere mit dem Totenkult verbundene Opfer, die stets im Zusammenhang mit einem Trankopfer vollzogen wurden, weisen diverse Vorrichtungen an den Altären hin, wie schalenförmige Vertiefungen oder waagerechte Flächen zwischen den pulvini, die zur Aufnahme von Opfergaben dienten.104 Daneben wurde der Leichenbrand mit der in der Kanne enthaltenen Flüssigkeit (Wein oder Wasser) gelöscht.105 Kanne und Schale können aber auch die ewige Spende symbolisieren. Aus diesem Kontext heraus ist die Frage nach dem bzw. den Opfernden von nicht geringer Bedeutung. In der Mehrzahl der Fälle muß davon ausgegangen werden, daß die hinterbliebenen Angehörigen einerseits die Begräbnisriten, d.h. auch die Trankopferspende, vollzogen haben. Sie werden dann auch diejenigen gewesen sein, die für eine Aufstellung der Grabaltäre mit den beiden in Reliefform wiedergegebenen Gefäßen gesorgt haben. Umgekehrt bedeutet dies, daß die Angehörigen mit den Darstellungen von Kanne und Schale einerseits ihre pietas gegenüber dem Verstorbenen signalisieren wollten. Andererseits wäre es auch möglich, damit ein immerwährendes, imaginäres Opfer zu vollziehen, um für sich selbst, d.h. für die Hinterbliebenen, eine Absicherung gegenüber den di parentum bzw. den di manesm zu gewähr

102 Die Erkenntnisse werden durch die Arbeit von BÖSCHUNG 1987, 14. 47 bestätigt. Sie lassen sich auf die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen übertragen. Siehe auch CANDIDA 1979, 138.

103 Für den Verstorbenen fand ein Totenmahl mit Opfergaben am Grab statt, das am neunten Tag (Feralia) wiederholt wurde. Der Opfervollzug gehörte zu den üblichen Riten (sacrificium novemdiale), die sich an die neun Tage dauernden Feierlichkeiten anschlossen, die zu den jährlichen Gedenkfeiern (Parentalia) am Grab abgehalten wurden. — Zum Vorgang des Begräbnisses selbst und der Feierlichkeiten: MARQUARDT 1886, 378 f.; RE III. 1 (1899) 345 ff. s.v. Begräbnis (Mau); RE XVII. 1 (1936) 1180 f. s.v. Novemdiale sacrum (Marbach). Parentalia (13.-21. Februar): Während dieser Zeit ruhten alle öffentlichen Akte, die Amtsinhaber legten ihre Amtsinsignien ab, die Tempel blieben geschlossen, Hochzeiten wurden nicht vollzogen. An den Feralia (21. Februar) wurde der Totenkult öffentlich vollzogen, während alle anderen Feiern im privaten Bereich begangen wurden; vgl. RE S XII ( 1970) 979 ff. s.v. Parentalia (Eisenhut); K1P 4 (1979) 512 s.v. Parentalia (Spira); RADKE 1993, 184 ff. 192 f.; ROSE 1 9 4 8 , 3 3 f. 4 8 f. 8 1 ; LATTE 1 9 6 0 , 9 8 ; JASTRZEBOWSKA 1 9 8 1 , 179 f f . ; SCULLARD 1 9 8 5 , 1 1 3 ff. 1 0 4 HERMANN 1 9 6 1 , 12; CANDIDA 1 9 7 9 , 3 2 N r . 10 T a f . 11 A b b . l O d ; BÖSCHUNG 1 9 8 7 , 4 8 .

105 Verg. Aen. 6, 226; Stat. silv. 2, 6, 90. — War der Scheiterhaufen (rogus), auf dem der Leichnam verbrannt wurde, bis auf glimmende Kohlen abgebrannt, wurden diese mit Wasser oder Wein gelöscht. — MARQUARDT 1886, 382.

106 Die Verstorbenen wurden als Divi parentum verehrt. Seit der Kaiserzeit werden sie als Di parentes bezeichnet (Oy. fast. 5, 444 f.). Ab dem 1. Jh. n. Chr. begegnet man ihnen vor allem als

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

178

leisten. Denn eigentlich war die Furcht vor den Toten unbegründet107, es sei denn, man vernachlässigte ihnen gegenüber seine pietas.108 In den Fällen aber, wo aus den Altarinschriften hervorgeht, daß die Errichtung auf testamentarische Veranlassung des Verstorbenen zurückgeht109, könnte man auf eine besondere Sorgfaltsmaßnahme seitens der Hinterbliebenen schließen. Die Annahme, daß eventuell der Verstorbene selbst noch zu Lebzeiten für die Herstellung bzw. Aufstellung des Altares, dann also auch für die Anbringung von Kanne und Schale gesorgt hat, ist abzulehnen. Diese Form einer 'Selbstausstattung' - lediglich bezogen auf das Trankopfer - für das Jenseits oder die pietas gegenüber den eigenen manes wäre ein Widerspruch in sich. Der Totenkult und der Ausdruck von pietas gegenüber verstorbenen Verwandten kann nur seitens der Hinterbliebenen erfolgen, nicht aber durch den Verstorbenen selbst. Im Zusammenhang mit der Betrachtung dieses Spende-Ensembles auf den Grabaltären ist die Interpretation bezüglich der verwendeten Gefäße auf Altären in den römischen Provinzen interessant. Einen differenzierteren Ansatz zu dieser Fragestellung legte H. U. NuBER bei seiner Untersuchung von Kanne und Griffschale vor. Obwohl er die Verwendung der - seiner Meinung nach - als ' Wasch-Garnitur' bezeichneten Kombination im Grabzusammenhang der römischen Provinzen behandelte" 0 , bedürfen seine Reflexionen bezüglich des hier vorliegenden Problems einer genaueren Betrachtung. Es ist festzuhalten, daß ein Großteil der Grabaltäre nicht wie im italischen Mutterland üblich - urceus /gutus und patera abbilden, sondern fast ausschließlich die Kanne gemeinsam mit dempolybrum u \ der Griffschale. Aus-

Di manes, wie gerade Grabinschriften bezeugen. — RE XII. 1 (1928) 1058 ff. s.v. Manes (Marbach). Vgl. KÄSER 1978, 18 f.; RAC 12 (1983) 521 ff. s.v. Grabinschrift (Pietri); LATTE 1960, 9 8 Anm. 2. 107 Im Gegensatz dazu steht die Furcht vor den Lemures, den Gespenstern und bösen Totengeistem. Sie konnten auf die Welt zurückkehren und die Hinterbliebenen heimsuchen. Man hielt sie für die umherschweifenden Seelen verstorbener Verwandter. Ihnen wurde speziell an den Lemuria (9., 11., 13. Mai) geopfert, um sie vom Haus fernzuhalten und sich quasi von ihnen loszukaufen. — WLSSOWA 1902, 188 f.; RE XII.2 (1925) 1931 ff. s.v. Lemuria (Wissowa); LATTE 1 9 6 0 , 9 9 ; SCULLARD 1 9 8 5 , 2 4 . 1 8 3 f. 1 0 8 V g l . MUTH 1 9 8 8 , 2 8 9 . 1 0 9 EX TESTAMENTUM: C I L V I 1 4 6 3 . V I . 2 1 5 8 0 1 . - TESTAMENTUM FIERI IUSSIT: C I L V I 1 9 8 8 1 6 .

3471. 2165. 110 Griffschale und Kanne (meist sog. Kleeblattkannen) sind seit dem 1./2. Jh. n. Chr. in fast allen römischen Provinzen anzutreffen; als Ensembles treten sie seit claudischer Zeit auf. — NUBER 1 9 7 2 , 4 8 f f . ; PETROVZKY 1 9 9 3 , 113.

111 Vgl. Kap. 4.1.2.3, S. 45 ff. Vgl. SysKat. 38 (pol(l)ubrum /polybrum).

8.2 Private Repräsentation

179

gehend von H . U. NUBERS Untersuchung, in der die beiden Gefäße als Grabbeigaben behandelt werden, stellt sich die Frage, ob hier die gleichen Vorstellungen vorliegen oder ob der Wasch-Garnitur - und als solche ist sie auch primär zu betrachten - eine andere Bedeutung zukommt. Auszuschließen ist aus den oben dargelegten Gründen die Symbolisierung eines noch zu Lebzeiten veranlaßten Selbstopfers seitens des Toten. Auch die Möglichkeit, hierin das profan gebrauchte Eß- und Trinkgeschirr zu sehen, das man in jedem provinzialrömischen Grab nachweisen kann" 2 , ist eher zu negieren. Allerdings mag ein Waschgeschirr, das für die Handwaschung bei Mahlzeiten gedient hat, für denselben Vorgang während des Totenmahls Verwendung gefunden haben." 3 Dies liegt in der sakralen Aura des Grabaltares begründet, die wohl kaum eine Profanisierung ihres Bildschmuckes zulassen würde. Wenn der Tote schon realiter diese beiden Gefäße als Beigaben bekommen hat, warum sollten sie noch zusätzlich auf dem Grabmal abgebildet werden? Für H. U . N U B E R steht fest, daß gutus / urceus und polybrum in den Provinzen zu Opferzwecken verwendet wurden, wobei er dies nur auf reale Grabbeigaben bezieht. Vielmehr wurden beide Gefäße gemeinsam mit dem üblichen Trink- und Eßgeschirr in den Gräbern niedergelegt und dienten als Waschutensilien bei Mahlzeiten.114 Für die Abbildung und Deutung beider Gefäße auf den Grabsteinen gibt es demnach drei Erklärungsmöglichkeiten: • Kanne und Griffschale sind ein Waschgeschirr, wie es ihrer ursprünglichen Bestimmung entspricht, und könnten die kultische Reinheit des Toten zum Ausdruck bringen. Damit muß allerdings von dem />¿eto-Gedanken seitens der Angehörigen Abstand genommen werden. Vielmehr wird die pietas des Verstorbenen in den Vordergrund gerückt, indem gezeigt wird, daß der Verstorbene sich zu seinen Lebzeiten stets den Opfer- und Kultvorschriften unterworfen hat und kultisch rein war. Wenn dies so ist, soll dem Verstorbenen eine zusätzliche Ehrung zuteil werden. Im Gegensatz zu den 'mutterländischen', d.h. italischen Grabaltären wird eben nicht die pietas der Verwandten gegenüber dem Toten hervorgehoben, sondern dessen eigene noch zu Lebzeiten praktizierte pietas erga déos.

112 NUBER 1972,179. 113 NUBER 1972,179. 114 NUBER 1972,182.

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

180

• Kanne und Griffschale symbolisieren allein die Handwaschung beim Totenmahl.115 • Kanne und Griffschale sind konkret angelehnt an die im italischen Raum gepflegten Vorstellungen von einem immerwährenden Trankopfer zu Ehren des verstorbenen Verwandten. Der Gebrauch der Griffschale wäre dann zurückzuführen auf die in den Provinzen herrschenden äußeren Bedingungen; das hieße, der Gebrauch des polybrum war so selbstverständlich, daß auch im sakral-kultischen Leben der Umgang mit eigentlich profanen Gerätschaften durchaus möglich war. So war es wohl nur ein kleiner Schritt, die nach italischer Sitte auf den Grabaltamebenseiten als Zeichen der pietas abgebildeten Geräte gutus / urceus und patera durch Gegenstände des eigenen Bereichs zu ersetzen. In diesem Fall kommt für das polybrum zu der zunächst einzigen Funktion als wichtiges Kultgerät bei der kultischen Handwaschung vor dem Opfer eine weitere hinzu: die als Spendeschale. Trifft diese Annahme zu, dann muß jedoch noch streng geschieden werden zwischen Griffschalen, die im szenischen Zusammenhang in der Hand von Opferdienern auftauchen, wo sie eindeutig als kultisches Waschgerät zu verstehen sind, wie z.B. auf der Vorderseite des Vespasian-Altares in Pompeji (17) oder auf dem acerra-Fragment (R 5; Taf. 3b), und den Griffschalen, die man auf den Altarnebenseiten findet. Hier sind sie als Trankopfergeräte zu verstehen und dürfen nicht mit denjenigen gleichgesetzt werden, die beim Waschvorgang Verwendung finden. D. BÖSCHUNG verweist bei den Grabaltären auf die Abhängigkeit von den Götteraltären und auf die Beeinflussung durch diese Altargattung hinsichtlich der äußeren Form und Gestaltung, in gleichem Maße aber auch bezüglich des Reliefdekors." 6 Der Dekor der Götteraltäre besteht sehr häufig aus Bukranien und daran aufgehängten Girlanden. Weist dieser Schmuck bei den Götteraltären auf das dort vollzogene Stieropfer hin, ist er im vorliegenden Fall der Grabaltäre nur eine den sakral-sepul-

115 Daß das Totenmahl auch im provinzialrömischen Gebiet verbreitet war, zeigen nicht zuletzt Denkmäler, wie z.B. die Grabstele des T. Manlius Genialis in Köln (zitiert nach GABELMANN 1972, 120 Abb. 36). Das Relief zeigt einen auf einer Kline gelagerten Mann. Von links tritt ein Diener heran, der ihm mit seiner linken Hand die Griffschale hinstreckt, über dem Arm hängt ein Handtuch. In der rechten Hand hält er die Kanne. Weitere Beispiele für Totenmahlreliefs im provinzialrömischen Bereich: NOELKE 1974, 545 ff.; MATTERN 1 9 8 9 , 7 2 1 f f . ; BIANCHI 1 9 7 5 , 1 5 9 f f . ; BIANCHI 1 9 7 6 , 1 5 5 f f . V g l . a u c h AMEDICK 1 9 9 1 , 11

ff.; Kat. 2 0 . 2 1 . 9 0 . 1 2 4 . 138. 174.

116 BÖSCHUNG 1 9 8 7 , 4 7 f.; BÖSCHUNG 1993b, 37.

8.2 Private Repräsentation

181

kralen Bereich definierende Bildchiffre. Es kommen weitere, nicht mehr nur aus Kanne und Schale bestehende Kultsymbole wie etwa culter und malleus oder Geräte aus dem Bereich der Weihrauchspende (acerró) hinzu. Viele Grabaltäre der Kaiserzeit sind mit Symbolen geziert, die aus dem Repertoire der kaiserlichen Selbstdarstellung stammen, wie die beiden Lorbeerbäume und die Corona civica Daneben sind in der Sepulkralsymbolik aber auch Elemente zu finden, die aus öffentlichen Bildprogrammen übernommen wurden: Schiffsteile, die auf die Actium- und Seesieg-Symbolik"7 und somit auf spezielle Leistungen des Octavian-Augustus anspielen. Häufig sind auch Ammonsköpfe" 8 zu finden; sie sind in der römischen Kunst in monumentaler Form erstmals in den Clipei am Augustusforam anzutreffen. Sie haben nicht nur in andere, dem Kaiserkult verbundene Stätten Eingang gefunden' 19 , sondern auch in die private Sphäre, wie den Grabkult. Anspielungen auf die baupolitischen Aktivitäten des Augustus sind hierin in erster Linie zu sehen, doch darf auch die Wahl derartiger Elemente nach dekorativen Gesichtspunkten nicht unterschätzt werden.120 Über die Larenaltäre121 augusteischer Zeit finden die Bildthemen allmählich allgemeine Verbreitung auch auf Grabaltären122, wobei der einstmals enge, unmittelbare Bezug zum kaiserlichen Umfeld123 - gerade bei den Lorbeerbäumen und der Corona civica - verwischt wird. Seit der claudischen Zeit, in der gerade die ursprüngliche Bedeutung mehr und mehr in den Hintergrund trat, finden wir diese Symbole häufig in Kombination mit den üblichen Opfergeräten, wie z.B. auf einem Altar im Louvre.124 Hier präsentieren sich wieder Kanne und Schale auf den Nebenseiten, während die Corona civica auf der Vorderseite zu sehen ist. Allerdings muß bei diesem Grabaltar besonders darauf verwiesen werden, daß er erst sekundär in flavischer Zeit von seinem Besitzer wiederverwendet worden ist. Bei ihm handelte

1 1 7 HÖLSCHER 1 9 8 5 , 8 1 f f . ; BÖSCHUNG 1 9 9 3 b , 3 9 .

118 Vgl. dazu ALTMANN 1905, 88; BÖSCHUNG 1987,47; BÖSCHUNG 1993b, 39. 119 Zum Einfluß des Iuppiter-Ammon auf norditalischen Fora: BUDISCHOWSKY 1973, 201 ff. Zum Einfluß des Ammon in den Provinzen: VERZAR 1977, bes. 41 ff. 120 BÖSCHUNG 1993b, 39. 1 2 1 H E R M A N N 1 9 6 1 , 2 1 f f . ; ZANKER 1 9 7 0 / 7 1 , 1 4 7 f f .

122 HÖLSCHER 1984c, 28 ff.; HÖLSCHER 1985,101. 1 2 3 SCHRAUDOLPH 1 9 9 3 , 5 4 .

124 Altar für T. Flavius Romanus; Paris, Louvre Inv. MA 2214 (Ende 1. Jh. n. Chr.). — ALTMANN 1905, 181 f. Nr. 243; ALFÖLDl 1971b, 58 Taf. 32, 1; BÖSCHUNG 1987, Nr. 935*.

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

182

es sich ursprünglich um einen Altar des Kompitalkultes.125 Da dieser einst dem Genius Augusti geweiht war, versteht sich die Corona civica von selbst. Ein weiteres Beispiel aus der claudischen Zeit ist der Grabaltar für Claudia Ianuaria.126 Hier werden die Spendegefäße unmittelbar mit den kaiserlichen Bildchiffren, den Lorbeerbäumen kombiniert: auf den Nebenseiten erscheinen Kanne und Schale jeweils in einem Lorbeerbaumgeäst. Da es sich bei diesen Grabaltären einmal um Beispiele aus der Privatkunst bzw. um ein wiederverwendetes Exemplar des Genius- oder Staatskultes handelt, dürfen die Symbole kaiserlicher Selbstdarstellung nicht wörtlich interpretiert werden. Wie D. BÖSCHUNG bereits richtig festgestellt hat, findet die Übernahme dieser Ausdrucksmittel auf Altäre des privaten Bereichs mit einiger zeitlicher Verzögerung gegenüber ihrem ersten Auftreten statt.127 Bis sie im privaten Bereich Anwendung finden bzw. bis Altäre mit ursprünglich anderer, staatskultischer Intention von Privatpersonen benutzt werden dürfen, muß also ein Bedeutungswandel stattgefunden haben. Die Verwendung von ausschließlich dem Kaiser vorbehaltenen Symbolen im Privatbereich wäre bei zeitgenössischer Anwendung, d.h. unter der ersten Generation des iulisch-claudischen Herrscherhauses, einem Crimen maiestatis128 gleichgekommen. Welcher Zusammenhang besteht zwischen kaiserlichen Symbolen und Opfergeräten auf Grabaltären? Im Grunde dienen sie zur Verstärkung der sakral-religiösen Aussage der Altäre. Während Kanne und Schale allein noch der allgemeine Ausdruck von pietas waren, werden sie im Verbund mit Lorbeerbäumen, Eichenlaubkränzen und anderen Dingen zum Zeichen besonders starker sakraler Prägung. Sollte die tiefe Religiosität des Grabinhabers zum Ausdruck gebracht werden, so ist dies am Beispiel der Lorbeerbäume besonders gut nachvollziehbar. Da diese bereits seit frühester Zeit mit den wichtigsten Sakralbauten Roms in Verbindung gebracht wurden129, haftet ihnen per se schon eine tiefe religiöse Ausstrahlung und Bedeutung an.

125 ALFÖLDI 1971b, 58. — Zum Kompitalkult: RE XII. 1 (1924) 807 ff. s.v. Lares (compítales) ( B o e h m ) ; WLSSOWA 1 9 0 2 , 3 3 5 ; KUNCKEL 1 9 7 4 , 2 4 ff.; SCULLARD 1 9 8 5 , 86 ff.; FRÖHLICH

1991, 28 ff. 126 R o m , M u s . N a z . , I n v . 9 0 8 . — M N R O M I 2, 3 4 6 f. N r . I V 4 7 ; ALTMANN 1 9 0 5 , 1 2 6 f. N r . 135 A b b . 101; CANDIDA 1 9 7 9 , 4 1 N r . 14 T a f . X V I C . 11; BÖSCHUNG 1 9 8 7 , N r . 9 1 3 ; C I L V I 1 5 4 7 5 . 127 BÖSCHUNG 1 9 9 3 b , 3 8 f.

128 Zum Begriff des Crimen maiestatis: REIN 1844. 129 Lorbeerbäume sind bekannt von der Regia, vom Vesta-Tempel, den Wohnhäusern der Pontífices und Flamines. — Ο v. fast. 3, 135 ff.; Iul. Obseq. 19 (78); Liv. perioch. Oxyrh. 1; Macr. Sat. 1,12, 6. —ZANKER 1990,98.

8.2 Private Repräsentation

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Sieht man von einer ideologisch-profanen Verwendung des Lorbeers zu politischen Zwecken ab, ist er im allgemeinen ein sakrales und sepulkrales Ausdrucksmittel. Dies ist besonders dann der Fall, wenn nicht konkret Bäume, sondern ganz allgemein einfache Lorbeerzweige dargestellt sind, vor allem dann, wenn sie nur einzeln auftreten. Das 'augusteische' Element wird in erster Linie durch die Duplizität zum Ausdruck gebracht. Die assoziative Nebenbedeutung dieser Bäume wird in der Grabkunst wieder auf ihren konkreten begrifflichen Inhalt zurückgeführt, erfährt also nur eine formale Aufbereitung im sepulkralen Sinne. So können wir den Lorbeer sowie die Lorbeerkränze als Übertragung eines einstmals in natura verwendeten Sepulkralzeichens verstehen, das, in die steinerne, unvergängliche Reliefform umgesetzt, zum immerwährenden Symbol wurde. Es muß bei der Interpretation des Lorbeers stets bedacht werden, daß er eine ambivalente Bedeutung besaß. Nicht alle mit Lorbeerbäumen versehenen Sepulkraldenkmäler greifen auf augusteische Bildprogrammatik zurück. Wenn nur ein einzelner Zweig oder Baum verwendet wird, ist er lediglich dem Totenkult entlehnt; erst die Duplizität von Zweig oder Baum läßt an augusteische Symbolik denken. Die Palette der mit dem Lorbeer verbundenen Grabbräuche ist breit. Aus Unteritalien und Etrurien hat man Nachweise über Lorbeerkränze130, die den Toten in das Grab mitgegeben wurden. Diese konnten sowohl aus echten Zweigen gewunden als auch in Gold nachgebildet sein.'31 Die Rundplastik zeigt sie uns für den etruskischen Bereich auf Steinsarkophagen, wo sie den Kopf des auf dem Klinendeckel Gelagerten schmücken.132 Dieser Brauch mag darauf zurückgehen, daß der Lorbeer als immergrünes Zeichen der Unsterblichkeit auch den Sieg über den Tod verkörperte, so daß der Tote durch Aufsetzen dieses Kranzes als Sieger über den Tod triumphierte und so heroisiert wurde.133

130 Dieser Brauch ist auch aus Griechenland bekannt; gerade aus dem ionischen Kleinasien kennt man die Sitte, reliefierte Lorbeerkränze auf Grabsteinen anzubringen, vgl. BLECH 1982, 93. 1 0 8 ; F R A S E R 1 9 7 7 , 6 6 f.

Für den römischen Raum ist die Verwendung des Kranzes im Totenkult zunächst unbekannt. Erst die Berührung der römischen mit der griechischen Kultur über Etrurien ermöglichte dem Kranz den Einzug in den Totenkult. Seit der späten Republik hat sich dieser Brauch allerdings durchgesetzt. — BAUS 1940, 115 f. mit Anm. 16. 131 D O H R N 1 9 6 2 , 8 9 f.

132 z.B. ein Sarkophag aus Volterra; HERBIG 1952, 86 Taf. 102a bezeichnet den Kranz nur als „feines zweireihiges Blattdiadem". Nach der Blattform ist es jedoch eindeutig Lorbeer. 133 Zur Verwendung von Pflanzen im römischen Grabkult: JUCKER 1961b, Bd. I 209 ff.

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8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Darüber hinaus wurde dem Lorbeer von altersher ein apotropäischer134 und lustraler

135

Charakter zuerkannt. Auch bei feierlichen Anlässen griff man zum Schmuck

von Altären und von Häusern auf den Lorbeer zurück, wie z.B. beim sog. Opferrelief'Mattei' (A 12; Taf. 2a), das auf der rechten Bildhälfte ein mit Lorbeergirlanden geschmücktes Gebäude zeigt. Setzt man diese Erkenntnisse wieder in Bezug zu den Grabaltären, ist ein wichtiger Punkt zu bedenken: Während die Sakralsymbolik der Lorbeerbäume jenen Altären, die dem Kaiser geweiht waren, gemeinsam mit den bereits bekannten Trankopfersymbolen ausschließlich der Kaiserverehrung diente, also die pietas gegenüber dem Herrscher zum Ausdruck brachte, mußten diese Chiffren mindestens im Verlauf einer Generation den Wandel zur Sepulkralsymbolik 136 durchlaufen. Denn vorher waren diese Bildzeichen für den Bereich des Totenkultes nicht verwendbar. So wurde die Aufnahme der Lorbeerbäume in die Sepulkralsphäre - inspiriert durch die seit Augustus übliche Bildprogrammatik der Sacrosanctitas seiner Person und der mit ihm in Verbindung gebrachten Zeichen - wieder auf allgemeine und althergebrachte Vorstellungen vom sacrum reduziert. Sie dienten somit der verstärkten sakralen Ausstrahlung des Grabaltares und unterstrichen den mit der Pflege des Totenkultes verbundenen /«eto-Gedanken. Gleiches gilt für die Kombination mit der Corona civica. Während der Eichenkranz in erster Linie für besondere Verdienste verliehen wurde, insbesondere für die Rettung eines römischen Bürgers, und somit die virtus des Betreffenden zum Ausdruck bringt, wird er seit augusteischer Zeit für jeden Kaiser und besonders fur Augustus zum Symbol der herausragenden virtus und pietas gegenüber dem Staat. Wenn die Corona civica seit claudischer Zeit bei Privatpersonen auf Grabaltären zusammen mit Kanne und Schale anzutreffen ist, kann dies zwar bedeuten, daß der Tote tatsächlich diese Ehrung erhalten hat; aber auch hier darf der Bedeutungswandel vom Ausdrucksmittel aus dem Bereich des Kaiserkultes zum Sepulkralsymbol nicht unterschätzt werden; dies wird gerade dann offensichtlich, wenn Grabaltäre fur Frauen die Corona civica aufweisen, obgleich dieser Kranz Frauen nicht verliehen wurde. W. ALTMANN sieht in diesem Symbol folgerichtig „ein lehrreiches Beispiel,

134 So trug z.B. Tiberius bei Gewitter stets einen Lorbeerkranz bei sich: Suet. Tib. 69; Plin. nat. 25, 135. 135 Gerade im Apollonkult tritt der Lorbeer mit seiner als reinigend geltenden Kraft zutage. 1 3 6 V g l . a u c h ALTMANN 1 9 0 5 , 2 6 2 .

8.2 Private Repräsentation

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wie wenig wir bei den Monumenten der Kleinkunst in der Kaiserzeit noch mit der ursprünglichen Bedeutung zu rechnen haben."137 Die Eiche als Baum des Toten- und Grabkultes ist dagegen bereits seitens der Griechen138 bekannt. Da die Römer in der Verwendung des Kranzes den Griechen folgten139, ist der Eichenkranz in seiner Bedeutung als Symbol im römischen Totenkult leicht nachvollziehbar. Auch der in Gold nachgebildete Eichenkranz spielt im griechischen wie im römischen Totenbrauchtum eine wichtige Rolle. Er verkörperte das immerwährende, unvergängliche Sein über den Tod hinaus.140 Wie Kanne und Schale sind auch Räuchergeräte, wie turibulum oder acerra, und Fackeln im Grabzusammenhang recht einfach zu deuten. Als Halterungen von Girlandenschmuck an Altar-, Urnen- oder Sarkophagecken oder als Zierelemente auf den jeweiligen Rückseiten nehmen sie Bezug auf die Lichtsymbolik und die Rauchopfer bei den Begräbnisfeierlichkeiten. Im realen Gebrauch wurden sie während der Aufbahrung des Toten im Trauerhaus am Bett aufgestellt. Besonders gut ist dieses dokumentiert auf zwei Platten des Hateriergrabbaus141, zum einen an dem Relief mit der Leichenklage (H 7c), zum anderen beim 'Kranrelief (H 7b). Ersteres zeigt den auf dem Lectus funebris liegenden Leichnam der Verstorbenen. Das Bett ist umrahmt von vier brennenden Räucherständern in Form von Fackeln142. Vor dem Unterbau, auf dem das Bett steht, befinden sich rechts und links zwei kleinere, trichterförmige Räucherständer. Sie können als die kleinen, tragbaren acemie' 4 3 angesprochen werden, auf denen bei Begräbnissen144 Weihrauch verbrannt wurde, wie wir von Festus (18 M. 17 L.) erfahren.145 Die Szene auf dem 'Kranrelief über dem Dachfirst des Grabbaus versetzt den Betrachter ins Innere dieser Anlage.146 Hier ist eine ganz andere Form des Räucher-

137 ALTMANN 1 9 0 5 , 174.

138 Eurip. Bakch. 110. 703. 139 RE XI.2 (1922) 1603 s.v. Kranz (Ganszyniec). 140 Zu diesem Thema vgl. LULLIES 1982, 91 ff. insb. 114 ff. 141 JENSEN 1978, 35 ff. (Leichenklage), 152 ff. (Kranrelief). Siehe auch SINN 1993, 229 ff.; SINNFREYBERGER 1996, 4 7 m i t ANM. 19.

142 Fackeln im Begräbniskult: MARQUARDT 1886, 344 f. 143 SysKat. 57 (acerra). 144 Plin. nat. 12, 82 f. 145 MARQUARDT 1886, 3 4 8 . 146 SINN 1993, 2 3 2 .

186

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

ständers wiedergegeben, nämlich der allgemein mit Kandelaber147 bezeichnete Räucherständer mit dreiseitiger Basis und dreiseitigem Aufsatz. Er steht in diesem Fall nicht vor dem lectus funebris, sondern vor der Kline mit der Verstorbenen. In dieser Bedeutung haben die turibula sowie auch die Fackeln Eingang in die allgemeine Sepulkralsymbolik gefunden.148 A . ALFOLDI weist jedoch im Zusammenhang mit dem Sarkophag Caffarelli mit Nachdruck daraufhin, daß die Weihrauchständer - er nennt sie Kandelaber - nicht allein Elemente des Totenkultes sind, sondern ebenso aus den Formen der seit der augusteischen Epoche entwickelten Staatskunst und Bildpropaganda entlehnt sind.149 Daß dieses nicht so absolut gesehen werden darf, beweisen die vielen auch schon vor dieser Zeit entstandenen Grabdenkmäler. Im Sinne von dekorativen Elementen eignen sie sich besonders gut zur Ausschmückung der Ecken von Grabaltären, Sarkophagen oder Urnen.150 Darüber hinaus fungieren sie auf Urnen und Grabaltären als Girlandenträger.151 Als 'Einzelstücke' tauchen sie vereinzelt auch allein auf den Nebenseiten von Sarkophagen auf, wie z.B. auf dem Sarkophag Caffarelli (K 2). In diesem Fall mag die Deutung dahin gehen, die Stellung am Totenbett, nämlich am Kopf- und Fußende, nachzuvollziehen. Die Darstellung und Anbringung eines Opfergerätfrieses begegnet uns auf einem Grabrelief anderer Art152 in Verona (I 29). Der Fries153 - bestehend aus urceus, cutter, securis, patera, simpuvium und aspergillum - befindet sich an einem Bisellium, das auf einem Sockel steht. Dieses wird an beiden Seiten von Lictoren mit Fasces flankiert.

147 Siehe Kap. 4.5.2, S. 95 f. 1 4 8 M c N . RUSHFORTH 1 9 1 5 , 1 5 0 f f . ; SINN-FREYBERGER 1 9 9 6 , 4 7 .

149 ALFÖLDI 1971b, 56 f. 150 Fackel: Altar des Amemptus (I 31). — BÖSCHUNG 1987, Nr. 763 f. 771; SINN 1987, Nr. 33. 121. 132. 458. — Turibulum /candelabrum: BÖSCHUNG 1987, Nr. 773. 775; ALTMANN 1905, 120 Nr. 120; SlNN 1987, Nr. 119 f. 519. 1 5 1 HONROTH 1 9 7 1 , 4 6 . S i e h e a u c h SINN 1 9 8 7 , N r . 1 2 0 .

152 Da dieses Relief möglicherweise von einem Begräbnisplatz an der Via Claudia Padana stammt, wird aufgrund vorhandener Einlaßspuren angenommen, daß diese Platte auch von einem Grabbau stammen könnte. — RONKE 1987, 274. 153 Zugleich ist dieser Fries die vollständigste Darstellung von Opfergeräten auf Veroneser Grabs t e i n e n . — SCHÄFER 1 9 8 9 , 3 2 9 A n m . 6 4 4 .

8.2 Private Repräsentation

187

Die Zusammenstellung von Lictoren und Bisellium weist auf das Amt eines Augustalis'54 hin, dem speziell die Honor biselliatus zuteil wurde.155 Fasces und Bisellium erscheinen häufig auf Grabsteinen156, die Augustales ausweisen, so daß beide als Insigne für den Kaiserkult gelten dürfen. T H . S C H Ä F E R wertet zudem die rechts und links des Opfergerätfrieses angebrachten Stierprotome als zusätzlichen Hinweis auf die sakralen Aufgaben des Toten,157 die als pars pro toto fur die Stieropfer im Zusammenhang mit dem Staatskult gesehen werden158; die Seviri Augustales sahen in der Durchführung von Opfern (für den Genius Augusti) eine ihrer Hauptaufgaben. Die Opfer- und Kultgeräte auf dem Bisellium weisen demnach in einen allgemeinen, mit kultischen Ämtern verbundenen, sakralen Bereich und dürfen daher auch nicht überbewertet werden. In Verbindung mit den Deutungsfragen zu römischen Opfer- und Kultgeräten im Grabzusammenhang müssen neben den Grabaltären auch andere Denkmälergattungen des Sepulkralbereiches betrachtet werden, wie etwa Urnen159 und Sarkophage. Während den Grabaltären als Grabmal zunächst eine andere Aufgabe160 zukommt als jenen Behältnissen, die die sterblichen Überreste aufnehmen, stellt sich die Frage, ob es überhaupt Übereinstimmungen im Dekor gibt und ob hier die gleichen Ideen anzutreffen sind wie bei den Grabaltären. Begonnen werden soll mit den Urnen, die entwicklungsgeschichtlich vor den römischen Sarkophagen auftreten und aufgrund ihres Dekors eng mit den Grabaltären verbunden sind.161 Die Marmorurnen mit Reliefschmuck erfreuten sich nur im stadtrömischen Bereich größter Beliebtheit. Im weiteren römischen Einflußgebiet fanden sie dagegen nur eine verschwindend geringe Verbreitung. An dieser Stelle braucht nicht allge-

1 5 4 R E I I . 2 ( 1 8 9 6 ) 2 3 4 9 f f . s.v. A u g u s t a l e s ( W i s s o w a ) ; ROSS TAYLOR 1 9 2 4 , 1 6 9 ff.; LATTE 1 9 6 0 ,

307 f.; KIP 1 (1979) 739 f. s.v. Augustales (Eisenhut); DUTHOY 1978, 1254 ff. insb. 1293 ff.; KNEISSL 1 9 8 0 , 2 9 1 f f . 3 1 2 f f . ; AUSBÜTTEL 1 9 8 2 , 2 5 2 ff.; N P a u l y 2 ( 1 9 9 7 ) 2 9 1 f. s . v . A u g u -

stales (Scheid). 155 RE III. 1 (1897) 502 s.v. Bisellium (Neumann); SCHAFER-GANZERT 1980, 307 ff.; SCHÄFER 1990. 156 ZIMMER 1982, Nr. 63. 141. 148. 157. 1 5 7 SCHÄFER 1 9 8 9 , 3 2 9 . 1 5 8 SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 5 5 . 5 9 ff. 7 9 . 9 1 ; KUNCKEL 1 9 7 4 , 2 5 ; SCHÄFER 1 9 8 9 , 1 6 3 . 1 5 9 MARQUARDT 1 8 8 6 , 3 8 3 f.; K O C H - S I C H T E R M A N N 1 9 8 2 , 4 1 ; SINN 1 9 8 7 , 4 f f . 1 6 0 BÖSCHUNG 1 9 8 7 , 1 2 .

161 Zum Unterschied von Grabaltar und Urne vgl. BÖSCHUNG 1987, 13.

188

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

mein dem Bildschmuck und seiner Bedeutung auf den Urnen nachgegangen zu werden162, vielmehr muß aus der Fülle der Motive nach den Opfer-, Kult- und Priestergeräten gesucht und nach ihrem Sinn gefragt werden. Nur vereinzelte Urnen163 weisen diese Symbole - nämlich Kanne und Schale - auf, die wie bei den Grabaltären ebenfalls auf den Nebenseiten und manchmal im Giebel des Deckels164 angebracht sind. Noch weniger Exemplare erweitern dieses Repertoire um die Darstellung von Priestergeräten, wie z.B. den lituus, der nur einmal in einer Aedikula165 erscheint. Ährenkränze als mögliche Priesterabzeichen166 erscheinen dagegen etwas häufiger. Dies verwundert zunächst aufgrund der Tatsache, daß die Dekormotive der Urnen von denen der Grabaltäre beeinflußt sind. Aufgrund der nahen Verwandtschaft der Dekore kann man eine annähernd ähnliche Funktion der beiden Libationsgefäße auf den Urnen erkennen, wie sie auch von den Grabaltären bekannt ist. Doch folgender, wichtiger Umstand verlangt eine differenziertere Betrachtungsweise. Wie F. SINN festgestellt hat, besitzen einige der Urnen oder ihre Deckel Vorrichtungen, die für die Aufnahme von Libationen gedacht waren.167 Auffällig ist, daß die Urnen mit Libationsvorrichtungen im Deckel niemals Kanne und Schale auf den Nebenseiten aufweisen. Umgekehrt besitzen die Urnen mit der Abbildung der beiden Gefäße keine Vorrichtungen, die für die Aufnahme der Spende genutzt werden könnten.168 Die Schlußfolgerung heißt: Kanne und Schale als Reliefdekor von Urnen ohne Libationsvorrichtungen sind als symbolisch dargestellte Trankopferspende aufzufas-

162 Das ist an prominenter Stelle sehr ausführlich geschehen: SINN 1987, 54 ff. 163 Bekannt sind ca. 1500 Urnen, von denen SINN 714 Stücke katalogmäßig behandelt hat. Von den 714 Stücken tragen nur ca. 14 Opfer-, Kult- und Priestergeräte. Das ist 1 %. 1 6 4 SINN 1 9 8 7 , N r . 3 6 5 . 165 SINN 1 9 8 7 , N r . 2 1 .

166 SINN 1987, Nr. 15 möchte hierin wie bei Nr. 447 das Abzeichen von Ceres-/Demeter-Priesterinnen sehen. Für den griechischen Bereich ist dies belegt; vgl. BLECH 1982,256. Dagegen ist der Ährenkranz aber auch die eindeutige Insigne der Arvalbrüder (siehe Kap. 5.1.2, S. 128 f.) und wohl auf römischen Urnen sinnfällig. Wahrscheinlicher erscheint jedoch, als 'Urneninhaber(in)' einfache Anhänger des Ceres-/Demeter-Kultes anzunehmen und den Kranz symbolisch als 'Tod und Wiedererstehen' der Natur zu interpretieren. — GOETTE 1984, 587 ff. 167 SINN 1987, 14 Anm. 127. — In den meisten Fällen handelt es sich um einzelne Löcher oder Mulden. Daneben gibt es schalenförmige Eintiefungen mit siebartigen Löchern. Es können aber auch kleine Altäre auf den Deckeln angebracht sein. 168 Vgl. Katalognummern der Urnen mit eindeutig zugehörigem Deckel bei SINN 1987, Nr. 155. 172. 327 (nur Schale). 335. 345. 425. 466. 488.

8.2 Private Repräsentation

189

sen, während die für eine tatsächliche Spende ausgerüsteten Aschenbehälter darauf verzichten können. Wie dies beurteilt werden muß, ist kaum befriedigend zu beantworten, da über den ehemaligen Aufstellungsort der Urnen169 aufgrund unsystematischer Grabungen keinerlei Aussagen zu machen sind. Eine mögliche Erklärung ist, daß jene Urnen, die nach der Bestattung für die 'Nachwelt' nicht mehr zugänglich waren - sei es, daß sie im Mauerwerk des Grabbaus vermauert oder daß sie hinter Loculusplatten verschlossen wurden - und somit einer direkten Libation entzogen waren, mit den Trankopfersymbolen versehen wurden. Hier wäre dann die symbolische Libation angedeutet, zu der sich die Angehörigen verpflichtet fühlten. Im Umkehrschluß heißt das, daß auch nach der Bestattung zugängliche Urnen, etwa in den Columbariumsnischen oder Mausoleen, eine im Deckel angebrachte Libationsvorrichtung besaßen und die Angehörigen hier unmittelbar opfern konnten. Trotz dieser schlüssig erscheinenden Begründungen kann die Argumentationskette leicht unterbrochen werden. Denn erstens wäre der Pflicht, den Di manes der Verstorbenen das regelmäßige Opfer darzubringen, durchaus Genüge getan, wenn dieses am Grabaltar selbst stattfinden würde. Zweitens gibt es einige Nachweise von unzugänglich vergrabenen Urnen, an denen mittels langer Röhren von der Erdoberfläche her libiert werden konnte.170 Die Libation besaß eine so große Bedeutung im römischen Totenkult, daß teilweise komplizierte Rohrsysteme im architektonischen Verbund der Grabbauten selbst errichtet wurden.171 Außerdem bieten Libationsvorrichtungen auch direkte Hinweise auf die Teilnahme des Toten am eigenen Totenopfer. So weisen beispielsweise Schalen in den Händen der auf Klinendeckeln gelagerten Toten Löcher auf, mittels derer dem Toten Trankopfer dargebracht werden konnten, indem die Spende in das Sarkophaginnere geleitet wurde und der Verstorbene selbst am Totenmahl direkt beteiligt werden konnte172.

169 KOCKEL 1 9 8 3 , 4 0 .

170 Beispiele aus allen Teilen des römischen Reiches: HABEREY 1938, 197 ff.; JASTRZEBOWSKA 1 9 8 1 , 1 2 9 f f . ; K O C K E L 1 9 8 3 , 1 6 . 4 0 f.; SINN 1 9 8 7 , 1 4 .

171 Siehe Beispiele bei KOCKEL 1983, 41 ANM. 373. 172 Vgl. Klinensarkophag aus Ostia, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyp., Inv. 777. — CALZA 1964, 70 Nr. 112 Taf. LXV. — Siehe auch WREDE 1981, 89 f.

190

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Weitere Geräte, die die Totenspeisung bzw. das direkte Trankopfer betreffen, sind die sogenannten mensae funerariae.m

Diese Tische waren mit Spendevorrich-

tungen versehen: schalenförmige Eintiefungen mit siebartigen Durchbohrungen. 174 Diese mensae waren über dem Grab aufgebaut; oftmals lagen ihre Platten auf einem die giebelförmige Grabüberdeckung umschließenden Mäuerchen 175 . Die durch die Bohrungen gegossene Trankspende traf somit das Giebeldach, kam also dem Toten direkt zu. Die mensae treten verstärkt ab dem 3. Jh. n. Chr. auf und sind dann in erster Linie Bestandteil des christlichen Totenkultes, insbesondere im Zusammenhang mit Märtyrergräbern. Parallel zu dem oben skizzierten Problem der Urnen ohne Libationsvorrichtungen mit abgebildeten Trankopfergeräten und denen mit Libationsvorrichtungen ohne Abbildungen hat bereits V. K O C K E L fiir den Befund der Grabbauten am Herkulaner Tor in Pompeji festgestellt, daß einige Grabbauten eingebaute Rohrsysteme vorweisen, andere aber wiederum nicht.176 Als mögliche Ursache sieht er den Unterschied zwischen einheimischer und zugewanderter Bevölkerung. Diese Begründung auch für die Erklärung der motivischen oder der tektonischen Ausgestaltung der Marmorurnen anzuführen, ist sicherlich nicht möglich, da die Herkunft der 'Urneninhaber' nicht mehr oder nur selten nachvollziehbar ist. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Kanne und Schale als Urnendekor eher das symbolische, immerwährende Trankopfer meinen. Das wird dadurch unterstrichen, daß Urnen existieren, die mit einer für die direkte Libation geeigneten Vorrichtung ausgestattet sind und daher auf den Dekor mit diesen beiden Geräten gänzlich verzichten können. Neben den Grabaltären und Urnen stellen die Sarkophage ebenfalls eine wichtige Denkmälergruppe dar, die als Bildträger sakralen Genres dienen. Darstellungen kultischer Handlungen, reines ornamentales Dekor oder Opfer- und Kultgeräte dienen der Verzierung.

173 Diese Problematik kann - da sehr weitläufig und komplex - nicht an dieser Stelle diskutiert werden. Sie bedarf einer eigenen, ausfuhrlichen Diskussion (Diss, in Vorbereitung V. Simon, Münster). 174 MNROM 1,7,2 S. 280 ff. Nr. IX, 40: Grab an der Via Cassia (Rom): reliefierte patera mit vier gebohrten Löchern. Nr. IX, 41: Grab an der Via Cassia (Rom): drei reliefierte paterae. Beide Beispiele werden in das 3. Jh. n. Chr. datiert. 175 Vgl. DEONNA 1934, 12 Abb. 12,4: Mensa funeraria der Cessa Matronica, Setif, Nordafrika. 1 7 6 KOCKEL 1 9 8 3 , 4 1 ; KOCKEL 1 9 8 7 , 1 8 3 ff. insb. 188.

8.2 Private Repräsentation

191

Die Formen römischer Sarkophagreliefs stellen ein altes Forschungsproblem dar, wobei der Ausdeutung der einzelnen Szenen bisher mehr Beachtung geschenkt wurde als den einzeln zusammengestellten Sepulkral- und Sakralgeräten.177 Die Interpretation der Reliefs mit Opferszenen soll an dieser Stelle allerdings nicht die Hauptaufgabe sein. Wir müssen uns mit dem Hinweis begnügen, daß diese Darstellungen zur Wiedergabe der Tugend 'pietas' verwendet wurden. 178 Ob sich dies allerdings rückblickend (retrospektiv) auf das Leben des Verstorbenen bezieht oder vorausschauend {prospektiv) für das Jenseits gemeint war, kann nur in den wenigsten Fällen konkret entschieden werden. Für die vorliegende Untersuchung werden diese Reliefs lediglich zur Illustration der einzelnen Opfer- und Kultgeräte herangezogen, da sie ergänzend zu den Darstellungen in der zeitgleichen Kunst wirken. Von Interesse sind vielmehr Häufigkeit und Kombination singulärer Opfer- und Kultgeräte auf den Sarkophagen und deren Deckeln sowie ihre Bedeutung im sepulkralen Zusammenhang. Dem Problem der Kultgerätdarstellungen hat sich bereits H. HERDEJÜRGEN

angenommen und eine kleine Sammlung von Sarkophagen vorgelegt,

die in dieser Form geschmückt sind.179 Bis jetzt hat sich die Materialbasis für die vorliegende Fragestellung nicht verändert, so daß auf die Vorarbeiten H. JÜRGENS

HERDE-

vollständig zurückgegriffen werden kann.

Festzuhalten ist, daß - ungeachtet der verstärkten Anwendung der Ganzkörperbestattung und somit der Verwendung von Sarkophagen ab dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert - bereits seit der späteren Republik und frühen Kaiserzeit 180 Sarkophage verwendet werden. Diese wurden teilweise mit Opfergeräten versehen, wie sie bereits von Grabaltären und Urnen bekannt waren; in den meisten Fällen handelt es sich auch hier um gutus / urceus und patera. Für die Verteilung der Geräte auf dem Sarkophag wurden mehrere Möglichkeiten gewählt: die Anbringung auf den Nebenseiten, wobei die Kanne meist links, die Schale rechts auftritt (K 4. 6); eine Verteilung, wie sie bereits von den Grabaltären und Urnen bekannt ist. Kanne und Schale erscheinen gemeinsam auf der Vorderseite

177 Vgl. SICHTERMANNS Abhandlung zur Schwierigkeit, eine allgemeingültige Interpretation des Sinngehaltes römischer Sarkophagreliefs zu finden in: KOCH-SICHTERMANN 1982, 583 ff. 178 Grundsätzlich wird die Eheschließungsszene für concordia, die Annahme der Barbarenunterwerfung fur dementia, die Löwenjagdszene für virtus verwendet. — KOCH-SICHTERMANN 1 9 8 2 , 9 7 ff. 106; KOCH 1993, 56. V g l . RODENWALDT 1925; SCHEFOLD 1 9 6 4 , 6 2 ; HÖLSCHER 1 9 7 9 , 2 8 9 f. 179 HERDEJORGEN 1 9 8 4 , 7 ff.

180 Mitte 1. Jh. v. Chr.: Sarkophag der Aemilia Secundia ( K l ) . Tiberisch: Sarkophag Caffarelli (K 2). Spätes 1. Jh. n. Chr.: Sarkophag des Aemilius Eucharpus (HERDEJÜRGEN 1984, 7 ff.).

192

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

(K 2), wo sie teilweise Tabulae ansatae ( K l ) umrahmen. Verschiedene Opfer- und Kultgeräte befinden sich in den Lunetten von Girlandenbögen (K 12. 17), die die Vorderfront der Deckel (K 3. 5. 8) schmücken. Diese Form des Deckelfheses taucht in erster Linie im Zusammenhang mit Sarkophagkästen auf, die auf der Vorderseite antithetische Greifen tragen. Prominente Beispiele, in ihrer Art singulär, befinden sich in Cambridge (K 3) und im Vatikan (K 5). Die Deutung von Kanne und Schale auf den Sarkophagnebenseiten ist mit der der Grabaltäre und Urnen vergleichbar und meint auch hier die symbolische Trankopfergabe des Totenkultes. Gleiches mag auch für die beiden Gefäße auf dem Sarkophag der Aemilia Secundina ( K l ) gelten, wenn auch Kanne und Schale auf die Vorderfront gerückt sind. Anders sieht es dagegen bei den Kultgeräten aus, die sich in den Girlandenbögen auf der Deckelfront befinden, wie bei den frühtrajanischen Beispielen in Cambridge (K 3) und im Vatikan (K 5).181 Auffällig ist bei diesen Exemplaren, daß nicht nur verschiedene Opfer- und Kultgeräte verwendet werden, sondern gerade auch die Girlandenmaterialien variieren. Früchte und Blätter sind es beim Sarkophag im Vatikan, Eichenlaub, Lorbeer, Ähren und Blumen bei dem in Cambridge. Das Repertoire der Opfergeräte in den Girlandenbögen ist sehr ähnlich: lituus, aspergillum, urceus und patera sind bei beiden vorhanden. Der Sarkophag im Vatikan (K 5) hat zusätzlich noch die acerra, was damit zu erklären ist, daß er in seinen Ausmaßen größer ist und somit mehr Platz für weiteren Schmuck läßt. Es stellt sich die Frage, inwiefern das Gesamtensemble des Deckelschmucks ein Programm ist oder reinen Dekor darstellt. Für den Sarkophag im Vatikan (K 5) schien die Deutung seitens der Forschung sehr einfach zu sein. Bereits W.

AMELUNG

ging von einer einfachen Schlußfolge-

rung aus: „Nach diesen Gegenständen zu schließen, war der Sarkophag für einen Priester bestimmt (Krummstab der Auguren, Wedel das Attribut der Pontífices)". 182 Isoliert betrachtet, erscheint dies einleuchtend. Doch im Zusammenhang mit dem Sarkophag in Cambridge (K 3) ist diese Annahme hinfällig. In erster Linie steht die

181 Ebenfalls in den sepulkralen Zusammenhang einzuordnen ist ein Fruchtgirlandenfries auf dem 'Kranrelief des Hateriergrabmals (H 7b). Er befindet sich zwischen Grabbaugiebel und der Standleiste für die Klinenszenen im rechten oberen Bildteil. Die Girlanden werden von fünf Adlern getragen. In den Lunetten befinden sich: aspergillum, Bukranium, patera und urceus. Eine inhaltliche Verbindung zwischen den Girlanden-Opfergerätfriesen der o.g. Sarkophage und dem auf dem Relief angedeuteten Grabbau zu ziehen, ist sicherlich gerechtfertigt, zumal das Umfeld auf den Grab- bzw. Begräbniskult abzielt. 182 AMELUNG, V a t . K a t . I, 2 5 6 f. N r . 126.

8.2 Private Repräsentation

193

geringe Größe dieses Sarkophages dieser Auffassung entgegen. Bei einer Länge von ca. 1,24 m kann er nur fur ein Kind verwendet worden sein. So dürfen das aspergillum und der lituus nicht als Insignien verstanden werden, die den Toten als Priester identifizieren würden. Die Ausnahme bilden allerdings die Prinzen der kaiserlichen Familien, denen schon im Kindesalter teilweise priesterliche Ämter verliehen wurden. Doch trifft dies für unseren Sarkophag kaum zu, da die kaiserliche Familie von der frühen Kaiserzeit an bis in hadrianische Zeit die Verbrennung des Leichnams praktizierte und erst nach der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. zur Körperbestattung überging.183 Urceus und patera sind auch beim Sarkophag im Vatikan (K 5) die in vielerlei Hinsicht bezeugten Trankopfersymbole. Nimmt man noch die acerra184 hinzu, so finden sich die Utensilien vereint, die allgemein für Voropfer (Trank- und Weihrauchspende) benötigt wurden.185 Die Inschriften von Grabsteinen beispielsweise helfen, eine Antwort darauf zu finden, ob für den ohnehin schon als 'Priestersarkophag' bezeichneten Sarkophag im Vatikan (K 5) diese Benennung aufgrund der Opfergeräte möglich ist. H . HERDEJÜRGEN fuhrt einen Grabaltar in Florenz (I 34) an, der im Tympanon der auf ihm abgebildeten Grabädikula ebenfalls eine Reihe von Opfergeräten zeigt: aspergillum, lituus, patera, urceus und als allgemeines sakrales Symbol ein Bukranium.186 Die Inschrift gibt keinerlei Hinweis auf ein Priester- oder Augurenamt des Toten. Ebenso kann der auf dem Grabaltar des Lemnus187 vorhandene lituus nicht als Priesteramtsinsigne gedeutet werden, da auch hier die Inschrift sich nicht zu einer möglichen

183 Noch um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. ist zumindest für die kaiserliche Familie noch die Einäscherung vorrangige Bestattungsmethode, wie die Ustrinà des Antoninus Pius und des Marcus Aurelius verdeutlichen; so kann o.g. Sarkophag auch nicht unbedingt für einen Prinzen oder ein Kind aus dem Umfeld der Kaiserfamilie bestimmt gewesen sein. Daß allerdings Urnen selbst in dem Sarkophag beigesetzt wurden, ist eher unwahrscheinlich. — Zu den Ustrinà siehe: NASH, R o m II 4 8 7 ff.; HÜLSEN 1 8 8 9 , 4 8 ff.; JORDAN 1907, 6 0 4 f.; BOATWRIGHT 1 9 8 5 , 4 9 3 ff.; KAMP-

MANN 1985, 67 ff.; RICHARDSON 1992, 149 s.v. Diva Faustina Maior, Ara (Danti). — Siehe a u c h SCHEFOLD 1 9 6 4 , 6 2 ; SINN 1 9 8 7 , 5 m i t A n m . 19.

184 SysKat. 1 (acerra). 185 Dies ist auch bei Weihealtären belegt, etwa beim Vespasian-Altar (I 7) oder beim Altar des Attikareliefs am Bogen von Leptis Magna (Cc 2b). Der dort im Relief übereck wiedergegebene Altar zeigt auf der linken Seite Kanne und Schale, die rechte gibt ein halbgeöffnetes Weihrauchkästchen wieder. 186 HERDEJÜRGEN 1 9 8 4 , 2 0 . 1 8 7 BÖSCHUNG 1 9 8 7 , N r . 3 * .

194

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Mitgliedschaft bei den Auguren äußert.188 F. SINN dagegen fuhrt eine Marmorurne an, die auf der rechten Nebenseite Lorbeerkranz und lituus fuhrt; dies wertet sie als möglichen Anhaltspunkt für einen bestatteten Augurn189, zumal sie glaubt, für die Herkunft der Urne Etrurien, wo das Augurwesen große Bedeutung hatte, nachweisen zu können. Diese Beispiele und Anmerkungen mögen die Schwierigkeiten verdeutlichen, in den Sarkophagen priesterliche Bestattungen sehen zu wollen. Gerade für den Kindersarkophag (K 3) ist dieses ausgeschlossen. Daher müssen die Opfer- und Kultgeräte in den Girlandenlunetten der beiden Sarkophage eine andere Bedeutung besitzen als die auf bestimmte Priesterschaften projizierten Insignien. Inwieweit sind die Bestandteile der Deckelfriese konkret mit dem Totenkult in Verbindung zu bringen? Für den Sarkophag im Vatikan (K 5) liegen als Bestandteile vor: Eroten als Girlandenträger, Girlanden aus verschiedenen Materialien, Opfer- und Kultgeräte und tragische Masken als Eckköpfe. Für den Kindersarkophag (K 3): Bukranien als Girlandenträger, Girlanden aus verschiedenen Materialien, Opfer- und Kultgeräte sowie Bukranien als Eckköpfe. Der Deckel des Kindersarkophages verwendet versatzstückhaft ausschließlich Elemente des staatskultischen Opfers, während die des Sarkophages im Vatikan rein dekorativen Charakter besitzen. Dennoch beziehen sich die Eroten und die tragischen Masken auf den dionysischen Bereich, der dem genuin römischen Kultverhalten hinsichtlich der Kultform und seiner Ausübung teilweise entgegensteht. Gerade die Masken weisen konkret auf den Kult des Bacchus-Dionysos, für den sie als Kultobjekt seit dem 4. Jh. v. Chr. bezeugt sind.190 Eroten gehören als Thiasioten dem dionysischen Zug an. Möglicherweise verkörpern sie die 'Verheißung' auf ein angenehmes Jenseits.191 Andererseits gehören die verwendeten Geräte nicht in den dionysischen Bereich. Für diesen Fall wären hierfür die Kultgeräte des Dionysos-Kultes zu erwarten, wenn eine konkrete und ausschließlich auf diese 'Religionsform' gerichtete Bildprogram-

1 8 8 C I L V I 8 4 9 9 : L E M N O A V G L / P R O C / PATRIMONI E T / H E R E D E T / D O M I T I A E PHYLLIDI / L

DOMITIUS LEMNVS F. — Das AVG in Z. 1 kann in Verbindung mit L für Libertos nur als Abkürzung für Augustalis gelten, da Mitglieder dieser Sodalitas hauptsächlich Freigelassene waren. Somit ist für das AVG der Hinweis auf einen Augur hinfällig. — Vgl. zu den Augustales: Kap. 8.2.1, S. 187 A n m .

154.

1 8 9 SINN 1 9 8 7 , N r . 2 1 . V g l . a u c h L A D A G E 1 9 7 1 , 1 0 8 f . 1 9 0 V g l . O T T O O.J., 8 0 f f . ; H A M D O R F 1 9 8 6 , 3 2 f f . ; C A I N 1 9 8 8 , 1 7 5 f f . i n s b . 1 7 6 .

191 RAC VI (1966) 320 f. s.v. Eros (Rumpf).

8.2 Private Repräsentation

195

matik beabsichtigt gewesen wäre. Als 'dionysisches' Kultgerät wären, wie in anderen Kunstgattungen überliefert,192 zu erwarten: Pedum, Thyrsos, Kantharos oder Tympanon. Auf eine solche Absicht könnte bei dem Kindersarkophag (K 3) nicht geschlossen werden, da sich hier die Zusammenstellung der einzelnen Elemente auf dem Deckel auf die - vorsichtig als 'römische' zu bezeichnende - Religion bezieht. Daher wäre zu vermuten, der Wahl der Motive läge eine bestimmte vom Verstorbenen bzw. seinen Angehörigen intendierte Absicht zugrunde, nämlich das 'Bekenntnis' zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft. Dennoch sollte man annehmen, in der Wahl der Motive einen reinen Schmuckcharakter und simple Verzierungselemente zu sehen, die zwar dem kultischen Bereich entlehnte Bildchiffren verwenden, ihnen aber im Grunde genommen keine tiefere Bedeutung beimessen. Weiterhin könnte man den zunächst primär als Schmuck zu bezeichnenden Dekor auch in anderer Hinsicht interpretieren. Für die Sarkophage mit den emblematisch dargestellten Trankopfergefaßen mag die Deutung ebenso einfach erscheinen wie bei den Altären oder Urnen. Auch hier liegt die Symbolisierung der von den Angehörigen zu vollziehenden Totenopfer (resp. Trankopfer) zugrunde. Die Parallele sticht besonders hervor bei dem Sarkophag der Aemilia Secundina (K 1), bei dem die Inschrift auf der von Kanne und Schale umrahmten Tabula ansata193 auf die Dis manes verweist. Den dritten Komplex in der Gruppe der sepulkralen Denkmäler, die mit Opferund Kultgeräten oder sakralen Szenen als Reliefschmuck versehen sind, stellen die Grabmonumente dar. Ihnen obliegt im Vergleich zu den anderen Sepulkraldenkmälern eine besondere Aussagekraft, da sie Ausdruck der öffentlichen Selbstdarstellung des Verstorbenen sind und häufig noch zu Lebzeiten errichtet wurden.194 Dazu bediente man sich nicht nur der Sprache der Monumentalität, sondern unterstrich seine Absicht noch durch die zusätzliche Anbringung von Bauschmuck und Reliefs verschiedenster Art. Neben der Darstellung des Berufsstandes195, dem Hinweis auf die

192 Zum Beispiel auf Kandelabern: CAIN 1985, Kat. 71 Taf. 30, 1-2. 32, 1-2 (Kantharos, Schirm, Thympanon). Kat. 124 Taf. 32, 4 (Thyrsos). Kat. 127 Taf. 32, 3 (Thyrsos). 193 CIL VI.4 37098. 194 Vgl. Petron. 71, 5-12. — HESBERG 1992, 208. 195 Als Beispiel sei das Eurysaces-Monument in Rom genannt. NASH, Rom II 329 ff.; HESBERG 1992, 131 f. 236.

196

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Taten für das Gemeinwohl oder der Zurschaustellung der Ämter 196 , auch der sakralen (H 3. 5. 8), finden sich Hinweise auf Sakralgeräte. Die Zusammenstellung ist nicht anders als bei denen der vorhergenannten Sepulkraldenkmäler und daher im gleichen Sinne zu interpretieren. Zu den Beispielen, die gesichert von einem Grabbau stammen, zählt das fragmentierte Relief einer Tafelkonsole aus Ostia (H 9), die zwischen Pfeilern angebracht gewesen sein dürfte. Dieses Relief bildet Kanne und Schale als Symbole des Trankopfers ab. Die hochformatigen Bekrönungsblöcke vom Grabmal der Cartinia in Falerii (H 6) nehmen ebenfalls Bezug auf die Sepulkralsymbolik; sie sind in Form von Grabaltären gebildet, die mit brennenden turibula geschmückt sind. Die querformatigen Blöcke weisen das Spendegeschirr sowie Eichen- und Lorbeergirlanden auf.

8.2.2 Schmuck und Bildzeichen Ähnlich kleinformatig wie die Münzen und Medaillons, aber hinsichtlich ihrer öffentlichen Wirkung nicht so verbreitet, sind die Gemmen. Opfer- und Kultgeräte kommen auf diesem Bildträger, gemessen an der großen Menge des Materials, nur vereinzelt vor; sie stellen als Gruppe betrachtet eine Besonderheit in Motivik und Quantität dar. Obwohl das Bildrepertoire dieser Gattung hinsichtlich 'kultischer' Themen 197 allgemein sehr groß ist, bleibt der Bereich der emblematisch verwendeten Geräte nahezu unberührt. Zwischen der Mitte des 1. Jhs. vor und der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. erlebt die Glyptik ihre Blütezeit innerhalb der römischen Kunst. In diese Zeit fallen auch die Beispiele der Gemmen mit Opfer- und Kultgeräten. Da die Materialgrundlage nur sehr dünn ist, können an dieser Stelle nur allgemeingültige Aussagen gemacht werden. Zur Vervollständigung werden ebenfalls Beispiele aus Glas, die Gemmen aus Edelstein nachahmen, und Glaspasten mit in die Auswertung einbezogen. Die Gemme mit den Principes iuventutis Caius Caesar und Lucius Caesar (B 6) ist das einzige nahezu fest zu datierende Beispiel (Taf. 4b). Es zeigt die beiden Brüder in frontaler Stellung, wie sie sich auf die zwischen ihnen stehenden Schilde

196 Für den letzten Abschnitt vgl. HESBERG 1992, 208 ff. 197 Zur Diskussion 'kultischer' und - hierzu gehörend - mythologischer Themen siehe ausführlich ZAZOFF 1983, 290 ff. Beispiele: 'Mädchen beim Kult' (332), 'Ländliche Opfer' (333), Götterdarstellungen (334 f.).

8.2 Private Repräsentation

197

stützen. Zwischen den leicht gekippten Lanzen befinden sich lituus und simpuvium. Die beiden Geräte verweisen auf die beiden Priesterämter von Augurât und Pontifikat, die für eine zeitliche, relativ enge Eingrenzung dieses Stücks herangezogen werden können. 198 Daneben bestätigen Münzen der Jahre 2 v. Chr. bis 1 n. Chr. die zeitliche Einordnung dieses Bildmotivs (Mü 39). Die Reversbilder dieser Emission zeigen das gleiche Motiv. 199 Zusätzlich zur Gemme ist die Münze noch mit einer Beischrift versehen, die die Enkel des Augustus als Principes iuventutis und Cónsules designati, als potentielle Nachfolger des Kaisers ausweist.200 Die einzigen Beischriften auf der Gemme beziehen sich auf die Initialen ' C ' für Caius unterhalb des simpuviums und 'L' für Lucius unterhalb des lituus. Von großer Bedeutung ist allerdings die Inschrift C A E S

AVG

am linken Gemmenrand. Sie ist ein

Hinweis darauf, daß der Stein direkt auf Augustus' Veranlassung geschnitten worden ist. Der äußere Anlaß mag vielleicht die Erhebung des Lucius Caesar in das Augurenamt gewesen sein, genauso wie die Emission bildgleicher Münzen auf dieses Ereignis zurückzuführen ist.201 Die Bedeutung liegt darin begründet, daß hier im Gegensatz zu denen als öffentlich-politisches Propagandamittel genutzten Münzen ein Kunstwerk vorliegt, das aufgrund seiner Größe und vor allen Dingen seiner Funktion - nämlich der als Ringstein - hauptsächlich im privaten Bereich genutzt wird oder zumindest öffentlich-propagandistisch zunächst eine nicht so große Rolle spielte. M.-L. V O L L E N W E I D E R fuhrt dies soweit fort, daß die Abkürzung

CAES AVG

ohne

weitere Angabe von Titeln oder Namen allein genügte, um die Gemme mit Augustus identifizieren zu können 202 ;

VOLLENWEIDER

zieht als Träger bzw. Empfänger

198 Caius wurde 6 v. Chr. Pontifex: RE X.l (1918) 424 f. s.v. lulius (Caesar) (Gardthausen); HOFFMAN LEWIS 1 9 5 5 , 3 1 N r . 1 9 ; KIENAST 1 9 9 0 , 7 4 . — L u c i u s ü b e r n a h m d a s A u g u r â t 3 / 2 ν . C h r . : HOFFMAN LEWIS 1 9 5 5 , 4 3 N r . 3 2 .

199 Allerdings ist die Abbildung entgegen der des Karneols seitenverkehrt gehalten, was mit der Übertragung des Bildes von dem Gemmenabdruck auf die Münze geschehen ist. 2 0 0 S i e h e a u c h ZANKER 1 9 6 9 , 2 0 8 f.

201 Vgl. auch Larenaltar vom Vicus Sandalarius (110). Er zeigt L. Caesar in Ausübung seiner auguralen Pflichten beim Augurium ex tripudiis. — Vgl. Kap. 8.1.2, S. 169 mit Anm. 65. — SIMON 1986, 70 f. 240 Abb. 87 sieht in der Person mit dem lituus L. Caesar. ZANKER 1990, 128f. Abb. 101 dagegen sieht in dem Togatus Augustus selbst. Siehe auch ALFÖL.DI 1971b, 32. 2 0 2 VOLLENWEIDER 1 9 6 4 , 7 8 .

198

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

dieses Steins ein Mitglied des engsten Personenkreises um Augustus in Betracht. Alle weiteren in die Untersuchung aufgenommenen Gemmen bilden Opfer- und Kultgeräte in emblematischer Form ab und lassen sich daher sehr gut mit dem Repertoire der Münzen vergleichen. Die Zusammenstellung variiert dabei teilweise beträchtlich. Eine einzelne Kanne zeigt beispielsweise eine Gemme der Sammlung Merz (B 4). Kanne und lituus sind es bei einem Exemplar in Silchester (B 7). Bis zu acht Geräte, die ausschließlich beim Opfer Verwendung finden, zeigt die Gemme Β 5 (Abb. 7) aus der Sammlung Merz: Kanne, Beil, patera, Messer, galerus, lituus und simpuvium. Bei der Größe der Gemmen ist davon auszugehen, daß sie als Ringsteine gedient haben. Vergleicht man die Zusammenstellung der Geräte auf den Gemmen mit denen der Münzen, insbesondere denen der Kaiserzeit, so ist festzustellen, daß sich diese in großen Teilen decken. Bedenkt man, welche Bedeutung die Zusammenstellung

der

'Symbol-Geräte'

haben kann203, so liegt es nahe, die Gemmen einer dem Kaiserhof nahestehenden Person zuzuordnen. Da Ringe häufig vom Kaiser an verdiente Personen verliehen Abb. 7: Gemme (B 5)

wurden 204 , könnte dies auch für die vorliegenden Beispiele der Fall sein; ver-

gleichbar ist etwa der Glaskameo des Augustus (Β 1; Taf. 4c). Vielleicht könnte aber auch an ein Amtsabzeichen oder -Siegel205 eines Priesters - im Sinne eines Bischofsringes 206 - gedacht werden. Hierbei ist dann aber zu bedenken, daß es sich nur

203 Vgl. Kap. 5.2.2, S. 132 ff. 2 0 4 FOURLAS 1 9 7 1 , 7 9 f f .

205 Zum Siegel: allgemeine und grundlegende Darstellung RE II. 1 (1923) 2361 ff. s.v. Signum (Wenger). — Kurze, prägnante Umschreibung der Sinnbedeutung von Siegeln: INSTINSKY 1962, 8 f. 206 Ring als Würdezeichen des Bischofs: „anulus episcopalis / pontificalis"; FOURLAS 1971, 98. Bischofs· oder Investiturinsigne: „anulus regalis/imperialis"; FOURLAS 1971, 95. Mit der Verleihung eines Ringes war im christlichen Westen das Amt selbst gemeint. Der älteste Fingerring, der als Siegelring eines Bischofs diente, stammt aus der Anfangsphase des Christentums und wird für den römischen Bischof Cajus (282-296 n. Chr.) überliefert; FOURLAS 1971, ebd.

8.3 Exkurs: Die Opferschale als Friedenssymbol

199

bedingt um eine Privatperson als Besitzer handeln kann, sondern daß der Ringstein ganz konkret dem Kaiserhaus oder dem Kaiser zugesprochen werden muß. Denn außer diesem war es keiner anderen Person möglich, mehrere Priesterämter gleichzeitig innezuhaben. 207 Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht zudem der hohe Seltenheitswert dieser Steine. Betrachtet man alle Gemmen, die gutus und lituus zeigen (B 7), also zwei Geräte, die bereits dem Augurât zugewiesen sind, so mag hier der 'Siegelring' einer Privatperson im Amte des Augurn vorliegen, was allerdings nicht weiter beweisbar ist.208 Andererseits haftet dem Stein möglicherweise eine Art Amulettcharakter an. Opfergeräte als apotropäische Zeichen konnten zwar noch nicht nachgewiesen werden eine Ausnahme bilden Kanne und Schale im sepulkralen Zusammenhang 209 - doch ist eine solche Deutung der Kultgeräte sicherlich zu weit hergeholt. 210

8.3 Exkurs: Die Opferschale als Friedenssymbol Blickt man auf das Verhältnis der Römer zu ihren Göttern, so trifft man immer wieder auf den Begriff der pax deorum2u, die einen zentralen Punkt in der Kultausübung einnimmt. Dieser Ausdruck bedeutet, daß man sich der göttlichen Zustimmung in seinem Handeln versichern mußte212, und man tat dies durch ständige 'Vertragserneuerung', also durch Opfergaben oder -spenden. In diesem Sinne sind die als

207 Dies galt bis zum Anfang des 3. Jhs. n. Chr. — WlSSOWA 1902, 414. 423 f. 208 Zur Überlegung, Ringsteine könnten als Siegelringe im Sinne eines Amtsabzeichens verwendet worden sein, siehe Β 11 : Beil (sacena ?), Messer (culter ?): Der culter weist die typische Form eines Messertyps auf, wie er auch auf anderen Denkmälern des 1. Jh. n. Chr. aus Oberitalien bekannt ist. Gerade die Kombination mit dem 'Hackmesser' ist auf Grabsteinen für Schlachter häufig anzutreffen. Daher ist zu überlegen, ob die beiden Geräte tatsächlich in einem kultischsakralen Zusammenhang anzusiedeln sind. Oder haben wir es hier mit einem Siegelring zu tun, der einen 'Schlachtermeister' (Zunftmeister) ausweisen sollte? 209 Vgl. Kap. 8.2.1, S. 176 ff. 210 Der Träger eines solchen Ringes hätte dann seine permanente pietas und 'Gottesverbundenheit' demonstrieren wollen, wie das Tragen des Kreuzes oder des Davidsternes an der Halskette die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft bedeutet. Doch 'Amulette' werden eher um den Hals getragen, als daß sie als Ringe verwendet werden. 211 WlSSOWA 1902, 327; LATTE 1960, 40 f. mit Anm. 5. — Vgl. HEINZE 1957, 128 f. Anm. 1 f. 212 FUCHS 1926, 187: „Da aber hier für den Menschen nicht Ansprüche, sondern nur Verpflichtungen in Betracht kommen und die Überlegenheit der Götter unbedingt ist, so ist es verständlich, daß pax vor allem die Gnade und Gunst der Götter heißt".

200

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Dekor an Altären und sonstigen Kultstätten angebrachten Spendeschalen zu sehen, „durch deren Ausgießen die pax deorum herbeigefleht wurde".213 Daß es sich bei diesen Schalen um die paterae handelte, bedarf keiner weiteren Erklärung. Als interessanter und wichtiger Aspekt ist anzumerken, daß es neben den bekannten Schalenformen patera und phiala noch ein weiteres Opfergefaß gibt, das aufgrund seiner Benennung enge Verbindungen zu den oben skizzierten Begriffen herstellt. Es handelt sich um das spondeum.214 Seine Form ist seitens des bildlich überlieferten Quellenmaterials nicht bekannt, darf aber aufgrund seiner sprachgeschichtlichen Abhängigkeit vom griechischen σπονδεΐον 2 1 5 mit diesem gleichgesetzt werden. Da die römische pax (resp. pax deorum216) einen (Friedens-)Vertrag zwischen Mensch und Gottheit darstellt, der durch Spendengüsse besiegelt wird, kann dieses Opfergerät auch als Friedenssymbol gedeutet werden; zumal dann, wenn man sich die Bedeutung des Verbs spondere (feierlich geloben, sich verpflichten) vor Augen hält. Somit besäßen wir mit spondeum letztendlich die ursprüngliche Form eines für Opferzwecke, insbesondere für die unmittelbar mit dem Götterkult verbundenen, notwendigen Spendegefäßes. Obgleich der oben vorangestellte Interpretationsansatz zu Kanne und Schale im wesentlichen allgemein auf die Deutung eines symbolisch dargestellten Trankopfers zur Manifestation des pietas-Gedanken abzielte, so ist es dennoch notwendig, die Schale nochmals für sich allein sprechen zu lassen, damit alle Einzelaspekte zur Klärung der vorliegenden Problematik berücksichtigt werden. Ein interessanter Ansatz fur eine Deutung findet sich bei E. SIMON in ihrer vergleichenden Untersuchung zu Eirene und Pax.217 Sie sieht in pax eher die Bedeutung von 'Pakt', nicht von 'Frieden', was dem griechischen Begriff ειρήνη 2 ' 8 entspräche. Daher scheint für eine Gleichsetzung von pax mit einem griechischen Begriff nur σπονδή / σπονδαί

2 1 3 SIMON 1 9 8 8 , 7 0 .

214 SysKat. 44 (spondeum). 215 Gefäß, Becher oder Schale zur σπονδή, bes. zur Weinspende. 216 Laut HEINZE 1957, 128 Anm. 1 ist im sakralen Sprachgebrauch mit pax nie etwas anderes gemeint als pax deorum. — KOCH 1960, 100. 2 1 7 SIMON 1 9 8 8 , 6 9 f f .

218 „Zustand, der durch die Abwesenheit von Krieg oder sonstigem Streit gekennzeichnet ist", R. van Bennekom, Lexikon des frühgriechischen Epos s.v. eirene-, zitiert nach SIMON 1988, 56 Anm. 5. — Siehe auch FUCHS 1926, 167 ff.

8.4 Resumé

201

(Spendenguß) in Frage zu kommen, da bereits in homerischer Zeit Verträge durch Trankopfer, die den bezeugenden Göttern galten, besiegelt wurden. 2 ' 9

8.4 Resumé Die Ausdeutung der Opfer-, Kult- und Priestergeräte hängt nach allem, was oben als möglicher Aussagegehalt angeführt wurde, nicht zuletzt von dem jeweiligen Bildträger ab, auf dem das einzelne Gerät erscheint. Obgleich die Kult- und Sakralgeräte für sich genommen als Symbole eine eindeutige Aussage besitzen, kann diese je nach Kombination mit unterschiedlichen Bildträgern variieren. Diese Tatsache macht klar, daß das Analyseergebnis der Geräte hinsichtlich ihres symbolischen Gehaltes stark von dem jeweiligen Bildträger abhängt, auf dem er erscheint, und daher kann die Interpretation auch nur sinnvollerweise anhand der Denkmälergattungen erfolgen, die jedesmal aufs neue nach den Symbolwerten des einzelnen Gerätes fragen muß. Wie vielschichtig der Bedeutungsgehalt eines einzelnen Gerätes sein kann, sei noch einmal kurz beispielhaft anhand der Schale verdeutlicht. Die Grundbedeutung der Schale als Spendegefäß liegt auf der Hand. In Kombination mit einer Kanne kann sie im allgemeinen sakralen Zusammenhang als Symbol für die Trankspende, das Voropfer z.B. bei Staatsopfern, zu verstehen sein; im sepulkralen Zusammenhang bezeugt sie ebenfalls ein Trankopfer, muß hier jedoch als Symbol der Totentrankspende interpretiert werden. Betrachtet man die Spendeschale in einem öffentlich-propagandistischen Kontext, z.B. auf Münzen gemeinsam mit bestimmten anderen Geräten, so wird sie zum Abzeichen der Priesterschaft der Septemviri epulones; dies aber auch nur, wenn die anderen mit ihr 'vergesellschafteten' Geräte ebenfalls als Priesteramtsabzeichen oder Insignien zu deuten sind. Auf einer anderen Bedeutungsebene kann die Schale sogar als abstraktes Symbol für 'Frieden' gedeutet werden. Hier erfährt sie dann sogar eine Namensänderung, der schon den symbolischen Bedeutungsinhalt in sich trägt. Aus der 'einfachen' patera wird ein spondeum.

219 Vgl. BALTRUSCH 1994, 92 ff. insb. 99-104. 99: „Bei diesen Weinspenden handelte es sich um eine religiöse Geste einzelner Personen, die dazu bestimmt war, von den Göttern Sicherheit und Schutz für sich und andere beim Beginn eines gefahrlichen Unternehmens zu erlangen". — Sieh e a u c h HERRMANN 1 9 7 1 , 1 3 5 f f . ; HAMPL 1 9 3 6 , 1 5 3 f f .

202

8 Aussagegehalt und Erzählabsicht römischer Kultgeräte

Diese Ausführungen mögen nochmals eindringlich vor Augen fuhren, wie vielschichtig simple Opfer-, Kult und Priestergeräte sein können. Das Beispiel der Spendeschale ließe sich auch auf viele andere Geräte übertragen, teils ebenso vielschichtig, teils nur auf zwei oder drei Bereiche.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

Die Systematik (SysKat) stellt die einzelnen Opfer-, Kult- und Priestergeräte, die sowohl aus der Überlieferung als auch aus dem Denkmälerbestand bekannt sind, möglichst vollständig dar. Der besseren Übersicht halber werden die Geräte gemäß ihrer Funktion aufgegliedert und dann in alphabetischer Reihenfolge angeordnet. Eine durchgängig alphabetische Anordnung ohne Funktionsunterteilung ist nicht sinnvoll, da aus den lateinischen Bezeichnungen die Verwendung der einzelnen Geräte in der Regel nicht hervorgeht und somit ein schneller Zugriff auf die Informationen dem Leser nicht möglich ist. Aufgrund dieser Gliederung will der Katalog als Materialsammlung für weitere Untersuchungen dienen bzw. Dritten ein Instrument für die Benennung einzelner Opfer- und Kultgeräte in die Hand geben. Die Katalogangaben erscheinen, wenn sie vollständig zu ermitteln waren, im folgenden Schema: Ν

Name (des Gerätes)

V F M D

Verwendung (innerhalb des Kult- und Opfergeschehens) Form Material Denkmäler, auf denen die Geräte erscheinen (in Form der Nummer im Denkmälerkatalog; Kap.

11) SE Synonyme und etymologische Anmerkungen Qu Quellentexte In Inschriften Lit Sekundärliteratur.

Die literarischen Zitate werden nur als Stellenangaben zitiert; der Volltext erscheint unterhalb der systematischen Auflistung zu jedem einzelnen Gerät, wenn die Textstelle besonders aussagekräftig ist. * Denkmäler, bei denen die Gerätform nicht eindeutig erkennbar ist.

204

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

9.1 Gefäße und Behältnisse1 1. Acerra acerra, -ae f . V: F: M: D:

Aufbewahrungsbehältnis2 für Weihrauch. Symbolhaft verwendet als Hinweis auf die Weihrauchspende. Kasten / Kästchen. Rechteckig. Mit und ohne Füßchen. Zum Teil verziert. Erz, Marmor, Holz. A 2 I A 10 I *A 1731 A 18 j A 21 I D 3 I (D 4) I (D 5) I D 7 I Ε 1 I E 5 I E 5a I E 6b IF 1 IF 6" IF 8b I G 4 IH 1 IH 7a 112b 11 7 1110 1113 1121 1133 I J 3 I Κ 5 I Κ 9 I Κ 13 I Κ 15 I M 1 I O 7 I Ce 2b [ Gg 2 I Gg 4 I Gg 6 I Gg 8 I Gg 18 I Gg 24 I R 5.

SE:

Begriff seit den XII tabulae bekannt; altes Wort der Sakralsprache, arca turalis, arcula turarias. Qu: Cie. leg. 2, 60 | Fest. 18 M. 17 L. | Hör. carm. 3, 8, 2-4 | Martial. 4, 45, 1 | Ov. met. 8, 264-266; 13, 703; Pont. 4, 8, 39-fast. 4, 933-934 | Pers. 2, 5 | Plin. nat. 35, 70 | Suet. Tib. 44; Galb. 8 | Val. Max. 3, 3, 1 | Verg. Aen. 5,453; 5, 744-745. In:

Act. Arv. a. 224 (CIL VI. 1 2104a, Z. 16). ThLL I 372 f. | OLD 26 s.v. acerra.

Lit:

DAREMBERG-SAGLIO 1.1 ( 1 8 7 7 ) 2 2 s . v . A c e r r a ( V i n e t ) | MARQUARDT 1 8 8 5 , 1 6 7 A n m . 12 | GUHL-KONER 1 8 9 3 , 8 0 4 | R E 1.1 ( 1 8 9 3 ) 1 5 3 f. s.v. A c e r r a ( H a b e l ) I WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 8 | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 9 f f . | R A C I ( 1 9 5 0 ) 6 4

f. s.v. Acerra (Schneider) | FLESS 1995,17 ff. | NPauly 1 (1996) 55 s.v. Acerra (Olshausen). Fest. 18 M. 17 L.: ara, quae ante mortuum poni

solebat, in qua odores incendebant. alii dicunt arcu-

lam esse turariam, scilicet ubi tus reponebant.

1

Bei der Benennung der Grundformen römischer Gefäße und ihrer lateinischen Bezeichnungen sowie der Verwendung deutscher Bezeichnungen wurde auf HILGERS 1969, 310 zurückgegriffen.

2

SysKat. 57 (acerra).

3

Möglicherweise ist hier auch eine pyxis zu erkennen.

4

Szenen XCVIII-XCIX und CII-CIII.

5

RE II.l (1895) 425 ff. s.v. Area (Habel); NPauly 1 (1996) 976 s.v. Area (Hurschmann).

9.1 Gefäße und Behältnisse

205

Hör. carm. 3, 8, 2-4: quid velint flores et acerra turis / plena miraris positusque carbo in caespite vivo, / [...]. Mart. 4 , 4 5 , 1 : haec tibi pro nato plena dat laetus acerra [...]. Ov. Pont. 4, 8, 39: nec, quae de parva pauper dis libat acerra, tura minus, grandi quam data lance, valent. O y. fast 5, 933-934: dixerat, a dextia villis mantele solutis / cumque meri patera turis acerra fuit. Ov. met 8,266: tempia coronato, bellatricemque Minervam cum love disque vocant aliis, quos sanguine voto muneribusque datis et acerris turis honorant. Ov. met. 13,703: nec leviora datis Troiani dona remittunt dantque sacerdoti custodem turis acerram, dant pateram claramque auro gemmisque coronam. Pers. 2, 5: at bona pars procerum tacita libabit acerra. Plin. nat. 35, 70: pinxit [...] item sacerdotem adstante puero cum acerra et corona. Suet. Galb. 8: acciditque, ut cum provinciam ingressus sacrificaret intra aedem publicam, puero e ministris acerram tenenti capillus repente toto capite conesceret. Suet. Tib. 44: fertur etiam in sacrificando quondam captus facie ministri acerram praeferentis nequisse abstinere, quin paene vixdum re devina peracta ibidem statim seductum constupraret simulque fratrem eius tibicem. Verg. Aen. 5, 744-745: Pergameumque larem et canae penetralia Vestae farre pio et plena supplex venerato acerra.

2. A r m i l l u m armillum, V:

-i n.

Gefäß im sakralen Gebrauch für Wein und Most.

F:

Einhenkeliger Krug.

M:

Ton, Glas.

SE:

Zuerst im sakralen Gebrauch aufgekommen; ähnlich dem urceolus. Von

Qu:

Armile.

armusi

Apul. met. 6, 2 2 | Fest. 2 M. 2 L. | Gloss. VI 20,45 | Varrò fr. N o n . 547. ThLL II 6 1 6 I O L D 172 s.v. armillum.

Lit:

D A R E M B E R G - S A G L I O 1.1 ( 1 8 7 7 ) 4 3 8 1885, 167

s.v. Armillum (Saglio) | M A R Q U A R D T

Anm. 3 | R E I I . 2 ( 1 8 9 6 ) 1 1 8 9 s.v. Armillum (Mau) | W A L D E - H O F F -

M A N N 1 9 3 8 , 6 8 | HILGERS 1 9 6 9 , 1 1 0 N r . 3 5 | E R N O U T - M E I L L E T 1 9 8 5 , 4 7 .

Apul. met 6, 22: [...] et aegra facie matris suae repentinam sobrietatem pertimescens ad armillum redit aliisque pernicibus caeli penetrato vertice, magno Iovi supplicat suamque causam probat. Fest. 2 M. 2 L.: armillum vas vinarium in sacris dictum, quod armo, id est humero, deportetur. Gloss. VI 20, 45: vasa sacrorum.

206

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

Varrò fr. Non. 547: armillum, urceoli genus vinarii. Varrò de Vita Populi Romani lib. I: 'etiamnunc pocula quae vocant capulas ac capides, quod est poculi genus, item armillum, quod est urceoli genus vinarii'.

3. Atalia atalla, -ae f . V: Opfergefäß. SE: Deminuativform von ataña, attana, attanus6. Qu: Act. Lud. saec. Aug. 107. 132. ThLL II 1013. Lit:

RE II.2 (1896) 1895 s.v. Atalla (Wissowa) | WALDE-HOFFMANN 1938, 77 f. | HILGERS 1 9 6 9 , 111 N r . 3 8 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 53.

Act. lud. saec. Aug. 107 + 132: ad atallam fuerunt [...] (sequuntur nomina XV virorum).

4. Athanuvium at(h)anuvium, -i n. V: Opfergefäß. M: Ton. SE: Andere Form von atalla7, attanus8; atanuvium. Von atena (identisch damit?).9 Qu: Paul. Fest. 18 M. 17 L. ThLL 1026 I OLD 195 s.v. atanuvium. Lit:

DAREMBERG-SAGLIO 1.1 (1877) 511 s.v. Atanuvium (Saglio) | MARQUARDT

1885,167 Anm. 4 | RE II.2 (1896) 1939 s.v. Athanuvium (Habel) | KRETSCHMER 1 9 2 2 , 2 8 2 I NIEDERMANN 1 9 3 5 / 3 6 , 2 7 2 ff. | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 7 8 I SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 8 | LATTE 1 9 6 0 , 3 8 4 A n m . 5 | HILGERS 1 9 6 9 , 1 1 1 f. N r . 4 0 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 5 4 .

Paul. Fest. 18 M. 17 L.: atanuvium est poculi fictilis genus, quo in sacrificiis utebantur sacerdotes Romani.

6

SysKat. 5 (attanus / attanulus).

7

SysKat. 3 {atalla).

8

SysKat. 5 (attanus / attanulus).

9

Gloss. II 22, 25.

9.1 Gefäße und Behältnisse

207

5. Attanus / Attanuhis attanus, -i m. V: M: SE: Qu:

Opfergefäß. Aes. Vgl. atana.10 Gloss. II 22, 47; IV 406, 33. ThLL II 1116 (attanus), II 1013 (atanulus).

Lit:

WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 7 8 | HILGERS 1 9 6 9 , 1 1 2 N r . 4 2 | ERNOUT-MEILLET 1985, 54.

Gloss. IV 406, 33: atanulus genus vasi.

6. Aula / Olla aula, -ae f . / olla, -ae f . V:

Sakraler Gebrauch. Beim Tieropfer verwendetes Gefäß zum Kochen der Eingeweide (exta) und des Fleisches. Im Kult der Arvalbrüder. Profaner Gebrauch: Bezeichnung für Kochtopf. F: Eimer (Typ Hemmoor?), Topf. Oval oder kugelförmig. Mit und ohne Deckel. Von großem Fassungsvermögen. M: Aes, Ton. D: A 8 I A 20 I D 1 I E 2 I E 3a, b I E 5 I E 6 I F 2 I F 5 11 2d 11 10 11 38 I O 4. SE: Auch aulla, vulg. olla·, Begriffe aula und olla bestehen nebeneinander, aula (seit Plautus), ollula (seit Plautus bzw. Varrò); Demin.: auxilia, ollaparvula. Vgl. extarn. Qu: Fest. 23 M. 21 L. | Gloss. II 66, 46 | Liv. 41, 15, 2 | Plaut. Rud. 135 | Varrò ling. 5, 98; fr. Non 543. In: Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 25). ThLL II 1453 ff. IX 2, 569 | OLD 1246 s.v. olla. Lit: MARQUARDT 1886,371. 655 | GUHL-KONER 1893, 691 | WISSOWA 1902,487 Anm. 5 | DAREMBERG-SAGLIO IV. 1 (1907) 171 f. s.v. Olla (Pottier) | BLÜMNER 1911, 154. 503 | RE XVII.2 (1937) 2485 ff. s.v. Olla (Wotke) | WAL-

10

HILGERS 1969, 111 mit Anm. 497.

11

SysKat. 22 (extar

[aula]).

208

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

DE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 8 4 | HILGERS 1 9 6 9 , 3 9 f. 1 1 2 Nr. 4 3 | ZAHLHAAS 1 9 7 1 , 135 ff. Taf. 2 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 5 9 s.v. aulla.

Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 25): (fratres Arvales) reversi in aedem in mensa sacrum fecerunt ollis. Fest. 23 M. 21 L.: aulas antiqui dicebant, quas nos dicemus ollas, quia nullam litteram geminabant. itaque aulicocia exta, quae in ollis coquebantur, dicebant, id est elixa. Liv. 41,15,2: id se victimario nuntiant! parum credentem ipsum aquam effimdi ex olla, ubi exta coquerentur iussisse [...]. Plaut. Rud. 130-135: [...] semper petunt / aquam hinc autem ignem aut vascula aut cultrum aut ver / aut aulam extarem. Varrò ling. 5,98: haec sunt quorum in sacruficiis exta in olla, non in veru coquuntur quas et Accius scribsit et in pontificiis libris videmus. Varrò fr. Non. 543: aula vel olla, quam nos ollam dicimus. et est capacissimum vas.

7. B r i a bria, -ae f .

V:

Sakrales G e f ä ß .

F:

Trinkgefaß: B e c h e r o d e r Schale.

D:

* A 6.

Qu:

Arnob. nat. 7, 2 9 . T h L L II 2 1 9 0 .

Lit:

MARQUARDT 1 8 8 5 , 1 6 7 ANM. 11 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 1 1 5 | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 5 8 I HILGERS 1 9 6 9 , 122 Nr. 5 7 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 7 6 .

Arnob. nat. 7, 29: date quaeso immortalibus diis bibant scyphos, brias, pateras simpuviaque depromite [...].

8. C a n i s t r u m canistrum,

V:

-i n. / e i g e n t l i c h canistra,

-orum

n.

Korb zur A u f n a h m e verschiedener G e g e n s t ä n d e . A l s Opfergerät i m M i n e r v a Kult 1 2 bekannt.

12

Bildliche Darstellungen von Opferszenen auf pompejanischen Wandmalereien zeigen oftmals Prozessionen zu Ehren Minervas, bei denen Körbe mitgeführt werden.

9.1 Gefäße und Behältnisse

F:

209

Korb. R u n d , fast tellerartig. M i t fast o d e r g a n z senkrecht a u f s t e h e n d e m , n i e d r i g e m R a n d . — A u c h p r o f a n genutzt.

M:

R o h r - o d e r W e i d e n g e f l e c h t . A u c h B r o n z e , Silber, G o l d , T o n .

D:

Al

SE:

V g l . a u c h canna,

I * A 7 11 6 a I * K 10.

ναστρον,

-aef.:

κάνιστρον,

k l e i n e s Rohr, S c h i l f , R o h r g e f l e c h t ' 3 ; aus Griech. κ ά κάναυστρον

abgeleitet; canistrum

(seit

Cicero).

Griech. κ ά ν ο υ ν . Qu:

C i e . Att. 6, 1 , 1 3 I luv. 5, 7 2 - 7 4 | Ο v. fast.

2, 6 5 0 ; met. 2, 7 1 1 - 7 1 3 ; 8, 6 7 4 - 6 7 6

I Tib. 1, 10, 2 7 - 2 8 | V e r g . Aen. 2, 7 0 1 ; 8, 1 7 9 - 1 8 0 . T h L L II 2 5 9 | O L D 2 6 6 s.v. canistrum. Lit:

DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 8 9 0 f. s.v. Canistrum ( S a g l i o ) | R E III.2 ( 1 8 9 9 ) 1 4 8 2 f. s.v. C a n i s t r u m ( M a u ) | DEUBNER 1 9 2 5 , 2 1 0 ff. ( g r i e c h i s c h e r Kult) I WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 1 5 4 s.v. c a n n a ( 1 ) | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 4 7 f. | HILGERS 1 9 6 9 , 1 3 5 f. Nr. 7 7 | SCHELP 1 9 7 5 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 9 3 | FLESS 1 9 9 5 , 2 0 ff. | N P a u l y 2 ( 1 9 9 7 ) 9 6 3 f. s.v. C a n i s t r u m ( H u r s c h m a n n ) .

Cie./lit 6 , 1 , 1 3 : in felicatis lancibus et splendidissimus canistris holusculis nos soles pascere; quid te in vasis fictilibus appositurum putem? Iuv. 5, 72-74: [...] finge tarnen te / inprobulum, superest illic, qui poneré cogat: / 'vis tu consuetis audax conviva, canistris / implevi panisque tui nomine colorem? O y. fast 2, 650: stat puer et manibus lata canistra tenet inde ubi ter fniges medios immissit in ignis. Ov. met 2, 711-713: ilia forte die castae de more puellae / [ . . . ] vertice supposito festas in Palladis arces / [ . . . ] puro coronatis portabant sacra canistris. Ov. met 8, 674-676: hie nux, hie mixta est rugosis carica palmis / prunaque et in patulis redolentia mala canistris / et de purpureis conlectae viribus uvae. Tib. 1,10, 27-28: hanc pura cum veste sequar, myrthoque canistra / viñeta geram, myrto vinctus et ipse caput. Verg. Aen. 8 , 1 7 9 - 1 8 0 : tum lecti iuvenes certatim araeque sacerdos / viscera tosta ferunt taurorum onerantque canistris.

13

OLD 266 s.v. canna. — HILGERS 1969, 136 Nr. 78.

210

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

9. Capedo capedo, -inis f . V:

F: M:

Opfergefäß. Als priesterliches Gefäß vom Pontifex getragen. Gleiche Verwendung wie beim simpuvium14. Wurde auch der Gottheit geweiht. Auch als Trinkgefaß bekannt. Fast identische Form wie simpuvium. Ton.15

SE:

Dem.: capedunculaVgl. simpuvium. Etwas Vergleichbares, wenn nicht sogar dasselbe ist capis''1 / capidula. Qu: Cie. rep. 6, 2 | Plin. nat. 37, 18 | Varrò ling. 5, 121; fr. Non. 547. Lit:

ThLL III 304 (capedo, capeduncula). 302 (capudo). DAREMBERG-SAGLIO 1.1 (1877) 896 s.v. Capedo (Saglio) | MARQUARDT 1885, 167 Anm. 6 [ MARQUARDT 1886, 654 | RE III.2 (1899) 1504 s.v. Capedo ( M a u ) I BLÜMNER 1 9 1 1 , 4 0 6 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 157 | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 7 f. I HILGERS 1 9 6 9 , 1 3 8 N r . 81 | ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 2 0 .

Cie. rep. 6, 2: oratio Laeli, quam omnes habemus in manibus, quam simpuia pontificium dis inmortalibus grata sint Samiaeque, ut scribit, capudines. Plin. nat. 37,18: eadem victoria primum in urbem myrrhina invexit, primusque Pompeius capides et pocula ex eo triumpho Capitolino Iovi dedieavit. Varrò ling. 121: capides et minores a capiendo, quod ansatae ut prendi possent, id est capi, harum figuras in vasis sacris ligneas ac fictiles antiquas etiam nunc videmus. Varrò fr. Non. 547: armillum, urceoli genus vinarii. Varrò de Vita Populi Romani lib. I: 'etiamnunc pocula quae vocant capulas ac capides, quod est poculi genus, item armillum, quod est urceoli genus vinarii'.

10. Capeduncula capeduncula, -ae f . V: F:

Schöpfgefaß beim Opfer. Verkürzter Griff. Gebogene Schnauze.

14

SysKat. 43 (simpuvium

/simpulum).

15

Vgl. Erläuterungen zu Plin. nat. 37, 18: C. Plinius Secundus d.Ä., Naturkunde Buch XVII, hrsg. u. übers, von R. König-J. Hopp (1994) 145.

16

SysKat. 10 (capeduncula).

17

SysKat. 11 (capis).

9.1 Gefäße und Behältnisse

M:

Ton.

SE:

caputa, capidula, capedox%, capudo. Nebenformen von simpuvium19.

Qu:

211

Cie. nat. deor. 3,43; rep. 6, 2 | Paul. Fest. 249 M. 292 L. | Varrò ling. 5,121. ThLL III 304 (capeduncula, capedo). 302 (capudo) | OLD 268 s.v. capeduncula.

Lit:

MARQUARDT 1 8 8 5 , 1 6 7 A n m . 7 | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 8 | A . S. PEASE, M . Tulli C i c e r o n i s , D e natura d e o r u m III ( 1 9 5 8 ) 1 0 5 7 ( z u Cie. nat. 3, 4 3 ) | HILGERS 1969, 138

Nr. 8 1 .

Cie. nat. deor. 3,43: quando enim me in hunc locum deduxit oratio, docebo meliora me didicisse de colendis dis inmortalibus iure pontificio et more maiorum capedunculis his, quas Numa nobis reliquit. Paul. Fest. 249 M. 292 L.: [...] patellae vasula parva picata, sacrifiais item sacris faciendis apta [...] velut capidul(ae). Varrò ling. 121: capides et minores a capiendo, quod ansatae ut prendi possent, id est capi, harum figuras in vasis sacris ligneas ac fictiles antiquas etiam nunc videmus.

11. Capis capis, idis f . V:

Opfergefäß. Kennzeichen der Pontífices. 20 Speziell für die Salier erwähnt. Auch im Vesta-Kult und von den Auguren bekannt.

F:

Henkel-Schale. 21

M:

Holz, Ton, z.T. Silber.

D:

*E 4 I (F 1 [6x]).

SE:

Vielleicht vom Griech. σκαφίς abgeleitet, simpuvium, simpulum22. Demin.: capidula.

Qu:

Fest. 249 M. 292 L. | Gloss. IV 28, 2 | Liv. 10, 7, 10 | Lucil. 9, 319 | Plin. nat. 37, 18 I Mano ling. 5, 121. ThLL III 342 | OLD 271 s.v. capis.

18

SysKat.9 (capedo).

19

SysKat. 43 (simpuvium

20

Liv. 10, 7, 10.

21

SIMON 1990, 233 Anm. 19 schlägt als Benennung dieses Gefäßes, das seiner Form nach ein "einhenkliger Kantharos" ist, den mittelitalischen Namen capis vor.

22

SysKat. 43 (simpuvium

/simpulum).

/simpulum).

212

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

Lit:

MARQUARDT 1 8 8 6 , 6 5 4 | DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 8 9 6 s.v. C a p i s , Capéelo, C a p e d u n c u l a , C a p u l a ( S a g l i o ) | KELLER 1 8 9 1 , 4 2 f. | R E III.2 ( 1 8 9 9 ) 1 5 0 4 s.v. C a p e d o ( M a u ) | BLÜMNER 1 9 1 1 , 4 0 6 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 1601 SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 7 f. | HILGERS 1 9 6 9 , 1 3 8 f. Nr. 8 2 | ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 1 4 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 9 7 | SIMON 1 9 9 0 , 2 3 3 A n m . 19.

Fest. 249 M. 292 L.: [...] patellae vasula parva picata, item sacris faciendis apta [...] velut capidul(ae). Gloss. IV 28, 2: cardens vasa fictilia Saliorum. Liv. 10, 7,10: qui Iovis Optimi Maximi ornata curru aurato per urbem rectus in Capitolium ascendit, is non conspiciatur cum capide ac lituo, non capite velato vicitmam caedat auguriumve ex arce capiat? Lucil. 9, 319: hinc ancilia, ab hoc apices capidasque repertas. Plin. nat. 37,18: eadem victoria primum in urbem myrrhina invexit, primusque Pompeius capides et pocula ex eo triumpho Capitolino Iovi dicavit. Varrò ling. 5,121: capides et minores capulae a capiendo, quod ansatae ut prehendi possent, id est capi, harum figuras in vasis sacris ligneas ac factiles antiquas etiam nunc videmus.

12. C a t i n u s catinus,

V:

-i m.

O p f e r - u n d W e i h r a u c h g e f a ß . D a n e b e n profaner Gebrauch.

F:

S c h a l e , Platte, Teller, N a p f .

Μ:

Glas, T o n .

SE:

D e m i n . catillus

Qu:

A p u l . apol.

als W e i h g e s c h e n k v e r w e n d e t ; catinum

Lit:

MARQUARDT 1 8 8 6 , 6 5 4 | DAREMBERG-SAGLIO 1.1 ( 1 8 8 7 ) 9 7 1 s.v. C a t i n u m

18 | Suet. Galb.

bei Cato.

18.

T h L L III 6 1 9 I O L D 2 8 6 s.v. catinus.

( S a g l i o ) I R E III.2 ( 1 8 9 9 ) 1 7 9 0 f. s.v. C a t i n u s ( O l c k ) | BLÜMNER 1 9 1 1 , 3 9 1 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 1 8 2 | HILGERS 1 9 6 9 , 4 8 f. 1 4 2 ff. Nr. 9 1 f. | ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 1 6 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 105 f. | N P a u l y 2 ( 1 9 9 7 ) 1 0 3 2 s.v. C a t i n u s ( H u r s c h m a n n ) .

Apul. apoL 18: eadem paupertas etiam populo Romano Imperium a primordio fundavit, proque eo in hodiernum diis immortalibus simpulo et catino fictili sacrificat. Suet. Galb. 18: cum per omne iter dextraque oppidatim victimae, taurus securis ictu consternatus rupto vinculo essedum eius invasit elastisque pedibus totum cruore perfudit. nihil invenit praeter tepidam in ara favillam atratumque iuxta senem et in catino vitreo tus tenentem.

9.1 Gefäße und Behältnisse

213

13. Cernus V: F: M:

Opfergefäß bei Mysterienkulten. Tongefaß, das aus mehreren zusammengefugten kleinen Gefäßen besteht.23 Ton.

D: In:

Im Lateinischen nur aus Inschriften bekannt. CIL VI.l 508 | Année epigr. 1961, Nr. 201,8. ThLL III 875.

Lit:

GUHL-KONER 1 8 9 3 , 2 7 6 | DAREMBERG-SAGLIO III. 1 ( 1 9 0 0 ) 8 2 2 ff. s . v . K e r -

nos (Couve) | WISSOWA 1 9 0 2 , 2 6 9 | R E X I . 1 ( 1 9 2 1 ) 3 1 6 ff. s.v. Kernos (Leonard) I HLLGERS 1 9 6 9 , 145 Nr. 9 4 . 14. Clarnus clarnus, -i m. V: Opferschüssel für Obst. Im Venus-Kult verwendet. F: Flache Schüssel. D: *A 3. SE: lanx24. Qu: Schol. Pers. ThLL III 1270. Lit: WALDE-HOFFMANN 1938,228 | HILGERS 1969, 147 Nr. 100 | ERNOUT-MEILLET 1985,125. Schol. Pers.·. satira est genus clami vel lands multis ac variis frugum generibus plena, clarnus potest appellari discus vel mensa, quae refería sacrificiis Veneri consuevit offerri.

15. Clibanus clibanus, -i m. V: F:

Zum Kochen des Fleisches. Auch als Räucherpfanne und Backgefaß bekannt. Ebenso profaner Gebrauch. Rund.

23

Athen. 476 e/f.

24

SysKat. 28 (lanx).

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

214

M:

Aes, Silber.

SE:

Aus dem griech. κ λ ί β α ν ς : Geschirr aus Ton oder Metall, in dem man Brot gebacken hat.

Qu:

Itala lev. 7, 9 | Vulg. lev. 2, 4. ThLL III 1342 | OLD 336 s.v. clibanus.

Lit:

WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 2 3 2 f. | HILGERS 1 9 6 9 , 1 4 8 f. N r . 102.

Itala lev. 7 , 9 : omne sacrificium, quod fiet in clibano. Vulg. lev. 2, 4: sacrificium coctum in clibano.

16. Corbis corbis, is m. V:

Korb zur Aufnahme verschiedener Gegenstände. Als Kultgerät, insbesondere bei Prozessionen.

F:

Sehr tief. Mit zwei Henkeln. Verbreitert sich von einer relativ schmalen Stand-

M:

Weidengeflecht (?)

D:

*A 3 I *K 11.

fläche trichterförmig nach oben. Dem griechischen κ ά λ α θ ο ς vergleichbar.

SE:

corbis (seit Varrò und Cicero); corbula (seit Plautus).

Qu:

Cato agr. 136 | Ov. met. 14, 643 | Varrò ling. 5, 139; rust. 50, 1; 136.

Lit:

DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 1 5 0 4 s.v. Corbis (Saglio) | WALDE- HOFFMANN 1 9 3 8 , 2 7 2 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 1 4 2 | FLESS 1 9 9 5 , 2 0 f.

Cato agr. 136: [...] in agro Casinate et Venafro in loco bono parti octava corbi dividat, satis bono séptima, tertio loco sexta. Ον. met. 14, 643: O quotiens habitu duri messoris aristas / corbe tulit verique fuit messoris imago! Varrò ling. 5,139: corbes ab eo quod eo spicas aliudve quid corruebant; hinc minores corbulae dictae. Varrò rust. 5 0 , 1 : spicas coiciunt in corbem atque in aream mittunt, stramenta relincunt in segete, unde tollantur in acervum.

17. C r a t e r crater, -eris m. V:

Als Sakral- und Weihegeschenk bekannt. Daneben hauptsächlich profane Verwendung als Wein- und Mischgefäß.

9.1 Gefäße und Behältnisse

F:

Hoch, mit Henkel. Weite Öffnung. Dem griech. κύαθςος ähnlich.

M:

Gold, Silber, Aes, Ton, Holz. Vergoldet.

215

D:

*D 9 I Gg 11.

SE:

Vgl. creterra, -ae f.25 (seit Naevius); daneben auch cratera, -ae f . (seit Ennius). Aus dem Griech. κρατήρ. ERNOUT-MEILLET 1985, 147.

Qu:

Cie. Verr. 2, 4, 131 | Curt. 4, 8, 16 | Heges. 5, 48 | luv. 2, 86 | Liv. 5, 25, 10; 28, 2 I Prop. 3,17, 37 | Val. Fl. 5,615 | Val. Max. 1, 1 4 | Verg. Aen. 2, 764; 3, 5 2 5 ; 12, 2 8 3 .

In:

CIL IÏÏ.1 1904; VI.l 327. 414. 532. 612; XIII.2 7640 | Année epigr. 1956, Nr. 254. ThLL IV 1108 ff. | OLD 454 s.v. crater.

Lit:

MARQUARDT 1 8 8 6 , 3 3 3 . 6 5 1 | DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 1 5 5 2 ff. s . v . C r a t e r ( P o t t i e r ) | GUHL-KONER 1 8 9 3 , 2 7 4 | BLÜMNER 1 9 1 1 , 4 0 2 | R E X V . 2 ( 1 9 3 2 ) 2 0 3 0 f f . s . v . M i s c h k r u g ( A n g e r ) | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 2 9 1 s . v . creterra | HILGERS 1 9 6 9 , 1 5 6 f f . N r . 1 1 9 .

Cie. Verr. 2, 4, 131: crateras ex aere pulcherrimas, vim maximam vasorum Corinthioram ex omnibus aedibus sacris abstulit Syracusis. Curt. 4, 8 , 1 6 : his conpositis Herculi Tyrio ex auro crateram cum XXX pateris dieavit [. . .]. luv. 2 , 8 6 : atque Bonam tenerae plaçant abdomine porcae / et magno cratera Deam, [...]. Liv. 5, 2 5 , 1 0 : crateram auream fieri placuit, quae donum Apollini Delphos portaretur. Liv. 28, 2: crateramque auream donum Apollini Delphos legati qui ferent, [...] missi. Prop. 3, 17, 37: ante fores templi crater antistitis auro / libatum fandet in tua sacra merum. Val. FI. 5, 615: fatur et occiduo libat cratera parenti. Val. Max. 1 , 1 4: magni ponderis aurea cratera, [. ..], ut comperit a Romanis Pythio Apollini decimarum nomine dicatam. Verg. Aen. 2 , 7 6 4 : incensis erepta adytis mensaque deorum / crateresque auro solidi captivaque vestís / congeritur. Verg. Aen. 3, 525: tum pater Anchises magnum cratera corona / induit implevitque mero / [ . ..]. Verg. Aen. 12, 283: diripuere aras, [...],/ craterasque focosque ferunt.

25

OLD 458 s.v. creterra.

216

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

18. Culigna culigna, -ae f . V: F: D: SE:

Einfaches Opfergefäß. Auch profane Verwendung. Form indifferent. Schale mit Henkeln, auch kleiner Kelch, Becher. (D 9 ?). calix16, -icis f.; calix ist urverwandt aus Griech. κΰλιξ. culigna aus Griech. κυλ ί χ ν η über Vermittlung aus dem Etruskischen. Vgl. patera21. Qu: Cato agr. 132 | Fest. 51 M. 44 L.; 65 M. 57 L. ThLL IV 1287 | OLD 465 s.v. culigna. Lit:

DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 1 5 7 9 s.v. C u l i g n a ( B a u d r y ) | W A L D E - H O F F MANN 1938, 139 I HILGERS 1 9 6 9 , 163 N r . 1 2 7 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 155.

Cato agr. 132: Iovi dapali culignam vini quantam vis polluceto [...]. Fest. 51 M. 44 L.: culigna vas potorium. Cato (or. inc. 16) „culignam", inquit, „in feno Graeco ponit, ut bene oleat." Fest. 65 M. 57L.: culigna vas vinarium a Graeco dicta, quam illi dicunt κύλικα.

19. Culullus culullus, -i m. V:

F: M:

Opfergefaß der Vestalinnen und der Pontífices. Im besonderen Gefäß des Flamen Dialis. Aus der durchtrennten Kehle der Opfertiere wurde im c. das fliessende Blut aufgefangen 28 . — Auch profan als Trinkbecher verwendet. Schälchen. Fußlos oder mit kleinem Fuß. Zweihenklig.29 Vgl. calix. Ton, Gold.

SE: calix.30 culullus ist volksetym. Form. Literarisch nur bei Horaz. D: *Aa 3 Qu: Ps.-Acro. Hör. od. 1, 31, 11 | Porph. Hör. carm. 1, 31, 10.

26

WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 1 3 8 f.

27

SysKat. 35 (patera).

28

V g l . GUHL-KONER 1 8 9 3 , 7 9 4 . 8 0 4 .

29

ZWIERLEIN-DIEHL 1980,416 Anm. 76 vermutet, es handele sich hierbei um einen Kantharos mit niedrigem Fuß. Siehe auch GJERSTAD 1960, 215 Abb. 135, 5 Abb. 97, 13.

30

Vgl. etymologische Erläuterungen zu culigna (SysKat. 18).

9.1 Gefäße und Behältnisse

217

ThLL IV 1339 | OLD 467 s.v. culullus. Lit:

MARQUARDT 1 8 8 5 , 2 4 8 ANM. 9 | DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 1 5 8 7 s.v.

Culullus (Saglio) | KELLER 1 8 9 1 , 8 2 | GUHL-KONER 1 8 9 3 , 7 9 4 | R E I V . 2 ( 1 9 0 1 ) 1753 f. s.v. Culullus (Samter) | WISSOWA 1 9 0 2 , 4 4 4 Anm. 3 | NIEDERMANN 1 9 5 0 , 1 5 4 I HILGERS 1 9 6 9 , 163 N r . 128 | ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 0 8 I ERNOUT-MEILLET 1985, 156.

Porph. Hor. carm. 1,31,10: proprie autem culilae (cullili) calices sunt quidem fictiles, quibus pontífices viiginesque Vestales in sacris utuntur.

20. Cumerum cumerum, -i n. V:

F: M: D:

Korb, der die mola salsa und andere Opferrequisiten sowie bei Hochzeitsopfern die verhüllten utensilia nubentis enthält. Von Camilli getragen. Eigentlich Behältnis zur Aufbewahrung des Getreides (hier dolia-ähnliche Gefäße). Korbähnlich. Geflochten. Palmenzweige, Gräser. Κ 14 I *Gg 14.

SE: Grundbedeutung 'geflochtener Korb' (seit Varrò), camilla. Qu: Fest. 50 M. 43 L.; 63 M. 55 L. | Porph. Hor. epist. 1, 7, 30 | Schol. Hör. sat. 1, 1; 1, 1, 53 I Varrò ling. 7, 34. ThLL IV 1378 | OLD 470 s.v. cumera. Lit:

MARQUARDT 1 8 8 6 , 51 A n m . 3 | DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 1 5 8 7 s.v.

Cumera, Cumerum (Saglio) | RE IV.2 (1901) 1754 s.v. Cumera (Olck) | BLÜMNER 1 9 1 1 , 3 5 6 | H . Petersson, Glotta 8, 1916, 7 5 ff. | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 3 0 6 s.v. cumera | ERNOUT-MEILLET 1985, 156 s.v. cumera. Fest. 50 M. 43 L.: cumerum: vas nuptiale a similitudine cumerarum, quae fiunt palmeae vel sparteae ad usum popularum, sic appellatum. Fest. 63 M. 55 L.: cumeram vocabant antiqui vas quoddam, quod opertum in nuptiis ferebant, in quo erant nubentis utensilia, quod et camillum dicebant, eo quod sacrorum ministrum κάσμιλον appellant. Porph. Hor. epist 1, 7, 30: cumera vasi frumentarii genus factum est vimine admodum obductum. Schol. Hor. sat 1,1, 53: cur tua plus laudes cumeris granaria nostra?

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

218

Schol. Hör. sat 1,1: vas ingens viniseum, in quo frumenta conduntur. sive cumera dicuntur vasa fictilia simulia dolia, ubi frumentum suum reponebant. Varrò ling. 7, 34: camillam qui glossemata interpretati dixerunt administram; addi oportet, in his quae occultiora; itaque dicitur nuptiis camillus cumerum fert, in quo sit, in ministerio plerique exstrinsecus nesciunt.

21. C y a t h u s cyathus,

-i m.

V:

O p f e r g e f ä ß speziell f ü r W e i n u n d Blut. — A u c h p r o f a n e r G e b r a u c h .

F:

In erster L i n i e S c h ö p f g e f a ß . H e n k e l s c h a l e . M i t Griff.

M:

G o l d , Silber.

SE:

Griech. κ υ α θ ο ς . Vgl. capis31,

D:

D 7 ] G g 9.

Qu:

Arnob. nat. 7, 4 4 | A u g . loc. hept. / / ( e x o d . ) 115 (Zit.) | Paul. Fest. 3 3 9 M . 4 5 5

simpuvium,

simpulum12.

L. I V a r r ò ling. 5, 124 | V u l g . exod. 25, 29. T h L L I V 1581 | O L D 4 8 0 s.v. cyathus. Lit:

MARQUARDT 1886, 6 5 1 | DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 1675 ff. s.v. C y a thus (Pottier) I GUHL-KONER 1 8 9 3 , 2 7 6 . 6 9 2 | BLÜMNER 1911, 3 9 6 | R E X I . 2 (1922) 2 2 4 2 ff. s.v. K y a t h o s (Leonard) | SCHAEWEN 1940, 3 6 | HLLGERS 1969, 166 f. Nr. 132 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 1 6 2 | N P a u l y 3 ( 1 9 9 7 ) 2 5 2 s.v. C y a thus ( M l a s o w s k y ) .

Arnob. nat 7,44: quis est enim primum deos illos qui existimet aut esse qui credat, qui nocendi habeant saeviendique naturas easque abiciant rursus cyatho uno sanguinis et thuris suffitione molliti, qui motibus scaenicis et saltationibus histrionum festos dies ducant [...]. Aug. loc. hept. //(Exod.) 115 (Zit.): cyathos in quibus immolabunt in eis. Paul. Fest 339 M. 455L.: simpulum: vas parvulum non dissimile cyatho, quo vinum in sacrificiis libabatur [...]. Varrò ling. 5,124: qui vinum dabant ut minutata fondèrent, a guttis guttum appellarunt; qui sumebant minutatim, a sumendo simpulum nominarunt. in huisce locum in conviviis e Graecia successit epichysis et cyathus; in sacruficiis remansit gutus et simpulum. Vulg. exod. 25, 29: parabis et acetabula ac phialas, thuribula et cyathos, in quibus offerenda sunt libamina.

31

SysKat. 11 (capis).

32

SysKat. 43 (simpuvium /simpulum).

9.1 Gefäße und Behältnisse

219

22. Extar (-Aula) extaris, -is, -e, exta + ans V: F: SE: Qu:

Gefäß zum Kochen des Fleisches. Eimerähnliches Gefäß. ulla. Vgl. aula /olla33. Gloss. II 66, 46 | Plaut. Rud. 132-135. ThLL V 2,1966 | OLD 659 s.v. extaris.

Lit:

HILGERS 1 9 6 9 , 1 8 0 N r . 152.

Gloss. Π 66,46: extar ulla ubi exta (co)quebantur. Plaut. Rud. 132-135: quemquam istic vidi sacruficare neque potest / clam me esse si qui sacruficat: semper petunt / aquam hinc aut ignem aut vascula aut cultrum aut veru / aulam extarem, aut aliquid [...].

23. Futis futís, is f . V: F: M: SE: Qu: Lit:

Sakralgefäß im Vesta-Kult. Profaner Gebrauch: Wassergefaß bei Tisch. Mit rundem Boden. Weite Öffnung. Ton. Vgl.futilis (futt-), -e 'leicht ausgießbar, zerbrechlich'. Siehe futtile /futilis34. Gloss. V 599, 18. ThLL VI 1,1661 f. I OLD 751 s.v. futis. DAREMBERG-SAGLIO II.2 ( 1 8 9 6 ) 1 4 2 7 s.v. Futis (Saglio) | WALDE-HOFFMANN 1938, 5 6 3 s.v. fundo | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 9 | HILGERS 1 9 6 9 , 1 8 6 Nr. 168 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 2 6 0 f. s.v. fundo.

Gloss. V 599,18: futis: quoddam vas in templo Vestae, ubi reponebantur quaedam sacrificia.

33

SysKat. 6 (aula / olla).

34

SysKat. 24 (fut(t)ile

/futilis).

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

220

24. Fut(t)ile / Futilis futtilis, -is, -e V: F:

Gefäß bei Opferhandlungen im Dienst der Vesta. Zum Wasserholen aus der Quelle an der Porta Capena. Kultgefaß der Vestalinnen. Runder Boden. Oben weite Mündimg. Ohne Fuß.

M: Ton. D: 12e. SE: Vgl futís35. Qu: Don. Andr. 609 | Fest. 89 M. 79 L. | Plut. Num. 13 [ Serv. Aen. 1, 339. ThLL VI 1,1662 | OLD 751 s.v. futtilis. Lit:

PREUNER 1864,305 | DARJEMBERG-SAGLIO II.2 (1896) 1427 s.v. Futile (Blanchet) I RE VII.l (1910) 406 s.v. Futile (Mau) | WORSFELD 1932, 150 f. | WALDE-HOFFMANN 1938, 5 6 3 | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 9 | LATTE 1 9 6 0 , 1 0 9 | HILGERS 1 9 6 9 , 1 8 6 N r . 1 6 9 | SIMON 1 9 9 0 , 2 3 0 .

Don. Andr. 609: a vase quod 'futiles' dicitur, quod non deponunt ministri sacrificiorum. Fest. 89 M. 79 L.: futtilis dicuntur, qui silere tacenda nequeunt, sed ea effundunt. Sic et vasa futtilia a fimdendo vocata. Serv. Aen. 11,339: nam futtile vas quoddam est lato ore, [...], quo utebantur in sacris Vestae, quia aqua ad sacra Vestae hausta in terra non ponitur, quod si fiat, piaculum est: unde excogitatum vas est, quod stare non posset, sed positum statim effunderetur.

25. Guturnium (Cuturnium) guturnium, -i n. V: F: M: SE:

35

Opfergefäß fur Wein. Kanne beim Händewaschen. Kanne / Krug. Enger Hals für tropfenweises Ausgießen. Ton. Nach WALDE-HOFFMANN handelt es sich bei guturnium und cuturnium um ein und dasselbe Wort, cuturnium ist ältere Form von guturnium. 'g-' und 'tt'

SysKat. 23 (futís).

9.1 Gefäße und Behältnisse

221

entstammen aus volksetymologischer Anlehnung an gutta oder guttur?b Vgl. gut us / guttus31. Qu: Fest. 51 M. 44 L.; 98 M. 87 L. ThLL VI 2,2377 | OLD 779 s.v. guturnium. Lit:

MARQUARDT 1886, 6 5 5 A n m . 14 | KELLER 1 8 9 1 , 9 1 f. | DAREMBERG-SAGLIO II.2 ( 1 8 9 6 ) 1 6 7 4 s.v. G u t t u r n i u m ( P o t t i e r ) | BLÜMNER 1 9 1 1 , 1 4 6 | R E V I I . 2 ( 1 9 1 2 ) 1 9 5 2 f. s.v. G u t t u r n i u m ( Z a h n ) | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 3 2 0 | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 2 3 f. | HILGERS 1 9 6 9 , 5 8 ff. 191 f. N r . 182 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 161

f. 2 8 6 .

Fest. 51 M. 44 L.: cuturnium vas, quo in sacrificiis vinum fundebatur. Fest. 98 M. 87 L.: gutumium vas, ex quo aqua in manus datur, ab eo, quod propter oris angustias guttatim fluat.

26. Gutus / Guttus gutus, -i m. V:

F:

M: D:

36

Gefäß bei Opferhandlungen für Wein- und Ölspenden. Vornehmlich von den jugendlichen Opferdienern benutzt. Auf Münzen zusammen mit dem lituus als Insigne / Symbolgerät für das Augurât.38 Kanne / Krug. Eiförmiger Bauch. Dünner, schmaler Hals für tropfenweises Ausgießen. Schräge Kleeblattmündung. Gebogener Henkel. Manchmal verziert. Holz, Ton, Aes. A 2 I A 3 | A 6 | A 22 | *B 1-5, Β 7, 9, ΙΟ391 Β 16 | D 2 | D 3 | (D 4) | D 5 | D 6 | D 8 | E 2 | E 4 | E 6 | F 1 | F 6 | G 2 | G 3 | H 2 | H 5 | H 6 | H 7 | H 9 | I 1 |I 2a-d 11 3 11 5 11 7 11 8 11 9a 11 13 11 15 11 16 I *I 17 11 18 11 20 11 21 11 22 I *I 24 11 26 11 28 11 30 11 31 11 35 11 38 I *J 1 I J 3 I Κ 2 I Κ 5 I Κ 6 I Κ 10 I Κ 13|K14|K17|K18|L2|L3|L4|L5|L6|L7|L8|07|Aal|Ccl I Cc 2b I Dd 3 I Ff 1 I *Gg 6 I Gg 8 I Gg 9 I Gg 10.

Möglicherweise aus griech. κύτ(τ)αρος: 'Höhlung, Wölbung'; wahrscheinlicher jedoch aus griech. κοθόνιον, κόθον: 'lakonisches irdenes Trinkgefäß mit gewundenem Hals'.

37

SysKat. 26 (gutus/guttus).

38

Siehe Kap. 5.2.2. S. 132 ff. — SysKat. 46 (urceus).

39

Als gutus nicht eindeutig zu identifizieren. Im Denkmälerkatalog daher als 'Kanne' bezeichnet.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

222 SE:

guttus

ist eine schlechte Schreibweise, ursprünglich von gutus; aus dem

Griech. κώθος. Nach WALDE-HOFFMANN nicht zu gutta (Tropfen) gehörig. Vgl. guturnium / cuturnium40. Qu:

Hör. sat. 1 , 6 , 117 | Plin. nat. 16, 185 | Varrò ling. 5, 124. ThLL VI 2,2378 | OLD 779 s.v. gutus.

Lit:

M A R Q U A R D T 1 8 8 5 , 1 6 7 A N M . 9 | MARQUARDT 1 8 8 6 , 6 5 0 | KELLER 1 8 9 1 , 9 2 I DAREMBERG-SAGLIO II.2 ( 1 8 9 6 ) 1 6 7 4 s . v . G u t t u s ( P o t t i e r ) | R E V I I . 2 ( 1 9 1 2 ) 1 9 5 3 s . v . G u t t u s ( Z a h n ) | BLÜMNER 1 9 1 1 , 1 5 4 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 6 2 9 I SCHAEWEN 1 9 4 0 , 1 5 f f . I SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 2 8 A N M . 4 3 | HILGERS 1 9 6 9 , 5 8 f f . 1 9 2 f. N r . 1 8 4 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 2 8 6 | FLESS 1 9 9 5 , 6 f f .

Hör. sai 1, 6,117: pocula cum cyatho duo sustinet, adstat echinus / vilis cum patera guttus Campana suppelex. Plin. not 16,185: curius iuravit se nihil ex praeda attigisse praeter gutum faginum, quo sacrificaret. Varrò ling. 5,124: qui vinum dabant ut minutatim fondèrent, a guttis guttum appelarunt; qui sumebant minutatim, a sumendo simpulum nominarunt. In huiusce locum in convivís e Graecia successit epichysis et cyathus; in sacrificiis remansit gutus et simpulum.

27. Irnela irnela, -ae f . V:

Opfergefäß.

SE:

Vgl. hirnea, -aef.: Krug (als Trinkgefäß); Demin.: hirniola.

Qu:

Fest. 105 M. 93 L.

Lit:

WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 6 0 1 | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 5 8 ] HILGERS 1 9 6 9 , 1 9 6 N r .

ThLL VI 3,2823 | OLD 966 s.v. irnela. 194.

Fest. 105 M. 93 L.: irnela vasis genus in sacris.

40

SysKat. 25 (gut(t)urnium / cuturnium).

9.1 Gefäße und Behältnisse

223

28. Lanx /Satura lanx, -cis f . / satura, -ae f . V:

F: M: D: SE:

Als Sakralgefaß ist l. / s. allgemein die Opferschüssel, auf der den Göttern Fleisch, Hülsenfrüchte, primitiae und verschiedene Früchte dargebracht werden. Zur Aufbewahrung der exta verwendet. Auch im Kult des Liber (satura lanx) und der Ceres belegt. Als Räuchergerät und Weihegeschenk bekannt. — Daneben profane Verwendung. Schüssel. Servierplatte. Oval, rund oder eckig. Getrieben. Bis ins 2. Jh. n. Chr. überwog runde / ovale Form. Gold, Silber, Eisen. Vergoldet. F 8 11 2a, b, d 1114 I *I 17 {satura ?) 1121 11 33 | R 5. Seit XII tab. bekannt (lance et licio). Aus dem Griech. λέκος; λεκάνη. Vgl.

satura4\ auch satira. Qu: Liv. 40, 59, 7-8 | Lucan. 6, 710 | Ο ν. fast. 1, 453; 4, 9, 33; Pont. 4, 8, 39 | Pers. 2, 71-72 | Porph. Hör. epist. 1, 11; 1, 10, 12 (satura) | Prop. 2, 13, 23 (Begräbnis) | Suet. Poet. 3, 20,10 | Verg. Aen. 8, 284; 12, 213 f.; georg. 2, 194; 2, 393 I Schol. Hör. sat. 1 (satura) | Schol. Pers. {satura). ThLL VII 2,2,938 ff. | OLD 1000 f. s.v. lanx. In: Act. Lud. saec. Sept. Sev. a. 204 (Z. 75-76) 42 . Lit:

MARQUARDT 1 8 8 6 , 6 5 4 | KELLER 1 8 9 1 , 2 9 7 | GUHL-KONER 1 8 9 3 , 6 9 2 f. |

s.v. Lanx (Pottier); I V . 2 ( 1 9 1 1 ) 1 0 7 8 ff. s.v. Satura (Lafaye) | BLÜMNER 1 9 1 1 , 3 9 1 . 3 9 3 | R E X I I . 1 ( 1 9 2 4 ) 6 9 5 f. s.v. Lanx (Schneider) | NEHRING 1 9 2 7 , 2 7 2 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 7 6 1 (lanx). 4 8 2 (satura) | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 3 2 ff. | SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 19. 4 6 f. 7 1 . 8 3 . 8 5 . 9 5 I R E X X I V ( 1 9 6 3 ) 7 8 8 ff. s.v. quaestio, lance et licio (Horak) | HILGERS 1969, 65 ff. 206 ff. Nr. 209 {lanx). 270 f. Nr. 318 {satura) | WOLF 1970, insb. DAREMBERG-SAGLIO III.2 ( 1 9 0 4 ) 9 2 5

7 0 f f . I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 3 4 0 | FLESS 1 9 9 5 , 2 0 .

Act. lud. saec. Sept. Sev. a. 204 (Z. 75-76): quos perfecto sacrificio Augg. honn

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

224

Liv. 40, 59, 7-8: terra movit in fanis publicis, ubi lectistemium erat, deorum capita, quae in lectis erant, averterunt se, lanxque cum integumentis, quae Iovi apposita fuit, decidit de mensa. (Lectistemium) Lucan. 6, 710: [...]/ si quisquís vestris caput extaque lancibus infans / inposuit victurus erat, parete precanti. Oy. fast 1, 453: nec defensa iuvant Capitolia, quo minus anser / det iecur in lances, Inachi lauta, tuas. Ον. fast. 4, 9,33: turaque mente magis piena quam lance dedissem. Ov. Pont 4, 8, 39: nec quae de parva pauper dis libat acerra, / tura minus grandi quam data lance valent. Pers. 2, 71-72: quin damus id superis, de magna quod dare lance / non possit magni Messalae lippa propago? Schol. Pers. : satira genus est clami vel lancis multis ac variis frugum generibus piena, clarnus potest appellari discus vel mensa, quae referta sacrificiis Veneri consuevit offerri. Porph. Hor. epist 1,10,12: de satura: [...] saturam autem dictam sive [...] sive a satura lance, quae referta variis multisque primitiis in sacro diis apud priscos inferebatur, et a copia ac saturitate rei satura vocabatur. Porph. Hor. epist 1,11: de satura: [...] sive a satura lance, quae referta variis multisque primitiis in sacro diis apud priscos inferebatur. Prop. 2,13, 23: desit odoriferis ordo mihi lancibus, adsint / plebei parvae funeris exsequiae. Suet. Poet 3, 20,10: sive satura dicitur a lance, quae referta variis muetisque primitiis in sacro apud priscos dis inferebatur [...], cuius generis lancium et Vergilius in georgicis meminit, [...]. Verg. Aen. 8, 284: instaurant epulas et mensae grata secundae / dona ferunt cumulantque oneratis lancibus aras. Verg. georg. 2,194: [...]/ lancibus et pandis fumantia reddimus exta. Verg. georg. 2,393: ergo rite suum Baccho dicemus honorem / carminibus patriis, lancesque et liba feremus.

29. Lebes lebes, -etis m. V:

Im sakralen Gebrauch zum Kochen des Fleisches.

F:

Großes, kesselartiges Gefäß? Form nicht genau zu definieren.

M:

Aes, Silber, Holz.

D:

*Gg 24.

9.1 Gefäße und Behältnisse

225

Qu: Hier, in Zach. 3, 14 | Ps. Asc. div. Caec. p. 101 | Sidon. 9, 13, 5 v. 58 | Verg. Aen. 3, 466 | Vulg. 2 Par. 25,13. ThLL VI 2\ 1078 f. Lit: MARQUARDT 1886,655 | DAREMBERG-SAGUO III.L (1900) 1000 ff. s.v. Lebes (de Ridder) | EAAIV 519 ff. s.v. Lebete (Marunti) | GUHL-KONER 1893, 275. 279 I BLÜMNER 1911, 146 | RE S VI (1935) 218 ff. s.v. Lebes (v. Lorentz) | HILGERS 1 9 6 9 , 2 1 0 f. N r . 2 1 4 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 3 4 8 .

Verg. Aen. 3,466: ingens argentum Dodonaeosque lebetas.

30. Lepesta lepesta, -ae f . V:

Größeres Opfergefäß für Wein. Für die Kulte der Sabiner überliefert (Varrò): besonders in Heiligtümern auf dem Tisch der Götter anzutreffen. — Auch Trinkgefaß. F: Schale. Auch eine Art Topf mit Ausguß (χύτρα). M: Gold, Aes, Ton. SE: Entlehnt aus Griech. λεπαστέ f.: napfförmiges Trinkgefäß, Humpen; lepista, lepistra, lepaste. Der Begriff lepist(r)a ist ein griech. Lehnwort, das der ältesten Phase des Lateinischen angehört; über Vermittlung aus Etrurien nach Rom gekommen. Qu: Paul. Fest. 115 M. 102 L. | Varrò ling. 5, 123; 5, 265; fr. Non 547. OLD 1017 s.v. lepista. Lit: MARQUARDT 1886, 654 Anm. 101 DAREMBERG-SAGLIO 11.2(1896) 1102 s.v. Lepesta (Couve) | BLÜMNER 1911,407 | G. Herbig, IndogermF 37, 1916, 168 ff. I RE XII.2 (1925) 2065 s.v. Lepaste (Nachod) | WALDE-HOFFMANN 1938, 786 s.v. lepista | SCHAEWEN 1940,58 | HILGERS 1969, 213 Nr. 217 | ERNOUT— MEILLET 1985, 352 s.v. lepista. Paul. Fest. 115 M. 102 L.: lepista genus vasis aquarii. Varrò ling. 5, 123: item lepestae, quae etiam nunc in diebus sacris Sabinis vasa vinaria in mensa deonim sunt posita; apud antiquos scriptores Graecos inveni appellali poculi genus δ ε π ε τ α ν , quare vel inde radices in agrum Sabinum et Romanum sunt profectae. Varrò fr. Non. 547: [...] lepistae etiam nunc Sabinorum fanis pauperioribus plerisque aut fictiles sunt aut aeneae.

226

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

31. Malluvium malluvium, -i n. V: F: D:

Gefäß zum Waschen der Hände im Kult. Griffschale (?).43 Vgl. polybrumM.

SE: Möglicherweise abgeleitet von malluviae, -arum f.\ Waschwasser für die Hände. Qu: Paul. Fest. 161 M. 152 L.; 160 M. 153 L. ThLL VIII 193 | OLD 1068 s.v. malluvium. Lit: MARQUARDT 1886, 655 | DAREMBERG-SAGLIO III.l (1900) 1562 s.v. Malluvium (Saglio) I BLÜMNER 1911,146 | WALDE-HOFFMANN 1938,16 s.v. malluviae I SCHAEWEN 1940,46 I HILGERS 1969,216 f. Nr. 228 | ERNOUT-MEILLET 1985,380. Paul. Fest 161 M. 152 L.: „malluvium" latum in commentario sacrorum significat, manus qui lavet. a quo malluviae dicuntur, quibus manus sunt lautae. Paul. Fest 160 M. 153 L.: malluvium dicitur, quo manus lavantur.

32. Ministerium ministerium, -i n. V: F: M: Qu: Lit:

Im Kult, sowohl heidnisch als auch christlich, gebraucht. Unterschiedlich, da m. ein Sammelbegriff für Serviergefäße ist. Gold, Silber. Tert. Praescr. 40, 6. ThLL VIII 1014. MARQUARDT 1 8 8 6 , 6 9 7 | BLÜMNER 1 9 1 1 , 3 9 2 A n m . 5 | HILGERS 1 9 6 9 , 2 2 2

Nr. 241. Tert. Praescr. 40, 6: sacrificaba ministeria, et instrumenta et vasa ipsorum sacrificiorum.

43

V g l . NUBER 1 9 7 2 , 1 4 0 .

44 SysKat. 38 (pol(l)ubrum /polybrum).

9.1 Gefäße und Behältnisse

227

33. Molucrum molucrum, -i, n. V: F: M: D: SE:

Brett (?)45, auf dem die mola salsa lag. Brett mit eingetiefter Mulde (?). Holz. I 2 11 7 11 15. Für den profanen Gebrauch ist das m. als Besen46 zum Abkehren der Mühlsteine bekannt; daher ist die Benennung des Kultgerätes vielleicht von dieser Bedeutung abgeleitet? Anders dagegen Fest. 141 M. 124 L. Vielleicht von molere = mahlen ? Aus μυλακρον.

Qu: Aelius fr. gramm. Rom. 2 F | Aurelius Opilius fr. gramm. Rom. 77 | Cloatius (?) gramm. Rom. 11 F ] Paul. Fest. 140 M. 125 L.; 141 M. 124 L. ThLL VIII 1388 f. | OLD 1129 s.v. molucrum. Lit:

KELLER 1 8 9 1 , 8 3 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 1 0 6 | SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 8 3 A n m . 6 | LATTE 1 9 6 0 , 3 8 7 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 4 1 1 .

Paul. Fest

140 M. 125 L.: molucrum etiam dicitur lignum quoddam quadratomi, ubi immolatur.

Paul. Fest. 141 M. 124 L.: [...] Cloatius etiam in libris sacrorum: „molucrum quoddam quadratum,

ubi immolatur".

esse aiunt

lignum

idem Aelius in explanatione carminum Saliarium eodem no-

mine appellali ait, quod sub mola supponatur.

34. Patella patella, -ae f . V: F: M: SE:

Im sakralen Gebrauch Opfergeschirr für Fleisch und primitiae. Schüssel, Platte und u.U. mit Deckel. Gold, Silber, Kupfer, Aes, Ton. Demin. von patina (seit L. Volumn. und Varrò), patena. Aus Griech. πατάνη entlehnt.

Qu: Cie. fin. 2, 22 | Liv. 26, 36, 6 | Οv. fast. 2, 634; 6, 310 | Paul. Fest. 249 M. 292 L.; 248 M. 293 L. | Schol. Hör. carm. 2, 16, 14 | Val. Max. 4, 4, 3 | Varrò Men.fr. 265.

45

Siehe auch EGGER 1959, 79 mit Anm. 25.

46

BLÜMNER 1879, 37.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

228

Lit:

OLD 1307 s.v. patella. 1886,655 f. | KELLER 1891,304 | WISSOWA 1902,167 | DAREMBERG-SAGLIO IV.l (1907) 341 s.v. Patella (Pottier) | BLÜMNER 1911,156, 391 I WALDE-HOFFMANN 1938, 264 s.v. patina | SCHAEWEN 1940, 25 | HILGERS 1969, 239 ff. Nr. 279. MARQUARDT

Cie. fin. 2, 22: atqui reperiemus asotos primum ita non religiosos, ut 'edint de

patella[...].

Liv. 26, 36, 6: [.. .] ut salinum patellamque deonim causa habere possint [...]. O y. fast. 2, 633-634: nutriat incinctos missa patella Lares et libate dapes, ut grati pignus honoris / [·••]•

O v . fast. 6,309-310: venit fert missos Vestae pura patella cibos. Paul. Fest 248 M. 293 L.: patellae vasula parva picata, sacrifciis faciendis apta. Paul. Fest. 249 M. 292 L.: item sacrificiis f Schol. Hor. carm. 2 , 1 6 , 1 4 : salinum [...] donavit [...] cornuculo et patella, torque, armilla [...]. Val. Max. 4, 4, 3: uterque enim patellam deorum et salinum habuit. Varrò Men. fr. 265: quocirca oportet bonum civem legibus parere, deos colere, in patellam dare μικρόν κρέας.

35. Patera patera, -ae f . V:

F: M:

47

Opfergefaß beim Weinopfer, auch zum Auffangen des Blutes benutzt. Aus der p. wird dem Stier die Flüssigkeit zwischen die Hörner gegossen. Der Opfernde trinkt aus der p. Daneben Verwendung beim Leichenschmaus, als Weihegeschenk, selten als Räuchergefaß verwendet. Vom Opfernden in rechter Hand gehalten. Die p. bringt symbolisch die Weinspende des Voropfers zum Ausdruck. Auch Amtsabzeichen der Septemviri epulones. Schale. Niedrig, weit offen. Ohne Griff.47 Vergleichbar der griechischen Omphalosschale. Gold, Silber.

Die Griffschale wurde nicht, wie vielfach behauptet, als Opferschale verwendet; NUBER 1972, 140. — Siehe SysKat. 38 (pol(l)ubrum /pelluvia).

9.1 Gefäße und Behältnisse

229

SE: patella48 (seit Plautus); phiala49. Griech. φιάλη. D: A2|A3|A5|A6|A7|A9|A17|A21|B3|B5|B9|B16|D2|(D 4)|D5|D7|D8|D10|E2|E4|E6|F1 |F 6 |F 8 |G 1 |G2|G3|G4 |G6|Hl|H2|H3|H4|*H5|H6|H7|H8|H9|Il|I2a|I7|I8|I9 u. 9a 1110 1111 1112 1113 1115 1116 1118 1119 I *I 20 1121 1122 1123 11 24 1125 I *I 27 1128 1129 11 30 1131 1132 11 33 11 34 11 35 11 36 11 38 I *J 1 |J2|J3|K1|K2|K3|K4|K5|K6|K7|K8|K9|K10|K12|L2| L 41 L 5 IL 6 IL 7 I L 8 I M 1 I Aal I Bb 1 I Ce 1 I Cc 2b I Dd la, b I Ee 1 I Ee 3 I Gg 2 I Gg 3 I Gg 4 I Gg 6 I Gg 9 I Gg 11 I Gg 18 I Gg 26. Qu: Apul. Plat. 1,4; 4,4641 Arnob. nat. 7,29 | Auson. 347, 5 | Cie. Brut. 43 | Cie. div. 1,46 I Cie. parad. 11 | Claud. Don. Aen. 5, 774; 6, 249 | Curt. 7, 8, 18; 8, 10, 34 I Paul. Fest. 113 M. 80 L. | Hör. carm. 1, 19, 12-14; 1, 31, 2; 4, 5, 33 | Liv. 6, 4, I Macr. Sat. 5, 21, 4 | Ov. fast. 4, 934; met. 9, 160; 13, 702 | Petron. 60, 8; 133, 3 | Plin. nat. 12, 42 | Sali. Cat. 22, 1 | Sil. 16, 167 | Val. Fl. 1, 818 I Val. Max. 5, 6 | Varrò ling. 5, 122 | Verg. Aen. 1, 728; 3, 66; 4, 60; 5, 91; 5, 98; 5, 775; 6, 248-249; 7, 133; 8, 640; 12, 174; georg. 2, 192. In:

Act. Arv. a. 81 (CIL VI.l 2060, Z. 10 f.) | Act. lud. saec. Sept. a. 204 (CIL VI.42 32329, Z. 6). OLD 1308 s.v. patera.

Lit:

MARQUARDT 1886, 651. 6 5 4 | WISSOWA 1902, 4 3 0 ANM. 2 | DAREMBERG-SAGLIO IV. 1 (1907) 341 s.v. Patera (Pottier) | BLÜMNER 1911, 4 0 5 | WALDE-HOFFMANN 1938, 2 6 4 | LUSCHEY 1939 | SCHAEWEN 1940, 2 4 ff. | HILGERS 1969, 71 f. 2 4 2 ff. Nr. 282 | NUBER 1972, 97 ff. 102 | POLLINI 1978, 84 ff. I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 4 8 8 | FLESS 1 9 9 5 , 1 1 ff.

AcL Arv. a. 81 (CIL VI.l 2060, Z. 10 f.): item iterum epulantes ad magistrum pueris ingenuis senatonun filis patrimis matrimis ministrantibus ture et vino, referentibus ad aram in pataris. (Weinopfer) Apul. Plat 1, 4: in patera qua diis supplicabat. Arnob. nat. 7, 29: date quaeso immortalibus diis bibant scyphos, brias, pateras simpuviaque depromite [...]. Auson. 347, 5: thuribula et paterae, quae tertia vasa deum?-lanx. Cie. Brut 43: hunc isti aiunt, cum taurum immolavisset, excepisse sanguinem patera [...].

48

SysKat. 34 (patella).

49

SysKat. 36 (phiala).

230

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

Cie. div. 1, 46: ex eis Mercurium e patera quam dextera manu teneret, sanguinem visum esse fondere. (Opferblut) Cie.parad. 11: quid? [...] gratas dis [...] Salinorum pateras arbitramur? Claud. Don. Aen. S, 774: pateram tenens et stans celsa in puppi omnia proiecit in fluetus addens vinum, quod ferebat in patera. ( Weinopfer) Claud. Don. Aen. 6, 249: ne consecratus sanguis fiinderetur in terram, hunc pateris suseipiebant. (Opferblut) C u r t . 7, 8, 18: fruges amicis damus boum labore quaesitas, patera cum isdem vinum dis libamus [...]. (Weinopfer) Curt. 8,10,34: qua inpetrata regina venit cum magno nobilium feminarum grege aureis pateris vina libantium. (Weinopfer) Paul. Fest 113 M. 100 L.: inferium vinum id, quod in sacrificando infra labrum paterae ponebatur. ( Weinopfer) Hör. carm. 1 , 1 9 , 1 2 - 1 4 : in hoc vivum mihi caespitem, hie / verbenas, pueri, ponite turaque / bimi cum patera meri: / mactata veniet lenior hostia. (Weinopfer) Hör. carm. 1, 31, 2: quid dedicatum poscit Apollinem / quid orat de patera novum / fundens liquorem. (Weinopfer) Hör. carm. 4 , 5 , 3 3 : te multa prece, te prosequitur mero / defuso pateris et Laribus tuum / miscet numen [...]. Liv. 6 , 4 , 3 : tres paterae aurae [...], quas cum titulo nominis camilli ante Capitolium incensum in Iovi cella constat ante pedes Iunonis positas fuisse. (Weihegeschenk) Macr. Sat. 5, 21, 4: patera ut ipsum nomen indicio est, planum ac patens. Ον. fast 4, 934: ac dextia villis mantele solutis / cumque meri patera turis acena fuit. (Weihrauchopfer) Ον. met 9,160: vinaque marmóreas patera fundebat in aras, patera cum isdem vinum dis libamus. Ov. met. 13, 702: nec leviora datis Troiani dona remittunt / dantque sacerdoti custodem turis acerram, / pateram claramque auro gemmisque coronam. Petron. 60, 8: unus pateram vini circumferens 'dii propitii' clamabat. (Weinopfer) Petron. 133, 3: spumabit pateris homus liquor. (Weinopfer) Plin. nat 12,42: radicem eius magni ponderis vidimus in Palatii templo quod fecerat divo Augusto coniunx Augusta aurae in positum, ex qua guttae editae. Sail. Cat 22,1 : humani corporis sanguinem vino permixtum in pateris circumtulisse. (Opferblut) Sil. 16,167: tum, qua divum libabat ad aras / Hasdrubal, ex auro pateram. Val. Fl. 1, 818: illi avide exceptum pateris hausere cruorem. (Opfernder trinkt aus p.)

9.1 Gefäße und Behältnisse

231

Val. Max. 5, 6: [...] instituto sacrificio exceptum patera tauri sanguinem hausit et ante aram quasi quaedam Pietatis clara victima concidit. Varrò ling. S, 122: praeterea in poculis erant paterae, ab eo patent quod ita dictae. [...] et in sacrificando deis hoc poculo magistratus dat Deo vinum. ( Weinopferj Verg. Aen. 1, 728: hic regina [...] poposcit / implevitque mero pateram. Verg.georg. 2,192: hic laticis, qualem pateris libamus et auro. (Weinopfer) Verg. Aen. 3,66: inferimus tepido spumantia cymbia lacte / sanguinis et sacri pateras [...]. (Opfernder trinkt aus p.) Verg. Aen. 4,60: ipsa tenens dextra pateram pulcherrima Dido / candentis vaccae media inter cornua fiindit. (Opferguß zwischen die Hörner) Verg. Aen. 5, 91: tandem inter pateras et levia pocula serpens / libavitque dapes rursusque innoxius imo. Verg. Aen. 5,775-776: stans procul in prora pateram tenet, extaque salsos / proicit in fluctus ac vina liquentia fundit. ( Weinopfer) Verg. Aen. 6, 248-249: supponunt alii cultros tepidumque cruorem / succipiunt pateris. (Opferblut beim Stieropfer) Verg. Aen. 8, 640: armati Io vis ante aram paterasque tenentes. Verg. Aen. 12,174: summa notant pecudum paterisque altana libant.

36. Phiala phiala,

V:

-ae f .

Opfer- und Weihegefaß. Auch profane Verwendung.

F:

Schale.

M:

Gold, Silber, Aes, vergoldet.

SE:

calix?" /patera51. Aus dem Griech. φ ι ά λ η .

Qu:

Heges. V 48.

In:

CIL III.2 4806. V.2 8242. XII 3058. OLD 1373 s.v. phiala.

Lit:

DAREMBERG-SAGLIO I V . 1 ( 1 9 0 7 ) 4 3 4 f. s.v. Phiala (Pottier) | R E X I X . 2 ( 1 9 3 8 ) 2 0 5 9 ff. s.v. Φ ι ά λ η ( M i l t n e r ) | R E S V I I ( 1 9 4 0 ) 1 0 2 6 ff. S - ν . Φ ι ά λ η

(Luschey) | HILGERS 1 9 6 9 , 7 4 . 2 5 0 ff. Nr. 2 8 8 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 5 0 5 .

50

Siehe etymologische Erläuterungen unter SE für SysKat. 18 (culignä).

51

SysKat. 35 (patera).

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

232

37. Poculum poculum, -i. n. V:

Opfergefaß für Wein, Most und Milch. Daneben als Weihegefäß52 bekannt. Außerdem profane Verwendung. — Bei den Boiern (gall. Volksstamm in Oberitalien) Trinkschale, die aus der Hirnschale getöteter Feinde gemacht wurde.53

F:

Becher. Eigentliche Form nicht genau zu bestimmen, da es als Synonym fur vielerlei Gefaßtypen steht.54

M:

Oft Edelmetall, aber ebenso Ton, Glas, Aes.

D:

*Gg 14.

SE:

Alte Form pocolom. Auch poclum.

Qu: luv. 13,147-149 | Liv. 3 9 , 4 3 , 4 | Prud. .perai. 4, 53 | Sali, hist.fr. 2, 86 | Serv. Aen. 8, 278 | Stat. 3, 3, 199 | Tib. 3, 5, 33 | Val. Fl. 5, 616 | Varrò ling. 5, 122 I Verg. Aen. 3, 354; 5, 90; ecl. 5, 67; georg. 4, 378. OLD 1395 s.v. poculum. Lit:

DAREMBERG-SAGLIO

IV. 1 (1907) 520 s.v. Poculum (Karo) |

WALDE-HOFF-

MANN 1 9 3 8 , 3 2 9 I HLLGERS 1969, 7 4 f. 2 5 5 ff. Nr. 2 9 8 | SIMON 1 9 9 0 , 2 1 A n m .

16. luv. 13,147-149: confer et hos, veteris qui tollunt grandia templi / pocula adorandae robiginis et populorum / dona vel antiquo positas a rege coronas; [...]. Liv. 39,43, 4: inter pocula atque epulas, ubi libare dis dapes, ubi bene precari mos esset [...]. P r u d . perist. 4, 53: libandum sibi (sacerdoti) poculum offerentes. Sail, hist fr. 2, 86: pocula et alias res aureas, diis sacrata instrumenta. Stat. 3 , 3 , 1 2 2 : assiduas libabo dapes et pocula sacris / manibus effigiesque colam. Tib. 3 , 5 , 3 3 : interea nigras pecudes promittite Diti / et nivei lactis pocula mixta mero.

52

Mit Namen von Göttern versehen werden sie der jeweiligen Gottheit geweiht und in deren Besitz überfuhrt, z.B. Aesculap, Fortuna, Iuno, Saturn, Venus, Vesta, Dis pater. Vgl. DAREMBERG-

53

Liv. 23, 24, 12: spolia corporis caputquepraecisum ducis Boii orantes templo, quod sanctissimum est apud eos, intulere. purgato inde caput, ut mos iis est, calvam auro caelare, idque sacrum vas iis erat quo sollemnibus libarent poculumque idem sacerdotibus esset ac templi antistibus". — In diesem Fall handelt es sich um den mit Goldfolie ausgelegten Schädel eines getöteten römischen Feldherm.

54

HILGERS 1 9 6 9 , 7 4 f.

SAGLIO IV. 1 ( 1 9 0 7 ) 5 2 0 (Karo).

9.1 Gefäße und Behältnisse

233

Val. Fl. 5,616: quisque suis tum vota deis et pocula fundit. Varrò ling. 5,122: [...] et in sacrificando deis hoc poculo magistratus dat Deo vinum. Verg. Aen. 3,354: aulai medio libabant pocula Bacchi. Serv. Aen. 8, 278: sacer implevit dextram scyphus legitur in libris antiquis Herculem ad Italiani ingens ligneumpoculum adtulisse, quo utebantur in sacris. [...] scypho praetor in anno semel vino libabat, neque hoc sine sacra fiebant. possumus et illud accipere, quod inter muñera deorum etiam pocula sunt: Sallustius historiarum secundo pocula et alias res aureas, diis sacrata instrumenta, convivo mercantar. Verg. ecL 5,67: pocula bina novo spumantia lacte quodannis / craterasque duo statuam tibi pinguis olivi, (am Altarj Verg. georg. 4,378: pars epulis onerant mensas et plena reponunt / pocula; Panchaeis adolescunt ignibus arae.

38. P o l u b r u m / P o l y b r u m polubrum,

V:

-i n.

Kultgefaß zur rituellen Reinigung. Hand- und Fußwaschbecken bei kultischen Handlungen. 5 5 V o n Opferdienern verwendet. Gefäß z u m K o c h e n des Fleisches?

F:

Griffschale.

M:

Silber.

D:

* A 4 I A 8 I A 21 I E 6 11 7 I Κ 14 I (O 4) I G g 5 I G g 6 I G g 7 I G g 8 I G g 10 I G g 13 I G g 15 I G g 16 I G g 19 | G g 2 0 | G g 21 | G g 2 2 | G g 2 3 | G g 2 4 | Hh 2.

SE:

pol(l)ubrum

ist die ältere Form. D a s Wort polybrum

ist Vulgärlatein und bei

älteren Autoren nicht zu finden. A l s B e g r i f f vielleicht s c h o n früh (z.Zt. d e s A u g u s t u s ?) aus d e m aktiven Wortschatz verschwunden. Qu:

Fab. Pic. fr. N o n . 5 4 4 | Liv. Andr. Od. 5 fr. N o n . 5441 Gloss. V 6 5 5 , 10 | Paul. Fest. 2 4 6 M. 2 8 6 L.; 2 4 7 M. 2 8 7 L. | Varrò Men.fr.

401.

O L D 1398 s.v. polubrum. Lit:

MARQUARDT

1886, 655 | B L Ü M N E R 1911, 146 A n m . 3 | S C H A E W E N 1 9 4 0 , 4 6

I R E X X I . 2 ( 1 9 5 2 ) 1426 f. s.v. Polubrum (Schneider) | H I L G E R S 1969, 2 6 2 f. Nr. 2 9 9 I R A C 8 ( 1 9 7 2 ) 7 5 2 s.v. F u ß w a s c h u n g (Kötting / Halama) | N U B E R 1972, 9 6 ff. I E R N O U T - M E I L L E T 1985, 5 2 0 | F L E S S 1 9 9 5 , 1 5 ff.

55

V g l . NUBER 1 9 7 2 , 1 4 0 ; DAREMBERG-SAGLIO I V . l ( 1 9 0 7 ) 3 7 4 s.v. P e l l u v i a ( S a g l i o ) .

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

234

Fab. Pic. fr. Non. 544: Fabius Pictor lib. XVI: aquam manibus pedibusque dato, polybrum sinistrimi manu teneto, dexterarum cum aqua. Liv. Andr. Od. 5 fr. Non. 544: polybrum, quod Graeci χερνιβα, nos trullium vocamus. Livius (Od. 5): argenteo polybro, aureo eglutro. Gloss. V 655,10: polybrum in aqua manus perluuntur, quod in sinistra tenetur et aliud vas cum aqua dextera. Paul. Fest 246 M. 286 L.: polubrum pelluvium in sacrificiis vas, quod nos pelvem dicimus. Paul. Fest 247 M. 287 L.: polubrum pelluvium vas, quod nos pelvem vocamus. Varrò Men.fr. 401: ñeque in polubro mystico coquam carnes.

39. Praefericuhim praefericulum, -i n. V:

Bei Opfern der Ops Consiva56 im Sacrarium der Regia verwendet. P. wurde dort zusammen mit der secespita aufbewahrt. Bei Prozessionen vor dem Priester hergetragen. Aus der Verbindung mit Ops und secespita ist zu schließen, daß das p. bei unblutigen Opfern benutzt wurde. Möglicherweise auch Aufbewahrungsbehältnis für die Früchte der Erde, für die Ops als die die Menschen mit Emtesegen versorgende Göttin galt. Daher kann als Sacrarium in der Regia das p. selbst gemeint sein.57

F: M: D: SE: Qu:

Tiefere Schale. Schüssel. Ohne Griff oder Henkel. Aes. Auf Denkmälern nicht nachgewiesen. Zum Wortstamm von ferre gehörig. Paul. Fest. 249 M. 292 L.; 248 M. 293 L. OLD 1430 s.v. praefericulum. Lit: JORDAN 1871, 2 7 4 | GUHL-KONER 1893, 804 (= Weinkanne) | DAREMBERG-SAGLIO IV.2 ( 1 9 1 1 ) 6 2 2 s.v. Praefericulum (Karo) | WALDE-HOFFMANN 1938, 4 8 4 s.v. fero | SCHAEWEN 1940, 58 | R E X X I I . 2 (1954) 1347 f. s.v. Praefericulum (Gross) | SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 2 8 Anm. 43 | HILGERS 1969, 2 6 3 Nr. 3 0 2 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 2 2 6 s.v. ferculum.

56

WISSOWA 1902, 168; RE XVIII.l (1939) 749 ff. s.v. Ops (Rohde); SCULLARD 1985, 252. 254.

57

Vgl. penus als Vorratsgefäß, das die Vestalinnen zu hüten hatten.

9.1 Gefäße und Behältnisse

235

Paul. Fest 248 M. 293 L.: praefericulum vas aeneum sine ansa patens summum, velut pelvis, quo ad sacnfícia utebantur. Paul. Fest 249 M. 292 L.: praefericulum vas aeneum sa< [...] sine ansa patens summum, ve>lut pelvis, quo ad sacrificia utebantur in sacrario Opis Consivae. [...].

40. Satura

siehe Laiix

41. Scyphus

V:

O p f e r g e f a ß , u.a. für W e i n , Blut. Im Kult der Arvalbrüder. I m H e r c u l e s - K u l t . A u c h profaner Gebrauch.

F:

Weit offen, mit Henkeln.

M:

G o l d , Silber, E i s e n , T o n , H o l z .

D:

J 2.

SE:

Griech. σ κ ΰ φ ο ς .

Qu:

A r n o b . nat. 7, 2 9 | Claud. D o n . Aen. | Prud. perist.

2. 69 | V e r g . Aen. 8, 2 7 8 |

Serv. Aen. 8, 2 7 8 . In:

A c t . Arv. a. 2 1 8 ( C I L V I . l 2 1 0 4 , Z. 2 6 f.) 58 .

Lit:

MARQUARDT 1 8 8 6 , 6 5 2 | GUHL-KONER 1 8 9 3 , 2 7 6 1 DAREMBERG-SAGLIO IV.2 ( 1 9 1 1 ) 1 1 5 9 ff. s.v. S c y p h u s (Pottier) | BLÜMNER 1 9 1 1 , 4 0 6 | HLLGERS 1 9 6 9 , 7 6 f. 2 7 4 ff. Nr. 3 2 7 .

Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 26 f.): item flam(en) et promag(ister) scyfos arg(enteos) cum sumpuis vino repletis ante osteum et acerras ferentes ture et vino fecer(unt), [...]. Arnob. nat 7, 29: date quaeso immortalibus diis bibant scyphos, brias, pateras simpuviaque depromite [...]. Claud. Don. Aen.: magnitudinem scyphi voluit ostendere [...], sacrum vero idcirco posuit, quia quibus sacrorum cura est habent dicata numinibus vasa quibus obsequia divina perñciunt. Prud. perist. 2, 69: argenteis scyphis ferunt / fumare sacmm sanguinem. Verg. Aen. 8,278: et sacer implevit dextram scyphus. ocius omnes / in mensam laeti libant divosque precantur. Serv. Aen. 8, 278: sacer implevit dextram scyphus legitur in libris antiquis Herculem ad Italiam ingens ligneum poculum adtulisse, quo utebantur in sacris. [...] scypho praetor in anno semel vino libabat, neque hoc sine sacra fiebant.

58

HENZEN 1874, 26. 28.

236

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

42. Seria seria, -ae f . V:

Gefäß im Tempel der Vesta, dort in den Boden eingelassen. — Auch profane Verwendung F: Form ist nicht eindeutig zu klären. Laut Überlieferung hat die s. eine starke Anlehnung an rfo/i'a-formige Gefäße, sie ist aber kleiner als diese.59 Enger Hals und gestreckter als das dolium.60 Mit Deckel. M: Ton. SE: Fremdwort im Lateinischen, das nicht geklärt werden kann. Derivat: seriola}1 Der aula /olla62 ähnlich.63 Qu: S. H. A. Heliog. 6, 8 | Paul. Fest. 158 M. 152 L. OLD 1743 s.v. seria. Lit:

MARQUARDT 1 8 8 6 , 6 4 7 | BLÜMNER 1 9 1 1 , 1 5 0 | DAREMBERG-SAGLIO I V . 2

(1911) 1251 s.v. Seria (Pottier) | RE II A 2 (1923) 1722 f. s.v. Seria (Leonard) I WALDE-HOFFMANN

1 9 3 8 , 5 2 0 | HILGERS 1 9 6 9 , 2 7 6 f. N r . 3 2 9 [ ER-

NOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 6 1 7 .

S. H. A. Heliog. 6 , 8 : et penetrale sacrum est auferre conatus cumque seriam quasi veram rapuisset, quam virgo maxima falso monstraverat atque in ea nihil reperisset, adplosam fregit. Paul. Fest 158 M . 152 L.: mûries [...], et in seriam coniecto, quae est intus in aede Vestae in penu exteriore [...].

43. Simpuvium / Simpulum simpuvium, -i n. / simpulum, -i. n. V:

59

Schöpfgefäß für Wein. Bezeichnung eines im römischen Kult üblichen, uralten Gefäßes, insbesondere zentrales Gefäß des Vesta-Kultes. Das s. steht in enger Verbindung mit der capisM bzw. ist mit ihr gleichbedeutend. Seit Numa

Colum. 12, 28, 1,7.

60

Schol. Pers. 2, 11; Isid. orig. 20, 6, 6.

61

OLD 1743 s.v. seriola. — HILGERS 1969, 277 Nr. 330.

62

SysKat. 6 (aula / olla).

63

Vgl. DAREMBERG-SAGLIO IV.2 ( 1911 ) 1251 (Pottier).

64

SysKat. 11 (capis).

9.1 Gefäße und Behältnisse

237

bis in die spätesten Zeiten in Gebrauch.65 Von Flamines, Promagistern und F:

Aedilen gebraucht. Emblem der Pontífices. Löffel, Kelle. Dem cyathus66 ähnlich. Altmodische Form: Standplatte; ein sich

M:

nach oben erweiternder, napfförmiger Bauch mit zwei hörnerähnlichen Griffen, von denen der längere leicht umgebogen ist und als Henkel dient. Aes. Ton (z.T. mit Impasto 67 )

D:

A 2 | A 1 2 | B 1 | B 2 | B 3 | B 5 | B 6 | ( D 7 ) | E 1 | E 4 | E 6 | F 1 (6x) | G 4 | G 5 I H 4 I *H 5 112e 115 11 7 119 11 12 11 13 11 16 11 17 11 22 11 25 11 29 11 30 11 32 11 37 11 38 I Ce 1 | Gg 10. Zahlreiche Darstellungen aus verschiedenen Zeiten auf Münzen und sakralen Reliefs. Besonders auf Münzen, die zum Andenken an die Aufnahme der Kaiser und Prinzen in die vier Priesterkollegien mit anderen Emblemen (lituus 6i , Dreifuß / tripus69, patera70) geschlagen wurden.

SE:

simpu(v)ium (seit Varrò und Cicero); sampu(v)ium im Arvallied; simpulum ist verlesene Form aus simpuium71. W A L D E - H O F F M A N N (a.a.O.) betrachten simpulum als echt, weil sie in seples / 'simpulis' eine Stütze sehen. Vgl. auch cyathus. Poculum72.

simpuvium Qu: Apul. apol. 18 | Amob. nat. 4, 31; 7, 29 | Cie. har. resp. 11, 23; rep. 6, 2 | luv. 6, 434 I Paul. Fest. 337 M. 455 L. | Plin. nat. 35, 158 | Sat. Men. S. 124 | Schol. luv. 6, 273 | Varrò ling. 5, 124. In:

65

Act.Arv. a. 218 (CIL VI. 1 2104, Ζ. 26 f.). OLD 1765 s.v. simpuvium.

Noch zu Anfang des 5. Jhs. n. Chr. sind Vesta und das simpuvium bekannt. Prud. 2, 511-516: „tunc Vesta Palladlos Lares / inpune sensit deseri. / quidquid Quiritum sueverat / orare simpuvium Numae, / Christi frequentans atria / hymnis résultat martyrem".

66

SysKat. 21 (cyathus).

67

V g l . GJERSTAD I 9 6 0 , 3 6 3 A b b . 2 3 3 ; SIMON 1990, 2 3 1 A b b . 2 3 1 .

68

SysKat. 74 (lituus).

69

SysKat. 62 (tripodium / Dreifuß).

70

SysKat. 35 (patera).

71

V g l . NIEDERMANN 1 9 3 5 , 2 7 2 .

72

SysKat. 37 (poculum).

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

238

simpulum Qu: Apul. apol. 18 | Paul. Fest. 337 M. 455 L. | Plin. nat. 35, 158 | Schol. luv. 6, 343-345 I Varrò ling. 5, 124; Men.fr. 115. In:

simpuvium: Act.Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 26 f.). OLD 1765 s.v. simpulum.

Lit:

HENZEN 1874, CCIV. 30 | MARQUARDT 1885, 167 Anm. 9 f. 10. 221. 248

Anm. 3 | MARQUARDT 1886, 651. 654 | KELLER 1891,43 (noch ohne etymol. Erklärung) | GUHL-KONER 1893, 794 | WLSSOWA 1902, 430. 444 Anm. 3 | BRINCKMANN 1908,139 ff. | DAREMBERG-SAGLIO IV.2 (1911) 1345 s.v. Sim-

puvium; IV.2, 1345 f. s.v. Simpulum (Pottier) | RE III A 1 (1927) 213 ff. s.v. Simpuvium (Leonard) | WALDE-HOFFMANN 1938,540 | SCHAEWEN 1940,35f. I SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 9. 8 2 | LATTE 1 9 6 0 , 3 8 4 | HILGERS 1 9 6 9 , 3 6 . 2 8 0 Nr. 3 3 7 ( s i m p u v i u m ) . 8 5 6 . 2 7 9 f. Nr. 3 3 6 ( s i m p u l u m ) | ZWIERLEIN-DIEHL 1 9 8 0 , 4 0 5 ff. I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 6 2 7 | SIMON 1 9 9 0 , 2 3 3 .

simpuvium Apul. apoL 18: [...] proque eo diis immortalibus simpuvio et catino fictili sacrificat. Arnob. nat 4,31: si in caerimoniis vestris rebusque divinis postilionibus locus est et piaculi dicitur contracta esse commissio, si per imprudentiae lapsum aut in verbo quispiam aut simpuvio deerrarerit [...]. Arnob. nat. 7, 29: date quaeso immortalibus diis ut bibant scyphos, brias, pateras simpuviaque depromite. Cie. har. resp. 11, 23: si aedilis verbo aut simpuvio aberravit. Cie. rep. 6,2: oratio Laelio, quam omnes habemus in manibus, quam simpuia pontificum dis inmortalibus grata sint Samiaeque, uti scribit, capudines. luv. 6, 343-345: aut quis / simpuvium ridere Numae nigrumque catinum / et Vaticano fragiles de monte patellas/ ausus erat? Plin. nat 35, 158: in sacris quidem etiam inter has opes hodie non murrinis cristallinisve sed fictilibus simpuis prolibatur inenarrabili terrae benignitate [...]. Schol. luv. 6, 343: ad 1: simpuvium: vas sacrificio aptum. 2. simpuvium [ridere Numae]: simpuvium vas sacrificiis aptum, in quo pontífices libare solebant. 3. simpuvium autem (dictum), quia omnes sacerdotes simul bibebant: inde simpuviatrix illa dicitur, quae porrigit poculum ipsud.

simpulum Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 26 f.): item flam(en) et promag(ister) scyfos arg(enteos) cum sumpuis vino refletis ante osteum, et acerras ferentes ture et vino fecerunt, et osteum restituerunt.

9.1 Gefäße und Behältnisse

239

Apul. apoL 18: eadem paupertas etiam populo Romano Imperium a primordio fundavit, proque eo in hodiemum diis immortalibus simpulo et catino fìctili sacnficat. Paul. Fest 337 M. 455 L.: simpulum vas parvulum non dissimile cyatho, quo vinum in sacrificiis libabatur; unde et mulleres rebus divinis deditae simpulatrices. Varrò ling. 5,124: qui sumebant minutatim, a sumendo simpuium nominarunt; [...] in sacruficiis remansit guttus et simpuium. V a r r ò Men. fr. 115: non vides ipsos deos, siquando volunt gustare vinum, derepere ad hominum fana et tarnen tum ipsi illi Libero simpuio vinitare?

44. Spondeum spondeum, -i n. V:

Spendegefaß.

F:

Form nicht bekannt, wahrscheinlich schalenförmig; vgl. griechisches Gegen-

M:

Silber, vergoldet.

SE:

spendere: (feierlich / förmlich) geloben, sich verpflichten;

stück. ERNOUT-MEILLET

1985,643. Vgl. das Griech. σπονδείον: Gefäß, Becher oder Schale zur σπονδή, bes. zur Weinspende, σπονδή: die heilige Spende, Opferspende, das Trankopfer. Synonym für phiala73 und patera74. Qu: Apul. met. 11, 20, 4 | Gloss. V 579, 56. In:

CIL XIV 2215, Z. 4. 7. OLD 1809 s.v. spondeum.

Lit:

DAREMBERG-SAGLIO I V . 2 ( 1 9 1 1 ) 1 4 4 1 1969, 2 8 4

Nr.

s.v. Spondeion (Pottier) |

HILGERS

343.

Apul. met 1 1 , 2 0 , 4 : ac dum, velis candentibus reductis in diversion, dea venerabilem conspectum adprecamur, et per dispositas aras circumiens sacerdos, rem divinam procurans supplicamentis sollemnibus, de penetrali fontem petium spondeo libat. Gloss. V 579,56: spondeus sacrificalis.

73

SysKat. 36 (phiala).

74

SysKat. 35 (patera).

240

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

45. Τ rua trua, -ae f . V:

Rührlöffel. Zum Kochen der Eingeweide gebraucht. Auch profane Verwendung. F: Löffel- oder Kellenform. Mit langem Stiel. M: Aes. D: *Gg 24. SE: Griech. τορύνη. Seit Pomponius bekannt, trulla, trulleum. drua. Qu: Fest. 9 M. 9 L. s.v. antroare | Varrò ling. 5, 118. OLD 1981 s.v. trua. Lit:

GUHL-KONER 1 8 9 3 , 6 9 2 | BLÜMNER 1 9 1 1 , 158 f. | DAREMBERG-SAGLIO V

(1919) 519 s.v. Trua (Pottier) | RE VII A 1 (1934) 700 f. s.v. Trua (Hug) | 1938,708 f. | SCHAEWEN 1940,501 HILGERS 1969, 291ff.

WALDE-HOFFMANN

N r . 3 6 4 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 7 0 4 .

Fest. 9 M . 9 L . S . V antroare: [...] truam quoque vocant, quo permovent coquentes exta. Fest. 9 M. 9 L.: andruare id est recurrere a Graeco verbo ά ν α δ ρ α μ ε ΐ ν venit; hinc et drua vocata est. V a r r ò ling. 5 , 1 1 8 : trua quo in culina lavatrinam aquam fundunt; trua quod travolat ea aqua.

46. Urceus urceus, -i, m. V:

Kult- und Weihegefäß. Wohl hauptsächlich zum Waschen der Hände verwendet (wegen des größeren Halses als beim gutus). Wie gutus75 vornehmlich von jugendlichen Opferdienem verwendet. Auf Münzen zusammen mit dem lituus als Insigne / Symbolgerät fur das Augurât.76

F:

Krug. Mit und ohne Henkel. Etwas weiterer Hals als beim gutus. Auch profan verwendet. Ton, Gold, Silber, Aes. Seit Plautus und Cato. Auch urceum, -i n. (Cato agr. 13, 1). Ableitung ist urceolus, -i m. Vgl. gutus. Angelehnt an das Griech. υρχη.

M: SE:

75

SysKat. 26 (guttus /gutus).

76

Siehe Kap. 5.2.2, S. 132 ff. — Siehe auch SysKat. 26

(guttus/gutus).

9.1 Gefäße und Behältnisse

D:

241

A4|A8|A21|B8|D7|D9|D10|G1|G4|H1|H3|H7|I23|I29 11 32 11 33 1134 I Κ 1 I Κ 3 I Κ 8 I Κ 4 I Aa 3| Gg 3 I Gg 5 I Gg 6 I Gg 7 I Gg 12 I Gg 13 I Gg 15 I *Gg 16 | Gg 19 | Gg 20 | Gg 22 | Gg 23 | Gg 24 | Gg 26 | Hh 2.

Qu:

luv. 3,203-205 | Martial. 11, 56, 3; 14,106 | S. H. A. Claud. 17 | Varrò rust.

In:

CIL VIII. 1 1267.

1,22,3. OLD 2105 s.v. urceus. Lit:

KELLER 1 8 9 1 , 9 9 | K. Körber, M a i n z Z 8 , 1 9 1 3 , 2 5 f. | DAREMBERG-SAGLIO V ( 1 9 1 9 ) 6 0 4 s.v. U r c e u s (Pottier) | WALDE-HOFFMANN 1938, 838 f. | HILGERS 1969, 8 3 ff. 2 9 8 ff. N r . 277. 3 7 8 | ERNOUT-MEILLET 1985, 7 5 4 | FLESS 1995, 6.

luv. 3,203-205: lectus erat Codro Procula minor, urceoli sex / ornamentum abaci nec et parvulus infra / cantharus et recubans sub eodem marmore Chiron [...]. Martial. 11,56,3 : hanc tibi virtutem fracta facit urceus ansa, /[...]. Martial. 14,106: urceus fìctilis hic tibi donatur panda ruber urceus ansa, stoicus hoc gelidam Franto petebat aquam. Varrò rust 1,22,3: [...] ut facerent vasa olearía iuga quinqué, quae membratim enumerat, ut ex aere ahenea, urceos, nassitemam, item alia.

47. Urna urna, -ae f .

V:

GefMß im Vesta- und Venus-Kult. Für Opferflüssigkeiten. — Daneben profane

F:

Keine einheitliche Überlieferung vorliegend. Wahrscheinlich bauchig, einfach

M:

Gold, Silber, Aes, Ton.

Verwendung. geformt. Mit Deckel und Henkeln. SE:

Seit Plautus und Cato.

Qu:

Cato agr. 132 | Οv. fast. 3, 9-14 | Pers. 2, 59-60 | Plaut. Rud. 4 7 3 ^ 7 5 | Prop. 4, 4, 15; 4, 6, 4.

In:

CIL XI. 1 1420, Z. 20.

Lit:

MARQUARDT 1886, 6 4 8 f. | BLÜMNER 1911, 153 | DAREMBERG-SAGLIO V

(1919) 604 f. s.v. Urna, Umarium, Umula (Pottier) | WALDE-HOFFMANN 1938, 841 I HILGERS 1969, 86. 3 0 0 ff. N r . 3 7 9 | ERNOUT-MEILLET 1985, 755.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

242

Ov. fast. 3, 9-14: tunc quoque inermis eras, cum te Romana sacerdos / cepit, ut huic urbi semina digna dares. / Silvia Vestaiis [...] / sacra lavaturas mane petebat aquas. / ventum erat ad molli declivem tramite ripam: / ponitur e summa fîctilis urna coma. Pers. 2, 59-60: aurum vas Numae Satumiaque inpulit aera / Vestalisque urnas et Tuscum fictile mutât. Plaut. Rud. 473-75: sed autem, quid si hanc hinc apstulerit quisquam, / sacram umam Veneris? mihi exhibeat negotium. / metuo hercle ne illa mulier mi insidias locet, / ut comprehendar cum sacra urna Veneria.

9.2 Schlaggeräte 48. Acieris V:

Beil. Zur Tötung des Opfertieres? Für Sacerdotes, Flamines und Pontífices überliefert verwendet.

F:

Vgl. securis11.

M:

Bronze.

SE:

Vgl. securis.

Qu: Fest. 10 M. 9 L. | Gloss. IV 202,39 (V 436, 15). ThLL I 399 | OLD 28 s.v. acieris. Lit:

BÜCHELER 1 8 9 1 , 2 3 3 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 8.

Fest. 10 M. 9 L.: acieris securis aerea, qua in sacrificiis utebantur sacerdotes. Gloss. IV 202,39 (V 436,15): acerlis (acersu) securis quam flamines seu pontífices habebant.

49. Bipennis bipennis / bipinnis, -is f . V:

Werkzeug des bacchischen Stieropfers. Attribut des Bacchus und seiner Begleiter und im Kult der kleinasiatischen Bellona. Gleiche Verwendung im (Stier-)Opfer wie die securisn.

F:

Doppelbeil.

77

SysKat. 53 (securis).

78

SysKat. 53 (securis).

9.2 Schlaggeräte

243

M: Eisen. Aber schon in Stein bekannt, da sehr alte Form. D: Auf Darstellungen nicht genau identifizierbar. SE: Eigentliche Bedeutung: zweiflügelig, zweischneidig (seit Varrò), securis, ascia79, (dolabra™). Qu: Hör. carm. 4, 4, 53-58 | Isid. orig. 19, 19, 11 | Ov. met. 8, 765-766 | Quint. inst. 1, 4,12 I Sil. 16, 263 | Tib. 1, 6, 47 | Varrò fr. Non. 79, 19. ThLL II 2000 ff. | OLD 234 s.v. bipennis. Lit: DAREMBERG-SAGLIO 1.1 ( 1 8 7 7 ) 7 1 1 f. s.v. Bipennis (Saglio) | BLÜMNER 1 8 7 9 , 2 0 2 I R E III. 1 ( 1 8 9 9 ) 4 8 8 f. s.v. Bipennis (Mau) | W A L D E - H O F F M A N N 1 9 3 8 , 2 8 2 s.v. penna | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 5 0 . Isid. orig. 19,19,11: nam bipennis dicitur quod ex utraque parte habeat acutam aciem, quasi duas pennas. Ov. met 8, 765-766: obstipuere omnes, aliquisque ex omnibus audet / deterrere nefas saevamque inhibere bipennem. Quint inst 1,4,12: nec miretur puer, curfiat[...] a 'primo', quod est acutum, securis utrimque habens aciem, 'bipennis', ne illorum sequatur existimant, pennas avium volunt. Sil. 16, 263: victima [...] admotae stabat subiecta bipenni. Tib. 1, 6,47: ipsa [sacerdos Bellonae] bipenne suos caedit violenta lacertos.

50. Dolabra dolabra, —ae f . V:

Zum Töten des Tieres bei Opferhandlungen. Auch emblematisches Pontifikalabzeichen. F: Axt. Langer Stiel. An der einen Seite eine dem Stiel parallele, scharfe Schneide. Auf der anderen Seite eine etwas abwärts gebogene Spitze. M: Eisen. Holzschaft. D: A8|A20|D9|E2|E5|E5a|F2|F5|F6|F8|G4|I4|I7|I14|I16 I Κ 10 I Κ 14 I Κ 16 I Ν 1 I O 1 I Gg 7 I Gg 8 I Gg 10 I Gg 15 I Gg 16 I Gg 17 I Gg 20 I Gg 21 I Gg 25 | Gg 26 | Hh 2. SE: Seit Cinc. Von dolare (dolo, -avi, -atum): behauen, bearbeiten. Demin.: dolabella. Auch dolatoria oder dolatorium.

79

Siehe Kap. 4.2, S. 68 Anm. 221.

80 SysKat 50 (dolabra).

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

244

Qu: Isid. orig. 19, 19, 11 | Paul. Fest. 330 M. 444 L. ThLL V.l 1819 f. I OLD 569 s.v. dolabra. Lit: BLÜMNER 1879,206 ff. | MARQUARDT 1885, 248 Anm. 6 | DAREMBERG-SAGLIO II.2 (1896) 328 s.v. Dolabra (Saglio) | RE V.l (1903) 1274 f. s.v. Dolabra (Mau) I WALDE-HOFFMANN 1938, 364 s.v. dolo | SCHAEWEN 1940, 51 | ERNOUT-MEILLET 1985,181 s.v. dolo. Isid. orig. 19,19,11: haec et [...] dolabra, quod habeat duo labra; nam securis simplex est. Paul. Fest 330 M. 444 L.: scenam genus [...] manifestum est, sed futurum securis an dolabra sit, ambigitur. quam Cincius in libro qui est ei de verbis priscis, dolabram ait esse pontificiam.

51. Malleus malleus, -i m.

V: F: M: D: SE:

Zur Betäubimg des Opfertieres, in der Regel Großvieh (Rinder, inbesondere Kälber) Hammer mit rundem, fast kugelförmigem Kopf (rostrum). Holzschaft. Kopf aus Holz oder Eisen81. A 20 I (C 4 ) I D 1 I D 2 I E 1 I E 2 I E 6b I F 6 I G 4 11113 1115 11 19 11 29 11 30 I J 2d I O 4 I O 8 I Ce 2a I Gg 2 I Gg 7 I Gg 10 I Gg 17 I Gg 20 I Gg 21. Seit Plautus Demin.: malleolus. Vgl. auch marcus: großer Schmiedehammer.82 marculus.

Qu: Ov. met. 2, 624-625 | Plin. nat. 24, 94 | Suet. Cal. 32. ThLL VIII 191 I OLD 1068 s.v. malleus. Lit:

BLÜMNER 1 8 7 9 , 1 9 6 | MARQUARDT 1 8 8 5 , 1 8 1 A n m . 3 | GUHL-KONER 1 8 9 3 ,

803 I DAREMBERG-SAGLIO III.2 (1904) 1561 f. s.v. Malleus (Lafaye) | R E XIV.l (1928) 909 s.v. Malleus (Kroll) | WALDE-HOFFMANN 1938, 16 | SCHAEWEN 1940, 52 f. | ERNOUT-MEILLET 1985, 380 | ZIMMER 1982,19 mit Anm. 99. 100. Ov. met 2, 624-625: [...], quam cum spedante iuvenca / lactentis vituli dextra libratus ab aure / tempora discussit claro cava malleus ictu.

81 Plin. nat. 34, 144. 82 Isid. orig. 19, 7, 2.

9.2 Schlaggeräte

245

Suet. CaL 32: [Caligula] admota altaribus victima succintus poparum habitu elato alte malleo cultrarium mactavit.

52. Sacena sacena, -ae f .

V:

Beil. Zur Tötung des Opfertieres. 83 Später nur noch Insigne der Pontífices. Auch Insigne des Apparitors des Flamen Dialis (Flaminius lictor).84 Gerät der Haruspices ?

F:

Schaftlochbeil. Massiver Schaft. Einschneidige, relativ breite Klinge von trapezoider Form.

M:

Eisen. Holz.

D:

A 3 I A 4 I A 17 I (B 5) I *B 11 I (C 4) I D 2 I (D 4) I D 5 I F 1 I H 1 I H 7 11 2c I *I 6a 11 29 11 30 I *K 7 I Κ 10 I R 2.

SE:

Auch scena. Etruskischer Ursprung des Namens sacena: „das zur Weihung gehörige".

Qu:

Paul. Fest. 318 M. 422 L.; 319 M. 423 L.; 330 M. 444 L.

Lit:

R E I A 2 ( 1920) 1626 s.v. Sacena (Rosenberg) | FRIIS JOHANSEN 1932, 113 ff.

OLD 1674 s.v. sacena. I WALDE-HOFFMANN 1938, 4 5 9 s.v. sacena. 504 s.v. seco | SCHAEWEN 1940, 51 f. I LATTE 1960, 157 A n m . 3. 3 8 4 A n m . 7 | ERNOUT-MEILLET 1985, 585. Paul. Fest. 318 M. 422 L.: scena ab alis, a quibusdam sacena appellatur dolabra pontificalis. Paul. Fest. 319 M. 423 L.: scena sive sacena dolabra pontificalis. Paul. Fest 330 M. 444 L.: scenam genus [...] manifestum est; sed futurum securis an dolabra sit, ambigitur. quam Cincius in libro qui est ei de verbis priscis, dolabram ait esse pontificiam.

53. Securis securis, -is f .

V:

Seit der Kaiserzeit Beil insbesondere für die Tötung von Rindern. Früher Lictorenbeil, mit dem die Enthauptungsstrafe vollzogen wurde, sowie Gerät für

83

Seit der spätrepublikanischen und augusteischen Zeit nicht mehr im Opferritual verwendet. — Siehe Kap. 4.2.1, S. 70 ff.

84

HANELL 1 9 6 0 , 5 3 .

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

246

die curulischen Magistrate.85 5. bezeichnet im allgemeinen das Beil ohne Rücksicht auf die Form. F:

Einschneidig. Zweites Ende der Schneide noch auf der anderen Seite des Schaftes sichtbar. Relativ kleine Klinge.

M:

Eisen.

D:

A5|A13|*A14|D2|E2|E3|E6|F8a|G17c|Hl|Hll(?)|H22| I 3 11 6 11 38 I Gg 5 I Gg 23.

SE:

Seit Plautus. Vgl. acieris86. securis simplex.

Qu: Fest. 10 M. 9 L. | Flor. 1, 2, 1 | Hör. carm. 3, 23, 9-12 | Isid. orig. 19, 19, 11 I Ov. fast. 4, 415; met. 7, 428; trist. 4, 2, 5-6 | Suet. Galb. 18 | Verg. Aen. 2, 224. OLD 1722 s.v. securis. Lit:

BLÜMNER 1 8 7 9 , 2 0 0 f. | KELLER 1 8 9 1 , 3 5 4 | GUHL-KONER 1 8 9 3 , 8 0 3 | D A REMBERG-SAGLIO IV.2 (1911) 1165 ff. s.v. Securis (Reinach) | RE II A 1

(1921) 1000 s.v. Securis (Kleinfeiler) | FRIIS JOHANSEN 1932, 141 | WALDE-HOFFMANN 1938, 506 | SCHAEWEN 1940,50 f. | K1P 5 (1979) 60 s.v. Secu-

ris (Medicus) I ERNOUT-MEILLET 1985, 607 s.v. seco. Flor. 1, 2 , 1 : legatos [...] ne gladio quidem, sed ut victimas securis percutiunt. Hor. carm. 3, 23, 9-12: nam quae nivali pascitur Agido / devota quercus inter et ilices / aut crescit Albanis in herbis / victima, Pontificum securim / cervice tinguet [...]. Isid. orig. 1 9 , 1 9 , 1 1 : item securis quasi semicuris; nam securis simplex est ex una parte acutua est, ex altera fossoria. haec et dolabra, quod habeat duo labra. O y. fast. 4, 415: apta iugo cervix non est ferienda securi [...]. Ov. met 7,428: [...] fovet ignibus aras / muneribusque deos inplet, feriuntque secures / colla torosa boum vinctorum tempora vittis. Ov. trist. 4, 2, 5 - 6 : candidaque adducta Collum percussa securi / victima purpureo sanguine pulset humum / [...]. Verg. Aen. 2, 223-224: qualis mugitus, fugit cum saucius aram / taurus et incertain excussit cervice securim.

85

V g l . SCHÄFER 1 9 8 9 , 2 2 1 f f .

86

SysKat. 48 {acieris).

9.3 Schneidegeräte

247

9.3 Schneidegeräte 54. Clunaculum clunaculum, -i n. V:

Messer. Zum Durchtrennen der Kehle des Opfertieres und Zerteilen des Flei-

F:

Zweischneidig. Dolchähnlich. Längliche Schneide. Griff mit flachem, rundem

sches? Knauf. D:

(B 9) I F 1 I F 4.

SE:

Abgeleitet von clunis, -is m. / f . : Hinterbacke, Hinterkeule, Steiß. Auch clunabulum (erst seit Isidor), clunaclum.

Qu:

Fest. 50 M. 43 L. | Isid. orig. 18, 6, 6. OLD 338 s.v. clunaculum.

Lit:

MARQUARDT

1885,181 | DAREMBERG-SAGUO 1.2 (1887) 1264 s.v. Clunacu-

lum (C. M . ) I WALDE-HOFFMANN 1938,239 s.v clunis | SCHAEWEN 1940, 56f. I ERNOUT-MEILLET

1985, 129 s.v. clunis.

Fest. 50 M. 43 L.: clunaclum cultrum sanguinarium dictum, vel quia ad clunes dependit, vel quia clunes hostiarum dividit. Isid. orig. 18, 6, 6: idem et clunabulum dictum, quod religetur ad clunem.

55. Culter culter, -tri m. V:

Messer. Zum Durchtrennen der Halsschlagader sowie zum Heraustrennen der Eingeweide. Instrument der Opferschlächter und der Haruspices. Auch die allgemeine Bezeichnung für Messer.

F:

Kurze, breite, dreieckige Klinge. Kurzer, in einem Knauf auslaufender Griff.

M:

Eisen. Griff mit Bronze ausgelegt. 87

D:

A2|A11|A13|A14|A19|B3|B5|B9|B11|C4|D1|D2|(D4)| D 5 | * D 6 | D 8 | D 1 0 | E 2 (2x) | E 3 | E 4 | E 5 | E 6 | F 1 | F 2 | F 5 | F 6 | G 4 | H 1 | H 7 | I 2 d | I 6 b | I 8 | I 9 | I 9 a | I 11 | I 16 1117 | *I 20 | 1 2 5 11 29 11

87

Vgl. DAREMBERG-SAGLIO 1.2 (1887) 1580.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

248

3011 31 11 36 11 38 I Κ 7 I Κ 9 I Κ 10 I Κ 15 I M 1 | O 1 | Aa 2 | Ce 2a | Gg 4 | Gg 5 I Gg 6 I Gg 7 I Gg 8 I Gg 9 I Gg 10 I Gg 11 I Gg 12 I Gg 15 I Gg 16 I Gg 19 I Gg 20 I Gg 21 | Gg 22 | Gg 23 | Gg 25 | Gg 26. SE:

Seit Plautus. Auch Demin.: cultellus (seit Varrò).

Qu: Aug. c. Faust. 18,2 | Ov.fast. 1, 346-367; met. 15, 134 | Prop. 2, 22, 15 | Sen. Thy. 688 | Serv. Aen. 6, 248 | Suet. Tib. 25; Cal. 32 | Varrò rust. 2, 5, 11. In:

Act. Arv. a. 87 (CIL VI. 1 2065, Ζ. 18 f.) | Act. Lud. saec. Sept. 4, 6. OLD 466 s.v. culter.

Lit:

MARQUARDT

1885, 168 Anm. 5 | DAREMBERG-SAGLIO 1.2 (1887) 1592 s.v.

Culter (Reinach); 1.2 (1887) 1264 s.v. Cultrarius (Reinach) | 1893, 803 1938, 304 FIG

I

RE IV.2 (1901) 1752 f. s.v. Culter (Mau) |

I SCHAEWEN

1975,100

GUHL-KONER

WALDE-HOFFMANN

1940, 53 | KIP 1 (1979) 1340 s.v. Culter (Gross) | PFIF-

I ERNOUT-MEILLET

1985,155 |

FLESS

1995,19 f. 73 f. | NPauly

3 (1997) 230 s.v. Culter (Hurschmann). Act. Arv. a. 87 (CIL VI.l 2065, Z. 18 f.): eodem die ibidem in area C. Salvius qui vice magistri fungebatur, ture et vino in igne in foculo fecit immolavitq(ue) vino, mola cultroque Iovi O(ptimo) M(aximo) b(ovem) m(arem). Iuononi reginae b(ovem) feminam, [...]. Act. Lud. saec. Sept. 4 , 6 : cultrum opotorium et pateram [...] immol f...] vaccam. Aug. c. Faust. 18,2: nunc tauros, nunc arietes, nunc etiamhircos [...] cultris sternere. Ov. met 15,134: quas coluit, fruges percussaque sanguine cultros / inficit in liquida praevisos forsitam unda. Sen. Thy. 688: tangenusque salsa victimam culter mola. Serv. Aen. 6,248: supponunt cultros id est victimas caedunt. fiait autem verbum sacrorum, in quibus mali ominis verba vitabant. hinc est quod et mactare dicebatur, quod magis augere significat. dicimus autem 'hie culter, cultri': nam 'cultellus' deminutivum est, 'cultellum' penitus Latinum non est. Suet. CaL 32: [Caligula] admota altaribus victima succinctus poparum habitu elato alte malleo cultrarium mactavit. Suet. Tib. 25: nam et inter pontífices sacrificanti simul pro secespita plumbeum cultrum subieciendum curavit et secretum petenti non nisi adhibito Druso filio dedit [...]. Varrò rust 2, 5,11: paulo verbosius haec, qui Manilii actiones secantur lanii, qui ad cultrum bovem emunt: qui ad altaría, hostiae sanitatem non soluent stipulali.

9.3 Schneidegeräte

249

56. Secespita secespita,

V:

-ae f .

M e s s e r . Z u m Zerteilen von O p f e r k u c h e n und exta. Gerät der Pontífices, Vestalinnen u n d Flamines. Etruskischen U r s p r u n g s .

F:

Längliches Messer. Klinge in der Regel auf einer Seite gerade, auf der anderen g e s c h w e i f t . Einschneidig. R u n d e r m a s s i v e r Griff.

M:

E i s e n . Elfenbeingriff. A m H e f t mit goldenen u n d silbernen K l a m m e r n verziert. N ä g e l aus K u p f e r e r z .

D:

A4|A8]B9|*D8|D9|I26|R3|R4.

SE:

Seit Sueton. V o n sec- are = " s c h n e i d e n " .

Qu:

Paul. Fest. 336 M . 4 7 3 L.; 3 4 8 M . 4 7 2 L.; 349 M . 4 7 3 L. | Serv. Aen. 4, 2 6 2 ] Suet. Tib. 25. O L D 1716 s.v. secespita.

Lit:

JORDAN 1 8 7 1 , 2 7 4 ff. | MARQUARDT 1885, 2 4 8 A n m . 4 | GUHL-KONER 1893, 7 9 4 . 8 0 3 I WISSOWA 1902, 4 4 4 mit A n m . 3. 516 A n m . 1 | DAREMBERG-SAGLIO IV.2 (1911) 1164 f. s.v. Secespita (Reinhard); 1.2 (1887) 1585 s.v. Culter ( R e i n a c h ) | R E II A 1 (1921) 9 7 3 f. s.v. Secespita (Latte) | FRIIS JOHANSEN 1932, 142 I WALDE-HOFFMANN 1938, 504 | SCHAEWEN 1940, 53 A n m . 53 | LATTE 1960, 384 | PFIFFIG 1975, 100 | ERNOUT-MEILLET 1985, 607 | M . Torelli, Secespita, praefericulum. A r c h e o l o g i a di d u e strumenti sacrificali r o m a ni. In: Estrusca et Italica. Scritti in ricordo di M a s s i m o Pallotino II (1997) 575-598.

Paul. Fest 336 M. 453 L.: secespitam alii securim, alii dolabram aeneam, alii cultellum esse putant. Paul. Fest 348 M. 472 L.: secespitam esse Antistius Labeo ait cultrum ferreum, oblongum, manubrio eburneo rotundo, solido, vincto ad capulum argento auroque, fixum clavis aeneis, aere Cyprio, quo flamines, flaminicae, virgines pontificesque ad sacrificia utuntur [...] secespitae autem, quoniam gratum non erat ipsius nominis facere mentionem, ita meminit 'stellatus iaspide ensis erat'. Paul. Fest 349 M. 473 L.: secespita cultrum ferreum, oblongum, manubrio eburneo, rotundo, solido, vincto ad capulum argento auroque fixum, clavis aeneis, aere Cyprio, quo flamines, flaminicae, virgines pontificesque ad sacrificia utebantur. dicta autem est secespita a secando. Paul. Fest 349 M. 473 L.: secivum libum est, quod secespita secatur. Serv. Aen. 4,262: veteri enim religione pontificum praecipiebatur inaugurato flamini vestem, quae laena dicebatur, a flaminica texi oportere: quam vestem cum cultro, quae secespita appellabatur, uti debere. secespita autem est culter oblongus ferreus, manubrio eburneo, rotundo, solido, vincto ad

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

250

capulum argento auroque, fixo clavis aeneis, quo [flamines], flaminicae, viigines pontificesque ad sacrifìcia utuntur, eaque iam sacra est. appellatur autem secespita a secando. Suet. Tib. 25: nam et inter pontífices sacrificanti simul pro secespita plumbum cultrum subiciendum curavit et secretum petenti non nisi adhibito Druso filio dedit [...].

9.4 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer 57. Acerra acerra, -ae f . Altar88, auf dem Weihrauch verbrannt wurde. Besonders bei Begräbnissen verwendet. F: Auch Rauchpfanne. Unterschiedliche Aussagen zur Form. Klein. Tragbar. Form wie turibulum. M: Ton (?). SE: Seit den XII tab. bekannt; altes Wort der Sakralsprache. Vgl. turibulum89, thymiaterium90, candelabrum91. Qu: Cie. leg. 2, 60 | Fest. 18 M. 17 L. | Val. Max. 3, 3, 1. Lit: Siehe SysKat. 1 (acerra) | MARQUARDT 1 8 8 6 , 3 4 8 Anm. 3 | BLÜMNER 1 9 1 1 , 485 Anm. 18 | KIP 1 (1979) 31 s.v. Acerra (Eisenhut).

V:

Cie. leg. 2,60: ne sumptuosa respersio, ne longae coronae ne acerrae. Fest. 18 M. 17 L.: acerra ara, quae ante mortuum poni solebat, in qua odores incendebant. alii dicunt arculam esse turariam, scilicet ubi tus reponebant.

88 Weihrauchkästchen: SysKat. 1 (acerra).

89 SysKat. 63 (turibulum).

90 SysKat. 61 (thymiaterium). 91

Vgl. Kap. 4.5.2, S. 95 f.

9.4 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer

251

58. Ara ara, -ae f . V:

M:

Im allgemeinen Bezeichnung für Feuerstätte oder Brandopferstätte. Ebenso für feuerlose Altäre. In der Regel steinerner Altar, jedoch auch Altäre aus Erde und Rasen. Kann auch Feuerbecken aus Erz bezeichnen. Steinerne arae: vierkantig, seltener rund. Auf der Oberfläche an den Schmalseiten Erhöhungen oder Polster. Temporäre arae aus Rasen92, Erde, aufgeschichteten Felsbrocken. Stein, organisches Material.

D:

A 3 I A 9 | A 2 2 | F 6 | I 1 | I 1 1 11 13 11 15 11 18 11 27 | J 1 | J 2 | K 1 1 | N 1 [

F:

Cc 2b I *Ff 1 I Gg 5 I Gg 18 I Gg 24 I Hh 1. Altrömisch asa. Oskisch aasai, umbrisch ase. Verwendung von 's' statt 'r' von WALDE-HOFFMANN als „ritualer Archaismus" erklärt. Qu: Macr. Sat. 3, 2, 8. Feuer-, Brandopferstätte: Serv. Aen. 2,515 | Varrò ling. 5, 38. Steinerner Altar, aus Erde / Rasen: Hör. carm. 1, 19, 11-14; 3, 8, 1-4 | Ov. fast. 2, 645; met. 7, 238-240; trist. 5, 5, 9. In: ara taurobolata: CIL XIV 39. SE:

Lit:

Für Räucherwerk: CIL III. 1 5773 (ara turaría / turicrema). Provisorisch: Act. Arv. a. 87 (CIL VI.l 2065) und a. 224 (CIL VI.l 2107, Z. 6) (ara temporalis). ThLL II 382 ff. DAREMBERG-SAGLIO 1.1 (1877) 347 ff. s.v. Ara (Saglio) | F. Bücheler, Archiv für Lateinische Lexikographie 1, 1884, 104 | MARQUARDT 1885,161 ff. | RE Π.1 (1896) 338 f. s.v. Ara (Reisch) | WALDE-HOFFMANN 1938,61 | HERMANN 1961, 8 ff. I ERNOUT-MEILLET 1985,42 | SCHEID 1990b, 138 ff.

Act. Arv. a. 87 (CIL VI.l 2065): ille qui vice magistri fungebatur illius, ante lucum in aram [sie] porcas piaculares duas luco coinquendi et opens faciendi immolavit, deinde vaccam deae Diae honoranam immolavit. Hör. carm. 1 , 1 9 , 1 1 - 1 4 : hic vivum mihi caespitem, hie / verbenas, pueri, ponite turaque. Hör. carm. 3, 8 , 1 - 4 : Martiis caelebs quid agam kalendis, / quid velint flores et acerra turis / plena miraris positusque carbo in / caespite vivo, / [ . . . ] .

92

Serv. Aen. 12, 119; S. H. A. Max. et Balb. 11,5.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

252

Macr. Sat 3,2,8: inde Varrò Divinarum libro quinto dicit aras primum asas dictas, quod esset necessarium a sacrificantibus eas teneri [...]. Oy. fast 2,645-646: ara fit. hue ignera, curto fert rustia testu / sumptum de tepidis ipsa colona focis. Ov. met 7,238-240: constitit adveniens citta limenque foresque / et tantum cáelo tegitur refugitque viriles / contactas statuitque aras e caespite binas, / dexteriore Hecates, ast laeva parte Iuventae. Ov. trist 5, 5, 9: araque gramíneo viridis de caespite fiat, / et velet tepidos nexa corona focos. Serv. Aen. 2,515: altaría superorum et 'arae' sunt et 'altaría', inferorum tantum 'arae'. 'ara' autem dicitur a precibus, quas Graecia άράς dicunt. Varrò AV. S fr. 66: veteres aras 'asa' dicebant, porta inmutata littera 's' in 'r' aras dixerunt. Varrò ling. 5,38: [...] a quo potest etiam ara deum, quod pura, nisi potius ab ardore, ad quem ut sit fit ara.

59. Focus / Foculus focus, -i m. /foculus, V:

-i m.

Pfanne, Opfer- bzw. Feuerherd, Brandaltar zur Aufnahme der das Hauptopfer einleitenden Wein- und Weihrauchspende. Zum Verbrennen der exta. Auch Teil der Altarbekrönung, die zur Aufnahme der Opfergaben dient. Eigentliche Bedeutung: Feuerstätte, Herd.

F:

Keine konkreten Angaben, f . ist wahrscheinlich formal und funktional mit dem Dreifuß gleichzusetzen; dann gehört f . zur Gruppe der Klappdreifüße und der Plattendreifuße. Zum Teil mit Griffen versehen.

M:

Bronze, Ton.

D:

*A 21 (Dreifuß) | F 8 | G 2 (Dreifuß) | O 1 | (*Gg 2).

SE: foculus:

kleiner Herd (seit Cato). Dreifuß. Vgl. foculum, -i n: Wärmemittel,

Feuerpfanne. Qu:

Paul. Fest. 85 M. 75 L. | Serv. Aen. 3, 134. 12, 118 | Varrò rer. div. 5 fr. 68. ThLL VI,1, 987 ff. | OLD 718 s.v. foculus / focus.

Lit:

HENZEN 1 8 7 4 , 2 0 . 2 3 . 9 2 | MARQUARDT 1 8 8 5 , 1 6 4 | R E V I I I . 1 ( 1 9 1 2 ) 6 1 5 f f .

s.v. Herd (Heckenbach) | SCHWENDEMANN 1921, 113 f. | WALDE-HOFFMANN 1938,521 s.v. focus, ebd. II 466 s.v. favilla | HERMANN 1 9 6 1 , 1 6 mit Anm. 35 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 2 4 3 .

Paul. Fest. 85 M. 75 L.: focus, fomenta, focilationes, foculi a fovendo, id est calefaciendo, dicta sunt.

9.4 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer

253

Serv. Aen. 3,134: sane Varrò rerum divinaium refert, inter sacratas aras focus quoque sacrari solere, ut in Capitolio Iovi Iunoni Minervae, nec minus in plurimis urbibus oppidisque, et id tarn publice quam privatim solere fieri. [...] nec licere vel privata vel publica sacra sine foco fieri. Serv. Aen. 12,118: focos quidquid ignem fovet 'focus' vocatur, sive ara sit, sive quid aliud in quo ignis fovetur, sicut in tertio dictum est. tamen et hie in publico sacrificio ostendit cum ans etiam focos sacratos; nam ait 'in medioque focos et dis communibus aras' et post subtexuit craterasque focosque feront: 'cráteras' scilicet quibus libaverant, 'focos' vero ad quos legitimum sacrifcium perfecerant.

60. Mensa mensa, -ae f .

V:

Tisch mit Altarcharakter. Bestimmt zur Aufstellung der Opfergeräte, zum Zerlegen der Tiere, zur Aufiiahme von unverbrannten Gaben. Wichtiger Bestandteil des Tempels (sacra mensa). Besonders fìir die Flamines erwähnt. Weitere kultische Verwendung: beim Lectistemium, bei Opfern für die glückliche Geburt eines Kindes, bei gewöhnlichen Hausopfern. Zum Teil wurde auch auf der m. selbst geopfert, z.B. zu Ehren Iunos.

F:

Tisch.

M:

Holz, Bronze (z.T. mit Gold- und Silberarbeiten belegt). Auch Gold und El-

D:

A 6 I A 7 I A 16 I F 2 I H 4 11 31.

SE:

Seit Ennius. Die m. ist nach Auffassung von P. Kretschmer (siehe unter Lit.)

fenbein.

ein Kultwort, das dem Umbrischen entlehnt ist. Seine Bedeutung lautet soviel wie 'Brotfladen', der einst als Unterlage für die Opfergaben diente. Qu:

Cie. nat. deor. 3, 84 | Donat. Aen. 3, 257 | Fest. 11 M. 10 L.; 64 M. 56 L.; 77 M. 67 L.; 113; Paul. Fesf. 19 M. 18 L.; 155 M. 149 L.; 157 M. 148 L.; 158 M. 150 L. I Macr. Sat. 3, 11, 5-6 | Ov. met. 11, 119-120 | Serv. Aen. 1, 736; 3, 257; 8, 279 | Verg. georg. 4, 130-133; orig. gent. Rom. 10, 5.

ThLL VIII, 738-745 | OLD 1099 s.v. mensa. Lit:

MARQUARDT

1885, 165 | DAREMBERG-SAGLIO III.2 (1904) 1720 s.v. Mensa

(de Ridder) |

KRETSCHMER

1917, 79 ff. |

(1931) 946 ff. s.v. Mensa (gross Kruse) | SCHAEWEN

1940, 43 f.

I LATTE

MLSCHKOWSKJ

1917 | RE XV. 1

WALDE-HOFFMANN

1938, 70 |

1960, 376 Anm. 1 j K1P 3 (1979) 1224 f. s.v.

Mensa (Gross) | ERNOUT-MEILLET 1985, 397 f. | VANGGAARD 1988, 90.

254

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

Cie. nat deor. 3, 84: etiam mensas argenteas de omnibus delubris iussit auferri, in quibus cum more veteris Graeciae inscriptum esset 'bonorum deorum', uti se eorum bonitate velie dicebat. Donat. Aen. 3, 257: mensas dicit, quae ex frumento confectae diis Penatibus consecrantur. Fest. 11 M. 10 L.: anclabris mensa ministeriis aptata divinis. vasa quoque in ea, quibus sacerdotes utuntur, anclabria appellantur. Fest. 64 M. 56 L.: curiales mensae, in quibus in aedibus immolabatur Iunoni, quae Curis appellata est. Fest. 77 M. 67 L.: escariae mensae quadratae vocantur, in quibus homines epulantur. anclabris ea qua in sacrificando dis anelata, quod est hauritur ministraturque. Paul. Fest 19 M. 18 L.: assidela mensae vocantur, ad quas sedentes flamines sacra faciunt. Paul. Fest. 155 M. 149 L.: mensae in aedibus sacris ararum vicem optinebant. Paul. Fest. 157 M. 148 L.: mensae in aedibus sacris ararum vicem optinent, quia legibus earum omnium simul mensae dedicantur, ut velut in aram vel in pulvinis loco sint. Provati quoque in primis ipsis locis habent, ubi sacras habitai sint, qualis est parentatio, non sacrificium. Paul. Fest 158 M. 150 L.: mensas aiunt quidem fuisse in triviis poni sólitas, quae sint trivialis appellatae. Macr. Sai 3,11, 5-6: in Papiriano enim iure evidenter relatan est arae vicem praestare posse mensam dicatam. „Ut in tempio", inquit, ,Junonis Populotiiae, augusta mensa est." namque in fanis alia vasorum sunt et sacrae suppellectilis, alia omamentorum. quae vasorum sunt instrumenti instar habent, quibus semper sacrificia conficiunta, quarum rerum principem locum obtinet mensa in qua epulae libationesque et stipes reponunta. ornamenta vero sunt clipei, coronae et cuiuscemodi donaría. ñeque enim dedicantur eo tempore quo delubra sacranta, at vero mensa arulaeque eodem die quo aedes ipsa dedicali soient, unde mensa hoc ritu dedicata in tempio arae usum et religionem obtinent pulvinaris. ergo apud Euandrum quidem fit iusta libatio, quippe apud earn mensam quae cum ara Maxima more utique religionis fuerat dedicata et in luco sacrato et inter ipsa sacra in quibus epulabantur. Ov. met 11,119-120: gaudenti mensas posuere ministri / exstructas dapibus nec tostae frugis egentes. Serv. Aen. 1, 736: laticum libavit honorem more sacrorum: et tangit ritum Romanum, qui paniceas sacratasque mensas habebant, in quas libabant [...]. Serv. Aen. 3,257: ambesas undique esas, hoc est rotundas: maiores enim nostri has mensas habebant in honore deorum, panicias scilicet. Serv. Aen. 8,279: sed apud antiquos inter vasorum suppellectilem etiam mensam cum aris mos erat consecrari quo die templum consecrabatur: bene ait 'in mensam laeti libant', quam constabat cum ara maxima dedicatam, ut alibi mensaeque deorum [...]. Verg. georg. 4,130-133: hic rarum tamen in dumis holus albaque circum / lilia verbenasque premens vescumque papaver / regum aequabat opes animis, seraque revertens / nocte domum dapibus mensas onerabat inemptis.

9.4 Altäre, altarähnliche Geräte und Räucherständer

255

Verg. orig. gent Rom. 10,5: consumptoque, quod fuerat cibi, crustum etiam de furreis mensis, quas sacraras secum habebat, comedine.

61. Thymiaterium V:

Räuchergefäß oder Räucherständer im Kult.

F:

Vgl.

M:

Ton. Marmor

SE:

turibulum93.

turibulum.

Qu: Heges. 5, 2, 1 | ILS 4402 (an Serapis). Lit: WIGAND 1912,1 ff. | RE VI A 1 (1936) 706 ff. s.v. Thymiaterion (Hug) | HILGERS 1969, 288 Nr. 353 | K1P 5 (1969) 807 s.v. Thymiaterion (Gross) | RBK V (1993) 735 f. s.v. Liturgische Geräte (v. Elbern) | LAW 3 (1994) 3082 s.v. Thymiaterion (Scheibler). 62. Tripus / (Dreifuß) tripus, -podis

V:

F:

M: D:

SE:

m.

Tragbare Gestelle mit Kohlebecken oder Tischplatten. Als Opferbecken sind Dreifüße auf griechischem Boden selten verwendet, um so größer ist ihre Bedeutung im römischen Kult. Die Stelle des Altares vertretend. Kultobjekt im Apollon- und Dionysos-Kult. Insigne / Symbol der Quindecimviri s. f. Ebenfalls bei Tieropfern verwendet. An ihm wurde anstelle des Altares gespendet. Klappdreifuß: dreibeiniges Gestell. Mittels beweglicher Querstäbe zum Zusammenklappen geeignet. Auf Darstellungen häufig 50-60 cm hohe Gestelle mit metallenen, abnehmbaren Opferbecken (Kesseldreifuß). Plattendreifuß: tischartige Form. Flaches Becken oder eine Platte in fester Verbindung mit den drei geraden Beinen. Bronze. A21|B2|E5|E5a|E6|G2|I2|K15|Bb2|R5. Folgende f . sind genauer zu definieren: Klappdreifuß: E 3b [ Κ 9. Dreifuß mit Querstäben, aber nicht klappbar: Κ 7 | Κ 10. Plattendreifuß:*A 21 11 7 | *K 15 | Bb 1 | Gg 2. focus9*.

93

SysKat. 63 (turibulum).

94

SysKat. 59 (focus /foculus).

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

256

Qu:

Verg. Aen. 5,109-111 | Serv. Aen. 3, 332. OLD 1976 f. s.v. tripus.

Lit:

MARQUARDT 1885, 164 | R E V . 2 ( 1 9 0 5 ) 1675 ff. s.v. D r e i f u ß (Reisch) | DAREMBERG-SAGLIO V ( 1 9 1 9 ) 4 7 4 ff. s.v. Tripus (Dubois) | SCHWENDEMANN 1921, 107 ff. I SCHAEWEN 1940, 57 | K1P 5 (1979) 9 6 6 s.v. Tripus (Zintzen) | HLLGERS 1969, 2 9 0 f. N r . 3 6 2 | L A W 1 (1994) 775 f. s.v. D r e i f u ß (Jantzen) | KLATT 1995, insb. 4 3 0 - 4 3 8 .

Verg. Aen. 5,109-111 : muñera principio ante oculos circoque locantur / in medio, sacri trípodes viridesque coronae /[...]. Ser. Aen. 3,332: hinc ergo et delphinum aiunt inter sacra ApoUinis receptum; cuius rei vestigium est quod hodieque quindecimvironim cortinis delphìnus in summo ponitur et pridie quam sacrificium faciunt [...].

63. Turibulum turibulum, -i n. V:

Tragbares Räuchergerät, auf dem Weihrauchkörner verbrannt werden. Beim Opfer (Privatopfer, Opfer zu Ehren des Verstorbenen, Staats- und Herrscherkult) gebraucht.

F:

Eigentlich Räucherpfanne. Kandelaberförmig in verschiedenen Ausführungen: 1. rechteckig, massive Basis, meist auf Tierfußen, schlanker Schaft mit variierender Anzahl von Schalen; gefäßformige Mündung dient zum Aufnehmen des Weihrauchs. 2. Schaft ohne Schalen, sondern in leicht an- und abschwellender Form wie Knospe. 3. sog. Mischtyp, d.h. Basis und Mündung von Typ 1, Schaft von Typ 2.

M: D:

Metall. A10|A15|F4|G4|F1|H6|J3|K2.

SE:

Von tus, iuris (Weihrauch) abzuleiten, acerra95,

Qu:

Liv. 29, 14, 23 I Val. Max. 3,3, 1. OLD 1993 s.v. turibulum.

95

SysKLat. 57 (acerra).

96

SysKat. 61 (thymiaterium).

thymiaterium90.

9.5 Musikinstrumente

Lit:

257

MARQUARDT 1 8 8 5 , 1 6 7 A n m . 1 4 . 1 6 8 A n m . 1 | GUHL-KONER 1893, 8 0 4 | DAREMBERG-SAGLIO V ( 1 9 1 9 ) 5 4 2 ff. s.v. T u r i b u l u m ( B e s n i e r ) | SCHAEWEN 1940, 4 1 ff. 1 R E V I I A 2 ( 1 9 4 8 ) 2 5 0 8 ff. s.v. T u r i b u l u m ( N a c h t r a g ) ( K r e i s - v . S c h a e w e n ) | SCOTTRYBERG 1 9 5 5 , 1 1 . 13. 148. 156. 168 | HILGERS 1969, 82 f. 2 9 4 f. N r . 3 6 7 I K1P 5 ( 1 9 7 9 ) 1 0 0 6 s.v. T u r i b u l u m ( G r o s s ) [ CAIN 1985, 12 ff. I R B K V ( 1 9 9 3 ) 7 3 5 f. s.v. L i t u r g i s c h e G e r ä t e (v. E l b e r n ) .

Liv. 29,14, 23: eae [...] omni obviam effiisa civitate, turibulis ante ianuas positis, qua praeferebatur, atque accenso ture [...] in aedem, Victoriae [...] pertuere deam. Val. Max. 3 , 3 , 1 : vetusto Macedoniae more regi Alexandro nobilissimi pueri praesto erant sacrificanti. e quibus unus, turibulo arrepto, ante ipsum adstitit, in cuius bracchium carbo ardens delapsus est. quo etsi ita urebatur, ut adusti corporis eius odor ad circumstantium nares perveniret, tarnen [...] bracchium immobile tenuit ne sacrificium Alexandri concusso turibulo impediret aut edito gemitu religione aspergeret.

9.5 Musikinstrumente

64. C o r n u cornu,

-us η.

V:

Horn. Zur musikalischen Untermalung bei kultischen Feiern.

F:

Kreisförmig gebogenes Rohr. Griffstange.

M:

Metall.

D:

Ε 1 I F 6.

SE:

A u c h cornus,

Qu:

S e n . apoco!.

-i m. u n d cornum,

-i η. (seit V a r r ò ) .

12.

T h L L IV, 967. Lit:

DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 ) 1510 ff. s.v. C o r n u ( P o t t i e r ) | R E I V . l ( 1 9 0 1 ) 1 6 0 2 f. s.v. C o r n i c i n e s ( F i e b i n g e r ) | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 2 7 6 | WILLE 1 9 6 7 , 31 ff.

Sen. apocoL 12: et erat omnium formosissimum et impensa cura, plane ut scires deum efferri: tubicinum cornicinum omnis generis aeneatorum tanta turba, tantus contentus, ut etiam Claudius audire posset.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

258

65. Fidia fides, -ium f . pl.91 / fides, -is f . n V:

Lyra, Leier. Zupfinstrument. Nach Einführung des graecus ritus fand die f . auch Eingang in den römischen Kult; dort mit einem eigenem Kollegium vertreten.

F:

Schalen- oder kastenförmiger Schallkörper. Zwei Jocharme. Joch, von dem aus die Saiten zum Schallkörper gespannt sind. M: Holz. SE: Kithara. Trotz der richtigen Form fides hat sich im allgemeinen wissenschaftlichen Sprachgebrauch fidia eingebürgert. D: J 2. Qu: Cie. Tusc. 4, 2, 5 | Hör. carm. 1, 36, 1 | Plaut. Epid. 500-503. In: CIL VI. 12192. Lit: DAREMBERG-SAGLIO III.2 ( 1 9 0 4 ) 1 4 3 7 ff. s.v. Lyra (Reinach) | Riemann Musik Lexikon ( 1 9 6 7 ) 5 1 2 s.v. Leier | WILLE 1 9 6 7 , 2 9 ff. Cie. Tusc. 4 , 2 , 5: nec vero illud non eruditorum temporum argumentum est, quod et deorum pulvinaribus et epulis magistratuum fides praecinunt, quod proprium eius fuit, de qua loquor, diseiplinae. Hör. carm. 1, 3 6 , 1 - 2 : et ture et fidibus iuat / placare et vitali sanguine delito. Plaut. Epid. 500-503: fídicina: conducta veni ut fidibus cantarem seni, / dum rem divinam faceret. Periphanes: fateor me omnium / hominum esse Athenis Atticis minimi preti./ sed tu novistin fidicinam Acropolistidem?

66. Tibia tibia, -ae f . V:

Flöte / Pfeife. Rohrblasinstrument. Ursprünglich Beinpfeife. Eigenes Kollegium. Ältestes und im römischen Kult am längsten verwendetes Musikinstrument. Bei Opferhandlungen, Totenmusik und im Götterkult.

F:

Einzelinstrument oder als Doppelflöte. Gattung: doppelzüngiges Rohrblattinstrument. Nach dem modernen Begriff eher mit der Oboe zu vergleichen, daher eigentlich keine Flöte.

97

OLD 698 s.v. fides.

98

T h L L V I 1691 ff.

9.5 Musikinstrumente

259

M:

Bein.

SE:

Seit Celsus bzw. Plautus. Später lateinischer Name für das von den Etruskem

D:

A 9 I A 12 I A 21 I A 22 I F 6 11 11 I J 1 I J 2 I Κ 7 I Κ 10 I O 8 I Dd 3 I Gg 2 I

(subulo) und den Griechen (άύλος) her bekannte Rohrblasinstrument. Gg 18 I Gg 24. Qu:

Cie. agr. 34, 93; dom. 47, 123; 48, 125 | Ov.fast.

6, 6 5 7 - 6 6 0 | Plin. nat. 22, 6,

11; 28, 11. In:

CIL VI.l 3696. 3877. 3877a. OLD 1940 s.v. tibia.

Lit:

DAREMBERG-SAGLIO V (1919) 300 ff. s.v. Tibia (Reinach) | RE VI A 1 (1936) 808 ff. s.v. Tibia (Vetter) | WALDE-HOFFMANN 1938, 680 | Riemann Musik Lexikon (1967) 956 s.v. Tibia | WILLE 1967, 27 ff. | K1P 5 (1979) 818 f. s.v. Tibia (Klein) | ERNOUT-MEILLET 1985, 691.

Cie. agr. 34,93: erant hostiae maiores in foro constitutae, quae ab his praetoribus de tribunali sicut a nobis consulibus de consilii sententia probatae ad praeconem et ad tibicem immolabantur. Cie. dom. 47,124: foculo posito adhibitoque tibíeme.' Ov.fast 6,657-660: temporibus veterum tibicinis usus avorum / magnus et in magno semper honore fuit. / cantabat fanis, cantabat tibia ludis, / cantabat maestis tibia füneribus. Plin. itaL 22,11: invenio apud auetores eundem praeter hunc honorem adstantibus Mario et Catulo cos. praetextatum immolasse ad tibicinem foculo posito. Plin. not 28, 11: praeterea alis sunt verba inpetrtis, alia depulsoriis, alia commendationis, videmusque certis precationibus obsecrasse summas magistratus et, ne quod verborum praetereatur aut praeposterum dicatur, de scripto praeire aliquem rursusque alium custodem dari, qui adtendat, alium vero praeponi, qui favere linguis iubeat, tibicinem canere, ne quid aliud exaudiatur [...].

67. Tuba tuba, -ae f . V:

Tuba oder tiefklingende Trompete. Hauptsächlich Signalinstrument beim Militär. Bei sakraler Musik gespielt. Verwendung von Opfertrompeten auf Numa zurückgeführt. Von Etruskern übernommen.

F:

Gerades, langgestrecktes Metallrohr, ca. 1,2 m lang. Konisch zur Schalltrichteröffnung zulaufend. Mundstück aus Knochen oder Horn. Ton: tief, dröhnend.

M:

Metall. Früher Horn, Holz.

260

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

D: SE:

D 1 I F 6 1114. Sakrale Wortform: tubus, -i., im Vergleich zu tuba, -ae. tuba (seit Ennius und Plautus). Der griechischen σάλπινξ entsprechend. Qu: Calp. ecl. 1, 65, 67-68 | Fest. 352 M. 480 L. | Varrò ling. 5, 117; 6, 3,14. In: CIL VI. 1 3696. 3877. 3877a. OLD 1983 s.v. tuba. Lit:

R E V I I A 1 ( 1 9 3 9 ) 7 4 9 ff. s.v. T u b a ( L a m m e r t ) | R E V I I A 1 ( 1 9 3 9 ) 7 5 4 f. s.v.

Tubicen (Lammert) | K1P 5 (1979) 991 s.v. Tuba (Neumann) | Riemann Musik Lexikon

(1967)

1 0 0 0 s.v. T u b a | WALDE-HOFFMANN

1938, 712

| ER-

NOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 7 0 5 .

Calp. ecl 1, 65, 67-68: altera regna numae, qui primus [ . . . ] / pacis opus docuit iussitque silentibus armis / inter sacra tubas, non inter bella, sonare. Fest. 352 M. 480 L.: tubilustria, quibus diebus adscribtum in Fastis est, in atrio Sutorio agna tubae lustrantur, quos tubos appelant. Varrò ling. 5,117: tubae ab tubis, quos etiam nunc ita appellant tubicines sacrorum. Varrò ling. 6, 3, 14: dies tubulustrium appellato, quod eo die in atrio sutorio sacrorum tubae lustrantur.

9.6 Sonstige 68. Aspergillum V:

Wedel. Wasserbesprengungen bei der Konsekration oder Lustration. Gerät der Pontífices. Vestalinnen besprengten täglich den Tempel mit Hilfe des a. mit Weihwasser. Ebenfalls Priesteramtsattribut?

F:

Ehemals aus Oliven- und Lorbeerzweigen bestehend. Später Schaft in Rinderhufform mit Pferdeschweif. Auch schlichte Ausführung möglich. Trotz fehlender literarischer Quellen ist seine Form durch Originale", Münzbilder und

99

Zwei mir bekannte Bronzegriffe, die als Schaft für den Weihwedel gelten könnten, allerdings wohl aus orientalischem Kultzusammenhang stammende, befinden sich in Neapel, Mus. Naz., Inv. 74002 (wahrscheinlich aus dem Isis-Tempel in Pompeji; vgl. SCHAEWEN 1940, 45 Anm. 280 Taf. 8, 1) und in Carnuntum, Inv. Β 922 (aus demNemeseum; SCHAEWEN 1940, 45 Anm. 283 Taf. 8, 2).

9.6 Sonstige

261

Reliefs bekannt. Die Vielfalt der Darstellungen beweist die Notwendigkeit des a. als Kult- und Opferrequisite. M: D:

Holzschaft? Erhaltene Originale aus Bronze. A12|B1|B16|*D1|D2|D3|(D4)|D7|D8|D10|E6|F1|F2|G 4 I *G 6 I H 4 I H 7 119 11 19 1129 1130 1134 11 38 I J 3 I Κ 3 I Κ 5 I Aa 2 I Bb 2 I Ce 1 I Dd 2 I Ee 2 I Gg 4 I Gg 9 I Gg 10.

SE:

Begriff 'aspergillum'

ist mittelalterlichen Ursprungs und daher im klassischen

Latein nicht bezeugt. Von Qu:

aspersiol

Es fehlen literarische Quellen und Beschreibungen dieses Geräts. Wenn auf Quellen verwiesen wird, bezieht sich diese auf Tätigkeiten artverwandter Wedel. Cie. leg. 2, 4 4 | Οv. fast. 4, 655-656; 4, 727-728; 4, 787-790; 5, 6 7 7 - 6 7 9 | Tac. hist. 4, 53 | Tert. Bapt. 5 | Verg. Aen. 2, 719-720; 4, 635 | Serv. Aen. 6, 230.

Lit:

PREUNER 1 8 6 4 , 3 0 6 | MARQUARDT 1 8 8 5 , 2 4 8 A n m . 7. 3 5 1 f f . | HABEL 1 8 8 8 , 6 6 f f . I HABEL 1 8 9 2 , 3 5 1 f f . | G U H L - K O N E R 1 8 9 3 , 7 9 6 | R E II.L ( 1 8 9 6 ) 1 7 2 5

f. s.v. Aspergillum (Habel) | DAREMBERG-SAGLIO III.2 (1904) 1408 s.v. Lustratio (Bouché-Leclerq) | EITREM 1915, 87 | SCHAEWEN 1940, 45 f. | RAC II (1954) 187 ff. s.v. Besprengung (Koep) | A. Blaise, Lexicon Latinitatis Medii Aevi (1975) 74 s.v. aspergillum | FLESS 1995, 29 f. Ov. fast. 4, 655-656: bis caput intonsum fontana spargitur unda, / bis sua faginea tempora fronde premit. Oy. fast 4, 727-728: certe ego translui positas ter in ordine flammas, / udaque roratas laurea misit aquas. Ον. fast 4,787-790: an, quia cunctarum contraria semina rerum / sunt duo discordes, ignis et unda, dei, / iunxerunt elementa patres aptumque putanint / ignibus et sparsa tangere corpus aqua? Oy. fast 5,677-679: uda fit hinc laurus: lauro sparguntur ab uda / omnia, quae dominos sunt habitura novos / spargit et ipse suos lauro rorante capillos [...]. Tac. hist 4, 53: dein virgines Vestales cum pueris puellisque patrimis matrimisque aqua e fontibus amnibusque hausta perluere. Tert bapt 5: ceterum villas, domos, templa totasque urbes aspergine circumlata aquae expiant passim. Verg. Aen. 2, 718-720: me, bello e tanto digressum et caede recenti, / attrectare nefas, donee me flumine vivo / abluero. Verg. Aen. 4, 635: die corpus properet fluviali spargere lympha.

262

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

69. Mantele mantele, -is η. V:

Handtuch. Zum Trocknen der Hände bei rituellen Handwaschungen während der Opferhandlung. Meist auf linkem Arm von dem jugendlichen Opferdiener getragen. — Saturnaliengeschenk (Mart. 5, 18, 1). Christliches Altartuch (dann mappa genannt). mappa·. Profane Verwendung: Tischtuch.'00

F: M: D: SE:

Zottiges Fransentuch. Mit clavus. Wolle (?), Leinen. Gefilzt.101 G 4 | E 6 | F 1 | Η 8 11 2a-d 11 7 11 15 | O 3 | Aa 3 | Gg 6 | Gg 20 | Gg 21. mantelum (seit Lucil. 1206); Paul. Fest. 133 M. 118 L.; 134 M. 119L.); Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 14), jüngere Form ist mantelium, -i n. (seit Varrò): Handtuch, Serviette, mantele (seit Ovid) ist Rückbildung aus mantelium. Daneben mantela, mantelium, mantelium, mantile. mappa}"1: Leinentuch zum Abwischen der Hände oder des Mundes. Ältere Form von mantele. Demin.: mappula (seit 6. Jh.). Entlehnt aus Griech. μάππα, μ α π π ί ο ν . Vgl. auch malluvium latam.

Qu:

Oy. fast. 4, 933-934 | Varrò ling. 6, 85 | Verg. Aen. 1, 702; georg. 4, 376-379 I Serv. Aen. 1,701; 12, 169. ThLL VIII, 332 f. (mantele). 370 f. (mappa) ] OLD 1075 s.v. mantele; 1078 s.v. mappa.

Lit:

HENZEN 1 8 7 4 , 13. 16 | MARQUARDT 1 8 8 6 , 3 1 2 f. m i t A n m . 3 f f . | DAREMBERG-SAGLIO III.2 ( 1 8 9 6 ) 1 5 7 9 s.v. M a n t e l e ( L a f a y e ) | R E III.2 ( 1 8 9 7 ) 2 2 2 3

f. s.v. Χειρόμακτρον (Mau) | G. Wilpert, Le Arti (1899) 1 ff. insb. 18 ff. | SPAULDING 1 9 1 1 , 2 7 f. | R E X I V . l ( 1 9 2 8 ) 1 2 5 4 s.v. M a n t e l e ( S c h u p p e ) | R E XTV.2 ( 1 9 3 0 ) 1 4 1 3 ff. s.v. M a p p a ( S c h u p p e ) | ROHDE 1 9 3 6 , 5 3 | SOLER VILABELLA 1937, 7 3 ff. | WALDE-HOFFMANN 1938, 3 2 s.v. m a n t e l u m . 3 6 s.v. m a p p a I SCHAEWEN 1940, 65 | K1P 3 ( 1 9 7 9 ) 9 4 7 s.v. M a n t e l e ( O p p e r m a n n ) ; 9 8 6

100 Auch Bezeichnung fiir die Startflagge bei Wagenrennen und als Zeichen für die Eröffnung der Circusspiele. — Suet. Nero 22; Sen. de ira 3, 30, 1. 101 όμολίνον: Leinen aus ungeröstetem Flachs, zottiger Stoff. 102 Eher Form für Serviette aus dem Punischen (Quint, inst. 1, 5, 57). — Vgl. Ähnlichkeit der mappa mit mantele bei Petron. 32. 103 Fest. 161 M. 152 L.: „malluvium latum in commentario sacrorum significai manus qui lavet [...]"; Cato agr. 132; Liv. 1, 45, 6; O y. fast. 4, 778; Verg. Aen. 4, 635.

9.6 Sonstige

263

s.v. Mappa (Oppermann) | ERNOUT-MEILLET 1985, 385 s.v. mantele; 386 s.v. mappa | RAC 13 (1986) 579 s.v. Handwaschung (Kötting) | Ch. Β. Rose, AJA 9 4 , 1 9 9 0 , 4 6 3 f f . m i t A n m . 5 9 | FLESS 1 9 9 5 , 17.

Oy. fast

4, 933-934: dixerat a dextra villis mantele solutis / cumque meri patera turis acerra fuit.

Verg. Aen. 701-702: dant manibus famuli lymphas, Cereremque canistris / expediunt, tonsisque ferunt mantella canistris. Serv. Aen. 1,701: constat enim maiores mappas habuisse villosas, quibus etiam in sacris utebantur, sicut in georgicis manibus liquidas dant ordine fontis germanae, tonsisque ferunt mantella villis. Serv Aen. 12,169: ideo magistratus et sacrificaturi togam praetextam habent et manus ablutas detergere lineis mantelibus curant. Varrò ling. 6, 85: mantelium, ubi manus terguntur [...]. Verg. georg. 4, 376-379: Cyrene, manibus líquidos dant ordine fontis / germanae, tonsisque ferunt mantella villis; / pars epulis onerant mensas et plena reponunt / pocula; Panchaeis adlescunt ignibus arae.

70. Napura napurae, -arum f . pl. V:

'Leine' zum Führen der Schweine zum Opferplatz. In alter Zeit benutzt. Von den Pontífices minores hergestellt.

F:

Geflochten.

M:

Hanf. Stroh.

D:

*A 18 1127.

SE:

Möglicherweise etruskische Herkunft. Abgeleitet von *napa: Ginster?104

Qu: Fest. 165 M. 160 L.; 169 M. 168 L. OLD 1155 s.v. napura. Lit:

ROHDE 1 9 3 6 , 5 2 f. | LATTE 1 9 1 4 , 1 1 2 6 | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 1 4 2 | ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 4 2 9 .

Fest. 165 M. 160 L: quin etiam in commentario sacronim usurpatur hoc modo, „pontifex minor ex stramentis napuras nectito", id est funículos facito, quibus sues adnectantur. Fest. 169 M. 168 L: napuras nectito, cum dixit pontifex, funiculi ex stramentis fiunt.

104 Plin. nat. 19, 15 zur Verwendung des Ginsters für die Herstellung u.a. von Seilen.

264

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

9.7 Priestergeräte und Insignien 71. Corona spicea Als Insigne bezeugtes Attribut der Arvalbrüder.105 Heiligstes Abzeichen dieses Priestertums. F: Kranz. M: Ähren. Mit weißen Binden zusammengebunden. D: C 6. Qu: Mansurius Sabinus bei Gell. 7, 7, 8 | Plin. nat. 18, 6. In: Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. IO106) OLD 1804 s.v. spiceus. V:

Lit:

HENZEN 1 8 7 4 , 2 8 | MARQUARDT 1 8 8 5 , 4 4 8 | DAREMBERG-SAGLIO 1.2 ( 1 8 8 7 )

1520 ff. s.v. Corona (Saglio) | RE IV.2 (1901) 1636 ff. s.v. Corona (Haebler); II Β ( 1 8 9 6 ) 1 4 7 0 s.v. A r v a l e s fratres ( W i s s o w a ) | WISSOWA 1902, 4 2 9 | RADKE 1 9 3 6 , 3 5 I FREIER 1 9 6 5 , 9 7 f. | ALFÖLDI 1 9 7 9 , 5 8 0 ff. | GOETTE 1 9 8 4 , 5 7 8 f f I PALADINO 1 9 8 8 , 2 0 . 2 5 . 121. 1 6 0 f.

Act. Arv. a. 218 (CIL VI.l 2104, Z. 10): inde praetextati capite velato vittis spiceis coronati lucum adscenderunt et per Alferium Artianum promagistrum agnam apimam immolaverunt et hostiae libationem inspexerunt. Gell. 7, 7, 8: ex eo tempore collegium mansit fratrum Arvalium numero duodecim, cuius sacerdotii insigne est spicea corona et albae infulae. Plin. nat. 18, 6: Arvarum sacerdotes Romulus in primi instituit seque duodecim fratrem appellavit inter illos Acca Larentia nutrice sua genitos, spicea corona, quae vitta alba colligaretur, sacerdotio ei pro religiosissimo insigni data; quae prima apud Romanos fuit corona, honosque is non nisi vita finitur et exules etiam captosque comitatur.

105 Die Ährenkränze wurden von Arvalbrüdem auch den Göttinnen im Heiligen Hain aufgesetzt; vgl. RE IV.2 (1901) 1636. 106 An dieser Stelle wird die corona allerdings ohne den Zusatz spicea genannt.

9.7 Priestergeräte und Insignien

265

72. Galerus galerus, -im. (auchgalerum, -in.) V:

Priestermütze für Pontífices und Flamines. Sonderform: albogalerusm

für den

Flamen Dialis. Attribut bzw. Insigne der Flamines.108 Auch für Salier und Haruspices bezeugt. F:

Enganliegende Kappe. Teilweise mit apexm

versehen. Ohrenausschnitte.

Kinnbänder (offendices" 0 ) an Absatz gegabelt. In Zwickeln vor den Ohren mit Palmetten verziert. M:

Als Priestermütze: aus Fell bzw. gegerbtem Leder eines Opfertieres. Albogalerus: aus Fell von weißem Opfertier. Ursprünglich wohl aus dem Winterfell des Wiesels (s.u.).

D:

A2|B5|B8|B 15|C2|C4|C5|D2|D5|D7|E5|E6|F1

|F2|F

3 | F 5 ) F 8 | G 4 | G 6 | H 1 | H 4 | H 5 | H 8 | I 2c 11 6d 11 16 11 22 11 26 11 37 11 38 I Dd 2 I Gg 4 | Gg 9 [ Hh 1. SE:

Seit Varrò. Auch galea, galerium. albus galerus. Anderer Ausdruck fur pileusu\

Von galea abgeleitet; ERNOUT-MEILLET 1985, 266 s.v. galea. Von

Griech. γαλή (γαλέη = Wiesel, Marder). Griech. auch πίλος. Auch mitra genannt.112

107 Im heutigen Sprachgebrauch allgemein gebräuchlicher Begriff fiir die weiße Priestermütze. Begriff albogalerus ist allerdings ein nur bei Festus (10 M. 9 L.) bezeugtes Kompositum. Eigentlich albus galerus. 108 Plin. nat. 22,96; Serv. Aen. 1, 305: apices, quod insigneßaminum fuit'. In diesem Zusammenhang darf man apex als pars pro toto für galerus ansehen. Vgl. auch VANGGAARD 1988,42. 109 Aug. civ. 2, 15; Fest. 18 M. 17 L.; Paul. Fest. 329 M. 439 L.; Front. 4, 4 ; Gell. 10, 15, 32; Isid. orig. 19, 30, 5; Paneg. Pacat. 12 (2), 37, 4; Plut. Marc. 5; Serv. Aen. 2, 683; 10, 270; 12, 429a. — MARQUARDT 1885, 330; RE 1.2 (1894) 2699 f. s.v. Apex (Habel); SAMTER 1901, 38; SAMTER 1 9 0 9 , 2 4 8 7 ; SCHAEWEN 1 9 4 0 , 5 9 f.; LATTE 1 9 6 0 , 1 5 7 A n m . 3 ; IULLIAN 1 8 9 6 , 1 1 6 7 ff.; FREIER 1 9 6 5 , 4 2 f f . ; BONFANTE-WARREN 1 9 7 3 , 5 8 4 f f . ; DICK 1 9 7 3 , 9 9 . 113 f.; BONFANTE 1 9 7 5 , 126. 1 3 4 ; SCHÄFER-GANZERT 1 9 8 0 , 3 5 1 ; VANGGAARD 1 9 8 8 , 4 1 .

110 Riemen, mit denen der galerus befestigt wurde (Fest. 205 M. 202 L.), ohne daß ein Knoten geschlungen werden mußte. ROHDE 1936, 160. 111 Dion. Hal. ant. 2, 64. 2, 70; Fest. 355 M. 484 L.; Isid. orig. 19, 21, 3; 19, 30, 5; Plut. Num. 7; S e r v . Aen. 2, 6 8 3 ; 8, 6 6 4 . — SAMTER 1 8 9 4 , 5 3 5 ff.; SAMTER 1901, 3 3 ff.; DAREMBERG-SAGLIO

IV.l (1907)479 ff. s.v. Pileus (Paris); SAMTER 1909, 2487; KÖRTE 1917, 22 ff.; ROHDE 1936, 156; WALDE-HOFFMANN 1938, 303; RE XX.2 (1950) 1328 ff. s.v. Pilleus (Kreis-v. Schaewen); RE XX.2 (1950) 1330 ff. s.v. Πίλος (Kreis-v. Schaewen); LATTE 1960, 157 Anm. 3; FREIER 1 9 6 5 , 4 0 f f . DICK 1 9 7 3 , 9 6 f f . ; VANGGAARD 1 9 8 8 , 4 0 f f .

112 Isid. orig. 19, 30, 5.

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

266

Qu:

Galerus: Apul. apol. 22 | Front. 4, 4 | Gell. 10, 15, 32 | Isid. orig. 19, 30, 5 | Serv. Aen. 7, 688. Albogalerus: Fest. 10 M. 9 L. | Gell. 10, 15, 31 | Varrò div. 2, 51. OLD 753 s.v. galerus.

Lit:

MARQUARDT 1 8 8 5 , 3 3 0 | HELBIG 1 8 8 7 | WISSOWA 1 9 0 2 , 4 2 8 A n m . 8 | SAMTER 1 9 0 9 , 2 4 8 7 | R E V I I . l ( 1 9 1 0 ) 6 0 1 s.v. Galerus (Samter) | ESDAILLE 1 9 1 1 I KÖRTE 1 9 1 7 , 2 6 | RADKE 1 9 3 6 , 2 4 . 3 5 f. | WALDE-HOFFMANN 1 9 3 8 , 5 7 9 s.v. g a l e a | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 6 0 f. | LATTE 1 9 6 0 , 157 A n m . 3 | IULLIAN 1 8 9 6 ,

1167fr. I

FREIER 1 9 6 5 , 3 9

ff.

| DICK 1 9 7 3 , 9 6

ff.

| PFIFFIG 1 9 7 5 , 4 9 | SCHÄ-

FER-GANZERT 1 9 8 0 , 3 5 1 ff. | FISHWICK 1 9 9 1 , 4 7 5 | L A W 1 ( 1 9 9 4 ) 1 0 2 s.v.

Albogalerus (Le Bonniec); 1018 s.v. Galerus (Le Bonniec).

galerus Apul. apoL 22: verum hoc Diogeni et Antistheni pera et baculum, quod regibus diadema, quod imperatoribus paludamentum, quod pontificibus galerum, quod lituus auguribus. Front. 4 , 4 : deinde in porta quom exiimus, ibi scriptum erat bifariam sie: 'flamen sume samentum'. rogavi aliquem popularibus quid illud verbum esset? ait lingua Hernica pelliculam de hostia, quam in apicem suum flamen, quom in urbem introeat imponit. Gell. 1 0 , 1 5 , 3 2 : siehe s. v. albogalerus Isid. orig. 1 9 , 3 0 , 5 : galerium pilleum ex pelle caesae hostiae factum. Serv. Aen. 7, 688: fuluosque lupi de pelle gáleos, galerus genus est pillei, quod Fronto genere neutro dicit 'hoc galerum'.

albogalerus Fest. 10 M. 9 L : albogalerus a galea nominates, est enim pilleum capitis, quo Diales flamines, id est sacerdotes Iovis utebantur. fiebat enim ex hostia alba Iovi caesa, cui adfigebatur apex virgula oleagina. Gell. 1 0 , 1 5 , 3 2 : verba M. Varronis ex secundo rerum divinarum super flamine Diali haec sunt: „is solum album habet galerum, vel quod maximus, vel quod Iovi immolata hostia alba id fieri oporteat". Varrò div. 2, 51: is solum album habet galerum, vel quod maximus, vel quod Iovi immolata hostia alba id fieri oporteat.

9.7 Priestergeräte und Insignien

267

73. Commoetaculum commoetaculum, -i n. V:

Stock, den der Flamen beim Opferzug in der Hand trägt, um die Menschen von sich fernzuhalten. Stab der sakralen Lictoren; kann auch von den Calatores flaminum, den ständigen Begleitern der Gehilfen der großen Priesterkollegien, verwendet werden. Durch Rufen wehrten sie die Berührung des Flamen mit als unrein geltenden Personen ab. Das Amtszeichen dieser Calatores war ein kurzer, einfacher Stab. — Ursprünglich 'Meßinstrument'.

F: Stab. Rute. M: Holz. D: 12c. SE: commetaculum. virga. Qu: Paul. Fest. 56 M. 49 L.; 64 M. 56 L. OLD s.v. commoetaculum. Lit: MARQUARDT 1885, 3 3 0 | R E IV.l (1901) 7 6 9 s.v. Commetaculum (Wissowa) I R E XIII.l ( 1 9 2 6 ) 8 0 5 s.v. Lituus (Latte) | WALDE-HOFFMANN 1938, 137 s.v. muto I SCOTT RYBERG 1 9 5 5 , 2 4 Anm. 2 7 . 4 4 . 4 6 Anm. 3 9 | HANELL 1960, 52 I LATTE 1 9 6 0 , 1 5 7 A n m . 3 . 4 0 9 A n m . 1 | GLADIGOW 1 9 7 2 , 2 9 8 | DICK 1 9 7 3 , 1 1 8 I ERNOUT-MEILLET 1 9 8 5 , 4 2 6 | SCHÄFER 1 9 8 9 , 2 3 2 .

Paul. Fest. 56 M. 49 L: commetaculum genus virgulae, quae in sacrificiis utebantur. Paul. Fest. 64 M . 56 L : commoetacula virgae, quas flamines portant pergentes ad sacrificium, ut a se homines amoveant.

74. Lituus lituus, -i m. V:

Ursprünglich Zeichen113 des höchsten Gottes. Insigne und Gerät der Auguren zur Abgrenzung des Templum. In früher Zeit eine Art 'Zauberstab'. Auch Wahrzeichen des Princeps, besonders seit Augustus und seinen Nachfolgern.

113 Etrusker haben den lituus nicht aus dem Griechischen, sondern aus dem Osten (hethitische Kultur) übernommen; THULIN 1968,113 f. Anm. 3; LATTE I960, 157 Anm. 3 und ders., RE XIII.l (1926) 805 f. dagegen unterstützt die italische Herkunft.

268

F: M:

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

/. wird aber später in seiner Bedeutung wieder zur Priesterinsigne." 4 Bei der Stadtgründung verwendet. Auch Zeichen der etruskischen Haruspices. Profan: ebenso Bezeichnung ftir das gekrümmte militärische Signalhorn115, wobei das Horn nach dem Stab benannt ist und nicht umgekehrt. Gekrümmter, am Ende eingebogener Stab. Zunächst nur einfach, später spiralförmig gebogen. Holz (?). Bronze.

D:

A12|B1|B2|B5|B6|B7|B8|B9|B12|B13|B14[B16|C1|C 3 | D 3 | D 5 | D 7 | E 4 | E 6 | F 1 | *G 6 | H 5 11 1 11 2a 11 7 11 8 11 10 11 12 | 1 16 11 17 11 22 1129 11 30 11 32 11 34 11 37 11 38 I J 3 I Κ 3 I Κ 5 I Κ 18 I L 1 I Ce 1 I Ee 3 I R 1.

SE:

V o n litus: K r ü m m u n g .

Qu: Apul. apol. 22 | Hygin. ap. Gell. 5, 8, 2 (= Macr. Sat. 6, 8, 1) | Liv. 1, 18, 7 | Serv. Aen. 7, 187-190. OLD 1037 s.v. lituus. Lit:

WISSOWA 1902,430. 452 | DAREMBERG-SAGLIO III.2 (1904) 1277 ff. s.v. Li-

tuus (Thédenat) | KÖRTE 1917,20 f. | RE XIII.l (1926) 805 f. s.v. Lituus (Latte) I LEIFER 1 9 3 1 , 1 8 3 . 1 8 4 A n m . 2. 231 A n m . 4 | ALFÖLDI 1935, 2 4 f. | WAL-

DE-HOFFMANN 1938, 815 f. | SCHAEWEN 1 9 4 0 , 6 6 ff. | LATTE 1 9 6 0 , 1 5 7 A n m .

3 I DICK 1973, 4 ff. | PFIFFIG 1975, 48. 99 | K1P 3 (1979) 686 s.v. Lituus (Eisenhut) I ERNOUT-MEILLET 1985, 364. Apul. apoL 22: verum tarnen hoc Diogeni Antistheni pera et baculum, quod regibus diadema, quod imperatoribus, quod pontifieibus galerum, quod lituus auguribus. Hygin. ap. Gell. 5 , 8 , 2 (= Macr. Sat. 6, 8, 1): cum lituus sit virga brevis in parte qua robustior est incurva, qua augures utuntur. Liv. 1 , 1 8 , 7: augur ad laevam eius capite velato sedem cepit dextra manu baculum sine nodo aduneum tenens, quem lituum appellarunt. Serv. Aen. 7, 187-190: vel lituus est regium baculum, in quo potestas esset divimendarum litium. [...] lituum [...] quod est augurum proprium, quirinali lituo: lituus ineurvum augurum baculum, quo utebantur ad signanda caeli spatia, nam manu non licebat.

1 1 4 V g l . ALFÖLDI 1 9 3 5 , 2 4 f.

115 WILLE 1967,90 ff.

9.8 Zeremonialschmuck

269

9.8 Zeremonialschmuck 75. Dorsualis dorsualis,

V:

-is,f.

[adj. Abi. zu dorsum]

Tuch, das den Opfertieren (Rind, Schwein)" 6 zum Schmuck auf den Rücken gelegt wurde.

F:

Breites, buntgerändertes Tuch bzw. breiteres Band. Mit Fransen. Zum Teil mit ornamentaler Verzierung. Hängt zu beiden Seiten des Körpers herab.

M: D:

Seide. A8|A17|A22|Dl|El|E2|E3|*E5a|E6|F6|F7|F8|I3|I4|I 11 | I 14 1127 I J 1 | 0 1.

SE:

Spätlatein. Wort bekannt durch Historia Augusta, wurde durch ihn namengebend für diese Art kultischen Schmucks. Begriff ist ein άπαξ λ ε γ ό μ ε ν ο ν . " 7 Benannt nach der Stelle (dorsum, -/' η.: Rücken der Tiere; aber auch der Menschen), die es bedeckt;

Qu:

ERNOUT-MEILLET

1985, 184 s.v. dorsum.

S. H. A. Gall. 8, 2 | Apul. met. 11, 20; 11, 266, 32.

ThLL V 1 2036 | OLD 573 s.v. dorsualis. Lit:

D A R E M B E R G - S A G L I O II I ( 1 8 9 6 ) 3 8 7 1112

s.v. Dorsuale (Mowat) | R E IX.l

f. s.v. Immolatio (Latte) | W A L D E - H O F F M A N N

1938, 372

(1914)

s.v. dorsum |

MERTEN 1 9 6 8 , 6 7 ff.

Apul. meL 11, 20: et ecce superveniunt Hypatria quos ibi reliqueram fámulos, cum me Fotidis malis incapistrasset erroribus, cognitis scilicet fabulis meis, nec non et equum quoque ilium meum reducentes, quem diverse distractum notae dorsualis agnitione recuperaverant. Apul. met 11, 266,32: equus, quem diverse distractum, notae dorsualis agnitione recuperaverant. S. Η. Α. GalL 8, 2: praecesserunt etiam altrinsecus centeni albi boves comuis auro iugatis et dorsualibus sericis discoloribus praefulgentes.

116 Das Tuch ist bei Schafen nie vorhanden, da ihr Fell Schmuck genug war. 117

MERTEN

gleich.

1968 bringt die dorsualis mit vitta und ínfula in Verbindung und setzt sie miteinander

9 Die Systematik der Opfer-, Kult- und Priestergeräte

270

76. Frontalium / Lamina frontalis,

-ium n. pl. / lamina, -ae f .

V:

Stimblatt, -platte, die / das den Opferstieren zwischen die Hörner gesetzt wurde.

F: M: D: SE:

Dreieckig. Halbmond- oder peltaförmig. Ornamental verziert. Metall (?). Gold.118 A 12 I D 1 I E 2 I E 6 I F 8 11 6c I Κ 9 I Κ 10 I Κ 16 I Ο 1 I O 8. Allgemeine auf diesen Schmuck angewandte Bezeichnung ist unbekannt, daher nur sprachliche Hilfskonstruktion möglich. Zur antiken lateinischen Benennung kommen m.E. zwei Ausdrücke in Frage: 1. frontalium: aus der Reiterei übernommenes Stirnblatt, das sowohl zum Schmuck als auch zum Schutz der Pferde diente. Begriff kann zumindest inhaltlich auch für Opferschmuck übernommen werden, frontale (seit Livius): Stirnband. Griech. προμετωπέδιον. 2. lamina: Platte. Im kultischen Bedeutungszusammenhang ist dieser Begriff nur bei Serv. Aen. 5, 366 erwähnt.

Qu:

S. H. A. Gall. 8, 12 | Ov. met. 15, 130-133 | Verg. Aen. 5, 366-367 | Serv. Aen. 5, 366.

In:

Lit:

Act. Arv. a. 224 (CIL VI.l 2107, Z. 7 f.). ThLL V U 1365 s.v. frontalis; VII,2,2 905 ff. s.v. lamina | OLD 7 3 8 s.v. frontalia; 998 s.v. lamina. DAREMBERG-SAGLIO II.2 ( 1 8 9 6 ) 1342 ff. s.v. Frontale (Lafaye) | WALDEHOFFMANN 1938, 755 s.v. lamina | MERTEN 1968, 70 f. | K1P 3 ( 1 9 7 9 ) s.v. Lamina, lamna (Gross)119.

Act. Arv. a. 224 (CIL VI.l 2107, Z. 7 f.): item ante aed(em) d(eae) D(iae) b(oves) f(eminas) a(uro) iunc(tas) n(umero) II, item ad ar(as) tempor(ales) dis inf(ra) s(ub) s(criptis) [...]. S. H. A. Gall. 8, 2: praecesserant etiam altrinsecus centeni albi boves cornuis auro iugatis et dorsualibus sericis discoloribus praefulgentes.

118 Daneben Vergoldung der Hömer von Rindern bei besonders feierlichen Opfenzeremonien. — Plin. nat. 33, 39; Ov. met. 7, 161; Verg. georg. 1, 219; Aen. 5, 366; 9, 624; Liv. 25, 12, 13 (Ziegen). 119 Lamina hier allerdings in völlig anderem Bedeutungszusammenhang verwendet.

9.8 Zeremonialschmuck

271

Ον. met 15,130-133: victima labe carens et praestantissima forma / (nam placuisse nocet) vittis insignis et auro / sistitur ante aras auditque ignara precantem / imponique suae videt inter comua fronti, [•••]· Verg. Aen. 5,366-367: victori velatum auro vittisque iuvencum, / essem atque insignem galeam solatia vieto. Serv. Aen. 5, 366: velatum id est coronatimi. Auro autem, quia soient habere laminas quasdam, ut