Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik: Eine Werkbiographie 3658401745, 9783658401740, 9783658401757

Ludger Kühnhardt, weltweit tätiger Politikwissenschaftler, Berater und Publizist, gibt lebhafte und persönliche Einblick

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Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik: Eine Werkbiographie
 3658401745, 9783658401740, 9783658401757

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Abbildungsverzeichnis
1 Anläufe
1.1 Themenkreise und Instrumente
1.2 Herkunft und Prägung
1.3 Wege und Nichtwege
1.4 Zwischenbilanz in Zahlen
Literatur
2 Katholisch
2.1 Kindheit und Schulzeit
2.2 Die Verherrlichung Gottes. Weltbild eines Arztes (Heim 1968): Patenonkel Erwin Bernhard Heim
2.3 Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven (Kühnhardt 1977a, b, c): Die erste Buchveröffentlichung
2.4 Baugesetze der Gesellschaft (Nell-Breuning 1990): Vertrauensvorschuss durch Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning
2.5 Beobachter und Gestalter (Olzog 1989): Der verlegerische Mentor Günter Olzog
2.6 Die neue Zuversicht (Herrmann 1986): Der journalistische Erzieher Ludolf Herrmann
2.7 Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik (Kühnhardt 1980a, b, C, d, e); Kinder des Wohlstands (Kühnhardt 1981a,b, c, d); The land of 500.000 villages. Stories from rural India (Kühnhardt 1982a, b): Fingerübungen eines Anfängers
2.8 Katholisch und frei: Der bleibende Geist des Elternhauses
Literatur
3 Weltordnungsfragen
3.1 Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik (Kühnhardt 1984a): Promotion
3.2 Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs (Kühnhardt 1987): Habilitation
3.3 Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“ (Kühnhardt 1992c): Primat des Südens
3.4 Wissenschaft für die Demokratie (Kühnhardt 1987c): Karl Dietrich Bracher und das Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn
Literatur
4 Die deutsche Demokratie
4.1 Wege in die Demokratie (Kühnhardt 1992a) – Beyond divisions and after (Kühnhardt 1996)
4.2 Momentaufnahmen und Denkwege eines europäischen Staatsmannes (Kühnhardt 2020): Mitarbeiter von Bundespräsident Richard von Weizsäcker
4.3 Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung (Kühnhardt 1994a): Kontraste in Jena und Freiburg
4.4 Zustand und Zukunft des Gemeinsinns (Kühnhardt 1994c): Kulturkämpfe in Freiburg
4.5 Rhythmen der Politik (Kühnhardt 1996c): Erfahrungen zum Verhältnis von Politik und Wissenschaft
Literatur
5 Revolutionszeiten in Europa
5.1 Zwölf Nachbarn, ein Europa (Kühnhardt und Schwarz 1991) – Von Deutschland nach Europa (Kühnhardt 2000a)
5.2 Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a): Der Vertrag von Maastricht und seine Einordnung
5.3 Revolutionszeiten (Kühnhardt 1994a) – Mitten im Umbruch (Kühnhardt 1995a)
5.4 Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) – Der Osten des Westens und die „russische Frage“ (Kühnhardt 1994d, 2022b)
5.5 Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), Weltpartner Europäische Union (Kühnhardt und Pöttering 1994), Kontinent Europa (Kühnhardt und Pöttering 1998): Hans-Gert Pöttering und das Haus der Europäischen Geschichte
5.6 Erweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005a) – Die europäische Verfassung (Höreth, Janowski und Kühnhardt et al. 2005)
Literatur
6 Die Atlantische Zivilisation
6.1 Der ewige Spiegel (Kühnhardt 1998a) – Atlantik-Brücke (Kühnhardt 2002a)
6.2 Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) – The Crisis in Transatlantic Relations (Wells und Kühnhardt 2005)
6.3 A significant life of two continents: In Memoriam Ron Asmus (Kühnhardt 2011a)
6.4 Coming down from the mountain (Kühnhardt 2011b)
Literatur
7 Region-Building
7.1 Region-Building: The Global Proliferation of Regional Integration (Kühnhardt 2010a; 2010b)
7.2 Transkontinentale Wissenschaftskooperation: West Africa Institute (WAI)
7.3 Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners (Kühnhardt 2014): Impulse für den G20 „Compact With Africa“
7.4 Maturing beyond Cotonou (Kühnhardt 2016) – The European Archipelago (Kühnhardt 2019)
Literatur
8 Globalität
8.1 Haltung und Idee der Weltfähigkeit: Der Diplomat Dieter Chenaux-Repond
8.2 Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) – The Bonn Handbook of Globality (Kühnhardt und Mayer 2019)
8.3 The Global Society and its Enemies: Liberal Order Beyond the Third World War (Kühnhardt 2017b)
8.4 Europa in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts (Kühnhardt 1998a) – Raumbegriff und Grenzbewusstsein (Kühnhardt 2020b)
8.5 Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien (Kühnhardt 2021a, 2022a)
8.6 The post-corona world. A research agenda (Kühnhardt 2021b)
Literatur
9 Europas Neugründung
9.1 Die Wiederentdeckung Europas (Kühnhardt und Rutz 1999) – Europa auf der Suche nach einer neuen geistigen Gestalt (Kühnhardt 1999c)
9.2 European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration (Kühnhardt (2008c) 2010)
9.3 Crises in European Integration (Kühnhardt 2009c) – Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (Kühnhardt 2010a)
9.4 The Reunification of Europe (Kühnhardt 2009g) – Identität und Weltfähigkeit (Kühnhardt 2020c)
9.5 Governance and Regulation (Koenig und Kühnhardt 2017) – Transdisciplinary Research and Education: Das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020)
9.6 Das politische Denken der Europäischen Union (Kühnhardt 2022f) – Europas Sicherheit, die Zukunft der Ukraine und die „russische Frage“ (Kühnhardt 2022g)
Literatur
10 Aufbrüche
10.1 Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend (Kühnhardt 1999) – Die Ambivalenz des Fortschritts. Freiheit unter globalen Bedingungen weiterdenken (Kühnhardt 2024a, b, c)
10.2 Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023) (Kühnhardt 2023a)
10.3 Opening doors (ZEI 2018)
10.4 Erinnerung als Fundament (Kühnhardt 2009)
10.5 Zwischen den Zeiten (Kühnhardt 2024c)
Literatur
Anhang
Namensverzeichnis

Citation preview

Ludger Kühnhardt

Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik Eine Werkbiographie

Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik

Ludger Kühnhardt

Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik Eine Werkbiographie

Ludger Kühnhardt Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI), Universität Bonn Bonn, Deutschland

ISBN 978-3-658-40174-0 ISBN 978-3-658-40175-7  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Jan Treibel Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Ein anständiger Mensch bleibt immer ein Anfänger nach Martial, Epigramme XII/51

Vorwort

Zurückdenken bedeutet nach-denken. Jahrzehnte zu ordnen ermöglicht es, einzuordnen. So setzen sich die Themen, mit denen ich mich auseinandergesetzt habe, wie Fragmente zu einem Gesamtbild zusammen. Aus der Vielfalt von Tätigkeiten werden längere Spuren. Was vergangen ist, bleibt, wo immer wir es erzählen. So möchte dieser Werkbericht verstanden wissen. Ich möchte weitertragen, was mich getragen hat. Am wichtigsten war mir die Weite dessen, was mich erfüllte. In diesem Sinne habe ich immer wieder neu versucht, Impulse zu geben. Mir waren jederzeit Themen wichtig und nicht Funktionen. Ich wusste frühzeitig, dass ich Anstöße geben wollte. Ich wollte die Dinge weiterdenken, die mich bewegten. Ich wollte dazu inspirieren, hinter Ereignissen Ursachen und Zusammenhänge zu verstehen. Als Impulsgeber wollte ich meinen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten. Ich erlernte das Handwerk des Journalisten und erwarb die Lizenzen des Politikwissenschaftlers. Ich wirkte als Politikberater, ohne so genannt zu werden, und ich trat als Publizist auf, ohne eine spezifische Funktion zu suchen. Mir waren die Themen wichtig und nicht die Formen, in denen ich arbeitete. Ich definierte mein Tun über die Themen, die mich antrieben und umtrieben. So kam es, dass ich mich zwischen den Stühlen am wohlsten fühlte. So wenig wie es mir behagte, in Schubladen des Denkens verortet zu werden, so wenig befriedigte es mich, als Journalist oder als Politikwissenschaftler, als Politikberater oder als Publizist bezeichnet zu werden. Ich war von all diesem ein wenig und stets mehr als die Summe von Funktionen, die noch nichts zu konkreten Inhalten aussagen. So wie ich gerne zwischen den Stühlen saß, begriff ich mehr und mehr, zwischen den Zeiten zu leben. Zwischen dem frühen, spätestens mittleren 20. Jahrhundert und der Corona-Pandemie, die nach 2020 die ganze Welt in ihren Bann nahm, entwickelte sich die Welt zu den verknüpften Welten, die erst jetzt das Schicksal der ganzen Menschheit geworden ist. Danach begann das Ringen um eine neue Weltordnung mit mehr Härte und Unberechenbarkeit als ich bislang jemals erlebt hatte. Die Zeit dieser Reifung zur Welt, mit allen ihren anhaltenden Widersprüchen und Spannungen, war lediglich eine Zwischenzeit der Menschheit gewesen. Ich bin privilegiert gewesen, in dieser Zwischenzeit zu leben und zu erleben, viele Wege gehen zu dürfen und manche Impulse geben zu können. VII

VIII

Vorwort

Ich befand mich die längste Zeit meines bisherigen Lebens zwischen Stühlen und zwischen Zeiten. Dazwischen zu sein bedeutet, mittendrin zu sein und doch daneben zu stehen, beteiligt zu sein und zugleich eher zu beobachten. Damit ist ein wenig ausgesagt über die Methode, der ich gefolgt bin. Das Ziel war für mich immer eindeutig und lässt sich präziser fassen als meine Methode: Ich war neugierig darauf, mit Klarheit und Wahrheit Zusammenhänge öffentlicher Fragen zu erfassen, die Teil meines Lebens waren, die also Teil der Generation sind, in die ich hineingeboren worden bin. Historisch und zugleich normativ zu denken war jederzeit hilfreich, ja zwingend. Nach vorne hin zu projizieren, was kommen könnte, ohne an deterministische Begriffe der Zukunft zu glauben, ergab sich häufig gleichsam wie von selbst. Die Themen, für die ich mich engagierte, waren nicht von mir erfunden. Sie sind und waren Themen meines Lebens. Es sind und waren keine abstrakten Theoriewelten oder Wunschkonzerte. Im Dreieck von Mensch, Politik und Welt, von Humanität, Universalität und Souveränität bewegt sich meine bisherige Forschung. Freiheit und Humanität, Ordnung und Globalität – in diesen Denkzusammenhängen stehen meine wichtigsten Veröffentlichungen und öffentlichen Aktivitäten. Ich beschäftigte mich mit dem, was mich bewegte, weil es auch viele andere bewegte. Ich beteiligte mich daran, mit verschiedenen Zugängen und Fragestellungen die Signatur der Zwischenzeit zu erfassen, die ich durchschritt. Leben wird nach vorne gelebt und erst im Rückblick erklärt. Gerne zitiere ich den spanischen Dichter Antonio Machado: „Die Wege machen beim Wandern sich.“ („al andar se hace camino.“) Dabei halfen mir immer wieder Wegbereiter, solche, die ich bewunderte, und solche, die vermutlich nicht einmal wissen, dass sie mir Wegbereiter waren. Die Wege, die ich gehen konnte, haben mir andere Menschen bereitet. Immer wieder stieß ich im Gespräch und in Büchern auf Ideen und Perspektiven, die mich zur Auseinandersetzung zwangen. Ich hoffe, dass ich mit meinen Arbeiten und den Impulsen, die von ihr ausgehen, auch für andere Menschen Wege bereiten und Anstöße zum Weiterdenken geben konnte und auch weiterhin geben kann. Wer sich auf die Wege des Lebens begibt, sollte Sisyphos als Begleiter wählen: Den Stein immer wieder den Berg hochrollen, nie aufgeben und immer wieder neu beginnen, das war seine Bestimmung. Ich habe mir Sisyphos immer als glücklichen Menschen vorgestellt. Dieser Werkbericht ist ein Zwischenbericht. Ich möchte damit vor allem Dank sagen: Allen, die mir bisher Wege geebnet haben und allen, die dafür Verständnis haben, dass ich die Strecke immer wieder geändert habe. Ich folgte dabei stets einem roten Faden, einem inneren Kompass. Er führte mich immer wieder weiter, wenn es Zeit dafür war. Ohnehin: Die Zeit fließt weiter und die Wege gehen weiter. Glücklich werden wir, wenn wir uns als Teil dieses Flusses annehmen. Dieser Werkbericht soll zusammenfügen, was im letzten, wie fast alles, Fragment bleibt. Gewidmet ist dieser Bericht Dorothee Scheuing (gestorben 2022), Chantal Pirang, Ingrid Maldonado und Lisa-Marie Brackmann, die in den vergangenen drei Jahrzehnten in unterschiedlichen Phasen und unter wechselnden Bedingungen mein Büro geleitet haben.Ohne ihre

Vorwort

IX

geduldige und selbstlose, jederzeit loyale und hilfsbereite Tätigkeit wäre meine Arbeit nicht zu dem Werk geworden, dessen Stärken und Schwächen allein ich zu verantworten habe. 4.Juni 2023

Ludger Kühnhardt

Inhaltsverzeichnis

1 Anläufe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Themenkreise und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Herkunft und Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3 Wege und Nichtwege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.4 Zwischenbilanz in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2 Katholisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.1 Kindheit und Schulzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Die Verherrlichung Gottes. Weltbild eines Arztes (Heim 1968): Patenonkel Erwin Bernhard Heim. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.3 Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven (Kühnhardt 1977a, b, c): Die erste Buchveröffentlichung. . . . . . . . . . . . . . 39 2.4 Baugesetze der Gesellschaft (Nell-Breuning 1990): Vertrauensvorschuss durch Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning. . . . . 47 2.5 Beobachter und Gestalter (Olzog 1989): Der verlegerische Mentor Günter Olzog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2.6 Die neue Zuversicht (Herrmann 1986): Der journalistische Erzieher Ludolf Herrmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.7 Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik (Kühnhardt 1980a, b, C, d, e); Kinder des Wohlstands (Kühnhardt 1981a,b, c, d); The land of 500.000 villages. Stories from rural India (Kühnhardt 1982a, b): Fingerübungen eines Anfängers . . . . . . . . . . . . . . . 72 2.8 Katholisch und frei: Der bleibende Geist des Elternhauses. . . . . . . . . . . . . 96 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3 Weltordnungsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3.1 Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik (Kühnhardt 1984a): Promotion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

XI

XII

Inhaltsverzeichnis

3.2 Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs (Kühnhardt 1987): Habilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3.3 Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“ (Kühnhardt 1992c): Primat des Südens . . . . . . . . . . 162 3.4 Wissenschaft für die Demokratie (Kühnhardt 1987c): Karl Dietrich Bracher und das Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4

Die deutsche Demokratie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.1 Wege in die Demokratie (Kühnhardt 1992a) – Beyond divisions and after (Kühnhardt 1996) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.2 Momentaufnahmen und Denkwege eines europäischen Staatsmannes (Kühnhardt 2020): Mitarbeiter von Bundespräsident Richard von Weizsäcker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4.3 Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung (Kühnhardt 1994a): Kontraste in Jena und Freiburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.4 Zustand und Zukunft des Gemeinsinns (Kühnhardt 1994c): Kulturkämpfe in Freiburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4.5 Rhythmen der Politik (Kühnhardt 1996c): Erfahrungen zum Verhältnis von Politik und Wissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

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Revolutionszeiten in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 5.1 Zwölf Nachbarn, ein Europa (Kühnhardt und Schwarz 1991) – Von Deutschland nach Europa (Kühnhardt 2000a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 5.2 Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a): Der Vertrag von Maastricht und seine Einordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 5.3 Revolutionszeiten (Kühnhardt 1994a) – Mitten im Umbruch (Kühnhardt 1995a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 5.4 Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) – Der Osten des Westens und die „russische Frage“ (Kühnhardt 1994d, 2022b). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 5.5 Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), Weltpartner Europäische Union (Kühnhardt und Pöttering 1994), Kontinent Europa (Kühnhardt und Pöttering 1998): Hans-Gert Pöttering und das Haus der Europäischen Geschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . 433 5.6 Erweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005a) – Die europäische Verfassung (Höreth, Janowski und Kühnhardt et al. 2005). . . . . . . . . . . . . 445 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

Inhaltsverzeichnis

6

XIII

Die Atlantische Zivilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 6.1 Der ewige Spiegel (Kühnhardt 1998a) – Atlantik-Brücke (Kühnhardt 2002a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 6.2 Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) – The Crisis in Transatlantic Relations (Wells und Kühnhardt 2005). . . . . . . . . . 542 6.3 A significant life of two continents: In Memoriam Ron Asmus (Kühnhardt 2011a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 6.4 Coming down from the mountain (Kühnhardt 2011b). . . . . . . . . . . . . . . . . 576 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601

7 Region-Building. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 7.1 Region-Building: The Global Proliferation of Regional Integration (Kühnhardt 2010a; 2010b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 7.2 Transkontinentale Wissenschaftskooperation: West Africa Institute (WAI). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 7.3 Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners (Kühnhardt 2014): Impulse für den G20 „Compact With Africa“. . . . . . . . 665 7.4 Maturing beyond Cotonou (Kühnhardt 2016) – The European Archipelago (Kühnhardt 2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718 8 Globalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 8.1 Haltung und Idee der Weltfähigkeit: Der Diplomat Dieter Chenaux-Repond. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 8.2 Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) – The Bonn Handbook of Globality (Kühnhardt und Mayer 2019) . . . . . . . . 737 8.3 The Global Society and its Enemies: Liberal Order Beyond the Third World War (Kühnhardt 2017b). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 8.4 Europa in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts (Kühnhardt 1998a) – Raumbegriff und Grenzbewusstsein (Kühnhardt 2020b). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 776 8.5 Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien (Kühnhardt 2021a, 2022a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 8.6 The post-corona world. A research agenda (Kühnhardt 2021b) . . . . . . . . . 843 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 9

Europas Neugründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 9.1 Die Wiederentdeckung Europas (Kühnhardt und Rutz 1999) – Europa auf der Suche nach einer neuen geistigen Gestalt (Kühnhardt 1999c). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 9.2 European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration (Kühnhardt (2008c) 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895

XIV

Inhaltsverzeichnis

9.3 Crises in European Integration (Kühnhardt 2009c) – Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (Kühnhardt 2010a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905 9.4 The Reunification of Europe (Kühnhardt 2009g) – Identität und Weltfähigkeit (Kühnhardt 2020c). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943 9.5 Governance and Regulation (Koenig und Kühnhardt 2017) – Transdisciplinary Research and Education: Das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020). . . . . . . . . . . . . 976 9.6 Das politische Denken der Europäischen Union (Kühnhardt 2022f) – Europas Sicherheit, die Zukunft der Ukraine und die „russische Frage“ (Kühnhardt 2022g). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1026 10 Aufbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 10.1 Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend (Kühnhardt 1999) – Die Ambivalenz des Fortschritts. Freiheit unter globalen Bedingungen weiterdenken (Kühnhardt 2024a, b, c). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 10.2 Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023) (Kühnhardt 2023a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1053 10.3 Opening doors (ZEI 2018). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1070 10.4 Erinnerung als Fundament (Kühnhardt 2009). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1081 10.5 Zwischen den Zeiten (Kühnhardt 2024c). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1088 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105 Namensverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261

Über den Autor

Ludger Kühnhardt, Jahrgang 1958, von 1997 bis 2024 Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) und Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Zwischen 1991 und 1997 war er Ordinarius für Politische Wissenschaft in Freiburg, wo er als Dekan seiner Fakultät auch in der akademischen Selbstverwaltung tätig war. Nach dem Abitur zunächst Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München. Studium der Geschichte, Philosophie und Politischen Wissenschaft in Bonn, Genf, Tokyo und Harvard. Dissertation zum Weltflüchtlingsproblem, Habilitation über die Universalität der Menschenrechte bei Karl Dietrich Bracher. Kühnhardt war Mitarbeiter von Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Berater des Generalsekretärs des Europarates, des Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Parlaments der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Als Gastprofessor lehrte er an der Universität Kapstadt, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, am College d’Europe in Brügge, am Dartmouth College, New Hampshire, an der Stanford University, am St. Antony’s College Oxford, an der Seoul National University, an der Canterbury University Christchurch, an der Tongji University Shanghai, an der Universidade Federal de Santa Catarina in Florianópolis sowie über viele Jahre an der Katholischen Universität Mailand, an der Diplomatischen Akademie Wien und an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies, Malta. Er war mehrfach Gastforscher am Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. und wurde zu einem ihrer Global Fellows ernannt. Kühnhardt erhielt den Europäischen Wissenschaftspreis der Europäischen Kulturstiftung. Er wirkte in verschiedenen Gremien und Institutionen sowie in Beiräten internationaler Zeitschriften mit. Von seinen Veröffentlichungen seien erwähnt: Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik, Wien 1984; Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs, München 1987; Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“, Bonn/Berlin 1992; Europäische Union und föderale Idee, München 1993; Revolutionszeiten. Das Umbruchjahr 1989 im geschichtlichen Zusammenhang, München 1994 (türkische Ausgabe 2003); Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit, Bonn XV

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Über den Autor

1996; Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend, Baden-Baden 1999; European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration, Baden-Baden 2008 (2. erweiterte Auflage 2010); (Herausgeber) Crises in European Integration. Challenges and Responses, 1945–2005, New York/Oxford 2009; Region-Building, 2 Bände, New York/Oxford 2010; Africa Consensus: New Interests, Initiatives, and Partners, Baltimore/Washington D.C., 2014; The Global Society and Its Enemies. Liberal order beyond the Third World War, Cham 2017; (Herausgeber mit Tilman Mayer), Bonner Enzyklopädie der Globalität, Wiesbaden 2017 (englische Ausgabe als Bonn Handbook of Globality, Cham 2019); Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien. Band 1 (1960–1999), Band 2 (2000–2020), Wiesbaden 2022; Das politische Denken der Europäischen Union. Supranational und zukunftsoffen, Paderborn 2022; (Herausgeber) Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994– 2023), Baden-Baden 2023; Zwischen den Zeiten. Beiträge zu Geschichte, Fortschritt und Freiheit, Baden-Baden 2024.

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Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5

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Abb. 2.8 Abb. 2.9 Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14

Nach meiner Taufe mit meiner Mutter und den Großeltern vor der Ludgeri-Kirche in Münster (1958). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . 25 Im ersten Schuljahr in Ibbenbüren (1965). (©Ludger Kühnhardt) . . . 27 Erste journalistische Versuche: Interview mit Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (1974). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . 33 Mit meinem Patenonkel Erwin Bernhard Heim und seiner Frau Margrith in Münster (1960). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . 37 Vor dem Haus des Eremiten Nikolaus von Flüe („Bruder Klaus“) in Flüeli-Ranft: Mein Patenonkel Erwin B. Heim zeigt mir die Innerschweiz (1972). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven (1977c). (©Olzog/Lau-Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Im Gespräch mit Pater Oswald von Nell-Breuning, SJ, in seiner Klause in der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen (1990). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Mit meinem ersten Verleger Günter Olzog in München (1978). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Mit Ruth und Günter Olzog bei einer Wanderung in den bayerischen Alpen (1979). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Ludolf Herrmann bei einer Redaktionskonferenz der Deutschen Zeitung/Christ und Welt (1979). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . 67 Als Reporter der Deutschen Zeitung/Christ und Welt in einem Slum von Kingston (1979). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . 69 Presseausweis für den Zugang zum Deutschen Bundestag (1979). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Auf Sendung: Erste eigene Beiträge in einem Studio des Bayerischen Rundfunks (1978). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . 74 Mit Andreas Schüler und meiner kleinen gelben Reiseschreibmaschine (1979). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

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Die Suche nach dem richtigen Selbstbild: Auf der Piazza Navona in Rom (1978). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Während der Redakteursausbildung in der Deutschen Journalistenschule München mit Matthias Matussek (1978). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Meine Frau Enikö und ich besuchen Matthias und Ulrike Matussek in Rio de Janeiro (2003). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Das grausamste Erlebnis meines Lebens: Ich fotografiere meine Eltern, meine Schwester Andrea und Theo Kusznierz, polnischer Cousin meines Vaters, in Auschwitz (1976). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Journalistische Expedition in Bangladesch: In einer Fahrradrikscha in Dacca (1979). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Einladung zur indischen Republic Day Parade in Neu-Delhi (1979). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Fluchtursachen bekämpfen: Im Gespräch mit dem Führer der kambodschanischen Weißen Khmer, Son Sann, und dem Bundestagsabgeordneten Matthias Wissmann (1981). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Zivildienst im „Vietnam-Büro e. V.“: Betreuung von vietnamesischen Flüchtlingen (1981). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik (1980). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 In Kerala mit Tagelöhner Antony auf einem Acker in Mullakkara (1979). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 The land of 500,000 villages. Stories from rural India (1982). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Dreharbeiten für den WDR zur Bevölkerungsproblematik in Bangladesch mit Kameramann Jürgen Grundmann (1982). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Diskussion mit einem Mullah und seinen Zöglingen in der Koranschule von Muktapur (1982). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . 92 Kinder des Wohlstands. Auf der Suche nach dem verlorenen Sinn (1981). (©Olzog Verlag/Lau-Verlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Mit Schwester Mary Rose und Schwester Pius in Münster (1960) und Wiedersehen mit Schwester Pius Panjikaran in Ankamaly (1980). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Mit meinen Eltern Irmgard und Gerhard Kühnhardt sowie meinen Geschwistern Andrea, Dorothee und Markus (1988). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Schachspiel mit Michal Rerych in Pribram. Sein Vater Zdenek schaut zu (1976). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

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Erste Berlin-Begegnung, vom Osten her kommend: Mit meinem Bruder Markus an der Mauer in West-Berlin (1976). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Mit meiner Mutter am Alten Zoll in Bonn (1981). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Als Reporter des Rheinischen Merkur/Christ und Welt im Flüchtlingslager Toq Wajaale in Somalia (1980). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Humanität und Geopolitik: Mit thailändischen Militärs und dem Gouverneur von Nong Khai sowie dem Bundestagsabgeordneten Matthias Wissmann am Mekong nach einem Besuch von laotischen Flüchtlingslagern (1981). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Gelungene Integration: Mit meinem Vater im Imbissrestaurant meines aus Vietnam geflohenen Pflegebruders Truc Luong Dinh und seiner Eltern in Ibbenbüren (1995). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . 115 Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik (1984). (© Braumüller Universitätsverlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Menschenrechte und Freiheitskampf: Mich beeindruckt Krishna Prasad Bhattarai, Parlamentssprecher von Nepal in den 1950er-Jahren, danach 18 Jahre im Gefängnis, in Kathmandu (1979). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Ohne Naivität: Mit einer armen Familie in Bangladesch (1981). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Die Frage nach den Menschenrechten: Im Groß-Slum Tondo von Manila (1981). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Auch Japan kennt menschenrechtliche Fragen: Mit einem Ainu am inszenierten Lagerfeuer in Hokkaido (1984). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Tradition und Moderne, Anzug und Kimono in Japan: Das Händlerehepaar vertreibt klassische Lackarbeiten in Tokyo (1984). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Jung und dynamisch, eigentümlich und verschlossen: So erlebte ich Japan (1984). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Bilanz eines kenkusei (special student): Ein Vortrag in japanischer Sprache beim Rotary Club Tokyo Ueno (1984). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Beim Abfassen meiner Habilitationsschrift an der Harvard University (1984). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Prodekan Rainer Lengeler gratuliert zur Antrittsvorlesung als Privatdozent an der Universität Bonn (1987). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

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Abb. 3.19 Abb. 3.20 Abb. 3.21 Abb. 3.22 Abb. 3.23 Abb. 3.24 Abb. 3.25

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Empfang nach der erfolgreichen Habilitation mit Karl Dietrich Bracher, meinem Vater, meiner Schwester Andrea, dem Politikwissenschaftler Hans-Adolf Jacobsen und dem Indologen Hans-Joachim Klimkeit (1987). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 145 Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs (1987). (© Olzog Verlag/Lau-Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Dazwischen: Hitzige Debatten bei der Menschenrechtskonferenz in Teheran (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Spaß mit dem Philosophen-Freund Walter Schweidler vor Auguste Rodins „Der Denker“ in Stanford (1995). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Gedankenaustausch über viele Jahre: Mit Walter Schweidler vor Piranesis Vedute „Concordia-Tempel auf dem Forum Romanum“ (2009). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Die junge Welt der südlichen Hemisphäre: In einem Dorf in Kerala (1979). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Vom Guerillakämpfer zum Ministerpräsidenten von Simbabwe: Mit Robert Mugabe in Salisbury (1980). (© Ludger Kühnhardt) . . . . 167 Chinas große kulturelle Tradition: Am Grab von Konfuzius in Qufu (1984). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“ (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . 171 Die Rolle der Uniformierten im Entwicklungsprozess: In der Türkei (1988). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Nachdenken über Geschichte und Politik: In Troja (1988). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Indien zwischen alten Kulturen und neuen Problemen: Neben einem Bettler am Ganges in Rishikesh (1989). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Islam und moderne Ordnung: Männerdominiert, aber noch sind verschleierte Frauen selten in Tunis (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Harte Arbeit, kurzes Leben: In der Kloof Goldmine in Westonia (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Übergabe der Dankschrift „Fußnoten“ an Karl Dietrich Bracher. Rechts im Bild Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der britische Botschafter Sir mit seiner Frau (1987). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Karl Dietrich Bracher und Hans-Peter Schwarz gratulieren mir zu meinem Ruf nach Freiburg (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

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XXI

50 Jahre Bonner Politische Wissenschaft mit den Professoren Wolfram Hilz, Ludger Kühnhardt, Christian Hacke, Karl Dietrich Bracher, Hans-Adolf Jacobsen, Karl Kaiser, Hans-Peter Schwarz, Tilman Mayer und Frank Decker (2009). (© Ludger Kühnhardt). . . . 190 90. Geburtstag von Karl Dietrich Bracher. Von rechts Jeffrey Herf, Dorothee Bracher, Hans-Adolf Jacobsen, Christian Bracher, Karl Dietrich Bracher, Hüseyin Bagci, Hubertus Hoffmann, Friedbert Pflüger, Hans-Dieter Lucas, Andreas Schüler, Ludger Kühnhardt (2012). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Karl Dietrich Bracher (1922–2016). Aus der Geschichte lernen (2022). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Hans-Peter Schwarz (1934–2017). Politik und Zeitkritik (2024). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Auf einem Kongress der Schüler Union in Dortmund (in der Mitte sitzend). Am Mikrofon Friedrich Merz, der spätere CDU-Vorsitzende (1974). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Auf der Suche nach den Wurzeln Europas: In Delphi (1981). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Wege in die Demokratie. Beiträge aus der Politischen Wissenschaft (1992). (© Palm und Enke/Friedrich-SchillerUniversität Jena). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Beyond divisions and after. Essays on democracy, the Germans and Europe (1996). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . 225 Richard von Weizsäcker (1920–2015). Momentaufnahmen und Denkwege eines europäischen Staatsmannes (2020). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker und meinen Kollegen Friedbert Pflüger und Reinhard Stuth im Garten der Villa Hammerschmidt (1989). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Im Gespräch bleiben: Begegnung mit Richard von Weizsäcker in Berlin (2011). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Bundespräsident Richard von Weizsäcker stellt mich Innenminister Wolfgang Schäuble vor (1987). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . 246 An der bisherigen deutsch-deutschen Grenze (1990). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Späte Entdeckung der DDR: Mit dem amerikanischen Diplomaten Gray McCalley in Rostock (1990). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . 249 Ausreise aus einem untergegangenen Staat (1990). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Mit meinen Jenaer Studenten Matthias Steinbach, und Holger Thuß sowie meinem amerikanischen Freund Tony Gardner im Uni-Turm von Jena (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . 257

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Relikte der DDR: In Eisenach (1991). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . 261 Einladung des Dekans zu meiner Antrittsvorlesung im Audimax der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Bei meiner Freiburger Antrittsvorlesung vor großem Publikum: „Der Nationalstaat und die Politikwissenschaft. Ein Jahrhundert nach Max Webers Antrittsvorlesung: zwei deutsche Einigungen – zwei deutsche Deutungen“ (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Mit dem Jenaer Historiker Herbert Gottwald und meinem Freiburger Lehrstuhl-Vorgänger Wilhelm Hennis (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Gemeinsames Seminar Jenenser und Freiburger Studenten zur deutschen Verfassungsfrage in Jena (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Geschichte vor der Zeitgeschichte: Mit meinen Freiburger Studenten Martin Rupps und Andreas Beierwaltes vor dem Burschenschaftsdenkmal an der Universität Jena (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 „Deutschland, einig Vaterland?“: Podiumsdiskussion der Badischen Zeitung und der Universität Freiburg (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Mit (von links) Jiří Gruša, Heinrich August Winkler, Steven Muller, Stephen Graubard, Stephan Eisel und Barthold Witte beim Autorentreffen für eine Sonderausgabe der Zeitschrift „Daedalus“ in Prag (1993). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung. Drittes Reich und DDR – ein historisch-politikwissenschaftlicher Vergleich (herausgegeben mit Gerd Leutenecker, Martin Rupps und (2. Auflage) Frank Waltmann) (1994/1996). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Mit Ulrich Zwiener und Marek Siemek bei einem Seminar des Collegium Europaeum Jenense im Studienhaus Wiesneck (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Menschliche Werte. Versöhnung (herausgegeben mit Ulrich Zwiener et al. 2001). (© Palm und Enke/Collegium Europaeum Jenense). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Zu Besuch bei dem Philosophen Max Müller mit dem Bergstraesser-Schüler George Romoser aus den USA (1993). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Jeder für sich und alle gegen alle. Zustand und Zukunft des Gemeinsinns (1994). (© Herder Verlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

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XXIII

Mit Christine Lieberknecht, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten von Thüringen, dem Philosophen Hermann Lübbe und, ganz rechts, dem Europa-Abgeordneten Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg bei den Ettersberger Gesprächen in Erfurt (1996). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Mit meiner Sekretärin Dorothee Scheuing im Kollegiengebäude IV der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (1993). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 „Das Pubertäre. Lächerliches Zentralorgan“: Zeitschrift der Freiburger Fachschaft Politik (1995). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . 310 Mitarbeiterbesprechung an der Universität Freiburg mit Regina Braach, Andreas Beierwaltes, Beate Preuschoff, Xuewu Gu und dem türkischen Gast Hüseyin Bagci (1993). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . 312 Mit dem israelischen Diplomaten und Publizisten Avi Primor in Bonn (1998). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Nach meiner Rede auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe mit (von links) Wolfgang Frühwald, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bundeskanzler Helmut Kohl, Hubert Markl, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, und Forschungsminister Jürgen Rüttgers (1995). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Mit Christoph Böhr, Vorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz und der dortigen CDU-Landtagsfraktion, in Trier (1999). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Am St. Antony’s College Oxford (1989). (©Ludger Kühnhardt) . . . . 364 Timothy Garton Ash und ich im Gespräch mit Michael Mertes, Bundeskanzleramt, Hans-Jürgen Heimsoeth, Bundespräsidialamt, und seiner Frau Lizabeth, einer viel zu früh verstorbenen französischen Diplomatin, in Bonn (1990). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . 365 Luxemburgs Botschafter Adrien Meisch trägt vor. Ganz rechts: Max Huber, Rektor der Bonner Universität, und Hans-Peter Schwarz (1990). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Zwölf Nachbarn – ein Europa (herausgegeben mit Hans-Peter Schwarz) 1991). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Von Deutschland nach Europa. Geistiger Zusammenhalt und außenpolitischer Kontext (2000a). (©Nomos Verlag) . . . . . . . . . . . . . 373 Schachspiel mit meinem Studienfreund Hans-Dieter Lucas, später deutscher Spitzendiplomat, in meinem Elternhaus (1985). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Europäische Union und föderale Idee. Europapolitik in der Umbruchzeit (1993). (©C.H.Beck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

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Revolutionszeiten. Das Umbruchjahr 1989 im geschichtlichen Zusammenhang (1994). (©Olzog Verlag/Lau-Verlag). . . . . . . . . . . . . 385 Devrim Zamanlari, türkische Übersetzung von „Revolutionszeiten“ (2002). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . 391 Mitten im Umbruch. Historisch-politische Annäherungen an Zeitfragen (1995). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Dazwischen: Beim Bergedorfer Gesprächskreis 1993 im Schloss Bellevue mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Renate Schmidt (SPD), Michael Stürmer (Universität Erlangen-Nürnberg), Konrad Weiss (Bündnis 90), Hans-Jürgen Heimsoeth (Bundespräsidialamt), Wolf Lepenies (Wissenschaftskolleg Berlin), Jürgen Engert (Sender Freies Berlin) und Antje Vollmer (Die Grünen) (1993). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Jungliberal: Mit dem FIDESZ-Vorsitzenden Viktor Orbán, dem Schweizer Publizisten Robert Nef und György Antall, dem Sohn des verstorbenen ungarischen Ministerpräsidenten, in Budapest (1995). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Pausenbier: Mit Toomas Ilves, Estlands Außenminister, Elmar Brok, Mitglied des Europäischen Parlaments, Mart Laar, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Estland, und Juri Luik, Verteidigungsminister von Estland, bei einer Tagungspause in Visby (1997). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Mit Lorenzo Ornaghi, Gründungspräsident der Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität Mailand und ehemaliger Kultusminister von Italien (2016). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Als Gastprofessor mit ASERI-Studierenden aus aller Welt in Mailand (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Ansprache vor dem Eesti Kongress in Tallinn. In der Mitte des Tisches sitzt Tunne Kelam (1992). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . 409 Hanseregion: Präsentation unserer Studie im Theater von Kaliningrad zwischen einer russischen und einer EU-Fahne. Mit dabei am Podium, inmitten russischer Repräsentanten, rechts von mir: Oskar von Preussen, Hans-Gert Pöttering, Tunne Kelam, Hubertus Hoffmann, Friedrich Merz und Friedbert Pflüger (1992). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Pufferzone: Diskussion mit dem Generalstab von Belarus (damals Weißrussland) zusammen mit Hans-Gert Pöttering und Reinhard Stuth in Minsk (1994). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Mit einem russischen Veteranen des Zweiten Weltkrieges und glühenden Kommunisten in Witebsk (1994). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

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Ungläubig: In der ehemaligen kommunistischen Parteihochschule in Almaty, Kasachstan (1995). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . 415 Die Präsenz der Geschichte: In der Synagoge in Krakau (1995). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit (1996). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . 419 Im Gespräch mit dem ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger in Niederschönhausen (1996). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 In den Trümmern des Kommunismus in Moskau (1998). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Euro-atlantische Perspektiven für die Ukraine? Im Innenhof des Liwadija-Palastes in Jalta mit Oleg Kokoshinsky, Vizeaußenminister Yevhen Bersheda, US-Botschafter John Kornblum und Jackson Janes (2000). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Mit Zoran Đinđić, damals serbischer Oppositionsführer, in Bonn (1998). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Kennenlernen: Mit Hans-Gert Pöttering auf der Chinesischen Mauer (1983). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Studienreisen: Bei den beiden israelischen Oberrabbinern Yona Metzger und Shlomo Amar in Jerusalem (2007). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 Europas vereinigte Staaten. Annäherungen an Werte und Ziele (mit Hans-Gert Pöttering) (1991). (©Verlag Fromm/Fromm + Rasch). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 Weltpartner Europäische Union (mit Hans-Gert Pöttering) (1994). (©Verlag Fromm/Fromm + Rasch). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Polens Botschafter in Deutschland, Janusz Reiter, und seine Frau Hannah mit Enikö und mir bei der Buchvorstellung in Bonn (1994). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Buchvorstellung: Unsere Verlegerin Annette Harms-Hunold und der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble mit Hans-Gert Pöttering, Mitglied des Europäischen Parlaments, und mir in Bonn (1998). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Kontinent Europa (mit Hans-Gert Pöttering) (1998). (©Verlag Fromm/Fromm + Rasch). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 tschechische Übersetzung (2000). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . 444 Erweiterung und Vertiefung. Die Europäische Union im Neubeginn (2005). (©Nomos Verlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Die Europäische Union – Fragen zur Erweiterung (2001). (©Auswärtiges Amt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

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Konferenz über EU- und NATO-Perspektiven der baltischen Staaten mit (von rechts) dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Wolfgang Ischinger, dem stellvertretenden Außenminister von Litauen, Gediminas Serksnys, dem Außenminister von Lettland, Valdis Birkavs, dem Außenminister von Estland, Toomas Ilves und dem stellvertretenden NATO-Generalsekretär Klaus-Peter Klaiber am ZEI in Bonn (1999). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Mit Jan Figel, Staatssekretär im Außenministerium der Slowakei, unterzeichne ich die Vereinbarung für eine ehrenamtliche ZEI-Beratung bei der Europastrategie seines Landes in Bratislava (1999). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Danuta und Lech Wałęsa zu Gast bei Enikö und mir zu Hause. Mit dabei waren Andras Inotai, Institut für Weltwirtschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaft, und Frank Ronge, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZEI (1999). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Der Ehrenbürger Europas: Helmut Kohl zwischen Enikö und mir in der Universität Bonn (2002). (©Ludger Kühnhardt). . . . . 466 Die Europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen (herausgegeben mit Marcus Höreth und Cordula Janowski) (2005). (©Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . 469 Audienz bei Papst Johannes Paul II. im Vatikan (2004). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Harvard University: Intensive Forschungen und Tennis-Match mit meinem Freund, dem japanischen Mathematiker Shuji Saito (1984). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Bei der „Young Leaders Conference“ der Atlantik-Brücke mit Marita Haibach, Eckhard Stuff, Sonja Lahnstein-Kandel, Bruce Scott, Roger B. Porter und Francis Fukuyama in Hamburg (1985). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 Rückkehr in die USA in der Präsidentenmaschine: rechts hinter Henry Kissinger und Richard von Weizsäcker in Hartford (1987). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 Harvard University: Im European Studies Center mit Guido Goldman, Friedbert Pflüger und Jim Cooney (1987). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Atlantik-Brücke: „Young Leaders Conference“ in Indianapolis mit dem republikanischen US-Senator Richard Lugar, Christoph Ehlers und Beate Lindemann (1988). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . 513 „A new Germany in a new Europe“: Vortrag am Trinity College/St. Mary’s University, Emmitsburg (Maryland) (1990). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

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XXVII

Lecture Tour durch die USA: Ankündigung an der Morgan State University in Baltimore (1990). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . 516 Mit Brian Klein und Hubertus Hoffmann im Gespräch mit David Wilder, dem ersten afro-amerikanischen Gouverneur der USA (Virginia) in Richmond (1991). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . 518 In Nashville mit dem demokratischen US-Senator Jim Sasser und Beate Lindemann (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . 519 Atlantik-Brücke: „Young Leaders Conference“ in Nashville mit Christian Wulff, Katja Gloger, Ute Sacksofsky und Thomas Oppermann (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 Partnership in leadership: Im „Weißen Haus“ mit dem Redenschreiber von Präsident George H.W. Bush, John S. Gardner. Noch arbeiten wir alle mit der Schreibmaschine (1992). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 Atlantik Brücke: Mit Dorothea und Eric Warburg sowie Beate Lindemann in Hamburg (1989). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 524 Begrüßung durch Walther Leisler Kiep, den Vorsitzenden der Atlantik-Brücke, in Berlin (1995) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 Forschungen in der Hoover Library der Stanford University (1995–96). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 Erstmals schreibe ich meine Manuskripte auf einem Notebook (1995–96). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 Wie im alten Europa, auch das ist Stanford: Mit Enikö beim „Viennese Ball“ (1996). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 Mit den Kollegen Norman Naimark und Christian Hacke in Stanford (1996). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Mit Gabriel Almond, dem Begründer der political culture-Forschung (1996). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 Mit Gordon Craig, dem Großmeister der Geschichtsschreibung Europas (1996). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 Die Macht macht wortlos: Vor einer Attrappe von „Little Boy“, der ersten Atombombe, im Los Alamos National Laboratory (1996). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Parameters of Partnership: The U.S.-Turkey-Europe (mit Hüseyin Bagci und Jackson Janes) (1999). (© Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . 534 Mit Enikö und unserer Tochter Victoria auf der Plymouth Plantation,Mass. (2000) (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 Atlantik-Brücke. Fünfzig Jahre deutsch-amerikanische Partnerschaft (2002). (© Propyläen in der Ullstein Buchverlage GmbH). . . . . . . . . 540 Mit meinen Kindern bei den Cherokee native americans in den Great Smokey Mountains (2002). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . 543

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Constituting Europe. Identity, institutions and the search for a global role (2003a). (© Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Contrasting Transatlantic Interpretations. The EU and the US towards a Common Global Role (2003b). (© SIEPS Stockholm). . . . 545 Ex-Präsident Ronald Reagan ist tot: Zeitungsstudium mit meinem Sohn Stephan in Stanford (2004). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . 555 The Crisis in Transatlantic Relations (mit Sam Wells) (2005). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 Soft power USA: Ausritt mit meiner Tochter Victoria in den Rocky Mountains bei Teton Village (2010). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . 561 Zuhören: In der Raummitte beim Vortrag des Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff der US Armee, Mike Mullen, im Wilson Center in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . 563 Konzentriertes wissenschaftliches Arbeiten als Public Policy Fellow im Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . 564 Im Woodrow Wilson International Center for Scholars mit Co-Fellows Julie Payette, Astronautin, und Charles Maier, Harvard-Historiker, sowie den Wilson-Mitarbeiterinnen Luna Liu und Lucy Jilka vor einer Büste von Woodrow Wilson (2011). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Wiedersehen mit ZEI Alumni: Sebastian Ehreiser und Meredith Tunick in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . 566 Bei einer Diskussionsrunde im Woodrow Wilson International Center for Scholars mit Christian Ostermann (2011). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Mit Ron Asmus und Stephen Larrabee vor der Rand Corporation in Santa Monica (1995). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . 569 Entspannt plaudern über die Atlantische Zivilisation: Mit Ron Asmus in Washington D.C. (2002). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . 571 Mit Ron Asmus unter Kollegen auf einer Tagung über die strategische Zukunft von Georgien in Tbilissi (2005). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 „Weimarer Dreieck“ in den USA: Mit Frédéric Bozo, dem französischen Kollegen von der Sorbonne Nouvelle, und (hoch zu Ross) General Kazimierz Pułaski, dem aus Polen stammenden Begründer der amerikanischen Kavallerie, in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . 577 European Alumni Meeting des Woodrow Wilson International Center for Scholars in Athen (2012). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . 580 The bonds that hold: Mit den transatlantischen Freunden Anja und Tom Banchoff in Washington D.C. (2014). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583

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XXIX

Stars with Stripes: Bei einem Familientreffen mit Alejandra und Tony Gardner in London (2006). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . 588 Homecoming: Vor der Statue von John Harvard im Harvard Yard (2017). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Mit Guido Goldman und Karl Kaiser beim Kennedy-Fellow Alumni Treffen an der Harvard University (2017). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 In Kibosho am Fuße des Kilimanjaro mit Kindern der Familie Mallya Mardai (1980). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 Unter Angehörigen der Dajaks im Inneren von Borneo (1981). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 Gastvorlesungen an der al-Farabi Universität Almaty. Neben mir meine Kollegin Mara Gubaidullina und Boris Shiriaev, später mein Student in Freiburg (1995). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 616 Mit Emma Nogales, Katholische Universität, Antonio Aranibar, früherer Außenminister von Ecuador, und weiteren Kolleginnen und Kollegen nach meinem Vortrag in La Paz (2004). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Zufallswiedersehen mit Carsten Schnell, einem ehemaligen Freiburger Studenten, am Rande meines Vortrages in der Universidad de Centro America in Managua (2005). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 Lecture im College of Culture and Language Studies in Thimpu (2007). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 Mit dem Kollegen Rajendra Jain, Jawaharlal Nehru University, und meinen langjährigen Freunden Neeru und Rajiv Vora, Gandhi Peace Foundation, in New Delhi (2007). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Vortrag und Diskussion an der Universidad Tres Febrero in Buenos Aires (2011). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Mit dem Studienfreund und koreanischen Diplomaten Chan Boum Lee und meiner Familie in Seoul (2004). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 Vor meinem Vortrag mit den ECOWAS Kommissaren Ada C. Okwuosa (Nigeria) und Jean de Dieu Somda (Burkina Faso) in Abuja (2007). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 Mit Mélégué Traoré (links) übergebe ich den Bericht über die Zukunft des ECOWAS-Parlaments an die Abgeordneten Mourie Kamanda (Sierra Leone) und Mahamane Ousmane (Niger, früherer Staatschef seines Landes) sowie an Mohammed Diakite (Generalsekretär des ECOWAS-Parlaments) in Bamako (2009). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630

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ZEI Summer Academy: mit Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied des Europäischen Parlaments, Matthias Winiger, Rektor der Universität Bonn, Monika Pottgieser, GIZ, und jeweils ganz außen, den Bonner Universitäts-Kollegen Stephan Conermann und Paul Vlek (2009). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 Region-Building. Vol. I: The Global Proliferation of Regional Integration (2010). (©Berghahn Books) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 Region-Building. Vol. II: Regional Integration In The World: Documents (2010). (©Berghahn Books). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Rede vor der 67. Generalversammlung der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) im Völkerbundpalast Genf (2017). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . 644 Mit Studentinnen und Studenten an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC) in Malta (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 Mit dem österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Werner Neudeck in der Diplomatischen Akademie Wien (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 Gespräch mit dem Präsidenten der ECOWAS-Kommission, Mohamed Ibn Chambas, in Abuja (2007). (©Ludger Kühnhardt). . . . 648 Empfang im Parlament von Cabo Verde in Praia. Von rechts: Der Abgeordnete Abilio Duarte, Parlamentspräsident Aristides Lima, links von mir die kapverdische Abgeordnete des ECOWAS-Parlaments Maria Ressurreição Lopes da Silva, der Gründungsdirektor des WAI und frühere Erziehungsminister von Cabo Verde, Corsino Tolentino, und Carla Miranda, die Kabinettschefin von Aristides Lima (2008). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 Am West Africa Institute (WAI) in Praia mit WAI-Direktorin Djénéba Traoré, Judite Nascimento, Rektorin der Nationaluniversität Cabo Verde, Manuel Roberto, Bildungsministerium Cabo Verde, Joao Resende Santos, Nationaluniversität Cabo Verde, und den Mitarbeitern des WAI und des ZEI (2014). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . 656 Übergabe des Konzepts für einen Studiengang „Master of African Regional Integration Studies“ an den Bildungsminister von Cabo Verde, Antonio Correia e Silva, durch die Rektorin der Nationaluniversität, Judite Nascimento, WAI-Direktorin Djénéba Traoré und mich. Staatspräsident Jorge Carlos Fonseca schaut per Foto zu (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662

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Mit Ado Bayero, dem Emir von Kano (2007). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 Mit den Kollegen Modi Koko Bebey und Emmanuel Kam Y ogo vor meinem Vortrag an der Universität von Douala (2010). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 Mit Chester Crocker, stellvertretender Außenminister der USA für Afrika von 1981–1989, in Washington D.C. (2011). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 Mit Koen Vervaeke, dem ersten Botschafter der EU bei der Afrikanischen Union, und Abdoullie Janneh, dem stellvertretenden Generalsekretär der UNO (2011). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . 670 Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners (2014). (©Johns Hopkins University Press/Woodrow Wilson Center Press). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 Ich widmete „Africa Consensus“ Bibiana und Joseph Mallya Mardai aus Tansania. Sie hatten mich 1977 in das Leben im ländlichen Afrika eingeführt. Bei einem Wiedersehen in Arusha (2014). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 Mit dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi, dem Generalsekretär der Fondazione per la cooperazione tra i popoli, Alessandro Ovi, und dem Afrika-Beauftragten der chinesischen Regierung, Liu Guijin, am Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba (2012). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 „Africa 54 states, one union“: Mit Vijay Modi, Earth Institute, Kardinal Peter Turkson und Yang Guang, Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften in Rom (2015). (©Ludger Kühnhardt) . . . . 689 Auf dem Weg zum „Compact with Africa“: Brainstorming im Bundeskanzleramt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Entwicklungsminister Gerd Müller, Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries Regierungssprecher Steffen Seibert, G20-Sherpa Lars-Hendrik Röller, Sicherheitsberater Christoph Heusgen, Afrika-Beauftragter Günter Nooke und meinen Kollegen Dirk Messner, Paul Collier, Michael Rabbow und Jens Riese in Berlin (2017). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 Mit Gabriel Nimbdik, Leiter des Büros des Premierministers von Vanuatu, in Port Vila (2007). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 700 Mit Michelle Mukaruliza, Ruandas Ministerin für Fragen der Ostafrikanischen Integration, in Kigali (2012). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701

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Interview mit Herman Sargeant für „Radio Montserrat“ in Brades (2016). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Im Gespräch mit Marie-Jeanne Maguy, Direktorin im Conseil Régional von Martinique (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 703 Mit Alhaji Muhammad Mumuni, dem Generalsekretär der AKP-Staatengruppe, in Brüssel (2014). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . 704 Neben Patrick Ignatius Gomes aus Trinidad und Fatumanava III Pa’olelei Luteru aus Samoa: Meine strategischen Ausführungen werden von den Botschaftern aller Staaten der AKP-Gruppe in Brüssel diskutiert (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706 Maturing beyond Cotonou. An EU-ACP Association Treaty for Development. A proposal for reinventing EU relations with the African, Caribbean and Pacific (ACP) Group of States (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 Vortrag vor der Parlamentarischen Versammlung von EU und AKP im Europäischen Parlament in Brüssel (2018). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 Im Gespräch mit Obiageli Ezekwesili, ehemalige Vize-Präsidentin der Weltbank, und meinem ghanaischen Doktoranden Michael Amoah Awuah in Bonn (2019). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . 712 Brexit-Folgen: Bei minus 30 Grad in einem Kühlhaus für Thunfisch in St. Helena (2018). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . 714 The European Archipelago. Rebranding the Strategic Significance of European Overseas Countries and Territories (2019). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 Mit dem Schweizer Botschafter Dieter Chenaux-Repond in Tokyo (1984). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 Dieter Chenaux-Repond doziert an der Universität Bonn (1990). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 Dieter Chenaux-Repond lehrte und lebte Weltfähigkeit (1998). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 Erstes Nachdenken über Globalität: Mit Giacomo Marramao und Gerard Mortier sowie den Gastgebern Carlo Secchi und Alberto Martinelli (ISPI) im prachtvollen Tiepolo-Saal des Palazzo Clerici in Mailand (2008). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 Arbeitskolloquium „Die Gestaltung der Globalität“ mit den Kollegen Tilman Mayer, Günther Schulz, Gerhard Blickle, Stephan Conermann, Wolfram Kinzig, Volker Ladenthin und Wolfgang Kubin sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern d es ZEI Wiebke Drescher und Georg Kristian Kampfer an der Universität Bonn (2010). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744

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Bonner Enzyklopädie der Globalität. Zwei Bände (herausgegeben mit Tilman Mayer; 2017). (©Springer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751 Mitherausgeber Tilman Mayer und ich übergeben Bonns Universitätsrektor Michael Hoch die Bonner Enzyklopädie der Globalität (2017). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 The Bonn Handbook of Globality. 2 volumes (edited with Tilman Mayer; 2019). (©Springer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 The Global Society and Its Enemies. Liberal Order Beyond the Third World War (2017). (©Springer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765 Vortrag vor der Deutschen Bischofskonferenz mit Bischof Franz-Josef Overbeck, Erzbischof Heiner Koch, Kardinal Reinhard Marx und Pater Hans Langendörfer in Bensberg (2017). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771 Kamelritt vor der Cheops-Pyramide in Gizeh (1980). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 778 Eröffnungsansprache beim Kongress „Weltachsen 2000“ im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages in Bonn in Anwesenheit von Wole Soyinka, Kharan Singh und Lech Wałęsa (1999). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784 Knotenknüpfen als Gebetswunsch: im Heiligtum der Jesiden in Lalisch (2011). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 Mit Benazir und Saadollah Ghaussy bei einem Besuch in Bonn (1990). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 795 Unter Mitmenschen in Kabul mit Splitterweste und Gefechtshelm (2013). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 Im Mao-Look: Li Peng, Staatsrat und stellvertretender Ministerpräsident der Volksrepublik China, begrüßt mich in der Großen Halle des Volkes in Peking (1983). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799 Mit meinem Kollegen Xuewu Gu in Angkor Wat (2000). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801 Fußmassage in Shanghai (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 804 An den Victoriafällen in Simbabwe (1980). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 In der Steppe der inneren Mongolei bei Hohot (1983). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814 Wenn einer eine Reise tut: mit leichten Brandwunden nach der Bootsexplosion im Hafen von Auckland (1984). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 Mit Simon Upton an der Krateröffnung des Mount Ngauruhoe (1984). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 Mit Bhaady Miller, Simon Upton und Peter Kiely in Marienbad (1991). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819

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Simon Upton und seine Frau Bhaady Miller mit Enikö und mir vor Schloss Sanssouci in Potsdam (1995). (©Ludger Kühnhardt). . . . 820 Mit Simon Upton vor dem Sheldonian Theatre Oxford (2006). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821 Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 1 (1960–1999; 2021a). (©Springer). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823 Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 2 (2000–2020; 2022a). (©Springer). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824 Tagebuch-Niederschrift während der Fahrt in der Transsibirischen Eisenbahn zwischen Peking und Moskau (1984). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 Das einzige Ziel, das ich nie erreichte: Timbuktu. 52 Tage Kamelritt von Zagora im südlichen Marokko (1986). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826 Mit meinem Kommilitonen Stephan Richter, später Chefredakteur des Internet-Informationsdienstes „The Globalist“, unter grusinischen Juden in Jerusalem (1987). (©Ludger Kühnhardt). . . . . 827 Mit meinem Freund Hüseyin Bagci vor der Celsus-Bibliothek in Ephesos (1988). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 828 Bootsfahrt mit Harry Stephan und weiteren südafrikanischen Freunden um das Kap der Guten Hoffnung (1991). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 830 Mit den britischen Journalisten Tira Shubert und John Simpson auf dem Maidan in Isfahan (1991). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . 831 Erstmals reise ich mit Enikö nach Ungarn (1993). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832 Die kleine Kamera reist immer mit (1994). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 Bei Scheich ul Islam Pashazade Allahashakur Humatoglu in Baku mit Hans-Gert Pöttering, Reinhard Stuth und dem deutschen Geschäftsträger Jasper Wieck (1996). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . 835 An der Mauer in Bethlehem (2007). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . 837 Umgeben von menschlichem Leid vor dem Tempel von Kali, der Göttin der Zerstörung und des Todes, in Kolkata (2007). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 838 Mit dem Parlamentspräsidenten von Kiribati, Taomati Iuta, in Bairiki (2015). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 Noch tanzt Brasilien, doch das Corona-Virus ist schon unterwegs: beim Karneval in Florianópolis (2020). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 844 Auf der chilenischen Antarktisbasis Gabriel González Videla (2020). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 846

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Die Wiederentdeckung Europas (herausgegeben mit Michael Rutz, 1999). (©Ludger Kühnhardt/DYADesign). . . . . . . 862 Mit „meinem“ Bischof Alfons Nossol aus Oppeln. Links Frank Ronge, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZEI, rechts Gerhard Höver, Theologieprofessor an der Universität Bonn (2000). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 Europäische Identität: Ich berate den Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer, in Straßburg (2000). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 Dialog der Kulturen: mit Prinzessin Sarvath el Hassan und und Prinz Hassan bin Talal in Bonn (2001). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875 Ein „Vaterunser“: mit meinem muslimischen Freund Hüseyin Bagci und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff in der frühchristlichen St.-Petrus-Grotte bei Antakya, dem antiken Antiochia (1999). (©Ludger Kühnhardt). . . . . 884 Mittelmeer als „forma mentis“: mit Maltas Staatspräsident Guido de Marco an der Universität Bonn (2003). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 889 Euro-mediterraner Dialog: mit Stephen Calleya in Mdina (2003). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 MEDAC- und ZEI-Studenten mit Monika Wohlfeld, dritte von links, Stephen Calleya, in der Mitte, und mir in Bonn (2015). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration (2008/2010). (©Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899 Mit meinem Kollegen und Freund Timothy Garton Ash am St. Antony’s College in Oxford (2005). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . 906 Vom Seminar zum Buch (2005). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 908 Crises in European Integration. Challenges and Responses, 1945–2005, ed. (2009). (©Berghahn Books). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 910 Einordnung: Gesprächspartner der Journalistin Constanze Abratzky im Fernsehsender „Phoenix“ (2018). (©Phoenix). . . . . . . . 914 Beim Karlspreis in Aachen: mit dem Schriftsteller György Konrád (2014). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921 Mit Karlspreisträger Herman van Rompuy und dem FDP-Abgeordneten des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff (2014). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . 922 Beim Karlspreis in Aachen: Im Gespräch mit König Felipe VI. von Spanien (2015). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923

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Kongress im Vatikan: mit Erzbischof Jean-Claude Hollerich (Luxemburg), dem früheren Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Santer, meinem Sohn Stephan und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck (2017). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935 Mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi und Bundesjustizministerin Katharina Barley, alsbald SPD-Abgeordnete im Europäischen Parlament, in Aachen (2019). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937 Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (2010). (©Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943 Mit Tunne Kelam, dem Anführer der estnischen Unabhängigkeitsbewegung, und seiner Frau Mari-Ann in Tallinn (1994). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945 The Reunification of Europe. Anti-Totalitarian Courage and Political Renewal (ed.; 2009). (©European Parliament/European People’s Party). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947 Mit Vytautas Landsbergis (Litauen), Alojz Peterle (Slowenien) und Pavel Zacek (Tschechien) in Brüssel (2009). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949 Kuratorium „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ in Dresden: (von links) Erhard Busek, Stefan Troebst, Beate Neuss, Gábor Erdödy, Jiří Gruša, Landtagspräsident Matthias Rößler, Magdaléna Vášáryová und, neben mir, Ryszard Król (2011). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954 Am Rande des „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“: Interview mit einem ungarischen Fernsehsender auf einem Donauschiff in Budapest (2016). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . 956 Mit Iveta Radičová, der ehemaligen Ministerpräsidentin der Slowakei, in Bratislava (2017). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . 957 Mit Swetlana Tichanowskaja, der Führerin der belarussischen Demokratiebewegung, Magda Vášáryová, meiner slowakischen Freundin im „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“, und dem Vorsitzenden des Europa-Ausschusses im Sächsischen Landtag, Marko Schiemann, im Seimas von Litauen in Vilnius (2022). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 Familiär: Mit den Freunden Csilla und Gábor Erdödy in Budapest (2014). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 964 Im Parlament in Pristina. In der Mitte nachdenklich Vjosa Osmani, die spätere Staatspräsidentin des Kosovo (2011). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965

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Abb. 9.40 Abb. 9.41

XXXVII

Mit Bojan Zunic und Teodora Lađić, ZEI-Alumni, und der Ökonomin Gordana Durovic an der Wirtschaftsuniversität Podgorica (2018). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 Identität und Weltfähigkeit. Sichtweisen aus einem unruhigen Europa (2020). (©Nomos Verlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 968 Mit meinem Kollegen Christian Koenig und Studierenden (Master Fellows) am Zentrum für Europäische Integrationsforschung in Bonn (2017). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 969 Governance and Regulation. A Reader (herausgegeben mit Christian Koenig; 2017). (©Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 972 Mit dem langjährigen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, dem ersten Vorsitzenden des Internationalen Beirats des ZEI (2001). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977 Begrüßung von europäischen Nachbarn: mit Leo Tindemans, ehemaliger belgischer Ministerpräsident, am ZEI in Bonn (1999). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 979 Mit Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, am Zentrum für Europäische Integrationsforschung in Bonn (1999). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 980 Theorie und Praxis im Gespräch: mit Michaele Schreyer, Mitglied der Europäischen Kommission von 1999 bis 2004, und Tabea Leibbrand, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZEI (2009). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 982 Transdisciplinary Research and Education in Regional Integration. Zentrum für Europäische Integrationsforschung/ Center for European Integration Studies (ZEI) 1995–2020 (herausgegeben von Christian Koenig und Ludger Kühnhardt/ZEI 2020). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 986 Ohne sie ging nichts: mit meiner langjährigen Sekretärin Ingrid Maldonado im ZEI (2014). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . 987 Forschungskonferenz der Bonner Philosophischen Fakultät. Vorne links Dekan Volker Kronenberg (2019). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 Das politische Denken der Europäischen Union. Supranational und zukunftsoffen (2022). (©UTBBrillFink). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 999 Mit Litauens ehemaligem Staatspräsidenten Valdas Adamkus und dem Gründer der European Humanities University, Anatoli Mikhailov, in Vilnius (2015). (©Ludger Kühnhardt) . . . . . . . 1006

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Abb. 9.42

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Sitzung des Governing Board der European Humanities University in Vilnius mit (von rechts) Lina Gorbacioviene, Michael Kennedy, Mindaugas Kaslauskas, Sergei Ignatov, Per Carlsen, Anatoli Mikhailov und Eva Srijber (2018). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1008 Abb. 9.43 Immer wieder blickte ich über die östlichen Außengrenzen der EU hinaus: Bei den Gagausen in der Republik Moldau (2015). (©Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012 Abb. 10.1 Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend (1999). (© Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1044 Abb. 10.2 Feierliche Promotion von Ariane Kösler, Bonn (2010). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1056 Abb. 10.3 Feierliche Promotion von Matthias Vogl mit dem Bonner Universitätsrektor Michael Hoch und dem Dekan der Philosophischen Fakultät, Andreas Bartels (2015). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057 Abb. 10.4 Freiburger Politikdialog, Münstertal (1994). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1059 Abb. 10.5 10. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium, Münstertal (2003). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1061 Abb. 10.6 17. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium unter der Kuckucksuhr in Münstertal (2017). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1062 Abb. 10.7 Webinar in Corona-Zeiten: 19. Bonner Europakolloquium (2021). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . 1064 Abb. 10.8 19. Bonner Europakolloquium als Webinar. Mit dabei: Meine Frau Enikö, meine Sekretärin Lisa-Marie Brackmann und der junge Ferdinand mit seinen Eltern, meinen Doktoranden Nathalie (geborene Jouan) und Matthias Belafi (2021). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065 Abb. 10.9 Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023) (hrsg.) (2023). (© Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 Abb. 10.10 ZEI Master of European Studies – „Class of 1999“ (1999). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1072 Abb. 10.11 ZEI Master of European Studies – "Class of 2009". Abschlussfeier mit EU-Kommissar Günther Oettinger, Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und dem Dekan der Bonner Philosophischen Fakultät, Günther Schulz (2009). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1075 Abb. 10.12 ZEI Alumni Reunion Day mit ZEI Master Fellows aus allen Kontinenten (2018). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1076

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Abb. 10.13 Opening Doors – ZEI Master of European Studies – Governance and Regulation 1998–2018 (2018). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . 1077 Abb. 10.14 Mit den ZEI Master Fellows Luisa Fernanda Agudelo Blandon (Kolumbien) und Maria Javiera Moya Becerra (Chile) in John Hasler' (USA, „Class of 2003“) Musikcafé „Prachtwerk“ in Berlin (2019). (© Ludger Kühnhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1078 Abb. 10.15 Mit einer Gruppe von ZEI Master Fellows ("Class of 2020")  in Corona-Zeiten in einem Biergarten am Rhein (2020). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1080 Abb. 10.16 „Ich habe keine anderen Hände als die Eueren“. Das Kruxifix in St.Ludgeri, meiner Taufkirche in Münster. (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1089 Abb. 10.17 In den Vatikanischen Gärten mit Hans-Peter Fischer, Rektor des Campo Santo Teutonico, Bettina Machaczek und Reinhard Stuth sowie meiner Familie (2012). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1093 Abb. 10.18 Tiefempfundene Dankbarkeit für meine Familie: Mit Enikö, Victoria und Stephan vor der Grabeskirche in Jerusalem (2013). (© Ludger Kühnhardt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1094 Abb. 10.19 Zwischen den Zeiten. Beiträge zu Geschichte, Fortschritt und Freiheit (2024). (© Nomos Verlag). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1095

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Anläufe

Ludger Kühnhardt zieht Zwischenbilanz. Der weltweit tätige Politikwissenschaftler, Publizist und Politikberater rekonstruiert die Antriebskräfte seines jahrzehntelangen Handelns. Leitend sind drei Grundthemen: Die Suche nach religiöser und normativer Grundierung unter Bedingungen veränderter Wirklichkeiten, die Idee der Universalität und ihr ständiger Wandel in einer widersprüchlichen Welt sowie geschichtliche Erfahrungen und das beständige Ringen um freiheitliche Ordnung. In drei Grundformen bündeln sich seine Aktivitäten und Reflexionen: 1) Handeln und Gestalten, 2) Beraten und Anregen, 3) Ausbilden und Weitergeben. Der Rückblick bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts legt Zeitgeist und Prägekräfte im Wandel der Jahrzehnte frei. Die Wege, die Kühnhardt nicht beschritten hat, stehen neben dem Werk, das er erarbeitet hat. Es entsteht ein dichtes Panorama, mit dem Ludger Kühnhardt Auskunft gibt über die inneren Zusammenhänge eines Lebens, das zusammengehalten wird durch das, was bleibt: Die Früchte des Schreibens und die Ausstrahlung der Lehre. Impulse der Aufklärung und der Wunsch, das Bewährte zu bewahren, fließen ineinander.

1.1 Themenkreise und Instrumente Ich hatte Glück. Mehr als ich verdiene. Mehr als ich je werde zurückgeben können. Ich hatte Glück, weil wertvolle Menschen mir mit ihrem Handeln und mit ihren Worten Wege aufgezeigt haben, die mich beeindruckt haben, und Wege geebnet haben, die ich gehen konnte. Ich hatte Glück, weil ich talentierten und engagierten jungen Menschen begegnet bin, denen ich auf ihre Fragen und in ihrer Suche etwas von dem weiterreichen durfte, was ich selbst geschenkt bekommen hatte. So meine ich jedenfalls möge es gewesen sein, was ich beisteuern konnte zum ewigen Wechselspiel von Werden und Vergehen. Wegbereiter waren es, die mein Leben in seine Bahnen lenkten. Würde man mich © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_1

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selbst auch nur ein klein wenig als Impulsgeber für andere Menschen und für neue Ideen wahrnehmen, so wäre ich zufrieden und dankbar. Im Musical „Cats“ (Cats (Musical), 1981) kann man auf unnachahmliche Weise hören, was ich sagen möchte: Momente des wahren Glücks Wir haben sie erlebt, doch verstanden sie nicht. Die Suche nach der Bedeutung schenkt uns die Erfahrung in ganz and’rer Form als jene Bedeutung, die man dem Glück je geben kann. Die vergangene Erfahrung, erweckt durch die Bedeutung, ist nicht die Erfahrung eines einzigen Lebens, doch von vielen Generationen. Und nicht zu vergessen etwas höchstwahrscheinlich Unergründliches.

Das Werk, über dessen bisherige Entwicklung ich auf diesen Seiten Bericht ablege, verlief wie das Leben der allermeisten: fragmentiert und fragmentarisch. Mein Werk, wie das der allermeisten Menschen, setzt sich aus vielen Puzzlesteinen zusammen, von denen viele Einzelstücke den meisten meiner Wegbegleiter vermutlich gar nicht bewusst oder nur partiell bekannt sind. Mein Werk, auch darin ohne Abweichung von den allermeisten Menschen, wirkte in unterschiedliche Richtungen, die meisten ohne große unmittelbare Bedeutung. Ich gehöre zur privilegiertesten Generation, die vermutlich jemals in Europa hat leben können. Ich empfinde Demut beim Blick zurück und Verpflichtung, wenn ich nach vorne schaue: Der Bogen, den ich intellektuell ausmessen durfte, wurde mir von anderen ermöglicht mit der Maßgabe, dass auch ich für andere nützlich sein möge. Ich will versuchen, das Fragmentierte zu ordnen und dem Fragmentarischen einen roten Faden einzuziehen. Mir geht es dabei nicht um übertriebene oder gar private Selbstbetrachtung, sondern ich gebe einen Zwischenbericht über mein öffentliches Werk und Wirken als Teil der Atmosphäre und des Geistes der Zeit, in der ich bisher gewirkt habe. Wenn ich es ungeschminkt bedenke, so fühle ich mich zwischen den Stühlen am wohlsten. Ich wollte dazugehören und doch am liebsten nur beobachten. Ich wollte wirken und doch fühlte ich mich am sichersten bei der distanzierten Analyse. Ich wollte agieren und doch zog es mich immer wieder zur Kontemplation. Ich war in verschiedenen Zusammenhängen dabei, aber eher doch vor allem nur dazwischen. Dieses Wortspiel verweist auf innere Widersprüche, derer ich mir stets bewusst war. Es klingt paradox, aber gerade dieses Leben im Widerspruch hat mir immer wieder neue Zufriedenheit bereitet. Ich habe mich immer wieder gerne zwischen den Stühlen eingerichtet. Dazwischen und doch nicht dabei. Wohl weil ich meinte, in dieser Position sei die Freiheit am größten. Vielleicht aber auch nur, weil ich es einfach nicht besser konnte. Erst als die Corona-Pandemie die Welt für einige Jahre gleichsam anhielt, merkte ich, dass ich auch hineingestellt war zwischen die Zeiten. Spätestens seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich die Entwicklung hin zum Bewusstsein planetarischer, weltumspannender Wirklichkeit beschleunigt. Lange Zeit aber waren Begriffe, in denen das

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Wort „Welt“ vorkam, nur Abbild partieller Welten geblieben. Die Weltkriege fanden nicht tagtäglich in jedem Ort der Welt statt. Die Weltwirtschaft schloss große Teile der Menschheit lange Zeit aus. Die Weltordnung schufen sich immer wieder die mächtigsten Staaten, während viele Gesellschaften sich kaum in dieser Weltordnung wiederfanden. Erst die wirklich globale, zeitgleiche und allgemeine Präsenz eines unsichtbaren Virus stellte den Zustand dessen her, was in meiner Jugend mit naivem Impetus „Eine Welt“ genannt worden war. Der Begriff der Corona-Pandemie würde bald zum Symbol eines Zeitenbruchs aufsteigen, wurde mir schlagartig 2020 klar, als die ganze Welt in den Griff des ominösen Virus geriet (Kühnhardt 2021a). Es gibt nicht einfach eine Welt vor und eine Welt nach Corona. Die Corona-Pandemie setzte allerdings einen symbolischen Grenzstein zwischen zwei Epochen. Die Welten, die über Jahrzehnte Schritt um Schritt miteinander verknüpft worden waren, werden künftig tatsächlich nur noch als „Eine Welt“ gedacht werden und bestehen können. Dieser Gedanke wurde und wird in aller Welt und auf verschiedenen Ebenen sofort gebrochen durch die anhaltend tiefgreifenden Widersprüche, dramatischen Interessenkonflikten und normativen wie faktischen Spannungen aller Art. Nach der Corona-Pandemie wurde das Ringen um die Weltordnung aggressiver und unberechenbarer denn je. Auch deshalb war die CoronaPandemie ein symbolischer Abschlusspunkt für die Weltwerdung und zugleich ein Beschleuniger künftiger Zerreißproben weltweit. Mit der Corona-Pandemie hat der Epochenwechsel seine symbolische Signatur erhalten. Über mehr als sechs Jahrzehnte hatte ich offensichtlich in einer Zwischenzeit der Weltgeschichte gelebt. Um zu verstehen, was ich wurde, versuche ich in diesem Zwischenbericht zu ordnen, was ich geschrieben habe. Wenn ich es recht bedenke, lassen sich die meisten meiner publizierten Arbeiten auf drei Stichworte reduzieren: 1) Die Suche nach religiöser und normativer Grundierung. 2) Die Idee der Universalität und ihr beständiger Wandel in einer widersprüchlichen Welt. 3) Geschichtliche Erfahrung und das Ringen um freiheitliche Ordnung. Ich wäre nicht unzufrieden, wenn man im Blick auf meine Wortmeldungen von einem Werk sprechen würde, das erkennbar um diese drei innerlich zusammenhängenden Themen angesiedelt ist. Noch zufriedener wäre ich, wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die Fragen, denen ich mich gestellt habe und die Antworten, die ich zu geben versucht habe, nicht unwichtig für das gelingende Leben von Menschen waren und weiterhin sind. 1. Die Suche nach religiöser und normativer Grundierung. Meine Wurzeln liegen in meinem katholischen Elternhaus und in der katholischen Soziallehre, die ich frühzeitig studieren und praktisch erleben durfte. Mein Vater war Arzt und meine Mutter Erzieherin. Der beste Studienfreund meines Vaters, ebenfalls Arzt und überdies Buchautor, war mein Patenonkel. Erwin Bernhard Heim prägte mich in jungen Jahren über räumliche Distanzen hinweg. Es muss mehr als ein Zufall gewesen sein, wenn neben meinen Eltern und Großeltern einige katholische Ordensleute meine Kindheit und Jugend nachhaltiger begleitet haben als ihnen und mir damals bewusst war. Schwester Pius Panjikaran und Schwester Mary Rose Vellanikaren aus Indien, Pater

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Beda aus Brasilien und Pater Joseph Babu aus Tansania haben mir ihre Wege gezeigt und Pater Oswald von Nell-Breuning hat mir erklärt, was ich zunächst kaum zu verstehen vermochte. Die Art und Weise, wie ich mein katholisches Christsein verstehe, wurde mir von diesen Frauen und Männern in meiner Kindheit und Jugend vorgelebt und gelehrt. Ich erlebte die katholische Kirche stets als weltumspannende Einheit von größter Selbstverständlichkeit. Religion und Glauben waren mir immer vernünftig. Die Suche nach einem Gottesbeweis schien mir stets von einer zwanghaft falschen Frage geleitet. Meine Großväter und auch meine Eltern hatten tiefste Abgründe der Geschichte erlebt und überlebt. An ihren Deutungen konnte ich mich reiben und lernen, Gewesenes besser zu verstehen. Das politische Bewusstsein meiner Großväter folgte aus dem Horror, der ihre besten Mannesjahre während der Zeit von Diktatur und Krieg unfreiwillig zerfressen hatte. Meine Geschichtslehrerin Christa Rollwage eröffnete mir mit ihren Erzählungen die Neugierde auf die Weite der alten Welten, am eindrucksvollsten auf Babylon und Luxor. Mein akademischer Lehrer Karl Dietrich Bracher verhalf mir dazu, meine religiös grundierte Neigung zu normativem, aber auch moralisierenden Denken historisch zu erden und unter Zuhilfenahme liberaler Kategorien zu rationalisieren. Bei Aristoteles, Thukydides und anderen las ich, wo die Ursprünge des historisch-empirischen politischen Denkens liegen, dem ich mich fortan methodisch verbunden fühlte. Von dem Moraltheologen Franz Böckle lernte ich, dass es auf meinen Wegen unvermeidlich bleiben würde, mit moralischen Zielkonflikten zu leben. Meine Bücher Christliche Soziallehre konkret (Kühnhardt 1977), Zukunftsdenker (Kühnhardt 1999) und The Global Society and its Enemies (Kühnhardt 2017) entspringen diesen Quellen. 2. Universalität und beständiger Wandel in einer widersprüchlichen Welt. Die Idee der Einen Welt lernte ich als Schüler in der letztlich naiven Konzeption von Jugendbewegungen kennen, die sich damals dieser Idee mit hohem Idealismus verpflichtet hatten. „Eine Welt“, wie sich eine ökumenische Initiative zu meiner Schulzeit nannte, hieß daher für mich zunächst und vor allem Empathie mit der Dritten Welt. Nord-Süd-Fragen hielt ich seit meiner Schulzeit für wesentlicher als Ost-WestProbleme. Meiner Neugier verdanke ich, dass ich mit eigenen Augen sehen wollte, was mir über die Wirklichkeiten in Entwicklungsländern im Elternhaus berichtet wurde. Die Erweiterung meines Horizontes führte zwingenderweise, nein: glücklicherweise zu einer Ausdifferenzierung meiner Anschauungen, gelegentlich gar zu Brüchen mit dem bisher felsenfest als richtig Angesehenen. Irgendwann stellte ich fest, dass im Grunde genommen alle Länder dieser Erde Entwicklungsländer sind, also auch mein Heimatland Deutschland. Die Liste meiner Entdeckungen wurde immer länger: Tansania, Indien, Südasien, die Karibik, der Nahe Osten, das Weltflüchtlingsproblem, die Universalität der Menschenrechte, Japan und die konservative Revolution der Meiji-Zeit, China und die USA, die Atlantische Zivilisation und Südamerika, immer wieder Asien und immer wieder Afrika, die Nachbarschaften in Osteuropa und in der arabischen Welt, Ozeanien und die Weltmeere, schließlich die beiden Pol-Regionen der Erde. Dazu kamen Fragen und Erkenntnisse zu Frieden

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und Macht, Demografie und Transformation, zu Ressourcen und den Paradoxien der Instabilität, zu Globalisierung und Globalität. So spannte sich der Bogen, den ich durchschreiten durfte, allein, um zu lernen, wie schwierig jeder Wandel und jede Balance von Freiheit und Stabilität ist. Die Sicht von innen und die Sicht nach außen nahmen viel Raum in meiner Arbeit ein. Phänomenologie und Empirie, so könnte man es wissenschaftlich abstrakt ausdrücken, sind der Leitfaden geblieben, den ich ausgerollt habe, um meinen normativen Kompass Zug um Zug besser und reflektierter an den Wirklichkeiten der häufig so verwirrenden Welt auszurichten. Meine Bücher Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik (Kühnhardt 1980, b), The land of 500,000 villages. Stories from rural India (Kühnhardt 1982), Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem (Kühnhardt 1984), Die Universalität der Menschenrechte (Kühnhardt 1987), Stufen der Souveränität (Kühnhardt 1992a), Atlantik-Brücke (Kühnhardt 2002), Region-Building (Kühnhardt 2010a), Africa Consensus (Kühnhardt 2014) und Verknüpfte Welten (Kühnhardt 2021b und 2022a) sind der Suche nach dem Grund dessen entsprungen, was mein Kompass mir zu überprüfen vorgab. 3. Geschichtliche Erfahrungen und das Ringen um freiheitliche Ordnung. Als Schüler begann mein Interesse an politischen Fragen und der Blick auf die Akteure der Politik. Durch meine Eltern und Großeltern waren Krieg und Frieden, die deutsche Frage, die schlesische Problematik und die Ordnung des ganzen Europas frühzeitig Teil meiner politischen Sozialisation. Mit Beginn meiner Gymnasialzeit 1968 begann ich mit der Suche nach meinem Ort im politischen Gefüge Deutschlands. Die wichtigsten Impulse kamen von außen. Mit 16 Jahren besuchte ich mit meinen Eltern und polnischen Verwandten das Konzentrationslager Auschwitz. Es war und es blieb der schlimmste Tag meines Lebens. Die Eindrücke in Auschwitz wirkten wie ein Erdbeben und legten tiefe Fundamente für mein weiteres Denken. Der Kalte Krieg und die europäische Einigung, die Atlantische Zivilisation und die Umbruchzeiten in Europa nach 1989, die föderale Idee und der antitotalitäre Konsens, Balkan und Baltikum, die Mittelmeerthematik und die russische Frage, die Verfassung Europas und die Frage nach der Zukunft des Westens – immer wieder wurde ich damit konfrontiert, über die Funktion von Krisen nachzudenken. Deutschland blieb mir Standort, aber Europa war, was es mir seit der Kindheit war: Referenzpunkt für mein Denken. Das Eigene im Widerspruch mit sich selbst und im Austausch mit der sonstigen Welt: Auf diesem Parallelogramm rückten mein ursprüngliches Agieren und die deutschen Akteure immer mehr in den Hintergrund. Als 2015 alle ritualisiert von der Flüchtlingskrise sprachen, empfand ich, Deutschland und die Art, wie dort Politik gemacht wird, sei nun endgültig aus mir ausgewandert. Europa verlangt Zurückhaltung, wenn nicht Selbstverzicht von allen. Nur so wird die zweite Gründung Europas gelingen. Die Europäische Union ist, so sehe ich es, unvollendet und voller Widersprüche, so wie die Globalisierung. Europa ist immer wieder neu das Projekt seiner Jugend. Es wird getragen von der nie versiegenden Kraft der Wiedergeburt der Welt, die auch die Corona-Pandemie überdauert, wie viele Jahre lang

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ihre tektonischen Wellen und indirekten Auswirkungen sich auch hinziehen werden. Erstaunlicherweise hat die existenzbedrohende Krise, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöst hat, den Zusammenhalt in der EU mehr gestärkt und die EU auf eine strategische Ausrichtung gehoben, als alle vorherigen Krisen zusammen. Kinder des Wohlstands (Kühnhardt 1981a), Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993), Revolutionszeiten (Kühnhardt 1994), Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a), European Union – The Second Founding (Kühnhardt 2008) und Das politische Denken der Europäischen Union (Kühnhardt 2022b) markieren Eckpunkte meines Ringens mit Europas politischer Gestalt und den Antriebskräften, die Europas Krisen entgegenwirken. Meine Bücher sind Frucht meiner Forschung. Sie waren dabei immer wieder Zwischenetappen meines Denkens. Meiner Werkstatt entsprangen kontinuierlich anlassbezogene Aufsätze und Essays. Sie finden sich gebündelt und aufgehoben in Wege in die Demokratie (Kühnhardt 1992b), Mitten im Umbruch (Kühnhardt 1995), Beyond divisions and after (Kühnhardt 1996b), Von Deutschland nach Europa (Kühnhardt 2000), Constituting Europe (Kühnhardt 2003), Erweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005), Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (Kühnhardt 2010b), Identität und Weltfähigkeit (Kühnhardt 2020a) und Zwischen den Zeiten (Kühnhardt 2024). Dialogisch angelegt sind weitere Bücher, die ich allein oder mit Kollegen herausgegeben oder als Co-Autor mitverfasst habe. Ich bezog immer wieder guten Nektar aus der Lebenspraxis, aus Gesprächen und Begegnungen. Im Studium vertiefte ich sie wieder und wieder. Bücher waren und sind mir stets wertvolle Lebensbegleiter. Drei Instrumente haben sich im Laufe meiner Wege am wirkungsvollsten und beständigsten erwiesen. Ich habe sie aus eigener Kraft aktiviert oder dort, wo sie mir vertrauensvoll übertragen wurden, bestmöglich auszugestalten versucht: 1. Handeln und Gestalten: Ich habe mich nicht nach vorne gedrängt und wollte doch, dass meine Ideen oder Erkenntnisse Form annehmen, Gehör finden und weiterwirken. Es muss die Aversion gegen den nationalsozialistischen und den kommunistischen Totalitarismus gewesen sein, dass mir wichtiger war, bestimmte Dinge pragmatisch anzugehen anstatt monolithische Ideen ohne Wenn und Aber zum Ziel meines Gestaltungswillens zu erheben. Ich hege ungebrochen eine Aversion gegen moralische Selbstermächtigungen. Selbstgerechtigkeit und Selbstbetrug liegen dicht beieinander. Ich bin natürlich auch nicht frei von diesem Virus. Dennoch ist mir immer wieder neu die ehrliche und abwägende Analyse von Voraussetzungen einer Sache oder einer Idee am Wichtigsten gewesen und geblieben. So wollte ich der deutschen Neigung zum Moralisieren und Besserwissen entgegenwirken. Als Gymnasiast wollte ich, dass die Schule, in die ich ging, als erstes der Bildung diente und nicht Experimentierfeld politischer Ideologien war. Daher gründete ich mit einigen Mitschülern 1973 die Schüler Union und wirkte zeitweise als Schülersprecher meines Gymnasiums. Daher führte mich in der Mitte der 70er-Jahre der Weg in die Junge Union und in

1.1  Themenkreise und Instrumente

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die CDU. Es ging mir um Ideen und nie um Posten. Als diese beiden politischen Gruppierungen, die zu meiner Jugendzeit gehört hatten wie die Luft zum Atmen, ihr Profil und damit ihre Autorität für mich verloren, trat ich folgerichtig wieder aus: 1980 war ich gegen die Kanzlerkandidatur von Franz-Josef Strauß und verließ Junge Union und CDU wieder. 2005 war ich gegen die Große Koalition von Angela Merkel und verließ die CDU im Jahr darauf erneut und endgültig, in die ich zwischenzeitlich wegen Helmut Kohls Europapolitik wieder eingetreten war. Über mehrere Jahrzehnte hinweg lehnte ich verschiedentlich Angebote ab, die in die Richtung einer politischen Karriere hätten führen können. Ich fühlte mich durchaus nützlich in einigen angesehenen Kommissionen und Arbeitskreisen, aber ein Leben als Funktionär in Gremien wollte ich niemals führen. Einmal, 2001, stand ich sogar als möglicher Ministerkandidat im Straßenwahlkampf bei Wahlkampfveranstaltungen in RheinlandPfalz. Die Erfahrung war enorm wichtig und ich weiß diejenigen zu schätzen, die der deutschen Demokratie immer wieder neu diese Art von praktisch-politischem aktiven Dienst leisten. Loyalität zu meinen eigenen Überzeugungen und die Unterordnung unter kollektiv organisierten Machtstrukturen blieben für mich persönlich allerdings immer zwei schwer miteinander zu vereinbarende Sphären. Ich verstand natürlich die Wechselwirkungen von persönlichen Ideen und kollektiven Formen ihrer Umsetzung. Aber für meinen eigenen Lebensweg war es undenkbar, Parteisoldat zu werden. Die Zivildienstzeit in der Flüchtlingshilfe war gleichermaßen von freiem Geist geprägt: Mir ging es um diesen konkreten Dienst und nicht um die Wehrdienstverweigerung als politisch-ideologische Systemfrage (Kühnhardt 1981b). Das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) wurde schließlich der dauerhafte berufliche Rahmen, um in pragmatischer Weise ein breites Feld europawissenschaftlicher Forschung voranzutreiben. Ich versuchte stets dort mit meinen Fragestellungen anzufangen, wo bestehende Antworten unzureichend geblieben waren. Damit konnte ich der Europapolitik kraft intellektueller Zu- und gelegentlicher Vorarbeit mehr dienen als durch Gremienarbeit und politische Posten. Wissenschaftliche Ergebnisse, so ist in mir aus Erfahrung gereift, würden bleiben und wirken. Deutsche Politik, so setzte sich leider immer tiefer mein Eindruck fest, agiert demgegenüber immer mehr nur noch im Korrekturmodus vorheriger Entscheidungen. Sie schaut zwar nach vorne, aber wird doch vor allem von der Unzulänglichkeit ihrer eigenen früheren Entscheidungen getrieben. Das begründet einen Organisationsmechanismus, der mir fremd geblieben ist: Zu viele Gremiensitzungen und zu viele Wiederholungen des immer Gleichen, bis alles von allen gesagt worden ist. Zu viele Rituale und eitle Pfauenkämpfe. Zu wenig klare Entscheidungen. Zu wenig Zeit fürs Grundsätzliche und die Vorausschau. 2. Beraten: Ideen entwickeln und einige Schritte mehr als nötig nach vorne denken, darum geht es für den, der beraten möchte. Aber er muss auch jemanden finden, der sich beraten lassen will. Ich wurde immer wieder von Zweifeln überkommen, ob diejenigen, die handeln, sich wirklich beraten lassen wollen. Zugleich aber durfte ich auch gute Erfahrungen machen und erleben, wie Ideen, die ich entwickelt hatte, in die Wirklichkeit überführt wurden. Dazu bedarf es einer wirkungsvollen Symbiose

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1 Anläufe

zwischen Ratgeber und Akteur. Nirgendwo hätte ich eine bessere Schule für den Nutzen dieser Sichtweise finden können als bei Bundespräsident Richard von Weizsäcker (1987–1989). Nie war er einfach, aber gerade dadurch hat von Weizsäcker mich ein Leben lang geprägt und mit den Verhaltensweisen ausgestattet, die ich in seinem engsten Mitarbeiterstab lernen konnte, einschließlich Selbstdisziplin, Verzicht und überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz. Varianten des Beratens ergriff ich später mehrfach gerne, für den Generalsekretär des Europarates und für den Präsidenten des Europäischen Parlaments, für den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, für den Präsidenten des Landtags von Sachsen und für das Parlament der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Im vorpolitischen Raum bleibt Beratungsarbeit immer etwas Besonderes. Dort ist sie weniger berechnend als in Institutionen der Politik und überdies mit schönen gesellschaftlichen Begegnungen verbunden. So erlebte ich es bei der Königswinter-Konferenz und der AtlantikBrücke, bei der Deutschen Bischofskonferenz und der Körber-Stiftung, bei der Europe-Asia-Foundation und der European Humanities University. Meine Interessen und meine Neugier, aber offensichtlich auch das Interesse anderer an meinen Einschätzungen, deckte ein breites Spektrum von Beratungsaufgaben ab. 3. Ausbilden und Weitergeben: Wie im Brennglas verdichteten sich die verschiedenen Impulse und Strahlungen meiner Forschung, meines Handelns und Beratens in den vielfältigen Aufgaben als Hochschullehrer zwischen 1985 und 2024. Das hieß an erster Stelle Vorlesungen, Seminare und Kolloquien, dazu Gutachten sowie persönliche Beratungen und Sprechstunden. Dazu kam die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden sowie von ungezählten Magister-, Bachelor- und Masterarbeiten an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn. Ich begleitete die Fellows und später die Alumni des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) und Studierende aus aller Welt bei Gastprofessuren und Forschungsaufenthalten in aller Welt: Zweimal am St. Antony’s College in Oxford, am Europakolleg Brügge und an der Universität Kapstadt, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und (bald schon 30 Jahre lang) an der Katholischen Universität Mailand, am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien und an der Al-Farabi Nationaluniversität von Almaty, am Dartmouth College und an der Stanford University, (bald schon 25 Jahre lang) an der Diplomatischen Akademie Wien und am Woodrow Wilson Center for Scholars in Washington D.C., an der Seoul National University und (bald schon 20 Jahre lang) an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies in Malta, an der Canterbury University im neuseeländischen Christchurch, an der Tongji University Shanghai und an der Universität des brasilianischen Bundesstaates Santa Catarina in Florianópolis. Dort erwischte mich 2020 die Corona-Pandemie. Altmodisch, so hoffe ich, könnte man vom Weg eines Erziehers sprechen, der sich in diesen kurzen Stichworten entfaltet hat. Ich würde mich freuen, wenn manche sogar die Auffassung gewinnen könnten, ich sei ein Aufklärer. Wichtig blieb mir immer der

1.2  Herkunft und Prägung

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Merkspruch, den ich seit früher Studentenzeit dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard zugeschrieben habe: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein.“1 Ich wollte verstehen, wie etwas geworden ist, weil ich überzeugt war, dass wir aus der Geschichte lernen können. Oder ich wollte projizieren, was werden könnte, wenn man meiner Meinung nach zu behäbig darauf wartete, dass die Zukunft einfach auf uns zukommen würde. In beiden Fällen versuchte ich, so gut es ging, ein unbestechliches Urteil zu fällen.

1.2 Herkunft und Prägung „Vor dem Sturm“, so empfand Elisabeth Noelle-Neumann das Jahr 1958 (NoelleNeumann 2008). Die bis ins 94. Lebensjahr aus wachen Augen enormen Lebenswillen versprühende Gründerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, der ich mehrfach begegnet bin, bilanzierte 2008 in einem schönen Zeitungsartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unter diesem Titel das Ende der „Gründerjahre“. Bis dahin waren die Adenauer-Jahre, so schrieb sie, „eine außerordentlich aufregende Zeit, geprägt von einer rasant fortschreitenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik“. Dann 1958, eine „Atempause“. Die am 25. März 1957 unterzeichneten Römischen Verträge traten am 1. Januar 1958 in Kraft, die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) unter Walter Hallstein nahm in Brüssel ihre Arbeit auf. In Frankreich scheiterte 1958 die Vierte Republik. General Charles de Gaulle übernahm die Macht. Am 28. Oktober 1958 trat Papst Johannes XXIII. sein Pontifikat als 261. Bischof von Rom an. Die USA und Großbritannien versuchten, mit Militärinterventionen in Libanon und in Jordanien ihre Macht im Nahen Osten zu stärken. Der Staats- und Parteichef der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, forderte im November die Westmächte ultimativ auf, die Westsektoren Berlins zu verlassen. In der deutschen Innenpolitik, so erinnerte sich Elisabeth Noelle-Neumann, standen die Themen Wiederbewaffnung und Atomwaffenstationierung an der Spitze der Kontroversen. Im Deutschen Bundestag sprach erstmals Helmut Schmidt, dem spätestens seither das Attribut „Schmidt-Schnauze“ anhaftete. Die Grundfragen waren für die Westdeutschen entschieden: Westbindung und Grundgesetz. 1958 stand Konrad Adenauer im Zenit der Macht. Im September 1957 hatte er erstmals und das einzige Mal mit seiner CDU die absolute Mehrheit bei einer Bundestagswahl gewonnen. Im Oktober 1958, so Noelle-Neumann, „zog Adenauer an Bismarck vorbei“ bei der Frage von Allensbach nach den großen Deutschen. Erstmals sahen die Deutschen Adenauer als großen Staatsmann. Im Verhältnis Deutschland-Frankreich brachte 1958 einen Wendepunkt. Erstmals glauben mehr Deutsche, dass Frankreich 1 Auf

der Suche nach einer genauen Fundstelle dieses so einprägsamen Satzes belehrte mich der Direktor des Søren Kierkegaard Research Centre an der Universität Kopenhagen, Joakim Garff, das Zitat finde sich nirgendwo wörtlich in den Schriften des Philosophen. Dem Sinn nach entspreche der Inhalt aber dem Denken Kierkegaards (E-Mail vom 21. August 2020).

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gewillt sei, mit Deutschland gut zusammenzuarbeiten: 36 % waren dieser Überzeugung, 16 % waren nicht von der guten Absicht des westlichen Nachbarn überzeugt. Elisabeth Noelle-Neumann schrieb: „Der Aufbau eines soliden Vertrauens in den früheren Kriegsgegner in so kurzer Zeit gehört wahrscheinlich zu den größten politischen Leistungen des zwanzigsten Jahrhunderts.“ Wirtschaftlich ging es unter dem Banner „Wohlstand für alle“ deutlich voran: Im Sommer 1958 verfügten 19 % der Westdeutschen über eine Waschmaschine. Die Hälfte der Bevölkerung trank täglich Bohnenkaffee, immer häufiger unter Verwendung von Dosenmilch. 36 % planten eine Urlaubsreise, mehr als die Hälfte davon per Eisenbahn. Jeder Vierte fuhr mit dem eigenen Auto in die Ferien, überwiegend im Inland. Jeder Vierte fuhr aber schon ins Ausland, vorzugsweise nach Italien. Im Wohnzimmer, so beobachtete Elisabeth Noelle-Neumann, „bahnte sich eine Revolution an“: Zwar ging die Mehrheit mindestens einmal im Monat ins Kino, aber bereits 12 % besaßen 1958 ein eigenes Fernsehgerät. Und: Die Hälfte hatte sich unterdessen für ein Bauhaus-Wohnzimmer entschieden. Nur noch 48 % bevorzugten ein traditionelles bürgerliches Wohnzimmer. Ende 1958 sahen 53 % der Westdeutschen dem Jahr 1959 mit Hoffnung entgegen. So gut hatten sich die Deutschen noch nie gefühlt, so Noelle-Neumann, nicht einmal beim nostalgischen Rückblick auf die Zeit vor 1914. 1958 war „die erste Phase der Bewältigung der unmittelbaren Kriegsfolgen abgeschlossen“. Neun Millionen Flüchtlinge hatten integriert werden müssen. 1958 waren sie in „ihren Meinungen und Verhaltensweisen kaum noch von der einheimischen Bevölkerung unterschieden“. Seit 1959 verschwand die Frage nach dem Trennenden zwischen Einheimischen und Flüchtlingen aus den Allensbach-Fragebögen. Wer 1958 30 Jahre alt war, hatte die Diktatur von Anfang an erlebt: „Die Erinnerung war allgegenwärtig, auch im Alltag.“ Aber auch dies: Die 1968er Beben kündigten sich an, so Noelle-Neumann, denn die Werte der Jüngeren begannen sich zu verschieben. Die Zeit des Rock’n-Roll hatte begonnen. 1956 war erstmals das Wort „Halbstarke“ verwendet worden. 1958 musste ein Konzert von Bill Hailey in Berlin abgesagt werden, weil es vorher eine Saalschlacht gegeben hatte. Ich war weder halbstark noch später ein „68er“, sondern schon durch meine Geburt am 4. Juni 1958 zwischen allen Stühlen platziert. Für den Sturm, der bald kam, war ich zunächst zu jung, um mitzumarschieren, und für die Verklärung der Vorkriegszeit Gott sei Dank zu spät geboren, um darauf hereinzufallen. Später übernahm ich natürlich und fast unweigerlich manches 68er Sekundärverhalten. Die gegen das System, in das ich hineingeboren worden war, gerichtete Primärideologie der „68er“ aber blieb mir immer fremd. Zugleich interessierte mich beim Blick zurück mehr das, was wirklich gewesen war und nicht das, was man zum Stoff neuer Ideologiebildungen verwenden konnte. Ich wurde als Mensch Nr. 2.921.700.855 in diese Welt hinein geboren (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung 2022). Zum Zeitpunkt meiner Geburt am 4. Juni 1958 in der Universitätsklinik Münster wurden gerade die ersten frischen Erdbeeren der Saison verkauft. Mein Großvater brachte sie ans Wochenbett zu meiner Mutter. Meine Kindheit in Münster und dann die Schulzeit im westfälischen Bergbaustädtchen Ibbenbüren

1.2  Herkunft und Prägung

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waren sorglos. Als ich meinem Urgroßvater Heinrich Windau zum 85. Geburtstag 1960 auf seinem großen westfälischen Hof erste Sentenzen aus Max und Moritz aufsagte, meinte er trocken, der Junge werde mal Professor. Über die langen Herkunftslinien meiner Familie in Westfalen und in Schlesien verfasste ich viele Jahrzehnte später eine kleine private Chronik. Väterlicherseits führen die Wurzeln im 16. Jahrhundert von Schlesien aus ins heutige südöstliche Polen (damals „Kleinpolen“ und später, zur Zeit der polnischen Teilungen, habsburgisch besetztes Galizien) und im 18. Jahrhundert nach Norditalien. Vereinzelt waren Angehörige im 19. und frühen 20. Jahrhundert in die USA ausgewandert. Zu ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln halten wir bis heute lose Verbindung. Mütterlicherseits reichen die westfälischen Wurzeln ins 17., vereinzelt bis ins 13. Jahrhundert zurück. Querverbindungen führten einige meiner Vorfahren davor bis nach Kurland im Baltikum und, noch viel früher, möglicherweise ins jüdische Rheinland (Kühnhardt 2020b). Lesen lernte ich als Kind anhand der elterlichen Tageszeitung bereits vor Eintritt in die St. Mauritius-Grundschule. Als Messdiener lernte ich lateinische Kirchengebete und verinnerlichte die Rituale meiner römisch-katholischen Kirche durch diesen Dienst am Altar bis kurz vor dem Abitur. Mein aus Schlesien geflohener Großvater Peter Kühnhardt, der 1940 unseren Familiennamen Kusznierz germanisiert hatte, zeigte mir das Überseemuseum in Bremen und den gewaltigen Freihafen der Hansestadt. Das muss mein Fernweh aktiviert haben. Mein Großvater mütterlicherseits, Franz Hoffmann, als Nicht-Nazi sofort nach Kriegsbeginn 1939 zur Wehrmacht eingezogen und erst 1950 den russischen Gefangenenlagern entkommen, sprach mit mir über Politik und Zeitgeschichte. Zum zehnten Geburtstag schenkten er und meine Großmutter Elisabeth Hoffmann, geborene Windau, mir einen schönen Weltatlas, der mich bis heute begleitet. Mein Vater Gerhard war Arzt geworden, nachdem ihm 1945/46 der tschechische Förster Oswald Rerych und seine Frau als sowjetischem Kriegsgefangenem das Leben gerettet und ihn in ihrem Forsthaus südlich von Prag wie den eigenen Sohn behandelt hatten. Mein Vater half, wo er nur konnte, unzähligen Menschen mit ophthalmologischer Diagnose und Therapie bei uns in Deutschland und über mehr als zwei Jahrzehnte in Tansania. Meine Mutter Irmgard hatte als junge Frau ihre Traumwelt auf Norderney gefunden, wo sie zur Kindergärtnerin ausgebildet wurde. Der Jugendtraum blieb ein Leben lang in ihr lebendig. Ebenso wie die Kriegsängste, die seit düsteren Nächten in Luftschutzkellern in Nordhorn, dicht an der holländischen Grenze, in ihr tobten. Die Sorge um den Menschen leitete meine Eltern ein Leben lang. Salus aegroti suprema lex überschrieb mein Vater 2008 seine Lebenserinnerungen (Kühnhardt, Gerhard 2008). Das Heil der Kranken war ihm oberstes Gesetz. Irgendwann gefiel es mir, nicht nur viel zu lesen, sondern selbst auch zu schreiben. Mein erster kleiner Zeitungsartikel wurde 1970 in der „Ibbenbürener Volkszeitung“ veröffentlicht. Deren Chefredakteur Aloys Veismann, war mit meinen Eltern befreundet und mir wohlgesonnen. Er blieb mein erster journalistischer Lehrer bis zu meinem Abitur 1977. Ein buntes Potpourri von 130 Artikeln, zumeist über lokale Ereignisse, entstand in dieser Zeit. Ich nahm lieber Pressetermine wahr, die Veismann mir zuschob, als

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­ chulstunden. Mit Ach und Krach hielt ich die Schule durch bis zum Abitur. Auf dem S Fahrradrücksitz meiner Großmutter Elisabeth Hoffmann hatte ich 1960 erstmals von Nordhorn aus die deutsch-holländische Grenze bei Denekamp überschritten. Zur Schulzeit folgten Reisen mit meinen Eltern in die Schweiz, nach Großbritannien und Irland, in die Tschechoslowakei und nach Polen, sowie schließlich von dort durch die DDR und nach Berlin. Klassenfahrten führten mich nach Holland und Frankreich. Ich legte mir selbstgefällige Gedanken zur Welt zurecht. In schülerhaft-stümpernen Briefen und in überheblichem Ton legte ich mich mit Bundeskanzler Willy Brandt über dessen Ostpolitik an. Ich dachte mir in jugendlichem Größenwahn, so wie mein Vater einzelnen Menschen helfen könne, so könne ich mit der Verschriftlichung von meinen Ideen der Menschheit insgesamt helfen. Aus Anmaßung wurde Gott sei Dank Einsicht, aus naivem Idealismus gezügelte Analyse, aus Selbstgerechtigkeit Differenzierung und aus Überheblichkeit gegenüber anderen Menschen Zurückhaltung im Urteil über sie und ihre Sichtweisen. Nichts davon schreibe ich mir selbst zu. Es liegt vielmehr in der Natur des menschlichen Lebens, dass bessere Einsichten glücklicherweise immer möglich und vernünftige Veränderungen des eigenen Verhaltens immer nötig bleiben.

1.3 Wege und Nichtwege 1976 entwaffnete mich Georg Klüppel, der Rektor meines Goethe-Gymnasiums in Ibbenbüren, in meiner damaligen pubertären Überheblichkeit. Ich solle doch wenige Monate vor Beginn der Abiturprüfungen die Schule verlassen und mich ganz dem Journalismus in der Ortszeitung hingeben. Es würde mir Spaß machen zu sehen, wie die anderen sich quälten, während ich das tat, wozu ich mich scheinbar berufen fühlte. Ich legte natürlich die Abiturprüfung ab. Das Glück blieb mir dennoch treu. 1977 wurde ich als einer von 15 Teilnehmern aus über 1000 Bewerbern ausgewählt und absolvierte eine Redakteursausbildung in der 16. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule in München. Der Weg in den Journalismus öffnete sich endgültig. Luitpold Dorn, der Leiter des „Centrum Informationis Catholicum“ (CIC), des Zusammenschlusses der katholischen Nachrichtenagenturen der deutschsprachigen Länder, bot mir eine Redakteursstelle in Rom an. Ich hatte Luitpold Dorn, einen Freund meines Vaters, am 25. März 1978 zu einem Gespräch in Rom aufgesucht. Am 17. Mai 1979 kam per Post sein Angebot für eine journalistische Aufgabe in Rom. Ich hielt mich gerade in Südasien auf und war eine gute Weile hin- und hergerissen zwischen dem direkten Weg in die Ewige Stadt, in die irgendwie doch alle Wege führen, und einem unplanbaren Leben als freiberuflicher Journalist mit Fokus auf Fragen der Dritten Welt. Studieren, so meinte ich bis 1979 in einem Rausch von Selbstüberschätzung, müsse ich nicht. Akademisches Leben sei altbacken, steril, ritualisiert, empfand ich. Ich fühlte mich geschmeichelt, als fester freier Mitarbeiter der damals zweitgrößten deutschen Wochenzeitung „Deutsche Zeitung/Christ und Welt“ in Bonn bundesweit publiziert zu werden. Bald würde ich nur noch als das ehemalige Nachwuchstalent firmieren,

1.3  Wege und Nichtwege

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provozierte mich der Chefredakteur Ludolf Herrmann. Ich solle unbedingt studieren. An der Bonner Universität gebe es schließlich genug kluge Köpfe. Dann und erst dann würde ich es verdienen, weiter in der „Deutschen Zeitung/Christ und Welt“ publizieren zu dürfen. Natürlich begann ich zu studieren. Ob ich nicht promovieren wolle, fragte mich 1982 entwaffnend Karl Dietrich Bracher, der Doyen der Zeitgeschichtsschreibung in Deutschland. Ich legte ihm ein Dissertationskonzept vor zur Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Bracher ordnete das Thema sogleich in die Denkfiguren von Geschichte und Gewalt ein, die ihn bewegten. In den Archiven des Völkerbundes und in der Bibliothek der Vereinten Nationen in Genf begriff ich, dass Tiefgang der Forschung mir mehr bedeutete als die effektvolle, aber flüchtige journalistische Überschrift. Schließlich wurde ich an der Universität Bonn promoviert und freute mich plötzlich auf Postdoc-Studien in Tokyo. Von Tokyo aus war ich Ende 1983 auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch, um als Mitarbeiter einer Stiftung in einem südamerikanischen Entwicklungsprojekt anzuheuern. Zufällig lief mein Doktorvater Karl Dietrich Bracher mir über den Weg. Ich murmelte etwas von der Entwicklungshilfeperspektive und erzählte ihm von einem alternativen Angebot für eine weitere Postdoc-Stelle an der Harvard University. Ich solle doch unbedingt nach Harvard gehen, riet er sofort. Auch er habe dort entscheidende Impulse in jungen Jahren empfangen. Alle anderen Versuchungen einer raschen praktischen Karriere würden nicht weglaufen. Ich ging natürlich nach Harvard. Dort erreichte mich die Einladung von Karl Dietrich Bracher, als wissenschaftlicher Assistent an seinem Bonner Lehrstuhl zu habilitieren. Ich kehrte im Spätsommer 1985 in die damalige Bundeshauptstadt zurück. Nach meiner Habilitation im Fach Politische Wissenschaft mit einer Venia Legendi für das Fach in seiner ganzen Breite bat mich 1987 Bundespräsident Richard von Weizsäcker für zweieinhalb Jahre in seinen engsten Mitarbeiterstab. Nach einer unsagbar lehrreichen Zeit als „Redenschreiber“ – eine Aufgabe und Funktion, die es eigentlich gar nicht gab – im engsten Mitarbeiterstab des Bundespräsidenten fragte mich im November 1988 der von mir hochgeschätzte Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, ob ich nicht Leiter seiner Planungsabteilung werden wolle. Der Weg in die hohe Ministerialbürokratie zeichnete sich ab. Ich quälte mich eine Weile mit dem Angebot, das natürlich perspektivreich war. Am Ende entschied ich mich dafür, meine Zusage gegenüber Bundespräsident von Weizsäcker einzuhalten und mich nach dem Ende der vereinbarten Zeit beim Bundespräsidenten einer akademischen Resozialisation in Oxford zu unterziehen, um meinen wissenschaftlichen Faden wiederaufzunehmen. Wie würde es aber dann weitergehen? Ich hatte das Privileg, dass während der Zeit im Bundespräsidialamt viele Gesprächspartner vorbeischauten. Aufgrund des Amtes, in dem mein Schreibtisch stand, wusste ich häufig nie so recht, was sie im Letzten wirklich zu mir führte. Am 6. Dezember 1988 suchte mich der Politikwissenschaftler Dieter Oberndörfer aus Freiburg auf. Zu meiner Überraschung fragte er mich direkt und unverblümt, ob ich mir vorstellen könnte, mich zu gegebener Zeit um die Nachfolge von Wilhelm Hennis an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zu bewerben. Ich musste mich ins Knie kneifen, um zu merken, dass

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das Gespräch real war. Danach herrschte längere Funkstille. Erst im Februar 1990 meldete sich Oberndörfer wieder. Nun sei der Zeitpunkt der Bewerbung gekommen. Für den 9. Juli 1990 wurde ich zu einem Probevortrag in die Aula der Freiburger Universität eingeladen. Schlimmer als die Intrigen unter den Arrivierten sind für den Nachwuchs die Wartezeiten, um in der Wissenschaft Fuß zu fassen. Es dauerte und dauerte. Am 4. Juni 1991, an meinem 33. Geburtstag, unterschrieb Klaus von Trotha, der Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg, den Brief, mit dem er mir den Ruf auf die Professur für Wissenschaftliche Politik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg erteilte. Am 1. Oktober 1991 trat ich mein Freiburger Professorenamt an. 1996 fragte mich Hans-Peter Schwarz – Brachers Nachfolger in Bonn, dem ich verbunden war, seitdem er mich von Oxford 1990/91 zwischenzeitlich nach Bonn geholt hatte, um seinen Lehrstuhl zu vertreten, während er den dicken zweiten Band der Biografie über Konrad Adenauer verfasste – nach meinen langfristigen Plänen. Ob ich mir vorstellen könne, noch einmal nach Bonn zu kommen. Dort beginne der Umbau der Universität im Zuge des Beschlusses über den Umzug der Regierung nach Berlin. Kultursoziologisch angelegte Politikwissenschaft mit Empathie für die europäische Einigung und Kenntnis über Akteure und Prozesse der praktischen Politik – das sei eine seltene Kombination von Expertisen, die ich mir unterdessen angeeignet habe. Bonn würde in der Zeit des Umbaus sehr von diesen Perspektiven profitieren. Ich zögerte. Wäre es nicht verhängnisvoll, zweimal in den gleichen Brunnen zu steigen und nach Bonn zurückzukehren? Erfahrene Kollegen warnten mich vor den Unberechenbarkeiten des unvollständig entwickelten Konzeptes und, fast noch schlimmer, des Bonner Universitätsmilieus. Andererseits reizte mich der Aufbruch, der Aufbau, das Neue. Europa beschäftigte mich längst mehr als Deutschland. Als auch noch der Bonner Rektor Max Huber drängte, ein von mir hochgeschätzter Physiker, warf ich meinen Hut in den Ring. Am 14. Januar 1997 wurde ich zu einem Probevortrag und einer Aussprache über meine ganz eigenen Pläne für das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) in den Senatssaal der Bonner Universität gebeten. Mich ehrte, dass, wie ich später hörte, die renommierten Professoren William Wallace aus Oxford, Marek Siemek aus Warschau, und Rudolf Hrbek aus Tübingen zustimmende auswärtige Gutachten schrieben. Glücklicherweise erfuhr ich nie, was sonst noch so alles zwischen Bonn und Düsseldorf gesprochen wurde. Am 4. Juni 1997, meinem 39. Geburtstag, unterschrieb Anke Brunn, die Wissenschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, den Brief, mit dem sie mir den Ruf auf die Professur und Direktorenstelle am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn erteilte. Am 1. Oktober 1997 trat ich mein Bonner Professorenamt an. Bei der ersten Mitarbeiterbesprechung schrieb mein Doktorand und geschätzter Mitarbeiter der nun beginnenden Bonner Aufbaujahre, Andreas Beierwaltes, ein pointiertes Motto ins Gästebuch: „ZEI fängt an, wo andere aufhören.“ Ich präzisierte sogleich: Gerne wollte ich mit meinem Team Fragestellungen aufgreifen, die andere vielleicht noch nicht in aller Deutlichkeit sahen.

1.3  Wege und Nichtwege

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Im Rückblick wird vieles folgerichtig, was mitten im Getümmel des Lebens unscharf erscheint. Dass ich über mehr als drei Jahrzehnte den beiden Traditionsuniversitäten in Freiburg und Bonn die Treue hielt, hatte weniger mit meiner Weitsicht als mit der Kraft zur Erdung zu tun, die diesen beiden Städten eigen ist. Mit der Wirkung eines Magneten hielten sie mich fest, stießen mich aber auch kontinuierlich wieder ab. So konnte ich ununterbrochen neue Inspirationen und Einsichten außerhalb von Freiburg und Bonn gewinnen, allein, um wenig später wieder von dort angezogen zu werden. Mir blieb durch dieses überaus privilegierte Berufsmodell genug Luft, um frei zu atmen und immer wieder neue intellektuelle Horizonte in aller Welt zu suchen. Mir wurde vergönnt, nach Themen zu leben und nicht nach vorgegebenen Strukturen, nach selbst gesetzten Inhalten und nicht nach Erwartungen Dritter. Ich hatte mir als junger Mensch nur unbeholfen träumen lassen, was mir später faktisch über Jahrzehnte vergönnt war. Erst richtig klar wurde mir die Größe dieses Glücks, als ich mir darüber Auskunft gab, was alles mir erspart geblieben war. Wäre ich vorgegebenen Mustern beruflicher Entwicklung und personalisierter Karriere gefolgt, so wären das Fragmentierte und das Fragmentarische ganz gewiss meine Dauerbegleiter geblieben. Es hätte mich, ich erwähnte es bereits, dauerhaft und einseitig in den Journalismus verschlagen können, in die Politik oder in die Ministerialbürokratie. Manchmal dachte ich mich in diese Sphären hinein, weil kein Lebensweg ohne Enttäuschungen ist. In solchen Situationen meint man, Enttäuschungen nur mit Wunschträumen lindern zu können. Am Ende aber kam es für mich nicht zur Verwirklichung von Wunschträumen, weil ich es im Grunde nie anders gewollt hatte, wie es faktisch gekommen ist. Weil ich ansonsten abhängig geworden wäre von den Inhalten und Themen anderer. Weil ich auf anderen Wegen nicht frei und eigenverantwortlich geblieben wäre. Es hätte mich auch in das politiknahe Wissenschaftsmanagement führen können. 1994 bereits wurde bei mir angefragt, ob ich mir vorstellen könne, Rektor der Universität Erfurt zu werden. Gespräche wurden angesetzt, bis hin beim Ministerpräsidenten von Thüringen. Ein Jahr später zerschlugen sich die Vorstellungen anderer über meinen Lebensweg. 1995 bat mich Alexander Fischer vier Tage vor seinem Tod, ihm als Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden nachzufolgen. Über seinem offenen Grab diskutierte ich mit dem zuständigen sächsischen Minister, dass ich mich diesem Wunsch des geschätzten Verstorbenen beugen, aber die Aufgabe nur akzeptieren wolle, wenn ihr ein ordentliches Berufungsverfahren vorausgehen würde. In dessen Verlauf ging der Kelch an mir vorüber. 1996 fädelte der von mir sehr bewunderte Konrad Schily verschiedene Wege ein, um mich als seinen Nachfolger an der Spitze der Universität Witten-Herdecke zu installieren. Auch dieser Kelch ging am Ende an mir vorüber. Ebenfalls 1996 wurde ich angesprochen, ob ich für die Konrad-Adenauer-Stiftung deren Büro in Washington leiten wolle. Ich war wohl vor allem Bauer im Schachspiel einer Intrige in dieser Stiftung und hörte später glücklicherweise nichts mehr in der Sache. 1997 trat der Chef des Bundeskanzleramtes an mich heran. Man favorisierte mich dort als Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Gespräche, Gemunkel, ein weiterer Kelch ging an mir vorüber. 2001 hörte ich, als

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­ öglicher Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige m Politik gehandelt zu werden. Es ist immer gut, wenn die Ohren größer sind als die Liste eigener Wünsche. 2003 sprach eine britische Headhunter-Firma mich an, ob ich für das Amt des Gründungsrektors der Universität Luxemburg zur Verfügung stehen würde. Am lebhaftesten ist mir in Erinnerung, dass ich bei einem Treffen mit Luxemburger Verantwortlichen in einem Aufzug in der Londoner Regent Street an einem der heißesten Tage des Jahrhunderts steckengeblieben bin. Glücklicherweise blieb nach weiteren fast konspirativen Treffen in Luxemburg und Berlin auch diese Anfrage stecken. Nicht gleich geschlagen gaben sich diejenigen, die aus zwei ganz unterschiedlichen Richtungen an meine Tür klopften. Zwischen 2003 und 2007 wurde mir mehrfach angetragen, mich als Rektor der deutschsprachigen Andrassy Universität in Budapest zur Verfügung zu stellen. Die Wege des Herrn sind offenbar unergründlich. So folgte diesem Ansinnen, dem ich hatte ausweichen können, prompt die Frage, ob ich als Kandidat für das Amt des Rektors der Katholischen Universität Eichstätt zur Verfügung stünde. Zwischen 2006 und 2009 lief eine Eichstätter Achterbahnfahrt ab, mit gutem Ausgang für mich: Ein weiterer Kelch ging an mir vorüber. Die beste Nachricht aus dem Kampfgetümmel: Der Vatikan erteilte mir, ganz ungebeten, aber freudig von mir aufgenommen, ein „nihil obstat“. Ich war also wenigstens unbedenklich katholisch. 2011 klingelte das Telefon aus Brüssel. Ob ich mir vorstellen könne, Direktor des in Paris ansässigen European Union Institute for Security Studies zu werden, wurde ich gefragt. 2014 folgte ein ähnlicher Anruf aus Washington. Diesmal ging es um die Leitung des Europa-Programms der Brookings Institution. Im Ergebnis ist mir klarer denn je, dass und warum es mir immer um Themen ging, auf die ich neugierig war, und nicht um Posten, für die andere mich verplanen wollten. Dies konstatiere ich auch beim dankbaren Rückblick auf die beiden unvoreingenommensten akademischen Würdigungen, die ich erhalten habe: 2005 erreichte mich ein Ruf an die Diplomatische Akademie Wien als Professor für Europäische Studien und 2006 ein Ruf an die Hongkong Baptist University als Head of Department for European and International Studies. Nicht jeder, der einen Ruf erhält, ist berufen und wer auswählen muss, muss sich entscheiden. Mir fiel es in beiden Fällen nicht leicht. Aber am Ende entschied ich mich inmitten einer Welt im Wandel für institutionelle Kontinuität. Fast zwei Jahrzehnte an der Universität Bonn würden folgen, war mir damals klar. Noch unklar war mir damals, wie viel wunderbar unterschiedliche thematische Akzente ich dort in diesen Jahren setzen konnte. Immer wieder konnte ich mich auf inhaltliche Neuanfänge konzentrieren. Formale Karrieresprünge ersetzte ich durch inhaltliche Gedankensprünge. So blieb ich frei und unbestechlich. Alle paar Jahre suchte ich in meiner wissenschaftlichen Tätigkeit neue Themen und Prioritäten. Der beständige Wechsel der Themen, mit denen ich mich auseinandergesetzt habe, blieb auf Dauer produktiver und befriedigender als ständiger institutioneller Neubeginn. Am Ende war es wohl genau diese Methode, die

1.3  Wege und Nichtwege

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mir zugewiesen worden war, als ich den Weg zu gehen begann, der mich seither geführt hat. Ich erkannte den Wert dieser methodischen Entscheidung erst im Rückblick richtig, als ich damit begann, die Wegmarken, die ich passiert hatte, für diesen Werkbericht zusammenzuführen. Abwechslung boten mir immer wieder ganz unterschiedliche Akteursflächen. In ihrer Breite mögen sie für manche, mit denen ich zusammentraf, unzusammenhängend und erklärungsbedürftig erscheinen:2 Die Beratungstätigkeiten, die ich fast immer ehrenamtlich übernahm, standen jedoch immer im logischen Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Grundfrage, die mich während dem Zeitraum gerade beschäftigte. Zumeist saß ich noch in irgendeinem Beratungsgremium, wenn ich in meinem wissenschaftlichen Denken und Handeln längst schon wieder zum Ufer neuer Themen aufgebrochen war. Die wissenschaftlichen Fragestellungen aber, die ich aufgriff, hingen im Letzten alle miteinander zusammen, bauten aufeinander auf und führten zueinander zurück. Dieser Werkbericht soll dabei helfen, die Dinge in Schriftform zusammenzufügen, die für mich gedanklich stets zusammengehört haben.

2 1985–1992:

Atlantik-Brücke e. V., Steuerungskomitee „Young Leaders Conference“; 1991–1994: Christlich Demokratische Union Deutschlands, Grundsatzkommission; 1991–1993: OstseeKommission „The Future of the Hanse Region“; 1994–1996: Hannah Arendt Institut, Wissenschaftlicher Beirat; 1995–2010: Hermann und Marianne Straniak Stiftung, Gutachtergremium für den Philosophiepreis der Stiftung; 1996–2003: Körber-Stiftung, Kuratorium des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten; 1997–2005: Deutsch-Britische „Königswinter Konferenz“, Steuerungskomitee; 1998–2000: Independent Commission on the Reform of the Institutions and Procedures of the European Union (ICRI); 1998–2003: Außenministerium von Lettland, Litauen, der Slowakei und Bulgarien sowie Europa-Ministerium von Kroatien, Beratung der jeweiligen Minister in Fragen der EU-Erweiterung; 1998–2009: Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle, Wissenschaftlicher Beirat; 1999–2004: Christlich Demokratische Union Deutschlands, Kommission für Europäische Fragen; 1999–2004: Europarat, Beratungskomitee des Generalsekretärs zu Fragen der europäischen Identität; 2001–2016: Deutsche Bischofskonferenz, Berater der Bischöflichen Arbeitsgruppe Europa; 2002–2006: Christlich Demokratische Union Deutschlands, Wertekommission; 2003- 2006: Bulgarian-Romanian Inter-Regional Europe Center (BRIE), Wissenschaftlicher Beirat; 2004–2014: Center for International Relations Warschau, Programmkommission; 2005–2011: Asia-Europe Foundation (Singapur), Beirat für Europastudien in Asien; 2007–2009: Europäisches Parlament, Beratung des Präsidenten des Europäischen Parlaments; seit 2009: Görres Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften e. V., Wissenschaftlicher Beirat; seit 2011: Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag, Kuratorium;  2011–2016: West Africa Institute (WAI), Wissenschaftlicher Beirat; 2014–2018: Official Monetary and Financial Institutions Forum (OMFIF), Internationaler Beirat; 2015–2019: European Humanities University Vilnius, Governing Board; 2016–2021: Deutsche Bischofskonferenz, Berater der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen; 2017–2020: Konrad-Adenauer-Stiftung, Beirat für Zeitgeschichte.

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1 Anläufe

1.4 Zwischenbilanz in Zahlen Erstaunt schaue ich 2023 auf die rein statistische Zwischenbilanz meiner bisherigen Anläufe: Etwas mehr als 1200 wissenschaftliche, journalistische und publizistische Veröffentlichungen in 25 Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Niederländisch, Polnisch, Japanisch, Chinesisch, Ungarisch, Finnisch, Russisch, Vietnamesisch, Portugiesisch, Rumänisch, Bulgarisch, Tschechisch, Türkisch, Estnisch, Koreanisch, Thai, Bahasa Indonesia, Isländisch, Slowakisch, Litauisch). Darunter sind 44 Monografien und Einzelveröffentlichungen sowie 28 Bücher als Co-Autor oder Mitherausgeber mit einer Auflage von knapp 130.000 Exemplaren. Neun dieser Bücher sind Sammelbände. Sie bewahren 225 meiner Aufsätze, Essays und Vorträge auf, die ich in 29 Ländern veröffentlicht oder, in einigen wenigen Fällen, vorgetragen habe.3 Weitere 85 Bände einer Schriftenreihe, die ich herausgegeben habe, wurden in 12.000 Exemplaren verkauft. Von meinen Büchern sind also insgesamt etwas mehr als 140.000 Exemplare vertrieben worden. Dazu kommen weit über 100.000 Downloads der E-Book-Versionen einiger meiner Bücher. Ich habe Vorträge in 101 Ländern gehalten.4 Studienaufenthalte und Feldforschungen habe ich in 235 Ländern und Territorien durchgeführt. Ich habe 100 Konferenzen und Workshops in 27 Ländern der Erde organisiert.5 Ich habe Drittmittel in Höhe mehrerer Millionen Euro eingeworben und verwaltet oder für gemeinsame Forschungsprojekte aktiviert. Am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) war ich über mehr als zwei Jahrzehnte mitverantwortlich

3 In

Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Vatikan, Malta, Großbritannien, Tschechien, Schweiz, Belgien, Österreich, Ungarn, Griechenland, Türkei, Kroatien, Litauen, Irland, Portugal, Spanien, Russland, China, Indonesien, Indien, Vereinigte Staaten von Amerika, Argentinien, Brasilien, Iran, Cabo Verde, Ägypten. 4  In Deutschland, Frankreich, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Republik Irland, Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Österreich, Finnland, Dänemark (und Grönland), Schweden, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Zypern, Malta, Litauen, Estland, Lettland, Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Mazedonien, Türkei, Serbien und Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Albanien, Vatikan, Schweiz, Norwegen, Island, Ukraine, Russland, Georgien, Republik Moldau, Vereinigte Staaten von Amerika, Argentinien, Uruguay, Brasilien, Paraguay, Chile, Kuba, Ecuador, Peru, Bolivien, Belize, Nicaragua, Guatemala, Costa Rica, Surinam, Trinidad und Tobago, St. Kitts and Nevis, Falklandinseln, St. Helena, Südafrika, Tunesien, Nigeria, The Gambia, Senegal, Cabo Verde, Liberia, Mali, Kamerun, Angola, Tschad, Mosambik, Ghana, Äthiopien, Madagaskar, Mayotte, Réunion, Mauritius, Botswana, Syrien, Jordanien, Kasachstan, Kirgisien, Mongolei, Iran, Indien, Bangladesch, Bhutan, China, Japan, Taiwan, Korea, Thailand, Philippinen, Indonesien, Neukaledonien, Vanuatu, Papua Neuguinea, Neuseeland, Fidschi. 5 In Deutschland, Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Ungarn, Russland, Belgien, Spanien, Irland, Frankreich, Bulgarien, Ukraine, Slowakei, Polen, Argentinien, Türkei, Luxemburg, Litauen, Kroatien, Rumänien, Griechenland, Albanien, Serbien und Montenegro, Österreich, Italien, Syrien, Jordanien, Cabo Verde.

Literatur

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für insgesamt über 500 Mitarbeiter und fast 700 Forschungsprojekte. Ich habe (bis zu meiner Emeritierung) 329 Lehrveranstaltungen in Freiburg und Bonn, Mailand, Wien und Malta sowie bei Gastprofessuren am Europakolleg Brügge, an der Universität Kapstadt, an der Universität Jena, an der Stanford University, am Dartmouth College in New Hampshire, an der Nationaluniversität von Korea in Seoul, am St. Antony’s College Oxford, an der Canterbury University in Christchurch und an der Tongji University in Shanghai, durchgeführt. Über 650 Alumni aus 125 Ländern der Erde sind aus den Studiengängen des ZEI hervorgegangen. An den Universitäten Freiburg und Bonn habe ich 31 Doktoranden und 2 Habilitanden sowie ungezählte Magister-, Master- und Bachelor-Studenten betreut. Diesen beiden Universitäten bin ich mehr als allen anderen Institutionen, an denen ich wirken konnte, dankbar für vielfältige Unterstützung, die mir Grundlagen sicherten und Freiräume schufen. Die Wege, die mir selber bereitet worden waren, werden längst von denen weitergegangen, die sich einstmals dazu entschlossen hatten, ihre Studien von mir begleiten zu lassen. Ihre Wege sind ebenso fragmentiert und fragmentarisch, wie ich es selber erlebt habe. Dennoch spannt sich ein roter Faden fort, den es bei aller Vielfalt und Exzentrizität immer wieder neu zu erkennen gilt: Erkenntnisfortschritt durch beständiges Gespräch zum Wohle des Menschen (Kühnhardt 2023). So könnte man jedenfalls den roten Faden benennen, der mich geleitet hat und den weiterzugeben mir am Herzen liegt. Universalität und Humanität, das wären die beiden wissenschaftlichen Begriffe, die ich wohl am liebsten lesen würde, sollte irgendjemand nichts Besseres zu tun haben als eine Überschrift über meine Bemühungen zu setzen. Die Methodik meiner Arbeit war mir stets ebenso wichtig wie ihre Zweckbestimmung: Nach Ursachen und Zusammenhängen zu fragen und immer dort weiterzufragen, wo andere schon gerne fertige Antworten geben und angeblich alles erklärende Theorien präsentieren.

Literatur Cats (Musical). 1981. Songtext: Momente des wahren Glücks. https://www.lyrix.at/t/cats-themomente-des-wahren-glucks-ea1. Zugegriffen: 4.Juni 2023. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Weltbevölkerung. https://www.dsw.org/weltbevoelke rung/?gclid=EAIaIQobChMIg7jN6M_J6QIVyIbVCh1Kpw5dEAAYASAAEgLZBfD_BwE. Zugegriffen: 4.Juni 2023. Kühnhardt, Gerhard. 2008. Salus aegroti suprema lex – Dem Heil des Kranken verpflichtet. Lebenserinnerungen eines Arztes. Ibbenbüren: Privatdruck. Kühnhardt, Ludger. 1977. Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven. München: Günter Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger. 1982. The land of 500,000 villages. Stories from rural India. Trichur: St. Joseph’s I.S. Press/Jyothi Book Centre. Kühnhardt, Ludger. 1980. Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik. Hannover: Landeszentrale für Politische Bildung. Kühnhardt, Ludger. 1981a. Kinder des Wohlstands. Auf der Suche nach dem verlorenen Sinn. München: Günter Olzog Verlag.

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1 Anläufe

Kühnhardt, Ludger. 1981b. Pazifismus-Debatte: Ich verweigere den Wehrdienst. In Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 7. März. Auszugsweiser Nachdruck in Sutor, Bernhard. 1986. Politik. Ein Studienbuch, hrsg. Paderborn: Schöningh. Kühnhardt, Ludger. 1984. Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik. Wien: Braumüller Universitätsverlag. Kühnhardt, Ludger. 1987. Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs. München: Günter Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger. 1992a. Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“. Bonn/Berlin: Bouvier. Kühnhardt, Ludger. 1992b. Wege in die Demokratie. Beiträge aus der Politischen Wissenschaft. Jena: Universitätsverlag/Erlangen: Palm & Enke. Kühnhardt, Ludger. 1993. Europäische Union und föderale Idee. Europapolitik in der Umbruchzeit. München: C.H.Beck. Kühnhardt, Ludger. 1994. Revolutionszeiten. Das Umbruchjahr 1989 im geschichtlichen Zusammenhang. München: Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger. 1995. Mitten im Umbruch. Historisch-politische Annäherungen an Zeitfragen. Bonn: Bouvier. Kühnhardt, Ludger. 1996a. Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit. Bonn: Bouvier. Kühnhardt, Ludger. 1996b. Beyond divisions and after. Essays on democracy, the Germans and Europe. Frankfurt/New York: Peter Lang. Kühnhardt, Ludger. 1999. Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2000. Von Deutschland nach Europa. Geistiger Zusammenhang und außenpolitischer Kontext. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2002. Atlantik-Brücke. Fünfzig Jahre deutsch-amerikanische Partnerschaft. Berlin: Propyläen. Kühnhardt, Ludger. 2003. Constituting Europe. Identity, institution-building and the search for a global role. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2005. Erweiterung und Vertiefung. Die Europäische Union im Neubeginn. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2008 (2. Auflage 2010). European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2010a. Region-Building. Vol. I: The Global Proliferation of Regional Integration. Vol. II: Regional Integration in the World: Documents. Oxford/New York: Berghahn Books. Kühnhardt, Ludger. 2010b. Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt. Standortbestimmung der Europäischen Union. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2014. Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners. Baltimore: Johns Hopkins University Press/Washington D.C.: Woodrow Wilson Center Press. Kühnhardt, Ludger. 2017. The Global Society and its Enemies. Liberal Order Beyond the Third World War. Cham: Springer. Kühnhardt, Ludger. 2020a. Identität und Weltfähigkeit. Sichtweisen aus einem unruhigen Europa. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2020b. Wurzeln. Chronik unserer europäischen Familie. Bonn: Privatdruck. Kühnhardt, Ludger. 2021a. The post-corona world. A research agenda. ZEI Discussion Paper C 267. Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Online unter: https://www.zei.unibonn.de/dateien/discussion-paper/DP-267-2021.pdf.

Literatur

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Kühnhardt, Ludger. 2021b. Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 1 (1960–1999). Wiesbaden: Springer. Kühnhardt, Ludger. 2022a. Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 2 (2000–2020). Wiesbaden: Springer. Kühnhardt, Ludger. 2022b. Das politische Denken der Europäischen Union. Supranational und zukunftsoffen. Paderborn: UTB – Brill Fink. Kühnhardt, Ludger. 2023. Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023), hrsg. Baden-Baden: Nomos. Kühnhardt, Ludger. 2024. Zwischen den Zeiten. Betrachtungen zu Geschichte, Fortschritt und Freiheit. Baden-Baden: Nomos. Noelle-Neumann, Elisabeth. 2008. Vor dem Sturm. In Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Januar, S.  7.

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Katholisch

Ludger Kühnhardt blickt zurück auf die wichtigsten Menschen, die seine Wege seit der Geburt 1958 begleitet haben. Er erinnert an seine frühen Wahrnehmungen der Welt sowie an die Formen und Folgen seiner Prägung in einem katholischen Elternhaus. Themen aus Politik und Religion, Kultur und Geschichte bestimmten seine Lektüre bis zum Abitur und seither. Eine Berufsausbildung zum Redakteur an der Deutschen Journalistenschule vermittelte 1977/1978 Handwerkszeug für einen Medienberuf. Journalistische Arbeiten für Zeitungen, Rundfunkstationen und Fernsehsender ergänzten frühe Buchveröffentlichungen zur christlichen Soziallehre (1977) und zur Entwicklungspolitik (1980), über jugendliche Sinnsuche in der Wohlstandsgesellschaft (1981) und über indisches Dorfleben (1982). Seine publizistischen Ambitionen fanden Förderer, glücklicherweise aber auch ehrliche Kritiker. Der Weg vom Journalismus in die Wissenschaft zeichnete sich ab. Sein Katholisch-Sein blieb für Ludger Kühnhardt zu jeder Zeit die Freiheit im Gottvertrauen, das in der Kindheit entstanden war. Katholisch sein heißt für ihn frei sein und verantwortlich für sich selbst und sein Handeln.

2.1 Kindheit und Schulzeit Ich war immer stolz darauf, in Münster auf die Welt gekommen zu sein, in der Stadt des Westfälischen Friedens. Unweit vom Hauptbahnhof, in der Brockhoffstraße, hatten meine Eltern nach ihrer Hochzeit 1957 eine kleine Wohnung im dritten Stock bezogen. Es muss eng gewesen sein und stickig in den Sommerwochen. In der nahegelegenen Ludgeri-Kirche wurde ich getauft. Dass ich den Namen des ersten Bischofs von Münster

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_2

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2 Katholisch

trug, empfand ich in der Schulzeit als voraussetzungslos normal. Der Name kam in meiner Schulklasse, im Sportverein und in der Nachbarschaft wie selbstverständlich immer wieder vor. Ich las als Kind die Biografie des Heiligen Ludger ebenso intensiv wie Texte der Kinderbibel. Ludger oder Liudger, der Sohn eines Lehnsmannes von Karl dem Großen, geboren wohl 742 bei Utrecht, hat ein wahrhaft europäisches Leben gelebt. Studien an der Domschule in Utrecht, dann in York bei dem großen Gelehrten Alkuin. Nach der Priesterweihe und ersten Missionierungserfolgen in Friesland Pilgerreisen nach Rom und zur Benediktinerabtei Monte Cassino, gefolgt von einer Missionsreise auf die Insel Helgoland. Später wurde Liudger zur Missionierung des westlichen Sachsen ins heutige Münsterland gesandt. 793 gründete Liudger am germanischen Thingplatz Mimigernaford ein Kanonikerstift, aus dem das Bistum Münster entstand. 805 nach Christus wurde Liudger zum ersten Bischof von Münster geweiht. Ludgeri-Kirchen in Westfalen und im oldenburgischen Münsterland, ja bis auf die Nordseeinsel Norderney und nach Helmstedt, zeugen von seinem Wirkkreis. In der Abtei Essen-Werden ist der Heilige Ludger begraben. Das altsächsische Wort „Liud“ heißt Leute und das mittelhochdeutsche „ger“ ist der germanische Begriff für Speer. Der Speer des Volkes, das hatte für mich immer einen guten Klang. Mein Vorname schien mir frühzeitig irgendwie eine Verpflichtung zu bedeuten, ohne dass mir die martialische Komponente gefiel. Zum Missionar eignete ich mich nicht. Aber der Heilige Ludger blieb mir stets ein geschätzter Referenzpunkt. Meinen Namenstag, den 26. März, habe ich mein Leben lang nie vergessen zu feiern. Mir waren die Spanier stets sympathisch, die den Namenstag intensiver feiern als den Geburtstag. Mein Name verweist mich bis ans Ende meines Lebens auf meinen Geburtsort. Als ich in der Ausbildung in München einen Kommilitonen traf, der ebenfalls Ludger hieß und aus dem niederbayerischen Deggendorf stammte, war ich verblüfft, nein ungläubig. Nach zehn Sekunden war die Sache geklärt: Seine Mutter stammte aus dem Münsterland. Münster und das Münsterland sind mir stets Heimat geblieben, auf die ich nichts kommen lasse.

2.1  Kindheit und Schulzeit

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Abb. 2.1   Nach meiner Taufe mit meiner Mutter und den Großeltern vor der Ludgeri-Kirche in Münster (1958). (©Ludger Kühnhardt)

Als mein Vater die Universitätsklinik Münster verließ und sich als Augenarzt in Ibbenbüren niederließ, wurde das großzügige Haus meiner Eltern bis zu meinem Abitur meine Heimat. Mit meinen drei Geschwistern Andrea, Dorothee und Markus verlebte ich eine unbeschwerte Kindheit und Jugend. Die Großeltern in Nordhorn und in Bremen nebst einer großen Schar von Tanten und Onkeln, Cousinen und Cousins waren nie weit. Dank der frühen Verbindungen meiner Mutter wurde die Nordseeinsel Norderney unser zweites Zuhause. Dort verbrachten wir alle Schulferien und manches verlängerte Wochenende. Im St. Mauritius-Kindergarten von Ibbenbüren waren es die Nikolausfeiern, die auf mich einen tiefen Eindruck hinterließen, wohl auch wegen des Knecht Ruprecht, den meine Kinder später kaum mehr kennenlernten. Er sei aber doch

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2 Katholisch

ein „Deutschländer“, belehrte ich meine Mutter, als ich die weißen Beine des schwarzen Mannes entdeckte. In der Grundschulzeit zog ich mit einer Sammelbüchse der Leprahilfe durch die Arztpraxen der Stadt, womit mein Interesse an den Belangen der Dritten Welt seinen Anfang nahm. Zugleich entwickelte ich einen Sinn für das, was man damals Heimatkunde nannte. Meine älteste Kladde aus der Grundschulzeit enthält ausführliche, in Schönschrift abgefasste Berichte über die Entstehung der Münsterschen Bucht, in der das Meer der Nordsee fruchtbare Böden hinterlassen hat. Ich erinnerte daran, dass auch der Dom zu Münster aus dem Sandstein erbaut wurde, der auf diese Urgeschichte zurückzuführen ist. Die großen münsterländischen Bauernhöfe beschrieb ich, die satten Wiesen und gut bearbeiteten Felder. In dieser Kladde finden sich außerdem Details eines Geografie-Berichts, mit soziologischen Einsprengseln, zum Thema westfälische Bauernhochzeit nebst Speise- und Getränkefolge. Der Verweis auf die Geburt von Annette von Droste-Hülshoff 1797 durfte nicht fehlen. Wildpferde, die Moore, vor allem aber Geschichte und Topografie meiner Geburtsstadt Münster, des alten germanischen Thingplatzes Mimigernaford, hatten es mir angetan. Ich schrieb in der Heimatkunde-Kladde über den Heiligen Liudger, über die Wiedertäufer und den Friedenssaal im Rathaus von Münster. Ebenso neugierig war ich auf das Streckennetz der Eisenbahn, das von Münster aus in die weitere Umgebung führte. Ich beschrieb einen Familienausflug ins Sauerland, zu den Verwandten meines Großvaters. Ich schrieb über den Bergbau und entnahm der Tageszeitung einen Bericht über eingeschlossene Kumpel in den USA, in Japan und in Frankreich. Die Kumpel unter Tage hatten einen schweren Job, in Ibbenbüren wie in aller Welt, wie mich die Toten in Calumet, westlich von New Orleans, und in der Nähe von St. Etienne lehrten. Rückblickend betrachtet wurde wohl damals auch mithilfe solcher Schulaufgaben mein Blick auf die Welt grundgelegt. Ich zählte in der Heimatkunde-Kladde auf, wohin die westfälische Kohle meiner Heimat ging: in die USA und nach Kanada, nach Großbritannien und in die Niederlande, nach Frankreich und nach Spanien, nach Skandinavien, Italien und nach Afrika, nach Südamerika und nach Australien, in die Sowjetische Besatzungszone und in die Ostblockstaaten. Ich konnte noch nicht ahnen, dass ich alle diese und viele andere Orte einmal kennenlernen würde. Zum zehnten Geburtstag 1968 schenkten mir meine Großeltern einen Weltatlas, in den ich über Jahrzehnte jeden Ort markieren sollte, den ich aufgesucht habe.

2.1  Kindheit und Schulzeit

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Abb. 2.2   Im ersten Schuljahr in Ibbenbüren (1965). (©Ludger Kühnhardt)

Wir gingen am Sonntag ganz selbstverständlich zum Gottesdienst in die MauritiusKirche oder zu den pensionierten Steyler-Missionaren ins benachbarte Kloster Waldfrieden. Dort hörte ich Erzählungen von China und ließ mich zum Messdiener ausbilden. Lateinische Gebete und Gesänge gehörten dazu, noch ehe das Schullatein mich eher desillusionierte. Früh, schon mit fünf Jahren, empfing ich die erste heilige Kommunion am 22. September 1963. Schon wenig später wurde ich durch den Münsteraner Bischof Joseph Höffner am 5. April 1964 gefirmt, der 1969 zum Kardinal von Köln ernannt wurde. Katholisch-Sein, das wurde und blieb mir so selbstverständlich wie das tägliche Zähneputzen. Im Kern habe ich mir den kindlichen Glauben dieser Jahre bewahren können, wie ich finde ein großes Geschenk. Gottvertrauen befreit zur Lebenssicherheit, so sehe und erlebe ich es jedenfalls Zeit meines Lebens. Noch zur Schulzeit las ich in Joseph Höffners „Christliche Gesellschaftslehre“ (Höffner 1975) und in Hans Küngs „Christsein“ (Küng 1976). In der Bibliothek meiner Eltern entdeckte ich Josef Piepers „Das Viergespann“ (Pieper 1964) und Pierre Teilhard de Chardins „Der Mensch im Kosmos“ (Teilhard de Chardin 1959). Mein Vater erzählte immer wieder von prägenden Begegnungen mit dem großen Theologen Romano Guardini während seines Medizinstudiums in München. In meinem eigenen Studium las ich später Guardinis „Der Blick auf das Ganze“ (Guardini 1985). Erst langsam und manchmal mit Mühen verstand ich, auch mithilfe von Joseph Ratzingers „Einführung in das Christentum“ (Ratzinger 1968), theologische Fragen

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2 Katholisch

und die Wortbedeutung von katholisch – kata: in Bezug auf; holon: das Ganze. Aber die Idee des katholikós, des Allgemeinen, des sich aus vielen Teilen zusammensetzenden, aber selbstverständlich zusammengehörenden Ganzen, definierte mein Christsein offenkundig und intuitiv von frühesten Anfängen an. So blieb es auch nach allen Studien, Diskussionen, Zweifeln und Neuentdeckungen in den späteren Jahrzehnten. Bis heute. Glaubenszweifel habe ich natürlich erlebt, wie wohl die meisten Menschen, Agnostiker und Atheisten einschließlich. Ich schaute mich bei der Suche nach meinem Platz in dieser Welt auch in den anderen Religionen und ihren Deutungen des Lebenssinns um. Einmal las ich bei einem klugen indischen Denker die Sentenz, er habe verschiedene Praktiken des Glaubens kennengelernt, aber auf Dauer glücklich sein könne man nur in der Religion, in die man hineingeboren wurde und in der man aufgewachsen ist. So erlebte und empfand ich es auch. Natürlich gab es in all den Jahren immer wieder ein Auf und ab meiner Glaubenspraxis und meiner Kirchenzweifel. Wo immer die katholische Kirche sich selber durch umstrittene Lehren, innere Widersprüche oder das Fehlverhalten Einzelner diskreditierte, blieb und bleibe ich stoisch, manchmal zu meiner eigenen Überraschung. Was immer sei, ich bleibe katholisch, pflege ich dann fast ritualisiert zu sagen. An Kirchenkritik beteiligte ich mich immer gerne, Kirchenaustritt war aber nie und nimmer auch nur eine Option. Je mehr Getöse es in den letzten zwei Jahrzehnten um die katholische Kirche und vor allem in ihr gab, desto deutlicher wurde mir, worum es beim Vertrauen auf Gott eigentlich geht: Die katholische Kirche lebt von Voraussetzungen, die sie nicht einmal selber zerstören kann. Das ist für mich die Quintessenz so vieler Einzelthemen der letzten Jahrzehnte und der gebotene Denkansatz für jeden tiefgreifenden Ausweg aus der Vertrauenskrise in der katholischen Kirche, weit über Deutschland hinaus. Viele der Ursachen vor allem im Bereich der Sexualmoral gehen zurück auf ein halbherziges, unvollendetes Aggiornamento, das mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den frühen 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen hat. Während im Bereich der sozialen Frage mit dem Entwicklungsparadigma, der Option für die Armen und den Menschenrechten, eine positive Ethik vorangetrieben wurde, die die katholische Kirche zum Champion globaler Ermöglichungsformen machte, dominierte im Bereich von Sexualmoral viel zu lange das Verbotsprinzip, gepaart mit Sündenrhetorik. Das konnte auf Dauer einer säkularen Welt und ihren Öffentlichkeitsmechanismen nur Angriffsfläche bieten. Angriffsflächen durch Enthüllungen aller nur möglichen Formen der Doppelmoral waren vorprogrammiert. Nicht einmal die meisten glaubensfesten und kirchentreuen Katholiken waren auf Dauer hinter den rigiden Positionen einer Wagenburg-Ethik zusammenzuhalten. Anderes ist auf paradoxe Weise Folge der Stärke der katholischen Psychologie gegenüber den totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts geworden. Dazu gehört der Führungs- und Zentralitätsanspruch des Klerus, inklusive des Zölibats. Durch nachgeholte Modernisierung oder gar Selbstsäkularisierung kann die tiefgreifende Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche allerdings ebenso wenig überwunden werden wie durch Machtverschiebungen zwischen Klerus und Funktionärslaien. Im Letzten ist die Glaubwürdigkeitskrise vor allem eine Glaubenskrise. Religion

2.1  Kindheit und Schulzeit

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ist zu vielen Menschen im modernen Deutschland schlicht und einfach gleichgültig geworden. Das ist schade und vermutlich nur das Phänomen einer bestimmten Zeit. Es könnten wieder Zeiten kommen, wo Not beten lernt. Allerdings gilt jederzeit: Wo der christliche Glaube nicht befreit, ist er unbarmherzig. Wo Glaube aber unbarmherzig erscheint, löst er Widerspruch, Abkehr und letztlich Indifferenz aus. Ich habe mich an den deutschen Debatten der letzten ein, zwei Jahrzehnte – auch über den sogenannten synodalen Weg – nie beteiligt. Sie schienen mir ritualisiert und vorhersehbar in Wegrichtung, Enttäuschungspotenzial und Zuordnungsreflexen. Manches von dem, was mir berichtet wurde, ähnelte für mich einer psychoanalytischen Selbsterfahrungsgruppe und einem politischen Machtkampf. Am ärgsten war die Neigung zu deutscher Sondermoral, auch noch im Reformprozess. Nicht einmal mit anderen europäischen Kirchen wurde so recht der Schulterschluss gesucht. Zusätzliche und überflüssige Konflikte des deutschen Katholizismus mit dem Vatikan, der die Weltkirche zusammenhalten muss, waren vorprogrammiert. Auch an der ins unermesslich Unpräzise gesteigerten und zugleich monströs vereinfachenden „Missbrauchsdebatte“ beteiligte ich mich nicht. Sie war ja erkennbar ein globales Thema geworden, wobei an erster Stelle Empathie mit Missbrauchten und zugleich maximale Differenzierung bei den Ausdrucksformen dessen, was mit dem großen und ungenauen Begriff „Missbrauch“ eigentlich gemeint war und was nicht, erforderlich gewesen wäre. Menschenwürde, wie das Gewissen, das Leiden von Opfern und die Schuld von Tätern ist für mich immer individuell. So hatte ich meinen Katechismus gelernt. Abstraktionen und systemische Schuldzumessungen helfen leider keinem individuellen Opfer und sie verwechseln „die Kirche“ mit den Schandtaten von Kriminellen. Wie trostlos, dass Gutachten-Schlachten geschlagen wurden, wo es doch eigentlich um verwundete Seelen hätte gehen müssen und um strafbar gewordene Einzelne. Es fehlte mir bei all diesen Debatten im letzten die Frage nach dem Zweck der innerkirchlichen Vergangenheitsbewältigung und der Aufarbeitung tiefgehender, auch theologischer Dispute. Solange die individuelle und die systemische Ebene nicht voneinander getrennt werden, solange bei sexuellen Straftaten nicht mit völliger Selbstverständlichkeit auch für jeden kirchlichen Amtsträger Schuld und Gerichtsbarkeit nach allgemein öffentlich-rechtlichen Maßstäben gelten und solange durchaus vernünftige Reformfragen immer wieder zu puren Machtfragen schrumpfen, blieb und bleibe ich eher traurig als staunend am Wegesrand der grassierenden modischen Empörungsrituale. Zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Text entsteht, hat Empörungskompetenz in der westlichen Zivilisation weit über Deutschland und auch weit über die katholische Kirche hinaus einen viel zu hohen Stellenwert. Oft kommt mir die Attitüde der Empörung in Bezug auf die Entzauberung des hohen moralischen Selbstverständnisses katholischer Lehrmeinungen und ihrer Protagonisten innerhalb meiner katholischen Kirche noch verbitterter vor als in einer agnostischen, jedenfalls häufig kirchenfremden oder kirchenentfremdeten Umwelt. So oder so: Die unterdessen in weiten Teilen Europas grassierende Indifferenz gegenüber einem Ort für Gott im Alltag einer saturierten Gesellschaft treibt mich um. Sie ist

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auf Dauer auch besorgniserregend für die Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft und ihrer politischen Ordnung. Ein spiritueller Neuanfang kann wohl erst mit neuen Generationen von Gläubigen, wie klein die Gruppe dann auch sein mag, und neuem Führungspersonal in den Weinbergen des Herrn beginnen. Für alle miteinander wird es eines Tages an erster Stelle wieder um den Ort Gottes in der Welt der Gegenwart gehen. In dieser Hoffnung bleibe ich meinem Glaubensoptimismus oder besser: einem festen Gottvertrauen treu. Dabei ist Gottvertrauen eine Zweibahnbeziehung. Glauben handelt nicht nur vom Vertrauen des Menschen in Gott. Ich sehe Glauben auch so: Glauben ist die menschliche Antwort auf das Vertrauen Gottes in uns Menschen. Da dieses Vertrauen Gottes offensichtlich trotz aller Schwächen und Verfehlungen des Menschen grenzenlos ist, ist die glaubende Antwort des Menschen eigentlich nur vernünftig. Man mag diese Sicht der letzten Dinge kindlich oder naiv nennen, das ist mir einerlei. Was immer in den Anklageschriften und Protestnoten gegen den Glauben und gegen die katholische Kirche auch stehen mag: Religiöser Lebenssinn und die damit verbundene Demut gegenüber den Grenzen der eigenen Aufklärungsgewissheit haben noch nie geschadet. Und: Katharsis hat in der Geschichte noch immer funktioniert, auch wenn Katharsis schmerzhaft ist. Warum also sollte ich an meinem Glauben verzweifeln? Er ist eine Bedingung dafür, dass wir Menschen unsere Fehler und Schwächen überhaupt verstehen können und dass wir auch nach einer Selbstzerstörung wieder aufstehen und weitergehen können. Dies gilt für jeden Einzelnen und es gilt für Institutionen, auch für die katholische Kirche. Während der Jahre auf dem Goethe-Gymnasium entwickelte ich mich zum Frühaufsteher, um die „Ibbenbürener Volkszeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ noch vor meinen Eltern zu lesen. Es war von strategischem Vorteil, an der der Schule so nahe gelegenen Krummacherstraße zu wohnen. Ich musste das Haus erst verlassen, als ich schon die ersten Mitschüler und einige Lehrer mit dem Rad an unserem Haus vorbeifahren sah. Im Goethe-Gymnasium erlebte ich 1968/69, meinem ersten Jahr im Gymnasium, die Provinz-Variante der 1968er Kulturrevolution. Lange Haare bei den Jungs in den oberen Schulklassen und eine Anti-Vietnam-Demonstration durch die Innenstadt von Ibbenbüren: Mir kam das alles befremdlich vor. Gegenüber meinen Eltern kämpfte ich wenige Jahre später gleichwohl darum, die Ohren mit Haaren zu bedecken, wenigstens zu zwei Dritteln oder sogar manchmal ein, zwei Zentimeter länger. Demonstrationen für welche Ideen auch immer, dafür konnte ich mich nie erwärmen. Mein Vater stammte aus Oberschlesien und war wie meine Großeltern nach dem Krieg nach Westdeutschland geflohen. In den Schuljahren, in denen das politische Bewusstsein erwachte, fühlte ich mich als Kind eines Flüchtlings, irgendwie nicht wirklich dazugehörend, weder zu den etwas älteren Rebellen noch zu den gleichaltrigen Einheimischen. War dies eigentlich überhaupt mein Land, war dies auch meine Gesellschaft? War ich hier eigentlich zu Hause und könnte mitreden, dürfte mitgestalten und

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würde als dazugehörig ernst genommen, ging es mir damals manchmal durch den Kopf? Wie mein Vater und meine Großeltern sprach ich in meiner Kindheit von den „deutschen Ostgebieten“. Am 26. September 1969 sah ich mit respektvollem Erstaunen inmitten von 3000 Menschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger bei einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Ibbenbürener Marktplatz und mochte seinen Nachfolger Willy Brandt überhaupt nicht. Wenige Tage nach dem berühmten Kniefall von Warschau am 7. Dezember 1970 schrieb ich dem Bundeskanzler einen altklugen handschriftlichen Brief, datiert vom 23. Dezember 1970. Ich zeigte mich enttäuscht, dass Brandt für die Vereinbarungen mit Warschau und Moskau nicht wenigstens eine Lösung der Berlin-Frage im Sinne der vollen Zugehörigkeit der Stadt zur Bundesrepublik erreicht habe, wenn er denn schon unerlaubterweise deutsche Gebiete abgetreten hatte, wie ich mich ausdrückte. Nicht nur er, sondern auch ich habe ein Gewissen, punktete ich selbstherrlich. Ich wolle nie gegen den Westen demonstrieren müssen. Am 11. Januar 1971 antwortete mir ein Dr. Dossmann aus dem Bonner Bundeskanzleramt: „Deine Ausführungen zum deutschpolnischen Vertrag sind zur Kenntnis genommen worden.“ Ich griff noch zweimal ungeniert zur Feder und schrieb an Willy Brandt. Am 18. Oktober 1973 appellierte ich daran, für Israel einzutreten, zumindest moralisch. Dies sei angesichts des arabischen Überfalls durch Sadat und Assad ein Beitrag, die deutsche Schuld aus der Nazi-Zeit abzutragen. Dr. Dossmann, der über mich unterdessen ein Dossier angelegt haben musste, antwortete am 25. Oktober 1973 geduldig, die deutsche Regierung werde alles tun für den Frieden und das Lebensrecht aller im Nahen Osten auf Basis der UN-Resolution 242 vom 22. November 1967. Am 29. April 1974 warf ich mich für die Soziale Marktwirtschaft und gegen sozialistische Verstaatlichungsideen ins Zeug. Am 6. Mai 1974 schrieb Dr. Dossmann noch einmal geduldig, fast gütig, dass meine Ausführungen „gerne zur Kenntnis genommen“ wurden. Der Bundeskanzler danke „für Dein Interesse am politischen Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland“. Am Tag darauf trat Willy Brandt zurück. Meine Briefschreiber-Politik suchte damals auch andere Adressaten. Einen hyperkritischen Text von mir zur Ostpolitik lehnte Marion Gräfin Dönhoff ab, in der „Zeit“ zu drucken. Niemand würde glauben, dass ein 13-Jähriger diesen Text geschrieben hätte, antwortete sie mir am 4. November 1971, „so ist die Welt nun einmal“. 15 Jahre später hatte ich das Vergnügen, Gräfin Dönhoff, die Grande Dame des deutschen Journalismus, kennenzulernen und bei einem Abendessen neben ihr zu sitzen. Ich sprach sie nicht mehr auf den damaligen Briefwechsel an. Die Zeit war darüber hinweggegangen. Wir fanden bessere Themen für unser Gespräch. An Rainer Barzel, den seinerzeitigen CDU-Vorsitzenden, schrieb ich am 28. Februar 1973 und kritisierte, dass die CDU wegen des Grundvertrages mit der DDR nicht das Bundesverfassungsgericht angerufen habe. Der UN-Beitritt beider deutscher Staaten komme doch einer faktischen Anerkennung der DDR gleich. Barzel erwiderte am 20. März 1973, dass die Ablehnung gegen den Grundlagenvertrag für ihn klar sei, aber

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politisch ausgetragen werden müsse. Egon Bahr, Bundesminister für besondere Aufgaben, war ein rotes Tuch für mich. Ihm hielt ich am 6.März 1974 vor, er sei doch der eigentliche, der subtile Außenminister, der intransparente Vereinbarungen mit der Sowjetunion treffe. Bahr erwiderte am 19. März 1974, ich würde schon sehen, das sei alles Panikmache, wie schon 1970 die Behauptung, in zwei Jahren stünden die Russen am Rhein. Als ich ihn 1977 erstmals traf, verkniff ich es mir, Bahr auf unseren Briefwechsel anzusprechen. Ich begann zu merken, dass ich ihm nicht das rhetorische Wasser würde reichen können und in meinem Brieflein überdies zu selbstgerecht gewesen war. Imponierend fand ich im Ibbenbürener Goethe-Gymnasium die Schülerzeitung „Der Wecker“, die zu den besten des Landes Nordrhein-Westfalen gehörte. Dass ich im Innenteil unter der Rubrik „Der kleine Wecker“ 1969 mit einigen Klassenkameraden auf der Treppe beim Pausentratsch abgebildet wurde, zeigte mir, wo ich aus Sicht der Oberstufen-Redaktion zu Recht hingehörte: Sicher nicht zur 68er Generation, sondern zu denen, die in ihrem Windschatten damals nicht recht ernst genommen wurden. Im Schwimmverein beeindruckte mich der Beste, der um einen Platz im Nationalkader rang, während ich immer um Platz drei in der Kreismeisterschaft kämpfte. Im Fußballverein DJK Arminia Ibbenbüren verloren wir meistens recht hoch, wenn ich als Ersatzmann im Tor stand oder gar Mannschaftskapitän war. Am liebsten spielte ich Linksaußen, obwohl ich in einem bösen Leserbrief in der „Ibbenbürener Volkszeitung“ als „schwarzer Mohr“ apostrophiert wurde, nachdem ich im Januar 1973 die Schüler Union in Ibbenbüren gegründet hatte. Ich wollte Pluralismus in der Schülerschaft fördern und wendete mich gegen die Dominanz dessen, was ich im Gründungsaufruf als „linksorientierte Kräfte in der Schülermitverwaltung“ apostrophiert hatte. Rhetorisch war ich den OberstufenHaudegen natürlich in keiner Weise gewachsen und musste ihre Leserbrief-Prügel einstecken.

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Abb. 2.3   Erste journalistische Versuche: Interview mit Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (1974). (©Ludger Kühnhardt)

Überhaupt „Ibbenbürener Volkszeitung“: Hier veröffentlichte ich am 13.  Juni 1970 meinen ersten winzigen Artikel, den der Chefredakteur Aloys Veismann großherzigerweise unter der Überschrift „Aus unserer Redaktion“ ins Blatt hob (Kühnhardt 1970). Es war ein kleiner Text über ein Platzkonzert des PreussagOrchesters. Ich klagte über zu geringes Publikumsinteresse an diesem Kulturereignis im Bergbaustädtchen Ibbenbüren. Damit begann mein Traum vom Beruf eines Journalisten, der mir in der Schulzeit wichtiger wurde als strenges und systematisches Lernen. Es folgten zwischen 1970 und 1977 viele kleinere Artikel. Ich durfte mich dazugehörig fühlen. Einer der ersten meiner veröffentlichten kleinen Texte trug die Überschrift „Umweltschutz geht alle an“. Er erschien am 8. August 1973. Ich berichtete in diesen Jahren über Vortragsveranstaltungen und Schulstrukturfragen. Ich führte zwei durchaus gelungene Interviews mit der Schauspielerin Inge Meysel und, 1974, mit der damaligen

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Bundestagspräsidentin Annemarie Renger zur Perspektive für die Kohleverstromung in Ibbenbüren (Kühnhardt 1974). Ich äußerte mich zum Jahr der Frau und zur Lage von Gastarbeiterkindern. Manches war altklug, anderes naiv, doch machte mir diese Art des Schreibens sichtlich mehr Spaß als der Mathematikunterricht im Goethe-Gymnasium. Die Schulnoten in diesem Fach liefen auf die Bewertung „peinlich“ zu. Meine Geschichtslehrerin Christa Rollwage war mir von allen Lehrerinnen und Lehrern am liebsten. Sie hatte dezidiert linke politische Ansichten, die ich gar nicht teilte. Aber ich mochte sie einfach, denn sie war enorm anregend, weltgereist und zeigte uns farbige Dias aus Babylon und Luxor. Von Verwandtenbesuchen in der DDR brachte sie immer neue Literatur aus der DDR mit und billige Reclam-Ausgaben deutscher Klassiker. Mit meinen Schulfreundinnen Petra Wichmann und Gaby Parsch und meinen Schulfreunden Jürgen Wernecke und Thomas Güldenhöven diskutierte ich endlos die Thesen der Frau Rollwage. Sie weckte mein Interesse an Geschichte und am Lesen von Belletristik. Bis zum Abitur las ich von jedem Literaturnobelpreisträger ein Buch. Dazu kam politische Literatur wie beispielsweise Klaus Mehnerts spannendes Buch Peking und Moskau (Mehnert 1964), John F. Kennedys Zivilcourage (Kennedy 1960) und Coretta Scott Kings Biografie Mein Leben mit Martin Luther King (Scott King 1971). Der Schulunterricht machte mir immer dann Spaß, wenn die dort behandelten Themen mich zu pointierten Aussagen in Klassenarbeiten verleiten konnten. Beim Rückblick muss ich schmunzeln. Gelegentlich zeigen sich in diesen Texten erste Grundlinien, die ich im späteren Verlauf ausdifferenzieren sollte. Stilprobe eines 15-Jährigen im Religionsunterricht der Klasse 10 (1973) zum Thema „Abtreibung ja oder nein?“: „Ich bin gegen die Abtreibung, da ich es unverantwortlich finde, werdendes Leben zu töten, zudem sich dieses Kind nicht wehren und verteidigen kann, im Gegensatz zu anderen Verurteilten.“ Stilprobe eines 16-Jährigen im Deutschunterricht der Klasse 12 (1975) zu Franz Kafkas Kurzgeschichte „Die Vorüberlaufenden“: „Diese Kurzgeschichte stellt dar, wie groß die Einsamkeit und Abkapselung gegenüber den Mitmenschen ist.“ So entstehen „Feindbilder“ von anderen Menschen und die Angst, der Fremde in der Gasse könnte eine Waffe haben. Stilprobe eines 17-Jährigen im Geschichtsunterricht der Klasse 12 (1975) zu Adam Smith‘ Werk über den „Wohlstand der Nationen“: Die „Ideologie des wirtschaftlichen Liberalismus“ ist eine Absage an den Merkantilismus, aufbauend auf John Lockes Naturrechtstheorien. Smith sei „Vorreiter der Entstehung des politischen bzw. wirtschaftlichen Selbstbewußtseins des Bürgertums“. Er kenne aber nicht den Sinn des Schutzes für die Schwächeren: „In der sozialen Marktwirtschaft, in der das Wort ‚sozial‘ eine wesentliche Komponente darstellt, wurde meiner Ansicht nach dieser Schutz der Schwachen bestmöglich erreicht, auch wenn sicherlich noch immer Veränderungen, zum Beispiel bei Vermögensbildung und Mitbestimmung, nötig sind.“ Stilprobe eines 18-Jährigen im Deutschunterricht der Klasse 12 (1976) zu Heinrich von Kleists „Prinz von Homburg“: Es geht im Kern, wie in der Klasse diskutiert, um den „Konflikt zwischen dem Selbstwertgefühl eines Menschen und der Forderung nach Gehorsam im Staat“, oder, später im Text von Kleist noch deutlicher herausgearbeitet, um den „Konflikt zwischen der Humanität gegenüber einer einzelnen Person und der

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zumindest subjektiv notwendigen Unterwerfung unter staatliche Zwänge“. Stilprobe eines 18-Jährigen, noch einmal im Deutschunterricht der Klasse 12 (1976) zu Gotthold Ephraim Lessings „Erziehung des Menschengeschlechts“: Bei der „kontroversen Auseinandersetzung über religiöse Fragen“ gehe es darum, wie sich der menschliche Verstand „am besten einüben lässt, um die Zeit der Vollendung“ zu erreichen. Lessing gehe von „einem aufgeklärten und reinen Menschen aus, der nur das Gute tun werde“. Dies durchzuhalten sei schwierig, „wenn man berücksichtigt, dass der Mensch an und für sich unvollkommen ist und auch durch noch so viele Umwelteinflüsse nicht vollkommen werden kann“. Lessings Theorie wende sich „gegen jederlei Wahrheitsanspruch einer bestimmten Religion“. Stilprobe, noch einmal eines 18-Jährigen im Geschichtsunterricht der Klasse 12 (1976) über Lenins „Staat und Revolution“. Der Text, wenige Wochen vor Ausbruch der Oktoberrevolution geschrieben, kritisiert entschieden Demokratie und Parlamentarismus mit Verweis auf die Freiheit der Sklavenhalter in der Antike. Dies sei „Augenwischerei eines Bolschewisten, um die eigene Macht zu erhalten und auszubauen“. Ich endete mit heftiger Kritik an den damaligen „Eurokommunisten“ in Frankreich und Italien. Frau Rollwage fällte ein differenziertes, aber deutliches Urteil: „Der Text besticht durch flüssige Sprache und begriffliche Verdichtung. Allerdings vermißt man an manchen Stellen eine gedankliche Vertiefung.“ Ich mochte Frau Rollwage trotzdem. Mühsam schleppte ich mich zum Abitur. Wichtiger als der Notendurchschnitt waren mir die 130 Artikel, die ich bis zum Juni 1977 in der „Ibbenbürener Volkszeitung“ schreiben durfte. Dazu gehörte auch der Bericht über die Abiturfeier am zweiten Ibbenbürener Gymnasium, dem Kepler-Gymnasium, mit einer Reverenz an Heinrich Heines Ballade über die Westfalen in „Deutschland, ein Wintermärchen“, die ich mit Selbstironie ausführlich zitierte: „Ich habe sie immer so liebgehabt, Die lieben, guten Westfalen. Ein Volk, so fest, so sicher, so treu, Ganz ohne Gleißen und Prahlen … Sie fechten gut, sie trinken gut, Und wenn sie die Hand dir reichen Zum Freundschaftsbündnis, dann weinen sie; Sind sentimentale Eichen. Der Himmel erhalte dich, wackres Volk, Er segne deine Saaten, Bewahre dich vor Krieg und Ruhm, Vor Helden und Heldentaten. Er schenke deinen Söhnen Stets Ein sehr gelindes Examen, Und deine Töchter bringe er hübsch Unter die Haube – Amen!“ (Kühnhardt 1977a) Wenig später berichtete ich über meine eigene Abiturfeier am Goethe-Gymnasium unter der Überschrift „Gegen den Strom schwimmen“. Ich zitierte den evangelischen Pastor Paul-Gerhard Bastert, Vater meiner Tanzschul-Partnerin Annette, der uns Abiturienten dazu aufgerufen hatte, nicht dem Zeitgeist hinterherzulaufen und kein angepasstes Leben zu führen (Kühnhardt 1977b). Fast drei Jahrzehnte später erinnerte sich die Zeitungsredaktion offenbar meiner Anfänge und fragte, wie es mir seit dem Abitur in Westfalen wohl ergangen sei (Kühnhardt 2006).

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2.2  Die Verherrlichung Gottes. Weltbild eines Arztes (Heim 1968): Patenonkel Erwin Bernhard Heim Nein, wir sollten uns nicht mehr sehen, sagte mir mein Patenonkel am 6. April 2007, seinem 84. Geburtstag, am Telefon. Es gehe ihm seit einigen Wochen wieder sehr schlecht. Gelbsucht, der Körper sehe fürchterlich aus. Er fühle sich schwach, mache sich Sorgen um seine Frau Margrith. Es sei besser, wenn ich nicht nach Zug komme, auch nicht zum Guten-Tag-Sagen nach dem Gottesdienst in der St. Oswald-Kirche im Herzen des hübschen Schweizer Städtchens. Er wisse ja auch überhaupt nicht, ob er tatsächlich jeden Tag noch dort hingehen könne. Es sei besser, wir blieben im Geiste und im Gebet verbunden. Es sei schön zu hören, dass es meiner Familie gut gehe und alle sich glücklich entwickeln. Wir seien verbunden im Geiste, sagt er nochmals, und im Gebet. Die prägnante, leicht schwyzerdeutsch knurrende Stimme verabschiedete sich mit froher, aber entrückter Tonlage. Mein Patenonkel, Erwin Bernhard Heim, zog sich endgültig aus dem Leben zurück. Eigentlich hat es der 1923, wie mein Vater, geborene Arzt seit 1972 getan. Damals kam die erste schriftliche Nachricht von seiner Krebskrankheit und der ersten, schweren Operation. Seither trug er einen Anus praeter, einen künstlichen Darm-Ausgang. Die Ärzte hatten ihm damals sechs Monate Lebenserwartung prognostiziert. Daraus wurden mehr als 30 Jahre. Mit eisernem Willen und extremem Gottvertrauen. Mit Mut zur Anwendung noch ungetesteter Präparate, auch solcher aus der DDR, guten Ärzten und einem ruhigen Lebenswandel. Ohne Reisen, ohne Arbeit, betreut von seiner geliebten Ehefrau Margrith, die ihrerseits zusehends an Depressionen litt und überdies Herzprobleme zu bewältigen hatte. Es war ein hartes Schicksal, in das das kinderlose Ehepaar Heim sich fügen musste. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie schienen dieses Leiden ein wenig auskosten zu wollen, die Härte Gottes als Zeichen seiner besonderen Liebe testen zu wollen.

2.2  Die Verherrlichung Gottes. Weltbild eines Arztes …

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Abb. 2.4   Mit meinem Patenonkel Erwin Bernhard Heim und seiner Frau Margrith in Münster (1960). (©Ludger Kühnhardt)

Mein Vater und Erwin Heim hatten gemeinsam Ende der 1940er-Jahre Medizin in Zürich studiert. Von allen seinen Studienfreunden hatte Erwin Heim meinem Vater am meisten imponiert. Die Verbundenheit der beiden war ausdauernd und freundschaftlich, aber auch immer ein wenig entrückt. Als Kleinkind hatte ich meinen Patenonkel mit meinen Eltern in der Schweiz besucht. Einmal war er nach Westfalen gekommen. 1970 begann unser Briefwechsel. 1972 besuchte ich meinen Götti, wie die Schweizer den Patenonkel nennen, zum ersten Mal allein. Mit seiner Frau Margrith zeigte er mir die vielen schönen Orte der Innerschweiz. Besonders wichtig war ihm, mir den Nationalheiligen der Schweiz nahezubringen, Bruder Klaus. Das Geburtshaus des Heiligen Nikolaus von der Flüe im Kanton Obwalden und die nahegelegene Bruder-Klaus-Kapelle hatten es Erwin Heim besonders angetan. Wenig später erkrankte er lebensgefährlich. Vielleicht hatte mein Götti schon von der Krankheit gewusst, als wir uns sahen. Nie sprach er darüber. 1968 hatte er ein Buch unter dem Titel Die Ver-Herrlichung Gottes. Weltbild

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eines Arztes veröffentlicht (Heim 1968). Ein Schweif der Milchstraße auf dem Titelblatt. Ein Foto von ihm und eine Abbildung des Hauses, in dem sich seine Praxis und die private Wohnung in Zürich befanden, auf der Rückseite. Tiefe Frömmigkeit und strenge Naturwissenschaft wurden in diesem Buch verbunden. Ich verstand anfangs wenig vom Inhalt und seinen Zielsetzungen, anknüpfend an viele Gespräche meines Patenonkels mit dem Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar. Aber jemanden zu kennen, der ein Buch geschrieben hatte, das imponierte mir. Später verstand ich sein Anliegen: Glaube und Wissen, Religion und Wissenschaft sind keine Gegensätze. Diesen Kerngedanken verinnerlichte ich.

Abb. 2.5   Vor dem Haus des Eremiten Nikolaus von Flüe („Bruder Klaus“) in Flüeli-Ranft: Mein Patenonkel Erwin B. Heim zeigt mir die Innerschweiz (1972). (©Ludger Kühnhardt)

Jahr um Jahr zog unser Kontakt sich dahin, wie ein ruhiges Rinnsal. Es gab regelmäßige Besuche von mir, regelmäßige Briefe von ihm. 1989 eröffnete er mir die Möglichkeit, zu einem längeren Einkehraufenthalt im Kloster Einsiedeln, dem sein Cousin Georg Holzherr als Abt vorstand. Für zwei Monate betete und arbeitete ich mit den Mönchen von Einsiedeln nach deren Rhythmus. Es war eine starke Erfahrung in benediktinischer Demut. Die eindrucksvollste Abwechslung war die Teilnahme an einer Sennermesse bei Sonnenaufgang am Fuße des Innerschweizer Bergmassivs Großer Mythen.

2.3  Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven …

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„Glückliche Schuld, die einen solchen Erlöser gehabt.“ Dieser Satz des Heiligen Augustinus an der Stirnwand der schönen gotischen St. Oswald-Kirche könnte das Lebenswerk meines Patenonkels überschreiben. So ging es mir durch den Kopf, als ich 2003 wieder einmal mit Erwin Heim und seiner Frau Margrith einen Gottesdienst am frühen Morgen in Zug feierte. Das „Hallelujah, Jesus lebt“ rief mich an wie eine vorweggenommene Beerdigungsfeier für meinen Götti. Seitdem ich ihn erstmals besuchen durfte, hatte er mein Leben begleitet. Er hatte auch meine Frau und unsere beiden Kinder kennengelernt. Nun, bald drei Jahrzehnte nach meinem ersten längeren Besuch, schien mir das baldige biologische Ende eines guten Arztes, frommen Mannes und stets gerne lachenden Optimisten bevorzustehen. Die Stimme, knarrend unverwechselbar, brach schon etwas. Das Gesicht war hager geworden und wirkte verschlossen. „Alles Gute, Gottes Segen, Ciao.“ Ein Wangenkuss, ein Händedruck, ein leichtes Winken. Er lebte noch weitere sechs Jahre als Eremit wie Bruder Klaus. Das Briefeschreiben fiel ihm immer schwerer. Gelegentlich telefonierten wir miteinander. Am 19. Oktober 2009 ist mein Patenonkel im gesegneten Alter von 86 Jahren in Zug verstorben. Seine Witwe Margrith überlebte ihn mehr als ein Jahrzehnt und starb am 30. August 2022 im 97. Lebensjahr. In der Kraft ihres Glaubens lag das Geheimnis des langen Lebens von ihr und von Erwin Bernhard Heim: Er hat diagnostiziert und therapiert. Er hat geglaubt und geschrieben. Er hat gelitten und gelacht. Ungetrübtes Gottvertrauen über alle Zweifel und alle Widrigkeiten hinweg, so war er mit Götti und Wegbereiter.

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 hristliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven C (Kühnhardt 1977a, b, c): Die erste Buchveröffentlichung

Anstatt mich anständig auf das Abitur im Frühjahr 1977 vorzubereiten, schrieb ich 1976 mein erstes Buch. Drei Gedanken trieben mich an: Durch Schreiben würde ich zu einer besseren Welt beitragen können. Christsein dürfe nicht nur auf Gebet und Gottesdienst beschränkt sein, sondern müsse politische Konsequenzen haben. Die Nord-SüdFragen seien wichtiger und drängender als alle anderen Themen. Auf der Suche nach Weltsinn und Lebensaufgabe hatten mich die Biografien über moralische Ausnahmemenschen oder auch nur die Titel ihrer Bücher in den Bann genommen: Eine Biografie über Dom Helder Camara (Broucker 1969), eine Biografie über Mahatma Gandhi (Rau 1970) und ein Buch von Martin Luther King (King 1974), Robert Kennedys Auf der Suche nach einer neuen Welt (Kennedy 1969) und Jimmy Carters Biografie Das Beste geben (Carter 1976). Ich las grundlegende Texte der Katholischen Soziallehre (Bundesverband Katholische Arbeitnehmer-Bewegung 1976) und, weil ich ökumenisch denken wollte, Texte zur evangelischen Sozialethik. Dann begann ich, ein längeres Manuskript zu formulieren. Ende 1976 war es fertig, auf der kleinen Schreibmaschine meines Vaters mit zwei Fingern getippt. Ich hatte mit mir gerungen, was „katholisch“, „allumfassend“ heißen sollte: Eine konsequent christliche Sicht auf die Welt oder eine möglichst alle Aspekte der Welt berührende Analyse im Geiste der christlichen ­Soziallehre?

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Ich war frustriert über manches Schlechte in der Welt, hoffte auf die Kraft weitsichtiger politischer Korrekturen und suchte nach irgendwelchen dritten Wegen zwischen Beharrung und Totalumbruch. Von Appellen zur Bewusstseinsveränderung erhoffte ich mir viel, ohne über die Möglichkeiten und vor allem die Grenzen von Appellen genug nachgedacht zu haben. Ich breitete meine Vorstellungen über Veränderungen in Deutschland und in der Welt aus. Es entstand eine hybride Mischung, ein typisches Jugendwerk, unausgereift und überambitioniert: Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven (Kühnhardt 1977c). Das Inhaltsverzeichnis war selbsterklärend: I. II. III. IV. V. VI. VII.

Hoffnung und Auftrag für eine bessere Welt Entscheidung für einen dritten Weg Christentum und Politik Grundzüge der christlichen Soziallehre Nationale Perspektiven 1. Mehr Teilhabe durch mehr Machtverteilung 2. Menschengerechte Arbeitswelt 3. Neue Soziale Frage 4. Erziehung zu Selbstverwirklichung und Partnerschaft Internationale Perspektiven 1. Frieden ist mehr als „Nicht-Krieg“ 2. Die Menschenrechte verwirklichen 3. Entwicklungshilfe – Höchste Zeit zum radikalen Umdenken 4. Vom Überfluss zum Mangel – Was nun? Mit Mut und Entschlossenheit in die Zukunft

Auch ein Überblick über die von mir verwendeten Quellen durfte nicht fehlen, einschließlich eines Zitats aus dem Musical „Hair“. Zumeist hatte ich die aufgeführten Autoren natürlich nur arg oberflächlich konsultiert: John F. Kennedy, Hans Küng, Karl Popper, Franz Alt, Heiner Geißler, Helmut Gollwitzer, Gustav Heinemann, Friedrich Naumann, Alfred Müller-Armack, Konrad Adenauer, Oswald von Nell-Breuning, HeinzDietrich Wendland, Aldous Huxley, Albert Schweitzer, Helder Camara, Carl Zuckmayer, Julius Nyerere, und schließlich der Club of Rome, dessen Studie über die Grenzen des Wachstums auch mir damals die Augen über die globalen Zusammenhänge von Bevölkerungsexplosion, Rohstoffverbrauch und menschlicher Wirtschaftsweise öffnete, aber zugleich irgendwie auch eine abwägende Weitsicht wegen seiner apodiktischen Allgemeinplätze vernebelte (Meadows 1973). Ich wollte unter keinen Umständen in ein politisches Lager eingeordnet werden. So setzte ich mich zwischen alle Stühle, die mir bis dahin bekannt waren. Ich fühlte mich dabei katholisch, eben allumfassend. Meine Schlussfolgerungen zeugten von jugendlicher Ungeduld und spätpubertärer Selbstgerechtigkeit. In zwölf Thesen, dem Haupttext vorgeschaltet, schleuderte ich der Welt meine Forderungen entgegen und glaubte

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tatsächlich, damit Bewusstseinsprozesse freizusetzen, die die Wirklichkeit verändern würden. Ich stellte Marx auf den Kopf, ohne bis dahin je von Hegel gehört zu haben: Das Bewusstsein bestimmt das Sein. „These 1: Wer sein Christsein privatisiert, verkürzt und verfälscht die Botschaft Jesu. Das Christentum hat radikale soziale und politische Konsequenzen. Die Prinzipien ‚Glaube, Hoffnung, Liebe‘ sind Richtschnur für eine Politik aus christlicher Verantwortung. These 2: Im sozialen Bereich ist eine erhebliche Annäherung beider christlicher Konfessionen festzustellen. In keiner anderen Konzeption werden die Prinzipien von Personalität und Sozialität so deutlich gekoppelt und ausgeglichen behandelt wie in der christlichen Soziallehre (= katholische Soziallehre und evangelische Sozialethik). Die christliche Soziallehre sieht die Solidarität als Grundlage von Freiheit und Gleichheit an und stellt sie in den Mittelpunkt ihrer Vorstellungen. These 3: Soziale Marktwirtschaft und Sozialstaatlichkeit sind weiterzuentwickeln und mit mehr ‚Werten‘ und ‚Leistungsbarometern‘ auszustatten. Vermögensbildung, paritätische Mitbestimmung und Dezentralisierung der Unternehmensmacht durch branchenspezifisch zu prüfende Entflechtungen dienen dazu, durch mehr Machtverteilung zu mehr Teilhabe und damit zu mehr Freiheit aller zu gelangen. These 4: Für die christliche Soziallehre ist der Wirtschaftsfaktor Arbeit wichtiger als alle anderen Faktoren. Die Anpassung der Arbeitsverhältnisse an den Menschen ist daher eine zwingend notwendige Aufgabe der Gegenwart. Das Recht auf Arbeit ist durch Arbeitszeitverkürzungen einzulösen. These 5: Der Bereich sozial schwacher Gruppen hat sich verlagert. Hier stellt sich die neue soziale Frage. Bei ihrer Bewältigung muß neben die staatliche Hilfe für die unorganisierten Randgruppen die Bereitschaft zu sozialer Solidarität, zu sozialen Diensten von Mensch zu Mensch treten. These 6: Fehlende Zukunftschancen und eine an kurzfristigen wirtschaftlichen Bedürfnissen orientierte Ausbildung sind ein Betrug an der Zukunft der Jugend. Chancengleichheit zielt darauf ab, dass jeder Schüler in Anerkennung seiner eigenen Würde die ungekürzte und gleiche Chance erhält, den seinen Neigungen und Fähigkeiten am besten entsprechenden Weg einschlagen zu können. These 7: Die Abschreckungsstrategie muß durch einen Vertrauensfrieden ersetzt werden. Vertrauensfrieden verwirklicht sich in sozialem Weltfrieden, nicht aber in Abschreckung und Rüstung, welche Not und Elend weltweit nicht zu beseitigen vermögen. Wir brauchen die ‚Gewalt der Friedfertigen‘ (Roger Schutz). These 8: Für die christliche Soziallehre ist der Einsatz für die Menschenrechte aus dem christlichen Glauben und dem christlichen Menschenbild unmißverständlich und verpflichtend abgeleitet. Die Grundrechte sind unantastbarer Ausdruck der menschlichen Freiheit und des menschlichen Strebens nach Selbstverwirklichung. Sie sind jedem Menschen angeboren.

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These 9: Ein enormer Bewußtseinswandel ist für den Erfolg der Entwicklungspolitik notwendig. Wir müssen unseren eigenen Wohlstand radikal infrage stellen und einschränken. Das Ziel der neuen Weltwirtschaftsordnung muss es sein, die Güter dieser Nicht-Überfluss-Welt allen Menschen gleichermaßen zukommen zu lassen. Eine bedarfsdeckungsmäßig aufgebaute ‚Internationale Soziale Marktwirtschaft‘ ist die richtungsweisende Perspektive zur Überwindung des Nord-Süd-Gegensatzes und zur Errichtung des Vertrauensfriedens in dieser Welt. These 10: Wachstumspolitische Konzeptionen in den Industrieländern beruhen auf dem falschen Bild von einer Überflußgesellschaft. Bisher haben wir Menschen bedenkenlos die Natur unseren Bedürfnissen, mehr aber noch unseren Scheinbedürfnissen unterworfen. Nun bleibt kein anderer Ausweg als der des Kürzertretens. Eine Bedarfsdeckungswirtschaft ist wirtschafts- und sozialpolitische Bedingung einer solidarischen Weltgemeinschaft. Nichtwirtschaftliche Sinnerfüllungen müssen in den Mittelpunkt unseres Lebens rücken. Wir müssen vom mehr Haben zum mehr Sein gelangen. Das ist eine große Chance zur moralischen Weiterentwicklung. These 11: Der Dialog zwischen Christen und Marxisten ist wieder verstärkt zu führen. Die christliche Soziallehre, obschon und gerade weil sie keinen Sozialismus oder Marxismus verficht, kann unbelastet darangehen. Sie ist in der Lage, einem billigen Antisozialismus entgegenzutreten. These 12: Mit Bestürzung ist festzustellen, wie sehr gerade wir Christen unserem eigenen Anspruch nicht oder kaum gerecht werden. Wir müssen der Dekadenz unseres Gewissens ein Ende setzen und zur Verantwortung bereit sein. Wir müssen mit Mut und Entschlossenheit in die Zukunft gehen. Wir müssen vorleben (Kühnhardt 1977c, S. 7 ff.).“ Meine Eltern waren überrascht, dass ich nicht so recht fürs Abitur lernte, sondern an einem Buchmanuskript bastelte. Für mich waren sie in dieser Zeit Antrieb und Gegenpol zugleich. Lebten sie mir nicht ein christliches und soziales Leben vor? Aber in der Pubertät gehören Abnabelung und Widerspruch dazu. So wollte ich es natürlich anders und vor allem besser machen als sie. Ich hatte das Buch meines Patenonkels vor Augen. Das wäre es doch, so dachte ich naiv: Wie ein Arzt diagnostizieren, aber dann eine allumfassende Therapie anbieten, nicht bloß für einen Menschen, sondern für die ganze Welt. Nur mit 18 Jahren darf man so denken, reden und schreiben. Nur mit 18 Jahren hat man das Recht auf Unwissenheit und Ignoranz. Nur mit 18 Jahren weiß man noch nicht, wie befriedigend es ist, dazuzulernen. Dankbar bin ich meinen Eltern, dass sie mich damals nicht verspotteten. Sie verhalfen mir sogar dazu, mich mit einem Publikum auseinanderzusetzen, das für mein jugendliches Überheblichkeitsgefühl anspruchsvoll und kompetent genug war: Am 29. April 1977 hielt ich vor den Mitgliedern des „St. Lukas Institut für Ärztliche Anthropologie“

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in Münster-Handorf einen Vortrag über meine These, dass die Nord-Süd-Thematik die wichtigste Frage der Gegenwart sei. Der Kreis bestand aus ärztlichen Freunden meiner Eltern, die in christlichem Geiste tätig waren, in Deutschland und auch in der Dritten Welt. Man könne einfach nicht unbeteiligt sein beim Elend der Vielen, begann ich meine Thesen. „So einfach geht das alles nicht. Der Tod eines Kindes in Bolivien ist nicht einmal die Spitze eines Eisberges. Er ist das minimalste erkennbare Bruchstück des Teufelskreises des Elends.“ 95.000 Menschen verhungern täglich, 20 von 100 Kindern sterben innerhalb ihres ersten Lebensjahres. Eine Milliarde Analphabeten, ebenso viele Menschen ohne regelmäßigen Zugang zu Wasser. 400 Mio. Menschen leiden an der ägyptischen Augenkrankheit. 580 Mio. in der Dritten Welt sind Gelegenheitsarbeiter und 260 Mio. Menschen sind dort arbeitslos, „was der Gesamtbevölkerung West- und Osteuropas entspricht“. Die Gesamtbevölkerung der Erde lag damals bei drei Milliarden Menschen. „Dritte Welt“, das Wort klinge nach einem anderen Planeten, dahinten, „wo die Weltmeere eine willkommene Barriere bilden“. Aber nein, so fuhr ich ungeduldig fort, „dieser Teufelskreis befindet sich vor unserer Haustür und die Menschen, die ihm ausgeliefert sind, klopfen an, wollen hereingelassen werden in das gemeinsame Haus ‚Erde‘“. Lange werden diese Menschen diesen Zustand nicht mehr mitmachen. „Dann werden sie sich gewaltsam zurückholen, was wir ihnen bisher schon angenommen oder zu teilen verweigert haben. Noch hat die Bundeswehr kein ‚Kriegsbild‘“, wie mir ein Offizier versichert hatte, „doch wann kommt der Tag, an dem die Mündungen der Panzer umgeschwenkt werden von Osten nach Süden?“ Ich erinnere daran, dass der Schah von Persien eine erste kriegerische Auseinandersetzung zwischen Norden und Süden für das Jahr 2000 vorausgesagt hatte. Dieses Datum sei von heute, 1977, her betrachtet, näher an der Gegenwart als das Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Verbreitung von Atomwaffen werde vieles noch gefährlicher machen. Der Nord-Süd-Konflikt sei „die soziale Frage unseres Jahrhunderts“. Mit jedem ungenutzten Tag schwinden Handlungsspielräume zum Entschärfen. Karitative Hilfsgelder und staatliche Entwicklungshilfe werden nicht reichen, höchstens zur Gewissensberuhigung. Auch durch Entwicklungshilfe in Höhe von einem Prozent unseres Bruttosozialproduktes werde der Gegensatz Arm-Reich nicht beseitigt werden. „Sinn der Sache ist nicht, unsere eigenen Vorstellungen und Methoden von Entwicklung übertragen zu wollen, auch wenn sie hierzulande einen noch so großen Erfolg gebracht haben mögen.“ Sinnvoll sei nur die Stärkung des „Eigenengagements“, der Selbsthilfe. Man suche in der Dritten Welt nach eigenen Wegen und anderen Maßstäben, und „wir sollten dies fördern und nicht behindern“. Wie kann es sein, fragte ich in die Runde, dass die meisten Entwicklungsländer andere politische Systeme wählen als wir? Menschenrechte seien natürlich wichtig, aber dennoch müssten wir bezüglich der Begriffe differenzieren, die damit verbunden werden. Auch der Begriff „Dritte Welt“ sei viel zu undifferenziert.

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„Entwicklungshilfe kann, global gesehen, nur versuchen, Wirkungen der Unterentwicklung zu mildern.“ Entwicklungshilfe ersetze Entwicklung nicht. Die Aufgabe bestehe darin, „Ursachen des Auschwitz unserer Tage zu erkennen und die gebotenen Konsequenzen zu ziehen“. Ich sprach über die Welthandelskonferenz UNCTAD IV in Nairobi: Die Industrieländer bejahten dort einen „gerechten Interessenausgleich“, die Entwicklungsländer fordern eine „neue Weltwirtschaftsordnung“. Es könne nicht angehen, dass ein Drittel der Menschheit über 85 % der Weltproduktion verfügt und die Entwicklungsländer aufgrund von Zollgrenzen und Wertschöpfungsproblemen immer mehr zurückfallen.1954 hatte Brasilien 14 Sack Kaffee für den Import von einem Jeep aufbringen müssen. 1962 seien es schon 39 Säcke gewesen, heute noch viel, viel mehr. Die Lobby in unserer Politik für diese Fragestellungen sei viel zu gering. Wir sollten unverzüglich die Schulden der armen Länder streichen, die sich 1977 auf 250 Mrd. US$ beliefen. Integrierte Rohstofffonds wären eine gute Idee, denn die rohstofflosen Entwicklungsländer seien am ärgsten von den falschen Strukturen der Weltwirtschaft betroffen. Eine internationale soziale Marktwirtschaft zu errichten, wäre das Wenigste, sagte ich dann noch. Der Nord-Süd-Konflikt, so bilanzierte ich, sei nicht nur ein Verteilungsproblem. Die Endlichkeit der Erde macht die Dinge noch dramatischer: „Wir leben nicht in einer Welt des Überflusses.“ Nicht Kulturpessimismus wolle ich vorschlagen, wohl aber eine „Bedarfsdeckungswirtschaft“. Angesichts des Bevölkerungszuwachses im Süden der Erde sei eine Produktionssteigerung weiterhin nötig. Dabei müsse man aber nicht bloß auf weltweites Wachstum setzen. Es wäre nützlich, Produktionen in Entwicklungsländer auszulagern, ohne die Gewinne zu uns zu exportieren. Ich erwähnte die Textilindustrie als ein Beispiel. „Unsere Gesellschaft wird sich in vielerlei Hinsicht wandeln“, prognostizierte ich. Nötig sei eine „ursachenbeseitigende Entwicklungspolitik“, verbunden mit einem „Bewußtseinswandel“. Neben mir tickte während des Vortrags ein Metronom im Sekundentakt. Ich wollte mein Publikum damit nerven und löste das Rätsel erst am Ende meines Vortrages auf: Jede Sekunde starb 1977 ein Mensch an Unterernährung, je einer pro Schlag des Metronoms neben mir. Ich zitierte den Generalsekretär der Vereinten Nationen, U Thant. 1969 hatte er der Menschheit noch zehn Jahre zur Bewältigung der großen Weltprobleme eingeräumt, dann würden diese Probleme die menschlichen Fähigkeiten übersteigen. Uns blieben also noch zwei Jahre. Die zwei größten Defizite in meinem Denken waren mir natürlich damals noch nicht klar. Erstens: Wen meinte ich mit „uns“ und „wir“, während ich andauernd mal von „unserem“ Lebensstil und dann wieder von der Welt als Ganzes sprach? Zweitens: Wer würde mir helfen, um vom plumpen Appell zur substanzreichen Analyse und von der rigorosen, besserwisserischen Apodiktik zum differenzierten Werturteil zu gelangen?

2.3  Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven …

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Abb. 2.6   Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven (1977c). (©Olzog/Lau-Verlag)

Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven erschien Ende 1977 im Günter Olzog Verlag München. Zu meiner Freude fand das Buch Aufmerksamkeit und generierte im darauffolgenden Jahre wohlmeinende Rezensionen: Das Buch sei „recht sympathisch gegen parteipolitische Enge und gegen die Verzagtheit mancher ihrer Sachwalter,“ schrieb Chefredakteur Josef Dewald in „Christ in der Gegenwart“ am 20. August 1978. „Kühnhardt sprengt zugleich in erfrischender Unbefangenheit den Rahmen der überlieferten Anwendungsfelder der christlichen Soziallehre. Er nimmt sie beim Wort und in Anspruch zu einer streitbaren Beurteilung von je vier

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wichtigen nationalen und internationalen Themenfeldern … Kühnhardt kann es (möge es) gelingen, der christlichen Soziallehre insbesondere in der jüngeren Generation neue Anhänger zu verschaffen (Dewald 1978).“ Franz Klüber nannte das Buch wenige Tage später, am 25. August 1978 in „Publik Forum“ „eine ungewöhnliche Schrift“ und sprach „von einem starken inneren Engagement und hohem Idealismus getragenen Denkanstößen … Was er zu sagen hat, trifft den Nerv der gesellschaftlichen Problematik nicht nur unserer bundesdeutschen Wohlstandsgesellschaft, sondern des Weltganzen überhaupt  …  durch erstaunliches Sachwissen fundiert“ (Klüber 1978). Annotierte Bibliografien nahmen von dem Buch Kenntnis, im Bereich des Schulunterrichts in mehreren deutschen Bundesländern und an der Universität Fribourg in der Schweiz. Marcel Peeters rezensierte das Buch in der holländischen Zeitschrift „Politica“ (Juni 1979) (Peeters 1979). Florian Sattler interviewte mich für die Sendung „Das Notizbuch“ des Bayerischen Rundfunks am 27. Juni 1978 und gab mir Gelegenheit, meine Sichtweisen zu erläutern: Christliche Solidarität „muss weltumfassend, im besten Sinne katholisch sein, und darf nicht an unseren nationalen Grenzen Halt machen“. Die „Deutsche Zeitung/Christ und Welt“ attestierte mir am 8. September 1978 eine „leidenschaftliche Kampfansage an die diesseitige Folgenlosigkeit des Glaubens, an die bequeme Resignation der Gläubigen vor der Politik“. Am besten sei das Buch wohl im Milieu der CDU-Sozialausschüsse angesiedelt. „Schon allein der Versuch, in einer Zeit, die das Durchwursteln zum obersten Prinzip erhoben hat, nach dem Sinn staatlichen Handelns zu fragen, macht es lesenswert.“ Kritische, überhaupt nicht von der Hand zuweisenden Bemerkungen formulierte Ernst Maste am 24.März 1979 in „Das Parlament“. Das Buch enthalte zu viele sozialistische Leerplätze. Konsumterror sei ein dummes, nichtssagendes Wort. Ihm sei, so bemühte er sich um Objektivität und Freundlichkeit, ein „temperamentvoller, um einen weiten Rahmen bemühter Nachwuchsautor“ begegnet, der Sinn für Humor zu haben scheine: „Dessen wird dieser wackere Nonkonformist in den ihm bevorstehenden Auseinandersetzungen bedürfen (Maste 1979).“ Hans Zwiefelhofer, Rektor der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München, verpackte in einem Brief an mich Sachkritik in freundliche Worte: Bei einer Neuauflage sollte doch bitte auf Seite 147 der Sitz von BASF korrigiert werden. Die Firma sei nicht in Leverkusen, sondern in Ludwigshafen verankert. Verkauft wurden immerhin 1710 Exemplare von Christliche Soziallehre konkret. Den Erlös spendete ich Amnesty International und dem Kinderhilfswerk Terre des Hommes. Zu danken hatte ich die Veröffentlichung meines ersten Buches zwei Männern, die mir bis zu ihrem Lebensende wertvolle Wegbegleiter geblieben sind: Oswald von NellBreuning und Günter Olzog. Ihrer Erinnerung sind die beiden nachfolgenden Kurzporträts gewidmet. Zeitgleich zu meiner ersten Buchveröffentlichung absolvierte ich eine Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München. Sie führte mich unweigerlich zu der Frage, ob ich künftig ein tendenziell selbstverliebter Prediger bleiben wollte oder doch versuchen sollte, mir ein wissenschaftliches Methodengerüst anzueignen und Tiefgang in den Dingen, die mein Herz umtrieben. Dass ich die richtigen Weichen akzeptierte, verdanke ich Ludolf Herrmann. Seiner Erinnerung ist das dritte der nachfolgenden Kurzporträts gewidmet.

2.4  Baugesetze der Gesellschaft (Nell-Breuning 1990): Vertrauensvorschuss …

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 augesetze der Gesellschaft (Nell-Breuning 1990): B Vertrauensvorschuss durch Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning

Im Herbst 1976 referierte Oswald von Nell-Breuning im Franz-Hitze-Haus Münster, der katholisch-sozialen Akademie des Bistums Münster, zum Beschluss der Würzburger Synode von 1975 „Kirche und Arbeiterschaft“. Im Miteinander von deutschen Bischöfen und Laienvertretern war es bei dieser Synode darum gegangen, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen. Der Synodenbeschluss zum Thema „Kirche und Arbeiterschaft“ galt als wegweisend, um die Trennungen zwischen katholischer Kirche und oftmals sozialistischen Gedanken näherstehenden Arbeitnehmern sowie ihren gewerkschaftlichen Vertretern zu überwinden. Seit zwei, drei Jahren hatte ich mich mit den Grundprinzipien der katholischen Soziallehre beschäftigt. Je vertrauter mir diese wurden und als ein Grundkoordinatensystem meines Ordnungsdenkens als politisch interessierter Christ einleuchteten, umso vertrauter war mir der Name Nell-Breuning als des führenden Wegbereiters und Interpreten der katholischen Soziallehre geworden. Jetzt gab es die einzigartige Chance, den 86-jährigen Professor für katholische Sozialwissenschaften und Jesuitenpater persönlich zu erleben. Ich fuhr nach Münster und stellte mich Nell-Breuning vor. Der leicht gebeugte, gütige und doch zugleich in seinen Analysen rigorose alte Herr imponierte mir auf Anhieb. Ich bat ihn um ein kurzes Interview für die Kirchenzeitung des Bistums Münster. Dort berichtete ich am 12. Dezember 1976, dass der Altmeister der katholischen Soziallehre nach wie vor eine Wand zwischen der sogenannten Gesellschaft und den Arbeitern beklagte. Die Situation habe sich unumstritten verbessert, aber es gebe noch immer Überbleibsel der Ständegesellschaft von vor 1789. Die Christen seien bedauerlicherweise zu sehr mit dem Ringen um ihren Glauben beschäftigt und hätten deshalb zu wenig Zeit für die sozialen Fragen. Das Evangelium verpflichte indessen zum Handeln gegen jedwedes Unrecht auf der Welt (Kühnhardt 1976a). Das sprach mir aus dem Herzen. Ich befragte Nell-Breuning nach den Aufgaben christlicher Soziallehre. „Kirche und Leben“, die Zeitung des Bistums Münster, druckte dieses Gespräch am 19. Dezember 1976 ab (Kühnhardt 1976b). NellBreuning betonte, dass die Prinzipien der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik in der Welt heute weithin anerkannt seien, es aber weiterhin an ihrer praktischen Durchsetzung mangele. Es bedürfe der Verfeinerung der Grundwerte, so wie sie die Führer der politischen Parteien dankenswerterweise in Angriff genommen hatten. Eine simple Version des Sozialismus gebe es nicht. Umgekehrt stelle eine Partei wie die CDU, die sich dem Wort „christlich“ verpflichtet fühle, hohe Maßstäbe an sich selbst. Sie müsse sich ja nicht „christlich“ nennen, wenn sie es aber tue, müsse sie wissen, was sie da tue. Der Nord-Süd-Gegensatz sei zweifellos der größte Konflikt unserer Zeit: „Die Interesselosigkeit oder geradezu Ablehnung eines Großteils unserer Bevölkerung gegenüber der Entwicklungshilfe ist erschreckend. Einmal verrät sie eine ungeheure Kurzsichtigkeit und Gedankenlosigkeit. Zweitens verrät sich darin auch ein großes Stück Herzlosigkeit. Und drittens liegt darin eine ungeheure Gefahr, denn, wenn wir überleben

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wollen, setzt das voraus, dass es uns gelingt, zu verhindern, dass die Verzweiflung der zurückgebliebenen Völker die Welt in Brand setzt.“ Wie prophetisch waren diese Worte. Sie beeindruckten mich so sehr, dass ich den Kontakt zu dem alten Herrn weiterhin suchte. Er beeindruckte mich zutiefst in seinem rigorosen Lebensstil und Argumentieren, auch wenn ich in vielem versagte und ihm nicht in allen seinen Auffassungen folgen konnte. Wir begannen einen Briefwechsel, in dessen Verlauf er mich ermunterte, mein Interesse an der katholischen Soziallehre zu vertiefen. Es folgten über 14 Jahre lang Gespräche im jährlichen Rhythmus in seiner kargen Mönchsklause in der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen, der Jesuitenhochschule am Rande von Frankfurt. Gleich beim ersten Wiedersehen 1978 drückte er mir zum Abschied eine kleine, handsignierte Schrift aus dem Jahr 1950 in die Hand: Einzelmensch und Gesellschaft (Nell-Breuning 1950). Er wünschte, dass ich weiterlesen und mit ihm im Gespräch bleiben möge. Unvergessen ist mir eine andere dieser frühen Begegnungen mit Oswald von Nell-Breuning im Februar 1980 geblieben. Mit meinem Studienfreund Johannes Regenbrecht, der einer der versiertesten deutschen Diplomaten werden sollte, hatte ich Nell-Breuning am Vorabend unseres Aufbruchs zu einem Kibbuz-Aufenthalt in Israel besucht. Er hatte uns liebenswürdigerweise in Gästezimmern der Jesuitenhochschule einquartiert. Das Gespräch beim Essen schätzte er gar nicht. Dort sollte wortlos gespeist werden. Bald gingen wir schlafen. Um 5 Uhr 30 in der Früh klopfte Nell-Breuning an unsere Türen und weckte uns. Wir wollten vor dem Aufbruch mit ihm die Frühmesse um 6 Uhr feiern. Wir fanden uns mit ihm allein in der kleinen Kapelle der Jesuitenhochschule ein. Mitten im Gebet des Gottesdienstes drehte er sich um: „Ich kann nicht beten, weil ich fürchte, dass Ihr das Flugzeug verpasst. Gehet hin in Frieden!“ Sagte es, erteilte uns kurzerhand den Segen des Kreuzes und ehe wir uns versahen, standen wir vor der Tür. Wir wagten nicht einmal mehr, eine Tasse Kaffee zu uns zu nehmen in der Furcht, der so liebenswerte und doch strenge alte Herr könnte uns noch bei Tisch entdecken und tadeln. Geradezu fluchtartig verließen wir die Jesuitenhochschule St. Georgen, nahmen einen Kaffee am Frankfurter Hauptbahnhof zu uns und kamen viel zu früh am Frankfurter Flughafen an. Meine jährlichen Besuche bei Pater von Nell-Breuning verliefen auch künftig nach gleichem Schema. Aufrecht wartete er schon im Gang vor seiner Mönchsklause auf mich. Wir setzten uns an seinen Schreibtisch, unter den Füßen den kargen Linoleumfußboden seines spärlich möblierten Zimmers. Stets hörte ich ihm eine gute Stunde zu, stellte Fragen, gab kurze Einblicke in die Dinge, die mich bewegten. Ausgehend von seinen sozialethischen Denkfiguren „Solidarität“ und „Subsidiarität“ erweiterte sich mein eigenes Denken in diesen Jahren zunehmend um die Begriffe „liberaler Rechtsstaat“ und „freiheitliche, pluralistische Politik“. Mir schien es dringend an der Zeit, christliche Soziallehre und politischen Liberalismus zu versöhnen, einen Gedanken, den ich beispielsweise in einer Rezension des Buches Freedom with Justice von Michael Novak entwickelte (Kühnhardt 1986, S. 54 ff.). Pater von Nell-Breuning unterstützte diese Denkausrichtung. Wie zur Bekräftigung gab er mir 1986 die Neuauf-

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lage seiner Studie Gerechtigkeit und Freiheit (Nell-Breuning 1985a) mit auf den Weg. Besonders beeindruckt war ich von der Weite seines Denkens im Blick auf die Fragen der Weltwirtschaft und der Entwicklungsländer. Ungebührlich geschmeichelt und zutiefst in die Pflicht genommen fühlte ich mich durch die beiden grandiosen Rezensionen, mit denen Pater von Nell-Breuning meine ersten wissenschaftlichen Gehversuche begleitete, zunächst meine Dissertation von 1984 und später meine Habilitationsschrift von 1987. Im Heft 11 der renommierten Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit“ vom November 1985 formulierte er zu meinem Buch Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik (Kühnhardt 1984a): „Mit heißem Herzen, aber ebenso nüchterner Besonnenheit behandelt der Verfasser ein Problem, das nicht nur den Weltfrieden gefährdet, sondern mindestens mittelbar auch im engem Zusammenhang steht mit der unbefriedigenden Weltwirtschaftsordnung und der weltweit um sich greifenden Arbeitslosigkeit, das ist die Flüchtlingsfrage oder in weniger gebräuchlicher, aber ausgezeichnet treffender Bezeichnungsweise die Massenzwangswanderungen, denen er mit vollem Recht den Rang eines Weltordnungsproblems zuerkennt (Nell-Breuning 1985b).“ Im Heft 1/1988 der Zeitschrift „Theologie und Philosophie“ bilanzierte er meine Habilitationsschrift Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs (Kühnhardt 1987): „Wüßte man nicht, dass K. ein ganz junger Gelehrter ist (er ist noch keine 30 Jahre alt), dann würde man dieses Werk als den Ertrag oder die reife Frucht eines langen Gelehrtendaseins ansehen. Auch mich, der ich Jahrzehnte lang mich mit ökonomischen und juristischen, philosophischen und theologischen Problemen befasst habe, hat dieses Werk nicht nur um wichtige Erkenntnisse bereichert, sondern hat auch manche meiner Einsichten weiter geklärt und vertieft. Um es mit Nutzen zu lesen, bedarf es keiner fachspezifischen Vorkenntnisse, um so mehr aber des angestrengten und nicht ermüdenden Mitdenkens (NellBreuning 1988).“ Beschämt wäre ich am liebsten in den Boden versunken. Der wohl unangemessenste Brief meines Lebens hatte mich einige Zeit vor dem Abdruck der Rezension in Form eines am 13. Mai 1987 geschriebenen Briefes vom 97-jährigen Oswald von Nell-Breuning erreicht. Nach dreiwöchigem Krankenhausaufenthalt fühle er sich zu schwach, mein Buch über die Menschenrechte auch noch in den „Stimmen der Zeit“ zu rezensieren. Für „Theologie und Philosophie“ habe er aber noch vor seinem Krankenhausaufenthalt eine Rezension abliefern können. Dann ein Paukenschlag: „Unter der jüngeren Generation sind Sie der einzige, in dem ich einen Fortsetzer meines Lebenswerks sehe und auf den ich mein Vertrauen setze; ich bitte Gott, dass er Ihren Lebensweg segne und Ihnen die Gnade schenke, das zu vollenden, was ich an Erwartungen in Sie setze.“ Welche Verpflichtung, die mir eher peinlich war, als dass sie mich stolz werden ließ. Ich rief umgehend bei ihm an und vereinbarte den nächsten Besuch. Eine unvergessliche zweistündige Begegnung mit Oswald von Nell-Breuning fand am 23. Mai 1987 statt. Aufrecht erwartete Pater von Nell-Breuning mich wie üblich im Torbogen vor der weißen Wand im 2. Stock der Philosophisch-Theologischen Hochschule und führte mich wohlgemut in sein Zimmer. Das Gesicht schien noch stärker als

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in den vergangenen Jahren in sich eingefallen, fast einer Totenmaske gleich. Der Händedruck zur Begrüßung war schwach, der Gang schleppend. Doch schon, dass er auf mich vor der Tür seines Klosterzimmers 253 wartete, zeugte von der ungebrochenen inneren Kraft dieses Mannes. Er sei tief erfreut, dass ich ihn besuchen komme. Die Erwartung des Gesprächs habe ihn sehr beflügelt. Ich fände ihn in einer guten Gelegenheit. Er musste das Bein auf einen Stuhl legen. Eine Kriegsverletzung von 1914 machte ihm neuerdings enorm zu schaffen. Die Wunde sei in letzter Zeit aufgebrochen, erklärte er mir. Das bescheidene Zimmer mit Linoleumfußboden, aufgeräumten Regalen, einem Bett, einem Schrank mit zwei Kleiderhaken für Besucher, einem Waschbecken, dem Schreibtisch, darauf eine Bibel, die Schreibutensilien, die Taschenuhr, daneben ein Tisch mit einer alten Schreibmaschine, mit Plastik zugedeckt. Er habe bis zum 93. Lebensjahr für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen können. Jetzt werde die „Societas Jesu“ ihm wohl das Brot des Lebensalters gewähren, doch könne er sich noch immer nicht an ein arbeitsfreies Alter gewöhnen. Die Bitte, das Vorwort zu einem Buch mit dem Titel „Fertigwerden mit dem Altern“ zu verfassen, habe er aber zurückweisen müssen. Seit zwei Jahren habe er nicht mehr recht arbeiten können. Das Leben neige sich dem Ende zu, nur wisse niemand, wann Gott ihn abzurufen geneigt sei. Zwei letzte Beiträge seien in den verflossenen zwei Jahren entstanden, einer zum Thema „Subsidiarität in der Kirche“ und eben die Rezension meines Buches Die Universalität der Menschenrechte. Das sei das bisher letzte Textstück gewesen, das er zuwege gebracht habe. Die meisten Gesprächspartner seines langen Lebens seien unterdessen tot. Sein Schreibtisch lag voller Bücher und Zeitschriften. Am Rande, neben dem Besucherstuhl, sah ich meine Studie über die Universalität der Menschenrechte. Anstatt einem dem Tode entgegensehenden Greis begegnete ich einem vom Tode vergessenen (Adalbert Stifter), geistig wachen und tief konzentrierten Mann. Er schien Kraft gesammelt zu haben für ein Gespräch, das nicht nach 20 min zum Erlahmen kam, sondern zu einer zweistündigen Privatvorlesung mit Zwischenfragen geriet, die mich verlegen machte und tief beschenkte. Er fragte mich sogleich, wann wir uns eigentlich das erste Mal getroffen hätten, ich sei doch noch Primaner gewesen, damals in Münster. Ich berichtete von der ersten Begegnung 1976 und dass ich ihm seither vieles zu verdanken habe. Er könne mit Stolz und Dankbarkeit auf ein reiches Leben blicken. NellBreuning antwortete, er warte nur noch auf Gottes Abruf. Er sei bereit zu sterben und könne leider nicht mehr arbeiten, „doch seien Sie gewiss, dass es mir eine große Freude ist, dass Sie mich alten Mann noch mal aufgesucht haben“. Er erzählte noch einmal, was er mir schon per Brief kundgetan hatte: Dass er vor seinem Krankenhausaufenthalt eine Rezension meines Buches für „Theologie und Philosophie“ abgeliefert habe und eigentlich gewünscht habe, eine zweite Rezension für die „Stimmen der Zeit“ als Schlusspunkt seines Lebenswerkes verfassen zu wollen. Nun fühle er sich zu schwach und könne nur Gott bitten, dass er ihm dies noch als letzten Wunsch erlaube. Er wiederholte mündlich, dass er mich „als mein alter ego“ sehe, wie er sagte. Meine Menschenrechtsstudie sei phänomenal. Sie bündele, was andere in Jahrzehnten erforschen. Daher dürfe er so große Hoffnungen in meinen weiteren Weg setzen und Gott für meinen Schutz bitten.

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Er referierte dann knapp zehn Minuten, wie er die Rezension aufgebaut hatte, die im darauffolgenden Jahr erscheinen sollte: Er schilderte die Struktur und den Inhalt der Botschaft meines Buches. Ich habe eine Sprache verwendet, die ihm leider in Jahrzehnten so klar und deutlich nie möglich gewesen sei. Die Lektüre meines Buches habe sein Denken auf eine neue Stufe gehoben und bereichert. Er habe erst Zweifel gehabt, ob dieser universale Ansatz, den ich bei der Menschenrechtsanalyse verfolgt hatte, möglich sei. Doch habe dann die Einschätzung überwogen, dass, wenn Gott uns mit Vernunft und sittlicher Autonomie versehen habe, es möglich sein müsse, die weltweiten Facetten des Geisteslebens zu erschließen. Ein japanischer Jesuit habe ihm nach erbetener Lektüre bestätigt, dass mein Japan- und mein China-Teil ganz genau richtig seien. Gott habe mir ungeheure Talente gegeben, für die ich dankbar sein solle und sie verantwortlich nutzen müsse. Völlig in Kongruenz mit seinem sozialethischen Denken stellen sich die Menschenrechte als oberstes Recht des Menschen dar: „Der Mensch hat viele Rechte, die ihm genommen werden können, die Menschenrechte können ihm nicht genommen, sie können aber tief verletzt werden.“ Es sei sehr richtig, wenn ich sie als aus sich selbst schlüssig beschreibe und damit die zeitgemäße Version einer Naturrechtsposition einnehme, die er ja völlig teile. Gott habe sich den Menschen geschenkt, fuhr Nell-Breuning fort. Letztes Heil erfahre der Mensch in Gott. Dies könne und solle der Staat nicht leisten. Wohl aber habe der Staat zwingend und dringend überall in der Welt die Menschenwürde und die Menschenrechte zu achten. Daher enthalte meine Studie hinter einem zunächst unscheinbaren Titel die geballte Wucht des allerzentralsten sozial-ethischen Gebots der Gegenwart: Die liberale, aus der Rechtsstaatstradition stammende Idee der Menschenrechte. Menschenrechte seien Ausfluss der Personalität und unaufhebbar. Wir wüssten aber auch, dass ein Missbrauch des Gemeinwohlgedankens gegenüber Gruppen als Menschenrechtsverletzung auf deren einzelne Glieder zurückfallen kann. Gemeinwohl, das thomistische bonum commune, definiere er als Summe aller Voraussetzungen, um allen Menschen die volle Entfaltung ihrer Personalität und Menschenrechte zu gewähren. Gerade da er sein Leben lang um die Auffüllung des bonum commune gerungen habe, überzeuge ihn so sehr mein universeller Menschenrechtsansatz. „De natura re“ sei identisch mit dem, was ich „selbstexplikativ“ genannt hatte: Diese Bestimmung der Menschenrechte, die einen Anspruch auf universelle Geltungskraft und Durchsetzbarkeit fordere, sei Essenz der katholischen Soziallehre. Das römische Rechtsdenken habe mit dem Terminus „de visceribus causae“ (über den Kern der Ursachen) den gleichen Tatbestand gemeint, der eminente anthropologische Konsequenzen im Hinblick auf Menschenwürde und universellen Menschenrechtsschutz nach sich ziehe. Hätte man früher getan, was ich in meiner Studie aufgegriffen habe, nämlich die sozialethisch-theologische Analyse mit der liberal-rechtsstaatlichen Analyse zu verbinden, so wäre uns auch in Deutschland seit dem Ende des Kaiserreiches viel Schlimmes erspart geblieben, sagte von Nell-Breuning. Er dachte vor allem an die Hitler-Jahre. Ihm, von Nell-Breuning, sei es nicht von Gott gegeben, philosophisch zu spekulieren, wohl aber weise ihn ein juristischer, sachlogischer Denktyp aus. Auf die Frage nach

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dem Inhalt der letzten Seinsfragen könne er keine treffenden Worte finden. Wohl aber wisse er, auch als Intellektueller, dass der Mensch sein letztes Heil in Gott finde, der ihn geschaffen habe. Der von den Eltern geprägte Kinderglaube gehe bei einem Intellektuellen meistens verloren. Ein Intellektueller aber könne in einer solchen Glaubenskrise reifen. So eine Krise habe auch er durchlitten, ohne sich an ein exaktes Datum erinnern zu können. So sei er zu einer intellektuell-reflektierten und rationalen Deutungssubstanz des Glaubens gelangt, wodurch das Gespräch mit kirchenfremden Intellektuellen erst möglich wurde. Schon beim Kölner Domfest 1980 habe er diesen provokanten Gedanken in Anwesenheit von Kardinal Höffner vorgetragen. Während seiner Rede habe der Kardinal keine Miene verzogen und anschließend nur sachlich knapp geantwortet. Er sei wohl arg irritiert gewesen. Entscheidend sei für ihn, so von Nell-Breuning, dass der Mensch seine letzte Substanz und Kraft aus Gott erfahre. Wo Gott bestritten beziehungsweise verworfen wird, werde alles einstürzen, was der Mensch aufgebaut hat. Andererseits erfordere das tägliche und politische Leben keinen dauernden Rekurs auf den offenbarten Schöpfungsglauben, um dem Gemeinwohl zu dienen. So lange Gott nur verschwiegen, nicht aber offen abgelehnt werde, bleibe evident, dass alle politische Ethik ihren letzten Grund in Gott finden müsse. Nell-Breuning beklagte die Gedankenlosigkeit der meisten Zeitgenossen, weil sie von stumpfer Gleichgültigkeit zeuge. Im Letzten sei das Böse weder im Menschen noch in der Welt absolut. Es erfülle vielmehr den Zweck einer Läuterung und der zwingenden Auseinandersetzung mit dem Heil, das nur in Gott liege. Das zu erkennen sei ein tiefes Geschenk und Geheimnis. Er könne nur Gott danken, dass er ihn habe glauben und beten lassen. Ein Christ müsse auch und gerade in der Welt von heute im Kern Optimist sein und diese Haltung gegenüber anderen und in seinem sozialethischen Denken ausstrahlen. Der letzte Grund in Gott befreie zur radikalen Weltteilnahme in Zuversicht. Er sei immer von diesem christlich fundamentalen Optimismus erfasst gewesen. Pater von Nell-Breuning beklagte die falsche Vereinnahmung der Menschen durch die Politiker, die alles besser zu wissen glauben: „Sie wollen Wählerstimmen, um Politik zu machen. Sie machen aber Politik nur, um Wählerstimmen zu bekommen. Das ist ein Teufelskreis.“ Diese Attitüde müsse korrumpieren, wie wir regelmäßig sähen. Auch das Subventionswesen führe zu inhärenter Korruption. Nell-Breuning verwarf szientistische, modellhafte Theorien der Sozialwissenschaften: Sie seien klug angelegt und von hohem Anspruch geprägt, nur hätten sie den elementaren Fehler, falsch und leer, nichtssagend zu sein. Volkswirtschaftliche oder sozialethische Modelle, die alles Leben auf Interessenkämpfe gründen, würden, so ergänzte er, ursächlich weder der Natur des Menschen noch den realen Bewegungsabläufen der Wirtschaft gerecht. Er referierte plötzlich über Opportunitätskosten und Grenznutzenfragen, dann über die Schuldenfrage. Man hätte den Entwicklungsländern niemals diese vielen Kredite geben sollen. Jetzt bleibe aber wohl nichts anderes übrig als sie abzuschreiben. Faktisch sei das Geld für die Banken verloren. Es folgten Ausführungen zur Geldwerttheorie und Rückverweise auf die 1930er-Jahre. Die hohen Reparationsforderungen der Siegermächte des Ersten Weltkrieges waren vom Deutschen Reich nicht in Dollar zu begleichen. Das Angebot, in

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Naturalien zu zahlen (auf Entwicklungsländer bezogen: in Waren, die auf unsere Märkte kämen), wurde von den Alliierten abgelehnt, da es für die Interessen ihrer eigenen Wirtschaft schädlich gewesen wäre. Es folgten Ruhrbesetzung, Wirtschaftskrise, Nationalsozialismus. Worauf es ihm am meisten jetzt ankomme, fragte ich ihn dann noch. Ich erhielt postwendend die Antwort eines intellektuellen Geistes, der auch im 98. Lebensjahr sich selbst treu geblieben war: Das fatalste sei eine Selbstzufriedenheit, die in der Kirche, unter den Bischöfen, aber auch in der Gesellschaft rasch zu Stagnation führen und Erstarrung vor den Herausforderungen der Zukunft bedeuten müsse. Notwendig sei es, offen zu sein für die Dynamik der Zukunft und für die ethischen Dimensionen der gesellschaftlichen Ordnung am Ende einer Phase des Wohlstandsmaterialismus. Ein einziges Mal nur bäumte Pater von Nell-Breuning sich gegen eine ihn überkommende Ermüdung auf. Ich konnte mich nicht verabschieden, weil er sogleich in seiner Vorlesung fortfuhr, so als wollte er in zwei Stunden sein ganzes Lebenswerk und Denken in mich einpflanzen. Ohne Pause, nur zwischendurch bei kurzen Fragen oder Bemerkungen zu mir hinblickend mit jenem schulmeisterlichen, konzentrierten und doch geneigten Blick altersschwacher Augen, die noch immer tiefste geistige Helligkeit ausstrahlten. Schließlich musste ich doch selber, um ihn nicht noch mehr in Anspruch zu nehmen, dem Gespräch ein Ende setzen. Das Gesicht leicht nach vorne gebeugt, die Augen tief eingefallen, ergriff seine Hand die meinige zum Abschied. Der Kopf erhob sich, ein warmes Lächeln belebte das Antlitz. Das Heilige, so schien mir, erscheint am Abend des Lebens. Wir gingen dann noch gemeinsam zum Vesper-Gebet in die Kapelle von St. Georgen. Auf dem Weg fragte er, wie immer alles bei ihm zukunftsgewandt war, ob ich daran denke, einmal eine Familie zu gründen. Er wisse, dass diese Entscheidung, wenn sie zu einer christlich fundierten und gelebten Ehe werden solle, schwerwiegend sei. Die richtige Frau zu finden sei sicher ein Segen und Gnadenbeweis Gottes. Am 6. Mai 1988 fand ich mich wieder bei Oswald von Nell-Breuning ein. Vogelgezwitscher vor seinem Fenster erinnerte an das neu aufkommende Leben des Frühlings. Der weise alte Mann begann damit, dass er nicht mehr schöpferisch arbeiten könne. Seine innere Glut sei erloschen. Aber so wie Gott es wünsche, so lange werde sein Leben währen. Er sah vergleichsweise frisch aus, redete präzise, mit der ihm eigenen Sprachhemmung, aber klar, kraftvoll und geistig hellwach. Die Beine übereinandergeschlagen, fast zierlich, die knöchernen Hände, nurmehr durch Haut zusammengehalten. Er freue sich sehr, dass ich ihn besuche, begann er. Der Schreibtisch war voller Papiere, ein Buch über „Solidarität – unser Auftrag für die Welt von heute“, ein New-Age-Band, Peter Koslowskis politisch-ökonomische Ethik, die er rühmte, aber nicht mehr rezensieren könne, die Bibel, einige Meditationsbüchlein, der Füllfederhalter, Heftklammern, eine Medaille von Pater Rupert Mayer, ein kleines Holzkreuz, eine Hostienröhre, die unterdessen gedruckte Rezension meiner Habilitationsschrift, offenbar wirklich die letzte Publikation aus seiner Feder. Die Schreibmaschine auf dem kleinen Nebentischchen war wie üblich mit einer Plastikhülle verdeckt. Unverhüllt aber war der Geist des Gelehrten. Wir redeten lange und intensiv über die Arbeitslosigkeit und Wege zu ihrem Abbau. Seit 200 Jahren sei die Arbeitszeit zurückgegangen und das sei gut so. Auch heute werde

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dieser Prozess sich fortsetzen, weil der technologische Fortschritt es nicht erfordere, so lange wir heute zu arbeiten, um die Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Schon heute sei zudem die Grundbefriedigung mehr als überschritten, sodass Produktivitätsfortschritte nicht sozialethisch zwingend in höhere Löhne umgesetzt werden müssten. Arg aber sei das Besitzstandsdenken, vor dessen Institutionalisierung er schon vor 30, 40 Jahren gewarnt habe. Als „sozialpolitische Großaufgabe“ sah er die Lösung der Probleme, die uns mit der wachsenden Freizeit ins Haus stehen. Schon heute wüssten die Menschen die Freizeit nicht recht zu gestalten. Das Problem werde wachsen. Freizeit werde ein produktiver Sektor werden, so wie dies – güterwirtschaftlich gesprochen – auch mit dem Umweltschutz geschehen sei. Sein großes Lebensthema war die Rente geblieben. Er bezeichnete sich als „Adoptivvater der dynamischen Rente“, weil der Plan von Wilfried Schreiber erst nach seinem positiven Votum vom Bundesverband Katholischer Unternehmer bei Bundeskanzler Konrad Adenauer propagiert worden sei. Nun folgte ein Kolleg zu seinem Lebensthema: Die dynamische Rente. Er sei tief verärgert, dass seine schon vor 30 Jahren in zentralen Gutachten für den Wissenschaftlichen Beirat des Arbeitsministeriums niedergelegten Gedanken von Politikern so leichtfertig verspielt werden drohen. Spätestens 1972 sei die Rentensicherung in Gefahr gebracht worden, weil die Überschüsse des Wirtschaftslebens zu leichtfertig verteilt wurden, statt sie für härtere Zeiten zu sichern. Kein Volk und keine Situation aber können und dürfen das Prinzip der dynamischen Rente zerstören. Das Verhältnis von Erwerbsbevölkerung, Produktivität, Überschussanlage und Altersversorgung müsse immer so geordnet werden, dass den Alten – die nun auch noch oft so alt würden wie er selbst, fügt er ironisierend hinzu – ein menschenwürdiges Dasein gewahrt bleibe. Der Politikberater von Nell-Breuning war noch immer aktiv: Postminister Christian Schwarz-Schilling habe sich bei ihm angesagt, um Rentenreformmodelle zu erörtern. Er wolle am Prinzip der bruttolohnbezogenen Rente festhalten, weil nur so die finanzwirtschaftlichen und die sozialen Anliegen miteinander in Einklang stünden. Das fatale Problem der Politiker sei es, stets auf Wahltermine zu schauen und die Diskussion wirklicher Zukunftsfragen aus dem Blick zu verlieren. Er sei jederzeit ein großer Freund der Gewerkschaften gewesen, aber man habe auch heftig miteinander in grundsätzlichen Fragen gestritten. Er freue sich, wenn heute die europäische Einigung Zukunftsaufgabe sei. Er sei am Ende seines Lebens und habe keine Kraft mehr, sich Zukunftsfragen zuzuwenden. Von seiner Warte aus aber stünden mir ja noch vier oder fünf Jahrzehnte bevor und da sei es gut, Utopien, Zukunftsbilder zu haben. Er erzählte mir, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vor Kurzem insistiert habe, eine Bildreportage über ihn zu veröffentlichen. Ihm sei das Posieren für Bilder – kniend, mit einer Lilie in der Hand – schwergefallen, aber er habe den extra aus Hamburg angereisten Fotografen nicht enttäuschen wollen. Nell-Breuning berichtete, dass er sich von der Oberschenkelhalsoperation und zwölf Wochen Krankenhaus im vergangenen Herbst wieder erholt habe. Er habe nur leichte Hemmungen im Oberschenkel beim Aufstehen. Daher habe er sich nicht in dem ihm nun zur Verfügung stehenden Armsessel niedergelassen, um nicht schon zu Gesprächsbeginn mein Bedauern über seine Gesundheit zu provozieren. Ein selbstdisziplinierter Superasket im 99. Lebensjahr.

2.4  Baugesetze der Gesellschaft (Nell-Breuning 1990): Vertrauensvorschuss …

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Abb. 2.7   Im Gespräch mit Pater Oswald von Nell-Breuning, SJ, in seiner Klause in der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen (1990). (©Ludger Kühnhardt)

Ein letzter Besuch dann am 19. Oktober 1990. „Sie sind also zu einem Abschiedsgespräch gekommen.“ Kurz, knapp und bündig empfing Oswald von Nell-Breuning mich wie so oft in den vergangenen 14 Jahren. Ein ausführlicher Brief von ihm, datiert vom 8. Oktober 1990, hatte mich nach Frankfurt gebeten. Sein darin geäußerter Wunsch, unser Gespräch weiterzuführen und mehr noch sein Bekenntnis der Demut, nicht mehr in der Lage zu sein, die aktuellen Ereignisse zu begleiten, denn mangels Sachkompetenz könne er sie nicht mehr korrekt kommentieren, hatten mich bewegt. „Wenn ich mich frage,“ so holte er in seinem Brief aus, dass es mir die Schamröte ins Gesicht steigen ließ, „wer von denen, die heute der Höhe ihres Erdenlebens entgegengehen, meiner Sehweise am nächsten kommt und in dem ich einen Fortsetzer meines Lebenswerkes zu erkennen glaube, dann sind Sie es wohl, der dem am nächsten kommt.“ Er erwähnte meinen kürzlichen Aufenthalt in England und dass ich dem Bundespräsidenten von Weizsäcker wohl ein „sehr geeigneter Berater“ gewesen sei. „Mit großen Dank“ denke er an seinen Lebensweg zurück, „den Gott mich geführt hat“. Mir wünsche er „von Herzen, dass er sie ebenso gütig an die Hand nimmt und über Mühe und Leid, über ‚Gaudium et Spes‘ zu dem Endziel führen wird, bei dem wir einander endgültig begegnen.“ Bewegten Herzens griff ich sofort zum Telefonhörer und verabredete eine baldige Begegnung zu Lebzeiten.

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Wieder saß er auf dem kargen Holzstuhl. Hinter ihm stand die uralte Schreibmaschine, die schon Pius XI. 1931 für überaltert angesehen hatte, als von Nell-Breuning darauf den Entwurf der Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ tippte. Jetzt erzählte von Nell-Breuning mir, dass, als er geboren wurde, Reichskanzler Otto von Bismarck noch im Amt gewesen sei und wie er als Schüler vor Kaiserin Auguste Viktoria bei einem Besuch in Trier ein Gedicht aufgesagt habe. Aber er hielt sich nicht beim Anekdotischen auf. Er richtete seinen Blick auf die nur wenige Tage zuvor vollzogene deutsche Wiedervereinigung. Es freue ihn, dass die deutschen Menschen nun alle miteinander frei seien und sich damit wohl endgültig der Zwangswirtschaft verweigert haben. Aber er mache sich Sorgen, ob es nicht gleichwohl auch weiterhin Menschen gebe, die zulasten anderer Profit aus der neuen Freiheit ziehen werden. Er blieb sich treu, konsequent und unmissverständlich. Zwar könne er die Einzelheiten nicht mehr übersehen, aber wenn es gerade erst vor einiger Zeit möglich gewesen sei, dass Daimler-Benz die Firma MBB geschluckt und der Wirtschaftsminister sein Plazet gegeben habe, müsse man manches für die Zukunft befürchten. Monopolbildungen und Machtakkumulationen in der Wirtschaft seien immer eine Gefahr für die Freiheit. Aber er kenne natürlich nicht die Einzelheiten der jetzigen Lage. Das Wirtschafts- und Sozialsystem, in dem Westdeutschland zu leben sich angewöhnt habe, könne mit Fug und Recht als das Beste der Welt bezeichnet werden. Die grundlegenden Weichenstellungen nach 1949 seien enorm gewesen. Der arbeitende, lohnabhängige Mensch habe eine ungeahnte Verbesserung seiner Lebensumstände erleben dürfen. Das Ende der Zwangsbewirtschaftung damals und die Einführung der sozialen Marktwirtschaft seien ein großartiger Erfolg gewesen. Er sei mitnichten ein Freund der liberal-kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Aber man müsse anerkennen, dass sie mehr individuelle Intelligenz und Initiative freisetze als jede Form von Planungsbehörde. Die kommunistische Planwirtschaft habe einfach scheitern müssen. Jeden Tag müsse man, so sage er seit Jahren, für Gorbatschow beten und hoffen, dass er nicht einem Attentat zum Opfer falle. Über die Einzelheiten der innersowjetischen Diskussion – schnellere oder langsamere Einführung der Marktwirtschaft – könne er sich nicht kompetent äußern. Aber im Prinzip sei eine schnellere Beendigung der Planungsprozesse sicherlich vorteilhaft. Dies sei aus den Erfahrungen West-Deutschlands nach 1949 zu lernen. Später werde man diejenigen in Osteuropa positiv beurteilen, die mehr Mut gezeigt haben, wagte er einen Ausblick, mit dem er auf Dauer recht behalten sollte. Er könne aber auch diejenigen verstehen, die Angst vor den negativen Folgen eines zu schnellen Umbaus der Wirtschaftsverfassung hätten. In einer Diskussionsrunde im Wissenschaftlichen Beirat bei der Verwaltung für Wirtschaft habe Walter Eucken bei einem bestimmten Vorschlag eingeworfen, diesen könne man verwirklichen, wenn man willens sei, 20 Mio. Menschen zu opfern. Oswald von Nell-Breuning ist sich und seinem Denken treu geblieben, orientiert an den sozialen und ökonomischen Fragen der Gegenwart, auf der Suche nach den besten Inhalten, gegen alle Formeln, einfachen Regeln und Positionen, und stets in der Haltung dessen, der auch anderen Wahrheit anzuerkennen bereit ist. Diese Grundkoordinaten hatte er bei den kürzlichen Feierlichkeiten zu seinem 100. Geburtstag als seine entscheidende Methode bezeichnet, die wichtiger sei als alle konkreten Inhalte.

2.4  Baugesetze der Gesellschaft (Nell-Breuning 1990): Vertrauensvorschuss …

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In seiner Jugend habe er einen atheistischen Sozialismus kennengelernt und das sei schrecklich gewesen. Nicht weniger gut aber sei es gewesen, dass die SozialismusPassage, die er in „Quadragesimo anno“ formuliert habe, nur als Kampfansage gegen den Sozialismus gelesen worden sei. Pater von Nell-Breuning freute sich, dass das Subsidiaritätsprinzip einen so umfassenden Verbreitungsprozess gefunden habe. In aller Bescheidenheit dürfe man schon „Quadragesimo anno“ (und damit sein eigenes Denken) als zeitgenössische Grundlage des Prinzips nehmen. Er habe die Kerngedanken allerdings letztlich nur von Gustav Gundlach übernommen, der zwei Jahre jünger gewesen sei, aber ihm doch ein Lehrer gewesen sei. Dort sei der Kerngedanke der Subsidiarität formuliert worden: Es sei ein sozialphilosophisches Prinzip, aber von Philosophie habe er wenig Ahnung. Subsidiarität lege den Akzent auf die kleinste kompetente Einheit, bezeichne aber durchaus ein nach oben hin orientiertes Stufensystem. Wenn dies Bedeutung für den europäischen Einigungsprozess habe, sei es gut. Er könne das im Detail aber nicht mehr kommentieren. Bezüglich der britischen Rezeption des Subsidiaritätsprinzips, wie sie in diesen Monaten, in denen wir uns trafen, auch durch mich befeuert wurde, falle ihm nur ein eklatanter Unterschied im Staatsverständnis von Angelsachsen und Deutschen ein: In Deutschland sei Staat stets eine Majestät gewesen, im angelsächsischen Sinne dienende „government“. Das sei der fundamentale Unterschied. Es sei leicht zu sagen, dass in der Neuzeit eine Zerschlagung des monarchischen Staatsprinzips stattgefunden habe. Der Papst habe sich früher als Kollege von Kaisern und Königen gesehen. Das sei nun Gott sei Dank vorbei. Nicht beendet sei aber der Prozess, der im Bereich der Wirtschaft analoge Dezentralisierungs- und Demokratisierungsentwicklungen ermöglicht habe wie im staatlich-politischen Sektor. Dort sei er zufrieden. Hinsichtlich der Wirtschaftswelt stehe die Rückführung auf die Ebene des arbeitenden Menschen noch aus, der vom Wirtschaftsuntertan zum Wirtschaftsbürger werden müsse, und zwar weltweit. Von Nell-Breuning dozierte. Sein Indianergesicht war eingefallen. Haut und Knochen waren scharf zu sehen. Bartstoppeln, tiefliegende Augen, tiefgefüllte Tränensäcke, leichte Bindegewebssäcke in den Augenecken zur Nase hin. Innerlich aber waren diese Augen wach und reflektieren geistige Präsenz. Solidarität zwischen den Generationen müsse sich nach der deutschen Wiedervereinigung neu bewähren, im Blick auf die DDR-Integration und den demografischen Wandel, die zunehmende Überalterung Deutschlands. Man könne nicht Renten für 2030 versprechen, wenn heute nicht ausreichend Menschen verfügbar sind, die die künftige Rente produzieren. Erst einmal müssten ausreichend Kinder gezeugt werden, ehe man großartige Rentenverheißungen für die nächsten Jahrzehnte verkünden könne. Alles andere sei eine Lüge der Politik. Die Rentenfrage war Teil seines Lebenswerkes und man merkte ihm an, dass er am liebsten in diesem Bereich noch immer mitwirken möchte. Mir saß kein hundertjähriger Greis gegenüber, sondern ein präzise denkender, scharf formulierender und noch immer sozial engagierter Geist. Eineinhalb Stunden waren verstrichen. Er erhob sich, griff in sein Bücherregal, das offenbar nur angefüllt war mit den eigenen Werken, wie ich seit Jahren beeindruckt vermutet hatte, und überreichte mir

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die 1990 erschienene Neuauflage seines Werkes Baugesetze der Gesellschaft. Solidarität und Subsidiarität (Nell-Breuning 1990). Mit seinem alten Füllfederhalter setzte er ebenso gestochen scharf wie langsam und fast kyrillisch wirkend seine Widmung ein: „An Gottes Segen ist alles gelegen! von Nell“ und dann fügte er darunter das Datum des nächsten Tages: 20.10.1990. Oswald von Nell-Breuning war 100 Jahre und 7 Monate alt. Das Abendessen wartete. Ich begleitete Pater von Nell-Breuning durch den Flur und per Aufzug in das neue Refektorium der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen. Nach dem gemeinsamen Abendessen wollte ich mich kurz und bündig verabschieden, aber er insistierte, mich an die Tür zu begleiten. Den Stock, der ihm Gehhilfe geworden war, legte er zur Seite. Gebeugten Rückens ging er neben mir. Er schüttelte meine Hand, ließ sie kaum wieder los, dankte für den Besuch: „Wir sind Gesinnungsfreunde“, sagte er in einem Tonfall, als wolle er mir einen testamentarischen Auftrag geben. Dann drehte er sich um und ging an seinen Platz zurück, hinein in die Ordnung, in die heimatliche Gewissheit seines Jesuitenordens, in dem er einfach nur Pater Nell war. Am 21. August 1991 schloss Oswald von Nell-Breuning im 102. Lebensjahr für immer die Augen. Auf welche Weise mich meine Verbundenheit mit den Grundprinzipien der katholischen Soziallehre über alle Weggabelungen meines Denkens begleitete, zeigte ein Aufsatz, um den ich über zwei Jahrzehnte später gebeten wurde. Schon in der Überschrift paraphrasierte ich ganz bewusst den Buchtitel von Oswald von Nell-Breuning aus dem Jahr 1985: Baugesetze der europäischen Gesellschaft: Solidarität und Subsidiarität (Kühnhardt 2013).

2.5  Beobachter und Gestalter (Olzog 1989): Der verlegerische Mentor Günter Olzog Es ging rasant schnell. Mit Schreiben vom 16. Januar 1977, verfasst auf der alten mechanischen Schreibmaschine meines Vaters, hatte ich Günter Olzog angeschrieben. Auf Empfehlung von Oswald von Nell-Breuning und in Unkenntnis der Verlagsumstände richtete ich meine Anfrage an die „sehr geehrten Damen und Herren“ des Olzog Verlages. Ich bat mein Manuskript Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven zum Druck an, mit dem ich meinen Einstand als Buchautor geben wollte. Ich hoffte auf die Chance für einen jüngeren Autor. Mein damals durchaus übersteigertes Selbstverständnis legte mir die Illusion nahe, dass ausgerechnet meine kleine Schrift die Welt, wenn nicht retten, so doch wenigstens zum Guten wenden werde. Pubertäre Fantasien eines 18-Jährigen. Am 18. Januar 1977, postwendend, schrieb Günter Olzog zurück und bat, ihm das Manuskript zur unverbindlichen Prüfung zuzusenden. Zugleich legte er den „üblichen Autorenfragebogen“ bei, um mehr über meine bisherige Tätigkeit zu erfahren. Seine charaktervolle Unterschrift sollte ich in den folgenden 30 Jahren oft wiedersehen.

2.5  Beobachter und Gestalter (Olzog 1989 ): Der verlegerische Mentor …

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Persönlich kamen wir uns zunächst per Telefon näher. Am 9. Februar 1977 hielt ich es nicht mehr aus und rief ihn vom Telefonapparat im elterlichen Wohnzimmer an. Er habe, so kam Dr. Olzog gleich zur Sache, erst die Hälfte meines Manuskriptes gelesen. Er sei „begeistert“ und der Text „atemberaubend“, zumal wenn man mein Alter berücksichtige. Ich schwebte im Himmel. Das Buch passe in die renommierte Taschenbuchreihe „Geschichte und Staat“ und er werde nach Lektüre der zweiten Hälfte des Manuskriptes möglicherweise gleich mit der Zusendung eines Autorenvertrages reagieren. Schon am 17. Februar 1977 sandte Günter Olzog den Vertrag zu. Erstmals wurde ich als Buchautor unter Vertrag genommen. Ich jubelte. Alsbald schickte Herr Olzog eine detaillierte Auseinandersetzung mit vielen meiner Thesen und Argumenten, vor allem den ungenau und widersprüchlich formulierten. Am 28. März 1977, auf dem Weg zum familiären Skiurlaub in der Schweiz, machte ich einen Abstecher nach München. Erstmals begegnete ich Günter Olzog in seinem Verlagsbüro in der Thierschstraße 11 nahe dem Isartor. Es sollte der Beginn einer 30-jährigen familiären Verbundenheit mit ihm und seiner Frau werden. Überdies und vor allem wurde es der Beginn meines Weges als Autor, der mich noch zu drei weiteren Publikationen im Olzog Verlag führen sollte: Kinder des Wohlstands (Kühnhardt 1981a, b, c, d), meine Habilitationsschrift Die Universalität der Menschenrechte (Kühnhardt 1987) und Revolutionszeiten (Kühnhardt 1994). Am 12. Mai 1977 sahen wir uns wieder, als ich mich zur Aufnahmeprüfung an der Deutschen Journalistenschule erneut in München aufhielt. Meine Eltern unterstützten meine sehr eigenständigen Wege, ohne zu wissen, in welchen Nebel ich mich hineinbegab und dabei auch noch überheblich annahm, dass die Welt gerade auf meine Texte gewartet hätte. Am 1. November 1977 nahm ich die Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule München auf. Das Buch Christliche Soziallehre konkret (Kühnhardt 1977a, b, c) wurde Anfang 1978 endlich ausgeliefert, denn geschrieben hatte ich den Text schließlich schon 1976, um meinen 18. Geburtstag herum. In jedem Falle aber war dieses große Erlebnis einer ersten Buchveröffentlichung für mich eine zentrale Etappe auf dem Weg vom Möchtegern-Journalisten zu einem angehenden Wissenschaftler, der sich länger als es die Halbwertzeit einer Nachrichtensendung erfordert mit einem Thema befasst. Diesen wichtigen ersten Etappensprung in meinem Lebensweg habe ich Günter Olzog zu danken und bin und bleibe ihm Zeit meines Lebens dafür dankbar verbunden. Schöne Reaktionen und Rezensionen gingen in meiner kleinen Bude in der Münchner Türkenstraße ein. Mit Schreiben vom 22. Januar 1978 lobte mein Vater meine „tiefen und folgenschweren Gedanken“. Viele Menschen werde ich wachrütteln, so hoffe er. Bei anderen werde das Buch auf Kritik stoßen und ich habe manche Zuschrift zu erwarten, „denn herausgefordert hast Du viele“. Zu Recht holte mein Vater mich auf den Teppich zurück in seiner gekonnten Mischung von Lob, Sorge und Tadel. Meine Mutter war noch pointierter: Sie freue sich nicht nur über den „Gleichklang vieler Gedanken“, sondern wünschte mir auch Mut und Geduld, „wenn nicht alle gleich nachvollziehen können, was du forderst, auch du selbst nicht“. Vielleicht hätte ich am Ende doch mehr Kraft als mein

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Vater und sie, um „Dich aus aller Mittelmäßigkeit zu lösen und mehr zu schaffen als wir es konnten“. Am Ende: „Ich bin wirklich sehr dankbar und glücklich. Mach weiter!“ Abb. 2.8   Mit meinem ersten Verleger Günter Olzog in München (1978). (©Ludger Kühnhardt)

Günter Olzog und seine Frau Ruth übernahmen, eigentlich ohne es recht zu spüren, in der Zeit meiner Münchner Redakteursausbildung und weit darüber hinaus eine Art „Vize-Elternschaft“ für mich. Bald schon wurde ich Anfang 1978 in die Olzogsche Wohnung in der Mauerkircherstraße eingeladen. Ich lernte die reizende, warmherzige Ruth Olzog kennen und Günter Olzog als eine politische denkende, weltläufige Autorität schätzen und bewundern. Liberale Protestanten, sie aus Dresden, er aus Dortmund stammend, die mir neue Welten eröffneten und bei denen ich mich ernstgenommen fühlte. Es passte in dieses Bild, dass Olzogs mir Reisetipps und Empfehlungsschreiben nach Nepal mitgaben, wohin ich mich Anfang 1979 mit Andreas Schüler, dem Freund aus der Journalistenschule, aufmachte. Später kehrte ich nach München zurück und berichtete stolz von den Erlebnissen in Kathmandu in den Tagen eines blutigen Putsches, die ich bei Olzogs Bekanntem Koshal Raj Regmi zugebracht hatte. In den folgenden Jahren kamen auch Verbindungen nach Japan hinzu zu einer dortigen Reisebegleiterin

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der Olzogs. Während meines Studiums in Tokyo 1983 führte Keiko Kakigawa mich bei ihrem Bruder ein, einem Kabinettsminister, und bei ihren ehrwürdigen Eltern, traditionellen Kaufleuten, die mich im Kimono empfingen. Immer wieder tauschte ich mich in München mit Ruth und Günter Olzog über Amerika aus, wo eine der beiden Olzog-Töchter lebte. Die tiefe menschliche Verbundenheit zu Olzogs erfasste über die Jahre hinweg meine ganze Familie: Ruth und Günter Olzog hatten am 24. Mai 1979 meinen Vater in der Katholischen Akademie in Bayern kennengelernt. Stellvertretend für mich hatte mein Vater dort den mir zugesprochenen Katholischen Deutschen Journalistenpreis in Gestalt einer Urkunde aus der Hand des Stuttgarter Bischofs Georg Moser entgegengenommen. Der Katholische Deutsche Journalistenpreis war mir am 28. März 1979 von der Gesellschaft Katholischer Publizisten und der Arbeitsgemeinschaft Katholische Presse verliehen worden für eine Reportage in der „Deutschen Zeitung/Christ und Welt“ über ein Projekt für Aussteiger aus einer Jugendsekte (Kühnhardt 1978c, S. 15). Ich befand mich zum Zeitpunkt der Preisverleihung in Indien. Seit dieser Begegnung wuchs eine familiäre Verbundenheit beider Olzogs auch zu meinen Eltern, später ebenso zu meinen Geschwistern Andrea und Markus während deren Münchner Studienjahre. Olzogs beeindruckten mich immer wieder neu als weitherzig und verwurzelt zugleich. Sie waren Bildungsbürger und politische Citoyens im allerbesten Sinne. Olzogs brachten mir in jenen rebellischen, diffus suchenden Jahren meiner Jugend eine entspannte Zurückhaltung und Zuwendung entgegen, auf die ich mit Dank und Verehrung reagierte. In den stürmischen Jugendjahren ist die innere Annahme der Generationen allzu schnell durch die ruppigen Allüren der Nachgeborenen bedroht. Es braucht der junge Mensch aber der Orientierung durch Ältere. Ich konnte mich glücklich schätzen, Ruth und Günter Olzog damals an meiner Seite zu wissen. Über Jahre verbanden uns viele persönliche Begegnungen und ein lebendiger Briefwechsel. Für Ende Juli 1979 luden Ruth und Günter Olzog mich aufs Wochenende ein, bei dem eine lange Bergtour durch die bayerischen Alpen auf dem Programm stand. Sie waren neugierig, hatten alle Zeit der Welt. Sie vor allem, so schrieb Ruth Olzog in ihrer Einladung in einem süßen Ton, der fast nach einem subtilen Liebesbrief klang, wolle mich nicht immer nur mit anderen meiner Münchner Freunde teilen. Ruth Olzog war enorm charmant und attraktiv, immer braungebrannt und unterhaltsam. Zu meinen Geburtstagen schickte sie stets formvollendete Briefe mit Wünschen wie dem, „dass die Freude, das Leben wirklich leben zu können, gar nicht ausbleiben kann“ (1980). Die Grüße ihres Mannes wurden immer hinzugefügt. Bald gingen beide zum „Sie“ unter Nennung meines Vornamens über.

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Abb. 2.9   Mit Ruth und Günter Olzog bei einer Wanderung in den bayerischen Alpen (1979). (©Ludger Kühnhardt)

1987 war ich glücklich und dankbar, dass Ruth und Günter Olzog den Weg zu meiner Bonner Antrittsvorlesung am Ende des Habilitationsverfahrens fanden. Ihre liberale Haltung belehrte mich immer wieder neu. Günter Olzog sorgte sich – beispielsweise, wovon einer unserer Briefwechsel Zeugnis gibt – um die Gewissensfreiheit in der Politik angesichts mächtiger und sehr ins Persönliche gehender Streitigkeiten in den Unionsparteien zur Frage der Abtreibung (1992). Rita Süssmuth wurde von einigen der eigenen Leute gedrängt, als Bundestagspräsidentin zurückzutreten. Günter Olzog fand das einfach geschmacklos. Aus seiner Haltung sprach, wie ich von ihm lernte, nicht moralischer Relativismus hinsichtlich Süssmuths Position zur Abtreibung, sondern Gelassenheit, die sich ihrer Wertverankerung sicher ist und auf Hetze verzichten kann. 1997 besuchten Ruth und Günter Olzog meine Frau Enikö und mich in Freiburg. Wir waren stolz, ihnen unsere im Jahr zuvor geborene Tochter Victoria vorzustellen. Bei einem Ausflug in den Schwarzwald trafen wir auf den ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, den Günter Olzog persönlich kannte, wie so viele, die Rang und Namen im öffentlichen Leben der damaligen Bundesrepublik hatten. 1998, zu meinem 40. Geburtstag inmitten meiner Familie und umgeben von vielen Freunden, kamen auch Ruth und Günter Olzog nach Bonn. Stets dachten sie an Enikös und meinen Hochzeitstag, auch an den meiner Eltern, von den Geburtstagen selbst unserer Kinder ganz zu schweigen. Immer wieder

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kamen wir zu einer Begegnung, zu einem intensiven Gespräch über die Zentralfragen der Politik und des Zeitgeschehens zusammen. In der schönen Alterswohnung der Olzogs in der Münchner Elektrastraße – bei guter Sicht mit Blick über die bayerischen Alpen, in denen wir miteinander 1980 gewandert waren – rückten wir immer wieder rasch das gebotene Koordinatensystem unseres Landes und der Weltläufe zurecht. Beiden Olzogs machte es sichtlich Freude, bis ans Lebensende mit Engagement und Meinungsstärke teilzuhaben am Geschehen in unserer Gesellschaft und in der weiten Welt, die sie so gut kannten. Die letzte große gemeinsame Begegnung meiner ganzen Familie, einschließlich meiner Frau Enikö und unserer Kinder Victoria und Stephan, mit Ruth und Günter Olzog fand im Restaurant am Chinesischen Turm im Englischen Garten von München im Herbst 2003 statt. Wir plauderten vertraut und freundschaftlich. Olzogs wirkten mit bei dem Komplott, Glückwünsche zum anstehenden 80. Geburtstag meines Vaters vor einer laufenden Kamera zu sprechen. Groß war die Freude, sie unter den Jubilaren zu sehen, als der Film dann am 23. Dezember 2003 in Ramsau am Dachsteingebirge unserem Vater gezeigt wurde. Ich erinnere mich nicht weniger gerne an ein schönes Weißwurst-Essen im Sommer 2005, nach meinem Jahr in Korea. Alles schien in der Wohnung der Olzogs weiterhin unbändig von Alterskräften echter Leoparden erhellt. Ein Jahr später, die gleiche Szene, schon schwer eingetrübt durch die Krankheiten des Alters. Demenz bei ihr, Sehkraftverlust bei ihm. Wenige Monate erfuhr ich bei einem Telefonat von der recht hinfällig gewordenen, so schönen und lebendigen Frau, dass ihr Mann vor zwei Tagen nach einem Herzinfarkt ins Krankenhaus gebracht werden musste. Unangemeldet suchten Enikö, Victoria, Stephan und ich Ruth und Günter Olzog am 30. Dezember 2006 auf, um ihnen alles Glück zum neuen Jahr zu wünschen. Victoria und Stephan sangen ein Weihnachtslied und sagten ein Gedicht auf. Ruth und Günter Olzog freuten sich riesig, doch war unzweifelhaft, dass ihre Kräfte im Erlöschen waren. Aber sie wollten uns unbedingt noch einmal den Beginn ihres langen und schönen, mehr als 60-jährigen Eheweges erzählen, der mit drei Kindern und vier Enkelkindern glücklich gesegnet war. Günter Olzog war als Leutnant im Kriegsdienst in München, als er erfuhr, dass die Russen auf dem Weg nach Sachsen seien. Dort saß seine Angebetene. Doch sie ohne Trauschein nach München zu retten, schien unter den damaligen Sittengesetzen schlechterdings unmöglich. Günter Olzog nahm Fronturlaub, wohl eines der letzten Gesuche dieser Art. Am 3. März 1945 heirateten Ruth (Jahrgang 1923) und Günter (Jahrgang 1919) in der Klosterkirche von Riesa. Später sollte sich herausstellen, dass der evangelische Pfarrer ein Hochstapler war. Doch die Eheschließung blieb als gültig anerkannt. Das junge Paar zog mit den Erbstücken von Ruth nach München und erhielt eine Zweizimmerwohnung im vierten Stock eines Hauses zugewiesen, dessen andere Räume durch einen Luftangriff beschädigt waren. Es war unglaublich, doch in genau dieser Wohnung in der Ohmstraße – unterdessen bestens restaurierter Jugendstil – lebten unterdessen unsere Freunde Andreas und Dorothee Schüler mit ihren drei Kindern. Unmittelbar nach dem Spontanbesuch bei Olzogs am 30. Dezember 2006 gingen wir, wie der Zufall es wollte, zu Schülers. Wir betrachteten ehrfurchtsvoll den

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Stuck, den schon das junge Ehepaar Olzog 1945 genossen hatte und bestätigten uns des spanischen Sprichwortes, dass die Welt doch ein Taschentuch sei. Günter Olzog war einer der Architekten der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Jura-Studium und einer eher unbefriedigenden Referendariatszeit beim seinerzeitigen bayerischen Kultusminister Alois Hundhammer begründete er am 10. Dezember 1949 den „Isar Verlag“, den er 1960 in „Günter Olzog Verlag“ umbenannte und 1987 verkaufte. Seither wucherte er unter dem Namen „Olzog“ weiter, doch eine prägende Wirkung auf die politische Kultur in Deutschland, wie Günter Olzog sie vor allem durch die Buchreihe „Geschichte und Staat“ hatte etablieren können, blieb dem transformierten Verlag versagt. Am Ende hatte es wohl damit zu tun, dass unterdessen auch das Land selbst – und nicht zu seinem Besten – transformiert und im Olzogschen Sinne entbürgerlicht war. Die Buchreihe „Geschichte und Staat“, aber auch diverse andere Buchreihen, Zeitschriften und Sammlungen bildeten von den 50er- bis in die 80er-Jahre ein Markenzeichen der politischen Bildung und Diskussion im bürgerlichen Deutschland. Alles in allem liefen tausend Titel unter dem Signum „Günter Olzog Verlag“ aus der Druckpresse. Viele Beobachter und Gestalter reihten sich wie Perlen an die Autorenkette: Eine Reihe von ihnen füllte den gleichnamigen Titel, der 1989 anlässlich des 40-jährigen Verlagsjubiläums erschien. Es war für mich ehrenvoll, in dieser Reihe auftreten zu dürfen (Kühnhardt 1989, S. 162 ff.). Dieser kleine Erinnerungsband vermittelte Einblicke in die große, erfolgreiche Geschichte der unterdessen so abschätzig „Bonner Republik“ genannten Zeit. Die Auseinandersetzung mit den totalitären Irrlehren und Wahnsinnstaten des Nationalsozialismus, die Neubegründung einer parlamentarischen Demokratie und die kulturelle und geopolitische Westbindung, das Ringen um die Überwindung der Teilung Deutschlands und die Ordnungsentscheidungen hinsichtlich der sozialen Marktwirtschaft, das Verhältnis von Politik und Kultur sowie zwischen den christlichen Konfessionen, und schließlich die Öffnung Deutschlands nach Europa, zur Atlantischen Zivilisation und zur weiteren Welt als eines kulturpolitischen Aktes: Diese Eckpunkte markierten die „Bonner Republik“. Sie markierten auch das Verlagsprogramm des „Günter Olzog Verlages“. Es schien mir immer, als sei Günter Olzog so etwas wie ein Notar der Bundesrepublik Deutschland. Ein um Objektivität bemühter Gentleman der lautersten Art, stets um Ausgleich bemüht, doch nie um ein kritisches Wort verlegen. Er war ebenso sicher wie differenziert in seinen Urteilen und als solcher stets bereit, die Urteile und Überlegungen anderer nicht nur gelten zu lassen, sondern ihre Verbreitung zu fördern. Er konnte Gespräche auf hohem staatsbürgerlichen Niveau führen und wusste mithilfe seiner Publikationen viele Mitbürger ins politische Gespräch zu bringen oder zumindest an ihm teilhaben zu lassen. Immer ging es ihm um die Differenzierung in Betrachtung und Urteil. Dies war schon sein ceterum censeo in der ersten ausführlichen Stellungnahme zu meinem Buchmanuskript Christliche Soziallehre konkret. Fragezeichen, Plädoyers, auch die Gegenargumente zu betrachten, der Appell, zu vorschnelle Urteile zu vermeiden und der Sinn für die Wirkung des Standortes auf die Wahrnehmung des Betrachters – all dieses konnte ich in dem Schreiben von Günter Olzog vom 22. Februar 1977 lesen. Günter Olzog

2.6  Die neue Zuversicht (Hermann 1986): Der journalistische …

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rüttelte mit großer Klugheit an meinem damaligen radikal-bornierten Hang zur Besserwisserei und zur apodiktischen Unweigerlichkeit eines vorschnellen Urteils. Zugleich blieb er strengen moralischen und politischen Maßstäben verpflichtet, zum Beispiel indem er die antiautoritäre Erziehung als „ein Hochstilisieren der Egozentrik“ brandmarkte und zum Ausdruck brachte, wie sehr ihn sogenannte Wohltätigkeitsfeste wurmten: „Wenn es keine andere Möglichkeit unter Christen mehr gibt, Armen zu helfen, dann gute Nacht schönes Abendland.“ In einem solchen Satz spürte ich Seelenverwandtschaft, stets und über Jahrzehnte auf feinste Weise gepaart mit Liberalität, Bürgerlichkeit und Besonnenheit. So ließen sich auch drei der gewichtigen Säulen der nach der Wiedervereinigung schleichend umverwandelten bisherigen Bundesrepublik Deutschland, der Bonner Republik, charakterisieren. Aus Münchner Warte, genuin bayerisch und das heißt weltoffen, hat der Westfale Günter Olzog mit seiner sächsischen Ehefrau Ruth als Verleger und Inspirator, Gesprächspartner und engagierter Bürger in vielen Vereinen und Gremien beharrlich und wirkungsvoll an diesen Säulen mitgemeißelt. Am 14. Mai 2007 ist Günter Olzog verstorben. Sein letztes Lebenszeichen an mich war ein Anruf, um Dank zu sagen für meinen Geburtstagsbrief zum 19. Februar 2007, seinem 88. Geburtstag. Man mag es kaum glauben: Am Todestag ihres Mannes vergaß Ruth Olzog nicht, meinem Bruder Markus und meiner Schwägerin Marie telefonisch zu deren Hochzeitstag zu gratulieren. Größe ist, was wir nicht sind, schrieb Jacob Burckhardt einmal. Er hätte dabei wohl auch an Ruth und Günter Olzog denken können. Würdig eines Leoparden vollzog sich die Trauerfeier auf dem Münchner Nordfriedhof, von Harfenmusik begleitet. Am Sarg in der Aufbewahrungshalle erzählte mir Tochter Dagmar, dass der Vater in die Arme seines Sohnes Peter hineingefallen und auf der Stelle bewusstlos gewesen sei. Ein schöner, auch symbolträchtiger Tod. „Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren“ stand auf der Todesanzeige für Günter Olzog. Ruth Olzog besuchte ich noch einmal in ihrem Altenpflegeheim. Sie erkannte mich kaum noch. Die Demenzkrankheit hatte die schöne und lebensvolle Frau besiegt. Am 3. April 2011 ist Ruth Olzog gestorben. „Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es dunkel wird“, stand auf ihrer Todesanzeige.

2.6  Die neue Zuversicht (Herrmann 1986): Der journalistische Erzieher Ludolf Herrmann Am 11. Februar 1986 ist Ludolf Herrmann gestorben. In einem Telefonat berichtete meine Mutter mir als erste vom traurigen und viel zu frühen Tod dieses meines journalistischen Mentors und menschlich wichtigen Anregers in einer entscheidenden Umbruchphase meiner Jugendjahre. Später erfuhr ich, Ludolf Herrmann sei seit Herbst 1985 schwer rückenkrank gewesen und hatte zeitweilig in Gips liegen müssen. Es war der fatale profane Krebs, der ihn niederrang. Ich war tief unglücklich über diese Todesnachricht. Gewichtige Bestandteile meiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung verdankte ich der prägenden Wirkung dieses klugen Menschen und prinzipientreuen Journalisten.

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Unsere erste Begegnung: Von der Deutschen Journalistenschule aus hatte ich mit Hartnäckigkeit ein Praktikum bei der „Deutschen Zeitung“ angestrebt und letztlich nach telefonischer Absprache mit Ludolf Herrmann einen Vorstellungstermin bei ihm erhalten. Eines Morgens im Frühling 1978 stand ich um 8 Uhr in Herrmanns Bonner Büro. Auf seinem Schreibtisch lag mein Buch Christliche Soziallehre konkret. Irgendwie machte ihm meine journalistische Begeisterung Eindruck. Er erklärte sich bereit, dass ich für drei Monate hospitieren könne, ganz entgegen der Gewohnheit in dem eher spröden Milieu dieser von mir so geschätzten Wochenzeitung. Die „Deutsche Zeitung“ war damals neben der „Zeit“ die zweitwichtigste deutsche Wochenzeitung. Am 1. Juli 1978 trat ich, gerade 20 Jahre alt, meinen Dienst an und wurde von Ludolf Herrmann sogleich an den umgänglichen, fast väterlichen Chef vom Dienst Heinrich Stubbe und den zum gleichen Zeitpunkt in die Redaktion eingetretenen PolitikRedakteur Günter Müchler weitergereicht. Ich begann, mir meine journalistischen Sporen zu verdienen und schrieb Woche um Woche dröge Meldungen. Bald folgte der erste von Ludolf Herrmann explizit genehmigte größere eigenständig recherchierte Artikel über Abiturienten, die nicht an die Universität, sondern in praktische Lebensfelder drängten: „Keine Uni nach dem Abi (Kühnhardt 1978a).“ Irgendwie sympathisierte ich damals selber noch mit dieser Ausrichtung des beruflichen Weges, ohne ihn in dem Text zu simplifizieren. Zu dem breiten Spektrum der Themen, mit denen ich mich in den nächsten Monaten beschäftigen durfte, gehörte eine Reportage über die Binnenschifffahrt auf dem Rhein. Für eine Woche tuckerte ich mit einer holländischen Schifferfamilie über den Rhein und lernte seine Ufer von einer gänzlich ungewohnten Perspektive kennen (Kühnhardt 1978b, S. 8). Ich erlebte Ludolf Herrmann in den zweimal wöchentlich stattfindenden Redaktionskonferenzen. Ein straff führender Chefredakteur, journalistisch wie auch politisch versiert, kenntnisreich und scharfzüngig. Nur wenige trauten sich den Disput mit ihm zu, am häufigsten der Feuilleton-Chef Günther Engelhard. Keiner sonst konnte ihm das Wasser reichen, intellektuell, als Führungsfigur, als journalistischer Stilist und politischer Analytiker, ja Aktionist. Ludolf Herrmann war Tatmensch und intellektueller Kopf in einer Person. Zuweilen diskutierten wir in seinem Büro. Einmal, ich votierte leidenschaftlich für politisches Engagement, sagte er, das Leben bestehe doch nicht nur aus Politik. Man müsse den politikfreien Raum ausbauen: Freizeit, Familienleben, Muße, Hobbys. Er habe einen Komponisten als Freund. Das Leben wäre spärlich, wenn es nicht Abstand vom Politischen ließe. Ein gewinnender Mann, familienbezogen, politisch sehr prinzipienfest im liberal-konservativen Sinne katholischer Prägung. Ein leidenschaftlicher Diskutant zur Sache, nie ausschweifend. Ich sehe ihn immer noch an seinem Schreibtisch vor mir, Berge von zu beantwortender Korrespondenz vor sich. Im Regal Bücher, moderne Kunst an der Wand, einen Frühlingsquark als Mittagsverpflegung. Ludolf Herrmann war ein selbstdisziplinierter und sportlicher Mann.

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Abb. 2.10   Ludolf Herrmann bei einer Redaktionskonferenz der Deutschen Zeitung/Christ und Welt (1979). (©Ludger Kühnhardt)

Eine Redaktionssitzung, zu Gast der britische Botschafter. Herrmann leitete souverän, gestattete auch mir eine Frage und lachte herzlich über die Späße des Briten. Im Foto konnte ich diese Szene festhalten. Ein anderes Mal in seinem Büro: Er telefonierte mit Wilhelm Hahn, Ex-Kultusminister von Baden-Württemberg. Ich hörte noch, wie Herrmann sagte, man müsse mal wieder miteinander wandern. Morgens früh um acht war er der Erste in der Redaktion. Oft saß er bis spät abends am Schreibtisch oder im LayoutRaum. Das Zeitungsmachen ging damals vom Bleisatz auf Fotosatz über. Immer wieder kam es zu kurzen Gesprächen vor dem Telex-Gerät im Flur. Stets war er aufgeräumt, mir immer fördernd gewogen und ohne viele Worte Leistung und Qualität fordernd. Eines Tages lud er mich jungen Schnösel zum Gedankenaustausch mit den politischen Kolumnisten der Zeitung – darunter Elisabeth Noelle-Neumann, Kurt Sontheimer, Martin Kriele, Heinz-Dietrich Ortlieb – und einigen Redakteuren ins Bonner „Hotel Bristol“ ein. Ein anderes Mal holte er mich neben Wirtschaftsredakteur Dietrich Zwätz zu einem Gespräch mit dem Direktor von Radio Shanghai in den Redaktionsraum, meinen Fragen an den chinesischen Gast wohlwollend lauschend. Bevor ich zur letzten Station meiner Redakteursausbildung zur „Deutschen Welle“ nach Köln weiterzog, stellte mir Ludolf Herrmann ab Sommer 1979 eine feste Mit-

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arbeit in der „Deutschen Zeitung/Christ und Welt“ in Aussicht. Von Südasien, wohin ich zu Beginn des Jahres 1979 für mehrere Monate aufbrechen wollte, solle ich erst einmal regelmäßig berichten. Meine ersten Beiträge jener Monate schienen ihm gefallen zu haben. Im Mai 1979 lebte ich in dem überaus ärmlichen Dorf Manikpur im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Ich erhielt Post von Ludolf Herrmann, der mir zum Katholischen Deutschen Journalistenpreis gratulierte und den Telex-Auszug mit der Preisverkündung beigelegt hatte. Zugleich wünschte er eine gute baldige Heimkehr. Eine „Liebe Leser“-Kolumne widmete er mir und meinen ersten asiatischen Reiseerfahrungen. Mitte Juli 1979 kehrte ich nach Bonn zurück. Dann fielen auf Initiative Herrmanns hin die richtigen Würfel für die nächsten Jahre meines Lebens, wenn nicht für meine gesamte Zukunft. Während ich noch in der Illusion eines freien Journalistendaseins lebte und für einige Wochen bei der Zeitschrift „Afrika“ eher dröge Redakteursarbeit leistete, bot Ludolf Herrmann mir einen Arbeitsvertrag als „fester Mitarbeiter“ der „Deutschen Zeitung/ Christ und Welt“ an. Unter einer Bedingung: Dass ich parallel ein Universitätsstudium aufnehmen würde. Am 25. Juli 1979 unterschrieb ich den ersten Mitarbeitervertrag meines Lebens. Welche Ehre war es, plötzlich mit Peter Scholl-Latour und anderen im Impressum der „Deutschen Zeitung/ Christ und Welt“ zu erscheinen und ein festes Monatssalär von 700,00 D-Mark zu erhalten. Ludolf Herrmann war in dieser Zeit meiner unruhigen und unreifen Jahre eine Vaterfigur für mich. Mehr noch, er war eine wohlwollende Autorität, der ich genauer folgte als den Ermahnungen meines eigenen Vaters, der natürlich auch darauf beharrte, doch unbedingt ein Universitätsstudium an die Redakteursausbildung anzuschließen. Ich spürte hinter Herrmanns Prinzipientreue und natürlichen Distanz das Wohlwollen, das Akzeptanz schafft für Dinge, die man eigentlich nicht gerne hört. Er, Ludolf Herrmann, würde ja sofort wieder Philosophie studieren. Das läge mir doch wohl auch. Daneben aber sei Bonn besonders in Geschichte ausgewiesen, es gebe Konrad Repgen, Karl Dietrich Bracher und andere. Wenn ich journalistisch für meine Zukunft mehr Tiefgang wünsche, sei dieses doch wohl genau die richtige Richtung, die ich einschlagen solle. Ansonsten würde ich bald nur noch als eine ehemalige journalistische Nachwuchshoffnung gehandelt. Das saß. Welch‘ lebensentscheidendes Gespräch hatte ich glücklicherweise erleben dürfen.

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Abb. 2.11   Als Reporter der Deutschen Zeitung/Christ und Welt in einem Slum von Kingston (1979). (©Ludger Kühnhardt)

Bevor ich zum Wintersemester 1979/1980 das Studium von Geschichte, Philosophie und Politischer Wissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn aufnahm und bald auch theologische Vorlesungen bei Franz Böckle hörte, entsandte mich Ludolf Herrmann mit einem Reportageauftrag nach Jamaika. Dort traf ich unter anderem die Reggae-Ikone Bob Marley (Kühnhardt 1979a; Kühnhardt 2021, S. 84 ff.). Anschließend durfte ich, sozusagen zwischen Vorlesungen und Proseminaren, an den wöchentlichen Redaktionssitzungen teilnehmen, wurde durch den Mitarbeitervertrag finanziell unabhängig und konnte durch zusätzliche Zeilenhonorare über das vereinbarte Salär für meine Pflichtzeilen dazuverdienen. Einen Beitrag über die Trends und Defizite bei der Integration türkischer Gastarbeiterkinder in Deutschland hielt Herrmann für total unlogisch und wirr im Aufbau, rettete ihn durch eigene Umschreibung und teilte mir dieses streng, aber nicht nachtragend mit (Kühnhardt 1979b). Ich solle nicht mehr direkt vom Herz in die Feder diktieren, riet er mir zu Recht. Mehr Abstand zum Gegenstand, höhere Sachkompetenz, sauberer Stil, das alles fehle mir noch, sagte er kritisch. Wenig später, während ich den Artikel zum Gewinn des Friedensnobelpreises an Mutter Teresa

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schrieb, die ich im Jahr zuvor in Kalkutta kennengelernt hatte, blickte Herrmann mir über die Schulter. Diesmal lobte er meinen Text (Kühnhardt 1979c). Bald durfte ich mir auch Themen zur journalistischen Bearbeitung aussuchen, mit denen ich sonst kaum in Berührung gekommen wäre und von denen ich ohne intensive Einarbeitung wenig verstand. Am liebsten war es mir, Theorie und eigene Anschauung miteinander zu verbinden. Besonders interessant war ein Besuch der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen-Horst: Ich fuhr ein auf 1000 m Tiefe, um über das harte Leben der Bergleute und die Situation des Bergbaus an Rhein und Ruhr zu berichten (Kühnhardt 1979d). Damals wurden 51,3 % des deutschen Primärenergieverbrauchs durch Öl gedeckt, 18,5 % durch Steinkohle. In den 70er-Jahren konkurrierte die „Deutsche Zeitung/Christ und Welt“ mit der Hamburger „Die Zeit“ um den publizistischen Wochenmarkt. Die Turbulenzen der Fusion der „Deutschen Zeitung/Christ und Welt“ mit dem „Rheinischen Merkur“ im Januar 1980 waren ein Einschnitt für die deutsche Zeitungslandschaft, aber auch für mich. Ich möge bleiben, er wolle auch den „Rheinischen Merkur“ mit bewährter Mannschaft führen, sagte Ludolf Herrmann mir. Bis zum Sommer 1980 sahen wir uns regelmäßig am Rande der Redaktionskonferenzen. Ludolf Herrmann erkundigte sich nach meinen ersten Studienschritten, wohl ahnend, dass ich diesen Weg weiter vertiefen würde. Er übergab mir ein Rundfunkmanuskript zum Thema „Gewalt im Fernsehen“, das mich interessieren könnte. Bei anderer Gelegenheit drückte er mir sein Referat für den Berliner Katholikentag 1980 in die Hand, bei dem ich Mutter Teresa noch einmal interviewen konnte (Kühnhardt 1980a).

Abb. 2.12   Presseausweis für den Zugang zum Deutschen Bundestag (1979). (©Ludger Kühnhardt)

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Mit dem Presseausweis für den Deutschen Bundestag, den Herrmann mir besorgt hatte, fand ich Zugang zu Abgeordneten und Ministerialbeamten. Es freute Ludolf Herrmann, gelegentlich im politischen Bonn auf mich angesprochen zu werden. Ende Juni 1980 nahm Ludolf Herrmann Abschied vom „Rheinischen Merkur“ und wechselte zum Magazin „Capital“. Beim Ausstand im „Rheinland-Pfalz Pavillon“ der Bundesgartenschau in der Bonner Rheinaue lernte ich seine Frau kennen und bedankte mich bei Ludolf Herrmann mit einer Chopin-Schallplatte für vieles, was ich damals verbal noch kaum in Worte fassen konnte. Am nächsten Morgen berichtete er, er habe die Platte schon teilweise gehört, ihm gefalle ja diese Musik ebenso so sehr wie mir. Wir sahen uns nach dieser letzten Begegnung auf dem Flur der Redaktion des „Rheinischen Merkur“ nie wieder. In die Planungen meiner Somalia-Reportage-Reise im Juli 1980 war er anfangs noch involviert gewesen, unterstützte die Hilfskampagne für die äthiopischen Flüchtlinge, die mit meinem Text losgetreten werden sollte, besprach mit mir Logistik und Inhalte. Seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde ich von Manfred Obländer vorzüglich unterstützt, der für mich in Mogadischu beim Chef des somalischen Geheimdienstes (National Security Service), General Ahmed Suleiman Abdulle, ein Entree erwirkte (Kühnhardt 2021, S. 100 ff.). Die Ausgabe, in der im August 1980 mein Artikel erschienen ist, sah schon nicht mehr Herrmann als Chefredakteur des „Rheinischen Merkur“ (Kühnhardt 1980b). Die Todesnachricht 1986 wirkte auf mich, als hätten wir uns erst vor wenigen Tagen das letzte Mal gesehen. Schlagartig setzte der Tod ein Ende unter das Leben dieses mich fast väterlich prägenden Wegbegleiters. Ich spürte den Verlust auch nach Jahren des sich Nicht-Sehens. Ohne Ludolf Herrmanns wohlmeinende Autorität hätte ich mit 21, 22 Jahren, inmitten meiner unruhigen „formative years“, wohl kaum zum Universitätsstudium gefunden, das mir Fundamente für Jahrzehnte geben sollte. Autorität ist dazu da, einen Menschen zu führen, autoritär sein bedeutet, sein Rückgrat zu brechen, hat Ludolf Herrmann einmal irgendwo geschrieben. Ich habe diese Autorität erfahren dürfen, seine klare Linie und seine Fähigkeit zu leben, in einem Atemzug seine Kritik und seine Ermutigung. Ich sehe Ludolf Herrmann noch immer vor mir: In Hemd und Pullover in kleiner Runde, ein Landtagswahlergebnis analysierend. Auf dem Flur der Redaktion an der Bonner B9 vor dem Telefax-Gerät, die Arme überkreuzt, die jugendliche Haartolle in der Stirn. Er hörte zu und lenkte dann doch in drei Sätzen den Diskussionsausgang in seine eigene, alle Umstehenden üblicherweise überzeugende Richtung. Dann ging er wieder an seinen Schreibtisch zurück. Ein pflichtbewusster und lebensweiser, sympathischer und strenger, aufrechter Wertkonservativer, ein Familienvater von vier Kindern, einer der schillerndsten Stilisten deutscher Feder. Ludolf Herrmann wurde nur 49 Jahre alt. Eine posthum erschienene Sammlung von seinen wichtigsten Aufsätzen hielt ich immer in hohen Ehren. Der Titel war Ludolf Herrmanns Lebensprinzip: Die neue Zuversicht (Herrmann 1986).

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Am 5. November 2010 trauerte ich noch einmal. Der „Rheinische Merkur“ wurde eingestellt. Anknüpfend an den „Rheinischen Merkur“ der antinapoleonischen Freiheitskämpfe, von 1814 bis 1816 durch Joseph Görres geführt, hatte das katholische Deutschland seit 1946 mit dem „Rheinischen Merkur“ eine markante publizistische Stimme. Für diese Zeitung hatte ich drei Jahrzehnte geschrieben, zunächst Reportagen aus dem globalen Süden, später publizistische Kommentare zur politischen Lage, vorwiegend in europäischer Perspektive. Mit den Chefredakteuren Thomas Kielinger und Michael Rutz hatte ich viele gute Gespräche geführt und gemeinsame Projekte realisiert (Kühnhardt und Rutz 1999). Nun wurde der „Rheinische Merkur“ zu Grabe getragen. Wie ich fand, wurde die Zeitung mutwillig durch die Deutsche Bischofskonferenz zerstört, die sich mit ihrer finanziellen Unterstützung aus dem publizistischen Gesamtkonzert zurückzog, das einer pluralistischen Gesellschaft nun einmal zu eigen ist. Die innerkirchlichen Grabenkämpfe auch um diese Frage waren – so empfand ich bitter das, was ich davon mitbekam – schlimmer als das meiste, was vom totalitären-ideologischen Zeitalter übriggeblieben war. Die Einstellung des „Rheinischen Merkur“ bedeutete die Selbstzerstörung und Selbstentmachtung der weithin angesehenen und allseits akzeptierten katholischen Stimme im öffentlichen Diskurs Deutschlands. Ich war sprachlos über diese publizistische Selbstabdankung des katholischen Deutschlands. Aber auch die Bonner Republik starb weiter. Mein letzter Text im „Rheinischen Merkur“ 2009 zum EU-Reformvertrag trug die Überschrift „Viel Blendwerk, wenig Substanz“ (Kühnhardt 2009). So traf es auch auf die Beilage „Christ und Welt“ zu, die künftig als Appendix zur Wochenzeitung „Die Zeit“ die Illusion einer partiellen Fortführung des „Rheinischen Merkur“ respektive der „Deutschen Zeitung/Christ und Welt“ aufrechterhalten sollte. Mir war die Einstellung der mehrheitlich von kirchlichen Subventionen getragenen Zeitung unerklärlich bei einer so reichen Kirche. Die Kirche zog sich ohne Not aus einem wichtigen Segment der Welt zurück. Man sollte die Kirchensteuer zur Disposition stellen, wenn meine Kirche nur noch Sekte sein will, dachte ich damals zum ersten Mal. Dennoch galt für mich wieder einmal: Ich blieb katholisch.

2.7

 ie deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik D (Kühnhardt 1980a, b, C, d, e); Kinder des Wohlstands (Kühnhardt 1981a,b, c, d); The land of 500.000 villages. Stories from rural India (Kühnhardt 1982a, b): Fingerübungen eines Anfängers

Meine Lehr- und Wanderjahre waren alles andere als gradlinig. Ich suchte mich selbst und meinen Platz in der Welt. Darin war ich keineswegs allein, sondern Teil einer jeden neuen Generation in dem Lebensabschnitt, den ich in den späten 1970er-/frühen 1980erJahren durchlief. Mit der unreifen, aber selbstbewussten Gewissheit, publizistisch

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für eine bessere Welt wirken zu wollen, hatte ich 1977 das Gymnasium verlassen. Ich hatte den Auswahlprozess bestanden und einen der 15 begehrten Plätze in der 16. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule München erhalten. Ich schloss dort eine Berufsausbildung als Redakteur ab und war überzeugt, damit die Methode zu erwerben, um mein damals vorrangigstes Ziel voranzutreiben: Das Bewusstsein der Menschen in Deutschland für die Belange der unterentwickelten Länder der Erde zu wecken. Zunächst aber packte mich München und öffnete ganz unerwartete neue Dimensionen in meinem Leben. In dem schmucklosen Haus der Deutschen Journalistenschule aus den 1960er-Jahren im Hinterhof Am Altheimer Eck durchlief ich vom 2. November 1977 bis Ende 1978 eine sogenannte Kompaktausbildung in den Bereichen Printmedien, Hörfunk, Fernsehen, gefolgt von zwei Praktika. Die 1959 gegründete Deutsche Journalistenschule war und ist noch immer die erste Adresse in Deutschland. Renommierte Dozenten aus der journalistischen Praxis vermittelten spannende Einblicke in ihre Arbeitsgebiete und die trockene Kunst des Edierens und Layoutens, kurz: der Technik des Zeitungsmachens. Wir lernten den Bleisatz kennen und den immer stärker das Zeitungsmachen dominierenden Fotosatz. Wir drehten und schnitten kleine Filmchen und produzierten erste kleinere Rundfunksendungen. Ein strenger Stundenplan, von Schulleiter Jürgen Frohner und seiner rechten Hand, Marianne Bock, präpariert, garantierte orientierenden Überblick und technische Expertise. Exkursionen führten uns nach Berlin, inklusive einem Abend im Ostberliner Köpenick, und nach Bonn, wo wir mit Mildred Scheel, der Vorsitzenden der Deutschen Krebshilfe, in der Villa Hammerschmidt ein Gespräch führten. Plötzlich kam ihr Mann, Bundespräsident Walter Scheel, für einige Minuten dazu. Am Rande war Zeit für politische Bildung aus erster Hand. Am 1. Oktober 1978 erlebte ich in der Evangelischen Akademie Tutzing eine denkwürdige Diskussion mit den Spitzen aller deutschen Verfassungsorgane, Bundespräsident Walter Scheel, Bundestagspräsident Karl Carstens, Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda. Im Publikum lernte ich Wilhelm Hennis kennen, ohne auch nur im Entferntesten zu ahnen, dass ich einmal sein Lehrstuhlnachfolger in Freiburg werden sollte.

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Abb. 2.13   Auf Sendung: Erste eigene Beiträge in einem Studio des Bayerischen Rundfunks (1978). (©Ludger Kühnhardt)

Wir waren ein kleiner Kreis an der Deutschen Journalistenschule, der auch immer wieder privat zusammentraf.1 Mit Meyen Wachholz und Helga Wesle machte ich Ausflüge ins bayerische Umland. Mit Hasan Cobanli und George Deffner politisierte ich. Franziska Zydek erzählte von ihren Weltreisen mit Rucksack und Zelt. Durch Heinz

1  Am

29. Juni 2009 waren wir über 1000 Gäste bei der Feier zum 60-jährigen Jubiläum der Deutschen Journalistenschule im Münchner Prinzregententheater, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Insgesamt ist die Deutschen Journalistenschule stolz auf über 2000 Absolventen, Träger der vierten Gewalt in Deutschland. Einige sind wie ich aus den journalistischen Anfängen des Lebensweges herausgewachsen, andere nationale Medien-„Promis“ geworden wie Sandra Maischberger oder Günther Jauch, den ich bei der Feier 2009 wiedersah. Aus meiner 16. Lehr-

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Suhr lernte ich alternativen Fasching in Schwabing kennen und das Denken der frühen Grünen. Entsprechende Denkansätze gefielen mir damals eigentlich nur im globalen Kontext: Zustimmend las ich Small is beautiful von Ernst F. Schumacher (Schumacher 1977). An der Deutschen Journalistenschule hatte im Jahrgang zuvor Günther Jauch gesessen, mit dem ich mich gleich in den ersten Münchner Tagen ein wenig anfreundete. Bewaffnet mit jeweils einem Tonbandgerät gingen wir beide am 12. November 1977 ins Olympiastadium, um O-Töne der Fans von Bayern München und von TSV 1860 München beim Lokalderby einzusammeln (Bayern verlor 1:3, so etwas gab es damals noch). Abends schnitten wir die zusammengetragenen O-Töne zu einem dreiminütigen Rundfunkfeature über das Fußballfan-Verhalten in München zusammen, das der Bayerische Rundfunk ausstrahlte. Am meisten Freizeit verbrachte ich in dieser Zeit mit Andreas Schüler und Matthias Matussek aus meiner 16. Lehrredaktion. Andreas war nach dem Abitur in Buenos Aires als Schiffsjunge nach Europa gekommen. Er war mir auf Anhieb sympathisch mit seinem schon so weltläufigen Lebensweg. Durch Andreas Schüler lernte ich das Programmkino kennen. Oft saßen wir in der Nachtvorstellung des „Türkendolch“ oder des „Arri“, den damals angesagtesten Schwabinger Kinos. Andreas Schüler und ich gingen nach Ende der Redakteursausbildung auf eine längere journalistische Reportagereise durch Südasien. Danach zogen uns das politische Interesse und die langsam sich durchsetzende Einsicht in die noch unvollendete Ausbildung nach Bonn. Wir begannen zeitgleich ein Universitätsstudium, das Andreas später ebenfalls mit einer Promotion bei Karl Dietrich Bracher abschloss (Schüler 1990). Danach blieb er mehr als ich den journalistischen Wurzeln treu, übernahm Aufgaben als Redenschreiber, unter anderem im Kanzleramt. Später wurde er erfolgreicher und dank seiner Besonnenheit und Präzision im Formulieren und Redigieren hochangesehener Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung verschiedener Unternehmen, schließlich und dauerhaft bei der Allianz-Versicherung in München.

redaktion 1977/78 waren fünf von 15 damaligen Mitschüler dabei (Rosemarie Rittmann, Richard Schlosser, Martina Fischer, Andreas Schüler und ich). Bis tief in die Nacht tauschten wir uns aus und erinnerten uns mit vielen Anekdoten daran, wie wertvoll für uns diese kurze, aber dichte Zeit des Miteinanders während der Berufsausbildung an der Deutschen Journalistenschule gewesen war.

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Abb. 2.14  Mit Andreas Schüler und meiner kleinen gelben Reiseschreibmaschine (1979). (©Ludger Kühnhardt)

Matthias Matussek und ich wurden während unserer gemeinsamen Zeit an der Deutschen Journalistenschule ein maximal denkbares dialektisches Gespann. Matthias war Genie, Provokateur, Rebell, Spötter und schon damals belesener als jeder seiner Kritiker, von denen es auf seinem späteren Lebensweg viele geben sollte. Uns verbanden, wie wir rasch feststellten, der Geburtsort Münster und eine strenge katholische Familienprägung. Vier Jahre Altersdifferenz waren aber auch damals schon eine Ewigkeit, die den Graben erklärte, der uns gleichzeitig trennte. Matthias war noch zu Schulzeiten Maoist geworden, Kommunarde und Hippie. Anders als meine entwicklungspolitischen Indien-Interessen hatte ihn das Rauschgift nach Asien geführt, wo er unangenehme Erfahrung mit dem Gefängnis in Amritsar gemacht hatte. Widerstandsgeist und Maßlosigkeit waren ihm geblieben. Er faszinierte mich in seiner Mischung als extremes Gegenteil dessen, wie ich meinte, mich sehen zu sollen, und als neugieriger Hitzkopf, geradezu süchtig auf Neues, was auch mir damals ein nicht fremdes Lebensgefühl war. Zu unseren Unternehmungen gehörten Skifahren, Faschingsball und, jedenfalls für mich, erste Freundinnen. Wir zogen bis Neapel durch Italien, nahmen am Karfreitags-Kreuzweg am Kolosseum mit Papst Paul VI. am 24. März 1978 teil und schliefen Ostern ohne Geld unter einer Brücke in Venedig. Das letzte Geld hatte Matthias mir abgeluchst für eine letzte Flasche billigen Rotwein, die wir gemeinsam leerten. Stilistisch war Matthias Matussek der Beste von uns allen. Er öffnete mir

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neue Reflexionsebenen in der damaligen Phase meiner Selbstfindung. Wir setzten die Münchner Verbindung viele Jahre als Brieffreundschaft fort. Unsere Briefwechsel waren von einem hohen Ton der Ironie, aber auch der Selbstironie erfüllt, ohne den ernsthaften Kern zu verlieren, um den jeder von uns für sich damals rang (Kostprobe, 22. Juli 1978: „Jedes Land verdient die Schmalspurdenker.“). Matthias Matussek war an Literatur und Kulturkritik interessiert, ich an Entwicklungsfragen und Politik. Darüber hinaus aber waren wir damals extrem Suchende, unreif und hypertroph. Ich liebäugelte eine Weile mit einem neuen Lebensstil und Dritte-Welt-Läden, aber ein Bruch mit der Wohlstandswelt, in der ich aufgewachsen war, kam dann doch nicht infrage (Kühnhardt 1978d, e, f). Im Herbst 1978 half mir ein Buch des linkskatholischen österreichischen Kulturkritikers Friedrich Heer, nicht nur die Welt um mich herum, sondern auch ein wenig mich selber besser zu verstehen. In seinem Buch Warum gibt es kein Geistesleben in Deutschland? lamentierte Heer über die Verpönung der Geschichte, eine allgemeine „Kümmersprache“, die echte Kommunikation ersetzte, die Fixierung auf den materiellen Wohlstand und das Leben in „Käfig-Systemen“. In solchen Käfigen richten wir uns, so Heer, gedanklich frühzeitig ein, um uns zu verweigern, wie er schrieb, uns „mit den Unheimlichkeiten eines anderen Menschen einzulassen“ (Heer 1978).

Abb. 2.15   Die Suche nach dem richtigen Selbstbild: Auf der Piazza Navona in Rom (1978). (©Ludger Kühnhardt)

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Mancher dieser Aspekte sprach mir damals aus dem Herzen, ohne dass ich mich indessen in ein neues „Käfig-System“ einsperren lassen wollte. Ich wollte offenbleiben auch für das komplett Andere. Meine Rezension des Buches erschien unter dem Titel „Das deutsche Geistesleben. Härte der Hirne“ (Kühnhardt 1978g). Mir öffnete ausgerechnet dieses Buch die Augen für den Wert des Gegensatzes und des dialektischen Widerspruchs, den auszuhalten Bereicherung eines selbstverantwortenden Lebens sein konnte. Am 10. November 1978 schrieb ich an Matthias Matussek, dass wir beide während der Münchner Zeit an der Deutschen Journalistenschule offenbar im Heerschen Sinne „eine solche Überwindung von gesellschaftlicher Sprachlosigkeit erreicht haben“. Ich hätte jedenfalls „Offenheit und notwendige Distanz zur mir selbst“ gelernt, ohne Matusseks Weltbild zu übernehmen. Seine Antwort zeigte seine Sprach- und Denkakrobatik, die er ein Leben lang verfeinerte. Er erschien mir als Inkarnation des Spontis, eines Typus meiner Generation, den ich in einem meiner damaligen Zeitungsartikel im Kontrast zum braven bürgerlichen Jugendlichen, der zurückgezogen im Privaten lebte, durchaus mit Wohlwollen charakterisierte (Kühnhardt 1978h). Mich zog damals eine Zeit lang gerade das so andere emotional an. Aber verstandesmäßig blieb mir die Subkultur der Spontis fremd, allein schon wegen ihrer partiellen Sympathie für die Terrorszene im „Deutschen Herbst“ 1977. Matthias Matussek erlebte ich in dieser Münchner Zeit als sympathischen Freigeist und witzigen Einzelgänger. Durch ihn lernte ich, „Typen“ zu mögen, auch wenn sie nicht meinem Lebensstil und Weltbild entsprachen. Diese Empathie für charaktervolle „Typen“ ist mir geblieben. Am 10. Dezember 1979 bedankte Matthias Matussek sich für Post von mir aus Indien. Sie habe ihn „beeindruckt, der Rhythmus ist gelassen, spürbar spirituell, wie in Höhenluft geschrieben“. Ich blieb mit dem liebenswerten Polemiker und begnadeten Publizisten in Verbindung, der so ganz andere Wege ging wie ich oder erst recht sein Bruder Thomas, den ich Anfang der 2000er-Jahre als deutschen Botschafter in London kennenlernen sollte. Matthias Matussek, wie ich dies beurteilen konnte, blieb sich letztlich in allen seinen Wandlungen und Wirrungen stets treu, auch als in späteren Jahren aus dem brillanten Freigeist in den Augen mancher seiner strengen Kritiker ein verschrobener Querdenker wurde.

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Abb. 2.16   Während der Redakteursausbildung in der Deutschen Journalistenschule München mit Matthias Matussek (1978). (©Ludger Kühnhardt)

Einen Brief nach Japan, wo ich 1983/84 ein Aufbaustudium absolvierte, begann er mit der üblichen spöttischen, aber liebevollen Ironie unserer Münchner Zeit: „Wahrscheinlich besprichst Du gerade bei einer Tee-Zeremonie mit einem japanischen Verleger die Start-Auflage von ‚Christliche Soziallehre konkret‘. Er selbst leiste, so schrieb er, beim ‚Stern‘ als Kulturredakteur ‚echte Diasporaarbeit‘: ‚Faust hat nichts mit Cassius Clay zu tun und Flauberts Tagebücher sind spannend, auch wenn sich herausstellen sollte, dass sie nicht gefälscht sind; also erstmal die banausischen sozialdemokratisch verfetteten Gehirnwindungen entschlacken, klar machen, dass die 35-Stunden-Woche auch nicht das Gelbe ist, wenn die Leute sich dann vor Ratlosigkeit angesichts der freien, leeren Zeit in piepende Computerspiele verwandeln, in Atari-Junkies.“ Mit gefiel der spöttische Ton, auch seine ironische Anspielung an die „Stern“-Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher 1983. Aber mir war auch klar, dass Matthias weiterhin anecken würde. Am 23. Oktober 1994 erinnerte er mich daran, dass es unterdessen 15 Jahre seit unserem Italien-Trip her sei und stöhnte von New York aus, wohin ihn der „Spiegel“ als Korrespondent geschickt hatte: „Jung und vorwärtsgewandt und damals zu den schönsten Hoffnungen berechtigend – und was ist daraus geworden.“ Seine Selbstironie verlor er nie.

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Abb. 2.17   Meine Frau Enikö und ich besuchen Matthias und Ulrike Matussek in Rio de Janeiro (2003). (©Ludger Kühnhardt)

2003 trafen wir uns in Rio de Janeiro, seiner nächsten Korrespondenten-Station, wo wir wechselseitig unsere Frauen Ulrike und Enikö bekanntmachen konnten und Enikö und ich auch ihren Sohn Markus kennenlernten. Seine amerikanischen Kurzgeschichten (Matussek 1995), die mich immer an die Münchner Zeit erinnerten, als Matussek Charles Bukowskis Subkultur-Essays inhalierte und wie dieser eine überstarke Affinität zum Alkohol hatte, ebenso wie seine Brasilien-Reportagen waren hohe Literatur, sprachliche und inhaltliche Höhenflüge. Als ich ihn am 31. August 2006 im Hamburger „Spiegel“-Hochhaus besuchte, empfing er mich als Leiter der Kulturredaktion des linksliberalen Magazins mit der entwaffnenden Frage „Wie oft betest Du mit Deinen Kindern den Rosenkranz?“ Soeben war sein Bestseller Wir Deutschen (Matussek 2006) erschienen, 2011 folgte Das katholische Abenteuer (Matussek 2011). Jahre später, als Deutschlands Feuilletons sich über die Wendungen von Matthias Matussek zum HardCore-Katholiken und danach zum Bewunderer der Identitären empörte, leuchtete mir immer noch ein, was er über sich selber in einem langen Essay für „Die Zeit“ (Matussek 2017) geschrieben hat: Er plädierte dort für ein „Recht auf Dissidententum … weil ich mir in meinem Widerspruchsgeist treu geblieben bin“. Ihn hatten stets „Figuren auf der Kippe“ fasziniert, weil er selber eine solche Persönlichkeit war. Ich verstand, wenn er über seine lange Pubertät schrieb „Was mich am Marxismus elektrisierte, war das Katholische daran“. Ich war nie auch nur im Ansatz marxistisch oder so radikal, rebellisch und polemisch wie Matthias Matussek. Aber das Zitat von Ludwig Börne aus

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der Zeit des Vormärz, das Matthias in Erinnerung rief, sprach auch mir aus dem Herzen: „Drückender als die Zensur der Regierung ist die Diktatur der öffentlichen Meinung.“ Ich zitierte in einem solchen Falle lieber Alexis de Tocqueville oder Elisabeth NoelleNeumann mit dem gleichen Befund. Das München unserer gemeinsamen Zeit an der Deutschen Journalistenschule erinnerte Matthias Matussek in dem zitierten „Zeit“-Essay übrigens als „ein Sanatorium voller zufriedener Menschen ohne alle Aggressionen.“ Museums- und Theaterbesuche sowie Jazz-Abende, Grillabende an der Isar und Exkursionen nach Österreich und Ungarn rundeten mein Münchner Freizeitprogramm 1977/78 ab. Aber auf Dauer bleiben wollte auch ich nicht in diesem Milieu, das zu schön, zu glatt, zu wenig herausfordernd war. Die Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule schloss mit jeweils einem Praktikum bei der „Deutschen Zeitung/Christ und Welt“ in Bonn und bei der Deutschen Welle in Köln ab. Ich hatte noch immer kein vernünftiges Gespür dafür, dass ich erst am Anfang stand. Ich sah mich damals in massiver Selbstüberschätzung am Ziel angekommen: zu publizieren. Es waren dabei gar nicht immer nur „meine“ Themen, die ich bearbeiten musste. Mir ist noch der Redakteur bei der Deutschen Welle im Ohr, der meinte, man müsse auch die eher sterile Rundfunkarbeit mit Herzblut machen, damit sie den Hörern gefallen kann: „Denken Sie an unsere Hörer in Blumenau!“, war sein Lieblingsspruch, als ich mich wieder einmal, offenbar weniger begeistert als erwartet, auf die Moderation von „Das Echo des Tages“ vorbereitete. Mein größter Coup fand die geringste Freude aufseiten des Redakteurs: Vom Besuch einer Industriemesse brachte ich ein Interview mit, das ich mit Bundespräsident Walter Scheel hatte führen können. Ohne vorherige Absprache mit dem Staatsoberhaupt zu sprechen, das ging aus Sicht der Redaktionsbosse für einen Anfänger gar nicht. Am 10. Oktober 1978 sendete die „Deutsche Welle“ das Gespräch dann gleichwohl. Bundespräsident war eben Bundespräsident (Kühnhardt 1978i). In Anlehnung an die von Karl Kraus ironisch beantwortete Frage „Was ist der Journalist?“ („Ein unser Denken störender …“) formulierte ich für mich selbst im Herbst 1978 mein publizistisches Selbstverständnis. Ich sprach von „Denkanstößen und Bewusstseinswandel, erklärter Subjektivität und Meinungsbildung“ und davon, schreibend „Fragen anzugehen, die ich für unterbewertet halte oder die meiner Meinung nach mithelfen sollen, Weichenstellungen für die Zukunft unserer Gesellschaft und der Menschheit überhaupt zu setzen.“ So ging es weiter: „Einsatz für die Belange anderer via Bewusstseinsarbeit, Spaß und Abwechslung sowie die Beschäftigung und Begegnung mit Menschen.“ Und schließlich: „Überwindung eines fatalen Kästchen- und Schablonendenkens und das Nachdenken über Neuansätze für die Zukunftsgestaltung.“ Meine Selbstprüfung triefte in dieser Zeit noch von moralischem Hochdruck: „Als Christ spüre ich eine tiefe innere Verpflichtung, verantwortlich an der Gestaltung dieser Welt, die uns von Gott zur Ausformung übergeben worden ist, teilzuhaben. Als ein political animal will ich meinen bescheidenen Beitrag dazu leisten, diese Welt und das Zusammenleben der Menschen –getreu meinen christlich-sozialen Prinzipien –

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menschlicher, gerechter und vor allem solidarischer zu gestalten. Als engagierter Christ und politisch Denkender stehe ich auf der Seite derer, die keine laute Stimme haben und dennoch zu ihrem Recht kommen müssen. Dazu muss die Publizistik beitragen. Bei meiner publizistischen Tätigkeit bin ich nicht willens, in überkommenen Denkschablonen (rechts, links, konservativ, progressiv) und in parteipolitischer Polarisierung zu denken. Materieller Anreiz ist keine Triebfeder meines Handelns. Ehrgeizig zu sein und Erfolg zu wollen ist im Prinzip nicht schlecht. Es kommt dabei auf die Motivation und auf das Ziel an. Ich will Erfolg, nicht um meiner Person willen, sondern wegen der Inhalte, für die ich eintrete. Ich will mit vielen Menschen zusammenkommen und mit bei aller Ernsthaftigkeit meiner Ansprüche und Ziele Lockerheit, Humor, Toleranz und vor allem die Fähigkeit bewahren, Distanz zu mir selbst und zu den mich bewegenden Dingen zu finden.“

Abb. 2.18  Das grausamste Erlebnis meines Lebens: Ich fotografiere meine Eltern, meine Schwester Andrea und Theo Kusznierz, polnischer Cousin meines Vaters, in Auschwitz (1976). (©Ludger Kühnhardt)

Dabei blickte ich immer wieder auf die Entwicklungsfrage: „Entwicklung ist ein zweiseitiger Prozess, in der Dritten Welt wie bei uns … Die Sozialprinzipien des Christentums, die christliche Soziallehre ist mir Grundsatzprogramm meines eigenen öffentlichen Tuns … Wer heiß ist, muss politisch sein, er muss betroffen sein über die Belange der Mitmenschen, in Nah und in Fern. Er muss für Solidarität, für ein weltumspannendes Netz menschlicher Gemeinschaft kämpfen. Das ist unser tiefster innerweltlicher Auftrag. Für die wichtigste Aufgabe unserer Zeit halte ich es, Hunger und Elend in der Dritten Welt auszurotten … Ich habe Kinder sterben sehen und war in Auschwitz, das grausamste, unmenschlichste Erlebnis meines Lebens.“ Entwicklungspolitik heißt nicht nur Brunnenbau und Landwirtschaft, heißt nicht nur Neuordnung der Weltwirtschaft. Entwicklung sei ein Prozess, bei uns wie in der Dritten Welt. Ohne zu wissen, dass ich mit

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solchen Ideen den Nachhaltigkeitszielen der UNO voraus dachte, zitierte ich den ehemaligen UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjold: „Erfolg zur Ehre Gottes oder zu meiner eigenen, Erfolg für den Frieden der Menschen oder für meinen eigenen, das entscheidet über den Ausgang meines Strebens.“ Ich wollte, so formulierte ich 1978, keine Berge versetzen, „aber wenigstens einige Sandkörner von diesen Bergen abtragen“. Abb. 2.19   Journalistische Expedition in Bangladesch: In einer Fahrradrikscha in Dacca (1979). (©Ludger Kühnhardt)

Mir war klar, dass mehr dazu gehören musste als Zahlen und Fakten zu kennen und Argumente zu formulieren. Ich müsste authentisch wissen, wovon die Rede ist. In diesem Geiste hatte es mich nach meinem Abitur mit dem Schulfreund Jürgen Wernecke 1977 für drei Monate nach Tansania gezogen (Kühnhardt 2021, S. 37 ff.). Nach Beendigung der Ausbildung in der Deutschen Journalistenschule unternahmen Andreas Schüler und ich 1979 eine sechsmonatige Tour durch Südasien (Kühnhardt 2021, S. 53 ff.). Die „Deutsche Zeitung/Christ und Welt“ schickte mich anschließend nach Jamaika und nach Somalia. Mit journalistischen Beiträgen wusste ich die Erkenntnisse der Aufenthalte zu verarbeiten und für ein breites Lesepublikum aufzubereiten. Nachdem ich mir die ersten journalistischen Sporen verdient hatte, trafen diverse berufliche Anfragen bei mir ein. Am meisten weckte meine Neugier das Angebot, das Drehbuch für

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einen Schulfilm über das Dorfleben in Indien zu erstellen. Zu den Dreharbeiten kehrte ich erneut nach Manikpur zurück (Kühnhardt 2021, S. 151 ff.). Es folgten weitere Filmanfragen mit Recherchereisen und Dreharbeiten in Bangladesch (Kühnhardt 2021, S. 181 ff. und 210 ff.), Korea (Kühnhardt 2021, S. 197 ff. und 217 ff.) sowie nochmals in Indien (Kühnhardt 2021, S. 205 ff., 220 ff. und 245 ff.).

Abb. 2.20  Einladung zur indischen Republic Day Parade in Neu-Delhi (1979). (©Ludger Kühnhardt)

Einige Jahre fuhr ich mehrgleisig. Neben der journalistischen Arbeit und den damit verbundenen Reiseaktivitäten stand das Studium. Kaum hatte ich mich an der Universität zurechtgefunden, musste ich den zivilen Ersatzdienst ableisten wie es sich für einen Angehörigen meiner Generation gehörte, der als Wehrdienstverweigerer anerkannt worden war. Am 27. Oktober 1978 hatte ich den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung unter Bezug auf den Grundgesetzartikel 4, Absatz 3 gestellt. Die Erläuterung formulierte ich am 5. April 1979 in Madras. Ich erinnerte an den Besuch 1976 mit meinen Eltern bei Förster Oswald Rerych und seiner Familie in der Tschechoslowakei und bei meinen Verwandten im polnischen Schlesien. Als Katholik könne ich niemals auf diese Menschen eine Waffe richten. Am 19. November 1979 wurde mein Antrag nach einer mündlichen Anhörung im Kreiswehrersatzamt Münster akzeptiert. Vom 3. März 1981 bis zum 30. Juni 1982 leistete ich Zivildienst im Vietnam-Büro e. V., einer Flüchtlingshilfeeinrichtung. Das Vietnam-Büro e. V. in Bonn, eine Initiative der beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Wissmann und Elmar Pieroth, arbeitete in Kooperation mit dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen zum Wohle der südostasiatischen Boatpeople, die seit 1980 aus Vietnam über das Südchinesische Meer geflohen waren. Ich half indochinesischen Flüchtlingen dabei, sich in Deutschland besser zu integrieren. Ich half auch mit, dass in den Lagern Südostasiens unter den Kontingentflüchtlingen aus

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Vietnam, Laos und Kambodscha, für die die Perspektive einer Ansiedlung in Deutschland bestand, Sprachunterricht angeboten wurde und landeskundliche Vorbereitungen stattfanden (Kühnhardt 2021, S. 154 ff.). Publizistische (Kühnhardt 1981a) und erste wissenschaftliche (Kühnhardt 1981b) Analysen begleiteten die Zeit meines Zivildienstes. Ich erfuhr aber auch mehr über die politischen Ursachen, die zu so viel menschlichem Leiden führen. Ohne eine konsequente Bekämpfung der politischen Ursachen würde alle humanitäre Hilfe unvollständig oder gar wirkungslos bleiben.

Abb. 2.21   Fluchtursachen bekämpfen: Im Gespräch mit dem Führer der kambodschanischen Weißen Khmer, Son Sann, und dem Bundestagsabgeordneten Matthias Wissmann (1981). (©Ludger Kühnhardt)

Mein Kinderzimmer im Haus meiner Eltern hatte ich schon 1980 an Luong Dinh Truc abgetreten, einen vietnamesischen Jungen im Alter meines jüngeren Bruders, den meine Eltern als Pflegekind aufnahmen. Truc wurde meinen Geschwistern und mir Adoptivbruder. Später selbst Familienvater mit vier Kindern, nannte er meine Eltern bis zu ihrem Tod „Mutter“ und „Vater“ (Kühnhardt 1981c). Nebenher unterstützte ich während der Zivildienstzeit auch äthiopische Flüchtlinge, die dem dortigen kommunistischen Regime entflohen waren, bei der Gründung der „Äthiopischen Flüchtlingshilfe e. V.“ und ihrer Zeitschrift „Tesfa“ (Hoffnung). Nach den Zivildienstaufgaben setzte ich meine Universitätsstudien am späteren Nachmittag und in die Nächte hinein fort. Die Idee begann mich zu reizen, nach dem Abschluss des Studiums für einige Jahre praktischer Arbeit in einem Entwicklungsprojekt tätig zu werden. Eine Option zeichnete sich in Südamerika ab.

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Abb. 2.22   Zivildienst im „Vietnam-Büro e. V.“: Betreuung von vietnamesischen Flüchtlingen (1981). (©Ludger Kühnhardt)

Schon während der Redakteursausbildung in München, meistens am späten Abend oder bis in den frühen Morgen hinein, hatte ich 1978 mein zweites Buch geschrieben. Mit Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik, das 1980 erschien (Kühnhardt 1980c), ging ich so langsam vom Appellativen ins Analytische über. Ich studierte die entwicklungspolitischen Leitlinien der deutschen Parteien, interviewte ihre entwicklungspolitischen Sprecher im Deutschen Bundestag und versuchte, die grundsätzlichen Fragen der Entwicklungsproblematik auf die Debatten in der deutschen Politik zu beziehen (Kühnhardt 1980c, S. 22–40). Meine ersten Berührungen mit der Realität der Dritten Welt in Tansania flossen natürlich in die Konzeption und Durchführung des Buches mit ein. Ich analysierte die Stärken und Schwächen der Entwicklungshilfe als die erste (Kühnhardt 1980c, S. 41–59) und die Facetten der Wirtschafts- und Handelsfragen als die zweite Säule der Nord-Süd-Beziehungen (Kühnhardt 1980c, S. 60–74). Schließlich entwickelte ich Perspektiven und Aufgaben, die für eine glaubwürdige Entwicklungspolitik notwendig wären. Ganz konnte ich das Postulieren und Moralisieren noch nicht lassen (Kühnhardt 1980c, S. 75–99). Ich durfte mich glücklich schätzen, dass die Landeszentrale für Politische Bildung in Niedersachen das Buch veröffentlichte und für eine recht breite Streuung von 4000 Exemplaren in Politik und Medien, an Schulen, Universitäten und in der sonstigen Bildungsarbeit sorgte.

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Abb. 2.23   Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik (1980). (©Ludger Kühnhardt)

Wieder war es Oswald von Nell-Breuning, der mir bereits 1976 bei der Suche nach einem Verlag für Christliche Soziallehre konkret den richtigen Ratschlag gegeben hatte, der mir ermutigenden Wind unter die Segel gab. In einer Rezension in den angesehenen „Stimmen der Zeit“, der Zeitschrift der deutschen Jesuiten, lobte er im November 1980: „Ein junger, aber vielversprechender Journalist packt hier ein Thema an, für das es viel Mut braucht.“ Nach „gut informierenden Darlegungen“ dringe er „mit Schwung und Entschiedenheit darauf … dass Politiker sich zu Entscheidungen in der Sache durchringen … Ein erfrischendes, wirklich erfreuliches Büchlein“ (Nell-Breuning 1980). Was hätte ich 1980 lieber hören mögen. Noch vier Jahrzehnte später sprach mich der seinerzeitige entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Holtz, auf unser damaliges Gespräch und das Buch an, das er immer geschätzt habe. An die Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule hatte sich ein halbjähriger Aufenthalt in Südasien angeschlossen. Andreas Schüler und ich finanzierten

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die Reise durch regelmäßige Reportagen für deutsche Zeitungen und Rundfunksender (Kühnhardt 2021, S. 53 ff.). Ich schrieb wie üblich alle Texte auf meiner kleinen gelben Reiseschreibmaschine. In Indien wurden einige Medien auf uns aufmerksam. B.K. Bhavsar schrieb in der in Bombay erscheinenden Wochenzeitung „Clarity“ am 7. April 1979, wir seien „on a serious mission“, auch wenn wir noch so jung seien und gar nicht so aussehen mögen. Die beiden jungen Männer wollten, so schrieb er, keine Skandalberichterstattung, sondern die Weitergabe von Nachrichten darüber, wie Indien gegen die vielen bestehenden Widerstände kämpft und dabei doch versucht, eine Demokratie zu errichten. Abb. 2.24   In Kerala mit Tagelöhner Antony auf einem Acker in Mullakkara (1979). (©Ludger Kühnhardt)

Besonders aufwühlend waren längere Aufenthalte in zwei sehr gegensätzlichen Dörfern in Indien. Aus den dortigen Eindrücken entstand mein drittes Buch, The Land of 500,000 Villages. Stories from rural India (Kühnhardt 1982a). In Mullakkara im südindischen Bundesstaat Kerala und in Manikpur im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh schrieb ich kleine Texte, Miniaturen über Facetten des Dorflebens in all seiner Härte und Menschlichkeit: Aus Manikpur und seinen Nachbardörfern berichtete ich über den Kampf der Dorfbevölkerung gegen die steinige und unfruchtbare Landschaft, über den Platz jeder

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Kaste am Beispiel der Töpfer, über den Fußkuss für den Brahmanen, darüber, wie aus Holz Geld wird, über Gendelhars Hochzeit mit der zwölfjährigen Anuradha Devi, über die Folgen eines Hitzschlages, über die Kastenlosen, die man Kinder Gottes nennt und die wie Sklaven behandelt werden, über den Bahnhof von Manikpur, die Lebenslinie mit der Welt, über den verschuldeten Tagelöhner Jettuah, über das fehlende Schulgeld in der Familie von Bhagwandeen und seiner Frau, über die Einkaufsstraße des Ortes, über die Bewässerungsprobleme und die Arbeit eines muslimischen Dorfbeamten (Kühnhardt 1982a, S. 9–46). Aus Mullakkara und seinen Nachbardörfern berichtete ich über die Landschaft, die nach Wasser und Grün duftet, über den Geist von Mahatma Gandhi in der dörflichen Handspinnerei, über den Pfefferanbau, über die kleine Kneipe in einem Holzschuppen, in der Kokosnussschnaps verkauft wurde, um sich die Leiden von der Seele zu trinken, über den Tagesablauf des Tagelöhners Anthony, über das „Damien Institute“, die örtliche Leprastation, über Kakao und über einen Slum in den Bergen, über das Zusammenleben von Christen und Hindus, über die Sterilisation eines jungen Mannes, die ich miterlebte, über eine neue Wasserleitung, über Schlangenbisse und dörfliche Medizin aus Heilkräutern, über Bananenanbau und Teeplantagen (Kühnhardt 1982a, S. 48–79).

Abb. 2.25   The land of 500,000 villages. Stories from rural India (1982). (©Ludger Kühnhardt)

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Nahe dem südindischen Trichur hatte ich auf der Leprastation des „Damien Institute“ gewohnt, die von dem Orthopäden August Beine, einem Freund meines Vaters, geleitet wurde. In Trichur machte Beine mich mit einem kleinen katholischen Verlag bekannt, St. Joseph’s I.S. Press. Ich entschied mich, die Kurzgeschichten aus dem ländlichen Indien dort zu veröffentlichen und mit einem für den Druck von 1000 Exemplaren notwendigen Druckkostenzuschuss den Verlag, seine Mitarbeiter und das angeschlossene Buchzentrum zu unterstützen. Der Verlagsvertrag war in Malayalam verfasst, den gekringelten Schriftzeichen der in Kerala vorherrschenden Sprache. The Land of 500,000 Villages. Stories from rural India fand seinen Platz auch in einer mobilen Bibliothek, mit der das dem Verlag angeschlossene Jyothi Book Centre durch Kerala zog. Der Journalist M.N. Hebbar, dem ich mehrfach begegnet war, zeigte seinen Respekt vor dem Buch. Im März 1982 schrieb er in dem in Manipal erscheinenden „Kulturgespräch. Journal of the Indo-German Societies“ überaus freundlich: „He has correctly chosen to live not in the large cities, but in villages in order to get the right feel of the general conditions of the masses.“ Dazu hätte ich überall nach Indien von unten gesucht, in den Dritte-KlasseWaggons der indischen Eisenbahn, auf staubigen Straßen und im Dreck von Slums. Entstanden sei „a small readable book“, das der Einzigartigkeit Indiens, der Toleranz des Hinduismus und den unendlichen Dimensionen menschlicher Vielfalt gerecht werde (Hebbar 1982). Der „Malayalam Literary Survey“ machte in seiner Ausgabe von April/ Juni 1982 auf Seite 68 auf das Buch aufmerksam. Es sei „a vivid picture of the poverty, misery and hardship of the people in the villages of India. Anyone who wants to study the conditions of life prevailing in the villages of India will find this book interesting and instructive“. Ich war natürlich stolz, als ich Jahre später das kleine Büchlein im Katalog der Library of Congress in Washington D.C. und in der Widener Library der Harvard University auffand. Das Buch hatte eine Reise um die ganze Welt zurückgelegt.

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Abb. 2.26  Dreharbeiten für den WDR zur Bevölkerungsproblematik in Bangladesch mit Kameramann Jürgen Grundmann (1982). (©Ludger Kühnhardt)

Auf den Südasien-Aufenthalt folgten zwischen 1980 und 1984 einige Filmaufträge. Die Münchner „Tellux-Film“ bat mich um interessante Beiträge. Ich konzipierte und drehte einen Schulfilm in Indien über das Leben eines Dorfkindes („Prahlad. Ein Junge in Indien“) (Kühnhardt 1980d, e), einen Film für den WDR über Bevölkerungsprobleme und ein Projekt dörflicher Entwicklungshilfe in Bangladesch („Muktapur im Wandel“) (Kühnhardt 1982b, S. 53 ff.; 1983a, b, S. 48 f.), sowie drei weitere Filme für den WDR über das Christentum im asiatischen Umfeld, einen in Korea, einen in Indien und einen mit Reflexionen über Inkulturationserfahrungen aus aller Welt („Kirche auf dem Weg ins Jahr 2000“) (Kühnhardt 1984b, c, d). Bei den vorbereitenden Gesprächen mit Sozialwissenschaftlern und Theologen in Deutschland – im Institut für Film und Bild im Unterricht (FWU) in Grünwald, bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn und im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), im Münchner Berchmanskolleg, im Ludwig Windhorst Haus Lingen und im Maternushaus Köln – sowie bei Recherchereisen mit Akteuren in Indien, Bangladesch und Korea lernte ich viel über die Zusammenhänge von weltweiter Entwicklung und katholischer Universalität. Die Dreharbeiten waren faszinierend, aber auch langwierig (Kühnhardt 2021). Das stundenlange Schneiden weniger Filmminuten in den Studios der Tellux-Film empfand ich als arg zeitaufwendig. Mich drängte es zur Vertiefung der

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Inhalte. Das Marketing meiner Ideen rückte in den Hintergrund. Die Wissenschaft rief immer lauter.

Abb. 2.27   Diskussion mit einem Mullah und seinen Zöglingen in der Koranschule von Muktapur (1982). (©Ludger Kühnhardt)

Bei Vorträgen, zu denen ich aus unterschiedlichen Anlässen eingeladen wurde, schärfte ich in diesen Jahren meine Rhetorik und fundierte meine Argumentationen. Die Volkshochschule Ibbenbüren etwa interessierte sich für meine Eindrücke aus Tansania und Indien, ein Thema, das auch den Verband Deutscher Studenten zu Bonn beschäftigte. Es klingt mir heute arg schräg, wenn ich daran zurückdenke, mich tatsächlich von der Evangelischen Kirchengemeinde, den Jungdemokraten und der Jungen Union des hessischen Örtchens Pohlheim bei Gießen im Januar 1981 habe einladen lassen, um nicht weniger als diese Frage zu beantworten: „Sind die Probleme der Welt noch zu lösen?“ Vorträge zu den Folgen der islamischen Revolution im Iran 1979 oder zum Flüchtlingselend in Asien und Afrika waren schon bodenständiger angelegt. Es war wohl ein Hinweis auf Künftiges, als der „Soester Anzeiger“ über meine Mitwirkung an einer immer kontroverser geratenden dortigen Podiumsdiskussion in seiner Ausgabe vom 4./5. April 1981 feststellte, dass ich irgendwann „ordnend“ eingriff und den anderen Diskutanten und dem Publikum half, „nicht alles durcheinanderzuschmeißen“. Moderieren statt zu polarisieren: Ich war selber überrascht über meine pädagogische Ader, die langsam zu erwachen schien. Erst viel später hörte ich von wissenschaftlichen Theorien wie derjenigen der „Great Divergence“, also den Gründen für die großen Unterschiede im Entwicklungsprozess zwischen Europa und anderen Erdteilen seit dem 15. Jahrhundert. Unterschied-

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lichste Erklärungsansätze sind geblieben, aber immer wieder ist konstatiert worden, dass Europa die Führung in diesem Prozess der modernen Entwicklung übernommen hat. Typischerweise wurden diese Faktoren genannt: Aufklärung, Trennung von Kirche und Staat, Bankenwesen, Bürgertum, Kapitalrücklagen, Wissenschaft, Rechtsdenken. Von den Unterschieden zwischen Meer und Land, Küste und Hinterland, Zentrum und Peripherie, wie diverse Weltmodelle sie anbieten, lernte ich später. Mich hatten diese Fragen seit frühester Jugend sozusagen schon vorwissenschaftlich beschäftigt. Ich wollte mehr wissen. Plus ultra, jenseits der Säulen des Herkules, wollte ich erfahren, wie diese Welt funktioniert, wie sie zusammengehalten wird, was sie trennt. Die Säulen des Herkules, so lernte ich später, stehen seit der Antike für Neugier und Wagnis. Lesend und schreibend, reisend und nachdenkend forschte ich mich Schritt um Schritt in neue Sphären hinein. Zeitgleich zu meinen publizistischen Fingerübungen ging meine Selbstfindungsphase weiter. Ein Produkt dieser Zeit war ein weiteres kleines Büchlein, Kinder des Wohlstands. Auf der Suche nach dem verlorenen Sinn (Kühnhardt 1981d).

Abb. 2.28   Kinder des Wohlstands. Auf der Suche nach dem verlorenen Sinn (1981). (©Olzog Verlag/LauVerlag)

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Seit einiger Zeit schon waren Neugier und Sorge in der deutschen Gesellschaft gewachsen, wohin sich die Post-1968er-Jugend orientieren würde. Ich diskutierte mancherorts mit und las mich in das Thema ein. „Mit schönen Grüßen“, sandte mir der Mainzer Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld im Anschluss an ein ausführliches Gespräch 1980 einige weitere Unterlagen. Dann legte ich los, das Inhaltsverzeichnis zeigte die Breite des Potpourris: „I. D i e Jugend gibt es nicht (S. 7); II. Alles schon einmal dagewesen (S. 11); III. Eingetaucht in einen Kult unserer Zeit (S. 16); IV. Alternativ-Bewegung als Impuls für alle (S. 23); V. Neue Jugendbewegung – warum? (S. 34); VI. Die massierte Gleichgültigkeit der massierbaren Masse (S. 42); VII. Die Sensoren der Sensiblen (S. 52); VIII. Zwischen allen Stühlen – Ausländische Jugendliche (S. 52); IX. Jugend und Politik – ein verhältnisloses Verhältnis (S. 58); C. Politik zum Anfassen oder Flächenbrand (S. 67); XI. Eine herausgeforderte Generation (S. 76).“ Das Büchlein endete mit einem Überblick über aktuelle Literatur zum Thema Jugend (S. 84). Ich erlebte alsbald die Auf und Ab der Rezensionskultur. Michael Sagurna setzte einen schönen ersten Akzent im „Westfalen Echo“ vom November 1981: „Der Essay ist ein guter Einstieg in die Debatte zum Thema ‚Jugend‘.“ Antoine Maurice erwähnte meinen Essay in einer Reportage über Deutschland unter dem Titel „En remontant le cours de la rivière pacifiste“ im „Journal de Genève“ vom 22. Dezember 1981. Mein Studienfreund Ulrich Guntram wurde in der „Deutschen Universitätszeitung“ vom 18. Januar 1982 unter der Überschrift „Das kleine Ich ein schales Nest?“ geradezu pathetisch. Das Buch sei eine gelungene Wortmeldung. Der Autor „nutzt die Macht klarer Sprache und zwar mit brillanter Ausdruckskraft, lebhafter Bildhaftigkeit und souveräner Leichtigkeit“. Er konstatierte ein „sprachliches Hochkonzentrat“ und „Scharfblick“. Kritik durfte bei so viel Wohlwollen nicht ausbleiben. Der Essay sei total misslungen, erklärte dezidiert und mit heftigen Worten ein anonymer Kritiker in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 4. März 1982: „In teilweise überlangen Sätzen wiederholt er, was andere Medien längst veröffentlicht haben.“ Das Buch liefere „leider keine überzeugende Porträtskizze von der heutigen Jugendgeneration“. Andere Rezensenten trösteten mich: Dorothea Müller beispielsweise, die im Bonner „General-Anzeiger“ vom 26. März 1982 wenigstens meine Anliegen wiedergab: Die „Forderung, Jugend als Individuen und nicht als unheilvoller Massenerscheinung ernsthafte Aufmerksamkeit zu schenken“, die „harte Kritik an die Adresse der ‚ideologischen Grundlagen‘ der Wohlstandsgesellschaft“ und an den „festgefahrenen und daher für viele Jüngeren unzugänglichen sowie reizlosen Strukturen“. Schließlich mein Plädoyer für „Engagement zugunsten einer Entwicklung der gesamten Gesellschaft – ein Bemühen, welches sein Buch für alle Generationen, so auch für Erwachsene, lesbar macht“. Hans-Peter Bergner stieß im Mai 1982 in der Zeitschrift „Unsere Jungen. Zeitschrift für Jugendhilfe in Praxis und Wissenschaft“ ins gleiche Horn: „Selten gelingt es Jugendforschern, die facettenreiche Situation der heutigen Jugendgeneration, ihre Vielfältigkeit, ja Gegensätzlichkeit, zu vermitteln. Kühnhardt ist es in essayistischer Form gelungen.“ Eckart Busch reflektierte in der „Stimmen der Zeit“ (2/1983) über die tieferen Ursachen der Jugendproteste der späten 70er- und frühen 80er-Jahre. Thema sei nicht

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ein Generationenkonflikt, sondern „die Unsicherheit einer Gesellschaft, die nicht so recht weiß, wie es weitergehen soll.“ In dieser Lage hätte ich mit meiner Schrift gute Perspektiven aufgezeigt: die seelischen Kräfte stärken, christliche Tugenden neu beleben, Nächstenliebe und Solidarität, Mitmenschlichkeit und Partnerschaft. Sehr kritisch klang es dagegen am 4. Juni 1983 ohne Nennung des Autors in „Das Parlament“ unter der polemischen Überschrift „Überflüssiges“. Mein Essay sei ein rechtes Gegenstück gegen linke Gesellschaftskritik. Das Buch „präsentiert in flottem journalistischen Stil einige Gedanken über Ursachen und Erscheinungsformen“ wie Punk-Bewegung und Hausbesetzer-Szene, biete aber summa summarum nur „Banalitäten und Pauschalurteile“. In der CDU und im Deutschen Bundestag bat man um meine Ansichten zum Jugendprotest. CDU-Generalsekretär Heiner Geißler lud mich ein, in einer Expertenkommission der CDU zu „Fragen, Problemen und Zukunftsperspektiven der jungen Generation“ mitzuwirken. Bei der konstituierenden Sitzung am 4. März 1982 traf ich eine ganze Reihe von CDU-Politikern und Experten: Erwin Teufel, Anton Pfeifer, Gerd Langguth, Irmgard Karwatzi, Hermann Kroll-Schüter, Friedbert Pflüger, Helga Wex, Bernhard Worms, Christian Wulff, Peter Radunski, Warnfried Dettling, Gerhard Schmidtchen. Christian Wulff und Friedbert Pflüger kannte ich bereits seit der Schulzeit beziehungsweise aus dem Studium, Erwin Teufel seit einigen Jahren. Das Protokoll der Sitzung vom 13. Mai 1982 vermerkte meinen Vorschlag, statt „Krise“ von „Wandel“ zu sprechen zur Kennzeichnung der diskutierten Jugendphänomene. Hinsichtlich des künftigen Verhältnisses des Einzelnen zum Staat plädierte ich für „Selbstbeschränkung“ des Staates. Es reiche nicht, von einer Vereinfachung der Gesetzgebung zu sprechen. Notwendig seien Konkretisierungen. Ich äußerte schwere Bedenken, deutsche Arbeitslose in Entwicklungsländern einzusetzen, was offenbar unter den CDU-Granden damals ernsthaft erwogen wurde. Am 14. Juli 1982 wurde ich in den Sitzungssaal 1903 des Neuen Hochhauses („Langer Eugen“) des Deutschen Bundestages eingeladen. Als einer von mehreren jugendlichen „Sachverständigen“ trug ich eine Stellungnahme bei einer vom Deutschen Fernsehen live übertragenen Anhörung der Enquête-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“ des Deutschen Bundestages vor (Kühnhardt 1983c, S. 438 ff.). Junge Abgeordnete gaben den Ton an. Vorsitzender des Ausschusses war der mit mir befreundete Junge-Union-Vorsitzende Matthias Wissmann. Sein Stellvertreter räkelte sich meistenteils gelangweilt im Sitz nebenan: Gerhard Schröder, ehemaliger Vorsitzender der Jungsozialisten. Dass der Mann einmal Bundeskanzler werden würde, war in diesem Augenblick und bei diesem Anblick nicht zu vermuten. Die Medien favorisierten damals, wenn überhaupt, den smarten Matthias Wissmann. Auf der Bank der Experten saßen neben mir Frau Professor Rita Süssmuth, die spätere CDU-Bundestagspräsidentin, und die damals in Berlin aktive SPD-Politikerin Anke Brunn, die mich 1997 im Amt der Wissenschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen nach Bonn berufen sollte. Sie habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht, wurde mir später berichtet. Anhörung im Deutschen Bundestag. So also fühlte sich Politikberatung in der Bundesrepublik Deutschland an, anschließend nachzulesen in der Parlamentsdrucksache

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63/1-1982, Seite 10 ff. Aber würde ich in einem solchen Kontext irgendein Gewicht auf die Waagschale legen können, solange ich im luftleeren Raum zwischen freiberuflichem Journalismus und unvollständigem Universitätsstudium – und überdies parteilos – lebte? Vor allem: Welche Themenkompetenz könnte ich auf Dauer vorweisen? Was rieten mir meine Eltern, die mich, ob ich wollte oder nicht, am besten, vor allem am längsten kannten? Sie unterstützten immer vorbehaltlos meine eigenen Initiativen. Sie ließen es sich zugleich aber nie nehmen, kritisch nachzufragen, ob dieses oder jenes auch zu Ende gedacht sei. Vor allem aber lehrten sie mich immer wieder durchzuhalten. In dieser Zeit erinnerten sie mich daran: Auch Selbstbeherrschung und Ausdauer sind Elemente der christlichen Tugendlehre.

2.8 Katholisch und frei: Der bleibende Geist des Elternhauses Die wichtigsten Ratschläge und prägendsten Eindrücke erfuhr ich in den Jahren der entscheidenden Weichenstellungen meines Lebens von Menschen mit Vorbildcharakter und in Begegnungen, die weiterwirkten. Dazu gehörten in der ersten Hälfte meines Lebens an erster Stelle immer wieder und rückhaltlos meine Eltern, Irmgard und Gerhard Kühnhardt. In der zweiten Hälfte meines Lebens verdanke ich meiner Frau Enikö Noemi („Noni“), geborene Auer, die klügsten Ratschläge und die ehrlichste Kritik. Beeindruckt und geprägt hat mich der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, für den ich einige Jahre als Redenschreiber arbeiten durfte. Imponiert haben mir die Menschen in den Slums von Bombay, Manila, Kairo oder Rio de Janeiro und in den Dörfern Indiens und Afrikas, deren Lebensfreude in so starkem Kontrast zu ihrem materiellen Elend steht. Bewegt haben mich zwei katholische Heilige: Zum einen Mutter Teresa, die ich zweimal treffen durfte (1979 und 1980) und die mir und uns allen ins Stammbuch schrieb, dass man überall Gutes tun kann, wo immer Gott uns hingestellt hat im Leben und in der Welt. Man solle nicht die Welt verändern wollen, die stärker und größer ist als man selbst, sondern an dem Ort, an den Gott uns hingestellt hat, Gutes tun und seine Talente entfalten (Kühnhardt 2021, S. 69 ff.). Zum anderen Papst Johannes Paul II., mit dem ich während seiner beiden Deutschland-Besuche 1980 und 1987 Gottesdienst feiern konnte und den ich gemeinsam mit meiner Familie in der Spätphase seines Lebens 2004 im Vatikan aufsuchen durfte (Kühnhardt 2022, S. 225 f.). Als Jugendlicher haben mich aus der Ferne Mahatma Gandhi und Martin Luther King, Jimmy Carter und, ein wenig später und dauerhaft, Lech Wałęsa beeindruckt. Jimmy Carter erlebte ich 1980 persönlich bei einer öffentlichen Ansprache auf dem Bonner Marktplatz. 1999 hatte ich die große Ehre, Lech Wałęsa und seine Frau zum Abendessen in meiner Familie willkommen zu heißen. Meine Geschichtslehrerin, Christa Rollwage, hat in mir das Interesse an der Geschichte und am Reisen geweckt, um zu verstehen, wo wir herkommen und in welcher Welt wir eigentlich leben. Mein Doktorvater Karl Dietrich Bracher hat mir die Türen in die Wissenschaft als Beruf eröffnet.

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Von niemandem aber habe ich so sehr wie von meinen Eltern gelernt, was Liebe ist und was gelebte Katholizität bedeutet. Mit allem, was uns beschwerte, konnten meine Geschwister und ich zu unseren Eltern kommen. Wenn wir nicht kamen, war es auch gut für sie. Sie ruhten in ihrer Ehe und lebten vor. Sie waren sozial engagiert und kulturell vielseitig orientiert. Mein Vater als Augenarzt und meine Mutter, die gelernte Kindergärtnerin, als seine Managerin, waren ein Team, das für uns als Kinder immer nur gemeinsam existierte. Einmal am Tag, wenn es irgendwie möglich war, aßen wir gemeinsam. Oft waren ein oder mehrere Gäste mit am Tisch. Ein Tischgebet wurde immer gesprochen, wenn es warmes Essen gab, das war die westfälische Sitte, die meine Mutter in die Ehe eingebracht hatte. Der eher barocke Katholizismus Schlesiens, in dem mein Vater sozialisiert worden war, verlangte von ihm Anpassungen an den eher pragmatischen und weniger gemütshaften Stil in Westfalen. Das Dankgebet nach dem Essen fiel immer mehr unter die Räder der Tischgespräche und vielfältigen Aktivitäten heranwachsender Kinder. So integrierte er das Dankgebet geschickt in die Worte, die er vor dem Essen sprach („… und hab schon jetzt Dank dafür, Amen.“).

Abb. 2.29   Mit Schwester Mary Rose und Schwester Pius in Münster (1960) und Wiedersehen mit Schwester Pius Panjikaran in Ankamaly (1980). (©Ludger Kühnhardt)

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Einladungen meiner Eltern zu Abendessen im Kreis ihrer Freunde und Bekannten wurden von uns Kindern vom Sockel der Etagentreppe aus belauscht. Später durften wir anständig „Guten Abend“ sagen und mussten erst dann ins Bett verschwinden. Gäste aus aller Herren Länder gingen über die Jahre in meinem Elternhaus ein und aus. Verwandte aus Polen, der Schweiz und Amerika. Ordensschwestern aus Indien, Patres aus Brasilien und Tansania, Musiker aus Schweden und Südeuropa, Jagdfreunde meines Vaters aus Österreich. Wir Kinder brachten Schulfreunde mit und Austauschschüler aus Frankreich. Alle Kinder lernten ein Musikinstrument. Meine Eltern veranstalteten Hausmusikabende, zu denen sich Freunde und Bekannte in unserem Haus einfanden. Mein Vater spielte die Geige, meine Mutter sang, meine Schwestern spielten Geige und Cello, mein Bruder Querflöte. Ich war unmusikalisch und spielte nur mittelmäßig Klavier. Sportlich zog es mich zum Schwimmen und Handball, zum Tennis und Fußball. Dazu kam das Skifahren. Die Urlaube verbrachten wir alternierend am Strand der Insel Norderney und mit der Schweizer Verwandtschaft in den Bergen zum Skifahren. Der Kompromiss zwischen unseren Eltern half uns Kindern, in den 60er- und 70er-Jahren beide Milieus kennenzulernen, das Meer und die Berge. In den langen Sommerferien-Wochen verdiente ich mir mit 15 Jahren 1973 mein erstes eigenes Geld als Tellerwäscher im Keller des Schnellrestaurants „Whimpy“ auf Norderney. Ich kaufte mir ein Radiogerät, auf dem ich bevorzugt Pop-Musik im Sender „Radio Hilversum“ hörte und passive Holländischkenntnisse erwarb. Mein Aufstieg in den nächsten Jahren führte mich oberirdisch zum Pommes-Frites-Backen bei „Whimpy“, wo es einfach zu viel stank, als Balljunge auf den Tennisplatz von Norderney und dann zum Eisverkauf an der Strandpromenade. Einmal kaufte dort der Komiker Otto Waalkes ein Eis bei mir und blödelte mit mir und den Herumstehenden. Meine Eltern wünschten, dass wir Kinder Flügel bekamen und diese nach dem Schulabschluss auch einsetzten. So verließ ich als Ältester und erster direkt nach dem Abitur 1977 den elterlichen Haushalt und Ibbenbüren.

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Abb. 2.30  Mit meinen Eltern Irmgard und Gerhard Kühnhardt sowie meinen Geschwistern Andrea, Dorothee und Markus (1988). (©Ludger Kühnhardt)

Gott sei es gedankt, lebten meine Eltern glücklich, rüstig und umtriebig vier weitere Jahrzehnte. Mein Weg und später der meiner eigenen Familie führten mich immer wieder zu ihnen ins nördliche Münsterland, wo sich auch meine ungarische Frau und unsere beiden Kinder stets wohlfühlten. Für seinen langjährigen Einsatz als Augenarzt in Tansania wurde mein Vater geehrt. Am 28. September 2003 erhielt er in Berlin den Tropenophthalmologischen Preis der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft. Mit meiner Frau war ich im Publikum dabei. Den Scheck über 5000 EUR nutzte mein Vater sogleich für die Finanzierung eines weiteren Jahreskurses zur Ausbildung von augenärztlichen Pflegern in Tansania. Freudig zogen wir nach der Feier durch Berlin-Mitte. Mein Vater hatte dieses Panorama erstmals im Frühsommer 1939 erlebt, als er zusammen mit einem Schulfreund als 15-jähriger mit dem Fahrrad von Schlesien nach Berlin gefahren war, nur wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Am 13. August 2007 konnten wir im Familienkreis die Goldene Hochzeit meiner Eltern begehen. Sie hatten sich dafür einen Ort irgendwo in der Mitte zwischen den Wohnorten ihrer vier Kinder gewünscht. Das Los war auf die Schönburg am Rhein bei Oberwesel gefallen. Ein Wochenende mit den vier Kindern und vier Schwiegerkindern sowie damals drei Enkeln. Hoch über dem Rhein feierten wir in der romanischen

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Schlosskappelle einen berührenden Dankgottesdienst mit dem örtlichen Pfarrer, an dem alle sich mit Gebeten und Gesängen beteiligten. Es folgte ein wunderbarer Abend in dem prachtvollen Burghotel mit kurzen Reden meines Vaters („dies ist heute die Krönung unseres Ehelebens“) sowie Geigeneinlagen von Stephan und der Rezitation des LoreleyGedichts von Victoria. Ich sprach Dankesworte an die Eltern. Eine Rheinrundfahrt, vorbei am Kaub und der Rheinpfalz bis nach Assmannshausen, in diesem schönsten, besonders romantischen Teil des Rheintals mit seinen vielen Burgen und Schlössern und den so schroff aufsteigenden Weinbergen, rundete das Familienfest ab. Meine Eltern hatten in ihrer vorbildhaften, gut christlichen Ehe ihren Weinberg bestens bestellt. Sie durften auf ein erfülltes, vielen Menschen Hoffnung und Kraft gebendes Lebenswerk zurückblicken. Am Tag nach der Goldenen Hochzeit bemerkte mein Vater erleichtert, er habe seit Wochen, seitdem ihn ein gefährlicher Bluthochdruck quälte, erstmals eine Nacht ruhig durchgeschlafen. Am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945/46 wurde meinem Vater das Leben gerettet, als der Förster Oswald Rerych und seine Frau Babycka ihn als Zwangsarbeiter in ihr Forsthaus bei Pribram südlich von Prag aufnahmen. Alle anderen 6000 deutschen Kriegsgefangenen, die die Rote Armee zusammen mit meinem Vater gemacht hatte, endeten in Russland. Die allermeisten starben dort. 1976 besuchten wir mitten im Kalten Krieg Familie Rerych. Mit dem Enkel Michal spielte ich damals Schach und beschloss ganz spontan, den Kriegsdienst zu verweigern. Wie könnte ich diesen etwa gleichaltrigen Jungen und seinen etwas jüngeren Bruder Zdenek je töten? Bis heute bin ich mit Michal Rerych und seiner Familie befreundet. 2008 besuchten Michal und sein Bruder Zdenek meine Eltern in Ibbenbüren, um einen Dokumentarfilm über das Forsthaus zu drehen. Sie wollten auch die Erinnerungen meines Vaters in ihrem Film festhalten. Über drei Generationen und sechs Jahrzehnte hält unsere deutsch-tschechische Freundschaftsgeschichte nun schon, eine wunderbare Geschichte über alle Katastrophen und Brüche des 20. Jahrhunderts hinweg. Michal erinnerte sich bei seinem Besuch 2008 an seinen Großvater, der ihm erzählt hatte, Kaiser Franz Joseph I. habe 48 Jahre in Frieden regiert, das sei die beste Zeit für alle Völker unter seiner Krone gewesen. Im Jahr 2008 konnten wir in Europa schon seit 63 Jahren in Frieden leben. Mein Vater blühte bei den Erzählungen an seine unmittelbaren Nachkriegserlebnisse auf. Damals war er 22, 23 Jahre alt und hätte schon tot sein können wie viele, deren Leichen er als Sanitätssoldat hatte ansehen müssen. 2022 fand Michal Rerych im Nachlass seines Vaters und Großvaters handschriftliche Briefe meines Vaters aus dem Jahr 1946. Es war bewegend für mich, das Glück und die Dankbarkeit nachzuempfinden, mit der mein Vater damals erleichtert und mit neuem Lebensmut an seine Zukunft heranging. Zwischen den Zeilen konnte ich spüren, wie sehr er sich über das Leben freute, das ihm, dem 22-Jährigen, nach Krieg und Gefangenschaft wie neugeboren vorkam.

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Abb. 2.31   Schachspiel mit Michal Rerych in Pribram. Sein Vater Zdenek schaut zu (1976). (©Ludger Kühnhardt)

2008 verlieh Bundespräsident Horst Köhler meinem Vater das Bundesverdienstkreuz am Bande für sein Lebenswerk. Sein eigener Lebensbericht blieb nüchtern und zurückhaltend (Kühnhardt 2008). Seine Geduld, Herzlichkeit und Güte hätten sich nie in Form eines Preises auszeichnen lassen. Wenn sie nach einem Besuch bei meiner Familie gelassen mit ihrem kleinen Rollkoffer um die Straßenecke zogen, schien das schlohweiß gewordene Haar meiner Eltern immer mehr wie ein umkränzter Sonnenschein. In Würde und Weisheit wurden sie alt. Ich schreibe meine Briefe bereits seit Langem mit dem Füllfederhalter, mit dem mein Vater 1951 seine medizinische Doktorarbeit an der Universität Tübingen verfasst hatte (Kühnhardt 1951) und den er mir anlässlich meiner Promotion 1983 vermacht hat. 2014 konnte ich mit meinem unterdessen 90-jährigen Vater das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland gegen Argentinien (mit einem 1:0 in der 113. Minute) am Fernsehschirm sehen. Es war spannend bis zum Schluss mit sympathischen Jungs, die der Welt ein fröhliches, positives Deutschlandbild vermitteln. Aber eingefleischte Fußball-Fans wurden mein Vater und ich gleichwohl nicht mehr. Wie ein Abschiedsbesuch fühlte es sich urplötzlich an, als ich meinen Vater am 25. November 2015 im Krankenhaus aufsuchte, wo er sich einer Magenspiegelung hatte unterziehen müssen (Befund harmlos) und nun von Enikö, meiner Mutter und mir nach Hause begleitet werden konnte. Das Herz war schwach geworden und begann ernsthaft zu schmerzen. Er musste sich von meiner Frau füttern lassen und schaffte mit

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Mühe den Weg zum Auto und ins Haus. Ein wenig entspannte er sich dort und nahm gütig schmunzelnd das Gespräch um ihn herum wahr. Ein Stück schlesischen Mohnkuchen, vorweihnachtlich eigens für ihn gebacken, nahm er zu sich, schon eher recht kraftlos. Wir Kinder seien schon auf richtigem Wege, sagte er plötzlich, das sehe er seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Ich konnte nur erwidern, wie sehr er uns Vorbild sei. Seine Augen leuchteten, als ich ihn zum Abschied umarmte, für alle Liebe dankte und ein Kreuz auf die Stirn setzte, so wie er es immer bei uns Kindern getan hat, wenn wir aus dem Elternhaus ausgeflogen sind. Mein Vater ließ es sich nicht nehmen, Enikö und mich bis zur Autotür zu begleiten. Unter dem mit Eichenzweigen verzierten Torbogen vor der Garagenzufahrt winkten die Eltern uns nach, wie so viele, viele Male zuvor. Ich fuhr mit ruhigem, dankbarem Herzen ab. Aber ich spürte, dass dies die letzte Begegnung auf dieser Welt mit meinem lieben Vater gewesen war. Am 7. Dezember 2015 starb mein Vater ruhig und nach dem Empfang der Krankensalbung, dem letzten unserer katholischen Sakramente, wenige Tage vor Vollendung seines 92. Lebensjahres. Ein Lächeln auf dem Gesicht, zwei tiefe Seufzer, dann erlosch sein Herz. Welch ein erfülltes Leben. Mein Vater war ein Diener der Menschen, so unendlich vieler, für die sein Herz geschlagen hat. Bescheiden, barmherzig und auch verschmitzt, nahm er zu jedem Menschen, der ihm begegnete, innere Beziehung auf. Im Alter wurde er milde und weise wie kein Zweiter. Ein Gottesgeschenk von einem Vater. Am Vorabend seiner Beerdigung hielten mein Bruder Markus, mein vietnamesischer Pflegebruder Truc, mein Sohn Stephan, mein Neffe Philipp, mein angehender Schwiegersohn Raphael und ich ausgiebige Totenwache am offenen Sarg meines Vaters. Wie friedlich der eiskalt gewordene Körper dort lag. Plötzlich verstand ich, was die Kirche meint, wenn sie vom „verklärten Leichnam“ spricht. Wir wachten, schwiegen, beteten den Rosenkranz, weinten, erzählten, zeichneten meinem Vater ein letztes Kreuz auf die Stirn und gaben ihm einen Abschiedskuss auf die eiskalte Stirn. In seine lang und schmal gewordenen Finger legten wir einen Rosenkranz. Was es heißt, in alle Ewigkeit im Frieden Gottes zu leben, im Angesicht meines toten Vaters konnte ich es erahnen und sehen, glauben und verstehen. Die Beerdigung in der Ibbenbürener St. Mauritius-Kirche war würdig. Stephan war einer der Messdiener, mit Trucs Kindern Lieu, Phuc und Tao, sowie Raphael… Meine Tochter Victoria, Truc, Philipp und Raphael trugen die Fürbitten vor. Pfarrer Paul Hagemann zelebrierte sehr einfühlsam vor gut 200 Trauergästen, mehr als an gewöhnlichen Sonntagsgottesdiensten anwesend sind. Er porträtierte meinen Vater aus dem Geist des Markus-Evangeliums von dem Blinden, der sich von Jesus heilen lassen möchte, als jemanden, der der Welt mit seinem ärztlichen Dienst an unendlich vielen Menschen gutgetan hat. Ein Freund meines Vaters gab dem Trauergottesdienst die erlösende Note, als er am Schluss mit froher Stimme eine moderne, den Auferstehungsglauben ausdrückende Textfassung von Psalm 126 vortrug: „Das wird ein Fest sein.“ Gemeint war das Fest des Wiedersehens mit Gott im Himmel jenseits aller Beschwernisse des irdischen Lebens. Vor der Kirche verabschiedeten Pfarrer und Messdiener den Sarg auf seiner letzten Fahrt zum Friedhof. Wir Geschwister standen um meine Mutter herum auf

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der Kirchentreppe. Auf dem Friedhof führte Stephan sodann mit dem Kreuz in der Hand den Trauerzug an. Noch immer begleiteten uns weit über 100 Menschen. Aufrecht und tapfer stand mein 15-jähriger Sohn hinter dem offenen Grab des Großvaters, in das der schwarze Sarg hineingelassen wurde. Letzte Gebete. Rosenblätter. Ein wenig Erde mit einer kleinen Schaufel. Eine tiefe Verneigung. Ein Kreuzzeichen. Die Atmosphäre, als der Kondolenz-Cours an meiner Mutter und der Familie vorbei war, war so, wie unser Vater es sich gewünscht hätte: Erlöst, gelöst, christlich. Unter einer hohen Birke in der Nachbarschaft mehrerer seiner bereits verstorbenen Freunde fand mein gütiger und liebevoller Vater seine letzte Ruhe. Kaum war das Grab zugeschüttet, gingen Ruhe von ihm aus, Frieden und Erlösung. Neben dem schlichten Kranz der Familie aus cremefarbenen Rosen leuchtete ein rotes Kerzenlicht. Ich empfand vor allem große Dankbarkeit.

Abb. 2.32   Erste Berlin-Begegnung, vom Osten her kommend: Mit meinem Bruder Markus an der Mauer in West-Berlin (1976). (©Ludger Kühnhardt)

Zwei Jahre später nahm ich in Bremen teil an der Beerdigung der letzten noch lebenden Schwester meines Vaters, Felizitas, die mit 90 Jahren verstorben war. Auf dem Riensberger Friedhof sah ich die Gräber meiner väterlichen Großeltern wieder und nach Jahren wieder einmal fast alle Cousinen und Cousins der Bremer Familienlinie. Ich fuhr vorbei am St.-Josephs-Stift, wo mein Vater einen Teil seiner Zeit als Assistenzarzt verbracht hatte, und an der Schwachhauser Heerstraße, wo meine Eltern sich 1953 erstmals gesehen hatten. Die Innenstadt durchstreifte ich wie auf der Suche nach einem alten Bild: Das Übersee-Museum mit seiner fabelhaften Ozeanien-Sammlung, die mein Großvater mir 1968 gezeigt hatte und wo erstmals Fernweh in mir entzündet wurde.

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Das Rathaus mit der Rolandstatue und den Bremer Stadtmusikanten. Die Böttchergasse mit dem Paula-Becker-Modersohn-Haus. Das Wiedersehen von Bremen war ein Abschied von einem Teil meiner Kindheit und meiner familiären Wurzeln. In Gedanken sah ich, wie meine Eltern sich 1953 in Bremen kennenlernten und Spaziergänge an der Weser und durch das Künstlerdorf Worpswede entlang der Hamme und hinauf auf den Weyerberg unternahmen. Wohl nie wieder waren sie so glücklich und voller Aufbruch. Meine Mutter, Irmgard Hoffmann, besuchte die „Fachschule für Frauenberufe“ in Bremen. Mein Vater bereitete sich ganz in der Nähe auf die ärztliche Approbation vor. Der Lebenstraum meiner Mutter hieß schon damals Norderney. Sie war 1934 im von Textilindustrie und Landwirtschaft geprägten Nordhorn geboren worden. Auf Norderney hatte sie 1950 bis 1952 ihre glücklichsten Nachkriegszeiten als auszubildende Kinderpflegerin im „Schifflein Sausewind“ verbracht, dem Kindererholungsheim ihrer Vize-Mutter Hannah Jähnichen. Die Kindheit in Nordhorn an der holländischen Grenze mit zwei Schwestern und ohne Vater, der viel zu lange Jahre in den Krieg eingezogen worden war, mit Mutter und Großeltern auf deren Gutshof, hatte zwischen unbeschwerten Momenten mit Kaninchen im Puppenwagen und düsteren Bombennächten im Schutzkeller stattgefunden. Nach der Mittleren Reife in Nordhorn wurde das „Schifflein Sausewind“ auf Norderney für meine Mutter zum lebendigen Paradies. Auf die erste praktische Ausbildungsphase in Norderney folgten die „Fachschule für Frauenberufe“ in Bremen und noch einmal zwei weitere wunderbare Jahre als Kinderpflegerin im „Schifflein Sausewind“ im Norderney. Irmgard Hoffmann war schon damals, 1954 bis 1956, „reif für die Insel“, wie wir, ihre Kinder, 2014 zu ihrem 80. Geburtstag eine kleine private Lebenschronik betiteln sollten. Ihr Leben teilte sie seit der Hochzeit 1957 mit ihrem Mann und träumte doch unaufhaltsam von ihrer Insel. Es waren glückliche und gelungene Jahrzehnte für beide.

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Abb. 2.33   Mit meiner Mutter am Alten Zoll in Bonn (1981). (©Ludger Kühnhardt)

Der Lebensabend meiner Mutter aber wurde traurig. Fast sechs Jahrzehnte war sie an der Seite meines Vaters einen gemeinsamen Weg gegangen. Sie waren ein symbiotisches Paar, keiner der beiden ohne den anderen zu denken und doch erst durch die Ergänzung gelungen. Demenz schlich sich lautlos, aber böse in den Körper meiner Mutter ein, als sie sich nach dem Tod meines Vaters ein wenig fallen lassen konnte. Sie wollte aufrechterhalten, was für sie so lange so normal gewesen war. Die Demenz aber war rücksichtslos. „Wenn es so weit ist“, pflegte sie nur zu sagen, wenn wir Kinder sie darauf ansprachen, doch bitte unsere oder gar fremder Menschen Hilfe anzunehmen. Ihr Wille zu Autonomie und Selbstständigkeit blieb stark. Doch Körper und Geist funktionierten immer weniger nach ihrem eigenen Willen. Anfang 2019 gelang es, für sie ein Zimmer im Demenzpflegeheim der Caritas „Haus Waldfrieden“ zu erhalten. Schräg gegenüber vom jahrzehntelangen Haus meiner Eltern und einen Steinwurf nur vom Grab ihres Mannes entfernt, war sie dort angekommen, wo sie hinwollte, „wenn es so weit ist“. Atmosphäre und Pflege in der Hausgemeinschaft 2 waren wunderbar. Fröhlich und liebevoll. Bei jedem Besuch spürte man, nicht auf einer Kranken- oder gar Sterbestation zu sein, sondern mitten im Leben, das doch immer leiser wurde. Ihre langjährigste Freundin, Ursel Müller, mit der gemeinsam meine Mutter 1950 bis 1952 im „Schifflein Sausewind“ ihre Kinderpflegerinnen-Ausbildung absolviert hatte, kam fast täglich. Wie Geschwister erinnerten sich die beiden gemeinsam den unbeschwerten Zeiten ihrer Jugend. Es tat beiden gut.

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Dann kam das Corona-Virus. Im März 2020 wurde Besuchsverbot für die Alten- und Pflegeheime erteilt. Niemand mehr aus der Familie oder von ihren Freunden konnte meine Mutter besuchen. Ende März, wenige Tage nach ihrem 86. Geburtstag, stürzte sie und brach sich den Oberschenkelhalsknochen. Sie musste sofort operiert werden. Ihr Körper, abgemagert, war immer noch zäh und von Lebenswillen erfüllt. Sie überstand die mehrstündige Operation und ließ sich einer basalen Rehabilitation unterziehen. Der Radius war nun gänzlich klein geworden. Ohne die stützenden Hände und Arme der Pflegerinnen ging nichts mehr. Zwei Schritte aus dem Bett in den Rollstuhl. Dort konnte sie ein, zwei Stunden sitzen. Dann war sie ermüdet. Mit großer Anstrengung und fünf Schritten erreichte sie noch die Toilette, immerhin. Kalorische Nahrung, flüssig, wenigstens diese nahm sie noch zu sich. Am Telefon, Leitung ins Leben, war ihre Stimme fest, doch ihre Worte wurden immer mehr zum Rätsel. „Ihr macht das schon“, war noch einmal zu hören. Das Pflegepersonal des „Haus Waldfrieden“ machte es möglich, als zu spüren war, dass das Ende nahte: Alle Kinder und Enkelkinder durften hintereinander zu einem langen Abschiedsbesuch zu unserer Mutter und Großmutter kommen. Sie konnte nichts mehr sagen, schaute mich und jeden von uns intensiv und lange, mit durchdringendem und unvergesslichem Blick an. Ich sagte ihr, wie gelungen ihr Leben gewesen sei, wie sehr und wie dankbar ich sie liebe, dass Gott uns alle behütet und ihr Mann auf sie warte. Ich segnete meine Mutter mit einem Kreuz auf die Stirn. Zuvor hatten wir meine Mutter mit Gebeten und beruhigenden Worten auf ihren letzten Weg vorbereitet. Diesen aber wollte sie alleine gehen. Am 31. Mai 2020 ist sie friedlich gestorben. Jetzt verstand ich, was Erlösung heißt: er-lösen, sich lösen können, loslassen können. Auch Sterben will gekonnt sein. Die Trauerfeier für meine Mutter war, wie fünf Jahre zuvor für meinen Vater, eine frohe Auferstehungsmesse. Gut 100 Verwandte, Freundinnen und Bekannte trotzten den Corona-Ängsten und gaben ihr das letzte Geleit. Gelöst und getragen im Glauben, mit Dank für ein langes Leben und unendliche Liebe, die weiterwirkt, legten wir meine Mutter zur ewigen Ruhe. „Das wird ein Fest sein.“ Katholisch-Sein, das hieß für mich immer allumfassend, themenumfassend, weltumfassend zu fühlen und zu denken. Die katholische Kirche erlebte ich, wo immer das Leben mich hinführte, als ältesten und stärksten Global Player, wie man heute sagen würde. Katholisch-Sein hieß sicher zu sein gegen Fanatismus aller Art und es hieß, Zweifeln zu können auch gegen den Zweifel. Katholisch-Sein hieß, Glaube und Vernunft zu verbinden, aufeinander zu beziehen, zusammen zu leben. Glaubensverlässlichkeit und Erkenntnisgewinn, davon blieb ich durch alle Höhen und Tiefen meines Glaubens und Denkens überzeugt, bereichern sich wechselseitig. Voraussetzungslos, ohne Erwartungshaltung und Pflichtkodex waren die Grundlagen in meinem Elternhaus gelegt worden. Der Geist meines Elternhauses blieb mir glücklicherweise erhalten. Für mich ist Katholisch-Sein der Geist der Freiheit.

Literatur

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Literatur Broucker, Jose de. 1969. Dom Helder Camara. Die Leidenschaft des Friedensstifters. Graz/Wien/ Köln: Styria Verlag. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB). 1976. Texte zur katholischen Soziallehre. Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchliche Dokumente. Kevelaer: KAB. Carter, Jimmy. 1976. Das Beste geben. Gütersloh: Brockhaus. Dewald, Josef. 1978. Der dritte Weg. In Christ in der Gegenwart, 20. August. Guardini, Romano. 1985. Der Blick auf das Ganze. Ausgewählte Texte zu Fragen der Zeit. München: Kösel-Verlag. Hebbar, M.N. 1982. India through German eyes. In Kulturgespräch. Journal of the Indo-German Societies (Manipal), Nr. 1/März. Heer, Friedrich. 1978. Warum gibt es kein Geistesleben in Deutschland? München: List Verlag. Heim, Erwin Bernhard. 1968. DieVer-HERRLichung Gottes. Weltbild eines Arztes. Stein am Rhein: Christiana Verlag. Herrmann, Ludolf. 1986. Die neue Zuversicht. Bonn: Bonn Aktuell. Höffner, Joseph. 1975. Christliche Gesellschaftslehre. Kevelaer: Butzon&Bercker. Kennedy, John. F. 1960. Zivilcourage. Wien: Wilhelm Frick Verlag. Kennedy, Robert. 1969. Suche nach einer neuen Welt. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. King, Martin Luther. 1974. Kraft zum Lieben. Konstanz: Christliche Verlagsanstalt. Klüber, Franz. 1978. An den Nerv. In Publik-Forum, Nr. 17, 25. August 1978. Kühnhardt, Gerhard 1951. Die Ergebnisse der pharmakologischen Forschung in der Schweiz von 1945–1950. Tübingen: Medizinische Fakultät. Kühnhardt, Gerhard. 2008. Salus aegroti suprema lex – Dem Heil des Kranken verpflichtet. Lebenserinnerungen eines Arztes. Ibbenbüren: Privatdruck. Kühnhardt, Ludger. 1970. „Aus unserer Redaktion“. In Ibbenbürener Volkszeitung, 13. Juni. Kühnhardt, Ludger. 1974. „Eines der zehn Kraftwerke sollte in Ibbenbüren sein“. Interview mit Bundestagspräsidentin Annemarie Renger. In Ibbenbürener Volkszeitung, 10. Juni. Kühnhardt, Ludger. 1976a. Kirche und Arbeiterschaft. In Kirche und Leben, 12. Dezember. Kühnhardt, Ludger. 1976b. Die Aufgaben kirchlicher Soziallehre. Fragen an Oswald von NellBreuning. In Kirche und Leben, 19. Dezember. Kühnhardt, Ludger. 1977a. Von den Westfalen in der wissenschaftlichen Welt. Abiturfeier bei Keplers. In Ibbenbürener Volkszeitung, 13. Juni. Kühnhardt, Ludger. 1977b. „Gegen den Strom schwimmen“. Abschlußfeier am GoetheGymnasium für 99 Abiturienten. In Ibbenbürener Volkszeitung, 20. Juni. Kühnhardt, Ludger.1977c. Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven. München: Günter Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger. 1978a. Keine Uni nach dem Abi. Alternativen zum Hochschulstudium, S. 5. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 14. Juli. Kühnhardt, Ludger. 1978b. Binnenschiffahrt: Auf dem Fluss, da liegt die kleine Freiheit, S. 8. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 38, 22. September. Kühnhardt, Ludger. 1978c. Ausbruch aus dem Seelengefängnis. Wie verführte Jugendliche sich selber helfen, S. 15. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 50, 8. Dezember. Kühnhardt, Ludger. 1978d. Dritte Welt Läden. In Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 24. Oktober. Kühnhardt, Ludger. 1978e. Rezension: Neuer Lebensstil: Armut im Überfluß. In Deutsche Zeitung/ Christ und Welt, 20. Oktober.

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Kühnhardt, Ludger. 1978f. Ein Laden, der betroffen macht. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 20. Oktober. Kühnhardt, Ludger. 1978g.Rezension: Das deutsche Geistesleben. Härte der Hirne. In „Deutsche Zeitung/Christ und Welt“ am 15. Dezember. Kühnhardt, Ludger. 1978h. Die Spontis spinnen ihre Netze. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 28. August 1978, S. 4. Kühnhardt, Ludger. 1978i. Interview mit Bundespräsident Walter Scheel. In Deutsche Welle, 10. Oktober. Kühnhardt, Ludger. 1979a. Jamaika: Die Sklaven sind stolz geworden, S. 16. In Deutsche Zeitung/ Christ und Welt, Nr. 39, 21. September. Kühnhardt, Ludger. 1979b. Ausländerkinder: Mitbürger aus Izmir, S. 4. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 40, 28. September. Kühnhardt, Ludger. 1979c. „Für die Armen, denen wir dienen“: Friedensnobelpreis für Mutter Teresa, S. 8. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 44, 26. Oktober. Kühnhardt, Ludger. 1979d. Weg vom Öl – Chance für den Bergbau. Ein neues Hochgefühl auf Sohle 12, S. 8. In Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 9. November. Kühnhardt, Ludger. 1980a. Katholikentag in Berlin: Gesang vom Ufer der Armen, S. 23. In Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 24, 13. Juni 1980. Kühnhardt, Ludger. 1980b. Bei den Flüchtlingen in Somalia. Menschlicher Treibsand aus dem Ogaden, S. 3. In Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 34, 22. August 1980. Kühnhardt, Ludger. 1980c. Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik. Hannover: Landeszentrale für Politische Bildung. Kühnhardt, Ludger, 1980d. Schulfilm: Prahlad – ein Junge in Indien. In Institut für Film und Bild im Unterricht (FWU)/Tellux-Film. München: FWU. Kühnhardt, Ludger. 1980e. Fünf Fremde schauen Prahlad zu. In Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 50, 12. Dezember. Kühnhardt, Ludger. 1981a. Sie brauchen noch immer Hilfe, S. 5. In Weltwoche, Nr. 53, 30. Dezember. Kühnhardt, Ludger. 1981b. Flüchtlingsproblematik in Südostasien, S. 123 ff. In ZAR-Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, Nr.2-3/1981. Kühnhardt, Ludger, 1981c. Truc schlägt Wurzeln in Westfalen. In Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 29. Mai. Kühnhardt, Ludger. 1981d. Kinder des Wohlstands. Auf der Suche nach dem verlorenen Sinn. München: Günter Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger. 1982a. The Land of 500.000 Villages. Stories from rural India. Trichur: St. Joseph’s I.S. Press/Jyothi Book Centre. Kühnhardt, Ludger. 1982b. Menschen, Menschen und nochmals Menschen – Familienplanung in Bangladesh, S. 53 ff. In Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, hrsg. Bonn: BMZ. Kühnhardt, Ludger. 1983a. Dokumentarfilm: Muktapur (Bangladesh) im Wandel. In Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 20. November. Kühnhardt, Ludger, 1983b. Muktapur ist Bangladesh durchs Brennglas. Bericht über Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm in Bangladesh, S. 48 ff. In gtz-Info, Heft Nr. 2. Kühnhardt, Ludger. 1983c. Sachverständigen-Stellungnahme, S. 428 ff. In Wissmann, Matthias und Rudolf Hauck. Jugendprotest im demokratischen Staat. Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, hrsg. Ulm: Verlag Thienemann. Kühnhardt, Ludger. 1984a. Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik. Wien: Braumüller Universitätsverlag.

Literatur

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Kühnhardt, Ludger. 1984b. Dokumentarfilm: 2021 – Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Folge 1: Schlange, Rad, Kreuz und Halbmond. In Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 14. Oktober. Kühnhardt, Ludger. 1984c. Dokumentarfilm: 2021 – Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Folge 2: Ein Lied für die Freiheit. In Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 21. Oktober. Kühnhardt, Ludger. 1984d. Dokumentarfilm: 2021 – Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Folge 5: Dein Platz ist hier. In Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 11. November. Kühnhardt, Ludger. 1985. Private Entwicklungshilfe. Zwischen Überschätzung und Vernachlässigung, Königswinter: Stiftung für Christlich-Soziale Politik und Bildung. Kühnhardt, Ludger. 1986. Rezension: Michael Novak, Freedom with justice, San Francisco 1984. In Projekt Europa, Nr. 31–34, Strassburg, S. 54 ff. Kühnhardt, Ludger. 1987. Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs. München: Günter Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger. 1989. Die Japaner und die Menschenrechte, S.162 ff. In Olzog, Günter. Beobachter und Gestalter. Autoren in vier Jahrzehnten. Rückblick eines politischen Verlages, hrsg. München: Günter Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger, 1994. Revolutionszeiten. Das Umbruchjahr 1989 im geschichtlichen Zusammenhang. München: Günter Olzog Verlag. Kühnhardt, Ludger. 2006. Was macht eigentlich…? Interview mit Ludger Kühnhardt. In Ibbenbürener Volkszeitung, Nr. 274, 25. November. Kühnhardt, Ludger. 2009. EU-Reform: Viel Blendwerk, wenig Substanz, S. 5. In Rheinischer Merkur, Nr. 36, 3. September 2009. Kühnhardt, Ludger. 2013. Baugesetze der europäischen Gesellschaft: Solidarität und Subsidiarität, S.167 ff. In Schallenberg, Peter und Arnd Küppers. Interdisziplinarität der Christlichen Sozialethik, hrsg. Paderborn: Schöningh. Kühnhardt, Ludger. 2020. Wurzeln. Unsere europäische Familiengeschichte. Bonn: Privatdruck. Kühnhardt, Ludger. 2021. Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 1 (1960–1999). Wiesbaden: Springer. Kühnhardt, Ludger. 2022 Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 2 (2000–2020). Wiesbaden: Springer. Kühnhardt, Ludger und Michael Rutz. 1999. Die Wiederentdeckung Europas. Ein Gang durch Geschichte und Gegenwart, hrsg. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. Küng, Hans. 1976. Christ sein. München: Deutscher Taschenbuchverlag. Maste, Errnst 1979. Rezension. In Das Parlament, 24. März. Matussek, Matthias. 1995. Fifth Avenue. Zehn Stories und ein Dramolett. Zürich: Diogenes. Mattusek, Matthias. 2006. Wir Deutschen: Warum uns die anderen gern haben können. Frankfurt/ Main: S. Fischer. Matussek, Matthias. 2011. Das katholische Abenteuer. Eine Provokation. Stuttgart: DVA. Matussek, Matthias. 2017. Wie ich von links nach rechts gelangte. In Die Zeit, 6. Juli. Meadows, Dennis et al. 1973. Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Mehnert, Klaus. 1964. Peking und Moskau. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. Nell-Breuning, Oswald von. 1950. Einzelmensch und Gesellschaft. Heidelberg: F.H.Kerle Verlag. Nell-Breuning, Oswald von 1980. Rezension: Kühnhardt, Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik. In Stimmen der Zeit, Heft 11/November. Nell-Breuning, Oswald von. 1985a (2. Auflage). Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre. München: Günter Olzog Verlag. Nell-Breuning, Oswald von 1985b. Rezension: Kühnhardt, Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. In Stimmen der Zeit, Heft 11/November.

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2 Katholisch

Nell-Breuning, Oswald von 1988. Rezension: Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte. In Theologie und Philosophie, Heft 1/1988. Nell-Breuning, Oswald von. 1990 (Neuausgabe). Baugesetze der Gesellschaft. Solidarität und Subsidiarität. Freiburg: Herder. Peeters. Marcel. 1979. Rezension. In Politica, 29. Jahrgang, Nr. 2, Juni, S. 191. Pieper, Joseph 1964. Das Viergespann. München: Kösel-Verlag. Ratzinger, Joseph. 1968. Einführung in das Christentum. München: Kösel-Verlag. Rau, Heimo.1970. Gandhi. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Schüler, Andreas. 1990. Erfindergeist und Technikkritik. Der Beitrag Amerikas zur Modernisierung und die Technikdebatte seit 1900. Stuttgart: Franz Steiner Verlag. Schumacher, Ernst F. 1977. Die Rückkehr zum menschlichen Mass. Alternativen für Wirtschaft und Technik. „Small is beautiful“. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Scott King, Coretta. 1971. Mein Leben mit Martin Luther King. Stuttgart: DVA. Teilhard de Chardin, Pierre. 1959. Der Mensch im Kosmos. München: C.H.Beck.

3

Weltordnungsfragen

Mit seiner Dissertation legte Ludger Kühnhardt 1984a die erste umfassende Studie vor, die aus geschichtswissenschaftlicher und politikwissenschaftlicher Perspektive das menschlich bedrückende Problem von Flucht und Vertreibung als Weltordnungsproblem analysierte. Für seine Habilitationsschrift, die 1987 in der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn angenommen wurde, weitete Kühnhardt den Blick auf die ideengeschichtlichen Zusammenhänge und Widersprüche der universalen Menschenrechte. Seine kultur- und regionalwissenschaftlichen Vergleichsstudien schufen ein Standardwerk. Auch mit der Studie über die Souveränitätsproblematik in der Dritten Welt griff Kühnhardt 1992 grundlegende Zeitfragen auf, die erst Jahrzehnte später in ihrer ganzen Tragweite von der internationalen Politik erfasst wurden. Seine Studien, die ihm endgültig den Weg vom Journalismus in die universitäre Politikwissenschaft öffneten, waren in der Bonner Tradition der politischen Wissenschaft verankert und erweiterten deren Fragestellungen zur Welt.

3.1  Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik (Kühnhardt 1984a): Promotion In Bonn nahm ich 1979 ein universitäres Studium in den Fächern Geschichte, Philosophie und Politische Wissenschaft auf. Studium und Journalismus liefen einige Zeit parallel. Ich schwankte zwischen publizistischer Tätigkeit und Mitwirkung in der praktischen Entwicklungshilfe.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_3

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3 Weltordnungsfragen

Abb. 3.1  Als Reporter des Rheinischen Merkur/Christ und Welt im Flüchtlingslager Toq Wajaale in Somalia (1980). (© Ludger Kühnhardt)

Paradox: Ausgerechnet eine dramatische Reportage-Reise 1980 für den „Rheinischen Merkur/Christ und Welt“ in die Bürgerkriegsregion am Horn von Afrika ließ mich in den Brunnen der Wissenschaft einsteigen. Ich hatte am Horn von Afrika schrecklichstes Flüchtlingselend gesehen und wollte danach unbedingt genauer wissen, warum es nicht nur in der aktuellen Gegenwart, sondern immer wieder in der Geschichte zu Flucht und Vertreibung gekommen ist (Kühnhardt 2021, S. 100 ff.). Die Betreuung von Indochina-Flüchtlingen während des Zivildienstes gab mir 1981 Gelegenheit, meine Sichtweisen im Bereich praktischer Integrationsfragen und durch eigene Anschauung in Südostasiens Flüchtlingslagern zu erweitern. In den Philippinen und in Hongkong, in Singapur und in Thailand begriff ich die politischen Zusammenhänge von Flucht und Vertreibung (Kühnhardt 2021, S. 154 ff.). Ich begriff aber auch, dass das Thema nicht nur ein humanitäres, sondern in gleicher Weise ein geopolitisches ist. Die Instrumente des Völkerrechts, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen

3.1  Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. …

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worden waren, um Geflüchtete zu schützen, waren nicht ausreichend angesichts von machtpolitischen Eruptionen in der Dritten Welt und unter völlig geänderten demografischen Bedingungen. Flucht und Vertreibung waren ein Phänomen von Massenzwangswanderungen geworden. Wir hatten es mit einem Weltordnungsproblem zu tun. Es drohten dauerhafte Flüchtlingslager, ein trostloser Zustand, den ich 1980 im Nahen Osten kennengelernt hatte (Kühnhardt 2021, S. 95 ff.). Seither sprach ich von der möglichen „Palästinisierung“ des Weltflüchtlingsproblems.

Abb. 3.2  Humanität und Geopolitik: Mit thailändischen Militärs und dem Gouverneur von Nong Khai sowie dem Bundestagsabgeordneten Matthias Wissmann am Mekong nach einem Besuch von laotischen Flüchtlingslagern (1981). (© Ludger Kühnhardt)

Das Thema Flüchtlinge war mir persönlich nie fremd gewesen: Auch mein Vater und meine väterlichen Großeltern waren am Ende des Zweiten Weltkrieges zu Flüchtlingen aus Schlesien geworden. Ich wollte unterdessen über das Abfassen eines Aufsatzes oder ein Sozialengagement hinaus genauer wissen, was die Ursachen von Flucht und Vertreibung sind. Ich wollte wissen, auf welche Weise die Welt in Zukunft mit Massenzwangswanderungen zu rechnen hatte. Dann half der Zufall: In einem Gespräch am 26. Mai 1982 fragte Professor Karl Dietrich Bracher, Direktor des Instituts für Politische Wissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, mich überraschend, ob ich nicht unter seiner wissenschaftlichen Betreuung eine Dissertation anfertigen wolle. Ich war von seinem Angebot geehrt und überrascht. Aber immerhin hatte ich ein Thema parat. Bracher war sogleich von der Idee angetan, die Ursachen von Flucht

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3 Weltordnungsfragen

und Vertreibung im 20. Jahrhundert zu analysieren und die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem wissenschaftlich zu untersuchen. Ich schaute auf die systemischen Ursachen von Fluchtbewegungen und ordnete sie politischen Auseinandersetzungen in aller Welt zu. Sofort spannte Bracher einen großen historischen Bogen und erinnerte mich etwa an die Völkerverschiebungen zwischen Griechenland und der Türkei zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es sei richtig und wichtig, eine ideengeschichtliche Einordnung vorzunehmen und die politisch-systematischen Probleme der modernen Nationalstaatsbildung mit der Flüchtlingsthematik zu verbinden. Unausweichlich werde es sein, Fragen des Asylrechts anzusprechen und versuchsweise eigene Lösungsstrategien zu entwickeln. Dies alles deckte sich mit meinen eigenen Vorüberlegungen. Angesichts meiner geistes- und ideengeschichtlichen Interessen, aber auch der anhaltenden tragischen Bedeutung des Themas sei die Aufgabe gut gestellt, die ich mir vorgenommen habe, konstatierte Bracher. Er sah sofort, dass die Flüchtlingsfrage lange anhalten werde und gar zu einer „Lebensaufgabe“ werden könne. Er begrüßte, dass ich zu Archivforschungen an den Sitz des Völkerbundes und des UN-Hochkommissariats für Flüchtlingsfragen nach Genf gehen wollte. Er gab mir die Empfehlung mit, dort Dick Smyser zu sprechen, unterdessen UN-Vize-Hochkommissar für Flüchtlinge und früherer Mitarbeiter der Bonner US-Botschaft. Ich begann seit dieser Zeit, Gesprächskontakte zu pflegen und mir anzugewöhnen, darüber anschließend Notizen anzulegen. Dies half, mich auch nach vielen Jahren an Menschen und die im Gespräch geäußerten Gedanken zu erinnern. 2011 traf ich, beispielsweise, Dick Smyser noch einmal, in Washington D.C. Diesmal diskutierten wir den anschwellenden „Arabischen Frühling“ (Kühnhardt 2022a, S. 517). 1982 ging ich also nach Genf, arbeitete auf Hochtouren, fasziniert von den vielfältigen Forschungsmöglichkeiten und der dortigen internationalen Atmosphäre. Danach begann ich konzentriert zu schreiben. Seit dieser Zeit legte ich mir für das Abfassen eines Buches immer einen detaillierten Arbeitsplan zurecht. Ich versuchte, wenn irgend möglich, zehn Seiten am Tag zu schreiben, hintereinander und möglichst ohne Unterbrechungen, um den roten Faden eines Buches nicht aus dem Auge zu verlieren. Zwischen 1977 und 1982 hatte ich rund 200 journalistische Texte zu entwicklungspolitischen Fragen publiziert. Das Schreiben fiel mir leicht. Die Empathie für die Dritte Welt half. Für die Systematik beim Aufbau meiner Dissertation nahm ich mir enorm viel Zeit und investierte Mühen, die alles übertrafen, was ich bis dahin fast spielerisch leicht zu Papier gebracht hatte.

3.1  Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. …

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Abb. 3.3  Gelungene Integration: Mit meinem Vater im Imbissrestaurant meines aus Vietnam geflohenen Pflegebruders Truc Luong Dinh und seiner Eltern in Ibbenbüren (1995). (© Ludger Kühnhardt)

In Genf hatte ich im Sommer 1982 zunächst an einem Intensivkurs in Französisch an der dortigen Universität teilgenommen. Dann versenkte ich mich in die Archive des Völkerbundes und der UNO, die mit ihrem Menschenrechtsausschuss ebenso ihren Sitz in Genf hat wie der Hohe Kommissar für Flüchtlingsfragen (UNHCR), das Internationale Büro für Migrationsfragen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Überall fand ich wunderbare Unterstützung. Ich genoss die fast feierliche Atmosphäre in der Bibliothek des Palais des Nations mit dem betörend weiten Ausblick über den Genfer See und hinüber zum Mont-Blanc-Massiv. In den Pausen fanden sich interessante internationale Gesprächspartner. Ich freundete mich an mit Francis Ngantcha aus Kamerun, der Diplomat seines Landes wurde, mit Belkassem Gremni aus Marokko, der Rechtsprofessor in Rabat wurde, und Alfred de Zayas, in Kuba geborener und unterdessen amerikanischer Völkerrechtler, der am Zentrum für Menschenrechte der UNO arbeitete. Mir machte es täglich mehr Freude, in Ruhe in die Tiefe der Materie und ihrer komplexen Zusammenhänge einzudringen, die mich in den Flüchtlingslagern in Somalia 1980 und in Südostasien 1981 so aufgewühlt hatte. Die von mir gewählte historische Perspektive erlaubte es mir, auch das Schicksal meines Vaters am Ende des Zweiten Weltkrieges einzuordnen. Ich spürte immer deutlicher: Mir ging es nicht mehr nur um

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3 Weltordnungsfragen

publizistische Bewusstseinsbildung für menschliches Unrecht. Mir ging es um das Verstehen kultursoziologischer Zusammenhänge und um geopolitische Ursachenforschung. Ein Gespräch mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Poul Hartling, ließ mich denkbar unbefriedigend. Er sah keine Möglichkeit für die Weltorganisation, so sagte er mir, jenseits von humanitärer Hilfe wirksame politische Ursachenbekämpfung neuen Unrechts auf der Welt zu betreiben. Hartling verteidigte den humanitären, unpolitischen Charakter der Arbeit seiner Organisation. Mit Yefime Zarjevski und seiner charmanten Frau führte ich in der Genfer Zeit lange Gespräche über die Flüchtlingsthematik. Zarjevski, Sohn russischer Adliger, die in der Oktoberrevolution 1917 zu Flüchtlingen geworden waren, hatte sein Leben nach Studien in Paris in den Dienst der UNO-Flüchtlingsarbeit gestellt. Wir waren uns 1981 begegnet, als er das UNHCR-Büro in Deutschland geleitet hatte. Nun lebte er mit seiner Frau als Pensionär am Rande von Genf und schrieb an einem Buch über seine Erfahrungen (Zarjevski 1985). Bereits vor Beginn meiner Studien in Genf hatte ich zwei wissenschaftliche Experten aufgesucht, um meinen methodischen Zugriff auf das komplexe Thema zu schärfen: Atle Grahl-Madsen, norwegischer Völkerrechtler an der Universität Bergen, Autor eines Standardwerkes zum Weltflüchtlingsrecht (Grahl-Madsen 1966), und Theodor Veiter, Völkerrechtler an der österreichischen Universität Innsbruck und Präsident der internationalen Forschungsgesellschaft für das Weltflüchtlingsproblem. Grahl-Madsen war ein weltläufiger Liberaler, Veiter früher ein umstrittener Deutsch-Nationaler, wie ich erst viel später erfuhr. Er erzählte mir, dass Oswald von Nell-Breuning einer seiner Lehrer im Jesuiteninternat Stella Matutina bei Feldkirch kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges gewesen war. Dass ich Pater von Nell-Breuning kannte, erfreute Veiter natürlich. Mich erstaunte, wie klein die Welt wieder einmal war. Veiter arbeitete an einer größeren Abhandlung zu Nationalitätenkonflikten (Veiter 1984). Mir wurde sogleich bei unserem einzigen Gespräch klar, dass seine Engführung des Flüchtlingsthemas auf die Volksgruppenfrage meinem Ansatz ebenso wenig entsprach wie die strenge völkerrechtliche Begriffssystematik, die Grahl-Madsen mir in Bergen nahebrachte. Später nahm ich Veiters Angebot an, meine Arbeit in der renommierten Reihe „Abhandlungen zu Flüchtlingsfragen“ der Forschungsgesellschaft für das Weltflüchtlingsproblem zu publizieren. Die Gesellschaft hatte beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der UNO und beim Europarat. Dort mit meiner Dissertation zu erscheinen, schien mir Garant wissenschaftlicher Solidität und diplomatischer Seriosität. Im März 1983 legte ich die maschinengeschriebene und fünfmal fotokopierte Arbeit der Philosophischen Fakultät der Bonner Universität vor. Am 13. Juli 1983 absolvierte ich die Doktorprüfung nach der Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Drei mündliche Prüfungen hatte ich zu bestehen: Bei meinem Doktorvater Karl Dietrich Bracher, in Geschichte bei Walther Hubatsch und in Philosophie bei Gerhard Schmidt. Unter dem Rektorat des Germanisten Werner Besch zeichnete Dekan Willi Hirdt, ein Romanist, später die Promotionsurkunde, in lateinischer Sprache versteht sich, mit dem Datum 13. Juli 1983. Nach acht Studiensemestern in den Fächern Geschichte, Philosophie und Politische Wissenschaft hatte ich

3.1  Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. …

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mein Bonner Studium beendet. An der öffentlichen Promotionsfeier Anfang Dezember 1983 konnte ich nicht teilnehmen, da ich mich unterdessen bereits zum Postdoc-Studium in Tokyo aufhielt. Während des Weihnachtsaufenthalts in Europa machte der Dekan eine freundliche Ausnahme und übergab mir die Urkunde am 21. Dezember 1983 in seinen Amtsräumen. Als die Arbeit 1984 im ehrwürdigen, 1783 gegründeten Universitätsverlag Braumüller in Wien gedruckt vorlag, war ich bereits zum nächsten Postdoc-Studium nach Harvard weitergezogen. Mein Vater erhielt von Karl Dietrich Bracher mit Datum 9. Oktober 1984 eine Antwort auf die Übersendung des ersten gedruckten Exemplars: „Ich habe gerne mit dem so begabten Autor zusammengearbeitet und hoffe, dass ihm Harvard zugutekommt wie mir vor 35 Jahren.“ Meine Flüchtlingsstudie war in vier Abschnitte untergliedert. Im Abschnitt A diskutierte ich das anhaltend bedrückende Problem von Gewaltanwendungen in der Politik. Was in der Diplomatiegeschichte als Konflikte zwischen Staaten erörtert wird oder in der Regierungslehre unter Gesichtspunkten von menschenrechtswidrigen politischen Systemen, so argumentierte ich, führt eins ums andere Mal dazu, dass Menschen dazu gezwungen werden, ihre Heimat unfreiwillig zu verlassen. Ich erörterte Herkunft und Definitionsschärfe des Flüchtlingsbegriffs im Völkerrecht allgemein und im humanitären Flüchtlingsvölkerrecht im Besonderen. Die Abgrenzungsversuche, die es ansatzweise seit Anfang des 20. Jahrhunderts gab, waren nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und ihrem Zusatzprotokoll von 1967 verfeinert worden. Noch konnte damals niemand ahnen, dass die Definitionen der Jahre 1951 und 1967 für die Erfassung und Bewältigung des Weltflüchtlingsproblems im 21. Jahrhundert offenkundig nicht mehr ausreichten. Die Verlagerung von Menschenrechtsproblemen und Fluchtursachen in die südliche Hemisphäre, in die Regionen mit postkolonialen Staaten, schuf aber bereits, wie für mich 1982 erkennbar war, neue Flüchtlingsprobleme, der Zahl nach und auch im Blick auf Definitionsschwierigkeiten. Ich bemühte mich um Definitionspräzision von Flucht- und Flüchtlingskategorien. Mir ging es dabei nicht nur um völker- und asylrechtliche, sondern auch um soziologische und politikwissenschaftliche Sichtweisen (Kühnhardt 1984a, S. 9–26). Im ausführlichen Abschnitt B holte ich historisch und geografisch weit aus. Ich blickte zurück in die antike und neuzeitliche Geschichte. Ich bezeichnete das 20. Jahrhundert als das Jahrhundert der Flüchtlinge. Im Einzelnen präsentierte ich die Bevölkerungsausmischungen auf dem Balkan, die Folgen der russischen Oktoberrevolution und der nachfolgenden Wirren, die Fluchtbewegungen aus den Diktaturstaaten Deutschland, Spanien und Italien in den 1930er-Jahren und schließlich, natürlich, die übergroße Welle des Leids von Flucht, Deportation und Vertreibung im Zweiten Weltkrieg und während der unmittelbaren Nachkriegszeit. Ich spannte den Bogen weiter von der Potsdamer Konferenz der Siegermächte über das Deutsche Reich 1945 bis zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Helsinki (KSZE) 1975. Von Flucht und Fluchtverhinderung in Osteuropa berichtete ich und von den Ausmischungsprozessen zwischen der griechischen und der türkischen Volksgruppe auf Zypern. Die Flüchtlingsprobleme des Nahen Ostens stellte ich sodann als paradigmatisch dar, weil

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3 Weltordnungsfragen

ein Flüchtlingsschicksal, das der Juden, durch ein neues, das der Palästinenser, ersetzt worden war, ohne dass sich auch nach Jahrzehnten eine Lösung abzeichnete. Ich sprach von der „Palästinisierung“ eines Flüchtlingsproblems, ein Phänomen, das sich seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges 2011 auf bedrückende Weise für viele Millionen Syrer wiederholt hat. Anschließend gab ich einen mit vielen Details versehenen Überblick über Ursachen, Zahlen und Daten sowie Folgen von Massenzwangsbewegungen in Asien: China, Korea, der indische Subkontinent, Indochina, Tibet, Indonesien, Afghanistan, Iran und Irak, die Kurdenproblematik, die Philippinen und Burma wurden abgehandelt. Es folgte ein ähnlich detailgesättigter Überblick über Flucht und Vertreibung in Afrika mit Unterscheidungen zwischen der Zeit der Unabhängigkeitskriege, den Problemen in anhaltend von weißen Minderheiten regierten Staaten und der Fluchtbewegungen aus unabhängigen afrikanischen Staaten. Schließlich stellte ich die neuen Fluchtwellen auf dem amerikanischen Kontinent vor: aus Haiti, Kuba und Mittelamerika. Ich hatte einen großen geschichtswissenschaftlich und zeitgeschichtlich fundierten Bogen gespannt (Kühnhardt 1984a, S. 27–148). In Abschnitt C setzte der politikwissenschaftlich-analytische Teil meiner Studie ein. Ich präsentierte abgewogen die wissenschaftlichen Argumente für ein Recht auf Heimat und ein Recht auf Flucht. Darauf aufbauend entwickelte ich eine Typologie von Fluchtursachen in der Zeitgeschichte anknüpfend an die wissenschaftlichen Theorien von Pull- und Push-Faktoren. Ich erläuterte insgesamt 25 Ursachenbündel für Fluchtbewegungen: Internationale Kriege, Unabhängigkeitskriege und Staatsgründungen, Annexionen und Irredentismus, Sezessionen, Teilungen eines Landes, revolutionäre Machtergreifung und der Aufbau totalitärer Herrschaft, totalitäre Herrschaftssysteme, Guerillaaktivitäten und Terrorismus, die Eskalation von sozialer Ungerechtigkeit und wachsenden Guerilla-Aktivitäten in einen offenen Bürgerkrieg, der Zusammenbruch von Demokratien mit Putsch und Gegenputsch, Aufstandsbewegungen gegen Diktaturen, Staatsterror, Völkermord und die Ausrottung von Volkssplittern, Zwangsumsiedlungen, Zwangsaussiedlungen, Bevölkerungsaustausch, interne nationale oder ethnische Konflikte, Minderheitendiskriminierung und Minderheitenverfolgung, institutionalisierte Diskriminierung von Minderheiten, Konflikte unter den nationalen Eliten, Menschenrechtsverletzungen, Verweigerung von Einreise oder Ausbürgerung, politisch-ökonomische Mischgründe, Naturkatastrophen, psychologische Faktoren. Die Liste war lang, Beispiele fanden sich in aller Welt und zu den unterschiedlichsten Zeiten. Besondere Beachtung wünschte ich für die nachfolgende Typologie, mit der ich Flüchtlingsgruppen im Blick auf die politischen Konsequenzen unterschied: Ich sprach von geschlagenen, abwartenden und kämpfenden Flüchtlingen. Ich hatte eine Forschungsagenda angerissen, an der sich ganze Institute und Wissenschaftlergenerationen würden abarbeiten können (Kühnhardt 1984a, S. 149–185). Als sich die „Flüchtlingskrise“

3.1  Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. …

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2015 für Europa zuspitzte, erinnerte ich an meine Typologie. Geflüchtete wie mein vietnamesischer Pflegebruder Truc, für die in ihrem Heimatland der Kampf gegen ein gewaltsam etabliertes Regime verloren war, waren im fremden Europa ebenso leicht zu integrieren wie deutsche Flüchtlinge nach Hitlers Totalniederlage in einem anderen Teil des eigenen Landes. Geflüchtete indessen, die aus einem Land kommen, in dem die Macht- und Gewaltfrage noch nicht endgültig gelöst ist, bleiben zumeist im psychologischen Modus von Kampf und Krieg, was ihre Eingliederung in eine für sie fremde Gesellschaft sehr grundsätzlich erschwert oder gar zur Integrationsverweigerung führen kann, argumentierte ich. Ich zeigte nach 2015 allerstärkste Zurückhaltung gegenüber der zudem auch noch vergleichsweise unkontrollierten unilateralen deutschen Offenhaltung der Grenzen für Menschen aus einem anhaltenden Bürgerkrieg in einem fremden Kulturkreis. Jetzt aber erlebte ich, dass vor allem in Deutschland keine Begeisterung für Differenzierung in der Beurteilung von Geflüchteten und den Folgen einer Grenzöffnung für sie bestand. Einstweilen dominierte naiver Willkommenstaumel die Stimmung. Mir war aufgrund meiner langjährigen Forschungen klar, dass diese Stimmung alsbald umschlagen musste, so sehr die Regierung auch die Lage beschönigte. Im eher knapp gehaltenen Abschnitt D meiner Flüchtlingsstudie reflektierte ich über die Stellung des Individuums im Völkerrecht und versuchte mich an der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen, damit Massenzwangsbewegungen fortan vermieden oder jedenfalls minimiert werden könnten (Kühnhardt 1984a, S. 187–200). Ein ausführlicher Anmerkungsapparat und ein ebenfalls umfangreiches Literaturverzeichnis rundeten die Studie ab. In seinem Dissertationsgutachten vom 3. Juni 1983 formulierte Karl Dietrich Bracher sehr freundlich, wenngleich nicht ohne kritische Nuancen: „Der begabte und fleißige Verf. hat sich viel vorgenommen.“ Anzuerkennen sei die „intelligente Zusammenstellung und kritische Auswertung der Literatur … Es zeigt sich hier die erfreulich vielseitige Bildung und Interessenrichtung des jungen Autors, freilich auch seine journalistische Ader, die nicht alles ausreifen läßt, was in der Arbeit angelegt ist“. Allerdings „ist doch voll anzuerkennen, dass hier nach vielen Spezialarbeiten der Versuch einer niveauvollen Gesamtdarstellung gewagt wird, die endlich einmal den historisch-politischen und moralischen Zusammenhang des Flüchtlings- und Vertreibungsphänomens verdeutlicht“. Im Ergebnis „bildet dieser Versuch einen Markstein in der heute notwendigen globalen Betrachtung des so alten wie aktuellen Phänomens“ und sei eine „große Leistung“.

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3 Weltordnungsfragen

Abb. 3.4   Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik (1984). (© Braumüller Universitätsverlag)

Zu meiner freudigen Überraschung setzte mit gebührendem Abstand zum Erscheinen des Buches eine beachtliche Rezeption der Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik ein. Den Auftakt machte David J. Wessels, ein amerikanischer Jesuit, mit dem ich an der Sophia Universität Tokyo ins Gespräch gekommen war. Er zitierte meine Studie mehrfach in einem in Japan erschienenen englischsprachigen Research Paper (Wessels 1984, passim). Die Zeitschrift „Flüchtlinge“ erwähnte im September 1984 die „umfassende und in dieser Form im deutschen Sprachraum erstmalige Arbeit.“ Im „AWR Bulletin. Vierteljahresschrift für Flüchtlingsfragen“ (3/1985) wurde konstatiert, die Arbeit sei „zu Recht als hochqualifiziert bewertet“ worden. Die Zeitschrift „Refugee Abstracts“ (2/1985) lobte die globale Ausrichtung meiner Studie, wodurch erstmals der weltweite Charakter des Flüchtlingsproblems dargestellt worden sei. Immerhin hatte es bisher über 250 Mio. Flüchtlinge

3.1  Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. …

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im Verlauf des 20. Jahrhunderts gegeben, ohne dass in der Wissenschaft ein globaler Überblick erarbeitet worden war. Hans Kreuzberg, Richter am Verwaltungsgericht Köln, erinnerte in der „Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik“ vom Juli 1985 an die Denkfiguren von Karl Dietrich Bracher zum Themenkomplex Geschichte, Gewalt und Ideologiebildung, in der ich das Flüchtlingsthema erstmalig verortet hatte. Trotz gewisser unklarer Abgrenzungsfragen „dürften die zusammengefaßten und vielfach belegten Daten zu Entstehung und Ausmaß von Massenzwangswanderungen in Geschichte und Gegenwart auch für den mit der Anwendung des Asylrechts in der Bundesrepublik Befaßten von Nutzen sein“. Kreuzberg griff das „Problem der Anerkennung von sehr kontingenten Asylantragsstellern aus aller Welt“ auf und bekräftigte meine Analyse über kämpfende Flüchtlinge und die damit verbundende „Perpetuierung des aufgetretenen Problems und der Installierung einer Zeitbombe“. Weitere „Palästinisierungen“ seien wohl kaum zu verhindern angesichts der bisher geltenden Asylrechtskonstruktionen, die nur drei Wege ermögliche: Repatriierung, Integration im Erstaufnahmeland in einer heimatnahen Region oder Übersiedlung in ein Drittland. Meine Arbeit weise zu Recht auf die Bedeutung einer neuen Sicht auf das Thema und seine Ursachen hin: „Notwendig sei die Prävention in Form der Vermeidung einer Politik, die als Folge eine Fluchtbewegung hervorrufen könnte“ zitierte er zustimmend meine Schlussfolgerung (Kreuzberg 1985, S. 145). An diesem meinem Petitum hat sich seither nichts geändert, im Gegenteil. Der Nestor der katholischen Soziallehre, Pater Oswald von Nell- Breuning, erteilte mir in den „Stimmen der Zeit“ vom November 1985 einen Ritterschlag: „Mit heißen Herzen, aber ebenso nüchterner Besonnenheit“ habe ich der Flüchtlingsfrage „mit vollen Recht den Rang eines Weltordnungsproblems zuerkannt“. Meine Studie biete den „für jede erfolgversprechende Maßnahme unentbehrlichen weltweiten Überblick über den tatsächlichen Befund“. Es gehe der Studie um ein „in hochpolitischem weltweitem Zusammenhang stehendes Geschehen, um eine gegen unvorstellbar viele Menschen ausgeübte Zwangsgewalt, um den typischen Ausdruck einer Welt, in der mehr die rohe Gewalt herrscht als die Achtung des Rechts oder gar des gegenseitigen Wohlwollens der Menschen füreinander“. Von Nell-Breuning lobte, ich wolle die Befunde „nicht nur beschreiben, auch nicht nur erklären. Er möchte soweit möglich, auch dazu beitragen, eine Wende zum Besseren herbeizuführen“. Die Probleme, die sich aus der Idee eines Rechts auf Heimat ergeben können, würden indessen „befremdlich kurz“ abgehandelt. Hilfreich sei die vorgeschlagene Differenzierung zwischen geschlagenen, abwartenden und kämpfenden Flüchtlingen: „Es geht ihm darum, gegenüber dem Souveränitätsanspruch des sich geradezu Gottgleichheit anmaßenden Staates dem Menschen, und zwar jedem einzelnen, die ihm eigene Menschenwürde zu wahren (Nell-Breuning 1985, S. 789 f.).“ Es tröpfelte weiter in der Wissenschaft. Marion Frantzioch attestierte mir „einen Beitrag zur Vereinheitlichung der Terminologie zum Weltflüchtlingsproblem“. Die Aufbereitung von 25 Fluchtursachen, die Typologie abwartender, geschlagener und kämpfender Flüchtlinge sowie meine Folgenanalysen seien besonders ­wertvolle Elemente

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„der sehr sorgfältig angelegten Untersuchung“ (Frantzioch 1987, S. 332). Sogar in der DDR wurde man aufmerksam. In einem Beitrag zum Internationalen Johannes Lepsius Symposium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dessen wissenschaftliche Erträge 1987 publiziert wurden, zitierte Thomas Kleinknecht in einer Forschungsarbeit über Armenien meine Befunde (Kleinknecht 1987, S. 333 ff.). Im Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, Band 7 (1986), und sogar in der 19. Auflage des Brockhaus (1988) wurde Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem unter der Rubrik „grundlegende Literatur zum Thema“ zitiert. Wissenschaftler wie Peter J. Opitz (Opitz 1988, passim), der meinen Begriff „Weltflüchtlingsproblem“ übernahm, Johannes Müller (Müller 1992, passim) und Roland Richter (Richter 1992, passim) erwähnten die Studie. Karl Dietrich Bracher erinnerte 1992 in seinem Buch „Wendezeiten der Geschichte“ an mein Wort vom „Jahrhundert der Flüchtlinge“ und regte mich mit seinem Aufsatz über „Das Janusgesicht der modernen Revolutionen“ an, den Revolutionsbegriff genauer zu studieren (Bracher 1992, S. 45). Die Weichen wurden gestellt für meine Studie „Revolutionszeiten“, die 1994 erscheinen sollte (Kühnhardt 1994). Ich selber versuchte, über die enge wissenschaftliche Rezeption Beiträge zu leisten, um meine Forschungsergebnisse öffentlichwirksam werden zu lassen. Den Auftakt machte am 28. Februar 1984 ein ganzseitiger Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unter der warnenden Überschrift „Flüchtlingslager sind schwelende Zündsätze der Weltpolitik“ (Kühnhardt 1984, S. 9). Die Unterüberschrift war ein eindeutiger Weckruf: „Drohen weitere ‚Palästinisierungen‘?/Flucht und Vertreibung als politisches Ordnungsproblem“. Am 4. September 1986 sprach ich auf Französisch auf dem 36. Internationalen Kongress der „Association for the Study of the World Refugee Problem“ (AWR) im Gebäude des Europarates in Straßburg, unmittelbar nach einer Ansprache von Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein. Im Haus der Evangelischen Kirche Bonn (9. Juli 1986), in der Karl-Arnold-Bildungsstätte Bonn (14. März 1986) und in der Landeszentrale für Politische Bildung Saarbrücken (27. April 1991) kam ich zu Wort. Soweit erkennbar, gewannen meine Erkenntnisse nirgendwo praktische politische Relevanz. Das hinderte mich nicht, beispielsweise 2003 die Frage aufzugreifen, welche Bedeutung das Flüchtlingsthema für die Erinnerungskultur haben könnte (Kühnhardt 2003a, 2003b, S. 42 ff., 2003c, S. 227–233). Es mussten über 30 Jahre vergehen und das Weltordnungsproblem Flüchtlinge die saturierte deutsche Gesellschaft erschüttern, ehe meine Studie von 1984 wieder ausgegraben wurde. Längst hatte ich alle Illusionen über die Wirksamkeit langfristig angelegter Politikberatung verloren. Politisch Handelnde agieren gewöhnlicherweise erst dann, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, dessen Sturzwelle sie möglicherweise selber mitverursacht haben. 2015 war es in Deutschland so weit. Plötzlich sprachen alle von der „Flüchtlingskrise“. Faktisch war diese Situation nichts anderes als der Import eines Weltordnungsproblems ins biedermeierliche Europa. Ich sah mich bestätigt in meinen Vorhersagen vor drei Jahrzehnten. Schlimmer noch: Schlepperbanden bestimmten darüber, wer nach Europa kam. Das war Darwinismus pur: Der Stärkste

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setzte sich durch. Es besorgte mich zutiefst, dass noch immer nicht nach den Ursachen gefragt wurde. Unteilbare Menschenwürde muss von denen her denken, die sich keinen Schlepper leisten können. Hilfe vor Ort wäre weit wirkungsvoller und humaner gewesen, vor allem in Verbindung mit ökonomischen Aufbauaktivitäten. Nicht einmal Kontingent-Aufnahmen aus Flüchtlingslagern wie nach 1980 aus Südostasien wurden nach 2015 diskutiert. Statt Friedenskonzepte für Syrien, Afghanistan und Libyen zu entwickeln und statt die EU mit militärpolitischer Souveränität zu stärken, wurden Instabilität und vielfältige Spannungen immer offensichtlicher nach Europa importiert, vor allem nach Deutschland. Ich verzweifelte immer mehr an den Akteuren und dem Land, dem ich so viel zu danken und dem ich bisher gerne gedient hatte. Der deutschen Regierung war die Angst vor falschen Bildern offenbar wichtiger als die Angst vor den Wirklichkeiten. Wenig tröstlich war es, in dieser Zeit Gespräche mit dem Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz zu führen, der neugierig auf meine frühen Forschungen war. Wir tauschten uns intensiv aus über sein entstehendes Buch, das das letzte aus seiner spitzen Feder werden sollte: Die neue Völkerwanderung nach Europa. Über den Verlust politischer Kontrolle und moralischer Gewissheiten (Schwarz 2017). Am 23. Februar 2017, wenige Monate vor seinem Tod, schrieb Schwarz mir: „Sie haben im vergangenen Herbst dazu beigetragen, dass zwei wichtige Akzente jetzt nachdrücklicher ins Blickfeld gerückt sind. Da ist zuerst die Rückbindung an die Flüchtlings-, Umsiedlungs- und Vertreibungsthematik im 20. Jahrhundert seit 1914 mit den gleitenden Übergängen bis in die frühen achtziger Jahre, als Sie die Thematik erstmals umfassend, mit historischer Tiefenschärfe behandelt haben. Man versteht das letztlich überzogene europäische Flüchtlingsrecht nur auf dem Hintergrund dieser Katastrophen. In diesem Kontext war auch Ihr Verweis aus dem Jahr 1983 auf die Flüchtlingslager als ‚schwelende Zündsätze der Weltpolitik‘ ein Augenöffner. Genauso hilfreich war Ihr Hinweis auf die Erosion der europäischen Parteiensysteme als Folge der Flüchtlingskrise. Deshalb habe ich das Kap. 5 (‚Worauf wir uns einstellen sollten‘) mit einem Unterkapitel ‚Parteiensysteme unter Stress‘ abgeschlossen. These: Die europafreundlichen Parteien sind in Gefahr, die Unterstützung für die EU in den Mitgliedsstaaten einbrechen zu lassen, weil sie die in Schönwetterzeiten fehlkonzipierte Grenz- und Asylpolitik unter veränderten weltpolitischen Bedingungen nicht rechtzeitig reformieren und die kritischen Themen den buntscheckigen Populisten überlassen, die damit die ganze EU zum Einsturz bringen möchten. Zwar bin ich noch immer zuversichtlich, dass die EU-treuen Parteien 2017 weiter mehrheitsfähig bleiben werden. Doch auf lange Sicht wird die EU diskreditiert, wenn sie die Flüchtlingspolitik nicht umbaut, denn der Migrationsdruck aus den kulturell doch schwer integrierbaren Gesellschaften in Nahost und Afrika wird jahrzehntelang anhalten und eher stärker werden. Man wird zwangsläufig stärker auf Abwehr schalten und die Hilfe für Bedrohte anders organisieren müssen. Dabei müsste auch die Tatsache wiederentdeckt werden, dass Grenzen auch eine Schutzfunktion haben und eine Vorbedingung sind für die komplizierten Ordnungssysteme demokratischer Verfassungsstaaten.“ Ich konnte nur zustimmen.

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Am 1. März 2017 folgte ein zweiter Brief von Hans-Peter Schwarz, indem er auf meine positive Reaktion auf sein Buchmanuskript einging: „Etwas gespenstisch ist es schon, wie Ihre Sachstandsbeschreibungen und Analysen aus den längst versunkenen frühen Achtzigern nach dreißig Jahren urplötzlich brennend aktuell werden. Ihre Mail vom 1. März wird den Anfang machen, ein gutes Omen! Ich werde mir nun einen Leitz-Ordner für alle Rezensionen und Reaktionen auf das Buch anlegen. Meine gegenwärtigen Erwartungen sind jedoch eher die Adenauers, der Anfang der fünfziger Jahre einmal zu dem damaligen ‚Zeit‘-Journalisten Schröder sagte: ‚Wenn ich einmal nicht mehr Bundeskanzler bin, wird man ganze Eimer voller schmutzigen Wassers über mir ausgießen.‘ Zum Bundeskanzler hätte ich mich nie geeignet, als Zielscheibe für solche Wassergüsse schon eher. Doch dann werde ich mich an Ihre Mail halten und denken: gescheite, weltenbummlerisch-kundige und sympathische Leute sehen das aber ganz anders. Zu den vielen guten Sätzen in Ihrer Mail gehört auch die Feststellung: ‚Vermurkste Politik‘. Das trifft’s und wäre auch ein guter Untertitel gewesen.“ Einige Wochen später lag sein messerscharfer Essay Die neue Völkerwanderung auf meinem Schreibtisch. Dort konnte ich lesen: „Nur relativ selten rückten Wissenschaftler mit weitem Horizont diese aktuellen, bedrückenden Vorgänge in einen umfassenden geschichtlichen und theoretischen Rahmen. Einer von ihnen war Ludger Kühnhardt, der 1984 die Monographie Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik veröffentlichte (Schwarz 2017, S. 23).“ Schwarz würdigte, dass mit der „empirisch fundierten Untersuchung“ an eine der „großen, furchtbarsten und zugleich am schwersten zu bewältigenden Katastrophen und Aufgaben seit dem Ersten Weltkrieg“ erinnert worden war, „eines der großen Themen der Universalgeschichte“. „Flüchtlingsforscher“ Kühnhardt habe auf das Verhalten von Flüchtlingen hingewiesen: „Jeder von ihnen hat eine ganz individuelle Geschichte, jeder bringt seine Hoffnungen, Überzeugungen, auch seine Vorurteile, seine Enttäuschungen und seinen Haß ins Gastland. … Es gibt auch jene Engagierten, die in den Gastländern ihre politischen, ethnischen oder religiösen Auseinandersetzungen untereinander fortführen und weiterhin versuchen, auf die Entwicklungen in ihren Heimatländern Einfluß zu nehmen.“ Manche würden ihre politischen Machtspiele auf dem Rücken von Geflüchteten betreiben. Unter Verweis auf meinen Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von 1984 bilanzierte Schwarz bitter: „Schon damals hätte es Grund gegeben, eine Völkerwanderung zu befürchten (Schwarz 2017, S. 26).“ Der Staatsrechtslehrer Josef Isensee sah dies so ähnlich. In einer 2018 veröffentlichten Studie erinnerte auch er an meine Studie von 1984 (Isensee 2018, S. 93). Nach 2015 dominierten Polemik und politische Korrektheiten die deutsche Öffentlichkeit. Ich wollte differenzieren. Daher griff ich das Thema Weltflüchtlingsfrage erneut, aber mit äußerster Vorsicht angesichts des Zeitgeistes politischer Korrektheit, auf, aber verzichtete ansonsten bewusst darauf, mich an den unterdessen extrem ritualisierten öffentlichen Debatten zu beteiligen. Vor der Katholischen Studentenverbindung Unitas Bonn trug ich am 13. Dezember 2015 zehn Thesen vor. Ich stellte die Menschenwürde einerseits und das offenkundige Staatsversagen andererseits an den Anfang

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meiner Überlegungen: „Die Würde des Menschen – verlieren kann sie eigentlich nur der, der ihr nicht gerecht wird, der sie anderen wegnehmen will und dabei im Grunde am meisten sich selbst entehrt … Im Kern erleben wir das größte Versagen der europäischen Nationalstaaten seit 1914. Eigentlich ist der allseits akzeptierte Kompass eindeutig: Die Würde des Menschen. Aber die Strömungen des Daseins, die unter unserer eigenen Existenz urplötzlich aufgebrochen sind, sind mehrdimensional und erfordern ein komplexeres Denken. Wenn wir wollen, dass die Würde aller Menschen nicht aus dem Blick des Kompasses geraten soll, der unserem Lebensschiff Richtung gibt, und wenn wir wünschen, dass aus vielfältigem und vielseitigem nationalem Versagen doch noch europäische Antworten erwachsen, müssen die Strömungen des Daseins als Ganzes in den Blick genommen werden (Kühnhardt 2020, S. 353–367).“ Dann ordnete ich das alt-neue Weltflüchtlingsproblem in zehn Stichworten. Ich gebe den Vortrag auszugsweise wieder: „1. Die Ursachenanalyse globalisieren: Das Thema ist global. Wenn politische Gipfeltreffen überhaupt einen Sinn machen, was man bezweifeln kann, so benötigen wir gewiss einen Weltmigrationsgipfel, so wie wir Weltklimagipfel haben. 2. Einen neuen Begriff von Entwicklung fördern: Europa muss auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit einem enormen Migrationsdruck rechnen und dies nicht einmal zu allererst aus den offensichtlichen aktuellen Krisenregionen heraus … Es wird nicht reichen, mit ein wenig mehr Ressourcentransfer und klassischen Entwicklungsprojekten die Gesellschaften, die auf gutem Wege sind, zu stabilisieren und die Gesellschaften, die auf der Kippe zum failed state stehen, vom Abgrund zu reißen. Es geht um die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und privaten Investitionen in Arbeitsplätze in verarbeitenden Sektoren der Wirtschaft. Was in der industrialisierten Welt funktioniert hat, wird auf angepasste Weise letztlich auch die innere Kohäsion einer jeden Gesellschaft im globalen Süden eher stabilisieren als eine technokratische Entwicklungspolitik, die auf externen Ressourcenzufluss in die öffentlichen Kassen von ‚Partnerländern‘ setzt. 3. Den Marshall-Plan neu denken: Die EU muss ihre paternalistische, bürokratische und viel zu kurz greifende Entwicklungshilfepolitik ersetzen durch einen wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Kooperationsansatz, der den Rahmen dafür schafft, dass private Investitionen in verarbeitendes Gewerbe vorgenommen werden, dass Berufsausbildung und nachhaltige Arbeitsplätze mit menschenwürdigen Löhnen durch private Initiative geschaffen werden, dass Infrastrukturförderung, Technologietransfer und gegebenenfalls eine viel stärkere Auslagerung von Produktionsstätten, einschließlich im Bereich der Nahrungsproduktion und der Verarbeitung von Agrarprodukten, in die aufstrebenden Länder stattfinden. Zusammengehalten werden muss ein solcher Neustart für die Modernisierung in den Ländern des Südens durch rechtsstaatliche Strukturen, die dem Schutz der Menschenwürde Rahmen und Sicherung geben. Daneben aber stabilisieren nur Jobs und Infrastruktur den Weg eines jeden Landes zu einer Mittelstandsgesellschaft. Klassische Entwicklungshilfe ist im Grunde nur noch als eine Art Weltsozialhilfe, als Hartz IV auf Weltebene sinnvoll. 4. Auswärtige Innenpolitik erfinden: Zu einer weitsichtigen Ordnungspolitik gehören Rechtssicherheit und Eigentumsschutz und mithin auch Grundrechte und die freie Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit als universelles Menschenrecht. Dazu gehören funktionierende Polizeisysteme und Grenzsicherungseinrichtungen, dazu gehören menschenwürdige Verhältnisse in Gefängnissen und ein zivilisierter Umgang mit Regimekritikern. Nur wenn die EU und auch die deutsche Politik konsequent so etwas wie auswärtige Innen- und Rechtspolitik erfinden und entwickeln, ist zum Beispiel die Idee

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realistisch, dass in afrikanischen oder nahöstlichen Ländern Aufnahmelager für migrationswillige oder asylsuchende Menschen errichtet werden können, die von diesen Menschen auch akzeptiert werden. 5. Die neuartige Form des Krieges erfassen und bekämpfen: Vielerorts findet ein Kampf statt um die Überwindung von Strukturen, die bei der Modernisierung nicht erfolgreich waren; gleichzeitig wird um Formen der Identität gerungen, bei der die Anwendung von Gewalt wieder zu einem angeblich legitimen Mittel der Politik geworden ist. Hinzu kommt der neue Totalitarismus von ISIS und anderen Terrormilizen mit ihren Sympathisanten auch in Europa … Um dazu beizutragen, in den derzeitigen Kriegszonen wieder Frieden und Stabilität herzustellen – wo immer dies überhaupt von außen möglich ist – kann es sinnvollerweise eigentlich nur europäische Ansätze geben. In Wien sitzt die EU immerhin mit am Tisch bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung für Syrien. Manche in Europa hoffen auf eine Art OSZE für den Nahen Osten. Aber für eine Europäische Armee fehlen offenbar noch immer die Anreize. Sie ist heute angesichts diverser Vorbehalte kreuz und quer durch die EU unwahrscheinlicher denn je. Die Herstellung einer ‚no fly- Zone‘ in Syrien, wenn nötig in Kooperation mit Russland, um sichere Gebiete in Syrien für Syrer herzustellen, wäre das Mindeste, was von der EU und auch der deutschen Politik schon längst hätte erwartet werden können … Selbst von einem Europäischen Geheimdienst und einem robusten Europäischen Grenzschutz, inklusive einer resoluten Europäischen Küstenwache, sind wir meilenweit entfernt. Wenn sich das strategische Denken der wichtigen europäischen Partnerstaaten doch aufeinander zu bewegen würde – auch das wäre ein Beitrag zur Stärkung der Würde des Menschen. 6. Vertrauen in die EU-Grenzen wiederherstellen: Wer den Sinn von Grenzen für die Freiheit nicht versteht, dem macht es am Ende wenig aus, dass mehr oder minder alle einschlägigen europäischen Rechtsregeln unterdessen suspendiert wurden – von den einen, weil sie überfordert waren, von den anderen, weil sie sich weggeduckt haben, von dritten, weil sie die Grenzidee ernst nahmen, aber selbst von anderen nicht ernst genommen wurden, und schließlich von Deutschland, weil an der Spitze unserer Regierung offenbar der Sinn dafür verloren gegangen ist, dass nur derjenige auf Dauer hilfsbereit ist, der sich auch sicher fühlt. Zugleich rächt sich jetzt die viel zu langsam vorangehende Integration aller Balkanstaaten in die EU, wodurch das EU-Grenzregime im labilen Südosteuropa zerstückelt geblieben ist … Solange die Organisation der Schlepperbanden und ihrer Finanzströme mithilfe der Behörden in den Herkunftsländern der geschmuggelten Menschen und unter den Helfern der Schmuggler in der EU (einschließlich in den Flüchtlingslagern) nicht konsequent bekämpft wird und zugleich die europäischen Außengrenzen hermetisch kontrolliert werden, werden alle Maßnahmen noch hilfloser bleiben als die jahrzehntelange Bekämpfung des Rauschgifthandels … Humanitäre Organisationen, die Menschenleben im Mittelmeer retten, müssen sich mit der ganzen Widersprüchlichkeit ihres Tuns ehrlicher auseinandersetzen … Die EU muss bereit sein, in geregelter Form unter Umgehung von Schlepperbooten und Grenzdramen eine erhebliche Zahl der in der Türkei, in Jordanien und dem Libanon lebenden syrischen Flüchtlinge nach vorab vereinbarten Kontingenten in die EU aufzunehmen, zugleich aber auch mehr für einen verbesserten Lebensunterhalt der verbleibenden Flüchtlinge in den Ländern um Syrien herum auszugeben. Das Drama 2015 wird sich sonst auch 2016 wiederholen. 7. Verfolgte im Rahmen des Möglichen aufnehmen und menschenwürdig behandeln: Als Träger des Friedensnobelpreises sollte Europa weiterhin stolz darauf sein, dass Menschen in der EU Schutz, Frieden und Freiheit suchen. Diese Hoffnung nicht zu enttäuschen, kann aber nur gelingen, wenn Hilfswilligkeit und die Fähigkeit, Schutz und Zukunftschancen auch nachhaltig zu gewähren, in einem funktionierenden Verhältnis zueinanderstehen. Wenn die Registrierung derer, die Europa betreten, wieder lückenlos wird. Und wenn keinerlei Naivität besteht hinsichtlich der möglichen Infiltration

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von Menschen mit zwielichtiger Absicht im Schatten der eigentlich Verfolgten. Ohne ein verbessertes gemeinsames europäisches Asylsystem wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein. Dazu gehört – was völkerrechtlich und europarechtlich schon längst erlaubt ist – zu unterscheiden zwischen dauerhaft gewährtem Asyl mit der Perspektive einer Einbürgerung und zeitlich befristetem humanitärem Schutzasyl mit der Perspektive einer konsequenten Rückkehr in die Heimat, nachdem dort wieder Frieden und Verfolgungsfreiheit etabliert werden können … Solange das Pferd vom falschen Ende aufgezäumt wird, wird es keine EUSolidarität geben, so wie die deutsche Regierung sich das vorstellt. Es ist übrigens die gleiche Regierung, die jetzt darüber jammert, von anderen im Stich gelassen zu werden, die noch vor wenigen Jahren mit anderen zusammen Malta gescholten hat: Dort solle man sich nicht so anstellen und die wenigen Tausend Flüchtlinge korrekt unterbringen, die im Verhältnis zur dortigen Einwohnerzahl so viele Menschen waren als würden 1,5 Mio. Flüchtlinge in Deutschland auftauchen  …  Was wäre falsch daran gewesen, nach einem humanitären Willkommenswochenende, das übrigens auf Bitten des vielgescholtenen ungarischen Ministerpräsidenten durchgeführt wurde, die deutschen Grenzen wieder zu schließen und Auffanglager in, an oder vor der deutschen Grenze zur korrekten Registrierung der Ankommenden einzurichten? Moralische Abrüstung in den deutschen Diskussionen würde der Würde des Menschen dienen, denn eine solche Würde haben auch alle anderen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger. 8. Die legale Einwanderung neu ordnen: Kein EU Mitgliedsland kann gezwungen werden, Migranten aufzunehmen. Wer aber von Migration zum beiderseitigen Wohl profitieren will, muss legale Migration nach klaren Kriterien organisieren. Dazu bedarf es systematischer Mechanismen der Auswahl von Migranten. Die EU-Delegationen, die unterdessen weltweit existieren und die Europäische Union als Ganzes repräsentieren, sollten dazu ausgebaut werden, die erste Phase des Einwanderungsmanagements vor Ort außerhalb von Europa zu übernehmen. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass eigenständige Migrationszentren korruptionsfrei und sachgerecht mit dem Thema umgehen würden; entsprechende Versuche in Mali sind bereits gescheitert, ohne dass sich die EU bisher darüber ehrlich und öffentlich Auskunft gegeben hätte … Solange Menschen nur nach Europa eingelassen werden, wenn sie sich als Flüchtling deklarieren, bleibt die Vermischung von Asylsuchenden und Wirtschaftsflüchtlingen ein unergiebiges und abschreckendes Streitthema in Europa. Es ist leider die reine Wahrheit, dass erst diese restriktive Grundlinie – nach Europa kommt nur herein, wer sich als Flüchtling deklariert – das Geschäftsmodell der Schlepper hat entstehen lassen. In der DDR gab es Fluchthelfer für die Ausreise, weil niemand auf andere Weise ausreisen konnte. Heute gibt es Fluchthelfer für die Einreise, weil kaum jemand auf andere Weise legal einreisen kann. Einige der endlos diskutierten falschen Anreize wurden unterdessen in Deutschland beseitigt. Aber die Umstellung von Geldleistungen auf Sachleistungen, beschleunigte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und Registrierungszonen, wie immer sie auch genannt werden, reichen allein nur begrenzt. 9. Ein Einwanderungs- und ein Integrationsgesetz verabschieden: Deutschland muss sich von der Illusion lösen, dass in großer Zahl aufgenommene Flüchtlinge Ersatz für eine aktive Migrationspolitik sind. Flüchtlinge sind eben häufig gerade nicht auf die Anforderungen der Einwanderungsgesellschaft vorbereitet. Vielen von ihnen fehlen die schulischen und sprachlichen Voraussetzungen. Vorschnell auf die Integrationsperspektive in Deutschland zu setzen, ist kurzsichtig und schadet Ländern wie Syrien ein zweites Mal: Denn wer, wenn nicht die heutigen Flüchtlinge, wird nach Ende des Bürgerkrieges Syrien wiederaufbauen müssen? Von denen, die in Deutschland aber vorschnell eine Integrationsperspektive erhalten, werden nur die allerwenigsten wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen. Der Sozialstaat wirkt als Anreiz, ob gewollt oder ungewollt. Ein möglicherweise noch dramatischerer Aspekt wird in Deutschland konsequent tabuisiert:

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Flüchtlinge aus Gebieten, in denen der Krieg anhält, – das zeigt die Gegenwart nicht weniger wie viele Beispiele aus der Geschichte von Flucht und Vertreibung – sind häufig geneigt, sich nicht geschlagen zu geben, sondern weiterhin an die Veränderung ihrer Heimat zu denken und sich dafür einzusetzen, um es sehr wohlmeinend und neutral zu sagen. Solange die Macht- und Gewaltfrage in der Heimat von Flüchtlingen nicht geklärt ist, bleiben diese psychologisch im Modus des Kampfes verfangen – weit über persönliche Traumata hinaus. Solange die Bürgerkriege in der islamischen Welt als Kriege um die Identität der entsprechenden Gesellschaften anhalten, sollte sich niemand darüber irgendeiner Illusion hingeben und glauben, dass historische Erfahrungen jetzt nicht gelten … Weltweit sind unter Flüchtlingsgruppen Frauen und Männer gewöhnlich immer in einem ausgewogenen Verhältnis anzufinden. Allein unter denen, die derzeit nach Europa kommen, aber sind drei Viertel Männer zwischen 15 und 35 Jahren. Es ist unverantwortlich, wie dieses Thema tabuisiert wird. 10. Die Europäische Union neu und weitsichtiger denken und trotz allem voranbringen: Chaos und Elend der Flüchtlinge sind auch eine Chance, die Europäische Union neu und weitsichtiger zu denken. Dies gelingt indessen nur, wenn einige Grundannahmen der deutschen und europäischen Politik revidiert werden, die zum derzeitigen Kontrollverlust geführt haben. Der hilflose Aktionismus, die Perpetuierung der falschen Anreize und die Unzulänglichkeit des Krisenmanagements müssen einem Realitätscheck weichen, wenn die EU nicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus einer Krise in der Integration in eine Krise der Integration schlittern will. Wenn die Europäische Union das Schicksal der ihr anvertrauten Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nicht willenlos den Stürmen der Zeit überlassen will, gibt es eigentlich nur eine Ausrichtung: Es geht nicht um ‚mehr Europa‘ oder ‚mehr Nationalstaat‘, sondern um eine intelligente Stärkung beider Pole des politischen Lebens auf unserem Kontinent … Die humanitäre Katastrophe, die Europa derzeit erschüttert, ist im Kern ein Weltordnungsproblem. Nur wenn die heute bei uns so oft beschworene ‚Willkommenskultur‘ durch eine ‚Realitätskultur‘ in Bezug auf die Benennung der Kette von Ursachen und Wirkungen der seit einigen Jahren sich abzeichnenden humanitären Katastrophe ausbalanciert wird, wird der Kontrollverlust, der derzeit die deutsche wie die europäische Politik kennzeichnet, gebremst und revidiert werden können. Erst dann wird die Würde des Menschen wieder gestärkt werden – allerorts in der Europäischen Union und in möglichst immer mehr Orten dieser Welt, mit möglichst wenigen Widersprüchen, die bei dem massiven Weltordnungsproblem, mit dem wir konfrontiert sind, nicht völlig aufzulösen sein werden (Kühnhardt 2020a, S. 353–367).“

In Deutschland war über Jahre so recht niemand an der Flüchtlingsthematik und ihren Ursachen interessiert gewesen. Nun plötzlich war kaum noch jemand an den Folgen interessiert. 2015 gefiel sich die Mehrheit der Deutschen im moralischen Universalismus der „Wir schaffen das“-These ihrer Bundeskanzlerin. Mich an den öffentlichen Debatten in Deutschland zu beteiligen, hielt ich in dieser naiven und der nachfolgend extrem polarisierten Zeit für nutzlos. Ich versuchte lediglich noch einige Male, mit einem wissenschaftlich differenzierten Aufsatz Akzente für künftige bessere Diskussionszeiten zu setzen (Kühnhardt 2017a, S. 101 ff., 2019a, S. 49 ff., 2019b, S. 211 ff., 2020a, S. 369–417). Vorerst dominierten im öffentlichen Raum Korrektheit der Argumente und betrübliche Phänomene der Selbstzensur. In dieser Zeit wanderte Deutschland aus mir aus.

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3.2  Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs (Kühnhardt 1987): Habilitation Am 3. Januar 1985 trat ich zuversichtlich, wenngleich noch unklar über den konkreten Gang der Dinge in den kommenden zwölf Monaten, die Rückreise von einem Weihnachtsaufenthalt in Deutschland nach Boston an. Ich dachte über die traurige Nachricht des Todes von Walther Hubatsch nach. Ich erinnerte mich an einen besonders starken Universitätslehrer im Fach Geschichte, an seine von sprachlicher Klarheit und Eleganz geprägten Vorlesungen zur Reformationsgeschichte und zum 19./20. Jahrhundert, seine ostpreußisch-protestantische Strenge und Selbstdisziplin, seine straffen Anforderungen an die Studenten im Seminar über Bismarck und die Reichsgründung – penible Quellenarbeit, Erwartung von Faktenkenntnissen und präzisen, kurzen Wortmeldungen –‚ seine positive Würdigung meiner Hausarbeit über die deutsche Schutzzollpolitik. Hubatsch brachte mir Katholiken das Ethos des deutschen Protestantismus nahe. Ich erinnerte mich aber auch, dass er sich weigerte, mich frühzeitig gehen zu lassen, um an der Sitzung der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“ teilnehmen zu können. Dabei äußerte er eine geradezu inakzeptable Verachtung oder zumindest unqualifizierte Unkenntnis des Entscheidungsfindungs- und Diskussionsprozesses in der parlamentarischen Demokratie. Ein anderes Mal musste ich mich für eine Vorlesungsstunde entschuldigen, da ich auf Einladung des UNO-Entwicklungsprogramms UNDP mit einer Journalistengruppe nach Bangladesch eingeladen war. Er akzeptierte meine Abwesenheitsmeldung stoisch, ohne das geringste Interesse an den entwicklungspolitischen Fragestellungen, die mich damals ebenso wie das Studium der Geschichte gefesselt hatten. Ich bewahrte mir gleichwohl ein differenziertes Bild von Walther Hubatsch, denn mich beeindruckten immer Persönlichkeiten, die so ganz anders sind als ich selber und darin unverwechselbaren Charakter zeigen. Auch später blieb mir dieser Typus Wissenschaftler am sympathischsten und am interessantesten. Mir war gleichgültig, ob traditionell-konservativ wie im Falle Hubatsch oder modern-exzentrisch, solange jemand originell ist und aus sich selbst heraus lebt, fand er normalerweise meine Sympathie. Im Geschichtsseminar hatte ich Walther Hubatsch durchaus auch humorvoll erlebt. Sein Dienstzimmer zierten eine Kollektion der Freiherr-von-Stein-Gedächtnisausgabe und Bücher über Preußen, daneben Stiche und ein Foto seiner im Krieg zerbombten Königsberger Alma Mater. Einige Studenten waren ein wenig beängstigt oder eingeschüchtert ob seines rigorosen Habitus. Mir gegenüber war Walther Hubatsch immer liebenswürdig und auf beste ostpreußische Weise offen. Ich erinnere mich, ihn eines Tages vor der Tür des Hörsaales 9 der Bonner Universität angesprochen zu haben mit der Frage, ob ich bei ihm mein historisches Rigorosum ablegen könne. Er sah mich mit meiner Promotion bei Professor Bracher in guten Händen. So traf ich ihn dann zur Vorbereitung des Examens in seinem Arbeitszimmer. Der großgewachsene weißhaarige Mann, immer korrekt konservativ gekleidet und konzentriert bei der Sache, blickte in die Zukunft. Seine

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Emeritierung stand am Ende des Sommersemesters 1983 bevor. Mein Prüfungstermin am 13. Juli 1983 würde eine seiner letzten Amtshandlungen sein. Er möchte danach verschiedene Forschungsvorhaben zu einem größeren Abschluss bringen, an denen er zeit seines akademischen Lebens immer nur en passant habe arbeiten können, verriet er mir am Ende. Dann zog er eine nahezu resignative Bilanz seines Hochschullebens: „Manchmal frage ich mich, ob dies alles einen Sinn hatte, ob meine Studenten wirklich profunde historische Ausbildung gewinnen konnten und wollten und ob sie diese Ausbildung zu nutzen wissen.“ Hubatsch war ein akademischer Lehrer alten Schlages, durch und durch von preußischem Pflichtbewusstsein und einer Geradlinigkeit geprägt, die mir Respekt abnötigte, gerade weil er so anders war als alles, was mich sozialisiert hatte. Hubatsch legte mir für die eine Stunde des Rigorosums im Rahmen der Doktorprüfung, wie es damals so schön altmodisch hieß, sechs Prüfungsthemen auf: Der Gang nach Canossa 1077, Augsburger Reichstag 1555, deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, Schutzgebietspolitik, Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert, Wiener Kongress. Er stellte sehr präzise Einzelfragen zur Sache und zur Literatur, aber auch zur allgemeinen Geschichtsdeutung: „Es ist wichtig, dass Sie die großen Linien kennen und mit Quellen zu arbeiten verstehen.“ Ihn erfreute meine Absage an ideologisch orientierte Geschichtswissenschaft. Schließlich erteilte er mir ein glattes summa cum laude: „Ich bin sicher, dass Sie Ihren Weg nehmen werden und hoffe, dass das Historische Seminar und die Ausbildung hier bei uns Ihnen stets von Nutzen sein wird. Mehr junge Leute Ihres Schlages und um die Zukunft Deutschlands wäre mir wohler.“ Er fragte mich, schon im Stehen, nach meinen nächsten Plänen. Ich berichtete vom angehenden Aufbaustudium in Tokyo. Handschlag, ein verhaltenes Lächeln, ein „melden Sie sich wieder bei mir, Sie wissen, wo ich zu erreichen bin. Man hat mir hier im Seminar über die Emeritierung hinaus ein kleines Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt“. Nach dem 13. Juli 1983 habe ich Walther Hubatsch nicht mehr wiedergesehen. Für den 16. Mai 1985, seinem 70. Geburtstag, hatte ich schon eine Notiz gemacht und wollte ihm gratulieren. Sein Tod kam früher. Ich erinnerte mich dieser Facette meiner Bonner Studienzeit, als ich durch das schneeverwehte Holland zum Flughafen Schiphol fuhr und von dort über den kleingewordenen großen Teich zurückkehrte an meinen temporären Arbeitsplatz in Cambridge, Massachusetts (Kühnhardt 2021, S. 292 ff.). Dort wartete ein unfertiges Manuskript über die Universalität der Menschenrechte auf mich. Ich verarbeitete persönliche Erfahrungen in einem durch den Ost-West-Konflikt geteilten Europa und aus verschiedenen Aufenthalten in der Dritten Welt. In Nepal, beispielsweise, war ich 1979 Zeuge von einem revolutionären Ringen um eine verfassungsmäßige Ordnung geworden (Kühnhardt 2021, S. 75 ff.). Mutige Menschen hatten mich dort wie an anderen Orten beeindruckt. Sie waren bereit, gegen Willkür und für demokratische Rechenschaftspflichtigkeit einzutreten, auch wenn dies zu Gefängnisstrafen durch das aktuelle Regime führte. Freiheit, die mir so selbstverständlich war, erfuhren Menschen in der Dritten Welt als knappes Gut und Privileg. Diese Erfahrung hatten meinen Blick auf die Zusammenhänge von Armut

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und Entwicklungsstrategie in ein immer stärker politisches Licht gerückt. Zugleich wühlte ich mich hinein in die vielfältigsten Ansätze wissenschaftlicher Literatur, in Quellen und Forschungsstudien, um Ursachen und Zusammenhänge von Menschenrechten und Ordnungsfragen zu verstehen.

Abb. 3.5  Menschenrechte und Freiheitskampf: Mich beeindruckt Krishna Prasad Bhattarai, Parlamentssprecher von Nepal in den 1950er-Jahren, danach 18 Jahre im Gefängnis, in Kathmandu (1979). (© Ludger Kühnhardt)

Seit meiner Bonner Promotion 1983 hatten sich meine globalen Horizonte merklich erweitert und, so hoffte ich doch, auch meine intellektuelle Substanz. Während des Postdoc-Studienjahres in Tokyo war ich realistischer geworden (Kühnhardt 2021, S. 233 ff.). Obgleich Filmprojekte mich in dieser Zeit nach Bangladesch, Indien und Korea geführt hatten, kehrte ich schleichend ab von meinem erlernten journalistischen Beruf und stocherte mich voran in den Weg der Wissenschaft. Nach Japan hatte es mich gezogen, weil ich fasziniert davon war, dass ein nichtwestliches Land einen so hohen Grad an Modernisierung hatte erreichen können. Ich wollte die Gründe verstehen lernen und auch die Frage durchdringen, ob aus den Erfahrungen Japans seit dem 19. Jahrhundert Rückschlüsse für die Entwicklungsperspektiven heutiger Staaten der Dritten Welt gezogen werden könnten.

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Abb. 3.6  Ohne Naivität: Mit einer armen Familie in Bangladesch (1981). (© Ludger Kühnhardt)

Das soziale Elend in der Dritten Welt hatte mich erschüttert. Zugleich fiel mir immer wieder die menschliche Wärme auf, die mir an noch so armen Orten von den dortigen Menschen entgegengebracht wurde. Ich war nie naiv und idealisierte Armut zu keinem Moment. Aber ich wusste, dass es um das Lebensschicksal von Menschen geht und nicht um abstrakte Entwicklungstheorien und statistische Daten. Armut war immer ein konkreter Anschlag auf die Würde der betreffenden Menschen. Armut aber musste strukturelle Ursachen haben, die weit über die soziale Frage hinausgehen. Daher drängte es mich, Modernisierungsbedingungen in historischer und vergleichender Perspektive zu verstehen. Das Bonner Studium der Politischen Wissenschaft hatte mich zudem mit dem Kompass einer normativen Systembetrachtung ausgerüstet. Wo es um Menschenwürde geht, fragte ich nach den Bedingungen von Menschenrechtsverletzungen.

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Abb. 3.7  Die Frage nach den Menschenrechten: Im Groß-Slum Tondo von Manila (1981). (© Ludger Kühnhardt)

Auch in Japan stellten sich menschenrechtliche Fragen, wenngleich in weniger dramatischerweise gegenüber den Erscheinungsformen von Armut, die ich in Afrika und in anderen Regionen Asiens gesehen hatte. In Japan kontrastierten beispielsweise ethnische Fragestellungen mit dem modernen Selbstverständnis einer rechtsstaatlichen Demokratie. Mir wurde dieser Umstand bewusst, als ich bei einer Studienreise durch Japan auf der Nordinsel Hokkaido auf Ainu traf. Die Ureinwohner Japans wurden mir dort gleichsam wie in einem lebendigen Museum präsentiert. Es wirkte bizarr, mit einem ihrer Alten an einem offenen Lagerfeuer zu hocken. Das moderne Japan war doch so weit von dieser Lebensweise entfernt, dass die Präsentation der Ainu mir wie problematische Folklore erschien.

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Abb. 3.8  Auch Japan kennt menschenrechtliche Fragen: Mit einem Ainu am inszenierten Lagerfeuer in Hokkaido (1984). (© Ludger Kühnhardt)

Andererseits waren Bildungsniveau, Ersparnisrate und technologische Innovationen beeindruckend. Diese Faktoren gehörten zu den Gründen für den zielgerichteten und erfolgreichen Aufstieg Japans im 19. Jahrhundert. Die damalige Meiji-Revolution – gelegentlich auch als Meiji-Restauration beschrieben – verband soziologische mit verfassungsrechtlichen und machtpolitischen Aspekten der Transformation. Ob rückständige und kulturell gänzlich anders geprägte Länder der Erde für sie nützliche Schlüsse aus den japanischen Erfahrungen würden ziehen können, ging es mir durch den Kopf. Zugleich wuchsen, je mehr ich Japan kennenlernte, Zweifel, ob es überhaupt richtig sei, von einer Verwestlichung Japans zu sprechen. Diese Frage hatte entwicklungstheoretische Facetten. Sie hatte aber auch normative und philosophische Aspekte. Nirgendwo fand ich einen so plausiblen Knotenpunkt, in dem sich meine unterschiedlichen Überlegungen bündelten, wie in der Frage nach den Menschenrechten. Waren diese tatsächlich universal?

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Abb. 3.9  Tradition und Moderne, Anzug und Kimono in Japan: Das Händlerehepaar vertreibt klassische Lackarbeiten in Tokyo (1984). (© Ludger Kühnhardt)

Ich begann, mich systematisch mit den kulturellen Voraussetzungen des Menschenrechtsverständnisses in unterschiedlichen Räumen der Erde zu beschäftigen. In Tokyo gaben mir dazu Seminare, Gespräche und Bibliotheksbestände in der Sophia-Universität der Jesuiten gute Gelegenheit. Ein Stipendium von Rotary International ermöglichte mir ein ganzes Postdoc-Jahr als kenkusei (special student) in Japan zu verbringen. Nach einem einführenden Sprachkurs an der International Christian University am Stadtrand des Molochs Tokyo fand ich an der Sophia-Universität intellektuelle Anregung.

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Abb. 3.10  Jung und dynamisch, eigentümlich und verschlossen: So erlebte ich Japan (1984). (© Ludger Kühnhardt)

Das so dynamische und junge, zugleich so eigentümlich verschlossene Japan ließ mich nicht mehr los. Zugleich aber drängte es mich, in kultursoziologisch vergleichender Weise die politikwissenschaftliche Frage nach der Universalität der Menschenrechte zu durchdringen. Eine einmalige Chance eröffnete sich mir durch die Einladung von Guido Goldman, meine Studien am Center for European Studies der Harvard Universität fortzusetzen. Was hätte es Größeres geben können, als meine Postdoc-Zeit an der renommiertesten Universität der Welt ausklingen zu lassen. Vielleicht würde sich danach ja irgendein Job in den Medien, in der Politik oder in der Entwicklungshilfe auftun. Aber erst einmal durfte ich für ein Jahr nach Harvard (Kühnhardt 2021, S. 292 ff.).

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Abb. 3.11  Bilanz eines kenkusei (special student): Ein Vortrag in japanischer Sprache beim Rotary Club Tokyo Ueno (1984). (© Ludger Kühnhardt)

Ich genoss die Vielfalt der intellektuellen Anregungen in Harvard und war Guido Goldman, dem Direktor des Center for European Studies, ein Leben lang dankbar für die Zeit als Kennedy Fellow in Harvard. In der Tiefe der Widener Library durfte ich einen kleinen Holztisch für meine intensiven täglichen Lesestudien verwenden. In der Wohnung 8, Chauncy Street, die ich mit meiner Freundin Anna Hallensleben teilte, entstanden das Konzept und der erste Entwurf meiner Studie zur Universalität der Menschenrechte. Anna hatte mir auf Anhieb imponiert. Sie machte einen Pilotenschein, während sie zeitgleich in Harvard für einen Master of Public Administration studierte. Sie sympathisierte mit den deutschen „Grünen“. Später wurde sie eine überaus erfolgreiche Diplomatin und exzellente Botschafterin. In Harvard werkelten nicht nur Anna und ich damals an den Grundlagen unserer künftigen Wege, ohne genau wissen zu wollen, wohin sie uns schließlich führen würden. Das würde sich, so war ich wie die meisten Gleichaltrigen, die ich in Harvard traf, mit leicht überzogenem Selbstwertgefühl überzeugt, schon automatisch ergeben, weil die Grundlagen, die wir in Harvard legten, einfach besser nicht sein konnten. Harvard bedeutete für uns eine Zeit voraussetzungslosen Universitätslebens, zu dem hin die Rufe einfach finden mussten, auf die wir natürlich hofften. Meine Freude war groß, als ich einen Brief von Professor Bracher erhielt, in dem er mir anbot, als sein wissenschaftlicher Assistent an die Universität Bonn zurückzukehren und dort meine Habilitation zu vollenden.

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Abb. 3.12  Beim Abfassen meiner Habilitationsschrift an der Harvard University (1984). (© Ludger Kühnhardt)

Zurück in Deutschland zog ich in einem Brief an meinen Tokyoter Studienfreund Chan Buom Lee, der ins Außenministerium von Korea eingetreten war, am 21. September 1985 Zwischenbilanz der hinter mir liegenden Postdoc-Zeit. Nach der Introvertiertheit des Orients hätte ich nun auch die extrovertierte Dynamik der amerikanischen ManifestDestiny-Zivilisation kennengelernt mit stolzen, selbstbezogenen, aber auch sehr freundlichen Menschen. Der „unbegrenzte Brunnen der Forschungsquelle“ hätte es mir mächtig angetan in Harvard, schrieb ich an Chan. Europa erlebte ich gerade wieder neu. Einerseits herrsche noch immer eine offenbar unausrottbare, fast masochistische No-FutureMentalität. Andererseits aber könne man auch, wenn man nur genau sucht, noch immer die Energie des kartesianischen Denkens finden. Chan Boum Lee blieb über Jahrzehnte einer meiner besten persönlichen Freunde. Wie einige wenige andere auch, mit denen der lebenslange Gesprächsfaden in der Studienzeit entstand und regelmäßig weitergeknüpft wurde. Chan, Sohn koreanischer Diplomaten, hatte in Bonn das Aloisius-Kolleg besucht, ehe wir uns 1983/1984 an der Tokyoter Sophia-Universität anfreundeten. Er trat ins koreanische Außenministerium ein, in den Fußstapfen seines Vaters, und wirkte an

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wichtigen Entscheidungspunkten der koreanischen Außenpolitik mit. Während meiner Gastprofessur an der Seoul National University 2004/2005 vermittelte er für meine Kinder einen Fahrer für ihren täglichen Weg zur weit entfernt gelegenen Deutschen Schule und für Enikö und mich unterschiedliche neue Bekanntschaften und Gesprächspartner. Sehr gerne kam Chan Boum Lee 2011 noch einmal für drei Jahre nach Bonn zurück, wo Korea eine diplomatische Außenstelle bei der unterdessen dort etablierten UN-Einrichtungen unterhält. Besonders stolz war Chan, als er auf seinem nächsten Posten 2017 im Cut zur Audienz beim japanischen Kaiser in einer Kutsche vorgefahren wurde. Welchen beeindruckenden Weg hatte er seit unseren studentischen Anfängen in Japan genommen. Am 5. November 1985, so vermerkte es das Protokoll, stellte mich Brachers Kollege Hans-Adolf Jacobsen in der Kollegialsitzung des Seminars für Politische Wissenschaft der Universität Bonn vor. Um es geradeheraus und ehrlich zu sagen: Vom ersten Moment an machte ich mir nicht viel aus diesem und anderen universitären Gremien, die ich später kennenlernen sollte. Aber ich akzeptierte sie immer als Teil des universitären Betriebs. Für mich war und blieb gesellschaftlich verantwortliche Universität immer an erster Stelle: Freiheit zur Forschung und darauf aufbauende Lehre. Ein Ort der Inhalte und nicht der pseudodemokratischen Gremien-Rituale. Mir gelang es nie, den Stallgeruch ein- und wieder auszuatmen, der universitären Gremien-Gepflogenheiten eigen ist. Ich wurde den Verdacht nie los, dass die eigentlich wichtigen Angelegenheiten längst informell und außerhalb von diesen Gremien vereinbart worden waren. Seit der Zeit im Mitarbeiterstab von Bundespräsident von Weizsäcker war ich bestens mit organisatorischen Abläufen einer Bürokratie vertraut. In den USA hatte ich das Modell einer vom professionellen Management geführten Universität kennen- und schätzen gelernt. Natür-lich gab es auch dort akademische Sitzungen. Aber alles in allem genießen Professoren mehr Freiräume für Forschung und Lehre. Das Management wird denen überlassen, die auch ein veritables Unternehmen leiten könnten. Das diskursive deutsche Demokratie-verständnis der permanenten Aufhebung von Machtfragen und Entscheidungsabläufen durch universitären Gremien-Talk blieb mir einfach fremd. Die Fachschaft dachte offen-bar genau andersherum: Je mehr Sitzungen desto mehr Demokratie und wenn auch nur nach dem Motto „Gut, dass wir mal darüber geredet haben“. So knirschte es bald nach Aufnahme meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent von Karl Dietrich Bracher zwischen der Fachschaft und mir. Die Zeitschrift der Fachschaft „Politicum“ charakterisierte mich als abgehoben: „Kühnhardt überrollt“ titelte sie im Mai 1986. Es ging um die schlichte Festlegung der Termine für propädeutische Übungen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, über solche Fragen überflüssige Gremiengespräche zu führen, geschweige denn nachzukarten. Anders die damalige Bonner Fachschaft für Politische Wissenschaft. Sie forderte eine weitere propädeutische Übung pro Semester und wollte über die entsprechenden Terminfestlegungen öffentlich diskutieren. Es gebe zu viele Studenten. Das Wort konnte selbst die Fachschaft damals noch ungeniert verwenden, ohne von Studentinnen gerügt zu werden. Meine Haltung war simpel: Was man nicht ändern kann, lohnt den

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Kampf nicht. Bracher sprang mir zur Seite: „Die Defizitwirtschaft des Landes läßt uns wenig Freiraum“, zitierte ihn „Politicum“. Ein siebtes Propädeutikum oder nicht als demokratietheoretische Grundsatz- und bildungspolitische Existenzfrage? Der Fachschaft ging es um Machtfragen, mir um wissenschaftliche Erkenntnisfragen. Seit dem Wintersemester 1985/86 fand ich mich im Vorlesungsverzeichnis der Universität Bonn. Im schönen Gebäude aus der Gründerzeit Am Hofgarten 15 befand sich mein Dienstzimmer hinter demjenigen von Professor Bracher. Unterdessen sind sein Arbeitszimmer zur Hofgartenwiese hin und mein damaliger Raum zu einem Seminarraum fusioniert, dem Karl-Dietrich-Bracher-Raum. Damals agierten auf dieser Etage auch Brachers Sekretärin, die liebenswürdige Frau Fuchs, und nebenan die patente Frau Schulte, die das Sekretariat von Hans-Adolf Jacobsen managte. Frau Orda leistete umsichtige Arbeit in der Bibliothek. Die von mir ab dem Wintersemester 1985/86 angebotenen Seminare wurden von den Studenten gut angenommen. Manchmal verwechselte man mich mit einem der ihren, einem Langzeit-Kommilitonen. Mich störte das nicht, denn Studenten bleiben auch die Lehrenden ein Leben lang. Ich unterrichtete seither immer die Themen, die mich gleichzeitig in der Forschung umtrieben. So meinte ich, würde den Studierenden immer ein bestmöglich abwechslungsreiches Lehrangebot mit Forschungsbezügen gemacht. Zwischen 1985/86 und 1987 bot ich Lehrveranstaltungen zu folgenden Themen an: Japanische Modernisierungsstrategien seit der Meiji-Zeit. Der Begriff der Volkssouveränität. Regierungslehre. Föderalismus. Moderne Demokratietheorien. Das Revolutionsproblem unter besonderer Berücksichtigung des Werkes von Alexis de Tocqueville. Möglichkeiten und Grenzen der Demokratie in der Dritten Welt. Mit der Habilitation erhielt ich die Lehrbefähigung (Venia Legendi) für das Fach Politische Wissenschaft in seiner ganzen Breite. Im Wintersemester 1987/88 durfte ich meine erste Vorlesung anbieten: „Grundzüge der politischen Ideengeschichte I“, gefolgt im Wintersemester 1988/89 von „Grundzüge der politischen Ideengeschichte II“ und im Sommersemester 1989 von „Moderne Regierungssysteme“. Da ich ab März 1987 im Bundespräsidialamt arbeitete, genoss ich die Vorzüge der kurzen Wege am Bonner Regierungssitz. Meine Vorlesungen fanden immer montags von 16 bis 18 Uhr statt, wenn sich der tägliche Trubel in der Villa Hammerschmidt ein wenig gelegt hatte.

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Abb. 3.13  Prodekan Rainer Lengeler gratuliert zur Antrittsvorlesung als Privatdozent an der Universität Bonn (1987). (© Ludger Kühnhardt)

Am 31. Januar 1987 hatte meine Antrittsvorlesung als Privatdozent stattgefunden. Das Thema „Zwischen Nationwerdung und demokratischem Aufbruch. Ideologiebildung in der Dritten Welt“ (Kühnhardt 1987b) zog an einem Samstagvormittag weit über 100 Zuhörer in einen überfüllten Hörsaal. Eine Reihe von Leuten mussten vor der Tür stehen. Prodekan Rainer Lengeler, Anglist, führte mich in blauer Robe mit guten, allzu lobenden Worten ein. Gesammelt und ruhig trug ich meine Antrittsvorlesung vor, die punktgenau mit dem Klingelzeichen um 11 Uhr endete. Langanhaltender Beifall. Übergabe der Urkunde, die mir die Venia Legendi für das Fach Politische Wissenschaft in seiner ganzen Breite zuerkannte, unterzeichnet vom erkrankten Dekan Konrad Repgen. Über 70 von mir geladene Gäste, darunter meine Eltern, Geschwister und mit Antje und Hubertus Plettenberg, Andreas Schüler, Hüseyin Bagci und Stephan Eisel persönliche Freunde, fanden sich anschließend zu einem Umtrunk im Seminar für Politische Wissenschaft ein. Studenten aus meinen Proseminaren hatten einen goldenen Türkranz mit dem Wort „Congratulations“ gebunden, den sie mit Unterschriftenkärtchen versehen hatten. Einige dieser Studenten, nicht viel jünger als ich, wie Michaela Kolster, Hans Stein, Heike Raab, Eva Maria Berg, Caryn Lindsay, Antje Ziegelow und Martin Wiesmann traf ich später in unterschiedlichsten Zusammenhängen wieder oder verfolgte ihre erfolgreichen Wege aus der Ferne. Professor Bracher nahm die fröhliche Gelegenheit wahr, mir ins Gewissen zu reden: Nach der beeindruckend breit angelegten Perspektive meiner

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bisherigen Forschungen hoffe er künftig auf spezifizierende Vertiefungen, die jeder Fachkritik standhalten werden und zugleich substanzvoll genug bleiben, um nicht ins Klein-Klein allzu enger akademischer Übungen abzugleiten. Hinter mir lag eine echte akademische Ochsentour. Neben den Lektürestudien in Harvard und schon zuvor in Tokyo hatte ich ein breites Spektrum von Expertengesprächen geführt, um Methode und Inhalte meiner Habilitationsschrift zu überprüfen. Ich verwendete die Aussagen dieser Gespräche allerdings nicht unmittelbar in der Arbeit, weil ich an der Subjektivität solcher Interviews stets Zweifel hegte, seitdem ich sie als Journalist zu führen begonnen hatte. Kurt Herndl, der Direktor des Human Rights Center der UNO, den ich am 19. August 1985 in Genf traf, gefiel nicht, dass ich das Menschenrechtsschutz-System der UNO offenbar als unzulänglich kritisieren wollte, das er hochhielt. In Sachen Universalität vertrat er aus meiner Warte eine arg apologetische Sicht: Wohl sei ein Kern von Menschenrechten einzufordern (Leben, keine Folter, faire Prozesse), doch müsse die Universalität des Rechts auf freie Meinungsäußerung hinterfragt werden. Dies sei keineswegs eine universell geteilte Kategorie und Einschränkungen dieses Rechts könnten durchaus legitim sein. Auch im Westen gebe es solche Einschränkungen. Unser Gespräch wurde recht schroff. Der Bonner Völkerrechtler Christian Tomuschat argumentierte in einem Gespräch am 9. Oktober 1985 staatstheoretisch und nicht kulturgeschichtlich. Er könne nicht akzeptieren, dass der Menschenrechtsbegriff nicht in anderen Regionen der Welt vorliegen solle, wie ich behauptete. Das stimme empirisch nicht beim Blick auf Staatsverfassungen, auch wenn die kulturgeschichtlichen Grundlagen fehlen sollten. Menschenrechtspolitik müsse helfen, die staatstheoretisch fundierten Grundzüge und Standards abzusichern. Kulturgeschichtliche Argumente würden bloß das Moralisieren befeuern und das sei nicht hilfreich. Es finde an vielen Orten der Welt durchaus ein Bedeutungswandel statt zugunsten der Anerkennung politischer Rechtskategorien. Nach Jahren des Stillstands und der Ideologiefixierung bewege sich die Dritte Welt. Der Orientalist Reinhard Schulze monierte am 18. Dezember 1985, dass ihn weder der integralistische Ansatz mit seiner These, der Islam habe immer Menschenrechte gekannt, noch der exkludierende Ansatz mit der Behauptung, der Islam sei a priori menschenrechtsfeindlich, überzeuge. Unterdessen gebe es in der islamischen Welt vielfache Berührungen mit dem Menschenrechtstopos, auch wenn dies bisher noch keinen Niederschlag in den Staatsstrukturen islamischer Länder gefunden habe. Es gelte, die islamischen Aufklärungsdenker besser zu erforschen, vor allem die Neo-Sufisten des 18. Jahrhunderts. Volkssouveränität und Säkularisierung seien dort durchaus bereits Themen gewesen. Schulze definierte sich als Forscher mit Verzicht auf Sinn für die politischen Implikationen. Mir wurde umgekehrt vorgeworfen, zu sehr auf die politischen Implikationen zu achten und nicht bereits unverbindliche intellektuelle Diskurse zum Maßstab einer grundlegenden Auseinandersetzung mit der Menschenrechtsidee zu nehmen. Ich erlebte, dass man als Wissenschaftler immer wieder zwischen allen Stühlen seinen Platz einnehmen muss.

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Am 28. Oktober 1985 hatte ich im Doktorandenkolloquium von Professor Bracher meine Forschungen zur Universalität der Menschenrechte in einem einstündigen Vortrag vorgestellt. Ich war dankbar für vielfältige Anregungen Brachers und meiner Kommilitonen zum Vorverständnis meines Themas, zur Begriffsklärung, zum Chauvinismus-Vorwurf, zur Subjektivität des Menschenrechtsverständnisses im Westen, zur Rolle des Marxismus in Lateinamerika. Meine Studie erhielt Feinschliff. Ich war mehr denn je der festen Überzeugung, dass die ideengeschichtliche und kulturvergleichende Durchdringung der Menschenrechtsthematik die allgemein verbreiteten Analysen über die weltpolitischen Konfliktlinien der Gegenwart und normative Systemwettbewerbe zwischen unterschiedlich aufgestellten politischen Regimen um eine wichtige Dimension erweitern würde. Am 23. April 1986 nahm die Philosophische Fakultät mein schriftliches Gesuch an und eröffnete das Habilitationsverfahren. Zu schriftlichen Gutachtern wurden die Politikwissenschaftler Karl Dietrich Bracher, Hans-Adolf Jacobsen und HansHelmuth Knütter, der Historiker Klaus Hildebrand und der Japanologe Josef Kreiner bestellt, als zusätzliche mündliche Gutachter der Historiker Konrad Repgen, der Philosoph Wolfgang Kluxen und der Anglist Lothar Hönnighausen. Das Menschenrechtsthema wurde, so hörte ich, von der Fakultät mit großem Interesse aufgenommen. Der interdisziplinäre Ansatz sei allseits gewürdigt worden. Als Advocatus Diaboli wollte sich einer der anwesenden Ordinarien verstanden wissen, als er nach meinem jungen Alter fragte. Bracher betonte die Unterschiede zwischen empirischen und ideengeschichtlichtheoretischen Arbeiten und drängte auf rasche Begutachtungen. Wie es sich gehört, führte ich Gespräche mit allen Gutachtern. Der weltweit angesehene Japanologe Josef Kreiner hielt es per se für begrüßenswert, wenn die politische Wissenschaft sich mit japanischen Aspekten befassen würde. Aber eine philologische Grundlage fehle mir doch, weswegen wohl manche Einschätzung aufgrund fehlender Sprachkenntnisse begrenzt sein dürfte. Dann fragte er noch nach meiner Einordnung der Studie im Methodenstreit der Fakultäten. Der von mir hochgeachtete Historiker Klaus Hildebrand gab mir Anmerkungen zu John Locke und zu meiner Verwendung des Konzepts der balance of power mit auf den Weg. Hans-Adolf Jacobsen stieß sich an meinen arg kritischen Ausführungen zum Marxismus und der sowjetischen Sicht auf die Menschenrechtsthematik. Einstimmig bei 70 Teilnehmern nahm die Philosophische Fakultät am 29. Oktober 1987 meine Habilitationsschrift nach dem zusammenfassenden Bericht über alle vorliegenden Gutachten durch den Erziehungswissenschaftler Erich Geißler an. Am Tag zuvor hatte die Habilitationskommission diesen Beschluss vorbereitet, ein Jahr genau nach meiner Präsentation der Studie im Kolloquium von Karl Dietrich Bracher. Ich freute mich natürlich über den ersten Schritt in die Welt der Wissenschaft. Plötzlich schien sich dieser Weg folgerichtiger aufzutun als mir jemals im bisherigen Verlauf meiner Lehr- und Wanderjahre plausibel erschienen war. Am 26. November 1986 ging es aber erst einmal durch das akademische Fegefeuer. Probevorlesung „Vom revolutionären Zeitalter bis zum Mythos der Revolution.

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Über die Aktualität des Werkes von Alexis de Tocqueville“ (Kühnhardt 1992a). Vor 35 anwesenden Ordinarien der Philosophischen Fakultät unter dem Vorsitz von Prodekan Rainer Lengeler stellten 14 Professoren eine große Palette von Fragen aus allen denkbaren Perspektiven der Geisteswissenschaften. Besonders interessiert, sowohl kritisch wie neugierig, waren der Erziehungswissenschaftler Erich Geißler, der Romanist Dirk Hoeges, der Philosoph Hans Michael Baumgartner, der Religionswissenschaftler und Indologe Hans-Joachim Klimkeit, der Sinologe Rolf Trauzettel, der Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter, der Anglist Rolf Lessenich und der Historiker Klaus Hildebrand. Die erste Stunde verlief reibungslos, dann begab ich mich selbst aufs Glatteis mit einer überflüssigen Bemerkung zur Einordnung Tocquevilles in die französische Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts, die gar nicht gefragt war. Der Romanist Willi Hirdt hakte sofort in einem sehr brüsken Ton nach, zwang mich zu Klarstellungen im Blick auf eine „école fataliste“, der ich Tocqueville gerade nicht zurechnete, und zu Interpretationen der Begriffe „sozial“ und „gesellschaftlich“, die ich in meinen bisherigen Ausführungen versäumt hatte zu definieren. Ich musste mangelnde Begriffspräzisionen in meinem Vortrag konzedieren. Der Sinologe Rolf Trauzettel und der Romanist Dirk Hoeges stießen ins gleiche Horn und drängten auf weitere methodische Klarstellungen in Bezug auf Tocquevilles angebliche Relevanz für die heutigen Themen. Mit ein wenig Schweiß auf der Stirn wurde ich nach Ende der Befragung aus dem Saal entlassen. Nach einer internen Diskussion in der Fakultät, die mir wie eine Ewigkeit lang vorkam, wurde ich wieder hereingebeten. Vor mir saß eine Phalanx regungsloser Ordinarien. Alle erhoben sich. Noch immer war kein Minenspiel, keine Geste, keine Körpersprache zu sehen. Der Dekan brach das Eis mit seinen Anfangsworten: „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können …“ Er selbst hatte gemäß den Fakultätsregeln nicht mit abstimmen dürfen. Vertraulich erfuhr ich später das Abstimmungsergebnis: 30 ja, 1 Enthaltung, 3 nein. Ich hörte auch später noch ganz gemischte Meinungen zu meinem Vortrag und der Debatte. Hinter vorgehaltener Hand raunte jemand mir zu, die Sinologen und Romanisten würden stets zu den Dissidenten der Fakultät zählen. Ich lernte, mich in akademischen Auditorien, die so interdisziplinär zusammengesetzt waren, mit dem Vortragen dezidierter Meinungen künftig viel zurückhaltender zu präsentieren. Gleichwohl fand ich gerade eine so interdisziplinär zusammengesetzte Philosophische Fakultät intellektuell extrem anregend und reizvoll. Die Verehrung für und das Studium von Alexis de Tocqueville hielten an. Frankreich bereiste ich immer wieder mit dem Blick, der durch Tocquevilles Analyse der Ursachen und Folgen der Französischen Revolution geschärft worden war. Im August 1997 stand ich vor Tocquevilles Büste in dem winzigen gleichnamigen Ort in der Normandie, aus dem seine Familie stammt (Kühnhardt 2021, S. 531 f.).

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Abb. 3.14  Empfang nach der erfolgreichen Habilitation mit Karl Dietrich Bracher, meinem Vater, meiner Schwester Andrea, dem Politikwissenschaftler Hans-Adolf Jacobsen und dem Indologen Hans-Joachim Klimkeit (1987). (© Ludger Kühnhardt)

Nach dem Habilitationsverfahren ging es erst einmal an die öffentliche Verbreitung meiner Forschungsergebnisse. Im Historischen Club der Universität Bonn, wo ich am 13. Mai 1986 den später für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ arbeitenden Kommilitonen Patrick Bahners kennenlernte, nahm ich noch recht ungestüm zur Universalität der Menschenrechte Stellung. Besonders ermutigend und verpflichtend war es, dass die bedeutenden Staatsrechtslehrer Arthur Kaufmann und Martin Kriele mich einluden, vor der Jahrestagung der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie am 10. Oktober 1986 in Köln zu sprechen. Dort trug ich schon getragener vor. Auch die Studienstiftung des Deutschen Volkes lud mich zum Vortrag ein. Die örtliche Bonner Presse begleitete meine wissenschaftlichen Gehversuche überaus freundlich. Ein Artikel von Pia Lensing-Wolff vom 14. Februar 1987 im „Generalanzeiger“ stand unter der Überschrift „Im Studentenalter am Katheder“. Die Bonner Universität sei mir bei aller Weltenbummelei geistige Heimat geblieben, so wurde ich zitiert, „weil sie trotz vieler Einbrüche und Veränderungen ihr hohes Niveau behalten hat“. Ich empfahl gegen Stress ein Bonmot von Thomas Alva Edison, den Vater der Glühbirne: „Der Tag hat 24 stunden, und wenn das nicht ausreicht, muß man die Nacht dazunehmen.“ AnneLydia Edingshaus, Redakteurin von „Bild der Wissenschaft“, lud mich für den 14. April 1987 ein, vor der von ihr geleiteten Wissenschaftspressekonferenz die Befunde meiner

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Habilitationsstudien vorzutragen. Sie war eine überaus charmante Gastgeberin, die es mir bei dieser Gelegenheit leichtmachte, von der Bank der Journalisten zu derjenigen der Wissenschaftler zu wechseln. Ich genoss, dass sie mich später sogar noch zu einem Abendessen einlud. Der Deutsche Hochschulverband präsentierte mich als 12.000 Mitglied in seiner „Deutschen Universitätszeitschrift“. In die Görres-Gesellschaft, die Vereinigung katholischer Hochschullehrer, wurde ich am 7. Mai 1987 von deren Vorsitzenden Paul Mikat, dem einstigen Kultusminister von Nordrhein-Westfalen, höchstpersönlich aufgenommen. Der Monatsbeitrag betrug 1,67 D-Mark. 2013 wurde ich in den Wissenschaftlichen Beirat der Görres-Gesellschaft berufen. 1987 konzentrierte ich mich einstweilen auf die Überarbeitung meiner Habilitationsschrift für die Veröffentlichung. Günter Olzog gab erneut sein Bestes und stellte die schön gedruckte Studie mit mir am 5. Mai 1987 in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft vor. Ich sprach vor einem größeren Kreis geladener Gäste aus Medien und Politik über die Zusammenhänge der Menschenrechtsidee mit der Fahrt aufnehmenden Reformpolitik in der Sowjetunion. Meine Studie war in verschiedene Richtungen hin anschlussfähig. „Die Idee der Menschenrechte gehört zu den großen Themen unserer Zeit (Kühnhardt 1987b, S. 25).“ Mit diesen Worten begann ich nach einer ausführlichen Einleitung meinen Text. Im ersten Teil behandelte ich die Menschenrechtsgenese und die internationale Entfaltung. Im ersten Kapitel dieses ersten Teils ging es um Menschenrechte als Idee und Wirklichkeit unter methodischen Fragestellungen, im Blick auf die Definition als besondere Rechtskategorie, um die systematische Einordnung der wissenschaftlichen, völkerrechtlichen und politischen Spannungsverhältnisse, um die genaue Fragestellung und Zielbestimmung der Studie und um die Einordnung der Menschenrechtsidee in die Zusammenhänge von Gewalt, Macht und Freiheit. Im zweiten Teil behandelte ich die antike Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Individuum. Dabei spannte ich einen ideengeschichtlichen Bogen von Grundfragen politischer Ethik und historischer Machtprozesse in der Antike über naturrechtliche Fragen im Denken der Stoa und des frühen Christentums bis hin zur ausführlichen Darlegung des auf der Idee der Gottesebenbildlichkeit beruhenden christlichen Menschenbildes. Im dritten Kapitel zeichnete ich den verschlungenen Weg nach von Herrschaftsbegrenzungsverträgen im späten Mittelalter bis zum neuzeitlichen Durchbruch der Menschenrechtsidee im Kontext von Gewaltenteilung und Rechtsstaatsentwicklung. Ich räumte Denkern wie John Locke und der amerikanischen Freiheitsrevolution gebührenden Raum ein. Im vierten Kapitel verfolgte ich den Weg der Verankerung der Menschenrechte im Zuge der neuzeitlichen Verfassungsentwicklung nach und spannte den Bogen bis zur Universalisierung der Menschenrechte als Völkerrechtsnorm im 20. Jahrhundert und dem seitherigen politischvölkerrechtlichen Bedeutungswettbewerb und Deutungswettkampf (Kühnhardt 1987b, S. 25–132). Der erste Teil war eine klassische Quellen- und Textexegese im westlichen Kontext. Im zweiten Teil unternahm ich eine Tour de Force durch jene kulturgeschichtlichen und ideenpolitischen Räume der Erde, in denen der einzelne Mensch im Verhältnis zu

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Gesellschaft und politischer Ordnung historisch besehen genuin ganz eigene, und das hieß vor allem: nichtpersonale Deutungen erfahren hatte. In diesem Kontext verortete ich die eigentlichen Anfechtungen eines universalen Menschenrechtsverständnisses. Mit dieser normativen Perspektive ging ich weit über positivistische Bestimmungen des nationalen Verfassungsrechts und des Völkerrechts hinaus. Ich beleuchtete das politische Denken in marxistisch-leninistischer Tradition als Ausdruck einer gleichsam innerwestlichen Herausforderung an den personalen Menschenrechtsbegriff. Bei diesem Kapitel schien meine Studienprägung im Geiste des Antitotalitarismus besonders durch. Danach öffnete ich den Blick auf andere Kulturkreise. Ich analysierte den islamischen Rechtskodex in seinem Spannungsverhältnis zur Idee menschenrechtlicher Universalität. Ich führte ein in das kosmische Denken und die Bedeutung der Ethik der Kastenordnung in der politischen Kultur Indiens. Ich griff Erfahrungen aus meiner Studienzeit in Tokyo auf und vertiefte sie im Blick auf japanische Menschenrechtsinterpretationen, die ich als Teil der allgemeinen Modernisierungsstrategie des Landes bei gleichzeitiger Bewahrung seiner genuin national-ethnischen Identität ansah. Ich setzte mich auseinander mit den kulturwissenschaftlichen und ideenpolitischen Traditionen Chinas zwischen konfuzianischer Pflichtenethik und zeitgenössischer kommunistischer Menschenrechtsdeutung. Schließlich räumte ich in meiner Analyse breiten Raum den Zusammenhängen und Interpretationen von Freiheit und Entwicklung im Kontext der Prozesse afrikanischer Nationalstaatsbildung ein (Kühnhardt 1987b, S. 133–278). Im dritten Teil meiner Studie legte ich eine systematische politikwissenschaftliche Analyse der im historisch-philosophischen Rückblick und aufgrund des Kulturvergleichs entstandenen Fragestellungen und Zielkonflikte vor. Ich betitelte den Teil „Menschenrechte zwischen Universalismus und Relativismus – Begriffskontroversen und Verwirklichungsbedingungen“. Ich diskutierte synoptisch und systematisch die wissenschaftlichen Kontroversen und Methodenfragen, danach die politischen Umdeutungen und Bedeutungskontroversen der Menschenrechtsidee im Wandel der Zeiten. Schließlich wendete ich mich pragmatisch-politischen Fragen zu im Blick auf die Setzung von Prioritäten zwischen einzelnen menschenrechtlichen Normen. Anknüpfend daran erörterte ich politiktheoretische Fragen des Verhältnisses von Menschenrechtsidee und Demokratiekonzeption. Im Sinne einer Bestandsaufnahme und eines perspektivischen Ausblicks waren die beiden letzten Kapitel angelegt. Hier ging es mir darum, politische Durchsetzungsmöglichkeiten für das Anliegen der Menschenrechte aufzuzeigen. Angesichts von kulturbedingten und politischen Kontroversen um die Universalitätsidee würde man in der internationalen Ordnung beziehungsweise im Blick auf die Gesamtheit der Staaten der Erde wohl nur schrittweise zu Universalisierungen einzelner Menschenrechte gelangen können. Meine Überlegungen mündeten in eine politikphilosophische Reflexion über die Reichweite und stabilitätssichernde Kraft der Menschenrechtsidee und der sie tragenden Ethik eines sittlich autonomen Menschen, der in sozialer und politischer Verantwortung steht (Kühnhardt 1987b, S. 281–384). Selbstverständlich endete meine Studie zur Universalität der Menschenrechte mit einer ausführlichen Bibliografie und einem Personenregister.

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Abb. 3.15  Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs (1987). (© Olzog Verlag/Lau-Verlag)

Bundespräsident Richard von Weizsäcker, seit dem 1. März 1987 mein Chef, bedankte sich in einem handschriftlichen Brief vom 23. Juli 1987: „Ihre ebenso umsichtige wie gradlinige und tiefgehende Arbeit über die Menschenrechte beeindruckt mich sehr.“ Kaum hatte ich dieses Lob stolz verinnerlicht, folgte ein übler Paukenschlag, der mir in die Magengrube ging. In schnoddriger Kürze kanzelte ein gewisser Jörg Fisch meine Arbeit am 6. Oktober 1987 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schnöde ab. Die Ansätze und die Sachverhalte selbst würden stimmen. Aber „die Durchführung ist zu einem parochialen Rückfall ins 19. Jahrhundert geraten. Die Arbeit ist stärker dogmatisch als historisch orientiert. Um das Gespenst des kulturellen Relativismus zu bannen, verschanzt sich der Autor hinter ewigen und unveränderlichen Wahrheiten“. So ging es Satz um Satz weiter: „Die Oberflächlichkeit der Methode führt zur Oberflächlichkeit des Begriffs.“ Ein „universalgeschichtlicher Mantel“ sei „ärgerlich“: „Das

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Resultat ist die Haltung der geistlichen und weltlichen Missionare des 19. Jahrhunderts.“ Der Rezensent wusste, woher auch immer: „Das gemeinsame Anliegen und Ziel der Menschheit ist nicht die Durchsetzung eines westlichen Grundrechtskatalogs, sondern die Sicherung von Bedingungen, die der ganzen Menschheit ein lebenswertes Leben ermöglichen.“ Wo hätte ich ihm bei dieser Bemerkung widersprochen? Wer notifizierte, dass seine Behauptung richtig sei? Wer hatte je mit Weltgeltung ein lebenswertes Leben definiert? Fisch gefiel sich in Floskeln und attestierte meinem Buch eine „dogmatische Form des Provinzialismus“. Die Redaktion setzte noch ein i-Tüpfelchen an Polemik obendrauf und gab dem Ganzen eine böse, ja perfide Überschrift: „Provinzieller Universalismus“ (Fisch 1987). Korrigierende Leserbriefe, die ich selber zugeleitet bekam, wurden nicht abgedruckt. Ich bezahlte offenbar Lehrgeld. Selbst hinter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ stecken nicht nur kluge Köpfe, sondern offenbar manchmal auch Neider oder gar Menschenverachter. Seit diesem Tag schwor ich mir, nie eine negative Rezension über das Buch eines anderen Autors zu schreiben. Wenn man ein Buch nicht mag, kann man es totschweigen. Aber es ist respektlos und unwürdig, einen Autor, der lange Zeit in ein Buchprojekt investiert hat, in wenigen Sätzen abzukanzeln, ohne dass er sich wehren kann. Ich war gnädiger als meine Kritiker: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ lese ich bis heute. Der Verriss hatte auch sein Gutes. Er löste eine so intensive Welle von differenzierten Rezensionen aus, wie man es sich als junger Privatdozent kaum erträumen darf. Oswald von Nell-Breuning, der Nestor der katholischen Soziallehre, attestierte mir in der Zeitschrift „Theologie und Philosophie“, die Bereicherung, die meine Studie dank ihrer geografischen Universalisierung biete, sei „von besonderem Reiz“. Er befasste sich ausführlich mit den Grundlagen meiner kultursoziologischen Vergleichsanalysen. Er diskutierte die innerchristlichen Spannungen, erinnerte an die befruchtenden Begegnungen von Hellenismus und frühem Christentum, spannte den Bogen von der griechischen Philosophie über die christliche Theologie bis zur Sozialenzyklika „Pacem in terris“ von Papst Johannes XXIII. Heute, so von Nell-Breuning, trete die Kirche entschieden für die Menschenrechte ein. Er befasste sich ausführlich mit Begriffsklärungen und unterschied zwischen Individuum und Person, Naturrecht und Recht, erzwingbaren Normen und moralischen Postulaten. Von diesen Einordnungen meiner Analysekategorien in den Kanon der katholischen Soziallehre ging er über zu einer Diskussion der Bedingungen einer Verwirklichung der Menschenrechte. „Bewundernswert ist die umfassende Kenntnis“ der in allen Teil der Welt bestehenden Bestrebungen, wie ich sie analysiert habe. Bedenken äußerte er zu meiner Islam-Interpretation, die ihm nicht kritisch genug war. Der Herrscher im Islam, so argumentierte Pater von Nell-Breuning, erfülle Gottes Willen direkt und angeblich unmittelbar. Er sei damit jeder menschlichen Kritik entzogen. Im Christentum müsse der Mensch Gott zwar ebenfalls mehr gehorchen als dem Menschen. Gegebenenfalls aber könne er dem Herrscher auch widersprechen oder ihn gar ablehnen. Es gebe sogar ein Widerstandsrecht. Der Anspruch der Obrigkeit sei gerade durch die Pflichten gegenüber Gott begrenzt. Im Islam entdecke er eine solche Obrigkeitsbegrenzung nicht. Mein Völkerrechtsverständnis, attestierte von Nell-Breuning weiter,

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stehe völlig im Einklang mit der katholischen Soziallehre. Seine überaus ehrenvolle, ja verpflichtende Gesamtbilanz: „Wüßte man nicht, dass K. ein ganz junger Gelehrter ist (er ist noch keine 30 Jahre alt), dann würde man dieses Werk als den Ertrag oder die reife Frucht eines langen Gelehrtenlebens ansehen. Auch mich, der ich Jahrzehnte lang mich mit ökonomischen und juristischen, philosophischen und theologischen Problemen befaßt habe, hat dieses Werk nicht nur um wichtige Erkenntnisse bereichert, sondern hat auch manche meiner Einsichten und Erkenntnisse weiter geklärt und vertieft (NellBreuning 1988, S. 155 f.).“ Hans-Peter Schwarz, unterdessen als Nachfolger von Karl Dietrich Bracher Ordinarius für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Bonn, setzte in der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“ einen weiteren Meilenstein in der öffentlichen Wahrnehmung meiner Studie. Der Musikfreund wisse, so begann er schwungvoll, „dass manche Instrumente erst dann die Fülle ihrer Möglichkeiten zu Gehör bringen, wenn sie im Orchester erklingen. Mit den Geisteswissenschaften verhält es sich ähnlich. Der Erkenntnisgewinn ihrer Disziplinen ist dort am überzeugendsten, wo die Fachvertreter gebend und nehmend am interdisziplinären Konzert teilnehmen“. Er stellte meine Habilitationsschrift in eine Reihe von markanten politikwissenschaftlichen Studien, die Wirkung entfalten konnten, weil sie fachübergreifend angelegt waren: Karl Dietrich Brachers „Auflösung der Weimarer Republik“ (1955),Wilhelm Hennis „Politik und praktische Philosophie“ (1963), Hans Maiers „Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre“ (1966), Peter Christian Ludz „Parteielite im Wandel“ (1968) und Klaus von Beymes „Regierungssysteme in Europa“ (1970): „Endlich wieder einmal ein Werkstück dieses Kalibers.“ Er bescheinigte mir, ich greife „in eleganter und souveräner Auseinandersetzung mit der heutigen internationalen Forschung wie mit den älteren Werken ein Zentralthema auf, das in dieser Art und so konsequent komparatistisch bisher nur recht pauschal behandelt wurde.“ Die Spannung zwischen dem universalen Menschenrechtsanspruch und der empirischen Vielfalt der Kulturkreise sei evident. Schwarz nannte die Ahnengalerie von Gelehrten, mit deren Werken ich mich ausführlich befasst hatte: Max Weber, Georg Jellinek, Fritz Hartung, Gerhard Oestreich, Jacques Maritain, Felix Ermacora, Karl Dietrich Bracher. Der darauf aufbauende Befund sei bestechend: Menschenrechte sind das Ergebnis einmaliger Prozesse im westlich-atlantischen Kulturkreis. Meine Interpretation von Schlüsseltexten anderer Kulturkreise gleiche einer „Tour de Force“, entfaltet „in vertrauenserweckender Kombination von Behutsamkeit und Entschiedenheit“, sodass „die grundlegenden Thesen Bestand halten dürften“. Und noch deutlicher: „Das Ergebnis ist für die universelle Menschenrechtsdiskussion von erheblicher Bedeutung.“ In keinem anderen Kulturkreis seien Menschenrechtsideen nachzuweisen. Dennoch gebe es natürlich apologetische Umdeutungen. Am Personalismus solle man ebenso festhalten wie an der gebotenen institutionellen Absicherung. Der Ansatz der Studie sei ein gewichtiger Beitrag zur Stärkung des Universalisierungsgebotes gegenüber verschiedenen Theorien des Kulturimperialismus und des Relativismus. Die politischen Empfehlungen – ein Mix von indirektem Druck und konstruktiven Anreizen, ohne das

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Konzept der Menschenrechte zu überdehnen – sei realistisch und praxisnah (Schwarz 1988, S. 152 ff.). Henning Ottmann, Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Universität München, kommentierte in der „Zeitschrift für Politik“ ermutigend, ich habe „ein Buch vorgelegt, dem mehr als akademische Bedeutung zukommt“. Das Buch „verteidigt eine Menschenrechtsbegründung, die man im guten Sinne alteuropäisch nennen kann“. Ottmann würdigte die „eindrucksvolle Spannweite der Untersuchung“. Die Studie sei „die erste, die das Thema ‚Menschenrechte‘ historisch umfassend wie weltpolitisch kulturübergreifend behandelt, ein notwendiges Buch, das in die Hände aller Politikwissenschaftler und politisch Tätigen gehört“ (Ottmann 1988, S. 426 f.). Am 27. April 1987 schrieb mir der Präsident der Universität Witten-Herdecke, Konrad Schily, einen freundlichen Brief und dankte für das Buch „das ich inzwischen nahezu ganz gelesen habe – mit sehr großem Gewinn“. Am gleichen Tag schrieb Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg, er möchte „meine Anerkennung für diese sehr fundierte Studie ausdrücken“. Für Wolfgang Höpker, den außenpolitischen Redakteur des „Rheinischen Merkur“ war meine Studie, wie er in der Ausgabe vom 12. Juni 1987 formulierte, „ein weit aufgefächerter, dickleibiger Band, den man ohne Umschweife ein ‚Werk‘ nennen kann“. Durch Feldstudien und universitäre Forschungsaufenthalte in aller Welt „holte sich Kühnhardt das Rüstzeug, um ein zunächst auf den abendländischen Kulturkreis konzentriertes Thema weltweit abhandeln, aus globaler Erfahrung abschattieren zu können“. Ein ganz eigenes Kompliment folgte: „Er erliegt nicht der Anfechtung, sich im Gestrüpp des Politologendeutsch zu verlieren.“ Achtung zollte Höpker schließlich noch den mehr als tausend Fußnoten, die von meiner Leseleistung zeugten (Höpker 1987). Am 4. August 1987 bedankte sich der katholische Erzbischof von Addis Abeba, Paulos Tzadua, dass ich auch seine Gespräche mit mir als hilfreich zur Erweiterung meines Horizonts unter den Danksagungen des Buches erwähnt hatte. Der leitende Redakteur Gerd Schulten bilanzierte in „Das Parlament“, dass das Buch in Aufbau und Durchführung gelungen sei. Er unterzog sich der Mühe, eine ausführliche Inhaltswiedergabe zu formulieren. Daran schlossen sich zurückhaltend-elegante Bewertungen an (Schulten 1987). Reaktionen pro und kontra in den Zeitungen mit großer Auflage und Verbreitung sowie in wissenschaftlichen Zeitschriften rissen nicht ab. Achim Barth bezeichnete unter der zugespitzten Überschrift „Trägerrakete zum Export von Konterrevolutionen?“ meine Studie im „Münchner Merkur“ vom 12. August 1987 als „Standardwerk zum Thema“. Heiner Wilms sprach in der Zeitung „Die Welt“ am 3. September 1987 von einer „beindruckenden“ Studie und unterstrich meinen rigorosen Ansatz, Menschenrechte nicht zu überdehnen oder politisch zu instrumentalisieren. In der Zeitschrift „Das historisch-politische Buch“ charakterisierte der in den USA lehrende Politikwissenschaftler Johann Baptist Müller das Buch als eine „Fundgrube politologischer Erkenntnisse. Es beeindruckt durch seine methodische Klarheit und die Fähigkeit zur Zusammenschau komplexer Sachverhalte“ (Müller 1987). Der Augsburger Strafrechtsordinarius Joachim Hermann, Vater des späteren bayerischen Innenministers, adressierte

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am 23. Oktober 1987 meinen mit ihm bekannten Verleger Günter Olzog, um mich über Olzog wissen zu lassen, es seine eine „glänzend“ geschriebene, „überaus anregende und gedankenreiche Schrift“. Der Kölner Staatsrechtler Martin Kriele erwähnte die Studie zustimmend in seinem neuesten Buch Die demokratische Weltrevolution (Kriele 1987). Wo Applaus zu stark aufkommt, sind Buh-Rufe nicht weit. Kritisch äußerte sich der Kieler Jurist und Politikwissenschaftler Klaus Dicke im „German Yearbook of International Law“ und beklagte den aus seiner Sicht „eurozentristischen Tenor“ der durchaus umfassend angelegten Studie (Dicke 1987). Der Frankfurter Rechtswissenschaftler Günter Frankenberg schlug in der „Kritischen Justiz“ (1988) in die gleiche Kerbe: Ich hätte dem Thema wegen meiner Eurozentrizität einen „Bärendienst“ geleistet (Frankenberg 1988a). Er wiederholte diese These in der „Frankfurter Rundschau“ (Frankenberg 1988b). In die Tiefe meiner kulturwissenschaftlichen Ansätze gingen diese Gegenpositionen der beiden durchaus soliden Politik- und Rechtswissenschaftler nicht, sondern blieben mit ihren reflexhaften Zuweisungen in den Links-Rechts-Mustern der deutschen Diskussionslandschaft verfangen. Im Deutschlandfunk (12. Januar 1988) und im Süddeutschen Rundfunk (13. März 1988) bezeichnete der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt und Journalist Karl Moersch es als „besonders verdienstvoll“, dass ich kritisch zur Behauptung Stellung genommen habe, der Islam habe eine eigene Menschenrechtsidee hervorgebracht. Die Re-Islamisierung nehme zu, da sei kritisches Denken erforderlich (Moersch 1988a, 1988b). Der Kölner Staatsrechtslehrer Klaus Stern zitierte die Studie zustimmend in einem juristischen Klassiker (Stern 1988). Auch international wurde die Studie wahrgenommen. Fulvio Longato, Philosophieprofessor in Triest, erwähnte sie zustimmend in einem italienischen Fachbuch des internationalen Instituts für Menschenrechte (Longato 1988, S. 123 ff.). Kazimierz Domagalski, polnischer Journalist und Widerstandskämpfer in der Zeit des Warschauer Aufstands gegen die Deutschen, widmete dem Buch eine lange Rezension in einer polnischen katholischen Zeitschrift (Domagalski 1990, S. 92 ff.). Mein türkischer Freund und Kollege Hüseyin Bagci bestätigte in der Zeitschrift „Orient“, dass es keine eigenständige islamische Menschenrechtskonzeption gebe und der Dialog darüber in der islamischen Welt notwendig sei. Er attestierte „klare Argumentationslogik“ ohne ethnizistische Vorurteile. Für ihn war die Studie „ein wertvoller und beachtenswerter Beitrag“. Eine türkische und arabische Übersetzung würde einen gewichtigen Beitrag zum internationalen Wissenschaftsaustausch leisten (Bagci 1990). In Frankreich wurde in der Zeitschrift „Objectiv Europe“ auf das Buch aufmerksam gemacht. Die Schweizer Rechtsphilosophin Simone Zurbuchen informierte die Leser der „Neuen Zürcher Zeitung“ am 11. Mai 1988. Das Buch führe dem Leser „sachkundig die Möglichkeiten und Grenzen der Argumentation für ein liberales Staatskonzept vor Augen“. Die von mir aufgeworfene Frage nach Kulturuniversalität sei „virulent“ (Zurbuchen 1988). In der „Historischen Zeitschrift“ nahm der Tübinger Rechtsphilosoph Winfried Brugger kritisch Stellung gegen meinen naturrechtlichen Ansatz, bot den Lesern dieser wichtigsten historischen Zeitschrift Deutschlands aber

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immerhin eine intensive Darstellung und Auseinandersetzung mit meinen Thesen und Argumentationslinien (Brugger 1988). Bruno Heck, früherer CDU-Generalsekretär, besprach das Buch mit besonderem Blick auf den Systemwettbewerb des Westens mit der Sowjetunion in der „Politischen Meinung“ (Heck 1988). Der Hamburger Völkerrechtler Philipp Kunig würdigte die Arbeit in der Zeitschrift „Verfassung und Recht in Übersee“ mit differenzierter Kritik (Kunig 1988). Der Münchner Philosoph Robert Spaemann stützte meine Argumentation ausdrücklich in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Merkur“ (Spaemann 1988). Der Filmregisseur Hark Bohm, den ich kennengelernt hatte, setzte sich in einem handschriftlichen Brief vom 13. August 1988 kritisch, aber gehaltvoll mit einigen meiner Thesen auseinander: Der Marxismus sei Teil der Kultur der Aufklärung, das Subjekt habe sich von christlichen Prägungen emanzipiert, stammt aber aus diesen. In nettem Tonfall positionierte er sich gegen jegliches idealistische Denken, auch das meinige. Der Bayreuther Politikwissenschaftler Konrad Löw bilanzierte in den „Politischen Studien“ (1988) die erstaunlich große Resonanz auf meine Arbeit, würdigte die Kontroversen und „das so positive Gesamtbild“ (Löw 1988). Die Universalität der Menschenrechte wurde auch in der DDR gelesen und zwar gleich mehrfach in der gleichen Familie. Zunächst präsentierte Stefan Poppe in der Ausgabe 12/1987 der Zeitschrift der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR „Staat und Recht“ seine „Gedanken zur Universalität der Menschenrechte“ (Poppe 1987). Unter ablehnendem Verweis auf meine Studie erklärte er summarisch und in typischem DDR-Defensiv-Aggressions-Modus, es verbiete sich, einen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Menschenrechte zu erheben. Sein Vater las dann wohl genauer und bohrte tiefer: In der Ausgabe Januar/Februar 1988 der „Deutschen Literatur-Zeitschrift für Kritik der internationalen Wissenschaft“ der Akademie der Wissenschaften der DDR unterzog Eberhard Poppe, einer der führenden Rechtswissenschaftler der DDR, zeitweiliger Rektor der Martin-Luther-Universität Halle und von 1971 bis 1990 SEDAbgeordneter in der DDR-Volkskammer, meine Studie einer gründlichen Ideologiekritik. Seine Rezension war jedenfalls entschieden substanzreicher als der schnoddrige Verriss in der bürgerlich-konservativen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Poppe stellte „das häufige Hin- und Hergerissensein ihres Autors zwischen bürgerlichem Konservativismus und wissenschaftlicher Objektivität“ fest und attestierte mir die Suche nach Berührungspunkten zwischen Ost und West. „Mit Fleiß, Passion und auch Subtilität … intelligent, mit persönlicher Lauterkeit und – leider – mit konservativer Grundhaltung“ sei eine Studie entstanden, die es zu würdigen gelte: Die Arbeit „verdient Anerkennung“, schrieb Poppe gönnerhaft (Poppe 1988). Ich bedankte mich schriftlich bei Poppe für diesen doch immerhin substanzreichen Beitrag zu einer innerdeutschen „Streitkultur“. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, publizierte eine sehr ausführliche Würdigung in der Zeitschrift „Universitas“ (4/1988): „Die sorgfältige und engagierte Arbeit von Kühnhardt“ behandele wichtige Spannungsfragen im Verhältnis von Menschenrechten und ihrem nationalen Schutz durch Umwandlung in

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Grundrechte. Er erinnerte an mancherlei Verfassungsdispute und kontroverse Gerichtsauslegungen auch in westlichen Staaten. Dem weiten Blick, den meine Studie auf andere Kulturkreise werfe, könne man entgegenhalten, dass ihm „ein Hauch von missionarischem Eifer anhaftet. Das muß übrigens nicht negativ zu werten sein; dem bejammernswerten Defizit an durchsetzbaren Menschenrechten in dem größeren Teil der Welt helfen beschwichtigende Hinweise auf die dort bestehenden und oft historisch überlieferten sozio-ökonomischen Bedingungen und traditionellen Denkweisen nicht ab“. Benda kritisierte ausdrücklich die schnöde Fisch-Rezension in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und sah sie als Teil einer Kontroverse, die nicht in Rezensionen ausgetragen werden könne. „Kühnhardt trifft, so entschieden er auf die europäischen Wurzeln des Menschenrechtsgedankens verweist, den auch nach meiner Auffassung entscheidenden Punkt, wenn er den ‚Gedanken der Menschenwürde‘ und das ‚Prinzip der Herrschaftsbegrenzung‘ als die zentralen Fragen bezeichnet, von denen die Verwirklichung der Menschenrechte abhängt.“ Er nahm mich ausdrücklich „vor überzogener Kritik in Schutz“. Benda endete so differenziert, wie es sich für den ehemals höchsten Richter Deutschlands geziemt: „So reizt das Buch von Kühnhardt auch zum Widerspruch. Aber es ist in seiner Materialfülle und in seinem Gedankenreichtum auch da lesenswert, wo es zu Skepsis Anlaß gibt (Benda 1988).“ Bei einem Gespräch in Freiburg bedankte ich mich noch Jahre später für seine Worte. Der Bonner Moraltheologe Gerhard Höver setzte sich in den „Stimmen der Zeit“ (1989) mit meinen Überlegungen zur internationalen Menschenrechtspolitik und den Kontroversen um die Engführung oder Ausweitung des Menschenrechtsbegriffs auseinander: „Das Konzept, das er vorlegt, ist ebenso einfach wie überzeugend: nicht Ausweitung, sondern Begrenzung auf die drei zentralen Menschenrechtskategorien: die Menschenrechte der leiblichen, geistigen und politisch-sozialen Person (Höver 1989).“ Der Völkerrechtler Christian Tomuschat besprach Aufbau und Kernthesen meiner Studie ausführlich in der „Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“ (1989). Entgegen seiner früher im Gespräch geäußerten skeptischen Grundhaltung zu meinem Ansatz fand er nun sehr freundliche Worte: „Die Arbeit ist glänzend geschrieben. Mit einer Fülle geglückter Formulierungen weiss der Verfasser sein Thema stets in neuer Beleuchtung und Abschattierung darzustellen.“ Das Buch verarbeite ein beeindruckendes Faktenmaterial. „Dass der Fachmann in einzelnen Abschnitten hin und wieder Unstimmigkeiten feststellen kann, darf man dem Verfasser nicht ernsthaft anlasten. Keiner der Experten eines Teilsegments der vorliegenden Abhandlung hätte den Überblick, die geistige Kraft und den Wagemut gehabt, das Thema ‚Die Universalität der Menschenrechte‘ auf so breiter Grundlage anzugehen (Tomuschat 1989).“ Der von mir sehr geschätzte international angesehene Soziologe Reinhard Bendix, den ich in Berkeley zu einem intensiven Gedankenaustausch hatte besuchen können, richtete am 29. November 1990 einen persönlichen Brief aus Kalifornien an mich: „Ich entnehme schon aus dem Inhaltsverzeichnis, dass mir eine anregende und eindrucksvolle Lektüre bevorsteht. In anderen Zusammenhängen hat das Universalitätsproblem auch mir schon zu schaffen gemacht und ich werde von Ihrer Forschungsarbeit sicher

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viel zu lernen haben, weil ich analoge Probleme unter anderen Gesichtspunkten gegenwärtig behandele.“ 1990 notierte der renommierte niederländische Rechtswissenschaftler Gerard van Wissen im „Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie“, wer nicht naturrechtlich denke, werde nicht zufrieden sein, aber das Buch sei enorm belesen und solide (Wissen 1990). In einem Vortrag bei der feierlichen Eröffnung des Akademischen Jahres 1990/1991 der Universität Freiburg bezog sich der dortige Kirchenrechtler Alexander Hollerbach ausführlich auf meine Studie (Hollerbach 1991). Der aus Syrien stammende Politikwissenschaftler Bassam Tibi verteidigte meine Forschungen geradezu leidenschaftlich in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (Tibi 1990). Marc Moquette, später führender niederländischer Diplomat, unterzog die Studie im „Netherlands Quarterly of Human Rights“ (1991) einer intensiven Darstellung und Kritik. Er ordnete die Studie in die internationalen wissenschaftlichen Debatten ein. Er bilanzierte die „valuable contributions this study does make to the international debate on human rights for which Kühnhardt deserves considerable credit“ (Moquette 1991). Der angehende deutsche Diplomat Christian Much akzentuierte meine afrikabezogenen Analysen im „Europa-Archiv“ (Much 1988, S. 25). Der Philosoph und Theologe Heiner Bielefeldt, später Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte und zeitweilig Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Menschenrechtsrates der UNO, mokierte sich über meine angebliche „Verkürzung politischer Freiheitsrechte“ (Bielefeldt 1990, S. 219). Martin Forstner, Arabist an der Universität Mainz, zitierte meine Studie in „Kanon“, dem in Österreich erscheinenden Jahrbuch der Gesellschaft für das Recht der Ostkirchen, in einer Auseinandersetzung mit dem Problem des Religionswechsels im Islam (Forstner 1991, S. 105 ff.). Der Schweizer Sinologe Harro von Senger zitierte die Arbeit ebenso wie die Historiker Wolfgang Schmale (Schmale 1993, S. 24 ff.) und Jörn Rüsen („taking in an impressively broad sweep of cultures“) (Rüsen 1993, S. 28 ff.), der politikwissenschaftliche China-Experte Sebastian Heilmann, der Religionswissenschaftler und Indologe Hans-Joachim Klimkeit (Klimkeit 1989, S. 13 f.), der indische Entwicklungsexperte und Journalist Jose Punnamparambil (Punnamparambil 1989) und der Rechtswissenschaftler Andreas Haratsch (Haratsch, 2000). Hans Maier, langjähriger bayerischer Kultusminister und Politikwissenschaftler, zitierte mich mehrfach (Maier 1993, S. 48; 2000, S. 113.). Ebenso galt dies für meinen Freund, den Philosophen Walter Schweidler (Schweidler 1994, S. 26 f., 2011). Die Politikwissenschaftler Dieter Nohlen und Franz Nuscheler erwähnten die Studie im „Handbuch der Dritten Welt“ (Nohlen und Nuscheler 1993, S. 286). Mein Freund, der britische Historiker Timothy Garton Ash unterstützte 2004 ausdrücklich meine Analyse und Folgerung hinsichtlich „very little evidence in other cultures“ für das, was wir im Westen Menschenrechte nennen (Garton Ash 2004, S. 236). Der Bonner Staatsrechtler Josef Isensee, von mir ob seiner pointierten, messerscharfen Klugheit und unbestechlichen Klarheit besonders verehrter Citoyen bester Art, vergaß meine Studie nie. 1992 hatte sie Eingang in das von ihm mit Paul Kirchhof herausgegebene „Handbuch des Staatsrechts“ gefunden (Isensee und Kirchhof 1992, S. 317 ff.). Noch 2013 und 2018

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erinnerte Isensee in nachfolgenden Veröffentlichungen an die Studie aus dem Jahr 1987 (Isensee 2013, S. 1085 ff.; 2018, S. 98 ff.). Die Universalität der Menschenrechte hatte auch international eine interdisziplinäre Debatte ersten Ranges ausgelöst. Die Studie wirkte über fast drei Jahrzehnte nach. Ich selbst griff das Thema natürlich verschiedentlich wieder auf und verarbeitete die Weiterentwicklung meines eigenen Denkens (Kühnhardt 2001a; 2001b, S. 67 ff.; 2002, S. 56 ff.; 2003c, S. 49 ff.; 2008, S. 999 ff.; 2018, S. 13 ff.). 1988 hatte die Bundeszentrale für Politische Bildung Die Universalität der Menschenrechte in ihr Programm von Studienausgaben aufgenommen. Zwei Auflagen des Buches wurden bald zum Standardwerk für Forschung und Lehre. Auflage insgesamt: 12.000. Dazu kamen fast 1500 im Buchhandel verkaufte Hardcover-Ausgaben der Originalfassung im OlzogVerlag. Für wissenschaftliche Verhältnisse konnte man fast von einem Bestseller sprechen. In Vorträgen versuchte ich auch weiterhin, grundlegende Aspekte meiner Forschungserkenntnisse weiterzugeben. Annette Schavan, die damalige Geschäftsführerin des Cusanus-Werkes, lud mich zu einer Studientagung nach Worpswede (25. August 1989). Der American Council on Learned Societies bat mich in eine internationale Studiengruppe, die in Berlin (13.–15. September 1989) und in Princeton (15.–17. November 1989) zusammenkam. Ich übernahm die Aufgabe, über die Rolle der europäischen Gerichte im Menschenrechtskontext vorzutragen und das Thema anschließend auszuarbeiten (Kühnhardt 1993a, S. 126–138). Bei einem Symposium über „Die Menschenrechte und 1789“ in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (5.–8. November 1989) sprach ich vor bedeutenden Gelehrten (unter anderem Günther Birtsch, Jeanne Hersch und Leszek Kolakowski) über Menschenrechte zwischen ethischem Universalismus und kulturellem Relativismus (Kühnhardt 1992b, S. 247–259). Bei diesem Symposium freundete ich mich mit Zoran Đinđić an vom „Centar za Filofofiju IDN“ in Belgrad, dem 2003 ermordeten späteren Ministerpräsidenten von Serbien. Wir spekulierten bis tief in die Nacht über den weiteren Gang der europäischen Umwälzungen, die von Tag zu Tag an Fahrt aufnahmen. Am 2. November 1990, nur wenige Monate nach der Besetzung Kuwaits durch den Irak am 2. August 1990 und wenige Wochen vor Beginn des alliierten Militärschlags zur Befreiung Kuwaits am 17. Januar 1991, wurde ich vom Centre d’Ètudes et de recherches économiques et sociales in Tunis zu einem Kolloquium unter Schirmherrschaft von Sadok Chaabane, Secrétaire d’etat à l’Enseignement Superiéur et à la Recherche Scentifique gebeten. Mit Mona Makram Ebeid, dem Direktor des Institut Arabe des Droits de l’Homme und anderen Kolleginnen und Kollegen fand ein recht kontroverser, aber fairer Gedankenaustausch statt (Kühnhardt 2021, S. 392). Weit dramatischer ging es vom 9. bis 12. September 1991 in Teheran zu. Ich erlebte ein totalitäres islamistisches Regime, das einer maximal pluralistischen Gesellschaft übergestülpt worden war. Auf der ersten Konferenz über „Islam and Human Rights“ der Islamischen Republik Iran referierte ich unter recht tumultuösen Umständen über „Conditions and possibilities of a universal human rights dialogue“ im von der ehemaligen Kaiserin Farah Diba errichteten

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Konferenzzentrum, organisiert vom Büro für politische und internationale Studien des iranischen Außenministeriums. Eingangs war ein Grußwort von Staatspräsident AliAkbar Haschemi Rafsanjani verlesen worden. Dann hatte Irans Außenminister Ali Akbar Velayati darüber gesprochen, dass sein Land den Menschenrechten größte Bedeutung beimesse. Dass ich mich anschließend in einem überfüllten Saal und vor laufenden Fernsehkameras gegen das Todesurteil an den Schriftsteller Salman Rushdie wendete, das Existenzrecht Israels verteidigte sowie schließlich die Vorwürfe zurückwies, der Westen orientiere sich an Nietzsches Übermensch-Theorien und alle westlichen Frauen seien Huren, kam natürlich nicht so gut an. Ein Ayatollah drohte mir einen sofortigen Krieg an, wenn ich mich nicht korrigieren würde. Aus Hunderten Kehlen brüllte man mir „Allahu akbar“ entgegen. Für einen Augenblick dachte ich, die Situation könnte eskalieren. Ich blieb bei meinen Aussagen und analysierte ruhig weiter (Kühnhardt 1995a, S. 346–360).

Abb. 3.16  Dazwischen: Hitzige Debatten bei der Menschenrechtskonferenz in Teheran (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Scharfe Medienschelte war mir gewiss, so unter der Überschrift „Western guest raise tumult and clamour at Tehran Human Rights Seminar“ auf der Titelseite der Teheraner Zeitung „Abrar“ vom 12. September 1991. Ich veröffentlichte neben meinem Vortrag auch einen Sachbericht über die Tagung und später Tagebuchnotizen über meine verwirrenden Eindrücke im Iran (Kühnhardt 1991, S. 521 ff.; 2021, S. 408 ff.) Michael Wolffsohn, mein jüdischer Kollege von der Bundeswehrhochschule München und guter

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Bekannter, reagierte brieflich am 20. Oktober 1991, nachdem er von meinem Auftritt in Teheran erfahren hatte: „Donnerwetter. Das war ja ein richtiger Paukenschlag in Teheran.“ Auf dem Deutschen Katholikentag in Karlsruhe fand ich am 18. Juni 1992 naturgemäß ein freundlicheres Publikum vor. Hier warnte ich vor westlich-christlicher Selbstgerechtigkeit und setzte mich kritisch mit der Theorie vom liberal-demokratischen Ende der Geschichte auseinander, die nicht mit der Menschenrechtsidee und den Mühen bei ihrer Universalisierung verwechselt werden dürfe (Kühnhardt 1995b, S. 333–345). In der Katholischen Akademie Berlin diskutierte ich am 24. Juni 1995 die Probleme der Anfechtung universeller Menschenrechte eher akademisch mit meinem Kollegen Bassam Tibi und dem ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und späteren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse. Längst hatte sich mein Blick geweitet auf die komplexeren Zusammenhänge, in denen die Menschenrechtsfrage stand. Ich griff die These eines meiner Harvard-Professoren, Samuel Huntington, auf, und differenzierte, auch um ihn vor der allseits zu hörenden, deutschen Selbstgefälligkeit entspringenden Kritik in Schutz zu nehmen. Huntington hatte mitnichten einen Kampf der Kulturen propagiert, sondern im Gegenteil vor einem Zusammenprall der Zivilisationen gewarnt. Ich präzisierte: Die Verwerfungen, sowie ich sie sah, gingen mitten durch die Kulturkreise hindurch, in unserem eigenen nicht weniger als anderenorts. Daher müsse man mit weiteren Identitätskonflikten rechnen, aber auch mit der Instrumentalisierung von kulturellen und religiösen Unterschieden. Die Balkan-Kriege sollten uns Warnung sein. Ich machte deutlich, dass vor ethnischen Säuberungen immer moralische Säuberungen stehen. Mit Sorge beobachtete ich, dass sich Selbstbestimmungsideen allerorten zu Identitätskontroversen wandelten und Rechtsideen zu moralischen Forderungen. Ein Identitätskult der Wir-Ideologie – von Indianer-Stämmen bis zum Selbstbild von PDSWählern in der ehemaligen DDR – sei stets problematisch, sagte ich in der Katholischen Akademie auf dem Gebiet des ehemaligen Ostberlin. Ich konnte nicht ahnen, dass 2021, Jahrzehnte später, der hochrespektierte Wolfgang Thierse in seiner Partei, der SPD, in heftigste Dispute über die Grenzen von und Gefährdungen durch Identitätspolitik in Deutschland geraten sollte. Mir war es 1995 wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Diskussion über die kulturellen Voraussetzungen der Menschenrechtsverwirklichung nur einen Teilausschnitt einer tieferliegenden Problematik zeigt: Die Folgenverarbeitung der Dekolonialisierung in der südlichen Hemisphäre war extrem eng geblieben. Alle Diskussionen schien auf Fragen von Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik reduziert, viel zu schematisch und ziemlich kulturlos. Vor allem aber unpolitisch. Die kulturelle Hegemonie Europa sei weltweit längst durch eine polyzentrische Realität abgelöst worden, argumentierte ich 1995 in der Katholischen Akademie Berlin. Innerwestliche Schulddiskurse über Neokolonialismus seien durch die Wirklichkeit längst überholt worden und antiquiert. Auch innerwestliche Anfechtungen der Menschenrechtsidee und Ideen über eine dritte Generation von Menschenrechten seien wenig ergiebig. Die Banalisierung des Guten helfe niemandem. Menschenrechtsideen stünden an verschiedensten Orten der Welt

3.2  Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur …

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unter Druck, weil es um politische Machtfragen und kulturelle Instrumentalisierungen in prekären Nationalstaaten gehe. Die Nationalstaatsfrage als Problem des Entwicklungsprozesses müsse genauer untersucht werden. Unter weltanschaulichen Gesichtspunkten seien besonders dramatisch die Konflikte in und mit islamischen Ländern, in denen die Autonomie einer menschenrechtszentrierten Rechtssetzung abgelehnt wird. Dies sei im Kern eine Machtfrage, innerhalb islamisch geprägter Gesellschaften und in ihrem Verhältnis zu westlichen Gesellschaften, die sich ideologisches Denken nach dem Ende der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts vorschnell abgewöhnt hätten. Wir müssten uns auf neue Sachverhalte einstellen und unangenehme Themen erörtern: Wie sollen wir mit neuen Formen von Aggression gegen den Westen umgehen? Sind humanitäre Interventionen berechtigt oder gar notwendig, auch in der südlichen Nachbarschaft Europas? Welche Rolle spielt die Gesellschaft in den Staaten, von denen wir bestenfalls die Namen ihrer Führer kennen? Könnte es nützen, die KSZE-Idee angepasst weiterzuentwickeln zu einem Instrument der strategischen Befriedigung zwischen der arabischen Welt und Israel? Was alles muss sich in Europa ändern, wenn Europa weltweit ernstgenommen werden will? Neue Konflikte würden auf uns zukommen, prophezeite ich 1995, für die wir weder intellektuell noch politisch vorbereitet seien, wenn wir in den Denkschemata des Kalten Krieges verharren. Einzelne Aspekte der weitgespannten Menschenrechtsthematik vertiefte ich in weiterführenden wissenschaftlichen Projekten und Publikationen (Kühnhardt und Rauch 1989). Grundlegend wurde ein mehrjähriges Forschungsprojekt am Zentrum für Europäische Integrationsforschung, das ich mit Unterstützung der Hermann-undMarianne-Straniak-Stiftung zwischen 2003 und 2005 durchführte. Wissenschaftler aus dem Westen und aus Asien wurden von meinem Philosophie-Kollegen Mamoru Takayama von der Tokyo University und mir eingeladen, jeweils einen Aspekt einer spezifischen Menschenrechtsfrage zu behandeln und daran anschließend den Beitrag ihres jeweiligen Themenkollegen einer intensiven Kommentierung zu unterziehen: Jeremy Alberg, State University West Georgia, Thomas Banchoff, Georgetown University, Ole Döring, Ruhr-Universität Bochum, Thomas Göller, TU Karlsruhe, Jeffrey Herf, University of Maryland, Tatsuo Inoue, University of Tokyo, Thomas Kauffmann, Universität Halle-Wittenberg, William LaFleur, University of Pennsylvania, Ichiro Mori, Christliche Frauenuniversität Tokyo, Jing-Bao Nie, University of Otago, Dunedin, Hiroyuki Ogino, Sophia University Tokyo, Ryosuke Ohashi, Technical University Kyoto, Walter Schweidler, Ruhr-Universität Bochum, Walter Simonis, Universität Würzburg, Masakazu Tanaka, Kyoto University, Fathi Triki, Université de Tunis, Franz Martin Wimmer, Universität Wien, und Kam Por Yu, Hong Kong Polytechnic University – diese Kollegen folgten meiner Einladung und beteiligten sich an dem außerordentlich innovativen Projekt, das für eine Reihe der beteiligten Wissenschaftler auch Forschungsaufenthalte in Bonn einschloss. So wollten wir im Lichte der Erschütterungen durch den internationalen Terrorismus (9/11 und die Folgen) die Kernfragen von Menschenrechten, kulturellen Differenzen

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3 Weltordnungsfragen

und Gewaltanfälligkeiten beziehungsweise die Bedingungen erfolgreicher Gewaltprävention durch solide Grundlagenforschung voranbringen. Das Buch, das die dialogisch verfassten Beiträge vereint, ist bis heute ein Referenzwerk für die entsprechende weiterführende Forschung zu Fragen interkultureller Ethik geblieben (Kühnhardt und Takayama 2005). Die Hermann- und Marianne-Straniak-Stiftung hat sich große Verdienste in diesem Feld erworben. Die Stiftung hatte mich schon Mitte der 1990er-Jahre gebeten, sie in Fragen der interkulturellen Ethik im Gedankenaustausch zwischen dem Westen und Ostasien zu beraten. Zwischen 1995 und 2010 begleitete ich vier internationale Ausschreibungen für den Straniak-Philosophie-Preis. Mit zwei weiteren Kollegen definierte ich jeweils Vorschläge für den alle fünf Jahre ausgeschriebenen Preiswettbewerb und verfasste Gutachten zu den eingegangenen Arbeiten als Grundlage für die Preisvergabe durch den Stiftungsrat an renommierte internationale Wissenschaftler. Neudeutsch nannte man dieses Engagement, das seine Wurzeln in meinen kulturvergleichenden Menschenrechtsstudien hatte, „outreach“.1

1  1995

lautete das Preisthema „Menschenrechte und Bürgersinn“. Zwölf Arbeiten gingen ein. Auf Platz 1 wurde eine Arbeit gesetzt mit dem Titel „Westliche Unternehmen im Dilemma? Eine wirtschaftsethische Analyse von Markt- und Menschenrechten in China“, auf Platz 2 eine Arbeit mit dem „Die Menschenrechtsidee und ihre Gefährdungen“, auf Platz 3 „Human Rights and Public Spirit“, auf Platz 4 „The Right to Development –Philosophical Differences and Political Implications“. 1998 lautete das Thema „Der Zusammenprall der Kulturen? Chancen und Grenzen des interkulturellen Dialogs zwischen Globalisierung und kultureller Identität“. 23 Arbeiten gingen ein. Die besten Arbeiten folgten einem kulturwissenschaftlichen Ansatz, einer Mischung aus theoretischen und empirischen Gesichtspunkten mit Bezügen zu europäischen und asiatischen Kulturen. 2001 lautete das Thema „Menschenbild und Zeitbewußtsein. Auf welche Weise definieren und interpretieren die östlichen und westlichen Kulturen und Philosophien den Begriff der Zeit, des Wechsels und der Kontinuität“. 19 Arbeiten gingen ein: Auf Platz 1 wurde eine Studie gesetzt mit dem Titel „Die Zeit und das Selbst, Das Geheimnis der Zeit“, gefolgt von der Studie „Dogen: Ostasiatische Denktraditionen in der Tradition Dogens (1200–1253)“, einem Meisterdenker des Zen-Buddhismus. 2004 lautete das Thema „Die philosophische Deutung der Geschichte. Auf welche Weise wurden und werden in den östlichen und in den westlichen Kulturen Ereignisse, Erfahrungen und Interpretationen der Geschichte philosophisch reflektiert und zu neuen Formen der Selbstdeutung und der Deutung des Fremden verarbeitet“. 16 Arbeiten gingen ein. Auf Platz 1 wurde die Studie „Zwilling“ gesetzt, die auf hohem Niveau die westlichen Geschichtsphilosophien von Herodot und Thukydides bis Cusanus, Kant, Voltaire, Hegel und Herder im Lichte chinesischer Traditionen spiegelte, von der frühen Kaiserzeit über Sima Qians Aufzeichnungen über die Geschichte der frühen Han-Dynastie durch Ban Gu bis ins 18. und 19. Jahrhundert. Auf Platz 2 kam die Studie „Schwelle“, die Transformationspotenziale des indischen Lebensraumes durch das Prisma der westlichen Wissenschaftstheorie behandelte. 2008 lautete das Thema „Leid und Humanität im ost-westlichen Philosophievergleich“. Gleichberechtigt wurden auf Platz 1 gesetzt eine Arbeit über die lebenspraktische Begegnung westlicher Moral- und Verhaltensmuster mit indischem Sozialverhalten und eine Arbeit über buddhistische Traditionen im Blick auf den Begriff des Leidens im Vergleich mit den Traditionen der westlichen Existenzialphilosophie und der zeitgenössischen Sozialphilosophie.

3.2  Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur …

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Längst war ich thematisch zu neuen Ufern aufgebrochen, aber die Menschenrechtsthematik begleitete mich weiterhin. Vor allem die Zustände im Iran ließen mich nicht los. Am 19. Mai 2006 unterzeichnete ich mit 240 anderen prominenten Intellektuellen aus aller Welt einen Aufruf zur Freilassung von Ramin Jahanbegloo an Präsident Mahmoud Ahmadinejad und den Obersten Richter des Iran, Ayatollah Hashemi Shahroudi. Ende April 2006 war Jahanbegloo, dessen Buch Conversations with Isaiah Berlin (Jahanbegloo 1993) mich beeindruckt hatte und den ich 2005 bei meinem zweiten Aufenthalt im Iran getroffen hatte, wegen seiner Kontakte zu Ausländern verhaftet worden. Ihm wurde Spionage vorgeworfen und er wurde ins berüchtigte EvinGefängnis gesteckt, dessen einschüchternd über Teheran thronende Architektur ich beim Blick aus meinem Teheraner Hotelfenster hatte sehen können. Ramin Jahanbegloo: Ein Philosoph, verpflichtet auf die Prinzipien der Gewaltlosigkeit, unermüdlich im Einsatz für den Dialog zwischen Iranern und der Außenwelt. Solche Kooperation dürfe nicht abgeschreckt werden, schrieben wir, und baten den Staatschef der Islamischen Republik Iran um die sofortige Freilassung. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehörten Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2003, Umberto Eco, J.M. Coetzee, Literaturnobelpreisträger 2003, die Sozialwissenschaftler Agnes Heller, Timothy Garton Ash, Hans Joas, Joseph H. Weiler, Stephen Holmes, Bruce Jackson, Jürgen Habermas, Leszek Kolakowski, Slavoj Zizek und mein Freund Craig Kennedy, Präsident des German Marshall Fund of the US (Open letter: Free Ramin Jahanbegloo 2006). Wir hörten, dass Jahanbegloo keinen Anwalt mehr sehen durfte. Es gab Berichte von Folter. Ob unser offener Brief geholfen hat? Am 30. August 2006 wurde er jedenfalls glücklicherweise aus dem Gefängnis entlassen. Jahanbegloos Bericht über die Gefängniszeit ist ein erschütterndes Dokument (Jahanbegloo 2014). Seine akademische Karriere in den Fußstapfen Mahatma Gandhis konnte er in Indien und in Kanada fortsetzen. Ob dies ein Glück angesichts des anhaltenden Unglücks vieler Iraner war, müsste Ramin Jahanbegloo selber beantworten. Am 20. Mai 2010 traf ich Shirin Ebadi, die mutige iranische Juristin und Menschenrechtskämpferin, anlässlich der Verleihung des Internationalen Demokratiepreises Bonn. Wir sprachen sogleich über das Schicksal von Ramin Jahanbegloo. Die erste muslimische Friedensnobelpreisträgerin mahnte, den Einsatz für Demokratie und Menschenrechte nicht zu vernachlässigen. Sie kritisierte iranische Erbschaftsregeln, die für Christen, Zoroastrier und andere religiöse Minderheiten eklatant nachteilig sind. Sie votierte engagiert für die Universalität der Menschenrechte und geißelte die Verfolgung der Bahai im Iran, ein Thema, das ich leider schon 1991 in Teheran hatte ansprechen müssen. Ich erzählte der zierlichen Frau, die in einem sattgrünen Kostüm ohne Kopftuch auftrat und die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie leben möchte, von meinen Erlebnissen bei der ersten Menschenrechtskonferenz der Islamischen Republik 1991. Für mich war es eine Anekdote. Für sie blieb die Lebensgefahr allgegenwärtig. Shirin

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Ebadi, erste Richterin des Iran, verlor nach Ausrufung der Islamischen Republik Iran 1979 ihren Job, saß lange im Gefängnis, wurde zur Sekretärin des Teheraner Gerichtshofs degradiert, den sie zuvor geleitet hatte, erhielt lange Jahre Berufsverbot. Als wir uns trafen, lebte sie im Exil in Großbritannien.

3.3  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“ (Kühnhardt 1992c): Primat des Südens Wissenschaftliche Fachtagungen machten mich in den frühen 1990er-Jahren mit einer Reihe von führenden deutschen Professoren aus den Fächern Philosophie, Politikwissenschaft und den Rechtswissenschaften bekannt. Ich konnte dabei auch immer wieder den Nutzen des Brückenschlags in die Praxis des Lebens öffentlicher Institutionen erfahren. Mit einigen wenigen Gleichaltrigen entstanden Freundschaften, die ein Leben lang hielten. Zugleich machte es mir große Freude, vor immer wieder anders zusammengesetzten Kreisen neugieriger Studierenden und in Akademien zu referieren. Das Menschenrechtsthema blieb mir stets präsent, wobei ich es immer wieder in neue und weiterführende Zusammenhänge einordnete, die mich wissenschaftlich beschäftigten. Einige Beispiele nur seien genannt: Am 26. November 1990 trug ich auf einer wissenschaftlichen Fachtagung an der Universität Mainz vor, an der neben dem von mir geschätzten Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld unter anderem Ulrich Everling, Richter am Europäischen Gerichtshof, Professor Meinhard Hilf, Universität Bielefeld, Gerd Langguth, der Leiter des deutschen Büros der Europäischen Gemeinschaft, und der sozialdemokratische Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Willi Rothley, teilnahmen. Bei einer Tagung der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens an der Katholischen Universität Eichstätt vom 11.–14. April 1991 zum Thema „Naturrecht und Politik“ durfte ich referieren und mit Robert Spaemann, Karl Graf Ballestrem, Volker Gerhardt, Nikolaus Lobkowicz und Henning Ottmann, allesamt wissenschaftliche Schwergewichte im Bereich der politischen Philosophie, diskutieren (Kühnhardt 1992d). Bei dieser Tagung lernte ich den Spaemann-Schüler Walter Schweidler kennen, der ähnlich meiner damaligen Situation als Privatdozent für Philosophie auf dem Weg in eine akademische Karriere war.

3.3  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung …

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Abb. 3.17  Spaß mit dem Philosophen-Freund Walter Schweidler vor Auguste Rodins „Der Denker“ in Stanford (1995). (© Ludger Kühnhardt)

Wir begannen ein lebenslanges geisteswissenschaftliches Gespräch, gepaart mit beständigem Briefaustausch. In seinem ersten Brief vom 15. April 1991 legte Walter sein eigenes wissenschaftliches Selbstverständnis schön dar, demzufolge er „Philosophie nicht als etwas gegenüber den politischen und sozialen Herausforderungen der Gesellschaft Gleichgültiges, aber auch nicht als Quelle von Weltanschauungen betreibe“. 1995/1996 gewann ich Walter Schweidler, meinen Freiburger Lehrstuhl während des Forschungssemesters, das ich in Stanford verbrachte, zu vertreten. Vor Antritt dieser Aufgabe besuchte er mich in Stanford und bilanzierte in einem Brief vom 22. September 1995 „Kongenialität und gegenseitige Fruchtbarkeit unserer Gedanken“. Die „Fülle von Denkanregungen“, die er erwähnte, ging uns nie aus auf seinen weiteren beruflichen Stufen in Weingarten, Dortmund, Bochum und Eichstätt. 2011 widmete mir Walter Schweidler sein brillantes Buch Über die Menschenwürde (Schweidler 2011). Zu seinem 65. Geburtstag 2022 bedankte ich mich mit einer ausführlichen Würdigung seines fulminanten Lebensbuches Wiedergeburt (Schweidler 2020). Ich überschrieb den Text „The Searcher“, an Walters Lieblings-Wildwest-Film erinnernd, John Fords Meisterwerk „The Searchers“. Vor allem wollte ich mit dieser Überschrift Walter Schweidlers beeindruckendes Lebenswerk auf den Punkt bringen, den Weg eines unbestechlich Suchenden (Kühnhardt 2022b). Auch der Bildhauer Auguste Rodin spielte in meinem Essay eine Rolle, vor dessen Skulptur „Der Denker“ wir beide 1995 auf dem Campus der Stanford University

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spaßeshalber posiert hatten. Immer wieder fanden wir neue Anknüpfungspunkte für unser Gespräch über Gott und die Welt, Kultur und Politik, Leben und Wiedergeburt. Ich liess es mir nicht nehmen, zu Walters Abschiedsvorlesung am 20.Juli 2023 wenigstens per Zoom in Eichstätt dabei zu sein, dort, wo unser Gespräch 1991 begonnen hatte. Gerne steuerte ich zu dem würdigen Anlass ein kleines freundschaftliches Grusswort bei: Ich sprach über den Zusammenhang von Lebensbuch (Wiedergeburt) und Lebensort (Eichstätt) im Werk und Wirken von Walter Schweidler, dem unbestechlichen Meisterdenker.

Abb. 3.18  Gedankenaustausch über viele Jahre: Mit Walter Schweidler vor Piranesis Vedute „Concordia-Tempel auf dem Forum Romanum“ (2009). (© Ludger Kühnhardt)

Die Menschenrechte beschäftigten mich immer wieder und erweiterte dabei immer mehr die Zusammenhänge, von denen ihr Schutz abhängt. Am 6. Mai 1995 trug ich zu Menschenrechtsfragen im weltpolitischen Kontext im Studium Generale der Universität Karlsruhe vor und am 26. Januar 1995 im Ost-West-Kolleg Köln. Bei einem Symposium der Konrad-Adenauer-Stiftung zum 60-jährigen Bestehen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte diskutierte ich am 2. Dezember 2008 in Berlin mit Günter Nooke, dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, und Barbara Lochbihler, der Generalsekretärin von Amnesty International, die sich anschickte, 2009 für Bündnis 90/Die Grünen ins Europäische Parlament gewählt zu werden. Seit den späten 70er- und durch die 80er-Jahre hindurch habe ich immer wieder auf die Bedeutung des Nord-Süd-Themas hingewiesen. Es erschien mir stets auf Dauer wichtiger als die Ost-West-Fragen. Bei der Young Leaders Conference der AtlantikBrücke im September 1985 in Hamburg diskutierte ich über diese These mit Francis Fukuyama, damals empiriegläubiger Mitarbeiter der Rand Corporation und späterer Welt-Bestseller-Autor mit seiner eigentümlich hegelianischen, durch die Interpretation von Alexandre Kojève russisch-französisch gefilterten These vom Ende der Geschichte

3.3  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung …

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(Fukuyama 1992; Kühnhardt 1993b, S. 159 ff.). Ich wies darauf hin, dass sich in der sogenannten Dritten Welt erhebliche Veränderungen in Bezug auf das dort präferierte Wirtschaftsmodell vollzogen hatten. Nach Jahren des Protektionismus, der Abschottung bei gleichzeitiger staatlicher Zentralisierung wirtschaftlicher Produktionsprozesse seien die Idee des Marktes wieder gestärkt worden. In Sicherheitsfragen gab es zwar bis zum Ende des Ost-West-Konfliktes in der Dritten Welt noch immer Vorteile der Sowjetunion, aber auch Meinungsdifferenzen zwischen den USA und Westeuropa. Besonderes strategisches Augenmerk, so hatte ich seit den 1970er-Jahren argumentiert, müsse auf die Region am Persischen Golf gelegt werden, wo die Dinge sich in eine gefährliche Richtung entwickelten. Francis Fukuyama und ich besprachen damals ausführlich – wie in einem Arbeitsbericht der Atlantik-Brücke dokumentiert – die Gefahren, die aus der enormen Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt für die Stabilität in der Welt ausgehen können. Das rapide Wachstum der Bevölkerung im Süden und die schrumpfenden Bevölkerungen in den Industriestaaten, nicht zuletzt in Westdeutschland, seien auf besorgniserregende Weise miteinander verbunden. Ich machte damals auf Trendanalysen aufmerksam, die im maximalen Szenario davon ausgingen, dass die Bevölkerung von Westdeutschland von 60 Mio. im Jahr 1985 auf 35 Mio. im Jahr 2010 schrumpfen könnte. Wir erörterten mögliche Folgen für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Einige amerikanische Konferenzteilnehmer fragten, ob Deutschland nicht ohnehin so dicht besiedelt sei, dass ein Bevölkerungsrückgang auch positive Folgen haben könnte. Sie waren neugierig, ob durch den Bevölkerungsrückgang nicht neue Chancen entstünden, der von ihnen unter Deutschen wahrgenommenen Kinderfeindlichkeit entgegenzutreten. Wir stritten schließlich über die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland werden könnte oder werden sollte. Der Blick richtete sich damals zumeist statisch auf die Umstände der türkischen Gastarbeiterintegration. Masseneinwanderung nach Deutschland und Europa war damals noch jenseits aller Vorstellungswelten. Aber ich prognostizierte bereits 1985, dass der Einwanderungsdruck auf Europa immer größer werden würde. Ich irritierte mit dem Hinweis, dass, wenn es schlimm würde mit Bevölkerungsdruck und illegaler Einwanderung aus Afrika, sich niemand wundern solle, wenn eines Tages an der spanischen Grenze oder in den spanischen Exklaven in Marokko geschossen werden könnte. 1985 hielt man mich wohl für einen naiven Fantasten.

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Abb. 3.19  Die junge Welt der südlichen Hemisphäre: In einem Dorf in Kerala (1979). (© Ludger Kühnhardt)

Nach meinen längeren Aufenthalten in Tansania 1977 sowie in Südasien und in der Karibik 1979 hatte ich während der 1980er-Jahre weitere Länder und Regionen der Dritten Welt kennengelernt. Die Studienreisen nach Südostasien und China, nach Nordafrika und das östliche und südliche Afrika erweiterten meine Sicht auf das Entwicklungsproblem und seine politikwissenschaftliche Einordnung. Während ich mich daranmachte, das politische Denken in der südlichen Hemisphäre zu studieren, wurde mir die zentrale Bedeutung der Souveränitätsidee immer deutlicher. Mit der eigenen Souveränität steht und fällt der Anspruch der vielen „jungen“ Staaten der Dritten Welt, eigene Politikkonzepte zu verwirklichen. Souveränität konnte aber auch Entwicklung behindern und gar verhindern, wie ich an verschiedenen Orten gesehen hatte. In Verbindung mit ganz eigenen Ordnungsvorstellungen und Weltbildern würde die Souveränitätsidee sogar zu einem Kampfinstrument um die Umdeutung der Weltordnung werden können, wurde mir bewusst. Meine unterschiedlichen Beobachtungen und Gedankenstränge wollte ich nach der Habilitation in einen Zusammenhang einordnen, von dem ich überzeugt war, hier liege der Schlüssel zur besseren politikwissenschaftlichen Durchdringung der Entwicklungsproblematik: Die Ideengeschichte der südlichen Hemisphäre. Ich verabschiedete mich von dem Begriff „Dritte Welt“ und wollte den Wurzeln der Denktraditionen auf die Spur

3.3  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung …

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kommen, die in der südlichen Hemisphäre einerseits bei der Nationalstaatswerdung wirkmächtig gewesen waren und andererseits bei deren ambivalenter Durchführung immer erklärungsbedürftiger geworden waren. Nach Ende der ersten Amtszeit von Bundespräsident Richard von Weizsäcker wollte ich mich in jedem Falle wieder wissenschaftlich resozialisieren. So war es von Anfang an mit dem Bundespräsidenten vereinbart worden, als ich 1987 in seinen Mitarbeiterstab eingetreten war. Zum 1. September 1989 folgte ich daher einer Einladung von Sir Ralf Dahrendorf ans St. Antony’s College in Oxford. Als Senior Associate konnte ich in dieser wissenschaftlich außerordentlich inspirierenden und zugleich weltläufigen Atmosphäre meine akademischen Fundamente vertiefen. Ich griff das Thema meiner Antrittsvorlesung als Privatdozent vom Januar 1987 wieder auf und begann, zu diesem Thema eine umfassende Monografie zu erarbeiten. Die ersten Reaktionen der neuen Kollegen in Oxford waren ermutigend. Es machte mir wieder Freude, mich auf wissenschaftliche Forschung zu konzentrieren.

Abb. 3.20  Vom Guerillakämpfer zum Ministerpräsidenten von Simbabwe: Mit Robert Mugabe in Salisbury (1980). (© Ludger Kühnhardt)

Einige Vorträge und Konferenzen begleiteten meinen Wiedereinstieg in den Brunnen der Wissenschaft: Bei der Jahrestagung der Görres-Gesellschaft sprach ich am 2. Oktober 1989 in Salzburg über „Staatsphilosophie und Ideologiebildungsprozesse in den Nord-Süd-Beziehungen“. Aufgrund eines Feuers in meiner Pension am Stadtrand, in einem altehrwürdigen Bauernhaus gelegen, wäre um ein Haar mein Koffer mit dem Manuskript verbrannt. Nach einem geselligen Abend mit Hans Maier, Heinrich Oberreuter, Jürgen Schwarz und anderen Kollegen in der Altstadt von Salzburg drang ich im dunklen Anzug an den Polizeiabsperrungen und Feuerwehrleuten vorbei hinein in

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das brennende Gebäude mit bereits knirschenden und herunterstürzenden Balken und zog meinen Koffer nebst Manuskript heraus. Es muss für die Umstehenden ein merkwürdiger Anblick gewesen sein, mich auf die Straße kommen zu sehen, hinter mir das lodernde Holzhaus. In der Nachbarschaft fand ich eine neue Übernachtungsgelegenheit. Am nächsten Morgen, pünktlich um 9 Uhr 15 stand ich zum Vortrag in Hörsaal 402 der Universität Salzburg und gab den coolen Kerl, dem doch noch innerlich leicht die Knie zitterten (Kühnhardt 1993c, S. 37 ff.; Kühnhardt 2021, S. 365). In Oxford sprach ich am 10. Oktober 1989 zum Thema „From North to South and back: Some observations on the interactions of political thought in 19th and 20th century“. Das South-AsianHistory-Seminar der Modern History Faculty von Oxford hatte mich eingeladen. Ich erinnerte an die gegen Salman Rushdie ausgesprochene Fatwa und die Schwierigkeiten des kulturellen Nord-Süd-Dialogs. Der Westen schwanke, so führte ich aus, seit den Tagen von Voltaire zwischen Romantisierung und schroffer Ablehnung des Islams. Das derzeitige Phänomen der islamischen Revitalisierung müsse zu einer tiefergehenden historisch-philosophischen Perspektive veranlassen. Gleiches gelte auch im Blick auf die anderen Kontinente in ihren politisch-theoretischen Interaktionen mit Europa. Die Modernisierungsideologien Nationalismus, Sozialismus und Demokratie waren gebührlich erforscht, in Lateinamerika seit der spanischen neuscholastischen Theologie, im modernen Afrika mit den Beispielen von Julius Nyereres Ujamaa-Konzeption oder Leopold Sedar Senghors Ideen über die Kulturmodernisierung. Im Blick auf den arabischen Nationalismus hatten die bisherigen Forschungen Werke wie das von Sati Al-Husri, der sich im frühen 20. Jahrhundert zunächst der jungtürkischen Bewegung im Osmanischen Reich angeschlossen hatte, und von Salama Moussa rezipiert. Im Blick auf China sei das Denken von Sun Yat-Sen im Westen einigermaßen bekannt. Schon seine „Drei Prinzipien“ von 1904, aber erst recht die seitherigen Phasen der chinesischen Geschichte waren ideenpolitisch und faktisch zutiefst ambivalent. Japan, mit dessen konservativer Revolution ich mich schon ausführlicher auseinandergesetzt hatte, stach aus dem sonstigen Asien heraus als ökonomisch erfolgreiches, nicht westliches und zugleich verwestlichtes Land (Kühnhardt 1986, S. 295 ff.). In Indien, das ich mir auch in ideenpolitischer Hinsicht zu erschließen begonnen hatte, ließen sich unterschiedliche Varianten von eigenständigem Staatsdenken feststellen, so etwa bei Chanakya Kautilya (Kühnhardt 1988, S. 333 ff.; 1996, S. 11 ff.) zur Zeit von Kaiser Ashoka, bei der bengalischen Reformbewegung des 19. Jahrhunderts und bei ganz unterschiedlichen Versuchen der Umdeutung westlicher Fortschrittsbegriffe wie bei Mohammed Ali Jinnah oder Jawaharlal Nehru oder der grundsätzlichen Ablehnung westlicher Fortschrittsbegriffe wie bei Mahatma Gandhi. Genau diese Ambivalenzen interessierten mich für ein vertieftes Studium, erläuterte ich den Oxford dons. Ich spekulierte einstweilen, ob und wie sich der Bogen zwischen autochthonem politischen Denken in der südlichen Hemisphäre und den ideengeschichtlichen Traditionen Europas spannen ließ. Ich ging von befruchtenden Wechselwirkungen aus, ebenso aber von schroffen Ablehnungen europäischer Vorbilder. Vor allem aber interessierte mich das, was ich fast ein Jahrzehnt zuvor bei meinen Recherchereisen für Dokumentarfilme von Theologen über

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Inkulturationsprozessen in Indien und Korea gelernt hatte. Ich wollte überprüfen, ob sich im Bereich des politischen Denkens ähnliche Phänomene der Inkulturation feststellen ließen – und mit welchen Implikationen. Der Einfluss Leo Tolstois auf Mahatma Gandhi, Romain Rollands Übersetzung von Schriften Gandhis und die eigentümliche Wiederaufnahme des Gandhi-Fadens bei Ernst F. Schumacher in seinen Thesen über „small is beautiful“, eine Ideenschmiede für europäische Grüne und Alternative. Auch Jawaharlal Nehrus verwirrende Faszination für den Sozialismus wollte ich genauer studieren. Offenkundig gab es einen Ideentransfer vom Norden in den Süden. Aber umgekehrt? Ich zitierte den aus der Karibik stammenden späteren liberianischen Politiker Edward Wilmot Blyden mit seinem schönen Wort vom „South in the North“ und begann, nach den Trägern solcher Ideen-Transfers zu fragen. Das Thema, davon war ich schon nach wenigen Studien-Wochen in Oxford überzeugt, war unterbeforscht. Vom 1. bis 5. November 1989 war ich zu einer trilateralen Konferenz nach New Delhi eingeladen. Die Atlantik-Brücke, das Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. und das India International Center, brachten Politiker, Wirtschaftsbosse, Publizisten und Wissenschaftler aus Deutschland, den USA und Indien zusammen. Ich traf Karl-Heinz Narjes, den ehemaligen Kommissar der Europäischen Gemeinschaften, Theo Sommer, den Chefredakteur der „Zeit“, Ulrich Cartellieri, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Indiens Finanzstaatssekretär G.K. Arora, den Vorstandsvorsitzenden von Hindustan Lever, A.S. Ganguly, Abid Hussain von der indischen nationalen Planungskommission, R.K. Subramaniam, den früheren Direktor des Institute for Defense Studies and Analyses, Ratan N. Tata, den Vorstandsvorsitzenden des wohl berühmtesten indischen Unternehmens Tata Engineering and Locomotive Company, Dilip Mukherji, den Chefredakteur der Times of India, und neben anderen Amerikanern Michael Halzel, den Direktor des Westeuropa-Programmes des Wilson Center, dessen Tochter in einem meiner Bonner Seminare studiert hatte. Ich versuchte, meine historischtheoretischen Studien zu verknüpfen mit einem erneuerten Blick auf Indien, inklusive einem Ausflug nach Agra zum Taj Mahal. Über der Tagung aber schwebte vor allem ein Thema, das gar nicht auf der Tagesordnung stand: Der Umbruch, der gerade in Europa stattfand. Zum Ausklang der Tagung saßen einige von uns am 5. November 1989 um Walther Leisler Kiep, den Vorsitzenden der Atlantik-Brücke, seine mit mir befreundete Geschäftsführerin Beate Lindemann, und den deutschen Botschafter Konrad Seitz im weitläufigen Garten der deutschen Botschafterresidenz. Kiep erzählte, dass der DDRBotschafter ihn am Nachmittag zu einem vertraulichen Gespräch gebeten hatte. Im Gepäck habe er nun eine Botschaft von Erich Honecker an Helmut Kohl. Der DDRBotschafter hatte aber auch praktische Fragen angesprochen: Wie es wohl bald weitergehen werde mit dem Außenministerium der DDR und damit mit seiner persönlichen Zukunft? Offenbar ahnte der Mann das bevorstehende Ende der souveränen DDR. Indiens Ideengeschichte war auf einmal weit entrückt (Kühnhardt 2021, S. 366 f.). „World Politics and World Eonomy in Flux“ hatte der Titel der Tagung in New Delhi

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gelautet. Nur wenige Stunden später und 6000 Km Luftlinie westlich verwandelte sich „flux“ in Mauerfall und friedliche Revolution.

Abb. 3.21  Chinas große kulturelle Tradition: Am Grab von Konfuzius in Qufu (1984). (© Ludger Kühnhardt)

Jede Revolution produziert Kollateralschaden, auch eine friedliche Revolution. Für mich bestand dieser Kollateralschaden darin, dass ich mit dem Tag der Rückkehr aus New Delhi von den Folgen des Mauerfalls in Beschlag genommen wurde. Revolutionszeiten galt es zu verstehen, mitzugestalten und schließlich zu interpretieren (Kühnhardt 1994). Aus der großangelegten Idee einer Art Handbuch des politischen Denkens in der südlichen Hemisphäre in mehreren Bänden wurde unter diesen Umständen nichts. Ich konzentrierte mich auf das Wesentliche. Immerhin: 1992 erschien Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“ (Kühnhardt 1992c).

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Abb. 3.22  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der „Dritten Welt“ (1992). (© Ludger Kühnhardt)

Das Buch liest sich für mich immer noch wie der Einführungsband zu dem eigentlich geplanten mehrbändigen Handbuch mit Quellensammlung. „Mit dem Ende des OstWest-Konfliktes ist nicht das Ende der Geschichte erreicht worden. Vielmehr kommt eine neue Tagesordnung auf die Politik zu, deren Konturen Schritt für Schritt sichtbar werden,“ schrieb ich im Vorwort. Und weiter: „Zu ihnen gehört je länger desto stärker der Gesamtkomplex der Beziehungen zwischen den Industrieländern der nördlichen Hemisphäre und den als Entwicklungsländern bezeichneten Staaten der südlichen Hemisphäre. Ihre Sorgen und Forderungen werden die Politik des Nordens in Zukunft immer unausweichlicher beschäftigten.“ Es muss unterstrichen werden, dass ich nicht

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die sprachlich naheliegende Formel „Sorgen und Nöte“ bemühte, sondern bewusst von „Forderungen“ sprach. Ich wagte die Prognose, dass es in dieser Hinsicht vorwiegend um Fragen gehen wird, „die den Anspruch auf Souveränität und damit das staatliche Selbstverständnis der Staaten des Südens in einer immer interdependenteren Weltgemeinschaft berühren“. Politische Wissenschaft müsse sich, so meinte ich kühn, wieder einmal mit ihrer synoptischen Kraft bewähren: Ideengeschichte und internationale Beziehungen müssten zusammengedacht werden (Kühnhardt 1992, S. 1). Man hätte auch sagen können: Ideologiebildung und Geopolitik. Eine Generation später ist dieser Ausgangsbefund für jede weiterführende Forschung unausweichlich geworden. Stufen der Souveränität war klar strukturiert und methodisch schlüssig konzipiert. Im Kapitel I (Kühnhardt 1992, S. 2–34) unterzog ich die südliche Hemisphäre, wie ich abweichend vom Untertitel im Inhalt durchgängig schrieb, einer Neubewertung aus einer weithin vernachlässigten Perspektive: Dem Souveränitätsbegriff. Das war auch eine Absage an einen ökonomischen und zugleich szientistischen Entwicklungsbegriff, der damals wie heute die meisten Diskussionen über die Dritte Welt dominierte. Ich plädierte dafür, die Dritte Welt politisch ernst zu nehmen und daher nach Ziel, Reichweite und Grenze des Souveränitätsanspruchs zu fragen, mit dem alle Länder der südlichen Hemisphäre den Weg in die Unabhängigkeit erstritten hatten. Ich spannte den Bogen von Jean Bodin, der die Theorie von der Staatssouveränität im 16. Jahrhundert formuliert hatte, bis zu modernen Völkerrechtsdefinitionen und zeitgenössischen Theorien über Selbstbestimmung. In diesem Kontext müssten die Staaten der südlichen Hemisphäre neu bewertet werden, argumentierte ich, denn sie wollten doch vor allem eines: souverän sein. Ich entwickelte ein Modell unterschiedlicher Stufen von Souveränität, die die Länder der südlichen Hemisphäre offenbar zu durchlaufen haben. Ich verwies auf die Ambivalenzen, die sich aus diesem Anspruch für das zunehmende Zeitalter der Globalisierung ergeben können. Kapitel II beleuchtete die kulturellen Aspekte der Souveränität, das Verlangen nach kultureller Selbstvergewisserung (Kühnhardt 1992, S. 35–85). Ich bereitete Befunde kultureller Identitätssuche zur Kolonialzeit und vor dem Durchbruch des Dekolonialisierungsanspruchs auf. Kapitel III widmete sich den unterschiedlichen romantischen Pan-Ideen (Pan-Afrikanismus, Pan-Arabismus) und dem realpolitischen Sieg des Territorialprinzips (Kühnhardt 1992, S. 86–123). Es konnte nicht ausbleiben, dass die Durchsetzung des Territorialprinzips bei der Dekolonialisierung auf allen Kontinenten einen Preis hatte. In Kapitel IV analysierte ich diesen in politischer, ökonomischer und gesellschaftlich-kultureller Hinsicht (Kühnhardt 1992, S. 124–166). Gesellschaftliche Kohäsion musste oftmals künstlich erzeugt oder erzwungen werden. Sozialistische Visionen boten sich an. Aber sie führten zur baldigen Überforderung vieler Staaten in der südlichen Hemisphäre, wie ich in Kapitel V ausführlich und mit vielen Beispielen unterlegt, erläuterte (Kühnhardt 1992, S. 167–209).

3.3  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung …

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Abb. 3.23  Die Rolle der Uniformierten im Entwicklungsprozess: In der Türkei (1988). (© Ludger Kühnhardt)

Mit dem scheinbar (oder angeblich) unvermeidlichen Zwang zu diktatorischen Einschränkungen politischer Freiheit im Namen staatlicher Einheit drängte sich ein Spannungsfeld in den Vordergrund: Dasjenige zwischen der Idee der Staatssouveränität und der Idee der Volkssouveränität. Kapitel VI analysierte diese Dimension von Entwicklungs- und Fortschrittsideologien, die schlimme Desillusionierungen in alle Richtungen vieler Gesellschaften der südlichen Hemisphäre haben musste. Misstrauen, Radikalisierung und Bürgerkriege wurden in nicht wenigen Fällen zum bitteren Lehrgeld dieser Staaten (Kühnhardt 1992, S. 210–251). Die härteste Desillusionierung aber entstand in dem Bereich, in dem die ursprüngliche Souveränität so hohe Hoffnungen erzeugt hatte: Im Bereich der strategischen Souveränität, das heißt der Relevanz eines Staates in der Schlangengrube der globalen Machtkämpfe. In Kapitel VII sprach ich von einer Mausefalle, in die viele Staaten sich hineinbegeben hatten, und erwähnte Beispiele der ungleichen Verteilung von harten militärischen Machtfaktoren (Kühnhardt 1992, S. 252–292). Aber auch der pragmatische Weg der Förderung wirtschaftlicher Interdependenzen würde ambivalente Ergebnisse in der südlichen Hemisphäre schaffen, argumentierte ich in Kapitel VIII Globalisierung werde offenkundig immer weiter

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3 Weltordnungsfragen

gehen und mit ihr dürften wechselseitige Interdependenzen zunehmen (Kühnhardt 1992, S. 293–329). Aber auch in einer globalisierten Welt – und erst recht in einer Welt globaler Interdependenzen – würden Souveränitätsansprüche angefochten werden.

Abb. 3.24  Nachdenken über Geschichte und Politik: In Troja (1988). (© Ludger Kühnhardt)

Die Corona-Pandemie konnte ich mir damals nicht vorstellen, aber doch schon eine Reihe von Effekten der zunehmenden Interdependenz, die zu Siegern und Verlierern der Globalisierung gerade in der südlichen Hemisphäre führen mussten. In Kapitel IX fragte ich daher, was denn wohl nach der Souveränität kommen könnte (Kühnhardt 1992, S. 330–346). Ich sprach von der „Unterwanderung“ der Souveränitätsidee, ohne den später so beliebten Begriff der fragilen Staatlichkeit schon zu kennen. Ich sprach zögerlich von der europäischen Erfahrung mit supranationalem Souveränitätszusammenschluss, weil mir einstweilen nicht einmal der Prozess der kompletten nationalen Souveränitätsdurchsetzung vollkommen abgeschlossen schien. Ich dachte an die Randzonen Russlands, auch an den Kaukasus, und an den Nahen Osten. Dennoch wagte ich mich vor mit Stichworten zur Entwicklung einer Weltinnenpolitik. Wichtiger als die Überschrift schien mir der Themenfokus: Bevölkerungsentwicklung, Aufrüstung, Umweltfragen, die kulturellen und psychologischen Folgen der Modernisierung. Mit einem Fragezeichen versah ich 1992 meine Hoffnung, ob in Europa der Souveränitätszusammenschluss gelingen werde, der allein den weltgeschichtlichen Zweck haben würde, „dass Europa‚ seine globale Verantwortungsfähigkeit sehen und

3.3  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung …

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annehmen wird“ (Kühnhardt 1992, S. 366). Denn eines würde nicht mehr gehen: „Die nächsten Stufen der Souveränität, vor denen die Völker und Staaten der südlichen Hemisphäre stehen, betreffen auch Europas Zukunft. … Der sich vereinende Norden und der orientierungssuchende Süden bleiben aufeinander angewiesen und miteinander verwoben (Kühnhardt 1992, S. 366).“ Mein umfangreiches Literaturverzeichnis wäre auch heute noch eine Fundgrube für jeden, der den Faden weiterspinnen würde. Noch besser wäre gewesen, wenn dies schon weit vor 2015 geschehen wäre, als urplötzlich allerorten nach den Ursachen des Migrationsdrucks auf Europa und des damit einhergehenden politischen Kontrollverlustes gefragt werden musste.

Abb. 3.25  Indien zwischen alten Kulturen und neuen Problemen: Neben einem Bettler am Ganges in Rishikesh (1989). (© Ludger Kühnhardt)

Mein früherer Chef, Bundespräsident Richard von Weizsäcker, war der erste, der auf die Neuerscheinung mit einem langen Brief vom 13. November 1992 reagierte: „Mit der Souveränität verhält es sich ja ähnlich wie mit der Freiheit: wenn man sie einmal hat, beginnt erst die eigentliche Schwierigkeit, und zwar mit der Frage, wie man sie nutzt. Deswegen ist auch das reflexhafte Streben zum Nationalstaat, das wir gegenwärtig überall auf der Welt zu erleben scheinen, keine Antwort auf die Probleme, die sich uns nach

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dem Ende des Kalten Krieges stellen. Ich bin davon überzeugt, Ihr Buch hilft, dieses Thema besser zu verstehen und differenziert zu betrachten, zumal Ihr Hauptthema, nämlich die Dritte Welt, oft andere Analysen nahelegt als dies im Norden der Fall ist.“ Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans-Peter Repnik, unterstützte mit Schreiben vom 2. Dezember 1992 meine These von der Interdependenz, die dazu zwinge, zu einer Weltinnenpolitik vorzudringen. In der deutschen Entwicklungspolitik sei dieser Ansatz durchaus bereits angelegt. Die Umwelt- und Entwicklungskonferenz unter der Ägide der Vereinten Nationen, die im Juni 1992 in Rio de Janeiro stattgefunden hatte, sei im Weltmaßstab ein „erster Schritt in diese Richtung“. Eine kleine Randbemerkung mit Blick in die 1992 noch verschlossene Zukunft: Man durfte schon damals zu Recht kritisch sein, ob die Umwelt- und Entwicklungskonferenz der UNO und alle nachfolgenden Schritte ausreichend gewesen sind. Aber vor dem Hintergrund eines bereits fast 30-jährigen weltweiten Bemühens um eine Verbindung von Umweltschutz und Entwicklungserfordernissen kann man vielleicht auch verstehen, warum ich den maßlosen Lärm der Klimabewegung „Friday for Future“ seit 2019 oberflächlich, ahistorisch und anmaßend fand. Stufen der Souveränität fand nach seinem Erscheinen 1992 zunächst einige wohlwollende Rezensenten. Die Zeitschrift „Civis“ 1988 (3/4) urteilte auf Seite 48 sachlich: „Das Buch beleuchtet Anspruch und Wirklichkeit der Globalisierung des Territorialstaates in historisch-politikwissenschaftlicher Sicht. Es entsteht ein ideengeschichtliches Panorama, das Probleme beleuchtet, die hinter aktuellen Diskussionen um Entwicklungspolitik und internationale Beziehungen zu oft verborgen bleiben.“ Der Leipziger Islam- und Rechtswissenschaftler Hans-Georg Ebert führte mich in der ostdeutschen Tageszeitung „Neue Zeit“ vom 19. März 1993 als „intimer Kenner und Mitgestalter deutscher Innen- und Außenpolitik“ ein (Ebert 1993). Ich habe mich einer schwierigen, aber wichtigen Aufgabe unterzogen. Ebert kam zu dem Urteil: „Der Autor verdeutlicht, dass die Überwindung der bipolaren Welt auch ein Umdenken im strategischmilitärischen Bereich der Entwicklungsländer erfordere. Das Sicherheitskonzept müsse unbedingt erweitert werden (wirtschaftliche, ziviltechnologische Gesichtspunkte). Zur Krisenbewältigung solle an die Stelle einer angestrebten ‚wirtschaftlichen Souveränität‘ der Entwicklungsländer das Konzept der ‚wirtschaftlichen Interdependenz‘ treten.“ Ebert empfahl das Buch jedem an der Außenpolitik interessierten Leser. Und: „Es sollte jedoch auch in einer entsprechenden wissenschaftlichen Bibliothek nicht fehlen.“

3.3  Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung …

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Abb. 3.26  Islam und moderne Ordnung: Männerdominiert, aber noch sind verschleierte Frauen selten in Tunis (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Besonders intensiv setzte sich der Tübinger Politikwissenschaftler Christian von Haldenwang mit meinem Buch auseinander. Wer in den Debatten um Entwicklungsfragen und Nord-Süd-Themen „vornehmlich auf der Suche nach Munition für seine jeweilige Meinung ist,“ begann er mir sehr sympathisch, „wird von Kühnhardts Buch Stufen der Souveränität enttäuscht sein“. Ich hätte eine „grundsätzliche, historisch fundierte Erörterung des Territorialstaates“ vorgelegt. Ausführlich zeichnete er den Aufbau und die Kernaussagen meiner Buchkapitel nach. Seine Schlussfolgerung: „Stufen der Souveränität liest sich spannend und ist bei allem Mut zur Verallgemeinerung, mit angesichts der Komplexität des Themas gebotener Zurückhaltung geschrieben.“ Er rühmte die historische, komparative Herangehensweise an die Darstellung der Entwicklung des Territorialstaates in der südlichen Hemisphäre und dessen strukturelle Schwächen. Diese Erkenntnisse seien „nicht revolutionär, öffnen jedoch den Blick für die Zusammenhänge internationaler Entwicklungen“ (Haldenwang 1994, S. 87 f.). Danach herrschte Funkstille an der Rezensionsfront. Im politischen Raum sowieso. Vielleicht wurde ja in Bibliotheken mit meinem Buch gearbeitet.

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3 Weltordnungsfragen

Abb. 3.27  Harte Arbeit, kurzes Leben: In der Kloof Goldmine in Westonia (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Im Juli/August 1991 wurde ich erstmals zu einer internationalen Gastprofessur eingeladen. An der University of Capetown strömten Hunderte junger Leute zu meiner Vorlesung „The world after communism“. Nicht wenige von ihnen, vor allem die lautstärksten und diskussionsfreudigsten Studenten, glaubten noch immer, das kubanische Modell sei auch für Südafrika attraktiv. Das Highlight während des Winters am Kap der Guten Hoffnung: Ich konnte einen unvergesslichen Abend mit Nelson Mandela verbringen, der Ikone des Anti-Apartheid-Kampfes (Kühnhardt 2021, S. 393 ff.). Südafrika war auf dem Weg in eine neue Staatsordnung. Der friedliche Übergang wurde in aller Welt mindestens so sehr gerühmt und beachtet wie der weithin friedliche Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks. Anders als Südafrika aber blieb Russland ein gefallenes Imperium, das mit seiner endgültigen Dekolonialisierung haderte. Das Souveränitätsthema gewann eine weitere gewichtige Komponente, die nach Jahrzehnten neu eskalierte, als Russlands Präsident die Staatlichkeit der Ukraine verneinte und sein revisionistisches Ansinnen mit militärischer Gewalt untermauerte. Mitte der 1990er-Jahre vertiefte ich das Thema Souveränität in der südlichen Hemisphäre immer wieder einmal und stellte es in größere Zusammenhänge, beispielsweise bei einem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft am 2. Dezember 1994 in Bonn (Kühnhardt 1995c, S. 75 ff.), der auch in Japan nachgedruckt wurde (Kühnhardt 1995d). Hans-Peter Schwarz entdeckte in einer Jahrhundertbilanz

3.4  Wissenschaft für die Demokratie (Kühnhardt 1987c ): Karl Dietrich …

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im Jahr 2000 mein Buch wieder und ordnete es präzise ein: Stufen der Souveränität sei „eine in Kombination kultursoziologischer, ideengeschichtlicher, verfassungsgeschichtlicher und ökonomischer Perspektiven besonders aufschlußreiche Untersuchung“ (Schwarz 2000, S. 17). Unterdessen wäre es an der Zeit gewesen, dass sich nicht nur Rezensenten, sondern auch Politiker mit den Fragestellungen auseinandersetzten, die ich vorgetragen hatte. Wer aber wollte diese Fragen damals hören? Wer wollte sich überhaupt beraten lassen, wenn es um Vorausschau ging? Meine Hoffnung auf effektive Wirkungen politikwissenschaftlicher Analysen auf politische Akteure wich spätestens in den Jahren um die Jahrtausendwende einem sehr differenzierten Urteil. Dies hatte nicht nur mit dem Politikbetrieb, sondern auch mit dem immer rascher voranschreitenden Wandel des Charakters der Öffentlichkeit zu tun. Mediales Infotainment führte seit der Jahrhundertschwelle zunehmend dazu, dass Bücher und ritualisierte Gremienarbeit an Bedeutung abnahmen, wenn es galt, Einfluss auf politische Akteure zu gewinnen. Wenn überhaupt jemand unter den Akteuren der Politik an der vorausschauenden Durchdringung von Fragestellungen unter den Akteuren der Politik interessiert war, so lernte ich, lud er oder sie zu vertraulichen Einzelgesprächen ein. Den Protagonisten herrschaftsfreier Diskurse mochte dies behagen oder nicht. So hatte sich aber nun einmal die politische Kultur in der Berliner Republik entwickelt. Vieles davon blieb mir fremd. Ich sah mich in der Kontinuität des Bonner Seminars für Politische Wissenschaft.

3.4  Wissenschaft für die Demokratie (Kühnhardt 1987c): Karl Dietrich Bracher und das Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn Als 1959 das Seminar für Politische Wissenschaft an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn begründet wurde, war die Bundesrepublik Deutschland bereits zehn Jahre alt. Gleichwohl konnte das neuerrichtete Universitätsseminar schon recht bald zu einem der Kristallisationspunkte in der Entwicklung der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland werden (Quadbeck 2008). Als der Fokus der deutschen Politik sich 1999 von Bonn nach Berlin verschob, nahm die vom Rhein an die Spree ziehende und sich dort neu sortierende Karawane nicht nur die Erbschaft der Bonner Jahrzehnte eines konsolidierten demokratischen Rechts- und Verfassungsstaates mit. Sie nahm auch die Wirkungen des einzigartigen Profils mit, mit der sich die Bonner Politikwissenschaft bis dahin in die Annalen der deutschen politischen Kultur eingeschrieben hatte (Mayer und Kronenberg 2009). Dieser Aspekt des Hauptstadtwechsels hatte zuallererst damit zu tun, dass nach 1959 die richtigen Professoren zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen waren, um tief zu wirken und weit auszustrahlen. Politik war ihr wissenschaftlicher Beruf und mehr noch: Ihre Berufung war es, der Politik ihrer Zeit Leitplanken zu geben, Orientierung, Ermutigung und Widerspruch.

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3 Weltordnungsfragen

Im Mittelalter ist gesagt worden, die Philosophie sei die Hilfswissenschaft der Theologie. Später ist gesagt worden, die restlichen Fächer der philosophischen Fakultät seien Hilfswissenschaften der Philosophie. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist über die Begründer der politischen Wissenschaft in Deutschland unisono gesagt worden, die politische Wissenschaft sei die Hilfswissenschaft der Demokratie. Nach der nationalsozialistischen Diktatur etablierte sich die politische Wissenschaft in Deutschland nach 1949 wie selbstverständlich als Anleitung zur praktischen Demokratie. Das erklärt, warum am Bonner Seminar für Politische Wissenschaft bis in die 1990er-Jahre eine gleichsam naturgegebene überdurchschnittlich ausgeprägte Interdisziplinarität unter den Studierenden zu verzeichnen war. Der Studiengang der Politischen Wissenschaft wurde in den Aufbaujahren der Bundesrepublik Deutschland auch von fachfremden Studenten als ergänzendes Studium Universale genutzt, um sich zum eigenverantwortlichen Bürger zu formen. Mit der Konsolidierung der deutschen Demokratie und endgültig mit dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin 1999 entrückten Fragen nach der Weimarer Republik und dem nationalsozialistischen Deutschland in die Geschichtswissenschaft. Das Interesse vieler Studierender zerfiel wieder stärker in einzelne Fachdisziplinen. Die Politik selbst wurde immer fragmentarischer und schuf sich in Berlin ihr eigenes, ganz neues und wenig überraschendes Biotop. Die Politische Wissenschaft insgesamt und allerorten musste unter diesen äußeren Bedingungen unvermeidlicherweise an staatspolitischer Autorität in Deutschland verlieren. Schon vor seinem Ruf nach Bonn 1959 hatte Karl Dietrich Bracher seinen intellektuellen Bogen weit gespannt, ehe das wissenschaftliche Leben ihn in die Aufgabe stellte, seinen ausstrahlungsstarken Beitrag zur Konsolidierung des westdeutschen Rechts- und Verfassungsstaates zu leisten. 1922 geboren, wuchs Bracher auf in den umkämpften Jahren der Weimarer Republik und hinein in die nationalsozialistische Diktatur. Diese zog den Abiturienten 1940 in die Wehrmacht ein. 1943 geriet er, glücklicherweise für seinen weiteren Weg, in amerikanische Kriegsgefangenschaft in Kansas. Dort wurde sein Horizont in einer ungewöhnlichen Lageruniversität fast drei Jahre lang enorm erweitert. Im anschließenden Studium der Alten Geschichte in Tübingen suchte Bracher nicht nur nach der Vertiefung seiner bildungsbürgerlichen Wurzeln, sondern auch nach tieferliegenden Antworten auf die Frage, warum die Weimarer Republik scheitern konnte. Mit seiner erst Jahrzehnte später in schöner Form veröffentlichten Dissertation über Verfall und Fortschritt im Denken der frühen römischen Kaiserzeit (Bracher 1987) und seiner Habilitation über Die Auflösung der Weimarer Republik (Bracher 1955) legte Bracher die Grundlagen für ein Werk, für das ihn Patrick Bahners zum 90. Geburtstag 2012 als „Thukydides am Rhein“ ehren sollte. Bonn ist nicht Weimar, so hatte es 1956 prononciert auf einem Buchdeckel gestanden, wenige Jahre bevor Karl Dietrich Bracher 1959 auf den Bonner Lehrstuhl berufen wurde. Die Forschungsschwerpunkte von Bracher waren zugleich Spiegelbild der deutschen politischen Kultur in der Nachkriegszeit. Anknüpfend an seine Studien zur Auflösung der Weimarer Republik, der ersten deutschen Demokratie, sezierte er minutiös Die nationalsozialistische Machtergreifung (Bracher 1960) und danach Die deutsche

3.4  Wissenschaft für die Demokratie (Kühnhardt 1987c ): Karl Dietrich …

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Diktatur (Bracher 1969). Bracher beschönigte nicht die Zentralität Deutschlands durch Vernebelungsbegriffe wie Nazi-Diktatur, Hitler-Deutschland oder Drittes Reich. Es war und blieb eine Diktatur der Deutschen, erwachsen aus den Ambivalenzen der deutschen politischen Kultur und Verfassungsgeschichte, die Bracher als Das deutsche Dilemma. Leidenswege der politischen Emanzipation (Bracher 1971) verstand. Die Erschütterungen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Deutschland und Europa erfassten, spiegelten sich in seinen geisteswissenschaftlich grundlegenden Beiträgen zur Totalitarismusforschung (Bracher 1976; 1981). Er blickte aber nicht nur zurück, sondern immer auch nach vorne, so in einer historisch-politischen Gesamtbewertung der Umwälzungen des 20. Jahrhunderts unter dem Titel Die Krise Europas. Seit 1917 (Bracher 1993). Zugleich war er immer auch Historiker der Geschichte des politischen Denkens. Sein großes Werk Zeit der Ideologien. Eine Geschichte politischen Denkens im 20. Jahrhundert (Bracher 1982; 1985) ist ein Klassiker der politischen Philosophie und Ideengeschichte, entstanden im Anfangszeitraum meines eigenen Studiums.

Abb. 3.28  Übergabe der Dankschrift „Fußnoten“ an Karl Dietrich Bracher. Rechts im Bild Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der britische Botschafter Sir mit seiner Frau (1987). (© Ludger Kühnhardt)

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3 Weltordnungsfragen

In der Vorlesung, durch die ich im Wintersemester 1979/1980 Bracher kennenlernte, spannte er auf begeisternde Weise den Bogen von der Antike, das heißt vom politischen Denken bei Griechen und Römern bis in die Gegenwart. Am Rande einer seiner Vorlesungen gesellte sich Bracher zu mir und anderen Kommilitonen unter der „Regina Pacis“ vor dem Bonner Universitätsschloss. Er erzählte, er werde bald für einige Monate nach Washington ans Woodrow Wilson International Center for Scholars gehen. Er ermunterte mich, danach doch auch einmal eines seiner Seminare zu besuchen. Ich hatte Geschichte und Philosophie zu studieren begonnen und wäre ohne den historischen Ansatz seines Denkens und des Entwurfs seiner Vorlesungen und Seminare wohl kaum bei Professor Bracher und der durch ihn verkörperten Politischen Wissenschaft gelandet. Wahrscheinlich wäre ich in der regulären Geschichtswissenschaft, die in Bonn einen hervorragenden Ruf hat, geblieben. In den 80er-Jahren studierte ich, was Karl Dietrich Bracher erlebt und erforscht hatte. Sein wissenschaftliches Erbe, die Kernelemente seiner Forschungen zu Fragen von Freiheit und Demokratie, Diktatur und Ideologie, Macht und geschichtlicher Erfahrung übersetzte und verlängerte ich in mein eigenes Denken, basierend auf dem, was ich selbst frühzeitig vor allem in der Dritten Welt erlebt hatte. Ich habe Karl Dietrich Bracher immer als meinen wichtigsten wissenschaftlichen Wegbereiter empfunden. Meine erste politikwissenschaftliche Vorlesung hatte ich im Winter 1977/78 eher zufällig am Rande meiner Journalistenausbildung in München bei Kurt Sontheimer gehört. Auch Kurt Sontheimer war ein politischer Lehrer. Er zog Studierende an, die seine Deutung der politischen Kultur der Bundesrepublik hören wollten. Er musste dafür nicht am Regierungssitz lehren, sondern blieb ein ganz eigener akademischer politischer Kopf in München, der sich nebenher in der Wählerinitiative für Willy Brandt engagierte. Wilhelm Hennis in Freiburg, dem ich 1991 auf dem von Arnold Bergstraesser begründeten Lehrstuhl nachgefolgt bin, war ein politischer Feuerkopf erster Güte. Hennis blieb immer ganz bewusst in Distanz zum Ort des politischen Geschehens, obwohl er in jungen Jahren als Mitarbeiter des SPD-Bundestagsabgeordneten Adolf Arndt in der Politik Blut geleckt hatte. So wären eine ganze Reihe weiterer bemerkenswerter Köpfe der politischen Wissenschaft in Deutschland zu erwähnen – darunter Theodor Eschenburg, Hans Buchheim oder Carl Joachim Friedrich –, die in den Jahrzehnten des demokratischen Neubeginns und der Konsolidierung der Bundesrepublik Deutschland in beeindruckender und vielfach nachwirkenderweise Teil der deutschen politischen Kultur gewesen sind. Das Bonner Seminar für Politische Wissenschaft aber war schon ein ganz besonderer Ort. Karl Dietrich Bracher war von seinem ganzen Naturell jemand, der zu dem oftmals lauten, leicht schrillen und schnell wieder verpuffenden politischen Getöse persönliche Distanz gehalten hat, ohne den Bonner Politikbetrieb an sich in Bausch und Bogen zu verurteilen. Er wäre nie ein Mann der später so grassierenden, unsäglichen FernsehTalkshows geworden. Aber er war auf seine ganz eigene, unverwechselbare Weise als Gesprächspartner, durch Vorträge und über seine Schriften von 1959 bis zum Wegzug der Bundesregierung 1999 nach Berlin vier Jahrzehnte lang parteiübergreifend Berater und

3.4  Wissenschaft für die Demokratie (Kühnhardt 1987c ): Karl Dietrich …

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Wegbegleiter der Politik am Bonner Regierungssitz. Als ein öffentlicher Intellektueller hat er in diesen Jahrzehnten wichtige Beiträge zur Entwicklung, Festigung und Weiterentwicklung der politischen Kultur und der zeitgeschichtlichen Selbstvergewisserung der Bundesrepublik Deutschland geleistet. Noch im Rückblick kann ich mir Karl Dietrich Bracher lebhaft als Gesprächspartner in kleiner Runde bei Bundespräsidenten oder Bundeskanzlern vorstellen. Ebenso wirkte er als gefragter Festredner bei vielen Anlässen der zeitgeschichtlichen Verortung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Demokratie. Eine Zeitlang war es undenkbar, sich in Bonn und in mancher Landeshauptstadt zu Erinnerungsveranstaltungen zur nationalsozialistischen Machtergreifung, zum Widerstand des 20. Juli, zum Gedenken an das Kriegsende, zum Tag der Deutschen Einheit oder zum Gedenktag der Verkündigung des Grundgesetzes zu begeben, ohne auf einen Festvortrag von Karl Dietrich Bracher zu stoßen. Seine Aufnahme in den von Bundespräsident Theodor Heuss erneuerten Orden „Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste“ 1992 hat die Bedeutung seines Lebenswerkes gerade wegen ihrer öffentlichen Ausstrahlung, die weit über die deutsche und internationale Wissenschaft hinausging, sehr zu Recht gewürdigt. Im Laufe der Jahre erfolgte bei Karl Dietrich Bracher ein Bruch in Bezug auf sein Empfinden hinsichtlich des „Aufbruchgeistes von 1968“. Dieser Bruch wird markiert durch sein Eintreten gegen die Notstandsgesetze 1968 einerseits und seine Warnungen Anfang der 1980er-Jahre vor neuen ideologischen Versuchungen, vor dem Terrorismus der Roten Armee einerseits, aber auch vor romantischen politischen Bewegungen wie den frühen „Grünen“ andererseits. Bracher sah sich selbst immer in Kontinuität zu seinem eigenen Denken, vor allem hinsichtlich seiner Skepsis gegenüber einem ungebändigten Fortschrittsoptimismus. Seine wissenschaftliche Deutung der Zeitgeschichte wie der aktuellen Politik blieb unbestechlich von den Koordinaten geleitet, die er frühzeitig formuliert hatte. Niemand in der deutschen Nachkriegswissenschaft hatte sich so früh und so intensiv wie er mit Übel und Elend des Zerfalls der Weimarer Republik, den geistigen und verfassungspolitischen Ursachen des Aufstiegs von Hitler, der nationalsozialistischen Diktatur und den Kriegsverbrechen durch Deutsche befasst. Deswegen war für Karl Dietrich Bracher die Verteidigung der Freiheit und eines pluralistischen Denkens immer das oberste Gebot. 1968 lebte er in einer anderen Republik als 1980 und gar schon 2015. Als die deutsche Gesellschaft sich änderte, galt Bracher manchen auf einmal nicht mehr als progressiv, sondern als überraschend konservativ, obgleich sich eigentlich nur die Zeit, nicht aber seine konstant gebliebenen Maßstäbe von der verfassungsverbürgten, gemäßigten Demokratie geändert hatten. Seine Biografie durchzog stets eine klare, einfache und gerade Linie: Aus historischer Verantwortung die Demokratie immer wieder gegen alle Extreme zu verteidigen und Deutschland nach Europa zu führen. So sind noch seine letzten Bücher und Diskussionsbeiträge gefasst: Aus der Geschichte kann, ja muss man lernen (Bracher 1987a; 1992; 2001). Stets hat er alles in seiner geistigen Macht Stehende getan, um dieses Diktum zu

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bekräftigen. Die wehrhafte Demokratie gegen alle Anfechtungen von links oder rechts zu verteidigen blieb sein konstanter Kompass als Forscher und Lehrer. Das Fundament für sein Denken war jenseits der Bonner Republik gelegt worden im Studium der Geschichte politischer Ideen und in der Strukturanalyse der jüngeren Zeitgeschichte. Es war nur folgerichtig, dass Bracher zu je unterschiedlichen Zeiten der Bonner Jahre unterschiedliche Akzente setzte, eine Vielfalt ebenfalls unterschiedlich geprägter Schüler an sich band und auf vielfältige Weise akademische Anstöße gab, weit über seine eigenen engeren wissenschaftlichen Forschungen hinaus. Das Feuer dessen brannte in ihm, dem Politik zum Beruf und die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Politik zur Berufung geworden war. Seine menschenfreundliche Art hat Karl Dietrich Bracher seinen Studenten gegenüber immer beibehalten, ebenso seinen anthropologischen Optimismus. Junge Menschen sind noch dabei, sich zu entwickeln, so wusste er nur zu gut. Sie muss man in ihren Interessen fördern und unterstützen, beispielsweise bei dem Bemühen um ein Stipendium für ein Auslandsstudium. Er wurde nie müde, Empfehlungsschreiben für seine Studierenden zu verfassen. Für Examensarbeiten und Dissertationen nahm er immer diejenigen Studenten an, von denen er überzeugt war, dass sie mit Leidenschaft einer bestimmten Fragestellung nachgehen wollten. Er versuchte, das Thema in den großen Zusammenhang seines eigenen Denkens zu stellen und ließ den Doktorandinnen und Doktoranden ansonsten alle Freiheit zur eigenen Gestaltung von Thema und Fragestellung. Im Doktorandenkolloquium von Professor Bracher herrschte stets eine dichte intellektuelle Atmosphäre. Dieses Doktorandenkolloquium war die durch Professor Bracher geprägte und zugleich von ihm stets ungern sogenannte „Schule“, eine hohe Schule des vielfältigen und pluralistischen geistigen Austausches, in der sich die unterschiedlichsten Kommilitonen mit den denkbar unterschiedlichsten Themen aus denkbar unterschiedlichen Perspektiven befassten. Wie von Zauberhand wurden unsere Bemühungen bei aller Unterschiedlichkeit der Themen durch den roten Faden der großen geistigen Fragestellungen zusammengehalten, die Brachers eigenes Denken beschäftigten. Bracher antwortete auf jede Präsentation eines Dissertationsprojektes mit einer Art von KoReferat, in dem er den geistigen Kontext ausleuchtete und erweiterte, in dem die Arbeit der oder des jeweiligen Kommilitonen stand. Karl Dietrich Bracher wusste immer sogleich den geisteswissenschaftlichen Zusammenhang einer punktuellen Frage zu vermessen. Er reduzierte seine Lehrerrolle nicht auf methodische oder technische Fragen, obgleich auch diese erörtert wurden. Er zog uns immer hinein in sein eigenes Denken über Freiheit und Geschichte, Politik und politische Kultur. Brachers Doktorandenkolloquium war gelebter Pluralismus. Ihm ging es dabei nie darum, seine eigene Meinung aufzupressen. Er wollte uns Doktoranden helfen, weiter zu denken als wir es gewöhnlich im Rahmen eines Promotionsprojektes taten. Er half uns, den größeren Kontext zu verstehen, in den wir geistig hineinwuchsen. Dadurch kamen wir Doktoranden auch untereinander in optimaler Weise ins Gespräch miteinander. Solche akademische Gemeinschaft hat sich

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in jeder neuen Studentengeneration, die Bracher bis zu seiner Emeritierung anzog, immer wieder neu gebildet. Sie ist stets informell geblieben. Wie überall im Leben, so haben sich auch unter uns Studierenden Freundschaften gebildet, die über die Zeit des Studiums hinausgetragen wurden. Immer wenn man sich sah, wurde das Gespräch auch auf die gemeinsam prägende Studienzeit bei Professor Bracher gelenkt oder Bezug auf einen seiner bleibenden Gedanken genommen, die weiterhin anregten und Referenzpunkt unseres eigenen Denkens und späteren Handelns geblieben waren. Man muss an dieser intellektuellen Stelle ansetzen, auch um zu verstehen, warum – um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen – Studenten wie Friedbert Pflüger, später CDU-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, und Rudolf Scharping, langjähriger SPD-Parteivorsitzender, nach Bonn zum Studium bei Karl Dietrich Bracher gingen und nicht an einen anderen wohlklingenden Hochschulort. Einen gewissen Zusammenhang gibt es natürlich zwischen dem Sitz einer Regierung und der Neugier politisch interessierter junger Menschen auf ein politiknahes Studium an einem solchen Ort. In den Jahrzehnten, in denen Bonn Regierungssitz war, fanden sich selbstverständlich überproportional viele Studierende der politischen Wissenschaft, die durch ein besonderes Interesse an der Nähe zur Politik angezogen und geprägt waren. Dies gilt für die Jahrzehnte des Wirkens von Karl Dietrich Bracher und seines Kollegen Hans-Adolf Jacobsen. Es gilt ebenso für die Tätigkeit ihrer beiden Nachfolger Hans-Peter Schwarz und Karl Kaiser. Natürlich wurden nicht alle diese Bonner Studierenden der Politischen Wissenschaft Parteivorsitzender oder Staatssekretär. Aber viele wurden Mitarbeiter von Abgeordneten, Beamte in Bundesministerien, Diplomaten, Journalisten oder Mitarbeiter von politischen Stiftungen und anderen Institutionen mit Nähe zur gestaltenden Politik. Als Student in Bonn fanden sie in Karl Dietrich Bracher von 1959 bis 1987 einen Gelehrten, der große, auch international hoch geachtete Gelehrsamkeit mit einem wachen Blick auf das politische Bonn verband und der trotz persönlicher Distanz gegenüber den politischen Schlachten des Tages in politischen Kreisen hoch angesehen war. Bracher stand über dem täglichen politischen Getöse, dem er eine geistige Fassung und einen historischen Tiefgang geben konnte. Er war die Antithese zum deutschen Gelehrten, der sich an seiner Politikferne delektieren kann und zugleich war er die Antithese zum semi-politischen Wissenschaftsmanager, der irgendwie ein verkannter Staatssekretär ist. Der symbiotische Zusammenhang, den er gerade deswegen zwischen Wissenschaft und Politik herstellte, war einzigartig und faszinierend. Bracher war durch und durch ein Staatsbürger, jenes zoon physei politikon, von dem Aristoteles schon in der Antike schwärmte. Er brauchte Bonn als Standort weniger, als dass Bonn ihn brauchte, um der Standort zu werden, als der er in die deutsche Geschichte eingegangen ist: Der Standort einer nach Europa geöffneten, in sich demokratisch gefestigten neuen politischen Kultur, die aus der Asche der nationalsozialistischen Diktatur zu einem Teil des politischen Westens geworden ist.

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Abb. 3.29  Karl Dietrich Bracher und Hans-Peter Schwarz gratulieren mir zu meinem Ruf nach Freiburg (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Vom 1. September 1985 bis zum 28. Februar 1987 war ich der letzte wissenschaftliche Assistent von Karl Dietrich Bracher vor dessen Emeritierung. Ich hatte mir damals regelmäßig Tagebuchnotizen über die fast täglichen Gespräche mit Professor Bracher gemacht. Für eine umfassende Würdigung von Werk und Wirkung Karl Dietrich Brachers bereitete ich diese Aufzeichnungen und eine frühere Veröffentlichung über Bracher auf, die unter dem Titel „Wissenschaft für die Demokratie“ erschienen war (Kühnhardt 1987c). Anlässlich seines 100. Geburtstags 2022 veröffentlichte ich – nach einem kurzen Nachruf unmittelbar nach seinem Tod am 16. September 2016 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – ein umfangreiches Lebensbild, so wie ich Karl Dietrich Bracher über drei Jahrzehnte bis zu seinem Tod erlebt hatte. Ich verarbeitete darin auch die vielen Tagebuchnotizen, die ich mir über Jahrzehnte nach Gesprächen mit Bracher gemacht hatte. Im Titel der Erinnerungsschrift formulierte ich seine wissenschaftliche und staatsbürgerliche Grundhaltung, die zugleich Auftrag für uns Nachgeborene in jedweden Zusammenhängen geblieben ist: Aus der Geschichte lernen (Kühnhardt 2016a; Kühnhardt 2022c). Am anrührendsten war der schöne Brief, den mir daraufhin der 94-jährige Rudolf Morsey schrieb, emeritierter Professor für Neuere Geschichte in Speyer. Er hatte sich im Wintersemester 1965/66 in Bonn mit einer grundlegenden Arbeit über die Zentrumspartei in der Weimarer Republik habilitiert. Morsey erinnerte daran, wie Karl Dietrich Bracher als damaliger Dekan der Bonner Philosophischen Fakultät im Talar seine Antrittsvorlesung als Privatdozent eingeleitet

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hatte. Morsey schrieb sodann, mein Büchlein habe er „mit größtem Interesse und anhaltender Spannung“ gelesen. Die „Mühen des Alters“ hätte ich „eindrucksvoll und würdig beschrieben“. Mit Unterstützung von Bonns damaligem Oberbürgermeister Ashok Shridaran hatte ich bereits 2016 einen mühevollen Prozess erfolgreich auf den Weg gebracht, damit in Bonn bei passender Gelegenheit eine Straße nach Karl Dietrich Bracher benannt werden würde. Dem Bonner Universitätsmuseum übergab ich vor meiner eigenen Emeritierung den Talar und das Barett von Karl Dietrich Bracher. Er hatte mir beides 2009 anvertraut. Nichts konnte auf Dauer würdiger sein und Bracher mehr ehren als die öffentliche Ausstellung seines persönlichen Talars, verbunden mit einem Einblick in Brachers wissenschaftliches Werk und seine öffentliche Wirkung. Ich war sehr zufrieden, dass der Leiter des Universitätsmuseums, Thomas Becker, der höchste Wertschätzung für Karl Dietrich Bracher hegte, für meinen Doktorvater einen würdigen Ort der Ausstellung seines Talars und seiner Werke im Bonner Universitätsmuseum vorsah. Für mich war während meiner Zeit als Brachers wissenschaftlicher Assistent in der Mitte der 80er-Jahre kaum etwas interessanter und politischer gewesen, als Brachers pointierte Deutungen der Tagespolitik zu erfahren. Dabei lernte ich, wie er seine Tagesanalysen immer sogleich in größere zeitgeschichtliche Zusammenhänge stellen konnte. Das war für mich noch einmal ein zusätzlich geschenktes Studium über die Grundfragen des Koordinatensystems, in dem Deutschland, Europa und die USA einerseits, das ideengeschichtliche Erbe und die normative Basis der Ordnung der Demokratie andererseits die zentralen Eckpunkte waren. Bracher hatte überhaupt kein Problem mit dem Spagat zwischen Wissenschaft und Politik. Viele seiner politischen Beobachtungen und seiner politikwissenschaftlichen Analysen waren – und das hat auch viele seiner Schüler, mich einschließlich, angezogen – gefestigter und realitätsnäher als die mancher seiner Kollegen, die meinten, dass ihre physische Entfernung vom politischen Geschehen ein besonderer Ausweis von wissenschaftlicher Objektivität sei. Die Kenntnis der Mechanismen der Politik hat Bracher immer interessiert. Viele Forschungsarbeiten sind bei ihm entstanden, die sich mit der einen oder anderen Frage aus diesem Kontext befasst hat, mit prozeduralen Fragen, auch mit bestimmten Phasen und Themenentwicklungen in Außen- und Innenpolitik. Bracher war nicht nur zu erwärmen für zeitgeschichtliche Themen und historisch-politische Fragen der Geistesgeschichte, sondern immer auch für sehr konkrete Fragen der Politikentwicklung. Am 13. März 1987 wurde Karl Dietrich Bracher 65 Jahre alt. Zu einer beeindruckenden Geburtstagsfeier im Festsaal der Bonner Universität durfte ich an diesem Tag zusammen mit meinem neuen Chef, Bundespräsident Richard von Weizsäcker und seinem Pressesprecher, meinem Kommilitonen und Studienfreund Friedbert Pflüger im gepanzerten Dienstwagen des Bundespräsidenten mit dem Nummernschild „0-1“ vorfahren. Rektor Kurt Fleischhauer begrüßte uns. Fast 200 Gäste hatten sich zu einer würdigen und angemessenen Feier im Festsaal eingefunden. Sie ehrten Karl Dietrich Bracher und die „Wissenschaft für die Demokratie“, den Beitrag des akademischen Bonn zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Nach Dekan Konrad

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Repgen und der Laudatio von Brachers Kollegen Hans-Adolf Jacobsen durfte ich namens der jüngsten Schülergeneration einige Worte sagen und unser kleines, privat gedrucktes Werk „Fußnoten“ überreichen. Clausjürgen Schierbaum, Peter Siebenmorgen, Thomas Helfen, Hubertus Hoffmann, Franz Dormann, Stephan Eisel, Andreas Schüler, Alfredo Flores Pachón, Gertrud Lenz, Gösta Thiemer, Herbert Müller, Michael Bergius, Thomas Wittke, Hüseyin Bagci und Rudolf van Hüllen und ich hatten diese „Dankschrift“ mit eigenen Beiträgen erarbeitet (Kühnhardt 1987a). Ich lernte an diesem Tag auch Brachers Sohn Christian kennen und Adam Wandruszka, der im Gefangenenlager in Kansas (USA) Brachers erster Geschichtsdozent gewesen war. Er erzählte mir, Bracher habe in der Gefangenschaft in Nordafrika, noch vor dem Transport über den Atlantischen Ozean, Goethes Wilhelm Meister gelesen. Eigentlich habe Bracher ja professioneller Bassgeige-Spieler werden wollen. Es sei gut, dass Bracher sich in der Gefangenenuniversität in Kansas dann zunehmend zur Geschichte hingezogen gefühlt habe. Er selbst, so der österreichische Gelehrte, sei in dieser Kriegsgefangenenzeit aus anfänglichem Anti-Amerikanismus zu einem sehr positiven – ja begeisterten Amerika-Fan geworden, der die Liberalität der neuen Welt zutiefst zu schätzen gelernt habe. Beim anschließenden Festessen, zu dem Karl Dietrich Bracher mich eingeladen hatte, war ich geehrt, neben Joachim Fest zu sitzen, einem der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und Hitler-Biografen. Ich lernte wieder einmal mehr als ich verdiente. Die Würdigungen Brachers kurz vor seiner Emeritierung zu Semesterende waren dem Zufall des Kalenders geschuldet. Aber es war doch schon die Vorwegnahme des Urteils über seine bleibende, unsterbliche Wirkung: Bonn war nicht Weimar geworden und konnte sich auf neue Zeiten gelassen vorbereiten. Jedenfalls galt dies, solange nie das Fundament in Zweifel gezogen wurde, das die Bundesrepublik Deutschland darauf vorbereitet hatte, mit dem baldigen Fall der Mauer und der Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas klug umzugehen. Brachers großes Werk über das politische Denken im 20. Jahrhundert und sein alterweiser Rückblick auf die Erfahrung der Geschichte (Bracher 2001) blieben stets eingebettet in seine persönliche Biografie und die seiner Frau Dorothee. Darin liegt ihre große und weiterstrahlende Kraft, die von Schülern und Bewunderern weit ins 21. Jahrhundert hineingetragen worden ist. In der Amtszeit der Professoren Karl Dietrich Bracher und Hans-Adolf Jacobsen – und man kann dies auch für die Zeit ihrer Nachfolger Hans Peter Schwarz und Karl Kaiser sagen – gab es im Umgang zwischen den beiden ein eisernes Prinzip: Es wurde nie eine relevante Entscheidung getroffen, die der andere nicht mitgetragen hätte. Solange das Seminar noch nicht in Gremienstrukturen erstickte, die die Universitätsverfassung vorgab, war dies eine wichtige Basis für eine ausgesprochen angenehme kollegiale Konstellation. Viele Entscheidungen konnten informell getroffen werden. Sie wurden jederzeit so getroffen, dass interner Konsens und externe Autorität daran nie Schaden nahmen. Man hat sich einfach aufgesucht, um irgendeine Frage zu klären. Geisteswissenschaftliches Arbeiten unterscheidet sich vom Arbeiten in anderen Berufen, auch akademisch geprägten Berufen. Der Rückzug an den heimischen Schreibtisch ist

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bei einem Arzt, der für seine Patienten da sein muss und gewöhnlich als Facharzt ein Berufsleben lang ähnliche Abläufe zu bestehen hat, nicht möglich. Für einen Geisteswissenschaftler ist ein solcher Rückzug unabdingbar, wenn er kreativ sein und bleiben will, weil die Konzentration auf die geistige Aufnahme und Verarbeitung eines Textes oder eines neuen Themas an einem Ort leichter gelingt, wo man nicht ständig durch Telefon, Termine und Besprechungen abgelenkt ist. Zugespitzt gesagt hat die Gremienkultur in der Universität zur Spaltung der Wissenschaftsgemeinschaft in diejenigen geführt, die ihren Lebenssinn in Gremien sehen, und in die immer kleiner werdende Gruppe derer, die neben der Lehre auch noch Bücher schreiben. Gesteigert wurde diese Entwicklung noch durch das Überhandnehmen der Drittmittel-Forschung: Böse gesagt, muss man seither nicht selten zwischen denen unterscheiden, die Drittmittelanträge schreiben und denen, die Forschungsergebnisse verfassen und publizieren. Faszinierend am Professoren-Gespann Bracher/Jacobsen war, dass und wie sie sich ergänzten. Dies war für viele Studentengenerationen eine ausgesprochen wertvolle und anregende Gesamtkonstellation. Hans-Adolf Jacobsen, geboren 1925, war durch Lebensweg und Weltläufe mehr geprägt als einem jungen Menschen zugemutet werden kann. Durch seine jüdischen Familienbande zwischen Deutschland und dem Weg nach draußen frühzeitig hin- und hergerissen, endete seine Jugend in sowjetischen Gefangenenlagern. Größer hätten die Prüfungen, aber auch die Impulse zur Willenskraft nicht sein können, die ihn mit Aufnahme des Studiums dazu führten, so genau wie möglich zu durchdringen, welche Rolle das Militär in den Zeiten des Krieges gespielt hatte (Jacobsen 1956; 1957; 1959; 1961, 1965; 1968). Zugleich wuchs sein Engagement für ein Militär in Zeiten des Friedens und für die Verständigung zwischen denen, die auch nach dem Ende der deutschen Hybris gegeneinanderstanden. Den Kalten Krieg zu verstehen und alles dafür zu geben, dass er durch die Überwindung unversöhnlich scheinender Gegensätze entschwinden möge, wurde zum ceterum censeo des wissenschaftlichen Lehrers, Politikberaters und Brückenbauers über die Kontinente (Jacobsen et al. 1964; Jacobsen 1976; 1977). „Der Kalte Krieg endete am Bonner Hofgarten“, schrieb ich in meinem Nachruf zum Tod von Hans-Adolf Jacobsen am 12. Dezember 2016 (Kühnhardt 2016b): Russen, Polen und Amerikaner gaben sich bei Jacobsen auch in den Zeiten weltpolitischer Sprachlosigkeit ein Stelldichein. Er wiederum verbrachte nicht weniger Zeit bei ihnen als in Archiven und Schreibstuben. Er wollte wissen, wie es wirklich gewesen ist und nicht nur von der Seitenlinie aus altklug kommentieren, was man hätte besser machen können. Er wollte anstiften zum Handeln für den Frieden. Er wollte in der Jugend das Feuer zum Brennen bringen, das ihn selber 1969 auf den Bonner Lehrstuhl gebracht hatte. Er dachte und lebte die Überwindung des Kalten Krieges vor. Die „Charta von Paris für ein neues Europa“ im November 1990 durfte Hans-Adolf Jacobsen als die gelungene Erfüllung seines wissenschaftlichen, ja seines menschlichen Auftrages empfinden: Die höchsten Vertreter von 32 europäischen Ländern sowie den USA und Kanada erklärten damals den Kalten Krieg und die Spaltung Europas für beendet. Sie verpflichteten sich zu Demokratie und der Garantie der Grund- und Menschenrechte ihrer Völker. Mit

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Genugtuung über das Erreichte wurde Hans-Adolf Jacobsen wenige Monate später emeritiert. Er hatte seinen wissenschaftlichen Beitrag zu diesem glücklichen Ausgang einer bedrohten Ära überzeugend geleistet. Noch in seinem Alterswerk Vom Imperativ des Friedens bilden Biografie, Lebensweg und Forscherauftrag eine Einheit (Jacobsen 1995). Seine große Familie, von ihm und seiner herzlichen Frau Dorothea gemanagt, war ein wirbelnder Jungbrunnen, der so bunt sprudelte, wie Jacobsen es sich nur wünschen konnte. Engagement jenseits des Hörsaals, aber immer auch dort: Hans-Adolf Jacobsen war unermüdlich in seinem Enthusiasmus, weil ihn das eigene Leben dazu verpflichtet hatte. Besser hätte niemand Professor sein und als solcher so wirken können, wie es die Berufsbezeichnung verlangt, das heißt: öffentlich der Wahrheit zu dienen.

Abb. 3.30  50 Jahre Bonner Politische Wissenschaft mit den Professoren Wolfram Hilz, Ludger Kühnhardt, Christian Hacke, Karl Dietrich Bracher, Hans-Adolf Jacobsen, Karl Kaiser, Hans-Peter Schwarz, Tilman Mayer und Frank Decker (2009). (© Ludger Kühnhardt)

Hans-Peter Schwarz hat sich auf wunderbare Weise schriftlich Rechenschaft gegeben über seine „innersten Ressourcen personaler Identität“ und mit seinen Lebenserinnerungen den Nachgeborenen ein überragendes Werk der politischen Kulturgeschichte hinterlassen (Schwarz 2018). Eine private erste Fassung seiner Lebenserinnerungen, in denen ich lesen durfte, trugen den eigentlich unübertrefflich guten Titel Arbeitstage. Man musste 1934 schon am Südrand des Markgräfler Landes geboren werden, um die Orte, an denen er bis 1945 lebte, als „Jugendparadiese“ zu erfahren. Die prägenden Jahre des Jugendlichen und des jungen Mannes gehörten dem Studium,

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der Erweiterung des Weltbildes und des Blicks auf die Welt. Schwarz wuchs hinein in das, was er besser analysieren und packender darstellen sollte als alle anderen seiner Zeitgenossen: die Ära Adenauer. Mit Skepsis geerdeter Frohsinn, gemischt mit einer gelegentlichen Neigung zum nie menschenverachtenden Sarkasmus und zur deftigen Polemik sowie die unbändige Leidenschaft für das tiefe Bohren dicker Bretter formten eine Wissenschaftlerpersönlichkeit, die ihresgleichen in der Bonner Bundesrepublik nicht ein zweites Mal hatte. Bewahrend ohne zu konservieren, zugleich hellwach für die Zukunft und sie zugleich beargwöhnend – so machte Schwarz sich auf seinen Weg durch die vielen Niederungen und schönsten Höhen jener Jahrzehnte. Nichts Menschliches blieb ihm in der Politik unverborgen, und keine Fußnote übersah er im Dschungel der Wissenschaft. Die eine Begegnung mit dem alten Konrad Adenauer im Juli 1966 wurde, ohne dass Schwarz sich dies so hätte eingestehen wollen, zu einem Wendepunkt seiner wissenschaftlichen Tiefbrunnenbohrungen. Das Biografische verband sich fortan mit dem Analytischen zu einer einzigartigen Symbiose, seit 1987 Hans-Peter Schwarz als Nachfolger von Karl Dietrich Bracher am Seminar für Politische Wissenschaft seine großen Räder drehte. Es war, als sei er schon immer dort gewesen. Als er einmal Gefallen gefunden hatte an der Begegnung mit den Akteuren der Politik, hielt sich dieser Teil seiner Existenz immer die Waage mit seiner Liebe zum Buch, zum Lesen und Schreiben, zum Analysieren und Räsonieren. Schwarz kannte schließlich alle im politischen Bonn und weil es so war, mussten sie sein Urteil fürchten. Aber sein Urteil blieb stets unbestechlich. Da er im tiefsten Herzen ein Schriftsteller, ja ein Künstler war, blieben ihm Zynismus und Bitterkeit fremd, auch dort, wo er selbst verletzt oder enttäuscht wurde. Wo er mikroskopisch sezierte, galt er vielen rasch als konservativ, wo er messerscharf urteilte, rasch als polemisch. Die Wirklichkeit war viel eindeutiger: Die Bonner Politik wurde von einem Menschenfreund begleitet, der sich zugleich auf Distanz halten konnte und darin seine eigentliche Souveränität für ein jederzeit glasklares Urteilsvermögen besaß. Die Zeit von 1949 bis 1998, die Ära von Adenauer bis Kohl, ja im Grunde bis Merkel, wird in deutschen Geschichtsbüchern nicht lebendig bleiben können ohne ihren besten Chronisten (Schwarz 1986; 1991; 2012). Politik als Beruf und Wissenschaft als Berufung: Das kann, so hat es Hans-Peter Schwarz vornehm vorgelebt, nur gelingen mit viel Herzblut und Leidenschaft, mit Einfühlungsvermögen und Distanz. Schwarz wollte nie den Applaus einer Peer Group, sondern den Respekt des mündigen Bürgers. Darin war er und bleibt er der Homme des Lettres unter denen, die die deutsche Politik in der langen Zeit von Hitler bis Merkel seziert haben. Schwarz hat den Ansatz der zeitgeschichtlich ausgerichteten politischen Wissenschaft in seiner glänzenden Adenauer-Biografie zur Perfektion geführt. Er fragte nicht nur nach den historischen und geistigen Zusammenhängen vor dem Hintergrund der Akteure der Demokratie. Er dachte sich vielmehr in diese hinein, in ihre Befindlichkeiten, in das tägliche Korsett handelnder Politiker. Er wollte wissen, wie sie dachten. Manchmal karikierte er die handelnden Akteure der deutschen Politik, aber immer doch, weil er sie ernst nahm. Hans-Peter Schwarz redete nie nur theoretisch vor sich her, sondern wusste immer, welchen konkreten politischen oder zeitgeschichtlichen Zusammen-

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hängen ein Gedanke geschuldet war, der ihn beschäftigte. Als Wissenschaftler war er ähnlich distanziert zum Politikbetrieb wie Karl Dietrich Bracher. Dann war er aber doch auch wieder zupackend und wirkte in vielen beratenden Gremien politiknahe mit. Das half ihm zu wissen, wie die Dinge ablaufen, ohne sich in ihnen zu verzehren. HansPeter Schwarz wurde 1999 emeritiert und ging mit seiner ihm so kongenialen Ehefrau Annemie als Letzter im bundespolitischen Bonn von Bord. Hans-Peter Schwarz’ langer geistiger Schatten begleitete fortan von Bayern aus das oft ratlose Land bis in die letzten Tage seines so erfüllten Lebens. Ich kannte Hans-Peter Schwarz seit 1986. Als Schwarz sich daranmachte, den zweiten Band seiner Adenauer-Biografie niederzuschreiben, lud er mich ein, im Wintersemester1990/1991 und im Sommersemester 1991 seinen Bonner Lehrstuhl zu vertreten. Zwischen meinem Forschungsjahr als Senior Associate am St. Antonyʼs College Oxford und dem Ruf an die Universität Freiburg gab mir diese wertvolle Zeit Gelegenheit, Lehrerfahrung zu sammeln und zugleich mein Buch Stufen der Souveränität abzuschließen. Zu seinem 90. Geburtstag 2024 fand ich die passende Gelegenheit, um ein buntes und zugleich aussagekräftiges Lebensbild von Hans-Peter Schwarz zu veröffentlichen, so wie ich ihn erlebt und ausschnittweise schon zuvor verschiedentlich kommentiert hatte. Besonderes Gefallen fand ich daran, den so außergewöhnlich lebendigen und zupackenden Briefwechsel einzubauen, den ich über Jahrzehnte mit Hans-Peter Schwarz geführt hatte. Der Titel meiner Erinnerungsschrift bringt die Bedeutung von Hans-Peter Schwarz für die politische Kultur Deutschlands auf den Punkt: Politik und Zeitkritik (Kühnhardt 2024). Karl Kaiser verkörperte wie kein anderer die zweite Haut der Bundesrepublik Deutschland neben der inneren Erneuerung des Landes und der Selbstfindung unter dem Grundgesetz: Die transatlantische Verbundenheit mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Der 1934 geborene Kaiser wuchs wie selbstverständlich hinein in die europäische Einigung und atlantische Zusammenarbeit. Stationen des Studiums in Köln, Grenoble und Oxford mündeten 1963 ein in den Weg nach Harvard. „Veritas“ ist das Motto dieser einzigartigen Hochschule. Sie gab Kaiser die USA zur Heimat und mit seiner Frau Deborah seinen privaten neuenglischen Anker. NATO, transatlantische Sicherheitsgemeinschaft und transnationale Wirtschaftsbeziehungen bis zum Scheitern des Freihandelsabkommens TTIP 2017: Karl Kaiser analysierte und kommentierte immer wieder prägnanter und klüger als die meisten anderen, was zu der wichtigsten außenpolitischen Beziehung der Deutschen zu sagen war (Kaiser 1973). Dabei verlor er Frankreich, Großbritannien und die europäische Einigung nie aus dem Blick, mit deren Anfängen sich bereits seine Dissertation beschäftigt hatte (Kaiser 1963). Mit Sinn für strikten Realismus wusste er aber immer, wo der Kern der deutschen Rückversicherung lag. Erst mit Altersmilde und unter dem Eindruck des Trump-Schocks bilanzierte er in einem Gespräch mit mir im September 2017, Europa müsse im weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts wohl werden, was die USA in der besseren Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen seien: Eine Weltmacht. Er durfte dies sagen und dann ausgerechnet auch noch in Harvard, denn seine Amerika-Liebe stand jederzeit außer Zweifel (Kühnhardt 2022a, S. 798 f.).

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Dass Karl Kaiser nach seinen Studienjahren den Weg zurück nach Deutschland gefunden hatte, gehörte zu den Überzeugungsleistungen von Karl Dietrich Bracher. Bracher wusste, wen Deutschland brauchte, wollte es so bestehen, wie er es sich stets wünschte. 1969 habilitierte sich Karl Kaiser bei Bracher in Bonn und führte seine beeindruckende akademische Karriere fortan mit Standort Deutschland fort. Die kollegiale Symbiose und Sympathie zwischen Karl Kaiser und Hans-Peter Schwarz – von 1991 bis 1999 gemeinsam am Bonner Seminar für Politische Wissenschaft – war ein Glücksfall. Alle politischen Unterschiede zwischen den beiden waren nur Geplänkel. In der gemeinsamen Aufgabe Wissenschaft fanden die beiden Gentleman jederzeit den Maßstab für ihren Konsens. Kaiser wurde nie müde, der Politik Empfehlungen zu geben, ob zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen oder zur Wehrreform, zur Umweltpolitik oder der deutschen Außenpolitik. Wie kaum jemand anders in der deutschen Politikwissenschaft perfektionierte Karl Kaiser die politisch relevante, der Tagespolitik vor- oder zumindest zuarbeitende Kunst der Komposition und Edition von einschlägigen Sammelbänden (Kaiser 1968; Kaiser und Morgan 1970; Kaiser 1971; Kaiser und Lindemann 1977; Kaiser 1979; Kaiser und Steinbach 1981). Die Spätphase Bonns als politisches Zentrum Deutschlands nahm Karl Kaiser zum Anlass, wider aller Anflüge von Melancholie nach vorne und nach draußen zu blicken: Als Herausgeber der mehrbändigen Sammlung Deutschlands neue Außenpolitik (Kaiser et al. 1994–1998) und – mit Hans-Peter Schwarz – der beiden Sammelbände Weltpolitik (Kaiser und Schwarz 1985) Weltpolitik im neuen Jahrtausend (Kaiser, Karl und Hans-Peter Schwarz 2000) markierte er die außenpolitischen Ausgangsbedingungen einer neuen Epoche. Karl Kaiser beantwortete den Wechsel des politischen Deutschlands vom Rhein an die Spree nach einigem Hin und Her auf seine Weise. 2007 ging er zurück an den Ort, der wie kaum ein Zweiter immer wieder neue Wissenschaftlergenerationen inspiriert und von dem aus auch der Bonner Emeritus Karl Kaiser weiter inspirieren konnte: Harvard. Wahrheit ist nicht an einen Ort gebunden und Wirkung auch nicht. Aber die politischen Konturen eines Landes sind auf verschlungene Weise doch wohl verbunden mit der Strahlkraft ihrer politischen Kultur. So war es folgerichtig, dass der Wegzug der politischen Arena aus Bonn im Sommer 1999 Folgen für die Bonner Politische Wissenschaft haben musste. Diese Folgen wurden nicht so sehr beeinflusst durch einen Rückfall Bonns in die rheinische Provinz, sondern durch das Verschwinden der Konturen der deutschen Politik. Deren inhaltliche Fragmentierung wurde zur Signatur der Berliner Republik. Monumental wurde die politische Architektur, während die Inhalte der deutschen Politik immer konturenloser und zielloser wurden. Die die Bundesrepublik Deutschland formierenden Fragen verblassten. Es obsiegte das Kleinteilige, das Fragmentarische. Politik wurde zum technischen Prozess. Die Sinnfrage stellte sich immer weniger. Unvermeidlich wurden im Gefolge dieses Strukturwandels der deutschen Politik aus den kraftvollen Linien, mit denen die Bonner Politische Wissenschaft die Bonner Politik begleitet hatte, dünnere Striche. Bonner Politikwissenschaftler blieben gleichwohl in ihrer erprobten zeitgeschichtlichen und normativ verankerten Tradition verwurzelt, stets mit weltoffenem, zunehmend weltweitem Blick.

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Die transatlantische Verbindung blieb bestehen, in der Berliner Republik und in der Bonner Politikwissenschaft, aber wie manches andere wurde auch die Begründung für die Atlantische Zivilisation in Deutschland immer unschärfer. Zugleich nahm der China-Boom zu, wodurch Deutschland immerhin als Exportgroßmacht gefestigt schien. Mit Christian Hacke blieb ab 2000 die solide Gesamtschau auf die Zeitgeschichte der deutschen Außenpolitik unter dem pointierten Titel Weltmacht wider Willen Grundlage für ein exzellentes Bonner Studium der Politischen Wissenschaft (Hacke 1988). Beim Brainstorming über den Titel seines mit viel Leidenschaft für die USA und manchem Leiden an den USA verfassten Standardwerkes Zur Weltmacht verdammt unterstützte ich Christian Hacke während eines zufälligen gemeinsamen Forschungsaufenthalts in Stanford (Hacke 1995). Nach Hackes Emeritierung 2008 übernahm Xuewu Gu mit realitätssicherer China-Kompetenz das außenpolitische Steuer der Bonner Politikwissenschaft. Seine fulminante Habilitationsschrift Ausspielung der Barbaren hatte ich 1996 noch an der Universität Freiburg betreut (Gu 1999). Sie legte zeitgeschichtliche Fundamente für eine vielseitige und fruchtbare politikwissenschaftliche Wirksamkeit von Gu in Bonn (Gu 2002; Gu und Mayer 2007; Gu 2014). Es war unterdessen viel schwieriger geworden, die deutsche Innenpolitik mit erprobten Bonner Analysekategorien zu erforschen. Immer unklarer wurde, wohin es die deutsche Politik seit dem Umzug nach Berlin zog. Eine neue Generation von Politikwissenschaftlern folgte den beiden Professoren-Duos der ersten Jahrzehnte. Die Ränder wurden in der deutschen Politik wichtiger als die Mitte, in der sich doch alle Parteien irgendwie tummelten. Dieser Trend forderte auch die Bonner Politische Wissenschaft. Zu Recht akzentuierte Tilman Mayer zwischen 2001 und 2021 immer wieder die Bedeutung von Zeitgeschichte und politischer Theorie, mithin die Wurzeln der Bonner Tradition der Politikwissenschaft. Wie nur wenige richtete sich sein Blick auch auf demografische Fragen als vorpolitische Voraussetzung von Staat und Gesellschaft (Mayer und Estel 1994; Mayer 2010; 2017; Mayer und Schulze-Heuling 2017). Frank Decker widmete sich der Demokratiereform, der deutschen Parteiendemokratie und, mit wachsamem Auge, den sogenannten Rechtspopulisten in westlichen Ländern (Decker 2000; 2011; 2015). Volker Kronenberg durchdrang alle Fasern des deutschen Patriotismus, definierte Gemeinwohl und Bürgersinn im Sinne von „Patriotismus 2.0“ und dachte einer schwarz-grünen Regierungskonstellation voraus (Kronenberg 2010; 2013; Kronenberg und Weckenbrock 2011). Wolfram Hilz analysierte die Symbiose von deutscher und europäischer Politik, die im politischen Berlin nicht mehr so recht verstanden schien (Hilz 2005; Hilz und Robert 2010; Hilz und Ulatowski 2016). Aufmerksamkeit und Zustimmung erfuhr die Berufung von Grit Straßenberger, der ersten Frau in der bisher ausschließlich männlichen Phalanx der Bonner Politikwissenschaftler. Eine tiefgründig forschende und anregend lehrende politische Theoretikerin bereicherte die Traditionslandschaft am Rhein (Straßenberger 2005; 2015; Straßenberger et al. 2020). Von den Rändern unterstützte ich nach meiner Berufung 1997 von Freiburg an das Bonner Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) die Lehre in der Bonner Politischen Wissenschaft, die sich in diesen Jahren mit der ebenfalls traditionsreichen Bonner Soziologie zusammentat. Das ging in

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dem nun gemeinsamen Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie nicht immer ohne Friktionen ab. Gleichzeitig aber wurde in beiden Abteilungen die eigene Profilbildung – wie es sein sollte – immer wieder an neue wissenschaftliche Perspektiven und Fragestellungen angepasst. Ich lernte viel von den Sichtweisen der SoziologieKollegen Werner Gephart (Gephart 2006), Jörg Blasius (Baur und Blasius 2014), Doris Lucke (Lucke 1995) und Clemens Albrecht (Albrecht 2004). Intellektuelle Neugier und akademischer Ehrgeiz der Studierenden nahmen im Laufe der Jahre stetig zu, der beste Indikator für die Qualität des Bonner sozialwissenschaftlichen Angebots in Forschung und Lehre. Ab 2020 setzte Ulrich Schlie neue sicherheitspolitische Akzente und begründete die Notwendigkeit einer mehrdimensionalen Strategiepolitik mit der Autorität des ausgewiesenen Historikers und politischen Praktikers (Schlie 2013; 2018; 2019). Strategisch angelegte wissenschaftliche Vorausschau wurde durch ihn eine neue Signatur der Bonner Politischen Wissenschaft. Maximilian Mayer brachte einen weitgespannten asiatischen und pazifischen Horizont in die gleiche Aufgabe mit ein (Mayer 2018). Paul Marx bereicherte die Bonner Perspektiven mit Kompetenz in Fragen der politischen Ökonomie (Marx 2015; Marx et.al. 2022). Zusammen mit einer großen Zahl von Lehrbeauftragten wirkten wir alle daran mit, was Dekan Volker Kronenberg und Universitätsrektor Michael Hoch der gesamten Universität Bonn in diesen Jahren als Profilanspruch  vorgegeben hatten: Transdisziplinäre Zusammenarbeit. Ich fand, dass ich dieser Idee seit eh und je zugearbeitet hatte und war zufrieden mit dem neuen Mission Statement der Bonner Universität. Erprobte Erfahrungen und innovative Neuakzentuierungen kamen zusammen, wie es sich für eine Universität mit Exzellenzanspruch geziemt. Die Kombination von Theorie und Empirie, Wissenschaftsverankerung und, wie Karl Kaiser einmal gesagt hatte, Praxeologie würde ein Alleinstellungsmerkmal der Politischen Wissenschaft an der Universität Bonn bleiben. Bonner Politikwissenschaftler profitierten von einem Aspekt des Strukturwandels der Öffentlichkeit, dessen Berliner Anziehungskraft das alte politische Bonn eigenartigerweise noch nicht erfasst hatte. In der Mediendemokratie bot der Informationskanal von ARD und ZDF „Phoenix“ den Bonner Politikwissenschaftlern auch nach dem Wegzug der Bundesrepublik und des sie begleitenden Medientrosses weiterhin eine wirkungsvollere Bühne als die Wege, die unterdessen vielen wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften möglich sind. Dass „Phoenix“ im Jahr 2000 ausgerechnet in Bonn seinen Standort bezog, verhalf den Bonner Politikwissenschaftlern dazu, auf eigenwillige neue Weise das Ohr der politisch interessierteren deutschen Öffentlichkeit zu finden. Als Kommentatoren in den aktuellen Sendungen von „Phoenix“ erfreuten sich die Bonner Professoren der Politikwissenschaft regelmäßiger Einladungen des Senders, um tagesaktuelle Ereignisse, wie es so schön bezeichnet wurde, „einzuordnen“. Politikberatung im klassischen Sinne mochte man diese Studiogespräche wohl kaum zu bezeichnen. Auch wollte niemand in intellektueller Überhöhung von Beiträgen zur politischen Kultur sprechen. Aber immerhin: Die Bonner Politikwissenschaft blieb sichtbar, oft sogar für ein Millionenpublikum. Auch ich stand über 90-mal im „Phoenix“-Studio. Wo immer meine Kollegen und ich auf diesem Weg im Fernsehn Beiträge des Transfers wissen-

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schaftlicher Erkenntnisse leisteten, standen wir mit unseren Einordnungen auf den Schultern von wissenschaftlichen Giganten, deren Verdienste historisch sind. Ein neues öffentliches Profil hatte sich seit dem Wegzug der Bundesregierung in Bonn herauskristallisiert. Bonn war zu einem der drei europäischen Sitze der Vereinten Nationen geworden. Fragen nach Nachhaltigkeit, der menschlichen Entwicklung und des Klimawandels wurden von Bonn aus im UNO-Kontext bearbeitet. Auf die Profilschärfung der Bonner Politikwissenschaft begann diese Wende im öffentlichen Stellenwert der Stadt, in der sie wirkten, erst langsam zu wirken. Dabei konnten die Chancen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bonner politikwissenschaftliche Impulse, Erfahrungen und Reflexionen mit der Welt zu teilen und dies in transdisziplinärer Ausrichtung: In dieser Perspektive liegt ohne Zweifel ein gewichtiges Potential der Bonner Politikwissenschaft. Künftige Bonner Politikwissenschaftler mit Weltfähigkeit durften zuversichtlich bleiben, in eine große Tradition einzutreten, die 1959 durch Karl Dietrich Bracher begründet worden war. Sie würden brennen müssen wie die Großen der Gründergeneration, wenn ihre Strahlen so weit reichen sollten, wie es das Logo der Vereinten Nationen über dem ehemaligen deutschen Regierungsviertel im heutigen UNCampus verspricht. Keiner der „Gründerväter“ der Politischen Wissenschaft an der Universität Bonn hatte jemals Probleme damit gehabt, die intellektuelle Reflexion und solide wissenschaftliche Analyse zu verknüpfen mit dem Anekdotischen. Geschichten zu erzählen über das, was sie bewegte und antrieb, gehörte zu den Leidenschaften dieser Professoren. Darin, so meine ich, lag ein Geheimnis ihrer Größe: Sie waren aus sich selbst heraus in das hineingewachsen, wofür sie standen. Sie dozierten nicht über irgendwelche abstrakten Theorien und beteiligten sich blutleer an solchen Debatten, sondern sie waren akademische Lehrer und wissenschaftliche Autoren aus dem Antrieb ihrer eigenen persönlichen Lebenserfahrung heraus. Das Leben durchdrang ihre Arbeit und umgekehrt. Sie waren keine blutleeren Elfenbeinturm-Gelehrten. Sie waren Gelehrte für das Leben, selber mitten im Leben stehend. Sie befassten sich nicht nur mit intellektuellen Erfindungen, sondern verarbeiteten Zeit ihres wissenschaftlichen Lebens die Erlebnisse ihrer eigenen Jugend, um die die Politik sie gebracht hatte. Das war wohl das Wesentliche, das die meisten, jedenfalls die besten der Nachkriegsgeneration in Deutschland ausgezeichnet hat. Am 5. Februar 2009 fand eine würdige Feier zum 50. Geburtstag des (unterdessen umbenannten) Instituts für Politische Wissenschaft im „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ statt. Diesen Ort der angemessenen historischen Einordnung des Bracher-Instituts in die Geschichte der politischen Kultur Deutschlands hatte ich angeregt und eingefädelt. Ein seltenes Foto aller Bonner Professoren der Politischen Wissenschaft entstand bei dieser Gelegenheit. Die sehr aussagekräftige, von Tilman Mayer und Volker Kronenberg besorgte Festschrift „Streitbar für die Demokratie“ hob auf, was geworden war und weiterwirken würde. Die Festversammlung hörte einen brillanten Vortrag von Klaus von Dohnanyi, Frau Brachers Cousin und unter Willy Brandt erster deutscher Bildungsminister. Er sprach zur historischen Rolle und dem gegenwärtigen Auftrag der Politikwissenschaft mit pointierter Analyse der Weltfinanzund Weltwirtschaftskrise („eine Folge massiven Staatsversagens“, „eine Krise der Frei-

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heit“). Es gab ein frohes Wiedersehen vieler akademischer Weggefährten, Freunde und Kollegen. Es war eine gelungene Feier. 2012 kam ein mir so vertrauter Kreis von ehemaligen Kollegen und Studenten mit Karl Dietrich Bracher und seiner Familie zusammen, um den 90. Geburtstag zu feiern. Der Jubilar ließ es sich nicht nehmen, am heimischen Flügel das „Happy Birthday“ selbst zu intonieren, gefolgt vom Ende 1944 veröffentlichten Jazz-Klassiker „Sentimental Journey“, den er erstmals als Kriegsgefangener gehört haben musste: „Gonna take a sentimental journey Gonna set my heart at ease Gonna make a sentimental journey To renew old memories.“

Karl Dietrich Bracher wirkte auf einmal wieder jungenhaft. Er war glücklich.

Abb. 3.31  90. Geburtstag von Karl Dietrich Bracher. Von rechts Jeffrey Herf, Dorothee Bracher, Hans-Adolf Jacobsen, Christian Bracher, Karl Dietrich Bracher, Hüseyin Bagci, Hubertus Hoffmann, Friedbert Pflüger, Hans-Dieter Lucas, Andreas Schüler, Ludger Kühnhardt (2012). (© Ludger Kühnhardt)

2016 und 2017 verstarben, kurz hintereinander, Karl Dietrich Bracher, Hans-Adolf Jacobsen und Hans-Peter Schwarz. Ich veröffentlichte jeweils Würdigungen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Kühnhardt 2016a; 2016b; 2017b). Am 13. Oktober 2017 fand im Festsaal der Universität eine gemeinsame akademische Trauerfeier für alle

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drei Ordinarien statt. Ich hatte die Trauerredner vorgeschlagen: Wolfgang Bergsdorf, Werner Weidenfeld, Hanns Jürgen Küsters. Mir war es wichtig, dass alle drei Redner aus der Bonner Politikwissenschaft hervorgegangen waren, aber außerhalb Bonns die Kraft ihrer Persönlichkeiten entfaltet hatten. Meine Musikvorschläge passten ebenfalls zum Wesen der drei Verstorbenen: Georg Friedrich Händels Ouvertüre aus dem „Messias“, Wolfgang Amadeus Mozarts Andante aus dem Streichquartett KV 465, Johann Sebastian Bachs Air BWV 1068 und Wolfgang Amadeus Mozarts Andante aus dem Streichquartett KV 138. Noch einmal lebte bei dieser akademischen Gedenkfeier das alte Seminar auf, aus dem auch ich hervorgegangen war. An Dekan Volker Kronenberg schrieb ich anschließend: „Gerade weil Sie wissen, wie lange und intensiv ich mit den drei verstorbenen Emeriti verbunden gewesen bin, möchte ich Sie wissen lassen, wie sehr mich jedes Ihrer eigenen Worte, jedes Symbol im Festsaal, von den Bildern bis zu den Blumen vor der Tür, die Musik, die Würdigungen und die vielen Begegnungen aufgewühlt, berührt und getröstet haben.“ Die drei Verstorbenen wirkten als Auftrag für unsere eigene Arbeit weiter. Ich sah mich unverändert als einer ihrer Schüler.

Abb. 3.32  Karl Dietrich Bracher (1922–2016). Aus der Geschichte lernen (2022). (© Ludger Kühnhardt)

3.4  Wissenschaft für die Demokratie (Kühnhardt 1987c ): Karl Dietrich …

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Zum 100. Geburtstag von Karl Dietrich Bracher am 13. März 2022 las ich im Wintersemester 2021/22 Woche um Woche mit Master-Studenten des Instituts für Politische Wissenschaft und Soziologie sein Gesamtwerk. Die Studierenden waren enorm wissbegierig, um das Denken und die Forschungserträge von Karl Dietrich Bracher zu studieren, den keiner von ihnen mehr persönlich hatte kennenlernen können. Sie nahmen den Staffelstab auf, der ihren eigenen Studien in einer neuen Zeit bleibende Fundamente geben konnte. In gleicher Weise las ich im Wintersemester 2023/2024 mit Studenten Woche um Woche das Gesamtwerk von Hans-Peter Schwarz aus Anlass seines 90. Geburtstages, der am 13. Mai 2024 stattgefunden hätte.

Abb. 3.33   Hans-Peter Schwarz (1934–2017). Politik und Zeitkritik (2024). (© Ludger Kühnhardt)

Zum Ende meiner eigenen Lehrtätigkeit in Bonn war es mir wichtig, in dem Institut, an dem ich selber wissenschaftlich zu lesen gelernt hatte, das Werk dieser beiden Wissen-

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schaftler in Erinnerung zu halten, das zur politischen Kultur der deutschen Demokratie gehört. Mehr als viele andere hatten sie mir meinen Weg in die Wissenschaft bereitet, jedenfalls erleichtert. Ich wollte meinen Dank in der Lebensform erstatten, die sie selber so perfekt beherrscht hatten: Lehrend und schreibend. In Bonn stand noch das schöne Gebäude Am Hofgarten 15. Das einstige Seminar für Politische Wissenschaft hatte in den mehr als 35 Jahren seit Brachers Emeritierung manche Konvulsion und manchen Neubeginn erlebt. Der Seminarraum war seit meiner Studienzeit eine Etage tiefer gezogen. Er hieß jetzt Karl-Dietrich-Bracher-Raum. An der Zimmerwand neben dem Erkerfenster, genau dort, wo Karl Dietrich Bracher von 1959 bis 1987 seinen Schreibtisch stehen hatte, hing ein Poster der Festschrift von 2009 „Streitbar für die Demokratie“.

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Die deutsche Demokratie

Ludger Kühnhardts Engagement in und seine Auseinandersetzung mit der deutschen Demokratie vollzog sich vor dem Hintergrund der Geschichte zweier deutscher Diktaturen. Sie führte vom posttotalitären westdeutschen Konsens über die deutsche Wiedervereinigung zu einem Land auf der Suche nach einem neuen gesellschaftlichen Kompass und den neuerlich gefährdeten Erhaltungsbedingungen freiheitlicher Ordnung. Der zunehmende gesellschaftliche Pluralismus setzte den staatlichen und parteipolitischen Bemühungen um ein gemeinsames Ordnungsmodell in Deutschland immer stärkere Grenzen. Der Rückgang einer konsensualen Orientierung der politischen Akteure am Menschenbild der posttotalitären Nachkriegszeit beschleunigte neue gesellschaftliche Brüche und krisenhafte Erscheinungsformen. Politik veränderte ihren Charakter und wurde immer stärker zu einem technischen und bürokratischen, von den Exekutiven geprägten Prozess. Ludger Kühnhardt gewann exemplarische Einblicke in die deutsche Demokratie in der Beratung und Beobachtung einiger ihrer Akteure, vorwiegend im Umfeld der CDU. Er erlebte, wie sich christlich-demokratisches Denken im Erfolg auflöste und sich dadurch die CDU von ihm entfremdete. Zugleich erfuhr er die Universität in Ost- wie in Westdeutschland als Seismografen von Veränderungen, die für die deutsche Gesellschaft insgesamt Folgen hatten. Lebendig und anschaulich reflektiert Ludger Kühnhardt seinen Weg durch die deutsche Demokratie seit 1970. Es ist ein Lehrstück über die Spannungen zwischen der Freiheit der Wissenschaft und dem Primat der Macht in der Politik.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_4

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4.1  Wege in die Demokratie (Kühnhardt 1992a) – Beyond divisions and after (Kühnhardt 1996) Karl Dietrich Brachers Buchtitel Die deutsche Diktatur aus dem Jahr 1969 entsprach dem Lebensthema seiner Generation (Bracher 1969). Mit meiner Generation war ich hineingestellt in ganz neue Herausforderungen, Chancen und Antinomien: Die deutsche Demokratie. Mein Verhältnis zur deutschen Demokratie war immer wieder und in unterschiedlichen Variationen von einer dreifachen Ambivalenz geprägt: Ich schwankte zwischen antitotalitärer Zustimmung und kultursoziologischer Skepsis. Ich schwankte zwischen verfassungspolitischer Unterstützung und demokratietheoretischer Auseinandersetzung. Schließlich schwankte ich zwischen Aktion und Kontemplation, zwischen persönlichem Aktivismus und begleitender Analyse. Ich machte meine Erfahrungen. Ich versuchte, neue Wege zu sehen und Anregungen dafür zu geben, wie sie begangen werden konnten. Verschiedentlich schwankte ich zwischen praktischer Politik und normativer Wissenschaft. Am Ende entschied ich mich für den geisteswissenschaftlichen Weg in praktischer Absicht. In Familie und Schule geriet ich seit den mittleren 1960er- und frühen 1970erJahren in erste politische Diskussionen. Aufgeladen wurde diese Politisierung durch die beginnende Allgegenwärtigkeit des Fernsehens. Meine mütterlichen Großeltern in Nordhorn hatten 1966 ein Fernsehgerät erworben. Dort sah ich das legendäre Wembley-Tor im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft (Großbritannien besiegte Deutschland mit 4:2). Am 6. Juni 1968 sah ich die Filmaufnahmen von der Ermordung Robert Kennedys und noch manches Mal danach auch abendliche Krimis. Meine Eltern schafften sich 1968 im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Mexiko ein Fernsehgerät an, aber es blieb außerhalb der Sportübertragungen verschlossen und nur zugänglich für unser Kindermädchen. Mein Großvater mütterlicherseits erzählte von Krieg und Gefangenschaft. Mein Großvater väterlicherseits von Schlesien und der verlorenen alten Heimat. Die politische Linke mochten beide nicht, und meine Eltern mochten sie auch nicht. Die 1968er-Bewegung und die meisten ihrer Themen sind bei meinem frühen Politikkonsum nicht ernsthaft vorgekommen. Ich war daran als Zehnjähriger auch nicht recht interessiert. Noch weniger fühlte ich mich als Teil dieser Bewegung. Erstaunt und ablehnend beobachtete ich eine Demonstration von Abiturienten meines Gymnasiums gegen den Vietnam-Krieg durch die Innenstadt von Ibbenbüren. Ich wollte mir eine eigene, durchaus kritische Meinung bilden, ohne radikale Fundamentalkritik nachzuplappern. Ab Beginn der Gymnasialzeit 1968 begann ich, die Tageszeitung meiner Eltern zu lesen. Ich gelangte zu Überzeugungen, die natürlich noch überhaupt nicht zu Ende gedacht waren. Ich suchte nach Mitwirkung, die natürlich noch nicht zielführend sein konnte. Ich machte die Erfahrung von Widersprüchen, ohne sie natürlich einstweilen zu verstehen oder gar auflösen zu können. Wir lebten noch immer im Schatten des Zweiten Weltkrieges. Es war die Zeit der Ostpolitik. Meine Großeltern und mein Vater hatten ohne persönliche Schuld ihre schlesische Heimat verloren. Über wen sollte ich mich mehr ärgern? Über Hitler und

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seine Schergen? Über die vielen Deutschen, die mitgelaufen waren, und die wenigen, die zu feige waren, um stärker Widerstand zu leisten? Über die Russen, die nach den Nazis als Sowjets das halbe Europa unter ihre Kontrolle gebracht hatten? Über die Beschöniger, die sich durch ihre Ostpolitik Ausgleich in Europa versprachen? Über Revanchisten, die meinten, Geschichte könne einfach zurückgedreht werden? Die moralische Antwort wurde mir in meinem katholischen Elternhaus eingepflanzt: Christsein heißt, Gott vor und über jede menschliche Macht zu stellen, jeder Hybris zu widerstehen und immer wieder zu versöhnen. Es war schon ein gewaltiges Programm, mit dem ich mich damals auseinanderzusetzen begann. War meinen Großeltern und ihrem Weltbild zu trauen, das schließlich den Aufstieg von Adolf Hitler nicht verhindert hatte? Andererseits waren meine Eltern zu Recht sensibilisiert, so fand ich, wenn sie meinten, Lehrer, die als zu progressiv galten, und eine nordrhein-westfälische Landesregierung, die beständig Experimente an Schulform und schulischen Inhalten vornahm, müssten in die Schranken gewiesen werden. Hatte mein Vater nicht recht, der immer meinte, wir, die in Freiheit und zunehmendem Wohlstand Aufwachsenden, würden es schwerer haben als die Generation meiner Eltern? Die Generation meiner Eltern hatte den Krieg überlebt. Durch das Elend und die Abgründe, die sie gesehen hatten, war diese Generation demütig geworden. Wir Nachgeborenen aber mussten uns in Freiheit und Wohlstand bewähren. Das war, so paradox es klingt, entschieden schwieriger. Denn wir waren dabei, zu selbstbewusst zu werden. Da liegen dann alsbald Selbstgerechtigkeit und Wirklichkeitsverdrängung nicht fern. Ein und aus gingen bei uns zu Hause Menschen aus anderen Kontinenten, in denen blanke Not und rohe Gewalt zum Alltag gehörten. Dann sah ich Auschwitz. Ich sah in die Hölle. Christliche Soziallehre konkret (Kühnhardt 1977a) wurde das erste zusammenhängend niedergeschriebene Ergebnis meines Ringens mit der Welt. Damit hatte ich noch längst keinen klaren Weg gefunden, wie ich mit den Widersprüchen und Zielkonflikten in der Welt um mich herum umgehen sollte. Eigentlich war der Text nur ein erstes Ringen mit mir selber. Ich stocherte mich erst langsam hinein in die Wege der deutschen Demokratie. Der politische und gesellschaftliche Kontext während meiner Gymnasialjahre erscheint Jahrzehnte später weit entrückt. 1969 wurde Willy Brandt erster sozialdemokratischer deutscher Bundeskanzler. Es folgten heftigste politische und gesellschaftliche Debatten über kulturelle Reformen und die außenpolitische Orientierung der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen 1970 und 1973 war Rainer Barzel CDU-Fraktionsvorsitzender. 1972 wurden die Ostverträge und der Grundlagenvertrag mit der DDR verhandelt. Am 27. April 1972 scheiterte das Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Brandt, das die Opposition unter dem CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Rainer Barzel initiiert hatte. Später wurde aktenkundig, dass einige Stimmen gekauft worden waren, die Brandts Mehrheit sicherten. Am 8. Mai 1973 verlor Barzel die Abstimmung in der CDU-Fraktion zum UNO-Beitritt der Bundesrepublik. Im Juni 1973 wurde Helmut Kohl CDU-Vorsitzender. Am 7. Mai 1974 trat Brandt im Zusammenhang mit der Spionageaffäre Guillaume als Bundeskanzler zurück. Es war die Zeit, in der mit der

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­ eröffentlichung des Berichts an den Club of Rome Die Grenzen des Wachstums V (Meadows et al. 1972) die Einsicht in die Endlichkeit der Erde zum frühesten Antrieb der globalen Umweltbewegung wurde. Im Gefolge des studentischen Aufbegehrens um und nach 1968 rückten emanzipatorische Themen in das Zentrum gesellschaftspolitischer Kontroversen. Besonders emotional ging es in der Frage nach dem Recht auf Abtreibung zu. Sie wurde im Spannungsfeld von individueller Selbstbestimmung der Frau und dem Tötungsverbot des Grundgesetzes auch gegenüber dem ungeborenen Leben geführt. Ähnlich emotional verhielt es sich in den 70er-Jahren mit bildungspolitischen Fragen. Sie wurden im Spannungsfeld von klassischem Bildungsauftrag der Schulen unter strikter Berücksichtigung des elterlichen Rechts auf Erziehung und dem Gerechtigkeitsanliegen hinsichtlich der stärkeren Durchlässigkeit zwischen den sozialen Schichten im Blick auf die Schulformen geführt. In den gesellschaftlich relevanten Schulfächern wie Deutsch, Geschichte und Religion wirkten die öffentlichen Debatten mehr oder minder massiv in den Schulunterricht ein. Lehrer bezogen Position. Schüler wurden zur Positionierung ermuntert, was sie nur zu leicht zwischen die Fronten von Lehrern und Eltern brachte. Ostverträge und konstruktives Misstrauensvotum gegen Willy Brandt. Abtreibungsdebatte und Schulreformen. Das eine Thema provozierte mich damals wie das andere. Praktisch wollte ich handeln, denn irgendwie hing doch die größere Welt und mein eigener Lebensradius zusammen, so dachte ich damals noch recht diffus. Da traf es sich gut, von der Schüler Union zu hören, die seit 1972 in Deutschland im Entstehen war. Die Schüler Union sollte dem „Links-Ruck“ widerstehen, der Ausbreitung der 1968erBewegung an den Schulen entgegentreten. Rebellion von Schülern gegen Ideologie in der Schule? Und zugleich Engagement im Kleinen als Teil eines größeren Ganzen? Wenn die Analyse tatsächlich stimmte, dann klang die Perspektive schlüssig. Am 18. Mai 1972 schrieb ich einen Brief an den örtlichen CDU-Bundestagsabgeordneten Willi Rawe und fragte, ab welchem Alter man dieser „Schüler-CDU“ beitreten könne. Ich scharte drei, vier meiner Mitschülerinnen und Mitschüler um mich, die ähnlich wie ich politisch interessiert waren und mit der 68er-Bewegung nichts anzufangen wussten. Am 25. Januar 1973 gründeten wir die Schüler Union Ibbenbüren unter dem Motto „Schlaf, Schüler, schlaf nicht weiter“. Ein Gegengewicht gegen die aus unserer Sicht zu linksorientierte offizielle „Schülermitverwaltung“ (SMV) wäre nötig. Meinungsbildung müsse dort wieder „im Sinne eines Pluralismus“ erfolgen, schrieb ich im Einladungsflugblatt. Das Gründungstreffen wurde ein Desaster. Die linken Vertreter der SMV waren in der Mehrheit. Ich war weder rhetorisch noch inhaltlich genügend präpariert. Die Schülerschaft war damals so polarisiert wie die Gesellschaft insgesamt. Die örtliche Junge Union nahm uns Grünlinge unter ihre Fittiche. Ich verfasste eine Satzung, in der die Schüler Union als eine Vereinigung von Schülern „der fortschrittlichen Mitte“ bezeichnet wurde. Man arbeite mit der Jungen Union zusammen, „um die Interessen der Schüler in der Auseinandersetzung für eine Reform unserer Bildungssystems zu vertreten“. Der Aufbau einer politischen Organisationsstruktur am Ort Ibbenbüren und im Landkreis Tecklenburg, später Landkreis Steinfurt, im Regierungsbezirk M ­ ünsterland

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und im Landesbezirk Westfalen-Lippe wurde zeitweilig meine liebste Freizeitbeschäftigung. Es war jedenfalls interessanter als der Schulalltag.

Abb. 4.1  Auf einem Kongress der Schüler Union in Dortmund (in der Mitte sitzend). Am Mikrofon Friedrich Merz, der spätere CDU-Vorsitzende (1974). (© Ludger Kühnhardt)

Ich gründete Ortsverbände der Schüler Union an verschiedenen Orten des Landkreises, unterstützt von Petra Wichmann, Manfred Klostermann, Martin Schürmann, Mechthild Dörr und seitens der Jungen Union besonders von Thomas Kropp1. Dabei streckten wir auch die Fühler in Richtung Berufsschulen aus, weil wir nicht als elitäre Gymnasiasten abgestempelt werden wollten. So lernte ich den Maschinenbau-Lehrling Karl-Josef Laumann kennen.2 Ich traf Schüler-Union-Aktivisten aus anderen

1 Thomas

Kropp studierte Jura und wurde Manager. Für die Lufthansa leitete er mehrere Jahre deren Brüsseler Büro am Sitz der Europäischen Union und wurde anschließend Bevollmächtigter des Vorstands und Leiter des Bereichs Konzernpolitik und Internationale Beziehungen der Lufthansa Group. 2 Karl-Josef Laumann wurde von 1990 bis 2005 CDU-Bundestagsabgeordneter des Kreises Steinfurt, von 2013 bis 2017 Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und 2017 Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales von Nordrhein-Westfalen.

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Regionen von Westfalen-Lippe, vorneweg Friedrich Merz3 und Michael Sagurna4, die Geschwister Astrid und Volker Grosser, Hans-Jürgen Leersch5 und Hans-Josef Vogel6. „Grenzüberschreitend“ von Nordrhein-Westfalen in Richtung Niedersachsen entwickelte sich ein Kontakt zum Osnabrücker Schüler-Union-Vorsitzenden Christian Wulff.7 Am 9./10. März 1974 nahm ich am ersten Landeskongress der Schüler Union Westfalen-Lippe in Recklinghausen teil. Am 17. November 1974 folgte der zweite Landeskongress in Dortmund. Dort traf ich Rainer Barzel, der mir noch immer irgendwie leidtat, nachdem er nach dem verlorenen Misstrauensvotum gegen Willy Brandt und der verlorenen Bundestagswahl 1972 im Vorjahr die CDU-Führung an seinen Dauerkontrahenten Helmut Kohl abgeben musste, und Matthias Wissmann, den damals im Aufstieg befindlichen Vorsitzenden der Jungen Union. Am 1./2. März 1975 in Gelsenkirchen wurde ich in den Landesvorstand der Schüler Union Westfalen-Lippe gewählt. Am 14./15. Dezember 1974 nahm ich am Bundesschülerkongress in Recklinghausen teil. Der Schüler-Union-Bundessprecher Christoph von Bülow8 hatte eingeladen. Auch seinen Vorgänger, den ersten Bundessprecher der Schüler Union, Hans Reckers, lernte ich in dieser Zeit kennen.9

3 Friedrich

Merz wurde Rechtsanwalt, war von 1994 bis 1999 Mitglied des Europäischen Parlaments, von 1999 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages, von 2000 bis 2002 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und wurde 2021 erneut Bundestagsabgeordneter und 2022 Vorsitzender der CDU Deutschlands und der CDU/CSU-Bundestagsfaktion. 4 Michael Sagurna wurde Journalist und war von 1991 bis 2002 Pressesprecher des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf. 5 Hans-Jürgen Leersch wurde Journalist, unter anderem im Bonner Büro der Tageszeitung „Die Welt“. 6 Hans-Josef Vogel wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, von 1993 bis 1999 Stadtdirektor sowie von 1999 bis 2017 Bürgermeister von Arnsberg und 2017 Regierungspräsident des Regierungsbezirks Arnsberg. 7 Christian Wulff war von 1978 bis 1980 Bundessprecher der Schüler Union. Am 7. Dezember 1991 bat er mich, bei einer Bezirksversammlung seiner CDU Osnabrück über die These „Global denken und lokal handeln“ zu referieren. Von 2003 bis 2010 war er Ministerpräsident von Niedersachsen und von 2010 bis 2012 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Auf meine Glückwünsche zu seiner Wahl schrieb er mir am 4. August 2010, dass ihm „Kooperation und Partnerschaft mit unseren europäischen Partnern eine große Verpflichtung und eine Herzensangelegenheit“ seien. 8 Christoph von Bülow wurde Rechtsanwalt. 9 Hans Reckers wurde Rechtsanwalt, Büroleiter des Bundesfinanzministers Gerhard Stoltenberg, Staatssekretär für Finanzen in Sachsen, von 2002 bis 2009 Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank und 2015/2016 Staatssekretär für Wirtschaft, Technologie und Forschung in Berlin.

4.1  Wege in die Demokratie (Kühnhardt 1992a) – Beyond …

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Ich begann eine kleine politische Ochsentour im Sandkastenformat. Am 29. Juli 1972 gründete ich die Schüler Union in Ibbenbüren und leitete sie vom 29. Juli 1972 bis zum 21. Mai 1973. Direkt anschließend wurde ich stellvertretender Kreisvorsitzender der Schüler Union Landkreis Tecklenburg und vom 30. November 1974 bis zum 10. September 1976 Kreisvorsitzender des durch eine Gebietsreform entstandenen Landkreises Steinfurt, vom 14. November 1973 bis 4. November 1975 stellvertretender Bezirksvorsitzender im Regierungsbezirk Münster sowie vom 2. März 1975 bis 8. Januar 1977 Mitglied des Landesvorstands der Schüler Union Westfalen-Lippe. Parallel engagierte ich mich bis zum Ende meiner Schulzeit in der Jungen Union, deren Mitglied ich ebenfalls 1972 wurde, von 1974 bis 1976 als kooptiertes Mitglied des Kreisvorstandes der Jungen Union Steinfurt. Der CDU trat ich am 28. Februar 1975 bei. Ich organisierte Sitzungen der Schüler Union und stellte Mini-Budgets auf, die die örtliche CDU finanzierte. Die CDU war am Wählerverhalten von Jungwählern interessiert und wollte den „Willy-Wählen“-Trend unter jungen Deutschen brechen. Wir in der Schüler Union wollten allerdings nicht bloß als Schülertruppe von Junger Union und CDU abgestempelt werden, wie ich 1974 in einem Interview mit dem Landesvorsitzenden der Schüler Union Westfalen-Lippe, Klaus Rosenthal, herausarbeitete (Kühnhardt 1974). Wir waren pragmatisch, organisierten Nachhilfeunterricht, Schülerrechtsberatung und „Soziale Dienste“, setzten uns für eine Stärkung der Hauptschulen ein und führten Besichtigungen durch zum Bundestag in Bonn, zu den Panzerjägern der Bundeswehr in Münster-Handorf und in das Atomkraftwerk Lingen. Wir trafen führende Persönlichkeiten der nordrhein-westfälischen CDU, darunter den Landesvorsitzenden Heinrich Köppler und die Bildungspolitiker Albrecht Beckel und Alfred Pürsten. Wir waren bildungspolitisch dezidiert antiprogressistisch: Dass integrierte Gesamtschulen entstehen sollten und im fünften Schuljahr von „ungerechten Herrschaftsverhältnissen“ in unserer Gesellschaft gesprochen werden sollte, rief uns gegen die sozialdemokratische Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen massiv auf den Plan. Wir starteten Kampagnen wie „Girgensohn muss weg“, gerichtet gegen den SPDKultusminister von Nordrhein-Westfalen und Hauptförderer der damals bei uns verhassten integrierten Gesamtschulen. Für einige Zeit war ich gewählter Schülersprecher an meinem Gymnasium, zusammen mit Ursula Schenk und Isabella von Heereman. In dieser Zeit gelang mir ein kleiner, im Rückblick natürlich irgendwie lächerlicher machtpolitischer Coup: Bei einer Tagung der Bezirksdelegierten der Schülermitverwaltungen (SMV) im Dezember 1975 in Rheine blockierte ich mit meinen Freundinnen und Freunden aus der Schüler Union und dem neutralen Umfeld die Annahme einer Resolution, die sich einseitig für die Förderung von linken Projekten in Chile aussprach. Wir wollten Schülervertretung sein und akzeptierten nicht die Inanspruchnahme eines allgemeinpolitischen Mandats durch die SMV. Wir wollten Menschenrechte überall auf der Welt gesichert wissen und waren weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind. Wir entdeckten, dass die

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linken SMVler ungewählte zusätzliche Mitglieder in die Bezirksdelegiertenkonferenz eingeschleust hatten. Die Veranstaltung musste nach Tumulten abgebrochen werden. Den Krim-Sekt, den sie, wie wir vermuteten, aus der DDR beziehungsweise, wohl wahrscheinlicher, von der westdeutschen KPD erhalten hatten, schütteten die SMV-Linken am Abend dieses Tages aus Verärgerung in Rheine in die Ems. Wir wollten praktische Verbesserungen in der Schule statt ideologisch motivierter Bildungsreformen im Dauermodus. Wir wollten die Allgemeinbildung hochhalten und das geistige Klima beeinflussen. Insofern sahen wir uns als Avantgarde für die geistig-moralische Wende, die der 1972 neugewählte CDU-Vorsitzende Helmut Kohl bei seinem ersten Wahlkampf als Kanzlerkandidat 1976 beschwor. Erstmals hatte ich Helmut Kohl am 8. Mai 1974 einen Brief geschrieben, unmittelbar nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Willi Brandt. Als wäre es in irgendeiner Weise auf meine Meinung angekommen, appellierte ich altklug an Kohl, die CDU solle die Chance des Brandt-Rücktritts durch klare Programmatik und harte Arbeit nutzen. Schon am 13. Mai 1974 antwortete Helmut Kohl mir tatsächlich mit einem eigenhändig unterschriebenen Brief und bekräftigte, dass die CDU „hart arbeiten muss“, um den Bürgern die Alternativen aufzuzeigen, die sie habe, und auf deren Basis 1976 der nächste Bundestag gewählt werde. Zweimal erlebte ich Helmut Kohl in dieser Zeit persönlich: Bei einem Kongress von Schüler Union und Junger Union in Bottrop am 15. Mai 1976 und bei einem seiner Wahlkampfauftritte auf dem Marktplatz von Lengerich am 9. September 1976. Neben den gesellschaftlich umstrittenen Fragen, vor allem zu den Themen Abtreibung und Schulpolitik, und dem linksradikalen Terrorismus („Rote Armee Fraktion“) spielte sich ein wesentlicher Kontext der damaligen politischen Auseinandersetzungen in der Außenpolitik ab. Am 1. August 1975 fand die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki statt. 1976 wurden die dort vom sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Polens KP- und Staatschef Edward Gierek vereinbarten Polen-Verträge ratifiziert. Am 12. März 1976 stimmten im Bundesrat auch alle CDU-regierten Bundesländer zu. Die Stimmung kippte langsam weg von links, aber CDU/CSU mussten gleichwohl in der Opposition bleiben. Am 3. Oktober 1976 scheiterte Helmut Kohl bei der Bundestagswahl. Meine Sympathie für Kohl („Jugend für Kohl“) hatte mich 1975 in die CDU geführt. Er brachte mir das Werteverständnis christlich-demokratischer Politik nahe. Beim Machtkampf zwischen Kohl und dem CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß 1979 sah ich mich aufseiten von Kohl. Am 19. November 1976 kam es in Wildbad Kreuth zum (vorübergehenden) Beschluss der CSU über die Trennung von der CDU. Gleichzeitig zu den Spannungen unter den deutschen Christdemokraten konnte sich Bundeskanzler Helmut Schmidt in diesen Jahren weiter als Weltwirtschaftsmanager profilieren. Am 16./17. Juli 1978 fand, beispielsweise, erstmals ein G7-Weltwirtschaftsgipfel unter Beteiligung von US-Präsident Jimmy Carter in Bonn statt, den ich auf dem Bonner Marktplatz zu sehen und zu hören bekam.

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Bei der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 kandidierte Franz-Josef Strauß erfolglos als Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Ich war mit seiner Kanzlerkandidatur gar nicht einverstanden und trat deshalb aus der CDU und aus der Jungen Union aus. Die Begründung, die ich dafür in einem länglichen Brief vom 31. Juli 1979 an den CDUVorsitzenden Helmut Kohl fand, ist erinnerungswürdig für die Orientierungspunkte, die mir in dieser Zeit wichtig waren, aber auch für die eigentümliche Orientierungsunsicherheit, die mich damals in Anspruch nahm: Ich sei gerade aus Südasien zurückgekommen, wo ich viel Elend und existenzielle Lebensherausforderungen erlebt habe. Vor diesem Hintergrund sei mir das Gezerre zwischen CDU und CSU besonders unwürdig vorgekommen. Es widerspreche meinen christlich-sozialen Grundhaltungen. Die CDU habe für mich angesichts solcher Streitigkeiten allen Respekt verloren. Gerne hätte ich mich dort sogar stärker engagiert, aber nun sei dies unmöglich und ich trete aus. Es sprach für Helmut Kohl, dass er mir am 12. September 1979 einen ausführlichen Antwortbrief schickte: Er konzedierte, dass die Streitigkeiten zwischen CDU und CSU Narben hinterlassen hätten, aber „Groll über Vergangenes“ dürfe nicht „kennzeichnendes Verhalten unserer Politik“ werden: „Ich versichere Ihnen, dass ich Ihren Schritt ausserordentlich bedauere.“ Er erläuterte mir mit Engelsgeduld, dass die historische Mission der CDU seit 1949 und die Sache, um die es gehe, wichtiger sei als Personen und eine Einzelsituation. „Ich würde mich freuen“, endete Kohl, „wenn wir hierüber weiter in Kontakt bleiben könnten. Ich bitte Sie herzlich, Ihre Entscheidung nochmals zu überprüfen.“ Vermutlich signierte er einen Brief gleichen Inhalts häufig in jenen Tagen. Meine damals noch sehr naiven, fast autistischen Ideen zum Werteverständnis in der Politik waren mir wichtiger als Parteierwägungen und ein Nachdenken über die Aufgaben von Institutionen. Ich lief lieber alleine und verlief mich auch lieber alleine. Mein Pluralismus-Verständnis war auch noch nicht recht ausgebildet. Zugleich hatte ich immerhin Erfahrungen mit praktischer Politik gemacht, mit Gremien und Hierarchien, aber auch mit Mauscheleien. Solche gab es damals auch schon in der Schüler Union hinter meinem Rücken, um mir zu schaden. Ich war für Ränkespielchen aller Art zu keinem Zeitpunkt meines Lebens zu haben. Immerhin dieses Gen der Unabhängigkeit und Freiheit setzte sich inmitten meines Schülerengagements permanent in mir fest. Mir ging es um Inhalte und damals vor allem um das Christliche in der Politik. Nach unserem ersten Kennenlernen vertiefte ich den Gesprächsfaden mit Matthias Wissmann. Ich bot ihm einen Artikel über das „C“ im Namen der CDU an für die Zeitschrift der Jungen Union Deutschland. Tatsächlich druckte „Die Entscheidung“ meinen kleinen Aufsatz (Kühnhardt 1975). Könnte ich publizistisch in die Welt der Politik hineinwirken, so wie ich es mir als Pennäler immer so abstrakt gedacht hatte? Eineinhalb Jahre später erschien sogar ein weiterer kleiner Text, der die Forderung nach einer grundsatzpolitischen Ausrichtung der CDU mit meinem damaligen Lieblingsthema Entwicklungshilfe verband (Kühnhardt 1977). In meiner Studienzeit setzte sich die Freundschaft zu Matthias Wissmann fort, der 1976 in den Bundestag gewählt worden war. Aber auf eine

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Parteischiene ließ ich mich von nichts und niemandem setzen. Bei ihm war dies anders und so gingen unsere Wege wieder in andere Richtungen.10 Es war nicht bloß Zufall, dass mein Engagement in der Schüler Union und der Jungen Union zu dieser Zeit umschlug in Distanz gegenüber Engagements in politischen Gremien auf der Suche nach einem Posten. Mir blieb Parteipolitik, wie ich sie ein klein wenig hatte erleben können, zu engstirnig, zu selbstbezogen und überdies zu sehr auf Deutschland fixiert. Die sachlichen Fragen der Entwicklungshilfe packten mich weit mehr als Diskussions- und Machtrituale in Parteigremien, wie wichtig und verdienstvoll sie auch sein mochten. Eine Predigt von Pater Beda (Linus Vickermann) hatte mich 1976 mitgerissen. Immer wieder hatte ich dem charismatischen Franziskanerpater in den Jahren zuvor geholfen, Altpapier und Altkleider im Kreis Tecklenburg zu sammeln. Der Erlös kam Hilfsprojekten für arme Menschen im Nordosten Brasiliens zugute. Jetzt aber packte mich seine Predigt im Sonntagsgottesdienst meiner St. Mauritius-Gemeinde über die Strukturen der Armut in Nordosten Brasiliens. Ich spürte, dass es nicht ausreichte, karitative Hilfe zu leisten und in Parteigremien tätig zu sein. Strukturelle Veränderungen waren erforderlich, um das Armutsproblem von der Wurzel her zu besiegen. Ich wollte nicht mehr vorrangig auf die Effekte meiner Mitwirkung in irgendwelchen politischen Gremien der unterschiedlichsten Ebene warten. Pater Bedas packende Predigt hatte einen eigenartigen, ja paradoxen Effekt auf mich: Ich wollte von den größeren Zusammenhängen der Zeitfragen her zu denken lernen und ging zugleich auf Distanz zur Partei- und Gremienpolitik, an die ich mich gerade gewöhnt zu haben schien. Kaum war ich der CDU beigetreten, begann sie mir fremd zu werden. Auch später galt: Immer dann, wenn es hätte bequem werden können, suchte ich nach einem neuen Ziel. Mein Kompass zeigt seit dieser Zeit allerdings konstant über Deutschlands Grenzen hinaus. In den Jahren von Ausbildung und Studium zog es mich daher weder in irgendeine Studentenverbindung noch in die studentische Politik. Während der Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München lernte ich durchaus gewisse Sympathien für grüne Ideen und tolerante Lebensmodelle kennen. Hippies waren jedenfalls fröhlich und unverkrampft, stellte ich fest. Sozialdemokraten hingegen fand ich eher altbacken und spießig oder verkappt ideologisch und besserwisserisch. Eine Begegnung mit Egon Bahr während einer Exkursion nach Bonn blieb mir als abschreckend in Erinnerung. Später dann im Studium an der Universität Bonn gewann ich Gefallen daran, meine unausgereiften Ideenhorizonte zu vertiefen. Die Vorlesungen bei Johannes Straub in Alter Geschichte, der den Machtkampf zwischen Athen und Sparta mit dem Kampf des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion verglich, waren nach meinem Geschmack.

10 Matthias Wissmann wurde 1993 Bundesminister für Forschung und Technologie und von 1993 bis 1998 Bundesminister für Verkehr.

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Abb. 4.2  Auf der Suche nach den Wurzeln Europas: In Delphi (1981). (© Ludger Kühnhardt)

Dass ich Delphi und Olympia, Athen und Sparta in dieser Zeit persönlich in Augenschein nehmen konnte, verstärkte die Motivation, mehr über das zu wissen, was ich gesehen hatte. Bei meinen Philosophieprofessoren konnte ich die führenden Köpfe der politischen Philosophie kennenlernen. Aristoteles tat es mir an, ebenso John Locke und Charles-Louis Baron de Montesquieu. Georg Wilhelm Friedrich Hegel hielt ich mit seinem mich befremdenden Substantivismus der Sprache für einen Vernebelungskünstler. Immanuel Kant las ich am liebsten auf Englisch. Beim Moraltheologen Franz Böckle lernte ich, dass alle moralischen Konflikte Zielkonflikte sind. Der rationale Mensch müsse lernen, mit solchen Spannungen zu leben, folgerte ich. Das aber bedeutete, auch die eigenen moralischen Urteile nicht absolut zu setzen und lernen, die eigenen moralischen Vorurteile zu akzeptieren. Diese Einsichten mussten Folgerungen für die Art meines Denkens haben. Langsam lockerte sich mein noch arg unreifes, ja: steifes christliches Gesellschaftsmodell auf, das ich mir zur Schulzeit so apodiktisch als das beste Gegengift gegen alle linken und rechten Diktaturen angeeignet hatte. Ich musste alles gründlicher und breiter verstehen und einordnen, merkte ich. Die katholische Kirche wollte ich nicht aufgeben, aber sie durfte nicht Alles einfach für alle Zeiten so definieren, wie es überlieferte Norm war. Das Ringen um diesen Ausgleich zwischen Tradition und Liberalität begleitete mein Christsein in mancherlei Hinsicht jahrzehntelang. Die Demokratie wollte ich natürlich zu keinem Zeitpunkt aufgeben, aber meinen moralischen Rigorismus damals einstweilen auch noch nicht. Die Verweigerung des Wehrdienstes fand ich daher konsequent, aber ebenso konsequent

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empfand ich meine Ablehnung der Friedensbewegung der frühen 1980er-Jahre. Mit Befremden stand ich am Rande der berühmten Hofgarten-Demonstration am 10. Oktober 1981. Ich hatte bis dahin gemeint, doch irgendwie zu dieser Generation von Friedensaktivisten gehören zu müssen. Aber unter ihnen fühlte mich dann einfach nur fremd. Der Aktivismus der meisten Friedensbewegten war für mich ideologisch aufgeladen und das mochte ich überhaupt nicht. Der NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979 erschien mir plausibel. Am besten gefiel mir bei der Hofgarten-Demo Harry Belafontes Gesang. In einer Würzburger Kirchenzeitschrift analysierte ich die Widersprüche der Friedensbewegung (Kühnhardt 1982). Mir blieb der Unterschied zwischen persönlicher Gewissensentscheidung für Gewaltfreiheit (die ich stets achtete) und einem radikal-politischen Pazifismus, der das System von Sicherheit und Verteidigung einer ganzen Gesellschaft mit einer gewissen Überheblichkeit negierte (was ich stets ablehnte), immer wichtig. Als der Krieg nach Europa tatsächlich zurückkehrte, wurde mir die Spannung schnell klar, in der ich schon in den frühen 1980er Jahren gelebt hatte: Gegenüber dem Bösen darf es kein Zurückweichen geben. Legitime Selbstverteidigung ist dann zwingend erforderlich, jedenfalls moralisch gerechtfertigt. Dass ändert nichts an dem individualethischen Wunsch, nicht zu den Waffen greifen zu müssen. In den Jahren nach den deutschen Gewaltorgien, die Europa im 20.Jahrhundert überzogen hatten, blieb mir diese meine individualethische, aus dem christlichen Tötungsverbot gewachsene Haltung nur nachvollziehbar. Aber auch ich musste akzeptieren, dass die Zeiten und die Bedrohungen durch das Böse sich ändern. Anfangs der 1980er Jahre war ich in meinem Denken immer wieder hin- und hergerissen zwischen den Polen von Individualethik und Kollektivverantwortung. Zeitgleich setzte ich mich im Studium mit politischer Romantik auseinander und lernte durch Karl Dietrich Bracher die Werke von Jakob Leib Talmon kennen, einem Freund Brachers (Talmon 1952, 1960, 1981). Intensiv kniete ich mich in die Problematik der totalitären Demokratie hinein und veröffentlichte später einen meiner ersten wissenschaftlichen Aufsätze über Talmons Studien (Kühnhardt 1992b). Ich wurde Kritiker der Ideen in Jean-Jacques Rousseaus Du contrat social und begann, die Ambivalenz des Freiheitsgedankens in und seit der Französischen Revolution zu verstehen. Ich hatte begonnen, analytisch zu denken und nach Ursachen und Wirkungszusammenhängen zu forschen. Ideen und neue Wirklichkeiten studierte ich nun immer zielgenauer in ihrem Wechselverhältnis: Aufklärungsphilosophie, Massengesellschaft, Überdehnungen des Begriffs der Freiheit und schließlich der Umschlag romantischer Nationalideen in totalitäre, geschlossene Weltbilder. Ich verstand langsam die Abfolge der Ideen und der geschichtlichen Entwicklungen. Immer differenzierter wollte ich die Zusammenhänge begreifen. Linkshegelianismus wie Rechtshegelianismus empfand ich konstant und gleichermaßen als irreführend, ja gefährlich. Immer mehr sickerte in mein Denken ein, dass – wie Bracher es lehrte – auf totalitäre Weltbilder nur ein pluralistisches, liberales Politikverständnis eine humane Antwort geben konnte. Das christliche Gesellschaftsmodell warf ich nie über Bord, aber begann damals, es zu relativieren, genauer: in die Parameter des liberalen Pluralismus einzuordnen. Ich lebte nicht nur zwischen allen Stühlen, sondern, so empfand ich es, ich dachte vermehrt auch zwischen allen Stühlen. Der Historiker Hans-Peter Schwarz sprach rückblickend von den „kurzen achtziger Jahren“ (Schwarz 2012, S. 475–487). Am 1. Oktober 1982 wurde Helmut Kohl nach

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dem erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt Bundeskanzler, bestätigt nach der Bundestagswahl vom 6. März 1983. Zwischen 1982 und 1989 wurde die Bundesrepublik Deutschland von einem häufig als schwach angesehenen Bundeskanzler regiert. Deutschland galt als bieder, konsolidiert, langweilig. Es ging scheinbar immer weiter aufwärts und vorwärts. Die Globalisierung der Kapitalmärkte setzte ein, das Ende des Ostblocks schien unausweichlich. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft erwachte langsam aus einer Phase der Stagnation. Am 28. Februar 1986 wurde nach massiven Kontroversen unter den zwölf EWG-Mitgliedsländern die „Einheitliche Europäische Akte“ unterzeichnet. Sie trat am 28.02.1987 in Kraft. Im März 1985 wurde Michail Gorbatschow Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Bald breitete sich Gorbi-Begeisterung in Westdeutschland aus. Mein Geschichtsstudium zu Beginn der 80er-Jahre relativierte ein Bild von mir selbst, das des Deutschen. Je mehr ich mich parallel zur Geschichte der Staatenwelt mit der Familiengeschichte meines Vaters beschäftigte, umso mehr entdeckte ich schlesische Eigenheiten, polnische Wurzeln, Querverbindungen nach Österreich und Italien. Wenn Geschichte anders verlaufen wäre, wäre meine väterliche Familie wohl polnisch oder böhmisch-habsburgisch geblieben. Der Blick in die Vergangenheit meiner mütterlichen Ahnen brachte eine weitere Bekräftigung meiner antipreußischen Instinkte. War das Fürstbistum Münster Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts nicht ebenso ein Opfer der preußischen Expansion geworden wie Schlesien? Expansionismus im Namen Deutschlands hatten meine Vorfahren zu Deutschen werden lassen. Was war daran aufklärerisch, wie Preußen immer gerne gesehen werden wollte? Hitlers Expansionsradikalität, war sie etwa doch mehr als Exzess einer bestimmten Zeit und vielleicht gar Programm einer kulturgeschichtlichen Disposition in der unruhigen Mitte Europas? Gehörte ich eigentlich überhaupt zu diesen Deutschen dazu? Waren sie mir wirklich geheuer? Sollte ich mich für sie und in ihren Strukturen engagieren? Würden sie mich angesichts solcher Grübeleien je in irgendein Amt wählen? Die Frage begann mich schon in den 1970er-Jahren zu beschäftigen, was es denn eigentlich bedeutet, Europäer zu sein. Erstmals hatte ich vom 3. bis 16. April 1976 mit meinen Eltern die Tschechoslowakei und Polen besucht (Kühnhardt 2021, S. 34 ff.). Vor der Reise hatte ich in einem Brief an die CDU-Ministerpräsidenten dafür plädiert, die Vereinbarungen zu ratifizieren, die die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt mit Polen abgeschlossen hatte. Es handelte sich um ein Renten- und Sozialabkommen, auf dessen Basis Polen einen Kredit von einer Milliarde Mark erhalten sollte, um alle Forderungen im Bereich der Renten- und Unfallversicherung aufgrund des Ausreisewillens deutschstämmiger Polen abzugelten. In letzter Minute erzwang die CDU das Abfassen eines vertragsergänzenden Protokolls. Es ging um menschliche Erleichterungen für gut 125.000 Deutschstämmige in Polen, die in den nachfolgenden vier Jahren, wenn sie es wollten, ausreisen konnten. Danach hätten auch alle anderen diese Möglichkeit, sah die Protokollnotiz vor. Rigide Opponenten der sozialdemokratischen Ostpolitik wollten die Vereinbarung mit Polen im Ratifizierungsverfahren scheitern lassen. Mir schien die Vereinbarung pragmatisch der beste Weg, um den Menschen, darunter meinen schlesischen Verwandten, die Option einer freien Entscheidung darüber, wo sie künftig leben mochten, an die Hand zu geben. Die Ostpolitik hatte enorm polarisiert, dessen war ich mir voll bewusst. Aber schon bei

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der Vorbereitung meiner ersten Reise nach Polen wurde mir deutlich, dass Pragmatismus menschlicher wäre als ein rigides Pochen auf nicht mehr zu revidierenden Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges. Das, schien mir, war das wenigste, was ich meinen Verwandten in Polen schuldete, die ich dabei war, erstmals kennenzulernen. Am 12. März 1976 waren die Verträge im Bundesrat ratifiziert worden. Wieder zurück in Westfalen, fand ich eine sehr freundliche Antwort des niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht vor. Für ihn standen, wie er mir schrieb, bei seiner Zustimmung zu den Vereinbarungen mit Polen „die humanitären Gesichtspunkte im Vordergrund“. Er hoffte, dass ich mit mehr Zuversicht meinen Verwandten begegnen konnte, nachdem Bundestag und Bundesrat die Vereinbarungen ratifiziert hatten. Über meine Polen-Eindrücke schrieb ich alsbald eine entsprechende Reportage (Kühnhardt 1976). Sehr viel später kam ich auf das Thema Polen zurück, nachdem im Rahmen der Verhandlungen über die äußeren Bedingungen der deutschen Wiedervereinigung 1990 endgültige Regelungen mit Polen über die OderNeiße-Grenze gefunden worden waren und der lange „Bruderzwist“, wie ich schrieb, endlich beigelegt werden konnte. Dieser Text fand Eingang in meine erste Sammlung von politikwissenschaftlichen Aufsätzen, die ich 1992 veröffentlichte (Kühnhardt 1992c).

Abb. 4.3  Wege in die Demokratie. Beiträge aus der Politischen Wissenschaft (1992). (© Palm und Enke/Friedrich-Schiller-Universität Jena)

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Polen hatte und hat immer einen Soft Spot in meinem Herzen. Als die polnische Regierung unter General Wojciech Jaruzelski am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängte, stand ich unter Hunderten junger Polen mit Tränen in den Augen im Kölner Dom beim abendlichen Bittgottesdienst für ein freies Polen. Solidarność war auch meine Bewegung. Papst Johannes Paul II. und Lech Wałęsa waren und blieben meine größten europäischen Helden des 20. Jahrhunderts. Dass ich beide treffen durfte, gehörte immer zu den beeindruckendsten Begegnungen meines Lebens. In den späten 70er- und frühen 80er-Jahren hatte ich noch rechte Mühen, die Emotionen und Ressentiments angemessen zu reflektieren, die in dem ungeheuer belastenden Thema der deutschpolnischen Beziehungen steckten. Aber immer war mir intuitiv klar, dass mein Deutschsein wegen meiner Empathie für Polen gebrochen blieb, wie auch immer man es drehte und wendete. Im Tiefsten war hier wohl letztlich auch die innere Bremse, die mich von einem machtgetriebenen, direkten und ungenierteren Mitwirken in der deutschen Politik abhielt. Ich wusste nie endgültig, ob ich wirklich dazugehören wollte, sollte und durfte. Männlichkeitsrituale in deutschen Politikmilieus stießen mich zusätzlich ab. Wichtigtuerei bei gleichzeitigem Hang zur Provinzialität, das erschien mir – gewiss war ich darin überheblich – eine besondere deutsche Untugend, die sich in politischen Zirkeln offenbar besonders gerne äußert. Zwischen 1982 und 1983 wurde ich mehrfach als Gast zu den Sitzungen des CDUBundesfachausschusses Entwicklungspolitik und des CDU-Bundesfachausschusses Außenpolitik gebeten. Am 28. Juli 1984 trat ich der CDU wieder bei.11 Kohls Europapolitik hatte mich überzeugt. Die Beziehungen zwischen der CDU und mir blieben allerdings, um es in der Sprache der Diplomaten zu sagen, von wechselseitiger Kühle geprägt. Unterdessen hatte ich eine ganze Reihe von CDU-Politikern kennengelernt, ausgerechnet als Postdoc in Tokyo erstmals auch im persönlichen Gespräch Bundeskanzler Helmut Kohl (Kühnhardt 2021a, S. 239 f.). Aber der Ausbau meiner geistes-

11 Ich

trat wieder und endgültig aus der CDU aus, als 2005 die Große Koalition von CDU und SPD gebildet wurde. Ich hielt diese Entscheidung staatspolitisch für falsch. Das war nun endgültig nicht mehr meine CDU. Zehn Jahre später hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre CDU es sogar geschafft, dass ich das Land meiner Geburt nicht mehr als mein Deutschland empfand. Christlich-demokratische Politik konnte ich in der CDU ohnehin nicht mehr entdecken und kaum noch liberale Elemente. Ein prozesspolitischer Pragmatismus hatte sich durchgesetzt, der sich an Machtbedürfnissen und demoskopischen Tagesstimmungen orientierte, aber nicht mehr am christlichen Menschenbild und an liberalen Gesellschaftskonzepten. Selbst die korrigierende Rolle des Parlaments bei entscheidenden Fragen der Nation wurde von der Regierung der Großen Koalition immer wieder ausgehebelt. Ich hielt Deutschland auf einem grundlegend falschen Weg. Eine Alternative für Deutschland sah ich nicht, schon gar nicht im Milieu einer neuen Partei dieses Namens. Ich war politisch heimatlos geworden, setzte keine Hoffnung mehr auf ein Politikmodell, das im christlichen Menschenbild und einer kohärenten liberal-konservativen Gesellschaftskonzeption verankert war, und wurde zum Wähler der FDP. Sie war mir zum sympathischen Korrektiv gegen provinzielle Selbstgefälligkeit und Bürokratiefetisch als Politikersatz geworden.

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wissenschaftlichen Kompetenzen blieb mir wichtiger als parteipolitisches Engagement in streng ritualisierten Gremien oder Vorständen. Die CDU-Bundesfachausschüsse waren eine gewisse Ausnahme. Dort stand Sacharbeit im Vordergrund und nicht Gremienarbeit, von der ich mir seit den Erfahrungen in der Schüler Union nicht mehr viel versprach, um meinen Beitrag für die deutsche Demokratie angemessen zu leisten. Ich blieb auf der Suche nach wirkungsvolleren Wegen in der Demokratie. Dabei wirkte sich ein weiteres Dilemma auf mein eigenwilliges Zwischen-denStühlen-Dasein aus. Je mehr ich die Welt erlebte, desto mehr ging ich auf innere Distanz zum Bonner Politikbetrieb. Die Bundeshauptstadt Bonn war natürlich mein Wunschstandort wegen des dortigen Politikbetriebs. Aber ich musste lernen, dass unter den Bedingungen der deutschen Parteidemokratie in Bonn nur gehört wurde, wer in seiner Heimat eine Hausmacht hatte. Mir kam das bekannt vor, je mehr ich im Studium der Geschichte die Strukturen des mittelalterlichen Feudalismus studierte. Irgendwie verstand ich mich doch mehr als Journalist und Nachwuchswissenschaftler, aber nicht als Gefolgsmann einer parteipolitischen Kohorte. Für mich musste es andere Wege in die deutsche Demokratie geben. Politikberatende Mitwirkung von der Seite schien besser zu meinem Naturell zu passen. Ich leuchtete in dieser Zeit neuerlicher Schwebe, von der gleichwohl festen beruflichen Warte eines wissenschaftlichen Assistenten im Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn, den zeitgeschichtlichen Horizont aus, in dem meine eigene Arbeit stand. Vorträge in diversen Bildungseinrichtungen über die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland, die Weimarer Verfassung, die verfassungsrechtlichen und politisch-kulturellen Antworten auf die Zeit der deutschen Diktatur unter dem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, das Grundgesetz und die Idee der Selbstbestimmung, Westbindung und Ostpolitik, Hallstein-Doktrin und Dritte-Welt-Politik, aber auch Blicke auf Europa: Der europäische Binnenmarkt als „sfida commune“ und die Armut der Intellektuellen, die sich an politischen Debatten zu wenig beteiligen. Stolz erprobte ich meine Italienisch-Kenntnisse in Vorträgen zu diesen beiden Themen am 26. Mai 1986 an der Universität Triest und am 27. Mai1986 an deren Außenstelle in Gorizia, der damals neben Berlin zweiten geteilten Stadt Europas. Ich begann, mein eigenes Denken im Dreieck von Demokratie, deutscher Zeitgeschichte und europäischer Bestimmung zu ordnen. Mir blieb auch in den nächsten zehn Jahren wichtig, neue Entwicklungen immer wieder in diesem Dreiklang zu analysieren. So entstanden weitere Vorträge und Aufsätze, darunter auch in Indien, in Großbritannien und wiederholt in den USA. Ich lernte Jahr um Jahr deutlicher, dass die Epoche, die zur Teilung Europas und Deutschlands, aber auch zu den Zerrissenheiten in der Interpretation des Demokratieverständnisses in westlichen Ländern geführt hatte, zu Ende ging. Jenseits der jahrzehntelang geltenden Parameter von Teilung und Konflikt musste die Suche nach einem neuen Konsens über die Erhaltungsbedingungen der Freiheit beginnen. Bevor ich dazu selber einige Beiträge leisten wollte, führte ich 1996 meine bisherigen, verstreut veröffentlichten Texte zu einem Sammelband zusammen (Kühnhardt 1996). Hinter mir lag ein Jahrzehnt der Reifung.

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Abb. 4.4  Beyond divisions and after. Essays on democracy, the Germans and Europe (1996). (© Ludger Kühnhardt)

Am 8. Dezember 1986 wurde ich in der „Washington Post“ zitiert: Die neue Regierung Kohl werde endlich langfristige Planungen beginnen müssen, so die Einschätzung eines Politikwissenschaftlers, der ich für manchen Bonner Korrespondenten damals war, während ich mich selber noch als suchenden Politikberater sah. Die Kohl-Regierung habe ihre Jugendphase beendet und werde mit der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 das Erwachsenenalter erreichen, wurde ich zitiert. Ich pflegte Kontakte ins Kanzleramt, wo mein Kommilitone Stephan Eisel in Kanzler Kohls Redenschreiberstube saß. Dort war man siegessicher, noch bevor der Wahltag gekommen war. Anfang 1987 wurde ich mehrfach ins Bundeskanzleramt geladen. Mit den Redenschreibern von Bundeskanzler Kohl Michael Mertes, Norbert Prill und Klaus Gotto brütete ich über der Botschaft für die neue Regierungserklärung. Man hielt mich dort offenkundig für einen

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brauchbaren Zuarbeiter. Das schlechte Verhältnis Kohls zu den Medien war mir aus den Medien durchaus vertraut, auch der Wettbewerb zwischen ihm und dem nebenan, in der über die Gartenmauer hinweg immer einsehbaren Villa Hammerschmidt amtierenden Bundespräsidenten von Weizsäcker.12 Mehr interessierte mich damals nicht. Ich suchte danach, im deutschen Staat in der Sache mitzuwirken, irgendwie und irgendwo, ohne eine konkrete Karriereidee im Kopf zu haben. Ich befasste mich in dieser Zeit auch grundsätzlich mit Fragen des Verhältnisses von Sprache und Politik in meinen Universitätsseminaren und weiteren Vorträgen in der Bildungsarbeit. Wörter als Elemente politischen Agierens, sprachlich geformte Ideen, die realitätsbildende Kraft von Sprache, damit setzte ich mich auseinander. Mir wurde klar, welche Kraft der „Marsch durch die Wörter“ haben konnte und ich zitierte Goethes „Faust“: „Im Ganzen: Haltet Euch an Worte! Dann geht ihr durch die sichre Pforte. Zum Tempel der Gewissheit ein“, denn: „An Worte läßt sich trefflich glauben.“ Ich empfand es als gute Fügung, von Wolfgang Bergsdorf, dem Leiter der Abteilung Inland im Bundespresseamt und strategischen Kopf von Kohls öffentlicher Präsenzplanung, zu Gesprächen ins Bundeskanzleramt über „Aufgaben geistig-politischer Führung“ gebeten zu werden, wie es im zusammenfassenden Bericht über das Gespräch vom 14. Januar 1987 hieß. Beraten wurde die Botschaft für eine mögliche weitere Regierungserklärung von Bundeskanzler Kohl. Wir sprachen über den Preis der Freiheit, das Ende linker Utopien, die Suche nach weltanschaulicher Vergewisserung, über den Geburtenrückgang in Deutschland, die Individualisierung der Gesellschaft, soziale Fragen auf hohem Niveau, die Folgen einer alternden Gesellschaft. Wir stellten fest, dass Europas Grenzen noch immer ziemlich dicht seien, auch in der Europäischen Gemein-

12  Der ost-west-politische Kontext der Rivalität zwischen Kohl und von Weizsäcker in diesen Jahren: Am 27. Oktober 1986 erschien ein Interview mit Bundeskanzler Kohl in „Newsweek“, in dem Kohl den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow mit Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels verglich. Am 6. Juli 1987 begann Richard von Weizsäcker einen Staatsbesuch in der Sowjetunion. Am 7. September 1987 besuchte der Staats- und Parteichef der DDR, Erich Honecker, Bonn. Am 30. Mai 1989 war US-Präsident George H.W. Bush in Bonn, am 12. Juni 1989 der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow. Beide Staatsmänner konnte ich, ebenso wie zuvor Erich Honecker, bei ihrem Besuch in der Villa Hammerschmidt persönlich erleben. Helmut Kohl konzentrierte sich auf die Europathematik: Kohl und Frankreichs Staatschef François Mitterrand brachten die europäische Währungsunion voran. Im Juni 1988 wurde auf dem EG-Ratstreffen in Hannover die Liberalisierung der Kapitelmärkte als Voraussetzung für die Europäische Währungsunion beschlossen und ein Expertengremium unter EG-Kommissionspräsident Jacques Delors eingesetzt. Im April 1989 legte dieses Gremium sein Konzept für einen Dreistufen-Weg zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vor. Im Juni 1989, auf dem EG-Ratstreffen in Madrid, wurde die künftige Währung „Euro“ benannt. Am 18. Juni 1989 fand die Wahl zum Europäischen Parlament statt. In der CDU grummelte es die ganze Zeit über gegen Helmut Kohl. Im September 1989 sollte ein Putschversuch gegen Kohl in der CDU in sich zusammenbrechen.

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schaft, wo es nur geringen Austausch zwischen den Universitäten gab und sogar nur eine beklagenswert schwache Vernetzung europäischer Bibliotheksbestände. Ich schlug einen European Citation Index vor. Die Themen der Dritten Welt definierte ich als Chance für Europäer, „unsere Gemeinsamkeit zum Nutzen Dritter erfahrbar werden zu lassen“. Nach dem Wahlsieg der Unionsparteien bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 folgte ein weiteres Gespräch im Kanzleramt am 16. Februar 1987. Ich wurde gebeten, für diesen Termin eine Ideenskizze für die bald anstehende Regierungserklärung von Bundeskanzler Kohl vorzulegen. In diesem Text empfahl ich, in der anstehenden Regierungserklärung „die Widersprüche und Spannungen, mit denen staatliches Handeln zu rechnen hat, zu benennen“. Politische Sprache müsse mit der Alltagssprache harmonisieren, führte ich aus. Es sei erforderlich, besser als bisher die Zusammenhänge zwischen Innen- und Außenpolitik zu denken. Die Schöpfung müsse bewahrt werden. Politik solle eine kindgerechte Gesellschaft unterstützen und die Anliegen der Dritten Welt intensiver berücksichtigen, ohne jemals die Menschenrechte aus dem Blick zu verlieren. Problematisch für den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft sei der wachsende Vertrauensschwund in die Kirchen und der Rückgang der Religionsausübung im Lande. „Politik,“ so formulierte ich, „muss sich neu definieren im Sinne der Selbstbeschränkung und im Sinne der Kompetenz dort, wo sie tatsächlich nötig ist.“ Das Subsidiaritätsprinzip müsse stärker angewendet werden, auch im Zusammenhang mit den weiteren Perspektiven für die Europäische Gemeinschaft. In Deutschland selbst, so endete ich mein Papier, das ich im mündlichen Vortrag erweitern konnte, sei eine bessere historische Einbettung der neuen Selbstverständlichkeiten von Freiheit und Wohlstand nötig. Anschließend diskutieren die anwesenden Kohl-Mitarbeiter und Wissenschaftler – darunter der Mainzer Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld, der Philosophieprofessor an der Universität Witten/Herdecke, Peter Koslowski, der Züricher Soziologe Gerhard Schmidtchen und der Münsteraner Wirtschaftswissenschaftler Holger Bonus -, mit mir die langsam Kontur annehmende Kohl-Idee, ein Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu etablieren.13 Die meisten meiner Stichworte aus dieser Besprechung fand ich dann tatsächlich in der Ansprache des Bundeskanzlers vom 13. März 1987 wieder (Kohl 1987). Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich bereits seit zwei Wochen auf der anderen Seite der Gartenmauer, die das Bundeskanzleramt von der Villa Hammerschmidt trennt. Zu

13 Bundeskanzler Helmut Kohl hatte erstmals in seiner Regierungserklärung am 13. Oktober 1982 die Errichtung eines solchen Museums vorgeschlagen. 1986 war mit der historischen Sammlung begonnen worden. 1990 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Errichtung einer selbstständigen Stiftung öffentlichen Rechts als Träger des „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Helmut Kohl konnte das Museum 1994 eröffnen. Für mich wurde bereits damals das Museum Vorbild für die Idee eines Hauses der Europäischen Geschichte.

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meiner Überraschung hatte mich im Herbst 1986 der mit mir befreundete Kommilitone Friedbert Pflüger angesprochen. Ob ich mir vorstellen könnte, eine Zeitlang als Redenschreiber für Bundespräsident von Weizsäcker zu arbeiten, fühlte er vor. Friedbert Pflüger hatte 1982 bei Karl Dietrich Bracher promoviert, ein wenig vor mir. Er ging danach eine Weile nach Harvard und trat danach in das Mitarbeiterteam von Richard von Weizsäcker während dessen Zeit als Regierender Bürgermeister von Berlin ein. Wir blieben in Verbindung, auch an verrückten Orten: Am 27. Juni 1984 trafen wir uns während meines zweiten Besuches in China zufällig auf dem Flughafen Shanghai (Kühnhardt 2021a, S. 277). Am 20. Dezember 1984 schrieb Friedbert mir in mein Postdoc-Paradies nach Harvard und beschrieb die Stimmung in Deutschland recht drastisch: Auffällig sei „der generelle Verlust an Kraft und Dynamik in unseren Gesellschaften in Europa, ihr zunehmender Provinzialismus und die mangelnde Fähigkeit, mit Japanern und Amerikanern Schritt zu halten“. Am 24. Mai 1984 war Richard von Weizsäcker zum sechsten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Wie es der Zufall wollte, hatte ich als erste Aktivität während meiner Postdoc-Zeit im Herbst 1984 in Harvard von Weizsäckers neuestes Buch rezensiert: Die deutsche Frage bleibe so lange offen, wie das Brandenburger Tor geschlossen ist, hatte er dort so griffig formuliert (Weizsäcker 1983; Kühnhardt 1984). Nun wollte der Bundespräsident mich kennenlernen.

4.2  Momentaufnahmen und Denkwege eines europäischen Staatsmannes (Kühnhardt 2020): Mitarbeiter von Bundespräsident Richard von Weizsäcker Mit offenem Blick und freundlichen, warmen Augen begrüßte Bundespräsident Richard von Weizsäcker mich am 18. Oktober 1986 um 18 Uhr 30 in der Villa Hammerschmidt. Er geleitete mich zu einem Sofa in seinem Arbeitszimmer vor dem Kamin, dorthin, wo ich im Fernsehen schon mehrfach Staatsgäste hatte sitzen sehen. Er setzte sich auf das mir gegenüberstehende Sofa. Von Weizsäcker wirkte entspannt und konzentriert, formulierte geschliffen und bedachtsam, Wörter und Gedanken jederzeit abwägend. Er befragte mich nach meiner Vita, nachdem er festgestellt hatte, dass ich ihn wohl besser kenne als umgekehrt. Wir wichen alsbald, wie später immer wieder, zu einem langen theologischen Exkurs ab, als er – nach meiner Einschätzung von Ludolf Herrmann fragend – die Ökumene ansprach. Von Weizsäcker berichtete von seinem Auftritt auf dem Kirchentag und episkopaler katholischer Kritik an seiner „Gastrecht“-These: Er habe darüber erneut nachzudenken. Tatsächlich könne es auch befremden, wenn jemand den Protestanten vorhalte, sie sollten ihr Verständnis zum Papsttum überprüfen. Ich unterstützte ihn in der Gastrecht-Frage, da gemeinsamer sakraler Grund über die Konfessionsgrenzen hinweg gefunden werden müsse, um gemeinsam unter Gläubigen

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aller christlichen Kirchen der zunehmenden Entkirchlichung und Gleichgültigkeit gegenüber der Religion an sich entgegenzuwirken. Von Weizsäcker fragte nach meinen Sorgen vor einem Synkretismus. Ich erwiderte, dass die Sakramente natürlich proprium des Katholizismus bleiben. Den Kommunionempfang von Protestanten, die dies explizit wünschen, beim Gottesdienst im Sinne eines Gastrechts aber empfände ich nicht als anstößig. Jesus hätte bestimmt ähnlich gehandelt. Von Weizsäcker betonte, dass trotz allem die Differenzen, auch die theologischen, bleiben und man sie respektieren müsse. Er erzählte mir dann von der ökumenischen Hochzeit seines Sohnes Robert. Dabei habe er das Gefühl gehabt, erstmals habe sich der katholische Pfarrer in seiner eigenen Kirche fremd gefühlt ob der evangelischen Großmacht derer von Weizsäcker. Wir diskutierten das Assisi-Treffen des Papstes und den Vorschlag seines Bruders zu einem ökumenischen Konzil. Solange es nicht nur vordergründige theologische Einheit vorgaukele, sei ein solches Treffen gewiss nützlich, sagte ich. Er ging meinen bisherigen Weg mit mir durch. Dann erfolgte ein Exkurs zur Diskussion über das strategische Gleichgewicht. Henry Kissinger sei doch moralisch weit verantwortungsvoller gewesen als viele gedacht hätten und ein starker Befürworter polyzentrischer Weltpolitik geworden. Er wollte sich dann noch den Unterschied zwischen Neuester Geschichte und Politischer Wissenschaft erklären lassen. Das sei gar nicht so einfach, weil kaum abgrenzbar, rettete ich mich aus der Affäre. Endlich gelangten wir zu der auf mich wartenden Arbeit in seinem Mitarbeiterstab: „Wie würden Sie eine Weihnachtsansprache angehen?“ Ich setzte an: Die Gemeinsamkeit der Demokraten nach einem kürzlichem Streit um die Rolle des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) betonen. Die Bürger zum unbeschwerten Leben trotz der Terrorismus-Gefahr ermuntern. Von Weizsäcker schwieg und befragte mich stattdessen zur Kronzeugenregelung, die ich, offenbar anders als er, rechtspolitisch für unproblematisch, aber unwirksam empfand. Wir diskutierten, ob durch Maßnahmen der Terrorbekämpfung das Rechtsbewusstsein unterlaufen werden könnte, gefolgt von seiner Frage nach dem Reykjavik-Gipfel zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow, den Folgen für die Abrüstungsdiskussion, die Strategic Defense Initiative (SDI) und die konventionelle Rüstungsbegrenzung. Er machte einen Exkurs zur Universität Bonn und erinnerte mich an seine kürzliche Rede an der Universität Heidelberg: Bürokratie lähme Universitäten, Professoren und Studenten seien Opfer. Von Weizsäcker fragte nach meinen Berufsperspektiven, erkundigte sich nach meinen Erwartungen und beschrieb seine Probleme mit der von mir aufzunehmenden Tätigkeit. Mich erwarte reizvolle thematische Vielfalt und immer wieder einmal Diskussionen wie diese heutige. Sein Problem, so sagte er, sei die Themenvielfalt, das Eingehen auf seinen Stil und seine Argumentationsmuster. Es sei gleichwohl gewiss reizvoll, in seinem Mitarbeiterstab zu arbeiten, und eine zeitweilige Aufgabe im öffentlichen Dienst gewiss eine gute Herausforderung. Von Weizsäcker war sorgenvoller Gentleman bis ins Letzte und entschuldigte sich schließlich sogar,

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meine Zeit so lange in Anspruch genommen zu haben. Das Gegenteil sei doch der Fall gewesen, erwiderte ich verlegen. Dann begleitete er mich vor die Tür in die Halle der Villa Hammerschmidt, die für die nächsten zweieinhalb Jahre mein nächster Arbeitsplatz werden sollte. Ich wünschte dem Bundespräsidenten einen schönen Abend und bedankte mich dafür, dass ich mich so ausführlich hatte vorstellen dürfen. Es war inzwischen 20 Uhr geworden. Am 11. November 1986 führte ich ein weiteres vorbereitendes Gespräch mit Staatsekretär Klaus Blech, dem Chef des Bundespräsidialamtes. Ich hatte ihn bei meinen Postdoc-Studien 1983 in Tokyo kennengelernt, wo er damals als deutscher Botschafter tätig gewesen war. Wir erörterten ausführlich die Grundfragen meiner zukünftigen Tätigkeit als Leiter der Redenschreibergruppe. Kernpunkte: Freie Art der Arbeitsgestaltung. Heranziehen der Referatsleiter und anderen Sachverstandes im Hause. Teamwork in der Stabsstelle Kommunikation und Presse. Keinerlei Abstimmungen mit dem Bundeskanzleramt auf eigene Faust. Einhalten der internen Geschäftsordnung. Abzeichnen der Textentwürfe durch Referatsleiter und Abteilungsleiter, dann Vorlage beim Bundespräsidenten über dessen persönliches Büro. Nur im äußersten Einzelfall direkte Vorlage beim Bundespräsidenten, der unter dem Kürzel „BuPrä“ firmiert. Mitreise bei Reden, auch im Ausland, immer wieder einmal erwünscht. In der morgendlichen „Lage“ könne ich mich niemals vertreten lassen. Die Themen seien ja stets Monate im Voraus bekannt. Wissenschaftliche Weiterarbeit solle durchaus möglich sein, sei sogar erwünscht, auch um die innere Gespaltenheit zu umgehen, die sich aus den Tätigkeiten im Bundespräsidialamt („BPrAmt“) ergeben könnten. Einzelpublikationen, vor allem in Publikumsorganen, sind genehmigungspflichtig. Entschieden sei bei aller Diskretion: Keine Medienkontakte, denn deren Vertreter hätten natürlich stets das Gefühl, ich sitze im Ohr des Bundespräsidenten. Entsprechend sei mit ständiger Neugier zu rechnen. Am 3. März 1987 begann meine Arbeit im Bundespräsidialamt. Die Arbeit im engsten Mitarbeiterstab des ungemein fordernden Bundespräsidenten wurde zu einer sehr intensiven Schule für mich. Eine Rekrutenschule des Geistes, der Disziplin, der Einordnung in bürokratische Strukturen und des Lernens durch die beständige Forderung einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, zugleich ein Lernerlebnis in Sachen Politik und Politikberatung an der höchsten, vornehmsten Stelle des Landes. Ich führte Tagebuch über die Ereignisse dieser Zeit, vor allem aber über die Denkwege Richard von Weizsäckers. Damit legte ich den Grund für eine zeitgeschichtliche Quelle als Momentaufnahme der deutschen Demokratie. Zu Richard von Weizsäckers Gedenken veröffentlichte ich diese Aufzeichnungen 2020, im Jahr seines 100. Geburtstags (Kühnhardt 2020). Marianne von Weizsäcker, die soeben erst den Horror der Ermordung ihres jüngsten Sohnes Fritz erlitten hatte, fühlte sich, wie sie mir am 14. Januar 2020 schrieb, durch meinen Text „wieder ganz hineingenommen in eine Zeit, an die ich mich so lebendig erinnere als sei es nicht schon ein halbes Leben her. … Bleiben Sie behütet und beschützt.“

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Abb. 4.5  Richard von Weizsäcker (1920–2015). Momentaufnahmen und Denkwege eines europäischen Staatsmannes (2020). (© Ludger Kühnhardt)

Die nachfolgenden Ergänzungen zu meinen Tagebuchaufzeichnungen dienen dazu, meine Wege durch die deutsche Demokratie besser zu beleuchten. Schon in den ersten Tagen in den Diensten des Bundespräsidenten erfuhr ich im März 1987 die disziplinierende Wirkung der mir aufgegebenen Aufgaben: Ich bastelte an Glückwunschschreiben für den Schriftsteller Lew Kopelew und den Literaturwissenschaftler Hans Mayer. Das Abfassen von Briefentwürfen und Glückwunsch- beziehungsweise Kondolenzschreiben wurde zur Dauerbegleitung meiner sonstigen Aufgaben. Nicht dass mir dieser Teil des Redenschreibens besonders gefallen hätte, im Gegenteil. Aber es war ein heilsamer und in der disziplinierenden Wirkung für mein weiteres Leben prägender Bestandteil im Arbeitsablauf eines Bundespräsidenten. Er kannte sie natürlich alle, zumeist auch persönlich und das seit langen Jahren. Das machte meine Zuarbeit – bei

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den Geburtstagen basierend auf Listen, die das Protokoll des Bundespräsidialamtes sorgfältig vorbereitet hatte – geradezu zu einem Himmelfahrtskommando. Ich konnte mich vor dem Bundespräsidenten nur blamieren. Was ich sozusagen am Rande erleben durfte, war indessen einmalig. Der Glückwunschbrief des Bundespräsidenten bescherte mir, beispielsweise, eine Einladung zu dem in Köln lebenden großen russischen Schriftsteller Lew Kopelew und seiner Frau Raissa Orlowa-Kopelewa, die beide 1981 aus der Sowjetunion ausgebürgert worden waren. Der 75-jährige Schriftsteller wirkte wie die Mischung aus einem russischen Metropoliten und Rabindranath Tagore. Seine Frau, temperamentvoll und hochgebildet, war ihm eine gleichberechtigte geistige wie persönliche Lebenspartnerin. Über Kopelews Schreibtisch hingen das getrocknete Blatt eines Baumes aus dem Garten von Leo Tolstoi, ein Farbfoto seines verstorbenen Freundes Heinrich Böll, Familienbilder und ein Abguss der Totenmaske von Goethe. Kopelew war eine unbestechliche Autorität in der Einschätzung der Chancen und Grenzen der sowjetischen Entwicklungen unter Michail Gorbatschow. Er berichtete mir von regelmäßigen Telefonaten mit Andrei Sacharow, dem Friedensnobelpreisträger und Physiker. Er war wegen seiner Dissidententätigkeit und Kritik am Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan 1980 nach Gorki verbannt worden. Unterdessen durfte er dort aber offenbar an einem neuen, „sicheren“ Atomreaktortyp arbeiten, der unterirdisch angelegt werden sollte. Kopelew nannte diese Entwicklung um Sacharow einen wichtigen Erfolg Gorbatschows, um die intellektuelle Opposition einzubinden. Die russischen Zeitungen und Zeitschriften seien wieder lesenswert. Die Journalisten würden „Glasnost“ täglich bezeugen. Tschingis Aitmatov, erzählte Kopelew, habe in seinem neuesten Roman Christus als Protagonisten aufgenommen, weil er, der Muslim Aitmatov, in ihm das verzeihende und demütige Prinzip erkannt habe. Überhaupt werde Gott in der neuesten russischen Literatur wieder großgeschrieben. Allerdings, erklärte mir Lew Kopelew warnend, gebe es auch eine intellektuelle Linie in der russischen Orthodoxie, die antizivilisatorisch und antiwestlich sei und den Gorbatschowschen Fortschrittsoptimismus konterkarieren wolle. Am 18. März 1987 stand die Regierungserklärung des wiedergewählten Bundeskanzlers Helmut Kohl an, der ich noch zugearbeitet hatte, bevor ich in die Dienste des Bundespräsidenten getreten war. Kanzler und Präsident sahen sich durchschnittlich alle sechs Wochen zu einem Gespräch zur politischen Lage. Das nicht widerspruchsfreie Verhältnis der beiden Amtsträger begleitete mich in meiner Zeit in der Villa Hammerschmidt. Die Sticheleien der beiden Staatsmänner bekam ich oft hautnah mit, sie färbten auch auf ihre Mitarbeiter ab. Stephan Eisel, Norbert Prill und Michael Mertes, die Redenschreiber-Kollegen beim Bundeskanzler, traf ich regelmäßig, oft in der auch von den Angehörigen des Bundespräsidialamtes genutzten Kantine des Bundeskanzleramtes. Erst störte mich die Polarität. Dann verstand ich die Folgen, die es für Loyalität von Mitarbeitern haben muss, wenn auch in der Öffentlichkeit ständig von einem angespannten Verhältnis geredet wurde. Schließlich ging mir das eine wie das andere eher auf die Nerven. Ich lernte Bürokratie und ihre Tollheiten kennen. Staatssekretär Blech belehrte mich am 14. April 1987 darüber, dass die Geschäftsordnung lebendiges Verfassungsrecht sei,

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wie er schon vor 30 Jahren gelernt habe. Er wies mich auf die Unterschiede von Paraphe und Unterschrift unter Aktenstücken hin, die hausintern zirkulierten. Die Beamten- und Behördenmentalität um mich herum in den beiden Schaltzentralen der Bundesrepublik wirkte auf mich gelegentlich nicht nur kafkaesk, sondern auch lähmend. Ich hatte den Ruf, ein schneller Arbeiter zu sein. Das machte mich nicht unbedingt beliebt in der Welt der Beamten Sie wussten mich einzuordnen: Ungeduld ist die Schwäche der vermeintlich Starken und häufig zu Schnellen. Am 1. Mai 1987 erlebte einen anderen Loyalitätskonflikt: Bundespräsident und deutsche Politik einerseits, meine katholische Kirche und der Papst andererseits. Mit dem Bundespräsidenten konnte ich per Helikopter zum Flughafen Köln-Bonn fliegen, wo von Weizsäcker Papst Johannes Paul II. begrüßte. An der Begrüßungsansprache hatte ich mitwirken dürfen. Die von mir vorgeschlagene Anrede „Heiliger Vater“ änderte von Weizsäcker in „Eure Heiligkeit“. Am nächsten Morgen, als der Papst sich auf den Weg zu einem Gespräch in der Villa Hammerschmidt machte, fuhr ich in meine Geburtsstadt Münster. An diesem 1. Mai 1987 wollte ich unbedingt dort die Papstmesse mitfeiern. Papst Johannes Paul II. ermunterte in seiner Ansprache zur Glaubenszeugenschaft, warb für religiöse Berufe und die Festigkeit im Gebet und rief dazu auf, das Leben zu wahren und zu ehren. Innerlich bewegt erinnerte er an die gegen die Euthanasie-Programme des nationalsozialistischen Deutschlands gerichteten Predigten des Kardinal Clemens August von Galen. Papst Johannes Paul II. donnerte hinein in die Menge der Gläubigen und dem säkularisierten Deutschland entgegen: „Das fünfte Gebot gilt auch heute: Du sollst nicht töten.“ Der Wert des Menschen hänge nicht davon ab, ob wir Menschen produktiv sind oder nicht, ob wir krank sind oder gesund, behindert oder Angehörige einer bestimmten Rasse. Alles Leben sei zu schützen, vor allem auch das ungeborene Leben. Keine Friedensbewegung habe den Namen verdient, die nicht den Krieg gegen die Tötung ungeborenen Lebens führe, keine ökologische Bewegung sei überzeugend, die den Schöpfungsgedanken nicht vor allem von der Würde des Menschen her definiere. Frenetischer Beifall und tiefe innere Ergriffenheit. Das „Credo“ wurde auf dem Domplatz angestimmt, das alte Lied unseres Glaubens. Aber, so kam es mir vor, das Echo multiplizierte den Gesang in allen Gassen und Straßen zwischen Paulusdom, Schlossplatz, Paulinum, Lamberti-Kirche, Überwasserkirche, Ludgeri-Kirche und Prinzipalmarkt. Der Papst sagte, er sei als Nachfolger Petri zum Nachfolger des Ludgerus gekommen, um die Glaubenskraft der Menschen des Münsteraner Bistums zu stärken, die stets treu zur Kirche gestanden haben. Er stellte Kardinal Clemens August von Galen, an dessen Grab er anschließend betete, als einen großen mutigen Glaubenszeugen dar, dem die Menschen in Zeiten großer Bedrängnis die Treue gehalten haben. Den stärksten Applaus erfuhr der Papst, als er dem Wirken der Bekennenden Kirche in jenen dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte seine Reverenz erwies. Am nächsten Tag, wieder in Bonn, sprach mich der Bundespräsident darauf an, dass er mich bei der Papst-Begrüßung in der Villa Hammerschmidt gar nicht gesehen habe. Er war dann erfreut zu hören, dass am Tag zuvor in Münster der größte Beifall der Respektbezeugung des Papstes vor der Bekennenden Kirche gegolten habe.

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Am 23. Mai 1987, zum Verfassungstag, zeichnete der Bundespräsident 52 Bürger mit dem Verdienstkreuz aus, darunter Karl Dietrich Bracher. Es war schon etwas Besonderes, meinem akademischen Lehrer und meinem neuen politischen Chef im Dienstsitz des Staatsoberhauptes zum gemeinsamen Gespräch zu begegnen. Bracher meinte anschließend zu mir, die Zeit bei von Weizsäcker sei gewiss eine gute Erfahrung, ich dürfe aber der Wissenschaft nicht verloren gehen und solle auch bald einmal eine Vorlesung an der Bonner Universität anbieten. Am 4. Juni 1987 ging der Bundespräsident in der morgendlichen „Lage“ auf mich zu und gratulierte mir per Handschlag zum Geburtstag, ein dort eigentlich unübliches Verhalten. Es sei wohl, so meinte er ironisch, in Bezug auf die Jahreszahl kein beachtenswertes Ereignis, aber doch ein freudiger Anlass. Ich fühlte mich in seinem Mitarbeiterstab angenommen. Am nächsten Tag, bei der Hochzeitsfeier von Friedbert Pflüger und Margarita Mathiopoulos, stand ich auf einmal wieder mit Bundespräsident von Weizsäcker und Professor Bracher zusammen. Von Weizsäcker zu Bracher: „Der Herr Kühnhardt wird sich wohl erst an meine sehr liberalen Ideen gewöhnen müssen, nachdem er von Ihnen kommt.“ Bracher: „Ich finde nicht, dass so weit auseinanderliegt, was wir beide sagen.“ Von Weizsäcker: „Doch.“ Bracher: „Herr Kühnhardt ist ja noch jung und kann diese Pflicht, sich anzupassen, noch vertragen.“ Von Weizsäcker: „Ganz gewiss.“ Kritik mochte der Bundespräsident nur ganz ungern persönlich vortragen. Er ließ mir dann über Dritte ausrichten, dass er doch bitte ein wenig mehr Fantasie in meinen Entwürfen erwarte. Andererseits sei es natürlich objektiv schwierig, ihm so zuzuarbeiten, dass er zufrieden sein könnte. Das Auf und Ab eines Ghostwriter-Daseins war das eine. Aber auch die Bonner Atmosphäre an sich nagte an mir. Mit meiner Schwester Dorothee sah ich am 25. Oktober 1987 die Verfilmung von Wolfgang Koeppens „Treibhaus“, eine originelle Mischung aus Dokumentationselementen und Spielfilm. Koeppen hatte 1952 eine Linie vom Nationalsozialismus zur Adenauerschen Bundesrepublik gezogen, die der Film süffisant bis in die Kohl-Ära verlängerte. Der Restaurationsvorwurf war in diesem Kontext in jeder Hinsicht bizarr, denn der bisher erreichte Grad an deutscher Verwestlichung war doch wohl der deutlichste denkbare Abstand der Kohl-Zeit gegenüber dem Vorkriegsdeutschland. Ich verstand die Systemkritik an der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht, die doch so gute Wege in die Demokratie gegangen war. Am 1. Dezember 1987 ein klassischer Fall von Frust: Der Staatssekretär bat mich zu sich und übergab mir den Entwurf eines Gratulationsschreibens, dessen Versendung der Bundespräsident abgelehnt hatte. Nun wollte der Staatssekretär mir eine Lektion erteilen. Bei Professor Karl Carstens habe er selbst vor 25 Jahren zwei harte, aber wertvolle Lehrjahre als Referent verlebt. Carstens, der spätere Bundespräsident, sei damals noch glashart und eine kalte Maschine gewesen. Aber das habe ihm, der wie alle Jungen zu wissen glaubte, wo es langgehe, nur gutgetan. Ich nahm den Wink mit dem Zaunpfahl zum Anlass eines pre-emptive strike und sagte selbstquälerisch, auch ich sei heute dankbar für die erzieherischen Wirkungen meiner derzeitigen Aufgabe. Auch von Weizsäcker

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schimpfte wiederholt, zumeist am Telefon. Es werde sich zu wenig Mühe gemacht. Zu viel Formaldeutsch befinde sich in Textentwürfen. Vorlagen würden ihm immer zu spät vorgelegt. Ich war mir natürlich bewusst, dass auch einfachste Briefe des Staatsoberhauptes wichtig sind. Dennoch: Ich wollte Redenschreiber sein und nicht Briefeschreiber, Politikberater und nicht Behördenreferent. An eine Passage der Schlussfassung der Weihnachtsansprache, wo Begegnungen mit anderen Staatsoberhäuptern aufgezählt wurden, hatte ich notiert: „vielleicht too much job description?“ Von Weizsäcker darauf zu Friedbert Pflüger: „Was Herr Kühnhardt wirklich meint ist, dass ich mich zu oft erwähne“ – und strich einmal das Wort „ich“. Viele neue Erfahrungen, interessanteste Einblicke in die Alltagsgeschäfte des Staatsoberhauptes und der höchsten Bundesbehörde ergaben sich für mich verschiedene gute Gelegenheiten, dem Bundespräsidenten durch Zuarbeit zu helfen, aber auch harter Drill, selbstverleugnende Einordnung in die Hierarchie einer durch die eigenen Gesetze geprägten Bürokratie. Am 22. Januar 1988 fing ich mir einen maximalen Rüffel durch den Bundespräsidenten ein, als ich erzählte, dass ich zur Vorbereitung seiner Rede vor dem Bundesarbeitsgericht mit dessen Präsidenten gesprochen habe. Von Weizsäcker hatte in die „Lage“ hinein gefragt, was er denn wohl beim Besuch des Bundesarbeits- und Bundessozialgerichtes sagen solle. Allgemeines Schweigen. Also fühlte ich mich aufgerufen und berichtete: Nach bisherigen Vorgesprächen in enger Abstimmung mit Herrn Kollegen Dr. Pieper, dem Leiter der Wirtschaftsabteilung im Bundespräsidialamt, bei den Gerichtspräsidenten und den zuständigen Ministeriumsbeamten empfehle es sich, das Verhältnis Recht und Politik, Gesetzgebung und Gesetzesauslegung angesichts unklarer politischer Scheinkompromisse anzusprechen. Ehe ich auf den inhaltlichen Punkt eingehen konnte, zu dessen Rückversicherung ich auf die schon geführten Gespräche hingewiesen hatte, fuhr der Bundespräsident massiv auf. Es sei ein totaler Verstoß gegen die „Kleiderordnung“, wenn ich mit Präsidenten oberster Bundesgerichte spreche. Ich sei ein junger Mann, der vor der Würde derer, mit denen ich spreche, sicher nicht weniger Achtung habe als umgekehrt. Ich sei aber weder befugt noch befähigt, solche Gespräche zu führen. Es sei ein Unding, in der Position, die ich derzeit ausfülle, als Redenschreiber des Bundespräsidenten, anzufragen, was dieser wohl sagen könne. Wenn, dann habe er dies selbst zu machen. Das Strukturdilemma meiner Arbeit war wieder einmal sichtbar geworden: Ich lief eigentlich unter einer Tarnkappe inkognito umher, sollte aber sachgerecht und fantasievoll vorarbeiten. Was in guter dem Präsidenten Hilfe und Sicherheit geben wollender Weise geschah, schlug diesmal als böser Bumerang zurück. Daran hatte ich eine Weile zu kauen. Am Ende hielt der Bundespräsident den auf Grundlage meines Entwurfes von ihm selbst wie üblich in eine gute Endfassung gebrachten Redetext für den Termin beim Arbeits- und Sozialgericht in Kassel für „schön geworden“. Von meinem Entwurf blieben Linienführung und stichwortartige Satzteile. Am 17. März 1988 fand sich im Bonner „Express“ in einer Serie über von Weizsäcker auch ein unbedenklicher Hinweis auf mich: „Der Redenschreiber“. Es ging mir, so bilanzierte ich für mich selbst, jedenfalls besser als dem Redenschreiber in einer Novelle

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von Siegfried Lenz. Dort kam der Redenschreiber nicht einmal zum Abfassen eines einzigen Manuskriptes. Am 29. März 1988 notierte ich eines der kleinen Erfolgserlebnisse, das auf ausreichende Geduld zurückzuführen war. Bei einem Mittagessen nach dem Jugendtreffen 1987 war bei einem Gespräch im Kollegenkreis die Idee geboren worden, ein internationales Jugendtreffen 1988 mit einer europäischen Perspektive folgen zu lassen: Daraus war unterdessen „Jugend überwindet Grenzen“ geworden. Am 20. Mai 1988 erschienen schließlich Jugendliche aus 20 Ländern Europas zu einer Begegnung im Park der Villa Hammerschmidt unter den Stichworten Verständigung, gemeinsame Aufgaben und Kultur. Neben Friedbert Pflüger und mir gehörte Reinhard Stuth, der persönliche Referent des Bundespräsidenten, zur Gruppe der jungen Quereinsteiger. Wir drei passten nicht in die Hierarchieordnung einer Bundesbehörde. Staatssekretär Blech blieb dieser Zustand ein Dorn im Auge. Gelegentlich wurde er schon mal gehört, als er dem Bundespräsidenten spöttisch und abschätzig zuraunte, „diese Jungen, die sich mal eben in sechs Monaten habilitieren“, müsse man in die Schranken weisen. Der Staatssekretär versuchte, durch die Bestellung eines persönlichen Referenten für sich über den gleichzeitigen Trick einer Änderung der Geschäftsordnung im Bundespräsidialamt die Handelnden im Bereich von Presse und Redenschreiben an die kurze Leine zu legen. In einer Hausmitteilung wurde der persönliche Referent ohne jede Vorinformation dem Referat „II/3/Kommunikation“ zugeordnet. Wir rangen um unseren direkten Zugang zum Bundespräsidenten, am Ende erfolgreich. Der persönliche Referent des Staatssekretärs wurde nicht mit Presseaufgaben oder Redenvorbereitungen für den Bundespräsidenten betraut. Von Weizsäcker blieb irgendwie unzufrieden mit meiner Arbeit. Er ließ mich wissen, ich sei ja klug und gebildet, höre aber zu oft mit dem Denken dort auf, wo es losgehen müsse. Es mangele mir an Einfühlungsvermögen in ihn als Redner. Am 11. Juli 1988 fand ein klärendes und befreiendes Gespräch mit dem Bundespräsidenten statt. Eine Arbeitsplatzdiskussion für einen Bereich, für den es nirgendwo eine Arbeitsplatzbeschreibung gab. Eineinhalb Stunden zur Mittagszeit. Ich begann mit dem Befund, meine Tätigkeit sei offensichtlich häufiger nicht zu seiner Zufriedenheit. Andererseits aber wisse ich oftmals nicht, was genau er von mir erwarte und verlange. Ich fragte um Rat, um das kommende Jahr besser und fruchtbarer zu gestalten. Von Weizsäcker hörte freundlich zu und setzte dann an: Er sei gewiss schwierig und zu wenig anwesend für Gespräche. Das liege an der Fülle seiner Aufgaben, aber auch an seinem Arbeitsstil. Er denke sich eben in letzter Minute in das jeweilige Publikum hinein und in die Fragen, die dieses praktisch beschäftigen und von denen es eine Perspektive erwarte. Beim Verfertigen seiner eigentlichen Ideen, die durch Gespräche oft langsam geformt werden, könne er keinen Mitwirkungsprozess des Redenschreibers ermöglichen. In dieser Hinsicht könne er mir leider nicht entgegenkommen, sehe aber meine problematische

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Lage im Umgang mit ihm, die schon meine Vorgänger belastet hätten. Das sei berufsspezifisch. Daneben gebe es klare Unterschiede in Alter, Erfahrung, Denken, Stil, Deutung vieler Wirklichkeiten. Ich sei, charakterisierte er ebenso einfühlsam wie gestochen, frühzeitig durch bemerkenswerte Erfolge in meinen früheren Tätigkeiten privilegiert worden, stamme, ohne dass er dies im Einzelnen wisse, aus wohlbehüteten Lebens- und Familienverhältnissen. Mein Denken sei entsprechend einerseits eher theoretisch, andererseits lösungsbezogen und eher leicht in Bezug auf das tiefere Eindringen in eine Sache. Er stehe dem Problematischen viel näher, und damit würden wir uns fundamental unterscheiden. Dann hob er seine Hand und machte die für ihn typische Bewegung, wenn er etwas unterstreichen wollte. Mit Daumen und Zeigefinger formte er einen Kreis, den er mehrfach hintereinander in die Luft schleuderte: Ich sei eben katholisch und er sei „das Protestantische“. Das sei so, mache es uns beiden miteinander nicht leicht, aber auch nicht unmöglich. Man müsse sich nur eben darauf einstellen. Entscheidend sei es, mehr zu problematisieren und nicht der Tendenz zu verfallen, Zuckerguss über ein Thema zu gießen. Er wollte diese These dann an einem praktischen Beispiel erläutern. 50 Minuten diskutierten wir nun sehr angeregt und unbefangen über einen anstehenden Artikel für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zum Jahrestreffen von IWF und Weltbank. Ich schlug ihm vor, die Idee des „debt for nature swap“ aufzugreifen. Intuitiv blockte von Weizsäcker ab. Das sei zu kompliziert und überhaupt wohl noch nicht zu Ende gedacht. Vor dem Aufbruch bemerkte er noch, im nächsten halben Jahr stehe keine größere konzeptionelle Rede an. Da sei doch Gelegenheit, ihn auf neue Themen zu stoßen. Ob ich denn eines hätte? Ich verwies auf Europa und die 1989 bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament. Er werde aber sicher nicht zur Wahlkampfbeteiligung aufrufen, war seine spontane Gegenreaktion. Ihn interessiere das große Thema der Internationalisierung. Dies zwinge zur Europäisierung, der dann automatisch Institutionen folgen würden. Wir sollten lernen, nicht immer in Institutionen zu denken, sondern erst einmal die Probleme richtig zu erfassen, um die es im Eigentlichen geht. Europa gerate immer mehr unter Einigungs- und Anpassungsdruck. Wie wir alle darauf in der Sache antworten wollten, sei die eigentliche Frage, die ich ja zu Recht aufwerfe. Wenige Tage später erwähnte er dann beiläufig, dass er, wie von mir angeregt, die Frage nach neuen Mechanismen für die Erhaltung der tropischen Regenwälder bei gleichzeitiger Würdigung der sozialen Anliegen der Entwicklungsländer, in denen sie sich befinden, für den Zeitungsartikel aufgegriffen habe („debt for nature swap“). So wurden aus Gespräch, Widerspruch und Ablehnung am Ende gute Texte, seine Texte. Am 26. September 1988 erzählte mir eine der Sekretärinnen, dass der Bundespräsident missgelaunt und mit wütend-abweisender Miene meinen Redeentwurf zum Thema des Umgangs mit Behinderten beiseitegeschoben habe: „Was soll ich denn damit?“ Am Ende aber griff er dann doch das Stichwort auf, das ich als roten Faden einer Kurzansprache empfohlen hatte („Wie wir dem Behinderten ins Auge schauen, sagt viel darüber aus, wie wir uns selber sehen“) und extemporierte daran in seinem unver-

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wechselbaren und eindrücklichen Stil. Am 5. Oktober 1988 stand eine weitere innere Anspannung auf der Tagesordnung. Nach technischen Präliminarien bezüglich seiner Teilnahme am Requiem des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß zeigte der Bundespräsident sich zwar dankbar für den ihm rasch vorgelegten Entwurf. Aber er wisse nicht wirklich, was er sagen solle. Der Entwurf sei eine Symphonie von Adjektiven, die schon im ersten Absatz zum Höhepunkt streben. Es fehle der Grundgedanke und etwas, das zum inneren Schmunzeln animiere. Mein Entwurf-Stichwort, Strauß habe ein „Leben im Widerspruch“ gelebt, putzte er weg und intonierte, wie so häufig, angeregt und vorwurfsvoll zugleich, seine Gegenüberlegungen: Das sei ein Charakterzug von Strauß gewesen, aber kein Gedankengang für eine Trauerrede. Er wolle keine Aneinanderreihung von Eigenschaften. Es fehlte ihm ein Bayern-Bezug, alles sei zu abstrahierend, ein Essay, keine Rede. „Strauß ging nach Bayern, um Weltpolitik zu machen“, in diese Richtung müsse es bitte gehen. Am 7. Oktober frühmorgens erhielt ich die Endfassung der Rede des Bundespräsidenten für den Trauerakt wenige Stunden später. Eigenartige Misslaune sprach bei dem Trauerakt dann aus seinem Gesicht, auf dem die Kamera viel zu lang verweilte. Was war los? Seine Frau blickte den Bundespräsidenten fast flehend an. Monika Hohlmeier, Strauß-Tochter, rechts von ihm, hatte Tränen in den Augen. Von Weizsäcker wirkte, als könnte er jeden Augenblick platzen. War er vielleicht wütend über das arg lange katholische Requiem? Eine Sekretärin im Bundespräsidialamt flüsterte mir zu, sie habe den Niedergang von Bundespräsident Heinrich Lübke miterlebt. Von Weizsäcker sollte sich keine zweite Amtszeit zumuten. Sie meinte es bestimmt nicht böse. Wir litten eben immer alle mit, wenn Richard von Weizsäcker einmal nicht im besten Licht erschien. Am 10. November 1988 besuchte ich mit dem Bundespräsidenten meinen Geburtsort Münster. Anlass war die Verleihung des Historikerpreises der Stadt Münster an Hans-Peter Schwarz. Fahnengeschmückter Prinzipalmarkt, lauwarme Luft, Hunderte von applaudierenden Zaungästen. Im Friedenssaal Begrüßung durch Oberbürgermeister Jörg Twenhöven, ein Schluck aus dem Goldenen Hahn. Der Bundespräsident zitierte das Motto des Westfälischen Friedens von 1648 „pax optima rerum“ und begeisterte sich für die Aufeinanderbezogenheit von Geschichte und Gegenwart, die Münster auszeichnet. Am Ende des Festaktes kehrten von Weizsäcker, Twenhöven und ich noch einmal allein in den kerzenerleuchteten Friedenssaal zurück. Uns umwehte eine fast sakrale, jedenfalls historische, vom Friedensgeist und dem kraftvollen Bürgersinn des Wiederaufbaues nach 1945 geprägte Umgebung, an den Wänden die Porträts der Friedenskongress-Teilnehmer. Zurück in die wartende Menge: Spaziergang zum Dom, über den Prinzipalmarkt vorbei an St. Lamberti zum barocken Erbdrostehof. Im Festsaal im ersten Stock mit seinen verspielten, in den Himmel schweifenden Wandmalereien dinierten die Ehrengäste bei Tafelmusik von Junior-Genies der örtlichen Musikschule. Vor dem Dessert, schon über eine halbe Stunde verspätet, brachen wir nach einem kurzen, aber berührenden Toast des Bundespräsidenten auf. Mit dem Helikopter zurück ins Rhein-

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land, wo nach der verpatzten Rede von Bundestagspräsident Philipp Jenninger vom gleichen Tag zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht schwere politische Sturmwolken aufgezogen waren. Von Weizsäcker war sofort klar, was am nächsten Tag passieren musste: Philipp Jenninger trat zurück.

Abb. 4.6  Mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker und meinen Kollegen Friedbert Pflüger und Reinhard Stuth im Garten der Villa Hammerschmidt (1989). (© Ludger Kühnhardt)

Am Ende der Zeit im Bundespräsidialamt bedankte ich mich bei meiner Sekretärin, Christel Steffen, und meiner Kollegin Roswitha Bourguignon für manche stresshaltige Stunde und meine häufige Ungeduld während der intensiven gemeinsamen Arbeitserfahrung in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren. Manches Mal hatten wir bis 23 Uhr im Büro zusammengehockt, um eine Rede des Bundespräsidenten zum Feinschliff zu bringen, auch technisch. In der letzten „Lage“ in der Villa Hammerschmidt am 30. Juni 1989 wurde es mir aber schon ein bisschen melancholisch ums Herz. Die vielen vertrauten Kolleginnen und Kollegen. Der vertraute Blick auf den Rhein mit seinen immerfort dahinziehenden Schiffen. Die Villa Hammerschmidt und ihr gediegenes Interieur. Mein Büro mit Möbeln aus der Erstausstattung von Bundespräsident Theodor

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Heuss, an dessen Schreibtisch ich hatte sitzen dürfen. Ein Ölgemälde aus dem Jahr 1784 von Johann Heinrich Hackert mit dem Titel „Die Ebene von Capua, von Caserta aus gesehen“ an der Wand. Hinter mir Stahlstiche von Kant, Leibniz und Lessing. Ein großes Revirement von Mitarbeitern vollzog sich in diesen Stunden. Mit mir gingen Friedbert Pflüger, Reinhard Stuth und Staatssekretär Klaus Blech. Die Abteilungsleiter Meinhard Ade und Berthold von Pfetten-Arnbach würden bleiben. Wie würde es mit Staatssekretär Andreas Meyer-Landruth weitergehen, Hans-Jürgen Heimsoeth als Persönlichem Referenten, Gernot Fritz als Pressesprecher und einem noch unbekannten Redenschreiber? Den Job gab es ja eigentlich sowieso gar nicht. Dennoch: Am Ende fühlte ich mich doch irgendwie als heimlicher Co-Autor von drei Bänden Reden und Interviews des Bundespräsidenten, die ich ediert habe und die das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung publiziert hat (Weizsäcker 1987; 1988; 1989) Launig sprach Reinhard Stuth bei der Verabschiedungsfeier im Garten der Villa Hammerschmidt im Namen von Friedbert Pflüger, ihm selber und mir: „Die Jungen haben den Karren lange genug gezogen. Jetzt sind mal wieder die Älteren dran.“14 Entscheidend für meinen weiteren Weg blieben für mich der Bundespräsident und die durch ihn gewonnenen Prägungen, auch im Widerspruch. Gewiss, wie andere war er ein Politiker, der geltungsbedacht war, ungeheuer launisch und fordernd. Aber jederzeit füllte er mit einer faszinierenden, unbedingten Ernsthaftigkeit und hohen sittlichen Verantwortung sein Amt aus. Die Weite seines Horizonts und seine grenzenlose Neugier waren ebenso achtungsgebietend wie außergewöhnlich. Die deutsche Demokratie hat nicht viele von seiner Statur, seiner Substanz und seinem Stil hervorgebracht, auch wenn die zweite Amtszeit des Bundespräsidenten von Weizsäcker zu einer Umkehrung der medialen Bedeutungswahrnehmung zwischen ihm und dem Kanzler der deutschen Einheit, Helmut Kohl, geriet. Kohl wurde schließlich vor allem aber und zu Recht Ehrenbürger Europas, weil für ihn zu jedem Moment und ohne Abstriche die deutsche Einheit und die Einigung Europas zwei Seiten der gleichen Medaille waren. Mit Richard von Weizsäcker folgten für mich nach 1989 25 Jahre Korrespondenz und Begegnungen. Seine Wahrnehmung meiner Überlegungen bedeutete mir immer viel, gerade je mehr ich in der Wissenschaft meinen ganz eigenen Weg ging. Es begann mit dem Zeugnis vom 12. Juli 1989, das, wie der Job selber, keines war, sondern ein formvollendeter Brief, ganz gewiss ohne Vorentwurf eines Redenschreibers formuliert: „Am Ende Ihrer über zweijährigen Mitarbeit im Bundespräsidialamt möchte ich Ihnen noch einmal von Herzen danken. Sie haben sich der schwierigen Tätigkeit, die auf Sie wartete,

14 Friedbert Pflüger wurde von 1990 bis 2006 CDU-Bundestagsabgeordneter, 2005/2006 war er Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Später gründete er eine erfolgreiche international tätige Unternehmensberatung und baute ein renommiertes energiepolitisches Institut am King’s College London auf. Reinhard Stuth wurde von 2001 bis 2009 Hamburger Staatsrat und 2010/2011 Kultursenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Danach wurde er mit großem Erfolg als weltweit engagierter Rechtsanwalt tätig.

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mit Hingebung und Sensibilität zugewandt. Arbeitsgebiet und Themenkreis waren umfassend und erforderten jeweils umfangreiche Recherchen in immer neuen Feldern. Ihre weitgespannten Interessen und Ihre Disziplin im wissenschaftlichen Arbeiten kamen Ihnen dabei hervorragend zugute. Ich verdanke Ihnen wichtige Texte und wertvolle, im gemeinsamen Gespräch entstandene gedankliche Anregungen. Nach meinem Eindruck waren auch alle anderen Angehörigen des Bundespräsidialamtes stets besonders dankbar für Ihre menschliche Offenheit und sachliche Kollegialität. Meine Hoffnung ist, dass für Sie die Zeit im Bundespräsidialamt eine sinnvolle Erweiterung Ihrer Erfahrungen gewesen ist und Ihnen auch im Rückblick in guter Erinnerung bleibt.“ Nach Oxford, wo ich nach dem Ausscheiden aus dem Bundespräsidialamt am St. Antony’s College arbeitete, schrieb er mir am 6. Oktober 1989: „Die zweite Amtszeit ist inzwischen in vollem Gange, sodass Bilder, die in den letzten Tagen der ersten fünf Jahre aufgenommen wurden, schon Nostalgie aufkommen lassen. Es freut mich, dass Sie die traditionellen Werte und die anregende Vitalität Ihres neuen Arbeitsplatzes so positiv empfinden wie sie seinerzeit mich selbst beindruckt haben.“ Nach seiner Rede am 3. Oktober 1990 zur deutschen Wiedervereinigung reflektierte er in einem Brief vom 9. November 1990: „Gewiß können Sie sich vorstellen, unter welchen Erwartungen diese Rede entstanden ist. Umso mehr freue ich mich über die wichtigen Gedanken, die mir im Zusammenhang mit dieser Ansprache übermittelt werden. Das gilt auch für Ihren Hinweis auf die Entwicklung in Mittel- und Südosteuropa und ihre Einbeziehung in den gesamteuropäischen Prozeß. Zu Recht machen Sie darauf aufmerksam, dass dieses in einem Gleichklang geschehen muß.“ Nach meinen Glückwünschen zum 75. Geburtstag im April 1995 schloss er, handschriftlich gar, „in stets dankbarer Verbundenheit und voller Respekt vor Ihrem Weg“. Bleibende Begegnungen, so natürlich im Juni 1994 anlässlich des Endes seiner Amtszeit bei einem Wiedersehen mit allen Mitarbeitern aus zehn intensiven Jahren deutscher Demokratie. Dann, beispielsweise, am 23. Mai1997 in Istanbul, wo Richard von Weizsäcker den Bergedorfer Gesprächskreis leitete, den zum Thema EU-Türkei abzuhalten ich angeregt hatte: Beim abendlichen Empfang im prächtigen Generalkonsulat, der früheren Kaiserlichen Botschaft beim Osmanischen Reich, machten wir uns gemeinsam lustig über das übergroße Porträt von Kaiser Wilhelm II. in osmanischer Prachtkleidung mit einem Fes auf dem Kopf. Beim Frühstück im herrlichen Garten des Ciragan Palace setzte von Weizsäcker sich zu meinem Freund und Kollegen Hüseyin Bagci und mir an den Tisch und begann, lebhaft über Atatürks Verdienste zu plaudern. Kemal Atatürk sei eine seltene Spezies Politiker gewesen, denn die meisten von ihnen seien leider zumeist nur zu kurzfristigem Denken fähig, „glauben Sie mir, ich habe da gewisse Erfahrungen“. Mit seinen 77 Jahren war von Weizsäcker frisch und präsent. Er hörte zwar schlechter als früher, aber war konzentriert in der Gegenwart. Engagiert führte er die Stränge der außerordentlich wichtigen Diskussionen zusammen und verlängerte sie durch seinen eigenen Ausblick. Dabei war er eindrücklich in der Lage, sich immer wieder neu in die Psychologie der Türken hineinzuversetzen. Sportlich, auch im Hemd ohne Jacke ansehnlich, gelöst von den Bürden des Amtes und doch wie ein Präsident agierend, dem Außenpolitik die liebste Disziplin war.

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Im Herbst 1997 sollten Richard von Weizsäckers Memoiren erscheinen (Weizsäcker 1997). Beim Abendessen erzählte mir der Bundespräsident, wie ich ihn selbstverständlich weiter anredete, davon und fragte, woran ich denn so gerade arbeite. Seine Reaktion: „Meine Güte, aber Sie arbeiten ja auch wohl täglich 24 Stunden.“ Als ich erwiderte, ich sei zu jung, um, wie gewisse Kollegen, schon ab 16 Uhr im Biergarten oder Weinhock zu sitzen, erwiderte er: „Da haben Sie auch recht.“ Er erzählte von einem Besuch in Lemberg in der Vorwoche. Alles sei dort deprimierend gewesen und zugleich sehr „k. u. k.“-isch. Als ich ihm von meinem Besuch in Lemberg beim griechisch-katholischen Kardinal Myroslav Lubachivsky vor einigen Jahren erzählte, meinte er: „Na ja, lhr Katholischen habt die Griechisch-Unierten ja gleich vereinnahmt, um Proselyten zu machen.“ Da war sie gleich wieder, unsere tief unterschiedliche Grundprägung. Am 31. Januar 2006 führte ich wieder einmal ein längeres Gespräch mit Richard von Weizsäcker, an dem auch seine Frau Marianne Anteil nahm, nachdem sie erst spitz bemerkt hatte, wir redeten wohl bloß wieder über „Männerangelegenheiten“. Flugs tauschten wir uns miteinander über Kinder und Enkelkinder der Weizsäckers und meine Familie aus. Richard von Weizsäcker sah man seine fast 86 Lebensjahre nicht an. Er war fidel, erzählte von einer baldigen Reise nach Washington, meinte, er müsse auch mal wieder nach China und tauschte sich mit mir interessiert über mein derzeit gerade stattfindendes Seminar in Oxford aus: „Die Chance der Krise in der EU“, so genau sei es, denn nichts habe die Einsicht in Sinn und Zweck der europäischen Integration mehr vorangebracht als die Irak-Krise. So sei es und so werde es wohl bleiben, weswegen er unbedingt bald das Manuskript lesen wollte, an dem ich zu der Zeit in Oxford arbeitete. Zwei Jahre später, am 9. Juni 2008, war Richard von Weizsäcker noch immer ein biologisches und politisches Wunder. Er begrüßte mich bei einer Veranstaltung in Berlin nicht nur freundlich, sondern kraftvoll, gebräunt und mit einer Präsenz, so als wäre nichts anders als wie vor 20 Jahren. Seine 40-minütige Lageanalyse vor der Mitgliederversammlung der Atlantik-Brücke war bemerkenswert: Von Weizsäcker spannte einen großen Bogen von der Dankbarkeit seiner Generation über die amerikanische Nachkriegshilfe für Deutschland bis zur Situation globaler Aufgaben für die USA bei gleichzeitigem Aufstieg neuer Mächte (China, Indien), die von uns in Europa mehr Klarheit und politische Beiträge mit Vision verlangen werden. Die visionäre Antwort auf den Terror („Terror ist kein Land“) hätten wir in der letzten Dekade transatlantischer Spannungen vermisst. Aber weder Europa noch die USA können ohne engste Verbindung irgendetwas erreichen. Es sei bezeichnend, dass die Wirtschaftsbeziehungen im transnationalen Raum in den letzten zehn Jahren zugenommen haben. Jetzt gelte es, einen Neubeginn vorzubereiten. Ob Barack Obama die Lichtgestalt eines erneuerten Amerikas mit Ausstrahlung auf die armen Massen der Erde werden könne, bleibe abzuwarten. Aber keines der Themen der Menschheit werde ohne Amerika gelöst. Jedes Thema verlange mehr europäischen Einsatz und jedes Thema werde ein transatlantisches Programm erforderlich machen. Es war erfrischend, wie der 88-jährige ehemalige Bundespräsident die amerikanische Rhetorik des „new beginning“, des „renewal“ intonierte.

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Abb. 4.7  Im Gespräch bleiben: Begegnung mit Richard von Weizsäcker in Berlin (2011). (© Ludger Kühnhardt)

Die Begegnung mit Richard von Weizsäcker empfand ich wie eine Begegnung mit der alten Zeit, die er so intensiv erlebt und überlebt hatte. Jetzt aber schob sich eine neue politische Kultur wie eine tektonische Platte nach vorne ins Herz der deutschen Demokratie: Etatismus, Gleichheit, Umverteilung, Produktivitäts- und Erinnerungsverzicht, keine Reformen. Das neue deutsche Biedermeier im Globalisierungszeitalter würde vermutlich irgendwann bestraft werden, aber noch dominierte eine Wohlfühlgesinnung die deutsche politische Kultur. Politiker wurden zu einem Teil der Berliner Promi-Gesellschaft ohne größere Erwartung oder gar Autorität. Mir wurde diese Gesellschaft immer fremder und nur noch selten zog es mich nach Berlin. Am 3. Februar 2011 entdeckte mich Richard von Weizsäcker erneut bei einer Veranstaltung der Atlantik-Brücke in einer größeren Berliner Menschenmenge. Er winkte mich erfreut zu sich. Ich setzte mich auf einen Stuhl neben ihn. Seit einem Jahr benötigte er einen Stock als Gehhilfe. Bandscheibenschaden, mit 91 Jahren ein Zipperlein. So sei das eben mit einem „Young Leader“ bemerkte ich trocken. Ihm gefiel diese Art von Ironie. Er sei nur noch „Old Leader“ und was „Young Leader“ seien, habe er nie verstanden. Von Weizsäcker tauschte sich mit mir über seine Harvard-Rede aus dem Jahr 1987 aus, bei deren Vorbereitung ich ihn auf den später so geflügelten Begriff des „enlightened self-interest“ gebracht hatte. Er war neugierig, als ich ihm von den vorbereitenden Überlegungen zu George Marshalls Harvard-Rede 1947 erzählte, in deren Zusammenhang Marshalls Außenminister-Vize Dean Acheson bei einer Testrede vor den Baumwollfarmern des Mississippi-Deltas den Sinn des Wiederaufbaus in Europa aus dem Eigeninteresse der Amerikaner begründet hatte. Ich fügte an, heute würden wir jemanden benötigen, der eine Marshall-Rede für den Nahen Osten und die arabische Welt halten könnte. Wie wahr, sagte von Weizsäcker, aber das sei auch alles sehr kompliziert in Ägypten, Tunesien und sonst wo. Scherzhaft fügte er an: „Das haben wir für Sie so gemacht, damit Sie und Ihre Generation etwas

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Großes zu tun haben.“ Jovial knuffte er mich in den Oberarm. Neugierig erkundigte er sich nach meiner Familie, der Europaarbeit, meinen Afrikaforschungen. Gelassen, mit einem Glas Rotwein in der Hand, zog er davon. Eine junge Frau trug seinen Gehstock. Am 31. Januar 2015 ist Richard von Weizsäcker gestorben. Dass die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ausgerechnet mich um einen Nachruf aus der Perspektive des Redenschreibers bat, war eine der ironischen Kapriolen meines Lebens. Ich konzentrierte mich darauf, wie die Rede von Weizsäckers anlässlich der Verleihung des Guardini-Preises der Katholischen Akademie in Bayern entstanden ist. Diese Rede unter dem Titel „Wahrheit und Freiheit in der Politik“ sah ich als sein philosophisches Pendant zur 8. MaiRede des Jahres 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes an (Kühnhardt 2015). Zehn Tage später führte mich mein Weg von Bonn, vorbei an der Villa Hammerschmidt, über Wien, wo ich noch zu tun hatte und mich immer wohlfühlte, nach Berlin zum Staatsakt für Richard von Weizsäcker. Am 11. Februar 2015 wurde mit Richard von Weizsäcker ein Jahrhundert beerdigt, ein Jahrhundert deutscher Geschichte und des langen Weges der Deutschen in die europäische Einheit inmitten ihrer neuen Bewährungsproben. Mit einem würdigen, bewegenden Trauergottesdienst, der in einen Staatsakt überging, an dessen Ende der Sarkophag des im 95. Lebensjahr verstorbenen Präsidenten zu einem militärischen Zeremoniell (ohne Europahymne, aber mit den altpreußischen Trauermelodien zu „Jesus, meine Zuversicht“ und „Nun betet an die Macht der Liebe“ sowie der Nationalhymne) von Soldaten in einen Leichenwagen getragen wurde. Im Beisein seiner Familie wurde er zur letzten Ruhestätte transportiert. Der älteste Sohn, Robert von Weizsäcker, hatte mir schon auf meinen Kondolenzbrief mit dem tief blickenden Beisatz geantwortet, Altes sei „aufgebrochen“ aus Vergangenheit und Gegenwart, womit auch innerfamiliäre Spannungen der Kinder mit dem gestrengen und fordernden Vater gemeint waren. Der Witwe Marianne von Weizsäcker und Tochter Beatrice konnte ich an diesem Tag persönlich mein Beileid aussprechen. Beim Trauergottesdienst und anschließenden Staatsakt im Berliner Dom saß ich neben Friedbert Pflüger und Reinhard Stuth, meinen Hauptmitstreitern im von Weizsäcker-Team der Jahre 1987/1989. Ein großes Protokoll führte den Bundespräsidenten und die Trauerfamilie nach den Verfassungsorganen (Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesratspräsident Volker Bouffier, Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle) in die erste Sitzreihe vor dem in die Nationalfahne gehüllten Sarg. Anwesend waren auch die ehemalige holländische Königin Beatrix, Englands früherer Premier John Major, Tschechiens Ex-Präsident Václav Klaus, Frankreichs ehemaliger Premier Pierre Ayrault, der in unserer Reihe saß, Ex-Kommissionspräsident Jacques Santer, Österreichs Staatschef Helmut Fischer, von Weizsäckers Studienfreund Hartmut von Hentig, der mir später von seiner Kindheit in Posen erzählte. Die neobarocke Atmosphäre der Oberpfarr- und Domkirche, mit den Hohenzollerngräbern in der Krypta, wurde gebrochen durch das nüchterne protestantische Zeremoniell. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm betete vor. Der frühere Berlin-Brandenburgische Bischof Martin Kruse deutete das von

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­ eizsäcker in einer ersten Reaktion auf den Mauerfall gewählte Pauluswort aus dem W Galaterbrief über die Freiheit, zu der wir in Verantwortung gerufen sind. Protestantischen Trauerlieder folgten Mozart und Schubert beim nahtlos an die Aussegnung („Vom Eintritt bis zum Austritt in Deiner Gnade“) anschließenden Staatsakt. Musik sei wie ein Pfingstwunder, zitierte einer der Redner von Weizsäckers Verehrung der Musik. Bundespräsident Joachim Gauck („Wir mochten ihn, weil er uns half, uns selber zu mögen“), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (Von Weizsäckers Glaubwürdigkeit mit der 8. Mai-Rede habe viele Linke versöhnt, so auch ihn, und hätte in Worten die Symbolik von Willy Brandts Warschauer Kniefall ergänzt), die grüne ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer („Er heilte und versöhnte viele wie mich mit der Kraft des Gesprächs über Elitenbrüche und Staatskritik hinweg“) und der in seiner Behinderung bewundernswert und ungebrochen umtriebige Finanzminister Wolfgang Schäuble („Von Weizsäcker war nicht das Gegenbild zur schnöden Parteipolitik, sondern eine ihrer Ausdrucksmöglichkeiten“ und „viele loben seinen Typus, die theoretisch eher dafür nichts mehr übrig haben“) hielten tiefgründige und persönliche Ansprachen, würdig und mit hoher seelischer Intensität. Auch dem stets so selbstbeherrschten Friedbert und mir kamen die Tränen. Beim militärischen Abschiedszeremoniell vor dem Dom und gegenüber der Disneyschloss-Neubaustellen-Kulisse vom Berlin der Baukräne legten Gesine Schwan, ehemalige SPD-Bundespräsidentenkandidatin gegen Horst Köhler, und ich von der anderen Seite der so germanophilen französischen liberalen Europaabgeordneten Sylvie Goulard tröstend den Arm auf je eine Schulter, als dieser die Tränen in die Augen schossen. Ich wusste, wie sehr Sylvie Goulard seit Jahren von Weizsäcker verehrte und flüsterte dieser für mich eindrucksvollsten Französin meiner Generation den Papst Franziskus-Gedanken zu, sie solle ihre Gefühle gehen lassen, denn eine Gesellschaft könne nur fröhlich sein, die auch weint. Vor Gesine Schwan und Sylvie Goulard stand Gary Smith, der Präsident der American Academy. Kanzlerin Angela Merkel flog direkt nach dem Trauergottesdienst zum Verhandlungsgipfel mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Frankreichs Präsidenten François Hollande und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko nach Minsk. Der seit 2014 währende hybride Krieg in der Ukraine hielt noch immer an, trotz des ebenfalls in Minsk am 5. September 2014 unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens. Bis zum 12. Februar 2015 wurden von Merkel und ihren Kollegen in Minsk die Umsetzungsmaßnahmen für das erste Minsker Abkommen verhandelt. Am 17. Februar 2015 wurden die Vereinbarungen durch Beschluss des UN-Sicherheitsrates sogar völkerrechtlich verbindlich. Am gleichen Tag drangen gleichwohl separatistische russische Soldaten in die ostukrainische Stadt Debalzewe ein. Tags darauf musste der ukrainische Präsident sich geschlagen geben, die Truppen seines Landes abziehen und die Stadt den Separatisten übergeben. Erfolgreich verhandelter Frieden sah anders aus. Alle Geister des 20. Jahrhunderts seien wohl noch nicht gebannt, hatte Wolfgang Schäuble beim Staatsakt zu Ehren von Richard von Weizsäcker am 11. Februar im Berliner Dom gesagt. Leider hatte er mehr als recht mit seiner sehr zurückhaltenden Formulierung. Die deutsche Politikerelite war noch nicht reif für eine realistische und selbstkritische Betrachtung ihrer Rußland-Politik. 

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Abb. 4.8  Bundespräsident Richard von Weizsäcker stellt mich Innenminister Wolfgang Schäuble vor (1987). (© Ludger Kühnhardt)

Bei dem Trauerempfang im Roten Rathaus nach dem Staatsakt für Richard von Weizsäcker hatte mich der gastgebende Bundespräsident Joachim Gauck mit einem jovialen „Professore“ begrüßt und der Erläuterung zu seiner eher unprotokollarisch auftretenden Partnerin Daniela Schadt, dass ich ihn gelegentlich mit kritisch-konstruktiven Ideen aus einer Ecke, die nicht linksliberal gebürstet sei, unterstützte. Er habe eines meiner frühen Bücher im Regal stehen. Berührend war die Begegnung beim Trauerempfang mit meinem polnischen Freund Janusz Reiter, von Weizsäcker seit den 1980er-Jahren zugetan, und Polens großem Helden Lech Wałęsa. Er sei ja nur Elektriker, so sagte er mir, aber Richard von Weizsäcker habe seine Analysen vom ersten Moment an ernst genommen, anders als Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher. Deswegen sei er nach Berlin gekommen. Bedrückend war an diesem 11. Februar 2015 mein Gespräch mit Schwedens Außenminister Carl Bildt, der einen offenen Krieg mit Russland, zumindest in der Ukraine, für eine reelle Möglichkeit ansah. Beruhigend meinte Bildt, eine Instrumentalisierung von Kaliningrad halte er für unwahrscheinlich, weil die dortige

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Bevölkerung eine sehr eigene, nicht antiwestliche Identität habe. Das lokale Bier heiße nicht ohne Grund „Königsberg“. Ein großer Deutscher war gegangen. Mein wichtigster politischer Erzieher und Chef. Der überragendste Bundespräsident. In seinem Lebensweg spiegelte sich ein deutsches Jahrhundert der Widersprüche, Brüche, Katastrophen und neuen Chancen. Noch im Tode waren Richard von Weizsäcker und der deutsche Staat eins, gingen beim Trauer- und Staatsakt ineinander über. „Danke“ schrieb ich in das Kondolenzbuch, das beim Trauerempfang des Bundespräsidenten im Berliner Rathaus auslag. Nur ein Wort, aber, wie ich fand, das Wichtigste, was ich ausdrücken konnte. Gedankenverloren streifte ich noch ein wenig durch das Viertel zwischen Rotem Rathaus, Schlossbaustelle, Dom und Museumsinsel. Europa und Deutschland waren versöhnt, so blickte ich zurück auf die Begegnungen dieses denkwürdigen Tages. Aber die Kulisse von Berlin verwirrte mich mehr denn je. Alles wirkte auf mich fremd, leer, steril. Nach dem Trauer-Staatsakt für Konrad Adenauer 1967 in Köln und Bonn würde, so sinnierte ich, der Trauer-Staatsakt für Richard von Weizsäcker als das zweite große EhrenDank- und Erinnerungs-Begräbnis in die Symboltradition der demokratischen deutschen politischen Kultur eingeschrieben werden. Symbol der Westbindung und der Aussöhnung über den Rhein hinweg das eine Ereignis. Symbol der Aussöhnung der Deutschen mit sich selbst, ihrer Geschichte und ihrer wieder zusammengefundenen Nation das andere Ereignis. Nur der Gleichklang der deutschen Vereinigung mit der Einheit Europas über die Oder hinweg nach Polen unter dem von Brüssel aus verwalteten Rechtsraum der EU hatte diesen Ausgang der deutschen Geschichte, diese Auflösung der deutschen Dilemmata möglich werden und gelingen lassen. Im Neuaufbau aber mutierte die Hauptstadt Berlin zu einem Neo-Disneyland. Preußens Gloria wurde erneuert, aber ohne Sinn und Sensibilität für die schwachen ursprünglichen Wurzeln und die dramatischen späteren Brüche. Daneben hatte sich längst eine neu-deutsche Staatsarchitektur breitgemacht, vor allem in der Formensprache des Bundeskanzleramtes. Albert Speer und vielleicht sogar der gescheiterte Architekt aus Braunau am Inn hätten ihre Freude daran gehabt, ging mir ein bitterer Gedanke durch den Kopf. Nebenan lag jetzt ein Spree-Spaßstrand. Politik und Amüsement waren nicht nur dort verwirrend verwoben in dieser Stadt. Aus Politikern waren Promis geworden, deren Bekanntheitsgrad infolge von Talkshow-Auftritten wichtiger war als ihre Aussagen oder die Wirkungen ihrer Politik. Berlins prunkvolle Mitte war wiedererwacht, aber ohne Maß und Maßstab. Vor allem aber war sie neureich und seelenlos. Die deutsche Politik erging sich in Prozeduren und Prozessen im KleinKlein eines eigentümlichen Pragmatismus. Ideenlos und ohne Kompass. Berlin war mir an diesem Tag noch fremder als zuvor, obwohl Richard von Weizsäcker mich eines Besseren hätte belehren sollen. Mit ihm wurde am 11. Februar 2015 das deutsche 20. Jahrhundert begraben. Spätestens jetzt sah ich den Gedanken in aller Deutlichkeit und Widersprüchlichkeit bestätigt, den ich schon 15 Jahre zuvor über eine Sammlung meiner Aufsätze aus den 1990er-Jahren gestellt hatte: An diesem 11. Februar 2015 in Berlin wurde meine persönliche Hinwendung Von Deutschland nach Europa endgültig (Kühnhardt 2000).

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4.3  Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung (Kühnhardt 1994a): Kontraste in Jena und Freiburg Im Abstand von fünf bis zehn Jahren habe ich immer wieder Aufsätze zusammengefasst, die aus unterschiedlichen Anlässen an sehr verstreut liegenden Orten der Erde erschienen sind. Bei den Titeln suchte ich immer nach einer Art programmatischen Klammer, die meine Gedankengänge und die Arbeitsprozesse der hinter mir liegenden Jahre sowie die Zeit, die sich in ihnen gespiegelt hat, auf den Begriff bringen sollte. Mit Deutschland befand ich mich in den 90er-Jahren Mitten im Umbruch (Kühnhardt 1995a).

Abb. 4.9  An der bisherigen deutsch-deutschen Grenze (1990). (© Ludger Kühnhardt)

Die Wege in die Demokratie (Kühnhardt 1992a) hatte Deutschland bis zum Vollzug der staatlichen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gut beschritten. Jenseits der vormaligen Brüche und Spaltungen gab es neue Anforderungen an die deutsche Demokratie in Europa – Beyond divisions and after (Kühnhardt 1996a). Mein eigenes Denken in den 90er-Jahren bewegte sich in diesem Rahmen, der sich schließlich zu einem Viereck ausdehnte, als ich eine weitere Reihe von Aufsätzen unter dem Titel Von Deutschland nach Europa (Kühnhardt 2000a) zusammenstellte, um sie jenseits ihrer Aktualitätsbedingtheiten aufzubewahren.

4.3  Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung …

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Abb. 4.10  Späte Entdeckung der DDR: Mit dem amerikanischen Diplomaten Gray McCalley in Rostock (1990). (© Ludger Kühnhardt)

Faktisch wurde diese tastende Suche in eine neue Ära der deutschen Demokratie überlagert durch eine doppelte Wirklichkeit, die in sehr unterschiedlicher Intensität akzeptiert und reflektiert wurde: Zum einen war das wiedervereinigte Deutschland Folge der erfolgreichen Konsolidierung der Bonner Republik, der Ordnung des Grundgesetzes und der Westbindung. Zum anderen wurde das wiedervereinigte Deutschland von einer postkommunistischen Gesellschaft bestimmt, in der die Prägungen der DDR, des Kommunismus und des Ost-West-Konfliktes nachwirkten. Auf ganz paradoxe Weise wurden Staat und Gesellschaft zusammengehalten durch das, was sie überwunden hatten: Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung (Kühnhardt 1994a). Im Bereich der Universitäten machte ich in den 90er-Jahren die stärksten Erfahrungen, wie mühsam innere Versöhnung (Zwiener und Kühnhardt 2001) und ein gemeinsamer Neubeginn menschlicher Werte in einem Deutschland waren, das ich in einem Aufsatz als „multi-German Germany“ bezeichnete (Kühnhardt 1994b, S. 193 ff.). Ich erlebte einige

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Facetten des postdiktatorischen Kulturkampfes in sehr unterschiedlicher Form in zwei sehr unterschiedlichen Städten: Jena und Freiburg. Damals beunruhigten mich Zustand und Zukunft des Gemeinsinns (Kühnhardt 1994c).

Abb. 4.11  Ausreise aus einem untergegangenen Staat (1990). (© Ludger Kühnhardt)

Sehr spät hatte ich erst die DDR kennengelernt, als dieser zweite Staat auf deutschem Boden faktisch schon untergegangen war. Mit dem mit mir befreundeten amerikanischen Diplomaten Gray McCalley fand ich noch kurz vor der deutschen Wiedervereinigung im September 1990 den Weg bis nach Rostock und zum Kreidefelsen auf Rügen. Besonders eindrucksvoll blieb für mich Güstrow mit den Erinnerungen an das Werk des großen Künstlers Ernst Barlach in seiner Werkstatt am Inselsee. Die Ausreise aus dem bereits faktisch untergegangenen Staat verlief ohne jegliche Kontrolle. Wenige Tage später wurde am 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung vollzogen. Bald schon kehrte ich regelmäßig in die ehemalige DDR zurück und traf auf „neue Bundesländer“, wie es seither so eigenartig hieß. Denn überall zwischen Elbe und Ostsee liegen alte Kulturregionen und politisch geprägte Landschaften.

4.3  Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung …

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Um 8 Uhr in der Früh am 9. November 1990, auf den Tag genau ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer, begann ich meine erste Vorlesung an der Friedrich-SchillerUniversität Jena. Ich zitierte Friedrich Schillers Jenaer Antrittsvorlesung vom 26. Mai 1789: „Erfreuend und ehrenvoll ist mir der Auftrag, meine h.H.H. (= hochgeehrten Herrschaften oder Herren), an Ihrer Seite künftig ein Feld zu durchwandern, das dem denkenden Betrachter so viele Gegenstände des Unterrichts, dem tätigen Weltmann so herrliche Muster zur Nachahmung, dem Philosophen so wichtige Aufschlüsse und jedem ohne Unterschied so reiche Quellen des edelsten Vergnügens eröffnet – das große weite Feld der allgemeinen Geschichte (Schiller 1789).“ Vom Wintersemester 1990/1991 bis zum Ende des Sommersemesters 1992 war ich als Gastprofessor am Historischen Seminar der Friedrich-Schiller-Universität Jena tätig. Zugleich lehrte ich Politische Wissenschaft, zunächst in Bonn, ab dem Wintersemester 1991/1992 in Freiburg. Verschiedentlich brachte ich Studentengruppen15 zu gemeinsamen Seminaren zusammen und führte thematisch identische Lehrveranstaltungen in Jena und in Bonn beziehungsweise in Jena und in Freiburg durch. Meine erste Vorlesung im Historischen Seminar der Friedrich-Schiller-Universität Jena, im schnöden 22. Stockwerk des Universitätsturms, behandelte die Geschichte politischer Ideen. Entsprechend paraphrasierte ich die Schlusssentenz Schillers und lud dazu ein, „das große Feld der Geschichte politischen Denkens“ zu durchwandern. Herbert Gottwald, der interimistische Direktor des Historischen Instituts hatte mich eingeführt, unterstützt durch die Konrad-Adenauer-Stiftung. Vor mir saßen acht ostdeutsche Studenten, je zur Hälfte junge Frauen und junge Männer. Ich dankte für die Einladung nach Jena, redete über das Ethos der Politik und die normative Orientierung, die die Ideengeschichte geben kann, zitierte Josef Piepers Interpretation der vier christlichen Tugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß als meinen persönlichen Kompass bei der Erarbeitung dieser Vorlesung (Pieper 1964). Auf dem Weg nach Jena hatte ich das deutsche Nationaltheater in Weimar besichtigt, wo am 31. Juli 1919 die Weimarer Verfassung beschlossen worden war. Die zweite deutsche Republik musste, so schwor ich mir, eine bessere Zukunft haben. Glücklicherweise gab es 1990 mehr deutsche Demokraten als 1919. Wir lebten nun seit einigen Wochen in der besten Staatsordnung,

15  Die im Nachfolgenden verwendeten Begriffe „Student“ und „Studenten“ entsprechen der in den 1980er- und 1990er-Jahren üblichen Terminologie. Das Wort „Student“ war noch in den 1990er-Jahren in Deutschland unzweideutig als Genusbegriff akzeptiert. Es umfasste Studierende beiderlei Geschlechts. Im Laufe der 1990er-Jahre sprach ich von „Studentinnen“ und „Studenten“ oder übernahm den Begriff „Studierende“, ebenfalls ein Genus- und kein Sexus-Begriff. Zur Rekonstruktion der Zeit, die in diesem Bericht behandelt wird, behalte ich die seinerzeit gängigen und unumstrittenen Begriffe „Student“ und „Studenten“ bei. Ohne jedwede pejorative Empfindung meine ich damit selbstverständlich „Studentinnen“ und „Studenten“, mithin „Studierende“ beiderlei – und unterdessen wird man korrekt sagen müssen: jederlei – Geschlechts. Das gleiche gilt für den Begriff „Kollege“.

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die Deutsche sich je gegeben hatten. Die Universität nahm bei den auf die Deutschen zukommenden Fragen der geistigen Neuorientierung eine Schlüsselstellung ein. Der Empfang durch die Studierenden in Jena war zurückhaltend freundlich. Mir fielen sogleich die innere Ernsthaftigkeit und wache Neugier auf, aber auch eine gewisse Schüchternheit. Später nahmen die offenen Gespräche zu. Als ich in einem späteren Semester zum Thema „Revolutionen in der Geschichte und ihre Deutung“ las und die amerikanische Revolution als gute und erfolgreiche Freiheitsrevolution darstellte, wurde ich sofort nach den Bauernrevolten des 16. Jahrhunderts gefragt, die doch eine großartige Sache gewesen seien. Bei den Diskussionen zu Martin Luther fragte mich einer meiner Studenten, Matthias Steinbach – der später mit originellen, seine Jenaer Wurzeln verarbeitenden Forschungsinteressen Professor für Geschichte an der TU Braunschweig wurde (Steinbach 2008; 2014; 2020) – er habe früher dies und das gelernt, wie ich denn Luther deuten würde. Die jüngeren Kommilitonen registrierten solche Fragen schweigend und fragten ununterbrochen nach neuester Literatur. Auf dem Gang flüsterte mir eine Studentin zu, meine Rousseau-Kritik sei ja mutig gewesen. Bei der Diskussion zur englischen Glorious Revolution beeindruckten mich Sachverstand und Formulierungskraft einer Reihe von Kommilitonen. Die Debatte zu den anhaltenden Umbruchfolgen in Deutschland spitzte sich unter den Studenten einmal zu in der Frage zu, ob Kohl oder der Sozialismus schuld daran sei. Der Direktor des erst im Laufe dieses Jahres neu gegründeten Historischen Instituts der Friedrich Schiller Universität, Herbert Gottwald, schrieb mir am 7. Dezember 1990 aus seinem Büro im 21. Obergeschoß des Universitätshochhauses: „Fast schon am Ausgang des Wintersemesters möchte ich Ihnen für Ihre Lehrtätigkeit am Historischen Institut, also für Ihre Vorlesung ‚Geschichte der politischen Ideen‘ und das damit verbundene Kolloquium sehr herzlich danken. Sie haben damit die geistige Neuorientierung des Historischen Instituts wesentlich unterstützt. Ich freue mich sehr, dass es Ihnen möglich ist, auch im Frühjahrssemester 1991 eine Gastprofessur zu übernehmen. Ihr Lehrangebot, eine Vorlesung ‚Grundzüge der Geschichte des modernen politischen Denkens‘ und ein damit verbundenes Hauptseminar, sind bereits in unserem Lehrangebot für das Frühjahrssemester fest verankert.“ Herbert Gottwald habe ich in dieser Zeit als einen aufrechten Mann ohne Fehl und Tadel kennen- und vor allem schätzen gelernt. Als Junge war der 1937 geborene Katholik nach Kriegsende mit seinen Eltern aus Niederschlesien in das Gebiet der DDR ausgesiedelt worden. In Jena studierte er Geschichte, umgeben von marxistischen Professoren, und spezialisierte sich auf Fragen des politischen und sozialen Katholizismus im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. So fand er seine akademische Nische, der er auch nach der Wiedervereinigung treu bleiben konnte (Gottwald 1994). Gottwald war kein Marxist und kein Held, aber auch kein Opportunist. Ihm ging es um Wertefragen und nicht um Machtfragen. Ich spürte dies auf Anhieb. Gottwald eckte nie gravierend an, aber verdiente sich seine akademischen Meriten auch nicht durch Sympathiebeweise für die Staatspartei der DDR und ihre universitären Apologeten und Frontkämpfer. Herbert Gottwald gehörte zu den besonders Redlichen, die eine Erneuerung der Universität Jena seit den 80er-Jahren systematisch vorantrieben und nach der Wiedervereinigung der

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beiden deutschen Staaten in ebenso ruhige wie überzeugende Bahnen lenkten (Gottwald et al. 2002). Er war aufrecht und umsichtig. 1992 und 1995 lud ich ihn ein, im Gegenzug zu meinem Jenenser Engagement eine Gastprofessur an der Universität Freiburg wahrzunehmen. Noch im November 1990 hatte ich konzeptionelle Gedanken zum Aufbau eines Faches „Politische Wissenschaft“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena formuliert. Ich legte das Konzept Rektor Ernst Schmutzer, einem in der DDR hoch angesehenen, nach interner Streitigkeiten 1958 aus der SED ausgeschlossenen Physiker, dem Prorektor für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften Gottfried Meinhold, Sprachwissenschaftler und Autor des 1984 erschienenen utopischen Romans „Weltbesteigung“, sowie dem aus Hessen stammenden Universitätskanzler Klaus Kübel und dem Wissenschaftsministerium in Erfurt vor. Politische Wissenschaft definierte ich als eine in der Geschichte und politischen Philosophie gründende „integral arbeitende Wissenschaft für die Demokratie“ und damit als Teil eines bildungspolitischen Auftrags. Politische Wissenschaft bedürfe gerade in dieser Zeit eines normativen Fundus. Deshalb gehöre es zu ihren elementaren Aufgaben, mit den ideengeschichtlichen Traditionen und mit den demokratietheoretischen Konzeptionen vertraut zu machen. Sie müsse im Rahmen eines pluralistischen Denkens auf die anthropologisch-ethischen, die verfassungspolitischen und prozessualen Dimensionen des demokratischen Rechtsstaates hinorientieren. Eine solchermaßen aufgestellte Politische Wissenschaft werde natürlicherweise eine methodische Brücke zur Geschichtswissenschaft schlagen. Lehre und Forschung, so empfahl ich vor, sollten die Bereiche Ideengeschichte und politische Philosophie, Vergleichende Regierungslehre und Internationale Beziehungen abdecken. Im Lichte des in Jena entstehenden Collegium Europaeum wäre es folgerichtig, einen besonderen Forschungsakzent auf europäische Fragen zu legen. Für die Grundausstattung empfahl ich neben dem Aufbau einer Präsenzbibliothek mit Bibliothekarin die Berufung von drei Ordinarien, von denen einer dezidierter Europa-Spezialist sein sollte. Innovativ wäre es im Geist der zunehmenden europäischen Integration, eine vierte Professorenstelle dauerhaft für einen ausländischen europäischen Wissenschaftler einzurichten, wobei der Stelleninhaber im jährlichen Rhythmus wechseln könnte. Man möge den Aufbau eines interdisziplinären europawissenschaftlichen Studiengangs erwägen, der die Kompetenzen von Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern miteinbeziehen müsste. Ich wohnte in Jena zunächst im Gästehaus der Universität in einem sauberen, aber arg spießig eingerichteten Zimmer zu einem Preis von stolzen 17 D-Mark. Es gab kein Frühstück und nur selten warmes Wasser in der Dusche auf dem Flur. Immerhin lag jeden Morgen eine Ausgabe der SED-Zeitung „Neues Deutschland“ bereit. Bis zum Sommer 1991 herrschte Katerstimmung an der Universität Jena: Auf allen Ebenen wurde bisheriges Personal „abgewickelt“. Neuanstellungen erfolgten lediglich per Zeitvertrag. Herbert Gottwald stand unter massivem Stress und wirkte die meiste Zeit kränkelnd. Alle redeten von Neubeginn. Er musste handeln, tagtäglich. Alle Gewichte der Vergangenheit zogen an ihm und zugleich beschwerten alle Hoffnungen für die Zukunft seine Schultern. Einmal meinte er, ihm sei unwohl, „der Noske der 1990er-Jahre“ zu

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werden. Ernst Noske repräsentierte den Teil der deutschen Sozialdemokratie, die sich ins wilhelminische Kaiserreich integrierte. 1918 forderte er Kaiser Wilhelm II. zum Rücktritt auf. 1919 war ausgerechnet Noske für die Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes verantwortlich. Sogleich beendete Gottwald wieder den ironisch-vergleichenden Blick in die Vergangenheit und konzentrierte sich auf die Aufgaben des Augenblicks: Es gäbe leider zu viele „Wendehälse“, die man nicht in den neu entstehenden Universitätsstrukturen akzeptieren solle. Auch ich erlebte Anbiederungsversuche von ehemaligen Marxismus-Leninismus-Professoren (ML), die in der DDR die universitäre Leit- und Herrschaftswissenschaft repräsentiert hatten. Ludwig Elm, bis 1990 Professor für Wissenschaftlichen Sozialismus, ehemaliges Mitglied der SED-Parteileitung an der Universität Jena und von 1971 bis 1981 Mitglied der Volkskammer der DDR, hoffte vergebens, dass ich meine Vorlesungen zur Ideengeschichte in seinem umbenannten Institut anbot: Aus dem Institut für Wissenschaftlichen Sozialismus war in den Wirren von 1990 flugs ein Institut für Vergleichende Ideengeschichte geworden. Damit wollte ich dezidiert nichts zu tun haben. Ein westdeutscher Kollege meinte Ende 1990 zu mir, jetzt sei es „Zeit zum Ausmisten“ an der Universität Jena. Bei aller Wut über die vergangenen Zeiten plädierte ich indessen sofort und jederzeit für eine differenzierte Würdigung der Lernfähigkeit jedes Einzelnen. Ich blieb aber hart bei der Ablehnung von Stasi-Mitarbeitern, von denen es rund 150 an der Universität Jena gegeben haben soll. Die Pauschalattacke des westdeutschen Kollegen wurde den vielen einzelnen Menschen und ihren krummen Biografien und Rücken nicht gerecht. Über allem schwebten die Ungewissheiten der Weltpolitik. So sah ich es auch noch im Rückblick, als Matthias Steinbach, mein ehemaliger Jenenser Student, mich am 22. Januar 2010 zu einem Vortrag über die Umbrucherfahrungen an den deutschen Hochschulen an die Technische Universität Braunschweig einlud (Kühnhardt 20162016, S. 125 ff.). Am 21. Dezember 1990 befand ich mich in Jena, als der sowjetische Außenminister Eduard Shewardnadse zurücktrat. Für mich stand sogleich fest, dass dies der Anfang vom Ende der Sowjetunion sein dürfte. Am 26. Dezember 1990 wurde die sowjetische Fahne über dem Kreml eingezogen. Am 17. Januar 1991 war ich wieder in Jena. Es war der Tag, an dem in Bonn Helmut Kohl zum ersten frei gewählten gesamtdeutschen Kanzler seit 1930 gewählt wurde. Am gleichen Tag begann der zweite Golf-Krieg zur Befreiung Kuwaits von irakischen Okkupanten. Für mich stand fest, dass dies der Anfang vom Ende der Geschichte war, die damals gelegentlich postuliert wurde. In Erfurt erlebte ich an diesem 17. Januar 1991 eine lautstarke „Nie wieder Krieg“Demonstration. Zeitgleich hörte ich von Journalisten, dass die alten Seilschaften sich in der Thüringer Politik und Verwaltung wieder stabilisieren würden, ungeachtet einer CDU-geführten Landesregierung unter Ministerpräsident Josef Duchač. Ein wenig später, am 24. Mai 1991, ich war erneut in Jena, wurden Willi Stoph, von 1964 bis 1973 und von 1976 bis 1989 Ministerratsvorsitzender und als Staatsratsvorsitzender zwischen 1973 und 1976 Staatsoberhaupt der DDR, und Heinz Kessler, von 1985 bis 1989 Verteidigungsminister der DDR, verhaftet. Die „Bild“-Zeitung titelte: „Das Bett ist zu hart.“ Die Frau am Kiosk in Jena meinte nur lakonisch, harte Betten seien gesünder. Kessler

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wurde in den nachfolgenden Mauerschützenprozessen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Stophs Verfahren wurde 1993 wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. Ich fuhr in diesen Monaten regelmäßig nach Erfurt, um die anstehenden Strukturentscheidungen im Wissenschaftsministerium mit zu beeinflussen. In der Universität sprach ich mit den dortigen Hauptakteuren und warb öffentlich für meine Vorschläge, die auch in der Jenenser Universitätszeitung publiziert wurden (Kühnhardt 1991). Die beiden Baustellen lagen in jeder Hinsicht weit auseinander. Die universitätsinternen Intrigen und Grabenkämpfe waren mir bald vertraut. Ich konnte die Themen und Akteure zumindest einordnen. Im Senat der Universität hoffte man auf Neubesetzungen auf Basis paritätischer Kommissionen zwischen universitätseigenen Professoren und westdeutschen Kollegen. Mir war nicht wohl dabei und Herbert Gottwald bestärkte mich in der Vorsicht: Alte DDR-Seilschaften und westdeutsche Netzwerke altlinker Wissenschaftler, die sich gerne in den Gremien tummeln, könnten einen grundsätzlichen Neubeginn hin zu wirklichem Pluralismus torpedieren. Im Senat der Universität setzte sich am Ende eine Linie der Besonnenheit durch, repräsentiert vom leicht undurchsichtigen, weil übervorsichtigen Prorektor Gottfried Meinhold und dem kraftvollen, aufrechten Prorektor Gerd Wechsung, einem integren Mathematiker mit politischem Gespür, der mir intuitiv sympathisch war. Am meisten Verlass in der Universität war aus meiner Sicht auf Ulrich Zwiener, den ich in dieser Zeit als besonders inspirierenden und wertvollen Gesprächspartner schätzen lernte. Ulrich Zwiener, Professor für Psychopathologie und promovierter Philosoph aus dem Kreis um Robert Havemann, war eine herausragende Persönlichkeit. Er hatte 1990, in Anknüpfung an das Wartburgfest von 1817, das Wartburgtreffen mit 1000 Studierenden und 250 Universitätsdozenten organisiert. Er wollte die europäische Einbettung der Universitätserneuerung wie kein anderer in Jena. Über Zwiener pflanzte ich bei Wissenschaftsminister Ulrich Fickel (FDP) den Gedanken ein, in jedem Falle zwei voneinander getrennte Berufungskommissionen für die Fächer Politische Wissenschaft und Soziologie in Jena einzurichten. Wichtig war allen in der Universität, die es mir offen sagten, eine Seilschaft, angeführt vom Göttinger Soziologen Wolf Rosenbaum, abzubremsen, der für die Verbindung der beiden Fächer plädierte. Der Senat formulierte seine Prioritätenliste für die Neugründung der Sozialwissenschaften wie folgt: 1. Umweltwissenschaft, 2. Informatik, 3. Politikwissenschaft und Soziologie. Hinter die Kulissen der Landesregierung war nur schwer zu schauen. Die Landesregierung ließ fast ein Jahr lang alles in der Schwebe. Jeder wurde im Unklaren belassen, was die Pläne mit und in einer erneuerten Universität Jena waren. Das Ringen um Strukturen fand als Spiel um Namen statt. Um die Namen derer, die an der einen oder anderen Stelle Weichen für die zukünftige Ausrichtung der Geschichtswissenschaft, und in ihrem Windschatten der Politischen Wissenschaft, stellen und letztlich ihnen genehme Kandidaten auf die künftigen Lehrstühle bugsieren konnten. Einer meiner Aufenthalte in Erfurt begann ganz eigentümlich. Trotz Buchung hatte das „Hotel Cosmos“ mein Zimmer am 4. April 1991 vergeben. Ein Arbeitsloser, der mich vor der Hoteltür ansprach, vermittelte mich in eine Privatunterkunft. Maximale Plüschspießigkeit erwartete mich. Ein ungeheizter Raum. Eine Dusche mit kaltem Wasser. Schlaffer

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­rühstückskaffee. Alles für 60,00 D-Mark, plus 20,00 D-Mark Vermittlungsgebühr F an den Mann vor dem Hotel. Der Aufbau Ost werde dauern, sagte mir der Mann zum Abschied. Dann führte ich ein langes, sehr offenes Gespräch mit dem Staatsminister für besondere Aufgaben, Jochen Lengemann (CDU), im Regierungsgebäude an der JohannSebastian-Bach-Straße zur Lage in den Geisteswissenschaften in Jena. Lengemann schilderte die inneren Verwerfungen in der CDU/FDP-Regierung. 1989/90 habe man doch nur eine „abgebrochene Revolution“ erlebt, die immer noch lautlos weiterschwele. Mancherorts hörte ich die Klage, dass in der Thüringer CDU noch immer die alten „Blockflöten“ dominieren, wie die Leute genannt wurden, die aus einer der DDR-Blockparteien stammten. Im Kern seien diese Mitglieder der ehemaligen Ost-CDU Sozialisten, die der Programmatik der West-CDU denkbar fremd gegenüberstünden. Wenige Tage später, am 5./6. April 1991, traf ich bei einer wissenschaftlichen Tagung der KonradAdenauer-Stiftung in Cadenabbia den renommierten Philosophen Odo Marquard von der Universität Gießen. Gemeinsam tauschten wir uns lange über die drängenden Fragen der Hochschulreform in Thüringen mit Bernhard Vogel aus, dem Vorsitzenden der KonradAdenauer-Stiftung. Keiner konnte ahnen, dass Vogel am 5. Februar 1992 zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt werden würde. Zwei Wochen später, am 19./20. April 1991, nahm ich meinen amerikanischen Freund Tony Gardner mit nach Jena. Er erlebte hautnah Dispute unter meinen Studierenden. Vergangenheitsaufarbeitung live und persönlich. Einer von denen, die durch die DDRZeit besonders traumatisiert waren, der Baptist Holger Thuß, meinte, fast unter Tränen, für ihn sei der jetzige Zustand wie ein permanentes Wiedergeborenwerden. Matthias Steinbach gab sich fatalistisch: Die Vereinigung war nur so möglich, wie sie eben stattgefunden habe. Leider, so meinte er achselzuckend, konnte daher kein dritter Weg für Deutschland ausprobiert werden. Ich war genau damit zufrieden. Anschließend fuhren Tony Gardner und ich durch die Region: Weimar, das Jenaer Schlachtfeld von 1806, Arnstadt, ein schneeverwehter Thüringer Wald, Paulinzella mit seiner großartigen Ruine. Ein Blick nach Bayern in Kronach, danach Meiningen, wo noch der herzogliche Grenzstein stand. Am nächsten Tag ging es nach Norden, nach Schmalkalden und dann nach Kassel, von wo Tonys Großvater stammte.16 In der dortigen Synagoge trafen wir ausschließlich auf Russlanddeutsche. Spuren seiner Vorfahren fand Tony Gardner an diesem Tag leider nicht. Goslar, Wernigerode, Quedlinburg und der Kyffhäuser rundeten unsere Tour ab. Im Angesicht des hässlichen Nationalmonuments meinte mein amerikanischer Freund,

16 Anthony

‚Tony‘ Gardner und ich hatten uns während meiner Zeit als Postdoc 1984/85 in Harvard angefreundet. Seit dieser Zeit kannte ich auch seinen Vater Richard Gardner. Richard Gardner war damals Professor für Völkerrecht an der Columbia University in New York. Er hatte in den 70erJahren als Botschafter der USA in Italien gearbeitet und wurde von 1993 bis 1997 Botschafter der USA in Spanien. Tony Gardner arbeitete später eine Weile in der Treuhand, danach im Weißen Haus und im Nationalen Sicherheitsrat der USA unter Präsident Bill Clinton. Von 2014 bis 2017, während der Präsidentschaft von Barack Obama, war Tony Gardner Botschafter der USA bei der Europäischen Union.

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wenn die deutsche Einheit schiefgehe, wisse er warum: „The curse of Kyffhäuser“, der Fluch der nationalistischen Ideologie, hätte dann gewonnen. Es wurde ein in der Ironie geflügeltes Wort unter uns beiden.

Abb. 4.12  Mit meinen Jenaer Studenten Matthias Steinbach, und Holger Thuß sowie meinem amerikanischen Freund Tony Gardner im Uni-Turm von Jena (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Bis Ende 1992, so stand nach einigem Hin und Her in der thüringischen Landespolitik das Ziel schließlich fest, sollten die Sozialwissenschaften in Jena komplett neu begründet werden. Es begannen Grabenkämpfe, mal offen, mal verdeckt, zwischen Vertretern der unterschiedlichen westdeutschen ideologischen Strömungen und wissenschaftlichen Schulen. Links versus bürgerlich. Idealistisch versus Entsorgung von Mittelmaß. Bürokraten versus Wissenschaftler. Im Sekretariat des Historischen Instituts, hoch oben im Universitätsturm von Jena, sah ich eine Karl-Marx-Inkunabel mit dem schönen Satz: „Es gibt keine Landstraße für die Wissenschaft und nur diejenigen haben Aussicht, ihre hellen Gipfel zu erreichen, die der Ermüdung beim Erklettern ihrer steilen Pfade nicht scheuen.“ Die Selbstreformer in der Universität, nicht selten Marxisten, plädierten weiterhin für Paritätische Kommissionen bei Neuberufungen zwischen internen Jenenser Wissenschaftlern und externen Westlern. Das thüringische Ministerium für Wissenschaft und Kultur befand sich in einem Gebäude in der Erfurter Werner-Seelenbinder-Straße, in dem bis November 1989 die städtische Pass- und Meldebehörde ihren Sitz gehabt hatte. Aus einem Taxifahrer, der mich dorthin zu einem meiner verschiedenen Gespräche mit

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den Hochschulentwicklern brachte, brach seine ganze Wut auf das alte Regime heraus: Noch im Oktober 1989 habe man ihm hier, in diesem Haus, einen Verwandtenbesuch in München verweigert. Am liebsten würde er noch heute auf die Wände spucken. Das beständige Ringen um Namen und Prozeduren war ein Lehrstück des posttotalitären Umbruchs. Am Ende setzte sich die Linie des Ministeriums durch, zunächst eine Landesstrukturkommission zu bilden. Anschließend sollten Berufungskommissionen für die Fächer an den Universitäten Thüringens eingesetzt werden, die neu gebildet werden sollten. Dazu gehörte auch eine eigenständige Politische Wissenschaft. Ich war zufrieden. In der Zeit meiner Jenenser Gastprofessur sammelte ich alle Eindrücke, die ich in Thüringen nur gewinnen konnte, um ein mir fremdes Land, das zum Teil meines eigenen Staates geworden war, kennenzulernen, verstehen zu lernen. Ulan-BatorStraße Erfurt, Marxstraße Weimar, solche Bezeichnungen waren für mich damals extrem gewöhnungsbedürftig oder gar befremdlich. Unbeantwortbare Fragen gab es viele an vielen Orten Thüringens: „Was waren diese Täter für Menschen?“, las ich im KZ Buchenwald. In Erfurt erfreute ich mich an der eingerüsteten Innenstadt, die rechtzeitig hatte gerettet werden können. Wartburg, Eisenach, erstmals mit einem Weihnachtsmarkt, Halle, die Genscher-Stadt mit Händel-Denkmal, im Fußgängerbereich schon kaum noch vom Westen zu unterscheidender Lichterglanz des Konsums. Mit Respekt entdeckte ich als Katholik die Orte des Protestantismus in Wittenberg, wo ich in der Schlosskirche am Grab von Martin Luther und Philipp Melanchton stand. Ich suchte Eisleben auf, schon in Sachsen-Anhalt, Luthers Geburts- und Sterbeort. Ein karger Landstrich. Es mischt sich bereits langsam der deftige Berliner Dialekt in die Sprache. War der Kleinbürgergeist, den ich überall atmete, auch schon der Geist der Zeit von Luther? Bäumte Luther sich in Wirklichkeit gegen das Lebens- und Sinnenfrohe des Südens auf, dem er sich in Rom ausgesetzt sah? War der Protestantismus im Kern eine mitteldeutsche Befindlichkeitskonfession? Kultursoziologische Fragen dieser Art gingen mir durch den Kopf. Beim erstmaligen Anblick vieler junger russischer Soldaten auf dem Bahnsteig in Gotha musste ich mir die Augen reiben. Kurz vor Weihnachten 1990 in Naumburg an der Saale: Morgen, so sagte mir jemand, werde eine Weihnachtsfeier für 5000 russische Soldaten stattfinden. Das sei keine Frage des Mitleids, sondern der Ehre. Früher seien diese Soldaten Teil einer Weltmacht gewesen. Jetzt müsse man ihnen den Verfall erleichtern. Das Christfest hieß auch in Thüringen unterdessen wieder Weihnachten, wie überall im weithin säkularisierten Deutschland. Aufmerksam registrierte ich auf den Straßen von Jena die ersten Neuwagen mit dem Zeichen „J“. Weißgetünchte Fassaden, aber auch die hohe Arbeitslosenquote von 35 % waren nicht zu übersehen. Im „Schwarzen Bären“, dem Traditionshotel gegenüber der Universität, traf ich Gerd Möbius, den letzten 1953 freigewählten liberalen Stadtverordnetenvorsteher von Jena. Seine Anekdoten reichten vom Kaiserreich bis in die Wendezeit. Ältere Thüringer begannen davon zu reden, dass doch die Amerikaner als erste Thüringen befreit hätten, nicht die Russen. Im März 1991 hing

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p­ lötzlich an der Rezeption des „Schwarzen Bär“ eine Plakette der 11. Armoured Brigade „for outstanding contributions to German-American relationship“. An der Hotelbar beherrschten westdeutsche und holländische Geschäftsreisende den Ton und das Nachtleben. Noch immer war Jena per Telefon von Westdeutschland nur mit der Auslandsnummer 0371 zu erreichen. Informationen gab es bei der nationalen Telefonauskunft. Am besten telefonierte man frühmorgens um 7 Uhr, da war das Netz noch nicht überlastet. Im Verlauf des Sommersemesters 1991 wurden die studentischen Diskussionen mit mir und untereinander heftiger. Zunächst fanden sich 15, bald aber 30 Studenten in meiner Vorlesung zu John Locke ein. Mit acht Studentinnen und Studenten führte ich das Seminar über Revolutionserfahrungen durch. Die Selbstbezichtigungen wurden offener und die Apologien selbstbewusster: Nicht alles sei doch schlecht gewesen am Sozialismus, sagte jemand. Den Vergleich der DDR mit Kambodschas Terrorregime unter Pol Pot lehnten alle Anwesenden vehement ab. In der DDR habe es nur Umbau, aber keine Zerstörung gegeben. Aus anderen brach die Wut über die DDR durch. Selbstverständlich habe der DDR-Staat die Gesellschaft Mitteldeutschlands faktisch entbürgerlicht. Vergangenheitsbewältigung wurde zur Vergangenheitseinvernahme: Sei die DDR denn wirklich antibürgerlich gewesen, fragte einer rhetorisch? Heinrich Mann, so seine apologetische Antwort, sei doch ein gern gesehener Gast in der DDR gewesen und der sei doch sogar Großbürger gewesen. Die DDR sei traditionsbewusst gewesen, so hörte ich, die Menschen staatsnahe, wie es in Deutschland eben üblich sei. Die Polen seien demgegenüber leider defizitär, hörte ich mir auch an, weil sie noch immer katholisch und damit vormodern seien. Und die Rumänen säßen ohnehin lieber in der Sonne als bei der Arbeit. Die Diskussionen wurden persönlicher und emotionaler. In der „Göhre“, dem Café im Stadtmuseum von Jena, fragte mich abends beim Bier ein Student, was denn die Apostel gewesen seien, er habe das Wort noch nie gehört. Eine Kommilitonin sagte, sie kenne das „Vaterunser“ nicht, nicht einmal als Bildungsgut. Ich war sprachlos. Die Nazis, so hörte ich bei anderer Gelegenheit, seien per Wahlsieg und in Aktionseinheit mit dem Kapital an die Macht gekommen. Oder: Der Dritte-Welt-Sozialismus habe zwar keine „sozialrevolutionären Wandlungen“ hervorgebracht, „wie wir früher gelernt haben“, aber er habe doch wenigstens Befreiungsregime geschaffen. Ein Student tat sich schwer mit meiner Kritik am Dritte-Welt-Sozialismus, einschließlich demjenigen in Kuba. Ich freute mich, dass meine Provokationen ankamen. Die Studierenden jener Tage saugten begierig die Interpretation meines britischen Freundes Timothy Garton Ash auf, wonach eine strikte Trennung von Opfergesellschaft und Tätergesellschaft nicht möglich sei. Beide Gruppen seien in einer totalitären Diktatur ineinander verwoben. Auffällig an der Jenenser Studentenschaft vor 1989 war, wie mir gesagt wurde, der hohe Anteil von SED-Mitgliedern. Um die 50 % aller Studierenden, so hörte ich, seien Parteimitglieder gewesen. In Polen, Ungarn oder der Tschechoslowakei waren diese Zahlen entschieden niedriger. Der Versorgungsstaat DDR war offenkundig für viele junge Leute bequem. Ursachen und Folgen dieser Zusammenhänge wurden einstweilen weithin verdrängt, jedenfalls empfand ich es so in dieser Zeit in Jena. Mich beeindruckte,

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mit welcher Präzision und Sprachkraft die Studierenden formulieren konnten. So viel akademischen Anspruch an sich selbst war ich aus Westdeutschland nicht mehr gewohnt. Der 25. April 1991 blieb mir in besonders denkwürdiger Erinnerung. Im Studentenclub „Rosenkeller“ erlebte ich eine Lesung des 1977 aus der DDR ausgebürgerten Schriftstellers Jürgen Fuchs, der in Jena studiert hatte. Fuchs las aus seinem Buch „Das Ende einer Feigheit“ (Fuchs 1988). In der Diskussion stellte sich ein älterer Herr vor, er sei Dr. Boch, der auf Seite 182 genannt worden sei. Was er denn früher falsch gemacht habe, wieso Fuchs ihn als autoritär empfunden habe. Fuchs, in dessen unmittelbarer Nähe ich saß, konnte seine Wut kaum zügeln. Dann antwortete er ruhig, jetzt sei es erforderlich zu lernen, in der Wahrheit zu leben und nie wieder „man“, sondern immer nur „ich“ zu sagen, persönliche Verantwortung anzunehmen. Wenig später wurde bei Fuchs Leukämie diagnostiziert. 1999 starb er mit nur 49 Jahren. Bei einem längeren Gespräch mit der ZDF-Korrespondentin Susanne Biedenkopf am 3. Mai1991 in Erfurt wurde mir klar: Alte Seilschaften waren dabei, sich in der Landespolitik von Thüringen zu stabilisieren. Beim „Spiegel“ liege, so sagte die Tochter des seit 1990 amtierenden Ministerpräsidenten von Sachsen, Kurt Biedenkopf, eine DuchačAkte, die bei der Stasi verschwunden sei. Das Entscheidende seien die gesellschaftlichen Verwandlungsvorgänge: Das Bewusstsein der Menschen müsse Schritt halten mit den realen Verwandlungen. Seit zwei, drei Monaten gehe es langsam voran, so Susanne Biedenkopf. Westdeutsche Schreihälse würden immer eindeutiger von den Menschen in Thüringen gemieden. Ihre häufigste, auffallend negative Beobachtung: Man verstehe sich nicht, von Ost nach West und umgekehrt. Sprache sei eben nicht Sprache. Prorektor Meinhold schrieb mir in dieser Zeit der Schwebe gelegentlich private Briefe, weil, wie er sagte, zu viele „Altlasten“ um ihn herum arbeiten würden und es nicht opportun sei, ungeschützt gewisse offizielle Briefe zu schicken. Einmal rief er mich morgens um 7 Uhr 15 an, der typischen Uhrzeit des ostdeutschen universitären Arbeitsbeginns. Die von mir gemachten Vorschläge hinsichtlich der Politischen Wissenschaft für eine gemeinsame Landesstrukturkommission Geschichte und Politische Wissenschaft seien von der Landesregierung genehmigt worden. Neben Karl Dietrich Bracher, Hans-Peter Schwarz und Ulrich Matz standen auf der Liste, aber auch die nicht von mir vorgeschlagenen Historiker Jochen Bleicken, Peter Moraw, Volker Press und Hans-Jürgen Puhle. Den Vorsitz solle der der SPD verbundene Darmstädter Historiker Helmut Böhme führen. Das Ringen um die Berufungskommissionen in Thüringen war ohne Zweifel hochpolitisch und ideologisch aufgeladen. Der Geist der alten Zeit, der nur langsam starb, wurde durch die neuen westdeutschen Flügelkämpfe ersetzt. Mitten in dieser Gemengelage gab die führende Regierungspartei CDU den Kulturkampf um die Wissenschaft in Thüringen offensichtlich auf. Im Landtag saß eine SPD-Dame dem entsprechenden Ausschuss vor, eine ehemalige Telefonistin. Der Minister wurde von der FDP gestellt. Ihm wurde eine dubiose Verstrickung in das System der SED-nahen Blockpartei LDPD nachgesagt. Ulrich Zwiener war plötzlich aufgelöst, konnte sich aber nur andeutungsweise äußern: Es herrsche an der Universität Jena Missmut gegen die Arroganz westlicher

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Gastdozenten. Auch bestehe in der Universitätsspitze Sorge wegen einer möglichen konservativen Ausrichtung der Politikwissenschaft. Gegen mich selbst liege nichts ad personam vor, aber alles bleibe wohl im Fluss. Außerdem wackele der Stuhl von Rektor Schmutzer. Sein Sturz beziehungsweise ein erzwungener Rücktritt würde ein Rückschlag für die Erneuerung der Universität Jena bedeuten, weil alte DDR-Seilschaften sich wieder etablieren könnten. Herbert Gottwald erzählte, wie sehr die selbstkritische Aufarbeitung der DDR-Historiografie ihn Kraft koste, um den Anforderungen der Studenten zu genügen. Apologie sei falsch, aber falsch sei auch, alle in einen Topf zu werfen. Es habe in der DDR nicht nur „Geistesplebejer“ gegeben. In einer Fakultätssitzung zum Thema obligatorischer Lateinkenntnisse habe er erst kürzlich in einer aufgeladenen Situation eingeworfen: Wer kein Latein könne, sei doch Volk, „und das wollen Sie, meine Herren Kollegen doch wohl nicht sein?“ Der Appell ans Elitäre fruchtete scheinbar in Jena noch immer weit besser als im Westen. Im Traditionshotel „Schwarzen Bär“ wurde Frankreich in einer Werbewoche kulinarisch präsentiert, noch immer eine Art Sensation. Auf dem Marktplatz verteilten Mormonen ihre Gebetstexte. Es gab erste Computer-Plakate und eine Europa-Woche.

Abb. 4.13  Relikte der DDR: In Eisenach (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Am 16. Mai 1991 diskutierten meine Studenten und ich sehr heftig über die Grundirrtümer des Denkens von Marx. Die moralische Überforderung des Menschen, der seine politische Entmündigung geradezu zwingend folgen musste, seine Vorstellung, eine

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sozialistisch-kommunistische Staatsordnung sei das Ende der Geschichte, hatte sich, so leitete ich ein, als Ideologie der armen Leute entlarvt, ein Rückständigkeitsüberwindungskonzept, das gegenüber den Entwicklungsprozessen der westlichen Moderne faktisch Rückständigkeit geradezu sanktioniert hat. Die Studenten waren massiv irritiert. Ich sah es in ihren Augen, an der Körpersprache. Emotionen kamen bei manchem hoch. Vieles sei doch durchaus gut am Sozialismus gewesen, traute sich jemand aus der Deckung. Das sogenannte rechtsstaatliche System, in dem man nun lebe, sei auch keineswegs überzeugend. 18-seitige Bafög-Antragsformulare seien schlimm. Man müsse den Sozialismus als Gesamtheit sehen, dürfe nicht Marx als pars pro toto darstellen. Das unterstelle bereits durch eine methodische Prämissensetzung, der Sozialismus an sich und Marx ad personam seien für diktatorische Entartungen im Stalinismus verantwortlich gewesen. Ich konzedierte, man werde wohl 100 Jahre benötigen, drei oder mehr Generationen, um Marx unbefangen in der Traditionsreihe der Ideengeschichte zu akzeptieren, ohne sofort an die mit ihm und dem Marxismus assoziierten Lebenserfahrungen und Weltbilder erinnert zu werden. Am nächsten Morgen gingen die heftigen Debatten weiter, diesmal zum Thema Drittes Reich. Den Nationalsozialismus als braune Revolution zu bezeichnen, wie ich es tat, das klang für die DDR-sozialisierten Studenten schon wieder wie ein massiver Affront. Sie zeigten aber auch Wissensdefizite (die NSDAP sei durch einen Wahlsieg mit absoluter Mehrheit an die Macht gekommen, sagte jemand) und ideologische Stanzsätze (bei der NSDAP habe es sich um eine Aktionseinheit von Hindenburg, Hitler und „dem Kapital“ gehandelt, in deren Dienste sich später die „bürgerlichen Kreise“ gestellt hätten, meinte ein anderer zu wissen). Die Zeit des Nationalsozialismus sei Ausdruck des Faschismus gewesen und ganz gewiss keine Revolution. Ich kritisierte den Faschismus-Generalbegriff als ideologisch. Er relativiere die nationalsozialistische Ideologie und Diktatur. Einigen meiner Studentinnen und Studenten war recht unwohl, als sie von der Totalitarismustheorie hörten, die ihnen bisher bestenfalls gefiltert und als westliche Kampfparole bekannt gemacht worden war. Ich machte die Studenten mit dem neuesten Forschungsstand zum Thema vertraut, den ich auch in den nächsten Jahren intensiv verfolgte (Kühnhardt 1999a, S. 553 f.). Jemand meinte, man müsse doch auch einmal ein Buch zu den guten Seiten des Sozialismus schreiben. Holger Thuß antwortete lakonisch: Das werde wohl ein sehr dünnes Buch. Nach dem Seminar kamen Thuß die Tränen, als er aus dem Fenster auf den Universitätsplatz schaute: Dort habe Anfang November 1989 die Volkspolizei gestanden und was wohl wäre passiert, wenn die geschossen hätten, grübelte er laut. Anfang Juni 1991 vermittelte ich einen Besuch des Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Norbert Lammert, dem späteren Präsidenten des Bundestages, in der Universität Jena. Wir flogen gemeinsam mit dem Helikopter von Bonn über die blühenden Rapsfelder nach Thüringen. An der Universität berichtete Lammert vom Sonderprogramm Wissenschaft und Forschung Ost, das die Bundesregierung in Höhe von 1,76 Mrd. D-Mark aufgelegt hatte. An den gleichfalls klammen westdeutschen Universitäten war damals von solcher Großzügigkeit zu keinem ­Zeitpunkt

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zu hören. In vier bis sechs Jahren könnte, so berichtete Prorektor Gerd Wechsung dem Staatssekretär pflichtschuldig, die Zahl der Studierenden in Jena verdoppelt sein. Die Universität könne mit Selbstbewusstsein und Zuversicht in die Zukunft blicken. 30 Zuhörer waren zu dem Vortrag von Staatssekretär Lammert gekommen, eine kleine, aber akademisch konzentrierte Schar. Die Massenuniversität schien auch in Jena nicht mehr aufzuhalten zu sein, schleichend vorbereitet über den Weg von großzügigen Staatszuwendungen. Herbert Gottwald schrieb mir am 29. Mai 1991 aus dem Universitäts-Turm: „Am Ende des Sommersemesters möchte ich Ihnen für Ihre sich nunmehr bereits über zwei Semester erstreckende Lehrtätigkeit am Historischen Institut der Universität Jena sehr herzlich danken. Sie haben damit in einer ungewöhnlich komplizierten Phase der Jenaer Geschichtswissenschaft einen wirksamen Beitrag zur Bewältigung der gegenwärtigen Umbruchprobleme des Instituts geleistet. Umso mehr freue ich mich, dass Sie sich grundsätzlich bereiterklärt haben, im Wintersemester 91/92 erneut Lehrveranstaltungen am Historischen Institut durchzuführen. Mit Ihrem Lehrangebot für das Wintersemester, eine Vorlesung über ‚Europäische Idee und europäische Integrationswirklichkeit‘ sowie einem Hauptseminar über ‚Demokratietheorien‘ bin ich sehr einverstanden. Dabei gehe ich davon aus, dass Ihre weitere Lehrtätigkeit von der Universitätsleitung in einen bestimmten rechtlichen Rahmen gestellt wird. Dieser müßte (z. B. in Form einer Vertretungsprofessur) so beschaffen sein, dass Sie weitaus stärker als bisher in allen Arbeitsbereichen des Historischen Instituts wirksam werden könnten.“ Gottwald hoffte damals ganz offen, dass ich auf Dauer nach Jena kommen würde. Andere hielten sich weitaus bedeckter. So waren die Zeiten. Bei der Verabschiedung von Universitätskanzler Kübel am 12. Juni 1991 erfuhr ich von Prorektor Meinhold, dass sich meine Grundidee der Struktur einer künftigen Politischen Wissenschaft durchgesetzt habe. Laut Vorlage des Ministeriums solle es folgende C-4-Lehrstühle für die Politische Wissenschaft geben: Politische Theorie, Regierungslehre, Internationale Politik, gesamtgesellschaftliche Strukturen. C-3-Lehrstühle: Politische Theorie, Didaktik, Internationale Politik. Für den Mittelbau waren acht Nachwuchswissenschaftlerstellen vorgesehen. In der Geschichte wollte man wie folgt beginnen: C-4: Mediävistik, Neuzeitgeschichte, Zeitgeschichte, Thüringische Landesgeschichte. C-3: Osteuropäische Geschichte, Mediävistik, Neuzeitgeschichte. Bei der Schriftstellerin Ricarda Huch, die von 1935 bis 1947 in Jena gelebt hat, hatte ich Schönes über das alte Jena gelesen: Überall höre man von Goethes „Wilhelm Meister“, der Transzendentalphilosophie und von Silbenmaßen. Aus jedem Haus würden Gitarren und Geigen erklingen. So genau habe ich Jena nicht erlebt. Aber als einen konzentrierten, ernsthaften Universitätsort mit einer ungemein einnehmenden akademischen Aura war Jena mir entgegengetreten und ans Herz gewachsen. Für mich begann gleichwohl Mitte 1991 erst einmal eine gänzlich andere, die zweite Erfahrung mit den Folgen der Verarbeitung der deutschen Diktatur. Am 4. Juni 1991, an meinem 33. Geburtstag, erhielt ich den Ruf auf eine Professur für die Wissenschaft von der Politik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Mein erster Lehrstuhl und

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dann an dieser so angesehenen und traditionsreichen Universität! Am Tag des BerlinBeschlusses des Deutschen Bundestages, am 20. Juni 1991, war ich bei meinem Lehrstuhlvorgänger Wilhelm Hennis und seiner Frau Haide zum Mittagessen eingeladen. Schon an der Haustür empfing Hennis mich mit einem kryptischen Wort: „Wer wieder weggeht, war nie in Freiburg.“ Ich begann zu fremdeln, bevor es losging. Danach wetzten wir zünftig die Klingen über den Bonn-Berlin-Beschluss und die richtigen Lehren aus der deutschen Geschichte. Die Tradition, sich als neuer Professor bei möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen vorzustellen, aber auch bei Personen in der Stadt und Region, mit denen es Berührungspunkte bei der künftigen Arbeit geben dürfte, hielt ich hoch. Ich bedauerte, dass diese gute Sitte später immer mehr schwand. In Freiburg machte ich sehr zügig meine Vorstellungsrunden und traf so auf eine Vielzahl von Persönlichkeiten, die ich in allen ihrer Vielfalt und mit ihren ganz eigenen Ausprägungen schätzen lernte. Für meine weitere Arbeit war dieser breit aufgestellte Kollegenkreis wichtig, vorneweg natürlich meine Fachkollegen Dieter Oberndörfer und Wolfgang Jäger. Meine Runde der Antrittsbesuche umfasste die Professoren Willi Erzgräber, Heinrich Popitz, Bernd Martin, Hans-Joachim Gehrke, Hans Fenske, Wolfgang Eßbach, Ulrich Greiner, Ernst Benda, Bernhard Stöckle, Gottfried Schramm, Gerd Krumeich, Dieter Mertens, Hugo Ott, Christian Mair, Paul Götsch, Albin Eser, Jürgen Schwarze, Thomas Zotz, Ernst-Wolfgang Böckenförde, Frau Professorin Renate Zoepfel, die Professoren Ernst Schulin, Udo Kempf, Prorektor HansUlrich Nuber, Thomas Würtenberger, Hubert Mordeck, Uwe Pörksen, Michael Charlton, die Dekane Feix, Biologie, Huss, Forstwirtschaft, Smolinski, Theologie, Pfleiderer, Medizin, den Rektor Manfred Löwisch, Kanzler Friedrich-Wilhelm Siburg, die Bibliothekare Kuttler und Frau Traut. Dass die Albert-Ludwigs-Universität im sich so progressiv gebenden Freiburg ein Frauendefizit in den Reihen ihrer Professoren hatte, war offenkundig. Unter den Honoratioren der Stadt sah es nicht viel anders aus. Ich stellte mich im Einzelnen vor bei Oberbürgermeister Rolf Böhme, Regierungspräsident Conrad Schröder, dem Direktor der Katholischen Akademie Ludwig Wenzler, dem Leiter des Instituts français Michel Metayer, dem Abgeordneten des Europäischen Parlaments Wilfried Telkämper (Grüne) und bei den Bundestagsabgeordneten Sigrun Löwisch (CDU) und Gernot Erler (SPD), beim Chefredakteur der Badischen Zeitung, Ansgar Fürst, und bei dem außenpolitischen Ressortleiter der Badischen Zeitung, Gerhard de Groot. Am 30. September 1991 konnte ich mich Ministerpräsident Erwin Teufel und seiner Frau bei der Jahrestagung der Görres-Gesellschaft als Neu-Freiburger präsentieren. Wir pflegten seit einigen Jahren eine freundliche Verbindung. Ich dachte natürlich daran zurück, dass Teufel mir vor einigen Jahren angeboten hatte, Leiter der Grundsatzabteilung seiner Staatskanzlei zu werden. Ich hatte damals, nicht leichten Herzens, abgesagt. Trotz der frustrierenden Wartezeit wollte ich die Hoffnung noch nicht aufgeben, doch eine Professur zu erwerben, die mir berufliche Sicherheit und Freiheit in einem geben könnte. Erwin Teufel blieb mir freundlich zugewandt: Am 19. Dezember 1994 schrieb er mir: „Für unser Land ist es ein Gewinn, dass Sie in Freiburg sind. Für jeden Rat bin ich Ihnen dankbar.“ Am 28. Juni 1995 unterbreitete ich ihm einen

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Rat in seiner neuen Funktion als Bevollmächtigter Deutschlands für die kulturellen Beziehungen zu Frankreich: Nach dem Muster der Königswinter-Konferenz oder der Atlantik-Brücke könnte doch auch ein deutsch-französischer Gesprächskreis entstehen. Ministerpräsident Teufel fand dies, wie er mir am 15. Mai 1995 antwortete, eine gute Idee, die er bereits bei einem Kamingespräch mit Frankreich-Experten besprochen habe und bald Bundeskanzler Kohl vorstellen wolle. In der Zeit meines persönlichen Neubeginns in Freiburg blieb ein Auge und Ohr immer auf Jena gerichtet. Am 5. November 1991 beispielsweise, bat man mich telefonisch und strengst vertraulich um meine Einschätzung der Lehrstuhl-Kandidaten für Politische Wissenschaft, die im späteren November zum Probevortrag in Jena gebeten werden sollten. Am 8. November 1991 war ich wieder in Jena. Dort begann das Wintersemester. Für zwei Semester pendelte ich wöchentlich zwischen Freiburg und Jena. Jena fand ich jetzt im Umbruchchaos wieder. Im Hauptgebäude sprach der Philosoph Hermann Lübbe über Kulturphänomene: Gegenwartsschrumpfung, Musealisierung des Daseins, Erfahrungsverluste im Lebensalltag und Angstfolgen im Umgang mit der Industriezivilisation, deren bestes Zeichen Sekurität, Verlässlichkeit und deren Voraussetzung Vertrauen seien. Lübbe lief zur Hochform an, als er die hypertrophe Arroganz der selbsternannten Menschheitsretter des Kommunismus, Lenin inklusive, geißelte. Der gute Lenin und der böse Stalin, die Gleichung gehe nicht auf. Im Innern des Hauptgebäudes war alles im Umbau. Der Marx-Spruch über der Aula war verschwunden, ebenso die Gedenktafeln der antifaschistischen Helden und DDRNationalpreisträger. Geschichtsbildveränderung durch Malerfarbe. Im Stadtbild verspürte ich eher eine Verstetigung als den großen Umbruch. Im Historischen Institut traf ich auf vertraut-muffiges Sekretariatsambiente, freute mich aber auch, Frau Ellenberg und Frau Rehmer wiederzusehen. Ebenso beglückt war ich, dass ich meinen Freiburger Vorgänger Wilhelm Hennis dafür hatte gewinnen können, in Jena einige Lehrveranstaltungen anzubieten. Hennis bot montags ein Seminar zu Max Weber und dienstags eines zu Alexis de Tocqueville. Für das Wintersemester 1991/92 lag erstmals ein ordentliches, ansprechendes Vorlesungsverzeichnis vor. Dort fanden sich auch meine Lehrveranstaltungen: Demokratietheorien, donnerstags 10:30-12 h. Europäische Idee und europäische Integrationswirklichkeit, freitags 8:30-10 h. Während in meinen Freiburger Vorlesungen unterdessen 400 Studierende saßen, begrüßte ich zu Vorlesungsbeginn im Wintersemester 1991/92 in Jena zehn Studenten. Bald waren es aber auch dort 50 Studierende, alte Bekannte und neue Gesichter. Noch war die Massenuniversität in Thüringen indessen nicht angekommen. Für den 14. November 1991 konnte ich in Jena einen Vortrag des früheren britischen Botschafters in Bonn, Sir Julian Bullard, organisieren. Er redete wie ein Deutscher (Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft sei wichtiger als Erweiterung, ein voller Warteraum sei ein gutes Zeichen für die EG) und führte doch britisches Understatement gepaart mit der ihm eigenen Ironie ein. Ein belebendes Erlebnis. Beim Abendessen gesellte sich Jenas Oberbürgermeister Peter Röhlinger (FDP), ein dynamischer Tierarzt, zu uns. Röhlinger erzählte von der Sorge, dass Lothar Späth, der ehemalige Ministerpräsident von Baden-

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Württemberg und seit Juni 1991 als Geschäftsführer der Jenoptik GmbH Generalsanierer des ehemaligen VEB Carl Zeiss Jena, zu sehr eigenes Charisma entfalten könnte, wie er sich ausdrückte. Noch im Winter drohe 16.000 Menschen in Jena die Arbeitslosigkeit. Viele würden heute schon nach Franken pendeln. Die Fusion mit DZ-Aerospace sei zwar ein guter psychologischer Faktor, habe aber bei Jenoptik nur 150 Arbeitsplätze geschaffen. Röhlinger berichtete Sir Julian und mir, die russischen Kasernen könnten leider nicht als Studentenwohnheime umgebaut werden. Sie müssten abgerissen werden. Im Kellergeschoss sei durch die russischen Soldaten ein Raum nach dem anderen als Großtoilette ohne Sickergrube genutzt und nach der kompletten Auffüllung mit Kot jeweils zugemauert worden. Sowjetische Altlasten.

Abb. 4.14  Einladung des Dekans zu meiner Antrittsvorlesung im Audimax der Albert-LudwigsUniversität Freiburg (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Der 27. November 1991 war ein großer Tag für mich in Freiburg: Antrittsvorlesung im Auditorium Maximum der Albert-Ludwigs-Universität. Auf feinem Büttenkarton hatte Dekan Wolfgang Reinhard eingeladen. Gut 600 Menschen waren zur Mittagszeit

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gekommen, darunter mein Vater und meine Schwester Andrea. Ich sprach über „Der Nationalstaat und die Politikwissenschaft. Ein Jahrhundert nach Max Webers Freiburger Antrittsvorlesung. Zwei deutsche Einigungen – zwei deutsche Deutungen“. Ich folgte im Duktus und im Aufbau der Freiburger Antrittsvorlesung „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftslehre“ von Max Weber 1895 am gleichen Ort, kritisierte seinen Text Abschnitt für Abschnitt, zuweilen in seinem temperamentvollen Tonfall, dann wieder gemäß seiner analytischen Art (Kühnhardt 1992d). Anders als bei seinen späteren Studien war Weber bei seiner Freiburger Antrittsvorlesung im Alter von 31 Jahren sehr emotional und politisch geworden. Ich verglich seine Analyse der Agrarverhältnisse in der damaligen preußischen Provinz Westpreußen mit den heutigen Herausforderungen Polens beim Weg in den europäischen Binnenmarkt. Ich kritisierte Webers pathetische Sympathie für einen deutschen Machtstaat, ohne den die bismarcksche Einheit eine vertane Chance gewesen wäre. Ich nahm Stellung gegen seine nationale Engführung des Wissenschaftsbegriffs, um schließlich ein glühendes Plädoyer für die europäische Einordnung des wiedervereinigten Deutschlands abzulegen. Die „Badische Zeitung“ wusste nicht so recht, wie sie alles bewerten sollte, was ich ausgeführt hatte. „Wenn schon ein Etikett“, schrieb ihr Kulturchef Leopold Glaser, „dann wohl: Wertkonservativ“ (Glaser 1991).

Abb. 4.15  Bei meiner Freiburger Antrittsvorlesung vor großem Publikum: „Der Nationalstaat und die Politikwissenschaft. Ein Jahrhundert nach Max Webers Antrittsvorlesung: zwei deutsche Einigungen – zwei deutsche Deutungen“ (1991). (© Ludger Kühnhardt)

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Ihn hatte offenbar der, wie er schrieb, „gewaltige Auflauf“ beeindruckt. Er erinnerte an meine beiden bedeutenden Lehrstuhlvorgänger Arnold Bergstraesser und Wilhelm Hennis. Mich stellte er vor als einen „Mann mit einem Aufstieg gleich einer Rakete, dessen Jugend und Vielseitigkeit und Weltläufigkeit bei der Vorstellung vom Dekan der Fakultät mit begeisterten Worten gerühmt wurden“. Glaser meinte, ich hätte mir nicht nur „ein starkes Thema“ ausgesucht, sondern damit zugleich eine „Verbeugung vor Wilhelm Hennis“ gemacht, der 1987 das Buch Max Webers Fragestellung publiziert hatte (Hennis 1987). Offenbar wollte ich aber auch einen „eigenen Anspruch statuieren“ und „verzichtete auf ein politikwissenschaftliches, systematisch und begrifflich wohlgeordnetes Kolleg von hohem theoretischen Wert“. Glaser hatte offenbar nicht richtig verstanden, dass ich Absatz für Absatz Webers Text gefolgt und ganz konsequent seiner dortigen Diktion gefolgt war, um sie penibel auf die Gegenwart zu beziehen. Das war damals für meine Begriffe Theorieleistung genug. Ich verstand meine Vorlesung als eine methodisch streng vergleichende Untersuchung in praktischer Absicht. Glaser nannte es „ein politisches Grundsatzreferat zur Lage Deutschlands in der Welt“, „sein Forschungsprogramm“ „wertkonservativ, aber durchaus unangefochten von deutscher Großmannssucht und deutschem Engdenken, etwa gegenüber den Fremden“. Er zitierte mich ausführlich: „Deutschland würde es nicht guttun, wieder deutscher, sprich provinzieller zu werden“. Glaser forderte für die Zukunft „eine politikwissenschaftliche Kritik des Nationalstaatsdenkens, wie sie der Titel der Antrittsvorlesung erwarten ließ, und eine Theorie künftiger supranationaler Organisationsformen … Sie wäre aller Anstrengung wert in diesem unsicher sich suchenden Europa“. An der Antwort auf diese Erwartung arbeitete ich beständig weiter: 2022 legte ich mein Lehrbuch über Das politische Denken der Europäischen Union vor (Kühnhardt 2022a). Wilhelm Hennis warf mir mit Brief vom 8. November 1991 in seiner fein ziselierten Handschrift für mich völlig überraschend in der ihm eigenen Art sogleich den Fehdehandschuh hin. Leider habe er nicht kommen können, seine Frau habe ihm berichtet, schrieb er mir. Unser gutes Verhältnis dürfe nicht leiden, hieß es am 31. Dezember 1991 in einem weiteren Brief von Hennis. Aber dies schließe, wo geboten, „auch scharfen wissenschaftlichen Widerspruch, wie im Fall Ihrer Antrittsvorlesung eigentlich auch öffentlich geboten wäre, nicht aus“. Was ich da über Max Weber gesagt habe, könne so nicht stehenbleiben. Schon bald hatten wir in Jena Gelegenheit zu einem ausführlichen Gedankenaustausch bei einem guten, entspannenden Bier. Meine kritische WeberDeutung in Bezug auf den deutschen Machtstaat unter Bismarck und meine Kritik an der abschätzigen Art, wie Weber auf die Polen geschaut hatte, lehnte Hennis rundheraus ab. Er wollte nicht recht wahrhaben, was die simple Lektüre des Weber-Textes hergab. Weber sei ihm seit der „Entdeckung“ als Fronterlebnis 1944 einfach wichtig, sagte Hennis. Offenbar war sie ihm eine Art von Religionsersatz, an der Kritik zu üben ihn in seinem eigenen Innersten traf. Wo er schon dabei sei: Platon dürfe man nicht mehr – wie ich es getan hatte – durch die Brille Poppers lesen. Das sei, so Hennis in der ihm eigenen schneidenden Art, „Unsinn“. Wer mag da noch weiterdiskutieren. Ich war natürlich neugierig auf seine gleichermaßen scharfzüngigen Kommentare zu meinen neuen Freiburger

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Kollegen. Gerne erzählte er von frustrierenden Angelegenheiten im Freiburger Seminar, namentlich von seinem Krach mit Dieter Oberndörfer wegen Konkurrenzeitelkeiten schon im ersten gemeinsamen Semester in den frühen 60er-Jahren. Offenbar wirkte diese frühe Kalamität noch Jahrzehnte später nach. Das empfand ich einfach nur als merkwürdig. Dann gab Wilhelm Hennis mir aber noch einen guten Rat mit auf den Weg: Er habe zehn, 15 Jahre in Freiburg vergeudet in hochschulpolitischer Gremienarbeit, die er lieber in die Forschung gesteckt hätte. Diese Botschaft von Wilhelm Hennis wurde mir eine Lehre.

Abb. 4.16  Mit dem Jenaer Historiker Herbert Gottwald und meinem Freiburger Lehrstuhl-Vorgänger Wilhelm Hennis (1992). (© Ludger Kühnhardt)

Robert von Weizsäcker, soeben zum Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Halle-Wittenberg berufen, zitierte meine Antrittsvorlesung wohlmeinend in einem Aufsatz 1992 über das Verhältnis von Staatsverschuldung und Demokratie (Weizsäcker 1992). Kritisch äußerte sich mein Freund Timothy Garton Ash aus Oxford. In seiner brillanten Studie Im Namen Europas. Deutschland und der geteilte Kontinent griff er 1993 allerdings nur das eine Stichwort aus meiner Antrittsvorlesung auf, in der ich über den wünschenswerten Gleichklang deutscher und europäischer Interessen gesprochen hatte: Die Deutschen miteinander, so forderte Tim, sollten eigene nationale Interessen definieren und nicht romantisch bleiben: „Sie täten gut daran, sich nicht zu überschätzen, was Deutschland erreichen könnte, auch wenn die Absichten noch so

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gut wären. Einer der begabtesten jungen deutschen Politologen erklärte 1991 in seiner Antrittsvorlesung, dass die Deutschen ‚in unserem zweiten Nationalstaat‘ vor allem in ‚europäische Aufgaben‘ hineingewoben seien, und darunter falle vor allem, ‚das jeweils nationale und europäische Bewußtsein aller Länder des Kontinents im Gleichklang zu halten‘. Großbritannien auf der Höhe seiner Macht konnte kaum die Mächte auf dem europäischen Kontinent im Gleichklang halten. Und jetzt sollte Deutschland, dieses in Unruhe versetzte, belastete Mittelschwergewicht Deutschland, den Gleichklang des Bewußtseins halten? (Garton Ash 1993, S. 601 f.)“ Wir begannen einen ausführlichen Briefwechsel zur Interpretation dieser Sätze. Teilweise schrieben wir damals noch, ganz klassisch, mit der Hand. Vor allem: Wir schrieben uns richtige Briefe, nicht nur Floskeln. Tim ging es immer um Präzision und Differenzierung. Am 30. Januar 1992 ermahnte er mich, das „critical questioning“ der Sprache der Politik nie zu vergessen. Da er wusste, dass er mir gelegentlich „Wunschdenken“ vorgehalten hatte, zeigte ein Schreiben von Timothy Garton Ash vom 27. Februar 1992 seine Fähigkeit zur ironischen Selbstkritik. Er plädierte für wahrhaft multilateralen Menschenrechtsschutz, allein, um gleich anzufügen: „Aber hier könntest Du mir Wunschdenken vorwerfen.“ Ein anderes Beispiel seiner Präzisionsschärfe: Am 23. September 1993 schrieb er mir, Deutschland liege zwar in der Mitte Europas, sei daher aber nicht das Zentrum Europas. Ich ging in seine Schule, wie ich ihm am 3. Oktober 1993 schrieb, ohne unbedingt sein bester Schüler zu werden. Vor allem gefielen mir seine unnachahmlichen Sentenzen wie diese: „Nicht verwirrt kann nur sein, wer schlecht informiert ist (Schreiben vom 10. Februar 1994).“ Für mich ging es nach der Freiburger Antrittsvorlesung rasch wieder nach Jena. Dass der Kommilitone Holger Thuß dort meinte, in Westdeutschland seien die Gespräche immer so langweilig, alles sei fertig, nicht mehr existenziell, traf den Kern der damaligen Unterschiede, bei allen Abstrichen an seiner These. Ich beobachtete, wie Ende November der Weihnachtsmarkt in Jena begann. Vom Rathausturm intonierten Bläser Weihnachtslieder. Vor zwei Jahren war noch von den geflügelten Jahresendfiguren die Rede gewesen, wo jetzt wieder Weihnachtsengel hingen. Ein Weihnachtsmann stolzierte an den bunten Buden vorbei, Kinderaugen leuchteten wieder. Zugleich aber stand für Tausende von Mitarbeitern von Carl Zeiss zum 1. Januar 1992 die Arbeitslosigkeit vor der Tür. Im neuen Schickimicki-Jugendcafé „Daneben“, direkt neben dem klobigen UniTurm, äußerte sich ein westdeutscher Zeissianer sehr positiv zu Jena. „Die Ossis seien ‚engagiert und fähig, aus Nichts Alles zu machen‘. Zeiss sei tragende Säule für den Umbau der Region, es gehe aufwärts. Am schwersten sei der Aufbau einer breiten mittelständischen Region, Späths Erfolgskonzept aus Baden-Württemberger Tagen. Am allerschwersten aber sei das Erlernen des aufrechten Ganges. Man müsse den Mitarbeitern geradezu verbieten, sich selbst als ‚Untergebene‘ zu bezeichnen.“ Die Schattenseiten der Freiheit waren aber auch schon eingetroffen. In der Lutherstraße soll die Rauschgiftszene heimisch geworden sein. An der Bar des „Schwarzen Bären“ stand eine dralle Kellnerin, von der alle munkelten, sie gehe tagsüber einem horizontalen Parallelgewerbe nach, das undurchsichtige Wessis aufgebaut hätten. Unter dem Uni-Turm glänzte wieder die alt-neue Thomas-Mann-Buchhandlung.

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Am 21./22.November 1991 traf ich Karl Dietrich Bracher und Hans-Peter Schwarz in Jena. Für vier Tage bildeten sie gemeinsam mit ihren Kollegen Hans-Jürgen Puhle und Naschold die Auswahlkommission, die die Bewerber um die neu eingerichteten politikwissenschaftlichen Lehrstühle anzuhören hatte. Immer noch mischte der Soziologe Rosenbaum mit und versuchte, mit allen Tricks doch ein gemeinsames Institut von Soziologie und Politikwissenschaft durchzudrücken. Auf der Etage des ehemaligen Instituts für Marxismus-Leninismus (ML) hing plötzlich ein Schild: „Soziologie und Politikwissenschaften“. Beim frühmorgendlichen Frühstück der Kommission mit uns beiden gab Rosenbaum sich verbindlich. Bracher zeigte sich offen verärgert über die Übernahme der ML-Räume durch ein Institut, das es so gar nicht geben werde. Abends gesellte sich der mir wohlbekannte Graf Luigi Vittorio Ferraris, ehemaliger italienischer Botschafter in Bonn, Wissenschaftler und Jena-Freund, zu Bracher, Schwarz und mir. Ferraris war enttäuscht über die Methoden der „Abwicklung“ marxistischer Wissenschaftler und deren Ersatz durch West-Mittelmaß. Bald debattierten wir den Zerfall der Sowjetunion. Ferraris meinte, Russlands Präsident Boris Jelzin sei schon erledigt, gleichgültig, was er tun werde. Die Revolution fresse eben ihre Kinder. Bracher analysierte das Machtvakuum in Russland. Schwarz fragte nach den möglichen Konsequenzen einer Übernahme der Macht durch die Armee. Im Blick auf die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft war Bracher an diesem Abend besonders dezidiert: Politische Union sei wichtiger als die Währungsunion. Er sah die Gefahr, dass die Deutschen in eine Weltmachtrolle hineingeredet werden könnten, die sie gar nicht ausfüllen könnten. Nach viertägigem Sitzungsmarathon stand die Liste für eine neu einzurichtende Politische Wissenschaft in Jena: Platz 1: Vergleiche Regierungslehre: Ulrich Hilpert; Internationale Politik: Reimund Seidelmann; Zeitgeschichte: Karl Schmitt. Ideengeschichte: noch offen. Es war geschafft. Die Begehrlichkeiten der Jenaer Altmarxisten und der Göttinger altlinken Soziologen waren abgewehrt. Das Türschild „Soziologie und Politikwissenschaften“ verschwand wieder. Der Politikwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität stand ein guter Start bevor. Am 11. Dezember 1991 fand Erich Honecker Zuflucht in der chilenischen Botschaft in Moskau. Am darauffolgenden Tag sagte mir der katholische Jenenser Pfarrer Karl-Heinz Ducke, der 1989 den Runden Tisch in Ostberlin moderiert hatte, die Zukunftsbewältigung sei wichtiger als die Vergangenheitsbewältigung. Bei einer wissenschaftlichen Konferenz in der Universität Jena erlebte ich wenige Stunden später den Altmarxisten Ludwig Elm nochmals wie er war: Von 1971 bis 1981 hatte er als Mitglied der Fraktion des Kulturbundes der Volkskammer der DDR angehört, von 1994 bis 1998 sollte er für die PDS im Deutschen Bundestag sitzen. An diesem 13. Dezember 1991 fasste er die Vergangenheit so zusammen: Ein geschichtlicher Großversuch, der 1917 begonnen habe, sei nun abgeschlossen worden. Jeder möge daraus Erkenntnisgewinn ziehen. Der ebenfalls anwesende Wilhelm Hennis war zu Recht empört über die technizistische Darstellung einer schlimmen Diktatur. Mancher im Saal meine wohl, polterte Hennis los, in der DDR seien doch alle irgendwie Widerstandskämpfer gewesen. Solche Beschönigung sei eine abenteuerliche Geschichtsfälschung. Prorektor Meinhold erzählte mir von der bizarren Debatte um das Marx-Denkmal vor der Uni. Er wollte

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das Denkmal retten und in eine lauschige Nische am Pulverturm stellen. Vor das Hauptgebäude gehöre Friedrich Schiller. Ich plädierte dafür, die Marx-Plakette, die an seine Jenaer Promotion erinnerte, nahe der Aula zu belassen, die Büste aber ins Museum zu geben. Dort sei sie vor Bilderstürmern sicher, zugleich aber entsorgt. Auf dem Bahnhof packten russische Soldaten, es war kurz vor Weihnachten 1991, ihre Panzer auf Lastwagen. Heim ging es für sie in eine noch kältere, weit ungewissere Zukunft. Europa aber fand unter Zerrungen und mit viel Krafteinsatz langsam wieder zueinander. Ein befreiend-frecher Höhepunkt des studentischen Lebens in Jena war der Karneval, den ich Mitte Januar 1992 im Kulturzentrum Lobeda miterlebte. Da ging es hoch her mit Sprüchen wie „Wenn der Späth kommt, bestraft uns das Leben“ oder „Der Papst hat der Fristenlösung zugestimmt – ab dem 10. Monat“ oder „Verkehrsminister Krause hat für drei Jahre Tempo 100 verordnet, dann bekommt er seinen Führerschein wieder“. Weniger spaßig empfanden Freiburger Studierende die Begegnung mit ihren Kommilitonen aus Jena. Sie waren eher gehemmt, in Jena bei der Diskussion zeitgeschichtlicher und ideologischer Fragen, in Freiburg bei der Wahrhaftigkeit in materiellen Dingen: Ein Freiburger Kommilitone beichtete mir, er habe seinen Jenenser Übernachtungsgast angelogen und ihm erzählt, sein Freiburger Apartment koste 100,00 D-Mark im Monat. In Wirklichkeit seien es 700,00 D-Mark. Aber das habe er nicht sagen mögen, es sei ihm so entsetzlich teuer vorgekommen angesichts der Lebensverhältnisse, die er in Jena erlebt hatte. Während ich am 23. Januar 1992 im Collegium Europaeum vor kleinem, aber sehr interessiertem Publikum über die Grundlagen und Aufgaben der Politischen Wissenschaft referierte („Was ist und zu welchem Ende studiert man Politikwissenschaft?“) und mein Buch „Wege in die Demokratie“ (Kühnhardt 1992a) als Band 1 der neugegründeten Reihe „Jenaer Reden und Schriften“ vorgestellt wurde, trat nach agonischen Monaten in Erfurt Ministerpräsident Josef Duchač zurück. Autoritätsverfall, Überforderung und die Vergangenheitseinholung flossen zusammen. Ich kommentierte die zeitgleichen Ereignisse in Erfurt, unbeschadet aller Beurteilung der inhaltlichen Vorkommnisse, als Ausdruck des Öffentlichkeitsprinzips und der Selbstreinigungskräfte der Demokratie. Man werde mit ähnlichen Vorkommnissen in Ostdeutschland noch gut und gerne eine Generation lang rechnen müssen. Die mentalen Differenzen würden gewiss noch lange überleben und man müsse aufhören, immerfort an eine homogene deutsche Identität zu glauben. Freiheit sei doch der Kern der deutschen Einheit. Ansonsten gebe es ein multideutsches Deutschland vielfältiger Identitäten. Bald, so prognostizierte ich besorgt, würden Gleichheit und Identitätskonformismus aber wieder in die deutschen Befindlichkeitsdiskussionen einziehen. Ich zitierte Alexis de Tocqueville, der beim Blick auf den Gang der Französischen Revolution Ähnliches erlebt hatte: Der Moment der Freiheit währte kurz. Bald herrschte wieder die Sehnsucht nach Gleichheit. Günther Schmidt stellte das Buch in den Universitätszeitschrift „Alma Mater Jenensis“ freundlich vor. Meine Texte handelten von Werten und Tugenden, „die sich im Alltag des deutschen und europäischen Zusammenlebens zu bewähren haben und zugleich auch individuelle Entwicklungen zu sittlicher Verantwortung und staatspolitischer Mitgestaltung bestimmen sollten“ (Schmidt 1992). Martin Rupps, mein erster Freiburger Student, war so freundlich, in den „Freiburger Universitätsblattern“ (1/1993)

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das Buch auch an der Albert-Ludwigs-Universität zur Kenntnis zu bringen. Eine ausführliche, nüchterne Darstellung traf genau den richtigen Ton, um aus der von mir gewünschten deutsch-deutschen Gesprächskultur nicht wieder eine Neiddebatte über die Vielfältigkeit meiner Aktivitäten werden zu lassen, wie ich sie in Freiburg von Anfang an erleben musste. Mein Denken, so erfasste er richtig, „kreist um das Spannungsverhältnis zwischen den Entfaltungschancen des Individuums und dem Zwang, eine für alle verbindliche Ordnung zu schaffen“ (Rupps 1993, S. 20). Am Abend des 14. Februar 1992 ratterten im Dunkel der Nacht russische Panzer mit dem Waffenzeichen der Roten Armee an mir vorbei. Über den Lutherplatz, vorbei am Universitätshauptgebäude am Fürstengraben, am  Karl-Marx-Denkmal und Burschenschaftsdenkmal ging es für sie zum Bahnhof und von dort zurück nach Russland. Die ersten russischen Soldaten waren in der Nacht auf den 1. Juli 1945 angekommen. Die letzten russischen Soldaten fuhren in dieser Nacht wieder ab. Besatzer, deren Präsenz die Deutschen selber provoziert hatten, angetrieben von der völlig fehlgeleiteten Anthropologie und politischen Ideologie des Nationalsozialismus. In einer der immer mehr um sich greifenden Talkshows wurde an diesem Abend im Fernsehen über das Utopische an sich diskutiert. Ich war mir sicher: Utopisches Denken wird es stets geben, weil der Mensch um sich selbst zentriert ist. In der Universitätsbuchhandlung stand noch immer mein Buch Wege in die Demokratie im Schaufenster. Die russischen Soldaten werden dort nicht hingeschaut haben, als sie die Stadt verlassen haben. Im Hotel „Schwarzer Bär“, wo ich abgestiegen war, traf ein wenig später in dieser denkwürdigen Nacht eine Bombendrohung ein. Leichte Aufregung, nichts geschah. Neue Verrückte wohl oder alte Enttäuschte hatten sich zu Wort gemeldet. Während alle Gäste in der Lobby auf Entwarnung warteten, huschte Lothar Späth kurz vor Mitternacht an mir vorbei zum Mercedes-Benz-Dienstwagen vor der Tür. Ein Trabbi knatterte hinter ihm her. Die neue Welt überlagerte den Abzug der alten. Und doch begegnete mir in Jena beständig das allerälteste Wesen des Menschen und seine immer wieder neue Suche der Vergewisserung in Geschichte und Gegenwart. Über dem Eingang zur Aula der Friedrich-Schiller-Universität Jena war zu lesen: „Ruhm und Ehre allen Kämpfern gegen Feudalismus und Militarismus.“ Und daneben: „Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Die Büste des Jenenser Promovenden in absentia des Jahres 1841, Karl Marx, wurde im März 1992 vor dem Hauptgebäude abgebaut und in die Kustodie verbracht. Im Seminar erlebte ich in diesen Wochen lebhafte Debatten um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Vom 6. bis 8. Februar 1992 war unter anderem mein zeitweiliger Freiburger Lehrstuhlmitarbeiter Hartmut Rosa mitgekommen, der 2005 in Jena zum Professor der Soziologie berufen werden sollte und mit seinen Thesen über die Beschleunigung des Lebens in der Moderne zu Recht Aufmerksamkeit fand (Rosa 2005). Unterdessen saßen immer gut 20 Jenenser Studenten im Seminar. Meine Vorlesungen wurden von gut 50 Studierenden besucht. Die Frage nach Herkunft und Sinn des Prinzips „nulla poena sine lege“ wurde gestellt. Über das angemessene Verhalten gegenüber den nationalsozialistischen Kriegsverbrechern wurde intensiv diskutiert. Diese könnten allerdings nicht mit den Sozialismus-Verantwortlichen verglichen werden, meinte sofort ein Student. Allgemein herrschte unter den Studierenden das Empfinden,

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dass das erste Urteil am 20. Januar 1992 in einem der vielen anhängigen Mauerschützenurteile falsch gewesen sei und das Rechtsstaatsbewusstsein beschädigt habe: Der Schütze war verurteilt worden, der neben ihm stehende Befehlserteilende wurde freigesprochen, die hinter ihnen agierenden Schreibtischtäter überhaupt nicht zu belangen versucht.

Abb. 4.17  Gemeinsames Seminar Jenenser und Freiburger Studenten zur deutschen Verfassungsfrage in Jena (1992). (© Ludger Kühnhardt)

Die Diskussionsentwicklung im Seminar verlief üblicherweise so: Ein Kommilitone hielt eine geschliffene Rechtsstaatsinterpretation nach „westlichen“ Texten. Es klang alles frisch und neu, aber doch angelernt. Ein anderer begann dann, von der Vergangenheit zu erzählen: Er sei nichtgläubiger Christ (was immer ich mir darunter vorstellen mochte) und als solcher 1976 für ein Jahr in der Ost-CDU gewesen, um einer SED-Mitgliedschaft zu entgehen. Eine bulgarische Kommilitonin erweiterte die Horizonte: In Bulgarien reduzierte sich die Aufarbeitungsfrage damals auf den festgefahrenen Prozess gegen den vormaligen Diktator Todor Schiwkow und auf die Frage, wie viel Geld die ehemaligen Kommunisten an den Staat zurückzahlen müssten. Eine polnische Kommilitonin berichtete, in ihrer Heimat hätte Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki eine Schlussstrichpolitik betrieben („Politik der dicken Linie“). Jetzt wachse aber in der Gesellschaft Enttäuschung über das Ungenügen der Vergangenheitsverdrängung. Einer der Seminarteilnehmer, gerade einmal Anfang 20, stellte mir die harte Gretchenfrage: Was denn ich wohl in der DDR studiert hätte? Ich wies auf die meines

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Erachtens entscheidende Vordisposition durch das Elternhaus hin und darauf, dass alles möglich hätte sein können – vom Rebellen und Republikflüchtling bis zum Systembewahrungsideologen. Die Jenenser Erfahrungen hätten mich gelehrt, dass wir Zufallsbeglückte des Westens keinen Grund hatten, den moralischen Zeigefinger zu erheben. Auch sei mir klargeworden, wie sehr theoretisch, un-existenziell die Diskussionen bei uns im Westen um Verstrickung und „Mitläufertum“ meiner Elterngeneration und des eigenen Großvaters, in der Nazizeit gewesen waren. Dankbar also sei ich für die tiefen Erfahrungen in den Jenaer Begegnungen.

Abb. 4.18  Geschichte vor der Zeitgeschichte: Mit meinen Freiburger Studenten Martin Rupps und Andreas Beierwaltes vor dem Burschenschaftsdenkmal an der Universität Jena (1992). (© Ludger Kühnhardt)

Herbert Gottwald, Direktor des Historischen Instituts der Universität Jena, hatte mich schriftlich gebeten, ein weiteres Semester in Jena tätig zu bleiben: „Nach dem Stand der Dinge ist davon auszugehen, dass die Lehrstühle am Historischen Institut, wenn überhaupt dann nur punktuell im Sommersemester 1992 besetzt werden können. Von dieser Sachlage ausgehend, habe ich im Interesse eines hochwertigen Lehrangebotes an Sie die Bitte,

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auch im Sommersemester 1992 Ihre Lehrtätigkeit am Historischen Institut fortzusetzen. Ich brauche nicht zu betonen, dass Ihre möglichen Lehrangebote ‚Einführung in die internationalen Beziehungen‘ und ‚Zur deutschen Verfassungsdiskussion‘ für unsere Studenten besonders wichtig sind. Ich wäre Ihnen überaus dankbar, wenn Sie trotz Ihrer starken Freiburger Belastungen noch einmal in der Lage wären, in einem weiteren prekären Übergangssemester dem Historischen Institut zur Seite zu stehen.“ Ich sagte zu. Am 3. März 1992 erhielt Herbert Gottwald seinen „Persilschein“. Er war also von allen denkbaren Verstrickungen in die DDR-Diktatur freigesprochen worden und konnte seine Professur im Historischen Institut behalten. Ich lud ihn sofort zu einer Gastprofessur in Freiburg ein. Mit den unterdessen neuberufenen Politikwissenschaftlern Ulrich Hilpert, Karl Schmitt und Reimund Seidelmann führte ich in dieser Zeit ausführliche Gespräche zur Vorbereitung auf ihre spannenden Aufgaben in Jena. Am 14. und 15. Mai 1992 fand eine weitere Begegnung Freiburger und Jenenser Studenten statt. Das Gespräch unter Deutschen, so war zu spüren, normalisierte sich. Ein Thema, bei dem sich große Erfahrungsgräben auftaten, war die Ausländerfrage. Rasch kam es wieder zur Nabelschau über Ostidentität und Westidentität. Am 4. und 5. Juni 1992 überraschten mich scharfe Töne im gemeinsamen Studentenseminar zum Thema europäische Einigung. In der Vorlesung wurde ich eher neugierig, aber mit eher verhaltenem Unterton gefragt, warum man denn überhaupt „Europa“ wollen solle. Ich hielt dagegen: Bessere, andere Politiker würden wir nicht erhalten, aber ohne Europa würde wieder der Schatten des Nationalismus beginnen. Die Stimmung schien skeptisch. Ich spürte Ulrich Zwieners Trauma dieser Tage: Nationalismus, Chauvinismus, gar Militarismus seien in Osteuropa möglich. Der Kommunismus habe tiefe Verwüstungen des Denkens angerichtet und böse Gegengeister produziert. Einer „Ostpartei“ räumte er in Deutschland allerdings keine Zukunft ein. Ich wollte einfach hoffen, dass er Recht behalten würde. Noch bebte die Erde unter uns und das Beben wurde 1992 wieder stärker. Unter dem Motto „Deutschland einig Vaterland?“ stand eine Podiumsdiskussion der „Badischen Zeitung“ und der Universität Freiburg, über die die „Badische Zeitung“ am 29. Mai 1992 unter der Überschrift berichtete: „Das neue Deutschland sieht dem alten zum Verwechseln ähnlich“ (Prosinger 1992). Unter der Regie des Chefredakteurs der „Badischen Zeitung“, Ansgar Fürst, diskutierten Konrad Weiß von „Bündnis 90“, dessen Analysen mir am meisten aus dem Herzen sprachen, der Autor Henryk M. Broder, HansPeter Repnik, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Psychoanalytiker Tilman Moser, der Badische Zeitung Redakteur Leopold Glaser und ich. Mir wurde danach attestiert, „im Gewirr der Meinungen und der politischen Interessen eine Schneise zu schlagen“. Ich hätte meine Aufgabe offenbar und zu Recht darin gesehen, „allzu eilige Antworten zu bremsen. Für eine Bilanz sei es noch viel zu früh. Schließlich leben wir alle noch mitten in der Revolution, in einem europäischen Umwälzungsprozess, von dem die deutschen Veränderungen nur ein kleiner Teil sind“. Vergessen werde rasch das Großartige, das Ende der Schüsse, der Fall der Mauer, das Ende der DDR als Unrechtsstaat. Ich wurde noch einmal zitiert: „Wir dürfen uns nicht zu sehr mit uns selbst beschäftigen.“ Das gleiche Engagement, das die

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deutsche Einigung gebracht hat, müsse für die Vereinigung Europas aufgebracht werden: „Wir müssen aufgehen in der Gemeinschaft anderer Völker und Abschied nehmen von einem autarken nationalstaatlichen Denken.“ Mir war sympathisch, dass Staatssekretär Repnik auch die Nord-Süd-Verantwortung ansprach.

Abb. 4.19  „Deutschland, einig Vaterland?“: Podiumsdiskussion der Badischen Zeitung und der Universität Freiburg (1992). (© Ludger Kühnhardt)

Im Sommersemester 1992 wurden die Töne der Studenten in Jena immer selbstbewusster. Bekenntnisse zur DDR waren zu hören. Ossi-Wessi-Sticheleien machten die Runde. Nörgeleien auch zur allgemeinen Lage im vereinten Deutschland wurden häufiger. Ein Seminar zum Verfassungsvergleich führte zu hitzigen Disputen über materielle und inhaltliche Verfassungsbegriffe. In einem Seminar zur europäischen Einigung überraschten mich integrationskritische Töne der Jenenser Studenten. Mir ist in dieser Zeit in Jena am wichtigsten geworden, dass wir uns wechselseitig öffneten für das Verständnis getrennter und doch in gemeinsamer Geschichte verwobener Biografien. Nicht Identität, sondern Respekt, nicht Gleichheit, sondern Freiheit waren und blieben mir wichtig. Johann Gottlieb Fichte brachte diesen anthropologischen, existenziellen Kern der deutsch-deutschen Vereinigung in seiner Jenenser Antrittsvorlesung von 1798 schön auf den Punkt. In völlig anderem Zusammenhang und zu gänzlich anderen Zeiten formulierte er, dass von „keinem Äusseren die Rede“ sei, „sondern lediglich von uns selbst“. So war es und so ist es noch immer im heutigen Deutschland. Ich empfand es besonders lehrreich, in dieser Zeit der Umwälzungen vom 25. bis 27. Juni 1992 von Stephen Graubard zu einem intensiven Brainstorming unter den Auspizien von „Daedalus“, der Zeitschrift der American Academy of Arts and Sciences, nach Coppet an den Genfer See gebeten zu werden (Kühnhardt 2021a, S. 422). Stephen Graubard hatte eine interessante Gruppe eingeladen: Anne-Marie le Gloannec, Deutschland-Forscherin am Centre d’Etudes et de Recherches Internationales der Foundation Nationale des Sciences Politiques in Paris, Jiří Gruša, Schriftsteller und tschechischer Botschafter in Bonn, Michael Mertes, Redenschreiber von Bundeskanzler Helmut

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Kohl, Steven Muller, ehemaliger Präsident der Johns Hopkins University in Baltimore, Heinrich August Winkler, Historiker an der Humboldt Universität Berlin, Frank Schirrmacher, Literaturredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Stephen Holmes, Professor für Politik- und Rechtswissenschaft an der Universität Chicago, Fabio Luca Cavazza, Verleger von Il Mulino, die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Norbert Gansel und Freimut Duwe, Kurt Lauk, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Audi, Jürgen Kocka, Sozialhistoriker an der FU Berlin, Petra Erler, Leiterin des Referats Europapolitik an der Vertretung Brandenburgs in Bonn, Barthold Witte, Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, Christoph Bertram, Diplomatischer Korrespondent der „Zeit“, Wilhelm Kewenig, ehemaliger Berliner Innen- und Justizsenator, und mich. Wir waren ein origineller Kreis von Intellektuellen, die freimütige und wirklich befruchtende Gespräche jenseits aller heimischen Schablonen führten. Das Anwesen der Germaine de Staël, Autorin des 1813 erschienenen wunderbaren Buches De l’Allemagne, über dem Genfer See bot eine herrliche Kulisse (Staël 1985). Im wörtlichen Transkript der Gespräche wurde ich mit dem Argument zitiert, wenn ich heute Madame de Staëls De l’Allemagne nochmals schreiben dürfte, würde ich mit den Themen ihrer letzten Kapitel beginnen. Sie begann mit der Politik und endete mit sozialen, intellektuellen, moralischen, kulturellen und religiösen Themen. Umgekehrt, so argumentierte ich vor dem Hintergrund meiner Jenaer und Freiburger Doppelerfahrungen, werde es erst interessant, um das neu entstehende Deutschland zu verstehen. Politisch sei das wiedervereinigte Deutschland zwar nicht neu: Grundgesetz und die Mitgliedschaft in NATO und EU seien unzweifelhaft. Allerdings müssten wir stärker denn je die deutschen Entwicklungen im europäischen Kontext sehen. Die Tagesordnung nach 1990 sei in nicht unerheblichen Teilen die alte Agenda der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Ich erinnerte an die Diskurse über die Folgen des Trianon-Vertrages in Mitteleuropa. Ob Europa Staatenbund oder Einheitsstaat werde? Nichts sei geklärt, war ich überzeugt, vieles war möglich. Ich verwies darauf, dass das Wort Identität irreführend sei. Auch etwas anderes bezweifelte ich: Dass der Osten Deutschlands mithilfe eines staatlich administrierten Solidarausgleichs ökonomisch zum Westen würde aufschließen können. Der deutsche Mezzogiorno war schon Mezzogiorno vor den beiden Kriegen, erinnerte ich. Sozioökonomische Trennlinien zwischen einem agrarisch-armen und einem industriell-reichen Europa gab es schon seit Jahrhunderten. Eine Solidaritätssteuer werde daran nichts ändern, wenn nicht der Aufbau produktiver und international wettbewerbsfähiger Unternehmen hinzukämen. Ob die Revolution friedlich bleiben würde oder nicht, wussten wir alle 1992 noch nicht. Noch weniger hatten wir eine Vorstellung davon, so gab ich zu Protokoll, mit welchen Augen die „Daedalus“-Ausgabe, die wir erarbeiteten, 2020 gelesen werden würde. Wir waren, so sagte ich, noch mitten in einer revolutionären Oper, die sich in mehreren Akten vor uns, in uns, mit uns realisierte. Wir sollten die neugewonnene deutsche Souveränität diskutieren und problematisieren, um nicht wieder im Neutralismus zu enden, schlug ich vor. In der ehemaligen DDR hatte ich die Ver-Amerikanisierung der Innenstädte gesehen, aber nicht die Ver-Westlichung der Herzen der Menschen. Wir schrieben Entwürfe und trafen uns vom 11. bis 13. Mai 1993 erneut, diesmal in Prag (Kühnhardt 2021a,

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S. 439). Nach dieser intensiven Redaktionsarbeit erhielt jeder Autor alle Manuskripte noch einmal zugeschickt, zusammen mit einem dicken Rotstift, um kräftig Korrektur nicht nur im jeweils eigenen, sondern in allen anderen Texten zu lesen. So entstand eine außergewöhnliche Publikation, intensiver und anregender erarbeitet als alles, was ich vorher und nachher in dieser Hinsicht erlebt habe (Kühnhardt 1994b).

Abb. 4.20  Mit (von links) Jiří Gruša, Heinrich August Winkler, Steven Muller, Stephen Graubard, Stephan Eisel und Barthold Witte beim Autorentreffen für eine Sonderausgabe der Zeitschrift „Daedalus“ in Prag (1993). (© Ludger Kühnhardt)

Mir war daran gelegen, die Doppelerfahrung Jena-Freiburg zu verbinden mit meinem Wunsch, talentierte Studierende zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam tiefer in den geschichtlichen Diktaturvergleich vorzudringen. Es wäre nicht ausreichend gewesen, wären wir nur beim Ossi-Wessi-Vergleich der unmittelbaren Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung stehengeblieben. Ein Vergleich der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erschien mir bloß vordergründig. Mich interessierte, wie zwei so unterschiedlich geprägte Generationen junger Menschen auf die ihnen allen und mir gemeinsame Erfahrung von zwei Diktaturen auf deutschem Boden blickten. Der Vergleich der kommunistischen Diktatur der DDR und der nationalsozialistischen Diktatur des Dritten Reiches war für die Studierenden in Jena unerhört und auch emotional nicht einfach. Diesbezüglich waren die Freiburger Studierenden im Vorteil wegen ihrer inneren Distanz zu beiden deutschen Diktaturen. So entstand 1994 aus ihrem Kreis eine ungewöhnliche Veröffentlichung. Sie basierte auf den sorgfältig überarbeiteten Erträgen mehrerer meiner Freiburger Lehrveranstaltungen und wurde mitherausgegeben von meinen Lehrstuhlmitarbeitern Gerd Leutenecker und Martin Rupps, zu denen sich für die Überarbeitung zu einer zweiten Ausgabe Frank Waltmann hinzugesellte: Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung. Drittes Reich und DDR – ein politikwissenschaftlicher Vergleich (Kühnhardt 1994c). Die Beiträge des Buches wurden eingerahmt von einer längeren Einführung aus meiner Feder und einer ausführlichen Auswahlbibliografie: 1. Zur Methode: Historisch-politische Vergleichbarkeitskriterien Thomas Adolph, Einleitende Anmerkungen zur historisch-politikwissenschaftlichen Methode des Vergleichs (S. 19 ff.). Andreas Müller, Zur Methodik des historisch-politischen Vergleichs (nur in der 1. Auflage). (S. 31 ff.)

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2. Machtergreifungsprozesse Jan Schlotthaus, Merkmale der Errichtung zweier Diktaturen im Vergleich (S. 43 ff.) Mario Feit, Machtausweitung und Machtergreifung von NSDAP und KPD/SED (S. 55 ff.) 3. Machtsicherungsmethoden Kay Laudien, Propaganda als Machtsicherungsmethode – die Kontrolle der Medien (S. 63 ff.) Gerd Leutenecker, Formen des Machterhalts und ihr Gebrauch in beiden Diktaturen (S. 77 ff.) 4. Verfassungsstrukturen Volker Matt,Menschenrechtsproblematik von NS- und DDR-Diktatur (nur in der 1. Auflage) (S. 95 ff.) Angelo Rohlfs, Verfassungsstrukturen im Dritten Reich und in der Deutschen Demokratischen Republik (nur in der 1. Auflage) (S. 107 ff.) Matthias Pape, Verfassung im Unrechtsstaat – Verfassungsstrukturen im Dritten Reich und in der Deutschen Demokratischen Republik (nur in der 2. Auflage) (S. 83 ff.) Frank Ronge, Staatliche Kirchenpolitik im Dritten Reich und in der DDR (nur in der 2. Auflage) (S. 117 ff.) 5. Wirtschaftssysteme Frank Waltmann, Ökonomische Grundstrukturen des Nationalsozialismus und der DDR im Vergleich (S. 125 ff.) 6. Die Rolle der Ideologie Jutta Wagemann, Drittes Reich und DDR – Verwirklichte Ideologien? (S. 145 ff.) Marcus Höreth, Ideologischer Anspruch und politische Wirklichkeit (S. 155 ff.) 7. Totalitarismustheorie Harald Franke, Der Systemvergleich anhand der klassischen Totalitarismustheorie (S. 169 ff.) Oliver Neun, Die Totalitarismus-Kontroverse (S. 185 ff.) 8. Eigenheiten der Rechtsdiktatur (nur in der 1. Auflage) Audunn Arnórsson, Totalitäre und autoritäre Machtformen – Versuch einer Typologie (S. 199 ff.) Sandrine Harder, Tradition und Modernität im Nationalsozialismus (S. 213 ff.) 9. Eigenheiten der Linksdiktatur (nur in der 1. Auflage) Pascal Emrich, Antifaschismus und Bekenntnis zum Frieden als Programm (S. 223 ff.) 10. Redemokratisierungspotenziale (8. in der zweiten Auflage) Nicole Lassal, Exogene Einflüsse auf Widerstand und Opposition im Dritten Reich und der DDR (S. 241 ff.) 11. Aufarbeitung der beiden deutschen Diktaturen (9. in der zweiten Auflage) Alexandra Schweizer, Methoden der Aufarbeitung (S. 255 ff.) Stefan Müller, Vergessen und vorbei? Bewältigungsversuche in Theorie und Praxis (S. 267 ff.) Wilma Haeusler, Vergangenheitsbewältigung im Vergleich (S. 279 ff.) 12. Neue Herrschaftsverträge der Deutschen (10. in der zweiten Auflage) Jürgen Gesling, Zur Entstehung eines Herrschaftsvertrages für die Bundesrepublik (S. 287 ff.) Johannes Beverungen, Politische Ordnungsdiskussion nach der Wiedervereinigung (S. 303 ff.) 13. Lehren aus der Geschichte Paul-Georg Garmer, Zwischenergebnisse des Vergleichs – ein Meinungsbeitrag (S. 317 ff.).

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Abb. 4.21  Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung. Drittes Reich und DDR – ein historischpolitikwissenschaftlicher Vergleich (herausgegeben mit Gerd Leutenecker, Martin Rupps und (2. Auflage) Frank Waltmann) (1994/1996). (© Ludger Kühnhardt)

Zwei meiner Studenten halfen, unsere gemeinsame Lehr- und Forschungsleistung publik zu machen. Im „Freiburger Uni-Magazin“ (7/1994) präsentierte Martin Rupps das Buch unter dem Motto „Vom Seminar zum Buch“ (Rupps 1994). Vier Herrschaftsformen hatte Deutschland im 20. Jahrhundert erlebt, zwei davon waren Diktaturen. „Strukturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten“ der beiden Diktaturen aufzuarbeiten, sei ein wissenschaftliches Anliegen und eine nationale Aufgabe. Der Historiker Hans-Peter Schwarz hatte in einem Brief an mich, den Martin Rupps zitierte, vermutet, „möglicherweise werden die mit viel Geld nun in Gang kommenden Systemvergleiche mit erheblichem Aufwand substanziell nicht viel mehr herausbringen als Ihre Studenten“. „Wenn das kein Lob ist,“ endete das „Freiburger Uni-Magazin“. Die „Freiburger Universitätsblätter“ (4. Heft 1994) ließen Frank Ronge zu Wort kommen, ebenfalls einer meiner Studenten. „Es handele sich,“ so schrieb er, „bei dem Aufsatzband um das Ergebnis eines beachtens-

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werten Projektes, bei dem die universitäre Lehre mit der wissenschaftlichen Forschung verknüpft wurde.“ Frank Ronge wagte die Prognose, dies sei „ein interessanter Einstieg“ in ein großes Thema, das viele Wissenschaftler noch jahrelang beschäftigen dürfte (Ronge 1994). Angenehm überrascht waren meine studentischen Beiträger und ich über eine ganz beachtliche Zahl von Rezensionen in größeren Printmedien und wissenschaftlichen Zeitschriften. Am 28. Dezember 1994 war in der Tageszeitung „Die Welt“ unter der Rubrik „Das Buch des Tages“ und dem Titel „Braun oder rot“ zu lesen: „Falls Kühnhardts Studenten durch das Projekt so motiviert wurden, sich auch künftig mit diesem Thema zu beschäftigen, dann ist das Buch nützlicher und wichtiger als manches, was Experten verfassen.“ Der Bonner Politikwissenschaftler Manfred Funke rühmte am 5. Januar 1995 im Bonner „General-Anzeiger“, die „Studie zur vergleichenden Herrschaftslehre, das heißt zur scharfen Profilierung jeweiliger Eigentümlichkeiten, Ähnlichkeiten und weitstreuender Ambivalenzen im totalitären Herrschaftsvollzug verkleistert die Unterschiede der finalen Herrschaftsziele nicht“ (Funke 1995). Der Mannheimer Rechtsphilosoph Gerd Roellecke sekundierte in „Der Staat“ (4/1995), dem Buch komme „das unbestreitbare Verdienst zu, das Thema sehr früh besetzt zu haben“. Die Herausgeber hätten „einen sicheren Punkt in einem verminten Gelände markiert“ (Roellecke 1995, S. 629 ff.). Im „Jahrbuch Extremismus + Demokratie“ (1995) attestierte der Berliner Historiker Rainer Eckert, der Band behandele gewichtige methodologische Fragen des Vergleichs, der normativ geführt werden muss (Eckert 1995, S. 784 ff.). Der Journalist Thomas Heck in der „Badischen Zeitung“ vom 28. Juli 1995 war kritischer. Eine hausinterne Publikation hätte wohl genügt, meinte er, weil Studenten der Komplexität des Themas noch nicht gewachsen seien. Aber immerhin: „Das komplexe Thema wurde in handhabbare Scheiben zerlegt, übersichtlich strukturiert und die daraus entstehenden Einzelthemen von über zwanzig Studentinnen und Studenten auf jeweils etwa zehn bis zwölf Seiten bearbeitet.“ In der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 3. August 1995 verteidigte der in Chemnitz lehrende Politikwissenschaftler Eckhard Jesse Ansatz und Ergebnis unsere Arbeit recht ausführlich und ebenso eindeutig: Die Methode des Vergleichs bedeute nicht die Gleichheit der Ergebnisse. „Das Unterfangen kann in der Tat insgesamt als gelungen bezeichnet, die Fortsetzung eines solchen Experiments empfohlen werden. Die Aufsätze sind gut strukturiert, logisch aufgebaut, informativ gehalten, auf dem neuesten Forschungsstand, und der common sense ist unübersehbar.“ Dann fuhr er fort: „Es wird deutlich, wie schwierig sich die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit gestaltet hat und die der DDR-Vergangenheit gestalten wird … gewinnt der Leser trotz mancher Wiederholung einen anschaulichen Eindruck von der Herrschaftsstruktur der beiden deutschen Diktaturen, die zwar entgegengesetzte Konzeptionen vertraten, zugleich aber auch ganz analoge Mechanismen entwickelten. Auch gewichtigere, aus den Quellen gearbeitete Bestandsaufnahmen sollten an dieser Feststellung wohl nichts ändern.“ Die Rezension wurde auch im Deutschlandfunk gesendet und erschien im darauffolgenden Jahr in der Zeitschrift „Deutschland-Archiv“ (Jesse 1995a; 1995b; 1996). Eine kryptische Rezension erschien 1998 in der Zeitschrift „Orient“, verfasst vom ehemaligen Nahost-Wissenschaftler an der Akademie der Wissenschaften der DDR,

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Wolfgang G. Schwanitz, der nach einer Zwischenstation nach der Wende bei der MaxPlanck-Gesellschaft in den USA und an verschiedenen deutschen Hochschulen Arabistik lehrte. Schwanitz hatte an der Neuauflage des Buches vier Dinge auszusetzen: Erstens „läßt das Werk ein klares außengeschichtliches Defizit erkennen“. Zweitens hätte genau dieses Defizit zwischen innen- und außenpolitischen Zusammenhängen der deutschen Geschichte benannt werden sollen. Drittens „werden auch im Fall der Beziehungen zum Vorderen Orient manche Kriterien ihre Rolle spielen, die in dem vorliegenden Buch erörtert worden sind.“ Viertens sah er es offenbar als problematisch an, zwei Diktaturen am Maßstab einer parlamentarischen Demokratie zu vergleichen, denn „dies beinhaltet die Aussage zum Standort mit einem Wertesystem, von dem aus verglichen wird … Da beide deutsche Staaten in größere Kontexte von Ost-West-Gegensätzen eingeordnet werden sollten, könnten Vergleiche auch anders ausfallen.“ Mit der Kritik an unserem normativen Referenzpunkt für den Diktaturvergleich – der parlamentarischen und rechtsstaatlichen Demokratie – traf Schwanitz tatsächlich ins Schwarze. Hätte das Projekt noch nicht stattgefunden, so dachte ich bei Lektüre seiner Rezension, so müsste es dringend initiiert werden. Deutschland war offenbar noch immer auf der Suche nach Maßstäben seiner selbst. Bei meinem Doktorvater Karl Dietrich Bracher hatte ich gelernt, dass für jedweden legitimen Vergleich der beiden deutschen Diktaturen die Demokratie der Weimarer Republik Referenzpunkt sein musste, auch wenn ihr nur eine halbgelungene Verfassungsrevolution zugrunde gelegen hatte. Vehement sprach sich Bracher in den 90er-Jahren immer wieder für den Vergleich der beiden deutschen Diktaturen aus, von denen die DDR nicht weniger eine Diktatur war wie das Dritte Reich. Die Überwindung der beiden deutschen Diktaturen war für ihn unzweifelhaft Teil der Überwindung des totalitären Zeitalters in Europa (Bracher 1993, S. 391 ff.). Ich empfand mich bei meinem studentischen Projekt durch und durch als Brachers Schüler. Neben Thüringen hatte ich frühzeitig nach der deutschen Wiedervereinigung Verbindungen nach Sachsen aufgebaut. Am 3. Oktober 1991 sprach ich bei einem Internationalen Familienkongress in Dresden auf Einladung von Gabriele Gräfin Plettenberg, der engagierten Mutter meines Studienfreundes Hubertus Graf Plettenberg, über die Chancen der Freiheit (Kühnhardt 1992, S. 68 ff.). Bei einem Kongress der Hans-MartinSchleyer-Stiftung am 2.-4. Dezember 1993 in Berlin lernte ich Matthias Rößler kennen, den damaligen wissenschaftspolitischen Sprecher der Sachsen-CDU und späteren Kultus-, Wissenschafts- und Kulturminister (1994–2004) sowie Landtagspräsidenten von Sachsen (2009–2024). Mit ihm verbindet mich seither eine enge persönliche Freundschaft. Bei regelmäßigen Begegnungen in den 1990er-Jahren mit Matthias Rößler und seinem Mitstreiter Arnold Vaatz, den es 1998 für die CDU in den Deutschen Bundestag zog, wurden mir die ganze Dimension der Umbrucherfolge in Sachsen, aber auch die anhaltenden kulturellen Spannungen deutlich, lange bevor diese sich mit „Pegida“ und AfD-Wahlerfolgen ihre Bahn brachen. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Hannah-Arendt-Instituts in Dresden in der Zeit vom 4. März 1994 bis zum 10. September 1996 konnte ich spüren, wie schwierig es blieb, die Fragen, die ich mit Studierenden in Jena und Freiburg behandelt

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hatte, unter den Augen politischer Interessen und wissenschaftlicher Seilschaften zu erörtern. Wenn Alexander Fischer, renommierter Osteuropa-Historiker und Gründungsdirektor mich nicht am 20. Juni 1995, zwei Tage vor seinem Tod, angerufen und mit schon brüchiger Stimme gebeten hätte, ich möge mich als seinen Nachfolger zur Verfügung stellen und wenn ich nicht seiner Witwe und dem sächsischen Wissenschaftsminister Hans Joachim Mayer am offenen Grab bei der Beerdigung in Friedrichsdorf im Taunus am 30. Juni 1995 versprochen hätte, ich würde dem letzten Willen dieses eindrucksvollen Mannes entsprechen, sofern zuvor ein ordentliches Berufungsverfahren stattfände, hätte ich mich auf diesen akademischen Zirkus gewiss gar nicht eingelassen. So aber wurde meine temporäre Verbindung mit dem Hannah-Arendt-Institut ein Lehrstück für die Grabenkämpfe, in die das Thema Aufarbeitung der Geschichte des Totalitarismus in Deutschland längst hineingeraten war. Am 18. März 1996 flog ich ins grau-kalte Dresden, um meine Vorstellung für die Ausrichtung des Hannah-Arendt-Instituts vorzutragen. Nach einigem Hin und Her wurde ich tatsächlich als Kandidat für die Institutsleitung gehandelt. Der Kernsatz meiner Präsentation in Dresden war eindeutig: „Dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung kommt die Aufgabe zu, die historischen, politikwissenschaftlichen, soziologischen, ökonomischen und geistig-kulturellen Zusammenhänge zu analysieren, die zum Aufstieg totalitärer Regime in Deutschland, zu ihren Erscheinungsformen und zu ihrem Zerfall geführt haben. Dabei sieht das Forschungsinstitut seinen Auftrag zweifelsfrei und wo immer möglich in einer komparativen Perspektive, die die Erfahrungen der Nachbarländer ebenso einbezieht wie internationale Forschungserkenntnisse. Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung will mit seinen Arbeiten über die Phänomene totalitärer Herrschaft zugleich einen Beitrag zur Klärung und Festigung verfassungsrechtlicher und demokratischer Grundpositionen leisten.“ Für die Forschung benannte ich folgende Prioritäten: Der Übergang von der nationalsozialistischen Herrschaft zum Aufbau der DDR; Führungseliten und ihre Rekrutierung in der DDR; Systemvergleichsanalysen DDR/andere Staaten des ehemaligen kommunistischen Machtbereichs an ausgewählten Themenschwerpunkten: Bildungssysteme – Kulturpolitik – Erziehungsbilder – gesellschaftliche Organisationsformen – Wirtschaftsorganisation – Außenpolitik; Antriebskräfte, Akteure und Wirkweise des bürgerschaftlichen Aufbegehrens und der „friedlichen Revolution“ von 1989 in Sachsen und an ausgewählten anderen Orten der ehemaligen DDR; Zukunft des demokratischen Verfassungsstaates, die den Erkenntnissen über das Wesen totalitärer Herrschaft und den geistigen Traditionen, denen Hannah Arendt verbunden gewesen ist, verpflichtet sind. Ich beschrieb die adäquaten Methoden der Arbeit und ihrer Weitergabe: Sammlung von Archivmaterialien, Gesprächsforen, öffentliche Vorlesungen, Vorträge und Symposien, nationale und internationale Gastforscher, Studiengruppen, eine eigene Schriftenreihe und ein regelmäßig erscheinendes Publikationsorgan. Auf Dauer wäre ein Handbuch des Totalitarismus herauszugeben, mit einem systematischen Teil und Länderstudien, die dem jeweils spezifischen Charakter totalitärer Regime im 20. Jahrhundert durch historisch-politikwissenschaftliche Methoden empirisch gerecht würden. Des Weiteren

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entwarf ich einen genauen Plan für die Mitarbeiterentwicklung und das Arbeitsprogramm der Jahre 1996–2001. Die Berufungskommission, der ich gegenüber saß, war offenbar hin und her gerissen zwischen Chancen zum Neuaufbruch einerseits und der Neidangst, die aus der Neigung zur ruhigen Fortführung des bisher Gewohnten stammte. Es dominierten Vertreter der Technischen Universität Dresden. Ein Telefonat wenige Tage später mit dem externen Kommissionsmitglied Hans Maier, dem von mir hochgeschätzten langjährigen bayerischen Kultusminister, hatte mich naiverweise noch in der illusorischen Vorstellung bestärkt, ich könnte wirklich in Dresden gewollt und erwünscht sein. Am 12. April 1996 trat ich bei einem weiteren, diesmal öffentlichen Probevortrag in Dresden an. Hinter vorgehaltener Hand wurde allseits gemunkelt, ich sei wohl der souveränste Kandidat. Am Ende aber wurde ich nicht einmal auf die Liste gesetzt. Hinter der Hand hieß es nun plötzlich, mein Ansatz in Bezug auf die Aufarbeitung totalitärer Ideen und Regime sei doch zu arg normativ. Ja, was denn sonst wäre für die Aufgabe angemessen gewesen? Ich war erleichtert, dass dieser Kelch an mir vorübergegangen war. Über die Jahre verfolgte ich die Entwicklungen an der Universität Jena weiterhin mit besonderer Sympathie. Bei einem Vortrag im Institut für Politikwissenschaft am 19. Juni 1997 erlebte ich, wie die Stadt pulsierte. Kriegsbedingte Baulücken am Marktplatz waren geschlossen worden. Gerade wurde der gesamte Zeiss-Komplex grundsaniert, der unterdessen Universitätsinstitute und die neue Fachhochschule beherbergte. Der UniTurm stand leer. Über den Abriss wurde weiter gestritten. Überall leuchteten bunte neue Fassaden. Nur noch einige wenige „Wartburg“ und „Trabbis“ erinnerten inmitten endlosen Autolärms an DDR-Zeiten. Der Wochenmarkt war geschäftig. Auf dem Weg vom Bahnhof begegnete mir mein ehemaliger Student Steffen Bernhardt, ein kumpelhafter Typ, der unterdessen mit einem Freund ein Büro für „Kultur-Management“ führte. Die Lehrerperspektive nach dem Studium von Geschichte und Sport sei ihm doch nicht so behaglich gewesen. Sogleich fühlte ich mich wieder heimisch. Heimischer eigenartigerweise jedenfalls als in Freiburg. Die dichtere, ernsthaftere akademische Atmosphäre, sie war sogleich wieder da: im Gespräch mit Herbert Gottwald im Historischen Institut, unterdessen in der Humboldtstraße, und beim anschließenden Vortrag nebst Diskussion im Institut für Politikwissenschaft, wo Kollege Karl Schmitt mich freundlich begrüßte. Westdeutsche Studenten nagelten mich in der Diskussion wegen meiner Präferenz von Tugendphilosophen (Aristoteles, Machiavelli, Tocqueville) gegenüber den – wie sie es eigenartigerweise nannten – Liberalisten (Locke, Kant, Rawls). Ausgetretene Denkwege hatten den Weg von West nach Ost gefunden. Bei einem zünftigen Professoren-Abend im „Schwarzen Bären“ reflektierte ich mit Karl Schmitt, Ulrich Zwiener, Gerd Wechsung und Herbert Gottwald die Veränderungen und Verbesserungen seit der Wende. Die PDS, gleichgültig wie sie sich noch umbenennen könnte, werde über eine Generation lang eine etablierte Ost-Partei bleiben, waren sich alle einig. Im akademischen Milieu aber verwische sich die „OssiWessi-“Thematik. Überraschend sei allerdings, dass ausgerechnet Westdeutsche, die doch tendenziell noch immer den Ton angeben, zunehmend selbstmitleidig auftraten.

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Die Stadt Jena sei durch Lothar Späth wiedergeboren worden, sagte jemand bewundernd. Allein Herbert Gottwald romantisierte den Verlust alter Ruhe und Gediegenheit. Ulrich Zwiener plädierte für eine neue Moderne, bis in die Bereiche der Architektur und im Blick auf öffentliche Skulpturenausstellungen. Ich fragte nur, ob denn die Seelen der Menschen mit dem Tempo der Veränderungen mitkämen. Von 100.000 Jenensern waren etwa 5000 Katholiken und nur 10.000 Protestanten, rechnete mir Pfarrer Karl-Heinz Ducke am nächsten Tag vor. Er raufte sich die Haare über das gerade hochkochende Fieber in der voyeuristischen Öffentlichkeit um den ehemaligen Chef des DDR-Auslandsnachrichtendienstes Markus Wolf. Ducke fragte besorgt nach der anhaltenden Gefährlichkeit von deutschnationalen, neutralistischen Ideen von Leuten wie Egon Bahr, der die kulturelle Westbindung Deutschlands nie richtig mitgemacht hatten. Ducke betrübte die religiöse Gleichgültigkeit vieler Westdeutscher, die fast verwirrender für ihn war als der altkommunistische Atheismus in Ostdeutschland. Die Kirche dürfe sich in dieser Welt nicht einigeln. Deshalb sei schade, dass in Berlin weder ein veritables Bistum entstanden sei noch an der Humboldt-Universität ein Guardini-Lehrstuhl eingerichtet worden war. Immerhin: 1994 wurde das Katholische Bistum Berlin zum Erzbistum erhoben. 2004 wurde der Guardini-Stiftungs-Lehrstuhl nach vielem Hin und Her an der Humboldt-Universität eingerichtet. Den gesamtdeutschen Glaubensschwund konnten diese institutionellen Impulse nicht bremsen.

Abb. 4.22  Mit Ulrich Zwiener und Marek Siemek bei einem Seminar des Collegium Europaeum Jenense im Studienhaus Wiesneck (1992). (© Ludger Kühnhardt)

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Bei verschiedenen Gelegenheiten reflektierte ich im Rahmen des Collegium Europaeum Jenense meine Doppelerfahrungen in Jena und Freiburg. Zugleich half mir das Collegium Europaeum Jenense, den europäischen Horizont auszuleuchten, in dem wir standen. Vom 25. bis 29. Oktober 1992 führte ich im Studienhaus Wiesneck bei Freiburg ein gemeinsames „Studenten- und Hochschullehrerseminar“ mit dem Collegium Europaeum Jenense durch. Unter anderem sprachen neben mir der Philosoph Marek Siemek aus Warschau, der Germanist Terence J. Reed aus Oxford und natürlich Ulrich Zwiener aus Jena. Mit ihnen und den beiden Studenten Utz Dornberger aus Jena und Martin Weber aus Freiburg gab ich eine kleine Publikation heraus (Zwiener et al. 1993). Am 9. Oktober 1993 beteiligte ich mich mit einem Vortrag über alt-neue Paradoxien in Europa am Aachener Europatreffen des Collegium Europaeum Jenense, einer großen Zusammenkunft von studentischer Jugend und Hochschullehrern. Am Ende stand eine weitere, die Zeit gut spiegelnde Publikation, die ich mit Ulrich Zwiener, Gerhard Ondracék, Terence J. Reed, Christel Frank, Marek Siemek und Hermann Barth herausgab (Zwiener et al. 1994). Am 11. Januar 2001 feierte das Collegium Europaeum Jenense sein zehnjähriges Jubiläum, eine europawissenschaftliche Erfolgsgeschichte in Thüringen sondergleichen. Mehr als alle anderen Menschen, denen ich vor einem Jahrzehnt in Jena begegnet war, beeindruckte mich immer wieder Ulrich Zwiener mit Geradlinigkeit und Engagement. Der Neuropathologe und Philosoph prognostizierte, die Wirkungen der langjährigen Ideologisierung würden noch Jahre und Jahrzehnte im Verhalten der Menschen nachwirken. Mehrere Hundert Menschen waren unter Ferdinand Hodlers Bild vom Auszug der Jenaer Studenten (Steinbach 2014) in der Aula der Universität zusammengekommen. Ich hatte das Panel „Die Weisen Europas – Die Zukunft Europas“ zu moderieren. Die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel erzählte, wie sie 1938 erstmals in Jena arabischen Studenten begegnet sei. Bremens ehemaliger Bürgermeister Hans Koschnik, ein Kaschube, konstatierte, dass er nie geglaubt hätte, als EU-Administrator von Mostar zwischen 1994 und 1996 nochmals in Abgründe schauen zu müssen, die er sich nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder hätte vorstellen können. Der mit mir befreundete polnische Philosoph Marek Siemek rühmte Deutschland als Ziel der Hoffnungen der Staaten Mittelosteuropas. Der deutsch-französische Politikwissenschaftler und Publizist Alfred Grosser insistierte kämpferisch, es gebe nie „die“ Deutschen oder „die“ Serben. Reiner Kunze präsentierte sich als der filigrane, unglaublich fesselnd erzählende, hintergründig kluge Schriftsteller, der er war. Christine Lieberknecht, die mir gut bekannte Landtagspräsidentin von Thüringen, fragte mich nach der Veranstaltung besorgt, wie ich den weiteren CDU-Weg sehe. Der Berliner Kurs ihrer Partei sei nicht sehr schlüssig und Angela Merkel könne schlecht schreiben. Die Erträge der Festveranstaltung bilanzierten den Erfolg eines ganzen Zeitalters: Menschliche Werte. Versöhnung (Zwiener et al. 2001).

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Abb. 4.23  Menschliche Werte. Versöhnung (herausgegeben mit Ulrich Zwiener et al. 2001). (© Palm und Enke/Collegium Europaeum Jenense)

Die Nachricht vom Tod Ulrich Zwieners traf mich mitten ins Herz. Der so fröhliche, aber innerlich tief sensible, so kreative, aber offenbar schon lange Zeit am Abgrund von Depressionen Gehende nahm sich am 19. Juni 2004 das Leben (Platzdasch 2004). Mit nur 62 Jahren stürzte Ulrich sich aus dem zehnten Stock des Leipziger Universitätsklinikums in den Tod. Als Direktor des Instituts für Pathophysiologie war er permanent mit seelischen Störungen biophysikalischer, biochemischer und psychosomatischer Art befasst, die ihn am Ende selber zerrissen. Mit so enormem Elan hatte er das Collegium Europaeum Jenense aus der Taufe gehoben und viele für einen europäischen Aufbruch

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mit den Universitäten an der Spitze begeistert. Immer wieder schmiedeten wir Pläne, für die Erneuerung der Universität Jena, für Europa, für ein Humanitätsverständnis, das uns über unsere eigenen Weltbilder hinaus zusammenführen kann. Ulrichs Frau, einer so liebenswürdigen Ärztin und seinen beiden Kindern, konnte ich nur noch kondolieren. Ich sehe ihn immer noch im Arztkittel vor mir, jungenhaft, mit wuscheligem Haar über funkelnden Augen, immer angetrieben von neuen Ideen. Seine innere Identität aber war offenbar irgendwann gebrochen. Eine Qual, die nicht zu sehen war. Zu viel Gutes kann auch belasten. Viele Jahre später wurde ich wieder einmal von der Frage nach der Wirkung der Wirkungsgeschichte der beiden deutschen Diktaturen eingeholt. Im Beirat für Zeitgeschichte der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde 2019 unter dem Vorsitz des hochgeschätzten Mainzer Historikerkollegen Andreas Rödder ein Graduiertenkolleg besprochen, das genau dieser Aufgabe gewidmet sein sollte, die mich schon zweieinhalb Jahrzehnte zuvor umgetrieben hatte. Der fast 87-jährige Bernhard Vogel, der einzige Deutsche, der Ministerpräsident in West- und in Ostdeutschland gewesen war (1976–1988 Rheinland-Pfalz, 1992–2003 Thüringen) war bei dem Gespräch dabei und eindrucksvoll präsent: Vogel berichtete, dass ohne die Treuhand die DDR als der deutsche Mezzogiorno noch länger bestanden hätte. Alle heutige ideologische Kritik an der Treuhand sei fahrlässig. Bezüglich der parteipolitischen Konstellation in der DDR bestand er darauf, dass die CDU nach 1990 richtig gehandelt habe, mit der „Allianz für Deutschland“ die Blockflöten-CDU Schritt um Schritt in die nationale Einheit zu überführen. Der SPD sei dies mit der SED nicht gelungen, deshalb sei bis heute in den „neuen Bundesländern“ Die Linke so stark, die unterdessen wieder Teile ihrer Wähler an die „Alternative für Deutschland“ (AfD) verloren hatte. Seine These war durchaus etwas gewagt. Wirklich bedrückend war für mich bei der Erinnerung an die Kämpfe und Qualen, die ich in Jena miterlebt hatte, drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer etwas anderes: Egon Krenz, der kurzzeitige Nachfolger Erich Honeckers als SED-Vorsitzender und Staatsratsvorsitzender der DDR, war wieder salonfähig geworden und vermittelte seine verharmlosende Sicht auf die Umwälzungen von 1989/90. Gregor Gysi, der letzte Vorsitzende der SED und danach der gewendeten PDS, längst ein Liebling der deutschen Talkshows, schwadronierte zum 30. Jahrestag des Falls der Mauer über DDRNostalgie und die Täter als Opfer. Eine harte normative Auseinandersetzung in Sachen Aufarbeitung der doppelten deutschen Diktaturerfahrung war einem neuen Kulturkampf zum Opfer gefallen, der unter der verniedlichenden Überschrift „politische Korrektheit“ stand. Die Abberufung des Historikers Hubertus Knabe, der von 2000 bis 2018 die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im dortigen ehemaligen Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit geleitet hatte, war ein Fanal. In der deutschen Demokratie kamen die Bürgerlichen in Gestalt der Initiative für ein Graduiertenkolleg der Adenauer-Stiftung wieder einmal zu spät, obwohl meine Studenten und ich ihnen, mit Verlaub, schon 1994 den Weg bereitet hatten.

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4.4  Zustand und Zukunft des Gemeinsinns (Kühnhardt 1994c): Kulturkämpfe in Freiburg Die Umstände und die Atmosphäre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, vielleicht noch stärker als anderenorts im posttotalitären Westdeutschland, unterschied sich in den 90er-Jahren sehr massiv von der Situation und Stimmung, die ich in Jena und an anderen Orten der ehemaligen DDR anfand. Es waren Jahre des Übergangs. Beide deutschen Teilgesellschaften rangen mit den Folgen des 20. Jahrhunderts, mit dem Scheitern der ersten deutschen Demokratie, der nationalsozialistischen Diktatur, dem von Deutschlands Regierung ausgelösten Zweiten Weltkrieg, dem unsagbaren Projekt der Vernichtung aller Juden, den unterschiedlichen Wegen des Neubeginns. In der sowjetisch besetzten Zone hatte für vier Jahrzehnte eine kommunistische Diktatur bestanden, die sich als strukturelle Absage an den Faschismus definierte. In den Westzonen Deutschlands hatte sich eine rechtsstaatliche, parlamentarische Demokratie etabliert und konsolidiert, die in der außenpolitischen Westbindung eine kulturelle Entscheidung für die Werte der westlichen Welt vornahm. Immer wieder war unter den Bedingungen des Pluralismus um verschiedene Parameter der neuen Ordnung gerungen worden, angetrieben von einem sehr deutschen Phänomen: Vergangenheitsbewältigung. Die Schwere und Schroffheit des Begriffs standen in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu dem kulturellen Ergebnis dieses nominalistischen Konzeptes. Westbindung, Marktwirtschaft und rechtsstaatliche, parlamentarische Demokratie blieben in Westdeutschland erhalten, mit allen inhärenten Defiziten und Widersprüchen. Dem ideologischen Zeitalter folgte in der Bundesrepublik die selbstzufriedene Spaßgesellschaft als maximaler Inbegriff der Absage an großdeutsche oder gar nationalsozialistische Weltverbesserungsfantasien und die Zeit des Leidens an sich selber. Aber auch in dieser Entwicklung lag schon wieder ein neuer Ansatz von Weltverbesserungsfantasie. Deutscher sein, so sagte mir Walther Leisler Kiep, der weltläufige Vorsitzende der Atlantik-Brücke, einmal ironisch, heiße offenbar, eine Sache um ihrer selbst willen tun zu müssen. In der Wiedervereinigung des geteilten Landes und mehr noch in der Wiedervereinigung des vielfältigen Europas wurden die selbstbezogenen Ansätze der bisherigen politischen Kultur in beiden deutschen Teilgesellschaften herausgefordert. In Ostdeutschland erlebte ich viel mehr als eine Wende. Ich erlebte einen Kulturbruch, eine grundsätzliche Abkehr vom Bisherigen. Dass dies auf Dauer Gegenkräfte auslösen musste, war schon 1990 absehbar. In Westdeutschland aber bedeutete die Wiedervereinigung zunächst nur eine Vergrößerung des Landes. Anpassen sollten sich die Ostdeutschen, in den Strukturen der öffentlichen Ordnung wie in den Verhaltensnormen des Alltags. In Westdeutschland schien die Zukunft als eine unveränderte Fortsetzung der Vergangenheit. Während der 90er-Jahre rieb ich mich in Freiburg in besonderer Weise an dieser Mischung aus Selbstbezogenheit und subtiler Rechthaberei. Die parallelen Erfahrungen in Jena hatten mich gewiss übersensibel gemacht. Zugleich war ich dankbar für bereichernde Begegnungen dort, die mich noch mehr davon überzeugten, dass im posttotalitären Zeitalter für beide deutschen Teilgesellschaften ein neuer gemeinsamer normativer Kompass nötig und möglich sei.

4.4  Zustand und Zukunft des Gemeinsinns …

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Vor diesem Hintergrund war es mir vergönnt, in den letzten Jahren seines langen Lebens in Freiburg den Philosophen Max Müller kennenzulernen. Max Müller wurde mir ein neuer Wegbereiter. Inmitten der geistigen Widersprüche, in denen ich damals zwischen den Polen eines sich neu findenden Deutschlands in Europa stand, half er mir, eine neue geistige Balance zu erarbeiten. Das Leben um mich herum konfrontierte mich mit den Widersprüchen zwischen klassischen politischen Ideen und modernen Gesellschaftsentwürfen, zwischen christlicher Rigidität und gesellschaftlicher und kultureller Liberalität, zwischen posttotalitären Kontrasten und philosophischen Modernismen. Max Müller lehrte mich eine Lektion, die zeitlos wertvoll und besonders in Zeiten des Übergangs hilfreich ist, um Maß und Mitte zu finden: Christliche Demut.

Abb. 4.24  Zu Besuch bei dem Philosophen Max Müller mit dem Bergstraesser-Schüler George Romoser aus den USA (1993). (© Ludger Kühnhardt)

Noch kurz vor Mitternacht habe Max Müller, so erzählte zwei Tage nach seinem Tod am 18. Oktober 1994 der ihn bis zuletzt betreuende junge Freund, mit ihm über Boethius philosophiert. Im Kerker hatte dieser Philosoph des Übergangs, Ratgeber am Hofe des Ostgotenkönigs Theoderich, während einer anderen, einer früheren Zeit des Übergangs, im 6. Jahrhundert seinen berühmten Traktat Consolatio philosophiae (Trost der Philosophie) verfasst (Boethius 1986). Das im Mittelalter weit verbreitete Trostbuch handelt in Dialogform von dem auf die Hinrichtung wartenden Boethius und der personifizierten Philosophie. Max Müller hatte spät abends am 17. Oktober 1994 über Herzschmerzen geklagt. Morgens um halb sechs rief er seine Haushälterin, Frau Muggele, an und sagte, er sterbe jetzt. Sie kam sogleich, hielt seine Hand, er starb. Ruhig endete der Pulsschlag. Wortlos verließ einer der Weisen des 20. Jahrhunderts diese Welt.

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Das Wintersemester hatte soeben begonnen. Es war ihm nicht mehr vergönnt, seine Vorlesungen anzubieten, so wie er mir dies noch voller Vorfreude Anfang August angekündigt hatte. Unlängst war er 88 Jahre alt geworden, geboren am 6. September 1906. Den Wahlsieg von Helmut Kohl hatte Max Müller am 16. Oktober 1994 noch erlebt. Bis an sein Lebensende war er politisch und philosophisch hellwach. Um 16 Uhr war er an jenem Tag auf Drängen von Frau Muggele zum letzten Mal zur Wahlkabine gegangen, ein treuer Bürger der res publica bis zuletzt. In Erinnerung ist er mir als kleiner, vornehmer Mann geblieben, der in Kleidern steckte, die ihm, stets makellos getragen, inzwischen viel zu weit am Körper hingen. Die feine Brille mit Goldrand verbarg die hellwachen, frischen Augen nur notdürftig. Er lächelte gerne und viel. Das Haar war weiß, edelweiß und klar gekämmt. Der Gang wurde immer langsamer, behutsamer. Der Geist aber war hellwach. Das Jahrhundert neigte sich dem Ende zu und mit ihm diejenigen, die noch seinen Anfang erlebt hatten. Dort hatte auch Max Müller seine Prägung erfahren, im katholisch-liberalen Baden. Er hatte Philosophie in Berlin studiert, in Paris und München. 1937 habilitierte er sich mit einer Studie über Thomas von Aquin (Müller 1940). Nach den Wirren der Kriegsjahre zwischen Berufsverbot, Widerstandsaktivitäten und Dienst in der Kriegswirtschaft wurde er 1946 an die Universität Freiburg berufen. Von 1960 bis 1972 lehrte er in München. Max Müller war einer der führenden katholischen Philosophen in Deutschland. In den drei Jahren seit meiner Berufung nach Freiburg waren wir uns nähergekommen, nach einer nur flüchtigen Begegnung zuvor auf einer Tagung der GörresGesellschaft. Bald nach meiner Berufung nach Freiburg traten wir in brieflichen und persönlichen Kontakt. Zu meiner Ehre erschien Müller bei meiner Antrittsvorlesung am 27. November 1991. Es schmeichelte mir natürlich, als er mir erzählte, er, der die Universität Freiburg seit den 1920er-Jahren kannte, habe noch niemals ein so großes Publikum bei einer Antrittsvorlesung erlebt. Das Audimax war zur Mittagszeit zu über zwei Dritteln gefüllt. Ich empfand seine Sympathie für mich als Verpflichtung. Die Universität, die er verkörperte, war längst tot. Es konnte bei ihm nur Intuition sein zu glauben, ich würde empfinden, wie er und ich mich mit Erfolg gegen den Strom des in der Massenuniversität konventionell Gewordenen anstemmen. Ein Eremit, immerhin der zweitälteste lebende Professor meiner Universität, wollte mir offenbar den Weg weisen. Max Müller war von größter Klugheit, sprach abgeklärt und verständlich. Er wollte die Ideale seines Bildes von Universität und Wissenschaft nicht preisgeben. Nach unserer Hochzeit war Max Müller 1993 der erste Dinner-Gast bei Enikö und mir. Schon fiel es ihm schwer, das Besteck sorgsam zu halten, aber er erzählte endlos bis tief in die Nacht: Von seiner Frau, die vor zehn Jahre gestorben war. Von der bedauerlichen Kinderlosigkeit und den beiden Waisen, die sie angenommen hatten. Von den vielen aufmerksamen jungen Menschen, die immer noch jeden Mittwoch in seine Vorlesung eilten. Von seinen Begegnungen mit Romano Guardini und Martin Heidegger. Heideggers Werk war mir immer fremd geblieben, zu abgehoben. In Freiburg geriet ich ganz unvermeidlich sogleich in manche von hohen Emotionen aufgeladene Debatte um Martin Heidegger hinein, der 1933/1934 Rektor der Universität gewesen und eine

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Lobrede auf Adolf Hitler gehalten hatte. Mir ging es immer darum, die Menschen hinter ihren Werken besser zu verstehen. Erhellend blieb daher für mich Max Müllers Erzählung. Nach 1933 habe Heidegger versucht, ihn an der Habilitation zu hindern, was zur Folge hatte, dass er bis Kriegsende kein Wort mehr mit dem Ehepaar Heidegger sprach. Nach Abschluss des Entnazifizierungsverfahrens erhielt Heidegger 1946 durch die französischen Besatzungsbehörden ein Lehrverbot an der Universität Freiburg, das bis zu seiner formalen Emeritierung 1951 galt. Plötzlich tauchte damals, so Müller, Frau Heidegger auf und bat Max Müller, er möge sich bitte so verwenden, dass ihr Mann wenigstens materiell überleben könne. Er, Müller, sei wohl der einzig wahrhaft Anständige, den man darum bitten könne. Müller tat es und eine neue kompliziert-enge Beziehung der beiden ungleichen Philosophen begann. Einige Jahre später erlebte Max Müller zu seiner größten Überraschung bei einem gemeinsamen Besuch in Heideggers Geburtsort Meßkirch, dass Heidegger in der Grabeskapelle am Friedhof seiner Eltern niederkniete und sich mit Weihwasser bekreuzigte. Es galt als allseits etabliert, dass Heidegger seit der Weimarer Republik mit der katholischen Kirche gebrochen hatte. Seine Mutter, so entgegnete der stilisierte Agnostiker Heidegger dem verdutzten Katholiken Max Müller, würde es nicht verzeihen, wenn er es anders täte und sich nicht bekreuzigen würde. Dann bat er, dass Müller für ihn nach seinem Tod in jedem Falle ein katholisches Begräbnis organisieren möge. Müller gelang es, ein solches Begräbnis nach Heideggers Tod 1976 beim Freiburger Erzbischof durchzusetzen. Müller war einer der letzten Mandarine der Universitas und darin die Bescheidenheit in Person. Als ich Anfang 1994 mit dem amerikanischen Kollegen George Romoser17 in seine kleine Wohnung an der Kartäuserstraße zu Besuch kam, stand ein gutes Glas Wein bereit. Müller hatte kurz vor Weihnachten 1993 einen Aortariss nebst kompliziertester Operation überlebt und war noch mehr abgemagert. Aber er wirkte frisch. Umgeben von Fotografien seiner Frau, seines Bruders, diverser Freunde und einem Kupferstich von Immanuel Kant, am kleinen Nierentisch Heidegger-Texte und philosophische Neuerscheinungen, begann er zu erzählen. In den Schubladen des Buchregals würden noch viele unveröffentlichte Manuskripte lagern. Alle waren mit der alten Schreibmaschine geschrieben, auf der er auch seine legendären Weihnachtsrundbriefe zu schreiben pflegte, die auch meine Frau und ich unterdessen erhielten. In seinem letzten Brief vom

17 George Romoser hatte ich während meiner Postdoc-Zeit 1984 in Harvard kennengelernt. Er zog dort als Vorsitzender der amerikanischen „Conference Group on German Politics“ seine Kreise. Romoser, Jahrgang 1929, hatte an der University of Chicago bei Hans J. Morgenthau, Leo Strauss und Arnold Bergstraesser studiert. Bergstraesser nahm Romoser zum weiteren Studium 1954 mit nach Freiburg, als Bergstraesser dort damit begann, den Lehrstuhl aufzubauen, den ich von 1991 bis 1997 innehatte. Es war für mich eine große Freude, mit der Einladung an George Romoser nach Freiburg diese Ursprünge meines Lehrstuhls wieder für die Studierenden lebendig werden zu lassen. 2002 besuchte ich ihn mit meiner Familie in Durham, New Hampshire, wo wir auch seine Frau Mechthild kennenlernen, eine geborene von Tresckow, deren Vater einer der führenden Köpfe des deutschen Widerstands gegen Hitler war. George Romoser starb 2011.

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Dezember 1993 berichtete er luzide von dem Aortariss und dem Todeskampf, von neuen Lebenszielen und fröhlicher, getrösteter Gottesgewissheit. Neue Bucherscheinungen harrten auf meinem Schreibtisch der Lektüre, aber nichts war für mich damals seit langer Zeit so frisch und unverbraucht wie Max Müllers Existenzprobleme der geistigen Gegenwart, 1949 geschrieben (Müller 1949). Müller kam aus der ersten Jahrhunderthälfte und hatte damals an der Formulierung der Grundlagen für die bessere zweite Jahrhunderthälfte mitgewirkt. Erfahrung und Geschichte, sein philosophisches Alterswerk, und programmatisch mehr noch sein nachgelassenes Werk Auseinandersetzung als Versöhnung waren bleibende Botschaften aus einer vergehenden Zeit an uns Nachgeborene (Müller 1971; 1994). Max Müller wurde in den 90er-Jahren immer besorgter über den Zeitgeist. Er konnte sich an Äußerlichkeiten reiben und polemisch werden. Die lässig getragenen Kleider der jungen Mädchen empfand er als schlampig und nannte sie bei meinem letzten Besuch am 31. Mai 1994 bei strahlendem Sonnenschein auf seinem Balkon „Nachthemden“. Wir tranken wieder ein gutes Glas Wein, serviert von der umsichtig-hilfsbereiten Frau Muggele, die meine Frau und ich auch schon mal in der St. Georger Pfarrkirche beim Sonntagsgottesdienst sahen. Max Müller reflektierte über die inhärenten Schwächen der Demokratie, die kein höchster und letzter Selbstzweck freiheitlich verfasster Gesellschaften sei. Als ich gehen wollte, weil ein Vortrag vor der CDU-Hochschulgruppe auf mich wartete, sagte er, er wisse dies und komme mit. In der Diskussion beteiligte er sich an diesem Abend engagiert mit der Wortmeldung, dass er im Wahlkampf 1932 den mutigen Zentrumspolitiker und kurzzeitigen Reichskanzler (1921/22) Josef Wirth erlebt habe. Der habe Charakter gezeigt und sei dadurch wider den Zeitgeist zum Erfolg gekommen. So ein Politikertypus müsse doch auch heute möglich sein. Er sprach das Vermächtnis eines Mannes, der im Frieden mit Gott und der Welt lebte und zu sterben bereit war. Es war ihm ein Anliegen, dass ich ihn an diesem Abend mit dem Historiker Hugo Ott zusammenführte. Die beiden Männer hatten sich vor einigen Jahren, typisch freiburgisch, über irgendeine Heidegger-Geschichte überworfen. Noch immer sehe ich das Bild von Max Müller und Hugo Ott vor mir, die sich nach langer Zeit erstmals wieder die Hand der Versöhnung reichten. Hugo Ott, mit dem ich immer wieder gute Gespräche während meiner Freiburger Jahre hatte führen können, war ein knorriger und liebenswürdiger Mann. 1988 hatte er eine Heidegger-Biografie veröffentlicht (Ott 1988). Mir war er auch dadurch bekannt, dass mein priesterlicher Freund Hans-Peter Fischer, Rektor des Campo Santo Teutonico in Rom, mit einer kirchenhistorischen Arbeit von Ott promoviert worden war. Hugo Ott starb hochbetagt am 22. Januar 2022. Noch einmal gab es für mich nach diesem Versöhnungsabend 1994 Gelegenheit, Max Müller zu sehen. Am 1. August 1994 lud der von mir hochgeschätzte Anglist Franz Link zum 70. Geburtstag ins Freiburger Colombi-Hotel ein. Meine Frau und ich hatten das Privileg, mit Max Müller an einem Tisch sitzen zu dürfen. Er war zerbrechlicher denn je und entschwand, noch ehe die Nachspeise gereicht worden war. Leise verabschiedete sich einer der Freiburger Großen, ein Lehrer des Jahrhunderts. Er personifizierte für mich die weltzugewandte Art, als Katholik existenzialistische Philosophie nach Hitler

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und Heidegger zu betreiben. Im Kerker warteten wir Überlebenden, schoss es mir an seinem offenen Grab durch den Kopf. Es war eigenartig, dass sich ausgerechnet bei Max Müllers Beerdigung Hermann Heidegger, der Sohn des umstrittenen Freiburger Philosophen, bei mir vorstellte. Auf Initiative des früheren Bundesverfassungsrichters und Freiburger rechtswissenschaftlichen Kollegen Ernst-Wolfgang Böckenförde wurde ich im Frühjahr 1993 für einen Monat als Fellow an das Institut für die Wissenschaft vom Menschen in Wien eingeladen. Dort hatte ich, dank der inspirierenden Atmosphäre, die dessen Rektor Krzysztof Michalski aufgebaut hatte, Zeit zum Durchdenken und Abfassen einer grundsätzlichen Ortsbestimmung über unsere Gegenwart. Jeder für sich und alle gegen alle. Zustand und Zukunft des Gemeinsinns (Kühnhardt 1994c) verstand ich als meinen publizistischen Beitrag zur bürgerschaftlichen Selbstprüfung in der wiedervereinigten deutschen Demokratie. Mir ging es um eine neue Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Persönlichkeitsbildung. Im Anschluss an Böckenförde, mit dem ich in Freiburg verschiedentlich diskutieren konnte, dachte ich über Voraussetzungen und Erhaltungsbedingungen des demokratischen Verfassungsstaates nach. Am Herzen lag mir, die anthropologischen Zusammenhänge des demokratischen Zeitalters besser zu verstehen, das zwischen den Polen einer einforderbaren Wahrheit einerseits und einer exzessiven Liberalität andererseits Maß und Mitte finden musste. Die deutsche Gesellschaft zerfranste immer mehr, nach der Wiedervereinigung noch beschleunigt. Zugleich wuchs der Unmut gegenüber der Politik. Ich wollte einen kleinen Beitrag dazu leisten, die deutsche Demokratie zu stärken. Daher publizierte ich ein Manifest gegen Politikverdrossenheit. Ich hoffte auf Diskussionen jenseits der Stereotypen, die sich zu dieser Zeit in der politikphilosophischen Debatte zwischen kommunitaristischen und liberalen Positionen etabliert hatten. Ich fühlte mich in keiner dieser Schubladen wohl und versuchte, selbstverantwortet zu denken.18

18 Einzelne

meiner Thesen stellte ich bei verschiedenen Gelegenheiten zur Diskussion, beispielsweise bei einem Vortrag über den legitimen Ort der Religion in der säkularisierten Politik im Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien am 9. März 1993. Bei der „Bremer Gesellschaft“ sprach ich am 28. April 1993 in Freiburg zu Mythos Nation, kollektivem Gedächtnis, Identität und Freiheit, unterschied zwischen Gesinnungsmoralismus und Verfassungspatriotismus und formulierte das Wort „Aufgabenpatriotismus“ als richtungsweisende Perspektive für Deutschland und Europa. Über Demokratie und Universität sprach ich auf Einladung des Freiburger Erzbischofs Oskar Saier am 17. Juni 1994. Über Grundlagen und Zukunft der Demokratie referierte ich bei der Evangelischen Studentengemeinde Freiburg am 11. Januar 1994, bei der Katholischen Studentenverbindung Arminia Freiburg am 8. November 1994, bei der Wirtschaftsgilde e. V. auf der Seiser Alm am 2. Februar 1995 und am 3. Februar 1998. Ähnlich strukturierte Vorträge hielt ich an der Universität Krakau am 27. März 1995, an der Katholischen Universität Lublin am 28. März 1995 (wo der einführende Prorektor, ein Priester, später als Spitzel für den polnischen Geheimdienst aufflog und zurücktreten musste) und am Institut für Philosophie der Universität Warschau am 29. März 1995. In einer Veranstaltung über Gemeinsinn beim „Eichholzer Sport-

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Abb. 4.25  Jeder für sich und alle gegen alle. Zustand und Zukunft des Gemeinsinns (1994). (© Herder Verlag)

forum“ am 24. Oktober 1996 diskutierte ich mit Sabine Bergmann-Pohl, der letzten Präsidentin der DDR-Volkskammer, Claudia Nolte, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Anton Pfeifer, Staatsminister beim Bundeskanzler. Einen Vortrag über Gemeinschaft und Gemeinsinn als Voraussetzungen des Rechts hielt auf einer Tagung der Straniak-Stiftung an der Pädagogischen Hochschule Weingarten am 2. Oktober 1996 (Kühnhardt 1998, S. 339 ff.). Zu systemvergleichenden Aspekten diskutierte ich bei einem Kolloquium des Goethe Instituts Rom am 7. Februar 1997 mit dem Vize-Präsidenten der außenpolitischen Kommission des italienischen Abgeordnetenhauses, Giuliano Urbani1997a und dem Publizisten Joachim Fest (Kühnhardt, S. 261 ff.; 1997b, S. 34 ff.). Meine Thesen über spezifische Erscheinungsformen des deutschen Föderalismus diskutierte ich auf Einladung von Thüringens Ministerin für Bundesangelegenheiten Christine Lieberknecht bei den „Ettersberger Gesprächen“ mit ihr, dem Philosophen Hermann Lübbe und dem Abgeordneten des Europäischen Parlaments und Sohn des Hitler-Attentäters, Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg (Kühnhardt 1999b, S. 109 ff.).

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In neun Kapiteln leuchtete ich geistesgeschichtliche Hintergründe und Zusammenhänge aus. Dabei ließ ich mich methodisch von den Weltgeschichtlichen Betrachtungen leiten, die der Basler Kulturhistoriker Jacob Burckhardt 1905 publiziert hatte (Burckhardt (1905) 1978). Er sprach in diesem Werk von drei lebensprägenden Potenzen, die eine jede Gesellschaft zusammenhalten: Staat, Religion, Kultur. Der Staat setzt den verbindlichen Rahmen. Die Religion orientiert auf Ewigkeitsfragen. Die Kultur dient Kreativität und Erneuerung. So einfach könnte es einmal gewesen sein. Seit der Zeit von Jacob Burckhardt waren alle drei Potenzen natürlich durch gewaltige Veränderungsprozesse gegangen. Umso nötiger, so argumentierte ich, seien Orientierung und Neubestimmung unseres gesellschaftlichen Kompasses. In Kap. I rief ich Ciceros De re publica in Erinnerung und versuchte, die zeitlosen Lebenskräfte eines Gemeinwesens zu artikulieren (Kühnhardt 1994c, S. 7–21). In Kap. II analysierte ich den modernen Begriff des Fortschritts, der uns in den westlichen Demokratien unterdessen ob seiner ungebändigten Ausrichtung in eine „Fortschrittsfalle“ mit zu geringem Spielraum für Selbstreflexion und -korrektur geführt hatte (Kühnhardt 1994c, S. 22–34). Im Kap. III ging ich von der These aus, dass sich Politik einer Selbstüberforderung ausgesetzt habe und die Erwartungen, die Bürger von ihrer daseinsversorgenden Leistungskraft haben, nicht mehr erfüllen könne (Kühnhardt 1994c, S. 35–47). Kap. IV ging kritisch mit den christlichen Kirchen und der akademischen Theologie ins Gericht. Diese habe zu einer Selbstsäkularisierung geführt, längst über die klassische Variante des Kulturprotestantismus hinaus (Kühnhardt 1994c, S. 48–63). In Kap. V spiegelte ich das kulturelle Selbstverständnis unserer Gegenwart kritisch an der These, aus kultureller Kreativität sei eine Kombination von Lebensstilen und beliebigen Ideen für die Deutung der Welt geworden (Kühnhardt 1994c, S. 64–75). Kap. VI suchte mit einem Blick auf amerikanische Erfahrungen und geistesgeschichtliche Einordnungen der Amerika-Perzeption den Horizont über Deutschland hinaus zu erweitern (Kühnhardt 1994c, S. 76–90). In Kap. VII setzte ich mich auseinander mit der Frage nach den Voraussetzungen, um das Vertrauen in Tugenden und Institutionen zu erneuern, die in den vergangenen Jahren massiv unter der Individualisierung des „Jeder für sich“ gelitten hatten (Kühnhardt 1994c, S. 91–204). Schließlich gab ich in Kap. VIII Stichworte zur Hand, mit deren Hilfe es leichter werden könnte, die Idee der guten Ordnung wiederzuentdecken, die seit der antiken Philosophie gesucht wird (Kühnhardt 1994c, S. 105–117). In Kap. IX summierte ich mein Plädoyer für die Erneuerung des Gemeinsinns, um einen weiteren Zerfall der Gesellschaft in einen Zustand des „alle gegen alle“ zu verhindern (Kühnhardt 1994c, S. 118–132). Das Buch endete mit einen ausführlichen Anmerkungsapparat, in dem ich die Lesefrüchte ausbreitete, die ich in meinem Text verarbeitet hatte. Die Reaktionen auf mein Buch waren vielfarbig, mehr hätte ich mir nicht wünschen können. Die „Badische Zeitung“ (8. November 1994) intonierte süffisant, zu vermelden sei Kühnhardts „Klage über die Lage“. Bundeskanzler Helmut Kohl schrieb mir am 9. November 1994: „Eine breite Diskussion dieses Themas ist in der Tat vonnöten, und ich

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bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie in Ihrer Schrift nicht bei der Beschreibung des Status quo stehen bleiben, sondern – an alle wichtigen Kräfte in der Gesellschaft gerichtet – Gedanken formulieren, mit deren Verwirklichung vermieden werden kann, dass wir tatsächlich zum ‚Jeder für sich und alle gegen alle‘ kommen.“ Am 9. Dezember 1994 stellte „Die Welt“ ein Buch ohne Fragezeichen vor: „So schont er weder die Öffentlichkeit noch die Medien oder die Kirche.“ Die bewussten Verallgemeinerungen würden zum Widerspruch reizen, was genau beabsichtigt sei. Eloquent und mit Leidenschaft für die res publica geschrieben, biete das Buch „eine bestechende Argumentation“. Die Rezension stand unter der Überschrift „Was der Einzelne tun kann“. Der Philosoph Walter Schweidler wurde in der „Zeitschrift für Politik“ (4/1994) grundsätzlich. Die Grenze verlaufe in meinem Buch nicht zwischen Gemeinschaft und Liberalismus, sondern zwischen denen, die die Bedingungen des Gelingens des Gemeinwesens erkennen, und denen, die diese Bedingungen kalt lässt. Neu sei die Analyse der „nichtpolitischen Instanzen“. Gemeinsinn sei für mich „kein fixierter, aus höheren Wertetafeln deduzierbarer Normbegriff, sondern die Bezeichnung eines Legitimationshorizonts, auf den politische Ordnung dann ausgerichtet ist, wenn sie jederzeit nach der Zweckmässigkeit ihrer Wirkungen für alle mit ihr verbundenen Personen fragt.“ Der politische Essay verbinde „in einer für deutsche Verhältnisse seltenen Souveränität eine klare Gedankenlinie und konkrete Stellungnahme mit exakten Bezügen auf die philosophische und politiktheoretische Denktradition“. Erwähnenswert seien „Erklärungskraft … Klarheit und Verständlichkeit der Kühnhardtschen Diktion“ (Schweidler 1994, S. 438 ff.). Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker meldete sich handschriftlich am 16. Dezember 1994: „Ich bewundere nicht nur Ihre Produktivität, sondern die Treffsicherheit Ihrer Themenwahl. Auf dem Evangelischen Kirchentag muss ich einen Vortrag im Rahmen einer Reihe ‚Ordnungen, die dem Menschen helfen‘ über den Staat halten. Da werde ich neidvoll an Ihre Arbeitskraft denken, aber von Ihren Gedanken profitieren.“ Freiburgs Erzbischof Oskar Saier zitierte meinen griffigen Titel „Jeder für sich und alle gegen alle“ in seiner Weihnachtspredigt im Freiburger Münster am 25. Dezember 1994 (Saier 1994). Am 5. Januar 1995, rezensierte der Politikwissenschaftler Manfred Funke das Buch im Bonner „General Anzeiger“: „Gegen die modischen Inszenierungen der bindungsscheuen Ichsucht stellt Kühnhardt die Kardinaltugenden der Antike und des Christentums: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß.“ Die Thesen des Buches „richten den Suchscheinwerfer auf die geistige Situation der Zeit, richten unsere Fragen auf das, was die Zukunft uns antun könnte, wenn die aktuelle Krise nicht als Chance begriffen wird“ (Funke 1995). In einer Begutachtung der thüringischen Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Christine Lieberknecht, vom 26. Januar 1995 war zu lesen, mein Buch habe zu einer notwendigen Debatte „einen wahren cantus firmus beigesteuert“, um das „Rangverhältnis von Einzelinteressen und Gemeinwohl neu bestimmen“ zu können. Dann machte sie klar, was auch mein Anliegen war: „Es geht nicht darum, eine andere Gesellschaft zu errichten, sondern dem Staat des Grundgesetzes und seiner offenen Gesellschaft durch Rückbesinnung die Zukunft zu sichern.“ Bei den von ihr organisierten

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„Ettersberger Gesprächen“ tauschten wir uns im Laufe dieser Jahre immer wieder intensiv über die kulturpolitischen Entwicklungen im vereinigten Deutschland aus.

Abb. 4.26  Mit Christine Lieberknecht, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten von Thüringen, dem Philosophen Hermann Lübbe und, ganz rechts, dem Europa-Abgeordneten Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg bei den Ettersberger Gesprächen in Erfurt (1996). (© Ludger Kühnhardt)

Der Philosoph und Politiker Christoph Böhr rühmte in „Die neue Ordnung“ (Februar 1995) „eine hellsichtige Analyse unserer gesellschaftlichen Befindlichkeit“. Angesichts von allseits beklagten Bindungsschwächen sei das Essay über die Notwendigkeit, sich neu über die Erhaltungsbedingungen der Freiheit zu verständigen, „bemerkenswert“. Um Individuen und Gemeinsinn wieder zueinander zu führen und das bonum commune wiederzuentdecken, „verdienen seine Vorschläge eine Diskussion, von der zu hoffen ist, dass sie jene Tiefe erreicht, die der Bedeutung der Fragestellung angemessen ist“. Böhr nannte konkrete Beispiele: die Zukunft des Sozialstaates, die Frage von Anreizen im Steuersystem, die Neubestimmung von Bildung als privates Gut. Dies alles, so argumentiere das Buch, sei freiwillig ins Werk zu setzen, ohne Predigt und ohne Verbote (Böhr 1995, S. 70 ff.). Der Bundestagsabgeordnete Reinhard Göhner bescheinigte mir in „Die politische Meinung“, ich hätte überzeugend aufgezeigt, dass Demokratie als „Glücksagentur“ nicht mehr funktioniere (Göhner 1995, S. 45 f.). Der Journalist Wolfgang Hamacher sah im „Rheinischen Merkur“ (3. März 1995) eine „deutliche Parallele zu amerikanischen Kommunitaristen: Familie, Schulen und Kindergärten müssten wieder gestärkt werden“. Auch wenn ich dieser praktischen Forderung natürlich

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zustimmte, wollte ich mich nicht zu den Kommunitaristen mit ihrer starren Abgrenzung gegenüber liberalem Denken zugerechnet wissen. Schubladen und Stempel waren mir wie eh und je unsympathisch geblieben. „Der Spiegel“ ironisierte zunächst eine dämliche Tautologie von mir („Mehrheit ist Mehrheit, solange Mehrheit Mehrheit ist“) unter der Rubrik „Hohlspiegel“ (9/1995). Am 13. März 1995 folgte unter der passenden Überschrift „Freiheit in Bindung“ immerhin eine sehr faire und freundliche Rezension: „Von der kulturpolitischen Rhetorik der neuen Rechten hebt sich Ludger Kühnhardts Wertkonservativismus wohltuend ab.“ Die Krise der Demokratien habe sich mit dem Verfall der östlichen Diktaturen verschärft. Überforderung der politischen Institutionen, Verluste an Bindungskraft und eine neue Suche nach Sinnstiftung seien allerorts feststellbar. „Kühnhardt macht Vorschläge zur Debatte und empfiehlt eine Neubesinnung auf die drei von dem Historiker Jacob Burckhardt so benannten ‚lebensprägenden Potenzen‘ Politik, Religion und Kultur.“ Die Kraft der frohen Botschaft und der Stop des „hemmungslosen Anspruchsdenkens“ würden vielleicht wirklich weiterhelfen, so der ansonsten doch eher schnoddrige „Spiegel“. Die „Süddeutsche Zeitung“ (27. März 1995) zeigte sich in einem „Streiflicht“ auf Seite 1 ironisch-kritisch und titulierte mich als „unser Freiburger Weltverbesserer“, denn offenbar gäbe es nur in Freiburg „Politologen, die so positiv denken können wie Ludger Kühnhardt“. Mein Doktorand Frank Ronge griff in der Zeitschrift des Sozialinstituts Kommende meine Forderung auf, „Leistungs- und Verantwortungseliten“ zu bilden, die kein Privileg, sondern einzulösende Verpflichtung seien. Vorgelegt worden sei „kein Buch der Verdrossenheit, der moralischen Mäkelei,“ vielmehr beleuchte es „einen Aspekt gesellschaftlicher Wirklichkeit, der in der Alltagsdiskussion in der Regel nicht beachtet wird, aber wegen seines grundlegenden Charakters von größter Wichtigkeit ist“. Herbert Lindenlaub befand in „Das neue Buch“ (5/1995), hier liege „ein wichtiges Buch für diese Zeit“ vor (Lindenlaub 1995, S. 682). Ralf Dahrendorf, Warden (Rektor) des St. Antony’s College, meldete sich am 2.Mai 1995 handschriftlich aus Oxford: „Ich ertappe mich bei der Überlegung, was wohl ‚Gemeinsinn‘ auf englisch wäre, denn das Thema ist auch hier akut.“ Walter Schweidler schaute nochmals auf andere Aspekte meiner Schrift in einer zweiten Rezension für die Zeitschrift „Ethica“ (4/1996). Es würden „in einem an historischen und geistesgeschichtlichen Bezügen ebenso reichen wie aktuell politisch engagierten Essay die Ursachen der Erschütterung des Gemeinsinns in der Verfassungswirklichkeit der heute existierenden westlichen Staaten“ behandelt. Das Buch sei nicht nur ein Appell, sondern es würden sehr konkret die Ressourcen der Erneuerung benannt: „konkrete Nähebeziehungen  …  Familie, Nachbarschaft, Zugehörigkeit zur Nation und Liebe zur eigenen Kultur“ (Schweidler 1996, S. 199 f.). Der Kölner Historiker Leo Haupts sprach in der Zeitschrift „Das historisch-politische Buch“ (44/1996) nach einer freundlichen Wiedergabe des Buchinhalts von einem „beachtens- und bedenkenswerten Manifest“ (Haupts 1996, S. 175). Noch am 22. September 1997 zitierte mich der Mainzer Bischof Karl Lehmann, mit dem ich seit meinem Ruf nach Freiburg in einem

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freundlichen und gelegentlich durchaus kontroversen Briefwechsel stand,19 in einem Wort „zum Auftrag der Kirchen angesichts verletzlicher Ordnungen in Gesellschaft und Staat“ bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda. Ich war unterdessen thematisch und physisch von Freiburg weitergezogen. Zustand und Zukunft des Gemeinsinns hatten mich eine ganze Weile in Anspruch genommen. Dabei wollte ich nicht nur zu Reflexion und Widerspruch anregen, sondern auch zum Handeln. Mit zwei Freunden, dem Bankier Christoph Ehlers und dem Unternehmensberater Ulrich Guntram, versuchte ich 1994/95, eine „Stiftung Res Publica“ zu errichten. Wir erhielten Zuspruch, unter anderem vom ehemaligen badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth und dem Freiburger Verleger Fritz Hodeige. Eine Immobilie wurde in Augenschein genommen. Am Ende aber mussten wir konstatieren, dass bürgerschaftliches Engagement in Deutschland leichter zu formulieren als jenseits bereits bestehender Strukturen wirkungsvoll zu fördern ist. Zu viele Platzhirsche im deutschen Stiftungswesen standen bereit, ihre Projekte mit dem Argument zu verteidigen, es werde doch schon längst von ihnen genau das getan, was wir vorhatten. Ich musste endgültig erkennen, dass eine die gesamte Gesellschaft erfassende geistige Erneuerung, von der ich seit meinen Schulzeiten in unterschiedlichem Zusammenhang immer wieder einmal geträumt hatte, an der Realität des in Deutschland bestehenden kulturellen und politischen Pluralismus abprallen musste. Im posttotalitären Zeitalter hatte vor allem in der Abgrenzung gegenüber totalitären Denkfiguren Konsens über Menschenbild und Gesellschaftsordnung geherrscht, so schien es mir im Rückblick. Die Absage an totalitäres Denken aber war nicht mehr der Referenzrahmen für das Denken in der posttotalitären deutschen Gesellschaft der 90er-Jahre, die immer wieder

19 Nach

der gemeinsamen Teilnahme an einer Diskussion über Wertefragen in unserer Gesellschaft in Bonn entstand 1993/1994 ein lebhafter Briefwechsel mit dem Mainzer Bischof Karl Lehmann. Am 29. Juni 1993 äußerte ich in einem Brief einige kritische Gedanken über die kirchliche Präsenz in unserer Gesellschaft. Die „Entzauberung der Fortschrittsideologie“, die wir erlebten, beträfe nicht nur das marxistische Modell, sondern auch die liberale Demokratie. Unter diesen Umständen setzte ich darauf, dass die Kirchen sich nicht einfach als Teil des allgemeinen Pluralismus präsentierten, sondern das menschliche Orientierungsbedürfnis vom theologischen Grund ihrer Existenz angingen, das heißt vom Gedanken der Gottesebenbildlichkeit als Begründung der Menschenwürde, aber auch von der Endlichkeit und dem, was die Theologie Erbsünde nennt. So allein könne dem modernen Menschen geholfen werden, mit den Spannungen und Widersprüchen des Daseins zurechtzukommen, die keine Fortschrittsideologie auflösen kann. Bischof Lehmann verteidigte in seiner Antwort vom 23. Juli 1993 vehement den sozialkaritativen Auftrag der Kirche. Am 2. August 1993 räumte ich etwaige Missverständnisse aus: Geprägt von Oswald von NellBreuning sei ich natürlich auch für das sozialkaritative Engagement der Kirche, aber erwarte doch zugleich gerade von meiner Kirche eine „stärkere Kenntlichmachung der im eigentlichen Sinne religiösen Begründung und Rückbindung der Nächstenliebe“. Klaus Lehmann war von 1987 bis 2008 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. 2001 wurde er zum Kardinal der römischkatholischen Kirche erhoben. Lehmann starb 2018.

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als postmoderne Gesellschaft bezeichnet wurde. Das hatte Folgen, für grundsatzpolitische Debatten in den Parteien, für die Definition von Menschenwürde und für alle Formen des Lebens und Zusammenlebens. Nun dominierte pluralistische Vielfalt, gelegentlich überbordend in relativistische Weltanschauungen und Lebensformen der Unverbindlichkeit, ja der Beliebigkeit. An den Rändern hatte sich die Provokation als Darstellungsform etabliert. Ich wollte das völlige Auseinanderfallen gesellschaftlicher Verbindlichkeit und Verbundenheit dennoch nicht sang- und klanglos hinnehmen. „Jeder für sich und alle gegen alle“ war, so war ich überzeugt, nicht der einzig verbleibende Weg für die deutsche Gesellschaft. Aber das geduldige Bohren dicker Bretter musste es mit Wirklichkeiten um mich herum aufnehmen, die nicht am Gemeinsinn interessiert waren. Zugespitzt erlebte ich die postmoderne Selbstbezogenheit der deutschen Gesellschaft der 90er-Jahre in Freiburg. Mein Lebens- und Arbeitsmilieu dort war vor allem an sich selbst interessiert. Ich wurde mit meinen Thesen häufig als Provokation angesehen. Damals merkte ich noch gar nicht, dass dies eigentlich das größte Kompliment war, dass ich mir für meine Überlegungen und Thesen hätte wünschen können. Das Lebensgefühl, das sich Freiburg gegeben hatte, war in jedem Falle extrem unterschieden von dem Lebensgefühl, dem ich in Jena begegnet war. 1995 schrieb ich einen Essay, ließ den Text aber trotz Anfragen einer großen deutschen Tageszeitung unveröffentlicht. Im nachfolgenden gebe ich die überarbeiteten Kerngedanken wieder. Sie spiegeln den damaligen Zeitgeist und meine Stimmung gut wider. Zuweilen war ich mir in den 90er-Jahren nicht mehr sicher, in welcher Welt ich damals in der kleinsten Großstadt Deutschlands, wie Freiburg sich gerne titulierte, eigentlich lebte. Die Polis, der alte Stadtstaat der Athener, so hatte Aristoteles gewusst, blühte und dauerte immer nur so lange, wie Glück und Tugend zusammenfielen. Wenn das Wohl der Einzelnen und die Anforderungen des Gemeinwesens zusammengedacht werden. Wenn der Einsatz für das Gemeinwohl der Bürger Glück mehrt. Wenn die Ziele nicht aus dem Augenblick, sondern aus den Aufgaben erwachsen. Wenn die Bürger Bürger und nicht bloß Konsumenten, wenn die Stadt nicht bloß Zustand, sondern Forderung, wenn das Glück nicht gegen die Tugend und die Tugend nicht gegen das Glück steht. Dann, so hatte Aristoteles gelehrt, komme die individuelle Ethik dem Ethos des Gemeinwesens am nächsten. Dann werde das Gemeinwesen von Bürgersinn beseelt sein und die Bürgerschaft beständige Zufriedenheit erfahren. Freiburg wäre in den 1990er-Jahren gewiss gerne so beschrieben worden und war für mein Empfinden doch weit davon entfernt, den Geist der Bürgerpolis zu verkörpern. Denn Freiburg, wie ich es damals erlebte, war keine Stadt, sondern ein Zustand. Ein Zustand der Selbstverliebtheit und der Beliebigkeit, wie ich pauschalisierend polemisierte. Ein Zustand, in dem Toleranz zum Merkmal schnöder Indifferenz geworden schien. Ein Zustand, in dem es sich wohl sein ließ und in dem doch der Reiz des Zweckes fehlte. Der Sinn aus den Zielen, wonach alles strebt. Ein Zustand, in dem die Banalität des Guten zur Vollkommenheit hin kultiviert worden war. Gerne sah die Stadt sich porträtiert als Avantgarde-Ort der Republik, als Inbegriff des Guten, eines anderen Deutschlands. Leben, wo andere nur zu gerne Urlaub machen, so hieß es in der Selbst-

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darstellung, nachzulesen nicht zuletzt auf den Ausgangsstempeln der örtlichen Postämter. Freizeit als Inbegriff der Freiheit, dieser Gedanke erschien im Freiburg der 90er-Jahre wie das oberste Leitmotiv. Er zog sich wie ein roter Faden durch das Gewirr der Gässle und Bächle und durch die Gedankenwelt all jener, die von ihrer Heimeligkeit inspiriert waren. Der Weg durch die Billigboutiquen konnte in Freiburg zum Marathonfest in der Welt der Freizeitaccessoires werden. Das Leben als Spiel, hier konnte es gespielt werden. Doch als Puppenstube der Republik wurde Freiburg so manchem seiner Einwohner zu eng, jedenfalls immer mal wieder für Momente des Weitblicks. Szene am Bankschalter, Dienstagmittag. Die ältere Dame fragte die junge Schalterangestellte, wo sie gewesen sei, man habe sich schon länger nicht gesehen. Also, so hob diese mit der Antwort an, bald werde sie heiraten, dann sei es ja vorbei mit dem Spaß und so. Daher habe sie jetzt erst einmal mit ihrem Freund eine mehrwöchige USA-Reise hinter sich gebracht, man gönne sich ja sonst nichts. Dann wünschte die ältere Dame der jungen Schalterangestellten ein schönes Wochenende. Am Dienstagmittag wohlgemerkt. Man gönnte sich ja sonst nichts. Nun wäre es verfehlt, glauben zu wollen, Freiburg drängte es hinaus aus der Enge des Ortes in der Weite der Welt. Die Zuzugsquoten vermeldeten eine konstante Zunahme der Einwohnerschaft seit Mitte des Jahrhunderts. Das Rieselfeld war gerade in Bau. Kaum eine Stadt in der Republik wies statistisch so viele Single-Haushalte auf. Die Ansprüche schienen mit Scheidungshaushalten und Selbstverwirklichungsangeboten zu wachsen. Aus Anspruchswachstum wurde Wohnungsnot und ein ganzes Stadtviertel wurde neu geplant. Natürlich wurden dort alle Anforderungen des ökologischen Lebensstils realisiert, der hoch in Kurs gehalten wurde in einer Stadt, die sich selbst als Öko-Hauptstadt der Republik tituliert hatte. Im Stadtteil Merzhausen, der Welt der Villen und Doppelhaushälften, wurde schon damals und seit Jahren regelmäßig der höchste Anteil grüner Wählerstimmen in Deutschland registriert. Dieter Salomon, später der erste Grüne Oberbürgermeister einer deutschen Stadt, lernte ich damals als frisch gekürten Landtagsabgeordneten von BadenWürttemberg kennen. Ökologie war in der ganzen Stadt zur Lebensform geronnen, bis hin zu teuren Boutiquen mit ökologisch sauberen Damenkostümen. Vom Aufbruch in die kulturelle Innovation war leider nicht mehr viel zu sehen. Das Grüne und Alternative war allgegenwärtig und damit ununterscheidbar geworden. Zuweilen musste es daher karikiert werden. Vom Aufbruch in eine neue Zivilisation blieben abgebrannte Brennstäbe einer ökologischen Endlagerung. Der Stadtteil Wiehre, einstmals gutbürgerliches Viertel, war zum doppelverdienenden Refugium alternativer Beamten- und Angestelltenhaushalte fossilisiert, eingesprenkselt gewisse provinzielle Ausdrucksformen der Alternativkultur. Die rauere Welt der echteren, härteren Autonomen vom Schwarzen Block lebte jenseits des Bahndamms in der Welt des alten Arbeiterviertels Stühlinger ihr behäbiges Gegenleben. Tendenzen, das Viertel yuppiegerecht hoch zu sanieren, rangen dort mit einer Atmosphäre, die zwischen Rebellion und Frustration angesiedelt war. Sollte man hier einen Prenzlauer Berg an der Dreisam versuchen oder doch lieber den Weg aller Kreuzbergs gehen und sich der Gentrifizierung hingeben? Freiburg ließ sich als Addition von Lebensstilen porträtieren. Die Milieus des äußerlich so friedlichen Städtchens konnten kaum weiter auseinanderliegen als zwischen

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jener potenziell aggressiven Welt der Autonomen und der behäbigen Welt gutbürgerlicher Geruhsamkeit an den Hängen der Schwarzwaldvorberge. Zu den kulturell kreativen Impulsen gehörte beispielsweise die Produktion eines Weißweines für Lesben, der damals von einer Frau aus der Freiburger Szene kredenzt wurde. Er schmeckte natürlich nicht anders als Weißweine für Heterosexuelle, sollte aber das Besondere effektvoll vermitteln. Im Freiburger Biotop der modernen Selbstzufriedenheit waren die Folgeprobleme der deutschen Einigung weit, weit entfernt. Weiter entfernt von den Brennpunkten der Wende und des Zusammenwachsens war damals wohl kaum ein Ort in Deutschland. Und doch war auch Frankreich nicht einfach nur nahe. Frankreich schien weniger ein Nachbar zu sein, den man kennenlernen und verstehen wollte, als vielmehr ein Konsumartikel zu sein, ein Ort zum Käsekaufen. Nicht nur der Ministerpräsident machte sich Sorgen darüber, dass der Anteil der Sprachkundigen auf beiden Seiten der Grenze zurückging. Natürlich war in Freiburg nicht alle Tage eitel Sonnenschein. Wenn der Ruf der autonomen Szene erging, konnte es schon passieren, dass Hunderte Schwarzgekleidete, nicht wenige wider alle Gesetze der Republik maskiert, durch die Stadt demonstrierten. Die Polizei pflegte dann eher abwartend, brav, schulterzuckend und wohl auch ängstlich ob einer politischen Führung, die sie wieder einmal im Regen stehen lassen könnte, daneben zu stehen. Konfrontationsvermeidung hieß das Zauberwort. In düsteren Minuten war es dem damaligen Oberbürgermeister Rolf Böhme, einem braven und tüchtigen Sozialdemokraten, einmal im Gespräch mit mir entfahren, dass er zuweilen abends gottfroh sei, nach Hause gehen zu können, ohne dass ein Bürgerkrieg der Stadtkulturen ausgebrochen wäre. Alles in allem obsiegte eben immer wieder das Versprechen des guten Lebens für jedermann (und jederfrau, wie es in Freiburg schon damals politisch korrekt heißen musste). Toleranz aus Lethargie. Niemand in Freiburg hätte indessen empfunden, dass das Leben an diesem Ort vorbeirauschen könnte wie das Wasser des Rheins. Im Gegenteil. Hier wurde Olymp gefühlt, hier durfte man nichts anderes glauben als am Gipfelkreuz menschlicher Sehnsüchte angelangt zu sein. Hier reiste man „hinunter“ nach München, „hinunter“ nach Hamburg, „hinunter“ nach Rom und „hinunter“ nach Paris. Jenseits der Stadtgrenzen war Abstieg. Ein 1991 erschienener treffender Schlüsselroman über die Stadt und ihr Dasein, verfasst von meinem Germanistik-Kollegen Uwe Pörksen, hieß Schauinsland nach dem Berg über der Stadt, von dem sich bei klarer Sicht herrliche Alpen-Panoramablicke auftun (Pörksen 1991). Das richtige Freiburg-Feeling, so beschied der eine Neu-Freiburger den anderen, könnte man dann erleben, wenn man zum Frühstück nach Nizza fahre. Abfahrt nach Mitternacht also, wenn die letzten Freiburger In-Treffpunkte geschlossen haben, Ankunft vor Sonnenaufgang an den Ufern des Mare Nostrum der Römer. Die hatten Freiburg zu ihrer Zeit übrigens eigenartigerweise umgangen, das heißt ungegründet auf seine spätere zähringische Stunde warten lassen. Der Größe des Selbstbewusstseins hat diese Spätgründung keinen Abbruch getan. Spätestens im Zeitalter der Erlebnisgesellschaft war Freiburgs Marktwert konkurrenzlos geworden. Touristenscharen rund um den Münsterplatz wirkten bestätigend. Vom deutschen Südkalifornien hörte ich gelegentlich, das mit seinem bevorzugten Klima,

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seiner liberalen Einstellung zu Lebensstilen und Lebensgemeinschaftsformen aller Art und halt mit allem, was andere nur beneiden können, unbestritten die Schönste unter den Schönen der deutschen Städte sei. Wenn in diesem Milieu doch einmal Konflikte offen zutage traten, so konnte es Jahre, ja Jahrzehnte dauern, ehe sie entschieden wurden. Keiner sollte verlieren, alle sollten gewinnen. Wo dies nicht ging, wurde vertagt. So geschah es über Jahrzehnte mit dem Projekt eines Ausbaus der vom Schwarzwald herführenden Bundesstraße 31. Das Hin und Her über dieses Projekt hätte es verdient, zum Inbegriff einer Konsenskultur herangezogen zu werden, in der Generationen von Menschen an einem Streit werkeln, den keiner gewinnen möchte und keiner verlieren darf. Das Glück wurde in der Unverbindlichkeit gesucht. Als Erzbischof Oskar Saier, in dessen katholischer Kirche es doch seit Jahren allerorten brodelte und nach Orientierungshilfe gefragt wurde, zum ersten Mal die katholischen Hochschullehrer des Ortes zu einem Gesprächsabend einlud, wurde nicht etwa über theologische Streitfragen oder über politische Zeitfragen disputiert. Stattdessen erörterte ein Mediziner neueste Ergebnisse der Alkoholismus-Forschung und verhalf damit dem Abend zu einem lauen, unkontroversiellen, zugleich aber belanglosen Format. Philosophisch betrachtet konnte Freiburg natürlich ohne viele Worte für sich akklamieren, Nabel der Welt zu sein. Heidegger höchstselbst hatte schließlich an der Albert-Ludwigs-Universität gewirkt. Umstritten war er weiterhin, aber doch schienen alle, die seiner erinnerten, zu spüren, dass sie irgendwie in den Schein des Glanzes gelangten, der von ihm geworfen wurde, gleichgültig, ob sie ihn lobten oder ihn verdammten. Am Wirkungsort Heideggers musste die Universität einfach tiefsinniger sein, gleichgültig, wie man zu Heidegger stehen mochte. Ich hatte seit meinem Studium Mühe, Heideggers Hauptwerk etwas abzugewinnen. In Freiburg aber waren Sein und Zeit sozusagen metaphysisch veredelt (Heidegger 1972). Dabei befand sich die Albert-Ludwigs-Universität, ein Aushängeschild der Stadt par excellence, in den gleichen Niederungen wie andere Universitäten des Landes auch. Massenbetrieb, Bürokratisierung, Gestöhne über finanzielle und logistische Unzulänglichkeiten auf allen Seiten. Gewürzt wurde das Ganze mit dem gebotenen Schuss der Anbetung des Zeitgeistes, der immer wieder will, dass von den Universitäten das Modische ausgehen soll. „Die Wahrheit wird Euch frei machen“ verkündet das Motto der Universität von der Stirnwand des Hauptgebäudes. Manches Universitätsmitglied jeglicher Korporation war schon Opfer der Vermutung geworden, dies könne doch nur in Geist und Tat ein Relikt der Nazi-Zeit sein. Das Johannes-Evangelium wurde, so schien mir, offenbar nicht mehr in jedem Akademiker-Haushalt geführt. Bei einer neuerlichen Begegnung mit katholischen Hochschullehrern bat mich Erzbischof Oskar Saier 1994, über das Universitäts-Motto zu referieren (Kühnhardt 1994d). Die Idee der Universität von sich selbst war in Freiburg nicht weniger ausgewandert als aus anderen Hochschulorten. Ansprachen der amtierenden Rektoren zu Jahreseröffnungsfeiern der Alma Mater erinnerten mich an die Bilanzen eines Buchhalters. Geistige Perspektive vermittelten sie eher nicht. Gesucht wurde Harmonie, wenn nötig auch um den Preis des eigenen Profilverlustes. Das Beste an Freiburg, so hörte ich in meinen Freiburger Jahren zu Recht

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immer wieder, seien die Gastronomie und der Weinbau der Umgebung. Ich bevorzugte persönlich die Langlauf-Loipen des Südschwarzwalds. Im Badischen hält man es gerne mit dem Schwebenden, dem Umschreibenden und Unbestimmten. Das unverbindliche „man“ wurde im Gespräch vorgezogen, auch wenn „Frau“ in diesem Falle das Spiel gerne mitmachte. In dieser vor sich hinschwebenden Stadt Freiburg tat ich mich in den 1990erJahren naturgemäß schwer, das dortige Lebensgefühl mit meinen Erfahrungen in Jena und meinem Nachdenken über Zustand und Zukunft des Gemeinsinns in Balance zu bringen. Ich agierte daher gewiss auch immer wieder übertrieben und mithin ungerecht mit meiner Kritik an den Kulturkämpfen, in die ich in Freiburg hineingeriet. Für mich wurde es zu einem echten Paradigmenwechsel, als ich eine Statistik sah, derzufolge es in Deutschland unterdessen mehr Hunde als Kinder unter sechs Jahren gab. Welcher Prioritätenwechsel damit einhergehen konnte, dass nicht mehr die Absolutheit der menschlichen Existenz, wie ich nach Hitler und Holocaust gelernt hatte, sondern die Allgemeinheit der Schöpfung gelten sollte, erfuhr ich in der Öko-Metropole Freiburg als Schock: Als ich ein junges Paar, das seinen Hund entgegen aller öffentlichen Regeln ohne Leine herumlaufen ließ, darum bat, den Hund vorschriftsmäßig anzuleinen, rüffelten sie zurück: „Legen Sie doch Ihre Tochter an die Leine, wenn Ihnen der Hund nicht passt.“

Abb. 4.27  Mit meiner Sekretärin Dorothee Scheuing im Kollegiengebäude IV der AlbertLudwigs-Universität Freiburg (1993). (© Ludger Kühnhardt)

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An der Universität Freiburg erdeten mich die Mühen der Ebene. Ich galt als ehrlich, aber fordernd, verbindlich, aber meinungsstark. Am 8. Februar 1993 versuchten radikale Studenten, meine Vorlesung zu sprengen. Ein behinderter Kommilitone wurde von anderen nach vorne geschickt, um mich am Rednerpult zu provozieren. Ich blieb ruhig, hielt mich mit beiden Armen am Rednerpult fest, aber konnte bald mein eigenes Wort nicht mehr hören. Erstmals zweifelte ich tiefgehend an der Ernsthaftigkeit von einem Teil der Freiburger Studierenden und an ihrer Bereitschaft, die universitäre Lebensform zu verstehen und, vor allem, wertzuschätzen. Meinen Vorlesungs- und Seminarbetrieb nahm ich sehr ernst. Zu verschiedenen Fragen der politischen Ideengeschichte und politischen Philosophie wollte ich mit denjenigen, die sich wie ich redlich darum bemühten, tiefer vordringen. Meine vorzüglichen wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Regina Braach und Beate Preuschoff, Xuewu Gu und Christian Greiner, Andreas Beierwaltes und Martin Rupps, Peter Wittschorek und Susanne Baier, Thomas Gschwend und Frank Rauch unterstützten mich, ebenso wie meine beiden wunderbaren Sekretärinnen Dorothee Scheuing und Rita Kummlin. Das geistige und kulturelle Spektrum an meinem Lehrstuhl war maximal pluralistisch und von Methodenvielfalt gekennzeichnet. Meine ersten Kriterien in der Beurteilung von Studierenden waren immer die Qualität der Leistung und die Schlüssigkeit eines Arguments.20

20 Folgende Themen und Teilnehmerzahlen notierte ich mir für meine Seminare: Wintersemester 1991/1992: Lektüreübung zur Vorlesung für Studierende des Grundstudiums (24); Hauptseminar: Die Universalität der Menschenrechte (30); Hauptseminar: Moderne Demokratietheorien (33); Sommersemester 1992: Lektüreübung zur Vorlesung für Studierende des Grundstudiums (16); Hauptseminar: 500 Jahre Amerika – Selbstbild und Deutung der neuen Welt und ihres Geistes (26); Hauptseminar: Verfassungsentwicklung und Verfassungslage im Licht der deutschen Vereinigung (23); Wintersemester 1992/93: Proseminar: Die europäischen Freiheitsrevolutionen. Ihre geschichtlichen Voraussetzungen und Konsequenzen (8); Hauptseminar: Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung (1933–1945/1949–1989) (29); Hauptseminar: Edmund Burke: Gegen die Revolution denken – mit der Revolution leben (11); Sommersemester 1993: Proseminar: Gewaltenteilungsprobleme und Wahlrechtssysteme in Europa (10); Hauptseminar: Souveränität: Mythos und Realität eines politischen Schlüsselbegriffs (25); Wintersemester 1993/94: Proseminar: Das Europäische Parlament und seine Parteien vor den 4. Direktwahlen 1994 (16); Hauptseminar: Föderalismus: eine deutsche und eine europäische Frage; Hauptseminar (27); Sommersemester 1994: Hauptseminar „Clash of civilisations”? Religionen, Kulturen und Weltkonflikte nach dem Ost-West-Konflikt (26); Hauptseminar: Naturrecht und Politik (20); Wintersemester 1994/95: Befreiung wegen Dekanstätigkeit; Sommersemester 1995: Hauptseminar: Aspekte zweistaatlicher Zeitgeschichte (25); Sommersemester 1996: Lektürekurs: Demokratiewege (6); Hauptseminar: Aristoteles' politische Philosophie (9); Wintersemester 1996/97: Lektürekurs: Geschichte politischer Ideen (13); Hauptseminar: Platons politische Philosophie (19); Sommersemester 1997: Lektürekurs: Geschichte politischer Ideen (6); Hauptseminar: Machiavelli und die Idee des Republikanismus (16). Anmeldungen insgesamt: 418 (= 38 Studenten pro Semester); ich hielt in dieser Zeit folgende Vorlesungen bei einem durchschnittlichen Vorlesungsbesuch von rund 80 Studierenden pro Semester: Wintersemester 1991/1992: Von Plato bis Nato – Grundlinien der Geschichte politischen Denkens I; Sommersemester 1992: Von Plato bis NATO – Grundlinien der Geschichte politischen Denkens II; Sommersemester 1993: Einführung in die

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Für das akademische Jahr 1995/1996 wurde ich von meiner Philosophischen Fakultät IV zum Dekan gewählt. Akademische Selbstverwaltung gehörte zu den professoralen Aufgaben, die ich selbstverständlich übernahm. Ich meisterte das Fakultätsmanagement recht effektiv und, wie mir schien, zur allseitigen Zufriedenheit meiner Kolleginnen und Kollegen. Ein kleiner Kreis radikaler Studenten verstand posttotalitäre universitäre Freiheit aber offenbar als Appell zur permanenten Provokation, zum Regelbruch, zu Gleichgültigkeit und Protest. Sie wollten einen kleinen Kulturkampf mit mir führen. Es gab ungeheuer talentierte und engagierte Studierende in Freiburg. Es gab aber auch Rebellen und Protestler, die meistens nicht so nah dran waren an den akademischen Pflichtübungen. Zur Vorbereitung auf mein Hauptseminar über die politische Philosophie von Aristoteles im Sommersemester 1996 hatte ich angekündigt, dass alle Teilnehmer gebeten würden, „eine seminarhinführende Hausarbeit“ von acht bis zehn Seiten über Buch 3 in Aristoteles‘ Klassiker Politik zu verfassen (Aristoteles 1973, S. 103–135). Wegen des kurzen Sommersemesters würden wir somit gleich zur ersten Seminarstunde ins Thema einsteigen können und über die vorbereitenden Arbeiten miteinander ins Gespräch kommen. Es bestand kein Beschluss meiner Fakultät, der eine solche seminarhinführende Leistung verboten hätte. Zugleich legte ich, wie seit Beginn meiner akademischen Lehrverpflichtungen üblich, die Teilnehmerzahl so fest, dass pro Seminarstunde zwei Referate gehalten werden konnten. In diesem Falle wären es entsprechend der zwölf zur Verfügung stehenden Seminarwochen maximal 22 Studierende gewesen. Dadurch erhoffte ich für alle Anwesenden eine optimale Basis für wissenschaftliches Gespräch und Studium zu legen. Tatsächlich nahmen ab dem 15. April 1996 15 Studierende an dem Seminar teil. Niemand wurde abgewiesen. Am 26. Mai 1996, das Seminar hatte also schon die Hälfte der Semesterzeit erreicht, legte der Allgemeine Studentenausschuss (Asta), sekundiert durch Sprecherinnen und Sprecher der Fachschaft Politikwissenschaft, Dienstaufsichtsbeschwerde gegen mich beim Minister für Wissenschaft und Forschung von Baden-Württemberg ein. Begründung: Meine seminarhinführende Anforderung widerspreche § 64 Absatz 2 Satz 2 und § 39 Absatz 2 Satz 3 des baden-württembergischen

vergleichende Regierungslehre; Wintersemester 1993/94: Europäische Idee und europäische Integrationswirklichkeit; Sommersemester 1994: Was hält die pluralistische Welt zusammen? Zum Verhältnis von Politik und Religion in der Kultur der Freiheit; Wintersemester 1994/95: Krieg und Frieden. Geschichte und Probleme einer europäischen Hoffnung; Sommersemester 1996: Demokratie in der Umbruchzeit; Wintersemester 1996/1997: Grundzüge der politischen Ideengeschichte I; Sommersemester 1997: Grundzüge des politischen Denkens II. 50 Prüfungen nahm ich zwischen 1991 und 1997 wie folgt ab: Hauptfach: 1 Habilitation; 6 Dissertationen; 15 Magisterarbeiten; 6 Staatsexamen; b) Nebenfach: 2 Dissertationen; 19 Magisterarbeiten; 1 Staatsexamen. Danach waren noch ungeprüft: 12 Doktoranden und 4 Magister-Studenten, die ich nach 1997 von Bonn aus bis zu ihren Examina betreute.

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Universitätsgesetzes, das eine Teilnahmebeschränkung nicht zulässt. Das Dienstaufsichtsbeschwerde-Spektakel nahm seinen Lauf, natürlich sekundiert vom heftigen Geklapper der „Badischen Zeitung“. Am 15. Juni 1996 war dort ein länglicher Artikel zu lesen unter der Überschrift „Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Professor. Wie Aristoteles Studenten aussortiert“. Das Verfahren lief über mehrere Monate. Stellungnahme, Anhörungen, Bericht des Dekans, anonyme, beleidigende Briefe an mich, zehnseitiges juristisches Gutachten eines örtlichen Rechtswissenschaftlers, Polemik in der Fachschaftszeitschrift, Stellungnahme des Rektors an den Wissenschaftsminister. Am 4. Oktober 1996 erging ein vierseitiger Erlass eines Ministerialdirektors an den AstaVorsitzenden, demzufolge das Wissenschaftsministerium „keinen Anlaß sieht, dienstoder aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen“. Diesmal berichtete die „Badische Zeitung“ natürlich nicht. Die Argumentation folgte im Großen und Ganzen meiner Erläuterung. Das posttotalitäre Freiburg war ein Maximalkontrast zum posttotalitären Jena. Aus meiner Sicht hatte die Freiburger Universität damals viel von ihrer Selbstachtung als Träger der deutschen politischen Kultur verloren. Ich provozierte absichtlich, aber auch nur in Maßen übertrieben, als ich am 15. November 1996 im „Rheinischen Merkur“ eine schonungslose Bilanz meiner Erfahrungen zog. Mehrere Beispiele führte ich detailgenau an: Die Putzfrau hatte sich bei mir „unter Tränen“ über „unflätige Äußerungen“ von Studenten beklagt, die absichtlich Kaffeebecher vor ihren Augen auf den Boden geworfen hatten. Professorenkollegen verteidigten mir gegenüber die Freiheit der Studierenden. Politische Korrektheit grassierte. Ein damaliges Lieblingsthema, für einmal ganz und gar nicht auf mich bezogen, hieß „sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“. Die Frauenbeauftragte mahnte im Fakultätsrat mit betroffenheitserprobter Miene. Ein Kollege fragte schüchtern nach dem Umfang des Problems. Die Frauenbeauftragte berichtete, von einem Fall in Konstanz gehört zu haben. Man müsse auch in Freiburg den Anfängen wehren, die es noch gar nicht gab. Bücherdiebstähle aus der Präsenzbibliothek galten als Kavaliersdelikt und blieben folgenlos. Diebstähle in Patientenzimmern der Universitätsklinik bezeichnete ein herbeigebetener Polizist als „normal“. Eine steuerfinanzierte studentische Postille qualifizierte sich als sprachmächtig: „Leckt uns doch am Arsch“, war zu lesen. Von Professoren war von „faulen Säcken“ die Rede, die NATO agiere nach dem Motto „Töten und Essen“ und der Wissenschaftsminister des Landes „mag uns blöd“. Eine Karikatur empfahl, statt abzutreiben eines der zur Welt gebrachten Zwillingskinder zu verkaufen. Der Rektor reagierte auf meine Bitte, eine Ordnungsmaßnahme gegen das Blättchen zu prüfen, das unter Vorspiegelung falscher Tatsachen als „Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis der studentischen Fachschaft“ verkauft wurde. Seine Antwort: „Es ist in der Tat richtig, dass das Vorlesungsverzeichnis der Fachschaft die Grenzen des guten Geschmacks überschritten haben mag.“ Mir sei natürlich unbenommen, Strafanzeige wegen übler Nachrede bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zu stellen.

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Abb. 4.28  „Das Pubertäre. Lächerliches Zentralorgan“: Zeitschrift der Freiburger Fachschaft Politik (1995). (© Ludger Kühnhardt)

In dem Zeitungsessay zog ich im „Rheinischen Merkur“ meine Schlussfolgerung: „Solange alles allen zu gehören scheint, alles kostenfrei zu haben und alles rechenschaftslos zu zerreden ist, wird die Universität vor sich hinvegetieren.“ Ich plädierte für eine Neubewertung von Bildung, die kein öffentliches, sondern im Kern ein privates Gut sei21, und für die gesellschaftliche Rechenschaftspflicht von Wissenschaft. Meine Erfahrungen in Jena und an anderen Orten Mittelosteuropas klangen beim Blick auf die westliche Hochschulrealität an: „Solange der Geist bildungsplanerisch bewirtschaftet bleibt, muß der Bildungssozialismus jene Blüten und Frustrationen hervorbringen, die soeben im Raum der osteuropäischen Volkswirtschaften nach dem Ende des Kommunis-

21 Das

Thema, auch in seinem globalen Zusammenhang, griff ich immer wieder auf, so beispielsweise bei einer internationalen Tagung an der Universität von Sichuan in Chengdu am 5. Juli 2001 (Kühnhardt 2003, S. 55–63).

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mus mühsam abgetragen werden (Kühnhardt 1996b).“ Der Spott der Studentenfunktionäre war mir sicher. Manchmal waren sie sogar richtig gut. In dem Blättchen „Das Pubertäre. Lächerliches Zentralorgan der Fachschaft Politik“ wurde ich im Sommer 1995 als „Meister Proper“ karikiert, der Saubermann, der letzte Konservative, in Freiburg aber fehl am Platze. „Rudi, der Studi“ ließ sich eine weitere Folge der Serie über „Obi den Grobi, den kühnen Recken Ludger und den schrecklichen Jägar“ aus. Durchaus kurzweilig wurde über meine Kollegen Dieter Oberndörfer und Wolfgang Jäger und mich fabuliert. Die Gürtellinie war aber nie fern, unter die Treffer der Pubertären rutschen konnten: Rasch war ich auf der nächsten Seite wieder „das Arschloch“. Eine anonyme Bombendrohung, die am 30. Januar 1997 per Telefon beim Hausmeister im Kollegiengebäude IV einging, in dem auch mein Büro lag, sprengte alle Dimensionen, ohne dass der Anruf natürlich zurückzuverfolgen gewesen wäre. Die Atmosphäre des ständigen Kulturkampfes mit einigen wenigen, von der Mehrheit wie üblich meistenteils schweigend beobachtet, trieb mich an. Sie trieb mich aber auch weiter. Als ich im Sommer 1997 nach sechs intensiven Jahren die Albert-Ludwigs-Universität verließ, titelte die „Badische Zeitung“ unter Berufung auf einen Studentensprecher, der im pluralis majestatis von „wir sind froh, dass er geht“ sprach, siegestrunken: „Studenten freuen sich, dass umstrittener Professor geht“ (15. Juli 1997). Dass nicht alle so dachten, zeigten Leserzuschriften („Verlust ist zu beklagen“), die die Hoffnung hatten, dass der Professor in Bonn „nicht mit einer lautstarken Minderheit von Studenten in Fachschaft und einem AStA konfrontiert werden wird, die zwar intellektuell und argumentativ dünnhäutig, aber umso penetranter anscheinend ihr ganz persönliches kleines ‚1968‘ nachholen wollen“ (Badische Zeitung, 23. Juli 1997). Der eine oder andere Kollege kam am Ende auch aus der Deckung, um mich wissen zu lassen, er habe stets mit Sympathie meinen geradlinigen Kurs gegenüber den selbsternannten Hütern diskursiver Demokratiefantasien verfolgt. Dies aber früher schon einmal zu sagen, habe er sich nicht getraut. Mir blieben in guter Erinnerung die vielen aufgeweckten und inspirierenden Studierenden, die ich gerne unterrichtet habe. Die vorzüglichen Seminar-, Bachelorund Magisterarbeiten, die ersten Promotionen und eine erste Habilitation, die ich betreuen durfte. Ich bot den Studierenden Exkursionen zum Europäischen Parlament nach Straßburg, zur UNO nach Genf und zum Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn an. Ich holte Gastreferenten ins Seminar (CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, den sächsischen Umweltminister Arnold Vaatz, die Botschafter Ungarns, Gábor Erdödy, Polens, Janusz Reiter, der Schweiz, Dieter Chenaux-Repond, Österreichs, Friedrich Höss, und Bosnien-Herzegowinas, Indir Ramovic, Christine Lieberknecht, die Präsidentin des Landtags von Thüringen, die Professoren Hans Maier und Ulrich Beck, die Europaabgeordneten Wilfried Telkämper (Grüne) und Friedrich Merz (CDU), den Bundestagsabgeordneten Gernot Erler (SPD), den Pressesprecher des Stasi-Beauftragten und späteren Staatssekretär im Bundespräsidialamt David Gill). Regelmäßig lud ich Gastprofessoren und Gastforscher für längere Aufenthalte ein (Dirk Moses aus Australien, Herbert Gottwald aus Jena und Walter Schweidler aus Weingarten, Shlomo Aronson aus Israel, David Schoenbaum, George Romoser und Jeffrey Herf aus den

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USA, Hüseyin Bagci aus der Türkei, William Wallace aus Oxford, R.K. Subramaniam aus Indien, Mara Gubaidullina und Bulat Sultanov aus Kasachstan sowie Philipp Nel aus Südafrika). Ich organisierte den ersten Studentenaustausch für Studierende aus Kasachstan und etablierte die Freiburger Universitätsverbindung mit der Al FarabiNationaluniversität in Almaty anlässlich des Besuches von Prorektor Zulvikar Mansurow in Freiburg vom 21. bis 23. Mai 1996. Ich spielte Fußball mit den Lehrstuhlmannschaften und lud zu Weihnachtsfeiern zu uns nach Hause ein. Es gab Ausflüge mit den Mitarbeitern in den Kaiserstuhl und zur Weinprobe ins Markgräfler Land.

Abb. 4.29  Mitarbeiterbesprechung an der Universität Freiburg mit Regina Braach, Andreas Beierwaltes, Beate Preuschoff, Xuewu Gu und dem türkischen Gast Hüseyin Bagci (1993). (© Ludger Kühnhardt)

Freiburg würde immer einen besonders innigen Platz in meinem Herzen behalten. Dort habe ich meine Frau Enikö kennengelernt. Im Alten Rathaus haben wir standesamtlich und danach am 13. Februar 1993 kirchlich im benachbarten barocken Wallfahrtskirchlein St. Ulrich geheiratet. In Freiburg ist am 14. September 1996 unsere Tochter Victoria zur Welt gekommen. 2022 setzte unser Sohn Stephan sein in Regensburg begonnenes JuraStudium in Freiburg fort. Wie könnte ich jemals bitter gegenüber Freiburg sein? Aber Funken glühten schon immer besonders gut dort, wo Feuer und Eisen aufeinandertreffen. Die bleibende Erinnerung an Begegnungen, bei denen ich neue Perspektiven lernen konnte, gehörten zu den besten Souvenirs, die ich 1997 von der Albert-Ludwigs-Uni-

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versität Freiburg mitnahm. Am 6./7. Februar 1995, beispielsweise, hatte ich den israelischen Botschafter in Deutschland, Avi Primor, eingeladen. Vor dem Vortrag in der Universität standen ein Gespräch beim Oberbürgermeister, eine Eintragung ins Goldene Buch der Stadt Freiburg und ein Besuch der neuerrichteten Synagoge auf dem Programm. Dort empfingen uns ein Rabbi aus Marokko, der über Jerusalem nach Deutschland ausgewandert war, und seine deutsche, zum Judentum konvertierte Frau. In der Synagoge wurde gleichwohl plötzlich nur noch russisch gesprochen. Die Gemeinde bestand faktisch aus ausgewanderten Russen. Sie stritten mit Primor, weil ihnen verwehrt worden war, nach Israel weiterzuziehen. Vor der Tür des Gebetsaals wurden uns Hering und Wodka gereicht. Später beim Abendessen erzählte mir Avi Primor, er sei auch deshalb so zurückhaltend gegenüber dem Ausreisebegehren nach Israel gewesen, weil nach israelischer Einschätzung viele der Auswanderer aus Russland nur vorgaben, jüdischen Glaubens zu sein. In Wirklichkeit aber seien diese Menschen gar keine Juden. Den Freiburg-Besuch erwähnte Primor noch in seinen Erinnerungen (Primor 2015, S. 328 ff.). Daran schloss sich ein neuer Briefwechsel zwischen uns an. Ich traf Avi Primor immer mal wieder, so in seiner Residenz in Bonn oder, 2007, in Herzliya, wo er nach Beendigung seiner diplomatischen Laufbahn 2004 das Zentrum für Europäische Studien an der Privatuniversität Interdisciplinary Center (IDC) begründet hatte (Kühnhardt 2022b, S. 359).

Abb. 4.30  Mit dem israelischen Diplomaten und Publizisten Avi Primor in Bonn (1998). (© Ludger Kühnhardt)

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Zwei Begegnungen in Freiburg versöhnten fast mit allem, was meine Familie und ich hinterließen, als wir 1997 zu neuen Ufern aufbrachen. Am 6. Juni 1996 waren Marie Luise und Gerd Tellenbach zum Tee bei uns zu Gast. Marie Luise Tellenbach faszinierte uns mit ihren Forschungen über Ludwig van Beethovens „unsterbliche Geliebte“ Josephine Brunswick (Tellenbach 1983). Gerd Tellenbach war im Vorjahr 90 Jahre alt geworden, der damals älteste lebende Professor der Freiburger Universität. Die Augen des kleinen Mannes, eines der Großen der Geschichte des Mittelalters, funkelten noch immer, wenn auch die Beine beschwerlicher geworden waren. Geboren war er 1903. Im August 1914 war der Vater gefallen. Seine Frau hatte Tellenbach 1942 in einem Bombenschutzkeller in Gießen kennengelernt. 1944 erlebte er, frisch an die AlbertLudwigs-Universität berufen, das Inferno der Totalzerstörung von Freiburg. Freiburger Universitätsrektor war Gerd Tellenbach 1959, im Jahr der 500-Jahr-Feier der Universität. In den 50er-Jahren, so erzählte er an diesem Nachmittag, habe er seine größte Niederlage erlebt, als der Wissenschaftsrat seine Warnung in den Wind schlug, dass die deutsche Universität mit 300.000 Studenten tot sei. 1996, er wurde noch einmal drastisch, vegetierten wir mit 1,6 Mio. Studierenden und einer totalen Unterausstattung durch die öffentliche Hand vor uns her. Schon vor 40 Jahren hatte Tellenbach vorgeschlagen, die Fachhochschulen aufzuwerten. Diese Mahnung wurde in den späten 1990er-Jahren endlich langsam begriffen. Tellenbach erinnerte sich an die Universität vor der Studentenrevolution. Seit 1972 war er emeritiert, die seitherige Zeit verfolgte er, wie er sagte, mit Staunen und Schrecken. Auf meine Frage, welches aus seiner Sicht die tiefgreifendsten Veränderungen des 20. Jahrhunderts gewesen seien, überlegte er einen langen Augenblick, um dann bedachtsam und klar zu sagen: „Die Menschen selbst haben sich verändert. Aber leider nicht zum Guten im Verhältnis zu ihren Mitmenschen. Daneben steht die weltweite Bevölkerungszunahme, mit der die Dinge des Daseins auf unserer Erde nicht mehr Schritt halten können.“ Beim Hinausgehen blieb er noch einmal stehen: „Aber wir haben allen Grund, sehr dankbar zu sein, uns geht es doch gut. Ich bin der einzige noch Lebende meiner Familie, in der ich vier Geschwister hatte. Es gibt soviel Gutes im Leben. Das Leben selbst ist gut. Wir haben viele Gründe zu klagen, aber es gibt immer wieder doch so viel Gutes, für das wir dankbar sein müssen.“ Vorher hatten wir über Thomas Mann gesprochen, dessen Tagebücher wir beide gerade lasen. Über viele Seiten seien sie langweilig, man wisse schon, was auf der nächsten Seite komme, bestätigte Tellenbach meine Leseeindrücke. Am gehaltvollsten blieb für ihn (wie für mich) Thomas Manns Roman Joseph und seine Brüder: „Die große Frage nach dem ersten, obersten Gott aller Menschen ist und bleibt sehr tief“ sagte der Protestant mit dem festen Blick. Er fixierte mich, als wusste er schon, die Ewigkeit bald schauen zu können. Am 12. Juni 1999 ist Gerd Tellenbach gestorben (Tellenbach 1981). Am 25. April 1997 unterhielt der Anglist Willi Erzgräber, dessen Bücher über Utopie und Anti-Utopie in der englischen Literatur und über die Schriftstellerin Virginia Woolf

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mich sehr beeindruckt hatten (Erzgräber 1980; 1997), bei einer Abendeinladung von meiner Frau und mir im Freiburger Tirolerweg uns und unsere Gäste mit seinen Lebenserfahrungen. Schlicht und doch erhebend hinterließ er sein dreifaches Lebensmotto als Eintragung in unserem Gästebuch: „I am what I am – learn to love – so let it be“. Willi Erzgräber starb am 9. Dezember 2001. Wir pflegten bei uns zu Hause – in Freiburg wie später in Bonn -, stets die gute Tradition von kleinen gedeckten Abendessen, größeren Diskussionskreisen mit BuffetVerpflegung und informellen Wine-and-Cheese-Abenden. So ermöglichten wir vier bis sechs Mal im Jahr gute Gesprächsformate und Verbindungen zwischen interessanten Menschen. Von einem Salon zu sprechen wäre etwas bombastisch. Aber Enikö und mir behagte nicht, ausschließlich in Restaurants und Bistros mit Menschen zusammenzukommen. Nichts geht doch auch im Zeitalter von Fast Food und Schnell-Verabredungen über gute heimische Küche und gepflegte heimische Gastfreundschaft. Mein Vater hat einmal einen Sinnspruch von Romano Guardini in unser Gästebuch geschrieben, der solche Abendeinladungen, wie wir sie regelmäßig in all den Jahren durchführten, auf den Punkt brachte: „Das ist aller Gastfreundschaft tiefster Sinn, dass einer dem Anderen Rast gebe auf dem Weg nach dem eigenen Zuhause.“

4.5  Rhythmen der Politik (Kühnhardt 1996c): Erfahrungen zum Verhältnis von Politik und Wissenschaft Über mehrere Jahrzehnte habe ich die Rhythmen der politischen Generationen und damit verbunden die Rhythmen der politischen Macht in Deutschland beobachtet. Ich erlebte die Unterschiede zwischen praktischer Politik und politischer Wissenschaft. Immer wieder, wenn ich mit der Entscheidung konfrontiert wurde, entschied ich mich für die innere Freiheit eines Lebens der Wissenschaft und gegen die Macht (und die Illusion der Macht) der aktiven Politik. Ich schärfte meinen analytischen Kompass aber immer wieder an der Praxis der Politik und nicht allein an akademischen Theorien. Mein inneres Koordinatensystem führte mich frühzeitig ins Umfeld der Christlich Demokratischen Union. Dabei erlebte ich im Laufe der Zeit, dass mein persönlicher Kompass und der Charakter der CDU immer häufiger auseinanderdrifteten. Die CDU, wie sie meinem Denken anfangs nahe war, löste sich Schritt für Schritt sozusagen im jahrzehntelangen Erfolg selbst auf. Mit dieser profilentleerten Partei konnte ich schließlich nicht mehr viel anfangen. Mit diesem Widerspruch war die CDU keineswegs allein. Parteien ändern sich ebenso wie die Gesellschaft, von der sie ein Teil sind. Innere Distanz gehört zur Freiheit einer intellektuellen Existenz. In diesem Sinne beobachtete ich die Bedingungen politischer Macht in der deutschen Demokratie jenseits parteipolitischer Loyalitäten. Dabei halfen mir Studien des amerikanischen Historikers Arthur Schlesinger über Rhythmen der Politik und politische Generationen. Ich übertrug

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seine methodischen Überlegungen auf die deutschen Verhältnisse und veröffentlichte einen längeren Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 14. Mai 1996 unter der Überschrift Rhythmen der Politik: Vollziehen sich Umbrüche und Machtwechsel nach zeitlichen Gesetzmäßigkeiten? (Kühnhardt 1996c, S. 12). Für 1998 rechnete ich „mit einem grundlegenden Wechsel im Rhythmus der deutschen Politik“. So sollte es am Ende auch kommen. Natürlich behauptete ich keine naturwissenschaftliche Plausibilität für meine Hypothesen. Ich zog es vor, von wechselnden Loyalitäten in unterschiedlichen politischen Generationen zu sprechen, die erklären können, wie sich die Mehrheitsbildung in einer Gesellschaft verändert. Ich beobachtete aber nicht nur Veränderungen, die mit dem natürlichen Wechsel der Generationen zu tun haben. Ab den frühen 1990er-Jahren erlebte ich die Anfänge eines Prozesses von Anfang an mit, der erst am Ende der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts zur vollen Entfaltung kommen sollte: Den Gestaltwandel der deutschen Politik. Parlamentsdebatten als die Mitte der Demokratie wurden durch Fernseh-Talkshows ersetzt, bei denen um Einschaltquoten gerungen wurde. Aus Politikern wurden Promis. Diskussionen lösten sich in inszenierten Disputen auf. Die eigentümliche Talkshow-Mischung von Beichtstuhl und Peep-Show blieb mir fremd. Einladungen in Talkshows lehnte ich mehrfach ab. Der politische Betrieb verausgabte sich gleichzeitig immer stärker im Klein-Klein bürokratischer Prozeduren und Verfahrensfragen. Politik wurde zu einem immer hilfloseren Versuch, die Geschwindigkeit der Veränderungen in der Gesellschaft zu verlangsamen und ihre eigenen halbherzigen, oft viel zu spät getroffenen Entscheidungen zu korrigieren. Ordnungspolitische Rahmensetzung sah für meine Begriffe anders aus. Politik, die von einem durchdachten Bild vom Menschen und der Art und Weise seines Handelns ausgeht, müsste mehr können als mithilfe von Sanktionen und Symbolakten zu behaupten, sie wolle „sich kümmern“. Dieses Wort aus Politikermund löste bei mir immer stärker allergische Reaktionen aus. Anspruch und Wirklichkeit klafften zunehmend auseinander, um noch an die Ernsthaftigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Politik-Samariter glauben zu können. Hinzu kam die provinzielle Verengung gepaart mit Allüren, als ginge es permanent darum, eine MoralWeltmeisterschaft zu gewinnen. Ausgangspunkt war nach 1945 die wehrhafte Erneuerung von Staat und Gesellschaft nach der nationalsozialistischen Diktatur gewesen. Spätere Achsenverschiebungen der gesellschaftlichen Maßstäbe und Veränderungen politischer Mehrheiten waren nur natürlich. Was aber zunehmend in der deutschen Parteipolitik schwand, war eine ernsthafte Diskussion über die Voraussetzungen politischer Entscheidungen und die Substanz angestrebter Ziele. Das Funktionieren der Schienen, auf denen die Züge des Politikbetriebs rollten, wurde wichtiger als die Frage, warum und wohin politische Weichen gestellt werden sollten. Am Ende steuerte die Politik nicht mehr die Wege der Gesellschaft, sondern lief ihnen hinterher. Die classe politique machte sich nicht einmal mehr die Mühe, ein ebenso dezidiertes wie differenziertes Bild von „der Gesellschaft“

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zu gewinnen. Stattdessen ging „die Politik“ in den Modus des technischen Dienstes einer individualisierten Gesellschaft über, sprachlich und konzeptionell. „Piecemeal engineering“, das Karl Popper eigentlich empfohlen hatte, um totalitäres Denken zu verhindern, endete in seinen eigenen Aporien. Kurzfristiges Denken wurde in allen Parteien zum Normalfall. Aus Strategie wurde Taktik. Aus Ordnungsdenken wurde politischer Reparaturbetrieb. Aus Vision wurde Krisenmanagement. Aus Konsens wurde Sterilität. Brüche an den Rändern und tiefe Risse in der Mitte der Gesellschaft waren die Folge. Anknüpfend an meine Analyse von 1996 von den Rhythmen der Politik lassen sich für den Zeitraum zwischen der Wiedervereinigung 1990 und der nach der Corona-Pandemie ersten Bundestagswahl 2021 vier Phasen der deutschen Demokratie identifizieren. Phase 1: Seit der Übernahme des Kanzleramtes 1982 war der Stern von Helmut Kohl bis 1989 eher gesunken. Das Versprechen einer „geistig-moralischen Wende“, mit der die CDU in den 70er-Jahren zum Sturm auf die sozialdemokratische Mehrheit geblasen hatte, hatte die CDU zurück zur Regierung geführt. Aber von der geistig-moralischen Wende war im Laufe der Regierungsjahre nicht mehr allzu viel übriggeblieben. Demgegenüber hatte sich das linke politische Lager in Deutschland durch zwei Faktoren erneuert: Generationenwechsel in der SPD und Konsolidierung der Grünen als einer aus dem Fleisch der SPD geschnittenen Partei. Die Grünen behielten ihre linken Wurzeln, aber griffen zugleich ins bürgerliche Lager aus, wo sie auch Teile derer ansprachen, die von der CDU der Wende enttäuscht waren. Die 1968er-Generation stand langsam vor der politischen Machtübernahme. Mit der Wiedervereinigung erkaufte sich die CDU/ CSU-Regierung Zeit. Entgegen den Prognosen vieler Beobachter hielt ich – formuliert in einer längeren publizistischen Analyse – die Wiederwahl von Helmut Kohl 1994 daher trotz der weithin ausgebliebenen geistig-moralischen Wende für sehr wahrscheinlich (Kühnhardt 1994e, S. 3). Nach der deutschen Wiedervereinigung war die CDU die erste große deutsche Partei, die sich mit Grundsätzlichem beschäftigte. Das beeindruckte mich, auch wenn es faktisch vor allem ein Reflex auf den Kohl-Anspruch der geistig-moralischen Wende der 80er-Jahre war. Die bürgerlichen politischen Ideen befanden sich im gesellschaftlichen Sinkflug. Aber Kohl und die Seinen in der CDU meinten, jetzt sei die Chance, ja der Auftrag, um noch einmal durchzustarten, so wie man es in den frühen 80erJahren in Westdeutschland getan hatte. Ich gehörte zu den Stichwortgebern dieser Jahre (Kühnhardt 1990, S. 202 ff.). Am 27. September 1990 schrieb Jürgen Wahl im „Rheinischen Merkur“, ich hätte soeben in einem richtungsweisenden Buchbeitrag zum Maßstab des Christlichen in der Politik einen Katalog von Themen genannt, die aus dem christlichen Glauben erfasst und gemeistert werden könnten, aber auch aus einer „nur“ weltlichen Erfahrung: „Hilfe für die Ungeborenen, Befreiung von Frauen und Männern aus alten Rollen, Schutz der Umwelt und Kampf gegen deren Ausbeutung, Bewältigung des technischen Fortschritts mit Maßstäben des Humanen, Eintreten für die Menschen-

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rechte unabhängig von allen politischen Strukturen.“ Wahl meinte, auch wenn meine Liste im Spektrum der CDU eher als „links“ galt, so sei sie doch ein wichtiger Anstoß, denn: „Kohls Truppe hat Nachrüstung nötig.“ Einige Male versuchte ich mein Glück in der Beratung der CDU: 1989 war ich Gast der Zukunftskommission der CDU Niedersachsen. Am 1. Juli 1991 berief mich CDU-Generalsekretär Volker Rühe in den CDU-Bundesfachausschuss Entwicklungspolitik. Von 1992 bis 1994 gehörte ich als ständiger Gast der CDU-GrundsatzprogrammKommission an, die von Reinhard Göhner geleitet wurde. Bei den Sitzungen in Bonn (21. Februar, 20. März, 24. April, 22. Mai, 3.-4. Juli, 11. Juli 1992) und im Dezember 1992 in Berlin konnte ich fast alle damaligen CDU-Spitzenpolitiker kennenlernen und genau studieren, wie sie miteinander umgingen. Diskutiert wurde der Entwurf des ersten Grundsatzprogramms einer deutschen Partei nach der Wiedervereinigung. Bei einer Klausurtagung am 3.-4. Juli 1992 in der Karl-Arnold-Bildungsstätte in Bonn trugen sich Helmut Kohl, Generalsekretär Peter Hintze, Bundesgeschäftsführer Wilhelm Staudacher, Bundesgeschäftsführer, Reinhard Göhner, Maria Böhmer, Christoph Böhr, Heiner Geißler, Renate Hellwig, Roland Koch, Christine Lieberknecht, Angela Merkel, Friedrich Merz, Hans-Joachim Meyer, Claudia Nolte, Anton Pfeifer, Hans Reckers, Hannelore Röntsch, Christian Schwarz-Schilling, Erika SteinbachHermann, Christa Thoben, Klaus Töpfer, Rüdiger von Voss, Gustav Wabro, Matthias Wissmann und Christian Wulff neben mir in die Anwesenheitsliste ein. Ich saß mit der ersten Garde der CDU zusammen, darunter eine große Zahl von Bundesministern. Diesmal ging es um die Grundsätze der Partei. Bis 16 Uhr gab es eine Generalaussprache mit Helmut Kohl. Der Bundeskanzler wollte, dass das CDU-Profil in einer verständlichen Sprache geschärft wurde. Es gebe hohe Erwartungen engagierter Bürger an das „C“, wobei die christlichen Prinzipien selbstverständlich auch von Konfessionslosen geteilt werden können. „Zweitens“, führte Kohl aus, „müsse die Idee Europa offensiv vertreten und die Europäische Union als föderal, dezentral und regional dargestellt werden. Die Integration sei jetzt irreversibel zu machen, um die wiederaufkommenden Gespenster des 20. Jahrhunderts zu bannen“, hieß es im Protokoll der Sitzung. Man müsse die Wiederkehr von 1911 verhindern, sagte Kohl, die Wiederkehr einer Lage, in der Deutschland Europa beherrscht habe. Frau Thatcher denke wieder in Kategorien von Koalitionen. In Mitteleuropa rede man von Trianon. Deutschland sei infolge der Vereinigung mächtiger geworden und müsse daher die sorgenvollen Instinkte der anderen akzeptieren. Kohl plädierte für eine langsame, zielgerichtete Assoziation von Mittelosteuropa, aber dieser Prozess dürfe niemals bis nach Russland ausgreifen. Die EG-Entwicklung werde immer etwas ganz Eigenes bleiben. Die Debatte um Staatenbund oder Bundesstaat sei komplett akademisch. Roland Koch, der spätere hessische Ministerpräsident, führte bei der anschließenden Diskussion als erster in den Entwurf des Kapitels „Grundwerte und Grundlagen“ ein, an dem ich mitgewirkt hatte. Die Aussprache zum „C“ war lebhafter und anspruchs-

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voller als zum Thema Europa, wo weithin auf Stammtischniveau geredet wurde. Kohl setzte sich vehement dafür ein, das „C“ beizubehalten und zu erneuern. Ich wies auf ein ungelöstes Selbstverständnisproblem der Volksparteien hin, die beweisen müssten, dass sie überhaupt Motor des politischen Lebens in Deutschland bleiben wollen. Der Verweis auf das „C“ sei auch deshalb wichtig, weil diese Letztbindung die Politik entlaste. Ich forderte eine europäische Christdemokratie und setzte im Blick auf Ostdeutschland einen ökumenischen Akzent. Auch beteiligte ich mich an der Debatte um die kulturelle Identität der Deutschen und die Zukunft der Hochschulen. Kohl erzählte immer wieder Anekdoten und verwies ständig auf die 40er- und 50er-Jahre als Vergleichsmaßstab für die Lage in den 90er-Jahren. Er war gut gelaunt und verschlang große Mengen Sahnetorte. Alle anderen im Saal lauschten andächtig dem Übervater der CDU, auch seine gestandenen Minister hingen an seinen Lippen. Aber es fehlte der Runde ein geschärfter Blick auf die deutsche Zukunft, notierte ich mir an diesem Abend. Selbstzufriedenheit und Wirklichkeitsverdrängung sickerten in die Programmberatungen ein. Ich wurde gebeten, für die nächste Sitzung am 27. Juli 1992 Formulierungsvorschläge zum „C“, zur Vision der Einen Welt, zum Thema Europa und zu dem sich durch die Integration wandeln, den Staatsbegriff einzureichen. Im Entwurf für das Grundsatzprogramm der CDU, das mehr als ein Jahr in allen Gliederungen der Partei diskutiert wurde, fanden meine Textbausteine Eingang. Die Stichworte, die mir wichtig waren: Zeitenwende nach dem totalitären Jahrhundert. Das christliche Menschenbild. Letztbegründung verhindert Politiküberfrachtung und verpflichtet. Anspruch an sich selbst. Überkonfessionelle Dimension, christdemokratische Weltbewegung. Nicht Begründung, sondern Entfaltung des christlichen Bildes vom Menschen ist entscheidend. Die CDU als Partei der inneren Einheit und der politischen Einigung Europas. Sie müsse auch Partei der Einen Welt sein. Dann ging es mir um Zukunftsfragen: Bewahrung der Schöpfung. Folgen der Individualisierung. Grundsätze der Menschenrechte und der Demokratie. Globaler Kampf gegen Hunger und Armut. Förderung der Regeln und Grundsätze des Völkerrechts. Wirtschaftliche und politische Einigung der Völker Europas. Volkspartei plus Wertorientierung ergebe Regierungsfähigkeit, schrieb ich der CDU auf. Es gehe um Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dabei sei Religion eine Bedingung des Erhalts der modernen Welt. Schließlich lieferte ich noch Argumente für Rechtsstaat, Grundwerte, Subsidiarität und Solidarität sowie eine weltweite Umweltpartnerschaft. Zum Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms referierte ich unter anderem bei der Kreisversammlung der CDU Breisgau-Hochschwarzwald am 14. Juni 1993 in Breitnau und vor dem CDU Wirtschaftsrat am 9. Dezember 1993 in Freiburg. Ich wollte weiterhin unabhängig von CDU-Strömungen Positionen beziehen. Das ging nicht ohne Kontroversen. Bei einem Bergedorfer Gesprächskreis am 23./24. Januar 1993 im Berliner Schloss Bellevue führte ich in Anwesenheit von Bundes-

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präsident Richard von Weizsäcker einen recht ruppigen Disput mit Antje Vollmer von den Grünen, die meine kritischen Argumente zu den Folgen der 1968er-Bewegung auf die innere Stabilität der deutschen Demokratie naturgemäß überhaupt nicht schätzte (Kühnhardt 1993a, passim). Angesichts von Fehlentwicklungen in der deutschen Demokratie plädierte ich damals für eine Wahlrechtsreform mit Einführung des Mehrheitswahlrechts. Die Enttäuschung über die deutschen Parteien war offenbar am Wachsen. Ernsthafte Debatten wanderten immer häufiger von der Sphäre der Parlamente aus in die Talkshows des Fernsehens. Faktisch gab es schon 1993 eine unerklärte Große Koalition von CDU und SPD. Der offiziell gewünschte Koalitionspartner der CDU, die Liberalen, tolerierte diese Folge des deutschen Föderalismus. Ein mehrheitsbildendes Wahlrecht hätte Vorteile, argumentierte ich. Die Unterschiede zwischen Regierung und Opposition würden wieder deutlicher. In Zeiten tiefgreifenden Wandels sei dies eine hilfreiche Gegenüberstellung, die Rechenschaftspflichtigkeit und Kontrolle erhöht. Politik würde wieder politischer. Das gegenwärtige Verhältniswahlrecht mit starken Parteilisten schaffe semi-feudale Besitzstände für die politischen Parteien – ich hätte es nie zu einem Parteisoldaten bringen können (Kühnhardt 1993b). Wie nicht anders zu erwarten, stieß ich bei den beiden großen deutschen Parteien auf Widerspruch. Wolfgang Schäuble, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, schrieb mir am 18. Juni 1993, die Auseinandersetzung mit einer Wahlrechtsreform mache keinen Sinn, da dadurch der Bürgerunmut über „die“ Politiker nur noch weiterwachsen dürfte. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Rüttgers schrieb mir am 26. Mai 1993, die Mega-Komplexität der gerade wieder einmal aktuellen Themen (Pflegeversicherung, Abtreibung, Asylreform, föderales Konsolidierungsprogramm) würden komplexes politisches Handeln verlangen, das durch eine Veränderung der Zusammensetzung des Bundestages auch nicht gestärkt werden würde. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt wich in einem Brief an mich vom 6. Juli 1993 geschickt aus mit dem Hinweis, über die von mir vorgebrachten Argumente für eine Wahlrechtsreform „werde ich nachdenken“.22 Ich überblickte damals noch nicht, dass der Zug zur mega-pluralistischen Ausfransung westlicher Gesellschaften unaufhaltsam war und mithin ein entsprechendes Wahlrecht als logische Konsequenz unvermeidlich. Zwei Jahrzehnte später aber mussten infolgedessen nicht wenige westliche Länder mit Minderheitenregierungen und identitätspolitisch angetriebenen Parteiformationen zurechtkommen. Die Geister, die die Maximierung des ­politisch-kulturellen

22 Ich hatte bei meiner Argumentation nicht nur die deutschen Verhältnisse im Auge, sondern verglich sie auch mit der Lage in anderen westlichen Demokratien. Daher argumentierte ich für die Vorzüge des Mehrheitswahlrechts beispielsweise auch bei verschiedenen Vorträgen und Rundfunkinterviews in Neuseeland im September 1993 (Radio 1YA, Morning Report, 8. September 1993 und 9. September 1993, Radio Pacific, 8. September 1993 und 14. September 1993). In Neuseeland stand ein Referendum vor der Tür, bei dem schließlich das mehrheitsbildende angelsächsische Wahlrecht gekippt und ein dem deutschen Modell ähnliches Verhältniswahlrecht eingeführt wurde.

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Pluralismus und die demokratische Unverbindlichkeit des parlamentarischen Regierungsmodells hervorgerufen hatte, waren nicht mehr zu bremsen. Sie richteten sich nun nicht selten ausgerechnet gegen die, die es sich zwei Jahrzehnte zuvor ganz anders erhofft hatten. Für den 29. März 1993 lud mich CDU-Generalsekretär Peter Hintze zu einer Gesprächsrunde in Bonn ein mit der Bitte um Ratschläge zur „Fortentwicklung einer inhaltlich-strategischen Grundlinie“ im Blick auf das Wahljahr 1994. Fast wäre in dieser Zeit aus meinem grundsatzpolitischen Engagement für die CDU eine parteipolitische Karriereabbiegung entstanden. Der von mir sehr geschätzte Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans-Peter Repnik, fragte mich am 27. Juli 1993, ob ich bereit wäre, Mitglied des CDU-Landesvorstandes Baden-Württemberg zu werden. Damit wäre ein Funktionärsweg in die Politik vorgezeichnet worden, gegebenenfalls mit Mandatsübernahme zu einem späteren Zeitpunkt. Ich lehnte dankend ab. Meinen Nutzen für die deutsche Demokratie sah ich im Bereich der intellektuellen und wissenschaftlichen Zuarbeit als größer an als auf der Spur, die vermutlich durch bedingungslose Parteiloyalität und ihre Kehrseite, einschließlich der Intrigen und Grabenkämpfe unter „Parteifreunden“, bestimmt gewesen wäre. Noch war die CDU auf Erfolgskurs. Aber erste Abstiegssymptome waren schon unübersehbar. Die Sorgen über das Ausfransen des rechten Randes wuchsen. Am 19./20. November 1993 wurde ich zu einer Tagung der CDU-Landtagsfraktion BadenWürttemberg zum Thema Rechtspopulismus nach Baden-Baden gebeten. In Anwesenheit mehrerer Professorenkollegen gab ich eine vergleichende Einschätzung der Entwicklungen in Ost-Mitteleuropa. Neben Landtagsabgeordneten waren auch Mitarbeiter der CDU-Fraktion anwesend, darunter Susanne Eisenmann, Beraterin des mir gut bekannten Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Günther Oettinger. Damals begann eine Professionalisierung der Politik, zu deren Schwächen es gehörte, dass die Selbsterneuerung in Ämtern immer häufiger nur noch durch vormalige Mitarbeiter wichtiger Politiker erfolgte. So wuchs die Gefahr, dass man in Parteizirkeln immer mehr unter sich blieb. Susanne Eisenmann wurde 2016 Kultusministerin in der grün-schwarzen Landesregierung und scheiterte 2020 als Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin von Baden-Württemberg. Für mich war in den 90er-Jahren klar, dass politische Handlungsfähigkeit und konzeptionelle Glaubwürdigkeit zusammengehören müssen (Kühnhardt 1993c). Beim CDU-Bundesparteitag, der vom 20. bis 23. April 1994 in Hamburg stattfand, wurde das Grundsatzprogramm beschlossen. Ich freute mich, dass viele meine Formulierungen in den mir wichtigen Bereichen nun Parteidogma geworden waren. Helmut Kohl bat mich in Hamburg zu einem langen Gespräch hinter die Kulissen des Parteitagsrummels. Er polterte gegen alle, die noch immer „verdrießlich“ seien, eines seiner Lieblingswörter. Er war bester Laune, während um ihn herum eher Selbstzweifel zu hören waren. Wie von mir erwartet, gewannen am 16. Oktober 1994 Helmut Kohl und die CDU noch einmal, zum vierten Mal in Folge, die Bundestagswahl.

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Abb. 4.31   Nach meiner Rede auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe mit (von links) Wolfgang Frühwald, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bundeskanzler Helmut Kohl, Hubert Markl, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, und Forschungsminister Jürgen Rüttgers (1995). (© Ludger Kühnhardt)

Ein Jahr später, am 17. Oktober 1995, stand ich auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe am Rednerpult. Auf dem 7. Parteitag der CDU Deutschlands sollte ich über Glück, Freiheit und Verantwortung sprechen (Kühnhardt 1995b). Ich tat nicht mehr, als die CDU an ihren Markenkern zu erinnern. Zu meiner Überraschung erhielt ich pausenlosen Zwischenbeifall und, wie das stenografische Protokoll vermerkte, „anhaltenden Beifall“ am Ende meiner Rede. Ich wusste wohl um die Flüchtigkeit von Stimmungen und die Wirkungslosigkeit ihres Echos. Aber, so schien es vielen Beobachtern und Delegierten, ich hatte offenbar die Herzen der 1000 Delegierten getroffen. Bundeskanzler Kohl war mit sichtlichem Vergnügen der Rede gefolgt und beglückwünschte mich anschließend sofort mit Handschlag und einem kurzen „sehr gut“. Mit dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Frühwald, und dem Präsidenten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Hubert Markl, den beiden anderen Referenten des Parteitags aus der Wissenschaft, sowie „Zukunftsminister“ Jürgen Rüttgers stellte ich mich zu einem Erinnerungsfoto zu Helmut Kohl. Der Kanzler war bestens gelaunt und erzählte zwei für ihn typische Anekdoten: In Trier sei er vor einigen Monaten auf der Straße von Jugendlichen blöd angeredet worden. Am anderen Ende der Stadt hätten sie wieder gestanden. Er sei auf sie zugegangen und habe gefragt, was sie auf

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dem Herzen haben. Sie hätten zehn Minuten gejammert. Er habe diskutiert, schließlich seien sie gegangen. Ob sie CDU wählen, wüssten sie nicht, aber ihn, Kohl, könnten sie schon wählen. In Berlin, auf dem Ku’damm, so erzählte er eine weitere Geschichte, sagten ihm Jugendliche, sie kämen aus Koblenz. Er wisse wahrscheinlich gar nicht, wo dies liege. Er fragte sie dann nach den ältesten historischen Gebäuden in der Stadt. Das Gespräch wurde stockend. Bei der Frage, wer denn Joseph Görres war, nach dem ihre Schule benannt war, wussten sie nicht mehr weiter. Wochen später erhielt der Kanzler einen langen Brief mit beigefügter Schülerzeitung: „Wie wir uns beim Bundeskanzler blamierten.“ Er wisse stets, ob Schulklassen einen soliden Lehrer oder einen '68erTyp haben, wenn er Schulklassen im Kanzleramt begrüße, sagte der Kanzler, der seine Deutschen gerne ein wenig nach Gutsherrenart taxierte. Bei Staatsbesuchen gehe er zuweilen während der Protokollzeremonien mit dem Gast zu den wartenden Schülern. Jene mit antiautoritären Lehrern würden zumeist nicht einmal den Mund aufkriegen, um zu sagen, aus welcher Stadt sie kämen. Leadership und Autorität seien eben entscheidend, um junge Menschen zu prägen, war für Kohl eindeutig klar. Nicht alle Granden der CDU waren von meiner direkten Art, die CDU an ihren Markenkern zu erinnern, angetan. Heiner Geißler meinte zu mir, es sei eine die Leute packende Rede gewesen. Mit meiner kritischen Bewertung des Kruzifix-Urteils durch das Bundesverfassungsgericht sei er aber nicht einverstanden: Jesus zwinge uns dazu, Asylanten mehr zu helfen und nicht die formale Kreuzanbringung im öffentlichen Raum zu postulieren – so als sei dies ein Gegensatz, den ich überdies in meiner Rede in keiner Weise konstruiert hatte. Rita Süssmuth schoss auf mich zu, sie widerspreche mir in zwei Punkten: Meine ironisch-kritischen Worte über Doppelverdiener bedeute entweder Eheverbot oder Frauenverbot im Job. Wo hätte ich dieses je gesagt, fragte ich zurück? Sie ging gleich zum zweiten Punkt über: Die Forderung nach einem sozialen Pflichtjahr verlange eine Änderung des Grundgesetzes und sei nur bei Staatsnotstand zu rechtfertigen. Ich verwies auf den Gemeinsinn gerade in Zeiten der Normalität. Christian Wulff sagte zu mir, es sei eine fabelhafte Rede gewesen. Hinter meinem Rücken soll er ganz entschieden anders gesprochen haben, trug mir später jemand zu. Norbert Blüm widersprach meinen Überlegungen zur Weiterentwicklung des Sozialstaates in einer geradezu clownesken Parteitagseinlage mit der ihm eigenen Leidenschaft. Hatte er mir wirklich zugehört? Auch bei ihm gab es wieder tosenden Beifall im Saal. Auf Beifall konnte ich also nichts geben. Stimmungsschwankungen hatten die politische Arena längst bei allen Parteien in den Griff genommen. Die CDU jubelte Kohl zu, war aber schon innerlich auf dem Weg, eine andere Partei zu werden und sich dabei auf halber Strecke noch selbst zu zerlegen. Journalisten gewannen in Karlsruhe den Eindruck, ich würde bald auf einer Landesliste für ein Mandat im Deutschen Bundestag zu finden sein. Nichts aber lag mir damals inmitten der CDU-Jubelperser ferner. Längst stand die nächste Welle der Rhythmen der Politik mit neuen politischen Generationen vor der Tür. Auf mich warteten gänzlich andere wissenschaftliche Aufgaben im Sinne von Glück, Freiheit und Verantwortung. Phase 2: Mit dem Triumph von Gerhard Schröder und Joschka Fischer über Helmut Kohl bei der Bundestagswahl 1998 endete auch schon wieder der späte Sieg der Altachtundsechziger. Längst standen die Kinder dieser Revolution in den Startlöchern, bei den

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Grünen noch mehr als bei der SPD. Zugleich blieb die deutsche Sozialdemokratie zerrissen zwischen ihrem Triumph über die Machtpartei CDU und dem inneren Hang zur Daueropposition. Nicht wenige in der SPD opponierten am stärksten gegen sich selbst. Auch das war vielleicht eine Ausdrucksform der grassierenden Entideologisierung. Mit einem kleinen Teil der CDU verblieb ich für einige Zeit in der Illusion, das Pendel werde irgendwann wieder in erprobter Normalität zurückschlagen zu den Traditionslinien, die von Adenauer bis Kohl geschlagen worden waren. Aber Politiksubstanz und Politikstil in der deutschen Demokratie änderten sich grundlegend: Grundsätze und Ordnungsdenken wurden in allen Parteien mit Ausnahme der Grünen abgelöst durch Pragmatismus und Brüche mit dem Bisherigen. Da in Deutschland Revolutionen, wenn sie erfolgreich sein sollen, immer in den Institutionen und nicht gegen oder neben ihnen verlaufen, blieb für eine Weile unbemerkt, was am Ende folgerichtig wurde. Meine 1994 publizierte Theorie über Rhythmen der Politik und den Wechsel politischer Generationen wurde vollauf bestätigt. In diesen Jahren gab ich immer wieder recht unterschiedliche Impulse zu Diskussionen über die deutsche Demokratie. Dazu gehörte auch ein neues Thema: Das Verhältnis der Medienentwicklungen zur Bildungsfrage, über das ich auf einer internationalen Konferenz referierte, die Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers am 9. September 1996 auf dem Petersberg bei Bonn unter dem Titel „MachtInformation“ durchführte. Dort traf ich unter anderem Carlo de Benedetti, den Präsidenten von Olivetti, den Verleger Hubert Burda und den belgischen Informatiker Robert Cailliau, einen der Erfinder des World Wide Web, das seit gerade einmal drei Jahren dabei war, die Welt der Kommunikation - und damit die Welt selbst - zu revolutionieren. Ich sprach zum Thema „Wieviel Bytes verträgt der Staat“ (Kühnhardt, 2000b, S. 177–184). Mehr Information bedeute mehr Demokratie, aber der Staat müsse die Rahmenbedingungen für den Weg in die Informationsgesellschaft setzen, sagte ich Jahrzehnte vor dem Hype um die Kontrolle von Google, Facebook und Co. Am Ende der Konferenz sprach James Wolfensohn, der Präsident der Weltbank. Er beeindruckte mich schon mit dem Titel seines Vortrags: „Ist Bangalore die virtuelle Vorstadt von Frankfurt? Das digitale Prinzip verändert die Weltwirtschaftsstrukturen so nachhaltig wie die Erfindung der Dampfmaschine.“ Ich war in dieser Zeit immer wieder Gesprächspartner von Journalisten, so beispielsweise von Andrew Nagorski, der meine Einschätzung, dass Schulen und Universitäten Achillesferse der Modernisierung Deutschlands seien, in „Newsweek“ (8. Dezember 1997) zitierte. Von 1998 bis 2002 wirkte ich im Kuratorium des Schülerwettbewerbs „Deutsche Geschichte“ der Körber Stiftung mit. Ich wollte nicht unmittelbar wahrhaben, was unausweichlich kommen musste. Der Verzicht auf jegliche bürgerliche Gesellschaftspolitik rechts von der Mitte und jede soziale Erdung links von der Mitte wurden paradoxerweise zum ultimativen Triumph der antitotalitären Erneuerung Deutschlands. Man hätte auch zugespitzt sagen können: Relativismus wurde zum unvermeidlichen Höhepunkt der Erfolgsgeschichte über die gescheiterten nationalsozialistischen und kommunistischen Ideologien in Deutschland. Wer sich dessen am schnellsten und zielgerichtesten bewusst wurde, konnte ab den späten 90er-Jahren die Machtfrage für sich entscheiden, solange nicht der unvermeidliche Wechsel politischer Generationen schon wieder neue Themenpräferenzen und Konfigurationen politischer Loyalitäten erzeugen mussten. Gerhard Schröder war der erste Instinktpolitiker der

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Machtbehauptung, der sich diese Veränderung zunutze machen konnte. Seine SPD unterwarf er sich mit einem lautstarken „Basta“. Angela Merkel folgte ihm als entschiedene Rationalistin von Machtgewinn und Machterhaltung, die von Kohl genug gelernt hatte, um seine Ära in der CDU zu überwinden. Sie vereinte darüber hinaus als Dialektikerin der Macht die Deutschen in Ost und West auf geschickte Weise mit sich selbst, allein, um am Ende Deutschland doch wieder gespaltener zu hinterlassen als sie es vorgefunden hatte. Als am 7. November 1998 Helmut Kohl in Bonn als Parteivorsitzender der CDU verabschiedet wurde, mit Tränen in seinen Augen, wurde Wolfgang Schäuble sein Nachfolger. Angela Merkel wurde Generalsekretärin der CDU. Mit Annette Schavan, Christian Wulff, Roland Koch und Arnold Vaatz rückte die nächste Generation ins Präsidium der CDU nach. Volker Rühe und Matthias Wissmann verkörperten einstweilen noch eine Kontinuität, die in die Zeit meiner politischen Sozialisation in den frühen 1970er-Jahren zurückreichte. Als Zaungast beobachtete ich das Geschehen: Helmut Kohl saß wie ein Denkmal auf seinem Platz, stundenlang, ruhend in sich selbst. Gegen Abend sah ich Christoph Böhr lange neben ihm sitzen. Später erzählte Böhr mir, er habe dies getan, weil keiner mehr mit Kohl sprechen wollte. Macht macht einsam, Machtverlust noch mehr. Ich streckte an diesem Abend dem Kanzler der deutschen Einheit die Hand entgegen, die er lächelnd und schweigend ergriff, und sagte zu ihm: „Danke für alles, was Sie für unser Land und Europa getan haben. Ich werde Ihre Botschaft nicht vergessen.“ Von 1999 bis 2005 arbeitete ich im Bundesfachausschuss Europapolitik der CDU weiter mit. Elmar Brok, Abgeordneter im Europäischen Parlament, leitete den Ausschuss in der ihm eigenen energisch-vorwärtsstürmenden und stets freundlichen Art. Er stand ohne jeden Zweifel in der Kontinuität des europapolitischen Denkens von Helmut Kohl. Aber ansonsten? Die Europafreunde und, vor allem, die Europakenner in der CDU wurden immer weniger. Gleich bei der ersten Sitzung am 18. Juni 1999, noch in Bonn, gab ich zu Protokoll, die CDU müsse deutsche Europapartei bleiben, was offenbar nicht mehr so selbstverständlich war. Im Magazin „Focus“ bekräftigte ich mein Petitum auch öffentlich (Kühnhardt 2000c, S. 100). Die CDU nach Kohl müsse die Debatte um EU-Kompetenzen verbinden mit der eigenen Profilbildung. Laut dem Protokoll der Sitzung schlug ich ein europäisches Wahlrecht vor, europäische Listen und eine europaweite Programmatik der christlich-demokratischen Parteien. Vertreter der CDU-Schwesterparteien aus dem Spektrum der Europäischen Volkspartei sollten, so eine weitere Anregung von mir, zu Sitzungen des Bundesfachausschusses Europapolitik der CDU eingeladen werden. Mir schien, auch in diesem Kreis schmorte man lieber im eigenen Saft und war sich und seiner Geschichte zunehmend selbst genug. Die Themen, die ich vorgedacht hatte, standen noch mehr als 20 Jahre später unerledigt auf der Tagesordnung der Politik. Am 24. September 2000 fragte mich der rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Christoph Böhr während eines unserer seit vielen Jahren geführten regelmäßigen Gespräche in Trier, ob ich mir vorstellen könnte, einmal die Seite der wissenschaftlichen Begleitung mit der aktiven Beteiligung in der Politik zu wechseln. Er bat mich, als Mitglied seines Wahlkampfteams für die Landtagswahlen im März 2001 zur Verfügung zu stehen. Wir beide sahen diesen Anlauf als den letzten möglichen Versuch, eine an Grundsätzen orientierte CDU-Politik in der Kontinuität von Kohl fortzuführen und für

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den bisherigen Markenkern der CDU doch noch einmal an den Wahlurnen eine Mehrheit zu gewinnen. Mit einer Rede über die Perspektiven der Europäischen Union auf dem Landesparteitag der CDU Rheinland-Pfalz am 5. Dezember 1998 und mit einem Festvortrag bei der CDU Trier am 1. Oktober 1999 unter dem Titel „Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer: Wieviel ‚Europa‘ verträgt Deutschland?“ hatte ich meine inhaltliche Visitenkarte abgegeben. Christdemokratische Politik müsse heute heißen: Eine proaktive Europapolitik, die bereit ist, dicke Bretter bis zu einer vollständigen Politischen Union zu bohren, die die Osterweiterung zügig voranbringt und die ein Abrutschen zurück in nationale Souveränitätsträumereien verhindert. Am 8. November 2000 philosophierte ich in Düsseldorf mit dem CDU-Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, wie das Leben in Nordrhein-Westfalen, dem wichtigsten Zivilisations- und Zukunftslabor Deutschlands, wohl in 50 Jahren aussehen könnte. Rüttgers Credo: Die Menschlichkeit sichern. Für die geistige und programmatische Erneuerung der CDU seien, so Rüttgers, fünf Jahre notwendig. Jetzt müsse begonnen werden. Ich sah dies als Ermutigung, es für einmal mit einem parteipolitischen Engagement in Rheinland-Pfalz zu versuchen. Gehörte das nicht zu den Aufgaben eines der Verfassungsordnung verbundenen Bürgers dazu? Ich suchte Rat, auch bei der CDU-Bundesvorsitzenden.

Abb. 4.32  Mit Christoph Böhr, Vorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz und der dortigen CDULandtagsfraktion, in Trier (1999). (© Ludger Kühnhardt)

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Angela Merkel kannte ich seit der gemeinsamen Arbeit in der CDU-Grundsatzkommission 1992 bis 1994. Sie trat dort immer diszipliniert und irgendwie unnahbar auf. Sie beobachtete genau und sprach gestochen, jederzeit sachlich, korrekt und angenehm uneitel. Sie lernte besser als jeder andere in dieser Runde von Schwergewichten der CDU, die als Profis der Politik verstanden, wie die Mechanismen der Macht funktionieren. Danach traf ich sie einige Male in einem von ihr und Christoph Böhr initiierten Gesprächskreis, so am 17. Januar 1995, um die in Hamburg finalisierte Grundsatzdiskussion weiterzuführen. Sieben Jahre lang diente sie Helmut Kohl loyal als Ministerin. Sie zielte aufs Ganze. 1998 hatte sie genug von Helmut Kohl gelernt, um als Generalsekretärin der CDU Teil des Teams um Wolfgang Schäuble zu werden, dass Kohl in der Führung der CDU ablöste. Am 22. Dezember 1999 rief sie per Zeitungsartikel dazu auf, die CDU müsse sich endgültig von Kohl lösen. Am 1. April 2000 entmachtete sie dann auch Wolfgang Schäuble als Vorsitzenden der CDU. Am 30. November 2000 traf ich die CDU-Vorsitzende wieder einmal zu einem längeren Gespräch in Berlin. Eingangs fragte sie freundlich, aber mit der ihr eigenen zurückhaltenden Reserviertheit, wie es mir gehe. Die Nachricht von der Geburt meines Sohnes Stephan zwei Tage vor unserem Gespräch nahm sie eher unterkühlt zur Kenntnis. Ihr ging es sofort um Berufliches und Politisches. Merkel meinte geradeheraus und zu meiner Überraschung, die CDU müsse den neuen gesellschaftlichen Realitäten in Deutschland Rechnung tragen. Vor allem der alte Familienbegriff gelte nicht mehr uneingeschränkt. Die CDU müsse sich diesbezüglich ändern. Ich war für einen Moment sprachlos. Sie erläuterte mir, dass Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach ihr geschildert habe, Werte seien in der deutschen Gesellschaft weiterhin nicht „in“. Daher müsse die von ihr geführte CDU im Kern auf Wirtschaftsthemen setzen. Dazu wolle sie die Themen Staatsverschlankung, flachere Hierarchien und Bürokratieabbau besetzen. Sie übergab mir eine kleine Schrift, die sie zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft verfasst hatte. Familie kam darin nur in einem Satz unter dem Titel „Steuererleichterungen für Familien mit Kindern“ vor. Merkel dachte gouvernemental, staatsorientiert, preußisch. Der Unterschied der Oppositionsarbeit zum Regieren, so sagte sie mir, bestehe darin, dass man nicht mehr „gegenrechnen“ müsse, wenn man etwas fordere. Ich empfand, dass sie nicht frei war von der Gefahr, Schröders Beliebigkeitsstil auf den Leim zu gehen und auch ihrerseits zu sehr nach dem Zeitgeist zu schielen. Hatte sie eine eigene Gesellschaftskonzeption? Mir schien dies nicht der Fall zu sein. Ironisch bemerkte ich später verschiedentlich, an diesem Tag sei mir klargeworden, Angela Merkel sei nicht als normaler Mensch auf die Welt gekommen, sondern sie sei am Kabinettstisch von Helmut Kohl geboren worden. Leben begann für sie mit dem Regieren. Angela Merkel taxierte mich genau, wollte haarklein wissen, mit wem in der CDU ich in engerer Verbindung stehe. Beziehungen dachte sie jederzeit in Machtbezügen, gerade auch im Blick auf die Menschen um sich herum. Einen fügsamen Parteisoldaten hatte sie an diesem Tag und auch sonst niemals vor sich. Immerhin gratulierte Angela Merkel mir bald nach unserem Gespräch doch noch schriftlich zur Geburt meines Sohnes und wünschte ihm mit einem Schreiben an mich vom 28.

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Dezember 2000 „Glück und Fröhlichkeit ebenso wie Gottes Segen auf seinem Lebensweg“. Und ein gutes Jahr 2001. Am 1. März 2001 stellte Christoph Böhr Michael Wolffsohn, meinen geschätzten jüdischen Kollegen aus München, und mich als Mitglieder seines „Kompetenzteams“ vor, zunächst der CDU-Landtagsfraktion von Rheinland-Pfalz, dann der Mainzer Presse. Freundliche Begegnung in der Landtagsfraktion mit Kreuz und Adenauer-Portrait an der Wand. Höflich-zurückhaltende Stimmung unter den Journalisten. Die Nachfrage nach einem richtigen „Schattenkabinett“ beantwortete ich damit, es gebe schon ein Schattenkabinett in Rheinland-Pfalz. Die amtierende Regierung von Kurt Beck sei ein Schatten ihrer selbst und für deren Ablösung arbeite ich jetzt gerne mit. Ich legte für das Pressegespräch Thesen vor, sprach über die Ressource Bildung und darüber, dass Rheinland-Pfalz in der Kernzone Europas hinter seinen Möglichkeiten herhinke. Ich sprach über die europäische Bestimmung der Region, die gerade in der Bildungsund Wissenschaftspolitik stärker aktiviert werden müsse. An drei oder vier Standorten sollte ein gemeinsamer Abschluss mit europäischen Partneruniversitäten möglich sein. Wir bräuchten ein Netzwerk europäischer Universitäten. Wissenschaft müsse auch Auskunft geben über die Wege der Welt von morgen. Es dauerte bis 2017, ehe Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Idee eines Netzwerks europäischer Universitäten wieder aufgriff. Am 2. März 2001 titelte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Kühnhardt: Rheinland-Pfalz soll ‚Bildungslandschaft‘ werden.“ Die Stimmung in der CDU war schlecht. Ich fand, gerade jetzt benötigte die CDU, sowie ich sie mir wünschte, Bekenntnis. Christoph Böhr erschien mir der seriöseste und tiefgründigste Politiker, den die CDU aufzubieten hatte. In einer Welt zunehmender postmoderner Beliebigkeit musste man noch einmal Bekenntnispolitik in der Art versuchen, wie dies Deutschland nach Hitler gutgetan hatte. Noch schien es mir zu früh, den Totenschein für christlich-demokratisches Denken und Handeln auszustellen. Auf dem CDU-Landesparteitag in Ransbach-Baumbach am 3. März 2001 war plötzlich wieder Aufbruchstimmung mit Händen zu greifen. Christoph Böhr war zupackend, kämpferisch und siegeswillig wie nie zuvor. Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker war Gastredner und amüsierte sich, als ich ihm voraussagte, er werde der erste echte Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2004. Dass es zehn Jahre später so kommen und Juncker anschließend Präsident der Europäischen Kommission werden würde, war an diesem kleinen Ort im Westerwald schon damals für mich nur eine Frage der Zeit. Der Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz, trug eine solide gesellschaftspolitische Gesamtkonzeption vor und forderte einen eindeutigen Prioritätenwechsel in der CDU zugunsten von Familien mit Kindern. Friedrich Merz und ich verstanden uns stets gut, reichte unsere Bekanntschaft doch in die gemeinsame Zeit in der westfälischen Schüler Union Anfang der 70er-Jahre zurück. Am 12. März 2001 holte ich mir in Berlin europapolitischen Rat bei Wolfgang Schäuble. Entspannt, am frühen Abend leicht ermüdet, entbunden des früheren Drucks

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seiner Ämter, begrüßte er mich. Sein weißes, mit Computer versehenes Büro war gegenüber dem ehemaligen Preußischen Kultusministerium untergebracht, von dem zur Bismarck-Zeit der Kulturkampf zwischen Protestanten und Katholiken ausgegangen war. Geschwind und mit ausgestreckter Hand kam Schäuble mir im Rollstuhl von seinem Schreibtisch entgegen. Für eineinhalb Stunden saßen wir, er im Pullover, an seinem Tisch nebeneinander. In der gewohnten Manier reckte er sich immer wieder, um den gefesselten Körper an die schnellen Bewegungen seines Geistes anzugleichen. Schäuble meinte, nach allem, was in den letzten eineinviertel Jahren geschehen sei, bleibe er Optimist. Der Vertrauensverlust für die CDU nach der Spendenaffäre, dem Denkmalsturz von Kohl und schließlich von ihm selber bleibe für längere Zeit enorm. Andererseits sei der Zuspruch der Jungen ungebrochen. Schäuble berichtete mir, dass er mit der CDU/CSU-Fraktion bis zur Sommerpause 2001 den Entwurf für einen europäischen Verfassungsvertrag erarbeiten wolle. Die Kompetenzabgrenzung könne niemals perfekt sein, aber sie werde natürlich ein Thema sein. Er befürwortete ein Verfahren, das vor den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament 2004 zum Abschluss kommen könnte. Über einen Europäischen Verfassungsvertrag müsse es in Deutschland am Ende wohl ein Referendum geben. Ich war mehrfach als Wahlkämpfer „an der Basis“, wie es so schön heißt, in Rheinland-Pfalz unterwegs, auch im Straßenwahlkampf. Am 19. und 20. März 2001 zog ich vom Marktplatz in Rockenhausen in der Nordpfalz zu Universitätsgesprächen über ITFragen nach Kaiserslautern, von einer Betriebsbesichtigung in Ransbach zu Medienterminen und einer Diskussion beim Deutsch-Türkischen Forum in Mainz. Ich wollte Impulse zur Wiederentwicklung einer subsidiär und von der Familie her gedachten gesellschaftspolitischen Gesamtkonzeption der Christlichen Demokraten geben. Erst später wurde mir bewusst, dass Beliebigkeit gegenüber christdemokratischen Kerngedanken und die Gewöhnung an eine kulturell andere Republik längst auch in CDUnahen Milieus und fast noch deutlicher in Kreisen von CDU-Funktionären grassierte. Am 23. März 2001 veröffentlichte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ein hochironisches Porträt des Wahlkampfes unter dem Titel „Ach so, Sie sind Professor“, Untertitel: „Dann klingt Wahlwerbung anders“. Christoph Böhr wurde mit Vergleichen zur Atlantis-Fabel von Francis Bacon karikiert. Politik übertrage er offenbar den Experten. Es sei aber naiv, in Rheinland-Pfalz ein Neu-Atlantis schaffen zu wollen. Böhr, der „Denker und Perspektivenentwickler“, sei offenbar nicht in der Lage, zu erkennen, dass die kleinen Leute in Rheinland-Pfalz von solchen hochtrabenden Ideen wenig wissen wollen. Die Seeleute bei Bacon landeten schließlich auf der Insel Bensalem, die seit Langem gegen eine Wasserwüste angekämpft hatte. So sei es wohl auch bei Böhr. Die Insulaner in Francis Bacons Dystopie vereinte ein gestrenges Christentum. Dazu „passt die Bestallung von Kühnhardt zum Bildungsberater perfekt ins Bild“. Ich sei „ein Zusammenhalter, ein nach dem Wesenskern Bohrender, den mächtige Zentripetalkräfte stets zum Mittelpunkt hinstoßen“. Mein Lebenslauf und meine wissenschaftlichen Wortmeldungen wurden ironisch seziert. Meine „Kritik am Don’t worry be happy-Pluralismus könnte beim Erziehungsprogramm der CDU Rheinland-Pfalz anfangen“. Das sei

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der Inbegriff an Unverbindlichkeit. Der etwas altkluge Autor sah voraus: Die Theorie der Rhythmen der Politik könnte sich bewahrheiten, aber anders als Böhr, Wolffsohn und ich damals naiv hofften. Die CDU Rheinland-Pfalz werde mindestens zehn Jahre in der Opposition verweilen, prognostizierte er. In dieser Hinsicht stimme meine Theorie dann also, so endete ein gewisser Stephan Kuss seinen bitterbösen, aber intelligenten Feuilleton-Artikel (Kuss 2001). Man muss so etwas aushalten, wenn man sich in der Demokratie in die Arena begibt. Wissenschaftlich und auch persönlich schadete mir seine immerhin kluge Abrechnung nicht. Auch Professoren durften, ja sollten gelegentlich einmal Wahlkampf machen in der deutschen Demokratie. Das Ergebnis der Landtagswahl am 25. März 2001 war eindeutig. Die SPD gewann 4,9 % dazu und erhielt 44,7 %. Die CDU verlor 3,4 % und erhielt mit 35,3 % das schlechteste Wahlergebnis nach dem Zweiten Weltkrieg in einem traditionell konservativen Land, der Heimat von Helmut Kohl. Mit Michael Wolffsohn, meinen Kollegen, blieb ich auf einer freundschaftlichen Wellenlänge verbunden. Für uns beide war der Ausflug an die Pforten eines Ministeramtes ohne Blessuren für unsere weitere akademische Arbeit zu Ende gegangen. Noch Jahre später adressierte Michael Wolffsohn mich in einer E-Mail vom 4. Juni 2017 in dem ihm üblichen spöttisch-freundlichen Ton mit „lieber deutlich jüngerer Kumpel“. Christoph Böhr, mit dem ich in den Tagen nach der Wahlniederlage 2001 lange Gespräche führte, war erschöpft, enttäuscht, kraftlos. Sein Weg, sein Politikverständnis stand wohl erst am Anfang einer langen Durststrecke. Gegen den Zeitgeist, auch in der CDU, war kaum mehr anzukommen. Dennoch durfte man nicht aufgeben, wenn man Selbstachtung bewahren wollte, so dachte ich damals. Zwischen 2002 und 2006 stand ich Christoph Böhr als Mitglied der CDU-Wertekommission noch einmal unterstützend zur Seite. Unsere Diskussionen in Berlin wurden allein schon durch die Atmosphäre der Stadt, die mir immer fremder wurde, gebrochen. Spott ging mir durch den Kopf: Berlin, Kulisse, wo ist Dein Ziel? Auch die CDU war dabei, ihre gesellschaftspolitischen und programmatischen Ziele zu verlieren, besser gesagt: Endgültig auf die Frage des Machterhalts in einer sich diffus entwickelnden Gesellschaft zu verlagern. Die Wertekommission der CDU diskutierte Globalisierungsfragen. Ich drängte auf eine echte globale, weltumspannende Sicht auf die vor uns liegenden Fragen und war frustriert über das provinzielle Klein-Klein vieler unserer Debatten. Ich wollte eine politische Reflexion der Entwicklungen und war unglücklich über zu viel akademisches Schattenboxen in der Kommission. Dabei waren unter anderem die Bundestagsabgeordneten Tanja Gönner, Norbert Lammert, Hermann Gröhe, Arnold Vaatz, Günter Nooke, der sächsische Justizminister Thomas de Maizière, Christoph Stölzl, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, Erhart Neubert, Bundesbeauftragter für die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR, Ludger Schuknecht, Europäische Zentralbank, Ursula Nothelle-Wildfeuer, Universität Freiburg, Karl Homann, Universität Mannheim, Claudia Lücking-Michel, Cusanuswerk. In dieser Zeit hatte die Parteivorsitzende Merkel schon längst andere Prioritäten gesetzt. Sie suchte nach einer Machtoption und ließ das Grundsatzdenken am Rande ihrer Partei plätschern. Der politische Apparat, dem ich in Berlin begegnete, erschien mir immer selbstbezogener. An der Wiedergewinnung einer gewissen kulturellen Hegemonie  in der Breite

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der bunten deutschen Gesellschaft ausserhalb der Berliner bubble war die Führung der CDU erkennbar nicht mehr interessiert. Sie ließ uns in der Wertekommission einfach grübeln. Selbstzufriedenheit und Wirklichkeitsverdrängung hatten die Oberhand gewonnen. Kulturpolitisch relevante Fragen wurden von Rot-Grün dominiert. Die Achse der Gesellschaft verschob sich. Doppelte Staatsbürgerschaft, gleichgeschlechtliche Ehe und bioethische Tabubrüche ließen die CDU-Spitze offensichtlich kalt. Gelegentlich bäumte ich mich auf, wo ich meinte, die kulturpolitischen Würfel seien noch nicht endgültig gefallen und ich könne nicht schweigen, weil die Debatte in meiner eigenen Universität stattfand. So publizierte ich 2001 eine harsche Stellungnahme mit Ulrich Eibach, Santiago Ewig, Sabina Laetitia Kowalewski, Volker Herzog, Gerhard Höver und Thomas Sören Hoffmann zu bioethischen Grenzfragen (Eibach et al. 2001). Der CDU-Parteiführung aber ging es bloß noch um Macht. Ich verlor schlicht und einfach die Einsicht in den Sinn zweckfreier und zugleich wirkungsloser Gremienarbeit. Wieso sollte ich auf verlorenem Posten für gesellschaftspolitische Positionen kämpfen, die die Partei, der ich mein Vertrauen schenkte, längst dem Zeitgeist geopfert hatte? Die CDU hörte auf, Träger christlich-demokratischer Grundsätze zu sein. Sie wurde eine Sammelsuriums-Union, die ins Kanzleramt strebte. Um mich herum wurde es gleichzeitig immer unruhiger in der deutschen Demokratie. Am 5. Februar 2004 war Christoph Böhr während einem langen Gespräch schier verzweifelt: Wofür hätten wir eigentlich in den letzten 15 Jahren gearbeitet, geschuftet? Was sollte, so dachte ich mir, aus der geistig-politischen Substanz Deutschlands werden, wenn auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende nicht mehr wusste, wo die richtige Stellschraube wäre, um die kulturellen und politischen Entwicklungen zu beeinflussen oder auch nur seine Partei zu mobilisieren? Am 30. August 2004 konstatierte Christoph Böhr defätistisch: „Wie in der Weimarer Republik: Verarmungsängste und Parteienhass.“ Mir tat leid, dass Christoph Böhr, mit dem ich seit 1981 in freundschaftlicher Verbindung stand, spätestens damals nicht den Absprung aus der Politik fand, wozu ich ihm immer wieder geraten hatte. Berufspolitik als Droge: Hier war ein weiteres ihrer Opfer zu besichtigen. Unser freundschaftliches Gespräch hatte zu der Zeit begonnen, als Christoph Böhr zu Beginn der 80er-Jahre wissenschaftlicher Assistent der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zu Fragen des Jugendprotestes im demokratischen Staat war. Wir tauschten uns seither regelmäßig mündlich und in ausführlichen Briefwechseln aus. Am 30. Oktober 1981 schrieb Christoph mir über die Notwendigkeit, auch in den friedenspolitischen Diskussionen jener Tage im Blick auf die Anliegen und Erfordernisse der Dritten Welt Glaubwürdigkeit durch Änderungen des Lebensstils wiederzugewinnen. Bald ging sein Weg in die Berufspolitik. Schon als neu gewählter Vorsitzender der Jungen Union klagte er am 19. Dezember 1983 über „mörderischen Arbeits- und Zeitaufwand“, der gleichwohl kaum ausreiche, um das programmatische Profil seiner Jugendorganisation zu schärfen, so wie er es erhofft hatte. Die Planken der Gesellschaft waren auch damals massiven Veränderungen ausgesetzt, die nicht durch eine Handvoll Idealisten mit klar normativem Kompass zu stoppen waren. Die Identität und den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft sah Böhr als wenig gefestigt an. In

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einem Brief vom 24. Januar 1986 fragte er besorgt, ob überhaupt noch die kulturellen Wurzeln und Kenntnisse vorhanden seien, auf die eine Gesellschaftskonzeption bauen könne. Gesellschaftspolitik wurde zunehmend zu einem Rennen gegen Windmühlen. Außenpolitisch folgte Christoph Böhr immer einem klaren Kompass: Die Wiedervereinigung Deutschlands, so schrieb er mir am 6. April 1986, bleibe daran gebunden, dass Freiheit Voraussetzung der Einheit sei. Zugleich „müssen herkömmliche Vorstellungen von Nationalstaatlichkeit aufgegeben werden, wenn wir tatsächlich eine europäische Friedensordnung schaffen wollen“. 1987 wurde er in den Landtag von RheinlandPfalz gewählt. Sein Interesse galt beständig der zügigen Verbindung mit den mitteleuropäischen Reformländern in einer gemeinsamen EU. Am 22. August 1988 schrieb er mir fragend, ob die Chance genutzt werde, „das Gesicht des künftigen Europa als ein Gesicht der Freiheit und der Menschenrechte zu prägen?“ Christoph Böhr gehörte zu den wenigen deutschen Politikern, die nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Erfolg des Vertrages von Maastricht meine Analyse so deutlich teilte, dass, wie er mir am 27. November 1992 zustimmend schrieb, „wir Deutsche überhaupt nicht vorbereitet sind auf ein Verständnis von Politik, demzufolge die Notwendigkeiten unserer Außenbeziehungen nachhaltig diktieren, wie groß der innenpolitische Spielraum ist“. Sein Diktum galt auch noch zwei Jahrzehnte später. Ein trauriger Befund für den seitherigen Weg der deutschen Demokratie. Christoph Böhr, der über die philosophische Spätaufklärung im Zeitalter Kants promoviert worden war, hätte es verdient gehabt, viel früher als souveräner geisteswissenschaftlicher Kopf, der er stets war, Anerkennung zu finden. Ich hatte schon Mitte der 90er-Jahre ein kluges Buch aus seiner Feder gewürdigt. Er hatte sich damit als eigenständiger Intellektueller jenseits parteipolitischer Schablonen vorgestellt (Kühnhardt 1995c, S. 453 f.): Christoph Böhr war der letzte christliche Demokrat in Deutschland, der in geistesgeschichtlicher Hinsicht diese Zuschreibung verdient hat. Sein politischer Weg, den ich eine Weile begleitet habe, zeigte, dass christlich-demokratisches politisches Denken ein Sonderfall der politischen Nachkriegskultur Deutschlands gewesen ist. Es war im Erfolg verstorben. Phase 3: Der 18. September 2005 brachte ein groteskes Bundestagswahlergebnis. Die Stagnation der Politik, die die damalige Kraftlosigkeit der Gesellschaft reflektiert und legitimiert hatte, hatte vollends Besitz von der Politik ergriffen. Beide Sphären waren dadurch auf sich negativ befeuernde Weise ineinander verkeilt. Gesellschaft und Staat blockierten sich wechselseitig. Bürger und Politik waren in einen neuen Aggregatszustand miteinander eingetreten. Nicht die Revolution fraß ihre Kinder, sondern die Kinder fraßen die Fundamente, auf denen sie standen. Gerhard Schröder und Angela Merkel waren 2005 beide Wahlverlierer und doch reklamieren beide die Kanzlerschaft. Für die CDU konnte eigentlich nur eine Koalition mit FDP und Grünen akzeptabel sein. Oder die Akzeptanz einer Minderheitenregierung Schröder, die dieser nicht lange hätte durchhalten können. Eine CDU, die ihren Markenkern geschützt hätte, wäre bei nachfolgenden Wahlen erfolgreich gewesen, so hoffte ich vergebens. Angesagt war stattdessen zunächst maximales Taktieren und Pokern um Macht.

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Am Ende stand die Große Koalition, die nicht mehr vergehen wollte. Mit der Großen Koalition wurde 2005 die Antwort auf die neue deutsche gesellschaftliche Normalität gegeben. Die CDU hatte seit längerer Zeit kein gesellschaftliches Leitbild mehr, hinter dem Menschen sich versammeln konnten, bilanzierte Christoph Böhr bitter in einem Brief an mich vom 4. November 2005. Faktisch, so erwiderte ich mit ebenso bitterem Unterton am 9. November 2005, wurde zu diesem Zeitpunkt der Parlamentarismus außer Kraft gesetzt und durch mega-umfangreiche Koalitionsausschüsse ersetzt. Wir bräuchten doch eigentlich keinen Bundestag mehr, wenn in den Koalitionsausschüssen alles vorweg ausgehandelt wurde. Die Ordnungsfrage als Ziel des Politischen war durch die Machtfrage als Zweck des Pragmatismus ersetzt worden. Eine Minderheitenregierung wäre aus meiner Sicht ein viel ehrlicherer und angemessenerer Umgang mit dem Wahlergebnis gewesen. Die großkoalitionäre Machtarithmetik fror gesellschaftliche Diskurse ein, während sie zugleich diejenigen Tendenzen hervorrief, die sie vorgab zu bekämpfen, vorneweg den sogenannten Populismus. Anfangs setzte ich mich noch mit dem Begriff auseinander, später verwarf ich ihn als analytisch viel zu unscharf. Nach Jahrzehnten heftiger weltanschaulicher Kontroversen und nach ermüdenden Jahren des Kulturkampfes wünschte sich die deutsche politische Klasse in ihrer Mehrheit eine Ära des Biedermeiers. Zu Selbstzufriedenheit und Wirklichkeitsverdrängung gesellte sich Selbstgerechtigkeit hinzu. Der Feind hieß Populismus – was immer das heissen sollte. Natürlich konnte es nach Kategorien herrschender politischer Korrektheit dieses Phänomen nur rechts außen geben. So einfach machte man es sich in vielen Medien und wissenschaftlichen Analysen, in der Politik ohnehin. Wer nicht im antipopulistischen Konsens war, galt als verdächtig, latent antidemokratisch. Wäre Biedermeier nicht am Ende selbstzerstörerisch, dann hätte es eine gelungene Ära werden können. Kampflos akzeptierte das bürgerliche Deutschland die kulturelle Achsenverschiebung. Widerspruchslos akzeptierte die politische Linke die Machtdominanz der CDU. Diese neue Harmonie in der immer wattiger, weicher und konturenloser werdenden Mitte musste neue Instinkte der Rebellion auf den Plan rufen. Bei den kleineren Parteien (FDP, Grüne, und an den Rändern, seit 2005/2007 „Die Linke“ und seit 2013 „Alternative für Deutschland“), rangen Angehörige jüngerer politischer Generationen um eine neue Balance zwischen Machtfragen und Grundsatzpositionen. CDU und SPD dümpelten im großkoalitionären Doppelpack vor sich hin. Ihre Führungsetagen befassten sich vor allem mit sich selbst. Und sie ließen ganz Deutschland noch mehr um sich selber drehen. Am Ende der Phase 3 stand die Rückkehr verbitterter Identitätspolitik in einer Welt, in der Deutschlands Großkoalitionäre gleich mehrfach hintereinander Kontrollverlust erlitten, ohne dies natürlich zugeben zu können. Am 22. November 2005 war Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt worden. Am 31. März 2006 traf ich sie erstmals wieder, eher zufällig nach einigen Fachgesprächen im Bundeskanzleramt. Mein Eindruck: Das Misstrauen in ihren Augen war noch gewachsen. Kurzer Handschlag. Mit Friedrich Merz, den ich am gleichen Tag traf, empfand ich, dass in Berlin Mief und Mittelmaß zunahmen. Wir frotzelten über DDR-light und ob es nicht

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schon besser sei, ins Exil zu gehen. Merz, den ich nun schon seit 30 Jahren kannte, war 2002 von Angela Merkel als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestürzt worden. Sein Groll verging nie wieder, bis er 2022 endlich an die Spitze der CDU gewählt wurde. Um den Machtmenschen Merkel scharten sich damals derweilen die Opportunisten, die sich Modernisierer nannten. Es gab viel Gewusel auf allen Gängen der Politik, aber immer weniger Substanz. Die CDU werde, in dieser Befürchtung waren Friedrich Merz und ich uns im Frühjahr 2006 einig, in der Großen Koalition, die Merkel ohne Not eingegangen war, in ihrem Markenkern demontiert. Ich war auf dem Weg in die innere Emigration. Im April 2006 wurde die Wertekommission der CDU, der ich unter Vorsitz von Christoph Böhr angehört hatte, aufgelöst. Die neue CDU brauchte offenbar keinen Markenkern mehr, sondern nur noch ein Programm für den Machterhalt. Wenig später meldete sich Angela Merkel als Parteivorsitzende zu Wort. Väter hätten heute den Wunsch, sich mehr um die Kindererziehung zu kümmern. Daher wolle der Staat ihnen Anreize geben, so ihr Argument für die Einführung eines Erziehungsgeldes, das daran gekoppelt wird, dass der Vater zwei, die Mutter zehn Monate die Windeln wechselt. Die Modernisierung der CDU-Familienpolitik hieß offenbar, den arbeitenden, zugleich vom Staat abhängigen Menschen zum Leitbild zu erheben. Das war, im freundlichsten Falle, die Fusion von neoliberalem mit spätsozialistischem Denken. Es war alles Mögliche, nur nicht mehr christdemokratisches Denken. Am 22. August 2006 trat ich – zum zweiten Mal und diesmal endgültig – aus der CDU aus, die ich innerlich schon seit der Entscheidung für die Große Koalition verlassen hatte. Ich entschied mich endgültig für den Weg der inneren Freiheit und gegen die illusionären Versuchungen der Macht. Ich war politisch heimatlos geworden. Die Enttäuschung über die CDU ging über die Welt der politischen Parteien hinaus. Deutschland wurde mir immer fremder. In dieser Zeit verwirrte mich die deutsche politische und kulturelle Elite insgesamt immer mehr. Günter Grass, der Moralapostel-Schriftsteller, enttarnte sich als Waffen-SS-Mitglied und wurde entschuldet, ehe die Debatte richtig begonnen hatte. Er sollte sich schämen und den Nobelpreis zurückgeben, fand ich. Verteidigungsminister Franz-Josef Jung wollte ausgerechnet Friedrich II. neben anderen Soldaten der Deutschen rehabilitieren. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, den ich seit Studienzeiten kannte, meinte, „wir“ hätten Jahrzehnte über unsere Verhältnisse gelebt und müssten jetzt Jahrzehnte des Überflusses abbauen. Wer bitte schön war „wir“? Welche Botschaft war das an die Jugend? Finanzminister Peer Steinbrück schlug vor, die Deutschen sollten auf den Urlaub verzichten und für die Rente sparen. Politiker suchten offenbar beständig nach neuen Möglichkeiten, sich in das Leben freier Bürger einzumischen. Es sei denn, diese stilisierten sich als schutzbedürftige Minderheit. Dann durften sie auf politische Protektion hoffen. Dann wurde sogleich der politische Impuls des Sich-Um-Alles-Kümmerns aktiviert. „Sich kümmern“ und „etwas in den Griff kriegen“ waren die beiden wichtigsten Ersatzbegriffe für gesellschaftspolitisches Denken geworden. Die Beurteilungsmaßstäbe für die Richtigkeit solcher Politik wurden immer häufiger moralisiert. Nordrhein-Westfalen war im Gleichklang mit Berlin. Konsens und Harmonie war alles. Bei einer Feier am 7. November 2006 auf dem Petersberg bei Bonn übergab

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Ministerpräsident Jürgen Rüttgers den NRW-Staatspreis an Jürgen Habermas. Ein Abend der Konvergenz. Dissonantes steuerte lediglich die Musik von Alban Berg bei. Der Abend hatte einen Talkshow-Touch. Rüttgers als Philosoph, Habermas als Europafan. Bei einer Gesprächsrunde im kleinen Kreis am 14. November 2006 in der Staatskanzlei Düsseldorf, diesem so surreal unpolitischen NRW-Stadttor, postulierte Jürgen Rüttgers, er wolle mit dem Begriff von der „neuen Sicherheit“ gegen den Vertrauensverlust in der Politik angehen. Jemand beklagte, dass doch schon längst das Wort „Politikverachtung“ grassiere. Ich brachte die eigentliche Lage auf den Punkt: Man wisse einfach nicht mehr, was Politik macht, was Politik kann, was Politik will. Daher sei es wenig überraschend, dass die Gruppe der Nichtwähler mit 40 % zur größten Volkspartei geworden sei. Faktisch gebe es eine Sinnkrise der Politik. Sicherheit sei richtig, um ein Land in Auflösung zusammenzuhalten. Aber als Zielantwort der Politik reiche diese Perspektive nicht. So sei auch wohl auf Dauer die Macht nicht für Jürgen Rüttgers zu sichern, die er 2005 auf bemerkenswerte Weise in Nordrhein-Westfalen gewonnen hatte, befürchtete ich. Ob ich mehr könnte als zu kritisieren, forderte Ministerpräsident Rüttgers mich heraus. Flugs bat er mich um ein Gutachten, wie die Beziehungen von Nordrhein-Westfalen mit den westlichen Nachbarländern, den Benelux-Staaten, verbessert werden könnten. Selbstverständlich übernahm ich diese Aufgabe (Kühnhardt 2006). Am 28. August 2007 gab es eine weitere Gesprächsrunde bei Jürgen Rüttgers. Nach einer „Leitmelodie“ seiner Ministerpräsidentschaft suchte er auch nach bald drei Jahren. Rüttgers war auch in diesen Zeiten des Übergangs immerhin noch eine der Persönlichkeiten, die am Markenkern der CDU irgendwie festhalten wollten. Die Gesellschaft aber hatte sich insgesamt weit wegbewegt von dem, worauf Politik mit hergebrachten Grundsätzen und Konzepten noch Einfluss nehmen konnte. Auch Jürgen Rüttgers musste erleben, dass die Orientierung durch Parteien nicht mehr gelingen konnte, weil die Gesellschaft immer mehr zerfranst und transformiert war. Politik lief gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher und verlor gerade dadurch den Rest ihrer Autorität. Eine nächste Eskalationsstufe dieser Entwicklung wäre wohl die Staatsverdrossenheit, ergänzte Rüttgers besorgt. Ich begann, nach Anreizen für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fragen, anstatt weiter darauf zu setzen, dass Werte durch Parteiprogramme oder Gremiensitzungen gestärkt werden könnten. Angela Merkel traf ich wieder einmal am 30. Juni 2009 in Berlin. Ein mich begleitender leitender Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes flüsterte mir hinterher erstaunt zu: „Die FDJ-Dame hat ja ein richtiges Gespräch geführt.“ Das war selbst für meine Begriffe dann doch zu despektierlich und ich widersprach auf der Stelle. In der Bevölkerung bäumte sich in dieser Zeit noch einmal bürgerlich-altliberales Erbe westdeutscher Provenienz auf. Die Jahre der CDU/FDP-Regierung von 2009 bis 2013 erschienen im Rückblick allerdings so, als hätten sie gar nicht stattgefunden. In meiner Erinnerung blieb aus diesen Jahren am stärksten ein Plagiat. Am 7. März 2011 erreichte mich ein handschriftlicher Brief von Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Manus personalis hieß es: „Beim Verfassen meiner Dissertation habe ich von Ihnen verfasste Texte genutzt und daraus Teile wörtlich übernommen, ohne Ihre Autorenschaft

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in wissenschaftlich redlicher Weise zu kennzeichnen. Ich möchte mich hierfür aufrichtig bei Ihnen entschuldigen. Mit freundlichen Grüssen Ihr ergebener Karl-Theodor von Guttenberg.“ Hier schrieb immerhin ein Gentleman alter Schule, obwohl auch er nicht zu verstehen schien, dass man sich nicht selber entschuldigen kann, sondern dass man entschuldigt werden muss. Ich reagierte auf den Brief genauso wenig wie ich in den Wochen zuvor auf die vielen neuen Nachrichten über seine plagiierte Dissertation reagiert hatte. Ich wollte mich von keiner Seite instrumentalisieren lassen. Wie nie zuvor war mein Name, teilweise ergänzt um Textpassagen aus meiner Feder, in allen nur denkbaren Zeitungen und Gazetten erschienen. Es ging um massenweise Beispiele des Plagiierens in Guttenbergs Dissertation über die Möglichkeit einer europäischen Verfassung im Vergleich mit der Verfassungsentwicklung in den USA (Guttenberg 2009).23 Natürlich ging es an erster Stelle um Redlichkeit und Wahrhaftigkeit in der Wissenschaft. Daran durfte nicht gezweifelt werden. Gleichwohl schien es sich auch um eine von ihm selbstverschuldete Kampagne gegen einen überehrgeizigen jüngeren Politiker zu handeln. Mehrere Symbolrepräsentanten der jüngeren deutschen classe politique waren schon zuvor akademisch hingerichtet worden ob der Eigentümlichkeiten, gelegentlich auch Unernsthaftigkeiten und, seltener, Skrupellosigkeiten, mit der sie einen akademischen Titel erworben hatten, um ihren politischen Ambitionen eine seriöse bürgerliche Ergänzung zur Seite zu stellen. Die Art und Weise, wie von und zu Guttenberg einfach nur im Modus von Copy und Paste Texte übernommen und

23 Die

„Süddeutsche Zeitung“ berichtete am 17. Februar 2011 erstmals über Plagiatsvorwürfe in der Dissertation des Verteidigungsministers: „Bereits in der Einleitung der Dissertation findet sich demnach neben der Übernahme von Absätzen eines Aufsatzes aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung offenbar eine weitere nicht gekennzeichnete Stelle, die aus dem Vortrag des Direktors am Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Ludger Kühnhardt, aus dem Jahr 2003 stammt und nur leicht verändert wurde.“ (Schwarmintelligenz bringt Guttenberg in Bedrängnis, in: Süddeutsche Zeitung, 17. Februar 2011, online unter: https://www.sueddeutsche.de/digital/ plagiatsverdacht-internet-schwarmintelligenz-bringt-guttenberg-in-bedraengnis-1.1061459). Ebenfalls am 17. Februar 2011 schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ „… bediente sich Guttenberg offenbar nicht nur bei der F.A.Z., sondern auch bei einem Vortrag von Professor Ludger Kühnhardt“. Genannt wurde ein Beispiel auf Seite 16 der Dissertation über die Arbeit des amerikanischen Verfassungskonvents. „Damit aber nicht genug,“ schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ weiter: „Auch aus einer Stellungnahme Kühnhardts vor dem Ausschuss zum Stand der Arbeit des EU-Verfassungskonvents vom 21. Mai 2003 in Berlin „zitiert“ Guttenberg freimütig – ohne Quellenangabe.“ (Immer mehr abgekupferte Seiten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Februar 2011, online unter: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/guttenbergsdissertation-immer-mehr-abgekupferte-stellen-1596362.html.) „Der Spiegel“ ironisierte am 18. Februar 2011: „Plagiieren bei den besten Adressen“, online unter: https://www.spiegel.de/politik/ deutschland/zitat-affaere-guttenberg-plagiieren-bei-den-besten-adressen-a-746384.html. Die selbst ernannten Inquisitionsrichter der Webpage „GuttenPlag“ stellten verschiedene Passagen einiger meiner Aufsätze neben Auszüge aus Guttenbergs Dissertation, die dort offenkundig mehr oder weniger im Modus von Copy and Paste übernommen worden waren.

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aneinandergeklebt hatte, schien mir eher dumm als vorsätzlich zu sein. Alles sprach dafür, dass jemand für ihn die Arbeit fast im Stil eines Zettelkastens zusammengestellt hatte. Das war wissenschaftlich völlig unqualifiziert und inakzeptabel für eine Dissertation. Aber die Art und Weise der medialen Empörung, vor allem auch im Internet, hatte Kampagnencharakter. Kampagnen aber waren mir jederzeit und auch in diesem Falle befremdlich. Die Wochenzeitung „Die Zeit“, sonst gewiss nicht an meinen Ansichten interessiert, bot mir an, ein ganzseitiges Interview zur Causa Guttenberg mit mir zu führen. Das lehnte ich selbstverständlich umgehend ab, da ich mich von keiner Seite politisch instrumentalisieren lassen wollte. Am 1. März 2011 trat der mir nicht persönlich bekannte Verteidigungsminister zurück. Im Oktober 2011 wurde von der Staatsanwaltschaft Hof mitgeteilt, in 23 Fällen seien strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen festgestellt worden. Gegen die Zahlung von 20.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation wurde das Verfahren eingestellt. Rechtlich war dieser Abschluss des Verfahrens korrekt und richtig. Politisch waren mir die Vorgänge, wie auch in mehreren ähnlich gelagerten Fällen, eher befremdlich. Wo Moralfanatiker in die Politik eingreifen, wird es heikel. Im Ergebnis kehrte die damalige Enthüllungswelle an Plagiaten die Beweislasten für alle künftigen Nachwuchswissenschaftler unschön um. Jeder Absolvent musste künftig damit rechnen, dass seine Qualifikationsarbeit als allererstes durch ein online-basiertes Anti-Plagiats-Software-Programm geprüft wurde. Unterstellt wurde a priori nicht Redlichkeit, sondern Fehlverhalten. Die Grenze zwischen Ehrlichkeit und Misstrauen in Menschen wurde zugunsten einer neuen Kontrollmanie verschoben. Das Menschenbild, das auf dem Vertrauen in andere beruht, wurde umgedreht zugunsten eines apriorischen Misstrauens, das widerlegen musste, wer sich für eine wissenschaftliche Qualifikation bewarb. Opfer wurde die Idee der offenen, auf Vertrauen gegründeten Gesellschaft so wie ich sie gewohnt war. Auch dies war ein Kulturbruch mitten in Deutschland. Das selbstgerechte Moralisieren beginnt, wo rationale Argumente nicht mehr gefragt sind. Nach der Bundestagswahl vom 22. September 2013 stand bald die nächste Große Koalition. Jetzt bekam Deutschland eine Sigmar-Gabriel-SPD-Regierung mit CDUBeteiligung unter Duldung einer Partei, die früher christdemokratisch ausgerichtet gewesen war. In den Medien war längst nur noch von „der Union“ die Rede und von der Zuschreibung als einer „konservativen Partei“, die sie nun wirklich nicht (mehr) war. Die Notarin der neuen großkoalitionären Verbindung hieß weiterhin Angela Merkel, als Kanzlerin bestätigt. Deutschlands politische Klasse war sich selbst genug. Die Welt drehte sich weiter. Allein, es fehlten der deutschen politischen Elite Realismus und Sensibilität, um Warnungen der Wissenschaft oder Mahnungen der Medien über den zunehmenden Druck aus aller Welt rechtzeitig zu hören. Irgendwann mussten die Dämme brechen. Selbstzufriedenheit und Wirklichkeitsverdrängung führten in Verbindung mit Selbstgerechtigkeit zu Kontrollverlust. Am 21. Mai 2015 wurde ich zu einem „Zukunftsgespräch“ von Bundesinnenminister Thomas de Maizière „zum Einfluss außenpolitischer Entwicklungen auf die künftige

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Innenpolitik und zur zukünftig notwendigen besseren Verzahnung von Innen-, Außen- und Entwicklungspolitik“ in das soeben eröffnete Berliner Gebäude des Innenministeriums eingeladen. Ich empfand mehr Frustration als Genugtuung, dass der Gedankenansatz, der mich seit den 1970er-Jahren geleitet hatte, endlich, wenngleich viel zu spät, in den Chefetagen der deutschen Politik angekommen schien. Zugleich hatte ich den Eindruck, wieder einmal positionierten die Deutschen sich als verspätete Nation (Plessner 1935). Plessner hatte argumentiert, Deutschland habe vom 17. bis in das 19. Jahrhundert vorwiegend mit dem Untergang des Alten Reiches zu kämpfen gehabt, während die westlichen Staaten Europas sich demokratisiert hatten. Dadurch sei die Reichsgründung des 19. Jahrhunderts der Kulminationspunkt einer verspäteten Nationbildung geworden. Bezogen auf das späte 20. und frühe 21. Jahrhundert, so meine Analogie, konnte man sagen, dass Deutschland sich selbstreferenziell mit den Ursachen und danach mit den Folgen seiner Teilung sowie deren Überwindung beschäftigt hatte, während sich die Zentren und Themen der Weltpolitik längst, um einen Begriff von Plessner zu verwenden, exzentrisch von den deutschen Befindlichkeiten und Wahrnehmungen wegbewegt hatten. Ich befand mich wieder einmal in einer bombastischen Berliner Kulisse als Rahmen für Diskussionen, die bereits vor zehn oder 20 Jahren hätten stattfinden müssen. Thomas de Maizière, den ich seit vielen Jahren kannte und schätzte, und seine Staatssekretärin Emily Haber hatten noch einige wenige andere Gäste geladen: Ruprecht Polenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, Tanja Gönner, Vorstandsprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Rainer Klingholz, Berlin-Institut für Bevölkerungsentwicklung, Renate Köcher, Institut für Demoskopie Allensbach, Stephane Beemelmans, EUTOP Berlin, Thomas Bauer, Vizepräsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Steffen Angenendt, Stiftung Wissenschaft und Politik, Gerhard Schindler, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Jörg Ziercke, ehemaliger Präsident des Bundeskriminalamtes, und Beate Neuss, Konrad-Adenauer-Stiftung. Ich präsentierte in dieser Runde zwei Thesen zur Zukunft Deutschlands, die ich nachfolgend wiedergebe: These 1: Freiheit, Sicherheit und Recht global denken Die Entwicklung des Rechts und der Freiheit seit dem Zweiten Weltkrieg ist in Deutschland bisher durch zwei fundamentale Phasen bestimmt gewesen. Die erste Phase – vor dem Hintergrund der Freiheitszerstörung in zwei deutschen Diktaturen – stand im Zeichen der permanenten Ausweitung des Freiheitsgedankens und Rechtsbewusstseins. Die zweite Phase – vor dem Hintergrund der Folgen des 11. September 2001 und der territorialen Ausweitung des deutschen Sicherheitsbegriffs bis zum Hindukusch – wurde geprägt von einer zunehmenden Verteidigung der Freiheit und des Rechts gegen äußere Bedrohungen. Die dritte Phase – in die Deutschland unterdessen vor dem Hintergrund der präzedenzlosen Verquickung von vielschichtigen und asymmetrischen inneren und äußeren Freiheitsbedrohungen eingetreten ist – zwingt dazu, die Begründung und die Voraussetzungen von Freiheit, Sicherheit und Recht neu und grundlegend zum Thema zu machen.

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Ursprünge, Kern und Austragungsorte der heutigen Konflikte liegen in Räumen außerhalb des heutigen deutschen Staates und seiner Integrationspartnerschaften. Solche Konflikte finden überall dort statt und können potentiell überall dort ausbrechen, wo postimperiale wie postkoloniale Staaten gleichermaßen versagen; wo Identitäts-, Ressourcen- und Machtkonflikte nicht durch ein rechtsstaatlich garantiertes Gewaltmonopol des Staates gebändigt werden; und wo eine pluralistisch verfasste Gesellschaftsstruktur fehlt oder nur rudimentäre Quelle legitimer Staatlichkeit ist. Dies ist der rote Faden, die politisch-geistige Gemeinsamkeit einer Situation, die man unterdessen als Dritten Weltkrieg bezeichnen könnte. In dessen Folge importiert auch Deutschland Instabilität als Kollateralschaden von politischen und weltanschaulichen Konflikten, die sich in fragilen oder residualen Staaten der näheren und ferneren Nachbarschaft in vielfältigsten Formen gewaltsam entladen. Zugleich ist Deutschland mit den Subtilitäten, Subversionen und Aggressionen eines neuen System- oder Kulturkonflikts innerhalb der westlichen Welt konfrontiert, an dessen Anfang wie stets Deutungsverschiebungen von Begriffen und Tatsachen stehen; man denke an die Vernebelung des Eigentumsbegriffs bei EZB- oder TTIP-Gegnern. Den Ursachen der Konflikte, mit denen es heute auch Deutschland zu tun hat, kann möglicherweise durchaus mit den gleichen oder ähnlichen Ideen, aber gewiss nur mit sehr eigenen Methoden, Begründungen und Zeitvorstellungen begegnet werden, als dies für die Ursachenbekämpfung früherer Konflikte in Europa der Fall war. Der ideologische und materielle Wurzelgrund der heutigen Lage ist Folge einer globalisierten Wahrnehmung der Wirklichkeit ohne globalisiertes Gewaltmonopol legitimer Herrschaft, ohne globalisierte soziale Marktwirtschaft, ohne globalisierten Konsens über das Bild vom Menschen und den Begriff der Macht. Außenpolitik war früher die Fortsetzung der Innenpolitik mit anderen Mitteln. Heute ist es tendenziell umgekehrt geworden: Innenpolitik ist nicht nur, aber immer stärker eine Funktion der Außenpolitik, oder besser gesagt: weltweiter Entwicklungen, die auf uns einwirken und unser gesellschaftliches und staatliches Dasein durchdringen. Nicht nur der Souveränitätsbegriff, sondern auch der Sicherheitsbegriff ist porös geworden. Entsprechend unliebsame Auswirkungen auf Deutschland bloß durch Abwehrmaßnahmen verhindern zu wollen, reicht – obwohl nötiger denn je – bei weitem nicht mehr aus für ein schlüssiges und allseits akzeptiertes Konzept der Innen-, Rechts- und Justizpolitik. Auch der Europäische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Titel V, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ist letztlich noch nicht mehr als ein europäisierter Koordinierungsrahmen für die traditionelle Politik der inneren Sicherheit. Deutschland wäre gut beraten, national und im Rahmen der EU eine Neubegründung des Konzeptes der wehrhaften Demokratie und der politischen Bildung vorzunehmen. Das deutsche Staats- und Gesellschaftsmodell zu sichern, erfordert als allererstes ein neues Sensorium für die Umwertung von Begriffen, für die dünnen Grenzlinien zwischen politischer Aufklärung und Propagandalüge, zwischen Meinung und Hetze. Für eine solche ganzheitliche, die Innen- und die Außenwelt, die geistige und die materielle Dimension einbeziehende neue Sichtweise zu werben, könnte, ja müsste Auf-

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trag einer neu und europäisch konzipierten politischen Bildung und einer ebensolchen Neudefinition des Konzepts der wehrhaften Demokratie sein. Einer politischen Bildung und einer Vorstellung von wehrhafter Demokratie, die sich den Herausforderungen von Cyber-Propaganda nicht weniger zu stellen hat wie den Neubegründungen der heutigen polizeilichen und sicherheitsdienstlichen Anforderungen. Spätestens bei einer Revision des Lissabon-Vertrages gehören diese Themen auf die Tagesordnung der EU. Anfangen sollten alle, die dazu mandatiert sind, schon jetzt mit der Neubegründung der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und mit der Entwicklung neuer Ziele und Formen der politischen Bildung. These 2: Eine auswärtige Innenpolitik entwickeln. Deutschland erfährt derzeit einen grundlegenden methodischen Wechsel im Politikverständnis und in der Gestaltungsmacht seiner Innenpolitik. Für lange Zeit war Innenpolitik ausgerichtet an der Mehrung des Freiheitsraumes für jeden einzelnen Bürger. Innenpolitik ergänzte die Daseinsvorsorgeleistungen des Sozialstaates mit dem Versprechen auf innere Sicherheit bei der Nutzung der Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates. Unterdessen ist Innenpolitik weithin zur Krisenabwehrpolitik geworden. Der Grund liegt darin, dass auch Deutschland, wie seine europäischen und nordamerikanischen Partnerstaaten, zum Importeur von Instabilität geworden ist. Die von außen angetragene Instabilität vermengt sich mit ohnehin vorhandenen Unsicherheitspotentialen in Deutschland. Nicht nur in Deutschland, sondern auch außerhalb Deutschlands muss die deutsche Innenpolitik daher die Frage nach den Voraussetzungen, Hindernissen und Begründungen von Recht, Freiheit und Sicherheit stellen. 2050 werden eine Milliarde Menschen, die gerne als Mittelstand bezeichnet werden und die doch Mühe haben, ihren Aufstieg zu konsolidieren, in weithin armen Ländern um Europa herum leben. Analog zu den Ursachen von Revolutionen in vielen Einzelstaaten während der vergangenen zwei Jahrhunderte muss man für den weiteren Verlauf der globalen Entwicklungen folgern: Dies ist der Stoff, aus dem Revolutionen gemacht sind und – nicht nur dort, sondern auch gegenüber beziehungsweise unter Einbeziehung von und mit Ausstrahlung auf Deutschland und Europa. Weltinnenpolitik wird immer mehr Revolutionsverhinderungspolitik und zugleich Inklusionsauftrag. Dabei gilt eine Erkenntnis der Revolutionsforschung ganz gewiss, die als erster Alexis de Tocqueville formuliert hat: Revolutionen brechen nicht in dem Moment aus, wenn die größte Armut und der höchste Grad an Unfreiheit herrschen, sondern immer dann, wenn Aufbruch und Verbesserung spürbar werden, aber nicht ausreichen, um die volle Inklusion der aufbegehrenden Bevölkerungsschichten zu erreichen. Deshalb ist es vorausschauende Innenpolitik aus Eigeninteresse, für die Idee des Rechts und des Eigentums auch außerhalb Europas zu werben. Im Kern hat die Begründung des altrömischen Rechts nichts an Bedeutung verloren: Es geht auch in der Welt von heute, mehr als um sonst irgendetwas, um den Schutz der proprietas, der Eigentumsverfügung über Leib, Gedanken und materiellen Besitz. Wenn Stabilität in Recht und Freiheit jenseits unserer Grenzen mit den Mitteln der klassischen Innenpolitik gefördert werden soll, dann ist es notwendig, gerade dort,

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wo das Rechtsverständnis nicht dem unsrigen entspricht, in einen sehr weit gefassten Rechtsstaats- und Eigentumsdialog als gemeinsame Voraussetzung für inneren Frieden und soziale Stabilität einzutreten. Wenn Recht die Schwachen schützen soll und wenn nur der, der etwas zu verlieren hat, die Ordnung, in der er lebt, schützen wird, gilt diese Einsicht weltweit. Diese Perspektive ist beispielsweise auch erforderlich, wenn die Ursachen des Auswanderungsdrucks in den Blick genommen werden. Hannah Arendt hat gesagt, es gibt nur ein Menschenrecht: Das Recht auswandern zu können und das Recht, nicht ausgewiesen zu werden. Diese Erkenntnis der Geschichte wirft moralische und pragmatische Fragen auf, wenn sie an die heutigen Umstände angelegt wird. Flüchtlingslager in Afrika ansiedeln zu wollen – weil es kein Menschenrecht gibt, sich das Land seines Asyls aussuchen zu wollen – kann nur gelingen, wenn auch die Voraussetzungen für das Gelingen dieser Idee in den Nachbarstaaten von Auswanderungsund Fluchtländern bestehen oder gefördert werden: Recht und Jobs am Ort oder in der Region zu schaffen ist aber bestenfalls in langen Zeitabläufen vorstellbar. Zielkonflikte sind also vorprogrammiert. Recht als Voraussetzung der eigenen inneren Sicherheit ist kein Exportartikel wie jede andere Ware. Gleichwohl aber ist der aktive politische Dialog über Recht und die Voraussetzungen innerer Sicherheit mit den Nachbarn unserer Nachbarn ein zwingendes Erfordernis geworden, um in Deutschland und in Europa Stabilität, Freiheit und Sicherheit zu bewahren. So wie es eine auswärtige Kulturpolitik gibt, so wäre Deutschland gut beraten, über eine auswärtige Innenpolitik nachzudenken. Auch lohnt es zu prüfen, ob und wie sich die Governance-Methode von EU-Kommissionspräsident Juncker, Kommissare mit thematisch überschneidenden Aufgaben zu Projektteams zusammenzubinden, die eine prioritäre Aufgabe bearbeiten, sich auf deutsche Verhältnisse übertragen lässt. Im Regierungsalltag gibt es die Koordination zwischen Außen-, Außenwirtschafts-, Entwicklungs-, Verteidigungs-, Bildungs-, Justiz- und Innenpolitik natürlich längst, aber es wäre vielleicht weiterführender Mühen wert, das Konzept einer auswärtigen Innenpolitik zu entwerfen und zu verdeutlichen, was auswärtige Innenpolitik für die deutsche Gesellschaft heißt, wenn sie die Zukunft meistern will (Kühnhardt 2020, S. 301–304).“ Der für die innere Sicherheit zuständige Minister Thomas de Maizière erläuterte mir, warum eine proaktive Initiative zur Förderung legaler Einwanderung im Deutschen Bundestag nicht mehrheitsfähig sei. Aber eine härtere Kontrolle der Grenzen, um illegale Einwanderung zu stoppen, sei auch nicht einfach. Vorausschauende Ursachenbekämpfung, das sei ohnehin zu viel verlangt von der Politik. Staatssekretärin Emily Haber bilanzierte das Gespräch mit der endgültig ernüchternden Bemerkung, der deutsche Staat habe die Kontrolle über die Wirkung äußerer Ereignisse auf die inneren Strukturen schon längst verloren. Besorgt, eher deprimiert und befremdet ging ich durch die pompöse Kulisse am Spreebogen und spazierte die Spree entlang der alten Mauergrenze: Wo früher Brachland war, herrschte jetzt um Hauptbahnhof, Kanzleramt und Reichstag kraftstrotzende Leere aus Stahl, Glas und Beton. Gott sei Dank gab es den verqueren kleinen Riegel der Schweizer Botschaft, der persönliche Beitrag meines verstorbenen Freundes Dieter Chenaux-Reponds, der sich als Schweizer Botschafter

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e­rfolgreich gegen den Verkauf (und nachfolgenden Abriss) des Gebäudes und damit gegen den späten architektonischen Totalsieg von Albert Speer gesperrt hatte. Wenige Monate später folgte der Schock des September 2015, den ich während einer Gastprofessur in Neuseeland erlebte. Die geografische Distanz schärfte meine Sensoren zusätzlich (Kühnhardt 2022b, S. 713 ff.). Die deutsche Regierung war gelähmt. Viele Deutsche befanden sich in Gutmenschen-Trance. Die Grenzen wurden abertausendfach illegal durchwandert, ohne dass auch nur Personalien der Menschen aufgenommen worden wären. Wer war da angekommen? Keiner konnte eine präzise Antwort geben. In Deutschland brach Gewalt aus, gegen Geflüchtete und von Geflüchteten, die so lange kein Flüchtling waren, wie ihr Status nicht als solcher anerkannt war. Aufgrund meiner langjährigen Befassung mit Flüchtlingsfragen war ich besorgt: Es kamen zu viele unbegleitete junge Männer, für die der Bürgerkrieg in Syrien noch längst nicht beendet sein dürfte. War es nicht darwinistisch, diese Menschen aufzunehmen und die, die es mit Schmugglerhilfe nicht schafften, ihrem Schicksal zu überlassen? Wer würde denn eines Tages Syrien wiederaufbauen, wenn nicht die Kräftigen und Agilen, die sich nun in Europa, vor allem in Deutschland, einzurichten begannen? Xenophobe Ängste mussten einfach entstehen angesichts der großen, unübersichtlichen Zahl plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes eingewanderter Menschen. Die Regierung ließ sich offenbar nur von Fernsehbildern treiben. Nach Jahren der Verdrängung und der Versäumnis beim Thema Flucht- und Migrationsursachen folgte jetzt ein Kontrollverlust, der zugleich die Bevölkerung tief spaltete und die EU ebenso. Die EU-Regelungen von Dublin und von Schengen waren zerstört. Am 16. Dezember 2015 zitierte mich das „Luzerner Tageblatt“, dass es kaum eine Veränderung von Merkels Kurs geben werde und eine europäische Lösung daher nicht wahrscheinlich sei. „Ich befürchte,“ so zitierte mich die Zeitung, „dass unter dem Druck des eskalierenden europäischen Kontrollverlustes die europäische Lösung nicht kommt, sondern Deutschland mit seinem moralischen Unilateralismus allein auf den Problemen sitzen bleibt.“ Die europäische Zukunft sei düster, „für alle“. Am 31. Dezember 2015 bilanzierte ich das Jahr bitter-ironisch: Deutschland war aus mir ausgewandert und vor allem seine selbstherrlich auftretende Regierung. Wie blank die Nerven der Berliner Regierung und der CDU liegen mussten, erfuhr ich am 16. Februar 2016 in Neuss. Armin Laschet, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, rüffelte mich in einer Diskussion vor 500 Menschen massiv wegen meiner kritischen Beschreibung, dass nur wer sich sicher fühle, auf Dauer den Geflüchteten zu helfen bereit sein werde. Deutschland müsse daher seine Grenze schließen, solange es keine EU-Regelung für einen robusten Grenzschutz gebe. Deutschland habe sich wegen seiner moralischen Sonderrolle in der EU ohnehin schon isoliert, ergänzte ich (Augustinus Forum 2016). Laschet verteidigte in seiner betont temperamentvollen Art Merkels Politik und griff mich immer wieder aggressiv an („Was hätte man denn anders machen sollen? Wollen Sie die Leute zurückschicken? Sagen Sie es doch?“). So konnte nur reden, wer mit dem Rücken an der Wand stand. Bundeskanzlerin Merkel, so sagte er defensiv und ohne Belege, habe immer zwischen Asyl und Migration unterschieden

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und sei immer klar in ihrem Kompass gewesen. Ich wurde am 18. Februar 2016 in der Rheinischen Post zitiert: „Es gibt keine moralische Pflicht zur Selbstvernichtung – das sehen andere Länder in Europa übrigens auch so.“ Meine Prognose, so die „Rheinische Post“, für die Integration sei nicht günstig. Die meisten nach Deutschland Eingewanderten würden langfristig Empfänger von Sozialleistungen bleiben. Deutschland, so wurde ich zitiert, müsse seine Grenzen schließen, solange es keine europäischen Lösungen gibt, die Deutschland selber seit Jahren unterlaufen hatte. „Rheinische Post“: „Mit dieser Forderung versetzte er Armin Laschet in Rage.“ Laschet wollte, dass schon bald die EU-Außengrenzen geschlossen werden würde. Warum nur hatte die deutsche Politik auch dieses Problem jahrelang verschlafen? Nun sollte also die Türkei richten, was Deutschland seit Jahren einfach negiert hatte, als Griechenland, Italien, Malta und Spanien solidarische Unterstützung erbeten hatten, weil bei ihnen überproportional viele Geflüchtete illegal eingetroffen waren. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass nun, wo die Krise eskaliert war, in der deutschen Politik auf einmal alles besser werden sollte, was jahrelang verdrängt und versäumt worden war. Nochmals wurde ich in der „Rheinischen Post“ zitiert: „Solange die Außengrenzen nicht dicht sind, müssen die Binnengrenzen für eine Übergangszeit geschlossen werden.“ Dem Binnenmarkt schade das nicht. Laschet wurde aggressiv: „Wohin schicken Sie die Menschen denn zurück?“ Die Bundespolizei weise schon jetzt jeden Tag 300 Leute ab. Es gehe also doch, erwiderte ich trocken, die Grenze zu schließen, was die Bundeskanzlerin ständig negiert hatte. Bis 2020 trafen mehr als zwei Millionen illegale Einwanderer in Deutschland ein und baten um Asyl. Nicht einmal ein Drittel von ihnen wurden als Flüchtling anerkannt. Abgeschoben wurden aber nur die wenigsten derer, die eigentlich in ihre Heimatländer hätten zurückkehren müssen. Beim Herausgehen raunzte Laschet mich an: „Ich wusste gar nicht, dass Sie so nationalistisch sind.“ Ich empfand dies als die größte persönliche Beleidigung, die ich mir jemals hatte anhören müssen. Spätestens jetzt hatte ich verstanden, wie ein oberflächlicher Politikstil polarisiert und warum Politiker ihre Autorität verlieren können. So konnte nur reden, wer die Komplexität der folgenschweren Flüchtlingseinwanderung nicht durchdacht hatte. Nur wenige Wochen später erlebte ich Laschet wieder bei einem öffentlichen Auftritt. Wofür er mich kurz zuvor noch als nationalistisch gescholten hatte, verkündete er nun als sein eigenes Credo, das er angeblich schon immer vertreten habe: Ursachenbekämpfung, Schutz der EU-Außengrenzen, weniger Flüchtlingsaufnahme in Europa, verbesserte humanitäre Hilfe vor Ort. Lernkurven können steil sein. Sie verheißen nichts Gutes, wenn sie nur noch damit zu tun haben, aus Kurzsichtigkeit getriebene eigenverantwortliche Fehlentscheidungen irgendwie zu camouflieren. Noch 2021 war bezeichnend, als Laschet und andere CDU-Politiker nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan gebetsmühlenhaft immer wieder sagten, 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Bisher hatte es aus seinem Mund und dem von Angela Merkel doch immer nur geheißen, es habe 2015 keine Fehler gegeben. Dies war nicht mehr mein Land. Ich war staatstreuer Beamter und bloß in die innere Emigration gegangen. Andere hatten

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dem so unerträglich selbstbezogenen und vielfach dysfunktionalen deutschen politischen System verächtlich den Rücken gekehrt. Das alles verhieß seit einer ganzen Reihe von Jahren nichts Gutes. Dann kam auch noch Corona. Phase 4: Infolge selbstverschuldeter Kurzsichtigkeiten war die deutsche Politik vom Biedermeier immer stärker in einen Krisenmodus übergegangen, der eines ums andere Mal von negativen Utopien genährt wurde: Angst vor dem Euro-Zusammenbruch, Angst vor der Atomenergie, Angst vor dem Klimawandel, Angst vor den Fernsehbildern im Falle einer rigiden Flüchtlingsaufnahmepolitik, Angst vor den Folgen der Flüchtlingsaufnahme, Angst vor den gescheiterten Staaten, Angst vor einem zu starken China, Angst vor den nicht mehr verlässlichen USA, Angst vor dem Corona-Virus. Myopien führten zu Dystopien. Politik war zum hilflosen Versuch verkommen, die Geschwindigkeit des Daseins zu verlangsamen und eigene Fehler zu korrigieren, ohne dies zugeben zu wollen. Deutschland entzog sich immer mehr meinem Verständnis davon, wie nützliche Denkwege durch eine wissenschaftliche Perspektive vorbereitet oder unterstützt werden konnten. Vereinzelt ließ ich mich noch immer in Gremien bitten, die von der Illusion geprägt waren, sie seien ein Instrument wissenschaftlicher Politikberatung. Längst wusste ich aus vielerlei Erfahrung, dass wissenschaftliche Politikberatung nur dort stattfindet, wo sie im konkreten Einzelfall tatsächlich auch gewünscht wird. Dies aber geschieht vor allem im direkten Kontakt mit einem Akteur, ob in der Politik oder in der Kirche. Politikberatung geschieht am wirksamsten im direkten Kontakt, themenoder projektbezogen. Beratungsaktivitäten via Gremien und Beiräten mit umfangreichen Tagesordnungen gaukeln Beratung vor. Sie sind in Wirklichkeit vor allem Aktivität. Politikberatung nährt sich durch die Illusion, gebraucht zu werden. Als Geleitzug des politischen Betriebs hält sie sich auch dort über Wasser, wo der Tanker selbst ganz unbeirrt seine Bahnen so zieht, so wie dessen Kapitäne es wollen. Beratung hin oder her. Wer in der Gesellschaft für Aufmerksamkeit sorgen will, machte längst auf andere Weise Lärm. Aktionsformen von Nichtregierungsorganisationen ohne demokratisches Mandat, aber hoher moralischer Selbstermächtigung zeigten, wie es geht. Daneben dominierte der immer wieder gleiche Teilnehmerkreis ritualisierter Fernseh-Talkshows. Aufseiten der mandatierten Akteure beobachtete ich einen neuerlichen Strukturwandel der Öffentlichkeit, der sich aus der Allgegenwärtigkeit der elektronischen Kommunikationsmittel unweigerlich ergeben hatte. Das kurzfristige Denken und Handeln sowie der selbstautorisierte Unersetzlichkeitsgestus wurden repräsentiert durch den ständig mit einem Handy herumlaufenden Funktionsträger, dem jede Zeit zum Nachdenken oder Lesen zu fehlen scheint. Man muss ein Leben als Abfolge von Sitzungen mögen. Auf Knopfdruck werden dann nicht selten unvollständige, nicht zu Ende bedachte Argumente vorgetragen und gegebenenfalls Entscheidungen getroffen. Von deren ambivalenter Wirkung in der Öffentlichkeit kann eigentlich niemand überrascht sein, der sich einen Sinn für kritische Selbstreflexion bewahrt hat. Auch im Zeitalter maximaler demokratischer Transparenz und Partizipationsansprüche galt der Primat der Exekutive. Regierungshandeln aber wirkte immer häufiger überfordert und war es immer häufiger auch. Die gleichzeitige Außerkraftsetzung einer soliden parlamentarischen Kontrolle war gewiss kein nur

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deutsches, sondern ein weit verbreitetes Problem in Europa (Großbritannien: BrexitReferendum ohne Parlamentsbeschluss, Spanien: Parlament lange Zeit inkompetent, eine Regierung zu bilden, Deutschland: Grenzöffnung ohne Parlamentsbeteiligung, Corona-Maßnahmen lange Zeit ohne Parlamentsbeteiligung). Das machte das Legitimitätsproblem in Deutschland aber keineswegs besser. Grundlegende Weichenstellungen in der Energie-, Flüchtlings- oder Corona-Krisenpolitik waren unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel bestenfalls nur am Rande Gegenstand parlamentarischer Diskurse im Ringen um differenzierte Antworten. Primat der Exekutive hieß: Primat des „Sich Kümmerns“ und des „In den Griff kriegen“. Staatsgläubigkeit ersetzte politische Grundsatzdebatten über Wertpräferenzen und Interessendivergenzen. Bundeskanzlerin Merkel war lange Jahre Notarin des vereinten Deutschlands. Sie wollte niemanden fordern, schon gar nicht überfordern. Akzeptierte einmal das eine und einmal das andere, führte zusammen wie es eigentlich einem Bundespräsidenten obliegt. Ihre Politik entpolitisierte die Politik. Wohlfühl-Bürger und gesundete Wirtschaft, von Schröders Reformen profitierend, legten eine neue Sicht auf die Politik nahe. Es ging nicht mehr um Werte und um Ziele, sondern um die Bewahrung des Status quo, um Biedermeier und die maximale Ausweitung der Akzeptanzzone. Vor allem ging es um Macht. Am besten war sie zu sichern, indem sie heruntergespielt wurde. Die Strategie der asymmetrischen Demobilisierung hatte für Merkels maingestreamte CDU recht lange funktioniert. Nicht Markenkern war mehr angesagt, sondern Sicherheitsgefühl. Besänftigung statt Beunruhigung. Die kulturpolitische Flanke wurde endgültig aufgegeben, um die machtpolitische nicht zu gefährden. Die anderen Parteien kämpften auch mit diesen zwei Seelen in ihrer Brust, die SPD, die Grünen, die FDP: Macht oder Kultur, Pragmatismus oder Programm? An den Rändern musste sich, wenig überraschend, in einer solchen Atmosphäre der Republik der Widerstand regen, vermischt mit Angst und neuen deutschen Rechthabereien im Namen des Querdenkens. Als der neue Weltsouverän Corona über den Ausnahmezustand herrschte (Kühnhardt 2021b), funktionierte dieser Anspruch überhaupt nicht mehr. Wie konnte Politik sich überhaupt anmaßen, man könne ein Virus besiegen und beseitigen? Politik in Deutschland lief spätestens im Corona-(Miss)management einfach nur noch hinter den Wirklichkeiten hinterher. Bei abstrakten politischen Fragen mochte dieser Modus des Politikbetriebs noch funktionieren. Aber es konnte doch ernsthaft niemanden überraschen, dass dort, wo es um reelle Menschen und ihre Seele, ihre Ängste und ihren Alltag ging, politische Aktivitätsrituale viele Menschen nicht mehr erreichten und die Gesellschaft noch weiter spalten mussten. Verschwörungstheorien und Querdenker waren mehr als verstörend. Aus sachlich legitimer Kritik wurden ganz und gar illegitime Angriffe auf das System. Der Fast-Sturm des Berliner Reichstages Ende August 2020 durch einen Mob war ein Fanal. Die Irrungen und Wirrungen der Corona-Krisenpolitik 2020/2021 waren nicht weniger besorgniserregend. Der Triumph der Zahlen über eine auch soziologische und psychologische Deutung der Folgen dieser Politik rächte sich. Mit Inzidenzzahlen wurde Angst geschürt, um die Menschen zu der Einsicht in die Vernünftigkeit der Selbstbeschränkung zu treiben. Ein Kult um Gleichbehandlung aller

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Menschen und gleichzeitige Übertreibungen des Datenschutzes, als sei dies das einzige Grundrecht, beschwerten die bürokratischen Fußfesseln der Bundesrepublik Deutschland noch zusätzlich. Der temporär unausweichliche Verzicht auf Freiheitsrechte verschob die Sprache. Selbstverständlichkeiten wurden zu Privilegien. Die Politik machte gönnerhafte „Impfangebote“. Der Staat war der große Sieger der Corona-Krise, ganz krisenüblich. Aber die Autorität der führenden Politiker nahm weiter ab. Vor allem jener, die einen lavierenden Kurs fuhren zwischen Beruhigung und Verängstigung. Dann folgten auch noch die Flutkatstrophe an der Ahr und das Desaster um den chaotischen Abzug aus Afghanistan. Verdrängungen der Wirklichkeit, fehlende Vorausschau für etwaige Krisen, selbsttäuschende rhetorische Beschönigungen – allenthalben waren ähnliche Muster festzustellen. Deutschland funktionierte einfach nicht mehr so, wie die politische Führung immer wieder behauptete. Am Ende der langen Kanzlerschaft von Angela Merkel schien Deutschlands Demokratie formal solide wie nie. Aber zugleich war sie mir mit ihrer Mischung aus ritualisierten Formen, extrem mühsamen und zeitaufwendigen Prozessen, bei denen die Politik sich mehr mit sich selbst beschäftigte als nottat, und reduziertem Telos innerlich fremd geworden. Die Gesellschaft war aus Parteiprogrammen ausgewandert und hatte sich verselbstständigt. Zugleich war sie auf mehrfache Weise gerissen. Volatile Verschiebungen politischer Präferenzen waren nicht mehr zu übersehen. Sie in ihren Auswirkungen zu stigmatisieren, half der Stabilität des demokratischen Systems gewiss nicht. Die CDUGranden waren besonders schrill, weil sie nicht zugeben wollten, dass die „Alternative für Deutschland“ (AfD) Fleisch aus ihrem Fleische war. Letztlich war die AfD Folge der großkoalitionären Selbstentwurzelung seit 2005. Das deutschnationale Denken, war, leider, Teil einer Traditionslinie politischen Denkens in Deutschland seit der Weimarer Republik, deren Rückkehr die Volksparteien durch ihr großkoalitionäres Konsensgetue wieder zugelassen hatten. Eine deutschnationale Partei hatte sich schließlich in fast allen Landtagen und im Deutschen Bundestag verfestigt. Dies war ein Teil der Erbschaft von Angela Merkels Kanzlerschaft. Zur Rückkehr der deutschen Politikgeschichte gehörte aber auch, dass schon zuvor und solide zwei linke Parteien in Deutschland etabliert waren, die beide sozialistischer Tradition entsprungen waren und in den rechtsstaatliche Verfassungsbogen integriert werden konnten. Das musste auf Dauer auch mit der deutschnationalen Variante der deutschen Sonderwege gelingen. Demokratische Politik, die ihre Voraussetzungen und die langfristigen Linien ihrer Herkunft nicht mehr kennt, versucht immer wieder – und immer wieder vergeblich – mit Sanktionen und Angstdrohungen zu agieren, um zu verhindern, was nicht zu verhindern ist. Kaum war ich 1992 in Freiburg eingetroffen, hatte ich einen klugen Vortrag meines Lehrstuhlvorgängers Wilhelm Hennis über die Didaktisierung der Politik gehört. Es werde mehr über Methoden der Politik gesprochen als über die eigentlich relevanten Inhalte, so kritisierte Hennis damals. Politik werde immer mehr pädagogisch und gerade darin unpolitisch. Mir schien, dass dieser damalige Befund sich seither flächendeckend ausgebreitet hatte. Spätestens das Corona-Krisenmanagement zeigte die deutsche Politik als eine heillos überforderte Selbsterfahrungsgruppe. In Zukunft dürfte das Spektrum der

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deutschen Politik breiter und ehrlicher werden, Mehrheitsbildungen aber schwieriger sein, mit offenem Ende. Wo Sinnentleerung Raum lässt, sind Re-Ideologisierungen selten fern. So lehrt es die Geschichte, auch der Demokratie. Mehr denn je war ein liberales Korrektiv nötig, um die deutsche Demokratie mit Augenmaß und Sinn für Proportionen stabil zu halten. Die Wahlentscheidung 2021 zugunsten der FDP war für mich nicht schwierig. Ich begründete sie nur teilweise ironisch: Ich sei zu katholisch, um noch die CDU zu wählen, zu sehr am Schicksal von sozial Benachteiligten in aller Welt interessiert, um die SPD zu wählen, zu sehr um die Zukunft besorgt, um die Grünen zu wählen, und ganz gewiss ohne deutschnationale Instinkte, um auch nur eine Sekunde an die Wahl der AfD zu denken. Bei der FDP gefielen mir 60 % aller Ansichten auch nicht so recht, aber ich hätte gelernt, dass zu einem liberalen Politikverständnis dazugehört, mit abweichenden Standpunkten zurechtzukommen. Dies gelte hoffentlich wechselseitig, wenn ich bei der FDP mein Kreuz mache. Für die deutsche Demokratie war ich, alles in allem, zuversichtlich, aber nur dann, wenn die Tabuisierungen und Didaktisierungen nicht alles zukleistern würden, was sich dann doch irgendwann eruptive Bahnen bricht. In den Kommissionen und Beiräten, in denen ich nach 2015 noch pflichtschuldig saß, hatte ich Zeit, über die Folgen meiner Wahrnehmungen nachzudenken. Begegnungen zwischen Politik und Wissenschaft entwickeln immer wieder ihre eigenen Rituale. Die Vorzüge der persönlichen Begegnung stehen zumeist in umgekehrt proportionalem Verhältnis zum sachlichen Erkenntnisgewinn, geschweige denn zur irgendwie nachprüfbaren Wirksamkeit eines solchen Gedankenaustausches. Das ehrlich zuzugeben, schmälert nicht, sondern stärkt den Sinn solcher Beratungs-Begegnungen. Ehrlichkeit ist aber auch angesagt, um jeglicher Illusion über die Nützlichkeit und Wirksamkeit solcher Kreise vorzubeugen. Die Steigerung eines Gesprächskreises ist der Beirat. Dort steht in besonderer Weise die unausgesprochene Hoffnung Pate, der Beirat möge nicht nur beraten, sondern wie ein Begleitboot die Steuerung des eigentlichen Tankers beeinflussen. In Zeiten, in denen politisches Telos durch pragmatisches technè ersetzt worden ist, darf man an Beiräte keine gesteigerte Erwartung haben. Ich musste beim Rückblick auf die Zeit seit Beginn meiner politischen Sozialisation selbstkritisch feststellen, nicht frei von Rechthaberei und Moralisieren gewesen zu sein, vor allem bei gesellschaftlichen Entwicklungen. Ein Beispiel war der Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen. In meiner Jugend hatte ich gehört, Homosexualität sei eine Krankheit. Später erlebte ich, dass als moralisch krank abgestempelt wurde, wer die öffentliche Gleichstellung und Zurschaustellung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht akzeptieren mochte. Beide Haltungen waren wohl gleichermaßen krank, jedenfalls unangemessen. Längst akzeptierte ich gleichgeschlechtliche Verbindungen und meinte, auch meine katholische Kirche wäre gut beraten, diejenigen dieser Paare, die dies wünschen, zu segnen, ohne eine solche Segnung mit dem Sakrament der Ehe gleichzusetzen. Mir schien dies der beste Weg, um zu Sachlichkeit zurückzukehren, wechselseitigen Respekt vor allen Menschen in der Gesellschaft zu stärken und das Private vor dem Öffentlichen zu schützen –und umgekehrt. Wo moralische Abqualifizierungen sachliche Vernunftargumente blockieren, ist das Versprechen der

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Aufklärungsphilosophie bereits zerbrochen. Solange das Identitätsthema Menschen so sehr in den Bann nimmt, dass dies geschehen kann, ist gesellschaftlicher Konsens fragiler als alle schönen Regierungserklärungen über Respekt glauben machen wollen. Wer 2021 erstmals zur Bundestagswahl ging, hatte nur Angela Merkel als Kanzlerin erlebt. Das zeigte Stabilität. Den vormaligen Volksparteien CDU und SPD war als Leitidee der Anspruch geblieben, regieren zu wollen. So schrumpften sie zu Koalitionssuchern. FDP und Grüne waren zu fast gleichstarken Strategieparteien aufgerückt. Die Ampelregierung, die sich Ende 2021 etablierte, verkündete auf einmal, wieder mehr Fortschritt wagen zu wollen. Das klang nach einer Variante von Willy Brandts „Mehr Denkratie wagen“ des Jahres 1969. Aus den Niederungen des politischen Alltags versprach das Motto indessen keine Befreiung. Die CDU wagte neuen Fortschritt, indem sie endlich und mit einer Art letztem Überlebenswillen Friedrich Merz an ihre Spitze stellte. Ich blieb wissenschaftlicher Beobachter und sah mich anlässlich des Wahlausgangs 2021 zuallererst in der These bestätigt, die ich 1996 über Rhythmen der Politik entwickelt hatte (Kühnhardt 1996c): Sich immer wieder verändernde und erneuernde politische Generationen würden weiterhin die Rhythmenfolge der Politik in der deutschen Demokratie bestimmen, das heißt den demografisch bedingten Wechsel und den mehrheitsbildenden Pendelausschlag der Präferenzen. Der Publizist und frühere Kanzlerberater Michael Mertes erinnerte in einer schönen Zusammenschau des 2021 zu Ende gegangenen Zyklus christdemokratischer Macht, wenn nicht Existenz in Deutschland an meine vor 25 Jahren formulierte und noch immer aktuelle These, die auch seinem Buch zugrunde liegt (Mertes 2021, S. 156). Machtpolitische Rhythmen, verwoben mit nicht zeitgleichen gesellschaftlichen Rhythmen und großkoalitionären Abfangbewegungen hielten die deutsche Demokratie in Bewegung. Die CDU meiner politischen Sozialisation hatte sich im Erfolg aufgelöst. Die Christen waren in Deutschland unterdessen erstmals zur Minderheit geworden. Wie sollte auf Dauer eine christlich geprägte Kultur ohne gläubige Christen aussehen? Wer konnte in einer neuen Generation von CDU-Aktiven unter solchen Bedingungen noch plausibel erklären, was ein christliches Menschenbild ist und auf welche Weise es relevant für die Politik eines stark entchristlichten Deutschland sein kann? Wäre es nicht ehrlich, auf das „C“ im Namen zu verzichten, musste ich immer häufiger denken? 30 Jahre zuvor hatte ich vehement für Politik aus christlicher Verantwortung und die Beibehaltung des „C“ argumentiert. Unterdessen war ich eher ratlos geworden hinsichtlich der Grundlagen deutscher Politik. Eine solide bürgerliche und liberalkonservative Partei mit Sinn sowohl für das Telos wie auch für die Grenzen des Politischen blieb in jedem Falle wichtig für eine vielfältig gewandelte und zerrissene Gesellschaft. Vermutlich waren die Veränderungen in Substanz und Form der vormaligen Volksparteien Folge vorheriger historischer Anomalitäten und ihre Erschöpfung im Erfolg insofern Ausdruck einer gewissen Normalisierung demokratischer Politik. Die SPD war einen weiten Weg gegangen von einer klassenkämpferischen Partei zur Programmpartei, die das Bonner Grundgesetz, Soziale Marktwirtschaft und Westbindung akzeptierte. Die CDU hatte die konfessionelle Trennlinie überwunden, die die Zentrumspartei begrenzt hatte. Ein christ-

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lich-demokratisches Politikverständnis aber war offensichtlich nur möglich gewesen als Ausdruck einer spezifischen Phase der antitotalitären Neufindung der Demokratie in Europa – und teilweise in Lateinamerika. Aus „Weltanschauungsparteien“ (Bracher 1955) in der Weimarer Republik waren Programmparteien in der Bonner Republik und Beliebigkeitsparteien in der Berliner Republik geworden. Die neue „moralische Mehrheit“ in der deutschen Gesellschaft wurde einstweilen angeführt – oder auch nur lautstark repräsentiert – von den Grünen, die sich als Verkörperung einer neuen Zivilreligion in Deutschland hatten etablieren können. Das Bundesverfassungsgericht sanktionierte die Agenda von Umweltrettung und Klimapolitik als Weg zum nachhaltigen Freiheitsschutz. Machtpolitisch mussten sich die Grünen nach dem Wahlausgang 2021 indessen in einer Ampel einreihen. Deutschland insgesamt reihte sich mit der Ampel-Regierung 2021 parteitheoretisch in europäische Normalitäten ein: Kaum noch eine Partei war in der EU zu finden, die den gleichen Namen trug wie vor 1990. Fragile Regierungen mit drei oder mehr Parteien gehörten zum Standard. Nicht selten waren Minderheitenregierungen. In Deutschland war 2021 ein neues Parteisystem entstanden, mit mehreren fast gleich großen Parteien, die irgendein beliebiger Kanzler zu moderieren hatte. Ein identitätsstiftender Anspruch war der deutschen Politik trotz aller Respekt- und Fortschrittsrhetorik der Ampel längst verlorengegangen. Außerparlamentarische Gruppen gaben häufig den moralischen Ton an und forderten rigorose Antworten jenseits der parlamentarischen Demokratie mit der Inbrunst ihrer gefährlichen Selbstermächtigungsattitüde ein. Demos und Aktionen von selbstautorisierten Nationrettern und Weltrettern fanden unter unterschiedlichsten Vorzeichen statt. Es gab Querdenker (früher ein positiv belegter Begriff) und Reichsbürger mit Gewaltphantasien, „Fridays for Future“-, „Last Generation“- und „Extinction Rebellion“-Aktivisten, verhaftet in immer irrsinnigeren Dystopien. Es gab Gender-Aktivisten und Sprachpolizisten, Bilderstürmer („cancel culture“) und nicht zu vergessen, wenngleich aus einer gänzlich anderen Ecke kommend, die Anhänger eines legalistischen politischen Islam: Hinter den noch so divergierenden Tönen und Zielen kam plötzlich wieder eine konsequente Geringschätzung oder gar Verhöhnung der Mechanismen parlamentarischer Mehrheitsdemokratie zum Vorschein. Dass neue und auf Dauer für die deutsche Demokratie gefährliche ideologische Debatten keimten, konnte in solchen Zeiten wohl nur noch einer wie ich denken. Ich wollte nicht selbstgerecht erscheinen und hielt mich zumeist zurück, wenn ich gebeten wurde, mich öffentlich zu positionieren. Einen Einwand konnte ich nicht verdrängen:  Ich hatte ausreichend intensiv studiert, was Karl Dietrich Bracher zu Machtvakuum, Machtverfall und Machtergreifung Hitlers gelehrt hat (Bracher 1955). Geschichte würde sich nicht wiederholen. Aber aus der Geschichte nicht lernen zu wollen, macht die Gefahr neuer Zerrüttungen der Freiheit wahrscheinlicher. Den brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 nannte der Ampel-Kanzler Olaf Scholz schon wenige Tage später eine „Zeitenwende“. Was immer die brutale russische Aggression für Europa und die Welt bedeuten mochte, für die deutsche Politik und für die deutsche Gesellschaft war der Ukraine-Krieg in der Tat eine

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Zeitenwende. Selbstzufriedenheit und Wirklichkeitsverdrängung funktionierten nicht mehr. Selbstgerechtigkeit musste über Kontrollverlust jeglicher Art in akuter Selbstgefährdung enden. Fast täglich stürzten ganze Hochhäuser einer Illusionskulisse ein, die die deutsche classe politique sich selbst und der deutschen Gesellschaft gegenüber aufgebaut hatte. Mal hatte ich Mitleid mit den Ampel-Koalitionären, die die schweren Fehler und Versäumnisse langer CDU-Jahre ausbaden mussten. Ich verstand die farblose und gelegentlich nichtssagende Zurückhaltung des Bundeskanzlers als einen Beitrag, um das Land vor noch größeren Zerreißproben zu bewahren. Besonders die steile Lernkurve der Grünen beim plötzlich auch über sie hereingebrochenen maximalen Reality Check beeindruckte mich. Mal war ich geschockt über Akteure der vergangenen Jahre, die an ihrer vormaligen Russland- und Energiepolitik noch immer nichts Falsches einzusehen bereit waren, die langjährige Kanzlerin einschließlich. Mal war ich einfach nur traurig, weil ich erahnte, dass die Generation meiner Kinder einen der höchsten Preise für diese „Zeitenwende“ zu zahlen haben würden, vermutlich gleich direkt hinter der Ukraine selbst und über die UkraineFrage hinaus. Faktisch war Deutschland auf viel zu vielen Gebieten ein Sanierungsfall geworden, in der Infrastruktur wie im Denken. Ganz gleich was politische wie mediale Schönredner sagten: Das Land, das ich meinen Kindern überlassen musste, befand sich in einem Abwärtsstrudel, gepaart mit einem nicht zu übersehenden Reputationsund Einflussverlust in Europa und der Welt. Im Blick auf den deutschen Zugang zur Europäischen Union und Umgang mit ihren gewachsenen Anforderungen erinnerte ich mich mehr als drei Jahrzehnte nach der staatlichen Wiedervereinigung der Deutschen immer wieder an eine Frage, die ich erstmals 1999 formuliert hatte: Wie viel Europa verträgt das vereinigte Deutschland? (Kühnhardt 1999c, S. 73–91) Hinzu kam der massive soziologische Wandel, der sich innerhalb von weniger als einer Generation vollzogen hatte: Jeder vierte in Deutschland lebende Mensch hatte unterdessen einen – ein unseliges Wort – „Migrationshintergrund“. Jedes zweite in Deutschland geborene Kind hatte unterdessen „ausländische Wurzeln“, ein ebenso nebulöses Neudeutsch. Solange dieser massive Wandel zum Einwanderungsland mit einer vollumfänglichen Integration in das etablierte Rechts- und Lebensalltagsystem einhergehen würde, bestünde kein Grund zur Sorge. Allerdings: Längst waren an vielen Orten in Deutschland Parallelgesellschaften entstanden. Vor allem der politische Islam wurde noch immer unterschätzt mit seinen Gefolgschafts- und Abgrenzungsvorstellungen, von weiblichen Bekleidungsformen bis zum maskulinen Auftreten im öffentlichen Raum, der nicht selten einer inszenierten Inbesitznahme gleicht. Deutschland war gegenüber dem Erscheinungsbild vor zwei, drei Jahrzehnten vielerorts nicht mehr wiederzuerkennen, meinten nicht nur viele meiner ausländischen Besucher. Das soziologische Erscheinungsbild würde dauerhaft und in vielerlei Hinsicht Folgen für das politische System haben. Die deutsche Demokratie musste sich neu erfinden, wenn die deutsche Gesellschaft im Verbund mit den Partnern in EU und NATO ihre Freiheit behaupten, ihr bisheriges Wohlstandsniveau nicht zu stark verlieren und ihre Sicherheit gegen ein neototalitäres

Literatur

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Russland unter Geheimdienstkontrolle verteidigen wollte. Deutschland standen nicht nur harte Jahre voraus. In der EU war viel Vertrauen durch lange Jahre unilateraler oder zu zögerlicher deutscher Politik verlorengegangen.  Ich hatte vieles von dem miterlebt, was zum Erfolg, aber auch zum Ende der Post-Hitlerschen politischen Kultur in Deutschland geführt hat. Auch in Zukunft galt: Die Spiele um politische Macht würden weitergehen. Die Fortschrittsidee war fragil und ambivalent, wenn nicht brüchig geworden, stärker als schon so manches Mal in der Geschichte. Neben allen Identitätsdebatten hatte der Klimawandel seine ganz eigenen Dystopien geschaffen. Vielen Nachwachsenden, selbst im Studienfach Politische Wissenschaft, war der Unterschied zwischen den Begriffen „Idee“ und „Ideologie“ nicht mehr klar, wie ich in Lehrveranstaltungen feststellen musste. Nicht nur im Ringen mit autoritären Mächten wie Russland und China, sondern vor allem im Ringen mit sich selbst und der Frage nach dem Wozu und Wohin der Politik standen die Erhaltungsbedingungen der deutschen Demokratie wieder einmal auf dem Prüfstand. Es dürfte wohl für längere Zeit der bisher schwerste Prüfstand bleiben. Als einer unterdessen viel Kummer gewohnten Bevölkerung im März 2023 mitgeteilt wurde, die vollständige Reform der Deutschen Bahn („Deutschlandtakt“) werde erst 2070 vollendet sein, war ich nicht überrascht. Ohne zynisch zu sein: Diese zeitliche Perspektive war nicht nur für die Deutsche Bahn realistisch. Deutschland dürfte in vielerlei Hinsicht bis 2070 ein Sanierungsfall bleiben, vom Mentalitätswandel über die Modernisierung der Infrastruktur bis hin zur Erneuerung des so häufig dysfunktionalen Politikbetriebs und den Anforderungen an eine gelungene und gleichzeitig nachhaltig wirksame Staatsreform. Der „Rest der Welt“ aber änderte sich mit einem ganz anderem Tempo, nach einem ganz anderen Rhythmus. Darin lag die eigentliche Herausforderung an die deutsche Demokratie, die die deutsche Diktatur abgelöst hatte, ohne die Welt, so wie sie nun einmal ist, ändern zu können.

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Revolutionszeiten in Europa

Der Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges waren nur Teil eines viel weitergehenden revolutionären Geschehens in Europa. Ludger Kühnhardt spürte in den 1990er-Jahren den verschiedenen Phasen der neuesten Revolutionszeit in der europäischen Geschichte nach. Dabei richtete er seinen Blick auf den gesamten europäischen Kontinent. Aus dem Gespräch mit Zeitzeugen, durch die vergleichende wissenschaftliche Beobachtung vor Ort und unter Rückgriff auf grundlegende geisteswissenschaftliche Texte entstanden seine Analysen und Trendprognosen in dieser Zeit. Sie waren nah an den Ereignissen und trugen zugleich in gebotener akademischer Distanz zur besseren Einordnung der Entwicklungen bei. Mit der Einführung des Euro, der beispiellosen Osterweiterung und dem gescheiterten europäischen Verfassungsvertrag erreichte diese Phase der Neuordnung Europas ihre Höhepunkte.

5.1  Zwölf Nachbarn, ein Europa (Kühnhardt und Schwarz 1991) – Von Deutschland nach Europa (Kühnhardt 2000a) So wie ich mich Ost-Deutschland und Berlin 1976 erstmals vom Osten her genähert hatte – eher ungewöhnlich für jemanden, der in West-Deutschland aufgewachsen war – so näherte ich mich Europa seit meinem ersten Aufenthalt in Tansania 1977 vom Süden der Erde. Meine erste Befassung mit einer europäischen politischen Frage bezog sich auf die Frage nach der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Afrika-Politik. Über eine Tagung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Gummersbach schrieb ich im September 1979 in der Fachzeitschrift „Entwicklung + Zusammenarbeit“ einen Bericht. Mein Text enthielt eine Aussage, die auch Jahrzehnte später Gültigkeit besaß: Fachpolitiker und Experten hätten zwar die „großen politischen Entscheidungslagen der Gegenwart“ diskutiert, aber nicht zu übersehen war, „dass die Europäische Gemeinschaft sich noch © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_5

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immer schwertue, eine gemeinsame Politik gegenüber dem Schwarzen Kontinent zu formulieren“ (Kühnhardt 1979, S. 29). Bei der Tagung in Gummersbach vom 14. bis 16. September 1978 lernte ich Robert von Lucius kennen, mit dem mich seither ein gemeinsames Afrika-Interesse freundschaftlich verbunden hat. Robert, damals noch wissenschaftlich tätig, wurde später langjähriger Afrika-Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, während mein Weg umgekehrt vom Journalismus in die Wissenschaft führte (Lucius 2021). Erstmals erwähnte ich in dem Artikel über die Tagung in Gummersbach explizit ein Politikfeld mit Bezug zur Europäischen Gemeinschaft. 1987 führten die deutschlandpolitischen Zusammenhänge zu einer neuen, weiteren Facette meiner Annäherung an europapolitische Zusammenhänge. Vom „Journal de Genève“ wurde ich 1986 und 1987 verschiedentlich gebeten, die Finessen der Deutschland-Politik zu erläutern. Dabei ging es um die großen Linien der Regierung Kohl/ Genscher und um die Beziehungen der oppositionellen SPD zur DDR-Staatspartei SED („Nebenaußenpolitik“). Schließlich ging es auch um die Frage, was es mit einer Erneuerung des Mythos von Mitteleuropa auf sich habe. 1915 hatte Friedrich Naumann sein Buch „Mitteleuropa“ publiziert, das weithin als Manifest eines deutschen Hegemonialanspruchs in Europa wahrgenommen wurde. Auf die 1980er-Jahre bezogen, ging unter westlichen Partnern der Bundesrepublik Deutschland die Sorge um, die schwärmerische Idee von Mitteleuropa könnte zu einer Selbstneutralisierung Westdeutschlands führen. Irgendwann später könnte dann ein möglicherweise wiedervereinigtes Gesamtdeutschland in sowjetische Abhängigkeit geraten. Ich griff diese Betrachtungsweisen auf, ergänzte aber auch eine genuin polnische Perspektive. Ich zitierte den Philosophen Leszek Kolakowski, dem ich 1989 erstmals begegnen sollte. Kolakowski hatte ausgeführt, Mitteleuropa sei deshalb geteilt, weil es die Sphäre ist, in der die individuelle Freiheit hochgehalten wird, während die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten von einer Dominanz des Kollektivs geprägt sind. Ich erinnerte auch an eine Klage des ungarischen Schriftstellers György Konrád, dem ich 2017 begegnen sollte. Die kleineren Völker Mitteleuropas, so hatte Konrad gesagt, seien in der Vergangenheit immerzu vergessen worden. Jedes Nachdenken über eine Neugestaltung Europas müsse endlich auch ihre spezifische Sicht auf Europa berücksichtigen (Kühnhardt 1987a). Der Informationsdienst „Inter Nationes“, der bis 2000 in aller Welt mithilfe der Bundesregierung deutsche Kulturarbeit betrieb, verhalf 1987, 1988 und 1989 einer Serie meiner Analysen zur kultur- und verfassungspolitischen, sicherheits- und außenpolitischen Westbindung der Bundesrepublik Deutschland zum Abdruck in einer ganzen Reihe von Zeitungen rund um den Globus: Der Essay „Die Berliner Mauer – sie trennt, was zusammengehört“ erschien in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache und wurde abgedruckt unter anderem in: „El Pais“ (Montevideo) am 13. August 1987, „Gazette Newspapers“ (Florida, USA) am 13. August 1987, „Zürichsee-Zeitung“ (Schweiz) am 13. August 1987 und „Argentinisches Tageblatt“ (Buenos Aires) am 15. August 1987. Der Essay „Politische Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland hat sich bewährt“ erschien in deutscher, englischer, französischer und

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spanischer Sprache, abgedruckt unter anderem in: „El Seminario Israelita“ (Buenos Aires) am 19. Mai 1988, „Argentinisches Tageblatt“ (Buenos Aires) am 21. Mai 1988, „El Telégrafo“ (Quito) am 21. Mai 1988, „The Sunday Times“ (Singapur) am 21. Mai 1988, „Elima“ (Kinshasa) am 21. Mai 1988, „El Nuevo Diario“ (Managua) am 23. Mai 1988, „Le Renouveau“ (Bujumbura) am 24. Mai 1988, „La Voz de Interior“ (Cordoba, Argentinien) am 28. April 1988. Der Essay „Im Westen verankert, nach Osten offen. Grundzüge und Leitlinien der Außen- und Deutschlandpolitik der Bundesrepublik Deutschland“ erschien in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache, abgedruckt unter anderem in „The Jordan Times“ (Amman) am 23. Mai 1979. Der Essay „40 Jahre Bundesrepublik Deutschland: Auf die Westintegration folgte die Aussöhnung mit Osteuropa“ erschien in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache, abgedruckt unter anderem im „New Nigerian“ (Lagos) am 14. Juni 1989. Mein Argument in diesen publizistischen Analysen war eindeutig: „Die Berliner Mauer trennt, was zusammengehört.“ So schrieb ich erstmals mehr als zwei Jahre vor der berühmt gewordenen Weiterentwicklung des Satzes durch Willy Brandt zu dem Motto „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“. Ich habe nie recherchiert, wie eigentlich die Anteile am Copyright dieses Wortes vergeben werden müssten. Die Ordnung der Bundesrepublik Deutschland hatte sich jedenfalls bewährt. Der Kern der deutschen Frage sei die Freiheit, auf deren Grundlage die Bevölkerung beider deutschen Staaten eines Tages entscheiden werde, wie es weitergeht. Es könnte zu einer Zweistaaten-Lösung ebenso kommen wie zu einer Vereinigung unter der Ordnung des Grundgesetzes. Das werde die Zukunft weisen, argumentierte ich in meinen Essays (Kühnhardt 1987b; 1988; 1989a; 1989b). Die Jahre als Mitarbeiter von Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatten mich tagtäglich als Augenzeuge in die Aufbrüche hineingezogen, die in Europa seit dem NATO-Doppelbeschluss 1979, Michail Gorbatschows Machtübernahme 1985 in Moskau und Ronald Reagans Berliner Rede von 1987 („Mr. Gorbatschow, tear down this wall“) immer deutlicher und rascher, fast körperlich zu spüren waren. Im Vorfeld zum 40-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes wurde ich zu einer Standortbeschreibung in der Zeitschrift „Europa kommunal“ gebeten, die der Rat der Gemeinden Europas herausgab. Ich erinnerte an einen Buchtitel von Klaus Mehnert aus dem Jahr 1967, Der deutsche Standort, und analysierte ein Land im Spannungsbogen von Kriegsverantwortung und Kriegsniederlage, Teilung und Neuaufbau, westlichem Rechtsstaat und DDR-Sozialismus (Mehnert 1967). Nach den komplizierten Entwicklungen der deutschen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert (Kühnhardt 1992a, S. 70–77) und den tiefgreifenden Verwerfungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollte seit den Tagen von Konrad Adenauer, der „Dualismus zwischen deutschem Geist und Westeuropa endlich aufgehoben werden“. Solange den Menschen in der DDR die Selbstbestimmung verweigert wird, müssten die Deutschen die Spannungen aushalten, die noch immer zwischen der deutschen Frage und der Idee der europäischen Einigung bestehen. Der Weg sei wohl noch immer sehr lang, meditierte ich, bis es zu einem Systemwandel in der DDR und Osteuropa insgesamt kommen werde. Erst dann aber werde die Spannung aus der

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deutschen Frage in ihren Konsequenzen für die Stabilität Europas entweichen können. Nicht Freiheit durch Einheit, sondern Einheit durch Freiheit sei die Maßgabe für eine gute Zukunft. Nur so könnten die Deutschen akzeptieren, dass ihre nationalen Anliegen spätestens seit dem Westfälischen Frieden von 1648 „eine europäische Frage“ sind (Kühnhardt 1989c, S. 4 ff.). Immer wieder überprüfte ich meinen Blick, meine Analyseraster und meine Schlussfolgerungen. Mein Denken entwickelte sich in diesen Wochen und Monaten beständig weiter. 1989 und 1990 näherte ich mich kontinuierlich den Zusammenhängen zwischen den mir vorgegebenen deutschen Zugängen zu den Umwälzungen in Europa und den zur Erfassung aller Dimensionen der Veränderungen notwendigen Perspektiven anderer europäischer Gesellschaften und Staaten. Vom 9. bis 11. März 1989 konnte ich erstmals an einer deutsch-britischen „Königswinter Konferenz“ teilnehmen, in der über die von mir dargelegten Herangehensweisen und Perspektiven so ausführlich diskutiert wurde wie ich es bisher noch nirgendwo erlebt hatte. Die Konferenz stand unter einem durchaus nüchternen und keineswegs pathetisch gemeinten Thema: „Europe’s Destiny – Europas Zukunft“. Bei einem Vortrag in der School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University in Bologna argumentierte ich im Frühsommer 1989 leidenschaftlich, dass Europa mehr sei als Westeuropa. Zentraleuropa gehöre zur europäischen Gemeinschaft der Zukunft zwingend dazu. In eine solche künftig gesamteuropäische Architektur sei die deutsche Frage eingebaut. Ungeklärt sei zwar noch immer, ob am Ende eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten stehen werde oder eine andere Konstruktion. Entscheidend sei eine Balance zwischen der Selbstbestimmung aller Deutschen und einem System des Ausgleichs zwischen allen an der Europäischen Gemeinschaft beteiligten Staaten. Zwar hatte der Westen den Kalten Krieg gewonnen, aber mir war klar, dass der Veränderungsdruck, der von Mittel- und Osteuropa ausging, auf Dauer den Ausgang der neuen Architekturen in Europa entscheidend definieren würde. Mitteleuropa war nicht länger zu verstehen aus der Perspektive von Friedrich Naumanns Konzept oder Bismarcks Spiel mit den Mechanismen wechselnder Bündnispolitik. Mitteleuropa, so sagte ich in Bologna, sei heute die Signatur der Freiheit. Bei dieser Gelegenheit entwickelte ich erstmals den Begriff des „Ostens des Westens“ zur kultursoziologischen und politikstrategischen Einordnung Mitteleuropas. Ich überarbeitete den Vortrag, der im Oktober 1989, noch vor dem Fall der Berliner Mauer, in der Zeitschrift „German Comments“ veröffentlicht wurde (Kühnhardt 1989d, S. 24 ff.). Am 6. und 7. Juni 1989 veranstaltete das Royal Institute of International Affairs in London („Chatham House“) einen Gesprächskreis, gewidmet der Bundesrepublik Deutschland, „a proven ally of 40 years“ (Kühnhardt 2021, S. 362). In Abwandlung des später berühmten Wortes von Michail Gorbatschow bei den Feiern zum 40-jährigen Jubiläum der DDR („Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“) musste ich im Rückblick der von mir sehr geschätzten Tagungsleiterin Helen Wallace attestieren, dass auch bestraft werden könnte, wer zu früh kommt. Der Gesprächskreis war prominent mit Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten besetzt. Zu den Teilnehmern der Tagung

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gehörten: James Eberle, der Direktor des Chatham House, Arnulf Baring, Freie Universität Berlin, Jonathan Carr, The Economist, Robert Cooper, Foreign and Commonwealth Office, Thierry de Montbrial, Institut français des relations international, Thomas Enders, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Timothy Garton Ash, St Antony’s College Oxford, Peter Katzenstein, Cornell University, Peter Pulzer, All Souls College Oxford, Gordon Smith, London School of Economics, Wolfgang Streeck, University of Wisconsin-Madison, Peter Graf Kielmansegg, Universität Mannheim, Willie Paterson, University of Warwick, David Schoenbaum, University of Iowa, Hans-Peter Schwarz, Universität Bonn, Karsten Voigt, Bundestagsabgeordneter der SPD, Gebhard Schweigler, Stiftung Wissenschaft und Politik, Hans-Friedrich von Ploetz, Diplomat an der deutschen NATO-Vertretung, Irmgard Adam-Schwaetzer, Staatsministerin im Bonner Auswärtigen Amt, John Biffen, Mitglied des britischen Unterhauses, Peter Blaker, Cabinet Office des britischen Verteidigungsministeriums. Referenzpunkt für alle Redner war das Bonner Grundgesetz. Die Möglichkeit einer deutschen Wiedervereinigung wurde mit keinem Wort erwähnt. Ich machte mich eher unbeliebt, als ich, ausweislich des Tagungsprotokolls auf Seite 52, darauf hinwies, dass der Kern der ungelösten deutschen Frage nicht die immer wieder befürchtete Unsicherheit über die westdeutsche Westbindung sei. Der aktuelle Kern der deutschen Frage, so wurde ich im Protokoll dieser Londoner Tagung zitiert, sei die Zukunftsexistenz der DDR. Das Bundeskanzleramt hatte geschätzt, dass in den letzten Jahren jeder dritte DDRBürger Westdeutschland besucht hatte. Nach Umfragen präferierten die Westdeutschen die Idee der Selbstbestimmung vor einer möglichen Wiedervereinigung. Was aber, so fragte ich, wenn die DDR-Bürger entscheiden könnten, die vermutlich eine ganz eigene Sicht auf die Dinge hätten? Mir wurde stark widersprochen, vor allem von anwesenden Deutschen: Die 17 Mio. Ostdeutschen würden unter keinen Umständen die deutsche Zukunft entscheiden angesichts der Dominanz von 62 Mio. Westdeutschen, wurde mir entgegengehalten. Bald begannen die Montagsdemonstrationen und die „Wir sind das Volk“-Schlachtrufe, die die Tür zur Wiedervereinigung öffneten, eben gerade, weil die Ostdeutschen dies so wollten und das Bonner Grundgesetz ihnen diesen Beitritt garantiert hatte. Ich drängte in London übrigens auch darauf, dass wir uns mit der Frage der Folgen einer möglichen Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft um Österreich, Polen und Ungarn beschäftigen sollten. Die Transformation im sowjetischen Machtbereich verlange dringend konzeptionelle Klarheit im Westen. Mein Appell blieb an diesen beiden Tagen unbeantwortet. Nach meinem Ausscheiden aus dem Bundespräsidialamt am 30. Juni 1989 dachte ich während eines anschließenden längeren Exerzitien-Aufenthaltes im Kloster Einsiedeln in der Schweiz über die möglichen Folgen der Veränderungen weiter nach, die in Europa anstanden. „Es liegt etwas in der Luft in Europa,“ notierte ich mir am 4. September 1989 in Einsiedeln (Kühnhardt 2021, S. 363). Besonders wichtig war mir der Ausgleich mit Polen. Ich meinte, es sei an der Zeit, das Gut Kreisau in Schlesien, wo sich um Helmuth James Graf von Moltke regelmäßig ein Teil des Widerstands gegen Hitler getroffen hatte, zu einer deutsch-polnischen Jugendbegegnungsstätte umzubauen (Kühnhardt 2021,

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S. 364 f.). Ich konnte nicht ahnen, dass genau an jenem Ort Bundeskanzler Helmut Kohl und Polens erster nichtkommunistischer Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki am 12. November 1989 zu einer Versöhnungsmesse zusammenkommen sollten. Bei der Eröffnung der Internationalen Jugendbegegnungsstätte waren die beiden 1998 erneut unter den Festgästen auf Gut Kreisau. Auch diese Idee hatte in der Luft gelegen. Tadeusz Mazowiecki durfte ich später einige Male in Polen treffen.

Abb. 5.1   Am St. Antony’s College Oxford (1989). (©Ludger Kühnhardt)

Ab September 1989 hielt ich mich zu Forschungen am St. Antony’s College in Oxford auf, die eigentlich ausschließlich dem politischen Denken in der südlichen Hemisphäre dienen sollten. Die europäische Geschichte wollte es anders. Am 8. November 1989 diskutierte ich bis tief in die Nacht mit dem jugoslawischen Philosophen und politischen Aktivisten Zoran Đinđić am Rande einer Menschenrechtstagung in Wolfenbüttel (Kühnhardt 2021, S. 367). Wir waren uns einig: Bald werde die Mauer wohl fallen und dann würden die Kunststaaten DDR, Sowjetunion und Jugoslawien fallen. Überall könnte es Gewalt geben, so Zoran, aber ganz sicher werde es dazu in seiner Heimat Jugoslawien kommen. Dort herrschten die fragilsten kulturellen Loyalitäten, die von skrupellosen Machtmenschen der kommunistischen Nomenklatura eiskalt ausgenutzt werden könnten, um nationalistische Feuer zu legen. Wie bedrückend realistisch waren die Prognosen von Zoran Đinđić, mit dem ich bis zu seiner Ermordung im Amt

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des serbischen Ministerpräsidenten 2003 freundschaftlich verbunden blieb. Am nächsten Abend war ich zu einem privaten Besuch in Bonn. Dort erlebte ich am 9. November 1989 den Fall der Berliner Mauer am Fernsehen (Kühnhardt 2021, S. 367 f.). Auch in Oxford gab es nur noch ein Thema. In den kommenden Wochen und Monaten fand ich mich mit Ralf Dahrendorf, dem liberalen Warden des St. Antony’s College, dem unlängst als Botschafter Großbritanniens in Bonn pensionierten Sir Julian Bullard und meinem Freund und Kollegen Timothy Garton Ash, Postdoc am St. Antony’s College, permanent in Diskussionen über die Folgen der Veränderungen in Deutschland und Europa. Tim und ich setzten unser freundschaftliches Gespräch auf beiden Seiten des Ärmelkanals über viele Jahre und Jahrzehnte fort.

Abb. 5.2   Timothy Garton Ash und ich im Gespräch mit Michael Mertes, Bundeskanzleramt, Hans-Jürgen Heimsoeth, Bundespräsidialamt, und seiner Frau Lizabeth, einer viel zu früh verstorbenen französischen Diplomatin, in Bonn (1990). (©Ludger Kühnhardt)

Unvergesslich blieb mir der 6. Dezember 1989. Die German Society an der Cambridge University hatte mich zu einer Podiumsdiskussion mit dem Pressesprecher der DDRBotschaft in London eingeladen. Im King’s College lobte ich die Friedlichkeit der Revolution und zitierte Alastair Buchans Buchtitel Change without War (Buchan 1974). Es gehe nun um die Wiedervereinigung aller Europäer und darin eingeschlossen um das neue Zusammenkommen aller Deutschen in einer föderalen nationalen Struktur, die

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ich als dezentral und nichthegemonial verstand. Helmut Kohls Zehn-Punkte-Plan vom 28. November 1989 hatte diese Perspektive vor jede direkte und zusammenhanglose Wiedererlangung staatlicher Einheit gestellt. Langsam sollten die Dinge sich entwickeln, so wollte es die westdeutsche politische Führung, unter Einbezug der Interessen aller und bei Fortsetzung der europäischen Einigung. Erich Honeckers Kurs in der DDR, so formulierte ich pointiert, habe die Zeit von Bismarck und Hitler ungebührlich verlängert. Die kommunistische DDR sei Ausdruck statischen Nationalstaatsdenkens gewesen. Die angemessene Agenda auf das Scheitern des DDR-Kommunismus könne nur lauten: 1) Weitere politische Reformen in der DDR. 2) Weitere ökonomische Reformen, um den Technologierückstand der DDR zu bremsen. Die DDR, so erläuterte ich, produzierte damals in einem Jahr so viele Mikrochips wie Japan an einem Tag. Die EG schätzte, man würde wohl 15 bis 20 Mrd. D-Mark über fünf Jahre benötigen, um die DDR zu modernisieren. Infolge einer Währungsreform wäre die Einführung der D-Mark in der DDR vorstellbar. 3) Föderative Strukturen in Deutschland. Die Idee von Hans Modrow, dem letzten Ministerpräsidenten der DDR, Verträge zwischen den beiden deutschen Staaten mit längerer Laufzeit zu schließen, dürften wohl an der Ungeduld der Menschen scheitern. Föderative Strukturen für ganz Deutschland aber, so ergänzte ich, hätten Implikationen für die Blocksysteme in Ost und West. Die Entwicklung dieser Frage hänge natürlich von der Zukunft der Sowjetunion ab, die niemand kenne. Mitten in unsere Diskussion hinein platzte plötzlich eine Meldung aus dem Publikum: BBC habe soeben berichtet, Egon Krenz, Generalsekretär der SED und Staatsratsvorsitzender der DDR, sei zurückgetreten. Nun werde es wohl bald zu Neuwahlen in der DDR kommen, sagte der neben mir sitzende Pressesprecher der Ostberliner Botschaft in London. Am Ende der Veranstaltung zog er mich zur Seite: Ob ich über gute Kontakte ins Bonner Auswärtigen Amt verfüge, wollte er wissen, und ob man dort wohl seine Großbritannien-Expertise gebrauchen könnte? (Kühnhardt 2021, S. 368 f.) Ich erlebte erstmals persönlich einen „Wendehals“. Im Westen Europas schaute man einstweilen weiterhin vor allem auf den Westen Deutschlands. Am 14. Dezember 1989 wollte der „Glasgow Herald“ von mir wissen, was ich von dem saarländischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine halte. Im Januar1990 fanden im Saarland Landtagswahlen statt. Lafontaine, der sich gegen eine rasche Wiedervereinigung ausgesprochen und vor den massiven sozialen Folgen gewarnt hatte, sei, so erläuterte ich, ein deutscher Jakobiner. Er sei farbig und opportunistisch. Zu den vielen sich in Oxford anschließenden Diskussionen gehörte ein trilateraler britisch-deutsch-französischer Gesprächskreis, an dem ich Anfang 1990 im St. Antony’s College teilnahm. Der unermüdliche Ludger Eling, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Großbritannien, hatte die Initiative zu dieser Tagung gehabt. Sie erweiterte meine Horizonte noch einmal deutlich. Mir wurde endgültig klar, dass in Europa nicht nur nach einer Antwort auf die Umbrüche im Osten gesucht wurde. Es musste auch eine Antwort auf die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Westens gegeben werden, schrieb ich in einem Bericht im „Rheinischen Merkur“ über die Diskussionen in Oxford (Kühnhardt 1990a, S. 8).

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„Was würde sein, wenn“ war die am häufigsten zu hörende Redewendung in Oxford. Alle nur denkbaren Optionen über die Zukunft wurden reflektiert. Das, was soeben noch unsicher schien, wurde wenig später schon als erledigt angesehen. Die letzten Mühen der Vollendung des europäischen Binnenmarktes schienen auf einmal technisch und banal gegenüber dem Blick auf die hohen Gipfel der Freiheit und Einheit, die allerorten angebetet wurden. Geschichte hatte wieder begonnen. Bei diesem wie bei vielen anderen Gesprächskreisen, die ich im Laufe der 90erJahre besuchen konnte, wird ihr Mehrwert für die Entwicklung meines Denkens und die Erweiterung meiner Netzwerke offenkundig. Zwischen dem, was Politiker ex cathedra an Überzeugungen verkünden und dem, was zwischen Regierungen im Detail verhandelt wird, liegt das weite Feld des Aushandelns und Interpretierens, des Kennenlernens allgemeiner Sichtweisen und der Einbeziehung konkreter Ansichten anderer in die eigene Argumentation und Zielperspektive. Gute Gesprächskreise und Tagungen haben in Europa zumindest so lange eine enorm wichtige Funktion, wie es keine der nationalen Sphäre ähnliche europäische Öffentlichkeit gibt. Hier kommen Fachleute und Vertreter spezifischer Interessen zusammen, die in der Regel dann von Nutzen für so eine Gelegenheit sind, wenn sie nicht nur sagen, was ihnen aufgeschrieben wurde oder sowieso reflexartig gerade aus ihrem jeweiligen Mund zu erwarten ist. Man tauscht sich aus, lernt voneinander, oder auch nicht, und kehrt, wenn das Ereignis gelungen war, mit einem höheren Maß an Unsicherheit und einem geringeren Maß an Selbstgerechtigkeit nach Hause zurück. Mir waren die Gesprächskreise und Tagungen, denen ich beiwohnen konnte, oft eine wichtige Schule des Austausches und Lernens, der Selbstüberprüfung und der Begegnung. Bei der 40. Königswinter-Konferenz vom 29. bis 31. März 1990 im St. Catherine’s College Cambridge erlebte ich Helmut Kohl und Margaret Thatcher. Unter anderem waren mit dabei Sir Leon Brittan, Vizepräsident der Europäischen Kommission, Großbritanniens Außenminister Douglas Hurd, Michael Hesseltine, ehemaliger britischer Umwelt- und später Verteidigungsminister, John Kerr, später Sekretär des europäischen Verfassungskonvents, und Pauline Neville-Jones, Diplomatin im Foreign Office und später Lady-Mitglied im House of Lords, Reinhard Bettzüge, Diplomat im Auswärtigen Amt, Marion Gräfin Dönhoff, die Herausgeberin der „Zeit“, Hella Pick, Journalistin des „Guardian“, Paddy Ashdown, Vorsitzender der Liberaldemokraten, Majorie Mowlam, Abgeordnete der Labour Partei und spätere Nordirland-Ministerin, der Abgeordnete des Europäischen Parlaments Elmar Brok, die Bundestagsabgeordneten Matthias Wissmann und Friedbert Pflüger und der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Peter Corterier, Admiral Dieter Wellershoff, der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Kurt Lauk, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Audi, und natürlich „Königswinter“-Chairman Oliver Wright. „Deutschland und Europa – ungeteilt“ war das Motto der Jubiläumskonferenz. Unterthemen: EU weiter oder tiefer. Von der geschlossenen zur offenen Gesellschaft. Die Zukunft der europäischen Sicherheit. Implikationen der deutschen Einheit nach der DDR-Wahl vom 18. März 1991. Europäische Währungsunion ja oder nein.

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Margaret Thatcher zitierte Friedrich Schiller: „Das alte stürzt, es ändert sich die Zeit – und neues Leben blüht aus den Ruinen“. So wohl war ihr sichtlich nicht. Nach der ostdeutschen Wahl komme die Einheit der Deutschen offenbar näher, konstatierte die eiserne Lady trocken. Für sie gelte immer eines: NATO first. Helmut Kohl replizierte, die Wiedervereinigung werde auf der Basis des Selbstbestimmungsprinzips in einem stabilen europäischen Rahmen stattfinden. Die Deutschen wollen bleiben, was sie sind und sie wollen mehr Europa, sagte der Bundeskanzler. Die Hoffnung auf die Vereinigung der beiden Staaten, für die die Ostdeutschen votiert hatten, helfe den Menschen, zu Hause zu bleiben. Die D-Mark müsse rasch zu den Menschen kommen, sagte Kohl. Er zitierte Winston Churchill, dann Karl Popper und sprach von seiner Hoffnung, dass die 1990er-Jahre Europas Dekade werden. Die Spannungen der großen Diplomatie waren zu greifen. Doch England blieb sich und seinen Traditionen treu: Beim Tee hatte ich Gelegenheit, mit Margaret Thatcher in der College-Bibliothek ein wenig zu plaudern. Die College-Atmosphäre entspannte auch ihre Gesichtszüge wieder. Mir war wichtig, die mitteleuropäische Dimension der Umbrüche besser kennenzulernen. Im Sommer 1990 unternahm ich eine erste intensive Studienreise von Stettin bis Tirana, quer durch Mitteleuropa (Kühnhardt 2021, S. 375 ff.). Viele weitere Studienreisen und Feldforschungen in alle Winkel Europas sollten folgen. Wichtig waren mir sowohl horizontale als auch vertikale Vergleichsansichten, um die Dinge besser einzuordnen, die sich geändert hatten und jene schärfer zu sehen, die bleiben und den eigentlichen Bestand einer Gesellschaft ausmachen. An zwei, drei Orte direkt hintereinander zu fahren oder nach einer Weile an den gleichen Ort zurückzukehren, erfüllte diesen Zweck immer wieder auf das Beste. Unmittelbar nach meiner ersten ausführlichen Exkursion durch Mitteleuropa war ich Ludger Eling dankbar für eine Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Vom 6. bis 9. September 1990 konnte ich an einem intensiven deutsch-britisch-ungarischen Gesprächskreis teilnehmen, zunächst in Budapest, danach in einem ehemaligen Erholungsheim der ungarischen Kommunisten in Balatonföldvar (Kühnhardt 2021, S. 389 f.). Ich war gebeten worden, über Föderalismus, Subsidiarität und die aktuellen Folgerungen dieser Ideen aus dem Raum der politischen Philosophie und der katholischen Soziallehre zu sprechen. Immer mehr entwickelten sich die mitteleuropäischen Länder in diesen Monaten auseinander. Längst war es nicht mehr mit nebulösen Formen der Zusammenarbeit in konzentrischen Kreisen getan, wenn Europas Stabilität gesichert werden sollte. Ich plädierte für die baldige Assoziation der mitteleuropäischen Staaten mit anschließend ebenso rascher Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften. Wir waren ein interessanter Kreis: Peter Akos Bod, Handelsminister von Ungarn, György Granasztoi, Leiter des Büros für auswärtige Angelegenheiten des Magyar Democratic Forum (MDF), Gábor Erdödy, künftiger Gesandter Ungarns in der Bundesrepublik und alsbald ein lebenslanger Freund, Imre Oravecs aus dem Büro von Ministerpräsident Antall, Peter Farkas, Parteivorsitzender der christlich-demokratischen

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Volkspartei KDNP, Laszlo Arvad aus dem Ministerialbüro für Kleinunternehmen, Andras Hajdu, Abteilungsleiter Außenministerium, Judit Horvath, Finanzministerium, Laszlo Odor, künftiger Botschafter in der Schweiz, Gabriella Löcsey, Journalistin Ungarischer Rundfunk, Istvan Forrai, persönlicher Referent von Ministerpräsident Antall, Csaba Olajos, Wirtschaftsberater des Magyar Democratic Forum (MDF). Thomas Enders,Bundesministerium der Verteidigung (und später Chef von Airbus, der mit mir in Bonn studiert hatte), Jacqueline Henard, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Johannes von Thadden, Deutscher Industrie- und Handelstag, Stephan Eisel, Bundeskanzleramt, Klaus Bräunig, Bundesverband der Industrie, Marina Sieburger, Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Brendan Donnelly, Political Consultant, Jonathan Eyal, Royal United Service Institute for Defense Studies, Isabel Hilton, The Independent, Patrick Robertson, Sekretär der ungeniert europa-feindlichen „Bruges Group“, Andrew Tyrie, Adviser in der Treasury (und später Abgeordneter im Europäischen Parlament), Timothy Bainbridge, European Democratic Group. Die Themen, die wir in diesen Tagen in Ungarn intensiv miteinander diskutierten, waren wenig überraschend: Chancen des demokratischen Umbruchs in Ungarn. Von der Kommandowirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft. Die Europäische Gemeinschaft und das Konzept eines weiteren Europas. Etappen der Annäherung der Länder Osteuropas an EG und EFTA Sicherheit in Europa. Am eindrucksvollsten waren die Ausführungen von Peter Akos Bod, Handelsminister in der Regierung des ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten József Antall, der im darauffolgenden Jahr Notenbankchef von Ungarn wurde. Bod nahm eine schonungslose Analyse der Schwierigkeiten vor, denen Ungarn bei voller Öffnung als Marktwirtschaft gegenüberstehen würde. Andras Hajdu stritt vehement für die atlantische Werteordnung. Ich spürte in diesen Tagen gleichwohl, dass die Flitterwochen Ungarns mit dem Westen vorbei waren. Seit 1989 hatten die Probleme der Transformation in Ungarn zugenommen. Das Land befand sich in einem sicherheitspolitischen Vakuum, die Anpassungen an die Marktwirtschaft würden brutal sein. Der letzte kommunistische Parteichef Janos Kadar, so sagte Judit Horvath, habe die beste Baracke im kommunistischen Lager hinterlassen. Ob man diesen Zustand bewahren könne, sei unklar. Über allem schwebte eine Frage: Ist der Westen bereit, Ungarn als Teil der atlantischen Werteordnung aufzufassen und Schritt um Schritt zu integrieren? Aber ebenso tiefgreifend war die zweite Frage: Kann Ungarn wirklich die Wiedergewinnung nationaler Souveränität und strukturierte, geteilte europäische Souveränität miteinander verbinden?

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Abb. 5.3   Luxemburgs Botschafter Adrien Meisch trägt vor. Ganz rechts: Max Huber, Rektor der Bonner Universität, und Hans-Peter Schwarz (1990). (©Ludger Kühnhardt)

Als ich ab April 1990 für ein gutes Jahr nach Bonn zurückkehrte, um den Lehrstuhl von Hans-Peter Schwarz zu vertreten, organisierte ich neben dem normalen Lehrpensum mehrere Ringvorlesungen. Ich wollte die Studierenden in diesen extrem spannenden Monaten der Zeitgeschichte mit Akteuren zusammenbringen und ihnen verschiedenste Perspektiven eröffnen. Horst Teltschik, der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers, Thomas Kielinger, Chefredakteur des Rheinischen Merkur, Ottokar Hahn, Berater der Europäischen Gemeinschaft für die neuen Bundesländer, Dieter Chenaux-Repond, Botschafter der Schweiz bei den Vereinten Nationen, Klaus-Jürgen Citron, Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt, Prälat Paul Bocklet, Leiter des Katholischen Büros, Jürgen Aretz, Planungschef im Bundesministerium für innerdeutsche Angelegenheiten, Hans-Gert Pöttering, Mitglied des Europäischen Parlaments, Johannes von Thadden, Leiter des Präsidentenbüros im Deutschen Industrie- und Handelstag, die Bundestagsabgeordneten Karl Lamers (CDU), Karsten Voigt (SPD) und Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP) folgten meiner Einladung. Immer dringender erschien es mir, die deutsche Sicht auf diese Zeit zu erweitern. Mitten im Umbruch, wie ich einige Jahre später eine Sammlung meiner Aufsätze aus den Jahren 1990 bis 1994 überschrieb, waren weite Horizonte nötig (Kühnhardt 1995). So entstand die Idee, die Botschafter der Nachbarländer Deutschlands zu Wort kommen zu lassen. Die „hochkarätige Veranstaltung“, wie „Die Welt“ in einem Artikel am 14. Mai 1991 freundlich notierte, war immer bestens besucht und führte Woche um Woche zu äußerst lebendigen Diskussionen. Anschließend führten Hans-Peter Schwarz und ich die Diplomaten zu einem Abendessen aus. Dort lernte ich noch einmal mehr über die außenpolitischen und perspektivreichen Zusammenhänge, als in den besten Büchern oder Zeitungen zu lesen war.

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Abb. 5.4   Zwölf Nachbarn – ein Europa (herausgegeben mit Hans-Peter Schwarz) 1991). (©Ludger Kühnhardt)

Alle Botschafter stellten fest, dass Deutschland bereits anders geworden sei. Sie äußerten – manche diplomatischer, andere direkter und mit sorgenvollem Unterton – dass die Folgen der deutschen Vereinigung auch für ihr Land massiv sein würden Jiří Gruša, der Schriftsteller-Diplomat aus der Tschechoslowakei, fühlte sich beim gegenwärtigen Europa an das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen erinnert. Er orakelte, Deutschland könnte zu viele der sieben Betten im europäischen Haus belegen und seine Nachbarn, die sieben kleinen Zwerge, hängenlassen. Wir müssten lernen, gab Gruša mit auf den Weg, europäisch zu denken, und das bedeute, als erstes enteuropäisiert zu verstehen, warum die kleinen Zwerge nach Jahrzehnten der sowjetischen Hegemonialherrschaft national denken. Erst dann könne es gelingen, die hauptsächlichen Untugenden Europas zu mildern und souveräne Staaten über polemischen, aber friedlichen Streit zu einer selbstbestimmten europäischen Gemeinschaft zu führen. Noch drei

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Jahrzehnte später klingt dieser Text so frisch und relevant wie 1991. Polens Botschafter Janusz Reiter, vormals Journalist und Solidarnosc-Aktivist, den ich bereits am 14. Dezember 1990 kurz nach seiner Akkreditierung bei unseren gemeinsamen Freunden Gudrun und Johannes von Thadden kennengelernt hatte, ermahnte, aus der aufrichtigen Auseinandersetzung mit der Geschichte und auf Basis des neuen Freiheitswillens gemeinsame europäische Perspektiven zu entwickeln. Luxemburgs Botschafter Adrien Meisch beschrieb, wie unter der EG-Präsidentschaft seines Landes der europäische Binnenmarkt vollendet werden solle. Ausgleich zwischen Erweiterung und Vertiefung der europäischen Gemeinschaft müsse Hand in Hand gehen, mahnte Meisch. Mit von der Partie waren außerdem Serge Boidevaix (Frankreich), Herbert Grubmair (Österreich), Alfred Hohl (Schweiz), Christopher Mallaby (Großbritannien), Michael Odevall (Schweden), Per Martin Ölberg (Norwegen), Knud Erik Tygesen (Dänemark), Jan van der Tas (Niederlande) und Georges Vander Espt (Belgien). Aus den Vorträgen entstand ein schöner Sammelband, dem Hans-Peter Schwarz und ich eine kurze Skizze über die vor Europa liegenden Konstellationen und Optionen vorausstellten. „Die Synchronisierung des deutschen und des europäischen Einigungsweges ist immer wieder diskutiert, auch problematisiert worden,“ schrieben wir. Beide Sachverhalte aber seien zu komplex, „um tatsächlich parallelisiert zu werden. Die Einigung Deutschlands ist unterdessen zu einer Aufgabe der inneren Vereinigung geworden und wird es auch für die nächsten Jahre bleiben. Die Einigung Europas ist aber vor allem eine institutionelle und politische Frage, und als solche wird sie für weitere Jahre auf der Tagesordnung stehen“ (Kühnhardt und Schwarz 1991, S. viii). Wir waren kritisch zu der Art, wie die Deutschen und ihre Politik mit den großen Veränderungen um Deutschland herum umgingen: „Die neue Herausforderung für das innerlich zusammenfindende, politisch geeinte Deutschland liegt daher darin,“ schrieben wir weiter, „ob es sich in einen idyllischen Winkel der Weltgeschichte zurückziehen oder ob es seiner gewachsenen weltpolitischen Verantwortung gerecht werden will.“ Wir sprachen von der Sorge, „daß eine neue Variante deutschen moralischen Sonderbewußtseins entstehen könnte, die sich mit dem Mantel der Friedfertigkeit umgibt, tatsächlich aber eine höhere Qualität von Moral beansprucht und damit wiederum außerhalb des Realitätssinns einfordernden Gefüges der Welt stünde. Eine derartige Selbstsingularisierung müßte in der Konsequenz zu einer Selbstneutralisierung Deutschlands führen. Entsprechende Befürchtungen beschäftigen und beunruhigen auch die Nachbarn der Deutschen“ (Kühnhardt und Schwarz 1991, S. xi). Zwölf Nachbarn – ein Europa blieb nicht nur, was uns natürlich freute, „ausserordentlich gewinnbringende Lektüre“, wie Gerd Schulten in der „Annotierten Bibliographie für politische Bildung“ (1/1993) rezensierte. Für Maren Gottschalk war das Buch „ein vorbildlicher Beitrag zur Verständigung innerhalb Europas“, wie sie im „Europa-Kurier“ (1993) schrieb. Es sei „ein Panorama der europäischen Wirklichkeit“ entstanden, befand die „Bozener Zeitung“ in einer wohlmeinenden Rezension am 15. Dezember 1992 über die Quelle, die wir mit dem Sammelband der Botschaftervorträge für das weitere Studium und die künftige Forschung erschlossen hatten. In seiner großen Studie Die Krise Europas zitierte Karl Dietrich Bracher 1993 das für Hans-Peter Schwarz

5.1  Zwölf Nachbarn, ein Europa (Kühnhardt und Schwarz1991) …

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und mich wichtigste Prinzip der aktuellen und selten intensiven Suche nach einer neuen europäischen Ordnung: Es gehe uns beiden für das neue Europa „um die Ermöglichung von Sicherheit füreinander“ (Kühnhardt und Schwarz 1991, S. viii; Bracher 1993, S. 460).

Abb. 5.5   Von Deutschland nach Europa. Geistiger Zusammenhalt und außenpolitischer Kontext (2000a). (©Nomos Verlag)

Hinter diesen Horizont konnte ich in meiner weiteren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Europa und der anhaltenden Revolution nicht zurückgehen. Ich richtete mein Denken immer deutlicher Von Deutschland nach Europa aus, wie ich Jahre später eine Sammlung meiner Aufsätze aus den Jahren 1995 bis 1999 betiteln sollte (Kühnhardt 2000a). Ich lernte mehr über Europa als Ganzes und dachte von Europa als Ganzem her über Geschichte, Gegenwart und Zukunft nach. Mir war längst klar, dass es kein Ende der Geschichte geben werde. Eher befanden wir uns in einem europäischen „Nachsommer“. Die Modernisierung Osteuropas würde eine gewaltige Anstrengung ­

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5  Revolutionszeiten in Europa

mit unvorhersehbaren Folgen für den Prozess der europäischen Einigung werden, hatte ich schon 1990 und 1991 notiert (Kühnhardt 1990b, S. 53 ff.; 1991a, S. 82 ff.). Im Blick auf die schwankenden Haltungen in Deutschland zu den Konsequenzen aus der europäischen Einigung stellte ich am Ende des Jahrzehnts die Frage, wie viel Europa das vereinte Deutschland vertrage (Kühnhardt 1999a, S. 23 ff.). Das Selbstbild eines proeuropäischen Landes stimmte auch schon in den 1990er-Jahren nicht immer mit dem tatsächlichen Regierungshandeln überein.

5.2

 uropäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a): E Der Vertrag von Maastricht und seine Einordnung

Die Frage nach den Grundsätzen einer künftigen Struktur Europas musste mit der Bestandsaufnahme über den aktuellen Zustand Europas beginnen. 1990 und 1991 fanden zwei Regierungskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft statt. Die eine war mandatiert, die Grundlagen für die Wirtschafts- und Währungsunion zu legen. Die andere war mandatiert, die Grundlagen für die Politische Union zu schaffen. Am Ende stand der Vertrag von Maastricht, den der Europäische Rat am 7. Februar 1992 unterzeichnete. Nach einem teilweise dramatischen Ratifikationsprozess trat der Vertrag von Maastricht am 1. November 1993 in Kraft. Die Debatten rund um den Maastricht-Vertrag definierten die einstweilige Antwort, die sich die Europäische Gemeinschaft gab, um die bisherige europäische Integration unter den Bedingungen der anhaltenden Revolutionszeit in Europa weiterzuführen. Ich war an einer Reihe von Diskussionen über Kurs und Ziel der europäischen Integration beteiligt. Dadurch wurde mein Denken über Europäische Idee und föderale Frage erheblich bereichert und weiterentwickelt. Das 1993 erschienene Buch konnte gleichwohl erst eine Zwischenbilanz sein (Kühnhardt 1993). Es mochte im Rückblick naiv sein zu glauben, die Erfahrungen mit dem deutschen Föderalismus könnten die Zukunft der Europäischen Union bestimmen. Bestenfalls war damit eine Komponente markiert, die sich auseinandersetzen musste mit anderen in Europa verbreiteten Ideen, Traditionen und Zielvorstellungen. Ich spürte den grundsätzlichen Charakter dieser Debatte und ihrer Kontroversen bei einem Seminar im St. Antony’s College Oxford am 28.–30. September 1990 und notierte „zwei Skepsisbeladene Tage“ (Kühnhardt 2021, S. 391). Nachdem ich die Entwicklungslinien und Vorzüge des deutschen Föderalismus präsentiert hatte, zwang Ralf Dahrendorf, der Warden des St. Antony’s College, mich zu einer vergleichenden sprachtheoretischen Neubesinnung. Der Streit um das „f-word“, wie „federal“ in Großbritannien häufig abschätzig charakterisiert wurde, sei im Kern sprachlicher Natur. Während im deutschen Sprachraum mit „föderal“ gemeint ist, dass kleinere Einheiten Identität bilden, Verantwortung tragen und Kompetenzen besitzen, denken Engländer wie Amerikaner immer sofort an zentralisierte Machtaggregation, wenn sie das Wort „federal“ hören. Die Federal Reserve Bank der USA sei ein solches Beispiel, die nur mit der zentralisierten politischen Macht in Kongress und Weißem Haus zusammengedacht werden kann. Dass

5.2  Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a) …

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es in der amerikanischen Geschichte wie in den Entwicklungen anderer traditionell zentralisiert organisierten Staaten immer wieder Wellenbewegungen weg von eben dieser Zentralität gegeben hatte, ließ Dahrendorf nicht gelten. Für die Weiterentwicklung der EG sei der Begriff „federal“ untauglich. Mich wurmte diese apodiktische Sichtweise und ich setzte meine differenzierte Sicht auf die Voraussetzungen und Bedingungen der europäischen Integration fort. Dazu war schon bald nach dem Oxford-Seminar Gelegenheit bei einer Tagung des Goethe Instituts London, wo ich am 16. November 1990 mit Gary Miller vom proeuropäischen britischen Federal Trust und mit einem der ersten expliziten Euroskeptiker, dem Frau Thatcher regelmäßig beratenden Kollegen Nevil Johnson vom Oxforder Nuffield College debattierte. Mit Ralf Dahrendorf pflegte ich weiterhin über viele Jahre ein freundliches Verhältnis, das sich auch in unserer Korrespondenz bis kurz vor seinem Tod 2009 fortsetzte. Es hatte sich einfach so ergeben, dass ich zunächst vor allem im Kontext der deutschbritischen Dispute meine Argumentationswege zur europäischen Frage schärfte. Dazu gehörten auch Fernsehinterviews, um die ich gelegentlich in Großbritannien gebeten wurde, beispielsweise in der Sendung „The World this week“ des Senders ITV/Channel 4 (London) am 17. November 1990. Mit keinem anderen Land, in keiner anderen Gesellschaft rangen deutsche Intellektuelle und Politiker schon zu Beginn der 1990er-Jahre so intensiv um die Grundausrichtung der künftigen Europäischen Union wie mit Großbritannien. Der Austritt Großbritanniens aus der EU („Brexit“) im Jahr 2020 war keineswegs folgerichtig oder gar unvermeidlich. Aber mir wurde schon 30 Jahre zuvor deutlich, dass britische Intellektuelle und Politiker am weitesten von europapolitischen Leitbildern entfernt waren, die auf dem europäischen Kontinent eher konsensual als polarisierend wirkten. Ich war zu Beginn der 90er-Jahre von der Zuversicht getrieben, dass die Briten zwar fordernde und mithin anstrengende Partner, am Ende aber zuverlässige und aus Eigeninteresse loyale Mitwirkende an der weiteren Ausgestaltung der Europäischen Union sein würden. Ich durchdrang die Ursprünge der Idee des Föderalismus in der katholischen Soziallehre und leitete aus deren Grundprinzipien von Solidarität und Subsidiarität die Überlegung ab, dass es sich bei der Idee eines föderal verfassten Europas eben gerade nicht um das Konzept einer Machtzentralisierung handele. Im Gegenteil eröffnete ein nach föderalen Grundsätzen verfasstes Europa Raum für Vielfalt und eine differenzierte, dezentral ausgerichtete Struktur. Subsidiarität sei zwingender Maßstab für ein gelingendes Europa, argumentierte ich in einem Aufsatz, der in deutscher, später in englischer und danach in tschechischer Sprache erschien (Kühnhardt 1991b, S. 37 ff). Meine Herleitung der Idee eines föderal verfassten Europas aus den Prinzipien der katholischen Soziallehre führte mich während der späten Amtszeit von Premierministerin Margaret Thatcher 1990 mehrfach in die Downing Street 10, den Amtssitz der britischen Premierministerin. Brian Griffiths, der „Head of the Prime Minister’s Policy Unit“, an Wirtschaftsethik interessierter Finanzfachmann, wollte mehr Einzelheiten erfahren. Wir trafen uns erstmals am 14. Januar 1990 inmitten gravierender

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5  Revolutionszeiten in Europa

Turbulenzen in der britischen Innenpolitik, verursacht durch die permanente Unentschiedenheit der Tories in Europafragen. Hinter der berühmten Eingangstür führte eine kleine, knarrende Stiege hinauf in sein Büro im 1. Stock (Kühnhardt 2021, S. 374). Am 7. Oktober 1990 trat Großbritannien in das Europäische Währungssystem (EWS) ein. Es rumorte heftig in der britischen Regierungspartei. Auf ein weiteres Gespräch bei Griffiths am 16. November 1990 folgte die kurzfristige Einladung, vom 30. November bis 1. Dezember 1990, an der „Bournemouth Conference“ teilzunehmen. Der Untertitel des illustren Treffens: „A leadership led by God“. Griffiths brachte mich bei dieser Tagung in Verbindung mit anglikanischen Gesprächskreisen, in denen die Europafrage aus Sicht von Kirche, Politik und Wissenschaft lebhaft diskutiert wurde. Es sprachen der Lord Chancellor des Vereinigten Königreichs, Lord Mackay of Clashfern, der Kaplan des US-Senats, Richard C. Halverson, Prinzessin Nora von und zu Liechtenstein, die Schwester des liechtensteinischen Staatsoberhaupts, und Pastor Gabor Roszik, der erste nichtkommunistische Abgeordnete des ungarischen Parlaments. Ich wurde zu einer Einordnung der Folgen der deutschen Einheit für die Entwicklung der europäischen Einigung gebeten. Hinter Großbritannien lagen dramatische Tage. Während Premierministerin Thatcher am 19. November 1990 an der Pariser KSZE-Konferenz teilnahm, bei der die „Charta für ein neues Europa“ verkündet wurde, war hinter ihrem Rücken ein Aufstand in ihrer Partei ausgebrochen. Am 22. November 1990 erklärte Margaret Thatcher ihren Rücktritt und wurde am 28. November 1990 durch John Major, den Kompromisskandidaten, abgelöst. In Bournemouth waren diese Vorgänge natürlich ein noch intensiveres Gesprächsthema als die ethischen Grundlagen des neuen Europas. In Erinnerung geblieben ist mir darüber hinaus die Bibliothek des Tagungshotels. Dort standen Werke über Mondsteine, die Geschichte Schottlands, die Dialoge Platons, über Sansibar, und ein Buch mit dem Titel The tragic comedians neben Fotografien von Winston Churchill und dem Schauspieler Alec Baldwin („Jagd auf Roter Oktober“). Mir wurde einmal mehr deutlich, wie weit das britische Weltempfinden ausgreift, das immer wieder heftig mit den europäischen Fragen kollidierte. Am 25. Januar 1991 stand ein Vortragsabend auf meinem Kalender, zu dem mich „The European Society“ an die London School of Economics geladen hatte, und tags darauf eine lebhafte britisch-französisch-deutsche Debatte im Institut français London unter dem Titel „Regards croisés sur l’Europe“. Dort variierte ich Oscar Wildes selbstgefälliges Wort, er habe nichts zu erklären als seinen Genius: Wenn wir nichts deklarieren würden als unsere jeweilige nationale Souveränität, würde sich kein europäischer Staat auf der Höhe der Aufgaben unserer Zeit verhalten. Vom 26. bis 28. März 1992 fand im St. Catherine’s College Cambridge die jährliche „Königswinter Konferenz“ unter dem Thema „Politik für Europa im Übergang“ statt. Die Themen unserer Gespräche waren wie stets vielfältig und griffen über die Grundfragen der europäischen Architektur weit hinaus in die immer spürbarer werdenden Identitäts- und Kulturfragen: Welche Sicherheit für welches Europa. Chaos als Bedrohung. Die EU nach Maastricht. Die Wirtschaftsund Währungsunion. Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Lehren aus der deutschen Vereinigung. Wachstum, Freihandel und weltweiter Wettbewerb. Asylanten und andere

5.2  Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a) …

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Zuwanderer. Assimilation, multikulturelle Gesellschaft und die Verträglichkeit mit der nationalen Identität. Wie in diesem einzigartigen Gesprächskreis auf höchstem Niveau nicht unüblich, erlebte ich einen zur Wirklichkeit spiegelverkehrten Diskussionsverlauf. Ich hatte dem Abschlussplenum aus einer der Arbeitsgruppen zu berichten. Meine Zusammenfassung: „Die alten Klischees haben ausgedient.“ Briten hatten europafreundlich argumentiert, berichtete ich, Deutsche hingegen skeptisch. Großbritannien schien in die Mitte Europas gerückt. Unter Deutschen brachen sich hingegen aufgestaute Gefühle gegen zu viel Einigung Bahn und offene Vorbehalte gegen den Vertrag von Maastricht. Würde man die Gespräche der „Koenigswinter Conference“ zum Maßstab nehmen, sagte ich, so müsse man konstatieren, dass in Deutschland der permissiv consensus zur europäischen Einigung brüchig geworden sei. Angesagt blieb für alle an Europa Interessierten ein hohes Maß an Pragmatismus. Politische Führungskraft, so zitierte ich Churchill, sei es, vorherzusagen, was morgen passiert. Ich setzte noch eine humorige Sentenz dazu: 1999, und damit die dritte Stufe der vereinbarten Wirtschaftsund Währungsunion werde kommen. Die Frage sei nur: wann. Die fachlichen Diskussionen zu den Einzelheiten der Wirtschafts- und Währungsunion in der Arbeitsgruppe, über die ich zu berichten hatte, waren beeindruckend gewissenhaft. Skepsis herrschte dabei über das Potenzial des deutsch-französischen Tandems angesichts der kulturellen Unterschiede zwischen beiden Ländern. Böse Worte hörte ich über das Europäische Parlament. Es sei noch immer nicht viel relevanter, als es das britische Parlament 1943 in der Einschätzung des damals berühmten Diplomaten und Politikers Harold Nicholson war. Nicholson hatte damals ironisch angemerkt, das Parlament sei „like playing squash with a dish of scrambled eggs“. Ob eine Regionalisierung der Europäischen Gemeinschaft denkbar wäre, war eine der Überlegungen, die wir 1992 in Cambridge diskutierten. Die Fragen des Verhältnisses der Sicherheit Europas zur Idee einer Politischen Union wurden vermessen und natürlich wurde das Subsidiaritätsprinzip bestaunt. Der Begriff war noch immer sperrig und sein Inhalt geheimnisvoll. Faktisch aber half der Gedanke der Subsidiarität, am Ende eine Brücke zu bauen, über die Großbritannien gehen konnte, um den Maastricht-Vertrag zu akzeptieren. Bei der Diskussion einer möglichen Erweiterung der EU waren die Briten mit Leib und Seele dabei. Polen, Ungarn, die Tschechoslowakei, Lettland, Litauen, Estland, Slowenien und Kroatien standen stets gemeinsam auf ihrer Wunschliste. Klar aber war auch jedem, dass die neuen Balkankriege Folgen für die europäische Architektur haben würde. Der Abkürzungsdschungel, der sich in außen- und sicherheitspolitischen Fragen breitgemacht hatte (GASP, WEU, COREPER, EPZ), spiegele unklares Denken wider, klagte ich. Dann war da noch die Finanzfrage. 58 % aller westlichen Hilfe an die postsowjetischen Staaten ging von Deutschland aus. Großbritannien zahlte nur 0,18 %. Erstmals erlebte ich massive Spekulationen über die Zukunft Schottlands, wo Ende 1992 das übliche Gipfeltreffen während der britischen EG-Präsidentschaft stattfinden sollte (Kühnhardt 1992b, S. 34 ff.). Dreimal führte mich in den 90er-Jahren der Weg ins norditalienische Cadenabbia zu einem deutsch-britisch-dänisch-niederländischen Austausch, initiiert durch die Konrad-

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Adenauer-Stiftung. Teilnehmer vom 29. November bis 1. Dezember 1991 waren, von Ludger Eling meisterhaft moderiert, unter anderem die Mitglieder des Europäischen Parlaments Friedrich Merz und Bartho Pronk, die Bundestagsabgeordneten Cornelia Yzer und Christian Schmidt (Jahrzehnte später, 2021, wurde er Hoher Repräsentant der Völkergemeinschaft für Bosnien und Herzegowina) sowie die Mitglieder des britischen Unterhauses Quentin Davies, und Anthony Teasdale, ehemaliger Sonderberater des britischen Außenministers Geoffrey Howe mit dabei. Bei der zweiten Tagung dieses Formats vom 23. bis 25. Oktober 1992 konnte Friedrich Merz vermelden, dass in Deutschland die Debatte um die Ratifizierung des Vertrages von Maastricht faktisch beendet sei. Unklar bleibe aber noch immer ein möglicher Parlamentsvorbehalt vor Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion 1999 sowie die Frage der Beteiligung Italiens an der Wirtschafts- und Währungsunion aufgrund des dortigen Staatsdefizits von 110 %. Grenzübergreifende Kriminalität werde ein immer größeres Problem in der EU, stellten wir Teilnehmer gemeinsam fest. Die beste Hoffnung für eine Verbesserung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) wäre der Einstieg in den Ausstieg aus dem Einstimmigkeitsgrundsatz bei der nächsten europäischen Vertragsrevision. Wir diskutierten erste Überlegungen, in künftige Wahlkämpfe für das Europäische Parlament mit Spitzenkandidaten der Parteibünde zu gehen. Das Vorschlagsrecht werde aber wohl auf lange Zeit bei den nationalen Mitgliedsparteien liegen (Kühnhardt 2021, S. 436 f.). Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 standen die ungelösten Fragen im Zusammenhang mit diesen unseren Ideen noch immer im Raum. Vom 22. bis 24. Oktober 1994 nahmen am dritten Roundtable unter anderem teil: Der Abgeordnete des Europäischen Parlaments, John Stephens, die Abgeordneten des britischen Unterhauses David Davis, damals Assistant Government Whip, der von 2016 bis 2018 Brexit-Chefunterhändler werden sollte, Timothy Kirkhope, David Lidington, später in der Mitte der Brexit-Vorgänge Kabinettschef von Premierministerin Theresa May im Kabinettsrang, Mark Robinson, Vorsitzender der dezidiert anti-EU ausgerichteten Bruges Group, Quentin Davies und Robert Hughes, Brendan Donnelly, Edward Bickham, Berater im Foreign and Commonwealth Office, der Bundestagsabgeordnete der CDU Andreas Schockenhoff, der schwedische Abgeordnete Urban Karlström, späterer Staatssekretär im Finanzministerium, und die dänische Abgeordnete Anne Mau Pedersen sowie der europaerfahrene Diplomat Martin Hanz aus dem deutschen Auswärtigen Amt. Diesmal drängten vor allem die deutschen Teilnehmer, es müsse zügig vorangehen mit der Vollendung des europäischen Binnenmarktes und der gemeinsamen Währung (Kühnhardt 2021, S. 457). Am 2. Dezember 1992 hatte der Deutsche Bundestag den Vertrag von Maastricht ratifiziert. Für den 4. Dezember 1992 lud mich Alan Cordwells, der Canon von Windsor Castle, zur St. George’s House Conference nach Windsor Castle ein (Kühnhardt 2021, S. 437 f.). Das St. George’s House ist Teil der St. George’s Chapel, die 1348 von Edward III. gegründet wurde, eine kirchliche Stiftung, die der König damals parallel zum Hosenbandorden stiftete. 1966 erwuchs aus dieser Stiftung, von König Elizabeth II. gegründet, das St. George’s House innerhalb des berühmten Schlossbezirks von Windsor. Der Zweck der dort abgehaltenen Gesprächskreise ist die Reflexion unter Persönlichkeiten mit Einfluss. Ich war zu einer Konsultation zum Vertrag von Maastricht gebeten. Es ging um „the way ahead, the

5.2  Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a) …

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immense implication of Maastricht“. An der sehr intensiven und ruhigen Diskussion nahmen führende Vertreter der Kirchen in Großbritannien teil, unter anderem Marcus Braybrooke, der Vorsitzende des World Congress of Faiths, Father Peter Knott, der katholische Kaplan von Eton College, für die anglikanische Kirche Patrick Mitchell, der Diakon von Windsor Castle. Die Abgeordnete des Europäischen Parlaments Christine Oddy war dabei, ebenso Sir David Mitchell, vormaliger Staatsminister der Regierung Thatcher. Ich war gebeten worden, einzuführen unter dem Titel „European Union – from prejudice to practicability“. Ich zitierte Lord Algernon Percy, der gesagt hatte, Optimist sei jemand, der ohne Probleme glaube, die Zukunft sei unsicher, während die Vergangenheit doch angeblich so sicher war. Ich diskutierte die Vorurteile, etwa bezüglich des „f-word“. Ich sprach Praktikabilitäten an und die Chance einer Verwandlung unserer Vorteile im wechselseitigen Nutzen. Großbritannien habe sich im Vertrag von Maastricht genug Opting-out-Rechte bewahrt, sagte ich, jetzt gelte es endlich, die Fragen der 1980er-Jahre zu lösen (Euro, Außenpolitik). Schließlich könnten auch die Aufgaben der 90er-Jahre nicht länger aufgeschoben werden (Binnenmarkt, Osterweiterung). Großbritannien müsse aber auch klar sein, dass es Grenzen des Opting-out gebe. Dauerproblem sei und bleibe das Fehlen einer europäischen Gesellschaft. Ich diskutierte alternative Konzepte zur Zukunft Europas, vor allem das Europa konzentrischer Kreise, das ich kritisch sah. Die Integration Osteuropas mit den baltischen Völkern, Slowenien und Kroatien werde einen disziplinierenden Effekt auf alle in der EU haben. Am schwierigsten bleibe es in Europa, das Gute aus sich selbst heraus zu begründen, erinnerte ich am Ende meines Plädoyers an Aristoteles. Daher sei die Rolle von St. George’s House und der britischen Kirchen so wichtig, um die Ratifizierung des Vertrages von Maastricht auch in Großbritannien erfolgreich zu bestehen. Der Abend endete mit dem Besuch des wie immer ergreifenden Evensong in den Bänken der Mitglieder des Hosenbandordens in der St. George’s Chapel von Schloss Windsor – dort, wo am 19. September 2022 Königin Elisabeth nach über 70-jähriger Regentschaft neben ihrem Mann, Prinz Philipp, zur letzten Ruhe gebettet wurde. Nach dramatischen Schlachten im britischen Parlament wurde der Vertrag von Maastricht 1993 auch von Großbritannien ratifiziert. In Frankreich war die Ratifizierung noch dramatischer und gelang erst nach dem knappen Erfolg in einem Referendum am 20. September 1992. Die eigentümlichen Prägungen der französischen Europapolitik hatte mir ausgerechnet in diesem Jahr die exzellente Analyse Europa vom Atlantik bis zum Ural? Europapolitik und Europadenken im Frankreich der Ära de Gaulle meines Studienfreundes und späteren deutschen Spitzendiplomaten Hans-Dieter Lucas nahegebracht, die ich alsbald gerne rezensierte (Lucas 1992; Kühnhardt 1993b). Hans-Dieter Lucas und ich hatten uns zu Beginn unseres Studiums der Geschichte an der Universität Bonn 1980 angefreundet. Seit 1981 pflegten wir bei längeren Studienaufenthalten im Ausland einen lebhaften Briefwechsel, der unsere „weltgeschichtlichen Betrachtungen“, wie wir unsere regelmäßigen Gespräche in Anlehnung an Jacob Buckhardts berühmtes geschichtsphilosophisches Buch nannten, ergänzte (Burckhardt (1905) 1978). Am 17. November 1982 schrieb Hans-Dieter aus einem Studienaufenthalt in Paris, wo er sich erstmals mit dem französischen Souveräni-

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tätsverständnis im Kontext des neuzeitlichen Europas beschäftigte. Er kam zu der Einsicht, dass sich der alte Nationalstaat nicht so einfach „wegintegrieren“ lassen werde. Dies brauche Zeit. Hans-Dieter Lucas schien mir damals prädestiniert für eine wissenschaftliche Laufbahn. Mancher sah mich damals in Richtung Politik oder Diplomatie unterwegs. Am Ende kam es umgekehrt. Am 13. Februar 1982 schrieb mir mein Freund aus Paris, er suche nach „handlungspraktischer Relevanz“. 1985 trat er ins Auswärtige Amt ein. Von 1989 bis 1991 war er als Wirtschaftsattaché an der Deutschen Botschaft Moskau tätig. Am 5. Mai 1989 schrieb er mir über seine Skepsis bezüglich der wirtschaftlichen Umgestaltung der Sowjetunion, ungeachtet der neuen politischen Orientierung unter Michail Gorbatschow. Er berichtete von Lesestunden in der LeninBibliothek, wo er zwei meiner Bücher entdeckt hatte (Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik und Die Universalität der Menschenrechte). Hans-Dieters Hochzeit mit Eva am 10. Juni 1989 durch den Jesuitenpater Hans Langendörfer, den die beiden über mich kennengelernt hatten, und seine glänzende Promotion bei Karl Dietrich Bracher 1990 komplettierten seine beeindruckende Persönlichkeitsentwicklung.

Abb. 5.6   Schachspiel mit meinem Studienfreund Hans-Dieter Lucas, später deutscher Spitzendiplomat, in meinem Elternhaus (1985). (©Ludger Kühnhardt)

Ein Geheimnis für die langjährige Pflege unserer im Studium begonnenen Freundschaft formulierte Hans-Dieter Lucas am 13. Juni 1998: „Das Lachen-Können ist uns beiden nicht abhandengekommen.“ Wir engagierten uns in unseren jeweiligen Berufen

5.2  Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a) …

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für die Westbindung der drei baltischen Republiken und für die transatlantischen Beziehungen, gerade in schwierigen Zeiten. In Washington, wo Hans-Dieter Lucas von 1999 bis 2003 inmitten der Irak-Krise als Leiter der Presseabteilung an der Deutschen Botschaft tätig war, öffnete er mir manche Tür für gute Gespräche. 2010/2011 war er deutscher Botschafter im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der EU, von 2011 bis 2015 deutscher Verhandlungsführer bei den Iran-Verhandlungen, die zum Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) führten. Von 2015 bis 2020 war er Ständiger Vertreter Deutschlands bei der NATO in Brüssel. 2020 wurde Hans-Dieter Lucas ein brillanter deutscher Botschafter in Paris, ehe er seine Laufbahn schliesslich dort beendete, wohin alle Wege führen: in Rom. Wir pflegten weiterhin unsere „weltgeschichtlichen Betrachtungen“. Dabei erörterten wir unvermeidlicherweise alte und neue Spannungen im integrierten Europa: Deutsche Westorientierung mit

Abb. 5.7   Europäische Union und föderale Idee. Europapolitik in der Umbruchzeit (1993). (©C.H.Beck)

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5  Revolutionszeiten in Europa

einer kontinentalen Ostausrichtung und französischer Gaullismus mit einer globalen Ambition blieben anhaltend Gegenstand von interessanten, aber gelegentlich auch spannungsreichen Debatten in der EU, allemal nach dem britischen EU-Austritt Anfang 2020. Nationalkonservative und identitätspolitische Einsprüche gegen die Vernunftidee Europa bestanden in verschiedensten Ausprägungen in der EU, die weiterhin an inneren wie äußeren Krisen wachsen musste. Hans-Dieter und ich blickten, wo immer die Gelegenheit bestand, auf der Suche nach neuen Einsichten nach vorne und zurück. Meine Analyse des Vertrages von Maastricht wurde 1993 inmitten einer anhaltenden Schlacht um die Interpretation der Zukunft Europas veröffentlicht, die das formale Inkrafttreten des Vertrages am 1. November 1993 überlagerte. Europäische Union und föderale Idee erschien in einer Schriftenreihe des Bundeskanzleramtes „Perspektiven und Orientierungen“ im renommierten Beck-Verlag (Kühnhardt 1993a). In Kap. I. diskutierte ich integrationstheoretische Überlegungen, ausgehend von der geradezu unübersichtlichen Vielfalt von Politikprozessen und Integrationsoptionen, die damals mäanderten. Teilweise hatten diese Prozesse mitgeholfen, den Kalten Krieg abzuschwächen und auslaufen zu lassen (KSZE). Teilweise verfolgten sie parallele oder nebeneinander laufende Ziele (NATO, WEU). Teilweise war unklar, welcher der Prozesse künftig den wichtigsten politischen Rahmen für die Zukunft Europas bieten würde (Europarat, Europäische Gemeinschaft). Ich warf einen theoretischen Blick auf aktuelle Literatur zum Stichwort Integration, um sozialtheoretische und rechtstheoretische, soziologische und politische Ansätze voneinander zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund arbeitete ich die Kernaussagen der die wissenschaftlichen Diskussionen prägenden sozialwissenschaftlichen Integrationstheorien heraus und bezog sie auf die aktuellen Herausforderungen bei der Neufindung Europas. Angesichts der Voraussetzungen und Strukturen Europas konnten nur Integrationskonzepte wirksam werden, die einerseits föderalistisch waren, das heißt Vielfalt als Grundbedingung ihrer Entwicklung annahmen. Andererseits mussten sie politisch sein, das heißt über punktuelle und freiwillige Formen der Kooperation interdependente Konstellationen vorantreiben können, an deren Ende rechtsverbindlich geteilte Formen von Souveränität stehen würden (Kühnhardt 1993a, S. 1–23). Kap. II bot den Lesern eine umfassende Aufarbeitung föderalistischer Erfahrungen. Ideengeschichtliche und verfassungspolitische Exkurse verband ich mit historischen, diachronen Vergleichsanalysen. Von Johannes Althusius bis Carl Schmitt und ErnstWolfgang Böckenförde, und von den USA bis zur Schweiz zog ich mehrere lange Linien aus. Damit wollte ich die aktuellen Herausforderungen als Teil einer anhaltenden historischen Kette einordnen (Kühnhardt 1993a, S. 24–46). In Kap. III rekapitulierte ich die integrationspraktischen Erfahrungen seit Entstehung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bis zur Schwelle des Jahres 1993, als der Namenswechsel von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union unmittelbar bevorstand. Die zentralen Ereignisse und konstitutiven Wendepunkte der vergangenen Jahre hob ich in die Erinnerung zurück. Ich verband dies mit deutlicher Akzentuierung der häufig unterschiedlichen nationalen Interessen bei gleichzeitigem politischen Willen zur

5.2  Europäische Union und föderale Idee (Kühnhardt 1993a) …

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gemeinsamen Entwicklung einer einzigartigen europäischen politischen und wirtschaftlichen Ordnung (Kühnhardt 1993a, S. 47–69). In Kap. IV analysierte ich ausführlich die drei Säulen des Vertrages von Maastricht (Wirtschafts- und Währungsunion, Justiz- und Rechtspolitik, Außen- und Sicherheitspolitik). Ich arbeitete deutlich heraus, dass es im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion deutliche Präzisierungen gegeben hatte (Konvergenzkriterien). Demgegenüber dominierten im Bereich der Justiz- und Innenpolitik ebenso wie in der Außen- und Sicherheitspolitik einstweilen Absichtserklärungen den Einstieg in die angestrebte Politische Union. Die Richtung aber stimmte und nach dem positiven Ausgang des Ratifikationsreferendums in Frankreich am 20. September 1992 wurde der Weg frei für die Europäische Union (Kühnhardt 1993a, S. 70–87). Kap. V erinnerte an die intensiven Verhandlungen der vergangenen beiden Jahre, die unterschiedlichen staatspolitischen Interessen und konzeptionellen Optionen, um von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union aufzubrechen. Ich verdeutlichte, dass der Unionsbegriff im Zusammenhang mit der europäischen Politik unterbeforscht war, aber in seiner Offenheit auch Chancen für die künftige Ausfüllung gab (Kühnhardt 1993a, S. 88–112). In Kap. VI diskutierte ich, mit kritischem Unterton, die deutsche Interessenlage und Befindlichkeit am Beginn einer grundlegend neuen Ära der europäischen Einigungspolitik („Europa quo vadis? Deutschland quo vadis?“). Bei der Erstellung der Auswahlbibliografie hatte ich mir viel Mühe gegeben, um neben den üblichen wissenschaftlich-theoretischen und politischen Titeln zu den einschlägigen Themen auch länderspezifische Literatur über alle europäischen Staaten zu präsentieren. Europas Zukunft, davon war ich im Spätherbst 1992 überzeugt, würde weiterhin aus einer Balance nationaler Eigenheiten und gemeinsamen Ausrichtungen auf eine Europäische Union erwachsen (Kühnhardt 1993a, S. 113–138). Wie es sich gehört, endete das Buch mit einer umfassenden Bibliografie, bei der ich besonderes Augenmerk darauflegte, die Perspektive aller europäischen Länder auf die Frage nach der künftigen Gestalt Europas zu berücksichtigen. Jugoslawien gab es noch. Russland lief noch unter dem Stichwort „Sowjetunion“ in Ermangelung neuester solider Literatur über den erst Ende 1991 vollzogenen Wechsel in der Staatsarchitektur der Sowjetunion. Bundespräsident Richard von Weizsäcker schickte ich Anfang 1993 das erste Exemplar, zu dem er mit Brief vom 18. März 1993 umgehend antwortete: „Ihr Hinweis auf die Klammerfunktion der deutschen Europapolitik zwischen den miteinander ringenden Konzepten der Integration spricht mir aus dem Herzen … Die Dynamik des europäischen Einigungsprozesses werden wir nur aufrechterhalten – und damit die Irreversibilität des bisher Erreichten sichern – können, wenn wir der Versuchung widerstehen, die von uns befürworteten Prinzipien auf die Spitze zu treiben.“ Kanzleramtsminister Friedrich Bohl stellte das Buch am 7. Mai 1993 im Bonner Kanzleramt einer großen Schar geladener Gäste aus Medien, Politik und Diplomatie vor. Das Buch erschien inmitten einer Welle von europakritischen Debatten auch in Deutschland. Die Rezension des Staats- und Völkerrechtlers Otto Kimminich im „Archiv des Völkerrechts“ (4/1997) ließ einige Zeit auf sich warten, war aber eine Punktlandung: „Deshalb nimmt der unbefangene Leser jedes weitere Buch über die Europäische Union

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von vornherein mit Skepsis in die Hand. Bei einem Buch von Ludger Kühnhardt ist das allerdings anders. Man weiß, dass der Freiburger Ordinarius für Politikwissenschaft sich gleichermaßen im Staatsrecht, Europarecht und Völkerrecht auskennt und über historische Zusammenhänge Bescheid weiß … Ludger Kühnhardt … enttäuscht seine Leser nicht. Um es gleich vorweg zu sagen: An diesem Buch stimmt einfach alles.“ Die Darstellung der Politikprozesse in der EWG und der EG, die Rekapitulation der Konsequenzen des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges, der Weg zur KSZECharta von Paris 1990, all dies habe den Zeitgeist der vergangenen Jahrzehnte bestimmt, „auch wenn Sein und Sollen, Wirklichkeit und Wunsch ständig kräftig durcheinandergeraten“ seien. Meine integrationstheoretischen Überlegungen seien „das sichere wissenschaftliche Fundament, auf das er seine Prognosen und Problemlösungen stützt“. Der Begriff der Integration dürfe kein Selbstzweck sein, sondern müsse mit Leben gefüllt werden: „Konkret und einleuchtend sind seine Folgerungen.“ Das Buch biete eine gute Darstellung des Vertrages von Maastricht und der mit ihm beginnenden Neuerungen in der europäischen Politik. „Auf der klaren, nüchternen Mittellinie zwischen Euphorie und Skepsis bewegt sich das ganze Buch,“ endete Kimminich (Kimminich 1997). Noch 1999 erinnerte der Politikwissenschaftler Paul-Ludwig Weihnacht (Weihnacht 1999, S. 239) an mein Buch in seinem Aufsatz für einen „Politische Deutungskulturen“ betitelten Band. Ich betrachtete meine Analyse als eine Wortmeldung in einer Debatte, die weiterging. Nachdem von 1990 bis 1992 die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft hin zur Europäischen Union so beispiellos rasch und tiefgreifend verlaufen war, stand die Akzeptanz der europäischen Gemeinschaftswährung ab 1993 immer wieder infrage. Zugleich wurde verstärkt um die Bewertung der Ereignisse von 1989/90 gestritten.

5.3  Revolutionszeiten (Kühnhardt 1994a) – Mitten im Umbruch (Kühnhardt 1995a) Im Wintersemester 1993/1994 unternahm ich es in meiner Vorlesung an der Universität Freiburg, die revolutionären Umwälzungen, von denen ich nicht stärker Zeuge war als die meisten Zeitgenossen, historisch einzuordnen. Zum einen ging es mir um die Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wie die Ereignisse der vergangenen Jahre als Revolution zu bezeichnen wären. Zum anderen wollte ich die einzigartige Bedeutung der eruptiven politischen Veränderungen in einen vergleichenden historischen Kontext stellen. In der Vorlesung trug ich eine erste Skizze meiner Überlegungen vor großer Zuhörerschaft vor. Anschließend überarbeitete ich meine Texte gründlich. So entstand aus der Lehre ein Beitrag zur Grundlagenforschung. Revolutionszeiten. Das Umbruchjahr 1989 im geschichtlichen Zusammenhang war eines der ersten Bücher, die eine Deutung der noch immer unabgeschlossenen Entwicklungen vornahmen (Kühnhardt 1994b). Ich widmete das Buch meinem akademischen Lehrer Karl Dietrich Bracher. Das große Interesse an dem Buch zeigte sich darin, dass die Bundeszentrale für Politische Bildung eine Studienausgabe mit fast 5000 Exemplaren besorgte, die bald vergriffen war. 2002 wurde eine türkische Übersetzung publiziert, versehen mit dem Siegel des

5.3  Revolutionszeiten (Kühnhardt 1994a) …

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türkischen Kultusministeriums. Demzufolge galt das Buch in der Türkei als besonders geeignet für den Schul- und Universitätsunterricht. (Kühnhardt 1994a). Mein Freund und Kollege Hüseyin Bagci überraschte mich mit dem Buch in der Hand am 15. Januar 2003 am Flughafen Istanbul – in jenem Stadtteil Yesilköy gelegen, der früher San Stefano hieß und Ort des türkisch-russischen Friedensvertrages von 1878 war. Mit Hüseyin verbindet mich eine tiefe brüderliche Freundschaft seit unseren gemeinsamen Bonner Studientagen Ende der 1970er-Jahre. Am 16. Januar 1979 – am Tag als Khomeini in den Iran zurückkehrte, wie Hüseyin sich lachend erinnerte – war er erstmals nach Deutschland gekommen auf Einladung seiner Schwester, die mit einem türkischen Gastarbeiter verheiratet in Gütersloh lebte. Hüseyin besuchte sechs Monate einen Sprachkurs, dann ein Jahr das Studienkolleg in Bonn. Politikwissenschaftsstudium ab dem Wintersemester 1980/81, ein Studienjahr in London und an der Georgetown University, 1987 Promotion, wie ich, bei Professor Karl Dietrich Bracher. 1988 wurde Hüseyin Bagci Dozent an der Middle East Technical University, seit 2000 „full professor“ auf Lebenszeit. 2020 wurde Hüseyin Präsident des hochangesehenen Turkish Foreign Policy Institute. Abb. 5.8   Revolutionszeiten. Das Umbruchjahr 1989 im geschichtlichen Zusammenhang (1994). (©Olzog Verlag/Lau-Verlag)

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Im Kap. I (Die revolutionäre Oper geht weiter) stellte ich den Zusammenhang her: Wieder einmal veränderte sich die Gestalt Europas, diesmal vor unseren Augen. Es sei eine Revolution, die wir miterleben. Revolutionen hatten stets unterschiedliche Ursachen, Abläufe und Folgen. Unter Bezug auf die Revolution, die 1830 nach einem Opernabend in Brüssel mit einer Volkserhebung begann und zur Unabhängigkeit Belgiens geführt hatte, interpretierte ich die aktuelle europäische Freiheitsrevolution als eine Oper in mehreren Akten. Akt eins: Die Suche nach dem Sündenbock. Akt zwei: Die Rückkehr der Dämonen. Akt drei: Die Systemfrage wird wieder gestellt. Akt vier: Offene Fragen an das mögliche Ende der Revolution. Ich diskutierte die unterschiedlichsten in Wissenschaft und Politik gängigen Revolutionsbegriffe. Dabei akzentuierte ich die Zusammenhänge zwischen der Neuordnung der innergesellschaftlichen und innenpolitischen Verhältnisse in den mittel- und osteuropäischen Umbruchsländern einerseits und den Fragen nach der künftigen Ordnung Europas andererseits. Ich entwickelte einen positiven Revolutionsbegriff aus Ideen, die sich von Nikolaus Kopernikus bis Hannah Arendt wissenschaftlich zusammenführen ließen: Zufriedenstellend sei eine Revolution erst dann zu Ende gegangen, wenn sie an den Ausgangspunkt menschlicher Freiheitssehnsucht zurückgeführt habe (Kühnhardt 1994a, S. 11–39). Kap. II diskutierte die Frage, ob es sich, wie gelegentlich in den Geschichtswissenschaften vor allem marxistischer Provenienz behauptet wurde, bei der Reformation um einen revolutionären Vorgang gehandelt habe. Seine Wurzeln wurden in den thüringischen Bauernaufständen von 1525 gesehen. Thomas Müntzer galt manchem als der „Lenin des 16. Jahrhunderts“. Ich verhehlte nicht, dass Martin Luther vehement gegen die „räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ polemisiert hatte (Kühnhardt 1994a, S. 40–49). Kap. III bot mit dem Rückblick auf die verschiedenen, durchaus widersprüchlichen Phasen der englischen Erfahrung des 17. Jahrhunderts ein Kontrastprogramm: Die Glorious Revolution zwischen 1628 und 1689 etablierte am Ende eine geläuterte Form der alten, überkommenen monarchischen Ordnung, verbunden mit der Stärkung der Parlamentslegitimität. Gerade darin war diese Epoche revolutionär und erneuernd. Die Idee der Volkssouveränität wurde grundgelegt und mit ihr die Einklagbarkeit von Rechten. In der amerikanischen Revolution wurde zwischen 1776 und 1788 der Vorgang wiederholt und verschärft (Kühnhardt 1994a, S. 50–61). In Kap. IV erinnerte ich an die Abläufe von Staatsgründung und Verfassungsgebung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Revolution der Freiheit unter Anknüpfung an römische und altchristliche Traditionen generierte ein einzigartiges Selbstverständnis und eine geschichtsmächtige Wirklichkeit (Kühnhardt 1994a, S. 62–79). Dem skeptischhellsichtigen Mahner Alexis de Tocqueville widmete ich Kap. V. De Tocqueville hatte sowohl die Erscheinungsformen der amerikanischen Demokratie tiefgründig erfasst als auch die innere Widersprüchlichkeit der französischen Revolution beschrieben. Beides waren für ihn kontrastierende Folgen der sich entwickelnden modernen Massengesellschaft (Kühnhardt 1994a, S. 80–96). Kap. VI zeichnete die lange Französische Revolution mit ihren Brüchen und Rückschlägen nach. Zwischen universalistischem Humanitätsanspruch und napoleonischcäsaristischer Herrschaft schwankten Gefühle und Wirklichkeiten (Kühnhardt 1994a,

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S. 97–114). Ein eigenes Kap. VII widmete ich den Wirkungen und Wertungen der Französischen Revolution. Dabei diskutierte ich auch die schon von de Tocqueville aufgeworfene Frage, warum es in Deutschland im 18. und frühen 19. Jahrhundert keine Revolution gegeben habe (Kühnhardt 1994a, S. 115–131). Kap. VIII rekonstruierte die Epoche zwischen 1815 und 1848, gerade mit Blick auf Deutschland, als Zeit einer gestrauchelten Revolution (Kühnhardt 1994a, S. 132–149). Demgegenüber gipfelte die russische Revolution zwischen 1905 und 1917, die ich in Kap. IX darstellte, in einem radikalen Systembruch gegenüber dem restlichen Europa (Kühnhardt 1994a, S. 150–166). Kap. X stellte die nationalsozialistische Herrschaft und ihre ideologischen Ansprüche als eine braune Revolution dar, die modernisierende und reaktionäre sowie rassistische und hegemoniale Aspekte zu einer totalitären Revolution verband. Abgrenzend davon ließen sich konservative Revolutionen in der Geschichte anderer Völker feststellen, die durch Fortschritt und dauerhafte Mehrung der Freiheit bewirkten (Kühnhardt 1994a, S. 167–183). In Kap. XI präsentierte ich die Facetten der japanischen Meiji-Restauration des späten 19. Jahrhunderts und die kemalistische Revolution, die im frühen 20. Jahrhundert das Osmanische Reich mit Erfolg zur türkischen Republik verwandelte (Kühnhardt 1994a, S. 184–197). Im Anschluss daran warf ich in Kap. XII einen eher skeptischen Blick auf unterschiedliche Typen von Entwicklungsund Kulturrevolutionen in der südlichen Hemisphäre. Die dortigen Umwälzungen hatten bislang eher zu einem Überschuss an Erwartungen als zu stabilen neuen Ordnungsformen geführt (Kühnhardt 1994a, S. 198–210). Kap. XIII überschrieb ich mit einem Buchtitel meines Freundes Tim Garton Ash: Ein Jahrhundert wird abgewählt (Garton Ash 1990). Seine minutiöse Rekonstruktion der Ereignisse ab den späten 1980er-Jahren eröffnete den Blick auf neue Gestaltungsaufgaben für die innere Ordnung der Völker und Staaten Mitteleuropas (Kühnhardt 1994a, S. 211–232). Davon unterschied ich in Kap. XIV die sowjetische Perestroika als den Versuch einer kommunistischen Selbstüberwindung, die insofern sie den Kommunismus als Staatsideologie eliminierte, erfolgreich in ihrem Scheitern war (Kühnhardt 1994a, S. 233–256). Kap. XV blickte auf die friedliche Revolution in Ostdeutschland, die durch die staatszentrierte Wiedervereinigung der beiden Teilrepubliken Deutschlands zu einer gezähmten Revolution geworden war. Die postkommunistische Zeit war in meinen Augen keineswegs das Ende aller Ideologien (Kühnhardt 1994a, S. 257–177). Im Gegenteil, wie ich in Kap. XVI ausführlich erörterte, war diese Zeit möglicherweise eine Inkubationsphase alter und neuer ideologischer Viren inmitten ungeklärter geopolitischer Veränderungen. Identitäts- und Nationalismusfragen würden für lange Zeit ebenso zu Sorge Anlass geben wie die Desorientierung hinsichtlich der Neubewertung des Verhältnisses von Freiheit und Gleichheit, aber auch von Autorität und Rechtssicherheit (Kühnhardt 1994a, S. 278–296). Schließlich endete ich den Betrachtungsbogen in Kap. XVII mit einer Betrachtung über Wiederkehr und Fortgang der Geschichte. Revolutionären und potenziell auch totalitären Impetus im Sinne einer übersteigerten Hoffnung auf menschliche Selbsterlösung sah ich bereits damals in der ökologischen Bewegung, deren Radikalisierung und globale Präsenz sich abzuzeichnen begann. Auch die nachindustrielle Gesellschaft würde nicht frei bleiben von

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neuen Gefährdungen gemäßigter liberaler Verfassungsstaatlichkeit. Die Hoffnung auf extreme Partizipation und illusionäre soziale Egalität werde nicht aussterben. Diese Thematik werde sich massiv verschärfen im Blick auf die südliche Hemisphäre und die dortigen Verwerfungen, die in den nächsten Jahrzehnten exponentiell zunehmen dürften, prognostizierte ich. Schließlich lag revolutionärer Impetus in einer fundamentalistischen Beantwortung der Frage nach den Ursprüngen und dem Ende menschlicher Existenz. Der Entwöhnung und Indifferenz vieler westlicher Menschen gegenüber Fragen der Religion stehe religiöser Fundamentalismus entgegen, in evangelikalen Kreisen im Westen ebenso wie dort, wo islamischer Fundamentalismus um sich greife. Mit jeder neuen Ideologiebildung, so erläuterte ich, gehe die Sehnsucht nach Komplexitätsreduzierung einher, die aller menschlichen Erfahrung widerspricht. Als Ausweg bliebe nur, so konstatierte ich nüchtern, das beständige Hochrollen des Steins auf den Berg, so wie es uns Sisyphus in der antiken Legende vorgemacht hat (Kühnhardt 1994a, S. 297–309). Ein Personenregister sorgte für einen raschen Zugriff auf einzelne Aspekte des großen Themas. Ich fühlte mich geehrt, als Bundeskanzler Helmut Kohl mir mit Datum 12. September 1994 schrieb: „Sie weisen völlig zu Recht darauf hin, dass vielen Deutschen das Gespür für die historische Tragweite der Ereignisse von 1989 und 1990 abgeht.“ Dies sei besonders ein Problem der Eliten, so der Bundeskanzler. „Ich wünsche Ihrem Buch, dass es gerade diesem Personenkreis die Augen öffnet.“ Der Historiker Günter Wollstein buchstabierte in seiner Rezension in „Das Parlament“ vom 30. September 1994 die Anlage meines Buches ausführlich durch. Ihm hatte es die Opernmetapher besonders angetan: 1989 sei bloß eine schöne Ouvertüre gewesen. Der letzte Akt aber sei durch die Völker Europas noch längst nicht geschrieben. Auffällig war für Wollstein meine Unterscheidung zwischen „guten“ und „blutigen“ Revolutionen. Er erinnerte daran, dass ich mit Karl Dietrich Bracher den Kampf um Wörter und Werte als Kampf um politische Methoden beschrieben hatte. Ich würde, so meinte Wollstein zustimmend, vom Ende her denken, um „gute“ Revolutionen zu deuten: Maßstab seien für mich eine liberale, rechtsstaatliche Ordnung, Machtkontrolle, die freie Entfaltung der Wirtschaft, des Soziallebens und der Kultur. Besonderheiten der Ereignisse von 1989/1990 fielen ihm auf: Das Ancien Régime habe keinen Widerstand geleistet. Die Hoffnung der Rückkehr nach Europa spielte eine große Rolle als Antrieb der Freiheitsrevolutionen. Es gab aber auch Desillusionierungen: Viele moderate Erneuerer wurden rasch delegitimiert. Utopisten bemächtigten sich rasch wieder den neuen Entwicklungen und gefährdeten die fragile neue Ordnung. Dies sei, zitierte Wollstein mich, die anhaltende Gefahr inmitten der unfertigen Revolution im heutigen Europa. Orientierungslosigkeit grassiere, Politikverdrossenheit sei hoch. Der Staat werde mit übertriebenen Erwartungen bei gleichzeitigem Fehlen einer ausreichenden Aufarbeitung des Gewesenen überfrachtet. Damit bleibe die Gefahr der Umdeutung des Erreichten. Das Buch sei, so bilanzierte Wollstein, „als ambitionierter Wurf konzipiert“ und dies „bei eindrucksvoller sprachlicher Gestaltung“ (Wollstein 1994, S. 33). In den „Politischen Vierteljahresheften“ zeigte sich der Politikwissenschaftler Hans Wassmund imponiert, dass mein Buch sogleich mit einem Paukenschlag beginne. Der erste Satz lautete: „1989 hält an.“ Über dem ganzen Buch stehe, so schrieb Wassmund in

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seiner Rezension, „die bange Frage nach dem Gelingen“ der Revolution in einem rechtsstaatlichen Verfassungsrahmen. Wassmund erinnerte an meinen sorgenvollen Ausblick, dass der revolutionäre Impetus weltweit fortbestehe (Wassmund 1995, S. 597 f.). In der Zeitung „Die Welt“ stellte der Historiker Hans-Peter Schwarz am 4. Januar 1995 die auf die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman zurückgehende Frage, ob es möglich sei, über Geschichte zu schreiben, „wenn sie noch qualmt?“ Er antwortete mit Ja: „Der gelehrte und zugleich weltläufige Freiburger Politologe“, so ehrte er mich, verfüge über die Kombination verschiedener Gaben, die „differenzierte Anschauung des Historikers, das analytische Vermögen des Sozialwissenschaftlers sowie jene Art von politischem Wirklichkeitssinn, der bei Journalisten und Diplomaten häufiger anzutreffen ist als in den Elfenbeintürmen der Wissenschaft“. Wer die Eigendynamik der zeitgenössischen Revolutionen in Mittel- und Osteuropa verstehen will, müsse sie mit früheren Grundmustern von Revolutionen vergleichen und normative Maßstäbe benennen. „Deutlich arbeitet Kühnhardt heraus, dass und warum dort die revolutionäre Phase wahrscheinlich kaum zu Ende sein dürfte.“ Schwarz unterstützte meine „besorgten Zweifel am weiteren positiven Fortschreiten, falls diese Länder nicht rasch und dauerhaft mit der Europäischen Union und der Nato verbunden werden“. Auch diese Perspektive war 1994/1995 noch immer alles andere als geklärt oder selbstverständlich (Schwarz 1995, S. 8). Am 6. März 1995 schrieb mir der Leiter des Deutschland-Instituts in Amsterdam und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Rats für Regierungspolitik der Niederlande, Maarten Brands, er hoffe sehr, dass das Buch zum besseren Verständnis für die Revolution von 1989 beitragen wird. Dennoch musste es die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ wieder einmal besser wissen. Am 24. März 1995 gefiel sie sich mit dem Abdruck einer anonymen Kurzrezension. Unter der nebulösen Überschrift „Kontextsache“ wurde dem Verfasser von Revolutionszeiten attestiert, er „kennt die Völker, nennt die Namen, wiederholt sich, zeigt Belesenheit und langweilt … Wer will es leugnen, wer will es lesen?“ Wer will da noch diskutieren? Der Historiker Hans Fenske stellte sich in „Das historisch-politische Buch“ mit seinem Namen hinter sein nüchternes Urteil: „Unzweifelhaft handelt es sich um ein anregendes Buch (Fenske 1995).“ Norbert Walter, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, informierte mich mit Schreiben vom 4. Juni 1997, dass das Buch auch im Kreis seiner Mitarbeiter auf Interesse gestoßen sei und dort nun gelesen werde. In einem persönlichen Brief an mich vom 23. Juni 1997 überschlug sich Dietrich Stoyan, der Rektor der Bergakademie Freiberg in Sachsen, mit Komplimenten. Revolutionszeiten sei ein „großartiges Buch“. Der stellvertretende Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Udo Wengst, sekundierte 1996 in „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht“: Gerade weil erst in Jahrzehnten klar sein werde, ob „1989“ erfolgreich gewesen sei oder nicht, gebe das Buch schon jetzt Orientierung für die Einordnung und Bewertung der vor uns liegenden Zeiten. Der letzte Botschafter des kommunistischen Ungarn in Deutschland, István Horvath, zitierte meinen Buchtitel in seinem 2000 erschienenen Rückblick auf die dramatische Zeit. Mir wurde deutlich, wie groß die Wahrnehmungsunterschiede der Ära, die wir gemeinsam erlebt hatten, offenbar noch immer zwischen West- und

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­ itteleuropäern waren. Die Europäische Union sollte an den Folgen dieses Sachverhalts M auch zwei Jahrzehnte später noch laborieren, als in Westeuropa die Neigung stark war, Polen und Ungarn mit Sanktionen auf einen Kurs in Sachen Flüchtlingsaufnahme und Rechtsstaatsinterpretation zu zwingen. Die Voraussetzungen dieser Gesellschaften aber waren so gänzlich anders und entsprechend mussten es ihre Schlussfolgerungen sein, jedenfalls für eine Weile. Ich wies darauf später beispielsweise auch im Blick auf die unterschiedlichen Erfahrungen Mitteleuropas seit 1848 in einem Beitrag für eine von meiner guten Freundin Csilla Erdödy Csorba exzellent organisierte Konferenz des PetöfiLiteraturmuseums in Budapest 1998 hin (Kühnhardt 1998a, S. 155 ff.). 2017 und 2020 griff ich das Thema in zwei weiteren Aufsätzen wieder auf, die sowohl in Deutschland als auch in Ungarn beziehungsweise in Litauen publiziert wurden (Kühnhardt 2017, S.101–114; 2020a). Es ging mir überhaupt nicht darum, jeden politischen Vorgang in Mitteleuropa zu rechtfertigen. Wohl aber plädierte ich in Westeuropa weiterhin dezidiert dafür, zu verstehen, zu differenzieren und Geduld mit den postkommunistischen Gesellschaften Mitteleuropas zu zeigen. Der Historiker Michael Gehler griff in verschiedenen Veröffentlichungen Thesen und Begriffe aus Revolutionszeiten auf (Gehler 2004, S. 36 ff.; 2005, passim; 2017, online). Schulbücher druckten Passagen des Buches nach (Lendzian 2005). In mehreren Aufsätzen variierte ich mein Thema (Kühnhardt 1993c; 1993d; 1995b, 1995e; 1997a, S. 12 ff. 1998b, S. 64 ff.). Nachwirkungen wissenschaftlicher Arbeit gehen oft verschlungene Wege. 2017 wurden Revolutionszeiten in einer Poster-Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Deutschen Historischen Museums zitiert, die um die ganze Welt ging. In der Stationsarbeit zur Ausstellung unter dem Stichwort „Der Kommunismus in seinem Zeitalter“ wurde von Seite 150 meines Buches zitiert: „1917 markiert den Beginn einer beispiellosen Katastrophe für das russische Volk, überwölbt durch Zwangsmodernisierung und Großindustrialisierung, die in den folgenden Jahrzehnten mithilfe der kommunistisch zentralisierten Staatsführung ein Sechstel der Erdoberfläche ebenso umformen wie dauerhaft lähmen sollte (Kühnhardt 1994b, S. 150).“

5.3  Revolutionszeiten (Kühnhardt 1994a) …

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Abb. 5.9   Devrim Zamanlari, türkische Übersetzung von „Revolutionszeiten“ (2002). (©Ludger Kühnhardt)

Die Veränderungen, in denen sich Europa befand, vollzogen sich weiterhin mit rasender Geschwindigkeit. Der historische Rückblick drängte mich dazu, mir auch über den Weg meines eigenen bisherigen Denkens Rechenschaft abzulegen. Vor allem wollte ich der Tendenz entgegenwirken, die die teilweise weit verstreute Erscheinungsweise meiner Aufsätze und Essays hat. Um die Übersicht nicht zu verlieren, erarbeitete ich Mitten im Umbruch. Historisch-politische Annäherungen an Zeitfragen, einen Sammelband mit meinen Betrachtungen aus den Jahren 1990 bis 1994 (Kühnhardt 1995a). Sammelbände dienen mehr der Selbstvergewisserung als dem Anspruch, einen eigenständigen neuen Wurf zu präsentieren. Als eine Art mobiles Archiv sind sie aber von unschätzbarem Wert, um die Entwicklung von Denkwegen und Zeitläufen zu rekonstruieren.

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Ralf Dahrendorf setzte in seiner gestochenen Handschrift am 26. Juli 1995 seine Worte aufs Schreibpapier: „Sie sind wirklich bemerkenswert produktiv. Hierzulande würde Ihr Department davon profitieren, denn das ‚Research Assessment Exercise’ bestimmt 50 % der öffentlichen Zuweisungen.“ Hans-Peter Schwarz zeigte sich mit einem am nächsten Tag verfassten Brief als perfekter Archivar: „Ich hatte mir eingebildet, ein aufmerksamer Kühnhardt-Forscher zu sein und die meisten Ihrer stets so anregenden, tiefschürfenden Aufsätze oder Vorträge gesammelt zu haben … Wie der stattliche Band zeigt, gibt es noch sehr viel mehr des Lesenswerten, das nun griffbereit und zitierfertig vorliegt.“ Er konnte sich eine süffisante Bemerkung zum deutschen gesellschaftlichen und politischen Weg der Jahre 1990 bis 1995 nicht verkneifen, die mein Sammelband in Erinnerung rief: „Der Ihrige war allerdings gradliniger als der unsere lieben Deutschen.“ Abb. 5.10   Mitten im Umbruch. Historisch-politische Annäherungen an Zeitfragen (1995). (©Ludger Kühnhardt)

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Es war ermutigend, wie der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sich mit Schreiben vom 7. August 1995 bei mir meldete: „Ich empfinde es als sehr hilfreich, dass Sie uns helfen, in dieser orientierungsbedürftigen Zeit einen guten Weg vorwärts zu finden.“ Gábor Erdödy, unterdessen Botschafter der Republik Ungarn in Deutschland, ließ mich am 8. August 1995 wissen: „Ich finde, es ist besonders wichtig, dass die Ereignisse, die Aufgaben und die Schwierigkeiten der Umgestaltung permanent ‚mitverfolgt‘ und nicht nachträglich bewertet werden. Daher halte ich das Werk für sehr nützlich und für eines, das den Mangel ersetzt.“ Jiří Gruša, Botschafter der Tschechischen Republik, unterstützte in einem Brief vom 9. August 1995 massiv meine Forderung nach einer baldigen Zusage auf EU- und NATO-Mitgliedschaft für die Staaten Mitteleuropas. Auch er glaube, wie ich auf Seite 199 geschrieben hatte, dass Freiheit einen Preis habe, aber auch zum Fluch werden könne, wenn man in der Freiheit versagt. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, gewissermaßen mein oberster Dienstherr, schrieb mir am 11. August 1995: „Sie greifen in diesem Band eine Fülle von aktuellen Fragestellungen auf, die auch mich sehr beschäftigen und meine tägliche Arbeit prägen.“ Bernhard Vogel, Ministerpräsident von Thüringen hatte, wie er mir schrieb, „geschmökert“ und bilanzierte in seinem Brief vom 11. August 1995 wie folgt: „Ihre Hoffnung, Anregungen zur weiteren Auseinandersetzung daraus zu schöpfen, hat sich erfüllt … Entscheidend ist, dass es Persönlichkeiten gib, die aufmerksam beobachten, was in dieser ‚Wendezeit der Geschichte‘ geschieht und die wenigstens um Orientierung bemüht sind.“ In einer Rezension in der Deutschen Welle am 29. November 1996 wurden „einige starke Aufsätze“ gerühmt. Jemand musste Mitten im Umbruch gelesen haben. Meine Aufsätze der 90er-Jahre waren nicht allein in meiner stillen Studierstube entstanden, wo ich immer wieder intensivste Lesephasen und Vorbereitungszeiten für die akademische Lehre verbrachte. Zugleich suchte ich beständig den direkten persönlichen Austausch mit anderen Meinungen und eine Bereicherung durch Gesichtspunkte, die bisher nicht in meinem Horizont gewesen waren. Die Diskussionen, an denen ich mich in diesen Jahren beteiligte, waren von der Erkenntnis geprägt, dass die Deutung der Folgen des Vertrages von Maastricht nicht weniger wichtig wurde wie der Weg zum Vertragsabschluss in Maastricht selbst. Daraus entwickelte sich alsbald die Bestimmung von „left overs“, das heißt die Benennung von unverarbeiteten Überresten der ursprünglichen Maastricht-Agenda. Am Ende standen mit dem Vertrag von Amsterdam, von den Staatsund Regierungschefs der EU am 18. Juni 1997 beschlossen und in Kraft nach Ende des Ratifikationsprozesses am 1. Mai 1999, und dem Vertrag von Nizza, beschlossen von den Staats- und Regierungschefs der EU am 11. Dezember 2000 und in Kraft nach mühevollem Ratifikationsprozess am 1. Februar 2003, zwei Revisionen des Vertrages von Maastricht. In den 90er-Jahren erschloss ich mir die unterschiedlichen europäischen Perspektiven auf diese Entwicklungen und ihre Folgen durch eine Form von ganz eigenen konzentrischen Kreisen, in denen ich mich bewegte. Dort erlebte ich Begegnungen mit interessanten Menschen, lernte neue Sichtweisen und Ansichten kennen und konnte

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meine Thesen und Überlegungen überprüfen und weiterentwickeln. Vor und nach dem Vertrag von Maastricht waren Gesprächskreise, an denen ich teilnahm, ein wichtiges Messinstrument, um Stimmungen und Tendenzen rechtzeitig zu erspüren. Ich war überzeugt, auf diese Weise dem Vorwurf zu entgehen, nur im akademischen Elfenbeinturm über die europäische Tagesordnung zu grübeln. Seit den frühen 90er-Jahren war ich bis 2005 Mitglied des Steuerungsausschusses (steering committee) der KönigswinterKonferenz. Auf britischer Seite begegnete ich daher regelmäßig Sir Oliver Wright, ehemaliger britischer Botschafter in Bonn, Menzies Campbell, Vorsitzender der schottischen Liberalen, Lord Ralf Dahrendorf, Warden des St. Antony’s College Oxford, Sir James Eberle, Direktor des Forschungsinstituts Chatham House, Robert Jackson, Bildungsminister der Regierung Thatcher, Jenny Fowler und Maxine Vlieland, Geschäftsführerinnen der British-German Association, David Marsh, Europakorrespondent der Financial Times, Roger Morgan, Professor am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, Willie Paterson, Direktor des Center for German Studies an der Universität Birmingham, Joyce Quin, Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Sprecherin der Labour Partei im britischen Unterhaus, Frank E. Roberts, Berater von Winston Churchill bei der Jalta-Konferenz und ehemaliger britischer Botschafter in Bonn, Adair Turner, Generalsekretär der Confederation of British Industries, und Alan Watson, langjähriger Chairman der British-German Association. Auf deutscher Seite gehörten neben mir dem steering committee an: Deutschlands ehemaliger Botschafter in Großbritannien, Jürgen Ruhfus, der Vorsitzende der Deutsch-Britischen Gesellschaft, Arnulf Baring, Historiker an der Freien Universität Berlin, Elke Berger, Geschäftsführerin der DeutschBritischen Gesellschaft, Elmar Brok, Abgeordneter des Europäischen Parlaments, Gottfried von Bismarck, Manager bei der Körber AG, Peter von der Heydt, Privatbankier und ehemaliger Bundestagsabgeordneter, Thomas Kielinger, Chefredakteur des „Rheinischen Merkur“, Robert Leicht, Chefredakteur der „Zeit“, Siegmar Mosdorf, SPD-Bundestagsabgeordneter, Wolfgang Roth, ehemaliger Juso-Vorsitzender und unterdessen Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, Rolf Seelmann-Eggebert, Fernsehjournalist, Gerhard Wünscher, leitender Beamter des Wissenschaftsministeriums von Sachsen-Anhalt. Getragen werden die Königswinter-Konferenzen seit 1950 von der DeutschBritischen Gesellschaft und der British-German Association. Ich gestehe gerne, dass mir der formvollendete Stil dieser Konferenzen und schon der sie vorbereitenden Besprechungen des Steuerungsausschusses großen Spaß bereitete. Das Thema der Königswinter-Konferenz am 7. und 8. April 1994 in Cambridge sollte übrigens die Post-Maastricht-Reflexionen in der EU für Jahrzehnte überdauern: „Demokratie auf dem Prüfstand“. Beim Dinner des „Master and Fellows of St. Catherine’s College“ durfte die elegante Speisekarte vor jedem Gedeck nicht fehlen. Sie bereitete wie stets auf eine edle Speisenfolge vor (Stilton and Chive Mousse, with MelbaToast. Veal stuffed with apricots, wrapped in flaky pastry with pernod and basil sauce, babyroast potatoes, baton carrots, whole green beans. Brandysnap Basket fruit salad, cheese and biscuits. Coffee and mints), begleitet von erlesenen Weinen passend zu jedem Gang des

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Menüs (Niersteiner Heiligenbaum Riesling Spätlese, 1983, Shawsgate 1990, Kientzler Auxerrois,1989, Chateau Cap St. Vincent 1986, Chateau l’Osteau Vieil, 1988). Für den „Loyal Toast“ hatte sich der Kellermeister Taylors L.B.V. Santa Caterina (Port) einfallen lassen. Am Ende der Feier und der letzten Tischreden wurde ein Toast ausgesprochen, zu dem alle Gäste der Königswinter-Konferenz sich erhoben: „The Queen“ intonierte der Vorsitzende der Königswinter-Konferenz. „The Queen“ erwiderten alle Anwesenden. „The President of the Federal Republic of Germany“ replizierte der deutsche Co-Vorsitzende der Königswinter-Konferenz. „The President of the Federal Republic of Germany“ hallte es ihm zurück. Nicht zu häufig ist es Politikwissenschaftlern vermutlich vergönnt, einmal im Lancaster House zu dinieren. In diesem Londoner Palais, das nach einer wechselvollen Geschichte seit Ende des Zweiten Weltkrieges für Staatsempfänge dient, hatte 1979 die Tagung über die Zukunft Rhodesiens stattgefunden, die den Weg zum Ende der weißen Minderheitenherrschaft in Simbabwe bereitete. Am 14. November 1996 hatte ich die Ehre, dort, nach einer arbeitsreichen Sitzung des Steering Committee in der Residenz des deutschen Botschafters, auf Einladung des Lord Chancellor, The Rt. Hon. Mackay of Clashfern, zu dinieren. Zuvor trug ich im Steering Committee in Anwesenheit von Richard von Weizsäcker zur Lage in Deutschland vor (Kühnhardt 2021, S. 51 f.). Vom 13. bis 15. März 1997 tagte die nächste Königswinter-Konferenz in Berlin unter der Leitfrage „Welches Europa wollen wir?“ Die 48. Königswinter-Konferenz fand vom 26. bis 28. März 1998 im ehrwürdigen The George Hotel im schottischen Edinburgh statt. NATO-Generalsekretär Georg Robertson sprach zu uns und ebenso der deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe, den ich immer sehr geschätzt habe. Ich hatte das nicht einfache Vergnügen, nach einer weiteren Grundsatzrede des flamboyanten ehemaligen EU-Kommissions-Vizepräsidenten Leon Brittan und vor dem Schlusswort seines Cousins, des in Edinburgh geborenen diesjährigen Konferenz-Vorsitzenden Malcom Rifkind, von 1992 bis 1995 Verteidigungs- und von 1995 bis 1997 Außenminister von Großbritannien, die „winding up address“ zu halten. Man soll dabei die Ergebnisse der Arbeitsgruppen und der informellen Gespräche zusammenfassen, irgendwie die Wogen glätten und doch die Differenzen nicht kaschieren. Gleichzeitig sollen alle Beiträge auf eine höhere Ebene der Erkenntnis gehoben werden, am besten, wenn irgend möglich für einen Deutschen, mit Humor angereichert. Ich erinnerte daran, dass politische Astrologen ausgerechnet für die Tage der Königswinter-Konferenz den Sturz der Kohl-Regierung über die deutschen Staatsbürgerschaftsgesetzgebung vorausgesagt hatten. Stattdessen hatte Verteidigungsminister Rühe uns vom einstimmigen Votum des Kabinetts zugunsten einer zügigen NATO-Osterweiterung berichtet. Das war natürlich schade für Königswinter, weil es weniger Gerüchte zu kolportieren gab, aber wohl besser für Deutschland. Es blieb bei der Bundestagswahl am 27. September 1998, die Kohls Sturz und Schröders Kanzlerschaft brachte. Ich erinnerte daran, dass gerade in Schottland Geschichte gemacht wurde und in Schottland das ominöse f-word gar nicht ominös sei. Im September 1997 hatte eine Volksabstimmung den Weg für ein schottisches Regionalparlament freigemacht. Ein

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bisschen sei die britische Vergangenheit wohl vorüber mit der anstehenden Parlamentswahl in Schottland 1999 scherzte ich. Eigentlich aber gebe es ein bisschen Geschichte, genauso wenig wie ein bisschen Schwangerschaft. Unsere Königswinter-Debatten hätten jedenfalls in allen denkbaren Themenfeldern wieder einmal den Philosophen Bertrand Russell widerlegt, der behauptet hatte, Menschen könnten nur über die Dinge einig sein, die unwichtig sind. Ich erzählte, dass ich meinen „Baedeker“ konsultiert hatte, der vor dem Ersten Weltkrieg erschienen war, um mich auf Edinburgh, die Stadt des Adam Smith vorzubereiten. Damals gab es wöchentliche Dampfboote nach Hamburg und Stettin und der deutsche Konsul hieß Knoblauch, was ich mit „garlic“ übersetzte. Leon Brittan hatte uns auf die Bedeutung des freien Welthandels eingestimmt. Dass er von der EU als einem ökonomischen World Leader gesprochen hatte, unterstützte ich mit der spöttischen Bemerkung, das werde bald zu sehen sein, wenn der Euro eingeführt werde. Der Euro allein sei natürlich noch nicht die ganze Antwort. Nötig sei auch eine europäische Verfassung und die baldige Osterweiterung der EU. Ich spürte, wie das Blut in den Adern mancher geduldigen Zuhörer instinktiv hochkochte. Es war Zeit, zum Ende zu kommen. Irgendwo hatte ich gelesen, so sagte ich, dass Fortschritt nicht deshalb abgelehnt werde, weil es sich um Fortschritt handele, sondern weil der Mensch die Trägheit liebe. Da so eine Gefühlstimmung bei den Diskussionen der Königswinter-Konferenzen nie aufkomme, dürften wir alle uns aufs nächste Jahr freuen. Königswinter – ich paraphrasierte Walter Scotts Wort vom Heart of Midlothian, eine letzte Verbeugung vor Schottland und seinen Highlands – sei und bleibe „at the heart of Europe“ (Kühnhardt 1998c, S. 80 ff.; Kühnhardt 2021, S.543 f.). Vom 18. bis 20. März 1999 fand die Königswinter-Konferenz letztmalig in Königswinter statt, dort wo fünf Jahrzehnte zuvor alles am provisorischen Regierungssitz Bonn angefangen hatte. „Voran mit Europa“, lautete das Tagungsthema in dem schlichten Adam-Stegerwald-Haus, das mehr in die Jahre gekommen schien als der „spirit of Koenigswinter“. Vom 23. bis 25. März 2000, bei der 50. Königswinter Conference im Oxforder Keeble College gab uns Seine Königliche Hoheit Edward, der Herzog von Kent und Cousin von Königin Elisabeth II., die Ehre. Natürlich waren auch die beiden Regierungschefs anwesend, Tony Blair und Gerhard Schröder. Baroness Linda Chalker, ehemalige Overseas Ministerin, sprach mir mit ihrem Appell „Africa matters“ aus dem Herzen. Lord George Weidenfeld war gekommen, der prominente Verleger, eine Legende, und Hans Otto Bräutigam, von 1982 bis 1989 Ständiger Vertreter Westdeutschlands in der DDR und bis vor kurzem Minister für Justiz-, Europa- und Bundesangelegenheiten von Brandenburg, Malcolm Rifkind, der frühere britische Verteidigungsminister und Günther Oettinger, Fraktionsvorsitzender der CDU in BadenWürttemberg mit seinem unnachahmlichen Gebrauch der englischen Sprache, General Klaus Naumann, von 1991 bis 1996 Generalinspekteur der Bundeswehr und von 1996 bis 1999 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, und John Kerr, der alsbald Sekretär des „Konvents zur Zukunft Europas“ werden sollte.

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Timothy Garton Ash bilanzierte den typischen Königswinter-Spirit als „crossdressing“: Die deutschen Redner hätten mit Witz begonnen und seien pragmatisch gewesen. Die britischen Redner seien kühl aufgetreten, philosophisch, mit einer grundsätzlich proeuropäischen Haltung und der Neigung zu langen Monologen. Es gab durchaus ernste Themen jenseits des üblichen Wundenleckens über die neuesten EUEntwicklungen: Kosovo nach den Jugoslawien-Kriegen bewegte die Gemüter, die nach wie vor unklare Entwicklung hin zur EU-Osterweiterung und, natürlich, die Perspektive einer europäischen Sicherheitspolitik. Alexander Vershbow, der amerikanische NATOBotschafter, war gern gesehener Gastredner in „Königswinter“.  Die Sicherheitsgarantien aus Washington waren damals noch ohne jeden Vorbehalt in London und in Berlin conditio sine qua non. Für die nächste Königswinter-Konferenz, die vom 22. bis 24. März 2001 in Potsdam stattfand, hatte ich im Steering Committee erreichen können, dass mit Janusz Reiter ein Pole und mit Dominic Moissi ein Franzose mit mir über europäische Entwicklungen diskutierten (Kühnhardt 2001a, S. 21 ff.). Der bilaterale Ansatz der Königswinter-Konferenz musste durch eine dringend notwendige europaweite Blickrichtung erweitert, wenn nicht ersetzt werden, hatte ich gefunden. Meinen britischen Königswinter-Freunden war nicht so ganz geheuer bei diesem Experiment. Sie wären schon damals lieber unter sich geblieben. So entrückte ich selber immer mehr der Begeisterung für die Königswinter-Konferenz, deren Format ich jahrelang so geschätzt hatte. Zweimal notierte das Protokoll noch meine Mitwirkung. Vom 23.–25. März 2006 besprach die Königswinter-Konferenz im New College Oxford ein zentrales Problem der aktuellen europäischen Politik: „Leaderless and drifting?“ lautete das Tagungsthema. Ich schlug bei dieser Gelegenheit „europäische Bürgerkonvente“ vor (Kühnhardt 2022a, S. 317). Es dauerte, bis Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die gleiche Idee 2017 postulierte und die Europäische Union solche Bürgerkonvente im Rahmen ihrer „Konferenz zur Zukunft Europas“ im Jahr 2021/2022 initiieren sollte. Bei der 60. Koenigswinter Conference am 16./17. September 2010 im Goodenough College London, klang das Thema noch dramatischer: „Tough times, tough choices: are we prepared for tough solutions?“ Die Arbeitsgruppenthemen waren nicht weniger schrill: „Can democracies deliver?“ und „Decline and fall of great empires“. Ich versuchte als einer der Wenigen gegen den grassierenden Euro-Skeptizismus zu argumentieren. Im Konferenzreport wurde ich mit dem Vorschlag zitiert, es sei die Zeit gekommen für eine EU-Steuer, „a view greeted with some pessimism by Vince Cable“. Dabei war Vince Cable, liberaler Secretary of State for Business, Innovation and Skills, ein überzeugter Europäer auf der britischen Bank. Mit Rainer Brüderle, dem gleichfalls liberalen Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, verbreitete er zumindest Optimismus über die Innovationsfähigkeit in Europas Industrie. Baroness Catherine Ashton gab uns Einblicke in ihre Aufbauarbeit des European External Action Service. Endlich habe nun Henry Kissinger eine Telefonnummer, die er anrufen könne, wenn er Europa sprechen wolle. Perfekt ironisierte sie sich: Er werde aber eine Computer-Stimme hören: „Wenn

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Sie die britische Version hören wollen, wählen Sie die Eins. Wenn Sie die französische Version hören wollen, wählen Sie die Zwei. Wenn Sie die deutsche Version hören wollen, wählen Sie die Drei.“ Bei uns dabei waren, wie üblich, David Lidington, Staatsminister im Foreign and Commonwealth Office, der als Kabinettchef im Ministerrang 2016 unter Theresa May einer der Manager des Brexits wurde, und Gisela Stuart, die so patente und fröhliche, in Bayern geborene Labour-Abgeordnete, von der noch niemand ahnen konnte, dass sie bald eine der Anführerinnen der Brexit-Bewegung werden sollte (Kühnhardt 2022a, S. 484 f.). Ein anderes außergewöhnliches Tagungsformat, das ich in diesen Revolutionszeiten kennenlernen konnte, war der „Bergedorfer Gesprächskreis“. Neben Tagungen, die sich mit innerdeutschen Fragen befassten, konnte ich den Verantwortlichen der Hamburger Körber-Stiftung, die den „Bergedorfer Gesprächskreis“ ausrichtet, zweimal Themenprioritäten mit Europa-Bezug empfehlen und daran teilnehmen: Am 9. und 10. Mai 1995 tagte der „Bergedorfer Gesprächskreis“ in Warschau zur Frage der Zukunft der EU. „Für mich ist es gar keine Frage,“ notierte ich, „Polen gehört dazu, muss alsbald in die NATO und in die EU aufgenommen werden“ (Kühnhardt 2021, S. 466). Vom 23. bis 25. Mai 1997 tagte der „Bergedorfer Gesprächskreis“ in Ankara zum Verhältnis der EU zur Türkei. Damals war ich noch optimistisch, dass diese Mitgliedschaft der Türkei möglich werden würde – zum wechselseitigen Vorteil (Kühnhardt 2021, S. 520 f.). Schließlich wurde ich zu einem weiteren „Bergedorfer Gesprächskreis“ am 30. September und 1. Oktober 2000 in Genshagen („Ein föderatives Europa?“) eingeladen. Wie zuvor (und erstmals 1993 bei einem Bergedorfer Gesprächskreis, der im Schloss Bellevue in Berlin tagte und die Strukturprobleme der modernen Demokratie untersuchte) war mein früherer Chef, der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker Vorsitzender der sehr illustren und, vor allem, sehr internationalen Gesprächsrunde. In Genshagen wütete von Weizsäcker richtiggehend: Die Amerikaner verstünden nichts von Außenpolitik. Die Protokolle der Gesprächskreise, die auch meine Diskussionsbeiträge enthalten, sind anregende Zeitdokumente geblieben (Bergedorfer Gesprächskreis 1995; 1997).

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Abb. 5.11   Dazwischen: Beim Bergedorfer Gesprächskreis 1993 im Schloss Bellevue mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Renate Schmidt (SPD), Michael Stürmer (Universität Erlangen-Nürnberg), Konrad Weiss (Bündnis 90), Hans-Jürgen Heimsoeth (Bundespräsidialamt), Wolf Lepenies (Wissenschaftskolleg Berlin), Jürgen Engert (Sender Freies Berlin) und Antje Vollmer (Die Grünen) (1993). (©Ludger Kühnhardt)

Die in Deutschland so einzigartigen politischen Stiftungen, die den politischen Parteien nahestehen, ohne ihre Sprechzettel aufsagen zu müssen, haben mich immer wieder zu nützlichen Tagungen eingeladen, um die Weichenstellungen besser zu verstehen, zugleich aber vor allem Akteure kennenzulernen und einordnen zu können, die in der Europäischen Union eine Rolle spielen. Am 24. und 25. März 1995 lud mich die Friedrich-Naumann-Stiftung zu einer Tagung über die Folgen von fünf Jahren Wende und Demokratie in Ungarn nach Budapest ein. Gergely Pröhle leitete die Tagung, ungarischer Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung am Ort, später Botschafter Ungarns in Berlin und Staatssekretär, zunächst für Bildung und Wissenschaft, später für menschliche Ressourcen, in unterschiedlichen Regierungen unter Ministerpräsident Orbán, die sich beim Rückblick angesichts des Wandels der ungarischen Innenpolitik wie unterschiedliche Epochen der Weltgeschichte anfühlten. Im Kulturhaus neben der Matthias Kathedrale hatte sich im März 1995 eine eindrucksvolle Gruppe von Aktivisten und Intellektuellen eingefunden: Jószef Antalls Sohn György, Geza Jeszensky, der von mir hochgeehrte Außenminister Ungarns von Mai 1990 bis Juli 1994, János Martonyi, einer seiner späteren Nachfolger (1998–2002 und 2010–2014), die Abgeordneten Miklos Vasarhelyi (Liberaldemokraten) und Peter Tölgyessy (SZDSZ), die Soziologen Elemer

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Hankiss und Rudolf Andorka, der Bonner Historiker und Politikwissenschaftler HansPeter Schwarz, der Schweizer Publizist Robert Nef und Andreas Oplatka von der „Neuen Zürcher Zeitung“. Dabei war auch Viktor Orbán. Ich lernte den Vorsitzenden des Bundes der Jungdemokraten (Fidesz) als damaligen Darling des damaligen deutschen FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff kennen. Orbán wirkte misstrauisch. Er erschien mir bei unserem Gespräch mit einem eigenartig hohen Maß an innerer Distanz höchstens vordergründig beteiligt zu sein. Ich empfand ihn als eine graue Maus (Kühnhardt 2021, S. 4654 f.). Dieser Eindruck sollte sich im Laufe der späteren Jahre sehr legen. Als Ministerpräsident von 1998 bis 2002 und erneut seit 2010 legte er einen weiten und immer wieder überraschenden Weg vom Jungliberalen zum Verfechter einer nebulösen Idee der „illiberalen Demokratie“ zurück. Tatsächlich war Orbán bei unserem Kennenlernen auch schon 1995 so konditioniert, wie ihn später viele kennenlernen sollten: Durch und durch ein Taktiker der Macht. Ihn interessierten Menschen und Ideen als Vehikel zur Macht und Veränderungen des eigenen Standpunktes als Instrument der Machtsicherung. In dieser Hinsicht war er als ihr schärfster Gegner stets zugleich auch ein Kind des bolschewistischen Politikverständnisses.

Abb. 5.12   Jungliberal: Mit dem FIDESZ-Vorsitzenden Viktor Orbán, dem Schweizer Publizisten Robert Nef und György Antall, dem Sohn des verstorbenen ungarischen Ministerpräsidenten, in Budapest (1995). (©Ludger Kühnhardt)

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Ich selbst präsentierte bei der Budapester Tagung einen demokratietheoretischen Vergleich der Ära von Konrad Adenauer und der viel zu kurzen Regierungszeit des am 12. Dezember 1993 nach nur dreijähriger Amtszeit verstorbenen József Antall (Kühnhardt 1995c). „Der neue Pester Lloyd“ klagte in seinem Bericht vom 29. März 1995, dass es in Ungarn immer schwieriger werde, Menschen unterschiedlicher „Parteien und Ideologien“ an einen Tisch zu holen. EU-Kommissar Martin Bangemann, der auf der Tagung den Festvortrag gehalten hatte, wurde mit der Bitte um Geduld zitiert. Viele junge Menschen in Mitteleuropa, die darüber klagten, es gehe mit dem Wohlstand nicht schnell genug, sollten sehen, was hinter dem westdeutschen Wirtschaftswunder gestanden hatte: viel Aufbauarbeit, Geduld und rasche Privatisierung. Außerdem benötige die EU eine gründliche Strukturreform vor einer Aufnahme beitrittswilliger Länder aus Mitteleuropa. Der Vorsitzende der Jungliberalen, Viktor Orbán, wurde in dem Zeitungsartikel ausführlich mit der Bemerkung zitiert, über die Bedingungen eines ungarischen EU-Beitritts herrsche Verwirrung. Keiner wisse, wie viel eine solche Mitgliedschaft Ungarn kosten werde. Bei Agrarfragen würde Ungarn nur vertröstet, da das System der EU-Agrarpolitik sowieso geändert werden müsse. Orbán hatte vor unserem Forum ausgeführt, der Westen habe 1990/1991 eine große Chance verpasst, die Osterweiterung rasch durchzuziehen. Damals hätten die Russen kaum Widerstand leisten können. Seither werde die Unsicherheit im Westen über den weiteren Gang der Beziehungen zu Russland auf die Beziehungen der EU zu Ungarn übertragen. Der Soziologe Rudolf Andorka blieb mir in Erinnerung mit der Bemerkung, die Ungarn stünden an der Spitze der Weltstatistiken von Alkoholismus und bei den Verhaltensgestörten. 90 % der Ungarn würden nicht an den Erfolg der Transformation glauben. 30 % würden Parteien und das Parlament am liebsten abschaffen. Man müsse aber optimistisch sein, tröstete Andorka: Die Selbstmordrate in Ungarn gehe in den letzten Jahren zurück. Abends spielte Zigeunermusik für die Tagungsteilnehmer in einem Traditionslokal auf. Die ehemals fröhliche Baracke des Ostblocks befand sich im Wartesaal der künftigen Geschichte.

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Abb. 5.13   Pausenbier: Mit Toomas Ilves, Estlands Außenminister, Elmar Brok, Mitglied des Europäischen Parlaments, Mart Laar, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Estland, und Juri Luik, Verteidigungsminister von Estland, bei einer Tagungspause in Visby (1997). (©Ludger Kühnhardt)

Ähnlich empfanden die Esten, Letten und Litauer ihre Lage in der Mitte der 90er-Jahre. Die Konrad-Adenauer-Stiftung wollte ihre zügige Annäherung an die europäischen und transatlantischen Strukturen befördern und lud zusammen mit der Jan Hjalmarsson Foundation mehrfach zu einem German-Scandinavian Roundtable unter starker Beteiligung von baltischen und polnischen Politikern nach Visby auf Gotland ein. Bei der ersten dieser Begegnungen vom 7. bis 9. Juni 1996 kam ich ins Gespräch mit Carl Bildt, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Schweden (1991–1994), Gunnar Hökmark, dem Generalsekretär der Moderaten Partei Schwedens, Göran Lennmarker, dem Vizepräsidenten des Ausschusses für Außenpolitik des schwedischen Reichstags, dem Europaminister von Lettland, Alexander Kirsteins, dem Vizeaußenminister von Litauen, Albinas Januszka, den Verteidigungsministern Juri Luik aus Estland, Volker Rühe aus Deutschland und ihrem ehemaligen schwedischen Kollegen Anders Björk. Die Leipziger Politikwissenschaftler-Kollegin Maria Huber war mit dabei, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Elmar Brok, und des deutschen Bundestages, Ruprecht Polenz, sowie Martin Hanz aus dem Auswärtigen Amt. Aus den USA waren Alyson

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Bailes vom Institut for East-West-Studies in New York und mein damals für die Rand Corporation arbeitender Freund Ron Asmus gekommen. Sie waren in ihrem Element. Denn wir sprachen vor allem über Strategien der Weltpolitik und über die Frage, ob eine Mitgliedschaft in der NATO oder in der EU für die Balten derzeit wichtiger sei und schneller machbar wäre. Die damalige deutsche Politik wurde von nicht wenigen als Teil des Problems wahrgenommen. Die deutsche Regierung bremste zu stark. Man nehme dort zu viel Rücksicht auf Russland und seinen Präsidenten Boris Jelzin, lamentierten vor allem der Berater des polnischen Außenministers, Henryk Szlaijfer, und der Abgeordnete des Seijm, Andrzej Wielkowieski (Kühnhardt 2021, S. 497). Neben diesen drei Kreisen unterschiedlicher Diskussionskultur erfuhr ich immer wieder intellektuellen Austausch auf Einzeltagungen, von denen nur zwei genannt seien. Die Stiftung Wissenschaft und Politik und das Clingendael Institut baten mich am 17. und 18. Februar 1995 nach Ebenhausen zu einem deutsch-niederländischen Gespräch. Ich referierte über die möglichen künftigen Beziehungen zwischen der NATO und der EU. Dabei waren unter anderem Ruud Lubbers, der ehemalige Ministerpräsident der Niederlande und Joachim Bitterlich, der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Kohl, Wim van Eekelen, der ehemalige WEU-Generalsekretär und Lothar Rühl, ehemaliger Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Ich lernte auch bei dieser Tagung wieder enorm viel über die strategische Agenda der kommenden fünf Jahre. Das Wechselspiel von NATO und EU, GASP und WEU war mindestens so sehr eine Geheimwissenschaft wie die verschlungenen Wege der EU-Agrar- und Strukturpolitik. Im Austausch mit erfahrenen Praktikern konnte ich mir Wissen, Einsichten und Sehweisen aneignen, das in keinem universitären Lehrbuch zu finden gewesen wären. Vom 3. bis 5. Oktober 1996 lud mich die Europäische Bischofskonferenz nach Reims zu einer Herbst-Akademie ein (Kühnhardt, 2021, S. 511 f.). Unter Leitung von Bischof Josef Homeyer, dem Präsidenten der Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Gemeinschaft (COMECE), ging es um den Beitrag der Kirchen zur Wirtschaftspolitik in der EU. Ich hatte das Vergnügen, bei dieser Gelegenheit Jacques Delors kennenzulernen, von 1985 bis 1995 Präsident der Europäischen Kommission und Edmond Malinvaud, den Präsidenten der päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften und Professor am Collège de France. Beide Persönlichkeiten konnte ich wenig später für die Mitwirkung im Internationalen Beirat des Bonner Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) gewinnen. Ich lernte in Reims auch Ioannis Zizioulas kennen, den Metropoliten von Pergamon, und Reinhard Marx, den soeben designierten Weihbischof von Paderborn, Gérard Defois, den Erzbischof von Reims, Elias Yanes Alvarez, den Vorsitzenden der spanischen Bischofskonferenz aus Saragossa, und Noel Treanor, den irischen Generalsekretär von COMECE. Die Aktualitätskraft der Grundprinzipien der katholischen Soziallehre wurde bei dem Treffen in Reims beschworen. Brücken zwischen lateinisch-katholischer und orthodoxer Sicht auf die Einigung Europas wurden gesucht. Immer wieder wurde betont, dass Europa nicht nur

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ein Institutionengefüge sei, sondern eine Seele haben müsse, wenn es die Sympathie seiner Bürger nicht verlieren wolle. Abendgebet und Orgelspiel in der Kathedrale von Reims, wo Charles de Gaulle und Konrad Adenauer am 8. Juli 1962 einen Bruderkuss ausgetauscht hatten, standen ebenso auf dem Programm wie ein festliches Abendessen in den Gewölben des berühmten Champagner-Weinguts der Madame Clicquot-Ponsardin. Die französischen Gastgeber wussten auf das Schönste, ihr Lebensgefühl des Savoirvivre zu inszenieren. Eine kleine peinliche Episode ist mir in Erinnerung geblieben: Jacques Delors musste in der Kathedrale von Reims Reinhard Marx und mich rügen, weil wir während des Orgelspiels zu salopp miteinander zu plaudern begonnen hatten. Am 18. Oktober 1996 bedankte sich Weihbischof Marx, damals zugleich Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Paderborn und seit 2008 Kardinal von München und Freising, für die Zusendung meiner beiden Bücher Jeder für sich und alle gegen alle. Zustand und Zukunft des Gemeinsinns und Von der ewigen Suche nach Frieden, „die ich für meine Vorlesungen gut gebrauchen kann, denn ich lese im Augenblick politische Ethik“. Meine Kontakte zur Deutschen Bischofskonferenz verstetigten sich nach der Herbst-Akademie in Reims. Von 2001 bis 2016 wurde ich zum ehrenamtlichen Berater der Bischöflichen Arbeitsgruppe Europa bestellt. Der Kreis, der die deutschen katholischen Bischöfe in Europafragen berät, wurde zunächst von Bischof Homeyer, nach dessen Ruhestand von Reinhard Marx geleitet, der von 2002 bis 2008 Bischof von Trier war. Betreut wurde die Arbeitsgruppe über den längsten Zeitraum meiner Mitwirkung im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz von meinem ehemaligen Doktoranden Frank Ronge. Die innere Weiterentwicklung der Europäischen Union (Kühnhardt 1994b, S. 19 ff.; 1997b, S. 114 ff.) und die ebenso dringend erforderliche Osterweiterung (Kühnhardt 1994c, S. 63 ff.; 1995d, S. 7; 1995e, S. 9) verstand ich in den anhaltenden Revolutionszeiten niemals als Gegensatz. Im Gegenteil: Beide Prozesse würden sich gegenseitig bedingen und wechselseitig stärken, so argumentierte ich während der 1990er-Jahre immer wieder in Aufsätzen und Vorträgen, in Zeitungskommentaren – damals besonders in der Tageszeitung „Die Welt“ – und in Rundfunkbeiträgen, vorwiegend für den Saarländischen Rundfunk.

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Abb. 5.14   Mit Lorenzo Ornaghi, Gründungspräsident der Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität Mailand und ehemaliger Kultusminister von Italien (2016). (©Ludger Kühnhardt)

1997 wurde mir eine akademische Verbindung eröffnet, die mir über drei Jahrzehnte half, immer wieder neu italienische Perspektiven auf die Einigung Europas zu studieren und in mein Denken einzubeziehen. Der Verleger Fabio Luca Cavazza, den ich im Berliner Aspen-Institut kennengelernt hatte, bat mich, die Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität Mailand intellektuell zu unterstützen. Dort war ein englischsprachiger internationaler Studiengang im Entstehen, der ein seinerzeit allerorten als innovativ geltendes Konzept zu realisieren suchte: Interdisziplinarität beim Studium der internationalen Ordnung. Lorenzo Ornaghi, damals Politikwissenschaftler an der Katholischen Universität und ASERI-Gründungsdirektor, später, von 2002 bis 2011 Vizerektor und Rektor der Katholischen Universität sowie von 2011 bis 2013 italienischer Kultusminister, lud mich mit einem freundlichen Brief vom 29. November 1996 zu einer ASERI-Gastprofessur im Februar 1997 ein (Kühnhardt 2021, S. 519). Jährlich wiederholte sich seither für mich – ununterbrochen seit 1997 – über drei Jahrzehnte ein mehrtägiger Aufenthalt in Mailand.

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Abb. 5.15   Als Gastprofessor mit ASERI-Studierenden aus aller Welt in Mailand (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Ebenso wichtig wie die Vermittlung meiner Forschungen in dem Seminar, das ich an dieser wunderbaren Graduate School der Katholischen Universität Mailand anbot, war für mich der intellektuelle Gewinn aus den regelmäßigen Gesprächen mit Lorenzo Ornaghi und den wechselnden Gruppen junger Studierender aus Italien und vielen Staaten der Welt mit Interesse an Italien und Europa. Ihre Perspektiven und Meinungen zu den jeweils aktuellen Entwicklungen in Europa waren mir auf immer neue Weise lehrreich. Ich empfinde große Dankbarkeit für diese permanente Schule der Weiterbildung, bei der mich wunderbare Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ASERI über so viele Jahre hinweg unterstützt haben, vor allem Roberto Brambilla, Davide Fantinati und Nadia Moscato, Elisa Creperio, Melody Barbato, Carlotta Melendugno und Mara Monti. 2005, zum zehnjährigen Jubiläum von ASERI, freute ich mich, in einer Broschüre zu gratulieren: „ASERI gives proof to the universality of a great Catholic university in the age of globalization and to the academic vision through elite education in the best possible spirit. ASERI can be proud of its many achievements, most notably the top quality of its graduates which is echoed by the ever increasing aspiration of new applicants.“ Es wurde mir nie langweilig, mit den Kolleginnen und Kollegen Simona Beretta, Vittorio Parsi und Roberto Zoboli zu diskutieren und das Curriculum für mein

5.4  Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) …

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jährliches Seminar an neue Fragestellungen anzupassen. Die Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) – in einer herrlichen Villa des 19. Jahrhunderts unweit von Santa Maria delle Grazie gelegen, wo alle Welt Leonardos „Letztes Abendmahl“ bestaunen kann – wurde mir ein weiterer akademischer Heimathafen. Kulturell konnte und kann ich bei jedem Besuch in Mailand neu auftanken. Immer wieder das höchste aller Glücksgefühle: an der Abendkasse eine preiswerte Stehplatzkarte für eine der einzigartigen Opern- oder Ballettaufführungen in der „Scala“ zu ergattern.

5.4  Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) – Der Osten des Westens und die „russische Frage“ (Kühnhardt 1994d, 2022b) Die außenpolitische Orientierung der sich im Innern enorm verwandelnden Europäischen Union nach Abschluss des Vertrages von Maastricht glich den Expeditionsstrategien vorsichtiger Entdecker. Schritt um Schritt, Land um Land arbeiteten sich die Institutionen vor. Auch das Bewusstsein der meisten Westeuropäer über die Gebiete jenseits der eigenen Grenzen, vor allem nach Osten, arbeitete sich nur vorsichtig weiter. Im Pathos der Zufriedenheit über den Zusammenbruch des Ostblocks setzte sich in weiten Teilen der europäischen Politik vorübergehend die Einschätzung durch, es komme nun ausschließlich darauf an, die bewährten Mechanismen der eigenen Stabilität zu exportieren. Je mehr die EU auf komplexe Wirklichkeiten traf, desto verhaltener wurde die Auseinandersetzung mit denjenigen Räumen, die auf einmal als „Nachbarschaft“ apostrophiert wurden. Das Genre einer eigenständigen Nachbarschaftspolitik entwickelte sich im Laufe eines Jahrzehnts. Dabei blieb lange Zeit in der Schwebe, ob mit Nachbarschaft Grenze, Puffer oder Brücke gemeint sein sollte. Die Entdeckung der Randzonen Europas und ihrer widersprüchlichen Komplexität geriet zur Entdeckung der Begrenztheit europäischer Projektionsfähigkeiten. Erstmals erlebte ich diese Doppelgesichtigkeit der Grenzthematik 1991/1992. Infolge familiärer Verbindungslinien in grauer Vorzeit ins Baltikum und mehr noch infolge der Empathie mit den durch den Hitler-Stalin-Pakt in besonderer Weise gedemütigten baltischen Völkern galt meine ganze Sympathie von Anfang an dem Aufbruch zur Wiedererlangung staatlicher Souveränität in Estland, Lettland und Litauen. Mein Studienfreund Hubertus Hoffmann, unterdessen als Medienmanager tätig, hatte dankenswerterweise die Initiative ergriffen, 18 Wissenschaftler, Politiker und Leute aus der Wirtschaft zusammenzuholen, um Vorschläge zum Aufbau einer „Hanseregion Baltikum“ zu erarbeiten. Wir wollten mit dem Bericht unserer Studiengruppe die Region insgesamt und Tunne Kelam im Besonderen stärken, den Vorsitzenden des Rates von Estland („Eesti Kongress“). Aus Bürgerkomitees hatte sich dort im Februar 1990 ein gewähltes Mehrparteienparlament estnischer Bürger formiert. Der Vorsitz des Permanenten Ausschuss des Parlaments mit 31 Parteien und 499 Abgeordneten wurde Tunne Kelam übertragen, einem langjährigen Bürgerrechtsaktivisten, der unter der kommunistischen

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Diktatur viel gelitten hatte. Tunne, der mit seiner Frau Mari-Ann zu guten Freunden meiner Familie wurde, war extrem mutiger Sprecher des Vielparteienparlaments, das ausschließlich aus Esten bestand und dem Obersten Rates der Sowjetrepublik Estland die Stirn bot. Dieser war zwar auch im März 1990 neu gewählt worden, aber wurde weiterhin von den Vertretern der Volksfront dominiert, faktisch den vormaligen kommunistischen Führern Estlands. 1990 und 1991 waren äußerst kritische Jahre in Estland. Am Ende stand ein Ausgleich zwischen dem Rat von Estland und dem Obersten Sowjet, den Tunne Kelam exzellent verhandelt hatte. In einem Referendum sprach sich die übergroße Mehrheit der Esten am 4. März 1991 für die Wiedererlangung staatlicher Unabhängigkeit aus. Der Präsident des Obersten Sowjet von Estland, Arnold Rüütel, lehnte das Ergebnis als nicht bindend ab. Erst nach dem gescheiterten Putsch in Moskau vom August 1991 erklärte der Oberste Rat von Estland am 20. August 1991 das Land für unabhängig. Am 6. September 1991 erkannte die Sowjetunion die Unabhängigkeit Estlands an. Die anschließenden wirtschaftlichen Aufbaufragen waren nicht weniger gravierend als die dramatischen politischen Ereignisse der vorigen zwei Jahre. Hier setzte unsere Hansestudie an. Im Herbst 1991 hatte unsere Studiengruppe grundlegende rechtliche und ordnungspolitische Überlegungen für den Aufbau einer Hanseregion entwickelt, die Vorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Wertschöpfung und technologischen Innovation mit erforderlichen Erfordernissen für Rechtsstaatlichkeit und dem zügigen Einbezug der Region in die europäisch-atlantischen Strukturen verband (Hanseregion Baltikum 1992). Vom 13. bis 15. März 1992 präsentierten wir unsere Ergebnisse in Riga (Kühnhardt 2021, S. 421 f.). Aus unserer Sicht war der Aufbau einer Hanse-Freihandelszone der Schlüssel, um auch Russland – und vor allem den Oblast Kaliningrad – anzudocken und ausländische Investoren in das Baltikum zu locken. Deutschlands erst kürzlich installierter erster Botschafter, Hagen Graf Lambsdorff, der mir aus seiner Zeit in Washington bekannt war, hatte ein vorzügliches Programm für unsere Gruppe vorbereitet. Im Reitern-Haus in der Hauptstadt Lettlands tauschten wir uns mit Valdis Birkavs aus, damals stellvertretender Präsident des Obersten Rates von Lettland, mit dem stellvertretenden Außenminister Martins Virsis und mit Abgeordneten von Verteidigungsausschuss und Verfassungsausschuss. Bei einem Abendessen stieß eher zufällig Nato-Generalsekretär Manfred Wörner zu uns, der erstmals das Baltikum besuchte. Es war fast unwirklich, mit dem Nato-Generalsekretär in dem eher schummrig beleuchteten, sehr sowjetisch anmutenden Restaurant „Ridzene“ wenige Monate nach dem Ende der Sowjetunion am 25. Dezember 1991 über die strategische Zukunft Russlands und die Möglichkeiten einer Anbindung der drei baltischen Republiken an die Nato zu diskutieren. Ich besuchte im Frühjahr 1992 erstmals neben Lettland auch Estland und Litauen. Über die nächsten drei Jahrzehnte schlossen sich viele weitere Aufenthalte an. Über einzelne Entwicklungen im Baltikum wurde ich regelmäßig auch in Deutschland befragt, so beispielweise am 22. Juni 1992 im Deutschlandfunk in der vielgehörten Sendung „Informationen am Morgen“ zur Lage im Baltikum nach der Einführung einer estnischen Währung. Mein Plädoyer für die Souveränität der baltischen Staaten wurde

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nicht überall gutgeheißen, vor allem dort nicht, wo die imperiale Natur Russlands weiterhin hochgehalten wurde: In meiner Post fand ich einige Tage später ein böses anonymes Schreiben, dessen Inhalt ich nur als Morddrohung verstehen konnte.

Abb. 5.16   Ansprache vor dem Eesti Kongress in Tallinn. In der Mitte des Tisches sitzt Tunne Kelam (1992). (©Ludger Kühnhardt)

Am 4. und 5. August 1992 fuhr unsere Studiengruppe nach Kaliningrad, ins ehemalige Königsberg (Kühnhardt 2021, S. 422 ff.). Mit dabei waren neben Hubertus Hoffmann, der in der Verlagsgruppe Holtzbrinck mit dem Aufbau des Privatradios in Deutschland befasst war, und Tunne Kelam, der vor den ersten regulären Parlamentswahlen seines Heimatlandes nach der Unabhängigkeit stand und danach im September 1992 Vizepräsident des estnischen Parlaments wurde, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Friedrich Merz und Hans-Gert Pöttering, die Bundestagsabgeordneten Friedbert Pflüger und Wilfried Böhm, der Göttinger Völkerrechtler Dietrich Rauschning, Oskar Prinz von Preußen, damals Kollege von Hubertus Hoffmann beim Aufbau des deutschen Privatradios, und ich. Der erste stellvertretende Leiter der Oblastverwaltung zeigte sich besonders interessiert an unseren Ideen für die Verbesserung der Transportwege nach Westen („Hanseautobahn“). Yuri Bedenko, der Vorsitzende der Freihandelszone Janta, plädierte für den sofortigen Bau der Autobahn in Richtung Westen. Die Grenzabfertigungen auf beiden Seiten müssten leichter werden. Er war überzeugt von der Einheit des baltischen Raumes. Am schwächsten seien in Kaliningrad das Steuer-,

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Finanzierungs- und Bankensystem ausgebildet. In Russland selbst war man offenbar noch nicht eindeutig entschieden, ob die weitere Öffnung von Kaliningrad zum Westen gut oder schlecht sei. Im Auditorium des Gebäudes der Freihandelszone „Janta“ fanden sich nach diesen ersten Gesprächen, die dem Kennenlernen gedient hatten, über 150 Menschen ein, um mit unserer Studiengruppe zu diskutieren. Es war schon ein eigentümliches Gefühl, im ehemaligen ostpreußischen Königsberg, mit Tunne Kelam unter uns, vor einer russischen und einer EU-Fahne am Tisch zu sitzen. In Anwesenheit von Tamara Poluektova, der offiziellen Vertreterin des russischen Präsidenten Boris Jelzin im Oblast Kaliningrad, sprach ich von der historischen Kraft von Küstenregionen als Zentren kultureller und ökonomischer Dynamik. Wie Hongkong und Singapur, New York und Rio de Janeiro, Hamburg und Bombay stehe auch der baltischen Küstenregion eine große Zukunft bevor, wenn man den Blick über die Ostsee öffne. Aus dem Publikum heraus wurde nach den möglichen militärischen Folgen einer solchen Öffnung gefragt und nach dem Wahlrecht der Russen in Estland. Frau Poluektova zeigte sich im späteren Einzelgespräch enttäuscht, dass der Kongress der Volksdeputierten in Moskau noch immer keine klare Haltung zu Kaliningrad entwickelt habe. Der stellvertretende Bürgermeister stellte uns die Probleme mit der Abwasserentsorgung in der Stadt vor. Der Sprecher der städtischen Gesellschaft der Russlanddeutschen berichtete von Plänen, Russlanddeutsche aus Kasachstan in Kaliningrad anzusiedeln. Von den 900.000 Einwohnern des Oblasts waren damals 12.000 Menschen als deutschstämmig registriert. Unsere Bilanz des Aufenthaltes war gemischt: Die Idee, eine Freihandelszone in Kaliningrad zu realisieren, würde so lange keine Chance haben, wie die russische Entwicklung weiterhin so schleppend verlaufe und Moskau sich nicht festlegen wolle. Volkswirtschaftliches Denken im westlichen Sinne war in Russland noch kaum vorhanden, berichtete ich in der „Badischen Zeitung“ in Freiburg (Kühnhardt 1992c).

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Abb. 5.17   Hanseregion: Präsentation unserer Studie im Theater von Kaliningrad zwischen einer russischen und einer EU-Fahne. Mit dabei am Podium, inmitten russischer Repräsentanten, rechts von mir: Oskar von Preussen, Hans-Gert Pöttering, Tunne Kelam, Hubertus Hoffmann, Friedrich Merz und Friedbert Pflüger (1992). (©Ludger Kühnhardt)

Für die Zeitschrift „Europa-Archiv“ der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik analysierte ich 1994 die Gemeinsamkeiten, vor allem aber die Unterschiede zwischen den mitteleuropäischen Staaten und Russland mitten in dieser gewaltigen Umbruchzeit unter der Überschrift „Der Osten des Westens und die ‚russische Frage‘“ (Kühnhardt 1994d, S. 239 ff.). Statt von Osterweiterung wäre es korrekter, schrieb ich, von Westbindung der Staaten zu sprechen, die in EU und NATO aufgenommen werden wollen. Damit wäre auch deutlich, dass Russland nicht ausgegrenzt werde, sondern sich selber anders definiert und eigenverantwortlich eine Westbindung ablehnt. Die allseits öffentlich diskutierten Kriterien für die Öffnung von EU und NATO seien zu ungenau (Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft; Projektion von Stabilität). Tatsächlich wäre es analytisch hilfreich, argumentierte ich, zwischen Modernisierung und Verwestlichung zu unterscheiden. Modernisierung könne ohne Verwestlichung stattfinden und wohl auch gelingen. Verwestlichung aber bedeutet, eine politische Kultur und deren gesellschaftliche Basis übernehmen zu wollen, die Zivilität, Rechtsverständnis und auf Individualität beruhende Bürgergesellschaft umfasst, so wie sie in westlichen Staaten üblich sind.

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In diesem Sinne, so schrieb ich, streben die Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe (Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei), aber auch Litauen, Lettland und Estland zu einer Ordnung zurück, die sie vor dem Zweiten Weltkrieg – jedenfalls in groben Zügen – bereits mit dem Westen verbunden hatte. Sie seien mithin der Osten des Westens und wollen legitimerweise diesen Platz wieder einnehmen. In Russland sehe die Sache anders aus. Das Ende des Sowjetkommunismus bedeute für Russland die Chance einer ökonomischen Modernisierung. Diese sei aber nicht identisch mit der Verwestlichung Russlands. Von einer solchen Verwestlichung könne so lange nicht gesprochen werden, wie die politische Kultur, vor allem aber auch die außenpolitische Orientierung auf russischen autokratischen und hegemonialen Traditionen beruhe und latent oder gar offen revisionistisch bleibe. Insofern stelle sich nach dem Ende des Schwankens der Deutschen und der Mitteleuropäer zwischen der Alternative Westbindung oder scharfe Eigenidentität – und der Akzeptanz einer Balance zwischen beiden Polen unter dem Dach gemeinsamer, mit anderen westlichen Partnern geteilten Integrationsgemeinschaften – für den Westen, aber auch für die Russen selber „die russische Frage“. Sie sei Kern der anhaltenden Ungewissheiten über die Stabilität der sich formierenden neuen europäischen Ordnung.

Abb. 5.18   Pufferzone: Diskussion mit dem Generalstab von Belarus (damals Weißrussland) zusammen mit Hans-Gert Pöttering und Reinhard Stuth in Minsk (1994). (©Ludger Kühnhardt)

Wie es der Zufall wollte, waren meine Frau und ich am Tag nach dem Erscheinen im „Europa-Archiv“, am 11. Mai 1994, von Bundeskanzler Helmut Kohl zu einem Staatsbankett zu Ehren von Russlands Präsidenten Boris Jelzin und seiner Frau Naina Jelzina auf den Petersberg bei Bonn eingeladen: Enikö und ich reichten dem Mann die Hand,

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der aus meiner Warte mehr für den Bruch mit dem alten Sowjetregime getan hatte als sein in Deutschland hochbejubelter Vorgänger Michail Gorbatschow. Selbstverständlich begrüßten wir ebenso Hannelore und Helmut Kohl und wurden auch Frau Naina Jelzina vorgestellt. Zum Essen gab es Tomatenkraftbrühe, Roulade vom Steinbutt und Salm, gebratenes Rinderfilet und Erdbeer-Charlotte. An Weinen wurden gereicht: 1993er Birkweiler Kastanienbusch, 1990er Königschaffhauser Steingrüble und 1991er Bacharacher Kloster Fürstental. In ihren Tischreden überschlugen Jelzin und Kohl sich mit persönlichen Komplimenten. Es war die hohe Zeit der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland.

Abb. 5.19    Mit einem russischen Veteranen des Zweiten Weltkrieges und glühenden Kommunisten in Witebsk (1994). (©Ludger Kühnhardt)

Aber Vorsicht und Sensibilitäten waren immer mit dabei. Jelzin schlug bei seinem damaligen Deutschlandbesuch vor, die NATO und den KSZE-Prozess zu verzahnen und die KSZE als wichtigstes Element eines neuen und ungeteilten Europas anzuerkennen. Das lehnte Deutschland naturgemäß ab. Im Gegenzug erklärte Kohl, er werde sich für Russlands Einbezug in die Gruppe der führenden Industrieländer einsetzen. 1998 wurde aus G7 unter Beteiligung Russlands G8, ein Format, das bis zur russischen KrimAnnexion 2014 Bestand hatte. 1994 stand Russland kurz vor dem Abzug seiner letzten Soldaten aus der ehemaligen DDR. Mit Würde und Fingerspitzengefühl sollte dies erfolgen, war der Tenor aller Gespräche auf dem Petersberg. Die glänzende Stimmung dieser Zeit wurde durch ein Bild von der festlichen Tafel bei dem Bankett auf dem Petersberg eingefangen, mit der die „FAZ“ ihren ebenfalls sehr persönlich gehaltenen

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Artikel schmückte (Gennrich 1994, S. 3). Aber allen war auch an diesem Abend klar, dass der erste direkt und frei gewählte Präsident in der russischen Geschichte keine Wunder für sein Land bewirken konnte. Seine Amtszeit von 1991 bis 1999 war leider nur eine kurze Episode in der Modernisierungs- (und möglicherweise Europäisierungs-) geschichte Russlands. 2022, nach dem brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine griff ich den Faden auf, den ich schon 1994 gesponnen hatte. Unterdessen war eindeutig, dass nicht nur Europas Sicherheit, sondern auch die Zukunft einer souveränen Ukraine von der anhaltend bedrohlichen „russischen Frage“ abhängig waren. Besonders beängstigend war die Tatsache, dass sich in Russland seit der Entmachtung von Boris Jelzin Ende 1999 faktisch ein von Geheimdiensten inszenierter und gesteuerter Totalitarismus ausgebreitet hatte. Westliche Experten und Politiker hatten diese Entwicklung entweder nicht wahrgenommen oder verharmlost. Endlich wurde nun der Westen aufgerüttelt. „Putins People“, wie Catherine Belton so faszinierend recherchiert hatte, waren besser organisiert als jede Mafia (Belton 2020). Sie forderten über die Zerstörungswut, die sie in der Ukraine austobten, den Westen insgesamt heraus. Sie nahmen Rache am verlorenen Kalten Krieg und postulierten, dass im Grunde nicht einmal der Zweite Weltkrieg zu Ende sei. In mehreren Fernsehgesprächen mit dem Fernsehsender „Phoenix“ ordnete ich 2022 die Zusammenhänge ein. In einem ZEI Discussion Paper analysierte ich mögliche Optionen – für Russland, um sich von der totalitären Tyrannei zu befreien, was mir unrealistisch vorkam; für die Ukraine, die vermutlich über Jahre mit immer wieder angefochtenen Waffenstillständen würde leben müssen, ohne auf einen Friedensvertrag im eigentlichen Sinne des Wortes hoffen zu können, solange der Putinsche Totalitarismus besteht; für den Westen, um Sicherheit gegen Russland zu organisieren, sowohl durch die strategisch richtige Anbindung der Ukraine (und Moldaus sowie Georgiens) an die EU als auch durch die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine (und Moldaus), um nicht länger eine Aggressions- und Expansionshunger Russlands herausfordernde Pufferzone zwischen Russland und dem integrierten Westen zuzulassen (Kühnhardt 2022b).

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Abb. 5.20   Ungläubig: In der ehemaligen kommunistischen Parteihochschule in Almaty, Kasachstan (1995). (©Ludger Kühnhardt)

Wie sehr nicht nur die baltischen Republiken und die Ukraine, sondern auch die neuen Staaten Zentralasiens ihre eigenständige, selbstbestimmte Richtung gehen wollten, aber immer wieder von Russland gebremst wurden, hatte ich bereits in den 1990er-Jahren bei mehreren Studienreisen durch Zentralasien erlebt, vor allem aber während einer Gastprofessur an der Al Farabi-Nationaluniversität von Almaty in Kasachstan im Februar 1995 (Kühnhardt 2021, S. 457 ff.). Unterstützt vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) bot ich eine Serie sehr gut besuchter Vorlesungen zur EU, zur NATO und zur internationalen Politik aus westlicher Sicht an, alles Neuland an der Universität. Ich lernte viel durch die Fragen und Diskussionen mit den Studenten und Kollegen, allen voran Sharas Ibraschew, dem doch immer noch arg sowjetisch auftretenden Leiter des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen, und der damit arg kontrastierenden, sympathisch weltoffenen Germanistik-Dozentin Mara Gubaidullina. Von meinem an der Deutschen Botschaft in Almaty tätigen Studienfreund Peter Sonnenhol perfekt organisiert, konnte ich intensive Gespräche führen mit Nurlan Onscharnow, einem Berater für Internationale Beziehungen von Staatspräsident

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Nursultan Nasarbajew im kasachischen Präsidialamt, Erlan Dosmuchamedow, einem juristischen Berater von Vize-Präsident Yerik Asanbajew, dem Richter am obersten Verfassungsgericht Igor Rogov, dem ich eine Verbindung zum Max-Planck-Institut in Freiburg vermittelte, dem stellvertretenden Bildungsminister Iskakov, dem Abteilungsleiter Europa im Außenministerium, Bulat Sultanov, den ich schon von einem früheren Aufenthalt in Kasachstan 1992 kannte (Kühnhardt 2021, S. 427 ff.), und Murat Laumulin vom Kasachstan Institut für Strategische Studien. Die Hoffnung auf den eigenen Weg stand bei allen meinen Gesprächspartnern ständig in Spannung zu ihrer Furcht vor russischem Gegenwind. Die „Hauptstädtischen Nachrichten“ und die Zeitung der Russlanddeutschen in Kasachstan „Deutsche Allgemeine“ berichteten umfangreich über meine Vorlesungen und die Folgerungen für mögliche Integrationsentwürfe in Zentralasien. Zudem gab ich mehrere Zeitungsinterviews, in denen ich ausgiebig zur Haltung Deutschlands und der EU gegenüber dem russischen Krieg in Tschetschenien (1994–1996) und gegenüber der Politik Russlands im Allgemeinen befragt wurde: „Das deutsche Parlament hat die Handlungen Russlands in Tschetschenien scharf kritisiert“, in: Panorama (Almaty), 9. März 1995; Die Luftdrachen erheben sich dann, wenn es Gegenwind gibt, in: Stolychichnay Oprosy (Hauptstädtische Nachrichten, Almaty), 30. März 1995. Mir wurden bei diesem Aufenthalt die Grenzen des KSZE-Ansatzes für eine Friedensarchitektur von Vancouver bis Wladiwostok mit aller Klarheit deutlich. Die hegemonialen Ansprüche Russlands waren trotz des Zerfalls der Sowjetunion keineswegs verstummt. Zugleich blieb die Wirtschaftslage katastrophal und die sozialen Folgen für weiteste Teile der Bevölkerung Russlands und der zentralasiatischen Republiken bedrückend, berichtete ich in einem späteren Beitrag für den Saarländischen Rundfunk (Kühnhardt 1997c). In der Mitte der 90er-Jahre war ich über die deutschen strategischen Entwicklungen beunruhigt. Michael Stürmer, der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bat mich, bei einem Kolloquium in Ebenhausen, dem damaligen Sitz der SWP, am 14. Juli 1995 über die außenpolitischen Erwartungen an Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu sprechen. Zusammen mit General Wolfgang Altenburg, dem ehemaligen Generalstabschef der Bundeswehr, John Roper, Direktor des WEU Instituts für Sicherheitsstudien und späteren Mitglied des House of Lords für die britischen Liberaldemokraten, und Karl Kaiser, dem Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, präsentierte ich meine recht kritischen, im Telegrammstil gehaltenen Thesen, die ich wie folgt wiedergebe: „Deutschland will in der derzeitigen Weltunordnung Stabilitätsfunktionen wahrnehmen und weiß doch nicht so recht, wie es sich den Unruhen des Übergangs entziehen soll. Stabilität kann man eben nicht exportieren wie Autos oder Kühlschränke. Die Eliten laborieren an happy exhaustion und versagen gegenüber der eigenen Jugend, aber auch den Transformationsländern. Das deutsche Rollenverständnis ist nicht klar, ebenso wenig das Verhältnis zwischen Wertbindungen und Interessenorientierung. Statt sich Weltfriedensillusionen

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hinzugeben, kann für Deutschland nur der Ausbau beziehungsweise die Revitalisierung von EU und NATO als regionale Ordnungsgefüge erste Priorität haben. Gretchenfragen sind eindeutig: Kernwaffenverfügbarkeit. Der Sinn des Modells der Vielgeschwindigkeiten in der EU. Die eigenen Beiträge, um Amerika dauerhaft strategisch an Europa zu binden. Deutschland muss an einer echten Strategie des Westens mitwirken. Ziel kann nur sein, die Handlungsfähigkeit der EU zu stärken und die strategische Partnerschaft mit den USA zu verbessern. Ukraine, Belarus und Moldau haben natürlich gewachsene und alternativlose Bindungen an Russland. Strategisches Optimum des Westens kann es daher nur sein, ihre Unabhängigkeit zu stabilisieren und zugleich die Westbindung der Balten und Sloweniens durchzusetzen. Die Mitte Europas bleibt der Osten des Westens und muss erste Priorität für Deutschland haben. Gegenüber der südlichen Hemisphäre reichen Containment und Krisenmanagement nicht aus. Der radikale politische Islam ist dabei, so höre ich immer wieder, sich vollends zum neuen Feind des Westens zu entwickeln. Diese These wird indessen oft von Agnostikern vorgetragen, die keine Ahnung von der Subtilität und Bedeutung der Religion haben. Der Clash of Civilisations, vor dem Samuel Huntington stets gewarnt hat, verläuft nicht zwischen Kulturen, sondern mitten durch sie hindurch. Kulturelle Konflikte, so prognostiziere ich, werden vermehrt in die Außenpolitik und ins Völkerrecht einwirken. Daher müssen die Instrumente der Außen-, Verteidigungs-, Menschenrechts-, Außenhandels- und Umweltpolitik viel differenzierter werden und integraler ansetzen. Erstes Problem bleiben die entscheidungsbremsenden Wirkkräfte in Politik und Gesellschaft und der Einfluss der Ersatzelite in der Fernsehdemokratie. Deutsche Provinzialität ist eine uns hemmende Lebensform, während die Zukunfts- und Handlungsfähigkeit der posttotalitären Demokratien in unserer Nachbarschaft nach wie vor ungeklärt ist.“ Die so arg komprimierte These, die ich in Ebenhausen vortragen konnte, verlangte natürlich nach Ausdifferenzierung. Verschiedentlich setzte ich mich zwischen dem Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht (1992) und den Verhandlungen zum Vertrag von Amsterdam (1997) und danach zum Vertrag von Nizza (2001) mit der Rolle Deutschlands in Europa auseinander. Gelegenheit dazu gaben mir internationale Tagungen und ausführliche Analysen, um die ich für unterschiedliche Veröffentlichungsformate gebeten wurde (Kühnhardt 1993d; 1994e, S. 49 ff.; 1994f, 99 ff.; 1994g, 1095 ff.; 1995f, S. 103 ff.; 1996b und 1996c; 1996d). Es war an der Zeit, eine systematische Untersuchung zu den diversen Grundfragen und Bedingungen europäischen Friedens zu erarbeiten, mit denen ich lange genug gerungen hatte.

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Abb. 5.21   Die Präsenz der Geschichte: In der Synagoge in Krakau (1995). (©Ludger Kühnhardt)

So entwarf ich vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen eine systematische Analyse zu Frage nach den Bedingungen europäischen Friedens. Es kam mir gelegen, dass 1995 der 200. Geburtstag der Veröffentlichung von Immanuel Kants Schrift Zum ewigen Frieden stattfand (Kant (1795) 1992). Der Königsberger Philosoph, an dessen Grab ich bei meinem Aufenthalt in Kaliningrad 1992 gestanden hatte, verhalf mir zur methodischen Präzisierung meiner Fragestellung. Seine drei Definitivartikel zum ewigen Frieden waren zeitlos anregend. Ich stellte sie meinem Text voran: „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staat soll republikanisch sein. Das Völkerrecht soll auf einem Föderalism freier Staaten gegründet sein. Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.“ Was lag näher, als Kants drei Definitivartikel zum ewigen Frieden zu kontrastieren mit der Lage im gegenwärtigen Europa. Der Titel meines Buches war mir schnell klar. Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit war dabei keineswegs ein ironisch gemeinter Titel, sondern in wenigen Worten respektvolles Echo auf Kant und zugleich nüchterne Einschätzung der gegenwärtigen europäischen Verhältnisse (Kühnhardt 1996a).

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Abb. 5.22   Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit (1996). (©Ludger Kühnhardt)

So wie Kant 1795 auf die Erfahrungen mit der europäischen Staatenwelt seit dem Dreißigjährigen Krieg zurückblicken konnte, als er seine Maximen niederschrieb, so empfahl ich meinen Zeitgenossen, mit mir ebenfalls zurückzublicken, um die Aufgaben der Gegenwart besser zu meistern. Kap. I stellte den Rahmen dar, in dem sich die Deutschen „zwischen Krieg und Frieden“ befanden. Ich spannte den Bogen von der Geschichte seit dem Dreißigjährigen Krieg über Hitler bis zu Kohl und Genscher. Ich betrieb ideengeschichtliche Archäologie und suchte in der Bibel (Jesaia, Psalmen, Sprüche, Buch Richter, Exodus, Matthäus Evangelium) Ursprünge und Begründungen für die Begriffe von Krieg und Frieden. Ich erinnerte an die Pax Romana und an den Geostrategen Carl von Clausewitz. Ich benannte die Aufgaben Deutschlands in den 90erJahren des 20. Jahrhunderts nach dem Ende der Deutschlandpolitik und zu Beginn der Wiederentdeckung der Außenpolitik. In den nachfolgenden drei Kapiteln untersuchte ich detailliert und mit analytischer Schärfe drei Experimente. Ihnen hatten sich die Europäer

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in der neuzeitlichen Geschichte unterzogen, um die Frage nach Krieg und Frieden zu beantworten, die immer wieder neu gestellt wurde (Kühnhardt 1996a, S. 1–33). Kap.  II  behandelte das erste Experiment. Hegemonie und Staatsräson waren konstitutive Begriffe für die Ordnungssuche, die mit dem Dreißigjährigen Krieg zwischen 1618 und1648 aufgebrochen war und in den Beschlüssen des Westfälischen Friedens von Münster und von Osnabrück endeten (Kühnhardt 1996a, S. 34–58). Kap. III behandelte das zweite Experiment, definiert durch die Konzepte von Mächtegleichgewicht und Legitimität, wie sie in der Zeit zwischen dem Frieden von Utrecht 1713 und dem Wiener Kongress 1815 handlungsleitend waren (Kühnhardt 1996a, S. 59–89). Kap. IV behandelte das dritte Experiment, das zwischen der Zeit des Wiener Kongresses und der Hoffnung auf kollektive Sicherheit, wie sie der Friedensarchitektur nach dem Ende des Ersten Weltkrieges inhärent war: Machtpolitik und kollektive Sicherheit sollten in dieser Epoche nach der Ablösung monarchisch legitimierter Regelwerke in ein Gleichgewicht gebracht werden. In dessen legitimatorischen Mittelpunkt war die Idee der Volkssouveränität gerückt (Kühnhardt 1996a, S. 90–119). In Kap. V warf ich einen etwas ungewöhnlichen Blick auf die Weltordnung zur Zeit des Kalten Krieges und des Ost-West-Konfliktes. Ich argumentierte, dass in dieser Zeit die Weltgeschichte eingefroren gewesen sei. Dass der Lauf der Welt zum Stillstand gekommen war, änderte nichts daran, dass Geschichte wiederbeginnen würde, sobald diese Epoche zu einem Ende kam (Kühnhardt 1996a, S. 120–149). In Kap. VI rückte ich eine Art ideengeschichtlicher Betrachtung politikprozeduraler Prozesse ein, die geholfen hatten, die Überwindung des Kalten Krieges gut zu managen. Ich führte Kants Argumentation ausführlich ein und kontrastierte sie mit den Weltfriedensbemühungen am Ende des 20. Jahrhunderts. Die Friedensagenda von UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali aus dem Jahr 1992 war vielversprechend. Aber die Verwirklichung der Friedensagenda blieb abhängig vom guten Willen der souveränen Staaten dieser Erde. Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hatte bereits 1975 deutlich gezeigt, dass Immanuel Kants Wunsch nach ewigem Frieden in Tat und Wahrheit einer ewigen Suche nach Frieden gegenüberstand. Denn kollektive Sicherheitsmodelle, auf Freiwilligkeit und Staatensouveränität beruhend, konnten Sicherheit zwar verwalten, aber weder generieren noch bewahren, sobald ein Aggressor die Spielregeln ablehnen sollte (Kühnhardt 1996a, S. 150–182). Insofern, so argumentierte ich in Kap. VII, befände sich Europa bloß in einer Zwischenzeit, die längst durch neue Formen der Weltunordnung (Konflikte in Jugoslawien, im Kaukasus, in Zentralasien, in Afrika) dominiert wurde (Kühnhardt 1996a, S. 183–218). Deutschland, so skizzierte ich in Kap. VIII, nähere sich mühsam und kleinteilig an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts heran. Das sei zu wenig. Erforderlich sei ein besserer strategischer Blick auf die Bedingungen für Wohlstand und Frieden. Erforderlich aber sei auch mehr Klarheit, um von den Politikprozessen der Gegenwart zu stabilen, mit Rechtsverpflichtungen einhergehenden Ordnungen zu gelangen, die allein Frieden verlässlich machen können (Kühnhardt 1996a, S. 219–245). Im Kap. IX analysierte ich die „europäische Frage in ihrem vierten Experiment“. Dieses bestehe darin, regelbasierte und rechtsverbindliche Formen des

5.4  Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) …

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Souveränitätszusammenschlusses zu etablieren, die im europäischen als auch im transatlantischen Zusammenhang als Stabilitätsgarantie wirksam sein und dauerhaft bleiben können (Kühnhardt 1996a, S. 246–284). Ich endete meine Studie mit der Vorstellung von drei Definitivartikeln, mit denen ich Immanuel Kants Beitrag zur Friedenssuche von1795 ehren und ihn zugleich im Lichte des Jahres 1995 weiterentwickeln wollte: Erster Definitivartikel. Die europäischen Nationalstaaten sind unersetzbarer Garant für den Schutz unveräußerlicher Menschenrechte (Kühnhardt 1994h, S. 11 ff.). Zweiter Definitivartikel. Die Europäische Union ist unersetzbarer Rahmen einer supranationalen Rechtsgemeinschaft auf dem Kontinent. Dritter Definitivartikel. Die Nordatlantische Allianz (NATO) ist unersetzbar und einzig funktionsfähige Rückversicherung für Freiheit, Frieden und Stabilität in Europa (Kühnhardt 1997d, S. 8). Ein Literaturverzeichnis sowie ein Personen- und ein Sachregister rundeten das Buch ab. Wie immer war mir die Meinung meines früheren Chefs, Bundespräsident Richard von Weizsäcker, wichtig. Zwischenzeitlich hatte ich ihn auch wieder einmal persönlich getroffen, bei einem Forum des Bundesverbandes Deutscher Banken in Niederschönhausen. Am 11. November 1996 schrieb er mir: „Immer von neuem bewundere ich Ihre produktive Leistungskraft. Für das, was ich da und dort mache und mitdiskutiere, wäre es sehr wertvoll, wenn ich das alles wüßte, was Sie erforschen und erarbeiten. Mit Ihrem neuen Werk helfen Sie mir aber, einige der Lücken zu schließen und dafür bin ich Ihnen dankbar verbunden.“ Schon wenige Tage zuvor, am 7. November 1996, hatte der Politikwissenschaftler Manfred Funke im „General-Anzeiger“ eine Rezension publiziert, die unter dem schönen Titel stand: „Fährtenlese zum Frieden.“ Funke bilanzierte Kants Friedensschrift und die Friedlosigkeit der modernen Staatenwelt. Allein im 20. Jahrhundert hatte es unterdessen 242 Kriege gegeben. „Wie notwendig geradezu der Ausstieg aus den Blendungen der Macht ist, veranschaulicht Kühnhardts sehr sorgfältige, detailkundige Fährtenlese der im Geröll der Geschichte sichtbaren oder verwehten Spuren zerborstener Friedenshoffnung.“ Entstanden sei „eine politische Kulturgeschichte von enzyklopädischer Wissensfülle. Kühnhardt ordnet und gewichtet sie im Kreuzpunkt Kantscher Aufklärung, rationalisierter Skepsis und christlichem Weltvertrauen.“ Funke drang in die Tiefe nicht nur des Buches, sondern meiner Intentionen: „Baumaterial ist für Kühnhardt die Fülle historischen Wissens, weil vor allem dieses das Prinzip Verantwortung fundieren muß bei der Gewährleistung von mehr Frieden als Werk beziehungsweise Stückwerk von Menschen.“ Der Imperativ, wonach die Weltordnung zu Hause beginne, schaffe bei allen Unwägbarkeiten der Gegenwart aber auch neue Spielräume: „Dieser Spielraum auf dem Weg zum Frieden im Schuhwerk Kants läßt sich mit Kühnhardts politischer Klugheitslehre besser durchmessen (Funke 1996).“ Der Politikwissenschaftler Manuel Fröhlich diagnostizierte in der „Zeitschrift für Politikwissenschaft“, meine Kant-Analyse halte Kant einen eigentümlichen kontrafaktischen Idealismus vor. Die von Kant gestellten Fragen aber seien weiterhin aktuell (Fröhlich 1997, S. 483 ff.). In „Das politische Buch“ wurde auf neuere Ansätze der

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5  Revolutionszeiten in Europa

Friedensforschung hingewiesen, um deutlich zu machen, dass diese nicht ausreichen. Offenkundig sehe ich meine „Aufgabe darin, unsere Blicke zu weiten“. Sehr kritisch äußerte sich der Rechtswissenschaftler Mattias Kumm: „Aktueller und origineller kann die Themenauswahl nicht sein“, aber der Versuch „scheitert“, weil ich nicht wirklich kantisch gedacht habe, schrieb er in „Das historisch-politische Buch“ (Kumm 1996). Der Historiker Gregor Schöllgen war nachsichtiger und schrieb mir am 12. Dezember 1996 einen persönlichen Brief mit dem Fazit: „Der weite Bogen der aufgeworfenen Fragen beeindruckt unwillkürlich.“ In meinem Archiv finden sich auch freundliche Dankschreiben von Verteidigungsminister Volker Rühe („stellt Ihre Studie einen wichtigen Beitrag dar, Kants Visionen für Europa, für die Grundlagen eines republikanisch-demokratischen Staates zeitgerecht und zeitaktuell zu interpretieren“, 5. November 1996), von Außenminister Klaus Kinkel (12. Dezember 1996) und vom ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger (18. Dezember 1996), mit dem ich bei dem bereits erwähnten Bankenforum in Niederschönhausen im Herbst 1996 Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch über Geschichte und Politik im gegenwärtigen Zeitalter gehabt hatte. Danach hatte ich Mut gefasst, ihm ein Exemplar meines Buches zuzusenden, denn wer war ein besserer Kenner der europäischen Staatenordnung als Henry Kissinger?

Abb. 5.23   Im Gespräch mit dem ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger in Niederschönhausen (1996). (©Ludger Kühnhardt)

5.4  Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) …

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In „Der Staat“ unterzog der Rechtswissenschaftler (und nachmals zeitweilige Dozent am Zentrum für Europäische Integrationsforschung) und spätere hessische Kultusminister Ralph Alexander Lorz 1998 das Buch einer sorgfältigen und grundsätzlichen Analyse als Teil einer systematisierenden Sammelrezension, die faktisch die Qualität eines eigenständigen Essays hatte. Die dauerhafte Aktualität der Schrift zum ewigen Frieden sei evident. Ich hätte Kants Perspektivwechsel verstanden – Friedensbedingungen ohne politisches Interesse zu verfolgen – und „in exemplarischer Klarheit“ herausgearbeitet. Während Kant für gewöhnlich für die Relevanz der Vereinten Nationen in Anspruch genommen werde, würde ich ihn originellerweise in Bezug auf die Richtigkeit der NATO denken. Lorz attestierte, dass ich einen „Friedensföderalismus“ in Form von stabilen militärischen Bündnissen denke. Diese Vorstellung gehe allerdings über Kant hinaus, so Lorz. Die „russische Frage“ war für mich immer auch eine Frage der normativen Präferenzen im Innern von Gesellschaft und Staat. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich nach der totalitären Diktatur der Nationalsozialisten einen Ort unter den geachteten Staaten des Westens nicht nur durch die klare strategische Westbindung erarbeitet. Mindestens ebenso wichtig war die unzweideutige Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen, Ausdrucksformen und Folgen der totalitären Herrschaftsform, die sich im Deutschen Reich immerhin zwölf Jahre hatte halten können. Der antitotalitäre Konsens, der sich über Jahre und Jahrzehnte nach 1949 in der Bundesrepublik Deutschland gefestigt hatte, war für mich Kompass und Maßstab bei der Beurteilung, ob und inwieweit das postkommunistische Russland einen grundlegenden normativen Präferenzwechsel vollzogen hätte. Vom 13. bis 17. Mai 1998 organisierte ich in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichtswissenschaft der Russischen Akademie der Wissenschaften eine äußerst spannende Tagung, die sich in Moskau diesen Fragen annahm (Kühnhardt 2021, S. 544 ff.). Tamara Morschakowa, Richterin am Verfassungsgericht Russlands, Roj Medvedev, prominenter Dissident zur Sowjetzeit, Boris Orlov, Mitbegründer der sozialdemokratischen Partei Russlands, und führende Historiker und Politikwissenschaftler, darunter Jakov Drabkin, Aleksandr Boroznjak und Marianne Korcagina vom Institut für Allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften sowie meine Bonner Lehrer Karl Dietrich Bracher und Hans-Adolf Jacobsen, außerdem Nicolas Werth, Autor des Schwarzbuch des Kommunismus, Eckhard Jesse, Universität Chemnitz, Klaus-Dietmar Henke, Direktor des Hannah-Arendt-Instituts, Bernd Faulenbach, RuhrUniversität Bochum, und Robert Maier vom Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung waren der Einladung von Alexander Tschubarjan, dem Direktor des Instituts für Allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaft und mir gefolgt. Die Vorträge waren substanzreich und weithin ehrlich. In überarbeiteter Form wurden sie in deutscher und in russischer Sprache veröffentlicht (Kühnhardt und Tschubarjan 1999). Es erfüllte mich mit besonderer Freude und Dankbarkeit, dass Karl Dietrich Bracher seinen gewichtigen Beitrag auf der Konferenz 2001 in seinen Vermächtnisband

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5  Revolutionszeiten in Europa

Geschichte als Erfahrung. Betrachtungen zum 20. Jahrhundert aufnahm (Bracher 2001, S. 132 ff.). Bracher hatte in Moskau über den „Umgang mit Zeitenbrüchen“ gesprochen und im Blick auf 1918, 1945 und 1989 eine lange Linie durch das kurze 20. Jahrhundert gezogen. Er gab den Konferenzteilnehmern ein Lehrstück darüber, wie in einer freiheitlichen Gesellschaft die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit aussehen kann, ja aussehen sollte: Bracher breitete ohne jedes Tabu die wichtigsten seiner Erkenntnisse über Aufstieg, Zerstörungskraft und lange Nachwirkung der nationalsozialistischen deutschen Diktatur aus. Er sprach vom doppelten Totalitarismus der nationalsozialistischen und der kommunistischen Herrschaft. Er scheute nicht, die DDR als Diktatur zu charakterisieren. Für die künftige russisch-deutsche Diskussion erhoffte Bracher, „die Möglichkeiten zur Schaffung und Erhaltung eines möglichst tragfähigen antidiktatorischen Konsens zu erkunden, dessen jede funktionsfähige freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie heute bedarf“ (Bracher 2001, S. 150). Die intensive Diskussion mit gut 100 russischen Studenten bezeugte die Mühen des Landes beim Übergang „von der Last der Geschichte zur Last der Gegenwart“, wie ich meine Einführung in die Tagung im anschließenden Konferenzband überschrieben hatte. Die jungen Menschen hatten, wie es in Russland üblich geblieben war, andächtig den Vorträgen gelauscht und kamen nur sehr mühsam aus sich heraus. Mir blieb deutlich vor Augen, dass der Weg Russlands zu einer pluralistischen und diskussionsfreudigen politischen Kultur lang und mühsam bleiben würde. Ich kommentierte diese Einsicht nach meiner Rückkehr aus Moskau in der Zeitung „Die Welt“ und im Saarländischen Rundfunk (Kühnhardt 1998d, S. 4; 1998e). Mir war seither jederzeit klar vor Augen: Die normativen Fragestellungen würden bei der anhaltenden Transformation Russlands stets eine mindestens so große Rolle spielen wie abstrakte geopolitische Erwägungen. Russlands schwache Zivilgesellschaft würde beim Übergang vom Imperium zu einem „normalen“ modernen Nationalstaat ein ebenso großes Problem bleiben wie die fortwirkenden hegemonialen Ambitionen der russischen Führung nach Jelzin. Es gehörte zu den mit dem Überfall auf die Ukraine 2022 gescheiterten Illusionen, dass der Homo Sovieticus in nur einer Generation hätte überwunden werden können, schrieb ich über zwei Jahrzehnte später in einer ausführlichen Analyse über Europas Sicherheit und die Zukunft der Ukraine angesichts der anhaltend beängstigenden und völlig ungeklärten „russischen Frage“ (Kühnhardt 2022b).

5.4  Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) …

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Abb. 5.24   In den Trümmern des Kommunismus in Moskau (1998). (©Ludger Kühnhardt)

Meine skeptische Haltung auf die innergesellschaftlich wie außenpolitisch anhaltende Revolutionszeit im Osten Europas war frühzeitig aus einer weiteren Perspektive befeuert worden, als ich Gelegenheit hatte, kurz vor den dritten Präsidentenwahlen in der Ukraine am 28. und 29. Mai 1999 mit russischen, amerikanischen, deutschen und türkischen Wissenschaftlern und Politikern eine Gesprächsrunde mit Ukrainern zu organisieren. Wir wollten die Chancen der euro-atlantischen Orientierung der Ukraine erkunden, die 1991 erstmals als eigenständiger Staat entstanden war und von allen anderen europäischen Nachbarn, einschließlich Russlands, als solches in klar definierten Grenzen anerkannt worden war. Ein möglicher Zankapfel, so hing schon damals in der Luft, könnte eines Tages wieder die Halbinsel Krim werden. Seit dem 18. Jahrhundert Teil des russischen Kaiserreiches, war sie 1954 vom damaligen Herrscher der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik angeschlossen worden. An einem besonders historischen Ort auf der Krim, dem Liwadija-Palast in Jalta, führten Oleg Kokoshinsky vom Atlantic Council of Ukraine, mein amerikanischer Freund und Kollege Jackson Janes und ich gut 50 Persönlichkeiten zusammen, darunter den amerikanischen Botschafter in Deutschland, John Kornblum, und den Vizeaußenminister der Ukraine, Yevhen Bersheda. In dieser ehemaligen Sommerresidenz des russischen Zaren hatte vom 4. bis zum 11. Februar 1945 die entscheidende Konferenz über die Neuordnung der europäischen Nachkriegsordnung stattgefunden. Damals wurde Europa

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5  Revolutionszeiten in Europa

in Machtsphären geteilt. Wir suchten nach deren Überwindung und einer sicheren Zukunft für die Ukraine. Die Früchte intensiver Vorträge und Diskussionen flossen zu einem Sammelband zusammen. Er bleibt Spiegelbild meiner damals (und damit frühzeitig) verhalten optimistischen Vorstellung, die Ukraine könne ein dem Westen zugewandter Staat werden, der sein Nation-Building mit einer euro-atlantischen Perspektive verbinden, ja krönen könnte, ohne Russland zu entfremden (Janes et al. 2000). Diese Vorstellung einer kooperativen Transformation sollte sich zwei Jahrzehnte lang als verfrüht, aber keineswegs als denkunmöglich erweisen. Das Bestreben nach Selbstbestimmung der Ukraine beantwortete Russland dann allerdings mit der gewaltsamen Annexion der Krim 2014 und 2022 mit dem offenen Angriffskrieg auf die Ukraine: Offenbar muss es ín der Geschichte immer wieder tiefgreifende militärische Konflikte geben, die erst die Nationwerdung festigen und strategische Klarheit bringen so auch im tragischen Fall der Ukraine.

Abb. 5.25   Euro-atlantische Perspektiven für die Ukraine? Im Innenhof des Liwadija-Palastes in Jalta mit Oleg Kokoshinsky, Vizeaußenminister Yevhen Bersheda, US-Botschafter John Kornblum und Jackson Janes (2000). (©Ludger Kühnhardt)

Die Tage in Kiew und auf der Krim waren faszinierend, einschließlich eines Besuches bei der russischen Schwarzmeerflotte im Hafen von Sebastopol (Kühnhardt 2021, S. 573 ff.). Am Ende der Gespräche hatten die meisten Teilnehmer unserer Tagung verhaltenen Optimismus hinsichtlich der Frage einer euro-atlantischen Perspektive für

5.4  Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) …

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die Ukraine. Yevhen Bersheda, der stellvertretende Außenminister der Ukraine, der die ganze Zeit über mit uns diskutiert hatte, holte uns in seinem Schlusswort auf den Boden der Realitäten zurück. Die Konferenz sei ein schöner Gedankentraum gewesen. Er werde aber in seiner Lebenszeit keine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU, geschweige denn in der NATO, erleben, so Bersheda. Jeder im Lande schaue am Abend die Fernsehnachrichten aus Moskau. Dort liege das Zentrum, das weiterhin das Denken auch der Ukrainer bestimme, die nach Westen blicken. Ich kehrte damals ernüchtert aus der Ukraine zurück und hatte später keine Illusionen, als 2013/2014 der „Euromaidan“ in Kiew die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zog. Es ging um eine Assoziierung mit der Europäischen Union. Der Mut zu Freiheit, Wahrheit und Recht vieler Menschen in der Ukraine waren eindrucksvoll. Allerdings stand der Weg hin zu stabiler Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft mit dem gelingenden Aufbau einer Mittelstandsgesellschaft erst ganz am Anfang. Die totalitäre sowjetische und die imperiale russische Tradition blieben stark, auch nachdem sich prowestliche Kräfte in der Ukraine durchsetzen konnten. Die Garantien, die die Ukraine im „Budapester Memorandum“ (5. Dezember 1994) von Russland, Großbritannien und den USA als Gegenleistung für einen Nuklearwaffenverzicht für ihre territoriale Integrität erhalten hatte, galten im Kreml 20 Jahre später herzlich wenig: Die gewaltsame Annexion der Krim durch Russland im März 2014 war ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Die vollständige Invasion in die Ukraine im Februar 2022 erst recht. Wenn nicht jetzt, wann dann, würde die Sicherheit und territoriale Integrität der Ukraine allein durch die NATOMitgliedschaft garantiert werden können, argumentierte ich in einem umfangreichen ZEI Discussion Paper. Die Annäherung an die Europäische Union, Kandidatenstatus und formelle Beitrittsverhandlungen seien eine richtungsweise Ermutigung für die reformorientierten Ukrainer und Moldauer. Sie seien auch ein deutlicher Schritt für die EU, um geopolitische Reife zu erwerben und aus Eigeninteresse heraus strategisch zu handeln. Aber ohne eine amerikanische Sicherheitsgarantie über die NATO würden die Ukraine wie die EU selbst es sehr schwer haben, gegenüber dem russischen Expansionismus und einer ideologisch aufgeheizten Aggression aus Minderwertigkeit heraus zu bestehen (Kühnhardt 2022b). Die jugoslawischen Nachfolgekriege hatten die Ausübung brutalster militärischer Gewalt als politisches Mittel in den 1990er-Jahren in Europa erstmals wieder möglich gemacht. Der einzige Trost: Der kurze Krieg in Slowenien (1991), der längere Kroatienkrieg (1991–1995), der Krieg in Bosnien (1992–1995) und der Kosovokrieg (1998–1999) fanden außerhalb der Europäischen Union statt und bestätigten damit die Friedenskraft der europäischen Integration. Überraschende Aufmerksamkeit ließ mir die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands zuteilwerden, von der ich mir gar nicht hatte vorstellen können, dass es sie noch gab. In einer Stellungnahme vom 7. April 1999 wurde meine Haltung zur NATO-Intervention im Kosovo in einem Flugblatt als „imperialistisch“ verurteilt. Ich hatte geschrieben, dass in der Konsequenz des KosovoKonfliktes das gesamte Jugoslawien auf Dauer zu einem Protektorat der westlichen Mächte werden könnte.

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5  Revolutionszeiten in Europa

Mein innerer Kompass zu den Folgerungen aus dem Zerfall Jugoslawiens, das ich 1980 erstmals besucht hatte, war seit 1989 erheblich von meinen Gesprächen mit Zoran Đinđić bestimmt. Als die Europäische Union im Juni 1999 den Stabilitätspakt für Südosteuropa aus der Taufe hob, sah ich es als meine Pflicht an, in dem Bereich mitzuwirken, der mir durch meine beruflichen Möglichkeiten vorgegeben war: Im Bereich der Förderung des Europagedankens an den Hochschulen Südosteuropas. Von 1999 bis 2006 initiierte ich ein umfangreiches Kooperationsprojekt im Rahmen des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI), das ich seit dem 1. Oktober 1997 an der Universität Bonn leitete. Wir arbeiteten eng zusammen mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und stimmten uns ab mit dem EU-Stabilitätspakt für Südosteuropa, dessen Koordinator Bodo Hombach ich mehrfach in Brüssel aufsuchte. Das von mir am ZEI etablierte Team entwickelte ein umfangreiches konzeptionelles und operatives Projekt. Ich gewann den bulgarischen Diplomaten Emil Mintchev und den aus dem Bundesverteidigungsministerium kommenden Politikwissenschaftler Rafael Biermann für die Leitung der am ZEI eingerichteten „Task Force Southeast Europe“. Am 28. und 29. Januar 2000 begründeten wir mit Teilnehmern aus 13 Ländern der weiteren Region Südosteuropa bei einer Tagung in Sofia ein „Network for European Studies in South Eastern Europe“. Sieben Jahre lang kooperierten wir enorm vielseitig untereinander und stärkten so mit unseren Möglichkeiten Eigenverantwortung und Europafähigkeit in den südosteuropäischen Wissenschaftssystemen. Ich sah diesen Bereich als einen Schlüssel an, um den Frieden in der Region zu stärken und die Heranführung aller Länder der Region an die EU voranzubringen. Bulgariens Vizeaußenminister Vladimir Kissiov und der stellvertretende Bildungsminister begrüßten in ihren Statements namens der bulgarischen Regierung unsere Initiative sehr. Kissiov war erfreut, dass sein Land als EU-Beitrittskandidat akzeptiert worden sei, er rechnete aber mit Gegenreaktionen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage nach dem Recht von Ausländern auf Eigentumserwerb in Bulgarien. Dadurch könnte ein EU-Beitritt im Jahr 2007 verzögert werden. Zu der strategischen Aufgabe, kein Land des Balkans außerhalb der EU und der NATO zu belassen, publizierte ich mit meinem bulgarischen Kollegen Ivan Krastev zwei engagierte Analysen. Leider haben sie und unsere damaligen Plädoyers auch mehr als zwei Jahrzehnte später angesichts der noch immer offenen Balkan-Fragen nichts an Bedeutung verloren (Kühnhardt und Krastev 1999a, S. 4; 1999b, S. 15; Kühnhardt 2020b). Aus dem Dreiklang von Forschung, Politikberatung und Fortbildung entwickelten wir über sieben Jahre eine Serie von aufeinander aufbauenden und miteinander verbundenen Einzelinitiativen (Mintchev und Musial 2006). Wissenschaftliche Jahreskonferenzen fanden in Sofia, Cluj, Thessaloniki, Belgrad, Edirne und Rousse statt. Wir organisierten eine „fliegende Fakultät“, die Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen für Kurzzeitaufenthalte an die Universitäten der Region führte. Wir bereiteten Lehrmaterialien vor, um das Europa-Wissen an den weiterbildenden Schulen zu stärken

5.4  Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996a) …

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und dem durch die Jugoslawien-Kriege ausgelösten Nationalismus entgegenzuwirken. An der Universität Podgorica in Montenegro konnten wir den Aufbau eines Studiengangs in europäischen Fragen begleiten. Wir führten eine Reihe von Sommerschulen für junge Diplomaten und Wissenschaftler aus der Region in Dubrovnik durch. An der bulgarischen Universität Rousse und der auf der rumänischen Seite der Donau gelegenen Universität für Wirtschaftsinformatik in Giurgiu entwickelten wir das „BulgarianRomanian Interuniversity Europe Centre“ (BRIE). BRIE bezog Quartier im sanierten ehemaligen österreichischen Gymnasium in Rousse. Dort wurde das innovative Institut von zwei außerordentlich engagierten bulgarischen Germanistinnen geleitet, Penka Angelova und Mimi Kornazheva. Vom ZEI aus unterstützten wir den Auf- und Ausbau der Bibliothek und der Computerausstattung. Wir vermittelten prominente Referenten nach Rousse, darunter den Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer, die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Rita Süssmuth, und den ehemaligen Vizekanzler von Österreich, Erhard Busek. 2002 wurde am BRIE ein „Master in European Studies“ für Studierende aus Südosteuropa und der Schwarzmeer-Region eingerichtet. 2005 war dies der erste Studiengang in Südosteuropa, den die deutsche Akkreditierungsagentur ACQUIN positiv evaluierte und akkreditierte. Aus dem Projekt gingen zwei Monografien und mehrere Sammelbände hervor. Ich betreute Rafael Biermanns Habilitation über die Lehren, die aus dem Kosovo-Konflikt für das internationale Krisenpräventionsmanagement gezogen werden konnten (Biermann 2006). Seine Studie war im Rahmen des BRIE-Projektes entstanden. Sie öffnete ihm den Weg auf eine Professur für Internationale Politik an der Universität Jena. Botschafter Geert-Hinrich Ahrens verfasste während eines längeren Forschungsaufenthaltes am ZEI in dieser Zeit eine quellengesättigte Analyse über das Scheitern des internationalen Minderheitenschutzes in Jugoslawien zwischen 1992 und 1996, an dem er mitgewirkt hatte (Ahrens 2007). 2005 konnte Ahrens darüber hinaus für die OSZE als Vertreter des ZEI eine Wahlbeobachtermission in der Ukraine leiten (Ahrens 2005).

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5  Revolutionszeiten in Europa

Abb. 5.26   Mit Zoran Đinđić, damals serbischer Oppositionsführer, in Bonn (1998). (©Ludger Kühnhardt)

Ein tiefer Schock war für mich die Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Đinđić am 12. März 2003. Ich litt mit der Frau und den beiden Kindern des Mannes, mit dem ich mich seit 1989 angefreundet hatte. Ich bewunderte seine klare analytische Kraft und seinen suggestiven, mitreißenden Mut gegen alle Zweifel, die er an einem guten Weg für sein Land und seine Region hatte. Zoran war ein wahrer Sisyphos. Seine Ermordung war ein furchtbarer Tag für Serbien, ein schlimmer Tag für Europa. Erste Sondersendungen liefen bald im Fernsehen, darunter ein älteres Interview mit dem jugendlichen, 1952 geborenen, kraftvollen Mann, an den mich unvergessliche Erinnerungen banden. Spontan kondolierte ich per Telefonat in seinem Belgrader Büro. Am 15. März 2003 säumten Hunderttausende, wenn nicht mehr Menschen, die Straßen von Belgrad, um in einem bewegenden Trauerzug Abschied von Zoran Đinđić zu nehmen. Friedlich waren orthodoxe, katholische und muslimische Geistliche ­vereint.

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Der Sarg, in eine serbische Fahne geschlagen, wurde von Soldaten eskortiert. Die Armee schützte den toten Premier und damit hoffentlich auch die demokratische Zukunft Serbiens. Von der großen orthodoxen Save-Kathedrale führte der Trauerzug nach dem Ende des orthodoxen Gottesdienstes durch die Innenstadt zum Neuen Friedhof, wo ich später an seinem Grab stand. Inmitten vieler Helden des kommunistischen Jugoslawiens ist sein Grabstein als einziger auf diesem jugoslawischen Teil des Friedhofs mit einem christlichen Kreuz geschmückt. Am 25. März 2003 wurde der Mörder von Zoran Đinđić gefasst, ein brutaler Typ aus der Spezialmiliz JSO („Rote Barette“) des Geheimdienstes. War dies eine gute Nachricht? Eher war es für mich die Fortsetzung der traurigen Brutalität in Serbien. In einem Nachruf würdigte ich Zoran Đinđić als eine Hoffnung für die Kraft des Guten in Europa (Kühnhardt 2003a). Wo der politische Mord möglich ist, ist alles bedroht. 2001 hatte ich Zoran letztmalig in seinem Ministerpräsidentenbüro in Belgrad besucht (Kühnhardt 2022a, S. 41 ff.). Er haderte mit der Auslieferung des Kriegsverbrechers Slobodan Milosevic an den Internationalen Strafgerichthof in Den Haag. Würde es der Versöhnung in Serbien nicht mehr helfen, wenn Milosevic in Serbien der Prozess gemacht würde? Die Ehre Serbiens war Đinđić ebenso wichtig wie die europäische und weltweite Rechtskultur, der er sich verpflichtet wusste. Hinter seinem Schreibtisch hing ein alter Stich, eine Landkarte von Serbien in den Grenzen des Reiches von Stefan Uroš IV. Dušan im 14. Jahrhundert. Saloniki gehörte damals zum serbischen Reich. Wenn immer er einem nationalen Sender ein Interview gab, so erklärte mir Ministerpräsident Đinđić, würde er sich an den Schreibtisch vor diesen alten Stich setzen. Zoran spielte die Klaviatur der Dialektik perfekt. Bis er ihr doch zum Opfer fiel. Auf den Tag genau fünf Jahre vor seiner Ermordung, am 12. März 1998, hatte ich ihn zum Vortrag an das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) in Bonn eingeladen. Das Medieninteresse war groß, den Anführer der demokratischen Opposition von Serbien zu hören. Bis tief in die Nacht war er später Gast bei uns zu Hause und erzählte eine Anekdote nach der anderen über die Unglaublichkeiten totalitärer Menschenmanipulation. Was meine Gäste und mich leichten Schauder überkommen ließ, war für ihn bitterer Alltag. Er wollte sich in diesen Stunden ein wenig von dem Druck befreien, indem er davon erzählte, worunter er und alle aufrechten Serben litten. Am nächsten Tag ging der Kampf für Zoran Đinđić weiter. Der Krieg hatte die Seelen der Menschen zerrissen, die der Friede nun Mühe hatte, wieder zu heilen. Die ewige Suche nach Frieden gehörte weiterhin zu den Pathologien Europas. 2004 stand ich am Grab von Zoran in Belgrad (Kühnhardt 2022a, S. 249 f.). Wer zu früh kommt, kann auch vom Leben bestraft werden. Die Umkehrung des Gorbatschow-Bonmots erlebte ich in Georgien. Wie in der Ukraine war in dieser seit 1991 wieder unabhängigen ehemaligen Teilrepublik der Sowjetunion die Hoffnung aufgekeimt, es könne für das Land die Perspektive einer Mitgliedschaft in der EU und der NATO geben. Vom 3. bis 5. Februar 2005 nahm ich in Tbilisi an einer internationalen Konferenz teil, zu der mich Alexander Rondeli, der Präsident der Georgian Foundation for Strategic and International Studies (GFSIS) eingeladen hatte (Kühnhardt 2022a, S. 275 ff.). Ich

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5  Revolutionszeiten in Europa

leitete eine Diskussionsrunde über die Erfahrungen mit der demokratischen Transition und diskutierte mit Kristiina Ojuland, der Außenministerin von Estland, Ghia Nodia, dem Direktor des Caucasus Institute for Peace, Democracy and Development (und ZEI Senior Fellow) und Bruce Jackson, Präsident des amerikanischen Project on Transitional Democracies. Uns war klar, dass der Aufbau von staatlichen Kapazitäten in der KaukasusRegion Jahre, wohl eher Jahrzehnte dauern würde. Solange es um die Existenzsicherung der jungen Staaten der Region ging, blieb die Westorientierung ein Referenzpunkt, aber die Mitgliedschaft in EU oder NATO keine wirklich realistische Perspektive. Staatspräsident Michael Sakaschwili versuchte mit Charme und starken Argumenten, uns vom Gegenteil zu überzeugen. Die Spannungen zwischen Staatsbildung und Demokratieerfordernissen konnten nicht unterschätzt werden, wendete ich ein. Am Abend vor meiner Ankunft war der Ministerpräsident Georgiens, Surab Schwania, ermordet aufgefunden worden. War dies ein Menetekel? Es gab keine einfache und vor allem keine schnelle Antwort auf die Frage nach der Westbindung Georgiens. Zwei Jahre nach der Konferenz spitzte sich die Lage zwischen Georgien und Russland massiv zu. Zwischen dem 7. und dem 16. August 2008 kam es zum Krieg. Seither ist Georgien geteilt. Die Dekolonialisierung der ehemaligen Sowjetunion war noch lange nicht abgeschlossen. Die Revolution für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ging weiter. Die ewige Suche nach dem Frieden in dieser Grenzregion Europas ebenfalls. Die guten Erfahrungen mit dem ZEI-Netzwerk zur Erneuerung der Wissenschaft in Südosteuropa ließ mich dennoch ein Jahr später zu der Hoffnung hinreißen, es könnte eine Art Wiederholung des Bulgarian-Romanian Interuniversity Europe Centre (BRIE) auf der Krim geben. Auf Bitten des Koordinierungsbüros für Europäische und Euroatlantische Integration im Ministerkabinett der Ukraine legte ich am 9. November 2009 dem Auswärtigen Amt in Berlin eine Kurzanalyse über die Potenziale eines Instituts für Europa- und Schwarzmeer-Studien an der Universität Sebastopol vor. Unterdessen war die Zukunft der ukrainischen Regierung von Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko „ungewiss“, kabelte die deutsche Botschaft Kiew nach Weiterleitung meines Papiers am 2. März 2010. Tatsächlich musste Julia Tymoschenko schon am nächsten Tag nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung im Parlament zurücktreten. Die bis 2014 dauernde prorussische Ära von Viktor Janukowitsch begann. Bald wurde Julia Tymoschenko verhaftet. Mein Papier verschwand in den Archiven der Nachfolgeregierung ihrer Häscher (Kühnhardt 2009). 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer wurden neue Mauern in Europa hochgezogen. Dies geschah diesmal zwar weiter östlich von Deutschland. Aber es geschah noch immer mit dem strategischen Ziel der russischen Führung (und ihrer Unterstützer in der Ukraine und in Belarus) zu verhindern, dass die russische Frage von den Menschen in Russland (und ebenso in der Ukraine und in Belarus, in Moldau und in Georgien) im Sinne einer kulturellen Westorientierung in Bezug auf Regierungssystem und Gesellschaftsmodell beantwortet werden würde. Die nachfolgenden zehn Jahre wurden diesbezüglich immer bitterer. Der hybride Krieg in der Ostukraine seit 2013, die russische Annexion der Krim 2014, die ­Unterdrückung der Demokratiebewegung in Belarus 2020, schließlich die Invasion in der

5.5  Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), …

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Ukraine 2022 – die ewige Frage nach dem Frieden und seinen Voraussetzungen blieb leider ein osteuropäisches und eurasisches Dauerthema. Insofern erfüllte es mich nicht mit Frohsinn, sondern eher mit Betrübnis, dass der außergewöhnlich talentierte Politikwissenschaftler Hendrik W. Ohnesorge 2021 wieder einmal an meine Studie von 1996 erinnerte, ja: erinnern musste (Ohnesorge 2021,157–174): Die ewige Suche nach Frieden und die Auseinandersetzung mit Immanuel Kants Überlegungen waren leider noch immer eine aktuelle Aufgabe im Osten des geografischen Europas.

5.5

 uropas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering E 1991), Weltpartner Europäische Union (Kühnhardt und Pöttering 1994), Kontinent Europa (Kühnhardt und Pöttering 1998): Hans-Gert Pöttering und das Haus der Europäischen Geschichte

Für die Idee der europäischen Integration kann sich in der Sphäre der Politik nur derjenige zufriedenstellend und wirkungsvoll engagieren, der Politik als das Bohren dicker Bretter begreift, wie es der Soziologe Max Weber beschrieben hat. Mit Leidenschaft und Geduld muss man sich Politik zum Beruf erwählen, wenn man im Raum der europäischen Integration Ziele verwirklicht sehen will, deren Gesamtkonturen oftmals erst weit über die Zeit des eigenen Wirkens hinaus in ihrer vollen Auswirkung sichtbar werden. Doch Leidenschaft und Geduld alleine reichen nicht aus. Stimmen muss der europapolitische Kompass, das geistig-politische Koordinatensystem, mit dem jemand antritt, um einen erkennbaren und nachhaltigen Beitrag zur europäischen Integration zu leisten. Schließlich wäre es wohl geraten, wenn zur Leidenschaft und zum Kompass Sachkenntnis und Tiefgang hinzukommen. Sachkenntnis und Tiefgang gründen am ehesten in der soliden Beschäftigung mit der Geschichte Europas, im Verständnis für die Europäische Union als einer Rechtsgemeinschaft und sie nähren sich immer wieder durch Neugier auf neue Fragestellungen, Perspektiven und Aufgaben. Erst so werden ein fester Standort und geduldige Leidenschaft zum Baumaterial einer kompetenten und überzeugenden, einer glaubwürdigen und überzeugenden Politikerpersönlichkeit. Mit Hans-Gert Pöttering war dem Prozess der europäischen Integration über mehrere Jahrzehnte der Glücksfall einer solchen Politikerpersönlichkeit zugewachsen. Seit seiner ersten Wahl 1979 in das Europäische Parlament, die zugleich die erste Direktwahl dieses Parlamentes gewesen ist, erarbeitete sich Hans-Gert Pöttering allseits größten Respekt. Er blieb in drei Jahrzehnten als Parlamentarier jederzeit fest verankert in einem christlichen Wertekanon, dessen Katholizität Festigkeit und Weite, Klarheit und Güte bedeutet. Er hatte seinen Vater niemals zu Gesicht bekommen, weil dieser noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges sein Leben verlor, ehe für seinen Sohn das Leben begann. Hans-Gert Pöttering wurde mit Zähigkeit und innerer Überzeugung zu einem der wirkungsvollen parlamentarischen Baumeister eines friedlich vereinten und in ­Vielfalt weiter zusammenwachsenden Europas. Das Feuer des Parlamentariers strahlte in

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seinen Debattenbeiträgen im Europäischen Parlament. Mit nüchterner Analyse konnte er vor unterschiedlichen Auditorien seine Überlegungen und Überzeugungen artikulieren. Immer setzte er deutliche Akzente und zeigte mit der Autorität, die in seinen Worten und in seinem Wesen verankert ist, Wege auf, die es Wert blieben, über den Tag hinaus bedacht und weitergeführt zu werden. Politik ist die Kunst der Rede, verknüpft mit dem Willen zu handeln. Dass HansGert Pöttering beides seit 1979 gradlinig und mit Integrationskraft praktiziert hatte, fand seine Anerkennung 1999 durch seine Wahl zum Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei/europäische Demokraten im Europäischen Parlament. Die Anerkennung seiner Kollegen in der unter seiner Führung erstmals stärksten Fraktion des Europäischen Parlaments sprach für sich. Ich erlebte ihn immer wieder in diesem parlamentarischen Milieu. Bei einer Gelegenheit stellte er meine Frau und mich dort in den 90er-Jahren Otto von Habsburg vor. Sofort wechselte Otto von Habsburg in die ungarische Sprache, um mit Enikö zu plaudern. Der einstige Thronfolger von Österreich-Ungarn hatte nicht nur seinen Frieden mit einem neuen Europa geschlossen. Er war zum glühenden Verfechter der Einigung Europas geworden. Hans-Gerts Engagement bewunderte auch er, wie er mir sagte. Für Hans-Gert Pöttering wurde seine Wahl zum Präsidenten des Europäischen Parlaments am 16. Januar 2007 Höhepunkt seiner parlamentarischen Laufbahn. Bis zum Ende der Legislaturperiode im Juni 2009 wurde Hans-Gert Pöttering zum ersten Repräsentanten des frei gewählten Parlaments von (damals, vor dem Brexit) mehr als 480 Mio. Europäern. Stärker denn je trat er jetzt ins Rampenlicht der europäischen Politik. Doch jederzeit blieb er menschlich, bescheiden, sympathisch. Alles politische Agieren aber wurde überstrahlt und überdauert durch seine Führung beim Aufbau des „Haus der Europäischen Geschichte“, das 2014 als erster supranationales Museum Europas eröffnet werden konnte. Ich war stolz, dass ich die Idee dazu gegeben hatte. Hans-Gert Pötterings Reden und Schriften, am meisten aber seine Autobiografie (Pöttering 2014) erinnern an einige der wichtigsten Etappen der europäischen Einigung zwischen den 1979 und 2014. Seine Biografie führt hinter die Schlagzeilen der Medien auf den Grund der wichtigsten Fragen der europäischen Integration. Wer sie gelesen hat, kann nicht unberührt bleiben von der Erkenntnis, dass die Europäische Union das Schicksal für die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger geworden ist, lebendiger Alltag und zentraler Anker in einer immer unruhiger gewordenen Welt. Zugleich ist Hans-Gert Pötterings Bilanz ein überzeugendes Plädoyer für den Parlamentarismus, auch in der Europäischen Union (Gehler und Gonschor 2020). Von drei Kerngedanken wurde das politische Handeln von Hans-Gert Pöttering zusammengehalten: Die Europäische Union ist das historische Werk der Friedenssuche in und für Europa, das ohne seine geistigen und religiösen Wurzeln verdorren müsste, denn aus ihnen erst erwächst die Kraft zur Gestaltung der Zukunft. Europa ist erst vollendet, wenn die leidvollen Trennungen, die durch die zwei totalitären Großideologien des Nationalsozialismus und des Kommunismus im 20. Jahrhundert verursacht worden sind, durch den Prozess der Erweiterung der Europäischen Union und durch die konstitutionelle Vertiefung der EU vollständig überwunden worden sind. Angesichts

5.5  Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), …

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neuer globaler Herausforderungen muss Europa trotz aller Rückschläge seine transatlantische Verbundenheit mit den Vereinigten Staaten von Amerika, dem treuen Freund europäischer Freiheit in den düsteren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, verknüpfen mit der Kooperation mit den Ländern der arabisch-islamischen Welt, die Europas Nachbarn sind. Integration und Kooperation, Frieden und Einhaltung der selbst gesetzten Regelwerke, das sind die Koordinaten des europapolitischen Denkens von Hans-Gert Pöttering, der Jahre großer europapolitischer Weichenstellungen mitgestaltet hat.

Abb. 5.27   Kennenlernen: Mit Hans-Gert Pöttering auf der Chinesischen Mauer (1983). (©Ludger Kühnhardt)

Ein bisschen zugespitzt kann man sagen: Kennengelernt hatten wir uns im Sommer 1983 auf der Chinesischen Mauer. Vor Aufnahme meines Postdoc-Studiums in Tokyo hatte ich Gelegenheit, an der Studienreise einer Gruppe jüngerer europäischer Christdemokraten und Konservativer in die Volksrepublik China teilzunehmen (Kühnhardt 2021, S. 222 ff.). Hans-Gert Pöttering und ich verstanden uns auf Anhieb. Hongkong, Kanton,

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5  Revolutionszeiten in Europa

Guilin, eine Bahnfahrt von Peking nach Hohot in die innere Mongolei mit Übernachtung in einer Jurte und Pferderitt durch die Steppe, ein Bankett in der Großen Halle des Volkes mit dem 65-jährigen chinesischen Jugendminister, die Verbotene Stadt und natürlich die große Chinesische Mauer standen auf dem Programm. Dort oben, auf der Chinesischen Mauer, führten wir ein erstes langes Gespräch über Europas Rolle in der Welt. Wir blieben im Gespräch und bauten unsere Freundschaft aus. Später schrieben wir zusammen drei Bücher über Fragen der europäischen Einigung. Umfangreiche Studienreisen führten uns ab 1992 Jahr um Jahr durch Europas Nachbarschaft. Zunächst bereisten wir in sieben Jahren fast alle Nachfolgerepubliken der Sowjetunion, danach sieben Jahre lang alle arabischen Staaten zwischen Marokko und Oman sowie den Iran. Mit von der Partie dieses legendär gewordenen Studienzyklus war ein gemeinsamer Freund, der Hamburger Rechtsanwalt Reinhard Stuth, mit dem ich bei Bundespräsident Richard von Weizsäcker gearbeitet hatte. Der Reiseweg von unserem bei diesen Studienreisen einzigartigen Team klang aus mit Aufenthalten in Andalusien, wo wir die Folgen der islamischen Migration nach Europa und die Defizite eines Schutzes der europäischen Außengrenzen studierten, in den beiden baltischen Staaten Estland und Lettland, die wir gemeinsam noch nicht besucht hatten, und natürlich in Rom, wohin eben alle Wege führen. Meine Reiseaufzeichnungen hielten stets Begegnungen und Gespräche fest (Kühnhardt 2021, passim).

Abb. 5.28   Studienreisen: Bei den beiden israelischen Oberrabbinern Yona Metzger und Shlomo Amar in Jerusalem (2007). (©Ludger Kühnhardt)

5.5  Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), …

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Nach dem Ende des Kalten Krieges war es notwendig geworden, sich über die historische Bedeutung der Europäischen Union neu zu vergewissern. Zugleich galt es, aus den Erfahrungen eines halben Jahrhunderts europäischer Einigungspolitik die richtigen Lehren zu ziehen. Seit April 1991 wollten Slowenen und Kroaten staatliche Unabhängigkeit und ihre Anerkennung durch die Europäische Gemeinschaft. Im Juni 1991 sprach sich Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher im EG-AußenministerRat für die Anerkennung aus, die Deutschland im Dezember 1991 einseitig vollzog. Der kurze Krieg gegen Slowenien kam zu einem guten Ende. Drei weitere Nachfolgekriege um Jugoslawien hielten die Weltgemeinschaft bis 1995 (Dayton) und 1999 (Kosovo) in Atem. Vor diesem Hintergrund legten Hans-Gert Pöttering und ich 1991 mit unserem ersten gemeinsamen Buch ein Plädoyer für Europas vereinigte Staaten mit deutlich gestärkten Kompetenzen vor (Kühnhardt und Pöttering 1991). Bewusst setzten wir die Worte. Wir wollten uns der pseudotheologischen Debatte um die „Finalität“ Europas entziehen. Deswegen äußerten wir uns nicht schablonenhaft für oder gegen den immer wieder verwendeten – und noch häufiger abgelehnten – Begriff der „Vereinigten Staaten von Europa“. Stattdessen plädierten wir für eine substanzielle und pragmatische Ausweitung der Kompetenzen für die Europäische Gemeinschaft und ihren zügigen Umbau zur Europäischen Union. Erst dadurch würde die Aufnahme der ersten mitteleuropäischen Staaten gelingen können, für die wir ebenso leidenschaftlich warben wie für ein stärkeres sicherheitspolitisches Engagement an den Rändern der EU. Wir verorteten die Plausibilität der europäischen Einigung in seinen Wurzeln, vor allem in den Traditionen von Europaideen, die endlich realisiert werden sollten. Am 23. August 1991 notierte die „Neue Zürcher Zeitung“ „bemerkenswert lebhafte Nachweise“ für die Substanz der europäischen Einigungsidee.

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5  Revolutionszeiten in Europa

Abb. 5.29   Europas vereinigte Staaten. Annäherungen an Werte und Ziele (mit Hans-Gert Pöttering) (1991). (©Verlag Fromm/ Fromm + Rasch)

Das Buch habe „das Thema der europäischen Einigung geschichtlich und aktuell anschaulich gemacht“. Die heutige Friedensaufgabe sei in große geschichtliche Zusammenhänge gestellt worden. Die zwei Pole unserer Argumentation – Vertiefung in Westeuropa, Offenheit gegenüber Osteuropa – seien „politisches Programm für den Rest des laufenden Jahrhunderts“ (Neue Zürcher Zeitung 1991, S. 7). Burckhard Siebert rezensierte in der „Annotierten Bibliographie für die Politische Bildung“ die „sehr anregende und lesenswerte Publikation, die einen hervorragenden Überblick über Vorläufer, Entstehung und aktuelle Perspektiven und der heutigen Europäischen Gemeinschaft bietet“ (Siebert 1992). Der französische UNO-Beamte Yefime Zarjevski hielt in „Documents“ unsere christlich grundierte Sicht auf Europa für ansprechend und empfahl

5.5  Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), …

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den Text als „manifeste-programme“ (Zarjevski 1992). Der Diplomat Hans Arnold, der immer wieder kritische Beiträge zur europäischen Einigung publizierte, sekundierte in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 29. September 1992. Er bezeichnete unser Buch als ein Postulat, das es durchaus gelegentlich brauche: „Sie tun das mit Schwung und Verve“, aber wohl auch mit einer „Tendenz, dem Postulat und der Hoffnung Vorrang vor der Analyse und aus dieser entwickelten Vorausschau zu geben“ (Arnold 1992). Abb. 5.30   Weltpartner Europäische Union (mit Hans-Gert Pöttering) (1994). (©Verlag Fromm/ Fromm + Rasch)

Wir nahmen neu Maß und legten 1994 das zweite gemeinsam verfasste Buch vor. Diesmal akzentuierten wir die weltpolitische Rolle Europas und die gewachsenen Erwartungen an die unterdessen durch den Maastricht-Vertrag umgetaufte Europäische Union. Weltpartner Europäische Union war außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Analyse pur, aber

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5  Revolutionszeiten in Europa

ebenso ein durchdachtes Plädoyer (Kühnhardt und Pöttering 1994). Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann und Polens Botschafter Janusz Reiter stellten das Buch am 17. Januar 1994 in der „Parlamentarischen Gesellschaft“ in Bonn vor, deren ansehnliches Gebäude später dem unscheinbaren „World Conference Center“ weichen musste.

Abb. 5.31   Polens Botschafter in Deutschland, Janusz Reiter, und seine Frau Hannah mit Enikö und mir bei der Buchvorstellung in Bonn (1994). (©Ludger Kühnhardt)

Der Journalist Hajo Goertz vermerkte in seiner Rezension im „General Anzeiger“ vom 2. Juni 1994, der Maastricht-Vertrag sei für uns beide Zwischenetappe im Prozess der europäischen Integration. „Für umso dringlicher halten sie die Fortentwicklung zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, damit die EU die Rolle auf der politischen und wirtschaftlichen Weltbühne spielen kann, die ihrer Bedeutung angemessen ist.“ Er referierte eine unseren Kernaussagen: „Klar und vom Grundgesetz her jetzt schon möglich ist für sie, dass deutsche Soldaten wie die anderer EU-Staaten für friedensschaffende wie friedenserhaltende Einsätze verfügbar sein müßten.“ Auf Dauer werde es unabweisbar sein, dass die EU direkt in internationalen Organisationen vertreten sein werde, auch im UN-Sicherheitsrat. Wir hatten realistischerweise darauf hingewiesen, dass sich Frankreich und Großbritannien allerdings wohl kaum zugunsten der EU aus dem

5.5  Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), …

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UN-Sicherheitsrat zurückziehen würden. Manches bleibe in diesem Themenfeld daher unklar, ebenso im Blick auf die „osteuropäische Aufgaben“. Unklar, schrieb Goertz, bleibe aber auch die Frage, welche Folgen die von uns geforderte Ost-Erweiterung „auf die bisherigen Mitglieder und ihr Verhältnis untereinander hätte“. Die Rezension erwähnte französische Vorbehalte gegenüber dem deutschen Politikansatz: „Darüber gehen die Autoren leider hinweg.“ Er stimmte uns aber darin zu, „dass die EU auf der Weltbühne nicht länger die Rolle eines Zwerges in Riesengestalt spielen darf“. Nationale Interessen müssten in die Gemeinschaftsinteressen „eingefügt“ werden (Goertz 1994). Der Historiker Hans-Peter Schwarz setzte sich, für uns wenig überraschend, in seinem Buch Die Zentralmacht Europas kritisch mit unseren Überlegungen auseinander: Er zitierte „zwei gestaltungsfreudige Politologen“, die mit Verweis auf die Wege, die die amerikanische Konföderation nach 1783 gegangen waren, von einem Weg zur völkerrechtlichen Staatlichkeit der EG sprechen. Er bemerkte, dass sich bei uns beiden ein gewisser Realismus zu entwickeln beginne und wir „gedämpfter“ geworden seien: „Die Intelligenten unter den Föderalisten entdecken eben früher oder später“ was der Publizist Joachim Fest im Blick auf das Scheitern von Utopien formuliert hatte: Es gebe keine schlagenden Lösungen, sondern immer nur „das schrittweise Vorantreiben“ (Schwarz 1994, S. 28 und 281). Im „Merkur“ empfahl der Direktor des Deutsch-Französischen Instituts, Robert Picht, unser Buch allen, die sich kurz und knapp informieren wollen, vor allem über die Einordnung Europas in die globale Lage (Picht 1994). Michael Leszak unterstützte unsere Zielsetzung in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 18. Februar 1995: „Kein Zweifel an Gesamteuropa“ (Leszak 1995). Die „Neue Zürcher Zeitung“ identifizierte uns in einer Besprechung am 9. September 1995 angesichts wachsender Europaskepsis in Deutschland als Verfechter der „orthodoxe(n) Integrationsphilosophie“ (Neue Zürcher Zeitung 1994). Wolfgang Kowalsky kanzelte in „Dokumente“ das Buch rundweg ab. Es biete „ein mosaikhaftes Nebeneinander verschiedener Farbtupfer, die kein rechtes Bild ergeben“ (Kowalsky 1995, S. 80). Mit kritischen Rezensionen aller Art und Qualität muss jeder Autor leben.

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5  Revolutionszeiten in Europa

Abb. 5.32   Buchvorstellung: Unsere Verlegerin Annette Harms-Hunold und der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble mit Hans-Gert Pöttering, Mitglied des Europäischen Parlaments, und mir in Bonn (1998). (©Ludger Kühnhardt)

Auch in den nächsten Jahren blieben die Kernfragen der europäischen Einigung unbeantwortet. Weder wurde die Frage der Aufnahme postkommunistischer Staaten Mitteleuropas in die EU entschieden, noch wurden die Grundfragen hinsichtlich von Demokratie, Effizienz und Effektivität der EU durch eine kohärente europäische Verfassung geklärt. Unsere rührige Verlegerin Annette Harms-Hunold drängelte uns, die Debatte voranzutreiben. Daher legten Hans-Gert Pöttering und ich 1998 ein drittes gemeinsames Buch vor (Kühnhardt und Pöttering 1998). Wir gewannen Wolfgang Schäuble, den soeben gewählten CDU-Vorsitzenden, das Buch und seine Kernthesen am 2. Dezember 1998 im Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) vorzustellen. Er tat dies ebenso launig wie tiefgründig. Das Buch, so Schäuble, sei „aus der Geschichte heraus verfaßt“ worden. Diese Perspektive mit allem zu verbinden, „was vor uns liegt, den Blick nach vorne zu wenden, das ist das Eigentliche“. Er halte unser Buch und seine Thesen für „sehr einleuchtend“. Der Journalist Ulrich Lüke griff den Faden am 3. Dezember 1998 in einer Rezension im „General-Anzeiger“ auf (Lüke 1998): „Noch ein Buch über Europa, ein unkonventionelles zudem“. Vorgelegt worden sei „kein Geschichtsbuch, es ist kein trockenes Sachbuch, es ist kein Literaturüberblick, keine Sammlung von Seminararbeiten, auch kein Reisebericht – aber es ist von allem etwas“. Die Lektüre sei „zuweilen unübersichtlich, aber eben auch überraschend“. Angesichts der Sorge, ob unter Bundeskanzler Gerhard Schröder deutsche Eigeninteressen eine zu große Rolle spielen

5.5  Europas vereinigte Staaten (Kühnhardt und Pöttering 1991), …

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und der Europakonsens krisele, sei das Buch ein wichtiger Akzent: „So kurzweilig die Buchvorstellung, so unkonventionell das Werk. Es leistet, was der EU noch bevorsteht: Vertiefung und Erweiterung.“ Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtete am 5. Dezember 1998, dass Schäuble Autoren und dem Fromm Verlag gedankt habe für deren „wichtigen und gelungenen Beitrag“ zu der notwendigen Debatte über Europa. Kurz vor der Einführung der gemeinsamen Währung befand sich die Europäische Union in einer „schwierigen und spannenden Phase“ ihrer Entwicklung. Daher komme das Buch „zum richtigen Zeitpunkt“. Bissig meinte ein ungenannter Rezensent in der „Zeitschrift für Politikwissenschaft“, das Buch sei „mit heißer Nadel gestrickt“ und für die Wissenschaft nicht ergiebig. Zoran Jasic, Kroatiens Botschafter in Deutschland, unterzog das Buch demgegenüber einer geradezu wissenschaftlichen Exegese für den Gebrauch in der Diplomatie seines in die EU strebenden Landes. Im Jahr 2000 erschien eine tschechische Übersetzung. Für einige Leser war das Buch offenbar doch von Nutzen.

Abb. 5.33   Kontinent Europa (mit Hans-Gert Pöttering) (1998). (©Verlag Fromm/ Fromm + Rasch)

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5  Revolutionszeiten in Europa

Abb. 5.34   tschechische Übersetzung (2000). (©Ludger Kühnhardt)

Während seiner Jahre als Präsident des Europäischen Parlaments bat Hans-Gert Pöttering mich, für ihn eine Reihe seiner grundsätzlichen Reden und Vorträge vorzuformulieren. Für seine Programmrede am 13. Februar 2007 vor dem Europäischen Parlament in Straßburg konnte ich ihn davon überzeugen, eine Idee vor mir aufzugreifen und folgende von mir verfasste Textpassage aufzunehmen: „Die europäische Geschichte wird fast immer nur national in nationalen Museen dargestellt. Ich möchte einen Ort der Erinnerung und der Zukunft anregen, in der der Gedanke der Idee Europas weiterwachsen kann. Ich möchte den Aufbau eines ‚Hauses der Europäischen Geschichte‘ vorschlagen. Es soll kein langweiliges, trockenes Museum werden, sondern ein Ort, der unsere Erinnerung an die europäische Geschichte und das europäische Einigungswerk gemeinsam pflegt und zugleich offen ist für die weitere Gestaltung der europäischen Identität durch alle jetzigen und künftigen Bürger der Europäischen Union. Ein solches ‚Haus der Europäischen Geschichte‘ sollte am Sitz der Europäischen

5.6  Erweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005a) …

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Institutionen gegründet und vernetzt werden mit vergleichbaren Einrichtungen in den Mitgliedsstaaten. Die ‚Erklärung zur Zukunft Europas‘, gemeinsam zu beschließen vom Europäischen Rat, Europäischen Parlament und Europäischer Kommission am 25. März 2007 in Berlin, könnte hierfür die Voraussetzungen schaffen (Pöttering 2009, S. 26).“ Hans-Gert Pöttering bohrte ab dieser Rede ein wirklich dickes Brett. Ich beriet im Hintergrund und führte in den nächsten Jahren viele Gespräche, auch mit der Direktorin des Aufbauteams, Taja Vovk van Gaal, und ihrer leitenden Kuratorin Andrea Mork. Das Projekt durfte nicht in politische Kontroversen geraten und es musste von Museumsexperten professionell realisiert werden. Daher schlug ich Hans-Gert neben einem politischen Steuerungskomitee einen wissenschaftlichen Beirat vor, in dem sich ein bunter Kreis europäischer Wissenschaftler zusammenfand. Am 4. Mai 2017 konnten der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, und sein Vorgänger HansGert Pöttering das „Haus der Europäischen Geschichte“ in Brüssel eröffnen. Es war ein würdiger Festakt für ein sehr gelungenes Museum, das seither bereits Millionen von Besuchern angezogen hat. Europa hatte einen Meilenstein erreicht, um seine Identität auch aus der gemeinsamen und anschaulich symbolisierten Erinnerung zu schöpfen. Ich war zufrieden, Wegbereiter gewesen zu sein.

5.6

 rweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005a) – Die E europäische Verfassung (Höreth, Janowski und Kühnhardt et al. 2005)

Die additive europäische Verfassungsgebung war mit den Verträgen von Amsterdam (in Kraft am 1. September 1999) und von Nizza (in Kraft am 1. Februar 2003) (Kühnhardt 2001, S. 193) nicht beendet. Schon am 1. Dezember 2001 verabschiedeten die Staatsund Regierungschefs der EU die Erklärung von Laeken zur Zukunft der europäischen Union. Damit wurde ein „Konvent zur Zukunft Europas“ eingesetzt, der den Weg zum Vertrag über eine Verfassung für Europa weisen sollte. Am 23. Juni 2003 legte der Konvent zur Zukunft Europas den Vertrag über die Europäische Verfassung vor. Wie nicht selten üblich, brach Streit unter den Mitgliedsstaaten aus und es schien, als würde das Projekt beerdigt werden müssen. 2004 kam neue Bewegung in die Diskussion um die Gewichtung der nationalen Stimmen im Europäischen Rat. Am 29. Oktober 2004 konnte der Vertrag über eine Verfassung für Europa (kurz: Verfassungsvertrag) in Rom von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterzeichnet werden. Im anschließenden Ratifikationsprozess scheiterte der europäische Verfassungsvertrag an der Ablehnung in Referenden in Frankreich (29. Mai 2005) und in den Niederlanden (1. Juni 2005). Zuvor waren zwei grundlegende Projekte Wirklichkeit geworden: Am 1. Januar 2002 wurde die europäische Gemeinschaftswährung Euro als Bargeld eingeführt. Am 1. Januar 2004 traten mit einem Schlag zehn neue Mitgliedsländer der Europäischen Union bei. Wie die Zeit zwischen 1945 und 1955 so waren die Jahre zwischen 2000 und 2005 von enorm formativer Bedeutung für Europa. Erweiterung und Vertiefung

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5  Revolutionszeiten in Europa

der Europäischen Union hatten sich wechselseitig angetrieben und einen beispiellosen Schub erfahren. Zugleich geriet die EU in einen gefährlichen Strudel, den im Grunde ihre eigenen Erfolge ausgelöst hatten. 2005 organisierte ich meine verstreut erschienenen Aufsätze und Stellungnahmen aus den vergangenen fünf Jahren in einem Sammelband unter dem diese Zeit am besten widerspiegelnden Titel Erweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005a). In einer kritischen Rezension mit dem schablonenhaften Argument, es sei kein zusammenhängend geschriebenes Buch vorgelegt worden, bescheinigte Thomas Mehlhausen, angehender Doktorand für Politische Theorie an der Universität Potsdam, in dem OnlineDienst „Politikforum“ meinem Sammelband Erweiterung und Vertiefung, „immerhin, es werden bereits im Jahr 2000 Fragen aufgeworfen, deren Relevanz zwei Jahre nach der vollzogenen EU-Osterweiterung nicht geringer sind“. Dabei stelle ich mit meinen Arbeiten „durchaus gewagte und inspirierende Thesen“ zur Diskussion, die auch von anderen Wissenschaftlern aufgegriffen wurden (Mehlhausen 2006; Elvert 2006; Fröhlich 2014). Die Zeit der Online-Foren hatte begonnen, von denen die wenigsten einer zusammenhängenden Analysekultur mit Sinn für Dauerhaftigkeit verpflichtet schienen. Mein eigenes Denken rund um den Fragenkomplex von institutioneller Reform der EU und Ausweitung des Kreises ihrer Mitgliedsländer wurde in diesen Jahren nirgendwo so geprägt und aufs Wesentliche konzentriert wie in der „Independent Commission for the Reform of the Institutions and Procedures of the Union (ICRI)“. Der niederländische EU-Kommissar Franz Andriessen hatte mich 1998 in den Steuerungsausschuss der Kommission gebeten, die er zusammen mit dem Präsidenten von Irland, Patrick Hillery, leitete. Ich lernte in dieser Kommission Persönlichkeiten aus allen Ecken der aktuellen und der künftigen EU kennen. Mit mir saßen rund um den Tisch Nino Andreatta, Esko Antola, Stelios Argyros, Fulvio Attina, Carl Bildt, Frits Bolkestein, Gianni Bonvicini, Albert Bressand, Pietro Calamia, Livio Caputo, Lord David Currie of Marylebone, Viviane de Beaufort, Karel de Gucht, Jean Dondelinger, Christian Deubner, Noel Dorr, Zdenek Drabek, Niels Ersboll, Joao Carlos Espada, Mark Eyskens, François FromentMeurice, Jean-Marie Guehenno, Werner Hoyer, Rafael Illescas-Ortiz, Jaakko Iloniemi, Andras Inotai, Panayotis Ioakimidis, Kamil Janacek, Mathias Jopp, Beate Kohler-Koch, Alain Lamassoure, Philippe Lemaitre, Eckhard Luebkemeier, Yves Meny, Andrzej Olechowski, Reinhard Rack, Olof Ruin, Jacek Saryusz-Wolski, Manfred Scheich, Christian Schmidt,Lord Trevor Arthur Smith of Clifton, Bernard Snoy, Mario Soares, Kalevi Sorsa, Peter Sutherland, Istvàn Szenz-Ivànyi, Herman Tjeerk Willink, Rinus van Schendelen, Sammy van Tuyll van Serooskerken, Frank Vibert, Blanca Vilà Costa, Lord William Wallace of Saltaire, Gerd Walter und Peter Weilemann. Intensive Diskussionen fanden am 31. März 1999 in Brüssel, am 28. Juni 1999 in London (Kühnhardt 2021, S. 581) und am 25. Oktober 1999 in Paris (Kühnhardt 2021, S. 602) statt. Wir erwogen alternative Optionen und diskutierten Hintergrundpapiere, von denen einige von mir verfasst worden waren. Am Ende stand ein ausführlicher Bericht, den das Londoner European Policy Forum verbreitete (The Independent Commission for the Reform of the Institutions and Procedures of the Union 1999). Noch waren keine Hochglanzbroschüren

5.6  Erweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005a) …

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in Mode, bei denen das imponierende Layout die Substanz des Inhalts übertrifft. Eng beschriebene Seiten dichtesten Inhalts sollten politischen Akteuren und der interessierten europäischen Öffentlichkeit Argumente und Gesichtspunkte an die Hand geben. Immer ging es um die Balance von Erweiterung und Vertiefung. Immer ging es darum, die Perspektive aller Länder und Gesellschaften in der Europäischen Union zu verstehen und wenn irgend möglich in meinen eigenen Überlegungen zu berücksichtigen. Abb. 5.35   Erweiterung und Vertiefung. Die Europäische Union im Neubeginn (2005). (©Nomos Verlag)

Wir legten ein Gesamtpaket auf den Tisch, das orientierend wirken konnte und Wegweiser für die vor der EU liegende Etappe war. Frieden in Europa werde auch in Zukunft nur durch Integration und Erweiterung möglich bleiben, einschließlich einer stärkeren gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Eine konstitutionelle Demokratie in der EU, so forderten wir, bedürfe der Überwindung der demokratischen Defizite in den Entscheidungsabläufen der EU sowie einer Stärkung ihrer justiz- und rechtsstaatlichen

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5  Revolutionszeiten in Europa

Potenziale. Wohlstand werde nur gesichert werden können, wenn es mindestens eine Koordination der gemeinsamen Fiskalpolitik geben werde und strukturelle Reformen dazu verhelfen, EU-weit Arbeitsplätze zu schaffen. Schließlich müsse die EU fähig und willig werden, auf der internationalen Bühne Partner zu sein, zuallererst im Bereich von Welthandel und Weltwirtschaft. Wir mühten uns intensiv um die Entwicklung funktionsfähiger praktischer Ideen, um die Problemlösungskapazitäten der EU zu stärken. Dazu gehörte, beispielsweise, der Vorschlag von Team-Präsidentschaften, wie diese später Wirklichkeit wurden. Wir schlugen ein detailliertes Modell der Neugewichtung der Stimmen nach der Osterweiterung und einen dem Subsidiaritätsprinzip geschuldeten Mechanismus der verstärkten Zusammenarbeit vor. Auch diese beiden Vorschläge unserer Kommission wurden im Ansatz mit dem Verfassungsvertrag beziehungsweise mit dem Vertrag von Lissabon Wirklichkeit in der EU. Wir präsentierten eine Roadmap mit Optionen, um die EU neu zu begründen und zugleich für eine Mitgliedschaft von 25 bis 30 Staaten handlungsfähiger als bisher zu machen. In der Zeit zwischen der Verabschiedung des Vertrages von Amsterdam und der Verabschiedung des Vertrages von Nizza verbreitete ich fast ununterbrochen in Essays und Aufsätzen, Zeitungsartikeln und Interviews Einzelgesichtspunkte und grundsätzliche Überlegungen zu dem Doppelthema Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union. Dabei galt mein Hauptargument immer der Notwendigkeit, aus der Stückwerk-Arbeit herauszukommen und einer Europäischen Verfassung zuzuarbeiten. Den „Rheinischen Merkur“ gewann ich dafür, im Wechsel mit meinem polnischen Kollegen Janusz Reiter, meinem französischen Kollegen Henri Ménudier und mir während des gesamten Jahres 1999 regelmäßig eine „Europa-Kolumne“ zu publizieren. Dies war nicht die Zeit komplexer und umfangreicher wissenschaftlicher Studien. Gefragt waren publizistisches Engagement und essayistische Zuspitzung an verschiedenen Orten Europas (Kühnhardt 1997e, S. 4; 1997f, S. 58; 1997g; 1997g; 1998f, S. 3; 1998g; 1998h; 1998i, S. 4; 1998j, S. 3; 1998k, S. 110 f.; 1998l; 1998m; 1999b, S. 3; 1999c; 1999d, S. 10; 1999e, S. 75 ff.; 1999f; 1999g, S. 3; 1999h, S. 10; 1999i; 1999j, S. 5; 1999k, S. 10; 1999l, S. 8; 1999m, S. 8; 1999n; 1999o, S. 331 ff.; 1999p, S. 23 ff.;1999q; 1999r; 1999s, S. 6; 1999t, S. 154 ff.; 1999u, S. 11 ff.;1999v, S. 72 ff.; 2000b, S. 23; 2000c; 2000d; 2001c; 2001d, S. 2; 2001e, S. 56 ff.; 2001f, S. 10; 2001g, S. 7; 2001h, S. 23 ff.; 2001i, S. 75 ff.; 2001j, S. 17 ff.; 2001k, S. 10; 2001l, S. 10 ff.; 2003b; 2003c, S. 11). Vom Auswärtigen Amt wurde ich 2001 um eine größere Ausarbeitung zu Folgen und Nutzen der EU-Erweiterung gebeten, die am Ende in drei Auflagen publikumswirksam verbreitet wurde (Kühnhardt 2001b). Vor allem wurde ich in diesen Jahren in den Grenzbereichen zwischen Wissenschaft und Politik tätig, um wissenschaftliche Reflexion und praktische Entscheidungsvorbereitung zusammenzuführen.

5.6  Erweiterung und Vertiefung (Kühnhardt 2005a) …

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Abb. 5.36   Die Europäische Union – Fragen zur Erweiterung (2001). (©Auswärtiges Amt)

Am 1. Oktober 1997 hatte ich meine neue Aufgabe als Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Universität Bonn angetreten. Noch am Tag meiner Vereidigung durch den Bonner Rektor Klaus Borchard hatte ich im Schloss Bellevue in Berlin Bundespräsident Roman Herzog gesprochen. Am Rande einer Sitzung des Kuratoriums für den Geschichtswettbewerb der Koerber-Stiftung, dem ich angehörte und dessen Schirmherr der Bundespräsident ist, bat mich Roman Herzog darum, den Austausch zu Europafragen in seinem Hause zu vertiefen. Wenige Wochen später, am 22. Januar 1998, kehrte ich nochmal ins Bundespräsidialamt zurück. Ich saß wieder einmal auf dem altehrwürdigen roten Ledersofa, das schon mein Büro im Bundespräsidialamt in Bonn geziert hatte, ein Relikt aus dem Büro des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Roman Herzogs Planungschef Peter Ammon und der Abteilungsleiter Ausland, Henrik Schmiegelow, diskutierten mit mir die Strategie für

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eine Rede von Bundespräsident Herzog anlässlich des bevorstehenden 150. Jahrestags der Frankfurter Paulskirche. Meine Hauptempfehlung lautete: Die Paulskirche und die gesamte Revolution von 1848 waren ein europäischer Vorgang, kein singulär deutscher. Dies gebe dem Bundespräsidenten die optimale Gelegenheit, den Bogen zum notwenigen europäischen Wandel heute zu schlagen, einschließlich der Notwendigkeit einer europäischen Verfassung. Den europäischen Gedanken griff Bundespräsident Herzog auf. Vor der Idee einer europäischen Verfassung schreckte er indessen zurück, wie er mir einmal später bei einem weiteren Gespräch gestand (Herzog 1998). Unterdessen lief das ZEI auf vollen Touren. Ich setzte gleich am Anfang einen starken öffentlichen Akzent und organisierte eine Tagung unter dem Titel „Die baltischen Staaten auf dem Weg in die Europäische Union“. Dass dies so kommen würde, war im Herbst 1997 nicht klar. Möglicherweise hätte allein Estland die Nase vorn, während Litauen und Lettland würden warten müssen. Ich lud die Vertreter aller drei Staaten ein. Die drei baltischen Botschafter in Deutschland, Margus Laidre aus Estland, Zenonas Namavicius aus Litauen und Lajos Kesteris aus Lettland, waren spontan von meiner Initiative angetan. Zur Auftaktveranstaltung des ZEI am 27. November 1997 kamen Mart Laar, der vormalige Ministerpräsident Estlands, Algirdas Saudargas, der Außenminister von Litauen, und Valdis Birkavs, sein Amtskollege aus Lettland, nach Bonn. Der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher nahm meine Einladung ebenfalls an und hielt ein leidenschaftliches und energisches Plädoyer für die Aufnahme von baldigen Beitrittsverhandlungen mit allen drei baltischen Staaten. Unter den aufmerksamen Zuhörern im Festsaal der Universität Bonn waren Leni Fischer, Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, und Markus Meckel, ehemaliger DDR-Außenminister sowie weitere Bundestagsabgeordnete, Botschafter und viele Pressevertreter. Die Vertreter der baltischen Staaten wollten unbedingt im Kanzleramt vorsprechen, aber dort hieß die Devise: Russland solle nicht provoziert werden. Zu viele russische Soldaten waren noch immer auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationiert. Nach der spannenden Veranstaltung gab ich ein Mittagessen. Ich hatte Joachim Bitterlich, den außenpolitischen Berater von Bundeskanzler Kohl überzeugen können, wenigstens in diesem Format meine baltischen Gäste zu treffen. Dazu garnierte ich die Bundestagsabgeordneten Günter Verheugen (SPD) und Wolfgang von Stetten (CDU), Christoph Heusgen, den Leiter des Büros von Staatssekretär von Ploetz im Auswärtigen Amt, Universitätsrektor Klaus Borchard und meine ZEI-Kollegen Jürgen von Hagen und Christian Koenig. Meine baltischen Gäste stürzten sich natürlich auf Kanzler-Berater Bitterlich und waren mehr als zufrieden, ihre Position zumindest auf diese Weise im Bundeskanzleramt deponieren zu können. Das Presseecho auf die Veranstaltung war stark. Das Plädoyer für die baltischen Staaten wurde gehört. Am 13. Dezember 1998 erklärte die EU Estland, Lettland und Litauen zu Beitrittskandidaten und nahm sofortige Beitrittsverhandlungen auf. Am 3. Februar 1998 war Polens Ministerpräsidenten Jerzy Buzek mein Gast und sprach vor über 400 Zuhörern. Am 12. März 1998 plädierte der serbische Oppositionsführer Zoran Đinđić für die europäische Verankerung seines Landes als Teil der not-

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wendigen Demokratisierung. Bis halb drei in der Nacht diskutierten wir bei uns zu Hause weiter. Am 25. Mai 1998 bildete ein Vortrag des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Santer, einen glänzenden Höhepunkt der Aufbauarbeit am ZEI. Gut 600 Studierende lauschten seinen Ausführungen im größten Hörsaal der Bonner Universität. Am nächsten Tag widmete sich eine hochrangig besetzte Konferenz am ZEI sehr inhaltsreich der „Agenda 2000“. So war die Reformagenda betitelt, die während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 1999 verwirklicht werden sollte. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal ging es um die Zusammenhänge von Reformen politischer Prozesse (Agrarreform, Struktur- und Kohäsionspolitik, Osterweiterung), Institutionenentwicklung und die Finanzverfassung der EU. Aus der Politik kamen damals viele Stimmen, denen die Reformvorstellungen der Europäischen Kommission zu weit gingen. Ich sprach von den Ritualen der Politik. Aus der Wissenschaft kamen viele Stimmen, denen die Reformen nicht weit genug gingen. Ich sprach von den Ritualen der Wissenschaft und beteiligte mich selber daran: Ich plädierte für eine deutliche Erhöhung der EU-Eigenmittel, rasche Osterweiterung, eine europäische Armee und eine europäische Verfassung. Die europäische Idee müsse vorangetrieben werden und nicht nur die Einführung einer gemeinsamen Währung. Verschiedentlich äußerte ich mich in diesem Sinne öffentlich, einmal zusammen mit meinen Kollegen Christoph Bertram, Stiftung Wissenschaft und Politik, Joseph Janning, Mathias Jopp, Institut für Europäische Politik, und Karl Kaiser, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (Kühnhardt et al. 1998, S. 11; Kühnhardt 1999w, S. 3 ff.; 1999x, S. 33 ff.; Kühnhardt 1999y, S. 37 ff.). Im „Bericht aus Bonn“ des Zweiten Deutschen Fernsehens wurde ich am 21. März 1999 von meiner früheren Studentin Michaela Kolster zu den Perspektiven der künftigen EU-Finanzverfassung befragt. Solange die Bundesregierung noch nicht nach Berlin umgezogen war, nutzte ich jede Chance, Spitzenpolitiker, Diplomaten und Medienvertreter ins Zentrum für Europäische Integrationsforschung einzuladen und mit unserer Forschungsagenda vertraut zu machen. Zugleich etablierte ich Publikationsstrukturen, vor allem die regelmäßig erscheinenden ZEI Discussion Paper und die Schriften des Zentrums für Europäische Integrationsforschung bei Nomos, dem renommiertesten deutschen Verlag für sozialwissenschaftliche Europaforschung. Mit Valdas Adamkus besuchte am 20. November 1998 erstmals ein Staatschef das ZEI. Litauens Staatspräsident wurde mit herzlichem Beifall beim Betreten des übervollen Auditoriums begrüßt. An eine interessante Fragestunde schloss sich ein Mittagessen im kleinsten Kreis im 2. Stock des ZEI an. Der Präsident bat uns, seinem Land bei der Entwicklung einer kohärenten Strategie für die Annäherung und Einbindung in die EU zu helfen. Es war von Anfang an klar, dass das ZEI eine europaweite Perspektive in seinen verschiedenen Arbeitsbereichen verfolgte. Die EU war Referenzrahmen, Brüssel meine Hauptstadt. Mindestens einmal im Monat war ich zu Gesprächen in Brüssel, um mir ein weitgespanntes Netzwerk in den Institutionen der EU und ihrem Umfeld aufzubauen. In der deutschen Diplomatie fand ich Unterstützung, um das Zentrum für Europäische Integrationsforschung auch im Ausland zu positionieren. Botschafter Hans-Henning

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Wegener vermittelte, beispielsweise, eine Verbindung zum renommierten Institut für Internationale Politik Spaniens. Vom 8. bis 10. Oktober 1998 luden Dario Valcarcel und ich gemeinsam zu einer Tagung über die aktuelle EU-Agenda nach Madrid ein. Kronprinz Felipe von Asturien nahm die ganze Zeit über an der Tagung teil und saß neben mir. Wir hatten viel Zeit, uns kennenzulernen und zu plaudern. Über Jahrzehnte pflegte ich seither die Verbindung zum späteren spanischen König. Zu einem Abendempfang lud Prinz Felipe die Tagungsteilnehmer in die „Casa de América“ ein, einen der imperialen Prachtbauten Madrids. Die Teilnehmer der Tagung, darunter Spaniens Außenminister Abel Matutes, Kataloniens Regionalpräsident Jordi Pujol und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen sowie Beamte und Wissenschaftler beider Länder, erinnerte der Kronprinz daran, dass dies unser gemeinsames Haus sei. Carlos I. sei doch auch Karl V. der Deutschen gewesen, unser gemeinsamer Königsvorfahre während der Hochblüte spanischer Weltherrschaft. Spaniens EU-Kommissar Marcelino Oreja hatte mich während der Tagung mit der simplen Aussage beeindruckt, Europa, das sei einfach die Antwort auf die Frage, was wir gemeinsam tun wollen (Kühnhardt und Valcarcel 1999; Kühnhardt 2021, S. 558 f.). Ein längeres Gespräch am 3. Dezember 1998 mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Volker Rühe bestätigte mich in der Notwendigkeit, energisch die EU-Osterweiterung in Deutschland zu unterstützen. Rühe hatte geklagt, dass in allen Parteien des Deutschen Bundestages die jungen, neu gewählten Abgeordneten eher bremsend beim Thema „EU-Osterweiterung“ seien. Im Februar 1999 sprach der Außenminister Zyperns, Ioannis Kasoulidis, und am 3. Februar 1999 der Außenminister der Slowakei, Eduard Kukan, am ZEI. Wie stark das Interesse geworden war, am ZEI zu referieren, zeigte sich am 5. Februar 1999: Aserbaidschans Außenminister Tofig Zulfugarov hatte darum gebeten, bei seinem Deutschland-Besuch im ZEI zu reden. Wie Armenien drängte Aserbaidschan damals darauf, in den Europarat aufgenommen zu werden. Am 10. März 1999 traf ich den slowakischen Ministerpräsidenten Mikuláš Dzurinda, nachdem er als erster Ministerpräsident seines Landes von Bundeskanzler Kohl empfangen worden war. Wie zuvor von Litauens Präsident Adamkus wurde ich auch von Dzurinda und seinem Staatssekretär im Außenministerium, Jan Figel, auf Möglichkeiten angesprochen, wie das ZEI sein Land beim „Weg nach Europa“ unterstützen könne. Am 5. April 1999 führte ich erstmals alle Vorsitzenden der Parlamentsausschüsse für EU-Angelegenheiten der Kandidatenländer im ZEI zusammen, darunter Dolores Cristina aus Malta, Alojz Peterle aus Slowenien, den späteren Ministerpräsidenten seines Landes, und Tunne Kelam aus Estland. Nebst ihren Botschaftern waren sie in Bonn zusammengekommen, um ein vertrauliches Strategiegespräch mit dem EU-Chefunterhändler für die Beitrittsprozesse, Nikolaus van der Pas, und dem Staatssekretär des deutschen Auswärtigen Amtes, Hans-Friedrich von Ploetz. Erstmals traten meine ZEI-Kollegen Christian Koenig und Jürgen von Hagen gemeinsam mit mir auf. Wir waren facilitator, Ermöglicher und Vermittler eines sehr freimütigen Gesprächs auf dem neutralen Boden einer

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wissenschaftlichen Einrichtung. Das ZEI Parliament’s Forum on EU Accession wurde ein Riesenerfolg. Wir wiederholten das Treffen mehrfach. Zugleich griff ich ein Thema auf, das die Osterweiterung mit der Zukunft einer erweiterten EU verband: Das „Weimarer Dreieck“, die Zusammenarbeit von Frankreich, Deutschland und Polen. Die Idee der Außenminister der drei Staaten war es gewesen, die deutsch-französische Versöhnung, um die Beziehungen zu Polen zu erweitern. Das Potenzial schien mir weit größer und zukunftsrelevant zu sein, um in einer künftigen gemeinsamen Europäischen Union miteinander starke Impulse für die weitere Integration zu geben. Zugleich blieb es dringend notwendig, die mentalen und strategischen Unterschiede zwischen den drei Ländern und ihren Gesellschaften sensibel zu verstehen, um permanente Missverständnisse oder gar neue Spannungen zu minimieren. Ich gewann meine Kollegen Henri Ménudier von der Sorbonne und Janusz Reiter, mit dem ich mich in seiner Zeit als polnischer Botschafter in Bonn angefreundet hatte und der in Warschau das Zentrum für Internationale Angelegenheiten aufgebaut hatte, mit mir über die Chancen des Weimarer Dreiecks nachzudenken. Wir trafen uns in Bonn, danach am 9. April 1999 in Paris (Kühnhardt 2021, S. 569) und am 22. Oktober 1999 in Warschau (Kühnhardt 2021, S. 601 f.). Unsere gemeinsame Publikation fand rege Aufmerksamkeit in politischen und akademischen Kreisen (Ménudier, Reiter und Kühnhardt 2000). Am 26. Februar 2001 gab ich dem Fernsehsender N-TV ein ausführliches Interview zu den Perspektiven des „Weimarer Dreiecks“. Noch zwei Jahrzehnte später wurde unser Text von dem ukrainischen Publizisten und Wissenschaftler Iulian Romanyshyn als grundlegend zitiert (Romanyshyn 2021). 1999 riss die Kette renommierter Besucher und Gastredner am ZEI nicht ab. Zu ihnen gehörten José Maria Gil-Robles, der Präsident des Europäischen Parlaments, Leo Tindemans, der große frühere Außenminister Belgiens, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Wolfgang Clement und Jean-Claude Juncker, der Ministerpräsident von Luxemburg und spätere Präsident der Europäischen Kommission. Unter den internationalen Wissenschaftlern, die in verschiedenen Projektformaten mit dem ZEI kooperierten, waren Alexander Stubb, der spätere Außenminister und Ministerpräsident von Finnland, Bob Blackwill, Harvard-Professor und US-Botschafter, und meine langjährigen Kollegen und Freunde Charles Kupchan, 1992/1993 Direktor für europäische Fragen im Nationalen Sicherheitsrat der USA, und Thomas Banchoff, beide von der Georgetown University in Washington.

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Abb. 5.37   Konferenz über EU- und NATO-Perspektiven der baltischen Staaten mit (von rechts) dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Wolfgang Ischinger, dem stellvertretenden Außenminister von Litauen, Gediminas Serksnys, dem Außenminister von Lettland, Valdis Birkavs, dem Außenminister von Estland, Toomas Ilves und dem stellvertretenden NATO-Generalsekretär KlausPeter Klaiber am ZEI in Bonn (1999). (©Ludger Kühnhardt)

Am 7. Mai 1999 konnte ich mit dem lettischen Außenminister Valdis Birkavs und dem stellvertretenden litauischen Außenminister Gediminas Serksnys erstmals für das ZEI Politikberatungsverträge mit EU-Kandidatenländern unterzeichnen. Die Rahmenvereinbarungen, die in meinem Büro am Rande einer großen Konferenz über die euroatlantischen Perspektiven der Baltikumspolitik unterzeichnet wurden, eröffneten den Weg für eine formalisierte und strukturierte, zugleich ehrenamtliche und unentgeltliche Politikberatung in und mit den beiden baltischen Republiken. Bei der Konferenz waren auch Estlands Außenminister Toomas Ilves, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Wolfgang Ischinger, der amerikanische NATO-Botschafter Alexander Vershbow und der stellvertretende NATO-Generalsekretär Klaus-Peter Klaiber dabei. Bei einem kleinen Abendessen in unserem Haus erzählte Hans-Dietrich Genscher zum Ausklang der Tagung seine berühmten Witze und Anekdoten. Ganz ernst wurde er, als er sagte, heute vor 54 Jahren, am 7. Mai 1945, habe er die beste Entscheidung seines Lebens erlebt: Er sei in amerikanische Gefangenschaft geraten, während tausend Meter östlich an der Elbe schon die Rote Armee gestanden habe. Genscher, gut gelaunt und tatkräftig, nannte Milosevic einen Verbrecher, mit dem der Westen schon vor Jahren keine Beziehungen

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hätte eingehen sollen, bei denen Verlässlichkeit erforderlich ist. Der Kosovo-Krieg, so Genscher besorgt, laufe in eine fatale Richtung, wenn am Ende doch ein Abkommen mit der Unterschrift von Milosevic stehen sollte, allein, damit dem Westen eine noch schlimmere Demütigung erspart bliebe. Wolfgang Ischinger, der wochenlang 1995 das Dayton-Abkommen über eine Friedensregelung für Bosnien-Herzegowina mitverhandelt hatte, musste schulterzuckend den momentanen Autoritätsverlust der deutschen Politik konzedieren. Bei den Verhandlungen über ein Friedensabkommen zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien und dem Kosovo ab dem 6. Februar 1999 zunächst in Rambouillet, später in Paris, war die deutsche Regierung trotz allem Engagement in der sogenannten Kontaktgruppe bestenfalls Zaungast. Da die Bundesrepublik Jugoslawien das Abkommen, anders als die Kosovo-Albaner, nicht unterzeichnete, begannen am 24. März 1999 NATO-Bombardierungen auf Serbien. Sie dauerten bis zum 10. Juni 1999, als der Machthaber von Rest-Jugoslawien, Slobodan Milosevic, einlenkte. Kosovo wurde unter internationale Verwaltung gestellt, abgesichert durch eine internationale Schutztruppe.

Abb. 5.38   Mit Jan Figel, Staatssekretär im Außenministerium der Slowakei, unterzeichne ich die Vereinbarung für eine ehrenamtliche ZEI-Beratung bei der Europastrategie seines Landes in Bratislava (1999). (©Ludger Kühnhardt)

Währenddessen konnte ich am 20. Mai 1999 im Außenministerium der Slowakei in Bratislava mit Staatssekretär Jan Figel den dritten ehrenamtlichen und unentgeltlichen Politikberatungsvertrag für das ZEI unterzeichnen (Kühnhardt 2021, S. 572). Wir begannen damit, die slowakische Europastrategie zu unterstützen. Dazu gehörten Tagungen, Publikationen, Presseartikel und interne Memos. Figels stellvertretende

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­ ürochefin Eva Slivkova wurde als ZEI Senior Fellow ein wichtiges Bindeglied zwischen B den Wissenschaftlern am ZEI und dem Außenministerium in Bratislava. Dass sie den ZEI-Kollegen Marcus Wenig, den späteren Leiter der Landesvertretung von Brandenburg bei der EU in Brüssel, heiratete, gehörte zu den Kollateralfreuden meiner Arbeit. In Bratislava trat ich mit Jan Figel und dem Planungschef der NATO, Chris Donnelly, in einer über einstündigen Fernsehdiskussion zum Kosovo-Krieg auf. Schon am 11. Mai 1999 konnte ich in Sofia den vierten ehrenamtlichen und unentgeltlichen Politikberatungsvertrag des ZEI mit dem bulgarischen Vizeaußenminister Vladimir Kissiov unterzeichnen (Kühnhardt 2021, S. 571). Stanislav Daskalov, Direktor des neuen bulgarischen EuropaInstituts, wurde als ZEI Senior Fellow unser Partner in der täglichen Arbeit. Zu Beginn der Konferenz „Facing the future: Balkan 2010“, die ich mit Ivan Krastev, dem ungemein rührigen und klugen Direktor des Center for Liberal Strategies, konzipiert hatte, konnte ich mit dem bulgarischen Staatspräsidenten Petar Stoyanov über die Ideen meines Instituts für die Europastrategie seines Land sprechen. Er gab mir gute Anregungen, wie wir in der Europäischen Union für die volle EU-Mitgliedschaft Bulgariens werben und zugleich bei der Stärkung der Kapazitäten in der bulgarischen Regierung helfen konnten. Mit Kroatien schloss ich eine weitere, die fünfte und ebenfalls ehrenamtliche und unentgeltliche Politikberatungsvereinbarung ab. Mein dortiges Engagement für die Osterweiterung führte dazu, dass ich gebeten wurde, im internationalen wissenschaftlichen Beirat des „Croatian International Relations Review“ mitzuwirken. Das Profil des ZEI sprach sich in Europa herum. Aber nicht jede Initiative mit Tragweite für die europäische Architektur fand meine Unterstützung. Selbstverständlich konnte am 26. März 2003 Juan José Ibarretxe, der Ministerpräsident des Baskenlands, am ZEI über die Rolle seiner autonomen Region im Norden Spaniens in einer globalisierten Welt sprechen. Er forderte das Recht, in den Gremien der EU angemessen repräsentiert zu sein. Ibarretxe entwarf die europäische Zukunft als eine Zukunft der Regionen. Als er mir im anschließenden Gespräch seinen „Plan Ibarretxe“ erläuterte, der faktisch auf die Auflösung Spaniens hinauslaufen musste, konnte ich ihm nicht mehr folgen. Seine Bitte, das Baskenland zu beraten und auf dem Weg in die Unabhängigkeit zu unterstützen, lehnte ich ab. Das wäre Sprengstoff für ein friedliches Gedeihen Europas, sagte ich ihm dezidiert. Das Baskenland hätte meine Sympathie als Mitglied im Ausschuss der Regionen der EU. Meine Unterstützung für eine eigenständige EU-Mitgliedschaft aber gab ich Ibarretxe nicht. Seinen Plan hielt ich für explosiv und gefährlich. Ein Sonderfall im Kreis der Beitrittsaspiranten zur EU war und blieb die Türkei. Bei verschiedenen Aufenthalten in der Türkei hatte ich seit den 1980er-Jahren ein Land im Aufbruch erlebt: Marktwirtschaftliches Denken, zupackender Aufbaugeist, Modernisierungsfortschritt und Eigenverantwortung bestimmten die dortigen Verhältnisse. Ich war beeindruckt und davon überzeugt, dass eine Annäherung der Türkei an die EU trotz aller kulturellen und religiösen, politischen und menschenrechtlichen Diskrepanzen richtig sei und am Ende vermutlich eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU vernünftig wäre. Vor dem Deutschen Kulturinstitut in Ankara hatte ich am 6. März 1995 über diese Fragen gesprochen. Es war der Tag, an dem in Brüssel der Vertrag über die

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Zollunion zwischen der EU und der Türkei unterzeichnet wurde. Ministerpräsidentin Tansu Çiller stand im Zenit ihrer Erfolge. Triumphalisch war die Begrüßung für sie, als sie spätabends in Ankara landete (Kühnhardt 2021, S. 462 ff.). Am 10. Dezember 1999 wollte es der Zufall, dass ich wieder in Ankara war, diesmal genau an dem Tag, an dem der Europäische Rat in Helsinki die Türkei als Beitrittskandidat zur Europäischen Union anerkannte (Kühnhardt 2021, S. 606 f.). Im März 2005 war ich wiederum einige Tage in der Türkei, kurz bevor am 3. Oktober 2005 die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei formal aufgenommen wurden (Kühnhardt 2022a, S. 271 ff.). Mit meiner Sympathie für die Türkei sah ich mich lange Zeit auf der richtigen Seite der Geschichte. In der „Welt“, in der „Neuen Zürcher Zeitung“ und zweimal im Saarländischen Rundfunk veröffentlichte ich 1997 und 1998 tagespolitisch ausgerichtete Plädoyers für eine zügige Heranführung der Türkei an die EU (Kühnhardt 1997g, S. 4; 1997h; 1997i, S. 4; 1998n). Berichte über den Meinungsbeitrag in der „Welt“ am 16. April 1997 wurden postwendend am 17. April 1997 in den türkischen Tageszeitungen „Sabah“ und „Hürriyet“ veröffentlicht. Die innenpolitischen Verknüpfungen zwischen der Türkei und Deutschland waren wie üblich dichter als zwischen manchen Partnerländern in der EU. Dabei stellte ich das Thema Türkei in den 90er-Jahren deutlich in den Kontext eines Dreiecks von Türkei, EU und USA. Eine strategische Gesamtsicht war notwendig. Mich hatte beeindruckt, wie mir der Planungschef des armenischen Außenministeriums, der Philosoph Ashot Voskanyan, einmal erläutert hatte, warum es gerade für sein Land richtig und wichtig sei, wenn die Türkei in die EU aufgenommen werden könnte: Nur auf diese Weise könnte der armenisch-türkische Konflikt europäisch überwunden werden. Für eine thematisch aufeinander aufbauende Reihe von Workshops zur Türkei-Thematik 1997 in Washington (Kühnhardt 1998o), am 6. November 1998 am ZEI in Bonn und 1999 in Ankara konnte ich das American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) und die Middle East Technical University als Partner gewinnen. Meine Freunde und Kollegen Jackson Janes und Hüseyin Bagci waren Garant für eine gute Organisation der hochrangig besetzten Tagungen in ihren Instituten. Mit ihnen gemeinsam gab ich die Erträge des Forschungsprojektes heraus (Bagci et al. 1999). 2000 zitierten die mir gut bekannten amerikanischen Geostrategen Zalmay Khalilzad, Ian Lesser und Stephen Larrabee von der RAND Corporation unser Buch als grundlegende Hinführung zum Thema (Khalilzad et al. 2000). Ebenso äußerte sich 2002 Heinz Kramer in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (Kramer 2002). Wir hatten Pionierarbeit geleistet. 2004 verlieh uns die Europäische Kulturstiftung dafür den Europäischen Wissenschaftspreis. Gut zehn Jahre lang publizierte ich immer wieder zu den europäischen Perspektiven der Türkei oder äußerte mich positiv zu dieser Stoßrichtung in den Medien (Kühnhardt 1997j, S. 93 ff.; 1997k; 1998p, S. 5; 2003d, S. 42 ff.; Kühnhardt und Köse 1997, S. 42 ff.). Am ZEI beobachteten wir den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufmerksam und gaben mehrere Jahre einen „ZEI EU-Turkey-Monitor“ heraus (Kühnhardt 2005b, S. 5). Leider versank dieser Hoffnungsstern langsam hinter dem Horizont. Wenige Tage vor der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages, am 22. Juni 1999, konnte ich wieder einmal zu einer langen Begegnung mit Helmut Kohl z­ usammentreffen

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(Kühnhardt 2021, S. 581). Er hatte nach dem Bundestagsbeschluss 1991 zugunsten Berlins als künftiger Hauptstadt Deutschlands die Idee gehabt, im Rahmen des Regierungsumzugs einen der Schwerpunkte des neuen Bonns dem Thema Europa zu widmen. So war das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) entstanden. Helmut Kohl war neugierig auf meinen Bericht über die Aufbauergebnisse. Ich traf einen in sich ruhenden, fröhliche Entspanntheit und historisches Selbstbewusstsein ausstrahlenden Altkanzler. Wir plauderten zunächst, recht trivial, über die Länge mancher Menschen, zu kleine Hotelbetten und mit Minderwertigkeitskomplexen beladene kleine Männer. Helmut Kohl: „Wer groß ist, dominiert andere, auch wenn er es gar nicht will.“ Kohlerzählte von den großartigen europäischen Entwicklungen in Südtirol, um mir zu verdeutlichen, worum es jetzt im ehemaligen Jugoslawien gehe. Als er Mitte der 50erJahre erstmals in Südtirol gewesen sei, habe es dort Soldaten und Bombenattentate gegeben. Heute, sagte Kohl mir, „ist Südtirol in Europa angekommen“, Nordtirol, Steiermark und Kärnten seien eher zurückgefallen gegenüber dem großen Aufschwung in Südtirol, beim Weinanbau einschließlich. Die örtliche Christdemokratie unter Silvius Magnago habe kluge Politik gemacht. Unter anderem hätten sie dafür gesorgt, dass die Bauersfrauen neue Kühltruhen und Waschmaschinen erhielten und die Infrastruktur von Schulen und Kindergarten gut ausgebaut wurde. Das habe junge Menschen, vor allem junge Frauen, in der Gegend gehalten. Jetzt gehe es um ähnliche Prozesse auf dem Balkan. Mein Institut solle den Beitrag der Universitäten nicht unterschätzen und entsprechend im Balkan initiativ werden, sobald es gehe. Auf meine Frage, ob nicht schon vor einigen Jahren – das heißt auch in der Zeit seiner Kanzlerschaft – mehr für die Demokratisierung und Europa-Orientierung Serbiens von außen hätte getan werden können, holte Helmut Kohl weit aus: Es habe zu seinen allerschwersten Aufgaben gehört, die Franzosen in Gestalt von Präsident François Mitterrand in der Anerkennungspolitik beim Zerfall Jugoslawiens auf einer gemeinsamen Linie zu halten. Die Amerikaner seien noch stärker gegen die Anerkennung der Teilrepubliken gewesen. Mancher sei damals in Washington härter als Belgrad selbst gewesen. Es sei doch eine Ironie, lachte er, dass sich US-Präsident Bill Clinton gerade heute, am Tag unseres Gesprächs, in Slowenien und Mazedonien feiern lasse, so als habe es all diese amerikanische Reserve gegenüber der Eigenstaatlichkeit der jugoslawischen Teilrepubliken nie gegeben. Gestern habe Clinton übrigens mit ihm für 15 min telefoniert. Es bleibe schwierig, so Helmut Kohl, Erfahrungen über die Schwelle der Generationen zu vermitteln. Die „Schlagbaum nieder“-Erlebnisse seiner Generation, die jetzt ein fantastisch freies und im Westen geeintes Europa hinterlässt, sagen den Jungen wenig, das wisse er. Lachend und mit Genugtuung in der Stimme sagte Kohl, dass wohl auch Gerhard Schröder inzwischen seinen Satz für richtig halte, dass Europa eine Frage von Krieg und Frieden ist. Aber er selber müsse natürlich aufpassen, nicht so zu werden wie sein Vater, der immerfort von Verdun gesprochen habe. Im Übrigen, sagte Helmut Kohl bei der Verabschiedung, möchte er nicht, dass einmal Statuen von ihm aufgestellt werden: „Erst kommen die Tauben und dann die Hunde.“ Im Deutschen Bundestag, wenige Tage später, ergriff Helmut Kohl noch einmal das Wort und rief das Bonner

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Erbe in Erinnerung. Das Gerede von einer „Berliner Republik“ hielt er für Unsinn. Er hatte mir Recht gegeben in der Aufgabe, eine gelungene Balance zwischen Berlin und Brüssel zu schaffen. Sichergestellt sei der gute Ausgang dieses deutschen Experiments noch lange nicht, hatte er dann noch gesagt. Ein Gefühl der Leere legte sich in diesen Tagen über das bisherige deutsche Regierungsviertel, ein Verlassenwerden ohne Not. Am Rande des bisherigen Bonner Regierungsviertels hatte das ZEI sich etabliert. Am 3. Oktober 1999 hatte ich die Ehre, erstmals in der Frankfurter Paulskirche zu sprechen. 1000 Menschen nahmen an dem Kongress der Hessischen Landesregierung „Europa im 21. Jahrhundert“ am Tag der Deutschen Einheit teil. Zehn Jahr nach dem Fall der Mauer und neun Jahre nach dem Vollzug der staatlichen Einheit Deutschlands war der Fortgang der europäischen Einigung die richtungsweisende und unausweichlich voranschreitende Bestimmung des Kontinents. Der Fortgang der europäischen Integration – sowohl „Vertiefung“ im Sinne der Hinführung zur Politischen Union als auch „Erweiterung“ im Sinne einer Aufnahme erster postkommunistischer Transformationsstaaten – war die spannendste europäische Thematik am Ende des Revolutionsjahrzehnts, am Ende des 20. Jahrhunderts, am Ende des Millenniums. Vor zehn Jahren war die Einsicht durchgebrochen, dass Europa seinen Prozess der inneren Versöhnung umfassender als jemals nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bewerkstelligen könnte, führte ich in meiner Ansprache in der Paulskirche aus. Seither gab es ungeahnte Glücksmomente, menschliche Freuden und Geschenke mit geschichtlicher Dimension. Es gab aber auch Rückschläge, Erschütterungen, die Erkenntnis neuer Grenzen des „Fortschritts im Bewusstsein der Freiheit“. Hegel sei ebenso widerlegt worden wie Marx. Stattdessen sei die Einsicht in die Begrenztheit des Menschen und damit in das relative Optimum der demokratisch-rechtsstaatlichen Staatsform bestätigt worden. Die individuelle Menschenrechtsidee – der säkularisierte anthropologische Kern der christlichen Ethik – hatte gegenüber allen kollektiven oder exklusiven Konzepten und reduktionischen Identitätstheorien überzeugt. Geistige Klarheit war in dieser Hinsicht inmitten unklar erscheinender Zeiten des Umbruchs geschaffen worden. Europa stand nun von der Aufgabe, Versöhnungsunion zu bleiben und Aufgabenunion zu werden. Damit, so führte ich weiter aus, stellte sich die europäische Verfassungsfrage als Anfrage an die geistige Idee von Europa, als „Frage Wozu“, und als Aufforderung, das vertikale und horizontale Kompetenzgefüge in der Europäischen Union konstitutionell zu ordnen. Die Verwirklichung einer Verfassung für Europa sei, so endete ich, neben der Entwicklung einer europäischen Außenund Verteidigungspolitik und einer europäischen Innen- und Rechtspolitik der wesentlichste Auftrag an die Europäische Union in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts. Bei einem Mittagessen der Referenten des Kongresses im Frankfurter Römerkeller tat Bundespräsident Roman Herzog mein Plädoyer für eine europäische Verfassung in der ihm eigenen spöttischen Art rundweg als „Scherzfrage“ ab. Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof sekundierte dem Bundespräsidenten und meinte, nur der Nationalstaat könne die Einheit von Menschenrechtsschutz und Staatlichkeit garantieren. Mir wurde klar: Das deutsche Staatsrecht, in Methode und Inhaltsfixierung einmalig auf der Erde, steckte noch immer im 19. Jahrhundert. Der Antrieb für eine europäische Verfassung

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musste aus der Politik und aus dem intellektuellen Diskurs erwachsen. Das Argument, Briten und Franzosen würden bei einer europäischen Verfassung nicht mittun, klang für mich wie ähnliche Bedenken, die seit 30 Jahren zur Idee einer europäischen Gemeinschaftswährung zu hören gewesen waren. Am Ende des Revolutionsjahrzehnts stellte sich die europäische Verfassungsfrage im metaphorischen und im politisch-juristischen Sinne: In welcher Verfassung war Europa eigentlich und welche Verfassung benötigte die EU? Unter dieser Doppelfrage stand ein ganzes Bündel von Forschungsaktivitäten am „Zentrum für Europäische Integrationsforschung“ (ZEI). Zehn Jahre zuvor hätte ich mir zu Beginn der Umwälzungen in Europa nicht vorstellen können, noch einmal nach Bonn zurückzukehren, um das ZEI aufzubauen und zu leiten. Die zweite Phase der Konsolidierung des revolutionär durcheinandergewirbelten Europas wollte ich aus dieser neuen Aufgabe heraus mit einem eindeutigen Blick über die Grenzen Europas hinweg beginnen lassen. Für vier Jahrzehnte war von Bonn aus die neue demokratische politische Kultur der Bundesrepublik Deutschlands repräsentiert worden. Unterdessen begannen die Vereinten Nationen damit, Bonn als einen ihrer drei europäischen Standorte aufzubauen. Künftig würden Deutschland und Europa von Bonn aus ihre Erfahrungen in Fragen der Nachhaltigkeit mit der Welt teilen. Am 10. und 11. November 1999, zehn Jahre nach dem Berliner Mauerfall, wurden nach der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages Ende Juni im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages erstmals die Lichter wieder eingeschaltet. Das Zentrum für Europäische Integrationsforschung und das mit uns gegründete Schwesterinstitut Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) luden zu einem internationalen Kongress ein: Weltachsen 2000. Damit begann für den ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages eine neue Ära. Eine solche logistische Aufgabe zu stemmen, war eine Erfahrung ganz eigener Art. Nicht mehr die deutsche politische Tagesordnung, sondern die globale Agenda für das 21. Jahrhundert stand auf dem Programm. Mary Robinson, Irlands ehemalige Präsidentin und UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Wole Soyinka, Afrikas einziger Literaturnobelpreisträger, Kharan Singh, der Sohn des letzten Maharaja von Kashmir und heute Mitglied des Club of Rome, Oscar Arias Sanchez, Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident von Costa Rica, Olivier Blanchard, Mitglied des französischen Rates für Wirtschaftsanalyse und später Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und schließlich Lech Wałęsa, Elektriker und Gründer der Gewerkschaft Solidarność, der 1983 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war: Diese herausragenden Referenten symbolisierten die Weltachsen, über die wir mit 750 Teilnehmern von Gewicht zwei Tage lang diskutierten (Weltachsen 1999). Lech Wałęsa war und blieb für mich immer einer der Größten. Ich war richtig aufgeregt, einen meiner Helden des 20. Jahrhunderts auf der Rückseite des Bonner Plenarsaals begrüßen zu dürfen. Ich bat ihn, sich nochmals umzudrehen. Kohl und Gorbatschow hatten einen Steinwurf von hier im Sommer 1989 auf das Wasser geschaut. Kohl habe gesagt, die Geschichte fließe so wie der Rhein und daher sei die deutsche Frage offen. Gorbatschows Antwort, damals als Zeichen deutschlandpolitischer Flexibilität gerühmt:

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„Keiner wisse, was in 100 Jahren sei.“ Jetzt drängte es mich, Lech Wałęsa zu sagen, dass Rhein und Weichsel im europäischen Gleichklang fließen, sei ein besonders positives Ergebnis der letzten zehn Jahre. Ohne ihn, ohne Solidarność und ohne Papst Johannes Paul II. gäbe es keine Freiheit in Europa und keine Einheit der Deutschen. Wałęsa reagierte sofort wie elektrisiert: Es sei unglaublich, dass er nicht zu den 9. NovemberFeiern nach Berlin eingeladen worden sei. Gorbatschow sei zwar heute ein Freund, aber man müsse sagen, dass er immer nur den Kommunismus habe reformieren wollen. Auch dorthin sei er nur durch den Gang der Dinge getrieben worden. Am nächsten Tag sollte Wałęsa sein Redemanuskript ergänzen und diese Gedanken lautstark vor dem Plenum des Kongresses „Weltachsen 2000“ unter dem Bundesadler vortragen. Ich führte Lech Wałęsa mit der Aussage ein, dass mit Solidarność die Öffnung des Brandenburger Tores begonnen habe. In der Podiumsdiskussion des Nachmittags provozierte und inspirierte Wałęsa in seiner ungemein temperamentvollen, vitalistischen Art manchen der Kleinmütigen. Er legte ein großes religiöses Bekenntnis ab, wie man es sich in Deutschland gelegentlich von manchem Bischof oder Theologieprofessor wünschen würde: „Mein Gott belastet mich nicht, auch nicht mit den ethischen Anforderungen des Glaubens. Wer mir meinen Gott nehmen will, zu dem gehe ich nicht mehr hin.“

Abb. 5.39   Danuta und Lech Wałęsa zu Gast bei Enikö und mir zu Hause. Mit dabei waren Andras Inotai, Institut für Weltwirtschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaft, und Frank Ronge, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZEI (1999). (©Ludger Kühnhardt)

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Der 9. November ist ein besonderer Tag in der deutschen Geschichte. Der 11. November ist in Polen Nationalfeiertag. Es war ein unvergessliches Glück, dass Danuta und Lech Wałęsa den Vorabend des polnischen Nationalfeiertages 1999 bei mir zu Hause verbrachten. Gemeinsam sprachen wir das Tischgebet, nachdem ich Wałęsa in meinem Arbeitszimmer meine Ikone der Mutter Gottes von Tschenstochau hatte zeigen können, die er wie immer am Revers seiner Jacke trug. Meine Frau und ich hatten den polnischen Gesandten Miszak, den ungarischen Ökonomen Andras Inotai, den Philologen und Gründer der New Bulgarian University, Bogdan Bogdanov, den Präsidenten des Europäischen Hochschulinstituts, den irischen Philosophen Patrick Masterson, und meinen Mitarbeiter Frank Ronge zu dem Abendessen dazugeladen. Unsere dreijährige Tochter Victoria amüsierte die Gäste eingangs mit ihren Spielzeugpuppen, die sie aus dem Nebenzimmer brachte und so vorstellte, als handele es sich um weitere Gäste. Lech Wałęsa erlebte ich an diesem Abend als einen Vulkan, der seine eigenen Geschichtsbilder hat, sehr differenziert analysieren konnte, bildhaft sprach, dann wieder vitalistisch daherredete, den Faden für einen Moment verlor und doch wieder zum Kern seines Arguments zurückfand. Er ruhte in sich selbst. Seine Frau Danuta machte einen angenehmen Eindruck und erzählte von ihren Kindern. Eine Dolmetscherin der polnischen Botschaft half über die Sprachbarrieren an unserem Esstisch hinweg. Lech Wałęsa meinte, zu meiner Überraschung, dass die sehr zurückhaltenden ersten Reaktionen von Erich Honecker und Helmut Schmidt nach Ausrufung des polnischen Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 angemessen waren, um die Sowjetunion nicht noch weiter zu provozieren. Wenn er es gewollt hätte, hätte er Solidarność nach Russland hineingetragen, entfuhr es ihm. Ein ungeheuerlicher Gedanke, den ich erstmals hörte. Sein Herz habe dies gewollt, sein Verstand habe ihn gebremst, ergänzte Wałęsa. Seine intellektuellen Freunde hätten ihm abgeraten wegen der sowjetischen Unberechenbarkeit in Bezug auf das große Waffenpotenzial, vor allem an Atomwaffen. Außenminister Genscher habe ihm noch am Abend des 8. November 1989 gesagt, die Mauer in Berlin werde in den nächsten 30 Jahren nicht fallen. Am nächsten Tag sei es dann doch schon so weit gewesen. Die Zukunft Russlands bedrückte Lech Wałęsa sehr. Mehrfach mahnte er an diesem Abend einen Marshall-Plan für Russland an und zeigte Verwunderung, warum dies anders als 1945 seit zehn Jahren nicht gelungen sei. Er sei ja nicht amerikanischer Präsident. Wir lachten herzhaft. Für 21 Uhr 30 war die Abfahrt von Danuta und Lech Wałęsa geplant gewesen. Erst kurz vor 23 Uhr verließen die polnischen Gäste schließlich unser Haus. Kurzweilig und fröhlich war es bis zu später Stunde geblieben. Am nächsten Morgen folgte Lech Wałęsas Rede auf dem von mir organisierten Kongress „Weltachsen 2000“. Er begann mit einem Bonmot: Früher habe es Politiker mit Visionen gegeben, heute gebe es Politiker im Television. Dann folgte ein flammender Vortrag, in freier Rede, über ethische Prinzipien in der Politik. Unterdessen hatte der langjährige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher freundlicherweise die Aufgabe übernommen, den Internationalen Beirat des ZEI zu leiten. Jacques Delors, der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, und Wladislaw Bartoszewski, Polens ehemaliger Außenminister, unterstützten unsere Auf-

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bauarbeit ebenso wie einige herausragende Wissenschaftler von europäischem Gewicht. Eine Kaskade von Aktivitäten band mich in dieser Zeit: Am 9. November 1999 sprach ich wieder einmal im St. Antony’s College Oxford. Am 24. Februar 2000 gab es ein Wiedersehen mit Kronprinz Felipe von Asturien, der zur Eröffnung einer schönen Ausstellung zum 500. Geburtstag von Kaiser Karl V., den die Spanier Carlos I. nennen, in die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn gekommen war, direkt neben dem ZEI gelegen. Ich stellte ihm die belgische Schriftstellerin Rosine De Dijn vor, deren schönes Buch Des Kaisers Frauen meine Frau und mich sehr fasziniert hatte (Dijn 1999). Gemeinsam plauderten wir über die kulturelle Europäität des Rheinlands. Kontrastprogramm am nächsten Tag in Berlin. Im soeben sanierten und eingeweihten „Weltsaal“ des Auswärtigen Amtes am Werderschen Markt führte das ZEI gemeinsam mit dem Planungsstab des Auswärtigen Amtes einen Workshop zum Thema „Demokratie und Legitimität in der EU“ durch. Es war die erste Fachtagung im Berliner Auswärtigen Amt, wie Planungschef Georg Dick, ein enger Vertrauter von Außenminister Joschka Fischer aus Frankfurter Rebellenzeiten, stolz mitteilte. Dick, sein französischer Kollege Foucher und ich eröffneten die Tagung, an der rund 70 Politiker, Beamte, Wissenschaftler und Politikberater aus Deutschland und Frankreich, aber auch aus Belgien, Schweiz, Großbritannien und den USA teilnehmen. Die Debatten wurden initiiert vom Grünen-Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit, eine Type, der seine Anfänge als Bezugsperson eines antiautoritären Kindergartens noch immer nicht verleugnen konnte. Unterdessen war er reifer geworden, dabei aber keineswegs unkämpferisch. Wir durchdrangen mit einer guten Mischung von Theoriereflexion und politischen Empfehlungen die Agenda der zeitgleich laufenden Regierungskonferenz, die zum Vertrag von Nizza führen sollte. Noch einmal drei Tage später, am 28. Februar 2000, hörte ich mir in München die Klagen der bayerischen Staatsregierung zur aktuellen europapolitischen Entwicklung an. „Wir werden europapolitisch ausgegrenzt und kritisiert, weil wir als erste das Tabu gebrochen haben, nach den Zielen der EU differenziert zu fragen und komplexere Analysen zu liefern. Nicht alles wird nur deshalb besser, weil es ‚europäisch‘ wird. Wir benötigen die Abgrenzung der EU gegenüber den Rechten der Länder und der Nationalstaaten“, sagte mir Gerhard Memminger, Abteilungsleiter für Europapolitik in der bayerischen Staatskanzlei. Mich überzeugte seine Analyse nur teilweise. Ich vertiefte mich in die neueste wissenschaftliche Literatur, die sich mit den Sorgen des Souveränitätsverlustes beschäftigte. Darunter befand sich die erste Studie, die sich allein der Frage eines möglichen EU-Austritts beschäftigte. Nach einem Referendum war Grönland 1985 aus der EU ausgetreten, mehr als drei Jahrzehnte vor Großbritannien (Kühnhardt 2000e). Im Kontext der Diskussionen zum Vertrag von Nizza wurde ich ein wenig später im „Rheinischen Merkur“ zitiert: Kompetenzbeschneidungen der Kommission könnten kontraproduktiv sein: „Alle schießen sich gegen die Kommission ein, weil es in der EU leider kein klares Regierungssystem gibt.“ Kompetenzüberschreitung durch die Kommission gebe es indessen nur dort, wo es keine klare politische Führung gibt. Das

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hochgepeitschte Thema sei ein Nebenkriegsschauplatz. Der Sinologe Harro von Senger, der viel von Strategie im chinesischen Denken verstand, zitierte mich zustimmend in der „Basler Zeitung“: Wenn ich davon spreche, der EU fehle der strategische Blick, so sei dies ganz und gar ohne List und Hintersinn gemeint. Beim „Bergedorfer Gesprächskreis“ am 30. September und 1. Oktober 2000 argumentierte ich zugunsten der Verfassungsbildung Europas, die in einem symbiotischen Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung stehe. Es gab heftige Diskussionen über die Frage des Zieldatums für den Beitrittsprozess. Ich schlug vor, mehrere Beitrittsrunden vorzusehen, die an die Daten der nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament (2004, 2009, 2014, 2019) gekoppelt sein sollten. Alt-Bundespräsident von Weizsäcker klagte, Henry Kissinger zitierend, Amerika wisse nicht, was Außenpolitik sei und verhalte sich stets unerträglich unilateral. Ich erlaubte mir in illustrer Runde zu sagen, dass es doch vor allem an Europas mangelnder Weltfähigkeit, dem fehlenden Willen zur Weltmacht, liege, wenn die USA nicht vor unilateralen Attitüden und Aktionen zurückschrecken (Bergedorfer Gesprächskreis 2001, passim). Bei einem Kongress der CDU Rheinland-Pfalz am 3. November 2000 in Mainz engagierte ich mich erneut für eine europäische Verfassung in einer föderalen Union. Europa habe derzeit ein konzeptionelles Problem, um die Dinge, die wesentlich sind, auf den Punkt zu bringen, ohne dass die Reflexkritik gegen „Brüsseler Kompetenzanmaßungen“ erfolgt. Europa habe gleichzeitig ein Führungsproblem. Ich erläuterte dies anhand der eigentümlich diffusen Europapolitik der Bundesregierung in einer Debatte mit der energischen Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth, und dem sachkompetenten, nüchternen Thomas de Maizière, Chef der sächsischen Staatskanzlei. Einen ganz anderen Akzent setzte das ZEI am 1. Dezember 2000. Nachdem Königin Elisabeth II. am 18. Juli 2000 die neue britische Botschaft nahe dem Brandenburger Tor in Berlin eröffnet hatte, lud der britische Botschafter, Sir Paul Lever, zusammen mit mir zum ersten Workshop in diesem architektonisch gelungenen Gebäude ein. Es ging um Multikulturalismus und ethnische Minderheiten in Europa. Wir brachten illustre Gäste zusammen: Baronin Patricia Janet Scotland of Ashtal, Parlamentarische Unterstaatssekretärin im Foreign and Commonwealth Office, die spätere Generalsekretärin des Commonwealth, Staatssekretärin Cornelie Sonntag-Wolgast, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, der ungarische Vizepremier der Slowakei, Pal Csaky, mein früherer Freiburger Kollege Dieter Oberndörfer, der türkische Unternehmer Volkan Öger und Barbara John, die Berliner Ausländerbeauftragte, hatten einiges zu diesem Thema zu sagen (Kühnhardt 2001m, S. 9–12). Die Fragestellung und ihre Ambivalenzen sollten Europa seither nicht mehr loslassen. Auch 2001 ging es am ZEI pausenlos mit verschiedenen Forschungsprojekten weiter, die ich zeitgleich koordinierte. Weiterhin boten wir herausragenden Referenten eine Plattform, beispielsweise EU-Kommissarin Vivian Reding und, in Verbindung mit dem Industrieclub Düsseldorf, der lettischen Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga (Kühnhardt 2001n, S. 12 ff.). Das unterdessen dritte Parliament´s Forum on EU

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Accession am 22./23. November 2001 am ZEI zeigte mir, wie sehr die Stimmung in der EU sich unterdessen geändert hatte. Aus Frustration, die vor drei Jahren unter den Vertretern der Kandidatenländer grassierte, war Hoffnung geworden. Der Fahrplan bis zum Vollzug der Mitgliedschaft am 1. Mai 2004 war inzwischen festgelegt. Außer Bulgarien und Rumänien konnten zehn Länder mit der EU-Mitgliedschaft rechtzeitig vor der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament rechnen. Kroatiens ehemaliger Außenminister während der schrecklichen Kriegsjahre, Mate Granic, inzwischen Vorsitzender des EU-Ausschusses im Parlament von Kroatien, legte bei dem Treffen ein engagiertes Plädoyer für regionale Kooperation in Südosteuropa als Etappe zur EUMitgliedschaft aller dortigen Länder ab. Auch dies war eine erfreuliche geistige Weiterentwicklung. Friedbert Pflüger, der alte Studienfreund, unterdessen Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union, kam eigens aus Berlin nach Bonn und zeichnete ein schönes Gesamtpanorama der EU in weltpolitischer Beleuchtung. Dezidiert sprach er sich für die EU-Mitgliedschaft von Zypern aus und wendete sich gegen jeden Veto-Ausspruch der Türkei. Ich hatte natürlich auch einen türkischen Abgeordneten eingeladen, doch er war diesmal erstaunlich leise. Zyperns Botschafter hingegen triumphierte. Für mich bestätigte sich erneut, dass die kleine Insel im östlichen Mittelmeer zum größten Problem des Erweiterungsprozesses werden dürfte. Die EU würde Instabilität und Unberechenbarkeit importieren, wovor ich rechtzeitig gewarnt hatte (Kühnhardt 2002a, S. 56 ff.). Seit 1999 hatte ich ein besonderes Privileg: Ich hatte Hans von der Groeben kennengelernt, der von 1958 bis 1970 Mitglied der Europäischen Kommission war. Den Weg, den der Sohn eines ostpreußischen Gutsbesitzers zurückgelegt hatte, um deutscher Ghostwriter für die Römischen Verträge und später Kommissar an der Seite des ersten Präsidenten der Europäischen Kommission, Walter Hallstein, zu werden, war ungeheuerlich. Mich hatten von der Groebens Lebenserinnerungen stark beeindruckt (Groeben 1995). Ich suchte den Kontakt. Es entstand ein unvergesslicher Gesprächsfaden, persönlich und brieflich, der erst durch den Tod von der Groebens am 5. März 2005 im Alter von fast 98 Jahren beendet wurde. 2001 hatte ich ihm meine damalige Einschätzung der weiteren Entwicklung der EU vorgelegt (Kühnhardt 2001o). Ich sah föderale Antworten auf die zwingend notwendige baldige Osterweiterung als unvermeidlich an. Europa müsse sich zudem einem neuen Raumbegriff stellen. Damit wollte ich auch reagieren auf ein früheres Gespräch mit von der Groeben und seiner, wie ich ihm am 20. Juli 2001 schrieb, „Sorge vor einer ins Diffuse abgleitenden Entwicklung der EU“. Am 27. Juni 2001 erhielt ich ein langes Antwortschreiben, fast schon ein Gutachten. Tenor: unrealistisch und nicht wirklichkeitsnah. Er erinnerte mich daran, dass auch er schon in den 1950er-Jahren zur Zeit der Sechser-Gemeinschaft föderationsähnliche Vorschläge entwickelt hatte, allein, um von de Gaulle abgeschmettert zu werden. Wie sollte das ausgerechnet im Zusammenhang mit der Osterweiterung besser möglich werden. Die Osterweiterung machte von der Groeben große Sorgen. Die Frage sei ja nicht, so seine Schlussfolgerung, ob die europäische Integration fortgesetzt werden solle oder nicht. Entscheidend sei, ob es

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maximal bei einer Freihandelszone und einem gemeinsamen Markt bleiben werde oder ob die ursprünglichen, politisch gedachten Ziele einer „immer engeren Union“ weiterhin gelten würden. Ich lud Hans von der Groeben und seine Frau Ilse zu einer Kaffeetafel am 24. November 2001 zu uns nach Hause. Einige Freunde von meiner Frau und mir waren ebenfalls dabei. Hans von der Groeben erzählte, wie sehr er sich auf das neue Jahr freue, wenn der Euro Wirklichkeit werde. Er habe seinerzeit mit seinem französischen Kollegen Pierre Uri, der mit ihm die ersten Entwürfe der Römischen Verträge und vor allem die Grundlagen der angestrebten Marktordnung formulierte, Briefe ausgetauscht. Dabei seien sie übereingekommen, dass die ganze Idee der Wirtschaftsgemeinschaft nur Sinne mache, wenn an ihrem Ende eine gemeinsame europäische Währung stehe. Das werde ein politisch revolutionäres Projekt werden. Aber beide Herren hätten doch realistischerweise gemeint, sie würden diesen Tag wohl nicht mehr erleben. Pierre Uri war 1992, 81-jährig, gestorben. Hans von der Groeben stand im 94. Lebensjahr und sollte Momente später Freudentränen in den Augen haben, als ich ihm die ersten EuroMünzen übergeben konnte, die einer unserer Freunde in einem Starter Kit schon ein wenig vor dem offiziellen Ausgabetermin von seiner Bank erhalten hatte. „Wir hatten interessante Gespräche“, notierte von der Groeben an diesem Abend in seiner nüchternen Art in unserem Gästebuch.

Abb. 5.40   Der Ehrenbürger Europas: Helmut Kohl zwischen Enikö und mir in der Universität Bonn (2002). (©Ludger Kühnhardt)

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Am 1. Januar 2002 wurde der Euro als Gemeinschaftswährung in zwölf Mitgliedsstaaten der EU eingeführt. Wir hatten am ZEI den Einführungsprozess ausführlich wissenschaftlich begleitet. Für mich stand immer außer Zweifel, dass die Einführung des Euro der größte bleibende Erfolg von Helmut Kohls Europapolitik sein würde. Kohl war in Deutschland infolge der Affäre um ungeklärte Spenden und die Zusammenhänge der Parteienfinanzierung maximal in Misskredit geraten. Ich lud Helmut Kohl gleichwohl ein, am 14. Januar 2002 über die historische Bedeutung des Euro zu sprechen. Sofort sagte er zu. Die Aula der Universität Bonn war überfüllt, die Gänge vor der Aula ebenfalls. Alle wollten Helmut Kohl, den Ehrenbürger Europas, erleben. Ich handelte mir Ärger mit manchem Kohl-Gegner ein, einschließlich der Drohung einer Strafanzeige wegen Missachtung des Brandschutzes. Vortrag und Diskussion mit Helmut Kohl waren von historischer Tragweite und wurden noch zwei Jahrzehnte später wissenschaftlich aufgearbeitet (Kohl 2002; Kühnhardt 2022a, S. 92 ff.; Cuccia 2022, S.351ff.). Kohl tat die Anerkennung sichtlich gut, die ihm entgegengebracht wurde. Er lobte die Arbeit des ZEI, das sich immer auf seine Unterstützung verlassen könne. Nach dem Vortrag luden meine Frau und ich Helmut Kohl und einige seiner Weggefährten zum gemeinsamen Abendessen ein. Hier blühte Kohl so richtig auf und gab manche Anekdote zum Besten. Bei einem weit späteren Briefwechsel kam Helmut Kohl am 15. November 2013 auf den Bonner Vortrag zurück, damals der erste öffentliche Auftritt für ihn nach einer harten Zeit der öffentlichen Stigmatisierung infolge der Spendenaffäre seit Ende November 1999 und dem Selbstmord seiner Frau Hannelore am 5. Juli 2001. Meine Einladung 2002 habe er, schrieb er mir noch mehr als zehn Jahre später, „in bester Erinnerung. Es war, wie immer, eine Freude zu sehen, wie Studenten zuhören können, wenn man ihnen Europa gewissermaßen aus der Geschichte und auch aus dem Leben heraus erklärt“. Am 16. Juni 2017 starb der Ehrenbürger Europas. Auch international wurde ich 2002 um eine Einordnung der Bedeutung der Euro-Einführung als große Etappe der Einigung Europas im Prozess der Globalisierung gebeten. Auf einer Konferenz der EU Studies Association Korea und des Korea Institute for Industrial Economics and Trade am 21. August 2002 in Seoul erteilte man mir unmittelbar nach der Einführungsrede von Cae One Kim, dem signierten Präsidenten der Vereinigung, das Wort. Der Euro, so argumentierte ich, sei ein zutiefst politisches Projekt. Der Euro befördere die Neuausrichtung der Raison d'Être der Integration im Zeitalter der Globalisierung. Ich erweiterte meine Überlegungen für einen Vortrag am ARENA Center for European Studies in Oslo am 1. Oktober 2002. Später folgten weitere Vorträge und Veröffentlichungen des daraus entstandenen Aufsatzes, auch in Deutschland und Korea, Kuba und Argentinien (Kühnhardt 2002b). Eine ehrenvolle akademische Einladung führte in dieser Zeit zu einem Dauerengagement, das ich Jahr für Jahr mit großem intellektuellem Gewinn und viel Freude wahrnahm und noch immer wahrnehme. Der Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, Botschafter Ernst Sucharipa, hatte mich vom 11. bis 17. Februar 2002 erstmals eingeladen, einen Kurs über die Rolle Europas in der EU zu geben. Seither freue ich mich jedes Jahr

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neu auf die Tage an der Diplomatischen Akademie, der seit 1754 bestehenden ältesten Diplomatenschule der Welt, heute die erste Adresse für ein postgraduiertes Studium der internationalen Beziehungen in Europa. Es blieb immer wieder ein Vergnügen, neben weltläufigen Studierenden aus aller Herren Länder wunderbare Kollegen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zum Gedankenaustausch zu treffen: Werner Neudeck, Hans-Peter Neuhold, Michel Cullen, Thomas Row, Gerhard Loibl, Markus Kornprobst und Patrick Müller sowie die auf Ernst Sucharipa folgenden Direktoren Jiří Gruša, Hans Winkler und Emil Brix. erweiterten mit vielen Anregungen mein Denken. Nicht weniger angenehm ist die Atmosphäre, mit der Elisabeth Hofer, Gabriele Schulze, Hubert Nettig, Rosemarie Winkler, Genny Chiarandon und ihr Team um Eva-Maria Bauer, Annemarie Kainzbauer, Elvira Peyrat, Nour Kourie und Franziska Schmidl herum die Diplomatische Akademie zu steuern wussten und wissen. Die europäischen Gespräche aus österreichischer Sicht blieben immer lehrreich und schärften meinen Kompass aufgrund der so genuinen österreichischen Welterfahrung. Die stets sehr guten Evaluierungen der Studierenden („einer der besten Vortragenden“, „es wäre gut, wenn das Seminar länger dauern könnte“) schienen den Verantwortlichen zu zeigen, dass sie es verantworten konnten, mich immer wieder nach Wien einzuladen. Kaum ein europäisches Engagement blieb mir lieber als diese Wiener Gastprofessur, die ich nach 2012 thematisch neu auf mein Forschungsfeld vergleichende Regionalintegration im Wechselspiel mit dem Ringen um die Weltordnung umwidmete. Wenn immer möglich, verbrachte ich (und verbringe hoffentlich noch manche Jahre) die Abende nach getaner Arbeit bei einem Konzert im einzigartigen Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, in der Staatsoper oder im Burgtheater. Wien war und ist mir die liebste Stadt in Mitteleuropa. Eine kulturelle Weltstadt, die wahrhaft in sich ruht und dadurch menschengemäße Größe ausstrahlt, ohne protzen zu müssen. Zwischen dem 28. Februar 2002 und dem 20. Juli 2003 erarbeitete der Konvent über die Zukunft Europas unter Leitung des früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing den Vertrag über eine Verfassung für Europa. Forschungsinstitute aus allen Mitgliedsstaaten der EU formten EPIN (European Policy Institutes Network), ein Netzwerk, um den historisch einzigartigen Prozess zu begleiten. Wir trafen uns regelmäßig in Brüssel, zumeist am Vorabend einer Vollversammlung des Konvents über die Zukunft Europas. Auf diese Weise gelang das Gespräch mit den wichtigsten Akteuren des Konvents, darunter Valery Giscard d’Estaing, seine Vizepräsidenten und den Sekretär des Konvents, John Kerr, den ich bereits von den KönigswinterKonferenzen kannte. Unschätzbare Hintergrundinformationen flossen in meine eigenen Beurteilungen und weiteren Forschungen ein. Am ZEI führten wir einige Tagungen durch, die Einzelaspekte der Verfassungsthematik vertieften. Wie immer wurden diese Tagungen durch Akteure und auswärtige Kollegen bereichert, darunter Peter Altmaier (CDU) und Jürgen Meyer (SPD), die deutschen Mitglieder des Konvents aus dem Kreis des Bundestages, und Nikolaus Meyer-Landrut, der Sprecher des Konvents. Nachdem der Entwurf des Vertrages über die Verfassung Europas vorlag, richtete ich eine interdisziplinäre Forschergruppe am ZEI ein, die sich unter Beteiligung von Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern sowie Historikern aufmachte, den Text sorgfältig zu kommentieren (ZEI 2003). Ebenso verfuhren wir, als der Vertrag über die

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Abb. 5.41   Die Europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen (herausgegeben mit Marcus Höreth und Cordula Janowski) (2005). (©Nomos Verlag)

Verfassung Europas in finalisierter Fassung vorlag. Wir untersuchten alle Strukturentscheidungen sehr sorgfältig. Unser Kommentarband Die Europäische Verfassung war entsprechend dem Aufbau des Vertrages über die Verfassung für Europa wie folgt gestaltet: Ludger Kühnhardt, Einleitung: Auf dem Weg zum europäischen Verfassungspatriotismus Georg Michels/Peter Zervakis, Präambel Klaus Bünger/Siebo M.H. Janssen, Titel I: Definition und Ziele der Union Andreas Haratsch/Ulrike Steiner, Titel II. Grundrechte und Unionsbürgerschaft Klaus Bünger/Marcus Höreth/Cordula Janowski/Uwe Leonardy, Titel III. Die Zuständigkeiten der Union Marcus Höreth/Cordula Janowski, Titel IV: Die Organe der Union Jens-Daniel Braun/Ralf Capito/Andreas Marchetti/Albert Njoume Ekango, Titel V. Die Ausübung der Zuständigkeiten der Union Marcus Höreth/Cordula Janowski, Titel VI: Das demokratische Leben der Union

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5  Revolutionszeiten in Europa Susanne Mundschenk, Titel VII: Die Finanzen der Union Georg Michels/Peter Zervakis, Titel VIII: Die Union und ihre Nachbarn Andreas Haratsch, Titel IX: Die Zugehörigkeit zur Union.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers attestierte in einem Brief an mich vom 21. November 2005, dass der Verfassungsvertrag ungeachtet der Ratifizierungsproblematik „ein Meilenstein der politischen Entwicklung Europas bleiben“ werde. Analyse und Bewertung der Strukturentscheidungen werden daher „auf den Fortgang des weiteren Integrationsprozesses nicht ohne Folgen bleiben. Für die zu erwartenden Diskussionen haben Sie eine wertvolle Grundlage geschaffen.“ Ich ordnete die Ergebnisse aus diesem Projekt in verschiedenen internationalen Veröffentlichungen ein als Ausdruck der mühevollen Suche nach einem europäischen Verfassungspatriotismus (Kühnhardt 2005c, S. 19 ff.). Dass der Vertrag über die Verfassung von Europa 2005 im Ratifikationsverfahren scheitern sollte, konnten wir nicht voraussehen. Die Zeit, in der sich die Europäische Union anschickte, eine Verfassung zu geben, war außerordentlich spannend und das Potpourri meiner Engagements entsprechend vielseitig. Die Stimmungen schwankten allerorten zwischen Hoffnung und Skepsis. Stets überwog das Gefühl einer Aufbruchstimmung. In Deutschland selbst hatte eine eigenartige Lähmung die europapolitischen Diskussionen erfasst. Die seit 1998 amtierende rot-grüne Bundesregierung erfüllte ihre Pflicht, aber der Schwung und weithin auch die Ernsthaftigkeit war verschwunden, die die Europapolitik in der Ära Kohl bestimmt hatte. Ungarns Botschafter Gergely Pröhle, der in der neuen Botschaft seines Landes wie von einer Theaterloge auf das Brandenburger Tor schauen konnte, war auf dem Weg, seinen Botschafterposten in Berlin mit demjenigen Ungarns in Bern zu wechseln. Sein Trost war bissig, als er bei unserem letzten Gespräch vor seiner Abreise am 17. September 2002 anmerkte, die Schweizer Debatten seien gewiss stimulierender als diejenigen in Berlin, wie er der „Neuen Zürcher Zeitung“ entnehme. Lediglich Joschka Fischer und Wolfgang Schäuble würden in Deutschland noch anregende Impulse setzen. Am 22. September 2002 wurde die rot-grüne Bundesregierung Schröder/Fischer bestätigt. Bei einer Diskussion mit der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, zu der ich am 27. September 2002 nach München eingeladen war, um über die europapolitischen Grundlinien der rot-grünen Bundesregierung zu referieren, rieb ich verwundert meine Augen: Die prinzipielle Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft der Türkei schien die oberste und einzige Priorität der europapolitischen Orientierung dieser Gruppe geblieben zu sein. Mir erschien es fast unmöglich, dass die EVP-Fraktion in der Türkei-Frage auf einem gemeinsamen Kurs bleiben würde: Konservative Briten und Spanier waren der Türkei gegenüber ebenso aufgeschlossen wie die deutschen Christdemokraten ablehnend waren. Christoph Heusgen, Leiter der Planungseinheit des EU-Außenbeauftragten Xavier Solana, erzählte mir im Vertrauen bei einem kleinen Spaziergang am hübsch über München thronenden Maximilianeum, dass sich die Bundesregierung wohl nicht gegen eine EU-Doppelspitze mit einem vom Parlament gewählten Kommissionspräsidenten und einem auf mehrere Jahre von den mitglieds-

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staatlichen Regierungen gewählten Ratspräsidenten stellen werde. Dazu kam es dann endlich nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon 2009. Am 29. Januar und 1. Februar 2003 war ich auf Einladung des deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl, Gerd Westdickenberg, in Rom. Neben einem dichten Gesprächsprogramm im Staatsekretariat des Vatikans, mit Erzbischof Michael Fitzgerald, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Dialog mit den Religionen, mit dem Geschäftsführer von St. Egidio, Monsignore Ambrogio Spreafico, dem SalesianerProfessor Pater Markus Graulich, Kardinal Walter Kasper, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, einer abendlichen Gesprächsrunde bei meinem Freund Gábor Erdödy, Ungarns Botschafter beim Heiligen Stuhl, einer frühmorgendlichen Privatführung von Prälat Max-Eugen Kemper in der Sixtinischen Kapelle und der Besichtigung der vatikanischen Bibliothek ging es vor allem um einen Termin: Am 30. Januar trug ich (in italienischer Sprache) im Centre Culturel St. Louis de France zum 40. Jahrestag des deutsch-französischen Vertrages (Elysee-Vertrag) vor. Eingeladene Zuhörer waren alle französischen und deutschen Kurienkardinäle, darunter Kardinal Joseph Ratzinger, der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, und Kardinal Paul Poupard, der Präsident des Päpstlichen Rates für Kulturfragen. Mit Kardinal Ratzinger tauschte ich mich hinterher über seine Bonner Zeit aus. Zur Türkei-Frage meinte der Kardinal nur lakonisch, wenn es reziproke Religionsfreiheit für Christen in der Türkei gebe, so wie es für Muslime in Westeuropa der Fall sei, sehe er keinen Hinderungsgrund für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei (Kühnhardt 2022a, S. 177 ff.). Am 1. März 2003 erlebte ich eine akademische Premiere in Paris. Ich war beteiligt an der Jury eines Promotionsverfahrens in der Pariser Universität Sorbonne. Zusammen mit Henri Ménudier, dem besten Deutschland-Kenner an der Sorbonne, Renata FritschBournazel, der exzellenten deutsch-französischen Forscherin zu europäischen Fragen, und Horst Möller, dem Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, der sich zu einer Gastprofessur am Pariser Sciences Po aufhielt, saß ich in einem holzgetäfelten Raum im Innern der Sorbonne. Wir waren erhöht aufgebockt wie an einem Richtertisch, uns gegenüber auf einem kleinen Stühlchen die Kandidatin Nathalie Jouan. Der Straßenlärm im Quartier Latin war weit entrückt. Die College-Atmosphäre war gediegen, traditionsbewusst und streng akademisch wie seit den Tagen des Mittelalters. Die Entwicklung der französisch-deutschen Beziehungen in den 1990er-Jahren war Thema der Dissertation, die Natalie Jouan als Thèse en cotutelle in der Sorbonne und an der Bonner Universität zugleich eingereicht hatte, erforscht vorwiegend während eines längeren Aufenthalts als Junior Fellow am ZEI. Eine gut dreistündige Verteidigungsprozedur, in Französisch, die wir mit der Benotung „très honorable“ beendeten. Zur Verkündigung der Note durch Renata Fritsch-Bournazel erhoben sich die Anwesenden, einschließlich des zur Promotions-Verteidigung nach alter Sitte zugelassenen Publikums. In einem benachbarten Hotel lud Frau Jouan ihre Professoren, Eltern und Freunde anschließend zu einem Glas Champagner und Canapés ein. Stilvoll war auch der akademische Ritus in der französischen Republik geblieben.

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Bezeichnend für eine französische Herangehensweise war die Methodologie von Natalie Jouan. Sie hatte sich bei ihren Forschungen komplett auf die Begegnungen der deutschen und französischen „responsables“, das heißt der Bundeskanzler und Staatspräsidenten, konzentriert und ihre ritualisierten Gipfelbegegnungen zum Fokus der Entwicklungen der Beziehungen in den 1990er-Jahren genommen (Themen: Euro, Erweiterung, institutionelle Reformen, Außen- und Sicherheitspolitik). Die Debatten in den Parlamenten beider Länder zum Thema deutsch-französischer Initiativen oder Divergenzen in der EU überhaupt nur zu erwähnen, war ihr nicht in den Sinn gekommen. Außen- und Europapolitik ist in Frankreich Sache des Präsidenten. Noch immer zählte die „construction européenne“ zu den Außenbeziehungen der Grande Nation. Ich hätte im Blick auf das anstehende Referendum zum Vertrag über die Verfassung für Europa hellhöriger sein können. Am 5. Mai 2003 fand an der Universität Innsbruck eine große internationale Tagung zum Komplex der europäischen Verfassung in vergleichender historischer Perspektive statt. Die Kollegen Rolf Steininger, Michael Gehler und Günter Bischof hatten mich an Bord geholt, um einen großen Wurf zu landen. Wir hatten eine bedeutende Gruppe von Gelehrten zusammengerufen, die in allen Facetten die historischen und politischen Vergleiche zwischen der europäischen Initiative und den amerikanischen Erfahrungen in Bezug auf die dortige Bundesstaatsbildung und ihre Weiterentwicklung unter die Lupe nahmen. Wir ließen uns miteinander bereichern von der Weite der Horizonte und der Tiefe der Fragestellungen. Als Historiker wussten wir, dass die innovative und mutige Anlage des Vertrages über die Verfassung für Europa vor der Geschichte ungeachtet des Ausgangs des Ringens um die Ratifikation Bestand haben würde. Wir legten einen sehr soliden und umfangreichen Band vor, an dem die künftige Forschung zu den Fragestellungen, die damals die EU fast zerrissen, nicht würde vorbeigehen können. Wir publizierten den Band der Innsbrucker Tagung bewusst in englischer Sprache, damit er auch auf der anderen Seite des atlantischen Ozeans wahrgenommen werden würde (Gehler et al. 2005). Am 21. Mai 2003 wurde ich in Berlin zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union in den Deutschen Bundestag geladen. Der Ausschuss stand unterdessen unter Vorsitz von Matthias Wissmann. Nach Außenminister Joschka Fischer, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel und den beiden Delegierten des Deutschen Bundestages im Europäischen Konvent, Jürgen Meyer (SPD) und Peter Altmaier (CDU) gab ich meine Stellungnahme als „Sachverständiger“ zum Stand der Beratungen im Europäischen Konvent ab, wie es die Tagesordnung der Sitzung auswies. Abgeordnete aller Parteien griffen einige meiner Anregungen auf, vor allem den Gedanken einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die sich mit den Folgen der europäischen Verfassungsgebung für die Zukunft des deutschen politischen Systems und die Europafähigkeit Deutschlands befassen sollte. Ich forderte einen Frühwarnmechanismus für die gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik, die Wahl des Außenministers durch Rat und Parlament und einen Modus qualifizierter Mehrheit für künftige Verfassungsänderungen. Energisches Europa-

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Engagement wie zu der Zeit von Helmut Kohl war in der deutschen Politik nicht mehr zu finden (Kühnhardt 2003e). Leider änderte sich daran nicht viel in den nachfolgenden zwei Jahrzehnten. Erst die Schrecken der Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine weckten den europäischen Selbsterhaltungstrieb unter deutschen Politikern wieder. Das allein aber bewirkte noch lange keine kohärente Europa-Strategie. Immer wieder suchte ich den Rat weiser Männer der europäischen Politik. Dabei lag mir immer die Verbindung zu Polen besonders am Herzen. Die polnische Regierung fühlte sich durch die Berliner Regierung, gelinde gesagt, vernachlässigt. In Warschau wuchs die Angst, man werde auch nach dem Vollzug der EU-Mitgliedschaft ein Mitglied zweiter Klasse bleiben. Von daher war manches bittere Wort über die Europäische Verfassung zu verstehen. Am 3. Juni 2003 suchte ich Hans-Dietrich Genscher auf, der sich bitter darüber beklagte, dass die Bundesregierung die Europapolitik sträflich vernachlässige, vor allem die Pflege des Verhältnisses zu den kleineren Ländern. Er habe überdies 1991 aus guten Gründen das „Weimarer Dreieck“ erfunden. Er wisse sehr um die latenten antipolnischen Gefühle in Deutschland. Kanzler Schröders Kurs der letzten Monate habe alles eingerissen, was über zehn Jahre aufgebaut worden sei. Die neu aktivierte Freundschaft zu Frankreich sei auch nicht echt. Bald kam es zu erheblichem Streit über den am 23. Juli 2003 vorgelegten Entwurf des Konvents zur Zukunft Europas. Polen und Spanien fühlten sich düpiert und in Bezug auf die Gewichtung der Stimmen ihres Landes unfair behandelt. Das Projekt einer Europäischen Verfassung schien zu scheitern. Am 9. Oktober 2003 konnte ich Polens früheren Außenminister Wladislaw Bartoszewski zu einem Vortrag am Vorabend einer Sitzung des Internationalen Beirats des ZEI willkommen heißen. Wo sind die Führungspersönlichkeiten in unserer Welt, fragte er mich im anschließenden persönlichen Gespräch? Er sei mit 83 Jahren noch immer vital, „ich bin die Papst-Generation“. Ein Mann mit Weisheit und Witz, Eloquenz und Kenntnisreichtum. Polen habe nach 1991 die amerikanische Interessenvertretung in Bagdad übernommen. Jeder Bericht von dort an Colin Powell sei erst einmal über seinen Schreibtisch gegangen. Daher habe ihn, Bartoszewski, in den Irak-Disputen des frühen Jahres 2003 die Heftigkeit der deutschen Ausfälle gegen Polens pro-amerikanischen Standpunkt doch sehr gewundert. Die Deutschen hätten doch besser wissen müssen, dass die polnische Affinität zu den USA nicht einfach Ausdruck einer kurzfristigen Laune war. Immer schwang dabei auch die Sorge vor deutschem Übermut mit, wenn Polen sich nach transatlantischen Rückversicherungen umschaute. Mich drängte es, die Verfassungsdiskussion am Leben zu halten, wo immer ich Gelegenheit dazu fand. Ich konnte Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch, für den das Thema Europa keine wirkliche Priorität hatte, immerhin dazu gewinnen, die Frankfurter Paulskirche für die Diskussion über eine europäische Verfassung zu öffnen. Am 6. November 2003 organisierte die Hessische Landesregierung dort die „Frankfurter Europäischen Verfassungstage“. Roland Kochstellte mich allseits als den Vater der Idee des Kongresses vor. Valery Giscard d’Estaing stellte die zehn zentralen Fortschritte dar, die der Verfassungsentwurf bringen würde: 1) Einheitlichkeit der Verträge. 2) EU wird juristische Person. 3) Grundrechtscharta wird in den Verfassungsvertrag aufgenommen. 4) Die Kompetenzdefinition umschließt die Subsidiaritätsklausel und Gesetzestypen

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werden präzisiert. 5) Verbesserung der gouvernance economique. 6) Doppelte Mehrheit im Entscheidungsverfahren der Ministerräte. 7) Der Präsident des Europäischen Rates wird auf die Dauer für fünf Jahre besetzt. 8) Das Europäische Parlament wird eine vollständige Legislative. 9) Eine verkleinerte Kommission soll ein „collège européenne“ werden. 10) Ein Europäisches Außenministerium wird geschaffen. Vor fast 1000 Zuhörern in der Frankfurter Paulskirche plädierte ich für eine einheitliche europäische Armee, eine gemeinsame, ressourcensparende Rüstungsbeschaffung der EU und für eine enge Partnerschaft mit den USA. Ich beklagte, dass Deutschland infolge des „Kalten Krieges im Westen“ über den Irak-Konflikt seine strategische Rolle im Verhältnis zu den USA verloren habe und sein Verhalten zu massivem Misstrauen unter den Europäern geführt habe. Nur ein Konsens zwischen Großbritannien und Frankreich werde die EU zu einer relevanten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik führen (Kühnhardt 2004a, passim; 2003f, S. 12; 2003g, S. 26 ff.; 2003h, S. 4; 2003i, S. 5). Keine zwei Wochen später, am 17. November 2003, variierte ich meine Verfassungsvorstellungen bei einem Kongress der CDU unter dem Banner „Mut zu Vision – Europa“ im Alten Rathaus von Hannover. Im Publikum saß der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen, Ernst Albrecht, recht alt geworden. Ich konnte ein Gespräch mit ihm über seine Zeit im Kabinett des neben Walter Hallstein ersten deutschen EU-Kommissars, Hans von der Groeben, führen. Es sei ein gewaltiges Erlebnis gewesen, als damals 23-Jähriger ab 1954 zunächst in der Montanunion und ab 1958 als Kabinettschef an der Seite von der Groebens an der Entwicklung der Wettbewerbsregeln und des Wettbewerbsrechts mitzuwirken. Dies sei der Kern des Projektes, das den Europäischen Binnenmarkt und die gemeinsame Währung hat möglich werden lassen. Die Alten hätten damals in den 1950er-Jahren Enormes geleistet. Albrechts eigene Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen lag auch schon wieder zwei Jahrzehnte zurück, ging es mir durch den Kopf. Noch wichtiger war mir, mitzuhelfen, die europäische Verfassung doch noch zu retten. In den Medien verschiedener EU-Mitgliedsstaaten verbreitete ich Stimmung gegen den grassierenden Defätismus. Mit grundsätzlichen Analysen beteiligte ich mich an der internationalen Diskussion der europäischen Verfassungsgebung, die ja weltweit aufmerksam verfolgt wurde (2002c, S. 50 ff.; 2003j, S. 37 ff.; 2004b; 2004c). Ebenso langwierig wie die Verfassungsdiskussion würde sich die Diskussion um eine konsequente, effiziente und legitime europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik noch im theoretischen Raum ergehen, wenn sie auf der politischen Bühne ebenso weich, luftig und repetitiv, aber nicht handlungsspezifisch geführt wird, wie bei einem Workshop, an dem ich am 12. Januar 2004 im Sicherheitspolitischen Institut der EU in Paris teilnahm. Eine Wahrheit war Konsens im Kreis von gut 40 Kolleginnen und Kollegen aus allen Ecken der EU: Einen Durchbruch in Sachen europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik werde es nur geben, wenn Frankreich und Großbritannien die politische Führungsrolle übernehmen. Deutschland wurde allseits als Juniorpartner betrachtet. Die für mich bewegendste Begegnung in allen diesen Jahren fand am 14. April 2004 im Vatikan statt: Audienz bei Papst Johannes Paul II. Am Tag zuvor hatte ich in der Accademia di Ungheria zwei Bücher meines Freundes Gábor Erdödy über Trans-

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formationserfahrungen und die politische Kultur in Mitteleuropa vorgestellt (Erdödy 2003a; 2003b). Gabor war unterdessen Botschafter seines Landes beim Heiligen Stuhl. Mein kleiner Vortrag bei dieser Gelegenheit trug den Titel „Rafforzare la cultura europea della memoria”. Niemand hatte mit größerer Autorität die Erinnerung an die kulturellen und spirituellen Wurzeln Europas in den Jahrzehnten der Teilung des Kontinents so sehr hochgehalten wie der polnische Papst. Johannes Paul II. hatte immer wieder von den zwei Lungenflügeln gesprochen, aus denen Europa atmet und die zusammengehören. Mit der ersten Reise seines Pontifikats in seine polnische Heimat hatte der charismatische Karol Wojtyła 1979 dort ein Erdbeben ausgelöst. Sein Credo „Habt keine Angst“ hatte für Gläubige wie für Agnostiker Gewicht. Johannes Paul II. hat in den langen Jahren seines außergewöhnlichen Pontifikats das Antlitz Europas erneuert. Es war eine außergewöhnliche Fügung, dass ich nach der Buchvorstellung von der slowakischen Botschafterin beim Heiligen Stuhl eingeladen wurde, mit meiner Familie am darauffolgenden Tag an der Audienz einer slowakischen Pilgergruppe bei Papst Johannes Paul II. teilzunehmen. Einem feierlichen Gottesdienst im Petersdom folgte die Begegnung mit Johannes Paul II. in die Audienzhalle des Vatikans. Mit Enikö, unserer Tochter Victoria und unserem Freund Gábor Erdödy fand ich mich plötzlich in der prima fila, der Ehrenreihe. An der Spitze unserer Gruppe stand der Präsident der Slowakei, Rudolf Schuster. Nach dem Austausch höflicher Worte begrüßte der schon enorm gebrechliche Papst jeden aus der prima fila mit Handschlag. Die siebenjährige Victoria zog er mit den wenigen verbliebenen Kräften ein wenig hoch und gab ihr einen Kuss auf die Stirn (Kühnhardt 2022a, S. 225 ff.).

Abb. 5.42   Audienz bei Papst Johannes Paul II. im Vatikan (2004). (©Ludger Kühnhardt)

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Unter Vorgriff auf eine Klausel im Vertrag über eine Verfassung für Europa gelang es nach den Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004, die Spitze der Europäischen Kommission mit einem Kandidaten der Parteifamilie zu besetzen, die als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen war, der Europäischen Volkspartei (EVP). Die von Hans-Gert Pöttering geführte Fraktion der EVP widersetzte sich den Absichten des deutschen Kanzlers Gerhard Schröder und des französischen Präsidenten Jacques Chirac, den belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt als neuen Präsidenten der Europäischen Kommission zu etablieren. Stattdessen setzten Pöttering und die EVP den portugiesischen Ministerpräsidenten José Manuel Durão Barroso durch, ein pro-integrationistischer Atlantiker aus einem kleineren Land. Erstmals nach Roy Jenkins stand jemand von außerhalb des engen Gründerstaaten-Zirkels an der Spitze der Europäischen Kommission. Ich hatte sie alle schon irgendwann einmal gesehen und erlebt: Schröder und Chirac, Jenkins und Barroso. Bei allem Respekt vor ihren jeweiligen Verdiensten und Charakteren: Dass bis heute nur Jean Monnet und Helmut Kohl zu Ehrenbürgern Europas ernannt worden sind, hat gute Gründe. Unter verschiedenen Aspekten verlagerten sich 2004/2005 die Gewichte in Europa. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa hing einstweilen in der Luft. Nach der anstehenden Osterweiterung würde es in den nächsten Jahren darauf ankommen, mit Geduld und Umsicht größere Differenzen zwischen West und Ost in der erweiterten EU zu begrenzen. Auch Bonn änderte sich endgültig. Die letzten Diplomaten zogen ab. Am 29. Juli 2004 verabschiedete sich Tschechiens Gesandte Jaroslava Jeslinkova. Ich sei vor drei Jahren der erste Deutsche gewesen, mit dem sie ein gutes Gespräch geführt habe, nun sei ich der letzte deutsche Gesprächspartner. Ihre Tochter Eva Jeslinkova hatte unterdessen erfolgreich den Master of European Studies am ZEI absolviert und eine Karriere in Brüssel im Auge, wie nicht wenige der Absolventen meines Instituts. Auch mir war Brüssel zur neuen Hauptstadt geworden, wo ich regelmäßig Gespräche führte, um den Puls der europäischen Entwicklung zu messen. Nicht jeder schaute in diese Richtung. Ausgerechnet am 1. September 2004, 65 Jahre nach Kriegsausbruch, trafen sich Wladimir Putin, Gerhard Schröder und Jacques Chirac in Sotschi und spielten die immer gewalttätiger werdende Lage in Tschetschenien einvernehmlich herunter. Die ewige Suche nach Frieden, sie würde auch an den Rändern Europas nur über die Mechanismen gelingen, die von der EU unter vielen Mühen und Qualen erarbeitet werden. „Was glauben Sie, was heute in Polen los ist?“, fragte mich Hans-Dietrich Genscher entgeistert, den ich an genau diesem Tag wieder einmal zu Hause besuchte. Nie sei das von ihm als langfristige Zukunftsinitiative entwickelte „Weimarer Dreieck“ wichtiger gewesen. Dann wurde in Deutschland auch noch zur Unzeit eine Debatte über einen deutschen Sitz im UNO-Sicherheitsrat geführt. Den derzeitigen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Günther Pleuger, habe er, Genscher, einmal gefragt, ob er einen Sohn habe, denn den müsse er auf das Thema trainieren, das 30, 40 Jahre benötige, um Wirklichkeit zu werden. Ein europäischer Sitz im Sicherheitsrat der UNO müsse es am Ende aber sein, sagte Genscher, ergänzend zu den Sitzen der Briten und Franzosen und als Vorbild für andere regionale Vertretungen auf der Welt.

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Am 1. Mai 2004 war die Aufnahme von zehn neuen Mitgliedsstaaten in die EU vollzogen worden. Am 12. Juni 2004 wurde das Europäische Parlament neu gewählt. Am 18. Juni 2004 fanden die Staats- und Regierungschefs einen Kompromiss im festgefahrenen Streit um den Verfassungsvertrag. Am 29. Oktober 2004 wurde dieser Vertrag über eine Verfassung für Europa in Rom feierlich unterzeichnet. Am 22. November 2004 übernahm José Manuel Durão Barroso die Führung der Europäischen Kommission von Romano Prodi. Am 29. Mai 2005 wurde der Vertrag über eine Verfassung für Europa in einem Referendum in Frankreich abgelehnt. Am 1. Juni 2005 lehnte die Mehrheit der Niederländer in einem Referendum den Vertrag ebenfalls ab. Am 18. September 2005 fanden Wahlen zum Deutschen Bundestag statt. Nach turbulenten Wochen nahmen CDU/ CSU und SPD am 17. Oktober 2005 Koalitionsverhandlungen auf. Am Tag darauf, am 18. Oktober 2005, schrieb ich der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel einen längeren Brief mit Empfehlungen für „Weichenstellungen“ in der Europapolitik, die aus meiner Sicht „notwendig“ waren, „um zu einem Neubeginn zu gelangen“. Ich schlug der präsumtiven neuen Bundeskanzlerin eine Reihe von aufeinander abgestimmten Reisen und Reden vor, an die Akzente mit „inhaltlichen Erfordernissen“ anknüpften. Dabei hatte ich bereits die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 im Auge. Ich empfahl, im Bundeskanzleramt die Koordinierungskompetenz für alle anstehenden Vorbereitungen anzusiedeln. Die wichtigsten Themen, die ich für die Agenda der anstehenden deutschen Ratspräsidentschaft nannte, waren offensichtlich: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im EU-Binnenmarkt, Abbau der Arbeitslosigkeit, Strategien zum Umgang mit der demografischen Entwicklung in Europa, Stärkung des Bildungs- und Wissenschaftsraumes, Umgang mit Migration und mit religiöser Vielfalt in Europa, Stärkung der Zusammenhänge von europäischer Integration und transatlantischer Partnerschaft, kritische Reflexion über den Nutzen und die Wirkung der Nachbarschaftspolitik. Ich schlug vor, die gesamte Ratspräsidentschaft 2007 unter das Motto zu stellen „Vertiefung im Zeitalter von Globalisierung“. Es werde ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft werden, dass Deutschland wieder zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien und damit des europäischen Rechts zurückkehre. Als einen konkreten Beitrag, um das in den vergangenen Jahren arg ramponierte Vertrauen der Bevölkerung in die Europäische Union wiederherzustellen, schlug ich vor, praktische Handreichungen erstellen zu lassen zum Thema „Vom praktischen Nutzen der EU“. Am 11. November 2005 wurden die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD beendet. Am 22. November 2005 wurde Angela Merkel im Deutschen Bundestag als Bundeskanzlerin einer Großen Koalition gewählt und am gleichen Tag von Bundespräsident Horst Köhler vereidigt. Nur eine Revolutionszeit wie diese konnte erstmals eine Frau aus Ostdeutschland an die Spitze der Regierung des wiedervereinigten Deutschlands bringen. Ich hatte ihr in meinem Brief vom 18. Oktober 2005 empfohlen, als erstes die Institutionen der Europäischen Union aufzusuchen. Tatsächlich führte sie ihr erster Weg einen Tag nach Amtsantritt am 23. November 2005 nach einem Treffen mit Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac in Paris nach Brüssel zur EU und zur NATO. Dies war ein gutes Zeichen,

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auch in Richtung USA. Mein Brief war nicht vergessen. Am 2. Dezember 2005 schrieb mir Angela Merkel ihre Antwort, ganz korrekt auf dem Briefpapier der CDU-Parteivorsitzenden. Sie dankte für „Ihre operativen Überlegungen zur Europapolitik“, die „viele gute Ansatzpunkte, insbesondere zur Vorbereitung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft“ enthielten. Angela Merkel teilte meine „Einschätzung, dass die Wiederherstellung des Vertrauens in Europa in der deutschen Öffentlichkeit eine vorrangige Aufgabe darstellt“. Die abschließende Bitte Merkels, dabei „tatkräftige Unterstützung“ zu leisten, erfüllte ich. Wenige Monate später erhielt ich den Auftrag, mit einem Team im Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) eine Broschüre „50 gute Gründe für Europa“ zu erarbeiten. Sie wurde während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in großer Auflage durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vertrieben. Der nächste Brief von Angela Merkel erreichte mich mit dem Briefkopf der Bundeskanzlerin. Für den 6. Dezember 2006 lud sie mich zu einer Gesprächsrunde zur Vorbereitung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 ins Berliner Kanzleramt ein. Das Treffen versprach nicht wirklich neue strategische Perspektiven für Europa, die von Deutschland ausgehen würden. Die Große Koalition lehnte ich ohnehin aus grundsätzlichen staatspolitischen Erwägungen ab. Dadurch konnten nur die extremen Ränder der deutschen Gesellschaft gestärkt werden, befürchtete ich seit dem Tag ihrer Einrichtung. Leider kam es genau so, weil sich multipler, dabei häufig durchaus diffuser Unmut in der deutschen Gesellschaft über unterschiedliche Themen im Laufe der nächsten Jahre Zug um Zug zu einer trüben Mischung zusammenbraute,ohne dass es eine korrigierende starke parlamentarische Opposition zur Berliner Regierung und ihrer Fixierung auf technokratisches Exekutivhandeln gegeben hätte.

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Die Atlantische Zivilisation

Die atlantischen Verbindungen waren stets so etwas wie eine zweite Haut für Ludger Kühnhardt. Die USA waren für ihn immer präsent, noch ehe Ludger Kühnhardt sie 1984 erstmals in unmittelbarer persönlicher Anschauung erlebte. Die USA blieben ein Fixpunkt in seinem Denken auch dann, als die USA durch tiefgreifende Krisen gingen und gefällige Kritik an der amerikanischen Politik in Europa wieder zum guten Ton gehörte. In den USA hat Ludger Kühnhardt mehrfach die besten Bedingungen für seine Forschungen erfahren. Insgesamt mehr als dreieinhalb Jahre hat er in den USA gelebt und über Jahrzehnte bei fast jährlichen Besuchen immer auch in einen Spiegel Europas geschaut. Er hat alle Bundesstaaten der USA kennengelernt und, ganz nebenbei, mit Kanada und Mexiko auch die beiden anderen kontinentübergreifenden Föderationen Nordamerikas. Die Atlantische Zivilisation gehört für Kühnhardt über alle Krisen, Überheblichkeiten und Erschütterungen unauflösbar zusammen. Die gilt gerade dort, wo die verschiedenen Teilregionen dessen, was „der Westen“ genannt wird, die Welt mit unterschiedlichen Sichtweisen wahrnehmen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine machte dies 2022 deutlicher denn je.

6.1  Der ewige Spiegel (Kühnhardt 1998a) – Atlantik-Brücke (Kühnhardt 2002a) Im Grunde verdanke ich Amerika das Beste, was ich in der Forschung habe leisten können. Denn fast alle meine größeren wissenschaftlichen Studien habe ich in den USA erforscht, durchdacht und niedergeschrieben. Nirgendwo ist die Forschungsinfrastruktur besser, die Atmosphäre inspirierender, die Weite des Horizontes für die Erweiterung des eigenen Geistes betörender. Jedenfalls habe ich es immer wieder so angetroffen, genossen und geschätzt. Antiamerikanische Töne waren in meinem © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_6

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6  Die Atlantische Zivilisation

Vokabular immer fremd. Amerika hat mich beflügelt und mir viel geschenkt. Gleichzeitig habe ich Amerika immer als Kontrast empfunden. Amerika, das ist der Teil von uns Europäern, der wir selber nicht sind. Der Teil von uns, der wir gelegentlich gerne selber wären, und auf den wir fast mitleidsvoll blicken, wenn er nicht so funktioniert, wie wir es gerne hätten. Der Teil von uns, auf den wir gerne rasch schimpfen, um unsere nur ungern gezeigte Selbstkritik lautstark zu übertönen. Amerika, schrieb ich 1998 in der „Zeitschrift für Kulturaustausch“, „ist und bleibt der Spiegel, in den zu blicken eine elementare Bedingung ist, um Europäer zu sein und zu bleiben“ (Kühnhardt 1998a, S. 29 ff.). Die Atlantische Zivilisation, so schrieb ich weiter, ist eine Einheit im Gegensatz und dazu berufen, „Gemeinschaft in Weltverantwortung“ zu sein. Gäbe es die USA nicht, so müsste man sie erfinden, um ihrer selbst willen, aber auch um Europa willen. Während es eine amerikanische Idee gibt, gleichsam als mission civilisatrice, so fehle es weiterhin an einer europäischen Idee, schrieb ich 1998. Brücken zwischen beiden Seiten der Atlantischen Zivilisation zu bauen, sei aus Eigeninteresse für beide Seiten unverzichtbar, endete ich meinen Essay. Ich hätte es vorher nicht anders sagen können. Ich musste später nichts hinzufügen. Ich war schon Teil der Brücke, die die verschiedenen Enden der atlantischen Zivilisation miteinander verbindet, noch ehe ich an dieser Brücke mit bescheidenen Beiträgen mitwirken konnte. Ich blieb Befürworter der Atlantischen Zivilisation auch dann, als diese Brücke erheblich wankte und tiefgreifende Schäden erlitt. Die Atlantik-Brücke führt immer auch zu uns nach Europa zurück. Als Schüler bewunderte ich Martin Luther King und seine Botschaft der gewaltfreien Veränderung (King 1974). Das Buch seiner Witwe, Coretta Scott King, über ihr gemeinsames Leben beeindruckte mich sehr (Scott King 1971). Am 6. Juni 1968 sah ich die Ermordung von Robert Kennedy und am 20. Juli 1969 die Mondlandung von Apollo 11 im Fernsehen. Der Vietnam-Krieg machte mir die damalige amerikanische Außenpolitik suspekt, aber wer das Land der Freiheit und der Grundrechte niedertrampelte, machte mich noch stutziger. Als 1968 die Oberstufen-Schüler meines Gymnasiums gegen den Vietnam-Krieg demonstrierten, empfand ich dies als unangenehm. Im Schulunterricht lernte ich natürlich über die Sklaverei und den amerikanischen Bürgerkrieg. Ich las aber auch das Buch Zivilcourage von John F. Kennedy (Kennedy 1960) und Jimmy Carters Memoiren Das Beste geben (Carter 1976). Die Musik von Louis Armstrong, Frank Sinatra und Elvis Presley begleitete meine Schulzeit. Als erste Kino-Filme sah ich „Die Zehn Gebote“ mit Charlton Heston als Moses und Yul Brynner als Ramses sowie „Der Clou“ mit Paul Newman und Robert Redford. Ich mochte Coca-Cola, weil meine Eltern sie uns Kindern untersagt hatten. Ich verstand noch nichts von Soft Power, als ich diejenige der USA bereits verinnerlicht hatte. Die Hard Power kam mir später auch entgegen. Über die Medien nahm ich den Watergate-Skandal wahr und den Rücktritt von Präsident Richard Nixon, den ich am 9. August 1974 im Autoradio bei einer Ferienreise mit meinen Eltern in Irland fast so verfolgte als ginge es dabei um uns in Europa. Der Ost-West-Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion war immer wieder präsent in den Gesprächen in meinem Eltern-

6.1  Der ewige Spiegel (Kühnhardt 1998a) …

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haus. Die Kuba-Krise steckte meinen Eltern als existenzbedrohend bis zum Ende des Kalten Krieges in den Knochen. Die Kontakte zu Verwandten meines Vaters in Minnesota wurden gepflegt, aber meine Eltern waren nie in den USA. Wie die meisten damaligen Westdeutschen meinten sie, ohnehin das meiste schon intuitiv zu kennen und zu verstehen, was Amerika ausmacht. Amerika war in den 60er- und 70er-Jahren einfach präsent und nahe in Deutschland, auch wenn man das Land und die Schattierungen seiner Gesellschaft gar nicht aus eigener Anschauung kannte. Dass es bei allen nur denkbaren Fragen der damaligen Zeit häufig in erster Linie nicht um eine Antwort auf das Problem selbst ging, sondern implizit immer darum, wie man es denn mit Amerika halte, fiel mir erst später auf. Ich hatte seit Schulzeiten ein ungetrübt positives Amerikabild und fand die Amerikaner einfach als Teil meines Lebens, zu uns gehörig. Über den Westen musste ich nicht viel nachdenken, ich war einfach ein Teil von ihm. Am 14. Juli 1978 erlebte ich US-Präsident Jimmy Carter bei einer Ansprache auf den Stufen des Bonner Rathauses. Nein, es habe nicht geregnet, widersprach er einem beliebten Vorurteil über das deutsche Wetter. Er sei auch nicht müde wegen des häufig schwülen Klimas am Rhein, und wo immer er hinkomme, seien die Schranken nicht zu, schmeichelte er den Bonnern. Die USA und Deutschland seien „die engsten Partner in einer globalen Anstrengung zur Sicherung von Frieden, Freiheit und Stabilität der Menschheit“. Daher sei es für die USA selbstverständlich, die NATO-Ausgaben zu erhöhen: „Unsere Sicherheit ist Ihre Sicherheit und Ihre Sicherheit ist die unsrige.“ Er zitierte Carl Schurz: „Der echte Amerikaner muss ein schöpferischer Weltbürger sein.“ Ich hatte keinen Zweifel an diesem Selbstbild, das Präsident Carter formulierte. Mir sympathisch fuhr er fort: Deutsche und Amerikaner hätten heute „als Weltbürger auch ein Bewußtsein für die Interdependenz aller Menschen überall“. Präsident Carter beschrieb die entstehende Globalisierung: Er erwähnte die historischen Gebäude um ihn herum und sofort danach die Erscheinungen der neuen Zeit am Bonner Marktplatz: ein Chinarestaurant, ein amerikanisches Fotogeschäft, Kaufhäuser mit Waren aus Frankreich und Skandinavien. Damals war all dies noch eine neue und große Sache. In den ersten Jahren nach dem Abitur war ich nicht primär an der Entdeckung Amerikas interessiert. Nicht etwa, weil ich nicht neugierig gewesen wäre. Ich meinte, die USA im Gegensatz zu anderen Gebieten der Erde doch schon irgendwie zu kennen, ohne je dagewesen zu sein. Diese Einstellung zu Amerika erlebte ich später immer wieder auch bei anderen Menschen: So feste Meinungen wie über Amerika hatten die wenigsten Menschen über irgendein Land, irgendein anderes System, irgendeine Kultur. Vor allem dann, wenn sie noch nie dagewesen waren. Ich lernte Amerika über seine Menschen kennen. Freundlich und zugewandt, unkompliziert und geradlinig, so habe ich Amerikaner ungeachtet aller Wandlungen der Zeiten immer wieder neu erlebt. Sie seien zu keiner tiefen Freundschaft fähig, lautet einer der stereotypen Merksätze aus dem Vokabular der antiamerikanischen Vorurteile. Ich habe nirgendwo sonst – außer vielleicht in Brasilien – Menschen erlebt, die sich so rasch öffnen, dass man fast denken muss, man kenne sich schon lange und sei befreundet. Sie reden direkt und denken geradeaus. Das Beste an Amerika sind seine Menschen. Deshalb hatte ich nie Schadenfreude, wenn

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es ihnen schlecht ging. Sie taten mir dann eher leid, so wie man es gegenüber einem Cousin empfindet, der immer so unverwundbar schien und doch straucheln kann. Die ersten Amerikaner in den USA sprach ich am 9. August 1984 auf dem Autoparkplatz vor dem Olympia-Stadion von Los Angeles (Kühnhardt 2021, S. 287 f.). Wie ich waren sie auf dem Weg ins Stadion zu einem Wettkampf bei den XXIII. Olympischen Spielen. Sofort war das Gespräch eröffnet und ebenso schnell folgte die Erzählung der ganzen Familie: Der Ehemann sei in der Nähe von Kaiserslautern stationiert gewesen. Germany, so die Mutter, sei so „nice“. Und dann, stimmten die Kinder ein, das Oktoberfest, „how wonderful“. Ich habe das Oktoberfest bis zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Werkberichts noch nicht einmal besucht. Im Memorial Coliseum von Los Angeles stand an jenem Tag im August 1984 der Zehnkampf der XXIII. Olympiade auf dem Programm. Gold ging an den Briten Daley Thompson, Silber an den Deutschen Jürgen Hingsen, Bronze an Siegfried Wentz, ebenfalls aus Deutschland. Ich war gefühlt allein unter 77.000 Zuschauern, als ich Hingsen vergeblich anfeuerte. Die Amerikaner um mich herum nahmen es gelassen. Wie so vieles, was ich später mit ihnen und an ihrem Verhalten erlebt habe. Schon bei meinem ersten USA-Aufenthalt konnte ich ein breites Spektrum Amerikas erleben. Von den Olympischen Spielen ging es nach San Francisco und mit dem Fahrrad durch den Sequoia National Park. Ich sah die Niagara-Fälle und die Küste von Maine. Der Junge Union-Vorsitzende Matthias Wissmann, mit dem ich die Rundreise unternahm, und ich waren Teil einer deutschen Gruppe, die am Nominierungsparteitag der Republikaner in Dallas teilnahm. Dort wurde vom 20. bis 23. August 1984 für Präsident Ronald Reagan ein politisches Hochamt gefeiert, wie es nur in den USA möglich ist (Kühnhardt 2021, S. 289 ff.). Wir erlebten Ronald Reagan und seine Frau Nancy sowie Vize-Präsident George Bush und seine Frau Barbara. Ich lief vielen Granden der seinerzeitigen amerikanischen Regierungspartei über den Weg, darunter Transportministerin Elizabeth Dole und UN-Botschafterin Jeanne Kirkpatrick, dem politischen Urgestein Barry Goldwater und Katherine Ortega, Treasurer der USA. Ich erlebte ABC-Anchorman Peter Jennings, texanische Öl-Millionäre und Straßenbettler. Ronald Reagan, der als Präsidentschaftskandidat erneut nominiert wurde, sprach bei einem dramaturgisch monumental inszenierten Auftritt vom „Morning in America“. Gebete, Gesänge, und immer wieder die Nationalhymne: Die zivilreligiöse Überhöhung der amerikanischen Politik wurde mir in diesen Tagen erstmals geradezu körperlich bewusst. Die populäre Seite des amerikanischen Patriotismus, der sich niemand entziehen konnte, erlebte ich, als Lee Greenwood sein später berühmtes „God bless the USA“ intonierte. Es zog mich in Dallas natürlich auch zur Daley Plaza, wo, aus dem gegenüberliegenden Texas School Book Depository, am 22. November 1963 Präsident John F. Kennedy erschossen wurde. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hatte mich gepackt. In wenigen Tagen. Für immer. Ronald Reagan, the great communicator, war für mich ein Fels in der Brandung gegen den noch immer aggressiven Kommunismus im Osten Europas und an so manchem anderen Ort der Erde. Er wie die USA waren für mich die Garanten unserer Freiheit in

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Europa. Erst langsam gewöhnte ich mich an die komplexe Struktur der amerikanischen Gesellschaft, in der pluralistische Meinungen heftigst aufeinanderschlagen. Ich las im „Boston Globe“ kritische Analysen über „Reaganomics“, die ich damals zunächst noch weniger einzuordnen wusste als die Postulate der vielen Linksintellektuellen, die mich bei meinem anschließenden Aufbaustudium in Harvard umgaben. Fast ritualisiert droschen sie auf die „Chicago Boys“ um Milton Friedman ein, die Ökonomen, die für Präsident Reagans Politik Stichwortgeber gewesen waren. Die These, dass „Reaganomics“ schlussendlich zur Wahl von Präsident Donald Trump im Jahr 2016 führen konnte, gehörte Jahrzehnte später zu den intelligenteren Analysen des Aufstiegs von Donald Trump. Die Steuersenkungspolitik der frühen Jahre der Reagan-Präsidentschaft (1981– 1989) bewirkte, so das Argument, schlussendlich nicht nur Haushaltseinbußen und Staatsverschuldung, sondern auch einen Anstieg privater Verschuldung der ärmeren Bevölkerungsschichten, einen Rückgang der Industrieproduktion, eine Stärkung der Finanzdienstleistungen, einen Arbeitsplatzverlust zugunsten Chinas, den sozialen und kulturellen Niedergang der amerikanischen Unter- und Mittelschicht und damit den Nährboden für Elitekritik und die Wahl von Donald Trump (Komlos und Schubert 2020). Beim Rückblick ist mir klargeworden: Bereits in der Mitte der 80er-Jahre liefen in den USA zwei Züge von geschichtlicher Tragweite unverbunden nebeneinander. „Reaganomics“ lautete die Kennmarke des einen Zuges. „Imperial overstretch“ lautete die andere Kennmarke. Als 1987 Paul Kennedys Buch The Rise and Fall of the Great Powers (Kennedy 1987) erschien, las ich es wie die meisten als Voraussage des nahenden Niedergangs der Sowjetunion. Kennedys Schlusskapitel über den relativen Niedergang der USA wollte ich damals nicht so recht wahrhaben. Zu stark und selbstgewiss traten mir die USA unter Ronald Reagan entgegen. Der Nato-Doppelbeschluss von 1979, die Strategic Defense Initiative von 1983, die „Mr. Gorbachev, tear down this wall“-Rede Reagans in Berlin 1987: Wenn eine Macht im Niedergang war, dann war es die Sowjetunion, so dachte ich damals. Die USA, so wie ich sie 1984 erstmals erlebte, waren das Land des Freiheitsversprechens, des Aufstiegs, der Allgegenwart von Macht. Natürlich sah ich die Kontraste. Ich sah die Obdachlosen am Harvard Square, die schwarze Wut in Harlem, die ländliche Trostlosigkeit in Alabama oder Maine (Kühnhardt 2021, S. 292 ff.). Aber Amerika, das war einstweilen für mich eine gute Idee, die Wirklichkeit geworden war und immer stärker wurde. Kurz vor meinem ersten USA-Aufenthalt war 1981 Samuel P. Huntingtons Buch American Politics: The Promise of Disharmony (Huntington 1981) erschienen. Huntingtons Analysen über die Modernisierungsproblematik in der Dritten Welt hatte ich während meines Studiums mit großem Gewinn gelesen (Huntington 1968). So war ich ebenso glücklich wie beeindruckt, Samuel Huntington schon alsbald in Harvard kennenzulernen und an seinem Seminar JOSPOD teilnehmen zu dürfen. Seine 2005 erschienene sorgenvolle Analyse über Amerikas zerrissene Identität Who are we? war in den 80er-Jahren noch nicht einmal theoretisch vorstellbar (Huntington 2005). Wir blieben bis kurz vor seinem Tod 2008 im lockeren Gespräch miteinander oder tauschten E-Mails aus. Mich hatte immer beeindruckt, wie

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bescheiden und unprätentiös dieser große Gelehrte auftrat. Als er mir mitteilte, er könne leider nicht an meinem Seminar über „Encounters of civilization“ teilnehmen, das ich während einer Gastprofessur 2000 am Dartmouth College durchführte, vergaß er nicht festzustellen, „I probably would have come out of the encounter intellectually humbled“. 1984/1985 las ich in Harvard wie selbstverständlich die Bücher von Richard Hofstadter, um den Weg der amerikanischen Geschichte zu verstehen (Hofstadter 1948; 1958). Seine ideengeschichtliche Schlussfolgerung, Amerika habe keine Ideologie, sondern sei eine solche, las ich als Wort der Bewunderung. Ohne Sinn für Selbstkritik oder Zukunftszweifel. Amerika schien die Inkarnation der Idee des Fortschritts zu sein, die Europa infolge der Brüche in seiner Geschichte verloren hatte. Entrückt dem Europa der Ideologien und totalitären Hypostasierungen, atmete ich den Geist der Freiheit und zweifelte nicht an der dahinter liegenden Wahrheit. „Veritas“, das Motto der Harvard University, schien mir die Ernsthaftigkeit des American Spirit perfekt widerzuspiegeln. Es kam mir vor wie die akademische Verdichtung des fröhlichen, entspannten Lebensalltags, den ich überall in den Weiten der USA antraf. Ich entdeckte Robert R. Palmers These von der Atlantischen Zivilisation und fühlte sie durch meine eigene Entdeckung der Neuen Welt bestätigt (Palmer (1959) 1964). Die unterschiedlichen Entwicklungen der britischen und französischen, spanischen und portugiesischen Eroberungen in den beiden Amerikas und später die unterschiedlichen Ausprägungen der amerikanischen und der französischen Revolution konstituierten eine gemeinsame Zivilisation und zugleich die ihr immanenten Gegensätze. Mithilfe dieser Lesefrüchte betrachtete ich in den 1980er-Jahren nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart Amerikas. Bei meinem ersten Vortrag in den USA am 7. November 1984 am Center for European Studies der Harvard University nahm ich einen Faden wieder auf, an dem ich schon vor meiner Begegnung mit den USA gesponnen hatte: Die Dritte Welt. Das Wort selbst, so führte ich aus, sei Teil eines ideologischen Kampfes. Es werde von einer Reihe unterentwickelter Länder und deren ideologischen Verbündeten in der industrialisierten Welt manipulativ verwendet. Ich verknüpfte die Nord-Süd-Frage mit dem Ost-WestKonflikt. Nötig sei es, die Freunde der Freiheit im Süden des Planeten zu identifizieren. Indien steche dabei vor allem hervor, nach Bevölkerungszahl die größte Demokratie der Erde. Ich diskutierte kritisch die Zustände in vielen Entwicklungsländern und die Verantwortung dafür der örtlichen Eliten. Der technokratische Entwicklungsbegriff, den die Weltbank postuliere, sei nicht ausreichend, um die Komplexität des Entwicklungsproblems zu erfassen. Ich forderte zusätzliche Indikatoren, um die Realitäten im globalen Süden besser abzubilden. Dass 600 Mio. Menschen hungern müssen und 15 Mio. von ihnen jährlich sterben, sei schockierend, aber eben mehr als ein soziales Problem. Es sei auch ein Problem unzulänglicher Nationalstaatsbildung und ihrer mangelhaften oder völlig fehlenden gesellschaftlichen Voraussetzungen. Die weltweit dominierende Entwicklungs-Community unterschätzte aus meiner Sicht die menschliche Dimension und die nationalstaatlich-geopolitischen Aspekte des Entwicklungsproblems. Die

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Nord-Süd-Kommission unter Leitung von Willy Brandt, fuhr ich fort, habe neue Anstöße gegeben. Aber auch diese Analyse sei noch längst nicht auf der Höhe eines neuen, holistischen und integralen Entwicklungsbegriffs angekommen. Ich diskutierte in meinem Vortrag das Entwicklungsproblem mit politikwissenschaftlichen Kategorien: Konflikt und Kooperation, Macht und Ohnmacht. Die deutsche Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit stellte ich in Bezug zur atlantischen Zusammenarbeit, die verbessert werden sollte. Ich blickte zurück auf die deutsche Kolonialzeit, erinnerte an Namibia und Kamerun, Togo und Tanganyika, Marshall Inseln und Bismarck-Archipel. Ich spannte den Bogen zur Schrumpfung der deutschen Weltwahrnehmung in Zeiten der deutschen Teilung und der Objektstellung beider deutscher Staaten im Zeichen des Ost-West-Konflikts. Pauschaler „aid pessimism“, über den am Tag meines Vortrags in der „New York Times“ berichtet wurde, sei eine unangemessene Reaktion auf die Komplexität der Entwicklungsfrage. Eine mit „aid pessimism“ begründete Kürzung des amerikanischen Entwicklungsbudgets auf 0,2 % des amerikanischen Bruttosozialproduktes, wie dies soeben der amerikanische Kongress gefordert hatte, sei unklug. Die transatlantische Zivilisation müsse sich gegenüber der Dritten Welt bewähren. Die Befriedigung der Grundbedürfnisse in den dortigen Gesellschaften sei elementar. Neben der Bekämpfung der absoluten Armut müsse die Energiezusammenarbeit treten. Dies sei eine prioritäre Dimension für die ländliche Entwicklung, ebenso wie entwicklungsbezogene, angepasste Erziehungs- und Bildungspolitik. Schlüssel zur dauerhaften Entwicklung blieben, so äußerte ich meine Überzeugung, Privatinvestitionen und die Förderung von Unternehmern in der Dritten Welt. Entwicklungspolitik, so argumentierte ich abschließend, müsse in Europa wie in den USA als integrales Element der Außenpolitik verstanden werden. Die kulturellen Faktoren verlangten viel größere Aufmerksamkeit als bisher. In dem von Harvards Samuel P. Huntington und seinem Kollegen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Myron Weiner geleiteten JOSPOD-Seminar (Joint Seminar on Political Development) konnte ich meine Analysen überprüfen und vertiefen. Anwesend waren wöchentlich rund 20 bis 30 Wissenschaftler und Praktiker aus aller Welt. Ein Seminar-Abend war faszinierender als der nächste. Ich lernte angesehene amerikanische Kollegen kennen wie Howard Wiarda, Lucian W. Pye und Tony Smith, und Teilnehmer aus Asien, darunter Ashutosh Varshney, Raul Manglapus und Nasir Tamara. Die Stichworte der JOSPOD-Seminare griffen weltweit relevante Debatten auf und dachten ihnen voraus: Marginalisierung, Dependenztheorien, neue Weltwirtschaftsordnung, kulturelle, religiöse, ökonomische, soziale, historische und politische Elemente des Entwicklungsthemas. Ich lernte den Zeitfaktor zu verstehen und Geduld einzuüben: Es werde mehrere Generationen dauern, so hörte ich, ehe die Einkommensschere des Pro-Kopf-Einkommens von 1 zu 13 zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern geschlossen werden würde, wenn dies überhaupt gelingen könnte. Gleichheit müsse als Nicht-Armut neu definiert werden, erläuterte ein anderer Referent. Im Rückblick fiel mir auf, dass es keine Reflexion des Bevölkerungsanstiegs gab.

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Die Migrations- und die Flüchtlingsfrage aber wurden damals bereits besprochen. Zu diesem Thema referierte ich selbst ausführlich am 19. Februar 1995 an der American University in Washington D.C., wohin mich die aus Norwegen stammende Astri Suhrke eingeladen hatte. Sie war irgendwo auf meine Dissertation zum Weltflüchtlingsproblem gestoßen, die auch von der Library of Congress erworben worden war. Ich plädierte in Washington D.C. entschieden für die Ursachenbekämpfung durch eine Verbesserung des Frühwarnsystems der Vereinten Nationen. Nur mit vorrangigem Blick auf die Ursachen der Flüchtlingsbewegungen könne sowohl menschenrechtlich als auch sozialpolitisch das Weltflüchtlingsproblem eingedämmt werden, sagte ich. Mich faszinierte die amerikanische Hauptstadt auf Anhieb. Ihre Mischung aus Größe und Gelassenheit, ihre Baudenkmäler und Museen sowie die Vielfalt der anregenden Gesprächspartner nahm mich in ihren Bann. Ich konnte, recht unkompliziert, gleich bei meinem ersten Besuch in Washington D.C. das Weiße Haus besuchen und sogar das Oval Office. Reagans Glaskrug mit Jellybeans und der auf seinem Schreibtisch aufgestellte Spruch „It can be done“ sind mir stets lebhaft in Erinnerung geblieben (Kühnhardt 2021, S. 311 ff.). Immer wieder bin ich gerne nach Washington D.C. gekommen. Allerdings: Die Zugänge zu den Tempeln der politischen Macht – einschließlich des US-Capitol – wurden von Jahrzehnt zu Jahrzehnt abgesicherter und schwieriger zu betreten. Ich war stolz, von September 1984 bis Mai 1985 meine Postdoc-Studien an der Harvard University abschließen zu dürfen. Natürlich, ich muss es zugeben, schmeichelte es meiner Eitelkeit, den Eintrag im Personen- und Telefonverzeichnis der Harvard University zu lesen: „Kuhnhardt, Ludger, Dr. 5-4303, 5 Bryant Street“ und im Adressverzeichnis des an der Bryant Street gelegenen Center for European Studies: „8 A, Chauncey Street, Cambridge 02138, 876-7867.“ Zur Harvard community dazuzugehören las sich wie ein Ritterschlag meiner bisherigen Studienzeit. Neben dem Seminar von Samuel Huntington besuchte ich die Vorlesungen von Stanley Hoffmann unter dem suggestiven Titel „War and Peace“ und studierte seine grundlegenden Arbeiten zur amerikanischen Außenpolitik und den ethischen Bedingungen der Weltordnung (Hoffmann 1978; 1981; 1983). Ich besuchte ebenfalls die Vorlesungen von John Rawls, dem damals prominentesten Philosophen in Harvard (Rawls 1971). Ich lernte seine Begründung für Gerechtigkeit als Fairness kennen als eine feinfühlige Einschränkung aggressiver Begriffe von Verteilungsgerechtigkeit, mit denen so häufig in Deutschland hantiert wurde. Ich staunte über seine Entschlüsselung der berühmten Formel des „veil of ignorance“, mit der Rawls seine Gerechtigkeitstheorie („A Theory of Justice“) eröffnete (Rawls 1971). Irgendwie aber erinnerte mich seine ganz und gar der säkularen Gerechtigkeitsidee verpflichtete Vorlesung an den theologischen Versuch, Gott dadurch beweisen zu wollen, dass gezählt wurde, wie viele Engel auf die Spitze einer Stecknadel passen. Am Center for European Studies nahm ich an einigen Studiengruppen teil und besuchte Vorträge kreuz und quer auf dem so vielseitig inspirierenden Campus. Ich wurde immer wieder von Guido Goldman, dem umtriebigen Direktor des Center

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for European Studies, zu interessanten Abendrunden eingeladen, auch in sein Haus in Concord nahe der Brücke, an der 1775 die ersten Schüsse des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges gefallen waren. Ich tauschte mich mit Gelehrten wie Stanley Hoffmann (Hoffmann 1981; 1983), Michael Sandel (Sandel 1985), Harvey Mansfield (Mansfield 1978) und Stephen Kalberg (Kalberg 1994) über ihre neuesten Bücher und Buchprojekte aus. Ich lernte, wie politikwissenschaftliche Publikationen diskursiv zu vorherigen Veröffentlichungen stehen, sie ergänzen oder ihre Thesen zu widerlegen versuchen. Ich erlebte den Harvard Campus als Ort des permanenten Gesprächs und der ununterbrochenen Anregung mit neuen Ideen. Rasch entstanden in diesem einzigartigen Ambiente neue Freundschaften, so zu Jim Cooney, später Provost der University of Colorado, Tony Gardner, zur Zeit von Präsident Obama amerikanischer Botschafter bei der EU, Anna Hallensleben, später führende deutsche Diplomatin, Shuji Saito, später Mathematikprofessor am Tokyo Institute of Management, Ashutosh Varshney, später Direktor des Zentrums für südostasiatische Politik an der Brown University, J. Nicholas „Nick“ Ziegler, später Professor für Internationale Beziehungen an der Brown University, Tom Schwartz, später Historiker an der Vanderbilt University of Nashville, und zu Jeffrey Herf, später Distinguished Professor für Geschichte an der University of Maryland.

Abb. 6.1   Harvard University: Intensive Forschungen und Tennis-Match mit meinem Freund, dem japanischen Mathematiker Shuji Saito (1984). (© Ludger Kühnhardt)

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Mit Jeffrey führe ich seit den gemeinsamen Tagen in Harvard einen kontinuierlichen Briefwechsel, verbunden mit regelmäßigem Wiedersehen auf einer der beiden Seiten des atlantischen Ozeans. In das Gespräch wurde auch mein Bonner akademischer Lehrer Karl Dietrich Bracher einbezogen. Jeff schätzte Bracher sehr und besuchte ihn immer wieder mit mir zusammen, so auch an Brachers 90. Geburtstag 2012. 2017 veröffentlichte Herf einen tiefgründigen Nachruf auf den im Jahr zuvor verstorbenen Bracher in „Perspectives on History“, der Zeitschrift der American Historical Assocation (Herf 2017). So blieb die von Bracher geprägte Bonner Politikwissenschaft auch in den USA lebendig. Die Ehrlichkeit meines lebenslangen Gesprächs mit Jeffrey Herf gründete in unserer gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Totalitarismus. Jeffs Vater hatte als Jude in Deutschland nach Hitlers Machtergreifung noch rechtzeitig aus Hessen in die USA emigrieren können. Jeff hatte bereits weite intellektuelle Wege vom sozialistischen Jugendprotest bis zur Sympathie mit neokonservativen Ideen zurückgelegt, als wir unser Gespräch begannen. Wir tauschten uns aus über die großen Unterschiede zwischen amerikanischen Republikanern und kontinentaleuropäischen Christdemokraten mit ihrer stärkeren sozialen Empathie. Jeff blieb immer ein Mann des klaren Kompasses, mit dem er totalitäres Denken jeder Art verurteilte. Das nahm er indessen nicht zum Anlass, um Deutschland in einer historischen Zwangsjacke zu halten. Im Gegenteil, er hoffte, dass Deutsche sich immer weniger hinter der Nazi-Hypothek verstecken würden, um nichts für Frieden und Freiheit außerhalb ihres Landes zu tun (Herf 1991). Zugleich wollte er eine solide Begründung für die Einheit des Westens, die über formale NATO-Erweiterungen hinausgehen musste. So antwortete er auf einen Brief von mir vom 20. Oktober 1995, in dem ich emphatisch für die NATO-Osterweiterung ins Baltikum argumentiert hatte und richtete den Blick auf die Balkan-Region. Er verstand nicht, so schrieb er mir am 17. Dezember 1995, warum amerikanische Isolationisten ihre Haltung zwar zur Seite gestellt hatten, als es um den Kampf gegen den nationalsozialistischen und den sowjetischen Totalitarismus gegangen sei, sie aber den rechtsradikalen aggressiven Nationalismus in den Balkan-Konflikten nicht konsequent bekämpfen wollten. Das DaytonAbkommen sei doch nur eine oberflächliche Lösung der dortigen Konflikte. Die NATO und der Westen insgesamt hätten durch dieses schlechte Arrangement an historischer Glaubwürdigkeit verloren. Bei anderer Gelegenheit diskutierten wir Neuerscheinungen über die Philosophin Hannah Arendt, deren Werk wir beide schätzten. Jeff Herf klagte, so in einem Brief vom 17. Dezember 1995, dass in den USA zu viele, Neokonservative wie Linke, die Arbeiten meines damaligen Freiburger Historikerkollegen Hugo Ott negierten, der in Bezug auf Martin Heidegger und seinen Einfluss auf das Denken von Hannah Arendt eindeutig zwischen dem philosophischen Heidegger und dem nationalsozialistisch orientierten Universitätsrektor Heidegger unterschieden hatte (Ott 1988). Später tauschten wir uns über die fehlgeleitete amerikanische Intervention im Irak aus, die Jeff Herf in

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einer E-Mail vom 8. Mai 2004 ablehnte, mir gleichzeitig aber klarzumachen versuchte, dass Scheitern im Irak keine Option für die USA sein dürfe. Seine seit der Dissertation Reactionary Modernism (Herf 1986) gefestigte antitotalitäre Perspektive auf politisches Denken und politische Strömungen bezog er in den nachfolgenden Jahren immer wieder auf islamistische Bewegungen, die er mit den Kategorien des Totalitarismus analysierte. Dabei enthüllte er bedrückende historische Rückkoppelungen zwischen der arabischen Welt und dem nationalsozialistischen Deutschland in Bezug auf Antisemitismus und Anti-Zionismus (Herf 2009a, b). Beide deutschen Staaten hatten einen grundlegend unterschiedlichen Ansatz der Vergangenheitsbewältigung betrieben. In der DDR erschloss er über Archivstudien lange Linien des Antisemitismus, die er in seinen Büchern Divided Memory (Herf 2013) und Undeclared Wars with Israel (Herf 2016) schonungslos offenlegte. Er verstand diese historischen Studien wohl auch als Auseinandersetzung mit seiner arg linksorientierten Jugendzeit. Sehr gerne verfasste ich ein zustimmendes Votum, als mich die University of Maryland um eine Beurteilung der internationalen wissenschaftlichen Reputation von Jeffrey Herf bat. Zu Recht wurde Jeff zum „Distinguished Professor“ für europäische Geistes- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts an dieser renommierten amerikanischen Universität ernannt. In dem Ringen um die Beendigung der trostlosen Präsidentschaft von Donald Trump sah Jeff Herf 2021 dramatische Parallelen zur totalitären Zerstörung der Weimarer Republik. Er engagierte sich lautstark für die Sicherung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Institutionen in den USA. Den gescheiterten Sturm auf das US-Capitol vom 6. Januar 2021 empfand er als ein Fanal: Der Ungeist der demokratischen Selbstzerstörung wütete diesmal ausgerechnet in den USA. Glücklicherweise setzten sich die verfassungsmäßigen Institutionen durch. Ich war in dieser Hinsicht auch während der Trump-Jahre immer zuversichtlicher als Jeff Herf geblieben. Aber besonders in seinem Falle verstand ich die schrille Sorge meines Freundes. Seit Mitte der 1980er-Jahre hatten wir uns schließlich kontinuierlich über die totalitären Versuchungen der Freiheit ausgetauscht. Nachdem ich bei einem Zoom-Workshop seiner University of Maryland anlässlich seiner Emeritierung einen kleinen mündlichen Beitrag beigesteuert hatte, schrieb Jeff Herf mir am 7.Mai 2023, natürlich per Email: “Who would have thought that a Jewish atheist in the mold of Sigmund Freud and a devout Roman Catholic imbued with the spirit of the German Resistance against the Nazis would be life-long friends? Yet that is what has happened, or rather, that is what we have made together. Old friends are the best and precious.” Jeff erinnerte an die Anfänge unseres intellektuellen Gesprächs am Center for European Studies (CES) der Harvard University: “You belonged very much to the spirit of CES, which was home for cosmopolitans, for people comfortable with crossing cultures, and dealing with differences of views and experience. I could see that right away. I could see that you, like me, are comfortable in your own skin, in your own convictions and thus took great pleasure in discussions with others who agreed with you about some things and perhaps not others.”  

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1984/1985 konnte ich an der Harvard University in einer der Kelleretagen der wunderbaren Widener Library mit ihren offen zugänglichen Büchersammlungen einen eigenen Arbeitsplatz für meine intensive und weit gefächerte Lektürearbeit benutzen. Über Nacht konnte ich meine Bücher und handschriftlichen Skizzen dort unbesorgt liegenlassen. Meine Habilitationsschrift Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs hätte nirgendwo besser reifen können als in Harvard (Kühnhardt 1987). Zugleich suchte ich danach die USA aus sich selbst heraus zu verstehen und unternahm einige Rundreisen. Mein Freund aus Zeiten an der Deutschen Journalistenschule, Andreas Schüler, führte mich während seiner damaligen Promotionsstudien in Philadelphia auch in die Themen ein, die ihn an den USA am meisten faszinierten: Erfindergeist und Technikkritik (Schüler 1990; Kühnhardt 1991). Amerika sprach mich mit so vielen seiner bunten Facetten an. Die globalen Zusammenhänge, in denen die USA standen, berührten immer auch mein Leben in Europa. Das galt für alle Dimensionen des Ringens um die Freiheit. Unvergesslich blieb mir eine Fernsehsendung zum zehnten Jahrestag des Falls von Saigon am 30. April 1975. Ted Koppel, der von mir am meisten bewunderte Moderator („Anchorman“) des amerikanischen TV wurde in seiner „ABC Nightline“ regelrecht von Le DucTho vorgeführt. Le DucTho war der vietnamesische Verhandlungsführer des mit den USA unter Henry Kissinger getroffenen Friedensabkommens, das der Vietkong systematisch brach, bis den Kommunisten 1975 alle Macht über Vietnam zugefallen war. Le DucTho bedankte sich in dem Interview mit kaltem Zynismus bei den westlichen Medien, die die gerechte Sache des Vietkongs unterstützt hätten. Henry Kissinger blieb nicht mehr, als das anhaltende Leid und die böse Unfreiheit vieler Menschen in Vietnam zu beklagen. Für mich hatte er recht. Ich wünschte, alle, die im damaligen Europa noch immer eine naive Sicht auf kommunistische Machtpolitik hatten, hätten diese Fernsehsendung sehen können. Während meiner Zeit in Harvard wurde ich gelegentlich gebeten, die deutsche Sicht auf internationale politische Fragen zu beleuchten. Für den „German Studies Newsletter“ des Center for European Studies der Harvard University rezensierte ich das neueste Buch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker, um auch auf diesem Wege Verständnis für die deutsche Politik in den USA zu wecken (Kühnhardt 1984). Immer wieder wurde ich, auch außerhalb von Harvard, zu Panel-Diskussionen gebeten. Mit meinen beiden CoJohn F. Kennedy Memorial Fellows am Center for European Studies, Irmgard Leinen und Hans Vorländer, sprach ich auf Einladung von George Romoser am 30. November 1984 beim World Affairs Council in Portland (Maine). Bundeskanzler Helmut Kohl war an genau diesem Tag als erster ausländischer Besucher beim gerade wiedergewählten Präsidenten Ronald Reagan im Weißen Haus. Kohl wollte sich frühzeitig als Makler deutscher und europäischer Anliegen ins Bild rücken und Reagan wegen der Angst vor deutschen Alleingängen beruhigen. Dass bei diesem Treffen die ominöse Bitburg-Reise vom Mai 1995 eingefädelt wurde, wusste ich natürlich nicht.

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In Portland wie im Weißen Haus ging es um amerikanische Sorgen über den Aufstieg der Grünen und die Gefahr eines deutschen Neutralismus. Ich beruhigte: Es gebe nach allen Untersuchungen nicht mehr als 20 % Deutsche, die Neutralismus und Rückzug aus der NATO wünschen, wurde ich am 1. Dezember 1984 im „Press Herald“ von Portland (Maine) zitiert. Gleichwohl hätten die Deutschen natürlich starke Emotionen, wenn immer es Ost-West-Spannungen gebe, „weil wir das potentielle Schlachtfeld sind“. Die neuen Nuklearwaffen, die 1983 in Westdeutschland und anderen NATO-Staaten stationiert worden seien, waren 1979 vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt in Reaktion auf die Aufstellung von SS20-Raketen der Sowjetunion erbeten worden. Mit der Kanzlerschaft Helmut Kohls seit dem 1. Oktober 1982 habe sich an diesem NATO-Commitment nichts geändert, im Gegenteil. Die Beziehungen seien sogar besser geworden, seitdem Präsident Reagan die europäischen Alliierten gleichwertig behandele und zugleich seine Bereitschaft zeige, die amerikanischen Beziehungen zur Sowjetunion zu verbessern. Eine amerikanische Truppenreduzierung in Europa, so zitierte mich die Zeitung nochmals, wäre gegen europäisches und amerikanisches Interesse. Eine ähnliche, aber weit kritischere Diskussion erlebte ich am 14. März 1985 in der „Study Group on Nuclear Politics and Society“ der Harvard Universität. Auf dem „Second Pacific Workshop on German Affairs“ in der California State University in Long Beach wurde ich am 19. und 20. April 1985 von dem Kollegen Christian Soe gebeten, über das Verhältnis von Jugend und Politik in vergleichender deutschamerikanischer Perspektive mit Norbert Lammert, CDU-Bundestagsabgeordneter, Peter Schulze, Friedrich-Ebert-Stiftung Washington, Gerald Kleinfeld, Arizona State University, Margarita Mathiopoulos, Doktorandin an der Universität Bonn, und dem Austauschstudenten an der University of Oregon und späteren SPD-Politiker Ralf Stegner zu diskutieren. Ich war nach meiner Rückkehr aus Harvard zwischen 1985 bis 2004 einmal pro Jahr in den USA. Danach wurden die Aufenthalte weniger dicht. Dies war auch ein Spiegelbild der transatlantischen Brüche und Kollisionen seit 9/11. Alles in allem aber kehrte ich aber auch danach alle zwei, spätestens alle drei Jahre in die USA zurück. Insgesamt hielt ich mich gut 30-mal in knapp 40 Jahren in den USA auf. Am meisten profitierte und genoss ich die Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren an einigen der renommiertesten Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Welt: Zu Harvard gesellten sich Stanford University (1995/1996 und 2004), Dartmouth College (2000) und das Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. (2002 und 2011). Eine Einladung an das East-West Center Honolulu fiel 2020 den Restriktionen während der Corona-Pandemie zum Opfer. Ich konnte alle 50 Bundesstaaten der USA kennenlernen, dazu neben Washington D.C. die nicht inkorporierten amerikanischen Überseegebiete Guam, Commonwealth of the Northern Mariana Islands, Puerto Rico und US Virgin Islands. Insgesamt hielt ich mich fast dreieinhalb Jahre in den USA auf (Kühnhardt 2021, passim; Kühnhardt 2022a, passim).

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Ich empfinde die Atlantische Zivilisation als so normal und mich als einen so selbstverständlichen Teil von ihr, dass es mich nie dazu drängte, eine größere Studie zu ihrer Begründung in Angriff zu nehmen. Ich wollte mitwirken, die bestehenden transatlantischen Brücken zu festigen und weiterzuführen. Mein Fokus lag auf dem Engagement in Gesprächskreisen, durch Vorträge und publizistische Wortmeldungen. Ich sah mich als selbstverständlichen Teil der ebenso selbstverständlichen AtlantikBrücke, ehe ich gebeten wurde, zum 50-jährigen Jubiläum im Jahr 2002 die Geschichte der gleichnamigen einzigartigen Netzwerk-Organisation „Atlantik-Brücke“ zu schreiben (Kühnhardt 2002a).

Abb. 6.2   Bei der „Young Leaders Conference“ der Atlantik-Brücke mit Marita Haibach, Eckhard Stuff, Sonja Lahnstein-Kandel, Bruce Scott, Roger B. Porter und Francis Fukuyama in Hamburg (1985). (© Ludger Kühnhardt)

Noch in Harvard hatte ich Walther Leisler Kiep und Beate Lindemann kennengelernt, den Vorsitzenden und die Geschäftsführerin der „Atlantik-Brücke“. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland wurde ich vom 1. bis 6. September 1985 zur Young Leaders Conference der Atlantik-Brücke in Hamburg eingeladen. Auf ihrem weitläufigen Anwesen in Blankenese lernte ich Dorothea und Eric Warburg kennen, einen der Gründer der Atlantik-Brücke und seine nicht weniger faszinierende Ehefrau. 1951 hatte Eric Warburg mit Erik Blumenfeld, Marion Gräfin Dönhoff und Hans Karl von Borries eine lockere Vereinigung geschaffen, das „Komitee Transozean Brücke“. Ziel war es, auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans eine amerikanisch-deutsche Organisation zu schaffen, die Beziehungen zwischen führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens knüpfen konnten. Eric Warburg war 1938 in die USA ausgewandert und hatte von dort die Bankgeschäfte seiner Familie weitergeführt. Das weitverzweigte Netz einer

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der führenden deutschen Privatbankiersfamilien diente ihm auch als Vorbild für die „Atlantik-Brücke“. Warburg war überzeugt, dass der Wiederaufbau Deutschlands ohne Bindungen zwischen Menschen von Einfluss auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans nicht gelingen würde. Mit John McCloy, dem ersten amerikanischen Hochkommissar in Deutschland, entwickelte er das Konzept und verhinderte gemeinsam mit McCloy, dass Vorstellungen einer De-Industrialisierung Deutschlands sich in den USA durchsetzen konnten. Parallel zur „Atlantik-Brücke“ mit Sitz in Hamburg entstand 1952 in New York der „American Council on Germany“. Eric Warburg wurde schon bei unserer ersten Begegnung nicht müde, Anekdoten aus einem reichen Leben zu erzählen. Zwei Anekdoten blieben mir besonders in Erinnerung. Im November 1918, nach Ende des Ersten Weltkrieges, nahm Warburgs Vater an vorbereitenden Gesprächen der finanzpolitischen Delegation für die Verhandlungen des Deutschen Reiches teil, die 1919 zum Versailler Vertrag führen sollten. Sohn Erich, wie er damals noch gerufen wurde, lag einmal in der Hotelbadewanne seines Vaters. Plötzlich kam ein hoher deutscher Militär in das Bad, um die dortige Toilette zu nutzen. Splitterfasernackt sprang der junge Erich hoch und salutierte korrekt, mit dem Mittelfinger an der Stelle des Oberschenkels, wo üblicherweise die Hosennaht gewesen wäre. Der General schickte ihn wieder ins Schaumbad zurück. Erich schrieb ihm am nächsten Tag einen Brief, um noch einmal zu erklären, dass sein Gruß korrekt gewesen sei, so wie es ihn die kaiserliche Armee gelehrt hatte. 1945, er hatte seinen Namen unterdessen zu Eric amerikanisiert und war als amerikanischer Staatsbürger Angehöriger der USArmee geworden, war er einer der ersten, der den berühmt-berüchtigten Luftmarschall Hermann Göring, der die „Endlösung der Judenfrage“ in Auftrag gegeben hatte, nach dessen Verhaftung in Augsburg für die Amerikaner befragen musste. Göring habe wie ein Hund gewinselt und um seine Freilassung gebettelt. Zutiefst von den zwei schweren Zusammenbrüchen und Zivilisationskrisen Deutschlands erschüttert und persönlich betroffen, wollte der deutsch-amerikanische Jude Eric Warburg einen Neuanfang mit den Deutschen. Er setzte vor allem auf die unbeschwerten jungen Generationen. Daher nahm sich der 85-jährige Mann an diesem Spätsommertag 1985 auch so viel Zeit für uns „Young Leader“. In einer Arbeitsgruppe diskutierte ich bei der gleichen Tagung 1985 mit Francis Fukuyama. Er war damals Strategieforscher der Rand Corporation und Experte im Zählen russischer Raketenarsenale. Wir tauschten uns über unsere jeweilige Studienzeit in Harvard aus. Er hatte vor allem bei Harvey Mansfield und Samuel Huntington studiert, die auch mir beide bekannt waren. Das Thema seiner Harvard-Dissertation über die sowjetische Bedrohung einer Intervention im Nahen Osten gab uns Stoff für weitere gute Gesprächsthemen. Von seinen weltphilosophischen Turnübungen über das Ende der Geschichte, die ihn berühmt machen sollten, war Francis noch Lichtjahre entfernt (Fukuyama 1992). Wir tauschten uns bei späteren Aufenthalten von mir in den USA immer wieder einmal aus. Nach der Hamburger Tagung baten Beate Lindemann und Walther Leisler Kiep mich, im Steering Committee der nachfolgenden Young-LeadersKonferenzen mitzuwirken. Das tat ich bis 1992 und nahm an jeder der Young-Leaders-

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Konferenzen dieser Jahre teil. Dabei entstand auch für mich persönlich ein ungemein breites Netzwerk von Bekanntschaften und Freundschaften auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans. Für weitere 20 Jahre engagierte ich mich danach als Mitglied der Atlantik-Brücke und wirkte bei einigen ihrer Jahrestagungen aktiv mit. Bis 9/11, zu den schrecklichen Terroranschlägen des 11. September 2001, gab es nur eine transatlantische Richtung: durch die Geschichte vereint und gemeinsam vorwärts. Seit Mitte der 80er-Jahre ergaben sich für mich mancherlei Möglichkeiten, auch über die Atlantik-Brücke hinaus meine amerikanischen Erfahrungen in Deutschland weiterzugeben und immer wieder in den USA die Sicht Deutschlands und Europas zu präsentieren. Gelegentlich gab es ganz unerwartete Engagements, beispielsweise als Keynote Speaker beim Commencement, der farbenfrohen, feierlich-fröhlichen Abschlussfeier der „Ulm American High School“ am 6. Juni 1986. Ich erinnerte an mein eigenes letztes Schuljahr, frustriert von der Schule, bereit zum Aufbruch, aber noch unreif und übermäßig überzeugt von mir selber. Es habe nicht lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass der richtige Lernprozess meines Lebens gerade einmal erst begonnen hatte. So wünschte ich es auch den amerikanischen Jugendlichen in Ulm: Die Welt in allen Facetten kennenzulernen, die Tür zu lebenslangem Lernen zu öffnen und den Dank nicht zu vergessen gegenüber Eltern und Lehrern. Moralische Entscheidungen würden künftig eigenverantwortlich getragen werden müssen. Während Millionen Gleichaltrige in der Dritten Welt mit der Existenz kämpfen, hätten sie, so sagte ich den Ulmer Absolventen, alle Möglichkeiten des Planeten. Eine Existenz der Kommunikation und der sozialen Einmischung seien für sie die richtige Perspektive, um wirklich frei zu sein. Andere Kulturen kennenzulernen sei eine große Chance, die sie immer wieder zu der Erkenntnis zurückführen möge, dass Deutschland und die USA Ecksteine der westlichen Allianz sind. Ihre zumeist bei den amerikanischen Streitkräften tätigen Eltern hätten diese Allianz mit ihrem Leben in Deutschland bewiesen. Sie, die Jugendlichen, könnten nun Botschafter der deutsch-amerikanischen Freundschaft und damit der Atlantischen Zivilisation werden, endete ich pathetisch. Dabei wäre es gut, wenn wir miteinander auch gute nachbarschaftliche Beziehungen mit Osteuropa entwickeln würden, fügte ich meiner Keynote Address in Ulm hinzu. Auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans lernte ich in den 80er- und 90er-Jahren faszinierende Menschen kennen, die viel zu sagen hatten. Vom 1. bis 4. Dezember 1986 wurde ich, beispielsweise, vom legendären Shephard Stone ins Berliner Aspen Institute eingeladen. Seit 1983 war Shephard Stone Ehrenbürger von Berlin. Ich hatte ihn bei einem Ausflug mit meinem Freund Jim Cooney von Harvard aus im Herbst 1984 in seinem Haus in Vermont kennengelernt. Shep, wie ihn jeder nannte, gehörte zu den ersten Amerikanern, die 1945 in Torgau an der Elbe gestanden hatten, direkt gegenüber den Soldaten der sowjetischen Roten Armee. Er war dabei, als das Konzentrationslager Buchenwald befreit wurde. Sein späteres Leben widmete Stone, der als Journalist begonnen hatte, den deutsch-amerikanischen Beziehungen und als zeitweiliger Direktor der Ford Foundation dem internationalen Austausch von Wissenschaftlern, Publizisten und Politikern. Ähnlich wie Eric Warburg konnte Shephard Stone stundenlang historisch relevante Anekdoten erzählen. Mich faszinierte diese lebenspralle Weisheit, die so ganz

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anders auftrat als die so häufig bloß abstrakt und theoretisch analysierenden, menschlich eher kalt daherkommenden deutschen Persönlichkeiten, die ich in meinen formativen Jahren immer wieder traf. Bei einem Roundtable in Berlin zu „Challenges to the European-German-American Relationship“ saß ich eineinhalb Jahre nach meiner ersten Begegnung mit Shephard Stone mit ihm, seinem Stellvertreter Daniel Hamilton, dem SPD-Chefdenker Egon Bahr, dem amerikanischen Botschafter in Bonn, Richard Burt, dem italienischen Verleger Fabio Luca Cavazza („Il Mulino“), der Herausgeberin der „Zeit“, Marion Gräfin Dönhoff, John Kornblum, dem Leiter der US-Mission in Berlin, Jim Hoagland von der „Washington Post“, John Rielly, dem Präsidenten des Chicago Council on Foreign Relations, dem Erlanger Historiker Michael Stürmer, dem Leiter des Planungsstabs des Auswärtigen Amtes, Konrad Seitz, und dem Berliner Senator Wilhelm Kewenig am Tisch des Aspen-Instituts. Mein Blick ging von unserer Gesprächsrunde immer wieder aus dem Fenster über das Grundstück in Schwanenwerder. An diesem Ort, so ging es mir durch den Kopf, hatte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels mit seiner Familie mehrere Jahre gewohnt. Sein Wohnhaus wurde später abgerissen und das Aspen-Institut vertrieb den bösen Geist der Nazi-Zeit gründlich. Aber Geschichte, so spürte ich, bleibt an so einem Ort immer gegenwärtig. Wir diskutierten im Aspen Institute die strategische Verteidigungsinitiative SDI und ihre möglichen Folgen für das transatlantische Verhältnis. Anschließend publizierte ich einen Essay über die sicherheitspolitischen Konstellationen in Deutschland im „Journal de Genève“ und in einer Zeitschrift der University of Chicago (Kühnhardt 1986a, S. 1; 1986b, S. 12 ff.).

Abb. 6.3   Rückkehr in die USA in der Präsidentenmaschine: rechts hinter Henry Kissinger und Richard von Weizsäcker in Hartford (1987). (© Ludger Kühnhardt)

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Dass Freiheit unsere erste Priorität und die systemöffnende Zusammenarbeit mit dem Osten unsere Aufgabe aus Eigeninteresse sei, wurde ein gutes Jahr später weit besser als ich es je gekonnt hätte in Harvard intoniert: Ich durfte Bundespräsident Richard von Weizsäcker bei seiner Rede begleiten, die er bei der Harvard Commencement am 8. Juni 1987 hielt. Der 40. Jahrestag der Verkündigung des Marshall-Plans zum Wiederaufbau Europas mit einer Rede von US-Außenminister George Marshall in Harvard wurde gefeiert. Bundespräsident Richard von Weizsäcker wurde bei der Gelegenheit die Ehrendoktorwürde verliehen, für die er mit einer tiefschürfenden Rede dankte. Ich hatte über Wochen in Bonn an der Vorbereitung der Rede mitgewirkt. Dann ging es los. Auf dem Weg nach Boston machten wir Stop in Hartford, Connecticut. Dort wartete Henry Kissinger an der Gangway auf Richard von Weizsäcker. Auch ich hatte Gelegenheit, Kissinger vorgestellt zu werden und mit ihm ein wenig über den weißen Revolutionär Bismarck zu plaudern. 1996 traf ich Henry Kissinger noch ein zweites Mal auf einer Tagung in Niederschönhausen. Die Tage in Harvard waren ein Homecoming für mich und eine große Ehre. Ich hörte viel Begeisterung über den Ton, den Bundespräsident von Weizsäcker im Harvard Yard angeschlagen hatte. Sein Appell, die Reformen in der Sowjetunion ernst zu nehmen und den Westen im Geiste des Marshall-Planes zu einer neuen gemeinsamen Initiative zur Unterstützung der sowjetischen Transformation zu mobilisieren, stieß auf viele offene Ohren (Kühnhardt, 2020, S. 26 ff.). Aber auch kritische Töne waren zu vernehmen. Niemand hatte vorhersehen können, dass von Weizsäcker vom „Harvard Crimson“ mit einem kritischen Artikel über die Rolle seines Vaters im Zweiten Weltkrieg begrüßt werden würde. Guido Goldman, als Doktorand wissenschaftlicher Assistent von Henry Kissinger und als Gründungsdirektor des Center for European Studies längst eine eigene Institution, hatte stark daran mitgewirkt, dass von Weizsäcker nach Harvard eingeladen worden war. Eilig berief Guido im überfüllten Besprechungsraum des Center for European Studies in der Bryant Street eine Hintergrundbesprechung mit Journalisten ein. Am Vorabend der Commencement Speech des Bundespräsidenten erklärte er in Anwesenheit von Friedbert Pflüger und von mir mit endloser Geduld die Bedeutung der Geschichte für diesen Bundespräsidenten und die moralische Glaubwürdigkeit von Weizsäckers als eines Mannes der Versöhnung. Die große Rede im Harvard Yard am nächsten Tag wurde nicht durch Buhrufe unterbrochen, wie wir nach dem Artikel befürchtet hatten, sondern mit Standing Ovations angenommen.

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Abb. 6.4   Harvard University: Im European Studies Center mit Guido Goldman, Friedbert Pflüger und Jim Cooney (1987). (© Ludger Kühnhardt)

Guido Goldman, der Sohn von Nahum Goldman, dem ehemaligen Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, der 1952 das Luxemburger Abkommen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland vermittelt hatte, war nicht kritiklos. Er befürchtete, dass die Orientierung Deutschlands auf ein gemeinsames Haus Europa zulasten der transatlantischen Bindungen gehen könnte. Er, der den ursprünglichen „German Marshall Fund of the United States of America“ 1972 mit Deutschlands damaligem Finanzminister Alex Möller verhandelt hatte, war wenig angetan von der Idee, die Aktivitäten des „German Marshall Fund“ auf Osteuropa auszudehnen. Zu viel deutsche Mitbestimmung bei den Projektplanungen des aus Dankbarkeit über den ursprünglichen Marshall-Plan geschaffenen German Marshall Fund schien ihm unerwünscht. Ich sinnierte über die lebensperspektivischen Eingravierungen in den Mauern des BuschReisinger-Museums in der Adolphus Busch Hall, in das alsbald das 1969 von Guido Goldman gegründete Center for European Studies der Harvard University umziehen sollte: „Du kannst, was Du sollst“ steht in die Mauern eingraviert. Und: „Es ist der Geist, der sich den Körper schafft.“ Mein Kopf schwirrte von den vielen Begegnungen und Gesprächen. Tip O’Neill hatte ich erlebt, den bulligen Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses. An Wang,

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der Erfinder wichtiger Computer-Technologien (Wang Laboratories) hatte mir erzählt, dass er 1947 der Rede von State Secretary Marshall im Harvard Yard gelauscht hatte. Werner Otto (Otto Versand) begleitete uns, der Harvard einen Museumsneubau für die Unterbringung der Gemälde deutscher Expressionisten gestiftet hatte. Mit meinem Freund und Kollegen Friedbert Pflüger, der kurz vor mir sein Postdoc-Studium in Harvard absolviert hatte, setzte ich mich für eine kurze Segeltour auf dem Charles River in Erinnerung an unsere Studentenerlebnisse vom Präsidententross ab. Dann ging es mit der Luftwaffenmaschine im Gefolge des Bundespräsidenten am 11. Juni 1987 wieder nach Deutschland zurück. Dort traf fast zeitgleich mit uns Präsident Ronald Reagan ein und hielt wenige Stunden später seine berühmte Rede am Brandenburger Tor („Mr. Gorbatchev, tear down this wall“). Jahre später erzählte mir Reagans damaliger Redenschreiber, Peter Richardson, wie umstritten die Aufnahme dieses Satzes in die Rede gewesen sei. Er hatte die Rede vorbereiten müssen und war zumeist auf Diplomaten beider gestoßen, die Kreml-Astrologie betrieben. Eine deutsche Hausfrau in Berlin hatte ihn dann auf die ebenso simple wie bestechende Idee gebracht, die zu Reagans berühmtesten Satz führte. Es gebe doch in Europa nur eine wirkliche Wunde, so hatte die Frau gesagt: Die Mauer, die müsse weg. Präsident Reagan war von der menschlichen Schlichtheit und Richtigkeit dieses Gedankens sofort überzeugt. Gegen seine Berater setzte er sich am Ende durch und prägte mit seinen Worten am 12. Juni 1987 eine ikonische Erinnerung an seine Präsidentschaft, ja: an die deutsch-amerikanischen Beziehungen mehrerer Jahrzehnte (Kühnhardt 2021, S. 494). Zurück in Bonn traf ich anlässlich eines Dinners am 23.  Juni 1987 beim amerikanischen Gesandten Terry Catherman den renommierten Soziologen Seymour Martin Lipset, dessen Buch Political Man. The Social Basis of Politics zu meinen Studienerlebnissen gehört hatte (Lipset 1960). Lipset erzählte an diesem Abend von dem Aufstand 1953 in Berlin, den er miterlebt hatte. Wo immer ich damals transatlantisch aktive Menschen der älteren Generation begegnete, empfand ich sofort einen Gleichklang bei den Erinnerungen, die sie erlebt und die ich studiert hatte. Weniger nachvollziehbar blieben mir die weltanschaulichen Wege, die Leute wie Lipset gegangen waren. Der jüdische Intellektuelle war als Anhänger eines radikalen Sozialismus gestartet, der in den USA nie zu Parteiqualität gefunden hatte. Unterdessen galt er als Exponent eines New Yorker Neokonservativismus, den ich noch weniger verstand und damals politisch nur schwer einordnen konnte. Ich fühlte mich zu dieser Zeit immer auf gleichem Grund mit den meisten Amerikanern, wenn es um außen- und sicherheitspolitische Fragen ging. Ich liebte den amerikanischen ideengeschichtlichen Idealismus und das Freiheitsgefühl im amerikanischen Alltag. Aber die Differenzen gegenüber meinen Prägungen und Empfindungen hinsichtlich der gängigen innen-, sozial- und kulturpolitischen Diskurse wurden für mich immer größer, je mehr ich davon kennenlernte. Bei der „Young Leaders Conference“ vom 19. bis 26. August 1988 in Indianapolis entdeckte ich eine neue Ecke des Mittleren Westens und seiner Soziologie (Kühnhardt 2021, S. 362 f.). Die Gespräche zu Fragen der Gesellschaft, zu Familie und Werten, zu

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Religion und Bildung offenbarten für mich vielfältige Unterschiede zu dem Denken, mit dem ich in Deutschland sozialisiert worden war. Dort veränderte sich die Gesellschaft auch beständig, gerade in kultureller und soziologischer Hinsicht. Aber die amerikanischen Einstellungen und Eigenheiten, die ich im Mittleren Westen erlebte, schienen mir doch ganz und gar nach völlig eigenen Denkmustern und Wertvorstellungen zu verlaufen. Ich merkte jedenfalls, dass ich immer stärker unter der Oberfläche der gängigen transatlantischen strategischen Diskussionen würde graben müssen, um die USA künftig weiterhin zu verstehen. Gesellschaftliche Fragen und Identitätsthemen würden ganz gewiss an Bedeutung zunehmen, ohne dass die unmittelbar deckungsgleich mit den entsprechenden Debatten in Deutschland und Europa sein dürften. Der Kalte Krieg hatte einen gewaltigen Vorzug gehabt, begann ich zu spüren: Das Denken auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans war von den gleichen normativen Fragen definiert gewesen. Mit der Auflösung des kommunistischen Feindes wurde der Westen sich selbst zur größten Aufgabe.

Abb. 6.5   Atlantik-Brücke: „Young Leaders Conference“ in Indianapolis mit dem republikanischen US-Senator Richard Lugar, Christoph Ehlers und Beate Lindemann (1988). (© Ludger Kühnhardt)

Am 29. Mai 1989 war ich ziemlich aufgeregt. Der von mir bewunderte „Anchorman“ Ted Koppel wollte mich für seine Abendsendung „ABC Nightline“ interviewen, meinem

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Lieblingsprogramm im amerikanischen Fernsehen. Um fünf Uhr in der Früh musste ich in ein Bonner Studio gehen, die Sendung wurde aufgezeichnet. Zusammen mit einer moderaten Journalistin der Deutschen Welle und einer sozialdemokratisch engagierten Frankfurter Anglistikstudentin wurde ich als weiteres Exemplar der jungen deutschen Generation präsentiert, deren Einstellungen zu NATO und zu Sowjetunion von Interesse waren. Ted Koppel fragte wie immer präzise und hart, aber nie zu scharf oder mit subtilem Unterton: Was passiert mit der NATO, wenn die Deutschen keine Bedrohung mehr aus dem Osten empfinden? Wie beurteilten wir die Initiative von Präsident Bush vom Vortag, 25 % aller amerikanischen Truppen in Europa zu reduzieren, um mit den Russen zu gemeinsamen Obergrenzen im konventionellen Rüstungsarsenal zu kommen? Würden die Deutschen auf Dauer andere Wege als die Amerikaner gehen? Würde die deutsche Jugend nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes das atlantische Bündnis fortsetzen wollen? Warum insistierte die deutsche Regierung so sehr, die Verhandlungen über die Nuklearwaffen kürzerer Reichweite zu beschleunigen? Wir alle gaben ruhige und ausgewogene Antworten. Ich fand, es war eine Sympathiesendung für Deutschland und seine pluralistisch denkende, konstruktive junge Generation. Über den Fall der Mauer hinaus engagierte ich mich in der Atlantik-Brücke. Bei verschiedenen Sitzungen des neu gebildeten „Arbeitskreises USA“ lernte ich Erik Blumenfeld kennen, einen der Gründer der „Atlantik-Brücke“. In dem Arbeitskreis diskutierte ich mit Wolfgang Ischinger, einem der engsten Mitarbeiter von Außenminister Hans-Dietrich Genscher, mit Elisabeth Noelle-Neumann, der Gründerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, mit Theo Sommer, dem Chefredakteur der „Zeit“ und mit Arendt Oetker, einem der einflussreichsten deutschen Unternehmer und späteren Vorsitzenden der Atlantik-Brücke. Ein wenig wunderte es mich schon, dass die AtlantikBrücke, für die deutsch-amerikanische Themen doch Herzensanliegen waren, sich auf eigentümlich neue Weise mit den USA an sich beschäftigen zu müssen meinte. Spiegelbildlich beschäftigten sich die Sitzungen des Arbeitskreises dementsprechend auch immer stärker mit deutschen Befindlichkeiten. Das transatlantisch Gemeinsame geriet nicht selten in den Hintergrund. Am 21. Juni 1990, wenige Monate vor der deutschen Wiedervereinigung, hörte ich John Kornblum, den Gesandten an der Ständigen Vertretung der USA bei der NATO sagen, die deutsch-amerikanischen Beziehungen würden künftig wohl wichtiger, aber nicht unproblematischer. Nach 35 Jahren Erfahrung wisse er, dass aus Freundschaftsbekundungen oftmals politische Folgenlosigkeit erwachsen kann. Das dürfe zwischen Deutschen und Amerikanern nicht passieren. Die politischen Aspekte der Sicherheit würden künftig wichtiger werden als die militärischen. Deutschland müsse auf die Höhe der Aufgabe finden, sagte Kornblum dann noch. Die Ost-West-Fragen würden sich ändern und damit auch die Erfordernisse an die Verteidigungsstruktur. Beim Blick nach vorne beschäftigte ihn besonders das künftige Verhältnis zu Japan in der Triade der technologisch führenden Regionen der Erde. Von China sprach damals noch kaum jemand. Im Blick auf sonstige Entwicklungen auf der Erde müsse es eine breitere Gemeinschaft der industriellen Demokratien geben, forderte Kornblum.

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Abb. 6.6   „A new Germany in a new Europe“: Vortrag am Trinity College/St. Mary’s University, Emmitsburg (Maryland) (1990). (© Ludger Kühnhardt)

Vom 14. bis 27. September 1990 unternahm ich auf Einladung des „Atlantic Council“ eine Vortragsreise kreuz und quer durch die USA (Kühnhardt 2021, S. 390 f.). Überall war die Neugier auf die Veränderungen in Europa groß. Noch dominierte Begeisterung für diesen Moment der Freiheit. Ich war privilegiert, bei dieser Reise Gordon Craig in Stanford zu treffen, den besten Europa- und Deutschland-Kenner unter Amerikas Historikern. Sein Meisterwerk über die Geschichte Europas hatte ich einige Jahre zuvor förmlich verschlungen (Craig 1983). In Berkeley traf ich Reinhard Bendix, den Soziologen, dessen Buch Könige oder Volk (Bendix 1980) mich fasziniert und viel über Modernisierungsprobleme gelehrt hatte. Ich hatte Reinhard Bendix bei einem Vortrag 1986 in Köln kennengelernt und war mit ihm in einen Briefwechsel getreten. In dessen Verlauf brachte er mir in einem Brief vom 5. Juni 1986 eine schöne Formel nahe, um die angemessene Haltung eines Wissenschaftlers zum Gegenstand seiner Forschung zu beschreiben: „controlled subjectivity“.

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Abb. 6.7   Lecture Tour durch die USA: Ankündigung an der Morgan State University in Baltimore (1990). (© Ludger Kühnhardt)

Die deutsche Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990 wurde überlagert durch die irakische Invasion in Kuweit vom 2. August 1990. Bei einer Sitzung des „Arbeitskreis USA“ am 25. Oktober 1990 unterstützte Ministerialdirektor Dieter Kastrup aus dem Auswärtigen Amt vehement die amerikanische Position. Die Invasion in Kuweit sei nicht nur ein völkerrechtswidriger Akt, sondern ein grundlegender Wendepunkt in der Weltpolitik. Kaum schien die deutsche Frage gelöst, rückten andere Fragen in den Mittelpunkt. War die Atlantische Zivilisation darauf vorbereitet? Ich begann immer mehr zu zweifeln. An der Troy State University in Kaiserslautern – einem Ableger der in Alabama beheimateten Universität für in Deutschland stationierte US-Militärangehörige – intonierte ich diesen Sachverhalt bei einer Commencement Address, um die ich am 8. Juni 1991 gebeten worden war. Ich zitierte Hölderlin, dass nie so viel Neuanfang

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war, sprach über die neuen Chancen der Freiheit, aber auch die Aufgaben und Verantwortlichkeiten, denen sich junge Menschen inmitten der großen heutigen ­Vielfalt stellen müssten. Ich sprach über die beginnende und notwendige Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft und betonte, wie wichtig die Partnerschaft mit den USA bleibe, unser gemeinsames Bekenntnis zu den Menschenrechten und die Atlantische Zivilisation gehörten zusammen. Ich plädierte für unsere gemeinsame Hilfe an die neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas, für die es nicht leicht sei, „nach Europa zurückzukehren“. In gleichem Geiste verlief die „Young Leaders Conference“ der Atlantik-Brücke vom 23. bis 31. August 1991 in Richmond, Virginia, mit einem vorgeschalteten Aufenthalt in Washington D.C. (Kühnhardt 2021, S. 407 f.). Am 19. August 1991 hatte der Putsch gegen Michail Gorbatschow in Moskau stattgefunden, der am 21. August zusammenbrach. Wir trafen in dramatischen Tagen der Zeitgeschichte zusammen, in denen wir die Nachricht erhielten, dass die Europäische Gemeinschaft und auch Deutschland die Souveränität der baltischen Staaten anerkannt hatten. Eine neue Ära hatte begonnen und damit auch ein eigentümliches Auseinanderdriften der Gefühle von Deutschen und Amerikanern. Alex Wise, unser wunderbarer Gastgeber, der mir über Jahre zu einem guten Freund geworden war und es auch später blieb, wollte uns Deutsche mit dem Geist der Versöhnung zusammenführen, der von Richmond nach dem amerikanischen Bürgerkrieg ausgegangen war. Er bemühte sich, uns mit einem Reenactment der Virginia Convention von 1775 und dem berühmten Wort des Patrick Henry „Give me liberty or give me death“ zu beeindrucken. Wir Deutsche wollten über Osteuropa reden. Die strategischen Aspekte der damaligen Weltpolitik wurden von den meisten Amerikanern auf Nuklearfragen reduziert. Die meisten Deutschen wollten über die Stabilisierung des Wandels in Europa sprechen. Deutschland sahen wir wie selbstverständlich verankert in der westlichen Wertegemeinschaft. Die Atlantische Zivilisation war natürlich unsere gemeinsame Identität, an der wir nicht zweifelten. Aber der Fokus des Denkens driftete auseinander.

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Abb. 6.8   Mit Brian Klein und Hubertus Hoffmann im Gespräch mit David Wilder, dem ersten afro-amerikanischen Gouverneur der USA (Virginia) in Richmond (1991). (© Ludger Kühnhardt)

Irgendwie spürten wir alle in Richmond, dass Amerika in der Welt nach dem Kalten Krieg eine andere Sicht auf die Welt haben und weiterentwickeln könnte, konzeptionell, strategisch, ökonomisch, kulturell. John Kornblum präsentierte uns sein Mantra, dem ich später über viele Jahre immer wieder widersprechen sollte: Deutschlands Macht sei gewachsen, diejenige der Europäischen Gemeinschaft gesunken. Wenn ich für die Vertiefung der europäischen Integration plädierte und für eine Erweiterung um die Länder Mitteleuropas, hörte ich gleich amerikanische Einwände und die Anregung, dass dann auch Russland in die EG einbezogen werden müsste. Mit Alex Wise, Stephan Eisel, Gunther Hellmann, Oskar Prinz von Preußen, Torsten Krauel, Catherine Barr, Beatrice von Weizsäcker, Jennifer Hurshell, Christian Wernicke, Martin Ney, Hubertus Hoffmann, Gray MacCalley und den anderen Teilnehmern der Young Leaders Conference besichtigte ich Monticello, das einzigartige Haus, das sich Thomas Jefferson, der Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, in der Nähe von Charlottesville erbaut hatte. Der große Renaissance-Architekt Andrea Palladio hätte Baumeister sein können. In Monticello war Atlantische Zivilisation zu sehen und zu spüren. Einige Jahre später errichtete ich Thomas Jefferson ein kleines publizistisches Denkmal (Kühnhardt 1993a).

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Abb. 6.9   In Nashville mit dem demokratischen US-Senator Jim Sasser und Beate Lindemann (1992). (© Ludger Kühnhardt)

Bei der nächsten „Young Leaders Conference“ der Atlantik-Brücke vom 15. bis 20. August 1992 in Nashville, Tennessee, suchten wir erneut mühsam neue transatlantische Aufgaben (Kühnhardt 2021, S. 434 f.). Mit dem demokratischen US-Senator Jim Sasser stritt ich vehement über die Todesstrafe, die er befürwortete. Mit dabei waren bei der Konferenz unter anderem Christian Wulff, der spätere Bundespräsident, den ich seit der Schulzeit kannte, Katja Gloger, „Stern“-Korrespondentin in Moskau, Thomas Oppermann, später SPD-Fraktionsvorsitzender und Vizepräsident des Deutschen Bundestages, sowie Ute Sacksofsky, später Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs von Hessen, die ich seit der Studienzeit in Harvard kannte. Mehr als die aktuellen politischen Entwicklungen in den USA begeisterte uns Deutsche die Country-and-Western-MusikSzene in Nashville. In umgekehrte Richtung erlebte ich eine ähnliche politische Entfremdung am 17. Februar 1993, als ich wieder einmal in Harvard zu einem Vortrag eingeladen war. Ich spürte: Die transatlantische Fassade stimmte, aber der Inhalt zeigte Risse. Meine Analyse der neuen Rolle Deutschlands in Osteuropa wurde in Harvard’s Kennedy School of Government mit viel Skepsis aufgenommen (Kühnhardt 2021, S. 438).

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Abb. 6.10   Atlantik-Brücke: „Young Leaders Conference“ in Nashville mit Christian Wulff, Katja Gloger, Ute Sacksofsky und Thomas Oppermann (1992). (© Ludger Kühnhardt)

Längst war in die USA die Euphorie über die Entwicklungen 1989/1990 in Europa einer vielschichtigen Ernüchterung gewichen. Die freudige Stimmung, die ich auf einer wissenschaftlichen Tagung zu Menschenrechtsfragen in Princeton am 15. bis 17. November 1989, wenige Tage nach dem Mauerfall, angetroffen hatte, war verblasst (Kühnhardt 1993b, S. 126 ff.). Das Abenteuer, mit amerikanischen und deutschen Teilnehmern der „Young Leaders Konferenz“, die vom 26. bis 31. August 1990 in Hamburg stattgefunden hatte, zu Fuß über die formal noch wenige Monate bestehende deutschdeutsche Grenze bei Lauenburg zu laufen, ohne dabei angehalten zu werden, war zur Anekdote geronnen. Deutschland war wieder ein Problem für manchen Amerikaner geworden. Daher sprach ich 1993 in Harvard von den psychologischen Belastungen des Kalten Krieges, die Jahrzehnte andauern würden. Und davon, dass die Partnerschaft mit den USA essenziell, ja existenziell bleibe. Wenige Monate später versuchte ich mich erneut in dieser Argumentation. Das Deutsche Historische Institut in Washington D.C. hatte mir die Ehre zuteilwerden lassen, die Third Alois Mertes Memorial Lecture zu halten, benannt nach dem vormaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt, mit dessen Sohn Michael ich befreundet bin. Den jüngeren Mertes-Sohn Ludwig hatte ich 1985 in Harvard getroffen. Er stand damals noch ganz unter dem Schock der BitburgKontroverse nach dem gemeinsamen Besuch von Präsident Reagan und Bundeskanzler Kohl auf einem Soldatenfriedhof in der Eifeler Heimat von Alois Mertes, auf dem auch

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Angehörige der Waffen-SS beerdigt sind. Mit seinem Vater hatte er soeben in New York die wichtigsten jüdischen Organisationen der USA besucht, um die Wogen zu glätten. Alois Mertes hatten diese Krise und diese Reise arg mitgenommen. Nur wenige Wochen später, am 16. Juni 1985, starb Alois Mertes. In Washington sprach ich am 27. Mai 1993 über „Ideals and Interests in German Foreign Policy“ (Kühnhardt 1993c; Kühnhardt 2021, S. 439). Gottfried Dietze, ein altgedienter deutsch-amerikanischer Rechts- und Staatstheoretiker, Sam Wells, Leiter der Westeuropa-Abteilung am Woodrow Wilson International Center for Scholars und mein südafrikanischer Freund Harry Stephan, der sich damals an der Georgetown University aufhielt, gehörten zu den vielen Zuhörern. Sie alle einte die innere Unruhe, wie es denn mit den Beziehungen Deutschlands zu den USA weitergehen könnte. Die umgekehrte Frage, wie die USA es nach dem Kalten Krieg mit Deutschland und Europa halten würden, stellte niemand. Ich versuchte tapfer, die westliche Normalität Deutschlands zu analysieren. Deutschland sei den Menschenrechten verpflichtet sowie seinen Aufgaben in den Vereinten Nationen. Deutschland bleibe ein loyaler Verbündeter der USA, während es zugleich am Zusammenschluss europäischer Souveränität arbeite. Deutschland werde sich, so ergänzte ich in Washington, den neuen Aufgaben humanitärer Intervention stellen (friedenserhaltend, friedenserzwingend, friedensschaffend). Ich erinnerte an die neuen strategischen Aufgaben: Proliferation von Massenvernichtungswaffen, illegale Migration, organisierte Kriminalität und radikale politische Bewegungen in Nordafrika und im Nahen Osten. Wir schrieben 1993. Ich suchte nach unverbrauchten Ansätzen in der Ideengeschichte, um die Atlantische Zivilisation neu zu verorten. In Jena, wo er studiert hatte, hatte ich Franz Lieber entdeckt. Lieber war ein deutscher Gelehrter, der in den USA zum dortigen Wegbereiter dessen wurde, was seit dem Werk von John Burgess, der an Liebers Pionierarbeit anknüpfen konnte, bis in die Gegenwart Politische Wissenschaft genannt wird. Auch zum Kriegsvölkerrecht hatte Lieber bedeutende Vorarbeiten geleistet. Ich sah, dass es mehr geisteswissenschaftliche Brückenbauer zwischen Europa und Amerika gab als Alexis de Tocqueville im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Ich stellte Bezüge und Beziehungen zwischen Franz Lieber (1800–1872) und Alexis de Tocqueville (1805– 1859) her, bisher eine Forschungslücke in der vergleichenden politischen Ideengeschichte (Kühnhardt 1993d). Lieber und de Tocqueville hatten sich zwei Mal getroffen, 1831 in Boston und 1844 in Paris. Franz Lieber, gebürtiger Berliner, der sich in den USA Francis nannte und Lehrer der Geschichte und Staatswissenschaft an der „Columbiaschule“ in New York wurde, publizierte 1839 ein Manual of Political Ethics und 1853 sein zweites Hauptwerk On Civil Liberty and Self-Government. Franz Lieber war, für deutsches politisches Denken in der Mitte des 19. Jahrhunderts eher ungewöhnlich, ein klassischer Verfassungsliberaler im besten amerikanischen Sinne des Wortes. Ich hoffte, mit meiner kleinen Studie alte Pfade des Denkens freizulegen, die uns helfen könnten, uns in den Ungewissheiten der Gegenwart besser zurechtzufinden. Diesem Ziel diente auch eine strategische Analyse der sicherheitspolitischen Interessen von Deutschland und Frankreich im Kontext der Atlantischen Allianz.

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Ich steuerte diese Analyse zu einem Forschungsprojekt bei, das David P. Calleo an der School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University koordinierte. Calleo, einer der führenden Europawissenschaftler seiner Generation, brachte mich vom 9. bis 13. April 1995 in Washington mit klugen und kritischen Köpfen zusammen. Ich stellte meine Thesen zu NATO und Westeuropäischer Union, Europäischer Gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik und den Möglichkeiten des Aufbaus von „Eurocorps“ auf einem Workshop an der Johns Hopkins University zur Diskussion. Mit einem stärker kultursoziologischen Fokus präsentierte ich meine Überlegungen anschließend bei einer öffentlichen Veranstaltung an der Georgetown University (Kühnhardt 1996a). Das 1992 aufgrund einer deutsch-französischen Initiative begründete „Eurocorps“ wurde in der EU als Nukleus einer europäischen Armee wahrgenommen. In den USA wurde das „Eurocorps“ indessen von denen gefürchtet, die sich Sorge um eine Abkopplung Europas von der NATO machten. Angesichts der porösen Struktur des Eurocorps, dem Versagen der EU in den Jugoslawien-Krisen, vor allem aber aufgrund der russischen Aggressionen im Kaukasus und allen möglichen Out-of-areaKrisen, bleibe es für Europa undenkbar, auf Dauer seine Sicherheit ohne die USA zu organisieren, versuchte ich meine Kollegen und später die Leser der von David Calleo und seinem Assistenten Markus Jelitto sorgfältig bearbeiteten, rundum gelungenen Publikation zu beruhigen (Kühnhardt 1995a, S. 103 ff.).

Abb. 6.11   Partnership in leadership: Im „Weißen Haus“ mit dem Redenschreiber von Präsident George H.W. Bush, John S. Gardner. Noch arbeiten wir alle mit der Schreibmaschine (1992). (© Ludger Kühnhardt)

6.1  Der ewige Spiegel (Kühnhardt 1998a) …

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In der Mitte der 1990er-Jahre verbreitete sich immer mehr ein Gefühl der Orientierungslosigkeit in den transatlantischen Beziehungen. Die Präsidentschaft von George H.W. Bush (1989–1993) hatte den Deutschen geschmeichelt. Er hatte zu „Partnership in Leadership“ aufgerufen. Es konnte eigentlich keinen pro-europäischeren Präsidenten geben als Bill Clinton zwischen 1993 und 2001. Und dennoch: Die Hilflosigkeit über vier nicht verhinderte Kriege in Jugoslawien, eine neue Sequenz von Gewalt im Nahen Osten, beginnend mit der Befreiung Kuweits 1991, die erste Intifada von 1987 bis 1993, danach zwar die kurzzeitige Hoffnung, die das Oslo-Abkommen für die Perspektive einer Zwei-Staaten-Lösung zu bringen schien, und dann doch wieder kein Durchbruch und die zweite Intifada von 2001 bis 2005. Zuvor im Oktober 1993 die gewaltige Demütigung der USA, als tote amerikanische Soldaten durch die Straßen von Mogadischu geschleift wurden. Der Kongo-Krieg von 1996 bis 2003 war kaum auf dem transatlantischen Radar und der Völkermord in Ruanda 1994 eher als eine Peinlichkeit, vor der man lieber die Augen verschloss. Die westlichen Länder waren währenddessen vor allem mit sich selbst beschäftigt. Eine Tagung des Bergedorfer Gesprächskreises von 1993, die ich im darauffolgenden Jahr in meinem Buch Revolutionszeiten zitierte, traf den Nagel auf den Kopf: Würde der Westen den Zerfall des Ostens überleben? (Bergedorfer Gesprächskreis 1993; Kühnhardt 1994a, S. 296) Die Frage war von säkularer Brutalität. Erst drei Jahrzehnte später rückte sie ins volle Bewusstsein eines zwischen Selbstzweifeln und Selbstbehauptungswillen hin und hergerissenen Westens. Ich spürte aber schon damals erstmals und ganz unmittelbar die Relevanz dieser brutalen Frage bei der „Deutsch-Amerikanischen Konferenz“ der Atlantik-Brücke, die vom 15. bis 18. Juni 1995 in Berlin stattfand. Ich war Rapporteur eines der Arbeitskreise, der sich mit der außenpolitischen Dimension der transatlantischen Beziehungen befassen sollte, einem Thema, zu dem ich in dieser Zeit immer wieder publiziert habe (Kühnhardt 1995a, S. 12 ff.; 1996b, S. 7, 1996c, S. 12 ff.; 1997a, 1997b, S. 55 ff.). Tatsächlich diskutierten wir aber fast nur zu gesellschaftspolitischen Fragen und der inneren Auflösungserscheinungen in den westlichen Gesellschaften. Am Ende der Konferenz bilanzierte ich nicht nur unsere Diskussionen, sondern auch den Zustand der jeweiligen Innenpolitik: Wir, die Gesellschaften in beiden Ländern, würden nicht besser regiert als wir es verdienen. Dann zitierte ich Oscar Wilde, um die Qualität der medialen Diskussionen aufzuspießen: Die Öffentlichkeit habe stets ein unstillbares Interesse zu wissen, außer das zu wissen, was wichtig sei (Kühnhardt 1996d, S. 150 ff.). Im Kern war die Tagung dem Ziel gewidmet, Multilateralität und gemeinsam verfolgte Aufgaben zu erneuern. Bundespräsident Roman Herzog empfing uns im Schloss Bellevue. Der Ministerpräsident von Brandenburg, Manfred Stolpe, lud zu einer Bootsfahrt auf dem Wannsee.

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Abb. 6.12   Atlantik Brücke: Mit Dorothea und Eric Warburg sowie Beate Lindemann in Hamburg (1989). (© Ludger Kühnhardt)

Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen, Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, Jim Hoagland, Washington Post, Graham Allison, Harvard’s Kennedy School of Government, Robert Zoellick, ehemaliger Chefunterhändler der „2plus4“Verhandlungen über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Wiedervereinigung und unterdessen Vizepräsident der Federal National Mortgage Association („Fannie Mae“), Birgit Breuel, ehemalige Finanzministerin von Niedersachsen und Direktorin der „Expo 2000“ Hannover, Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Ron Asmus, Rand Corporation, Kenneth Dam, Vizeaußenminister unter Ronald Reagan und nun Professor an der Chicago Law School, Jürgen Dormann, Vorstandsvorsitzender von Hoechst, Erivan Haub, Tengelmann, Guido Goldman, Harvard, Amity Shlaes, Wall Street Journal, Uwe Nerlich, Stiftung Wissenschaft und Politik, die Bundestagsabgeordneten Michaela Geiger (CSU) und Norbert Gansel (SPD), Carroll Brown, American Council on Germany: Sie und alle anderen Teilnehmer dieses einzigartigen und feinen Netzwerkes wussten, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen sich gerade massiv änderten. Neue gesellschaftliche Wirklichkeiten brachten neue Themen und neue Eliten hervor. Von der Geopolitik ging der Blickwechsel zur Gesellschaftspolitik und zur Frage nach dem Zusammenhalt einer immer pluralistischer werdenden Lebensweise. Fragen der Medien und der Religion, der Soziologie und der Bildung spielten eine immer größere

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Rolle. Erstmals benannte ich in meinem Rapport ein für viele Ohren völlig neues Set von Themen: Wirtschaftsmigration, organisierter Menschenhandel, Afrika, Weltklima. Nach dem als glücklich empfundenen Ende des Kalten Krieges schlich sich in diesen Tagen des Jahres 1995 eine neue Furcht über das Unbekannte in die atlantischen Gespräche. Führung und Weitsicht waren gefragt. Jede Seite neigte unterdessen dazu, egoistisch zu fragen „what’s in for us“. Ein gemeinsamer Denkrahmen fehlte den transatlantischen Beziehungen, so wie er im Kalten Krieg bei allen Meinungsunterschieden und strategischen Interessendifferenzen bestanden hatte. Während die Interessen nun immer öfter kollidierten, schrumpften auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans die Horizonte. Dies war besorgniserregend, sprach doch alle Welt immer mehr von Globalisierung. Eine neue gemeinsame Agenda war dringend nötig, allzumal auch noch ein Generationenwechsel stattfand. Die Atlantik-Brücke vermochte es glänzend, neue Führungskräfte zu integrieren. Besonders Beate Lindemann hatte eine unvergleichbare und unwiderstehliche Gabe, Menschen an sich und dadurch an die Atlantik-Brücke und ihre Ideale zu binden. Sie vermittelte überzeugend das Gefühl, dass Amerika in uns selber ist, wie sie eine Festschrift für Walther Leisler Kiep betitelte, zu der ich einen Essay beitrug (Kühnhardt 1995b, S. 187 ff.). Was aber nutzten Ideale und neue Kräfte, wenn der Kompass insgesamt nicht mehr stimmte? Der Atlantischen Allianz fehlte in den 90er-Jahren eine organisierende neue Idee.

Abb. 6.13   Begrüßung durch Walther Leisler Kiep, den Vorsitzenden der Atlantik-Brücke, in Berlin (1995)

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Auf der Konferenz in Berlin hatte John Rielly interessante Forschungsbefunde des Chicago Council on Foreign Relations präsentiert: Demnach war für die Mehrheit der amerikanischen Gesellschaft weiterhin Europa der wichtigste Partner und Referenzpunkt in der Welt. Gleiches galt für alle europäischen Gesellschaften: Amerika war der wichtigste Partner in der Welt. Bei den Regierungen sahen die Perzeptionen anders aus: Amerikanische Regierungsvertreter sahen doppelt so häufig wie Europäer Asien als ihren wichtigsten Partner. Die Wirtschaftsführer waren mehrheitlich gespalten zwischen ihren wechselseitigen transatlantischen Aktivitäten und einer immer stärker wachsenden Ausrichtung nach Asien. Asien, das hieß unterdessen immer weniger Japan und immer mehr Japan und China, zuweilen auch China, Japan und Korea. Und manchmal sogar nur noch China.

Abb. 6.14   Forschungen in der Hoover Library der Stanford University (1995–96). (© Ludger Kühnhardt)

Nirgendwo hätte ich diese Blickverschiebung der USA nach Asien besser erleben und zugleich mein Grundlebensgefühl bestätigt finden können, einer gemeinsamen Atlantischen Zivilisation anzugehören, als in Stanford. Der Campus der Stanford University ist ein akademisches Paradies auf Erden. Der schönste Universitätscampus, den ich auf der Welt kenne, öffnete mir seine Pforten. Vom 4. September 1995 bis zum 27. März 1996 konnten Enikö und ich jede Minute dort genießen. Auf Einladung von Larry Diamond war ich als Research Associate der Hoover Institution on War, Revolution and

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Peace tätig. Larry Diamond ist einer der kreativsten und klügsten Demokratieforscher auf der Welt, der sich nie scheute, in die Tiefe der Länder anderer Kontinente einzudringen, um zu verstehen, was in deren Hauptstadt talk of town war oder was in der beschaulichen Lehnstuhl-Atmosphäre des akademischen Elfenbeinturms einfach gerade so geredet und geschrieben wurde. Seine zupackende Art hat Larry zugleich zu einem geschätzten Politikberater werden lassen. Er war einer der ersten, der wie ich vom Primat des globalen Südens für die strategische Überlebensfähigkeit des Westens überzeugt war. Die Forschungsbedingungen, die anregenden Gespräche, die allgegenwärtige Liebenswürdigkeit der Amerikaner, das entspannte Freiheitsgefühl, die unübertrefflichen Opernabende in San Francisco, der „Viennese Ball“ im Stanford Gym und die fast allabendlichen Tennisspiele mit Enikö gehören zu den besonders schönen Erinnerungen meines beruflichen wie privaten Lebens. Während ich las und schrieb, gab Enikö, Ungarin after all, ehrenamtlichen Deutschunterricht im Bechtel Center der Stanford University. Entrückt von aller Welt und doch mitten im Herzen der Atlantischen Zivilisation, so empfanden wir beide die einzigartig sorglose Zeit in Stanford (Kühnhardt 2021, S. 478 ff.).

Abb. 6.15   Erstmals schreibe ich meine Manuskripte auf einem Notebook (1995–96). (© Ludger Kühnhardt)

Ich verdanke Stanford meine Studien Von der ewigen Suche nach Frieden (Kühnhardt 1996e) und Zukunftsdenker (Kühnhardt 1999a). Nur die Weite der Freiheit, die an den besten amerikanischen Universitäten für mich geweht hat, hat es mir ermöglicht, so weit-

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räumig und großzügig zu denken, wie ich es in diesen beiden Büchern zum Ausdruck gebracht habe. Sie sind vom Geist Amerikas beseelt. Vielleicht erklärt auch dies, warum gewisse meiner Bücher in Deutschland vergleichsweise wenig rezipiert worden sind. Sie halten sich streng an deutsche akademische Standards, an Fußnoten und abgewogene Argumente. Aber sie sind von einem weiten Wurf und Horizont angetrieben, wie er mir wieder und wieder in jedem guten wissenschaftlichen Buch in den USA begegnet ist. Das aber kommt in Deutschland nicht so gut an. Ich habe immer an erster Stelle für Europa geschrieben und bin doch akademisch in den USA mehr sozialisiert worden als es mein formaler Lebenslauf erklären kann. Auch ich bin einer, der sagen kann: Amerika ist in mir. Ich sage dies mit bleibender Dankbarkeit und ich sage es gerne. Abb. 6.16   Wie im alten Europa, auch das ist Stanford: Mit Enikö beim „Viennese Ball“ (1996). (©Ludger Kühnhardt)

Geschichte blieb immer der Grund, auf dem auch meine wissenschaftliche Verbundenheit mit den USA beruhte. So war es folgerichtig, dass ich mich während dieser Zeit in Stanford mit dem Historiker Norman Naimark anfreundete. Norman war gerade dabei, ein gewichtiges Buch zu Ende zu bringen. 1997 erschien es unter dem Titel The Russians

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in Germany. A History of the Soviet Zone of Occupation, 1945–1949 und dank meiner Vermittlung zeitgleich in deutscher Übersetzung als Die Russen in Deutschland. Die sowjetische Besatzungszone 1945 bis 1949. Die Vorträge, um die ich 1995/1996 in Stanford gebeten wurde, kreisten um die üblichen Fragen der atlantischen Zusammenarbeit, angereichert durch einige meiner weit darüber hinaus gehenden Forschungsperspektiven, die sich herumgesprochen hatten.

Abb. 6.17   Mit den Kollegen Norman Naimark und Christian Hacke in Stanford (1996). (© Ludger Kühnhardt)

Am 13. Dezember 1995 führte mich Larry Diamond bei einem Seminar in der Hoover Institution ein, wo ich über „Germany and the search for a new European Order“ vortrug. Am 24. Januar 1996 sprach ich im „Haus Mitteleuropa Stanford Campus“ und wenig später noch einmal bei einem brown bag luncheon des Instituts für Politische Wissenschaft, geleitet von Philippe Schmitter, einem der Vordenker der europäischen Integrationstheorie, über „Immanuel Kant and the European peace architecture reconsidered“. Dort stellte ich die Kernthesen meiner in Arbeit befindlichen Studie vor, die 1996 in Deutschland erschien. Ich begann mit Kants Essay von 1795 über den

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ewigen Frieden, spannte den Bogen zu den Herausforderungen unserer Gegenwart, beschrieb den Mangel an einer neuen organisierenden Idee in den transatlantischen Allianzbeziehungen seit dem Ende des Kalten Krieges und erinnerte an die drei kantischen Definitivartikel, um eine robuste Fortführung der Atlantischen Allianz zu begründen. Am 30. Januar 1996 sprach ich vor dem Rotary Club Palo Alto, eingeführt durch einen der Großmeister der Politischen Wissenschaft, Gabriel Almond, zum Thema „Germany’s Approach to the New Europe“. Die Gespräche mit Gabriel Almond, dessen Klassiker The Civic Culture ich im Studium kennengelernt hatte (Almond und Verba 1963), und seiner aus Aachen stammenden Frau führten mich wieder einmal zurück zu den Dramen des Zweiten Weltkrieges. Sie bildeten weiterhin die Rahmenerzählung für die Welt, in der ich aufgewachsen war, während mir gleichzeitig der Beginn einer gänzlich neuen Zeitrechnung deutlich vor Augen stand. Das Wiedersehen mit dem großen Historiker Gordon Craig verstärkte diese Verknüpfung biografischer und allgemein zeithistorisch-politischer Sichtweisen auf Europa (Craig 1983).

Abb. 6.18   Mit Gabriel Almond, dem Begründer der political culture-Forschung (1996). (© Ludger Kühnhardt)

Die Begegnung mit Edward Teller, dem Vater der amerikanischen Wasserstoffbombe und Vordenker der von Präsident Reagan auf den Weg gebrachten Strategic Defense Initiative (SDI), machte mir deutlich, dass und wie die USA über den Kalten Krieg hinaus Welt-

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macht auf der Suche nach einer Zweckbestimmung geblieben waren. Während des Forschungssemesters in Stanford kreuzten sich meine Wege mit dem Hamburger Kollegen Christian Hacke. Es entstanden, wie er im Vorwort zu seinem in Stanford entstehenden Buch über die amerikanische Außenpolitik schrieb, „herzlich-kollegiale Beziehungen“. Wir sprachen in diesen Wochen viel über die amerikanische Außenpolitik und ich schlug Christian einen ebenso zutreffenden wie packenden Titel für sein Buch vor: Zur Weltmacht verdammt (Hacke 1997).

Abb. 6.19   Mit Gordon Craig, dem Großmeister der Geschichtsschreibung Europas (1996). (© Ludger Kühnhardt)

Auf Empfehlung von Edward Teller besuchten Christian Hacke und ich die Livermoor Laboratories. Nie zuvor und nie danach ist mir der Machtanspruch, aber auch das Machtpotenzial der Vereinigten Staaten von Amerika so deutlich geworden. Mir wurde klar: Deutschland würde nur als loyaler Partner ernstgenommen werden können, jetzt, da es seine strategische Relevanz durch die erfolgreiche Überwindung des Ost-WestKonfliktes und der nationalen Teilung verloren hatte. Bei einer Exkursion durch die Staaten des Südwestens der USA bekam ich im Los Alamos National Laboratory die Attrappe der ersten Atombombe zu sehen, die am 6. August 1945 in Hiroshima abgeworfen worden war. Ich hatte die strategischen Gründe für den Abwurf der ersten Atombombe immer verstanden. Es war darum gegangen, die Japaner zur Kapitulation zu zwingen und noch schlimmeres Blutvergießen zu vermeiden. Aber schon in Hiroshima

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und Nagasaki, die ich 1984 besucht hatte, wollte mir nicht eingehen, warum um Gottes Willen nur drei Tage später, am 9. August 1945, auch noch die zweite Bombe notwendig gewesen war. In Los Alamos, vor der Attrappe von „Little Boy“, daneben „Fat Man“, fühlte ich mich nicht wirklich wohl: Die pure Macht der USA machte mich wortlos.

Abb. 6.20   Die Macht macht wortlos: Vor einer Attrappe von „Little Boy“, der ersten Atombombe, im Los Alamos National Laboratory (1996). (© Ludger Kühnhardt)

Ich suchte nach neuen Vektoren für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Besonders wichtig schien mir, im Dreieck USA, Europa, Türkei eine starke geopolitische Flanke gegenüber den dahinter liegenden unruhigen Regionen zu bilden. Später verband ich diese geopolitische Argumentation mit dem, was ich die geo-religiöse Dimension nannte: Gerade nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 war der interreligiöse und kulturelle Dialog mit der Türkei und anderen islamischen Staaten für den christlich-jüdischen Westen eine Frage der Selbsterhaltung. Zunächst ging es mir darum, die Potenziale des Dreiecks USA, Europa, Türkei besser herauszuarbeiten und in die politischen Diskurse einzubringen. Je mehr ich mich mit der Türkei beschäftigte, desto

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weniger war ich gegenüber einer EU-Mitgliedschaft der Türkei abgeneigt. Genauer gesagt, befürwortete ich sie vehement, solange sie kaum möglich war, verhaltener, als nach 2005 Sand ins Getriebe der endlich begonnenen Beitrittsverhandlungen geriet, und klagender ob der verpassten Chancen, als der EU-Beitritt der Türkei nach 2010 immer mehr zu einer Fantasieidee zu werden drohte. Einstweilen brachte ich in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre ein Kooperationsprojekt des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) mit dem American Institute for Contemportary German Studies (AICGS) und dem Middle East Technical University Ankara (METU) auf den Weg. Mit meinen Freunden und Kollegen Jackson Janes (AICGS) und Hüseyin Bagci (METU) führte ich hochkarätig besetzte Workshops in Washington (1997), Bonn (1998) und Ankara (1999) durch. Bei dem Projekt mit dabei waren unter anderem die deutschen Diplomaten Ekkehard Eickhoff und Günter Joetze, die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Christian Sterzing, der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Schockenhoff, die ehemaligen türkische Außenminister Murat Karayalcin und Hikmet Cetin, Ishak Alaton, Jude und einer der führenden Unternehmer der Türkei (ALARKO Holding), die Kollegen Attila Eralp, Haluk Kabaalioglu, Azade Seyhan, Ali Karaosmanoglu, Ian Lesser, Alan O. Makovsky und Graham E. Fuller, die Ausländerbeauftragte von Berlin, Barbara John, der Leiter der Delegation der Europäischen Kommission in Ankara, Michael Lake und Barbara Huber-Rudolf, Leiterin der christlich-muslimischen Dialog- und Dokumentationsstelle Frankfurt. Auf die Workshops folgten mehrere Publikationen mit Beiträgen von Wissenschaftlern und Akteuren aus Politik und Wirtschaft (Bagci et al. 1999; Kühnhardt 1998b, S. 65 ff.; 1999b, S. 93 ff.; 2003a, S. 118–137). 2004 wurde Hüseyin Bagci, Jackson Janes und mir für unsere Initiative der Europäische Wissenschaftspreis der Europäischen Kulturstiftung verliehen. Ich empfand den Preis als eine Bestätigung für die Atlantische Zivilisation, zu der ich die Türkei gerne hinzurechnete.

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Abb. 6.21   Parameters of Partnership: The U.S.-TurkeyEurope (mit Hüseyin Bagci und Jackson Janes) (1999). (© Nomos Verlag)

An der transatlantischen Seelensuche dieser Jahre beteiligte ich mich in den unterschiedlichsten Zusammenhängen und an verschiedenen Orten, so beispielsweise mit einem Vortrag an der Universität Reykjavik am 20. Februar 1997 zum Thema „Germany’s role in Europe and the Future of Euro-Atlantic Relations“ (Kühnhardt 2021, S. 514 ff.). Besser als alle anderen versuchte wieder einmal die Atlantik-Brücke Scherben zu kitten. Die „Deutsch-amerikanische Konferenz“ vom 17. bis 20. April 1997 in Richmond, Virginia, stand unter dem Motto „Sustaining a partnership in a chaotic world“. Der Gouverneur von Virginia, George Allen, John Galvin, der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber in Europe, Joshua Gotbaum, der stellvertretende Finanzminister der USA, Rolf Breuer, Vorstandssprecher der Deutschen Bank und deren Chefvolkswirt Norbert Walter, der ehemalige amerikanische Botschafter in Deutschland, Richard Burt, Sachsens Kultusminister Matthias Rößler, die Harvard-Professoren Bob Blackwill und Gregory Treverton, Thomas Enders, Daimler-Benz Aerospeace, Robert Leicht, Die

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Zeit, mein Young Leader-Freund Alex Wise und andere lauschten noch einmal einigen der Denkmäler einer verschwindenden Ära: Ernst Cramer, der 1913 geborene jüdische ehemalige Herausgeber der „Welt am Sonntag“ erinnerte sich und uns an seine Zeit im Konzentrationslager Buchenwald 1938 und die wunderbare Auswanderung in die USA 1939, Momente vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Senator Charles „Mac“ Mathias rühmte die bi-partisanship, die Amerikas Außenpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg bestimmt habe und der Welt gutgetan hatte. Ich hatte auf der Konferenz im berühmten Jefferson-Hotel in Richmond in einen Arbeitskreis einzuführen, der sich mit der innenpolitischen Erneuerung des Sozialvertrages in beiden Ländern befasste. Ich begann unterhaltsam und erinnerte an die frühere Definition von Politik, die in der Kunst bestanden habe, die Stimmen der Armen und das Geld der Reichen zu erhalten. Heute sei alles anders. Politiker würden Brücken bauen, auch dort, wo es kein Wasser gibt. Soziologen würden immer sogleich dem Täter helfen wollen, nicht dem Opfer. Ich erinnerte daran, dass mehr als die Hälfte der Deutschen auf die Frage, ob sie ihre Ausgaben für die Ferien kürzen würden, falls sie sozial schwächer gestellt wären, mit „Nein“ geantwortet haben. 1989 habe auch die Rückkehr der nationalen Agenda gebracht und damit auch der sozialen Agenda. Gesellschaftlicher Wandel sei zu einem schwierigen Thema der Atlantischen Zivilisation geworden. Noch bleibe es schwierig, die Trends in beiden Ländern vorherzusagen. In den USA wie in Deutschland seien die Diskussionen zu sehr fixiert auf abstrakte Wettbewerbsfähigkeit. Der demografische Faktor werde zu häufig ausgeblendet, mahnte ich. In Deutschland waren 1900 50 % der Menschen jünger als 25 Jahre. 1997 waren 5 % älter als 50. Ohne eine Veränderung der Geburtenrate werde Deutschland nach Schätzungen von Experten 2020 nur noch 63 Mio. Einwohner haben, so viele wie 1925. Um das Bevölkerungsniveau vom Stand 1997 zu halten, so rechneten einige Experten vor, müssten 23 Mio. Ausländer und ihre Kinder aufgenommen werden. Das sei natürlich völlig unrealistisch und würde Deutschlands Gesellschaft sprengen, weswegen die reine Reduzierung auf Zahlen dem Problem nicht beikomme. Amerika sei indessen weiterhin ein junges Land mit einem Altersdurchschnitt von nur 37 Jahren. Bei der Frage nach den Kräften des Wandels seien auch Unterschiede größer als lange Zeit angenommen. Die USA, so sagte ich, seien ein religiöses Land, Deutschland ein theologisches Land, in dem die Kirchen immer leerer werden und ihre Führer sich zu viel mit sich selbst beschäftigen. Die um sich greifende Talkshow-Demokratie im Fernsehen beunruhigte mich, in Deutschland nicht weniger als in den USA. Die politische Debatte wandere aus den Parlamenten aus. Wandel und Erneuerung würden weiterhin aus den menschlichen Nahbeziehungen erwachsen, in Familien und der Nachbarschaft. An dieser Stelle variierte ich eine These Tocquevilles über die Wurzeln der amerikanischen Demokratie. Aber stimmte diese These eigentlich noch? Was würden die Folgen für die politischen Machtverhältnisse sein, die sich aus gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen und den möglichen ökonomischen und vor allem soziologischen Implikationen der Globalisierung in beiden Ländern ergeben könnten, fragte ich? (Kühnhardt 1998c, S. 62 ff.) Auf der Tagung in Richmond lernte ich Joachim

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Gauck kennen. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen sagte mir, er habe die Mentalität der Westdeutschen erst verstehen gelernt, seitdem er Amerika habe kennenlernen können. Der Gedanke prägte sich tief in mich ein, weil er mir zeigte, wie brüchig die Idee einer Atlantischen Zivilisation offenbar in Teilen Deutschlands geblieben war (Kühnhardt 2021, S. 519 f.). Vorübergehend versuchte ich, am Ende vergeblich, den American Council on Learned Societies für ein gemeinsames Forschungsvorhaben über die Frage zu gewinnen, wie Amerikaner und Europäer mit dem Phänomen des Wandels umgehen und „change“, der doch immer ist, managen. Ein gemeinsamer Workshop in Harvard am 26./27. Oktober 1998 erwies sich als frustrierend, weil offenbar nicht nur die Weltsichten beiderseits des atlantischen Ozeans auseinanderzufallen begannen. Auch der Wille, zwischen Academia und politischer Sphäre Brücken zu schlagen, schien selbst in den Kreisen einer der renommiertesten Wissenschaftsorganisationen der USA massiv zu schwinden (Kühnhardt 2021, S. 561 f.). Der Rückzug in den Elfenbeinturm hatte mir immer als eine deutsche Spezialität gegolten. Bei dieser Tagung erlebte ich, dass auch amerikanische Gelehrte den Elfenbeinturm schätzen können. Die Eröffnung eines neuen European Studies Center an der Columbia University in New York am 16. und 17. April 1999 ließ noch einmal Hoffnung auf einen konstruktiven Dialog zwischen Theorie und Praxis in der Auseinandersetzung mit einer neuen Agenda aufkeimen. Sir Leon Brittan, der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Under Secretary of Commerce der USA, Botschafter David Aaron, der Vorstandsvorsitzende von BASF Schwarzheide, HansUlrich Engel, Richard Gardner, Völkerrechtler an der Columbia University, mit dem ich seit meinem Studium in Harvard bekannt war, der Vater meines Studienfreundes Tony Gardner, namhafte Wissenschaftler wie Kalypso Nicolaidis aus Oxford, Giandomenico Majone vom European University Institute und meinen Bonner Jura-Kollegen Matthias Herdegen hatte der Rechtswissenschaftler George A. Bermann zu der Auftaktkonferenz seines Instituts zusammengeführt. Ich diskutierte in einem Panel mit der Juristin AnneMarie Slaughter, damals Princeton University und später Planungschefin von USAußenministerin Hillary Clinton, die regulatorischen Fragen in den transatlantischen Beziehungen im Lichte der demokratischen Werte auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans (Kühnhardt 2001, S. 481 ff.; Kühnhardt 2021, S. 569 f.). Die Konferenz bestärkte mein Verständnis von der Notwendigkeit transdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Rechts-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften. Ob indessen in den transatlantischen Beziehungen dadurch ein Mehrwert generiert würde, der einen neuen Denkrahmen bilden konnte, blieb damals dahingestellt.

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Abb. 6.22   Mit Enikö und unserer Tochter Victoria auf der Plymouth Plantation,Mass. (2000) (© Ludger Kühnhardt)

Einstweilen erlebte ich weiterhin eine der stärksten Kräfte der Atlantischen Zivilisation: Die amerikanische Spitzenuniversität. Vom 27. März bis zum 2. Juni 2000 war ich als Gastprofessor ans Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, eingeladen, eine der Ivy-League-Universitäten der USA (Kühnhardt 2022a, S. 5 ff.). Dort führte ich eine Vorlesung durch („European integration: past experiences, current state and future prospects“) und hielt ein Seminar ab („Dialogue among cultures: clash or cooperation?“). Erstmals nutzte ich in Dartmouth das Internet und schrieb meine ersten E-Mails. Am 10. Mai 2000 hielt ich die Tenth Walter Picard Lecture am Dartmouth College. Walter Picard war von 1965 bis 1983 CDU-Bundestagsabgeordneter. Er hatte die Harris German-Dartmouth Distinguished Professur am Dartmouth College besonders gefördert, die mir für 2000 angetragen worden war. Ich war Picard einmal Jahre vor der Einladung nach Dartmouth begegnet, ohne damals von dieser wunderbaren deutschamerikanischen akademischen Institution zu wissen. In Dartmouth sprach ich über Europas Identität und politische Kultur, blieb also bei meinem Ansatz, die europäischen Entwicklungen in den USA nachvollziehbar zu machen. Es machte mir große Freude, aufgeweckte und arbeitsame amerikanische Studenten zu unterrichten. Einige mussten sich selbst an dieser Universität überfordert fühlen mit meinen Leseanforderungen. „The readings were simply way too long“, las ich später in einer Evaluierung meines Seminars. Andere zogen offenbar Nektar aus meinen beiden Seminaren zu Deutschland und Europa in der Atlantischen Zivilisation: „The professor has a wealth of knowledge on the topic“, wurde ich bewertet und: „It is quite an

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experience to have as a professor someone who is actively involved in his field.“ Die Studenten meinten, ich sei „very accessible and very approachable, which is refreshing“. Ich bedankte mich artig. Der Aufenthalt in Dartmouth brachte im Rückblick die erste und einzige Erfahrung in mein Leben, Opfer eines brutalen Mordes persönlich gekannt zu haben. Mit unserer Tochter Victoria wohnten Enikö und ich in einem schönen Holzhaus, das uns das College am Rande des Ortes zur Verfügung gestellt hatte. Ohne Türschloss, denn das brauche man in New Hampshire nicht, war uns bedeutet worden. So konnten wir auch nur lachen, als uns das Ehepaar Zantop – deutschstämmiger Geologe er, Dozentin am German Department sie – erzählten, sie hätten für ihr Haus mit weitläufigem Gartengrundstück auch nur deshalb ein Schloss gekauft, weil die überängstlichen Schwiegereltern sonst nicht aus Deutschland zu Besuch gekommen wären. Und dennoch: Am 27. Januar 2001 wurden Susanne und Half Zantop brutal in genau diesem ihrem Haus mit Türschloss ermordet. Bei einer Sitzung des „Arbeitskreis USA“ der Atlantik-Brücke am 14. September 2000 in Berlin erlebte ich besorgt, dass die Betonung strategischer Differenzen zwischen deutschen und amerikanischen Sichtweisen unterdessen auch auf Fragen des kulturellen Selbstverständnisses und des gesellschaftlichen Wandels übergegriffen hatte. Der neue Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Arend Oetker, erinnerte an den erweiterten europäischen Kulturbegriff, der in Frankreich etwa auch den Schutz landwirtschaftlicher Produkte einschließt. Karsten Voigt, der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, erinnerte an das hohe Gut der Sozialpflichtigkeit des Eigentums in Deutschland und verurteilte die anhaltende Akzeptanz der Todesstrafe in einer Reihe amerikanischer Bundesstaaten. Die vielbeschworene transatlantische Wertegemeinschaft wurde immer mehr von ihren Unterschieden und Gegensätzen her diskutiert. Ein gemeinsames Fundament zu stärken war auch unter den deutschen Mitgliedern der Atlantik-Brücke immer weniger gefragt. Mir machte diese Entwicklung größte Sorgen. Diese Sorge wurde verstärkt durch die eigentümlichen Kräfte der Selbstblockade im amerikanischen politischen System. Nichts zeigte diesen Zustand einer erstaunten Welt mehr als das bizarre Schauspiel um die Auszählung der Stimmen bei der amerikanischen Präsidentenwahl im November 2000. Nach den Wahlen vom 7. November 2000 hatte zunächst George W. Bush als Sieger gegolten und sein Herausforderer Al Gore ihm gratuliert. Dann zog Gore seine Gratulation zurück und verlangte eine Neuauszählung der Stimmen in Florida. In absoluten Zahlen hatte Gore rund 200.000 Stimmen mehr auf sich vereinigt. In Wahlmänner-Zahlen besaß Bush wegen des hauchdünnen Sieges in Florida die nötige Mehrheit. Die Nachzählung in Florida endete mit einem Vorsprung von George W. Bush von 327 Stimmen vor Auszählung der dortigen Briefwähler. Gore kündigte eine Wahlanfechtung an. Das amerikanische Wahlsystem des 18. Jahrhunderts taugte offenbar nicht mehr für das 21. Jahrhundert.

6.1  Der ewige Spiegel (Kühnhardt 1998a) …

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Aber auch der übliche Typus Präsident im späten 20. Jahrhundert – Technokrat und Eliteangehöriger mit Volks-Touch – hatte sich entleert. Bush wie Gore waren beide das Produkt, die Folge von Bill Clintons alles in allem eher schwachen Präsidentschaft und seinen, aber auch seiner Frau Charakterschwächen. Das Land schien mir weit stärker zu sein als seine Politik und seine Politiker. Es erschien mir nur eine Frage der Zeit zu sein, dass grundsätzliche Opposition zu diesen Zuständen in der amerikanischen politischen Elite und in einem teilweise dysfunktional gewordenen System entstehen musste. Erstmals, aber noch unentschieden, hatte im Jahr 2000 Donald Trump als Vertreter der „Reform Party“ für die amerikanische Präsidentschaft kandidiert. Die Zeichen an der Wand waren schon zu lesen. Amerika war dabei, auf einen Weg innerer Turbulenzen zu geraten. In dieser Zeit begann ich, die bisherigen Jahrzehnte der außergewöhnlich erfolgreichen deutsch-amerikanischen Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zu rekapitulieren. Es konnte keinen besseren Spiegel geben, als dies durch die Perspektive der Entwicklung der Atlantik-Brücke zu tun. 2002 stand ihr 50-jähriges Jubiläum an. Fast zwei Jahrzehnte hatte ich mitgewirkt und miterlebt. Es war mir vergönnt gewesen, mit Eric Warburg, Marion Gräfin Dönhoff und Erik Blumenfeld drei ihrer Gründungsmitglieder kennenzulernen und mit ihnen in die 50er- bis 70er-Jahre hineingenommen zu werden. Amerikanische Zeitzeugen dieser Jahrzehnte hatte ich ebenfalls erleben können: Shephard Stone, Steven Muller, Charles „Mac“ Mathias und andere. So entstand mein Geburtstagsgeschenk an die Atlantik-Brücke (Kühnhardt 2002a).

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Abb. 6.23   Atlantik-Brücke. Fünfzig Jahre deutschamerikanische Partnerschaft (2002). (© Propyläen in der Ullstein Buchverlage GmbH)

In Kap. I erklärte ich den Netzwerkcharakter der Atlantik-Brücke aus der Organisationstheorie. Ihre Besonderheit bestand darin, dauerhaft geworden zu sein und eine außergewöhnliche Kombination von informeller Struktur und starkem systemischen Einfluss zu verkörpern. Dies war nur möglich, weil die tragenden Ideen stabil genug waren (Kühnhardt 2002a, S. 9–16). Kap. II führte die Leser zurück in die Nachkriegszeit bis hin zum Bau der Berliner Mauer 1961. In dieser Zeit wurden die Weichen für die Westbindung der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Im Kern war diese Westbindung eine Revolution der politischen Kultur für die Deutschen. Sie sind seither in einer dreifachen Westbindung verankert: Strategisch in der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft NATO, europapolitisch in der Europäischen Gemeinschaft und kulturell in der Atlantischen Zivilisation. Seit der ersten „Deutsch-Amerikanischen Konferenz“ der Atlantik-Brücke 1959 in Bonn-Bad Godesberg hatte die Gründungsinitiative des

6.1  Der ewige Spiegel (Kühnhardt 1998a) …

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Jahres 1952 gezündet. Strategische Themen ebenso wie wirtschaftliche Interessenunterschiede und das Bemühen um politische Bildung gaben der Arbeit der Atlantik-Brücke immer klarere Konturen (Kühnhardt 2002a, S. 17–74). In den unruhigen 60er-Jahren verwandelte sich die Imagepflege der Atlantik-Brücke in politisches Kapital, wie ich in Kap. III nacherzählte. Die Spannungen zwischen Atlantikern und Gaullisten wurden im Gespräch mit den amerikanischen Partnern aufgefangen. Dort setzte sich die Erkenntnis durch, dass den deutschen Führungskräften auch in spannungsreichen Augenblicken getraut werden konnte (Kühnhardt 2002a, S. 75–130). Der Generationswechsel in der deutschen Politik und die Unwägbarkeiten der Ostpolitik in den frühen 1970er-Jahren verlangten der Atlantik-Brücke einiges ab, um das erworbene Vertrauen klug zu nutzen, wie ich in Kap. IV nachzeichnete (Kühnhardt 2002a, S. 131–191). Bis zum Ende des Kalten Krieges bewährte sich, so rekonstruierte ich in Kap. V, die Atlantik-Brücke, während sie sich zugleich durch die „Young Leaders“-Konzeption immerfort erneuerte (Kühnhardt 2002a, S. 192–260). Kap. VI beschrieb die mühsamen Prozesse der Anpassung auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans, eine neue und tragfähige transatlantische Agenda zu generieren. Nicht mehr die Sorge um Deutschland und die Angst vor der Sowjetunion waren Antrieb der atlantischen Zusammenarbeit. Antrieb der Zusammenarbeit waren eine Mischung von gestärkten Eigeninteressen beider Seiten und externe Herausforderungen. Immer dann, wenn sie die jeweiligen Bedrohungsperzeptionen teilten, konnten Amerikaner und Deutsche auch in dieser Zeit gemeinsame politische Strategien entwickeln. Wie unsicher die Grundlagen dieser neuen Umstände aber geworden waren, zeigten die Reaktionen auf die Terroranschläge vom 11. September 2001, die während der Zeit stattfanden, als ich mich gerade in der Niederschrift meines Buches befand (Kühnhardt 2002a, S. 261–345). Ich schloss das Manuskript mit einem Kap. VII ab, das den weiteren Gang des atlantischen Weges als ungeklärt und offen beschrieb. Ich verleugnete meine Zweifel über den Fortgang der amerikanisch-deutschen Beziehungen nicht und hoffte doch, optimistisch bleiben zu können (Kühnhardt 2002a, S. 346–351). Ich ließ es mir nicht nehmen, eine solide Bibliografie anzufügen. Natürlich durfte ein Personenregister nicht fehlen, denn ich durfte sicher sein, dass viele derer, die ich erwähnt hatte, ihren Namen in dem Buch gerne lesen würden. Peinlich ist bei solchen Gelegenheiten, immer irgendjemanden im Personenregister zu vergessen, der es sich zur Ehre rechnet, bei so einer Gelegenheit unter allerlei anderen wichtigen und unwichtigen Menschen unbedingt genannt zu werden. Am 17. April 2002 wurde dem Vater des aktuellen Präsidenten der USA, George Herbert Walker Bush, beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Atlantik-Brücke im Berliner Schloss Charlottenburg der Eric-M.-Warburg-Preis verliehen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch mein Buch vorgestellt, zu dem Präsident Bush ein Vorwort beigesteuert hatte. Das Werk und Wirken der deutschen Atlantiker, die in der AtlantikBrücke ihre Organisationsform par excellence gefunden hatten, sei, so schrieb Präsident George Bush sen., durch meine Studie „with admirable skill and remarkable success“ nachgezeichnet worden. In Anwesenheit von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ­Altkanzler Helmut Kohl und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker empfahl der Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Arend Oetker, meine Studie: „We are fortunate that

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the well-known political scientist Ludger Kühnhardt documented Atlantik-Brücke’s rich and unique history in a splendid book, which you may buy outside when you leave.“ Am darauffolgenden Tag erinnerte Robert von Rimscha im „Tagesspiegel“ an meine Formulierung, die Atlantik-Brücke sei „Inbegriff für die gesellschaftliche Verankerung der transatlantischen Beziehungen geworden“. Die Atlantik-Brücke habe keine Projekte, sie „lebt von der Idee pur“.1 Ich konnte an dem Festakt der Atlantik-Brücke und der Vorstellung meines Buches in Berlin leider gar nicht teilnehmen. Seit einigen Monaten hielt ich mich in Washington D.C. auf, um den tieferen Ursachen der damaligen transatlantischen Zerwürfnisse nachzugehen (Kühnhardt 2022a, S. 102 ff.).

6.2  Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) – The Crisis in Transatlantic Relations (Wells und Kühnhardt 2005) Die Studie, die ich während meines Forschungsaufenthaltes als Public Policy Fellow vom 3. März bis 31. Juni 2002 im Woodrow Wilson International Center for Scholars erarbeitet hatte, wurde 2003 vom Swedish Institute for European Policy Studies (SIEPS) veröffentlicht: Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b). In Auszügen konnte ich meine Thesen bei einem Workshop von SIEPS vortragen. SIEPS Direktor Tomas Dahlman hatte mich am 26. August 2003 für diesen Anlass nach Stockholm gebeten (Kühnhardt 2022a, S. 202). Der Workshop stand unter der Fragestellung „The European Union and the United States: Partners or Competitors?“ Dort stießen meine Analysen auf großes Interesse. Mir war es wichtig, nicht an der Oberfläche der tagesaktuellen Einschätzungen zu bleiben, sondern die strukturellen Faktoren zu erfassen, die den derzeitigen „Kalten Krieg innerhalb des Westens“ ausmachten. So nannte ich die Situation, die sich entschieden verschlechtert hatte, seitdem Jeffrey Garten schon 1992 vom „cold peace“ zwischen den USA, Deutschland und Japan gesprochen hatte (Garten 1992). Von China war noch keine Rede und Deutschland wurde dämonisiert. Mit meiner Studie wollte ich versachlichen und zugleich in die

1 Kritiker

meldeten sich im Internet zu Wort: Ein gewisser Richard Schapke veröffentlichte in einem Internet-Blog am 30. April 2004 unter dem Titel „Ein sauberer Verein“ eine ironisch-bissige Abrechnung mit der Atlantik-Brücke. Er nannte sie eine „diskrete Loge“. Sie sei „verlängerter Arm“ der imperialen Strukturen der USA, eine elitäre Gruppe, die diskret Einfluss nehme. Er nannte die Mitglieder Lambsdorff, Genscher, von Weizsäcker, Kiep und Wörner aus der Politik, den ehemaligen BND-Chef Blum, die Unternehmer Herrhausen, Flick, Oetker, Otto, Schmücker, Beckurts, von Kuenheim, die Publizisten Bucerius, Dönhoff, Sommer, Joffe, Kemna. Mein Buch wurde erwähnt mit den erklärenden Hinweisen, ich sei „Stichwortgeber der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik GASP der EU“, ehemaliger Redenschreiber von Weizsäckers und Mitglied der CDU-Programmkommission. Schapkes Bilanz der Atlantik-Brücke: „Der internationale Einfluss ist nicht zu unterschätzen“ (Schapke 2004). Verkauft wurde bis 2006 die komplette Auflage von knapp 1500 Exemplaren meines Buches.

6.2  Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) …

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politiktheoretische, ja ideengeschichtliche Tiefe vordringen, die notwendig war, um die tiefgreifenden Zerwürfnisse unter den Regierungen der USA einerseits und vor allem Deutschlands und Frankreichs andererseits über die Frage nach den richtigen Reaktionen auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 angemessen einzuordnen.

Abb. 6.24   Mit meinen Kindern bei den Cherokee native americans in den Great Smokey Mountains (2002). (© Ludger Kühnhardt)

Am 29. Januar 2002 erklärte Präsident Bush Iran, Irak und Nordkorea zur „Achse des Bösen“. Es folgten Begründungen und Behauptungen, Spekulationen und Mutmaßungen. In einer weiteren Rede am 1. Juni 2002 unterstrich Präsident Bush, die USA seien kriegsbereit. Im Juli 2002 legten Frankreichs Präsident Chirac und Bundeskanzler Schröder sich fest, ohne eine eindeutige Resolution des UN-Sicherheitsrates eine amerikanische Militäraktion gegen den Irak nicht zu akzeptieren. Zu Beginn des deutschen Bundestagswahlkampfs erweiterte Schröder am 5. August 2003 sein Veto: Selbst mit einer befürwortenden Resolution des UN-Sicherheitsrates werde Deutschland sich nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen. Die Zerwürfnisse unter den EU-Staaten wurden noch intensiver. Am 30. Januar 2003 schrieben die Regierungschefs von acht EU-Mitgliedsländern, angeführt von Spanien und Großbritannien, einen

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Brief, in dem sie ihre Solidarität mit der Position der USA kundtaten. In dem Streit über eine amerikanische Militärintervention im Irak, die am 20. März 2003 begann, fand der „Kalte Krieg innerhalb des Westens“ seinen einstweiligen Höhepunkt. Der frühere Verbündete des Westens (von 1979 bis 1990), Saddam Hussein, war zum Feind Nr. 1 erklärt worden. Der voreiligen Siegesmeldung von Präsident Bush am 1. Mai 2003 („mission accomplished“) folgten die formale Einstellung der Kampfhandlungen und ein Besatzungsregime durch eine von den USA geführte „Koalition der Willigen“. Im Dezember 2011 zogen offiziell die letzten amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak ab. Im Irak kehrte aber auch dann noch immer keine neue Normalität ein. Zwischen den westlichen Mächten, die im Kalten Krieg so sehr Seite an Seite gestanden hatten, war vieles nicht mehr wie zuvor. Geradezu übergangslos wurde der Irak-Konflikt 2011 abgelöst durch den Arabischen Frühling und die aus ihm erwachsenden Bürgerkriege in Syrien, Jemen und Libyen. Beim Blick auf Asien war Japan längst abgelöst worden durch China, dessen Aufstieg grenzenlos schien. Abb. 6.25   Constituting Europe. Identity, institutions and the search for a global role (2003a). (© Nomos Verlag)

6.2  Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) …

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Ich wollte trotz der 2002 fast täglich eskalierenden politischen Streitigkeiten nicht auf die Perspektive einer gemeinsamen globalen Agenda der USA und der Europäischen Union verzichten. Diese Perspektive erschien mir damals, wie auch trotz aller nachfolgenden Eruptionen seither, immer unverzichtbar zu sein. Aus aufgeklärtem Eigeninteresse blieben die USA und die EU in ihrem inneren Wohlstand, in ihrem Freiheits- und Friedenswillen abhängig davon, sich gemeinsam den Herausforderungen der Welt zu stellen, die größer ist als ihre eigenen Dispute. Um zu verstehen, warum der Streit zwischen westlichen Partnern so gravierend werden konnte, mussten grundlegend unterschiedliche Interpretationen gemeinsamer Prinzipien und Normen verstanden werden, argumentierte ich. Hauptproblem zwischen amerikanischen und europäischen Sichtweisen – und dies galt auch für unterschiedliche Sichtweisen unter den Ländern und Gesellschaften Europas – war nicht eine Differenz in der Benennung politischer Werte, sondern deren unterschiedliche Interpretation und Anwendung (Kühnhardt 2003b).

Abb. 6.26   Contrasting Transatlantic Interpretations. The EU and the US towards a Common Global Role (2003b). (© SIEPS Stockholm)

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In Kap. I widersprach ich der landläufigen These, dass die transatlantischen Partner USA und EU sich immer mehr voneinander wegbewegen würden. In meiner Analyse der Entwicklungen seit dem Ende des Kalten Krieges kam ich zu dem Schluss, dass beide Seiten immer häufiger kollidieren, weil ihre Bedrohungsperzeptionen und politischen Präferenzen unterschiedliche Deutungen erlauben. Zugleich aber fehlte es am neuen gemeinsamen Rahmen einer organisierenden Idee für die Atlantische Allianz. Auch im Kalten Krieg hatte es endlose Dispute über Strategie und Taktik, Interessen und Ziele gegeben. Aber immer hatte eine gemeinsame organisierende Idee bestanden, die den Rahmen für Politikdebatten bot und die Voraussetzung für wirksame Kompromisse ohne Gesichtsverlust bildete. Die Bemühungen, die Atlantische Allianz mithilfe einer transatlantischen Agenda auf gemeinsame Wirtschaftsinteressen zu gründen, waren offenkundig nicht ausreichend. Zwei Sachverhalte beschleunigten den Kollisionskurs: Zum einen fehlte es an einer plausiblen und allseits akzeptierten organisierenden Idee für eine globale Agenda der Atlantischen Allianz. Zum anderen verschoben innergesellschaftliche Veränderungen und darauf aufbauende innenpolitische Folgerungen immer mehr den Fokus auf jeder Seite des atlantischen Ozeans. Ich ging die wissenschaftliche Literatur Punkt für Punkt durch, um alle Schattierungen der Fragestellung auszuloten. Es blieb der paradoxe Befund, dass keine bilaterale Beziehung zwischen Gesellschaften und Staaten auf der Erde so intensiv, vielseitig und dicht ist wie die zwischen den transatlantischen Partnern USA und EU. Gemeinsam repräsentierten die USA und die EU damals 10,9 % der Weltbevölkerung, verfügten aber über 36,2 % des Weltwirtschaftsproduktes und über 34,5 % des Welthandels. Praktische Zahlen zeigten die Dichte der zwischengesellschaftlichen Verbindungen: 10 Mio. Europäer und 8 Mio. Amerikaner überquerten jährlich den atlantischen Ozean mit dem Flugzeug, gegenüber einer halben Million Menschen in jede Richtung im Jahr 1960. 1,4 Mrd. E-Mails wurden täglich ausgetauscht und 1,5 Mrd.US $ kreuzten täglich den atlantischen Ozean. 60 % aller amerikanischen Auslandsinvestitionen gingen in die EU und ebenso umgekehrt. Rund sieben Millionen Amerikaner arbeiteten für ein europäisches Unternehmen und mehr als drei Millionen Europäer waren in den USA angestellt. Zugleich aber fehlte es an Willen und Interesse, eine neue „Grand Strategy“ zu entwickeln. Die Folge war, dass die atlantische Gemeinschaft in den letzten Jahren immer mehr daran interessiert wurde, ihre Grenzen zu definieren, anstatt nach ihren Potenzialen zu fragen (Kühnhardt 2003b, S. 6–17). In Kap. II wendete ich mich einem grundlegenden politiktheoretischen Unterschied zu, der widerstreitende politische Präferenzen und mehr noch: Herangehensweisen an internationale Fragestellungen mit innenpolitischen Normdifferenzen erklärt. Das Konzept der staatlichen Souveränität war in den USA ohne Einschränkungen nationalstaatlich und autonom geblieben. In der EU aber wurde Souveränität als eine Konzeption gedacht, die teilbar zwischen verschiedenen Partnern war. Natürlich gab es grundlegende Unterschiede in der Interpretation der europäischen Integration. Aber summa summarum hatten die Partnerländer der EU auf eine rein autark ausgerichtete, einzig der Handlungsautonomie des einzelnen Staates verpflichtete Souveränitätskonzeption zugunsten einer

6.2  Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) …

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sich langsam, oft auch mühevoll und widersprüchlich entwickelten Vorstellung geteilter und auf neue Weise gemeinschaftlich zusammengefügter Souveränität verständigt. Damit hatte sich auch der Begriff des Rechts zu ändern begonnen. Während die NATO letztlich auf der Idee der nationalen Autarkie ihrer Mitgliedstaaten beruht, ging die EU einen grundlegenden Schritt weiter. Die überkommenen Konzepte staatlicher Souveränität, wie sie sich seit dem 16. Jahrhundert entwickelt hatten, wurden um neue Aspekte ergänzt. Damit war Europa weniger der alte Kontinent, wie US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld polemisch gemeint hatte, sondern eher der Kontinent der Innovation im Bereich von Politik- und Rechtskonzepten. Diese theoretischen Ausgangspositionen mussten Folgerungen haben, beispielsweise für die Entwicklung der Idee präventiver Militärschläge oder die Verweigerung der Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshofes als Rechtssprechungsinstanz für amerikanische Staatsbürger (Kühnhardt 2003b, S. 17–30). In Kap. III vertiefte ich meinen Ausgangsbefund mit einer Untersuchung über die unterschiedlichen Interpretationen und Anwendungsfelder von Interessen. In der amerikanischen politischen Kultur hatten sich Codeworte entwickelt, die der nationalen Selbstverständigung dienten (beispielsweise Jacksonian tradition, Wilsonian tradition). In gleicher Weise wussten Amerikaner fast reflexartig, was gemeint war, wenn von amerikanischen Interessen in der Welt gesprochen wird („this is in the American interest“). In Europa lagen die Dinge anders. Gemeinsame Interessen mussten in mühsamen Politikprozessen herausgearbeitet werden. Der Prozesscharakter der Politik hatte die hegemoniale Durchsetzung nationalstaatlicher Interessen überall dort ersetzt, wo die EU wirksam werden konnte. Ihre eingeschränkten Kompetenzen machten die Entwicklung gemeinsamer europäischer Interessen mühevoll und für Außenstehende schwer zu begreifen. Ein langer Weg werde wohl noch gegangen werden müssen, ehe, beispielsweise, internationale Repräsentationen der Europäischen Union schlicht und einfach „Botschaft der EU“ genannt werden könnten, wofür ich bereits damals entschieden plädierte. Politikprozesse und Darstellungsformen blieben verwirrend und immer wieder musste mit dem Primat nationaler Interessen der großen, aber durchaus auch mittlerer und kleiner Staaten in Europa gerechnet werden. Die EU sei daher bereits stolz, wenn sie zu einem größeren internationalen Thema eine gemeinsame Strategie entwickeln kann. Die USA drängen zum Handeln, während Europäer sich noch abstimmen. Es musste befürchtet werden, dass diese Kluft noch lange bestehen bleiben wird, schrieb ich. Handlungsfähigkeit und Handlungswillen der Europäer seien in den letzten Jahren allzu oft von Amerikanern als unterentwickelt erlebt worden. Das habe das Vertrauenskapital ziemlich stark aufgebraucht, das Europäer traditionell in Washington besitzen (Kühnhardt 2003b, S. 30–45). Kap. IV verfolgte die Anwendung der analysierten Befunde. Die Begriffe der Macht und die Mechanismen des Regierens, so führte ich aus, liegen zwischen den USA und der EU noch immer weit auseinander. Dies habe einerseits mit unterschiedlichen Begriffsprioritäten zu tun: Während für die USA Außenpolitik immer Machtpolitik war, seitdem die dafür notwendigen Voraussetzungen konzeptionell und bezüglich der

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bereitstellbaren Ressourcen geschaffen waren, war Startpunkt der EU-Mitgliedsländer der Wille zur Überwindung hegemonialer Machtstaatskonzeptionen, wie sie vor den beiden Weltkriegen in Europa üblich gewesen waren. Ich fertigte ausführliche Datensätze an, um die „Statistiken der Macht“ zu vergleichen. Während in Bezug auf Demografie und Ökonomie die Europäer mit den USA Schritt hielten oder teilweise sogar vorne lagen, sahen die Befunde in militärischer Hinsicht grundlegend und massiv gegenteilig aus. Die starke Fokussierung der außenpolitischen Ausrichtung der USA auf die Möglichkeit, wenn immer es opportun erscheint, militärischen Einsatz aktivieren zu können, warf weitere grundlegende strategische Fragen auf. Ich erwähnte vor allem die Frage, nach welchen Kriterien Bedrohungsperzeptionen auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans angestellt werden und wie die Frage nach dem Anderen, gegebenenfalls nach einem Feind, diskutiert und entschieden wird (Kühnhardt 2003b, S. 45–60). Vor diesem Hintergrund plädierte ich in Kap. V dafür, einen acquis atlantique zu erarbeiten. Die gemeinsam tragfähigen Übereinstimmungen müssten stärker betont und sozusagen gesammelt werden. Erst dann mache es Sinn, sich über Unterschiede zu streiten, diese möglicherweise konsensual aufzulösen oder auch einfach bloß als gegeben zu akzeptieren. Derzeit sah ich die Atlantische Gemeinschaft in unterschiedliche Strukturen zerfallen: Eine durchaus funktionsfähige Sicherheitsallianz (NATO) und eine fragmentierte Marktgemeinschaft standen unverbunden nebeneinander. Ich entwickelte Kriterien für eine integrierte und systematische Atlantische Gemeinschaft. Dazu gehörten, so schrieb ich, folgende Pfeiler: 1) Sicherheit, Militär, friedensschaffende Missionen. 2) Wirtschaftliche und finanz- bzw. währungspolitische Aspekte. 3) Fragen von Rechts- und Innenpolitik. 4) Soziale und kulturelle Aspekte. 5) Fragen von Entwicklung und globalem Regieren (Kühnhardt 2003b, S. 60–74). Seit 2003 hat sich diese Rahmenagenda nicht wesentlich geändert. Aber ein tragfähiger Atlantischer Vertrag, für den ich sehr frühzeitig gute Argumente und Begründungen zusammengetragen hatte, ist auch zwei Jahrzehnte später nicht zustande gekommen. 2003 plädierte ich in einem gemeinsamen Aufsatz mit Hans-Gert Pöttering für einen solchen Atlantischen Vertrag, vor allem im Blick auf eine zivilgesellschaftliche Stärkung der Atlantischen Gemeinschaft (Kühnhardt und Pöttering 2003). 2003 lag ein zweijähriger Weg der Entfremdung zwischen den USA auf der einen Seite und Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite. Ich hatte die Vorgänge in Washington hautnah verfolgt und immer wieder dafür plädiert, die Atlantische Allianz zu stärken. Unmittelbar nach den schockierenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington hatte sich eine Welle rhetorischer Sympathiebekundungen für die Vereinigten Staaten und ihre Bürger über den Atlantik ergossen. Der Eindruck von den Fernsehbildern am 11. September blieb mir stets unvergessen. Nachdem wir im Jahr zuvor das World Trade Center in New York noch gesehen hatten, saßen Enikö und ich mit Tränen in den Augen vor dem Bildschirm. Hilflos und verzweifelt sahen wir, wie das Flugzeug in einen der beiden Türme eindrang. Wenig später brachen beide Türme des World Trade Center in sich zusammen. Ein Fanal. 2753 unschuldige Menschen verloren ihr Leben. Unsere knapp fünfjährige Tochter Victoria, legte tröstend

6.2  Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) …

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ihre Arme um unsere Schultern: „Wenigstens stehen die meisten Häuser noch.“ Kindliche Lebens- und Überlebensbejahung durch Selbstschutz gegenüber dem Bösen. Ich wurde unmittelbar nach 9/11 einige Male zur Einordnung der Anschläge und der Folgen der Terrorakte für Europa befragt: In einem „ZDF Spezial“ (nach den Anschlägen) am 12. September 2001, in zwei Studiogesprächen im Fernsehsender „Phoenix“ am 17. September 2001 und am 12. Oktober 2001 sowie in einem Vortrag zum Thema „Folgerungen aus dem Terrorismus für Europa“ an der Universität Bonn im Rahmen der Ringvorlesung „America under attack“ am 13. Dezember 2001. Im Fernsehsender „Phoenix“ hatte ich am 17. September 2001 vorausgesagt, dass nach der ersten Gesinnungssolidarität alsbald unzweifelhafte deutsche Handlungssolidarität mit den USA eingefordert werde. Auch die innere Sicherheit sei ein Freiheitsrecht im Rahmen der Atlantischen Zivilisation. Man müsse zwischen dem Islam an sich und Terror im Namen des Islam unterscheiden. Miteinander befänden sich die USA und Europa im Krieg einer neuen Dimension. Dies sei nicht bloß eine gesteigerte Terrorismusgefahr, sondern eine neue Form von Kriegsführung, die auch jede europäische Gesellschaft jederzeit treffen könne. Dieser bedauerliche Ausgangsbefund sei unweigerlich das neue organisierende Prinzip für die NATO, aber auch für die sich entwickelnde europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Aber, so fügte ich an, die Initiativen gegen den Terrorismus müssten über die militärische Komponente hinausgehen: Gefordert seien politische, soziale, soziologische und religiöse Neuorientierungen. Entwicklungshilfe werde auch als Sicherheitspolitik zu verstehen sein, im Nahen Osten bedürfe es dringend eines Neuanfangs. Nötig sei aber auch mehr Achtung im Westen vor religiösen Gefühlen und Sensibilität dafür, dass andere Kulturen Lebenssinn jenseits westlicher Zivilisationsmuster suchen. Ebenso eindeutig sei die Notwendigkeit, von Einwanderern nach Europa unzweideutige Verfassungstreue zu verlangen. Geheimdienstliche Überprüfungen und, wo nötig, ein Verbot extremistischer islamischer Gruppen seien geboten. Ich lobte einige Äußerungen von Bundesinnenminister Otto Schily aus den letzten Tagen, um ihn gegen die vielen grünen Träumer zu stärken. Die gleichen Argumente trug ich am 9. November 2001 bei einem Strategietreffen in kleiner Runde im American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) in Washington D.C. vor. Jackson Janes hatte mich dazu gebeten, um über die neue strategische Landschaft mit einigen Vordenkern in Washington gerade in diesen Tagen im Gespräch zu bleiben. Ich ging mit einem Gefühl der Beklemmung durch die so schönen Straßen der amerikanischen Hauptstadt. Ich spürte, wie verwundet die Amerikaner durch die bösen Terroranschläge wenige Wochen zuvor geworden waren (Kühnhardt 2022a, S. 83 ff.). Noch mehr spürte ich: Amerikanische und westliche Selbstgerechtigkeit ist Ausdruck von Größenwahn und unangemessener Überheblichkeit. Sie verdrängt eine differenzierte und die kulturellen Faktoren berücksichtigende Weltpolitik. Alle Gesellschaften auf dieser Welt streben nach Anerkennung und Respekt, nicht nur die westlichen Gesellschaften. Während meines Forschungsaufenthaltes am Woodrow Wilson International Center for Scholars 2002 erlebte ich wie immer die Substanz der Atlantischen Zivilisation

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(Kühnhardt 2022a, S. 102 ff.). Die Unbefangenheit und freundliche Offenheit so vieler Gespräche und Begegnungen ließen mich nicht einen Moment daran zweifeln, dass Amerikaner und Europäer zusammengehören. Dieses Urgefühl inmitten tiefgreifender politischer Streitigkeiten zu bewahren, gelang mir immer. Ich versuchte, Brücken zu bauen, wo immer ich gefragt wurde. Das gelang mir immer seltener. Im neokonservativen „American Enterprise Institute“ bat man mich um eine Einschätzung des Europäischen Verfassungsvertrages (Kühnhardt 2002c, S. 50 ff.). Mein HarvardKollege Andrew Moravcsik war ein vehementer Gegner des Projektes getreu dem Motto „If it ain’t broken, don’t fix it“. Wir stritten herzhaft, wie schon manches Mal in früheren Jahren. Im „American Institute für Contemporary German Studies“ (AICGS) rief Jackson Janes erneut einen kleinen Kreis von klugen und gut vernetzten Kolleginnen und Kollegen zusammen und bat uns, mit ihm zusammen eine konstruktive deutschamerikanische Agenda für die Zukunft zu entwerfen. Frances Burwell vom Atlantic Council, John van Oudenarden, der im Forschungsdienst der Library of Congress tätig war, Jeff Anderson vom Center for German and European Affairs der Georgetown University, Michael Leigh aus der EU-Kommission und Jan Zahradil, Abgeordneter im tschechischen Parlament, diskutierten mit der AICGS-Mitarbeiterin Lily Gardner Feldman, Jack Janes und mir am 22. Mai 2002 über die möglichen Folgen der anstehenden EU-Osterweiterung auf das transatlantische Gefüge. In diesem Kreis wurde mehrheitlich die Erweiterung favorisiert, ohne indessen vom Nutzen einer Vertiefung der europäischen Einigungsprozesse überzeugt zu sein. Am 28. Mai 2002 referierte ich im Woodrow Wilson International Center for Scholars unter dem Titel „Reframing the perspective“. Ich präsentierte eine rohe Gedankenskizze der Überlegungen, die in die zuvor dargestellte SIEPS-Studie münden sollten. Mir wurde freundlich zugehört, aber ich spürte die Sorgen über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen hinter jeder hochgezogenen Augenbraue der Kollegen aus Think Tanks, Medien und „vom Hill“, aus den Stäben der Abgeordneten und Senatoren. Unmittelbar nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan, das Al QaidaChef Osama bin Laden viel zu lange Jahre Unterschlupf gewährt hatte, ordnete ich 2002 die sich ergebenden strategischen Fragen in systematischen Betrachtungen (Kühnhardt 2002c, S. 52 ff.; 2002d, S. 8, 2002e, S. 82 ff.). Mir machte der evangelikale Fundamentalismus große Sorge, der sich in den Strategien der sogenannten „Neocons“ zeigte. Die amerikanischen Neokonservativen standen nach meiner unmaßgeblichen katholischen Weltsicht eher alttestamentarischen Instinkten von Rache und Selbstgerechtigkeit näher als einer Weltmacht guttat. Aber ich musste auch einsehen, dass Europa nur dann in Washingtons Korridoren der Politik Gehör fand, wenn es den argumentativen Führungsanspruch der Bush-Administration nicht einfach ablehnte, sondern zu formen und zu besänftigen suchte. Wieder zurück in Europa merkte ich bald, dass der transatlantische Geduldsfaden auch am anderen Ende porös geworden war. Schroff kanzelte der mir eigentlich als differenzierter Mann der sanften Töne bekannte deutsche Ständige Vertreter bei der Europäischen Union, Botschafter Wilhelm Schönfelder, die Länder Europas, die Solidari-

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tät mit den USA in Sachen Irak geäußert hatten, als „Pudel im Schoße der USA“ ab. Nicht zitieren sollte ich eigentlich, was er dann noch am 3. Februar 2003 zum Besten gab, dass nämlich die These, dass Deutschland isoliert sei und durch die deutsch-französische Achse die Spaltung des Westens ausgelöst worden sei, „gequirlte Scheiße“ sei. So deftig hätte es ich von einem signierten Diplomaten nicht erwartet. Nur einmal in meinem Leben unterschrieb ich einen öffentlichen Aufruf, da ich gewöhnlich weder von deren Substanz noch von ihrer Relevanz überzeugt war. Unter eine ganzseitige Anzeige, die am 16. Februar 2003 in der „New York Times“ und am 22. Februar 2003 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschien, setzte ich neben gut 200 anderen Personen meinen Namen. Es handelte sich um „A Message to the people of the United States of America“. Im Text hieß es: „Es darf nicht dazu kommen, dass die gegenwärtigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen in der Irak-Frage dieses Bündnis zerstören.“ Kurz hintereinander war ich am 19. Februar 2003 und am 24. Juni 2003 wieder in Washington. An der Johns Hopkins University und im German Marshall Fund ging es beide Male um die gleiche Frage: Wie lassen sich die schwer angeschlagenen transatlantischen Beziehungen wieder verbessern? Es war unserer Aufgabe als Wissenschaftler, vorauszudenken und auch um die Ecke zu denken, um dem Defätismus zu widerstehen, der sich von der Politik in die Medien fortgepflanzt hatte. Dies war alles leichter gesagt als getan und so herrschte eher Katzenjammer als ein klar konturierter Wille zum Neubeginn. Zwischen den beiden Terminen lag der Einmarsch der Vereinigten Staaten in den Irak. Am 19. Februar 2003 hatte ich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Fernsehen gehört: Der Aufmarsch der Soldaten am Golf sei abgeschlossen, über 150.000 amerikanische Soldaten warteten auf ihren Einsatzbefehl. Aus Angst vor Terroranschlägen war in den USA die Alarmstufe „Orange“ ausgelöst worden, die zweithöchste, die die neue „Heimatschutzbehörde“ zur Verfügung hatte. Die Stimmung war eher drückend und ängstlich als martialisch und selbstgewiss. Unter den mir wohlbekannten Akademikern wollte in diesem Augenblick keiner (mehr) ein „Neocon“Falke sein, obwohl von dort einige der schärfsten Falken gekommen waren. Zurück in Europa spürte ich bei verschiedenen Gelegenheiten kreuz und quer durch die EU, was ich in einem Kommentar in „Focus“ am 10. März 2003 als den Hauptunterschied in der Wahrnehmung dieser Tage beschrieb: Das Thema in Washington war die Beseitigung von Saddam Hussein, das Thema in Europa war die Eindämmung von George W. Bush (Kühnhardt 2003c, S. 52). Während der amerikanische Secretary of State Colin Powell immer ungeduldiger, zerfahrener und kriegshandlungsbereiter wurde, stellten sich in Paris die Außenminister von Frankreich, Russland und Deutschland nebeneinander, um den USA ein Veto anzudrohen. Washington arbeitete in diesen Tagen an einer PostSaddam-Hussein-Ordnung. Europas Mächte, oder die sich wie Deutschland dafür hielten, arbeiteten an einem Post-USA-Europa mit Russland als neuem Partner. Ein trostloses Ende der Post-Cold-War-Ära war gekommen. Am 20. März 2003 fielen nachts um 3 Uhr 30, eineinhalb Stunden nach Auslaufen des Ultimatums von Präsident Bush an Saddam Hussein, die ersten amerikanischen Bomben

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auf vermutete Quartiere der irakischen Führung in Bagdad. Ein neuer Irak-Krieg hatte begonnen. Für die USA war es lediglich die Verteidigungsantwort auf die Gefahren, die sich seit dem 11. September 2001 aufgetan hatten. Ein Regimewechsel in Bagdad sollte Freiheit und Pluralismus in der arabischen Welt befördern. Am 22. März 2003 konnte ich in einem Studiogespräch im Fernsehsender „Phoenix“ nur konstatieren, dass niemand wisse, ob sich der Schaden wirklich begrenzen lassen würde. Dies gelte sowohl für die inneren Verhältnisse im Irak als auch für die Beziehungen unter den westlichen Ländern, die in einen ganz eigenen Kalten Krieg untereinander geraten waren. In allen westlichen Ländern hatte Menschen Angst vor Terroranschlägen und einem möglichen Einsatz irakischer Massenvernichtungswaffen. Es war bizarr, auch bedrückend und zunehmend kontraproduktiv, dass jedwede militärische Operation im Irak durch CNN live in die Wohnzimmer der Welt strömte. Der globale Druck der öffentlichen Meinung gegen die USA nahm täglich zu. Am 9. April 2003 fielen in Bagdad die Statuen von Diktator Saddam Hussein unter dem Jubel von Irakern, die ihre Fahne hissten. Die Marines konnten ihren Stolz nicht verbergen. Am 1. Mai 2003 erklärte Präsident Bush die Kampfhandlungen für beendet. Wichtiger als die Frage, ob Saddam Hussein noch lebte, war für mich die Frage nach der Gestaltung einer klug angelegten neuen Ordnung für den Irak. Die UNO sollte eine wichtige Rolle spielen, sagte ich am 5. Mai 2003 in einem Studiogespräch mit dem „Sender Freies Berlin“. Ich befürchtete, so fügte ich an, dass die USA sich das Heft des Handelns wohl nicht aus der Hand nehmen lassen würden und Europa ohnehin wieder bloß am Katzentisch sitzen werde. Titel der Sendung: „Deutschland und Amerika – die verfeindeten Freunde“. Bei einer wissenschaftlichen Konferenz am 6. Mai 2003 in der Universität Innsbruck zum europäisch-amerikanischen Verfassungsvergleich hielt ich die Fahne der Atlantischen Zivilisation hoch. Auf dem Podium und aus dem Publikum waren vor allem Amerika-kritische Töne zu hören. In einem längeren Gespräch mit mir am 22. Mai 2003 in Brüssel zeigte sich der mir seit seiner Zeit in der britischen Botschaft in Bonn in den 90er-Jahren bekannte Robert Cooper, Generaldirektor für außen- und sicherheitspolitische Fragen beim EU-Ministerrat, optimistisch, dass eine gemeinsame EUStrategie für die Außenpolitik einheitsbildenden Nutzen im transatlantischen Gefüge haben könnte. In der Irak-Krise seien alle überzogen aufgetreten. Zu dem Gerücht, dass der deutsche Außenminister Joschka Fischer Hoher Repräsentant der EU für die Außenund Sicherheitspolitik werden wolle, erwiderte Robert Cooper very british: Sein Vater habe ihn gelehrt, dass eine Meldung erst wahr sei, wenn sie dementiert würde. Am 24. Juni 2003 war ich dann wieder in Washington. Am Tag vor dem offiziellen Gipfeltreffen von EU und USA hatten Craig Kennedy und Karen Donfried, die 2021 in der Biden-Administration stellvertretende Außenministerin für Europa-Angelegenheiten werden sollte, rund 40 Vertreter von Think Tanks auf beiden Seiten des Atlantiks in die schönen neuen Räume des „German Marshall Fund of the United States“ zusammengerufen. Auf dem „Hill“ schloss sich eine Diskussion mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pat Cox, Griechenlands Außenminister Giorgos Papandreou, Deputy Secretary of State Marc Grossmann und dem Vorsitzenden des US Congress

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Subcommittee on European Affairs, Congressman Doug Berenter aus Nebraska, an. Im Tagungsraum des Subcommittee, umrahmt vom überdimensionalen amerikanischen Adler und mahagoniegetäfelten Wänden, fühlte es sich in diesem Augenblick schrecklich klein an, als Europäer auf den Abgeordnetensitzen Platz zu nehmen, während unsere europäischen politischen Führer außer Zwist und Veto wenig zu bieten hatten, was sie auf die Waagschale der machtfixierten Amerikaner hätten legen können. Bei einem anschließenden Abendessen stilisierte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi die EU zu allem Übel auch noch als einen bettelnden Nobody, den man in Washington doch bitte, bitte ernstnehmen möge. Es war immerhin ein kleines Zeichen der Geste guten Willens, dass die EU und die USA beim jährlichen Gipfeltreffen ein Auslieferungsabkommen für in Europa inhaftierte Terroristen unterzeichneten. Wenigstens in diesem Themenbereich stimmten Chemie, Interessen und Gemeinsamkeiten wieder. Bei unserem Brainstorming im „German Marshall Fund“ war von der Perspektive einer „transatlantischen homeland security area“ die Rede, ein guter Gedanke in die Richtung einer erneuerten Solidarität. Marc Grossmann beschrieb die anhaltenden militärischen Probleme in Afghanistan und Irak. In Afghanistan werde bald faktisch, wenngleich nicht dem Namen nach, die NATO die Sicherheitsverantwortung übernehmen. Das sei doch ein guter Schritt, sagte Grossmann. Der Zwang zum Multilateralismus kommt via NATO zurück, flüsterte mir der griechische Kollege Theodore Couloumbis zu. Michael Halzel, den ich seit langen Jahren kannte, Sekretär des Außenpolitischen Ausschuss des Kongresses, den der demokratische Senator Senator Joe Biden leitete, bezeichnete die Politik von Präsident Bush als „unselig“. Ein solch selbstkritisches Wort hatte ich schon lange nicht mehr in Washington gehört. Ein mächtiger Differenzpunkt blieb mir über die Stunden am Potomac im Ohr: Das unterschiedliche Zeitbewusstsein zwischen Amerikanern und Europäern. Amerikaner drücken bei Problembewältigungen immer aufs Tempo. „To fix it“ müsse sofort geschehen. Europäer denken in Prozessen, komplexen Abläufen, multidimensional und entschieden langsamer. Kultursoziologische oder gar philosophische Erkenntnisse dieser Art verbreiteten bei mir irgendwie Trost in trüber Zeit. Am 26. und 27. Juni 2003 erlebte ich in Berlin eine merkwürdige Tagung der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“. Die Tagung war als Sonnengesang auf den Multilateralismus angelegt, aber sie endete in fast selbstbetrügerischer Heuchelei als liberale, internationalistische Amerikaner mit deutschen Internationalisten und einigen ihrer europäischen Freunde über die Bush-Regierung und die derzeitige Mehrheitskultur in den USA herfielen. Der deutsche Weg in die Selbstisolation und den Reputationsverlust während des letzten halben Jahres wurden dagegen eher verniedlicht oder verschwiegen. Harte Fragen – wie etwa diejenige, ob und wie denn eine NATO-Präsenz im Irak unter deutscher Beteiligung möglich werden könnte – wurden eher angetippt als durchbuchstabiert. Ich hörte staunend zu, wie Außenminister Joschka Fischer das Panorama der Transformationsagenda im Nahen Osten entwarf, so als hätte er das Thema erfunden und als hätte es die Irak-Kontroverse zwischen Berlin und Washington nie gegeben. Brilliant wie eh und je war allein Zbigniew Brzezinski, der

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frühere Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter. Er gab einen messerscharfen Einblick in das inkonsistente Gefüge der Bush-Administration, aber ließ keinen Zweifel daran, dass auch er die Demokratisierung des erweiterten Nahen Osten für das zentrale Zukunftsprojekt der nächsten Jahrzehnte hielt. In kleineren Veröffentlichungen bezog ich 2003 immer wieder Stellung zugunsten einer vernünftigen und vor allem ehrlichen Verbesserung der transatlantischen Beziehungen (2003d, S. 9, 2003e, S. 64 ff.; 2003f, S. 10). Anfang 2004 hatten sich die Wogen keineswegs geglättet. Bei einem Workshop, den ich mit dem ZEI am 18. März 2004 in Brüssel zur Rolle der EU im Wiederaufbauprozess des Irak durchführte, forderten arabische Teilnehmer energischeres und rascheres Engagement der Europäer. Amerikanische Teilnehmer des Workshops suchten wieder multilaterale Unterstützung und Entlastung und die anwesenden UNO-Vertreter waren deprimiert, weil sie sich aus dem Irak herausgebombt sehen. Vertreter der EU, darunter Armin Laschet, Abgeordneter im Europäischen Parlament, meinten, alles, was Not tue im Irak und im Greater Middle East, am besten zu wissen, aber nicht handeln zu müssen, solange es kein UNO-Mandat gebe. Ein Teufelskreis der Hilflosigkeiten, das war für mich auch die Bilanz dieses Versuchs, transatlantische Wunden zu heilen – und mehr noch solche, die im Nahen Osten hinterlassen worden waren. Es tat gut, wieder in Stanford zu sein. Vom 23. März bis 15.Juni 2004 war ich auf Einladung von Norman Naimark als Gastprofessor (afilliated faculty member/Visiting Professor International Relations) erneut an einer der renommiertesten Universitäten der Welt (Kühnhardt 2022a, S. 239 ff.). Wie 1995/1996 fühlten meine Familie und ich uns dort im siebten Himmel. Beruflich hätte ich es kaum besser treffen können. Ich erneuerte viele Bekanntschaften und schloss neue: Vorneweg natürlich mit Norman Naimark und seiner Frau Katherine Jolluck. Der Osteuropa-Historiker beeindruckte mich wieder mit seiner gleichbleibend ausgeglichenen Art. Er war easy-going at its best und doch zugleich gedanklich so mitten drin in den historischen und aktuellen politischen Entwicklungen in Europa, das man meinen konnte, er käme direkt aus einem der aufgeregten Treffen, wie sie an den Wendepunkten der Zeitgeschichte in Europa üblich waren. Condoleezza Rice konnte ich sprechen, jetzt Provost in Stanford und zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung die wichtigste Mitarbeiterin von Präsident George H.W. Bush, an dessen Amtszeit sich viele unterdessen mit Nostalgie zurückerinnerten. Unvergesslich wurden mir die Begegnungen mit David Holloway und seiner Frau, Jeremy Suri, Michael McFaul, später amerikanischer Botschafter in Moskau, Larry Diamond, Dennis Bark, Amir Eshel, Stanfords ehemaliger Präsident Gerhard Casper, Coit Blacker, Stephen Krasner, Scott Sagan, James Sheehan und Helen Solanum. Dazu kam der ständige Gedankenaustausch mit meinem Büronachbarn Christopher Grombez, der ein gutes Wirtschaftswissenschaftlerleben zwischen Löwen und Stanford führte, und die vielen exzellenten Diskussionen mit meinen Studenten. Der Titel meiner Lehrveranstaltung für Graduate Students am Political Science Department von Stanford – eine Kombination von Vorlesung und Seminargespräch – lautete: „European Identity: What does it mean to be a European?“

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Abb. 6.27   Ex-Präsident Ronald Reagan ist tot: Zeitungsstudium mit meinem Sohn Stephan in Stanford (2004). (© Ludger Kühnhardt)

Nach meinem letzten Seminar luden Enikö und ich meine Studenten zum Dinner ein im netten „Clubhouse“ der Stanford West Apartments. Was für ein bunter Kreis junger Menschen aus aller Welt: Alex, halb Grieche, halb Holländer, in Genf geboren, in England zur Schule gegangen. Dominic aus St. Helena, dessen Mutter aus Münster stammt. Lenka aus Michalovce in der Ostslowakei, Jujing aus Singapur, Maham aus Lahore, tiefverschleierte Muslima, die mir nicht die Hand geben durfte, und natürlich eine vielfältige Schar amerikanischer Studentinnen und Studenten, darunter Joey aus Texas mit polnischen Wurzeln. Am Ende wurde mein Kurs einer strengen, aber sehr positiven Evaluation unterzogen. Ich war mir sicher: Der eine oder andere würde gewiss weiter Interesse für Europa zeigen. Palmen, ästhetische, einladende Gebäude, exzellente Forschungsmöglichkeiten, heitere Gelassenheit, steter Fluss der Gedanken. Arbeitsatmosphäre und Freizeitvielfalt in unvorstellbarer Dichte, ein intellektuelles Ferienressort, das auf geheimnisvolle Weise zu intensivster wissenschaftlicher Arbeit verführt. Der schönste Universitätscampus der Welt: So hat sich mir das Bild von Stanford für immer eingebrannt. Die Weite der Freiheit in Stanford beflügelte mich 2004 wie schon einmal 1995/1996. Ich begann, meine Studie European Union – The Second Founding zu konzipieren (Kühnhardt 2008a, 2010). Noch konnte ich nicht ahnen, dass der Ratifikationsprozess für den europäischen Verfassungsvertrag scheitern sollte und damit die Argumentation für eine Neugründung der EU auf den Vertrag von Lissabon warten musste. Ich dachte viel darüber nach, wie

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ich den 2007 anstehenden 50. Jahrestag der Römischen Verträge historisch und mit Blick in die Zukunft einordnen könnte. Im Stanford Bookstore stieß ich auf die Studie von Joseph J. Ellis Founding Brothers. Ein gutes Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit der USA, getragen von den Founding Fathers, trat die politische Generation derer auf den Plan, die die Verfassung Amerikas schrieb, die Founding Brothers. Ließ sich diese schöne Sequenz abgewandelt auf die derzeit in Europa stattfindenden Vorgänge übertragen? Amerika war wieder einmal zum Spiegel für meine Entdeckung Europas geworden. Mein Argument, dass Europa vor einer Neugründung und mithin Neubegründung seiner Einigung stehe, entstand in der Weite der Freiheit von Stanford. Ich diskutierte meine These im Seminar und wurde flugs gebeten, sie zu verschriftlichen. Im sehr professionell edierten „Stanford Journal of International Relations“, von Studenten für Studenten gemacht, unter anderem von meiner pakistanischen Studentin Maham Abbas Mela und ihren Kommilitoninnen Natalya Shnitzer und Rachel Rosenbaum), legte ich einige erste Argumentationslinien für mein späteres Buch frei (Kühnhardt 2004a, S. 63 ff.). Bei einer Panel-Diskussion über die Terroranschläge vom 11. März 2004 in Madrid musste ich erklären, warum in Europa die Datumsformel 3/11 nicht die gleiche symbolpolitische Wirkung erzielen würde wie dies in den USA mit dem Datum 9/11 der Fall gewesen ist. Ein Vortrag zur EU-Erweiterung am 10. Mai 2004 lockte ungewöhnlich viele Zuhörer an. Für einen Vortrag am American Institut für Contemporary German Studies (AICGS) verließ ich mein akademisches Paradies und flog über vier Zeitzonen hinweg nach Washington D.C. Das Thema, das mir dort aufgetragen worden war, hatte es in sich: „German-American relations: What else can go wrong?“ (Kühnhardt 2004b, S. 14 ff.) Ich erweiterte meine Analyse von 2002 und blickte auf neue oder aktuell gewordene Sachverhalte – vom amerikanischen Gefangenenlager in Guantanamo für irakische Gefangene, die terrorverdächtig waren, über die unterschiedliche Präsenz der Religion und religiöser Symbole im öffentlichen Leben bis hin zum Thema China. Ich forderte meine Zuhörer mit der Aussage heraus, dass die amerikanische Position gegenüber China unklar sei. Für Deutschland unter Gerhard Schröder, getrieben vom Interesse der exportabhängigen deutschen Wirtschaft, sei China Partner. Sogar die Herstellung einer Plutonium-Fabrik sei denkbar. Zugleich führe Deutschland aber auch einen kritischen Rechtsstaatsdialog in China. Aber was wollen die USA, fragte ich neugierig? Sei China Rivale oder doch ein großer globaler Akteur, dessen Einbezug in die Weltordnung im Sinne der Stabilität aller sei? Eine Diskussion zum Thema China hatte begonnen, wie sie vor einigen wenigen Jahren noch völlig befremdlich gewesen wäre. Jetzt aber drängte der Umgang mit China immer stärker ins Zentrum, auch deutsch-amerikanische Dispute. Ich schlug einen Drei-Parteien-Dialog der USA und Deutschlands mit China vor. Das Projekt einer vollständigen Einbeziehung Chinas in eine legitime und konsolidierte internationale Ordnung könnte zu einer neuen transatlantischen Erfolgsgeschichte werden. Offenbar war ich naiv. Mir ging es bei diesem Beispiel darum, die Basis für eine konstruktive transatlantische Agenda wieder zu erweitern. So verstand ich die Aufgabe, aus den Fehlern

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und Versäumnissen, ja Zerwürfnissen von 2002/2003 zu lernen. Aber offenbar lief der beiderseitige Lernprozess weiterhin in eine andere Richtung: Noch mehr Krise. Genau davor hatte ich warnen wollen. Ich sprach am Ende meiner Ausführungen in Washington davon, dass selbst der moderat optimistische Ansatz für eine Zukunft der transatlantischen Beziehungen scheitern könnte, nicht, weil es eine strategische oder gar kulturelle Scheidung gegeben hätte. Scheitern könnte die Revitalisierung der atlantischen Allianz, wie 2002/2003 zu Genüge gezeigt hätten, durch verschlungene Wege und subtile Unterströmungen von Misstrauen, Fehlwahrnehmungen und schlechtem politischen Management. Dieses Scheitern wäre mehr als irgendein Scheitern. Es wäre ein Scheitern angesichts der Chancen und Herausforderungen des globalen Zeitalters, in das wir gerade im Begriff waren einzutreten. Der Westen könnte an seiner eigenen Hybris und Selbstgefälligkeit eher zerbrechen als an Bedrohungen von außen. Im Juli 2004, wieder zurück in Deutschland, erhielt ich aus Stanford die Auswertung der Evaluation meiner Studenten: „Outstanding instructor, recommend to invite him back to Stanford.“ Wie in anderen Bibliotheken der Welt haben auch in den großen Bibliotheken von Stanford eine ganze Reihe meiner Bücher meine Gastprofessur überdauert. Ich dachte in solchen Momenten immer an Goethes Sentenz „Wer schreibt, der bleibt“. Vom 24. bis 26. August 2004 moderierte ich im Schloss Neuhardenberg die Schlusssitzung der „Young Leaders Konferenz“ der Atlantik-Brücke. Wie stets war eine gelungene Auswahl der besten jüngeren Kräfte von beiden Seiten des Atlantiks anwesend. Das klassizistisch-kalte, aber ansehnlich sanierte Schloss des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg, hart an der Odergrenze zu Polen gelegen, konnte das damalige Dauerthema nicht camouflieren, das auch Tagungsthema war: „The German Malaise.“ Ich fand bemerkenswert, wie undiplomatisch, ja ungeniert General Harald Kujat, Chef des NATO-Militärausschusses, bei Tisch neben mir sitzend, über Joschka Fischers Außenpolitik schimpfte: Alles sei Show, ohne Nachhaltigkeit. Die transatlantischen Spannungen der vergangenen drei Jahre waren demgegenüber erstaunlicherweise fast schon wieder in den Hintergrund des Interesses der Konferenz-Teilnehmer gerückt. So eingestimmt, richtete ich am 10. und 11. September 2004 in Bonn ein Europäisches Alumni-Treffen der ehemaligen Fellows des Woodrow Wilson International Center for Scholar aus. Ehrengast bei einem feierlichen Abendessen auf dem Petersberg war Jan Figel, der neue Bildungs-Kommissar der EU aus der Slowakei, den ich über Jahre auf dem Weg in die EU beraten habe. Anna Balletbò, die sympathische, impulsive spanische Sozialistin, ehemalige Abgeordnete in der ersten Legislative ihres Landes nach dem Ende der Diktatur und unterdessen Vorsitzende der Olof Palme Foundation, Merle Lipton, liberale britische Historikerin mit südafrikanischen Wurzeln, Herman van der Wee, konservativer Wirtschaftshistoriker an der Katholischen Universität Löwen, und natürlich Sam Wells vom Woodrow Wilson Center und seine Frau Sherrill Brown Wells, Biografin von Jean Monnet (Brown Wells 2011) und Dozentin für Geschichte und Internationale Politik an der George Washington University in der amerikanischen Hauptstadt, unterstützten mich in der konzeptionellen Planung der Tagung.

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Abb. 6.28   The Crisis in Transatlantic Relations (mit Sam Wells) (2005). (© Ludger Kühnhardt)

Die Veröffentlichung, in der Sam Wells und ich die Erträge der Bonner Konferenz edierten, geben Zeugnis ab von der Ernsthaftigkeit, mit der alle Anwesenden um eine Verbesserung unseres Erkenntnisniveaus über Ursache, Zustand und Zukunft der transatlantischen Krise rangen (Wells und Kühnhardt 2005). Trotz ihrer zumeist kritischen Einstellung zur US-Politik gegenüber dem Irak und ihrer Auffassung, dass Frankreich und Deutschland in ihrer Kritik an den USA doch zu weit gegangen seien, hofften alle Teilnehmer, dass sich die transatlantischen Beziehungen wieder verbessern würden. Nicht wenige hofften, am Ende vergebens, auf einen Wechsel der Mehrheit bei den anstehenden Wahlen im November 2004. Alex Danchev von der University of Nottingham setzte sich auseinander mit der Frage, wie stark gemeinsame Werte in den transatlantischen Beziehungen sind. Trotz der starken Rhetorik hinsichtlich einer atlantischen Wertegemeinschaft habe es seit jeher stark abweichende Auffassungen in grundlegenden Wertefragen wie etwa der Todesstrafe, zur Religionsfreiheit, aber auch zur Rolle der Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen gegeben

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(Wells und Kühnhardt 2005, S. 11 ff.). Andreas Andrianopoulos, Autor und Mitglied des griechischen Parlaments, argumentierte weniger kritisch und sah das Hauptproblem darin, dass Europäern die militärische Übermacht der USA missfalle (Wells und Kühnhardt 2005, S. 21 ff.). Anna Balletbò untersuchte die Entwicklungen in den Regierungsformen der USA und der EU. Während die EU systematisch, wenngleich oft unter Mühen, eine Ausweitung der Integrationspolitik praktiziert habe, sei das amerikanische Regierungssystem seit den 1970er-Jahren immer stärker unter den Einfluss neokonservativer Ideen und Ideologien geraten (Wells und Kühnhardt 2005, S. 27 ff.). Der deutsche Diplomat Geert-Hinrich Ahrens beschrieb das seit den frühen 1990er-Jahren eher noch verstärkte Ungleichgewicht zwischen den USA und den EUStaaten hinsichtlich der jeweiligen militärischen und auch wirtschaftlichen Macht (Wells und Kühnhardt 2005, S. 33 ff.). Robert Wade, London School of Economics, untersuchte die Unterschiede zwischen den USA und der EU im Umgang mit den Entwicklungsländern der südlichen Hemisphäre (Wells und Kühnhardt 2005, S. 43 ff.). Elke Thiel, Stiftung Wissenschaft und Politik, bezweifelte, dass führende Offizielle aus den USA und der EU tatsächlich gemeinsames Interesse an einer Problemlösung in internationalen Handelsstreitigkeiten über die Mechanismen der Welthandelsorganisation (WTO) haben würden (Wells und Kühnhardt 2005, S. 57 ff.). Emil Pain, Direktor des Zentrums für Ethnopolitische Studien in Moskau, beschrieb die Zunahme konservativer und nationalistischer Positionen in der russischen Politik gegenüber Nachbarstaaten. Auch in der russischen Innenpolitik verfestige sich, so führte er aus, eine nationalistische Haltung immer mehr (Wells und Kühnhardt 2005, S. 67 ff.). Haldun Gülalp von der Bogazici Universität in Istanbul befasste sich mit der Entwicklung der demokratischen Institutionen in der Türkei seit dem Wahlsieg der AKP-Partei 2002. Bisher sei deutlich geworden, dass die AKP effektive Reformen realisieren könne, die jahrelang versäumt worden waren. Die bisherige säkulare Elite habe Reformen in Staat und Gesellschaft unter dem Vorwand der Furcht vor einer Stärkung islamischer Einflüsse in der Politik zu lange verhindert (Wells und Kühnhardt 2005, S. 75 ff.). Auf der Konferenz analysierten wir auch kulturelle und historische Trends in ihren Folgen für die transatlantische Geopolitik. Michael Werz vom Institut für Soziologie der Universität Hannover beschrieb Deutschland als Land, das während des Kalten Krieges Zentrum der Weltpolitik war, ohne eine eigene Außenpolitik zu haben. Es sei daher nicht überraschend, dass unter dem Druck des Krieges gegen den Terror Deutschland instinktiv an das dominierende Narrativ von Freiheitsrechten und gewaltfreier Konfliktbeilegung angeknüpft hatte (Wells und Kühnhardt 2005, S. 87 ff.). Im Blick auf sicherheitspolitische Herausforderungen äußerte sich sehr dezidiert Pierre Hassner, ehemaliger Forschungsdirektor am Centre d’études et de recherches internationales (CERI) in Paris. Hassner kam zu dem Schluss, dass die amerikanische Irak-Politik den internationalen Terror eher gefördert als bekämpft habe (Wells und Kühnhardt 2005, S. 95 ff.). Shahram Chubin, Forschungsdirektor am Genfer Center for Security Policy, beleuchtete Argumente und Herangehensweisen, um die große Kluft zwischen unterschiedlichen

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Bedrohungsperzeptionen, die die USA und die EU derzeit voneinander trennen, zu überwinden. Er war jedoch pessimistisch und fürchtete weitere transatlantische Dispute, etwa zum Nuklearprogramm des Iran, zum Israel-Palästina-Konflikt und zu Nordkorea (Wells und Kühnhardt 2005, S. 109 ff.). Leider wurden weder Atmosphäre noch inhaltliche Beiträge zur Weiterentwicklung der transatlantischen Beziehungen in der nächsten Zeit besser. Die Sympathie für Amerika in Deutschland konnte kaum tiefer sinken, sollte man nach der Wiederwahl von George Bush im November 2004 meinen. Man sollte meinen, die Amerikaner hätten den falschen deutschen Präsidenten gewählt. Nur verratene Liebe konnte so bitter sein. Tief in bürgerliche Kreise hinein wurden antiamerikanische Tiraden in Deutschland salonfähig. Erst jetzt öffnete sich für mich manche Einsicht, die ich eigentlich ungern gehabt hätte. War es nicht ein Teil der eher bürgerlichen Elite Deutschlands gewesen, im Kaiserreich und während der Weimarer Republik, die ihre deutschnationale Fixierung gerne mit Amerika-ablehnenden Attitüden geschmückt hatte? Die deutsche Zivilisation höherstehend fand als amerikanische Kultur? Die sich möglicherweise nur so lange amerikafreundlich gab, wie es die Kriegsniederlage nicht anders zuließ? Selbst bei der Atlantik-Brücke entdeckte ich mich mit solchen Gedanken. Bei einem feierlichen Abendessen im Berliner Magnus Haus zu Ehren des gerade 80 Jahre alt gewordenen und vor mir seit über 20 Jahren überaus geschätzten früheren Vorsitzenden der AtlantikBrücke Walther Leisler Kiep am 31. Januar 2006 hatte ich ein unangenehmes Erlebnis, das ich mir bis dahin nie hatte auch nur vorstellen können. Als Reden auf Kiep gehalten wurden, rief einer der Anwesenden halblaut in die Runde: Jetzt solle bitte endlich wieder Deutsch gesprochen werden, wir seien doch schließlich unter uns. Amerika in uns, diese Zeit war scheinbar vorbei. Seit ich Kiep 1984 während meiner Postdoc-Studien in Harvard kennengelernt hatte, hatte ich immer sein Wort im Ohr, die transatlantischen Beziehungen seine das zweite Grundgesetz Deutschlands. Sollte das nicht mehr gelten, sollte Deutschland wieder nationale Sonderwege präferieren, so liberal und weltbürgerlich sie auch daherkamen? Es ging schon auf Mitternacht zu, als Walther Leisler Kiep sich mit Tränen im Auge für die Feier bedankte. Bleibend und mahnend war sein Schlusswort, alt werde man dann, wenn die Neugier nachlässt auf Dinge, Menschen und Themen. Um uns herum lag der gefrorene Stillstand der deutschen Politik, der durch die Etablierung einer Großen Koalition nicht aufgebrochen worden war. Im Gegenteil. Die Wahl von Barack Obama im November 2008 schien die Trübsal der vergangenen Jahre über Amerika in der deutschen Öffentlichkeit wegzublasen. Es war, als habe Amerika diesmal den für die Deutschen richtigen Präsidenten gewählt. Auch ich fühlte mich wie befreit, wieder unbefangen über Amerika sprechen zu können, ohne immerzu als erstes mit einem misstrauischen Unterton adressiert zu werden. Auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans erläuterte ich meine Einschätzung der Obama-Präsidentschaft für die transatlantischen Beziehungen in einem Fernsehinterview für den Sender N-TV am 3. April 2009 und kurz zuvor in einem Paper für die Webseite des American Institute für Contemporary German Studies in Washington D.C. (Kühnhardt 2008b). Deutschland und

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Europa, so prognostizierte ich, würden nicht weniger gefordert werden als in den Jahren zuvor. Im Gegenteil, den globalen Herausforderungen werde man sich noch weniger entziehen können, wenn wieder transatlantisches Vertrauenskapitel aufwachsen solle.

Abb. 6.29   Soft power USA: Ausritt mit meiner Tochter Victoria in den Rocky Mountains bei Teton Village (2010). (© Ludger Kühnhardt)

Was das im Einzelnen bedeutete und wie die EU sich einstweilen unzulänglich bemühte, den auf neue Weise gesteigerten amerikanischen Erwartungen gerecht zu werden, analysierte ich am 24. Mai 2010 in Washington. Wieder einmal bot das „American Institute for Contemporary German Studies“ (AICGS) die Plattform, um amerikanische Wissenschaftler und Politikberater mit deutschen Sichtweisen zusammenzuführen (Kühnhardt 2022a, S. 471 f.). AICGS-Direktor Jackson Janes hatte Gail Mattox, Naval War College, Ian Lesser, Rand Corporation und Frances Burwell, Atlantic Council, gebeten, mit den beiden Bundestagsabgeordneten Hans-Ulrich Klose (SPD) und Christian Schmidt (CSU) und mir über die Folgen des Vertrages von Lissabon auf die offenen Probleme der EUErweiterung in Südosteuropa und gegenüber der Türkei zu diskutieren. Dabei ging es natürlich wie stets um die Perspektiven für die transatlantischen Beziehungen.

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6  Die Atlantische Zivilisation

In der Studiengruppe wie in einem danach entstandenen Podcast zeichnete ich ein realistisches Bild der EU. Die europäische Einigung bleibe ambivalent und inkohärent, erklärte ich ehrlich. Es sei paradox, dass die EU weltweit als Modell der Konfliktverarbeitung gerühmt werde, aber nicht in der Lage sei, schlagkräftig zur Global Governance beizutragen. Seit den 1990er-Jahren hatte die EU ihre Horizonte enorm erweitert. Ich zählte die Stichworte auf: Common Foreign and Security Policy (CFSP), Barcelona-Prozess, Nachbarschaftspolitik, Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESDP), ein gemeinsamer Außenpolitischer Dienst (EEAS) infolge des Vertrages von Lissabon. Aber die Frage nach dem Ganzen bleibe noch immer unbeantwortet. Die globalisierte Welt- und Machtpolitik seien einstweilen schneller als die EU. Die unsichere Weltordnung mache das Fehlen klar gezogener europäischer Grenzen, vor allem im Südosten, noch bedrängender. Eine Klärung der Grenzfragen – ich dachte natürlich insbesondere an die Frage einer türkischen EU-Mitgliedschaft, die, solange sie nicht entschieden sei, auch Europas Stellung gegenüber Iran und Syrien schwäche – sei nach wie vor gebunden an innereuropäische Identitätsfragen. Meist werde die Frage nach der Projektion europäischer Kapazitäten nur auf die Chancen bezogen, europäische Normen über die Außengrenzen der EU hinweg zu projizieren. Aber es müsse doch unterdessen klar sein, dass Europa dadurch gefährdet sei, Unsicherheiten zu importieren, die anderenorts ihren Ursprung haben. Die russische Frage sei zurück, sagte ich, die Unsicherheiten im Nahen Osten nahmen zu und eine Afrika-Strategie fehle gänzlich. Daher sei die Neubetrachtung der Aufgabe, Grenzen für und um die Europäische Union zu schaffen, essenziell für die dauerhafte innere Stabilität der EU. Die EU dürfe sich nicht mehr damit begnügen, mit merkwürdigen prozesshaften Nachbarschaftspolitiken nach Titel VIII, Artikel I-57 des Vertrages von Lissabon auf geopolitische Fragen erster Ordnung zu reagieren. Beim Blick auf den bisherigen Weg der EU blieb ich indessen besorgt, dass die Welt schneller ihren Druck nach Europa hineintragen dürfte, als dass Europa zu konsequentem geopolitischen Handeln aus Eigeninteresse bereit sei. Ich zwang mich geradezu, in Washington zu erläutern, wie die EU auf schier unmögliche Weise versuche, vier Geostrategien gleichzeitig zu praktizieren: Eine entterritorialisierte Politik, eine Strategie der Pufferzonen, eine Strategie neokolonialer Frontiers im Sinne der Ausdehnung ihrer Normen, und eine Strategie des rigiden Grenzschutzes mit hoher Rhetorik, aber bisher ohne klare Anzeichen, dass robuste Linien in den Sand gezogen würden zwischen „uns und denen“. Leider bleibe diese konzeptionelle Unklarheit bestehen, zumal sie sich mit Globalisierungsfragen mische, wonach Märkte weltweit ohne Grenzen agieren sollten. Russland, die Ukraine, der Kaukasus, die Unsicherheiten in den arabischen Staaten, die instabile Zukunft Afghanistans: Die Probleme seien überlappend und verstärkten sich immer mehr wechselseitig. Die Europäische Union, so führte ich am 24. Mai 2010 in Washington aus, komme einfach nicht umhin, alsbald ihre Grenzen zu definieren. Damit sei nicht nur die Frage gemeint, wie weit die Erweiterungsphilosophie die EU führen kann. Europa müsse

6.2  Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) …

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auch aus Selbstschutz seine Grenzen klären. Die Grenzschutzagentur „Frontex“ sei, so beschrieb ich den Zustand kritisch, total technisch angelegt und ohne klares politisches Mandat. „Frontex“ aber müsse strategisch werden und endlich als richtiger Grenzschutz funktionieren, wenn Europa es gut mit sich selbst meint. Grenzfragen im Blick nach innen und im Blick nach außen hatten, so schlussfolgerte ich 2010, mit der geopolitischen Reifung der EU zu tun, die leider noch immer zu schwach entwickelt sei (Kühnhardt 2010). In den USA zu argumentieren, als wäre ich in Europa und in Europa zu erklären, warum die USA so tickten, wie sie es taten, gehörte zu meinem Grundverständnis der Atlantischen Zivilisation.

Abb. 6.30   Zuhören: In der Raummitte beim Vortrag des Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff der US Armee, Mike Mullen, im Wilson Center in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt)

Mit Abstand blieb für mich Woodrow Wilson International Center for Scholars das anregendste, vielseitigste und beeindruckendste Center for Advanced Studies der Welt. So war ich sehr dankbar, vom 12. Februar bis 27. Juni 2011 ein zweites Mal als Public Policy Fellow dorthin eingeladen zu sein (Kühnhardt 2022a, S. 509 ff.). Schon am 17. Februar wurde ich gebeten, mich in großer Runde vorzustellen. Ich tat dies zusammen mit Julie Payette, einer ehemaligen kanadischen Astronautin auf der Weltraumstation ISS, die zeitgleich mit mir einige Monate im Wilson Center verbrachte. Sie dachte über die weltraumpolitischen Aspekte ihrer Arbeit nach. Von 2017 bis 2021 wurde Julie Payette Generalgouverneurin von Kanada. Der enorme Service, den ich von so vielen guten, freundlichen Geistern in diesem akademischen Hochdruckkessel genießen konnte, war wieder unübertrefflich.

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6  Die Atlantische Zivilisation

Abb. 6.31   Konzentriertes wissenschaftliches Arbeiten als Public Policy Fellow im Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt)

Die Gesprächs- und Informationsdichte im Wilson Center erfasste mich sofort wieder wie schon 2002: Täglich konnte man ununterbrochen interessante Vorträge hören und an klugen Diskussionen zu allen nur denkbaren öffentlichen nationalen und internationalen Themen teilnehmen. Es war eine Frage der Selbstdisziplin, die eigene Forschung in der im Wilson Center gleichzeitig gegebenen Ruhe voranzutreiben, zu lesen, zu denken, zu recherchieren und ein neues Buchprojekt zu konzipieren. Freundlich wurde mein Afrika-Projekt bei seiner Präsentation im Kreis anderer Wissenschaftler, Journalisten und Diplomaten am 13. Juni 2011 aufgenommen. Hilfreiche Kommentare und Anregungen flossen in die Konzipierung meiner Studie. Auch diese Studie über Afrikas Rolle in der Weltpolitik hätte ohne die Weite der Freiheit, die mich erneut in den USA umwehte, nicht entstehen können. Ich arbeitete ausgerechnet über Afrika in Washington, weil ich in der gemeinsamen Neubewertung des südlichen Nachbarkontinents von Europa eine große Aufgabe und Chance sah, Europa und die USA, aber auch andere wohlmeinende Länder zu einer neuen multilateralen Initiative zusammenzuführen (Kühnhardt 2014).

6.2  Contrasting Transatlantic Interpretations (Kühnhardt 2003b) …

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Abb. 6.32   Im Woodrow Wilson International Center for Scholars mit Co-Fellows Julie Payette, Astronautin, und Charles Maier, Harvard-Historiker, sowie den Wilson-Mitarbeiterinnen Luna Liu und Lucy Jilka vor einer Büste von Woodrow Wilson (2011). (© Ludger Kühnhardt)

Konzentriert trieb ich meine Forschungen voran, führte Gespräche, fertigte Statistiken und Synopsen und wertete die vielfältige Literatur aus, die mir aus der Library of Congress wie von Geisterhand beständig zugespült wurde. Es machte wahrhaft Spaß, im Wilson Center als Wissenschaftler zu arbeiten. Nur das brutal schwüle Klima von Washington mit plötzlich 30 Grad Celsius war eine Bürde: Unser Sohn Stephan genoss die kurzen Wege zu seiner Grundschule mitten in Georgetown, wo ihn die Begeisterung für das Basketball-Spiel packte. Ich kam an manchen Tagen schon schweißgebadet nach 50-minütigem Fußweg von Georgetown im Wilson Center an, nachdem ich unsere Tochter Victoria an ihrer „School without Wall“ hinter dem Gebäude des Internationalen Währungsfonds abgegeben hatte. Einen Steinwurf vom Weißen Haus entfernt warteten für mich dann im „Reagan Building“ Inspiration, Konzentration und Textproduktion auf mich. Einzigartig waren die Arbeitsbedingungen im Wilson Center: Ein großes Büro im 5. Stock mit Fenster auf die Wilson Plaza. Das Café im 6. Stock. Die Bibliothek im 7. Stock mit Tageszeitungen und der regelmäßigen, schnellen Belieferung mit

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Leihbüchern aus der Library of Congress. Unterstützung durch Research Assistant Luna Liu. Fotokopierer-, Post- und Telefongelegenheiten, dazu Dauergespräche mit inspirierenden Kollegen aus aller Welt, deren eigene thematische Vielfältigkeit meine Horizonte ständig erweiterte. Regelmäßige Brown Bag Luncheons, Workshops und Vorträge von Staatschefs oder Nischen-Wissenschaftlern. Unsere Tochter Victoria in der High School („School without Walls“) nahe dem International Monetary Fund und unser Sohn Stephan in der Grundschule in Georgetown mit viel Zeit zum Basketball-Spiel profitierten von dieser Begegnung mit den USA nicht weniger als Enikö und ich.

Abb. 6.33   Wiedersehen mit ZEI Alumni: Sebastian Ehreiser und Meredith Tunick in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt)

Am Ende dankte ich in einem sehr persönlich gehaltenen Rundmail meinen Co-Fellows und Kollegen am Wilson Center sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um Direktorin Jane Harman herum. Howard, Chuck, Rositta, David, Janet, Michelle, Dagne, Lindsay: Ich versuchte, niemanden zu vergessen, der mir irgendwie geholfen hatte beim Putzdienst, in der Bibliothek, in der Kantine, an der Rezeption. Ich schlug spaßeshalber vor, am Eingang des Wilson Center die Pappmaché-Figur des traurig dreinblickenden Woodrow Wilson, der aussah wie ein Totengräber, zu ersetzen durch eine Kopie seiner Statue in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Dort wirkte er, lächelnd, so internationalistisch wie er war und wie ich mir die USA wünschte. Dabei spürte ich schon

6.3  A significant life of two continents …

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innerlich, ohne es zugeben zu wollen, dass die Totengräber Wilson-Figur leider aussah wie ein Abgesang auf das internationalistische Zeitalter, in dem es 2011 an allen Ecken und Enden bröckelte. Am 23. September 2013 ernannte mich das Woodrow Wilson International Center for Scholars zu einem seiner „Global Fellows“. Dies ist eine ideelle Auszeichnung für „preeminent thought-leaders“, wie mir die Präsidentin des Wilson Centers, Jane Harman, mitteilte.

Abb. 6.34   Bei einer Diskussionsrunde im Woodrow Wilson International Center for Scholars mit Christian Ostermann (2011). (© Ludger Kühnhardt)

6.3 A significant life of two continents: In Memoriam Ron Asmus (Kühnhardt 2011a) Kennengelernt und auf Anhieb verstanden hatten wir uns bei einer transatlantischen Tagung des Aspen Instituts in Berlin im Dezember 1986. Viele Begegnungen auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans waren gefolgt. Im Juli 2005 war Ron Asmus mit seiner Frau Barbara und Sohn Erik nach Brüssel gezogen. Bald trafen sich unsere beiden Familien. Wir zeigten Barbara und Ron die Nordseeküste bei Knokke und führten sie bei Christina und Martin Hanz ein, einem mit uns befreundeten belgisch-deutschen Diplomatenpaar. Am 31. Dezember 2005 kamen Ron und seine Familie nach Bonn. Wir wollten Silvester miteinander feiern. Ein kleiner Ausflug führte uns zur Marksburg

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am Mittelrhein. Dort und bei einer Rheinüberquerung in Kaub reflektierten wir über die eigentliche Lebenspriorität: Die Kinder sicher durch die Schulzeit zu bringen. Seit sechs Wochen musste Ron sich einer massiven Chemotherapie unterziehen, Leukämie hatte seinen Körper befallen. Kurz nur streiften wir Irans Aufstieg zur Nuklearmacht und Deutschlands Rückfall in neues Mittelmaß. Dann musste Ron mit seiner Familie nach Brüssel zurückkehren. Die Silvesterfeier fiel aus. Seine Kräfte waren erschöpft. Thanksgiving am 25. November 2006, in Brüssel, mit einem scheinbar triumphalischen Motiv: Ron hatte, so sagten es die Ärzte, den Blutkrebs besiegt. Seit eineinhalb Jahren hatten meine Frau und ich mit ihm und seiner Familie mitgebangt und mitgebetet. Ron kochte und war überglücklich bei Truthahn und einem guten Glas Wein unter Freunden und mit seiner Familie. Endlich wurden die Weingläser getauft, die Barbara und Ron bei unserer Silvester-Tour 2005 am Rhein erworben hatten. Rons neue Lebensphilosophie: Er mache nur noch, was lebensverlängernd sei und nicht mehr, insbesondere beruflich, was lebensverkürzend sein könnte. Eine gute Haltung meines starken Freundes. Es ging ihm in den nächsten drei Jahren wieder besser. Silvester 2009 konnten wir in Brüssel zusammen feiern. Ron war glücklich, in Brüssel ein eigenes Politikberatungsinstitut gestalten zu können, den Brüsseler Ableger des German Marshall Funds. Aber die Familie sollte nie wieder zu kurz kommen. Am 30. April 2011 erreichte mich die traurige Nachricht, dass Ron Asmus gestorben war. Ich hielt mich zu diesem Zeitpunkt in Washington D.C. auf, wo sich sein Tod schnell herumsprach. Barbara und Erik waren in Brüssel. Wir konnten nur telefonieren und unser Beileid ausdrücken. Ron hatte den Kampf gegen den Blutkrebs am Ende doch verloren, den er seit 2005 geführt hatte. Er hatte ihn so kämpferisch und willensstark geführt, wie es seinem ganzen Leben entsprach. Ron Asmus führte ein Leben für Freiheit und Wahrhaftigkeit. Er führte ein Leben auf zwei Kontinenten, für zwei Kontinente. Mehr als die Hälfte unseres Lebens waren wir befreundet gewesen. Ron war für mich synonym mit der unsterblichen Idee der Atlantischen Zivilisation: aufrecht und immunisiert gegen alle totalitären Anwandlungen durch die schlechte Erfahrung seiner Eltern in einem rassistischen Deutschland. Aufgewachsen im Mittleren Westen. Erzogen hin zum Glauben an Amerika als Idee der Freiheit und doch immer ein Europa-liebender Atlantiker. Ein Agnostiker, der im Aachener Dom das geistige Zentrum Europas sah. Ob im Biergarten in München, zu seiner Zeit bei „Radio Free Europe“, oder bei transatlantischen Konferenzen in Visby, wo wir die Balten in die NATO und die EU holen wollten. Ob in Tbilisi, wo er mich 2005 davon überzeugte, dass Georgien zum Westen gehört. Ob in Bonn oder Brüssel: Ron war witzig, historisch denkend wie ein Europäer und amerikanisch sprechend wie keiner in meiner Generation. 1995 besuchte ich Ron in der Rand Corporation in Santa Monica. Zwei Jahre zuvor hatte Ron dort mit seinen Kollegen Stephen Larrabee und Richard Kugler die strategische Begründung für Umbau, Erweiterung und Neuausrichtung der NATO entwickelt (Asmus et al. 1993). Jetzt diskutierten wir mit unserem gemeinsamen Freund Stephen Larrabee und einigen seiner Kollegen die Weltlage. Später an diesem Tag lernte ich wie noch nie zuvor Rons menschliche Seite kennen und schätzen: Er stand an der

6.3  A significant life of two continents …

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Wiege seines bereits eingeschlafenen Sohnes Erik. Das Bild des so bullig-gemütlichen Ron vor dem Baby werde ich nie vergessen. Barbara, seine Frau, stand glücklich neben ihm. Sie ist eine so hinreißend optimistische, positive Amerikanerin, down to earth, herzlich, liebenswürdig. Barbara ist überdies musisch und arbeitet als Pianistin und Klavierlehrerin. Abb. 6.35   Mit Ron Asmus und Stephen Larrabee vor der Rand Corporation in Santa Monica (1995). (© Ludger Kühnhardt)

Als ich am 30. April 2011 Barbaras E-Mail mit der Betreffzeile „Ron“ erhielt, wusste ich, ehe ich es las, was so traurig und bitter zu lesen sein würde. Hillary Clinton veröffentlichte am 2. Mai 2011 mitten in der Medienschlacht um die Interpretation der Tötung von Osama bin Laden auf der Homepage des State Department einen hervorragenden Nachruf auf einen „klugen Vertrauten und großen Diplomaten“. Am Freitag, 7. Mai 2011 wurde Ron im Krematorium von Brüssel-Overijse eingeäschert. Später brachte Barbara die Urne mit sich und Erik in die USA. Ein Stück der Atlantischen Zivilisation war gestorben. Am 29. Juni 2011 fand eine Gedenkfeier für Ronald Dietrich Asmus im

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Konferenzsaal des German Marshall Fund of the United States in Washington D.C. statt. Neben dem lutherischen Pastor Karl Donfried und zwei, drei amerikanischen Kollegen und Freunden war ich von Barbara gebeten worden, über Ron zu sprechen. Es war wie verhext, aber ich konnte nicht dabei sein. Abends saß ich im fernen Bonn vor der LiveÜbertragung im Internet und hörte, mit Tränen in den Augen, wie Karen Donfried, die Tochter des Pastors und eine gemeinsame Freundin von Ron und mir, im German Marshall Fund, meine Worte an Ron Asmus vorlas. Als Karen 2021 Assistant Secretary of State for European Affairs in der Biden-Administration wurde, schrieb sie mir, dass sie oft an Ron denke und noch immer Inspiration aus seinem Wirken gewinne. Am 29. Juni 2011 verlas sie meinen Text. Ich sprach über Rons bedeutendes Leben auf zwei Kontinenten und für zwei Kontinente. Einige Auszüge: „Dear Barbara and dear Erik, above and beyond the grief of missing Ron so much, may you find comfort in our joint gratefulness that we have had him with us and that Ron has meant so much for so many. Memories cannot bring Ron back to life but they keep him alive forever. I want to share with you and with all your family and friends some of my memories of your beloved husband and father that, after all, go across three decades. Visiting with him between 1997 and 2000 in his State Department office was like finding my friend in an environment that looked as if it was just made for him to thrive. He always looked as if had been born to come here and to make a lasting difference. And he made a lasting difference by opening NATO’s door to Central Europe. More than once in those days, I heard you, dear Barbara, complaining, and rightly so, about the long office hours. And I heard Ron cursing this temporary price he had to pay because he was always thinking of both of you. But he was, after all, in the driver’s cabin, himself driven by the idea of freedom and of correcting historical wrong. His family, and especially you, dear Erik, were always first. I was so struck to see a completely different Ron from the corridors of power and conferences whenever I saw Ron as father and husband during the past decade in Washington or in Brussels. Whenever Erik and our children of the same age were playing together, Ron was the most attentive and sensitive guy around them. His interactions with Erik and the conversations we had on child rearing were as compelling as any political conversation you could have with Ron. I recall a random picture the „Washington Post“ published in 2002 of Erik and Ron, together going to Erik’s first day at school. Ron was the giving and caring father any child and wife could only wish for. I was as proud of Ron’s truly human personality as I was of Ron as a political animal. Friendship, sharing, connecting – these were always the highest talents Ron and Barbara gave away so abundantly. Leucemia forced Ron to slow down. He accepted the disease with the vision that through crisis and catharsis, he would regain strength again. Yet, his first thoughts were with his loving wife, with you, dear Barbara, and with you, dear Erik, his beloved son. He so intensively pondered with me over the question of how he could facilitate to pave your way, Erik, no matter his own destiny. At our sauna conversations or during our last long walk in the woods of Brussels, this thought absorbed his thinking more than his own disease: What would it mean to win peace for the world, or for the Georgians, but miss a single opportunity to help Erik in finding his own way? (Kühnhardt 2011a)“

6.3  A significant life of two continents …

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Abb. 6.36   Entspannt plaudern über die Atlantische Zivilisation: Mit Ron Asmus in Washington D.C. (2002). (© Ludger Kühnhardt)

Unser halbes Leben lang waren wir befreundet gewesen. Als wir uns 1986 kennenlernten, fand ich Ron sofort entschlossen und locker, aufgeschlossen und voller Willenskraft, neugierig und freundlich. Diese Kombination aus Persönlichkeit und Potenzial wurde damals einstweilen von Radio Free Europe genutzt. Später band die RAND Corporation Rons große intellektuelle Talente an sich. Seine Analysen zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zur Rolle Deutschlands nach dem Fall der Berliner Mauer waren immer lehrreich und kraftvoll zu lesen (Asmus 1993; 1994; 1995). Er war realistisch und getrieben vom Willen, die amerikanischen Interessen voranzutreiben, weil er zutiefst überzeugt war, dass sie für die gesamte westliche Welt und ihre Zukunft in Freiheit und Frieden am besten waren. Zugleich war er zutiefst davon überzeugt, dass Amerika nicht noch einmal in Europa würde kämpfen müssen und das Leben seiner eigenen Soldaten riskieren, wenn die kleineren Völker und Staaten Mittel- und Südosteuropas stabil und gesichert Teil der Atlantischen Allianz sein werden. Die Staaten zwischen dem Baltikum und entlang dem westlichen Grenzraum Russlands bis herunter in den Kaukasus wären in den vergangenen zwei, drei Jahrhunderten immer wieder aufs Neue Spielball der Interessen von Imperien und Hegemonialmächten gewesen. Nach Jahrzehnten der Dominanz durch die Sowjetunion wollten die Völker zwischen der Ostsee und dem Kaukasus frei und selbstbestimmt sein. Zu Recht war Ron als einer der ersten in der atlantischen Hemisphäre überzeugt, dass diese Völker nur dann ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit führen können ohne Angst vor möglichen neuen

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hegemonialen Ansprüchen Russlands, wenn sie zur NATO gehören. Nachdem die USA in der ersten Amtszeit von Präsident Bill Clinton zwischen 1993 und 1997 viel politisches Kapital in die Hoffnung investiert hatten, auch Russland in die atlantischen und europäischen Sicherheitsstrukturen einzubeziehen, wurde es dringend Zeit, dass die NATO ihre Türen für mittel-osteuropäische Mitglieder öffnete. Ron Asmus hatte schon während seiner Zeit in der Rand Corporation sehr klare und systematische strategische Konzepte entwickelt, um eine NATO-Öffnung für mittelosteuropäische Länder zu erreichen. Ein Paper, das er mit seinem Kollegen Bob Nurick verfasst hatte, wurde wieder und wieder zitiert (Asmus und Nurick 1996). Ron war strategischer Vordenker des freiheitsstärkenden Sinns der erweiterten NATO für eine dauerhaft stabile europäische Friedensordnung. Er fand große Sympathie für seine Konzepte in den Ländern der Region zwischen Baltikum und Kaukasus. Politische Unterstützung fand er vor allem beim deutschen Verteidigungsminister Volker Rühe und bei der aus Prag stammenden Madeleine Albright, die von 1997 bis 2001 Außenministerin der USA in der zweiten Clinton-Administration wurde. Madeleine Albright ernannte Ron zum Assistant Secretary of State for Europe. Zielstrebig ging er nun ans Werk, seine strategischen Konzepte zügig Wirklichkeit werden zu lassen. Wann immer ich ihn in diesen Jahren in seinem Büro im amerikanischen Außenministerium zu einem Gespräch aufsuchte, hatte ich den Eindruck, dieser Ort war wie für ihn geschaffen. Er ging nicht unter im Rhythmus einer Bürokratie. Schon gar nicht wurde er gefangen von deren Beharrungskräften. Inmitten des täglichen Gewusels behielt Ron Übersicht und strategischen Kompass. Mit einer Kombination aus Standhaftigkeit, mehrdimensionaler Lobbyarbeit und der Fähigkeit, Visionen mit harter Arbeit an den Details zu verbinden, half Ron wie neben ihm nur noch Volker Rühe die Tür der NATO für die mitteleuropäischen Staaten zu öffnen. Sein Bericht über diese Zeit ist eine faszinierende Lektüre (Asmus 2002). An der Seite von Außenministerin Madeleine Albright befand er sich in der politischen Fahrerkabine, selbst angetrieben von der Idee der Freiheit und der historischen Aufgabe, diese Freiheit durch ein nicht aggressives Bündnis mit anderen westlichen Demokratien zu sichern. Ron war zutiefst davon überzeugt, dass ebenso wie Prag, Budapest und Warschau auch Tallinn, Riga und Vilnius zur Atlantischen Zivilisation gehören und daher der NATO beitreten mussten. Während andere noch darüber grübelten, ob dies Russland befremden könnte oder nicht, drängte Ron auch auf eine NATO-Erweiterung in den baltischen Raum. Ich traf Ron in seinem Regierungsamt wieder bei einer Tagung in Visby auf der schwedischen Insel Gotland. Dort kamen wir mehrfach mit strategischen Denkern und verantwortlichen Politikern aus dem Ostseeraum zusammen. Auch Russen, die sich als Teil einer eigenständigen Weltmacht verstanden, und natürlich Schweden, die weiterhin neutral bleiben wollten, waren bei unseren Gesprächen anwesend. Mit Ron nach den intensiven Diskussionen einen Spaziergang auf der mittelalterlichen Stadtmauer von Visby zu unternehmen, fühlte sich an wie an der Seite eines Menschen zu gehen, der schon immer der natürliche Beschützer der Freiheit der Ostsee und seiner Küstenstaaten gewesen war. Die anwesenden Vertreter der baltischen Völker vertrauten ihm, die Polen ohnehin. Russische

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Kollegen sahen ihn nicht als Gegner, sondern als jemand, der Stabilität für alle durch eindeutig freiwillige Mitgliedschaftsverhältnisse erreichen wollte. Die NATO-Osterweiterung löste bei unseren Diskussionen in Visby zu keinem Zeitpunkt Bedrohungsgefühle aus, denn sie war zu keinem Zeitpunkt gegen irgendein Land gerichtet, das nicht der NATO beizutreten wünschte. Das Gegenteil war der Fall, denn es sollte strategische Klarheit und Berechenbarkeit für alle als Basis einer dauerhaften europäischen Friedensordnung entstehen. Ron hatte eine große Fähigkeit, die zeitgenössische Bedeutung der Geschichte und die politischen Auswirkungen der Geografie zu verstehen. Er war nie besessen von dem einen oder dem anderen, aber war sich immer ihrer Konsequenzen für unser gegenwärtiges Verständnis der Weltordnung bewusst. Er wollte die Zukunft gestalten, und wenn möglich in großem Stil. 2002 konzipierte er ein neues und großes atlantisches Projekt: Die Transformation des „Greater Middle East“, der sich von Marrakesch bis Bangladesch erstreckt (Asmus und Pollack 2002). Ich griff seinen Denkansatz verschiedentlich in eigenen Veröffentlichungen auf und entwickelte ihn weiter (Kühnhardt 2003f; 2012, S. 57 ff.). Die Agenda war komplex und nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beherrschten die simplen Lösungen die Debatte. Damit wollte Ron sich, wieder einmal, nicht abgeben. Er wollte eine grundsätzliche, aber konstruktive und differenziert vorgehende Transformation in dem Bogen von Instabilität, der die Südflanke der Atlantischen Zivilisation bedroht. Es war absolut typisch für Rons Charakter: Er konzeptualisierte die Welt nach dem Vorbild eines großen Bildes, als ob der Himmel die einzige Grenze wäre. Gleichzeitig kannte er die Verwurzelung von allem in Geschichte und Vergangenheit, in Vielfalt und Widersprüchen nur zu gut. Aber er kümmerte sich nicht darum, ob die erforderlichen Mühen der Ebene den Geist verlangsamen würde, der auf die Zukunft konzentriert bleiben musste. Was trieb Ron an? Er war der Sohn von in Europa geborenen Auswanderern aus dem protestantischen Kernland Deutschlands. Ron Asmus war familienorientiert, bodenständig und aufrichtig davon überzeugt, im Kampf gegen das Böse Gutes tun zu müssen. Ron hatte kein Mayflower-Erlebnis erlitten. Er musste nicht, wie so viele, im 20. Jahrhundert vor der Verfolgung in Europa fliehen. Ron wurde in ein Land der großen Versprechen hineingeboren, in den demokratischen, protestantischen, hart arbeitenden und aufrechten Mittleren Westen. Als Mitglied der zweiten Generation musste er nicht kämpfen. Aber er wollte seinen Teil leisten, um Freiheit und Frieden zu erhalten, wo immer sie bedroht waren. Er ging seinen Weg von Madison nach Washington und landete schließlich in Brüssel, der Hauptstadt des neuen Europas, des Europas der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und des Wohlstands. Ron bewegte sich in ein neues Kapitel der Atlantischen Zivilisation hinein. Ron Asmus war ein Stratege, ein Mann der realistischen Machtpolitik. Er glaubte an die Kultur der Macht, um der Kultur Macht zu geben. Als Direktor des Europabüros des German Marshall Funds in Brüssel schloss sich für ihn ein großer Kreis. Der MarshallPlan von 1947 half, Europa nach einer Generation der Selbstzerstörung wiederaufbauen. Er war das Produkt der großzügigsten und weitsichtigsten Generation amerikanischer politischer Entscheidungsträger. Mit dem German Marshall Fund wurde dieses Werk

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fortgesetzt, auch um Stabilität, Demokratie und die Bindungen an die Atlantische Zivilisation in die Randgebiete Europas zu projizieren. Das Programm von Ron Asmus war eindeutig: Demokratieunterstützung und proaktive Nachbarschaftspolitik, die darauf abzielte, zuerst die mitteleuropäischen Länder Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei, dann unbedingt die Länder Südosteuropas und des Baltikums und wenn irgend möglich auch Georgien in der Atlantischen Zivilisation zu verankern. Sein Bericht über den georgisch-russischen Krieg von 2007 rang mit dem Scheitern dieses Ziels im Kaukasus (Asmus 2010). Gegenüber dem Ansinnen aus der Ukraine, in die NATO aufgenommen zu werden, hielt er sich auffallend bedeckt. Die brutale russische Invasion in die Ukraine 2022 konnte er gleichwohl nicht vorhersehen. Sonst hätte er sich frühzeitig entschieden, alles zu unternehmen, um auch der Ukraine durch eine NATO-Mitgliedschaft Sicherheit vor einem neoimperialen Russland zu ermöglichen.

Abb. 6.37   Mit Ron Asmus unter Kollegen auf einer Tagung über die strategische Zukunft von Georgien in Tbilissi (2005). (© Ludger Kühnhardt)

Ron war der Inbegriff des transatlantischen Strategen für das posttotalitäre Zeitalter. Er kannte die Macht der USA und wollte, dass die EU den amerikanischen Erwartungen gerecht würde. Er kannte die Macht Europas und wollte, dass die USA sie anerkannte und damit ihren eigenen besten Idealen gerecht würden. Ron Asmus war ein EuroAmerikaner, ein Amerikaner mit starker europäischer Ausrichtung und ein europhiler Intellektueller mit einem klaren amerikanischen Kompass. Die größte Herausforderung,

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das wusste er aus dem Studium der Geschichte, stand immer ganz am Anfang. Die Zerstörung Europas in zwei Kriegen und die demokratische Wiederbelebung seiner westlichen Regionen (einschließlich Westdeutschland) mithilfe des aufgeklärten, aber eigennützigen Marshall-Plans Amerikas, die Gründung der NATO und die kontinuierliche strategische Präsenz der USA als einer europäischen Macht ermöglichte den Beginn der zweiten Renaissance Europas. So wie die erste Renaissance am besten von Leonardo da Vincis Ehrgeiz geprägt war, eine Brücke zu bauen, wo immer er einen Fluss sah, und von Blaise Pascals Angst angesichts des dunklen offenen Himmels in der Nacht, war auch die zweite Renaissance Europas von Hoffnung und Angst getrieben. Die Geschichte der europäischen Integration hat eine eigene Erinnerungskultur hervorgebracht. Aber stabil und endgültig war nichts in der Geschichte. Ron Asmus wusste genau, dass nur eine stabile, erfolgreiche und nach außen gerichtete Europäische Union ein starker und verlässlicher Partner für die Vereinigten Staaten beim künftigen Management der Weltordnung sein könnte. So war die Natur von Ron Asmus, einem Sohn Amerikas und einem Sohn Europas. Er zeigte an beiden Ufern des atlantischen Ozeans, was es bedeutet, die Geopolitik der Atlantischen Zivilisation zu gestalten. Keiner weiß, was Ron Asmus noch alles erreicht hätte, wäre sein Lebensweg nicht schon mit 53 Jahren zu Ende gegangen. Aber es war ein gewaltiges, ein erfülltes, ein erfolgreiches Leben. Ronald Dietrich Asmus hat ein bedeutungsvolles Leben auf und für zwei Kontinente geführt. Sein Lebenswerk blieb erhalten, auch als die Epigonen kamen. Noch einmal ein Auszug aus meiner Gedenkrede auf Ron Asmus bei der Trauerfeier des German Marshall Fund of the United States am 29.Juni 2011: „Looking at the new Europe from Brussels, his favourite place in Europe, he told me, was the Cathedral of Aachen, the coronation chapel of medieval Christian Europe with the throne of Charlemagne. When visiting Aachen and its Christmas market he felt the spirit of what truly holds Europe and the United States together, he told me. Don’t worry, you do not need to discover Ron all of a sudden as a disguised catholic, I dare say as his Roman Catholic friend. But it is worth understanding why he was fascinated with one of the most remarkable expressions of the cultural and religious heritage of Europe: For Ron, Aachen, Aix-la-Chapelle, was the symbol of the unity of the continent. The structure of the cathedral in Aix-la-Chapelle is one of the most prominent reminders in Western Europe of architectural and spiritual links between Europe’s West and Europe’s East, all the way down to Georgia and Armenia. Ron has always seen Europe as one and wherever he saw elements of Europe that testified to this unity, he felt at home. You could see it when you moved around with him in Tbilisi or in Bavarian villages with their onion-shaped church spires that echo Russian orthodoxy. Ron has always and rightly, I add, believed in the historic mission to link Turkey and the Caucasus republics to the rest of the Atlantic civilization. Ron had an intuitive ability to translate cultural experiences into geostrategic necessities. Ron lived the Atlantic civilization and moved it into a new era. We cannot choose the place where we were born and where we will die. But Ron died at the right place although at the wrong time. Ron was the Euro-American of our generation, a wise American with strong European orientations and a Europhile with a clear American compass. But first and foremost, dear Barbara, he was your loving husband, and dear Erik, he was your caring father. All his and your friends will never let you walk alone in the years

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ahead, as Ron would rightly so expect us to do. 1957, when Ron was born in Milwaukee, Europe started a new chapter in its history with the signing of the Treaties of Rome. In that year, the first German-American ‚Steuben Parade‘ was celebrated in New York. The ‚Steuben Parade‘ was a good star over the start of Ron’s life. It was to become a significant life of two continents. In that same 1957, the Italian writer Giuseppe Tomasi di Lampedusa died. In his great novel, ‚The Leopard‘, he had written that it would require a complete reinvention if things should stay the way they are (Tomasi di Lampedusa (1957) 2019). Only people with the ability to lead a significant life would be able to live up to this task. Tomasi de Lampedusa felt that the leopards were vanishing from the face of the earth, only to be replaced by hyenas, jackals and other mediocre folks. He was calling for people to lead a life of significance. Tomasi di Lampedusa could not anticipate the life of Ron Asmus that began in 1957. Would he have known Ron, he would have wished this life of a leopard to last for hundred years in best health and with happiness all around. Now, as we grief over Ron’s earthly departure, we are convinced: A life of significance it was, a significant life oft wo continents, for which it will always be remembered. Ron, you have touched and graced the lives of many. Rest in eternal peace, my dear friend. God bless your soul. And God bless Barbara and Erik (Kühnhardt 2011a).“

6.4  Coming down from the mountain (Kühnhardt 2011b) Dass es so dramatisch werden würde, konnte ich natürlich nicht in den Einzelheiten voraussehen. Aber dass die USA dabei waren abzustürzen, war mir seit spätestens 2011 präsent. Die Hybris der neokonservativen Strategen, die mit dem Irak-Krieg eine komplette Gehirnwäsche in der islamischen, zumindest in der arabischen Welt anstrebten, hatte ich 2002 erstmals gehört. Mir war rasch klar, dass dies nicht nur Allmachtsfantasien Einzelner waren. Unter amerikanischen Intellektuellen und Strategen mischten sich schon damals auf ungute Weise zutreffende Analysen über die Rückständigkeit arabischer Gesellschaften, die fundamentalistischen Tendenzen im Islam und die Trostlosigkeit der Freiheitsumstände in diesen Staaten mit eigentümlich selbstherrlichen und zugleich naiven Ideen einer Veränderung in einem gänzlich anderen Kulturraum nach westlichen Fortschrittsmustern. Die Frage, ob dabei von Transformation, Modernisierung oder Amerikanisierung auszugehen sei, wurde immer diffuser. „Regime change“ hieß das Mantra. Anhaltende Bürgerkriege, noch mehr Terrorismus, dort wie im Westen, und politischer Aktionismus inmitten unbeherrschbarer Erschütterungen waren die Folge. Erst in Afghanistan, dann im Irak, schließlich in Libyen. Ägypten, Syrien und Jemen ergänzten bald die trostlose Liste von Staaten, die zwischen Pest und Cholera zu wählen hatten. 2021 dann das Desaster schlechthin: Die Rückkehr der Taliban an die Macht über Afghanistan. 2011 war der Ton in Washington dröhnend und selbstherrlich geworden. Im „Belt Way“ war viel von dem wunderbaren American Spirit verloren gegangen, den ich seit 1984 immer so besonders bewundert hatte. Die Atmosphäre war vergiftet. In einer TVShow hörte ich im April 2011 David Letterman die Frage stellen, ob die USA denn tatsächlich schon bereit seien für big mouth Donald Trump. Zugleich verging kaum eine Gesprächsrunde in Washingtons Think Tanks und Universitäten, bei der nicht mit

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defätistischem Unterton Oswald Spengler zitiert wurde: Der Untergang des Abendlandes (Spengler (1918/1922) 2006). Zwischen Defätismus und Überheblichkeit schwankte die Stimmung damals bei vielen Intellektuellen und politischen Akteuren. Oft verbanden einzelne Menschen, die ich seit Langem gut kannte, beide Empfindungen gleichzeitig in sich. Außerhalb von Washington war von diesen intellektuellen Selbstzweifeln in der politischen Klasse wenig zu spüren. Aber auch dort verschob sich das Koordinatensystem des amerikanischen Selbstverständnisses erheblich. 2010 hatte ich mit meiner Familie eine Rundreise durch weite Gebiete des Mittleren Westens unternommen. 2011 unternahmen wir zwei weitere Touren durch die östlichen und südöstlichen Regionen der USA. Die Welt out there schien oberflächlich in Ordnung. Das Leben war fröhlich, einfach american (Kühnhardt 2022a, S. 477 ff.; S. 524 ff.). Abb. 6.38   „Weimarer Dreieck“ in den USA: Mit Frédéric Bozo, dem französischen Kollegen von der Sorbonne Nouvelle, und (hoch zu Ross) General Kazimierz Pułaski, dem aus Polen stammenden Begründer der amerikanischen Kavallerie, in Washington D.C. (2011). (© Ludger Kühnhardt)

Ich hätte mir sicher nicht gewünscht, dass meine Mahnung, die USA mögen ihre Ideale wiederentdecken, zu der Sorge werden würde, die USA könnten so richtig abstürzen. Von Bergsteigern übernahm ich 2011 die Metapher, man habe den Berg erst erfolgreich gemeistert, wenn man wieder unversehrt im Tal angekommen ist. Im Unterschied

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zu anderen Staaten und Völkern sei es für die Amerikaner in den letzten hundert Jahren immer nur in eine Richtung gegangen: nach oben. Aber auf dem Berggipfel war es nach dem Absturz der Sowjetunion einsam geworden. Es wäre klug, auf die erste Talstation zurückzukommen, wo andere campierten, sich mit Frischluft und neuer Ausrüstung zu versorgen, den Bergaufstieg zu teilen. Mein in der Online-Zeitung „The Globalist“ meines Kommilitonen Stephan Richter am 14. Juni 2011 veröffentlichter Essay Coming down from the mountain war ein Plädoyer für den Multilateralismus, gefolgt von einer Auseinandersetzung mit Deutschlands Vergangenheitsbewältigung als Alibi für dort anhaltende Realitätsverdrängungen (Kühnhardt 2011b). In dem Essay Coming down from the mountain argumentierte ich, es wäre komplett falsch, die USA nur von den Reaktionen auf 9/11 her zu definieren. Entscheidender, um die offenkundigen Aporien der amerikanischen Politik zu verstehen und einzuordnen, sei es, auf das Ende des Kalten Krieges zurückzublicken. Die USA seien 1990 die only but lonely superpower gewesen. Die Ideale des Landes wurden mit der materiellen Macht der USA gleichgesetzt. Aber es wurde immer schwieriger, eine unübersichtlicher werdende, zumindest multipolare, wenn nicht immer mehr sich chaotisierende Welt konstruktiv zu führen. Daher müssten die USA ein wenig vom Berg heruntersteigen und ihre eigenen Prinzipien als Leitlinie für die post-post-Cold-War-World wiederentdecken. Der Kalte Krieg war die formative Idee für „den Westen“. „9/11“ aber blieb eine formative Idee lediglich für die USA. Seither sei das Land zerrissen zwischen Unilateralisten und Isolationisten. Am 9. September 2011 ergänzte ich bei einer Podiumsdiskussion des Nordamerika-Programms der Universität Bonn, dass wir Europäer gut daran täten, den Amerikanern zu helfen, aus der selbstgestellten Falle wieder herauszukommen. Dies sei in unserem eigenen Interesse. Schadenfreude über die zunehmende globale Ablehnung und gleichzeitige Erstarrung der innenpolitischen Handlungsfähigkeit sei ganz und gar fehl am Platze. In Europa werde die Atlantische Allianz mit einer starken USA benötigt, weil diese Allianz Ausdruck und Schutzmantel der Atlantischen Zivilisation sei, sagte ich am zehnten Jahrestag von „9/11“. Mit der Analyse, die USA müssten ein wenig Demut und Selbstbescheidung lernen, um zu einer Basis für genuines multilaterales Handeln in der Welt zu finden, korrespondierte mein Befund, Deutschland müsse im Gegenzug aus dem Koma aufwachen, das mit historischen Argumenten Beteiligungsverweigerung zugunsten einer stabilen internationalen Ordnung legitimierte (Kühnhardt 2011c). Beim 60-jährigen Jubiläum der Atlantik-Brücke am 2. Juli 2012 versuchte sich Außenminister Guido Westerwelle in einer eigentümlich pro-amerikanischen Rede. Er hatte sich namens Deutschlands am 17. März 2011 im UN-Sicherheitsrat bei der Entscheidung enthalten, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten und damit Kampfeinsätze gegen das Gaddafi-Regime zuzulassen. Deutschland stellte sich mit einem kraftvollen „Ohne uns“ erneut ins Abseits. Den USA wurde so weder geholfen noch ihr Kurs in irgendeiner Weise beeinflusst. Bei einem anschließenden Podiumsgespräch mit Staatsminister Eckart

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von Klaeden aus dem Bundeskanzleramt, John Hulsman, einem amerikanischen Unternehmer, dem ehemaligen Chefredakteur der „Zeit“, Theo Sommer und William L.T. Schirano, Analyst der Tauri Group, betonte ich den Wert der Atlantischen Zivilisation aus aufgeklärtem Eigeninteresse. Wir seien die wichtigsten strategischen Partner füreinander und müssten unsere Rolle miteinander grundlegend erneuern und durchdenken. Leider schien es, als liefen zwei Züge immer wieder und immer schneller aufeinander zu – genauer: voneinander weg. Am besorgniserregendsten seien gesellschaftliche Verschiebungen, analysierte ich, die auch durch noch so gute politische Führung irgendwann kaum noch gesteuert werden könnten. Wenn jetzt über die Neuvermessung der Bedeutung des Arabischen Frühlings, des Aufstieg Chinas, dem Umgang mit Russland und den weltwirtschaftlichen und weltwährungspolitischen Themen nachgedacht werde, müssten wir auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans mehr denn je die gesellschaftliche, soziologische Dimension einbeziehen. Um es abstrakt im politischen Jargon zu sagen: Die Bedingungen multilateraler Weltordnung, aber auch die gesellschaftlichen Freiheits- und Stabilitätsziele müssten neu reflektiert werden, forderte ich ein. Beim Thema Klimawandel scheine dies ob der Jugend zu gelingen. Beim Thema Afrika hingegen gelinge die erforderliche Aufmerksamkeit nicht. Europa und die USA müssten übereinander mehr Klarheit gewinnen. Die USA erwarteten Handlungsfähigkeit von Europa. Die EU erwarteten Leadership von den USA, wobei Deutschland sich meistens schon mit kryptischen Politikprozessen zufriedengab. Der Spruch „going global or going out of business“ gelte auch für die NATO und letztlich für die Atlantische Zivilisation insgesamt. Ihr Selbstverständnis müsse neu durchdacht werden in einer Zeit, wo die USA die EU nicht einmal mehr 15 % der Weltbevölkerung repräsentieren und Systemkonflikte, aber auch generationeller Druck aufstrebender junger Menschen dort zunehme, wo westliche Lebensart nicht üblich sei. Die Atlantik-Brücke, so hoffte ich bei dieser Veranstaltung in dem eigenartigen Rahmen des ehemaligen Staatsratsgebäudes der DDR, müsse atlantikfähig werden. Das bedeutete, schloss ich, von der Zukunft her zu denken, Nord- und Südatlantik gemeinsam in den Blick zu nehmen und Beiträge zum globalen Regieren entwickeln. Sonst gehe auch die Atlantik-Brücke out of business.

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Abb. 6.39   European Alumni Meeting des Woodrow Wilson International Center for Scholars in Athen (2012). (© Ludger Kühnhardt)

Bei einem Treffen der Woodrow Wilson Alumni Association in Athen am 13. bis 15. September 2012 drehte sich alles um Europa, genauer: um die sogenannte Eurokrise, die nie eine Krise des Euro war (Kühnhardt 2022a, S. 576 f.). Gikas Hardouvelis, finanzpolitischer Berater von Ministerpräsident Loukas Papademos, der Griechenland zwischen November 2011 bis Mai 2012 vom Abgrund zurückgeholt hatte und verhindern konnte, dass sich das Land fast wider Willen aus der Eurozone herausgedrängt hätte, erläuterte, was Krisenmanagement in Europa heißt. Die frühere ägyptische Ministerin für Familie und Bevölkerung, Moushira Khattab, malte an die Wand, was künftiges Krisenmanagement würde leisten müssen: Der demografische Druck einer frustrierten, immer größeren jugendlichen Bevölkerung, mit schlechter Bildung und noch schlechteren Berufsperspektiven werde in Ägypten wie überall in der arabischen Welt immer größer. Trotz allem Gerede über die Religion habe die junge Generation eigentlich keine orientierenden Werte. Sie kenne nur große Verachtung für die, die heute das Sagen haben und ihnen vermeintlich die Zukunft rauben, bevor die eigene Zukunft überhaupt losgeht. Von den USA war bei diesem Treffen eingeschworener Freunde der USA herzlich wenig die Rede. Seit dem Amtsantritt von Barack Obama 2009 hatten sich die transatlantischen Beziehungen irgendwie wieder normalisiert. Die im Dezember 2009 gescheiterte UNKlimakonferenz in Kopenhagen war fast schon wieder vergessen. Das Beste war, man sprach nicht zu viel übereinander. Denn dann ließen sich Dissonanzen zwischen den transatlantischen Partnern kaum allzu lange verbergen.

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Dann kamen 2013 und die NSA. Bei einer schönen Konferenz zum 30-jährigen Jubiläum des „American Institute for Contemporary German Studies“ (AICGS) am 12. Juni 2013 – mit Standing Ovations für den sehr fragil gewordenen Gründungsdirektor Gerald Livingston, den ich 1984 in einem kleinen Büro in der Nähe des Dupont Circle in Washington D.C. kennengelernt hatte, und viel Lob für seinen Nachfolger Jackson Janes, mit dem ich seit 1988 befreundet war – erhob sich noch einmal der transatlantische Idealismus. Wenige Tage vor Barack Obamas nächstem Besuch in Berlin diskutierten wir die Bedingungen der angestrebten Trans-Atlantischen Freihandelszone. Am 17. Juni 2013 wurden die Verhandlungen über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) offiziell vom Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Durão Barroso und dem Präsidenten des Europäischen Rats, Herman Van Rompuy, mit US-Präsident Barack Obama am Rande des G8-Gipfeltreffens in Nordirland begonnen. Es sollte, endlich, der erste EU-USA-Vertrag werden seit der Gründung der NATO 1949. Seit vielen Jahren hatte ich mich für einen solchen Atlantischen Vertrag eingesetzt. Die Perspektive schien zu reifen, wie ich am 12. Juni 2013 in Washington (Kühnhardt 2013) und am Tag nach dem USA-EU-Gipfeltreffen, am 18. Juni 2013, im deutschen Fernsehsender „Phoenix“ erfreut kommentierte. Dann kam der NSA-Skandal. Seit Juni kursierten die wildesten Geschichten über die Abhörpraxis der amerikanischen National Security Agency (NSA), auch unter Verbündeten und Partnern. Am 23. Oktober 2013 berichteten die Medien erstmals, auch das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel sei von der National Security Agency (NSA) abgehört worden. Das übertraf alles, was seit Jahren zwischen den misstrauischen transatlantischen Partnerregierungen kolportiert worden war. Nur wenige Tage später befand ich mich mitten in der massivsten Vertrauenskrise, die es in der Atlantischen Allianz je gegeben hat. Am 28. Oktober 2013 hatten mich der neue amerikanische Botschafter John B. Emerson und seine Frau Kimberley zu einem Abendessen in ihre Berliner Residenz zu Ehren von Jane Harman eingeladen, der Präsidentin und CEO, wie sie immer betonte, des Woodrow Wilson International Center for Scholars. So hilflos, zerknirscht und doch nicht (oder noch nicht) bereit, vom Gipfel amerikanischer Hybris herunterzusteigen, hatte ich Amerikaner mein Leben lang noch nie erlebt. Jane Harman war mit 68 Jahren noch immer das sportliche kalifornische Surf Girl, als das sich 2011 stilisiert hatte, als sie die Führung des Wilson Center von dem so abgeklärten Lee Hamilton übernahm. Jane erklärte verteidigend, warum nach 9/11 („I was there“) alle verfügbaren Daten gesammelt werden mussten, um die Sicherheit der Amerikaner zu stärken. Sie habe damals im Kongress für die Abhörpraxis der NSA gestimmt. Aber diese neuen Dimensionen seien doch irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Nun war das Handy von Bundeskanzlerin Merkel ausgespäht worden und allein in einem Monat in Spanien 60 Mio. Telefonate. Die NSA sei doch, bitte sehr, ein Staat im Staate der Sicherheits-Paranoia geworden, sagte jemand am Tisch. Jane Harman

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wirkte hilflos. Botschafter Emerson meinte, was jetzt über Vertrauensverluste zwischen Deutschen und Amerikanern gesagt werde, schmerze („it hurts“) und man müsse wohl da durch wie ein Ehepaar nach einer Familienkrise. Ich empfahl Botschafter Emerson dringlich, von der Familienmetapher abzusehen und rationale Interessenerläuterung zu pflegen. Sonst stünde zu befürchten, dass die historisch so wichtigen Verhandlungen zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) Schaden nehmen. Dort müsse jetzt unbedingt ein großes Kapitel Datenschutz hineinverhandelt werden, plädierte ich vor den 20 Dinner-Gästen. Ich suchte nach Wegen der Mäßigung und der Schadensbegrenzung. Sofort aber sah ich, dass der emotionale Bruch mit den USA – jedenfalls unter politischen Akteuren – schlimmer werden könnte als 2003. Nun ging es immerhin um die Autonomie empfindlicher deutscher Politiker und um deren höchstpersönliche Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des amerikanischen Staates. Das war angesichts des Fehlens eines gemeinsamen „frame of mind“ sehr gravierend. Einige der ungewöhnlich emotionalen Reaktionen deutscher Dinner-Gäste an diesem denkwürdigen Abend beim amerikanischen Botschafter in Berlin ließen tief blicken und Schlimmes erwarten. Arend Oetker, der 75-jährige ehemalige AtlantikBrücke-Vorsitzende, sagte, er habe lange überlegt, ob er die Abendeinladung überhaupt annehmen solle, so sehr sei er persönlich verletzt. David Gill, Staatssekretär von Bundespräsident Joachim Gauck, der mit mir seit 1991 als „Young Leader“ der Atlantik-Brücke gut bekannte Sohn eines Bischofs der Herrnhuter Brüdergemeinde, berichtete, nicht wenige im Bundespräsidialamt hätten ihm geraten, derzeit nicht zum amerikanischen Botschafter zu Besuch zu gehen. Glücklicherweise war der nicht zu Aufgeregtheit neigende David Gill an diesem Abend erschienen. Herbststürme aber lagen über den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Als soeben ernannter „global fellow“ des Woodrow Wilson International Center for Scholars plädierte ich nicht nur, aber auch an diesem Abend in Berlin für Maß, Mäßigkeit und eine konstruktive Perspektive. Wieder spürte ich, wie schon 2006 bei der Atlantik-Brücke, dass die deutschnationale Perspektive, wie liberal oder sozialistisch sie auch daherkommen mochte, doch immer vorrangig deutsch und erst dann so internationalistisch, atlantisch (und vermutlich europäisch) war, wie sie sich gerne gab.

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Abb. 6.40   The bonds that hold: Mit den transatlantischen Freunden Anja und Tom Banchoff in Washington D.C. (2014). (© Ludger Kühnhardt)

Auch in dieser Zeit war es wichtig, den inneren Kompass nicht zu verlieren. An erster Stelle ging es, wie ich zu sagen pflege, um „the bonds that hold“. Diese Bedeutung spürte ich sofort wieder, als ich bei einem Aufenthalt in Washington 2014 unsere Freunde Anja und Tom Banchoff wiedersah. Anja hatte bei mir studiert, als ich noch Privatdozent in Bonn war. Tom hatte als Austauschstudent eine Weile in Deutschland zugebracht und am ZEI geforscht. Inzwischen lebte das Paar seit langer Zeit in Washington: Tom war Vize-Präsident der Georgtown University geworden, wo Anja Deutsch unterrichtete. Mit ihren drei wunderbaren Töchtern sind die beiden für mich die optimale deutsch-amerikanische Familie, von der es glücklicherweise viele gibt, die besser als alle politischen Kontroversen „the bonds that hold“ leben. Meine regelmäßige Teilnahme an Tagungen war auch in dieser angespannten Zeit der transatlantischen Beziehungen hilfreich, um den Puls des Zeitgeistes zu messen und meine eigene Argumentation kontinuierlich im Dialog zu überprüfen, womöglich auch zu erweitern und zu vertiefen. Unbeirrt argumentierte ich dafür, dass die atlantischen Partner gemeinsame globale Perspektiven entwickeln sollten. Ich war überzeugt,

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dass ich dies nicht nur der freundlichen Auszeichnung des Wilson Center als „Global Fellow“, sondern in erster Linie meiner Überzeugung von der Relevanz und Ausrichtung der Atlantischen Zivilisation schuldig war. Das Berliner Aspen Institute bat mich, am 25. November 2013 über die Rolle Europas im „Greater Middle East“ zu referieren. Das war natürlich eine undankbare Aufgabe, denn die Idee, so erinnerte ich gleich zu Anfang an Ron Asmus, sei von ihm 2002 erfunden worden und als gemeinsames transatlantisches Projekt spätestens 2011, sozusagen mit ihm, gestorben. Die deutsche Enthaltung im UNO-Sicherheitsrat hatte Deutschland ins strategische Abseits bugsiert. Von der EU war ohnehin nichts zu hören und zu sehen. Das Thema Demokratieförderung in der arabischen Welt sei wohl so tot und still wie der Autofriedhof von Chicago. Seitdem ich wie Ron im November 2003 systemöffnende Kooperation zwischen den atlantischen Partnern und den Staaten und Gesellschaften der arabischen Welt vorgeschlagen hatte, war so gut wie nichts passiert, das Mut gemacht hätte. Zu lange habe man im Westen geglaubt, dass eine Lösung des Nahost-Konflikts die Probleme des erweiterten Nahen Ostens lösen werde. Heute, sagte ich, sei es umgekehrt geworden. Die Probleme des erweiterten Nahen Ostens seien weit gravierender und schwieriger lösbar als der eigentliche Nahost-Konflikt. Dabei seien diese Zusammenhänge auch für den Westen, namentlich für Europa, viel gefährlicher. Immer mehr werde Instabilität nach Europa importiert. Ownership first, Konzentration auf innere Reformen in den arabischen Ländern, das müsse immer der Ausgangspunkt einer westlichen Strategie sein. Erst danach können externe Einflüsse moderierende Wirkungen entfalten. Wenn externe Einflüsse indessen gar nicht moderierend, sondern eskalierend wirken, sei auch nichts anderes zu empfehlen als eine besonnene Fortführung der Förderung von Reformen in den Gesellschaften des Nahen Ostens. Die Araber – und ebenso die Afghanen – müssen selber Modernisierung bei sich wollen, wenn diese gelingen soll. Der Westen müsse ein für alle Mal von „Regime Change“ als Modernisierungsstrategie Abschied nehmen. In der Diskussion mit Shlomo Shpiro, dem scharfsinnigen Kollegen am Begin-Sadat Center for Strategic Studies (BESA) in Ramat Gan, schlug ich vor, die „2plus4“-Formel, die zur Klärung der äußeren Bedingungen für die deutsche Einheit 1990 geführt hatte, auf den Nahen Osten anzupassen. Nur so sei überhaupt noch die Hoffnung auf eine Zwei-Staaten-Lösung möglich: Israel und die palästinensische Autonomiebehörde plus UNO, USA, Russland und die EU müssten an einen Verhandlungstisch. Das sei entschieden kreativer gedacht als die Formel des 2002 wirkungslos agierenden Quartetts aus UNO, USA, Russland und EU. Seit Februar 2014 waren kriegsähnliche Kämpfe in der Ukraine ausgebrochen. Die düstere Aussage von Russlands Präsident Wladimir Putin 2007, die Auflösung der Sowjetunion sei der größte geopolitische Fehler des 20. Jahrhunderts gewesen, zog weitere Kreise. Auf einmal funktionierten die Instinkte der NATO und der Atlantischen Allianzpartner wie zur Zeit des Kalten Krieges. Der in Sotschi geplante G8-Gipfel wurde bereits im März suspendiert und die Mitgliedschaft Russlands ausgesetzt. Am 4. /5. Juni 2014 fand wieder ein Gipfel der westlichen Industrieländer im früheren G7-Format in Brüssel statt, ohne Russland. Der Fernsehsender „Phoenix“ bat mich am 6. Juni 2014

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um die Bewertung der Ergebnisse. In wenigen Fernsehminuten war nur wenig Zeit, die Analyse in die Tiefe vordringen zu lassen. Ein ausführliches Rundfunkgespräch mit dem Australian National Radio am 27. Oktober 2014 eröffnete schon bessere Möglichkeiten, meine Gedanken auszuführen. Eine Reihe von op-eds fasste ich zu einem ZEI Discussion Paper zusammen (Kühnhardt 2015). Darin präzisierte ich die Argumentation, die ich am 10. Oktober 2014 in Rom vorgetragen hatte. Die Woodrow Wilson Alumni Association hatte für diesen Tag dorthin zu einem exzellenten Treffen gebeten (Kühnhardt 2022a, S. 654 ff.). Mit Anne-Marie le Gloannec, meiner guten Bekannten aus dem Centre de recherches internationales (CERI) in Paris, die 2017 viel zu früh verstarb, Marta Dassù, bis vor Kurzem italienische Vizeaußenministerin, Vladislav Zubok von der London School of Economics, Olexiy Haran von der Universität Kiew und mir führte Blair Ruble, der Direktor des Russland-Programms im Woodrow Wilson Center, eine in Rom lebhafte Debatte. Meine Argumentationslinie knüpfte an die Überlegungen an, die ich bald nach 1990 geformt und seither immer wieder überprüft und aktualisiert hatte: Russland sei ein Land der Transformation, aber kein Land auf dem Weg „zurück nach Europa“. Neoimperialismus und eine ethno-nationalistische Autokratie dominieren Russland. Die Geheimdienste garantieren die Kontrolle der Staatsmacht über die Gesellschaft. Wo nötig, tun sie dies in Kooperation mit den Oligarchen, die sich ungeniert bereichern dürfen, wenn sie sich von der Politik fernhalten. Aber befanden wir uns in einem neuen Kalten Krieg? Meine dreigeteilte Antwort lautete: Nein. Der ursprüngliche Kalte Krieg wurde nie gewalttätig. Jetzt aber erlebten wir Gewalt und kriegsartige Aktionen wie die Annexion der Krim und die Teilung der Ukraine. Dieses Phänomen hätten wir schon in den 1990er Jahren in Moldau und nach 2007 in Georgien besser begreifen können als Teil des neuen Putinschen Revisionismus. Zweitens folgte der ursprüngliche Kalte Krieg einem langen Weltkrieg, dessen intellektuelle Wurzeln in tiefgreifenden ideologischen Konflikten lagen, die wiederum ihre geistige Nahrung von Deutschen (Marx, Engels) und ihre revolutionäre Aktivierung von Russen (Lenin, Trotzki, Stalin) gefunden hatten. Heute sei, so argumentierte ich in Rom, Russland eine neoimperiale Autokratie ohne geistige Motive und Antriebe. Dieses Russland sei aber mit Mitteln und Methoden der Politikdurchsetzung ausgestattet, die der Westen Europas verlernt hat und der Osten Europas vergessen möchte: Gewalt als Mittel der Politik, Desinformation, Lüge. Das sei kein Kalter Krieg, aber das Ende der Illusion, Europa könne von Wladiwostok bis Vancouver reichen, wie es 1990 in der KSZE-Charta von Paris formuliert worden war. Faktisch befanden wir uns nicht in einem Kalten Krieg, sondern, ich schockierte meine Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa mit meiner Schlusssequenz, im Dritten Weltkrieg. Wenig später entwickelte ich die These in einem neuen Buch unter dem Titel The global society and its enemy (Kühnhardt 2017). Der Westen werde zwischen zwei kollidierenden Politikkonzepten zerrieben: Frühere Konsumenten von westlichen politischen Ideen und westlichem politischem Denken waren selber Agenten von Wandel aus eigenem Recht und mit eigenem Willen geworden. Sie forderten den Westen heraus und diejenigen in ihren eigenen Reihen, die

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Pluralismus und Rechtsordnung akzeptieren. Ich dachte an das spannungsreiche Verhältnis zwischen China und Indien. Die Problematik bestehe darin, dass nicht mehr klar war, ob und wie der souveräne Staat, der auf den Prinzipien des Westfälischen Friedens von 1648 beruht, gemanagt werden kann. Identitätskonflikte existierten unterdessen weltweit und niemand habe eine überzeugende Antwort, wie sie minimiert werden könnten. Dies seien weltweite Herausforderungen, in die hinein eine Kaskade von Bürgerkriegen verwoben sei, die seit 1990 fast so viele Tote gefordert habe wie der Erste Weltkrieg. Deshalb könne man vom Dritten Weltkrieg sprechen. Meine Schlussfolgerung auf dem Panel in Rom: Es bedürfe einer neuen Geopolitik des Westens. Kategorien des Rechtsstaates und der Macht müssten neu durchdacht und aufeinanderbezogen werden. Eine starke Verteidigung sei notwendig, smartes Krisenmanagement und eine erneuerte Atlantische Zivilisation. Deshalb gehe es bei den TTIP-Verhandlungen nicht nur um ein Wirtschaftsprojekt. Es gehe um die Atlantische Zivilisation an sich, sagte ich vor gut 100 Anwesenden (Kühnhardt 2014). Der amerikanische Botschafter in Italien, John Philipps und Mrs. Linda Douglass, baten zum Ausklang des Alumni-Treffens in ihre wunderbare Residenz inmitten einer weitläufigen Parkanlage. Wir plauderten noch lange über die inspirierenden Perspektiven, die der Tag mit sich gebracht hatte. Ideen zum Weiterdenken hatten wir auch von Wilson Center-Alumni Giuliano Amato, Italiens ehemaligen Ministerpräsidenten, erhalten und von Angelino Alfano, dem aktuellen Innenminister Italiens. Alfano hatte einen Notruf an Europa gerichtet, weil Italien mit der Bürde der Aufnahme illegaler Migranten weithin alleingelassen werde. Mich trieben noch lange die Einschätzungen von Moushira Khattab um, die ich vor zwei Jahren in Athen kennengelernt hatte: Die ehemalige ägyptische Ministerin war einfach nur noch deprimiert über den Fortgang des Arabischen Frühlings. Nach dem Sturz des aus der Muslimbruderschaft stammenden gewählten Staatspräsidenten Muhammad Mursi am 3. Juli 2013 hatte sich ein Militärregime etabliert. Ägypten schwankte zwischen Pest und Cholera. Demgegenüber erschienen mir die transatlantischen Dispute geradezu lächerlich harmlos. Aber noch immer beherrschte in Deutschland das Wundenlecken über die NSA-Aktivitäten die transatlantischen Zugänge der deutschen Think Tanks, Wissenschaftler und Politiker. Als die Deutsche Atlantische Gesellschaft am 12. November 2014 zu einem Workshop nach Berlin einlud, wusste ich mich rasch mit dem von mir sehr geschätzten pensionierten General Klaus Naumann einig, dass es dringend eines Wechsels der Perspektive bedürfe: Die Konflikte an den Außengrenzen von NATO und EU hatten sich zu einem geistigen wie politischen Problemkomplex hochgeschaukelt, die dringend innovative Denkansätze auf westlicher Seite bedurften. Streit um den NSA konnte sich der Westen längst nicht mehr leisten, wenn er überleben wollte. Mein Studienfreund Hans-Dieter Lucas, unterdessen Politischer Direktor im Auswärtigen Amt, beschrieb schonungslos, wie dringend die Europäische Nachbarschaftspolitik „modernisiert“ werden musste. Stephen Szabo und Frances Burwell, amerikanische Veteranen des transatlantischen Dialogs, konzentrierten sich auf Spekulationen über die Unberechenbarkeiten Putins. Sie waren aber nicht weniger hilflos als die meisten um

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den Tisch, was denn der Westen faktisch tun könne, um auf die Krim-Annexion vom Frühjahr 2014 und die anhaltenden Kriegszustände in der Ostukraine zu antworten. Sanktionen, so die allgemeine Einschätzung, seien gut und richtig, aber kein Ersatz für Außenpolitik. Auch die EU müsse eine deutliche Sicherheitsstrategie im Stil des HarmelBerichts der NATO aus dem Jahr 1967 erarbeiten, die auf den beiden Säulen Kooperation und Abschreckung beruht. Ein des Defätismus unverdächtiger diplomatischer Freund war besorgt wie nie: „Stell dir vor, drei Millionen Türken bei uns in Deutschland werden infiziert und Putin dehnt zugleich die ‚Grüne Männchen‘-Annexion zu uns aus.“ In meinem Vortrag drängte ich einmal mehr darauf, die Wurzeln der ausufernden Konflikte zu adressieren. Eine starke Verteidigung und Abschreckung, auch gegenüber illegaler Migration über das Mittelmeer, sei Erhaltungsbedingung unserer Freiheit. Dies seien Voraussetzungen, um humane Lösungen zu finden, die zugleich strategische Stabilität wiederherstellen. Schließlich: Die Atlantische Zivilisation müsse endlich ein Land wie Brasilien als Partner gewinnen, der atlantische Ozean habe auch eine Südhälfte. Erst nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und seinen globalen Folgen 2022 begannen EU und G7-Verantwortliche, dies auch langsam zu erkennen. Tony Gardner, Studienfreund seit meiner Harvard-Zeit und seit Februar 2014 Botschafter der USA bei der Europäischen Union, machte mir bei einem Gespräch am 27. Januar 2015 in Brüssel, zu dem ich die Studenten des Master of European Studies am ZEI mitgebracht hatte, TTIP-Hoffnung: Tony, der die Transatlantic Trade and Investment Partnership mitverhandelte, begründete seine Zuversicht, dass ein guter Abschluss der TTIP-Verhandlungen vor Ende der Amtszeit von Barack Obama zustande kommen werde: Der Druck auf Europa und die USA sei enorm gewachsen, sich in einer unübersichtlich gewordenen Welt selbst und miteinander zu behaupten. Ihm gefiel eine Karikatur, die unlängst erschienen war, Sie zeigte Putin, der zwar Giftpfeile abschoss, aber damit sein Gegenteil erreichte: Obama und Merkel wurden von einem Herz umrahmt. Sie waren plötzlich wieder ein Herz und eine Seele. In dieser Logik der klassischen realistischen Außenpolitik bewegte sich auch eine weitere Diskussion bei der Deutschen Atlantischen Gesellschaft am 8. April 2016 in Berlin. Mir waren drei Fragen gestellt: Wie gehen USA und Europäer an Sicherheitsfragen und Herausforderungen im Nahen Osten heran? 2. Teilen die USA und Europa Belastungen und strategische Einsichten? 3. Werden sich die USA aus dem Nahen Osten zurückziehen, auch wegen ihrer abnehmenden Energieabhängigkeit, und was hätte dies für Folgen für Europa? Ich erlaubte mir, drei nicht gestellte Fragen zu ergänzen: 1) Nicht was die Frage ist, sei zentral, sondern was das Ziel sei, müsse gefragt werden. Nachdem Demokratisierung durch Bombardierungen gescheitert ist, müsse „Regime Change“ als politische Option schleunigst beendet werden. Es komme auf die Stärkung staatlicher Ordnungen an, auch dort, wo dem Westen das jeweilige Regime nicht behage. 2) Konfusion über die Territorien, in denen die Unruhe am stärksten ist, sei vorhanden, aber noch schlimmer sei die Konfusion über das Thema. König Abdullah II. von Jordanien spreche von einem Weltkrieg im Islam. Sicherlich stehe der Westen sprachlos vor Identitätskonflikten und einer verlorenen Generation in der arabischen Welt, die Anerkennung und Lebenschancen einfordere. Der gleiche Befund gelte auch in Bezug auf Afrika und

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die armen Regionen Asiens, führte ich aus. Dieser Befund sei Auslöser für die weltweite Migrationskrise geworden, über die Europa seit bald zehn Jahren, spätestens aber seit September 2015 die Kontrolle verloren hat. 3) Die Agenda der globalen Themen sei umfangreicher als die Energiefrage und das transatlantische burden sharing. Ich wiederholte meine These vom Dritten Weltkrieg. Zugleich ermahnte ich, einen Rückzug der USA aus der globalen Führungsverantwortung nicht länger als bedauerliche, aber realistische Möglichkeit auszuschließen. Ich traute allen denen nicht mehr, die gebetsmühlenartig wiederholten, Donald Trump werde schon nicht die Präsidentenwahlen im November 2016 gewinnen. Immer wieder fragte ich zurück: Und wenn er doch gewinnt, welchen Plan haben wir dann? Ich erhielt auch in Berlin wieder einmal keine einzige Antwort auf meine Frage. Sie trieb mich deshalb um, weil ich sah, dass die Rückkehr der Identitätsproblematik die USA immer fester in den Griff genommen hatte.

Abb. 6.41   Stars with Stripes: Bei einem Familientreffen mit Alejandra und Tony Gardner in London (2006). (© Ludger Kühnhardt)

Es war wenig überraschend, als mir Tony Gardner bei unserer nächsten Begegnung am 18. Juni 2016 mitteilen musste, TTIP sei wohl tot. Unsere wie üblich familiäre Begegnung zusammen mit unseren Frauen Alejandra und Enikö sowie unseren Kindern fand diesmal in seiner imposanten Residenz mit einem Fluchtweg unterhalb des Gartens am Rande von Brüssel statt. Regelmäßige Verhandlungsrunden und starker politischer Wille, so Tony, hätten nicht gereicht. Sollte Hillary Clinton die Präsidentenwahl im November 2016 gewinnen, was er hoffte, würde er ein Memo über die Ursachen des Scheiterns der TTIP-Verhandlungen vorlegen. Die Substanz seiner Argumentation stand schon im Juni 2016 fest: Die TTIP-Verhandlungen waren von einer diffusen und damit

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falschen Botschaft begleitet worden, die von komplizierten regulatorischen Wirtschaftsthemen dominiert gewesen sei. Von Anfang an hätte ganz eindeutig die strategische Bedeutung von TTIP herausgestellt werden müssen. TTIP sei überfrachtet gewesen. Es war falsch, zu viele komplexe Einzelthemen unter eine überdimensionierte Gesamtschau zu stellen. Es hätte allen Beteiligten klar sein müssen, dass auf diese Weise bloß narzisstische Reflexe auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans ausgelöst werden mussten (Stichworte: Agrarsubventionen, öffentliches Beschaffungswesen, Finanzmärkte). Die Entscheidungskomplexität sowohl in den USA als auch in der EU sei unterschätzt worden. Aber noch schlimmer war die totale Negierung der Macht der sozialen Medien. Die Verhandler hätten keine Spielräume mehr, um zu einem halbwegs passablen Gesamtergebnis während der Obama-Präsidentschaft zu kommen. Tony, dieser Edel-Europäer, war verzweifelt über die politische Lage in Europa infolge des Kontrollverlustes vor allem der Deutschen unter dem Migrationsansturm 2015. Mich besorgten die Entwicklungen in den USA nicht weniger. Über die dramatischen Ereignisse während seiner Zeit als US-Botschafter unter Präsident Obama bei der EU, die getoppt wurden durch noch weit schroffere Brüche in der transatlantischen Architektur durch Präsident Trump hat Anthony Luzzatto Gardner einen eindrucksvollen Bericht verfasst. Tonys Memoiren mit dem starken Titel Stars with Stripes sind vor allem eine kraftvolle Analyse und ein klarsichtiges Plädoyer für die transatlantischen Beziehungen in ihrer Vielschichtigkeit. Jahrzehnte seines Lebens hat Tony Gardner dem besseren Verständnis füreinander auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans gewidmet. Sein ungemein inhaltsreiches Buch Stars with Stripes sollte Pflichtlektüre für alle sein, die verstehen wollen, warum die transatlantischen Partner gerade deshalb aufeinander angewiesen sind, weil sie unterschiedliche Schlussfolgerungen aus gemeinsamen Wertewurzeln ziehen. Nichts ist natürlicher, als dass jede Seite ihre eigenen Interessen artikuliert, und niemand ist gleichwohl stärker miteinander verbunden (Gardner 2020). Zweimal nahm ich in der Schlussphase der Obama-Präsidentschaft den Zustand der transatlantischen Beziehungen und der Atlantischen Zivilisation genauer unter die Lupe. Für das „Wilson Quarterly“, das Journal des Woodrow Wilson International Center for Scholars, analysierte ich 2016 Anspruch und Wirklichkeit des amerikanischen Präsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin. Beide waren wiedergewählt worden und hatten ein Mandat zum starken politischen Handeln. Ihre Rhetorik ließ sogar darauf hoffen: „Yes, we can“ und „wir schaffen das“ wurden zum jeweiligen Mantra von zwei politischen Führungspersönlichkeiten, die faktisch doch nicht konnten. Jedenfalls taten sie nicht, argumentierte ich, was sie hätten tun müssen, um die westliche Welt in dieser schwierigen Zeit nachhaltig erfolgreich zu führen. Ich listete die Themen auf, die zu bewältigen waren: Angesichts der terroristischen Bedrohung weltweit war es, erstens, nötig, im Innern beider Länder eine starke Form von innerer Sicherheit mit funktionierenden demokratischen Institutionen zu kombinieren. Im Blick auf den seit 2011 anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien war es, zweitens, mehr als überfällig, dass die USA und Deutschland, wenn möglich zusammen mit weiteren Partnern, einen eigenen

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Friedensplan vorlegten, der einen international moderierten Friedensprozess für Syrien initiieren konnte. Notwendig sei, drittens, die Entwicklung einer regionalen Friedensund Sicherheitsordnung für den Nahen Osten und Nordafrika, gerade auch im Blick auf die labilen Verhältnisse in Libyen. Dieses Konzept müsste No-fly-Zonen und die Einrichtung von Sicherheitszonen enthalten, um in Ländern, die in Bürgerkriegen zerrissen waren, die Zivilbevölkerung soweit es ging zu schützen. Regionale Sicherheitsarchitekturen waren auch für Afrika von höchster Bedeutung, um in einem friedlichen Umfeld die erforderlichen sozioökonomischen Modernisierungen zu unterstützen, vorneweg die Stärkung der Infrastruktur und die Förderung von privaten Investitionen in Arbeitsplätze. Schließlich, viertens, sei es dringend, die Verhandlungen über die Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zügig zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Bedauerlicherweise war die Skepsis gegenüber TTIP nirgendwo größer als in Deutschland. Aber aus aufgeklärtem Eigeninteresse sei der erfolgreiche Abschluss der TTIP-Verhandlungen in der laufenden Amtszeit von Obama und Merkel ein grundsätzlicher Test ihrer Führungskraft. Erst wenn diese vier Themen gemeinsam erfolgreich bearbeitet worden wären, könnte man davon sprechen, dass die Antworten, die Obama („Yes, we can“) und Merkel („Wir schaffen das“) ungefragt gegeben hatten, auch die entsprechend adäquaten Fragen gefunden hätten. Einstweilen stünden wir vor Antworten auf Fragen, die keiner der beiden richtig und ehrlich gestellt habe (Kühnhardt 2016a). Für einen Sammelband meines Bonner Kollegen Tilman Mayer steuerte ich, ebenfalls 2016, einen Aufsatz bei unter dem Titel „Deutschland, zwei Europas und die Atlantische Zivilisation“ (Kühnhardt 2016b). Ich ordnete die aktuelle Situation ein in das revolutionäre Zeitalter des 18. und 19. Jahrhunderts. Damals hatte Alexis de Tocqueville seine Analysen über die Französische Revolution und über die Demokratie in Amerika verfasst. Die Unruhen, die derzeit die westliche Welt erfasst hatten, würden nur unterstreichen, dass das revolutionäre Zeitalter unseres Jahrhunderts noch keineswegs beendet sei. Ich erinnerte daran, dass in Frankreich die liberale Demokratie schon wieder zerstört war, als Tocqueville sich anschickte, die Ursachen ihrer Entstehung zu erfassen. Man müsse sich derzeit über den Zustand und die Zukunft der westlichen liberalen Demokratie auf ähnliche Weise Sorgen machen. Tocquevilles Mahnung, dass der Traum von Freiheit bald wieder durch die Sehnsucht nach Gleichheit abgelöst werden würde, war ebenso aktuell wie seine Sorge, dass Massendemokratien zu einer „Tyrannei der Mehrheit“ denaturieren können. Unter den Vorzeichen der heutigen Identitätsdebatten und Medienentwicklungen seien die Umstände natürlich anders. Die Sache selbst aber habe sich strukturell nicht geändert. Fragen nach den konstitutionellen Kontroll- und Rahmenbedingungen einer nachhaltigen demokratischen Ordnung seien unterdessen im Westen existenziell geworden. Ich ging auf die Entwicklung in den postkommunistischen Transformationsländern ein, einschließlich auf die Lage im wiedervereinigten Deutschland, das doch zur Hälfte ebenfalls ein postkommunistisches Land war. Die Einbindung Deutschlands in die EU und in die NATO seien ein Segen. Die NATO aber befinde sich inmitten einer sehr schwierigen Phase der Neubegründung ihrer Relevanz. Die, wie ich schrieb, Labilität

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des Ordnungsraumes Europa verlange auch weiterhin eine starke atlantische Bindung an die USA. Die Atlantische Zivilisation sei in der Gegenwart ein Raum des Rechts, der als solcher gesichert und weiterentwickelt werden müsse. Leider stelle sich heute nicht nur, wie schon in der Vergangenheit, die russische Frage neu. Erstmals stelle sich auch grundsätzlich die amerikanische Frage. Damit meinte ich, erstens, die Frage, ob die USA innenpolitisch eine stabile und weltoffene Gesellschaft bleiben würden. Ich meinte zum zweiten die Frage, ob die USA ein verlässlicher Partner europäischer Sicherheit und weltweiter Führungsverantwortung bleiben würden. Ich erinnerte daran, dass die USA im 18. Jahrhundert anderen nach Dekolonialisierung rufenden Völkern vorausgegangen waren. Sie waren zugleich Europa vorausgegangen in der Etablierung einer republikanischen Demokratie. Ohne den amerikanischen Pfeiler einer gemeinsamen Zivilisation würde Europa in die Gefahr geraten, sich möglichen eurasiatischen Alternativen zuzuwenden, sowohl geopolitisch als auch ordnungspolitisch. Beides wäre auf Dauer für niemanden verhängnisvoller als für Deutschland und Europa. Ich endete meinen Aufsatz mit einem empfehlenden Hinweis auf eine kluge Studie von Lazaros Miliopoulos über die Atlantische Zivilisation (Miliopoulos 2007). Sie war 2007 von Tilman Mayer als Habilitationsschrift betreut worden. Ich hatte seinerzeit manches gute Gespräch mit Miliopoulos geführt und das sehr befürwortende Zweitgutachten verfasst. Unterdessen konnte ich nur noch hoffen, dass die Atlantische Zivilisation tragfähig bleiben würde. Als am 4. November 2016 Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt wurde, war ich nicht überrascht. Europa sah ich als den eigentlichen Verlierer, weil die EU unvorbereitet war auf die außenpolitischen Herausforderungen, die nun auf Europa zukommen mussten. Und weil der Populismus mit Ideologiegehalt bald in den Arterien der EU als ein weit gefährlicheres Gift wirken könnte als in den USA. In diesem Sinne nahm ich vor 350 Studenten in meiner Vorlesung in Hörsaal 1 der Universität Bonn Stellung zum Ausgang der US-Wahlen und ihren Folgen für uns in der EU. Ich traute meinen Ohren nicht: Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dem neugewählten amerikanischen Präsidenten sogleich nach Bekanntgabe seines Wahlsiegs Bedingungen für die weitere Zusammenarbeit gestellt. Frank-Walter Steinmeier, SPDBundespräsidentenkandidat von CDU-Gnaden, nannte den gewählten amerikanischen Präsidenten sogar einen „Hassprediger“. Bei so viel Berliner Staatspopulismus, der natürlich in den deutschen Medien gut ankam, konnte man die transatlantischen Beziehungen nicht anders bezeichnen als das, was sie waren: im freien Fall. Ich vertiefte diese Sichtweise, die sich gegen deutsche Überheblichkeit richtete, bei einem Symposium des Center for International Security and Governance (CISG) der Bonner Universität am 21. November 2016. Europa war total unvorbereitet auf die Wahl von Trump und sollte vor allem darüber überrascht sein, überrascht zu sein. Alle hätten verloren, konstatierte ich: Meinungsforscher, Politiker und die chattering class in Medien und Wissenschaft. Sich in einem Überbietungswettbewerb über Trump zu empören, helfe leider überhaupt nicht. Im Gegenteil: Nötig sei eine solide Ursachenanalyse, die endlich die gedankenverlorenen Chiffren und Denkkürzel beiseitelegen müsse.

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Zu den Ausprägungen der Anti-Establishment-Welle, die durch die westlichen Demokratien rolle, gehörten auch der Brexit und Marine le Pens Bewegung in Frankreich. Aber zu den Ursachen der Demokratieverdrossenheit gehörte auch das, was ich Staatspopulismus nannte: der politische Stil, wie ihn auch Theresa May und Angela Merkel betrieben, die sich effekthascherisch vor allem an Medienlob und Umfragestimmungen orientierten. Die Wucht der Welle, die die etablierten Gewissheiten der westlichen Politikmodelle derzeit aus den Angeln hebe, so sagte ich, werde nicht so rasch überwunden werden. Der Begriff des Populismus sei analytisch nicht ausreichend, um die Rekonfiguration politischer Loyalitäten und die leider gleichzeitig voranschreitende allzu häufig dysfunktionale Regierungsarbeit in westlichen Ländern zu verstehen. Wie man es drehe und wende: Solange der Westen keine substanzielle Diskussion über seine eigenen Ziele, gesellschaftlich wie weltpolitisch, führe, werde der Befund zu immer gleichen Ergebnissen führen. Eigene gesellschaftliche Impotenz und wachsende weltpolitische Irrelevanz zu beklagen sei doch für niemanden zufriedenstellend. Den Ursprung des Konzeptes des Westens und seine heutige Bedeutung zu erläutern, wurde ich anlässlich eines Europäischen Roundtable der Konrad-Adenauer-Stiftung am 7. bis 9. Juni 2017 in Lissabon gebeten (Kühnhardt 2022a, S. 795 ff.). Ich erinnerte daran, dass „der Westen“ ein Konzept gewesen sei, das in den 1890er-Jahren in Reaktion auf die Angst vor dem Niedergang der weißen Rasse entstanden war. Aber das Wort „westlich“ wurde auch im Nicht-Westen von denen entwickelt, die sich verwundbar hielten und im Westen die höherstehenden Ziele und materiellen Möglichkeiten sahen. 25 % der Weltbevölkerung waren 1900 Europäer. Heute sind es sieben Prozent. Der Westen, das sei noch immer ein Konzept, häufig gekoppelt mit einem Anspruch auf Hierarchie nach dem Motto „west is best“. Diese Selbstüberschätzung stimme aber nicht mehr. Vorherrschend seien im Westen selbst derzeit Gefühle des Niedergangs und der Selbstzerstörung. Wir dürften es aber schon aus Gründen der Selbstachtung nicht bei dieser immer wieder gleichen Analyse belassen. Der Auftritt von Präsident Donald Trump beim G7-Gipfel am 26./27. Mai 2017 in Taormina habe bestätigt, was EU-Ratspräsident Donald Tusk schonungslos festgestellt hat: Der Westen hat kein Projekt mehr. Ich versuchte in Lissabon, den Spieß gedanklich umzudrehen: Der Westen brauche keine Projekte. Der Westen sei vielmehr ein Projekt, das sich aus sich heraus definieren und unter Bedingungen der Globalität neu erfinden müsse. Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, spreche zwar beständig davon, die EU sei eine Weltmacht. Aber abgesehen davon, dass dies noch lange nicht stimme, sei die Krise des Westens vor allem innerhalb der westlichen Gesellschaften verursacht worden. Über Werte herrsche kein Konsens mehr. Normative kulturelle Veränderungen seien viel zu rasch und zu polarisierend verwirklicht worden. Die sozialen und ökonomischen Ordnungsmodelle werden zerrissen zwischen europäischer Regulation und Globalisierungsdynamik. Bildung und Familie wurden durch die sozialen Medien pulverisiert. Diese Analyse verstand ich nicht als Bilanz oberflächlicher Kulturkritik. Die Analyse war Teil einer ehrlichen Bestandsaufnahme, ohne die die außen- und weltpolitischen Aufgaben nicht mehr zielführend gelöst

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werden könnten. Multilateralität müsse künftig von einer neuen Formel bestimmt sein: Die Amerikaner drin zu halten, die Chinesen hinein zu holen, die Russen ebenfalls, soweit möglich, und vor allem die EU zu stärken. Testfall für viele Gegenwartsfragen sei Afrika. Damit zeichnete ich auch die Konturen eines neuen Atlantischen Vierecks: USA, Europa, Afrika und Brasilien. Ich verließ Lissabon ermutigt nach einer beeindruckenden Analyse von Pedro Passos Coelho. Der portugiesische Premier der Krisenjahre 2011 bis 2015 hatte das Land mit seiner unzweifelhaft atlantischen Berufung wiederaufgerichtet. Selbsterneuerung innerhalb der Atlantischen Zivilisation war möglich. Beim Walther-Leisler-Kiep-Symposiums des von Beate Lindemann initiierten Vereins „Global Bridges“ traf ich am 21. Juni 2017 in Berlin viele der grau gewordenen Eminenzen der deutschen transatlantischen Generation wieder. Katzenjammer herrschte vor. Trump bashing war auch hier die billigste intellektuelle Übung, wie fast überall in Deutschland. In einer Diskussion mit Thierry de Montbrial, dem langjährigen Präsidenten des französischen Instituts der internationalen Beziehungen (Ifri), meinem polnischen Freund Janusz Reiter, und einer alten Königswinter-Konferenz Bekannten, Baroness Pauline Neville-Jones, frühere Staatsministerin im britischen Homeoffice und unterdessen Mitglied des House of Lords, versuchten wir herauszuarbeiten, wie die EU ihre Außenpolitik strategischer entwickeln und vor allem praktizieren kann. Als Erstes war für mich unabdingbar, dass die EU ihre Außengrenzen wieder kontrolliert, und zwar richtig. Wenn sieben Prozent der Weltbevölkerung 30 % des globalen Bruttosozialprodukts produzieren, 40 % aller Ressourcen verbrauchen und rund die Hälfte aller globalen Sozialausgaben aufbringen, müsse sich doch niemand wundern, warum bis zu 400 Mio. Afrikaner von einem Leben in Europa träumen, stellte ich nüchtern fest. Der allseitigen Anti-Trump-Hysterie stellte ich mich erneut entgegen. Nicht, dass ich Trump mochte oder seinen Kurs für die USA und die Welt gut hieß. Aber es sei doch erbärmlich, so sagte ich, wenn sich die deutsche Classe Politique nur noch in Antithese zum Präsidenten der USA definieren kann. Dass der Zeitgeist und die Medien im Trump bashing ihre eigene intellektuelle Armut unter Beweis stellen, dürfe politisch Verantwortliche und seriöse Intellektuelle nicht zufriedenstellen. Außerdem sollte man die USA als Land doch nicht so einfach abschreiben, wie dies beim derzeitigen gegenseitigen Kopieren von Meinungen, Mutmaßungen und Wünschen auch nicht besser begründet werde. Europa sollte es besser machen als Trump und nicht Fakten und Wahrheiten abwerten, die für uns selbst auch nicht allzu schmeichelhaft seien. Wir sollten einmal auf Integrationsprobleme, Bildungssysteme und Innovationskraft in Europa schauen, auch auf Aggressivität und politisch motivierte Gewalt unter uns Europäern. Wären wir wirklich berufen, die USA abzukanzeln, weil wir es in Bezug auf diese gesellschaftlichen Fragen tatsächlich so viel besser machten als die Amerikaner? Bei verschiedenen Studiogesprächen im deutschen Fernsehsender „Phoenix“ versuchte ich immer wieder, eine maßvolle und sachliche Linie in Bezug auf die transatlantischen Beziehungen zu stärken. Die Erweiterung der EU-Handelsaktivitäten gegenüber Kanada (CETA-Abkommen) begrüßte ich natürlich auch. Geduldig mahnte ich, nicht zu schnell zu ­ endgültigen

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Schlüssen über den langfristig möglichen Erneuerungsprozess in den USA und verbesserte transatlantische Beziehungen zu kommen:2

Abb. 6.42   Homecoming: Vor der Statue von John Harvard im Harvard Yard (2017). (© Ludger Kühnhardt)

Um meine transatlantischen Sichtweisen durch authentische Erkundigungen in den USA zu aktualisieren, hätte mich der Zufall nirgendwohin besser führen können als an meinen Studienort, nach Harvard. Am 14. und 15. September 2017 fand eine Reunion-Konferenz der ehemaligen John F. Kennedy Memorial Fellows am Center for European Studies in Harvard statt (Kühnhardt 2022a, S. 798 f.). Grzegorz Ekiert, der umsichtige Direktor des Center for European Studies, hatte ein grandioses Programm auf die Beine gestellt, von seinen beiden Vorgängern Peter Hall und Charles „Charly“ Maier, der Politikwissenschaftler-Kollegin Pippa Norris und anderen Harvard-Professoren sekundiert. Intellektuell höchst anregend und zugleich akademisch-festlich wurde das 50-jährige

2 Kühnhardt,

Ludger. Studiogespräch: EU-Kanada-Abkommen CETA vor dem Aus, in: Phoenix, 26. Oktober 2016; Studiogespräch: EU-Kanada-Handelsabkommen unterzeichnet, in: Phoenix, 30. Oktober 2016; Studiogespräch: Trump Administration – Außenminister Gabriel in Washington, in: Phoenix, 2. Februar 2017; Studiogespräch: Europäisches Parlament ratifiziert CETA – NATOVerteidigungsminister tagen – Trump und Netanjahu begraben die Zwei-Staaten-Lösung, in: Phoenix, 15. Februar 2017; Studiogespräch: Zollstreit EU-USA eskaliert, in: Phoenix, 1. Juni 2018.

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Jubiläum dieser enorm prestigeträchtigen Fellowship in Anwesenheit des deutschen Botschafters in Washington, Peter Wittig, begangen, dem ich 1999 erstmals in Beirut begegnet war. Ich freute mich natürlich, Guido Goldman, den Gründungsdirektor des Center for European Studies, in diesen Tagen wiederzusehen. In einer schön aufgemachten Broschüre zur Jubiläumstagung wurde ich mit einer Erinnerung an sein Wirken während meiner Postdoc-Studienzeit 1984/1985 zitiert: „Guido Goldman, my host, impressively social and hospitable, helped me to get to know people and perspectives faster and better than I could ever have dreamt of.“ Ich erinnerte auch an Stanley Hoffmann, Guidos Ko-Direktor, der 2015 verstorben war, und an Samuel Huntington, der 2008 verstorben war, zwei meiner damaligen Professoren: „Stanley Hoffmann, the quintessential intellectual, was surprisingly interested in the toiling, still stumbling endeavors of a young scholar, encouraging me with his sharp judgement and never-ending curiosity. Samuel Huntington’s wide and diverse perspective on global affairs was the best training for any encounter with global realities thereafter.“ Unter anderem waren Andreas Busch, Universität Göttingen, Basak Bilecen, Universität Bielefeld, Norbert Frei, Universität Jena, Jessica Gienow-Hecht, Freie Universität Berlin, Wolfgang Krieger, Universität Marburg, Christiane Lemke, Universität Bremen, Wolfgang Merkel, Humboldt Universität Berlin, Hans Vorländer, Technische Universität Dresden, und Reiner Pommerin, Technische Universität Dresden, mit mir zu diesem Homecoming nach Harvard gekommen. In der herrlichen Adolphus Busch Hall fühlten wir alle uns einfach wohl. Aber der Ton der Gespräche, die Atmosphäre der Diskussionen und der Subtext hinter allen Analysen in dieser linksliberalen Hochburg waren depressiv: Die USA hatten den Zenit ihrer Macht überschritten und ein erratischer Präsident führte das Land so schlecht wie keiner seiner Vorgänger. Jahrzehntelang hatte für Karl Kaiser immer America first gegolten. Die EU hatte sich der emeritierte Bonner Politikwissenschaftler, der seit einigen Jahren als Senior Professor nach Harvard, an den Ort seiner wissenschaftlichen Frühzeit zurückgekehrt war, eigentlich immer nur als Juniorpartner der USA vorstellen können. Jetzt sagte er mir, was ich von ihm am allerwenigsten erwartet hätten, recht drastisch: „Europa muss die Führungsrolle einnehmen, die bisher die USA eingenommen haben. Anders wird es nicht mehr gehen, wenn wir uns in der Welt behaupten wollen.“ Mit „wir“ meinte Karl Kaiser Europäer und Amerikaner zusammen.

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Abb. 6.43   Mit Guido Goldman und Karl Kaiser beim Kennedy-Fellow Alumni Treffen an der Harvard University (2017). (© Ludger Kühnhardt)

Als ich Harvard im Spätsommer 2017 verließ, dachte ich an meine erste Begegnung mit Guido Goldman zurück. Er hatte mich 1984 als Kennedy Fellow ans Center for European Studies eingeladen. Guido hatte mir einen weiteren Weg bereitet, der durch mein ganzes Leben weiterwirken sollte. Deutschland, so begrüßte er mich damals, müsse dringend mehr für die Verteidigung tun. Die amerikanische Militärpräsenz in Europa würde früher ein Ende haben, als sich die meisten vorstellen könnten. Guido war 1984, wie immer wieder zuvor und danach, in seiner Einschätzung der Lage seiner Zeit voraus. Und wie immer war er ehrlich und fordernd, die besten Tugenden aufrichtiger Freundschaft. Guido Goldman konnte stundenlang Anekdoten mit tiefer politischer Bedeutung erzählen. Bei seinem ersten Treffen mit Bundeskanzler Konrad Adenauer an der Seite seines Vaters Nahum fragte ihn der Bundeskanzler nach dem Thema seiner Dissertation. „Parteienfinanzierung“ war Guidos Antwort. Adenauer sah nicht amüsiert aus. „Ich meine, Parteifinanzierung in der Weimarer Republik“, fügte Guido rasch hinzu. Adenauer war erleichtert: „Ah, das ist ein gutes Thema, und Sie sollten Ihr Studium fortsetzen, junger Mann.“ Die Privilegien, die Guido in seinen frühen Jahren hatte, verwandelten sich in sein außergewöhnliches Talent, Türen für die jüngere Menge zu öffnen, wo immer dies möglich war. 2017 feierte das Center for European Studies in Harvard den 50. Jahrestag des John F. Kennedy Memorial Fellowship. In Wirklichkeit feierten wir alle, die wir in diesem Tagen zusammengekommen waren, Guido Goldman, seine wundervolle Persönlichkeit und bleibende Wirkung. Wieder einmal inspirierte er uns mit seinen analytischen Einsichten und aussagestarken Anekdoten. Am 30. November 2020 verstarb Amerikas

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Mr. Germany im Alter von 83 Jahren (Klingst 2021). In einem Nachruf für das Center for European Studies schrieb ich nach Harvard: „Niemals hat sich jemand der deutschamerikanischen Freundschaft mit mehr Autorität und Charme verschrieben als Guido Goldman.“ Amerika, das war für mich immer mehr und so viel Anderes und Besseres als Donald Trump. Bei einem Treffen ehemaliger „Young Leader“ der Atlantik-Brücke ironisierte ich am 20. Januar 2018 in Königswinter die Folgen der Disruptionen, die Präsident Trump seit seinem Amtsantritt im Januar 2017 betrieb. Sie dürften über seine Amtszeit hinaus tiefgreifende Folgen für die internationale Ordnung und ebenso für die amerikanische Gesellschaft haben. Im öffentlichen Gespräch mit Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der Atlantik-Brücke, und Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Bundestagsabgeordneter, schlug ich vor, man solle Donald Trump den Aachener Karlspreis für seine unbeabsichtigten Verdienste um die Einigung Europas verleihen. Sein aggressiver Destruktionsfeldzug gegenüber der multilateralen Weltordnung zwinge Europa, seine Kräfte schneller und zielstrebiger zu bündeln. Andererseits müsse man aber auch ehrlich sein. Trotz der Trump-Präsidentschaft gebe es eine lange Liste von transatlantischen Kooperationskontinuitäten, vor allem auch im Bereich der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit. Meine Gedanken aber gingen immer wieder zu den Worten von Karl Kaiser in Harvard zurück. Die Entwicklungen in der Trump Präsidentschaft wurden nicht besonnener und berechenbarer. Trump war Chaos und er wollte Chaos. Als Präsident Trump am 9. Oktober 2019 aus heiterem Himmel den Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien ankündigte, fühlte ich mich sofort an die Suez-Krise von 1956 erinnert. War dies der Endpunkt der Entwicklung, die damals begonnen hatte? Mit der Suez-Krise von 1956 schoben die USA Großbritannien und Frankreich als externe Führungsmächte im Nahen Osten beiseite. Fortan waren die USA eine nahöstliche Macht, die wichtigste, wenn es um die Balance der unterschiedlichsten dortigen Interessen und dem strategischen Durchsetzungswillen in kritischen Momenten ging. Würde man eines Tages die SyrienEntscheidung und die Suez-Krise in einem Atemzug nennen, den Anfang und den Schlusspunkt amerikanischer Ordnungspolitik im Nahen Osten? Welche Folgerungen würde Europa aus dieser Situation des Rückzugs der USA als einer omnipräsenten Ordnungsmacht ziehen? Ich war keinesfalls naiv in meinem Euro-Optimismus. Die ersten Reaktionen waren nicht ermutigend. Während die deutsche Verteidigungsministerin plötzlich Sicherheitszonen in Nordsyrien vorschlug, die ich seit Beginn des dortigen Bürgerkrieges für richtig gehalten hatte, fuhr der deutsche Außenminister nach Ankara, um mit seinem türkischen Amtskollegen der Welt mitzuteilen, dass so etwas nicht denkbar sei, obwohl der türkische Präsident Jahre zuvor vehement für Sicherheitszonen in Nordsyrien plädiert hatte. Die Sorge ergriff mich, dass am Ende weder die USA noch die EU eine Ordnungsmacht mehr im Nahen Osten sein würden, sondern beide gleichermaßen durch Selbstamputation an den Rand gedrängt werden könnten. Vor allem Europa müsste dann damit rechnen, noch mehr zum Importeur von Instabilität zu werden, der seinen Ursprung im Nahen Osten hat, sei es in Form von Migration, sei es

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in Form von politischem Druck oder ökonomischen Nachteilen zugunsten anderer, vor allem asiatischer Konkurrenten. Selbstverzwergung des Westens würde die Welt nicht zu einem besseren Planeten machen. Die Corona-Pandemie traf die USA besonders stark. Hohe Infektions- und Sterbezahlen, dramatische wirtschaftliche und soziale Konsequenzen und ein bestenfalls bizarres politisches Krisenmanagement offenbarten mehr als nur den globalen Rückzug der USA. Die inneren Konflikte der USA waren so massiv angewachsen, dass ein kleiner Funke genügte, um das Fass zum Explodieren zu bringen. Der Mord an dem Schwarzen George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis durch einen weißen Polizisten war dieser Funke. Es folgten Krawalle und Unruhen wie die USA sie noch nie gesehen hatte. „Black Live Matters“-Demonstrationen eskalierten. Mir wurde wieder einmal mulmig. Ich hatte zu viel Geschichte studiert. Wo Statuen fallen, fallen irgendwann immer auch Köpfe. Symbolische Hinrichtungen würden die Sklavenzeit weder in den USA noch in Europa ungeschehen machen. Sie säten nur neuen Hass und ließen befürchten, dass wieder ideologischer Fanatismus auferstehen könnte. Im Mai 2020 wurden nicht nur Statuen ehemaliger Sklavenhalter gestürzt. Es brannten nicht nur Läden und Autos. Die Seele Amerikas brannte. Auf einmal schienen die USA an der Schwelle zu einem Schwellenland, zerrissen von tiefen sozialen und ethnischen Konflikten. Fünf Prozent der Weltbevölkerung leben in den USA. Seit 2015 war die Lebenserwartung kontinuierlich gesunken. 23 % der weltweit inhaftierten Menschen befanden sich in amerikanischen Gefängnissen. Die Armut unter Kindern war in den USA mit 19,6 % fast zweimal so hoch wie im Durchschnitt der industrialisierten Länder. Die Zahl der Krankenhausbetten war zwischen 1970 und 2016 von 7,9 pro 1000 Einwohner auf 2,8 pro 1000 Einwohner gefallen (Komlos und Schubert 2020). Erst die schockierenden Corona-Daten im Mai 2020 mit über 100.000 Toten und mehr als 41 Mio. Arbeitslosen. Dann die Nationalgarde auf den Straßen amerikanischer Städte, der Streit um das Ergebnis der Präsidentenwahl vom 4. November 2020 und schließlich der Sturm auf das US-Capitol am 6. Januar 2021. Auch ich konnte kaum anders als mich erinnert fühlen an fragile Ordnungen, an die Weimarer Republik und an Antinomien in Südamerikas Vergangenheit, wo Länder immer wieder zwischen Caudillo-Regimen und Militärputschisten zerrieben worden waren. Natürlich waren die USA ein demokratischer Rechts- und Verfassungsstaat, Trump kein Diktator und das Land nicht im Bürgerkrieg. Aber noch nie klangen solche Worte, die durch die Medien waberten, weniger unerhört bezogen auf die USA, ausgerechnet die USA, den shining beacon on the hill von Freiheit und Demokratie. Die amerikanischen Verhältnisse waren trostlos geworden. Als glühender Advokat der Atlantischen Zivilisation war ich vor allem traurig. Als wir 1984 in Harvard miteinander studierten, hatte Tony Gardner über die „Brazilianization of New York“ geklagt. Als ich meinen Essay 2011 publizierte, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Coming down from the mountain so weit und so tief für die USA gehen könnte wie es 2020 schmerzhaft zu erleben war.

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Ein Ende der amerikanischen Krise schien noch nicht absehbar. Der Machtwechsel zu Präsident Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris betraf nur die verfassungspolitische Konsolidierung, jedenfalls einstweilen. Joe Biden teilte der Welt mit, Amerika sei wieder da. Die gesellschaftlichen Verwerfungen in den USA hielten gleichwohl an. Mich betrübte die Krise der USA, die die Welt nicht zu einem besseren Planeten machen würde. Die USA müssten wichtiger Akteur einer multilateralen Weltordnung bleiben. Eine Ordnung, die nur aus dem Gegensatz USA-China definiert würde, wäre ebenso kurzsichtig wie eine Ordnung, die an Amerika vorbei gestaltet werden würde. Schadenfreude über Amerikas gesellschaftliche Spaltungen war nicht zielführend. Das Tempo der Impfkampagne gegen das Corona-Virus, für die die TrumpAdministration die Grundlagen gelegt hatte („Wharp Speed“) und Präsident Bidens Pläne zur Erneuerung der Infrastruktur zeigten: Amerika war dabei zurückzukommen, schneller als vielen in Europa vorstellbar war. Die USA waren vom Gipfel der Hybris heruntergefallen. Sie hatten am 6. Januar 2021 in den verfassungspolitischen Abgrund geschaut. Manche wähnten das Land anhaltend am Rande bürgerkriegsartiger Gewalt, auch über die nächsten Präsidentenwahlen 2024 hinaus. Gleichzeitig aber gab es weiterhin die USA mit vielen der besten Universitäten der Erde, einer innovativen und zupackenden Bevölkerung sowie einer hohen Fähigkeit zu Selbstkritik und Selbsterneuerung. Ich war überzeugt: Die würden ein starkes, freies und immer wieder inspirierendes Land bleiben. Sie würden ihren legitimen Platz auf dem Berg einnehmen, diesmal umgeben allerdings von anderen Mächten. Ungeachtet aller globalen Machtkämpfe und Machtverschiebungen: Die USA würden wichtig bleiben, um Lösungen für die großen Fragen der Menschheit im 21. Jahrhundert zu finden. Infolge der weltweiten Einschränkungen durch die Corona-Pandemie konnte ich der Einladung als Research Fellow an das East-West Center in Honolulu 2020 nicht folgen. Mein Thema hätte sein sollen: Die neue geostrategische Bedeutung des Indo-Pazifiks. Das geplante Buch musste warten. Einstweilen nahm ich zu diesem Thema bei einem Webinar des Bonner Institut français am 11. Januar 2021 mündlich Stellung. Die geopolitischen Verschiebungen auf der Welt waren allüberall mit Händen zu greifen. Die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan am 15. August 2021 gab den Erschütterungen eine geradezu philosophische Dimension: Notwendig wurde, so empfand ich, eine neue Reflexion des Fortschrittsbegriffs. So wie die Taliban sich an die Macht zurückgeschlichen hatten, wurde das Scheitern des Westens hinsichtlich der Illusion einer Demokratisierung durch Regime Change auf der ganzen Linie noch sinnfälliger. Fehlender Sinn der naiven westlichen Akteure für die Beharrungskräfte von Gemeinschafts-Loyalität über Staatsangelegenheiten in islamischen Gesellschaften taten ein Übriges. Verdrängte Realitäten, beschönigende Wahrnehmungen und eine militärische Abstützung von Staatlichkeit standen vor dem Ruin. Regime Change war gescheitert. Kultureller Gegenuniversalismus forderte den Westen in Form unterschiedlichster Ausprägungen des politischen Islam heraus – vom Schleier bis zum Selbstmordattentäter. Viel komplizierter, grundsätzlicher, tiefgreifender als andere Machtherausforderungen

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bleibt der Missbrauch der Religion, des höchsten aller Gefühle. Dass die USA, diese nation under God, dies so wenig verstanden, bedrückte mich. Bigottes und unversöhnliches evangelikales Altes Testament versus naiver europäischer Katholizität – so stellte sich mir die kontrastierende Lage zwischen den USA und Europa dar. Ich hatte darauf erstmals am 26. August 2002 vor dem Swedish Institute for International Affairs in Stockholm und bald darauf in einer eigenständigen Publikation hingewiesen (Kühnhardt 2003b). Für mich war eindeutig: Der Fortschrittsbegriff musste neu bestimmt werden, wie er seit der Aufklärungszeit das westliche Denken definiert hat. Befeuert wurde diese Notwendigkeit durch den zunehmenden machtpolitischen Gegenuniversalismus Chinas und Russlands. Der chinesische autokratische Nationalkapitalismus trat geschickt auf. Russlands brutaler revisionistischer Neokolonialismus, der 2014 zur Annexion der Krim und 2022 zur Invasion in die Ukraine führte, war noch weit brutaler. Hybride Machtkämpfe wurden durch die Brutalität der Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 in den Schatten gestellt. Die kollektive europäische Friedensordnung, die 1990 errichtet worden war, wurde mit einem skrupellosen Akt von Gewaltpolitik durch Russland zerstört. Zugleich und nur vordergründig paradox: NATO und EU wurden gestärkt. Die integrierten und auf Freiwilligkeit beruhenden Gemeinschaften des Westens mussten endlich bessere geostrategische Vorausschau betreiben. Sicherheit konnte es für lange Zeit nur noch gegen Russland geben. Dabei war und blieb die EU Juniorpartner der USA, was auch immer an notwendigem europäischen Souveränitätszuwachs stattfand. Die Territorialverteidigung der EU konnte nur durch den Schutzschirm der NATO und die Truppenpräsenz der Amerikaner garantiert werden. Andererseits begab sich ein auch durch die harten westlichen Sanktionen ökonomisch geschwächtes Russland zunehmend in eine Juniorpartnerschaft mit China. Mir war klar: Der Krieg um die Ukraine war auch ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und China um die Neubestimmung der Macht in der künftigen Weltordnung. Für die EU konnte es niemals Äquidistanz zwischen China und den USA geben. Die EU allein konnte die atlantische Freiheit aber auch nicht garantieren. Die Europäische Union musste daher alles Interesse daran haben, die strategische Präsenz der USA als einer europäischen Macht dauerhaft zu sichern und zugleich so viel wie möglich dafür zu tun, die eigene europäische Souveränität zu stärken. So formulierte ich es bald nach der russischen Invasion in die Ukraine in einem weitbeachteten ZEI Discussion Paper unter dem Titel Europas Sicherheit, die Zukunft der Ukraine und die „russische Frage“ (Kühnhardt 2022b). Bald darauf wurde ich wieder einmal an die so einzigartige Stanford University eingeladen, um bei einem internationalen Workshop am 30.August 2023 über die Folgen des Ukraine-Krieges für Europa zu referieren. Eines war eindeutig: Die Atlantische Zivilisation hatte sich unterdessen angesichts einer sich rasant wandelnden Welt in ihrer Substanz zu bewähren und zu behaupten wie nie zuvor.  Ich war über die doppelte Zangenbewegung, der sich der Westen aufgrund der tiefgreifenden Eruptionen spätestens seit 2021/2022 offenkundig ausgesetzt sah, nicht überrascht. Sowohl im Blick auf den äußeren Druck als auf die inneren Erschütterungen war

Literatur

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größte Sorge über die Zukunft der freien Welt angebracht, eine Sorge, die sich hoffentlich rechtzeitig zu neuer Selbstbehauptung von Demokratie und Freiheit wandeln würde. Den Dritten Weltkrieg hatte ich bereits 2017 analysiert (Kühnhardt 2017). Von der „Fortschrittsfalle“, in der die westliche Zivilisation sich befindet, hatte ich erstmals schon 1994 gesprochen: Die westlichen Länder waren durch eine triumphalistisch bornierte Selbstzufriedenheit immer weniger zu kritischer Selbstreflexion und Selbstkritik über die Exzesse unseres Fortschritts- und Freiheitsverständnisses fähig, hatte ich schon damals ausgeführt (Kühnhardt 1994b, S. 22–34). Über die Ambivalenzen des Fortschritts und die Notwendigkeit, die Idee der Freiheit unter globalen Bedingungen neu zu durchdenken, sprach ich 30 Jahre später in einem ZEI Discussion Paper, in dem ich kurz vor meiner Emeritierung an der Bonner Universität meinen bisherigen wissenschaftlichen Werdegang selbstkritisch reflektierte (Kühnhardt 2024). Dabei griff ich auch zurück auf Karl Dietrich Brachers Aufsatz von 1960 über das demokratische Sendungsbewusstsein der USA (Bracher 1964, S. 313–336) und seine schon vor 40 Jahren formulierte grundsätzliche Analyse über die Krise der Fortschrittsideologie (Bracher 1981, S. 211–232). Coming down from the mountain hieß für mich: Es ging für die USA wie für die westlichen Länder insgesamt angesichts von demographischen, geopolitischen und ökonomischen Machtverschiebungen gewiss für viele Jahre und Jahrzehnte sowohl um erneuerte, strategisch durchdachte Ideen wie um weitsichtiges gemeinsames Handeln. Drei Eckpunkte waren und blieben dabei für mich unzweifelhaft: Den politischen Westen verteidigen. Den Schulterschluss zwischen EU, USA und NATO jederzeit herstellen. Die Atlantische Zivilisation bewahren.

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Feldforschungen in alle Regionen und Länder der Erde vermittelten Ludger Kühnhardt umfangreiche Einsichten in die Zusammenhänge zwischen Nationalstaatlichkeit und regionaler Zusammenarbeit. Er entwickelte das Konzept des Region-Building, das die politikwissenschaftliche Kategorie des Nation-Building grundlegend erweitert. Kühnhardt engagierte sich über seine Forschungen hinaus in der praktischen Zusammenarbeit mit dem ersten Forschungsinstitut, das sich in Afrika ausschließlich mit Fragen der regionalen Integration befasst. Darüber hinaus wurde er als Berater von der EU, der OECD und der UNO zu Fragen der globalen Proliferation von Systemen der regionalen Integration herangezogen. Besonderes Augenmerk legte Kühnhardt auf die Neubestimmung der Rolle Afrikas in der Weltordnung. Seine Forschung gab Impulse für die Entwicklung einer neuen Afrika-Strategie der Staatengruppe der G20. Nicht weniger vorausschauend waren seine Forschungen über die strategische Neuausrichtung der Beziehungen der EU zu den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raumes (AKP). Der EU empfahl er ein neues Branding für die mit Europa assoziierten überseeischen Länder und Territorien, die Kühnhardt als „europäischen Archipel“ bezeichnet hat.

7.1  Region-Building: The Global Proliferation of Regional Integration (Kühnhardt 2010a; 2010b) Bei meinen ersten Feldforschungen in Ostafrika erlebte ich 1977 das Scheitern der ersten Ostafrikanischen Gemeinschaft (East African Community). Die weltanschaulichen Gegensätze und strategischen Interessendivergenzen zwischen Kenia mit seiner prowest-

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_7

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lichen, liberalen Marktwirtschaft, Tansania, das dem Konzept des Ujamaa-Sozialismus verpflichtet war, und Uganda, das seit 1971 unter dem brutalen Militärdiktator Idi Amin terrorisiert worden war, waren zu groß geworden, um das Ziel einer Wirtschaftsgemeinschaft weiterzuverfolgen. Die Idee aber wurde nie grundsätzlich begraben, zumal ihre Vorläufer tief in die britische Kolonialzeit zurückreichten. Die natürlichen topografischen und sozioökonomischen Umstände legten eine enge Zusammenarbeit der drei ostafrikanischen Länder nahe. 1980 führten längere Feldforschungen mich wieder nach Ostafrika. Über Ugandas Kurs nach dem Sturz von Idi Amin rätselte nicht nur ich weiterhin (Kühnhardt 1980a). Vor Ort machte ich mir damals auch erstmals bereits ein Bild von der Präsenz der Chinesen in Afrika: Ich fuhr mit der von China gebauten Eisenbahn vom Kupfergürtel in Sambia bis nach Dar-Es-Salaam an der tansanischen Küste des Indischen Ozeans (Kühnhardt 1981a, S. 17). 1981 veröffentlichte ich meinen ersten wissenschaftlichen Aufsatz überhaupt in der Zeitschrift „Außenpolitik“: „Östliches Afrika – eine Region im Umbruch“ (Kühnhardt 1981b, S. 186 ff.). Der Aufsatz erschien auch in der englischen Ausgabe der seinerzeit führenden deutschen außenpolitischen Fachzeitschrift. Ich fasste zunächst meine Erkenntnisse am Horn von Afrika zusammen: Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit den somalischen Gebietsansprüchen im Ogaden stand an erster Stelle. Dann beleuchtete ich die Machtbasis von Siad Barre in Somalia, die Verhältnisse in Äthiopien fünf Jahre nach der kommunistischen Revolution und die Lage in Djibouti, dem Kleinstaat zwischen Mühlsteinen. Danach entfaltete ich ein Panorama Ostafrikas, ausgehend von dem einleitenden Hinweis, dass ein überraschendes Zusammentreffen der Staatschefs von Kenia, Tansania, Uganda und dem Sudan im Januar 1981, eineinhalb Jahre nach dem Sturz Idi Amins, Spekulationen über eine mögliche Reaktivierung der Ostafrikanischen Gemeinschaft genährt hatte. Die mögliche Anbindung des Sudan an die traditionellen Staaten der ostafrikanischen Gemeinschaft hätte aber Folgen für das Verhältnis von Tansania und Sambia. Sambia dürfte sich dann wohl eher zum südlichen Afrika hinorientieren, prognostizierte ich.

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Abb. 7.1   In Kibosho am Fuße des Kilimanjaro mit Kindern der Familie Mallya Mardai (1980). (©Ludger Kühnhardt)

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Abb. 7.2   Unter Angehörigen der Dajaks im Inneren von Borneo (1981). (©Ludger Kühnhardt)

Mein Blick ging seit den späten 1970er-Jahren neben Afrika auch nach Asien. Nach Feldstudien in Südostasien publizierte ich 1981 einen kleinen Aufsatz über Singapur als die heimliche Führungsmacht der Region (Kühnhardt 1981c, S. 9dd). Über ein Länderporträt Singapurs ging meine damalige Analyse indessen noch nicht hinaus. In publizistischen Beiträgen aus Südasien, Afrika und der Karibik sowie über die arabische Welt und die regionale Stellung Indiens drang ich während der späteren 70erJahre und während der 1980er-Jahre zum Thema Region-Building zunächst indirekt vor. Dies geschah zumeist im entwicklungspolitischen Kontext oder im Zusammenhang mit dem Ost-West-Konflikt, der auch auf die südliche Hemisphäre abstrahlte (Kühnhardt 1979a, S. 24; 1979b, S. 14 f.; 1980b S. 11; 1980c, S. 6; 1980d, S. 8; 1981d; 1989; 1990, S. 3 ff.). In den 1970er- und 1980er-Jahren zog es mich immer wieder wochen-, gelegentlich monatelang in Länder und Regionen der Dritten Welt. Wie ich es mir seit der Schulzeit in den Kopf gesetzt hatte, wollte ich mir ein breites eigenes Bild der Entwicklungsproblematik verschaffen (Kühnhardt 2021, passim). Mein Buch über die entwicklungspolitischen Programme der deutschen politischen Parteien entstand (Kühnhardt 1980e). In vielfältiger Form berichtete ich über meine Eindrücke und Reflexionen in verschiedensten gedruckten Medien und im Rundfunk. Einige Fernsehdokumentationen entstanden. 1992 griff ich das Thema regionale Integration in der südlichen Hemisphäre erstmals eigenständig und wissenschaftlich auf. Das letzte Kapitel meiner Studie Stufen der

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Souveränität konzentrierte sich auf die Frage, welche Folgerungen aus der ambivalenten Realität der Souveränität in der südlichen Hemisphäre zu ziehen seien (Kühnhardt 1992, S. 330–366). Die idealtypischen Vorstellungen staatlicher Souveränität konnten in der südlichen Hemisphäre immer nur mit den dortigen Realitäten kollidieren. Zu heterogen waren die Voraussetzungen von Land zu Land und zu abweichend die historischen Erfahrungen von den mehr oder minder etablierten Nationalstaaten des Nordens. Das musste kein absoluter Hinderungsgrund für die konsequente Anwendung des Souveränitätspostulats in der südlichen Hemisphäre sein. Es wäre, so argumentierte ich, ganz gewiss nötig, sich vor neokolonialer Arroganz im Blick auf die Probleme des Nationalstaates im globalen Süden zu hüten. Allerdings verlangte eine seriöse und differenzierte wissenschaftliche Analyse ebenso, die Spannungen, Zielkonflikte und strukturellen Schwächen des Souveränitätspostulats offen zu benennen. Auch der postkoloniale Staat der südlichen Hemisphäre sei unterdessen zunehmend in transnationale Verflechtungen einbezogen. Transnationale Interdependenzen, so argumentierte ich 1992, seien an sich kein Manko für Staaten, die doch erst seit Kurzem stolz auf ihre nationale Autonomie und Souveränität sind. In einer Welt durchlöcherter Souveränität könnten daraus sogar neue Chancen erwachsen. Ich verwies auf sensible kulturelle und soziale Fragestellungen und blickte über mehr oder minder alle Regionen der Welt. Einen besonderen Fokus legte ich auf Zentralasien, wo nach dem Ende der Sowjetunion eine weitere Welle nationalstaatlicher Souveränitätsansprüche entstanden waren. Ich hatte gerade damit begonnen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dort entstandenen neuen Staaten kennenzulernen (Kühnhardt 2021, passim). In dem Buch Stufen der Souveränität stellte ich die naheliegende Frage, ob die westeuropäischen Erfahrungen im Bereich regionaler Integration auf andere Regionen der Erde abstrahlen und dort attraktiv sein könnten. Tatsächlich gab es bereits Ansätze von Regionalisierung, wie mit ASEAN in Südasien, mit dem Golf-Kooperationsrat zwischen den arabischen Golfstaaten oder mit dem Andenpakt in Südamerika. Offensichtlich grenzten sich diese integrationspolitischen Konzepte ab von romantischen Pan-Ideen, wie sie im Pan-Slawismus, Pan-Arabismus oder PanAfrikanismus Ausdruck gefunden hatten. Ich erinnerte an durchaus vorhandene gegenläufige Tendenzen, wie beispielsweise die brasilianische Furcht, die Souveränität über die Amazonas-Region mit Verweis auf regionale umweltpolitische Zusammenhänge des Gebietes zu verlieren. Das Thema sollte noch Jahrzehnte später internationales Gewicht bekommen. Es war unübersehbar, dass in den 1980er-Jahren der Handel zwischen Ländern, die in einer regionalen Gruppierung zusammengeschlossen waren, überproportional gestiegen war. Institutionen des Multilateralismus wie UNO, UNESCO oder GATT, aber ebenso regionale Zusammenschlüsse, würden jedenfalls, so konstatierte ich, stärker wahrgenommen als jemals zuvor. Vielleicht sei dies eine hoffnungsvolle Perspektive für eine humane Entwicklung, die aus den überkommenen Schablonen des politischen Denkens herausbricht. Es wäre naiv zu vermuten, schrieb ich 1992, dass dies alles sogleich in eine konsistente Form von Weltinnenpolitik einmünden könnte. Aber angesichts der

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Bevölkerungsentwicklung auf der Erde, der Umweltfragen und der sozialpsychologischen und kulturellen Folgen der Modernisierung sei es wohl zu erwarten, ja unvermeidlich, dass die Territorialstaaten der südlichen Hemisphäre ebenso wie die Staaten der nördlichen Hemisphäre ihre Aufgaben überprüfen und eine Neubewertung des Souveränitätsverständnisses vornehmen dürften. Die nächsten Stufen der Entwicklung des Souveränitätsbegriffs würden, so prognostizierte ich, die Zukunft Europas und der postkolonialen Staaten der südlichen Hemisphäre stärker aufeinanderbeziehen. Ich endete meine Analyse 1992 mit dem abstrakten und damals nicht weiter präzisierten Gedanken, dass die Frage nach dem Selbstverständnis der Staaten der südlichen Hemisphäre nicht loszulösen sei „von der Zukunft der Staaten im Norden und dem Grad an Souveränitätszusammenschluß, der unter ihnen erreicht werden kann“ (Kühnhardt 1992, S. 366). Einstweilen hatte ich mich auf das politische Denken in der südlichen Hemisphäre konzentriert, synoptisch und synthetisierend. Ich hatte die politikwissenschaftliche Methode der komparativen Ideengeschichte anwendungsorientiert verbunden mit Elementen der Kultursoziologe und den Theorien über die internationalen Beziehungen, mit dem Völkerrecht und den Erscheinungsformen der Weltpolitik. Während aller nachfolgend erwähnten Feldforschungen und Studienreisen sowie längeren Aufenthalten im Zusammenhang mit meinen Gastprofessuren in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika fertigte ich Notizen an, die mehr und mehr ein Gesamtpanorama der Welt im Wandel ergaben. Ich erlebte immer stärker verknüpfte Welten (Kühnhardt 2021, Kühnhardt 2022). Ein Gespräch mit der Ministerpräsidentin von Neuseeland, Jenny Shipley, am 27. Januar 1999 in der Bonner Residenz ihres damaligen Botschafters Win Cochrane und seiner in Westfalen geborenen Frau Nicki gab mir weitere Hinweise zum genaueren Nachdenken und Studium. Ministerpräsidentin Shipley hatte mich mit Einzelheiten der Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) vertraut gemacht, dem kooperativen Zusammenschluss asiatisch-pazifischer Staaten. APEC ist auf Kooperation und Konsens angelegt und dient dem Ausbau des Freihandels. Seit 1989 war fast die Hälfte der Weltbevölkerung unter dem Dach der APEC zur Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verbunden. Offenbar hielt die neuseeländische Ministerpräsidentin diesen Ansatz der EU für überlegen. Zur Zeit unseres Gespräches war die EU im Begriff, nur wenige Wochen nach den endgültigen Beschlüssen zur Einführung der Gemeinschaftswährung Euro bereits über die Perspektiven einer Politischen Union nachzudenken. Das fand die neuseeländische Ministerpräsidentin hochgradig irritierend. Sie setzte auf die Zusammenarbeit der Marktkräfte unter Verzicht auf komplexe politische Ziele. Den Vergleich solle ich doch einmal genauer studieren, meinte Jenny Shipley, zutiefst davon überzeugt, dass APEC der EU deutlich überlegen sei. 1998 hatte ich bereits damit begonnen, die regionalen Integrationsgemeinschaften auf der Erde genauer zu untersuchen. Bis 2016 durchdrang ich die Thematik systematisch und aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Intensive Feldforschungen wurden durch weit ausholende Literaturstudien untermauert. Auf diese Weise erschloss ich ein neues Forschungsfeld. Einen ersten

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Akzent setzte ich zunächst in Form eines „Discussion Paper“, das 2004 am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) veröffentlicht wurde (Kühnhardt 2004a). Erstmals entwickelte ich die systematisierende Unterscheidung zwischen regionalen Kooperationsstrukturen, die an optimaler Marktintegration orientiert sind, und solchen regionalen Verbundsystemen, die in sehr unterschiedlichen Varianten über die Marktintegration hinaus gemeinschaftsbildend und politisch wirken wollen. Während einer Gastprofessur am St. Antony’s College in Oxford 2005/2006 konnte ich die Struktur für eine umfangreiche Studie erarbeiten. Ich stellte parallel dazu eine Dokumentation der vertragsrechtlichen Grundlagen der verschiedenen regionalen Integrationssysteme auf der Welt zusammen. So etwas hatte es noch nirgendwo zu lesen gegeben. Dabei konzentrierte ich mich auf diejenigen Verbundsysteme, denen ein völkerrechtlicher Vertrag zugrunde lag und die ausweislich ihrer vertragsrechtlichen Selbstbeschreibung mehr erreichen wollten als „nur“ wirtschaftliche Zusammenarbeit, so nützlich und wichtig diese natürlich ist. Ich wollte auf solider Grundlage den Beweis erbringen, dass Ministerpräsidentin Shipley nicht recht hatte und dass eine Form der regionalen Kooperation, die mehr intendiert als die Stärkung der allgemeinen Marktkräfte, kein europäischer Sonderweg war. Region-Building war für mich die konsequente Weiterentwicklung von Nation-Building, einem eingeführten Konzept in Politik und Wissenschaft (Kühnhardt 2010a; 2010b). Marion Berghahn vom in Oxford und New York gut eingeführten Verlag Berghahn Books verhalf mir, wie vielen anderen Forschungsarbeiten deutscher Autoren, in der angelsächsischen Welt gehört zu werden. Sie publizierte die beiden Bände meiner Studie in vorzüglicher Aufmachung. Wer langfristig wirken wollte, gerade mit diesem Thema, musste in der wichtigsten Wissenschaftssprache der Welt publizieren. In den 70er- und 80er-Jahren hatte ich mich immer wieder mit Südasien, dem Horn von Afrika sowie dem östlichen und südlichen Afrika, Süd-, Südwest- und Ostasien, der Karibik, Nordafrika und dem Mittleren Osten vertraut gemacht. Zwischen 1998 und 2016 führte ich über fast zwei Jahrzehnte systematische Feldforschungen unter der Fragestellung regionaler Integration durch. So konnte ich alle führenden Integrationssysteme auf der Erde und viele ihrer Akteure auf den unterschiedlichsten Ebenen kennenlernen (Kühnhardt 2021; Kühnhardt 2022, passim). Folgende regionale Integrationssysteme unterzog ich systematischen Forschungen: • • • • • • • • •

Andean Community of Nations (CAN) Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) African Union (AU) Caribbean Community (CARICOM) Central American Integration System (SICA) Commonwealth of Independent States (CIS) Economic Community of West African States (ECOWAS) European Union (EU) Eurasian Economic Union (EEU)

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• • • • •

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Gulf Cooperation Council (GCC) Pacific Islands Forum (PIF) South Asian Association of Regional Cooperation (SAARC) Southern African Development Community (SADC) Southern Common Market (MERCOSUR).

Während meine umfangreiche Studie Region-Building bereits weit vorangeschritten war, erkannte ich die dringliche Aufgabe, mich intensiver mit allen „Regional Economic Communities“ zu beschäftigen, die die Afrikanische Union als Baustein („building blocs“) der afrikaweiten regionalen Integration identifiziert hatte. So erweiterte ich über die Abfassung der Studie Region-Building hinaus den Radius meiner Feldforschungen um die Mitgliedsländer und regionalen Institutionen von: • • • • • • •

Arab Maghreb Union (AMU) Central African Economic and Monetary Union (französisch: CEMAC) Community of Sahel-Saharan States (CEN-SAD) East African Community (EAC) Economic Community of Central African States (ECCAS) Intergovernmental Authority on Development (IGAD) West African Economic and Monetary Union (französisch: UEMOA).

Abb. 7.3   Gastvorlesungen an der al-Farabi Universität Almaty. Neben mir meine Kollegin Mara Gubaidullina und Boris Shiriaev, später mein Student in Freiburg (1995). (©Ludger Kühnhardt)

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Während der 90er-Jahre hatte ich mich in allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion aufgehalten, von denen sich die meisten zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (Commonwealth of Independent States, CIS) zusammengeschlossen hatten: Russland, Usbekistan, Kasachstan und Ukraine 1992; Belarus 1994; Kasachstan, Kirgisien, Republik Moldau und erneut Ukraine 1995; Georgien, Armenien und Aserbeidschan 1996; Turkmenistan sowie Tadschikistan sowie erneut Usbekistan, Kirgisien und Kasachstan 1997. Später entwickelte sich aus einem um Russland angeordneten Kreis die Eurasian Economic Union mit dem Ziel, eine Eurasian Union zu schaffen. 1998 hatte ich genauer den Staatenverband ASEAN studiert, war in Brunei, Malaysia, Singapur gewesen. Die beiden letztgenannten Staaten hatte ich zu Beginn der 1980er Jahre erstmals kennengelernt. 1999 folgte MERCOSUR mit Argentinien, Chile und Uruguay. 2000 wiederum ASEAN mit Kambodscha, Laos, Vietnam und Thailand und die ArabMaghreb Union (AMU) mit Marokko und Algerien, gefolgt 2001 von Tunesien, 2002 der Golf-Kooperationsrat (GCC) mit Saudi-Arabien, den Vereinigten Emiraten und Katar, 2003 gefolgt von Kuwait, Bahrain und Oman. 2003 komplettierte ich meine MERCOSUR-Feldstudien in Brasilien und Paraguay. 2003 erweiterte ich meine Forschungen zu SAARC (South East Asian Association of Regional Cooperation) in den Malediven, einem der durch den Klimawandel besonders gefährdeten Atoll-Staaten. 2004 hielt ich mich in der Anden-Gemeinschaft (Communidad Andina de Naciones) auf und lernte Ecuador, Peru, Kolumbien, Bolivien und Venezuela kennen. 2005 studierte ich das Sistema de Integracion Regional Centro Americano (SICA) in El Salvador, Belize, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama. 2005 folgten ASEAN mit den Philippinen und das Pacific Island Forum (PIF) mit den Federated States of Micronesia und Palau, 2006 die Caribbean Community (CARICOM) mit Guyana, Suriname, Trinidad und Tobago1, Grenada, St. Vincent and the Grenadines, St. Lucia und Barbados, 2007 ECOWAS mit Nigeria, erneut ASEAN mit Thailand und Burma (Myanmar) sowie SAARC (South Asian Association of Regional Cooperation) mit Bhutan und Indien2, 2007 ASEAN mit Indonesien und das Pacific Islands Forum (PIF) mit Vanuatu3, Solomonen, Papua Neuguinea und dem in seiner regionalen Zuordnung damals noch unentschiedenen Timor-Leste, das sich zwischen ASEAN und PIF entscheiden musste. 1 Am

3. Oktober 2006, bei einem Empfang zum deutschen Nationalfeiertag in Trinidad und Tobago zitierte der damalige dortige Außenminister, Arnold Piggott, aus meinem wenige Tage zuvor an der University of the West Indies in Port of Spain gehaltenen Vortrag: „CARICOM and the EU structures of regional integration constitute the strongest regional system in the world and that strength should be the basis for partnership between the European Union and CARICOM“.

2 In

Indien wurde ich ausführlich zum Stellenwert der regionalen Integration interviewt: Ludger Kühnhardt, Interview: „To succeed, India has to play by global rules“, in: Tehelka. The People’s Paper (New Delhi), 28. April 2007. 3 In Vanuatu wurde ich ausführlich zum Stellenwert der regionalen Integration für die Inselstaaten des Südpazifiks interviewt: Ludger Kühnhardt, Interview: „Benefits of Integration“, Vanuatu Daily Post, 3. Oktober 2007.

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2007 begann ich systematisch diejenigen Länder und Regionen Afrikas aufzusuchen, die ich bisher noch nicht hatte kennenlernen können, beginnend im Bereich der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS mit Nigeria4. 2008 folgten Äthiopien, das Sitzland der Afrikanischen Union und Mitgliedsland der Intergovernmental Authority on Development (IGAD), neuerlich Marokko (Arab Maghreb Union) und im ECOWAS-Bereich Mauretanien, Gambia, Sierra Leone, Guinea-Bissau, Guinea, Senegal und Cabo Verde, während ich MERCOSUR-Fragen in Brasilien vertiefte und dort einen vergleichenden Aufsatz zum Thema publizierte (Kühnhardt 2009). 2009 folgten der Golf-Kooperationsrat (GCC) in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie nochmals ECOWAS in Benin, Togo, Ghana, Liberia, Elfenbeinküste, Niger, Burkina Faso und Mali. 2011 erweiterte ich meine MERCOSUR-Perspektiven in Argentinien und diejenigen von ECOWAS in Cabo Verde, 2012 meine Kenntnisse der East African Community (EAC) in Burundi, Ruanda, Uganda und dem EAC-Kandidatenland Südsudan. Darüber  hinaus bereiste ich die Wirtschaftsgemeinschaft der Staaten Zentralafrikas (ECCAS) in Äquatorial-Guinea, Kamerun, Kongo-Brazzaville, der Demokratischen Republik Kongo, Gabun, Sao Tome e Principe, Zentralafrikanische Republik und Tschad sowie das der SADC angehörende Angola und war erneut bei der Afrikanischen Union in Äthiopien. Zwischen 2012 und 2016 war ich jährlich ein- bis zweimal in Cabo Verde im Rahmen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit dem West Africa Institute mit ECOWAS-Fragen befasst. 2013 vertiefte ich SAARC-Fragen in Afghanistan, ECOWAS-Themen in Senegal und Ghana sowie die Entwicklungen am Horn von Afrika in Eritrea und solche der Southern African Development Community (SADC) in Mosambik, Swasiland, Lesotho und Südafrika. 2014 setzte ich meine SADCStudien in Madagaskar, Komoren, Mauritius und Botswana fort sowie diejenigen zur East African Community (EAC) in Tansania und darüber hinaus zu GCC-Fragen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. 2015 studierte ich Themen des Pacific Islands Forum (PIF) in den Föderierten Staaten von Mikronesien, den Marshallinseln, Fidschi, Kiribati, Tuvalu, Samoa und Niue. 2016 folgten CARICOM-Forschungen in Dominica, Antigua and Barbuda und St. Kitts and Nevis (Kühnhardt 2021; Kühnhardt 2022, passim). Bei allen meinen Feldforschungen zu Fragen des Region-Building folgte ich einem vergleichsweise einheitlichen Programmschema. Durch intensive Lektüre bereitete ich mich vor. Vor Ort traf ich Persönlichkeiten, die in den jeweiligen regionalen Hauptquartieren und in den Regierungen der jeweiligen Mitgliedsstaaten für Fragen der regionalen Integration verantwortlich waren. Daneben tauschte ich mich mit Experten aus, die die offiziellen nationalen und regionalen Aktivitäten durchaus kritisch oder jedenfalls als Außenstehende begleiteten: Journalisten, Diplomaten und, wo immer möglich, Wissenschaftler. Meine Gespräche vor Ort waren stets eng getaktet und intensiv. Große Unterstützung erfuhr ich allerorten durch die deutschen oder die EU-Botschaften, 4 In

Nigeria wurde ich ausführlich zum Stellenwert der regionalen Integration im afrikanischen Kontext interviewt: Ludger Kühnhardt, Interview: „EU could serve as Model for Regional Integration in Africa“, Sunday Independent (Lagos), 7. Oktober 2007, S. C7.

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manchmal auch durch französische, britische oder spanische Vertretungen. Ministerien, Facheinrichtungen und Experten standen mir überall mit offener Tür Rede und Antwort.

Abb. 7.4   Mit Emma Nogales, Katholische Universität, Antonio Aranibar, früherer Außenminister von Ecuador, und weiteren Kolleginnen und Kollegen nach meinem Vortrag in La Paz (2004). (©Ludger Kühnhardt)

An vielen Orten wurde ich um einen öffentlichen Vortrag zum Thema RegionBuilding gebeten: Buenos Aires, INTAL, 7. Oktober 1999; Montevideo, Euro-Lateinamerikanisches Ausbildungszentrum CEFIR, 8. Oktober 1999; Mendoza, Universidad de Congreso, 11. Oktober 1999; Santiago de Chile, Universidad Católica de Chile, 13. Oktober 1999; Bangkok, Chulalongkorn University, 28. August 2000; Chengdu, Sichuan University, Center for European Studies 4. Juli 2001; Urumchi, Erziehungskommission von Sinkiang, 5. Juli 2001; Shanghai, Modern Management Center, 6. Juli 2001; Washington, American Institute for Contemporary German Studies, 22. Mai 2002; Washington, Woodrow Wilson International Center for Scholars, 19. Juni 2002; Taipei, Fu Guang University, 22. August 2002; Asunción, Universidad National de Paraguay, Facultad de Derecho, 11. Juni 2003; Rio de Janeiro, Centro Brasilero de Relaciones Internacionales, 13. Juni 2003; Havanna, XI. International Conference on European Studies, 30. September 2003; Quito, Casa Humboldt, 1. März 2004; Quito, Instituto de Altos Estudios Nacionales, 1. März 2004; Lima, Pontificia Universidad Católica del Peru. Instituto de Estudios Europeos, 3. März 2004; Lima, Deutsch-Peruanisches Kultur-

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und Netzwerk/Goethe Institut, 3. März 2004; La Paz, Universidad Católica Boliviana, 5. März 2004; Seoul, South Korean Presidential Committee on Northeast Asia International Conference, 25. Oktober 2004; Seoul, Sookmyung Women’s University, 9. Dezember 2004; Seoul, Korea University, 14. Dezember 2004; Tokyo, Tokyo University of Foreign Studies, 30. März 2005; Seoul, Seoul National University. Department of German Literature and Culture, 14. April 2005; Taipeh, Taiwan Institute for Foreign Policy sowie Taiwanesisches Außenministerium, 15./16. April 2005; Manila, Ateneo University Manila, 28. Juni 2005; Belmopan, University of Belize, 20. September 2005; Managua, Universidad de Centro América (UCA), 22. September 2005; Guatemala City, Universidad del Valle, 23. September 2005; San José, Universidad de Costa Rica, 27. September 2005; Singapore, Asia-Europe Foundation (ASEF), 21. Oktober 2005; Paramaribo, Lim a Po Institute for Social Sciences, 5. September 2006; Port of Spain, University of the West Indies. Institute for International Relations, 26. September 2006; Thimpu, Royal Bhutan University, 12. März 2007; Kolkata, Maulana Abul Kalam Azad Institute of Asian Studies, 14. März 2007; New Delhi, Jawaharlal Nehru University, Centre for European Studies, 15. März 2007; Lagos, Nigerian Institute for International Affairs, 4. September 2007; Abuja, 5. September 2007; Jakarta, University of Indonesia, European Studies Center, 25. September 2007; Port Vila, Cultural Center of the Republic of Vanuatu, 28. September 2007; Port Moresby, University of Papua New Guinea, 1. Oktober 2007; Brügge, United Nations University-Center for Regional Integration Studies, 6. März 2008; Banjul, Workshop des Ministry of Trade, Industry and Employment of The Gambia, 1. Oktober 2008; Dakar, Table Ronde der Konrad Adenauer Stiftung, 8. Oktober 2008; Praia, National Assembly of Cape Verde, 10. Oktober 2008; San Paulo, Brasil-Europe Forum, 28. Oktober 2008 (Kühnhardt 2009a); Monrovia, Kofi Annan Center for Peace Studies der National University of Liberia, 24. September 2009; Bamako, Ad Hoc Committee des ECOWAS Parlament zur Vorbereitung von Direktwahlen, 2. Oktober 2008; Douala, Université National du Cameroun, 21. September 2010; Luanda, Katholische Universität von Angola, 1. Oktober 2010; Washington D.C., Woodrow Wilson International Center for Scholars, 29. Mai 2011; Washington D.C., Woodrow Wilson International Center for Scholars, 13. Juni 2011; Buenos Aires, Universidad Nacional Tres de Febrero, 13. November 2011; Ndjamena, Atelier im Institut français, 29. Oktober 2012; Beira, Katholische Universität von Mozambik, 1. März 2013; Pretoria, Institute for Security Studies (ISS), 5. März 2013; Dakar, Symposium Goethe Institut/Institut français, 16.–19. März 2013 (Kühnhardt 2013); Accra, Konferenz zur künftigen Rolle des ECOWAS-Parlaments, 19.–24. April 2013; Antananarivo, Table Ronde der Deutschen Botschaft und der Friedrich-EbertStiftung, 22. Februar 2014; Port Louis, Außenministerium von Mauritius, 29. Februar

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2014; Gaborone, University of Botswana und Generalsekretariat SADC, 2. Juni 2014; Washington D.C., Woodrow Wilson International Center for Scholars, 12. Juni 2014; Tokyo, International Christian University, 27. Mai 2015; Christchurch, National Centre for Research on Europe, 31. Juli 2015; Suva, University of the South Pacific, Department of Political Studies, 31. August 2015; Auckland, University of Auckland, Business School and New Zealand Asia Institute, 29. September 2015; Wellington, Victoria University of Wellington, 8. Oktober 2015; Christchurch, National Centre for Research on Europe, 9. Oktober 2015; Basseterre, Ministry of International Trade, St. Kitts and Nevis, 8. September 2016 (Kühnhardt 2021; Kühnhardt 2022, passim).

Abb. 7.5   Zufallswiedersehen mit Carsten Schnell, einem ehemaligen Freiburger Studenten, am Rande meines Vortrages in der Universidad de Centro America in Managua (2005). (©Ludger Kühnhardt)

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Abb. 7.6   Lecture im College of Culture and Language Studies in Thimpu (2007). (©Ludger Kühnhardt)

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Abb. 7.7   Mit dem Kollegen Rajendra Jain, Jawaharlal Nehru University, und meinen langjährigen Freunden Neeru und Rajiv Vora, Gandhi Peace Foundation, in New Delhi (2007). (©Ludger Kühnhardt)

Abb. 7.8   Vortrag und Diskussion an der Universidad Tres Febrero in Buenos Aires (2011). (©Ludger Kühnhardt)

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Meistens war man an den Entwicklungen in der EU interessiert und natürlich immer auch an meiner Einschätzung des jeweiligen regionalen Verbundsystems. Meine Vorträge baute ich zumeist nach einem Argumentationsmuster auf, das mir selbst half, die Kohärenz meiner Sichtweise immer weiter zu optimieren: 1) Stand der Dinge in der Europäischen Union, mit besonderem Fokus auf globalem ökonomischen Wettbewerb, wachsender globaler politischer Relevanz und anhaltenden inneren Legitimitätsproblemen; 2) Befund der globalen Verbreitung regionaler Integrationssysteme, wobei die EU nicht nachgeahmt wurde, wohl aber Quelle der Inspiration ist; 3) Variationen der Begründung für regionale Integration zwischen den unterschiedlichen Regionen der Erde, da es keine Blaupause gibt, nach der sich regionale Integration vollziehen lässt; 4) gemeinsame Erfahrungen über Regionen hinweg, einschließlich der Erkenntnis, dass schwache Staaten schwache regionale Systeme generieren, es also auch darauf ankommt, die innere Resilienz in den Staaten einer Region zu stärken; 5) Erörterung der Gründe, warum der Sinn für Eigenverantwortung – Ownership, wie die Vereinten Nationen zu sagen belieben – beim Blick auf die Ziele einer regionalen Integrationsgemeinschaft häufig unterentwickelt ist, denn Integrationsprozesse sind von Menschen konstruierte Realitäten, die nicht schon durch politische Erklärungen zustande kommen; 6) Beschreibung der notwendigen materiellen und humanen Ressourcen, die für das Funktionieren einer jeden regionalen Integrationsgemeinschaft unabdingbar und überall unzulänglich sind, um die selbstgesetzten Ziele tatsächlich zu realisieren. Dieses Thema war in der Forschung bisher überhaupt noch nicht behandelt worden, weil es mühsam war, korrekte Daten zu erhalten; 7) differenzierte Analyse der divergierenden Integrationsziele, wobei es vorkommt, dass Prioritäten zwischen sicherheitspolitischen, ökonomischen, kulturellen, soziologischen und allgemeinpolitischen Anliegen innerhalb eines Integrationsprozesses graduell oder disruptiv geändert werden; 8) Gründe für die Schwierigkeiten oder gar Tabus, einen faktischen Transfer von nationalstaatlicher Souveränität auf die Ebene der regionalen Verbundsysteme zu vollziehen, auch wenn allen Beteiligten bewusst ist, dass dies erforderlich ist, um die selbstgesetzten regionalen Ziele zu erreichen; 9) Offenlegung des wiederkehrenden Befundes, dass regionale Integrationsprozesse oftmals über den Weg unbeabsichtigter Konsequenzen einer Entscheidung verlaufen, sich nicht selten über Umwege vollziehen und Fortschritt immer wieder durch die Dialektik von Krisen entstehen; 10) Befund über die positiv veränderte Wahrnehmung der Europäischen Union und Europas allgemein in den verschiedenen Regionen der Erde, was auf eine Überwindung postkolonialer Perzeptionsmuster schließen lässt. Ich beleuchtete in diesen Jahren parallel zu meinen Forschungen zum Thema Region-Building kontinuierlich die Frage, warum in einigen Weltregionen bisher keine schlüssigen Ansätze regionaler Kooperation, geschweige denn regionaler Integration, anzufinden waren. Die Antwort war natürlich regionspezifisch, aber doch strukturell identisch: Dort, wo geopolitische Spannungen dominierten, die ihre Ursache

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in politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts hatten, blieb es schwierig, sich konstruktive Formen organisierter Interdependenz unter Nachbarstaaten vorzustellen. Ich hatte diese Erkenntnis vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika (MENA-Region) machen müssen, seitdem ich 1980 erstmals in der Region gewesen war. Ebenso erging es mir immer wieder in Ostasien, das ich seit meinen Filmtätigkeiten 1982 und meiner Studienzeit in Japan 1983 kennenlernen konnte. 1999 hielt ich mich in Syrien, Jordanien und Libanon auf sowie im eigenwillig jede regionale Verbindung zurückweisenden Chile, 2001 in China und in Libyen, dem Enfant terrible des afrikanischen Kontinents, zugleich aber einer der dortigen Hegemonialmächte, 2002 erstmals in Nordkorea und erneut in Südkorea und Taiwan. In Nordkorea gelang es mir zu erreichen, dass 2004/2005 erstmals zwei nordkoreanische Studenten an das von mir geleitete Bonner Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) kommen und European Studies studieren konnten. Um nicht irritierende Missverständnisse auszulösen, stellte ich sicher, dass ein Jahr zuvor, 2003/2004, bereits eine Südkoreanerin bei uns in Bonn studiert hatte. Am 5. Februar 2004 war es eine Genugtuung, als ich einen südkoreanischen Gastforscher mit einem der beiden nordkoreanischen Fellows unseres Masterprogrammes zu einem Gespräch zusammenbringen konnte. Es war für beide das erste Mal in ihrem Leben, einem Menschen aus dem anderen Teil Koreas zu begegnen. Gegenüber den nordkoreanischen Studenten machte ich es mir zur eisernen Regel, über alles Mögliche zu sprechen, nur mit keinem einzigen Wort zu koreanischen Fragen, von denen sie natürlich obsessioniert waren. 2003 war ich in Kuba auf Einladung des dortigen Centro de Estudios Europeos und reflektierte auf die Folgen einer möglichen kubanischen Reformöffnung auf die innere Kohäsion der Karibischen Gemeinschaft CARICOM. 2003 war ich noch einmal in Syrien (fest in der Hand des Russland-nahen Assad-Clans), 2004 erneut in Jordanien und Ägypten sowie erstmals in Jemen und wieder einmal in Korea und China, 2005 im Iran, in Taiwan und Japan sowie 2005 und 2006 in Korea, China und Hongkong und 2007 zum wiederholten Male in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten. 2010 stand wieder Korea auf dem Programm und 2011 der Irak. Immer wieder richtete ich mein besonderes Augenmerk bei den Studienaufenthalten auf die Fragen, die mit den geopolitischen Hindernissen für die regionale Integration zu tun hatten (Kühnhardt 2021; Kühnhardt 2022, passim). In all diesen Jahren stellte ich vor allem zwei wissenschaftsorganisatorische Phänomene fest, die tiefgehende Rückschlüsse auf die weltpolitischen Entwicklungen nahelegten. Zum einen entstanden an recht unterschiedlichen Orten der Erde Forschungs- und Studienzentren, die sich explizit mit der Europäischen Union beziehungsweise der europäischen Integration befassten. Sie waren üblicherweise an renommierten Universitäten angesiedelt. Zum anderen wuchs jenseits der Entwicklung der Europäischen Union, aber ohne diese unvorstellbar, in vielen Regionen der Erde das Interesse an Ansätzen regionaler Integration in Wissenschaft, Wirtschaft, Diplomatie und Politik.

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Abb. 7.9   Mit dem Studienfreund und koreanischen Diplomaten Chan Boum Lee und meiner Familie in Seoul (2004). (©Ludger Kühnhardt)

In der Mitte meiner langjährigen Forschungen zum Thema Region-Building war ich vom 17. September 2004 bis zum 28. Juli 2005 zu einer Gastprofessur an der Seoul National University eingeladen. An der dortigen Graduate School of International Studies (GSIS) führte ich Lehrveranstaltungen zu den Entwicklungen in der Europäischen Union und zu Grundsatzfragen der regionalen Integration durch. Die späteren Evaluierungen der Studierenden waren sehr motivierend: „deep knowledge and experience“, „illustrates his lectures by examples from past and current events“, „instructor stimulates discussion in class“, „intellectually stimulating“, „very friendly atmosphere and keep academic standards at the same time“, „knowledgeable and very good at explaining and clarifying topics, allows students to express their own opinions by making the class very challenging.“ Parallel zu meinen Lehrveranstaltungen beriet ich meinen Kollegen Woosik Moon und die Leitung der Graduate School bei der konzeptionellen Entwicklung eines Center for European Studies. Ab 2005 wurde GSIS durch die Europäische Union beim Aufbau dieses Forschungszentrums unterstützt, das durch die damalige EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner, eröffnet wurde. In Seoul wurde ich zu einer Konferenz ins Blue House gebeten, dem Sitz des Staatspräsidenten von Korea. Dort ging es um die Frage, inwieweit kulturelle Faktoren Motor

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einer möglichen regionalen Kooperation in Nordostasien sein könnten. Mein Statement über die europäischen Erfahrungen lag zweisprachig koreanisch und englisch vor allen Konferenzteilnehmern(Kühnhardt 2004b). Ich verhehlte meine Skepsis nicht, ob mit einem kulturellen Ansatz die regionalen geopolitischen Spannungen tatsächlich aufgelöst werden könnten. In Europa sei dieses auch nicht geschehen. Stattdessen wurde im Nachkriegseuropa der nur vordergründig profane Weg der sektorspezifischen funktionalen Integration in den Schlüsselindustrien gegangen, die von allen benötigt werden, an denen Mangel herrscht, die ungleich unter den betroffenen Staaten verteilt sind und die immer wieder Auslöser für Spannungen und gewaltsame Konflikte gewesen waren: Kohle und Stahl. Ich empfahl den Koreanern, nach einem genuinen Äquivalent von Kohle und Stahl in Nordasien zu suchen, wenn man von Europas Weg lernen wolle, um Monopole des Misstrauens und der Machtaggregation zu brechen. Beim Blick auf die kulturellen Fragen erlaubte ich mir den Hinweis, dass doch auch Russland eine Tatsache in Nordostasien sei. Koreaner, Japaner und Chinesen dachten aber kaum an die Russen als Teil ihres Kulturraumes (Kühnhardt 2004b). Meine Erfahrungen und Studienerkenntnisse mit den geopolitischen und historisch-kulturellen Hindernissen für eine zielführende Kooperation oder gar Integration in Nordostasien legte ich in einer umfassenden Analyse vor (Kühnhardt 2005). Bereits 2003 war ich gebeten worden, Mitglied des Advisory Board des „Asia-Pacific Journal of EU Studies“ der EU Studies Association of Asia-Pacific zu werden. 2005 wurde ich von der in Singapur ansässigen „Asia-Europe Foundation“, einer Initiative der EU-ASEAN-Zusammenarbeit, in einen ehrenamtlichen wissenschaftlichen Beirat berufen, der sich mit der Förderung von Europa-Studien in Asien beschäftigte. Mit meinen Kollegen Martin Holland, National Center for Research on Europe, Canterbury University, Christchurch, Alfredo Robles, De LaSalle University, Manila, Apirat Petchsiri, Chulalongkorn University Bangkok, Bernhard Turner, National University of Singapore, Chan Ka Lok, Hong Kong Baptist University, die mir 2006 einen Ruf als Direktor des Departments for International Politics erteilte, Cornelis Luhulima, European Studies Program, National University of Indonesia, Djakarta, Roziah Omar, University of Malakka, David Camroux, CERI Sciences Po, Paris, Botschafter Rosario Manalo, Ateneo University Manila, Toshiro Tanaka, Keio University Tokyo, Rajendra Jain, Center for European Studies, Jawaharlal Nehru University Delhi, Heungchon Kim, Korea Institute for International Economic Policy und Song Xinning, Renmin University Beijing entwickelte ich ein umfassendes Konzept für ein anwendungsbereites Curriculum und für online-gestützte Maßnahmen zur Stärkung des Interesses an Europa in Asien (neumodischer Wissenschaftsjargon: outreach). Bei unseren intensiven Beratungen im Herbst 2005 in Singapur erfanden wir das Kunstwort „Esia“ zur Bezeichnung für „European Studies in Asia“.

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Abb. 7.10   Vor meinem Vortrag mit den ECOWAS Kommissaren Ada C. Okwuosa (Nigeria) und Jean de Dieu Somda (Burkina Faso) in Abuja (2007). (©Ludger Kühnhardt)

Eine wichtige politische Beratungsaufgabe wartete in Westafrika auf mich. Nach einem Gespräch in Abuja mit dem Generalsekretär der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, Mohamed Ibn Chambas, hielt ich am 5. September 2007 einen Vortrag vor den Mitarbeitern aller ECOWAS-Institutionen (Kühnhardt 2022, S. 373 ff.). Die beiden Vizepräsidenten der ECOWAS-Kommission, Ada Okwuosa, die in Freiburg bei dem mir aus meiner dortigen Zeit bekannten Heinrich Popitz Soziologie studiert hatte, und Jean de Dieu Sombda, leiteten die Veranstaltung vor mehreren Hundert Zuhörern.

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Das Thema Region-Building in vergleichender wissenschaftlicher Perspektive stieß auf lebhaftes Interesse. Anschließend wurde ich zu gesonderten Gesprächen mit der Präsidentin des ECOWAS-Gerichtshofes, Aminata Mallé Sanogo, und in das ECOWASParlament gebeten. Der Generalsekretär des ECOWAS-Parlaments, Mohammed Diakite, bat mich, gemeinsam mit dem ehemaligen Bildungsminister von Burkina Faso, Mélégué Traoré, eine Studie über die Perspektiven des ECOWAS-Parlaments zu verfassen. Das westafrikanische Regionalparlament war, inspiriert von der Entwicklung des Europäischen Parlaments, von der Vision geleitet, eines Tages aus Direktwahlen in allen ECOWAS-Mitgliedsländern hervorzugehen. So sollte eine möglichst hohe Autorität und Legitimität für die regionale parlamentarische Dimension geschaffen werden. Angesichts der traditionell überstarken Stellung der nationalen Staatspräsidenten in Westafrika war dies ein ebenso ambitioniertes wie richtiges Ziel. Mélégué Traoré und ich diskutierten untereinander und mehrfach ausführlich mit den Abgeordneten des Ad-hoc-Komitees, das sich der Frage der Strukturreform des ECOWAS-Parlaments angenommen hatte. Wir schlugen Kompetenzerweiterungen für das westafrikanische Regionalparlament vor, ohne die eine Direktwahl wenig Sinn machen würde. Bei Treffen mit den Abgeordneten des ECOWAS-Parlaments im März 2009 in Brüssel und am 2. Oktober 2009 in Bamako gewann ich sehr lehrreiche informative Einsichten in die Funktionsweise der Politik Westafrikas und lernte die unterschiedlichsten Politikertypologien kennen, die man sich denken kann. Kein universitäres Lehrbuch über Politik und Soziologie in Westafrika hätte mich besser informieren können (Kühnhardt 2022, S. 457 ff.). Westafrikas innere Stabilität ist für Europa von existenzieller Bedeutung. Allein deshalb ist es in Europas Interesse, dass ECOWAS ein Erfolg ist und auf immer mehr Gebieten wird. Trotz aller Widersprüche und Rückschläge in Westafrika: Von diesem Antrieb war meine Beratung für das ECOWAS-Parlament geleitet. Ende 2009 legten Mélégué Traoré und ich dem ECOWAS-Parlament und allen anderen ECOWASOrganen einen umfassenden und umfangreichen Bericht in englischer, französischer und portugiesischer Sprache vor (Traoré und Kühnhardt 2009). Unser Bericht erörterte intensiv die Kompetenzthematik und damit verbunden die Chancen und Schwächen einer Direktwahl des ECOWAS-Parlaments. Wir analysierten alle Aspekte, die für eine Stärkung der Kompetenzen des Regionalparlaments und seine eventuelle Direktwahl sprachen. Wir legten den Abgeordneten einen präzisen Entwurf für eine Erweiterung des Parlamentsstatuts vor und verschwiegen nicht die vielen Hindernisse, mit denen Westafrika konfrontiert ist.

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Abb. 7.11   Mit Mélégué Traoré (links) übergebe ich den Bericht über die Zukunft des ECOWASParlaments an die Abgeordneten Mourie Kamanda (Sierra Leone) und Mahamane Ousmane (Niger, früherer Staatschef seines Landes) sowie an Mohammed Diakite (Generalsekretär des ECOWAS-Parlaments) in Bamako (2009). (©Ludger Kühnhardt)

Vom 20. bis 22. April 2013 wurde ich nach Accra gebeten, um mit der Führung des ECOWAS-Parlaments und den Mitgliedern des Ad-hoc-Komitees für die Vorbereitung von Direktwahlen des ECOWAS-Parlaments die erforderlichen Ergänzungen zum Protokoll über das ECOWAS-Parlament abschließend zu beraten. Ein „Supplementary Act“ zum Protokoll über das ECOWAS-Parlament sollte den formalen Weg zu stärkeren Kompetenzen und einer eventuellen Direktwahl freimachen. In Accra sprach ich sehr ausführlich mit dem Präsidenten des ECOWAS-Parlaments, dem nigerianischen Senator Ike Ekwedemaru, einen Big Boy der afrikanischen Politik. Punkt für Punkt gingen er und seine Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen mit mir als einzigem Europäer und, neben Mélégué Traoré, dem in Kanada lehrenden nigerianischen Professor Obiang

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Okafor die einzelnen Paragrafen des derzeitigen Kompetenzstatuts der ECOWASInstitutionen durch. Wir glichen sie sorgfältig ab mit den Vorschlägen, die das Parlament unterdessen auf der Basis des Berichts von Mélégué Traoré und mir erarbeitet hatte. Der „Draft Supplementary Act on the ECOWAS Parliament“ hatte die wichtigsten unserer Vorschläge aufgegriffen: Stärkung der konsultativen Rolle des Regionalparlaments. Sukzessive Erweiterung des Kompetenzkatalogs. Stärkere Zuwendung zur Bevölkerung in allen Staaten der ECOWAS-Region, um die Idee eines „ECOWAS of the citizens“ zu verankern. Graduelle Prozesse hin zu Direktwahlen, auch wenn mit vielen Widerständen von denen gerechnet werden müsste, die bisherige Privilegien und Monopolstellungen im politischen Gefüge der Region verlieren könnten. Der Vorschlag, irgendwann einmal grenzübergreifende politische Parteien zu bilden, schien mir die provokativste meiner Ideen zu sein. Einstweilen war mir noch wichtiger, die Rolle des ECOWAS-Parlaments als Vermittlungsinstanz in Situationen von Konflikten zu stärken, an denen es in Westafrika nicht mangelte. Wahlbeobachtermissionen sollten selbstverständlich werden, um Transparenz und Rechenschaftspflicht zu erhöhen – auch dies kein Selbstläufer in Westafrika. In das sehr intensive und konzentrierte Fachgespräch in Accra mischte sich immer wieder der Stil einzelner Politiker der Region mit großer politischer Rhetorik und gelegentlicher Theatralik. Das einfache Hotel am Rande von Accra, in dem wir zusammengekommen waren, wurde wieder und wieder zur Bühne für temperamentvolle parlamentarische Debatten. Neben mir saß  der islamistische nigerianische Abgeordnete Aliyu Ibrahim Gebi. Er wollte mich davon überzeugen, dass die Scharia eine gute Sache sei und durchaus nicht im Widerspruch stehe zur konsequenten Nutzung digitaler Innovationen. Besser unterhielten wir uns über unsere Kinder und seine Vorliebe für Online-Spiele. Das schien mir menschlich die beste Methode zu sein, um seiner aggressiven Ideologie auszuweichen, solange wir kooperativ nebeneinandersaßen. Gebis Mischung von rückwärtsgerichteten, fast archaischen Normen und seine gleichzeitige Leidenschaft für moderne Technik kam mir bekannt vor. Mir ging der Buchtitel meines amerikanischen Freundes Jeffrey Herf durch den Kopf, mit dem dieser die nationalsozialistische Ideologie charakterisiert hatte: Reactionary Modernism (Herf 1984). Das Heraufziehen der Bedrohung durch islamistischen Terror, vor allem in der Sahelzone und ganz besonders in Mali, war bei allen Beratungen in Accra unausgesprochen präsent. Es verging keine Beratungspause, bei der die Abgeordneten über diese ihre Hauptsorge lautstark diskutierten (Kühnhardt 2022, S. 601 ff.). Sehr bald schon sollte sich die Lage in der Sahelzone Westafrikas tatsächlich zuspitzen, vor allem in Mali.

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Abb. 7.12   ZEI Summer Academy: mit Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied des Europäischen Parlaments, Matthias Winiger, Rektor der Universität Bonn, Monika Pottgieser, GIZ, und jeweils ganz außen, den Bonner Universitäts-Kollegen Stephan Conermann und Paul Vlek (2009). (©Ludger Kühnhardt)

Am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Universität Bonn hatte ich in der Zwischenzeit zwischen 2007 und 2011 fünf Sommerakademien für junge Fachund Führungskräfte aus allen regionalen Integrationssystemen der Erde durchgeführt (9.–22. September 2007, 1.–12. September 2008, 16.–28. März 2009, 16.–22. Juli 2010 und 10.–16. September 2011). Zwischen 2007 und 2016 publizierten wir am Zentrum für Europäische Integrationsforschung mehrfach im Jahr den „Regional Integration Observer“ (RIO), zunächst ediert von Martin Zimmek und Ariane Kösler, später von

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Matthias Vogl und Rike Sohn. In diesem Newsletter erschienen Kurzanalysen zu thematischen oder regionalen Schwerpunkten, zumeist verfasst von Alumni der Summer Academy, aber gelegentlich auch von mir (Kühnhardt 2009b). Es war das reinste Vergnügen, mit klugen und in ihren Heimatländern engagierten Teilnehmern aus Bhutan oder Costa Rica, Malawi oder Barbados, Myanmar oder Peru die Fragen zu studieren, die die Menschen in diesen Weltregionen ebenso umtrieben wie uns in der Europäischen Union. Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern der EU kamen für einzelne Bausteine der Summer Academy zu Vorträgen und Diskussionen nach Bonn. Bei Exkursionen zu den europäischen Institutionen in Brüssel erlebten die allermeisten Teilnehmer aus Übersee erstmals, was es hieß, eine Landesgrenze ohne jede Kontrolle passieren zu können. Wir organisierten eine Simulation von Verhandlungen über ein bi-regionales Thema, das einige Teilnehmer aufseiten der EU, andere aufseiten der verschiedenen regionalen Integrationssysteme außerhalb Europas wiederfand. Einer der örtlichen Abgeordneten des Europäischen Parlaments stand jedes Mal Rede und Antwort. Besonders eindrucksvoll verlief eine Summer Academy, die ausschließlich für die jeweiligen nationalen Ansprechpartner für regionale Integrationsfragen in den Regierungen der 15 Mitgliedsstaaten von ECOWAS stattfand. Erstmals kamen auf diese Weise die „National Focal Point“-Verantwortlichen Mouhamed Assani (Benin), Felix Y. Pwol (Nigeria), Kalifa Sougue (Burkina Faso), James Freeman (Sierra Leone), Bouréhima Ould Aidara (Elfenbeinküste), Kassah Zouréhatou Traoré (Togo), Belarmino Monteiro Silva (Cabo Verde), Salhatou Amani (Niger), Cheick Abdel Kader Dansoko (Mali), Nana Antwiwaa Dodoo (Ghana), Daouda Fall (Senegal), Alpha Yaya Diallo (Guinea), Vicente Poungoura (Guinea-Bissau) untereinander und mit Essien Abel Essien, dem nigerianischen Chefvolkswirt von ECOWAS, und Jonas Dedou P. Hemou dem politischen Berater des ECOWAS-Generalsekretärs zusammen. Wohl selten wurde über die Voraussetzungen gelingender regionaler Integration in Westafrika und die Probleme fragiler Staatlichkeit in der Region so freimütig und selbstkritisch in einem regionalen Kontext gesprochen.

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Abb. 7.13   Region-Building. Vol. I: The Global Proliferation of Regional Integration (2010). (©Berghahn Books)

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Abb. 7.14   Region-Building. Vol. II: Regional Integration In The World: Documents (2010). (©Berghahn Books)

2010 erschien Region-Building. Volume I: The Global Proliferation of Regional Integration und Region-Building. Volume II: Regional Integration in the World: Documents in Oxford und New York (Kühnhardt 2010a; 2010b). Die beiden seitenstarken Bände führten meine Studien und Erfahrungen von gut einem Jahrzehnt in einer komplexen Analyse und über den Weg einer Quellensammlung zusammen. Beides sollte verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die sich unterdessen erkennbar mit verschiedenen Aspekten des Themas auseinandersetzten,  Impulse geben. In der ausführlichen Einleitung erläuterte ich meine Forschungsmethode und die Zielsetzung der Studie. Während es bisher sehr unterschiedliche Zugänge gegeben habe, Weltgeschichte auf einzelne Regionen herunterzubrechen und Bezüge zwischen ihnen herzustellen, war mein Ansatz, die Idee der regionalen Integration zum Referenzpunkt der vergleichenden Forschung über die ganze Welt hinweg zu nehmen, neu. Der erste Teil der Studie

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(„Part I: Framing the Issue“) war in zwei Kapitel unterteilt. In Kap. 1 („Globalization, Regionalism, Integration“) bot ich Definitionen an und rahmte das Thema in den weiteren Kontext einer neuen Ära ein, die durch den Begriff der Globalisierung ebenso wirkmächtig wie unverbindlich beschrieben wurde (Kühnhardt 2010a, S. 11–39). Ich machte deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Fragen der regionalen Integration sowohl Folge der Herausforderungen der Globalisierung sei als auch Motor, um die Globalisierung durch Vorwegnahme ihrer Möglichkeiten in einer Region zu befördern. Ich bezog mich dabei auf die Dokumente der zu untersuchenden Regionalsysteme, die ich im zweiten Band meiner Studie intensiv aufbereitet hatte und zur weiteren Forschung vorlegte. Formal sagte sich kein regionales Modell von der Zustimmung zur Idee nationaler Souveränität los. Faktisch aber brachen sich monolithische Souveränitätsvorstellungen an den Konsequenzen gelingender regionaler Integration. In allen Dokumenten, die ich analysiert hatte, fand sich ein Bezug zur Globalisierung als der neuen Signatur unserer Zeit. Zugleich verstanden sich die zu untersuchenden regionalen Integrationssysteme als Bausteine im Prozess des Aufbaus regionaler Gemeinschaften. Damit war eine strukturelle Differenz gegenüber jedwedem Typ von Freihandelszone gezogen. Freihandelszonen, einschließlich solcher in benachbarten Regionen wie im Falle der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA, zielen, so argumentierte ich, darauf ab, Hindernisse für den freien Austausch von Waren und Dienstleistungen zu beseitigen. Regionale Integrationssysteme, die gemeinschaftsbildende Absichten verfolgen, zielen darauf ab, gemeinsame Institutionen und Regelwerke zu etablieren. Das kann den Abbau von Handelshindernissen einschließen, doch ist dieses kein Endzweck für die untersuchten Regionen. Ich befasste mich ausführlich mit der Definition von Regionen und verwies auf historische, kulturelle, sozioökonomische und soziologische Zugänge, aber auch darauf, dass es Regionen unterhalb wie oberhalb der staatlichen Ebene geben kann. Ich unterschied Regionen im Sinne universaler Maximen – wie die Kontinente der Erde, die sich in der Fahne der olympischen Bewegung widerspiegeln – von Regionen, die konstruiert werden, um spezifische, partikulare Ziele zu verfolgen. In solchen konstruierten Regionen muss man davon ausgehen, dass die Unterschiede zwischen den die Region konstituierenden Teilen, den Mitgliedsstaaten, latent eher größer als kleiner sind. Gerade um solche Differenzen zu überwinden, wird der Weg zur Regionbildung gesucht. Regionen müssen sich also regionalisieren wollen, um zu dem zu werden, was sie vorgeben zu sein. Diesen Prozess der Regionalisierung bezeichnete ich als Region-Building. Nach aller Erfahrung verlaufen Prozesse des Region-Building nicht identisch. Prioritäten und Voraussetzungen sind unterschiedlich, ebenso die Erwartungen und Zielsetzungen, die von Staaten definiert werden, die sich in einem regionalen Integrationssystem zusammenschließen. Sicherheitspolitische, ökonomische oder kulturelle Faktoren konnte ich feststellen, ebenso entwicklungspolitische Absichten und das Ziel, die globale Relevanz von Staaten in einer Region zu stärken. Intrinsische Antriebe für eine regionale Integrationsabsicht hatte ich ebenso angefunden wie externe Faktoren, die von Inspiration durch andere bis zu unvermeidlichem externen Druck reichen können. Regionalisierungsprozesse werden bestimmt von Faktoren und von Akteuren. Die Voraussetzungen

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und Hindernisse in einer Region sind dabei strukturell bedeutsam. Das Verhalten und Engagement von Akteuren kann grundlegende Weichenstellungen für eine ganze Region generieren. Die institutionellen Voraussetzungen von Regionalintegration wurden, so argumentierte ich, in der bisherigen Forschung eher vernachlässigt. Dabei sind funktionsfähige und entscheidungsstarke regionale Organe sowie klare Kompetenzabgrenzungen zwischen der regionalen und der nationalen Ebene ebenso von Bedeutung wie die Frage der Finanzausstattung eines regionalen Integrationssystems. Nirgendwo existiert eine Blaupause für die Phasen und Schrittfolgen regionaler Integration. Häufiger herrschen Versuch und Irrtum, als dass irgendwo eine immer konsequente, lineare Verwirklichung einmal formulierter politischer Absichten vollzogen werden würde. Regionale Integrationssysteme werden durch krisenhafte Situationen immer wieder zu neuen Schritten in die Integration hineingezwungen. Oft aber lassen sich auch unbeabsichtigte Konsequenzen feststellen, die sich für den weiteren Weg der regionalen Integration infolge einer Entscheidung ergeben, deren Auswirkungen nicht in der ganzen Bandbreite ihrer Effekte vorherzusehen waren. Insofern ist regionale Integration ein experimentelles Phänomen der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Ordnungsbildung. Über allem schwebt ein Grundsatz, der sich aus der nationalstaatlichen Souveränitätsauffassung ergibt, die allen Ländern eigen ist, die sich zu einem regionalen Integrationsprojekt zusammenfinden: Regionale Integration handelt von der Überwindung nationalstaatlicher Monopole, die sich sowohl auf den Bereich der Politik wie auch auf Fragen der Wirtschaftsverfassung eines Landes beziehen können. In fast allen untersuchten Beispielen von regionalen Integrationsgemeinschaften hatte ich feststellen können, dass regionale Entwicklungen indirekt oder direkt, zumeist aber unbeabsichtigt, auf die nationalen Strukturen und Souveränitätsvorstellungen zurückwirken. Regionale Integration verändert nationale Souveränität, auch dort, wo dies zunächst kaum wahrgenommen wird oder nationale Akteure und Analytiker, die immer nur auf die einzelstaatlichen Strukturen blicken, es noch gar nicht wahrhaben wollen. Am Ausgang meiner Analyse zum Thema Region-Building ging ich auf den in der Forschungsliteratur häufig verwendeten Terminus „Regionalismus“ ein. Wie alle „-ismen“ bezieht sich auch der Begriff Regionalismus auf eine theoretische Erörterung, nicht aber auf die Sache selbst. Die meisten Theorien über regionale Integrationsprozesse waren im Zusammenhang mit der europäischen Einigung entstanden oder hatten sich auf diese bezogen. Daher sei, so argumentierte ich, die Anwendung und Übertragung dieser Integrationstheorien auf außereuropäische Integrationssysteme nur von begrenzter Aussagekraft. Noch problematischer bleibe es, die Effekte regionaler Integrationsbildung zu messen. Liesbet Hooghe und Gary Marks, die dies gleichwohl munter versuchten, zitierten einige Jahre später immerhin auch meine Studie in einer grundlegenden Arbeit zu diesem komplizierten Thema (Hooghe und Marks 2017). Im Kap. 2 („Emulating the European Union?“) rekapitulierte ich die wesentlichen Eckpunkte der bisherigen europäischen Integration (Kühnhardt 2010a, S. 40–70). Ich stellte die EU als den exponierten Fall eines demokratischen Region-Building dar. Ohne den demokratischen und rechtsstaatlichen Charakter ihrer Mitgliedsstaaten wäre

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die EU nicht entstanden. Bei allen üblicherweise beachteten Gesichtspunkten ökonomischer, strategischer oder institutioneller Art müsse daran erinnert werden im Blick auf die Vergleichsebene mit anderen regionalen Integrationssystemen. Die europäische Integration sei den meisten anderen regionalen Integrationssystemen um ein, zwei Jahrzehnte voraus. Während es in den außereuropäischen Räumen, in denen unterdessen regionale Ansätze praktiziert werden, zunächst um die Herstellung und Konsolidierung nationalstaatlicher Souveränität, um Nation-Building, gegangen sei, hatten die Länder, die sich zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und später zur Europäischen Union zusammengeschlossen haben, Zeit, die Defizite des Nationalstaatsmodells zu reflektieren und eine neue Stufe der regionalen Ordnung anzupeilen. Das war kein Privileg Europas und rechtfertigte umgekehrt auch nicht, zu vorschnell über defizitäre Realitäten in anderen regionalen Integrationszusammenhängen zu urteilen. Der Faktor der zeitlichen Differenz sei eher eine Chance für andere regionale Integrationssysteme, um aus den Erfahrungen der EU, im Guten wie im Schlechten, zu lernen. Ich lehnte es ab, die außereuropäischen Integrationssysteme als zweifelhafte Kopien des europäischen Modells anzusehen. Ein entscheidendes Kriterium für jeden nützlichen Vergleich aber, das in der funktionalistischen Integrationsliteratur zu oft übersehen worden ist, wurde von mir besonders betont: Der normative Charakter von Regionalintegration, der im Falle der EU darauf beruht, dass alle Mitgliedsstaaten die Grundprämissen eines demokratischen und rechtsstaatlichen Regierungssystems teilen. Da regionale Integration viel mit politischem Vertrauen zu tun hat, durfte der normative Aspekt nicht länger vernachlässigt werden, um die Realitäten, vor allem auch die Probleme des Region-Building außerhalb der EU, zu erfassen. Der zweite Teil der Studie („Part II: A Global Survey“) bot einen ausführlichen Überblick über die empirischen und strukturellen Entwicklungen in den wichtigsten regionalen Integrationssystemen außerhalb Europas. Kap. 3 („Latin America and the Caribbean: Between Regional Identity and Continental Aspiration“) (Kühnhardt 2010a, S. 73–159), Kap. 4 („Asia: Regional Integration in a continent that isn’t“) (Kühnhardt 2010a, S.  160–229), Kap.  5 („Africa: Renaissance through Region-Building?“) (Kühnhardt 2010a, S. 230–297) und Kap. 6 („Pre-Integration in the Pacific Ocean“) (Kühnhardt 2010a, S. 298–322) waren alle nach dem gleichen Design aufgebaut: Zunächst stellte ich die grundlegenden Fakten über die untersuchte Region vor. Danach untersuchte ich intrinsische Motive und äußeren Druck, der bisher zu Entscheidungen zugunsten regionaler Integration geführt hatte. Anschließend ließ ich die bisherigen Phasen des regionalintegrationistischen Handelns Revue passieren („performance“), gefolgt von einer strukturellen Identifikation der wichtigsten föderierenden Faktoren und Akteure in der Region. Im nächsten Teilkapitel analysierte ich die bisherigen Transformationen innerhalb der jeweiligen Integrationsprozesse, das heißt Wandlungen, Brüche, dialektische Sprünge und auch Rückschritte. Schließlich fragte ich nach der Rolle und den Interessen der Europäischen Union an und in der jeweiligen Region. Am Schluss eines jeden Kapitels zeichnete ich die künftigen Möglichkeiten des regionalen Integrationssystems auf, aber auch die offenkundigen Hindernisse („prospects and obstacles“).

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So ging ich ausführlich durch die Geschichte der regionalen Integration im System der zentralamerikanischen Integration (SICA), der Andengemeinschaft (CAN), der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) und des Südlichen Gemeinsamen Marktes (MERCOSUR) durch. Es folgten naxch gleichem Muster  strukturierte Analysen des Golf-Kooperationsrates (GCC), der Assoziation der Südostasiatischen Nationen (ASEAN) und der Assoziation der Südasiatischen Regionalen Zusammenarbeit (SARC). Daran schlossen sich ausführliche Analysen des Weges zur Bildung der Afrikanischen Union an sowie Fallstudien über die beiden am weitesten fortgeschrittenen regionalen Integrationsgemeinschaften innerhalb Afrikas, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC). In Kap. 6 stellte ich das Forum der Pazifischen Inselstaaten (PIF) vor. In Kap. 7 („DeIntegration in Eurasia“) wich ich vom bisherigen Gliederungsmuster ab (Kühnhardt 2010a, S. 323–243). Das Kapitel über die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (CIS), die Nachfolgeorganisation nach Auflösung der Sowjetunion, organisierte ich unter folgenden Gesichtspunkten: Grundlegende Fakten, Ringen um Motive, die Sicherheitsprioritäten nach dem ökonomischen Bankrott, Transformation von Motiven und Zielen, einschliesslich des geopolitischen Führungs-, ja Hegemonialanspruchs Russlands. In Kap. 8 („Non-Integration in Regions with Geopolitical Tensions“) diskutierte ich die Paradoxien Nordostasiens, wo große ökonomische Erfolge ohne politische Stabilität nebeneinanderstanden (Kühnhardt 2010a, S. 344–387). Ich beschrieb die Konstellationen der Region, die Großmachtpolitik und die Dispute über die Interpretation der Geschichte, um schließlich die „Six Party Talks“ über die Zukunft Nordkoreas und multilaterale Perspektiven für kollektive Sicherheit in Nordostasien zu erörtern. Die Frage nach einer möglichen Rolle von Region-Building in dieser volatilen Region formulierte ich mit einem großen Fragezeichen. Den zweiten Teil von Kap. 8 widmete ich dem erweiterten Nahen Osten. Dort dominierte damals noch eine gegenüber den Verhältnissen in Nordostasien (Erfolg ohne Stabilität) umgekehrte Realität: Stabilität ohne Erfolg. Demokratische Transformation war als eine von außen an die Region herangetragene Strategie erfolglos geblieben. Die Politik der Fixierung auf Geschichte, Identität und Geografie dominierte mit unendlich kontrastierenden Wahrheitsansprüchen über Räume und Wahrnehmungen. Die innerarabischen Bemühungen um regionale Integration (Arabische Liga) waren über den Status eines Anti-Israel-Instruments nie wirklich hinausgekommen. Für den erweiterten Nahen Osten war die Frage geblieben, ob Zusammenarbeit mit, gegen oder ohne Israel realisierbar wäre. Ich analysierte den wachsenden Einfluss Irans und konstatierte eine Region ohne Regionalisierung, ein ganz unüblicher Vorgang im Zeitalter der Globalisierung. Auch im Blick auf den erweiterten Nahen Osten musste ich die Frage nach einer möglichen Rolle der EU mit einem Fragezeichen versehen. Der dritte Teil meiner Studie (Part III: „Context and Implication“) war unterteilt in drei weitere Kapitel. Kap. 9 („The European Union in the Global Proliferation of Regional Integration“) stellte die verschiedenen Strategien und Instrumente der EU vor, das Modell regionaler Integration proaktiv zu fördern (Kühnhardt 2010a, S. 391–421). Während die bi-regionalen Beziehungen der EU zu den ehemaligen

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Kolonien europäischer Mächte in Afrika, der Karibik und im Pazifischen Raum durch mehrere Lomé-Abkommen und, seit 2000, durch das Cotonou-Abkommen weitgehend strukturiert waren, befanden sich solide bi-regionale Beziehungen der EU zu den regionalen Integrationssystemen Lateinamerikas und Asiens erst am Anfang. Gleichwohl interpretierte ich das Phänomen inter-regionaler oder bi-regionaler Kooperation als eine neue Dimension des globalen Regierens. Die EU oszillierte dabei immer wieder zwischen pragmatischer Kooperation und sehr prinzipiengeleitetem Dogmatismus. Daher werde der weitere Weg der interregionalen Kooperation vor allem davon abhängen, so prognostizierte ich, wie die EU ihre globale Präsenz weiterentwickeln würde. Kap. 10 („Democratic Governance, Regional Groupings, and World Order“) ordnete die Entwicklungen in den untersuchten regionalen Integrationssystemen in zwei Zusammenhänge ein: im Blick auf die Potenziale und Probleme der demokratischen Regierungsführung in die Erkenntnisse der politikwissenschaftlichen Regimelehre, im Blick auf die Perspektiven der globalen Ordnung in die Erkenntnisse der Theorien von den internationalen Beziehungen (Kühnhardt 2010a, S. 422–450). Weil ich 2010 von der anhaltenden Dominanz der USA ausging („American primacy“), sah ich doch eine Weltordnung aufziehen, in der mit China und der EU zwei weitere Pole entstanden waren. Um sie herum, so meine damalige These, würde sich ein Kranz regionaler Integrationssysteme mit dem Anspruch legen, an der weiteren Ausgestaltung der Weltordnung mitzuwirken. Kap. 11 („Perspectives for Democratic Region-Building“) war ein überaus vorsichtig formuliertes Plädoyer für die Orientierung der künftigen Forschung an den Maßstäben, die das demokratische Region-Building in der Europäischen Union generieren würde (Kühnhardt 2010a, S. 451–464). Ich hegte durchaus Zweifel an der universellen Ausbreitung demokratischer Regierungsführung, auch über den Umweg regionaler Integration. Gleichwohl hatte sich die Konzeption des Region-Building etabliert als eine globale systemische Weiterentwicklung der rigiden Ideologie nationalstaatlicher Souveränität. Demokratisches Region-Building bleibe eine Entscheidung, die von den kulturellen Präferenzen einer jeden Gesellschaft abhängig sei, schloss ich meine Analyse. Das ausführliche Literaturverzeichnis gab einen Überblick über die vielen Dimensionen und Facetten der Forschung. Die Arbeit wurde durch einen sehr gründlichen Index abgeschlossen. Mit der den beiden Bänden vorangestellten Weltkarte des Region-Building hatten sich meine Mitarbeiter einige Mühe gemacht. In Band 2 von Region-Building legte ich eine gewissenhaft aufbereitete und angemessen gekürzte Sammlung der weltweit verstreuten Quellen zur regionalen Integration vor. In der Einführung zeichnete ich den Bogen nach, der von der Dekolonialisierung in weiten Teilen der Erde, die vom Prinzip der nationalen Souveränität getrieben gewesen war, bis zu Globalisierung reichte, zu deren befördernden Aspekten die Zunahme von regionalen Integrationserfahrungen gehörte. Darin war eingeschlossen der Wandel des Selbstverständnisses und der Wahrnehmung Europas in weiten Teilen der Erde. Von einem expansiv kolonialistischen Europa war nichts mehr übrig geblieben. Nach Zerstörung anderer und der schließlichen Selbstzerstörung Europas war mit der europäischen Einigung die innovativste politische Idee entstanden, die Europa seit der Antike generiert

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hatte. Ich konnte in meiner Studie auf die ersten 50 Jahre dieses Weges und damit eines Konzeptes zurückblicken, das aus der Welt nicht mehr wegzudenken war. Beide Bände der Studie Region-Building widmete ich meiner Frau und unseren Kindern Victoria Elisabeth und Stephan Maximilian, die weite Teile der Forschungen miterlebt hatten und gelegentlich auch mitgereist waren. Das Buch ging dann seinen eigenen Weg. Mir war es überraschend vergönnt, zweimal an exponierter Stelle meine Forschungsergebnisse und Thesen in politikberatender Absicht vortragen zu können. Vermittelt durch den deutschen Botschafter bei der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD), Hans-Jürgen Heimsoeth, wurde ich von Mario Pezzini, dem Direktor des Development Center der OECD am 15. Juni 2015 nach Paris eingeladen zu einer Grundsatzreflexion über die Perspektiven der regionalen Integration in Zeiten neuer geopolitischer Unsicherheit. Ein ausgesuchter Kreis von gut 30 führenden OECD-Mitarbeitern – am kompetentesten erwies sich Pezzinis Stellvertreterin Nicola Harrington – und Diplomaten – am pointiertesten war Griechenlands OECD-Botschafter George Prevelakis – beteiligte sich an diesem Brainstorming. Ich empfand diesen Tag als einen mehr als nützlichen Beitrag zur Politikberatung. Der anwesende Kreis in der OECD teilte im Kern meinen Skeptizismus gegenüber dem technokratischen „engineering“ von regionaler Integration, wie von "Entwicklung" insgesamt (Kühnhardt 2015a). Zugleich wurden mir mehr Fragen gestellt als durchdachte konzeptionelle Alternativantworten präsentiert. Unterdessen hatten sich neue geopolitische Konflikte aufgebaut. Damit stellte sich die Frage nach dem Verhältnis von regionaler Integration und Geopolitik neu und nicht mehr nur im historischen Rückblick, wie ich dies beim Studium von Nordostasien und dem Nahen Osten in den Vorjahren getan hatte. Meine grundlegenden weltpolitischen Analysen wurden in diesem Kreis mehr oder weniger geteilt. Es tat den OECD-Entwicklungs-Denkern offensichtlich gut, einmal out of the box und mit breiter Perspektive denken zu können. Ausführlich diskutierten wir die These des deutsch-amerikanischen Sozialwissenschaftlers Albert Hirschman über den Tunneleffekt. Die These besagt, dass, solange beide Fahrzeugkolonnen vorankommen, die nebeneinander im Schritttempo in einem Tunnel einfahren, es Stabilität und Ruhe gibt. Übertragen auf die Verhältnisse unter den Ländern der Erde war man sich bei der OECD nicht mehr so sicher, ob alle Länder noch irgendwie ausgewogen vorankamen. Die Schere zwischen denen, die sich schneller entwickeln und denen, die vollständig zurückbleiben, wuchs offenkundig. Damit verbunden ist die wachsende Frustration der Mittelklasse gerade in armen Ländern. Dies wiederum erhöht den Auswanderungsdruck, wodurch die armen Länder weitere funktionale Leistungseliten verlieren, während die identitätspolitischen Spannungen in den Aufnahmeländern ebenfalls zunehmen und potenziell unberechenbar zu werden drohen. Ich gewann den Eindruck, dass weitere Regimekonflikte und handelspolitische Spannungen in der Welt vorprogrammiert waren. Die OECD-Macher konnten mir auch keine schlüssigen neuen Antworten geben. Nach dem Beratungstag in Paris entwickelte ich die handelspolitischen Aspekte des Region-Building in einem Aufsatz mit zwei Kollegen weiter (Kühnhardt, de Lombaerde und Filadoro 2018).

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Am 26. und 27. April 2017 kehrte ich zurück nach Genf, zu den Wurzeln meiner wissenschaftlichen Lebensweise aus dem Geist katholischer Universalität. Die Vereinten Nationen hatten mich eingeladen. Ausgerechnet im streng calvinistischen Genf waren 1982/83 die Weichen für meinen wissenschaftlichen Weg gestellt worden. Im Sommer 1982 lernte ich ein solides Französisch im ehrwürdigen Gebäude der Universität Genf vor dem monumentalen Denkmal der Reformatoren, angeführt von Calvin, de Bèze, Knox und Farel. Inmitten des beschaulichen Parks, in dem die Statuen der Reformatoren stehen, muten sie ein wenig an wie Vorläufer asketischer Jihadisten von heute – trotz ihres schönen Mottos „post tenebras lux“, das auch in Genfs Kathedrale St. Pierre den kargen Altar ziert. Auch der junge Khomeini muss wie die in Genf in Stein gemeißelten Reformatoren mit seinen Blicken alle Strafen Gottes über die Menschen geschleudert haben, die in seine Nähe kamen. Der Aufstieg über die 110 engen Stufen auf den Turm der Kathedrale St. Pierre und der Rundblick über Genf und den enorm nebelverhangenen Bergkranz zwischen Jura und Montblanc, der den im Grau des Regens noch weltentrückter wirkenden Lac Leman umgab, brachten am Tag vor meinem Vortrag alte Bilder und heutige Reflexionen zusammen in der Dankbarkeit dafür, wie sich seit 1982 alles gefügt hat, was damals noch im Nebel meines Lebens verborgen war. Abends teilte ich meine Erinnerungen mit meinem Schweizer Cousin Christian Heyden und seiner italienischen Frau Laura, deren Söhne bereits in den Startlöchern für ihr jeweiliges Studium standen. 1982, so erzählte ich ihnen, wohnte ich zunächst in einem Studentenwohnheim an der Route du Bout-du-Monde, am Südrand von Genf, danach in einer holzknarrenden Pension im ersten Stock des internationalen Kindergartens an der Avenue de la Paix. Unterdessen war dort ein arg heruntergekommenes Heim für Behinderte direkt gegenüber dem Eingang zu den Vereinten Nationen untergebracht. In der holzgetäfelten UNO-Bibliothek kam ich im Herbst 1982 nach zehn Jahren der unruhigen Selbst- und Weltentdeckung zur Ruhe und auf den Geschmack am vertieften Studium internationaler Zusammenhänge in historischer Perspektive. Zu verstehen statt zu postulieren – diese Grundhaltung erlernte ich in der Zeit, in der meine Dissertation zum Weltflüchtlingsproblem entstand (Kühnhardt 1984). Im Palais des Nations führte mich am Morgen des 27. April 2017 der erste Weg vor meinem Vortrag vor der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) natürlich zurück in die Bibliothek mit ihrem Lesesaal für rechtliche und politische Themen. Lange Flure mit LinoleumFußböden. Die heroisch anmutenden Wandgemälde im einstigen Sitzungssaal des Völkerbundes, wo im Juni 1936 Kaiser Haile Selassie als einziger Afrikaner sprechen konnte. Die durch den sandfarbigen Stein beruhigend wirkende Wucht des Gebäudekomplexes. Konferenzsäle ohne Ende. Hier lebt internationale Diplomatie. Realitäten werden woanders geschaffen, vor allem solche Realitäten, in denen Macht und Gewalt dominieren. Die UNO ist und bleibt, so ging es mir durch den Kopf, ein realer Traum gegen den andauernden Albtraum der Wirklichkeit. Ich war gebeten geworden,

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die Keynote Address zur Eröffnung der 67. Generalversammlung der UN Economic Commission for Europe zu halten, die zugleich das 70-jährige Jubiläum dieser UNSonderorganisation ist. Es war eine besonders ehrenvolle Bitte um Politikberatung für Diplomaten. Zunächst legte der Exekutivsekretär der UN Economic Commission for Europe (UNECE), der jungenhafte vormalige liberale Entwicklungsminister von Dänemark, Christian Friis Bach, seine Effizienzbilanz vor: Er berichtete von 70 Jahren mit durchschnittlich vier Tagungen oder Sitzungen am Tag, in denen durchschnittlich sechs Papiere produziert worden sind. Einige Male sei auch im letzten Jahr wieder hart an der Grenze des Akzeptablen gewesen, was einige Delegierte gesagt hätten. Meinte er etwa den bemitleidenswerten Ukrainer, der noch vor dem offiziellen Beginn der Sitzung nicht die Hoffnung seines Landes unterdrücken konnte, doch wieder in vollem Einklang mit den Regeln des Völkerrechts leben zu können? Bach führte ungerührt fort: Auch im vergangenen Jahr haben in der Arbeit von UNECE wieder einmal der pragmatische Wille zur technischen Zusammenarbeit bei Standards und Normen im Bereich der Waldbewirtschaftung bis hin zur grenzübergreifenden Wasserversorgung und der Ausarbeitung von Regeln für erneuerbare Energie obsiegt über die Abgründe der Politik. So möge es bleiben, endete Bach. Nicola Koch, charmante gebürtige Münsteranerin und Bachs Kabinettschefin, führte Regie durch die weitere Tagesordnung. Die derzeitige kasachische Vorsitzende der Generalversammlung, Botschafterin Zhanar Aitzhanova, malte das irreale Bild einer euro-asiatischen, eurasischen Region. Am Rande überraschte sie mich mit der Nachricht, sie sei eine ehemalige Studentin meines guten Bekannten Bulat Sultanov, der wieder Direktor des Instituts für Strategische Studien, heute mit Sitz in Astana sei und seine Ausflüge in die Diplomatie für den Staat Kasachstan beendet hatte. In der UNO ist die Welt ganz gewiss ein Dorf. Vor den Delegationen aus 56 Ländern und nochmal so vielen internationalen Institutionen hielt ich die auf 15 Minuten begrenzte Keynote Address der 67. Generalversammlung der UNECE (Kühnhardt 2017a). Im Saal XVII waren gut 200 Menschen anwesend. Interessant war, wer bei dieser „Wirtschafts-OSZE“ von Vancouver bis Wladiwostok nicht anwesend war: Die Sitze der USA und Kanada waren leer. Beide Länder schienen dieses UNO-Gremium kaum ernstzunehmen. Auch der Stuhl Maltas war unbesetzt. Das Land war wohl zu beschäftigt mit der viel wichtigeren EU-Präsidentschaft, die Malta im ersten Halbjahr 2017 erstmals austrug. Die anderen EU-Mitgliedsländer hatten unbedarfte Beamte aus den nationalen Regierungsbehörden oder ihren Genfer Ständigen Vertretungen geschickt. Die postsowjetischen Länder nahmen die Sache besonders ernst und waren zumeist, Russland vorneweg, mit stellvertretenden Außenministern vertreten. Diese Kleiderordnung sagte etwas über die Wertschätzung der UNO im eurasischen Raum aus, wo längst durch Russlands neoimperialistische Politik eine neue geopolitische Bruchlinie zwischen Eurasien und der EU eingerissen worden war.

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Abb. 7.15   Rede vor der 67. Generalversammlung der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) im Völkerbundpalast Genf (2017). (©Ludger Kühnhardt)

Trotz aller diplomatischen Girlanden, die um mich herum geschwungen wurden, empfand ich es schon als eine internationale Anerkennung meiner wissenschaftlichen Arbeit, als Keynote Speaker in den Genfer Palais des Nations geladen zu sein. In meinem Vortrag balancierte ich zwischen offenen, kritischen Standpunkten und motivierenden Worten. Was blieb in wessen Ohr? Ich würde es nie erfahren, denn eine echte Aussprache zu meinen Ausführungen war nicht geplant. Nach meiner Keynote ergriffen 20 Minister und Botschafter das Wort, beginnend mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Vassily Nebenzia, gefolgt von der stellvertretenden Außenministerin von Moldau, Lilian Darii. Die Zwischentöne des ukrainischen Vizeministers Yurii Klymenko, der auch wacker vom Kampf gegen die Korruption im heimischen Kiew berichtete, waren in dieser spannungsgeladenen internationalen Zeit realistischer als alle anderen Wortmeldungen. Vielleicht abgesehen von der israelischen Botschafterin Aviva Raz Shechter, die wenigstens eine klare Position präsentierte, was die UNECE künftig so alles tun müsse, wenn sie ihre Existenzberechtigung aus dem

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Bemühen um die Sustainable Development Goals beziehen wolle. Durch Dauerwiederholung werden die SDGs nicht von ihren inhärenten Widersprüchen und Zielkonflikten befreit. Der Vertreter der EU schwenkte nach meinem Vortrag höflichste Geburtstagsgirlanden für UNECE, signalisierte mir aber hinter vorgehaltener Hand beim Hinausgehen aus dem Saal ironisches Desinteresse an der Tagung und der Institution an sich. Deutschland glänzte durch Abwesenheit relevanter Diplomaten. Freundliche Reaktionen auf meinen Vortrag, die mir von manchem Delegierten zugeraunt wurden, zerflossen in den Gesprächen vor dem Konferenzsaal. Auf dem Rückweg in die reale Welt begegnete ich Angela Merkels Afrika-Sherpa Günter Nooke. Im Dienst der Bundeskanzlerin war er unterwegs, um für neue Ansätze der Kooperation mit Afrika zu werben. Nooke schien mir noch immer getrieben im selbstverschuldeten Schadensbegrenzungsmodus nach dem deutschen Flüchtlingsfiasko von 2015. Irgendwie wirkte der von mir sehr geschätzte frühere antikommunistische DDR-Bürgerrechtler hilflos und gehetzt als Trommler für mehr Zuwendung zu Afrika ausgerechnet in den Gängen der UNO, die Afrika seit sieben Jahrzehnten viel ernster genommen hatte als jemals irgendein europäischer Regierungsvertreter. Dennoch redeten UNO, Afrika und Europa weiterhin aneinander vorbei, um Worte und Taten zueinanderfinden zu lassen. Würde sich dies ändern, jetzt, wo so viel Druck auf Europa lastete? Die UNO-Welt in Genf: Eine Straßenkreuzung inmitten der Welt der Welten, auf der Diplomaten so lange gute Verkehrspolizisten sein können, wie niemand die Geschwindigkeitsregeln mutwillig außer Kraft setzt und allein nur die Blicke ernstnimmt, die ihm mit Goodwill entgegengebracht werden. Die UNECEGeneralversammlung hatte mit einem Glas Prosecco um elf Uhr in der Früh begonnen, mit Sondergenehmigung angesichts des 70-jährigen Bestehens der Organisation, deren Abrechnungsregeln unterdessen globalbürokratisch standardisiert sind und deren Alkoholkonsum daher genau beobachtet wird. Nur der russische Vizeaußenminister hatte dem Prosecco-Toast unbefangen lautstark ein „Encore“ hinzugefügt: In Russland werden Alkoholgeschäfte immer um elf Uhr morgens geöffnet. Es waren auch schon in früheren Jahren solche Anekdoten, die meine regelmäßigen Lehrveranstaltungen zum Thema Region-Building mit Farbe und Praxisbezug würzten. Im Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn bot ich ein entsprechendes Seminar mehrfach an: Im Wintersemester 2006/2007, im Sommersemester 2007, im Wintersemester 2007/2008, im Sommersemester 2009, im Wintersemester 2011/2012, im Wintersemester 2012/2013, im Wintersemester 2014/2015, im Sommersemester 2017 und im Sommersemester 2018. Auch für meine jährlichen Gastprofessuren an Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität Mailand, an der Diplomatischen Akademie Wien und an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC) in Malta bereitete ich das Thema Region-Building immer wieder unter Einbezug der jüngsten Ereignisse und Entwicklungen neu auf.

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Abb. 7.16   Mit Studentinnen und Studenten an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC) in Malta (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Seit 2007 werde ich von diesen drei ehrenwerten Institutionen eingeladen, einmal jährlich ein Blockseminar zum Thema „Region Building and World Order“ durchzuführen. Studierende aus aller Welt machten jeden Aufenthalt für mich selber zu einem Bildungserlebnis. Wie bei jeder Lehrveranstaltung in Bonn strengte ich mich auch in Mailand, Wien und Malta jedes Jahr aufs Neue an, die aktuellsten Entwicklungen in den diversen regionalen Integrationssystemen der Erde weiterzugeben und zu bewerten. Lorenzo Ornaghi, Vittorio Parsi, Roberto Brambilla, Simona Beretta und Roberto Zoboli in der Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) in Mailand, Hans Winkler, Emil Brix, Elisabeth Hofer, Genny Chiarandon, Gabriele Schulze, Rosemarie Winkler, Werner Neudeck, Markus Kornprobst, Thomas Row, Hans-Peter Neudeck, Gerhard Loibl und Patrick Müller in der Diplomatischen Akademie Wien sowie Stephen Calleya, Omar Grech, Derek Lutterbeck, Monika Wohlfeld, Lourdes Pullicino, Audrey Cassar, Simon Bajada, Charmaine Grima und Nicolas Grima in der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC) in Malta hießen mich – zusammen mit einem großen Kreis von liebenswürdigen und hilfsbereiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – immer wieder so willkommen, dass ich mich jederzeit zu Hause fühlte. Hunderten von Studierenden aus aller Welt in gleich vier Universitäten meine ständig aktualisierten Forschungsergebnisse zu Region-Building mit auf ihren jeweiligen Weg geben zu können, empfand ich in all den Jahren als besonders dankbare Bestätigung für den Erkenntnisnutzen meiner Forschungsarbeit. Dass über die Emeritierung an meiner Bonner Heimatuniversität hinaus in Malta, Mailand und Wien eine Fortführung meiner dortigen Lehrengagements gewünscht wird, freut mich sehr. So kann ich auch weiterhin Student bleiben, denn darin liegt das eigentliche Wesen des Professor-Seins.  

7.2  Transkontinentale Wissenschaftskooperation …

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Abb. 7.17    Mit dem österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Werner Neudeck in der Diplomatischen Akademie Wien (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Die globalen Entwicklungen zwangen mich dazu, dass Jahr um Jahr meine Beachtung von problematischen Entwicklungen in der Weltpolitik auf die Spielräume von RegionBuilding zunahm. Die teilweise brutale Rückkehr von Geopolitik schien die Hoffnungen auf Stabilität der Weltordnung unter Beteiligung demokratisch legitimer Prozesse des Region-Building zunehmend zu widerlegen. Ich blieb gleichwohl davon überzeugt, dass die Idee des Region-Building angesichts der Grenzen eines allzu naiven Nation-Building nicht mehr verschwinden wird. Es würde darauf ankommen, eine angemessene Balance zwischen Nation-Building, Region-Building und den Bedingungen einer stabilen, inklusiven und legitimen Weltordnung zu finden. Inmitten einer radikalen Neuausrichtung der Weltordnung hatte die politische Wissenschaft die Aufgabe, auch weiterhin vorzudenken und beim Rückblick eine multidimensionale Ursachenanalyse für anhaltende Defizite und Spannungspotenziale jedes einzelnen Bestandteils der multipolaren Welt zu liefern. Region-Building würde weiterhin dazugehören, so sehr die bisherige Weltordnung auch wackeln oder zerbröseln mochte.

7.2 Transkontinentale Wissenschaftskooperation: West Africa Institute (WAI) Mein Gespräch mit dem Generalsekretär der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, Mohamed Ibn Chambas, am 5. September 2007 in Abuja verwandelte sich von einem Interview über seine Prioritäten für ECOWAS zu einem Brainstorming über

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die Frage, wie das Defizit an strategischer Forschung zu Fragen der westafrikanischen Regionalintegration überwunden werden könnte. Wir besprachen, wie unabhängige Forschung organisiert werden könnte, um unter Entscheidungsträgern in der Region Relevanz zu entwickeln. Wir überlegten, welche Formen des Outreach in die Breite der Gesellschaften Westafrikas möglich und wirkungsvoll sein könnten. Dr. Chambas verriet mir, dass die Kapazitäten innerhalb der ECOWAS-Institutionen so schwach seien, dass den wissenschaftlich versierten Köpfen, die natürlich auch in der ECOWAS-Kommission anzufinden waren, angesichts der Überfülle täglicher Aufgaben keine Zeit zur selbstkritischen Reflexion und zum Studium neuer Perspektiven blieb. Deshalb überlege ECOWAS, eine eigene Forschungseinrichtung zu errichten. Er bat mich, darüber nachzudenken, wie ich die Expertise des Zentrums für Europäische Integrationsforschung nutzbar machen könnte. Mir schien es sofort richtig, ja zwingend geboten, meine Erfahrungen in einem europäischen Forschungszusammenhang für die Bemühungen in Westafrika nutzbar zu machen, wo immer dies gewünscht wurde. Die Summer Academy, die 2009 am ZEI die Verantwortlichen der nationalen Anlaufstellen in den Regierungen der ECOWAS-Mitgliedsländer zusammenführte und ins Gespräch mit einigen Planungsverantwortlichen von ECOWAS sowie europäischen Integrationsexperten brachte, war die erste Frucht meines Gesprächs mit Generalsekretär Ibn Chambas.

Abb. 7.18   Gespräch mit dem Präsidenten der ECOWAS-Kommission, Mohamed Ibn Chambas, in Abuja (2007). (©Ludger Kühnhardt)

7.2  Transkontinentale Wissenschaftskooperation …

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Unterdessen hatte mich am 28. Mai 2008 der Präsident des Parlaments der Kapverden – die sich bald offiziell Cabo Verde nennen sollten – Aristides Lima in Bonn aufgesucht. Der ehemalige Botschafter seines Landes in Deutschland, Antonio Pires, hatte das Gespräch vermittelt. Er hatte zu berichten gewusst, dass Praia, die Hauptstadt von Cabo Verde, Sitzort eines westafrikanischen Forschungsinstituts werden könnte, an dessen Konzeption auch die UNESCO mitwirkte. Aristides Lima war erkennbar gut vorbereitet, um mit mir über die Potenziale des unterdessen als „West African Institute of Regional Cooperation“ titulierten Projektes zu sprechen. Schon bald sollte es in Praia mit der Aufbauarbeit losgehen. Präsident Lima, der Jura in der DDR und später in Heidelberg bei Paul Kirchhof studiert hatte, sprach fließend Deutsch. Er wünschte unsere Mitarbeit und schilderte detailliert Konzeption, Ziele und personelle Strukturen des geplanten Instituts. Er lud mich ein, in Praia mit den entscheidenden Leuten zu sprechen, um in Sachen Ausund Weiterbildung Kooperationspläne zu schmieden. In größerer Runde setzten wir das vertrauensvolle Gespräch mit dem Botschafter von Cabo Verde in Berlin, Jorge Homero Tolentino Araujo, Carla Miranda, der Kabinettschefin des Parlamentspräsidenten, der kapverdischen Parlamentarierin und Abgeordneten im pan-afrikanischen Parlament Eva Verona Teixeira Ortet fort. Ich hatte Uwe Holtz (SPD), den früheren Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Cabo Verde gut kannte, und meinen Kollegen Hartmut Ihne, ZEF Consult, dazu gebeten. Cabo Verde setzte offenbar aufs Tempo. Nur wenige Tage nach dem Besuch von Parlamentspräsident Lima meldete sich der Gründungsdirektor des in Praia geplanten Instituts, Corsino Tolentino, zum Gespräch bei mir für den 4. Juli 2008 an. Corsino Tolentino war Außen- und Bildungsminister von Cabo Verde gewesen und verfügte über weltumspannende Verbindungen. Er setzte besonders auf die Kooperation mit der UNESCO. Erstmals erfuhr ich, dass Cabo Verde in Integrationsfragen eher ein zurückhaltender Mitgliedsstaat von ECOWAS war. Der vor der Küste Senegals gelegene Kleinstaat setzte lieber auf die UNO-Einrichtungen als auf die Komplexität seiner regionalen Nachbarschaft. Zugleich empfand Cabo Verde sich als Insel der Stabilität in Westafrika und daher als natürlicher Sitzort für jedwede Bemühung, ECOWAS gedanklich und konzeptionell voranzubringen. Mit Corsino Tolentino entwickelte sich bald ein nicht nur vertrauensvolles, sondern freundschaftliches Verhältnis, das bis zu seinem Tod am 21. Dezember 2021 währte. Neben allen wissenschaftlichen und politischen Fragen blieben mir auch die Einladungen von Corsino und seiner Frau Helen in ihr Privathaus in Praia in dankbarer Erinnerung. Vom 9. bis 11. Oktober 2008 besuchte ich erstmals Cabo Verde (Kühnhardt 2022, S. 429 ff.). Aristides Lima empfing mich im Parlament und führte mich in den Plenarsaal, wo ich vor allen Abgeordneten des Landes einen Vortrag zum Thema RegionBuilding halten durfte. Corsino Tolentino begleitete mich zu Sondierungsgesprächen

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mit Außenminister José Brito, und den Rektoren der beiden Universitäten des Landes, Rektor Jorge Brito von der Piaget-Privatuniversität, und Rektor Antonio Correia e Silva von der Nationaluniversität, den ich Jahre später als Bildungsminister wiedersehen sollte. Maria Ressurreição Lopes da Silva, weltläufige und charmante Abgeordnete im Nationalparlament und zugleich im westafrikanischen Regionalparlament, machte mich mit einem besonderen Phänomen von Cabo Verde vertraut: Sie repräsentierte die kapverdische Diaspora in den USA und pendelte beständig zwischen Rhode Island, wo sie lebte, Cabo Verde und Abuja. Corsino Tolentino schilderte mir die weiteren Aufbaupläne für das „West Africa Institute“ (WAI), wie es fortan genannt werden sollte. John Ogunsola Igué, Geografie-Professor an der Nationaluniversität von Benin, werde ihn als Gründungsdirektor des WAI ablösen und für die Verankerung in der regionalen Scientific Community sorgen. Erneut wurde ich von allen Seiten gebeten, mit den Erfahrungen beim Aufbau des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) dem WAI als europäischer Partner zur Seite zu stehen. Ich mochte Praia und die Menschen, denen ich dort begegnete. Für fast ein Jahrzehnt sollte ich sie immer wiedersehen und weitere Verbindungen knüpfen. Schritt um Schritt entwickelte sich eine außerordentlich innovative und nachhaltig erfolgreiche Wissenschaftskooperation zwischen Afrika und Europa. Im Mittelpunkt standen nicht hierarchisch angelegte Entwicklungsthemen, sondern eine auf gleichwertiger Partnerschaft beruhende Beschäftigung mit Fragen der regionalen Integration. Wie meine Partner in der Region war auch ich zutiefst davon überzeugt, dass ECOWAS und die EU zu einer engeren Beziehung finden mussten, um Stabilität zwischen Westafrika, den Räumen des Sahel und der Sahara sowie beiden Seiten des Mittelmeeres zu stärken. Die Zusammenarbeit von WAI und ZEI würde Impulse aus der Wissenschaft in das öffentliche Bemühen um nachhaltige regionale Integration und bi-regionale Kooperation zwischen Westafrika und Europa hineingeben können. So eine politikwissenschaftlich grundierte und interdisziplinär angelegte Zusammenarbeit von Forschungsinstituten im Bereich der regionalen Integration hatte es noch nirgendwo gegeben.

7.2  Transkontinentale Wissenschaftskooperation …

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Abb. 7.19   Empfang im Parlament von Cabo Verde in Praia. Von rechts: Der Abgeordnete Abilio Duarte, Parlamentspräsident Aristides Lima, links von mir die kapverdische Abgeordnete des ECOWAS-Parlaments Maria Ressurreição Lopes da Silva, der Gründungsdirektor des WAI und frühere Erziehungsminister von Cabo Verde, Corsino Tolentino, und Carla Miranda, die Kabinettschefin von Aristides Lima (2008). (©Ludger Kühnhardt)

2009 und 2010 unternahm ich große Mühen, um das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) davon zu überzeugen, dass eine im Kern geistes- und sozialwissenschaftliche Kooperation mit Westafrika zutiefst im nationalen deutschen Interesse liegen würde. Staatssekretär Georg Schütte war hilfreich, um die verschlungenen Arbeitsebenen des BMBF mit an Bord zu holen in der Gewissheit, dass die Internationalisierungsstrategie des Ministeriums durch das WAI-ZEI-Projekt weiteres Profil in bisher unerschlossenem Terrain gewinnen konnte. Eingeschaltet wurde alsbald das Internationale Büro (IB) des BMBF, das die internationale Wissenschaftskooperation des Ministeriums exekutiert. Sozialwissenschaftliche Zusammenarbeit mit einem Partner in Westafrika war für alle Beteiligten völliges Neuland. Es gelang mir, Corsino Tolentino und später José Brito, der den Aufsichtsrat des WAI leitete, nachdem er als Außenminister von Cabo Verde ausgeschieden war, sowie John Ogunsola Igué im BMBF persönlich vorzustellen. Wir legten unsere Kooperationspläne auf den Tisch. Das WAI konnte die deutschen Ministerialbeamten davon überzeugen, einen nachhaltigen Weg

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begehen zu wollen. Schließlich wurde uns miteinander eine beachtliche Drittmittelförderung zugebilligt. In einer Anbahnungsphase (2010–2011) sollten wir erkunden, ob die Ideen, die wir miteinander entwickelt hatten, tragfähig sein konnten. In der Hauptphase (2012–2016) würde dann ein systematisches gemeinsames Forschungsprogramm bearbeitet. Insgesamt 1,25 Mio. € stellte das BMBF zur Verfügung. Dies war die finanzstärkste Wissenschaftskooperation, die seitens der deutschen Regierung im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften bisher jemals in Afrika unterstützt worden war. Ein recht komplexes „Memorandum of Understanding“ zwischen ZEI und WAI wurde erarbeitet. Zwischenberichte und Berichte, präzise Abrechnungsmodalitäten, Ablaufstrukturen und Zielüberprüfungen standen an. Alles musste den Anforderungen der pedantischen deutschen Bürokratie genügen. Am ZEI etablierte ich eine eigene Arbeitseinheit für die Kooperation mit dem West Africa Institute, zunächst mit Claudia Rommel und Matthias Vogl, später mit Matthias Vogl und Rike Sohn, tatkräftig vom Verwaltungsleiter des ZEI, Ralf Meyer, und mehreren studentischen Hilfskräften unterstützt. In der Anbahnungsphase 2010–2011 fanden vier gemeinsame Workshops in Bonn und in Praia statt. Eine erste gemeinsame Publikation wurde erarbeitet. Ein auf die Bedürfnisse Afrikas hinsichtlich der Stärkung der Kompetenz in Fragen der regionalen Integration zugeschnittener „Reader“ entstand (Sustainable Regional Integration 2011). Schließlich erarbeiteten wir ein umfassendes, sehr detailgenaues Handbuch für die gemeinsame Hauptphase der Zusammenarbeit. Vom 14. bis 16. Dezember 2010 war ich wieder in Praia. Das „West Africa Institute“ (WAI) hatte provisorische Büros im UN House bezogen. Dort tauschte ich mich ausführlich mit Petra Lantz aus, der Direktorin der UN-Einrichtungen in Cabo Verde. Sie schien verhalten zuversichtlich über die Entwicklungschancen des WAI. Corsino Tolentino und Außenminister José Brito besprachen mit mir die Details der geplanten Kooperation mit dem ZEI in den nächsten Jahren. Anschließend führten wir ein mehrstündiges intensives Kolloquium zur Regionalintegration im Außenministerium von Cabo Verde ab. Vizeaußenminister Jorge Borges war dabei und Iva Cabral, die Tochter des Revolutionstheoretikers Amilcar Cabral, eine Ikone der örtlichen Politik. Der Abend klang stimmungsvoll und belebend mit afrikanischer Live-Musik in der „Quintal da Música“ von Praia aus. Dorthin kehrte ich in den nächsten Jahren immer wieder gerne zurück. In den informellen Gesprächen erfuhr ich mehr darüber, dass das Land, das unter antikolonialistischer revolutionärer Flagge den Weg in die Unabhängigkeit von Portugal 1975 gestartet hatte und lange vor allem auf die Sowjetunion und Chinas fixiert war, längst Europa als den wichtigsten und ersten Partner ansah. Dazu kamen die engen Verbindungen in die USA durch die kapverdische Diaspora. Vom 10. bis 13. Juli 2011 fand ein weiteres Kolloquium in Praia statt, an dem auch der Verwaltungsleiter des ZEI, Ralf Meyer, teilnahm (Kühnhardt 2022, S. 539 f.). Jedem war klar, dass das WAI nur dann eine relevante Rolle als Scharnier zwischen Wissenschaft und Politik in Westafrika spielen konnte, wenn seine inneren Organisationsstrukturen auf der Höhe der Anforderungen an ein arbeitsfähiges modernes Forschungsinstitut sein würden. Buchhaltung, Personalmanagement und die Ein-

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richtung einer passenden Infrastruktur waren essenziell. Wir spürten, dass man gerne auf die Erfahrungen im Aufbau des ZEI zurückgriff. Es würde für das WAI nicht reichen, intellektuell auf dem Niveau der regionalen politischen und ökonomischen Diskurse zu agieren, wenn Logistik und Infrastruktur nicht tragfähig waren. Erstmals entstand ein afrikanisches Forschungsinstitut zu Fragen der regionalen Integration auf Basis eines grundsoliden bottom-up approach. Das hatte es in Westafrika bisher noch nie gegeben. Eine mitreisende Mitarbeiterin des Internationalen Büro des BMBF gab mit ihrem wohlmeinenden Sachbericht das entscheidende Signal, dass eine Förderung des WAI-ZEIProjektes in der Hauptphase 2012–2016 sinnvoll und wirksam sein würde. Am 14. Mai 2012 hatte ich Gelegenheit, bei einer größeren Tagung der Deutschen UNESCO-Kommission in Bonn den Ansatz unserer Kooperation und die Zielsetzung der Stärkung eines international ausgelegten afrikanischen sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts vorzustellen. Unsere Initiative stieß auf viel Zuspruch. Ich fühlte mich ermuntert, um mithilfe des WAI einen Beitrag dazu zu leisten, das Defizit der Analysefähigkeit für den in seiner Bedeutung zunehmenden Integrationsprozess in Westafrika abzubauen. Ich schilderte die Komplexität und Widersprüche in den regionalen Integrationsstrukturen Westafrikas, wo neben ECOWAS die Interessen der frankophonen Wirtschafts- und Währungsunion UEMOA berücksichtigt werden mussten. Ich erinnerte daran, dass die ersten Überlegungen für den Aufbau des West Africa Institutes 2008 aus dem UNESCO-Programm „Managing Social Transformation“ (MOST) herausgewachsen waren. Die UNESCO anerkannte das WAI als ein Kooperationsinstitut der Kategorie 2 (Zivilgesellschaft). Mit der Aufnahme der operativen Arbeit 2011 war noch längst nicht garantiert, dass das WAI tatsächliche Forschungsleistungen und Outreach-Wirkungen mit Relevanz für den westafrikanischen Integrationsprozess entfalten konnte. Unterdessen gab es fünf Träger des „West Africa Institute“: ECOWAS, UEMOA, die Regierung von Cabo Verde, die Ecobank und die UNESCO. Die Gefahr sei groß, so sagte ich unverschnörkelt vor der deutschen UNESCO-Kommission, dass ein Top-down-Ansatz im WAI praktiziert werden würde, der eher zur UNESCO als einer internationalen diplomatischen Plattform passen könnte als zu einer den afrikanischen Integrationsaufgaben angemessenen wissenschaftskonformen Herangehensweise. Damit wären dem WAI von Anfang an die Hände gebunden, sich eine unabhängige Reputation zu erarbeiten und tatsächlich in der Wissenschaft der Region anerkannt zu werden, ohne gleichzeitig unter den politischen Akteuren skeptisch beäugt zu werden. Unser Forschungsprogramm für die Jahre 2012 bis 2016 wollte zeigen, dass wirkungsvolle und unabhängige, zugleich aber politikrelevante Forschung und Beratungsarbeit in Afrika möglich ist, um die dortigen Bemühungen um regionale Integration zu stärken. Unterdessen waren ein WAI Board mit José Brito als Vorsitzendem und hochrangigen Persönlichkeiten aus allen 15 ECOWAS-Mitgliedsstaaten sowie ein WAI Scientific Council eingerichtet worden. Dem Scientific Council des WAI gehörte ich als einziger Europäer an. Mit mir übernahmen ehrenamtliche Beratungs- und Unterstützungsarbeit für das WAI: Koffi Ahadzi-Nonou, Jurist und Vorsitzender der Université Lomé, Ousseine Diallo, CGECI Institut, Abidjan, Kimseyinga Savadogo, Direktor Nouveau Program de

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Troisième Cycle Interuniversitaire, Ougadougou, Abass Ademola, Head of Program am United Nations University Institute for Comparative Regional Integration Studies, Brügge, Gervasio Semedo, senegalesischer Ökonom an der Université Tours, Cheikh Tidiane Dieye, Handelsexperte beim Think Tank „Tiers Monde“ in Dakar, Senegal, Tolulase Olumfunmilayo Ajayi, Department of Chemical Engineering, University Lagos, Nigeria, Penda Mbow, Historikerin an der Université Cheikh Anta Diop, Dakar, Jeggan Senghor, Politikwissenschaftler am Institut of Commonwealth Studies, London, Lambert Ngaladjo Bamba, Ökonom an der Cocody University Abidjan, Pierre Sane, Direktor Image Africa und früherer stellvertretender Generalsekretär der UNESCO und Bréhima Tounkara, Erziehungs- und Wissenschaftsberater der UEMOA-Kommission in Ouagadougou. Auch der wissenschaftliche Beirat spiegelte die Vielfalt der Interessen in der Region wider. Im Zusammenspiel von ECOWAS, UEMOA und UNESCO konnten diese gelegentlich wechselseitig von Nutzen sein, sie repräsentierten aber auch grundlegend unterschiedliche Ausrichtungen für die regionale Zukunft Westafrikas. Für mich war immer eindeutig, dass ECOWAS der wichtigste Referenzrahmen für die künftige Arbeit des WAI sein müsste, wenn das Institut langfristig ernsthafte Wirkungen erzielen wollte. Für unser gemeinsames Arbeitsprogramm in den Jahren 2012 bis 2016 galten drei zentrale Prinzipien: African ownership, Transparenz und gleichwertige Partnerschaft von WAI und ZEI bei allen relevanten Entscheidungen. Das WAI übernahm einen Teil der anfallenden Kosten. Diese finanzielle Selbstbeteiligung der afrikanischen Partner war für mich ebenso wichtig wie die Stärkung aller Strukturen, an die wir miteinander gingen. Die Stichworte waren präzise in unserem gemeinsamen Handbuch niedergelegt worden: Forschungsprojektmanagement, Institutsaufbau, inklusive Buchhaltung, Datenbank, Bibliotheksaufbau in Verbindung mit der Nationalbibliothek von Cabo Verde, Entwicklung von Modellen des „Monitoring“ der regionalen Integration, um eine dauerhafte Wirksamkeit des WAI in der Region zu etablieren, Aufbau von kompetentem Fachpersonal, Aufbau von Outreach-Modellen mit Blick auf Schulen, Universitäten und politische Akteure in Westafrika sowie Aufbau von Wissenschaftstransfer mit dem Ziel, einen gemeinsamen Master of African Integration Studies zu generieren. Folgende Themen identifizierten die Projektpartner gemeinsam als besonders relevant für die nächste Phase der regionalen Integration in Westafrika: • • • •

Regionale Integration und Politikformulierungsprozesse Wirtschaftsintegration und regionaler Handel Intitutionelles capacity development Wissenstransfer und Weiterbildung.

Wir waren realistisch in den Erwartungen an die Wirksamkeit unserer gemeinsamen Arbeit, aber sahen klar die Chancen, Angebote für eine effektivere und wissensbasierte Entscheidungsfindung für die Akteure in den nationalen wie regionalen Strukturen Westafrikas unter Berücksichtigung der vergleichenden Perspektive zu generieren. Wir wollten damit auch einen Beitrag zur Erhöhung der Legitimität regionaler

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Integration in Westafrika leisten und verschwiegen nicht, dass beide Institute natürlich ein Interesse hatten, selber in beiden Regionen sichtbarer zu werden. Netzwerkbildung im interdisziplinären Sinne zwischen Wissenschaftlern in Westafrika und Europa sollte stattfinden und wenn möglich eine spätere Übertragung von den in unserem Projekt gewonnenen Erfahrungen auf andere Regionen Afrikas. Wir wussten um die Probleme: Unterschiedliche Forschungskulturen und unterschiedliche inhaltliche Fokussierung der Prioritäten in Westafrika und in der EU. Der politische Hintergrund des WAI. Erschwertes empirisches Arbeiten wegen mangelnder Datenbasis und mangelnder Kapazitäten zur Datensammlung in Afrika. Die in Westafrika immer wieder aufbrechende Sprachenfrage (englisch, französisch, portugiesisch) als Machtfrage. Infrastrukturdefizite und viele, viele Einzelheiten der administrativen Gestaltung aller einzelnen Schritte, die vor uns lagen. Schon die erste gemeinsame Tagung von Wissenschaftlern aus Westafrika und der EU, die wir am 1. und 2. Oktober 2012 in Praia organisierten, war ein Riesenerfolg (Kühnhardt 2022, S. 577). Wir hatten das Format von Studiengruppen geschaffen, um den Gedankenaustausch so optimal und intensiv wie möglich zu gestalten. Jeweils ein europäischer und ein westafrikanischer Kollege führten in ein Thema ein, wobei besonderer Wert auf den Austausch von Methodenfragen gelegt wurde: Rainer Eising, Uni Bochum und Mama Ouattaa, University Cocody zum Thema Politikformulierungsprozesse. Denis Acclasato, University of Abomey-Calavi, und Philippe de Lombaerde, United Nations University-Center for Regional Integration Studies (UNU-CRIS), Volker Nitsch, Universität Darmstadt zum Thema intrawestafrikanischer und intraeuropäischer Handel. Olusegun Omisakin, University of Ibadan, Damien Agbodji, University of Lomé und Kocra Assoua, Universität Bayreuth zum Thema „Monitoring“ und vergleichende Politikfeldanalysen. George Owusu, University Legon in Ghana, Sanoussi Bilal, European Center for Development Policy Management (ECDPM) Brüssel, Gervasio Semedo, Universität Tours zum Thema Externer Einfluss auf Wirtschaftsintegration und Regionalhandel in Westafrika. Eine öffentliche Diskussion an der Universität Jean Piaget war enorm gut besucht. Das Interesse der Studierenden an der Vermittlung von Forschungsergebnissen war überaus erfreulich. Anfang 2013 übernahm Djénéba Traoré die Leitung des WAI. Ihre Berufung an das WAI war ein Glücksfall. Die ehemalige Rektorin der Université des Lettres et dés Sciences Humaines in Bamako hatte Anfang der 1980er-Jahre an der Humboldt-Universität in Ostberlin studiert. Am liebsten sprach sie deutsch mit mir, war aber natürlich ebenso versatil in Englisch und Französisch. Mit Frau Traoré gewann ich eine absolut kongeniale und komplementäre Partnerin für die nachfolgenden Jahre der Kooperation zwischen WAI und ZEI. Wir konnten uns jederzeit aufeinander verlassen. Gemeinsam verfeinerten wir die Projektstruktur und setzten sie Schritt für Schritt um. Unsere Zusammenarbeit wurde immer freundschaftlicher, von echtem Respekt getragen. Spiegelbildlich zum Team am ZEI wurde am WAI ein Team junger Wissenschaftler etabliert, die sich um die operative Ausgestaltung der WAI-ZEI-Kooperation kümmerte. Benjamin Akoutou stammte aus Togo. Er hatte an der Universität Bonn Politikwissen-

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schaft studiert und eine sehr gute Masterarbeit vorgelegt. Während dieser Zeit hatte ich ihn kennengelernt. Daniel Yeboah aus Ghana hatte an der Diplomatischen Akademie Wien studiert und dort mein Seminar zu Region-Building besucht. Es bedurfte nicht allzu großer Bemühungen, um die beiden jungen Wissenschaftler davon zu überzeugen, ihrer Heimatregion etwas von den Erfahrungen zurückzugeben, die sie in Europa gewonnen hatten, und zugleich ihren weiteren Weg mit einer fabelhaften Erfahrung bereichern zu können, wenn sie für einige Jahre am WAI tätig werden würden. So kam es. In Praia wurden sie von zwei studentischen Hilfskräften unterstützt, Aksana Brito und Marcio Furtado Mendonça, analog zu der Mitarbeiterstruktur, die ich im ZEI für den Zweck des Projektes etabliert hatte. Hinzu kam das Team von Sally Watkins am ZEI und Fatima Fortes am WAI, nach der Geburt ihres Kindes abgelöst von Sara Spinola, die sich mit der Entwicklung eines Curriculums für einen Master in African Regional Integration beschäftigten. Gemeinsam mit ihrem hochengagierten und bestens vernetzten Verwaltungsleiter Renato Frederico und ihrer nie den Überblick verlierenden Assistentin Vanilde Lopes realisierten Frau Traoré und ich in kurzer Zeit ein beachtliches Arbeitspensum, so wie wir es uns bei unserem ersten gemeinsam geleiteten Studiengruppentreffen im Frühjahr 2013 in Bonn vorgenommen hatten.

Abb. 7.20   Am West Africa Institute (WAI) in Praia mit WAI-Direktorin Djénéba Traoré, Judite Nascimento, Rektorin der Nationaluniversität Cabo Verde, Manuel Roberto, Bildungsministerium Cabo Verde, Joao Resende Santos, Nationaluniversität Cabo Verde, und den Mitarbeitern des WAI und des ZEI (2014). (©Ludger Kühnhardt)

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Schon bei dem Studiengruppentreffen vom 21. bis 23. Oktober 2013 in Praia konnten wir hinsichtlich grundlegender logistischer Fragen eine erste erfolgreiche Zwischenbilanz ziehen (Kühnhardt 2022, S. 621 f.). Das WAI verfügte nun über eine gute Internet-Homepage, die dynamisch weiterentwickelt werden konnte. Probleme bereitete immer wieder die Stabilität der Server in Cabo Verde, aber das war ein Schicksal, das WAI mit vielen anderen Einrichtungen in Afrika teilte. In der Nationalbibliothek von Cabo Verde waren die Grundlagen für die WAI-Bibliothek gelegt worden, die wir mit einem gemeinsam ausgewählten guten Grundlagen-Buchbestand ausrüsten konnten. Für 2014 stand die Erweiterung der Datenbank des WAI auf dem Programm, dazu die elektronische Verbreitung eines regelmäßigen WAI-Newsletters und eine ganze Reihe weiterer Publikationen, anknüpfend an die ersten WAI-ZEI Paper, die bereits 2013 erschienen waren. Frau Traoré und ich achteten darauf, dass das WAI in allen drei offiziellen Sprachen von ECOWAS publizierte, in englischer, französischer und portugiesischer Sprache (Kühnhardt und Traoré 2013, S. 3). Djénéba Traoré und ich führten sehr vielversprechende Gespräche mit der damaligen Rektorin der Nationaluniversität von Cabo Verde, Paulina Fortes, sekundiert von Corsino Tolentino, als ehemaliger Bildungsminister seines Landes weiterhin eine hochgeachtete Respektsperson. Wir legten die Grundlagen für einen Studiengang „Master in African Regional Integration Studies“, der Zug um Zug an der Nationaluniversität von Cabo Verde realisiert werden sollte. Vor allem lagen sehr substanzreiche wissenschaftliche Diskussionen in den Studiengruppen hinter uns, die sehr produktiv miteinander gearbeitet hatten. Wie unterdessen üblich hatte der WAI Board Chairman, José Brito die Tagung im Außenministerium von Cabo Verde eröffnet und den politischen Kontext zum Thema „Nachhaltige regionale Integration in West Africa und Europa“ ausgeleuchtet. Zu den gut 20 afrikanischen und europäischen Kollegen, die unserer Einladung gefolgt waren, gehörten Tony Chafer, University Portsmouth, Essien Abel Essien, ECOWAS Commission, Mahama Kappiah, Executive Director ECOWAS Centre for Renewable Energy and Energy Efficiency, Samuel Priso-Essawe, Jurist an der Université Avignon, Kako Kossivi Nubukpo, Université Lomé, Gervasio Semedo, Université of Tours, Kenneth Omeje, American University Nairobi, Omorou Touré, Université Bamako, Alohoutadé Alexandre Gbechoevi, Université d'Abomey-Calavi in Benin, Volker Nitsch, Wirtschaftswissenschaftler an der Technischen Universität Darmstadt, Jerome Jobert, Université Avignon, Philippe de Lombaerde, UNU-CRIS, Brügge, Alfred Traoré, ECOWAS-Parlament. Auch Parlamentspräsident Aristides Lima und die ECOWAS-Parlamentarierin Maria Ressurreição Lopes da Silva nahmen an den wissenschaftlichen Gesprächen teil, über die in den örtlichen Medien sehr ausführlich berichtet wurde. Am 17. März 2014 führte das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) sogenannte „Afrika-Tage“ in Berlin durch. Die Aufgabe, die mir für diese Veranstaltung übertragen worden war, gab mir Gelegenheit, theoretisch über die Zusammenhänge zu reflektieren, die wir in Praia derzeit seitens des ZEI und des WAI verfolgten. Ich sprach zu den Perspektiven und Widersprüchen der Transformation aus sozial-

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wissenschaftlicher Sicht. Dabei betonte ich die Notwendigkeit, dass wir Europäer uns immer selbst einzubeziehen hätten, wenn wir mit afrikanischen Partnern in Afrika Erfolg haben wollen. Wir müssten von uns selbst als Entwicklungsland denken, um ein neues, konstruktiveres und realistisch-optimistisches Afrikabild in unserer Gesellschaft zu fördern. Ich machte Ausführungen zur Anwendung der wissenschaftlichen Transformationstheorien. Mit der Transformationsbegrifflichkeit sei zwar einerseits die Konzeptstarre in den Geistes- und Sozialwissenschaften aufgebrochen worden, aber andererseits blieb eine Unschärfe des Begriffs bei seiner Übertragung von postkommunistischen Staaten auf Länder des globalen Südens. Transformationen blieben, so führte ich aus, abhängig von Selbstdeutungen des Menschen. Transformation sei zwingende Bedingung des Gelingens von Modernisierung. Gelingende Modernisierung wiederum müsse gesellschaftlichen Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktordnung beinhalten. Immer mehr würden auch in der Forschung zu Recht Akteure und ihr spezifisches Verhalten betrachtet werden. Transformationen, so argumentierte ich, seien Schlüssel zur Stabilisierung von Gesellschaften. Zugleich aber eröffnen Transformationen auch die Gefahr neuer gesellschaftlicher und politischer Rivalitäten. Man müsse konzedieren, dass Referenzpunkt für die diversen Transformations-, Demokratisierungs- und Modernisierungstheorien immer noch westliche Vorstellungen von Moderne und Postmoderne seien. Dieses theoretische Verständnis müsse erweitert werden, wenn wir mit unseren westlichen Transformationsideen weltfähig bleiben wollten. Fragen nach Bedingungen und Voraussetzungen außerhalb des industrialisierten Nordens seien mehr als bisher zu berücksichtigen. Daher werde gerade im Bereich der Projektumsetzung von Kooperationen, die das Ziel haben, Transformation zu ermöglichen und gelingen zu lassen, die Frage nach dem Referenzpunkt entscheidend: Was ist der Maßstab, welcher Modernitäts- und welcher Zielbegriff liegen der Projektarbeit zugrunde? Was ist, wenn Transformation rückwärts weist? Wenn in der Zentralafrikanischen Republik plötzlich wieder das Faustrecht herrscht? Wenn in Ägypten radikale politische Islamisten in freien Wahlen siegen und danach von einer Militärdiktatur zurückgewiesen werden? Wenn die Sahara eher verbindet als trennt, vor allem bei grenzübergreifenden Gefahren nach dem Sturz Gaddafis? Die Maßstäbe für gelingende, gescheiterte oder unentschiedene Transformation seien jeweils sehr unterschiedlich und müssten feingeschliffen werden, führte ich meine Überlegungen fort. Sozialwissenschaftliche Kooperationsprojekte müssten sich mit diesen theoretischen Fragen auseinandersetzen. Die Folgen dieser Fragen seien noch ungeklärter als abstrakte politische Antwortansätze für das Gelingen von Entwicklung. Derzeit würden sich wohl die allermeisten Sozialwissenschaftler den Realitäten und Transformationen Afrikas annähern wie die Naturforscher des 18. Jahrhunderts fremden Vulkanen oder Insekten: mit Vorsicht. Wichtig sei, so sagte ich, dass wir andere überhaupt verstehen wollen. Wir würden, wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, zugeben müssen, dass wir oft, gerade in Afrika, die Leute besser zu verstehen meinen als sie selbst sich verstehen. Wir

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müssten Abschied nehmen von der unterbewussten Idee, Afrikaner nach unserem Bilde modern werden zu lassen. Das könne nicht gelingen. Ein kluger und innovativer Transformationsbegriff vereinige den Entwicklungsbegriff mit der politischen Systemfrage. Aber die Millennium Development Goals, so behauptete ich, würden nicht erreicht, wenn wir nicht den Entwicklungsbegriff selbst weiten. Das Verbindende in der Transformation bei uns und anderenorts müssen wir definieren, um zu Partnerschaft und zu gelingenden Kooperationsformen zu finden. Afrika befinde sich inmitten der größten und umfassendsten Transformation seit mehr als 100 Jahren. Die Trennung von Subsahara und Nordafrika löse sich auf, in allerlei Hinsicht, auch in Bezug auf Migrationsgrenzen, sagte ich bei den „Afrika-Tagen“ 2014. Die Verflechtungen der Währungsunionen, auch mit Europa, müssten neu studiert werden. Es gebe eine aufstrebende Mittelschicht in Afrika, die wir anders wahrnehmen sollten als es die üblichen Entwicklungstheorien tun. Transformation gelinge nicht über, sondern nur mit den Menschen, wenn wir nicht zu Gefangenen unserer Begriffe und Theorien werden wollen. Ich lenkte den Blick schließlich auf die Wichtigkeit des Eigentumsbegriffs, der in Afrika sehr verzerrt eingeführt worden sei. Mir war bewusst, dass bei den „Afrika-Tagen“ des BMBF vornehmlich naturwissenschaftliche Kollegen präsent waren, die „Entwicklung“ eher messen als normativ reflektieren. Alt-Bundespräsident Horst Köhler hielt bei den „Afrika-Tagen“ eine fulminante, zu Herzen gehende Rede. Dieser Politiker brannte wirklich für ein neues Afrika-Bild in Europa, das Vielfalt und Widerspruch, Chancen und Geduld verbindet. In Ehrfurcht und Demut von Afrika zu sprechen, forderte er, und geißelte Heucheleien, hier wie dort. Hegels anti-afrikanische Affekte, der Kontinent habe keine Geschichte und keinen Geist, nannte er „grottenfalsch“. Köhler war überzeugt von einem „Africa on the move“. Er sprach vom „Chancen-Kontinent Afrika“. Ich freute mich natürlich ganz besonders, dass die WAI-ZEI-Kooperation in den offiziellen Broschüren des BMBF auch bei dieser Gelegenheit als „Leuchtturmprojekt“ präsentiert wurde. Ein weiteres WAI-ZEI Studiengruppentreffen fand am 27. und 28. März 2014 in Avignon statt (Kühnhardt 2022, S. 641 f.). Mehrere dortige juristische Kollegen mit Afrika-Kenntnis wurden auf diese Weise an Bord geholt. Philippe Obert, Université Avignon, Djénéba Traoré und ich leiteten die Tagung. Gewichtige rechtswissenschaftliche Fragen der regionalen Integration wurden erörtert. Liberalisierung und Regulierung in regionaler Integration, eingeführt von Christian Koenig, meinem Kollegen am Bonner ZEI, und Amadou Dieng, UEMOA-Kommission, Ouagadougou. Steuerfragen mit Blick auf Energie und technologische Innovation im Kontext regionaler Politikformulierung, eingeführt von Felix N’zue, ECOWAS Commission, und Céline Bas, Université Avignon, sowie Gervasio Semedo, Université Tours. Regulierung und Wettbewerb im Kontext ökonomischer Integration in sektorspezifischer Ausrichtung, eingeführt von Jerome Joubert, Université Avignon, und Isabelle Rabaud, Université Orléans. Die Perspektiven der EU-Afrika Partnerschaft über 2014 hinaus, eingeführt

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von Djénéba Traoré, Samuel Priso-Essawe, Université Avignon, Quentin de Roquefeuil, European Centre for Development Policy Management (ECDPM), Brüssel, und von mir. Energie- und Technologiefragen, eingeführt von Olugbenga Adesida, African Leadership Institute, London, Charlotte King, Cross-border Information Service, London, Johannes Gabriel, Institut für angewandte Vorausschau, Berlin. Datenaggregation und methodische Probleme mit Daten für die Forschung, eingeführt von Beejaye Kokil, Chefstatistiker der African Development Bank, Tunis, und Volker Nitsch, Technische Universität Darmstadt. Bei der Tagung in Avignon und an verschiedenen anderen Orten erläuterte ich 2014 meine grundsätzliche Einschätzung der derzeitigen Entwicklungen in Afrika. An erster Stelle gehe es darum, in Menschen zu investieren, in Wohlstand und Frieden als Motor des Wandels. Ich sprach vom Kontinent der Möglichkeiten, nicht nur der Krisen, von Geduld und Respekt, Demut und Neugier. Die Diskurse in Europa müssten vernetzter werden mit unseren eigenen Gesellschaften. Das komme zwar fast der Quadratur des Kreises nahe, aber unter dem sei nichts mehr zu gewinnen im Verhältnis Europas zu Afrika. Ich regte besseres Benchmarking und ein zielorientierteres Monitoring der politischen Strategien an, vor allem aber die bessere Aktivierung der afrikanischen Diaspora. Es sei essenziell, Afrikaner zu motivieren, in Afrika zu investieren, bevor Gleiches von Europäern erwartet werden kann. Eine Erneuerung der Begriffe von Transformation und Entwicklung sei nötig. Die Begriffe seien leer geworden, weil sie austauschbar inflationiert sind. Afrika und Europa müssten gemeinsam an die Begriffsarbeit gehen, unter Einbezug der Erfahrung der je anderen Seite. In Europa habe es Jahrhunderte gedauert, um aus Kriegen zu bürgerlichen Gesellschaften und einem soliden Mittelstand zu gelangen. Arbeit und Kapitalbildung sind Schlüsselthemen, wenn an die Entwicklungsaufgaben Afrikas gedacht wird. Man müsse ehrlicher miteinander sein, bei der Erziehung anfangen und Abstand von zu viel politischer Rhetorik nehmen. Im Mittelpunkt eines Arbeitstreffens vom 5. bis 8. Juli 2014 in Praia standen ausführliche Beratungen von Djénéba Traoré und mir mit der Führung der Nationaluniversität, namentlich ihrer neuen, sehr zupackenden Rektorin Judite Nascimento, und Manuel Roberto, dem Vertreter des Bildungsministeriums von Cabo Verde, über den ZEI-WAIVorschlag eines Master-Studiengangs in African Regional Integration in Kooperation von Nationaluniversität und WAI. Erfreulicherweise hatten WAI und die Nationaluniversität am Tag vor meinem Eintreffen das von mir vorgeschlagene „Memorandum of Understanding“ unterschrieben, das eine weitgehende Kooperation auf der Basis einer Kostenteilung vorsah. Wir berieten das von Sally Watkins und Fatima Fortes erarbeitete Konzept des Master-Studiengangs und finalisierten das angestrebte Curriculum. Ein

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Fahrplan für die nachfolgend erforderlichen Beratungen und Entscheidungen in der Universität und im Ministerium sah vor, das Masterprogramm frühestens ab 2015, spätestens ab 2016 anzubieten. Mit diesen Vorgaben führte die ZEI-WAI-Kooperation in eine nachhaltige Spur. Mir blieb zu dieser Zeit undurchsichtig, wie sich das Verhältnis des WAI zu ECOWAS entwickelte. Es wurde gemunkelt, José Brito, der WAI-Chairman habe in dem bürgerkriegsartigen Konflikt in der Elfenbeinküste auf der falschen Seite gestanden. Seine Ambitionen, ECOWAS-Generalsekretär zu werden, seien daher wohl hinfällig. Aber das müsste natürlich überhaupt kein Grund sein, das West Africa Institute abzuschreiben, das gerade erfreulich damit begann, wirksam zu werden. Umso vorteilhafter war es, dass WAI eine strukturierte Verbindung mit der Nationaluniversität von Cabo Verde eingegangen war. Mein 2014 erschienenes Buch Africa Consencus (Kühnhardt 2014) hatte ich neben Bibiana und Joseph Mallya Mardai, die mir 1977 erstmals afrikanisches Dorfleben in Tansania vermittelt hatten, den Kollegen des West Africa Institute gewidmet. Nun konnte ich je ein Exemplar an Djénéba Traoré, die die Fastengebote des Ramadans einhielt, Corsino Tolentino und José Brito übergeben. In Praia hatte unterdessen das ECOWAS Institut für Erneuerbare Energien ECREE seine Pforten geöffnet. Wir hatten ECREE-Mitarbeiter John Yeboah aus Ghana gewonnen, eine WAI-ZEI-Fellowship zu akzeptieren, um regulatorische Defizite im Feld der Umsetzung regionaler Energiestrategien zu studieren und einen WAI-Forschungsauftrag zu formulieren, der das Institut auf eine breitere Forschungsbasis würde stellen können. Im Herbst 2014 kam Charles Minega aus Mozambique als weiterer WAI-ZEI-Fellow nach Praia mit einem Forschungsauftrag zur Frage der Stärkung humaner Ressourcen im Bereich der regionalen Institutionen. Zu neuen westafrikanischen Praktikanten gesellte sich Mitte 2014 für einige Monate mein Neffe Philipp Hermann hinzu. Die Aufbruchstimmung im WAI war unverkennbar. Betrübnis kam nur auf, als am 8. Juli 2014 im Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft die deutsche Mannschaft Brasilien demütigend mit 7:1 besiegte. Die Kapverder trauerten natürlich mit den Brasilianern, wohin die Flugverbindung kürzer ist als nach Lissabon und viele historische Verbindungen und Familienbande weisen. In Cabo Verde lernte ich die weltumspannende Bedeutung der lusitanischen Länder verstehen, zu denen neben Portugal, Brasilien und Cabo Verde Angola und Mozambik, Sao Tome e Principe und Guinea-Bissau sowie Timor-Leste gehören.

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Abb. 7.21    Übergabe des Konzepts für einen Studiengang „Master of African Regional Integration Studies“ an den Bildungsminister von Cabo Verde, Antonio Correia e Silva, durch die Rektorin der Nationaluniversität, Judite Nascimento, WAI-Direktorin Djénéba Traoré und mich. Staatspräsident Jorge Carlos Fonseca schaut per Foto zu (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Das Studiengruppentreffen vom 24. bis 26. März 2015 in Praia begannen wir mit einer Schweigeminute. Am 9. März 2015 war unser Kollege Gilles Cistac in Maputo von schwarzen Rassisten (auch das gibt es leider auf dieser Welt) ermordet worden. Ich hatte den Rechtswissenschaftler Cistac dort als einen besonders klugen und engagierten Kollegen kennengelernt. Guilherme Junior, der gemeinsam mit Cistac das Forschungsinstitut CEDIR an der Mondlane Nationaluniversität von Mozambik leitete, war zu unserem Studiengruppen-Treffen hinzugestoßen. Ich leuchtete eingangs unserer wissenschaftlichen Gespräche den geopolitischen Horizont aus, in dem wir uns trafen: Strauchelnder Arabischer Frühling, aggressive Annexion der Krim durch Russland, Unsicherheit über die Reaktionen der Europäer auf den zunehmenden Migrationsdruck auf die südlichen Regionen der EU. Mit Djénéba Traoré und Judite Nascimento, der Rektorin der Nationaluniversität von Cabo Verde, konnte ich in diesen Tagen das von uns finalisierte Curriculum für einen Master in African Regional Integration an den kapverdischen Bildungsminister Antonio

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Correia e Silva übergeben, den ich 2008 als Vorgänger von Frau Nascimento kennengelernt hatte. Ich erinnerte an das Vertrauen, das das BMBF in unsere Kooperation gesetzt hatte. Wir hofften, dass mit dem Beginn des „Master of African Regional Integration Studies“ Nachhaltigkeit und Sichtbarkeit für WAI und die Nationaluniversität von Cabo Verde in ganz Westafrika entstehen werden. Ich dankte den kapverdischen Autoritäten für die gute Unterstützung und würdigte das große Vertrauensverhältnis von Djénéba Traoré, Judite Nascimento und Corsino Tolentino, dem Urvater des WAI-Projektes, zu mir und dem ZEI. Der Minister sagte zu, ab jetzt die Führung in der Angelegenheit zu übernehmen, damit der Master-Studiengang 2016 starten könne. Unterrichtseinheiten sollten in allen drei Amtssprachen von ECOWAS angeboten werden, englisch, französisch und portugiesisch. Tatsächlich startete der Master in African Regional Integration mit für afrikanische Verhältnisse ungewöhnlich kurzer Verzögerung im Studienjahr 2017. Wir nahmen sogleich das nächste Kooperationsprojekt in Angriff und begannen in diesen Tagen mit der Konzipierung eines pan-afrikanischen Netzwerks für Studien in regionaler Integration. Die holländische Generalsekretärin Mirte van den Berge erklärte, wie das analoge europäische Netzwerk Trans European Policy Studies Association (TEPSA) funktioniert. Wanayama Masinde, Katholische Universität von Ostafrika, Nairobi, William Baah-Boateng, University Legon, Ghana, Solomon Gebreyohans Gebru, Mekele Universität Addis Abeba, und Gervasio Semedo, Université Tours vertieften alle nur denkbaren Aspekte der Idee, ein ähnliches Netzwerk in Afrika zu etablieren. Die anwesenden Afrikaner unterzeichneten einen „Praia Call for Action for an African Regional Integration Studies Association“ (ARISA). Seit einer Dekade hatte Afrika signifikante Fortschritte in der regionalen Integration gemacht. Diese Sachverhalte zu studieren und Forscher zu vernetzen, würde nützlich sein. Die Unterzeichner erklärten den Wunsch, Wissenschaftler aus allen Regional Economic Communities (RECs) zusammenzuführen, den Bausteinen der Entwicklung der Afrikanischen Union. Djénéba Traoré und ich publizierten unsere Reflexionen und das gemeinsam erarbeitete Konzept für ARISA (Traoré und Kühnhardt 2015). Beim letztmaligen WAI-ZEI-Studiengruppen-Treffen am 10. und 11. November 2015 in Bonn erklärten sich die anwesenden Kollegen aus Afrikas Regionen zur konstituierenden Gründungsversammlung der „African Regional Integration Studies Association“ (ARISA). Sie beschlossen Statut und Strategieplan, wählten sich zum Board und Gervasio Semedo zum ersten Vorsitzenden für die Zeit von 2016 bis 2019. Der wenig später verstorbene Wirtschaftsdirektor der Kommission der Afrikanischen Union, René N’Guettia Kouassi, überbrachte ermutigende Worte der Unterstützung der Präsidentin der Kommission der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, und stellte einen Beobachterstatus für ARISA bei den Organen der Afrikanischen Union in Aussicht, sobald die Registrierung als Association (Verein) in Praia erfolgt sei. Mir war es gelungen, eine Zusage des BMBF über 750.000 € für die Startphase von ARISA zu gewinnen. Teilnehmer des ARISA-Gründungstreffens waren: Guilherme Junior, Centre

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of Studies on Regional Integration and SADC Law (CEDIR), Eduard Mondlane University Maputo, Gervasio Semedo, Université Tours, Emmanuel Kam Yogo, Université Douala, Kamerun, Wanayama Masinde, Institut for Regional Integration and Development, Catholic University of East Arica, Nairobi, William Baah-Boateng, University Legon, Accra, Ghana, Kocra Assoua, Farafina Institut, Universität Bayreuth, und Essien Abel Essien, Wirtschaftsberater der ECOWAS-Kommission. ARISA bekam einen schönen Flyer zu Zwecken der Selbstdarstellung und ein klares Arbeitskonzept (jährliches Symposium, Kapazitätsaufbau, Preis für Nachwuchswissenschaftler, eine Homepage mit Web-Adresse) mit auf den Weg. Dann zog ich mich namens des ZEI zurück. ARISA konnte nur in Ownership der afrikanischen Kollegen gelingen. Die Bonner WAI-ZEI-Begegnung fand einen geradezu passgenauen  symbolischen Abschluss: Djénéba Traoré und ich traten am 11. November 2015 gemeinsam im Fernsehsender „Phoenix“ auf, um das zeitgleich beginnende EU-Afrika-Gipfeltreffen in Malta zur Migrationsproblematik zu kommentieren. Wir bestaunten im Studio das live übertragene Bild des eigenwilligen Schifferknoten-Denkmals vor dem Castillo, dem Ministerpräsidentenpalast in Valetta, wo sich alle Staats- und Regierungschefs wie bei einer Trauerfeier für die 25.000 im Mittelmeer ertrunkenen illegalen Migranten verneigten. Diese Menschen waren Opfer zynischer Schlepper und einer über 20 Jahre total verfehlten Politik in der EU und in Afrika geworden. Für unser Projekt hieß es, Bilanz zu ziehen. Vom 17. bis 20. April 2016 kamen wir ein letztes Mal in Praia zusammen. Noch einmal führten wir ein engagiertes und fachlich hochstehendes Studiengruppentreffen durch. Zum Thema Migration, der Rolle der Diaspora und der Problematik der Remittances führten Gervasio Semedo, Université Tours und Jude Eggoh, Université Angers, ein. Zum Thema einer verbesserten Regulierung und Legalisierung von Migration führten Francesco Magris, Université Tours, und Salomon Nsbimana, Economic Development Institut, Bujumbura, ein. Zum Thema illegale Migration, Sicherheitsprobleme und Terrorismus führten Ahmed Driss, Centre for Mediterranean and International Studies, Tunis, und Emmanuel Kam Yogo, Université Douala, ein. Zum Thema EU-AU Governance in der Migrationspolitik Guilherme Junior, CEDIR, Eduardo Mondlane Universität, Wanayama Masinde, Catholic University Nairobi, und Solomon Gebreyohans Gebru, Mekelle University ein. Ist Migration ein Beitrag zur Entwicklung oder zur Verarmung Afrika? fragte René N’Guettia Kouassi, Direktor der Wirtschaftsabteilung der Kommission der Afrikanischen Union, der unser Projekt von Anfang an so wohlmeinend unterstützt hatte. Am Ende der Studiengruppentagung wurden wir vom Ministerpräsidenten von Cabo Verde, José Maria Neves, empfangen. Djénéba Traoré und ich konnten ihm unsere positive Bilanz vortragen. 32 WAI-ZEI Paper, 19 WAI Critical Analysis and Action Strategies und 11 Regional Integration Observer spiegelten die intensive Forschungsarbeit von afrikanischen und europäischen Wissenschaftlern und Politikberatern in den vergangenen vier Jahren wider. Diese Forschungsergebnisse waren gedruckt und würden bleiben. Die Infrastruktur des WAI war konsolidiert und auf alle weiteren Aufgaben als regional relevanter Think Tank vorbereitet. Der Master in African Regional Integration

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würde schon sehr bald beginnen. ARISA war gegründet und müsste nun langsam unter Führung afrikanischer Kollegen werden. Der Vorsitzende des WAI Board, José Brito, überraschte uns alle bei diesem Gespräch mit Ministerpräsident Neves mit der guten Nachricht, dass das WAI soeben das lange ersehnte „Memorandum of Understanding“ mit der ECOWAS-Kommission unterschreiben konnte. Damit waren die finanzielle und logistische Zukunft des WAI als eines unabhängigen, gleichwohl der ECOWAS-Agenda zuarbeitenden Instituts gesichert. An diesem Abend ließen DjénébaTraoré und unsere Kollegen aus Afrika und Europa in der von mir so geliebten „Quintal da Música“ von Praia bei kapverdischen Batuku-, Funaná- und Morna-Klängen die erfolgreiche und wegweisende transkontinentale Wissenschaftskooperation nach einem Jahrzehnt ausklingen. Einen guten Bericht über alle Details unserer ungewöhnlichen und außergewöhnlich erfolgreichen transkontinentalen Wissenschaftskooperation haben Matthias Vogl und Rike Sohn erstellt (Vogl und Sohn 2016).

7.3  Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners (Kühnhardt 2014): Impulse für den G20 „Compact With Africa“ Seit den 70er-Jahren habe ich mich mit Afrika beschäftigt. Ich habe sehr unterschiedliche Phasen der Entwicklung in Afrika und der Beziehungen Afrikas zur Welt erlebt. Von einem „wind of change“ war die Rede, als in den späten 50er- und frühen 60erJahren Dutzende von afrikanischen Staaten die nationale Unabhängigkeit erreichten. Das Entwicklungsparadigma löste den antikolonialen Kampf ab. In den 70er Jahren wurde der Entwicklungsoptimismus erschüttert. Zugleich verschoben sich die internationalen Diskurse über den besten Weg für Afrika. Aus Entwicklungshilfe wurde Entwicklungspolitik. Lautstark ertönte jetzt der Ruf nach gerechteren Strukturen der Weltwirtschaft. Dass China schon seit dieser Zeit in Afrika engagiert war, entging den meisten im Westen. In dieser Zeit veröffentlichte ich mein Buch Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik (Kühnhardt 1980e). Ich hatte unterdessen ein dreiviertel Jahr in Afrika zugebracht. Mein Traum, bei dem renommiertesten Historiker Afrikas, Joseph Ki-Zerbo, in Ouagadougou für ein Jahr afrikanische Geschichte zu studieren, zerschlug sich. Mich hatte sein Buch Die Geschichte Schwarz-Afrikas (Ki-Zerbo 1979) tief beeindruckt. Weitere Feldforschungen und Studienreisen nach Afrika folgten, ebenso immer wieder kleinere Veröffentlichungen zu afrikanischen Fragen. Die 80er-Jahre wurden für Afrika zu einer verlorenen Dekade. Staatsstreiche und Bürgerkriege, Wirtschaftszerfall und Armutsanstieg beherrschten die Berichte aus Afrika. Mit der Überwindung der Apartheid in Südafrika wendete sich in den 90er-Jahren der weitverbreitete allgemeine Eindruck. Nelson Mandela wurde zur Ikone der afrikanischen Renaissance. Ich begegnete Nelson Mandela 1991 während einer Gastprofessur an der Universität Kapstadt (Kühnhardt 2021, S. 404 f.).

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Abb. 7.22   Mit Ado Bayero, dem Emir von Kano (2007). (©Ludger Kühnhardt)

Nach 2000 steigerte sich die optimistische Stimmung gelegentlich. Afrika wurde der gleiche Sprung nach vorne prognostiziert, wie China ihn seit den 1970er-Jahren erlebt hatte. Schon bald schlug diese hoffnungsvolle Erwartung im Westen wieder um in Skepsis. Die Sorge wuchs, dass der Einfluss Chinas in Afrika zu groß werden könnte. Selten hielt eine Wahrnehmungsstimmung in Bezug auf die Entwicklungen in Afrika allzu lange an. Afrika schien dazu verdammt, immer wieder extreme Einschätzungsschwankungen zu produzieren. Es war Zeit, Realismus in die Wahrnehmung Afrikas einziehen zu lassen. Dazu gehörte aus meiner Sicht an allererster Stelle, Afrika von Afrika her zu denken, zu sehen, zu verstehen. Meine Forschungen zur weltweiten Verbreitung regionaler Integrationssysteme ließen mich in Afrika höchst komplexe Strukturen kennenlernen. Sie aus sich selbst heraus zu würdigen, schien mir ebenso notwendig wie eine umfassende Neubewertung des Verhältnisses Afrikas zur außerafrikanischen Welt.

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Abb. 7.23   Mit den Kollegen Modi Koko Bebey und Emmanuel Kam Yogo vor meinem Vortrag an der Universität von Douala (2010). (©Ludger Kühnhardt)

Zwischen 2008 und 2014 komplettierte ich meine persönliche Entdeckung Afrikas, die 1977 in Tansania mit einem Freiwilligendienst im Dorfhospital von Kibosho begonnen hatte. 1980 folgten dramatische Erlebnisse und journalistische Berichte vom Horn von Afrika sowie weitere Feldstudien in Nordafrika und in Ostafrika. In den 1990er-Jahren gelangte ich zu weiteren Einsichten in Nordafrika und im südlichen Afrika im Kontext einer Gastprofessur an der Cape Town University. Bis in die 2010er-Jahre konnte ich alle 54 Staaten Afrikas kennenlernen (Kühnhardt 2021; Kühnhardt 2022, passim). Ich hatte nun über vier Jahrzehnte Europas südlichen Nachbarkontinent erlebt. Ein Eindruck war vorherrschend: Afrika hatte sich während meiner Lebzeit aufgemacht, von postkolonialen zu post-postkolonialen Realitäten überzugehen. Was das im Einzelnen bedeutete, wollte ich in einer umfassenden Monografie rekonstruieren und analysieren. Zunächst verfasste ich 2008, wie schon beim Thema Region-Building und anknüpfend an den dortigen Forschungsansatz, einen größeren Aufsatz, um mir über meine Fragestellung, einige methodische Probleme und einige Hypothesen erste Klarheit zu verschaffen. Der Fokus meiner Untersuchung lag im Feld der regionalen Integration und der Rolle der EU in Afrika, auch in historischer Perspektive (Kühnhardt 2008). Zeitgleich führte ich meine

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systematischen Aufenthalte in Afrika weiter und hielt Seminare zum Thema EU-Afrika im politikwissenschaftlichen Seminar der Universität Bonn ab, um meine Forschungsergebnisse unmittelbar in die Lehre einfließen zu lassen und dort kritischen Fragen der Studierenden zu unterziehen (Sommersemester 2009, Wintersemester 2009/2010, Sommersemester 2010, Wintersemester 2010/2011, Sommersemester 2012, Sommersemester 2013, Wintersemester 2013/2014 und Sommersemester 2014). Eine neuerliche Einladung als Public-Policy Fellow an das Woodrow Wilson International Center for Scholars vom 12. Februar bis 26. Juni 2011 gab mir den Freiraum, um meine Skizzen, Gedanken und Argumente zu sortieren. Die Eindrücke von meinen Aufenthalten waren präsenter denn je. Ich hatte unterdessen fast eineinhalb Jahre in Afrika zugebracht. Die Rohfassung von Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners entstand (Kühnhardt 2014). Die unübertrefflichen Forschungs- und Studienmöglichkeiten in Washington, dazu weitere wertvolle Gespräche mit Fachkollegen und politischen Akteuren waren eine tägliche Quelle der Motivation. Aufgrund der Dichte von politischen und wissenschaftlichen Institutionen in Washington konnte ich an nahezu 30 verschiedenen wissenschaftlichen und öffentlichen Institutionen Fachgespräche und Interviews führen. Besonders aufschlussreich waren die Begegnungen mit Amina Salum Ali, der Botschafterin der Afrikanischen Union in den USA, und mit Chester Crocker, von 1981 bis 1989 stellvertretender Außenminister der USA für afrikanische Fragen. Mit den Gesprächen in Washington konnte ich an vorherige Feldforschungen und Interviews in Nord-, West- und Zentralafrika, in China und Indien sowie bei den Institutionen der Europäischen Union anknüpfen.

Abb. 7.24   Mit Chester Crocker, stellvertretender Außenminister der USA für Afrika von 1981– 1989, in Washington D.C. (2011). (©Ludger Kühnhardt)

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Am 13. Juni 2011 referierte ich über den Stand meiner Arbeit im Wilson Center. Zunächst dankte ich Christian Ostermann, dem Leiter des Europa-Programms des Wilson Center, und Steve MacDonald, dem Leiter des Afrika-Programms des Wilson Centers. Sie hatten gemeinsam den transkontinentalen Ansatz meiner Studie verstanden und unterstützt. Ich wollte nicht die üblicherweise reduzierte geografische Sichtweise anwenden, das heißt, entweder nur von innen und damit potenziell apologetisch auf Afrika schauen oder nur von außen und damit strukturell paternalistisch Afrika bewerten. Zum zweiten wollte ich nicht einen der ausgetretenen Wege der Afrika-Forschung verlängern und entweder nur entwicklungspolitisch oder im Sinne von Area Studies ansetzen. Ich wählte auch nicht die üblichen Zugänge der Disziplin der Internationalen Beziehungen, wo Afrika üblicherweise stark theoriegeleitet als eine Funktion der westlichen Sicht auf die Weltordnung eingeordnet wird. Ich berichtete über work in progress. Ich gab einen Überblick über den Stand und, vor allem, die Trends der Forschung zu Afrika. Ich stellte meine These vor, dass im Gegensatz zum 19. Jahrhundert heute kein „scramble for Africa“ stattfinde, sondern ein „scramble with a new Africa“. Ich berichtete, wie viel Mühe ich darauf verwendet hatte, Daten und Fakten zusammenzusuchen und auszuwerten, die das Wechselspiel der afrikanischen Entwicklungen und Interessen mit den afrikabezogenen Aktivitäten und Interessen der wichtigsten externen Partner Afrikas sachgerecht wiedergeben. Europa kam, wenn konnte dies wundern, dabei meistens schlecht weg: Fast alle Datensätze betrachten immer nur die einzelnen EU-Mitgliedsländer, präsentieren aber kaum die EU-Daten in aggregierter Form. Die Mehrheit der amerikanischen Literatur zu Afrika, führte ich weiter aus, handele vor allem von China.

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Abb. 7.25   Mit Koen Vervaeke, dem ersten Botschafter der EU bei der Afrikanischen Union, und Abdoullie Janneh, dem stellvertretenden Generalsekretär der UNO (2011). (©Ludger Kühnhardt)

Diese Sicht der Dinge sei ich dabei zu überprüfen, denn sie sei zu simpel. Natürlich gebe es globale Machtverschiebungen. Auch sei richtig, dass das Interesse an Afrika in aller Welt gestiegen sei. Aber die vor allem in den Medien kolportierte These sei zu relativieren, dass China in Afrika einfach bloß als neue Kolonialmacht auftrete. Bei den von mir aggregierten Datensätzen lag in den Sparten Handel, Investitionen und Entwicklungshilfe jeweils die EU vorne. Chinaphobie handele häufig mehr von uns selbst, merkte ich selbstkritisch an, und weniger von den Chinesen oder gar von Afrika in seinem Blick auf China. Das neue Balgen um Afrika, intonierte ich, werde ein Balgen mit Afrika sein, da Afrika in der letzten Dekade sowohl auf dem kontinentalen Level als auch unter den wichtigsten nationalen Akteuren seine Handlungsspielräume deutlich erhöht hatte. Aufgrund des gesteigerten und vielfältigen externen Interesses an Afrika können afrikanische Staaten immer wieder eine selektive Partnerwahl treffen. Ich ergänzte meine Ausführungen mit einigen weiteren aus meiner Forschung erwachsenen Thesen. Der arabische Frühling werde nicht nur im Norden, sondern auch im Süden

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und damit in Subsahara-Afrika zu spüren sein. For better or worse, wie ich anmerkte. Dabei blickte ich auf die unberechenbaren Folgen der westlichen Intervention in Libyen, die ich mit größter Sorge verfolgte. Mir war längst klar, dass die Folgen einer nicht zu Ende gedachten westlichen Intervention in Libyen auch viele Staaten von SubsaharaAfrika destabilisieren konnten, vorneweg Mali. Die Trennlinie zwischen Nordafrika und Subsahara-Afrika werde bald nicht mehr relevant sein. Die postkolonialen Jahre Afrikas, führte ich fort, dauerten bald schon länger als die Kolonialzeit. Ich sprach von der derzeitigen Dekolonialisierung des Postkolonialismus, den wir miteinander erleben. Die derzeitige Handyrevolution, die in Afrika noch zügiger und wirksamer voranschritt als anderenorts, werde den Wandel weiter beschleunigen, aber auch unsicherer machen. Die wichtigste Frage sei, wie afrikanische Strategien bezüglich der Weiterentwicklung Afrikas sich zu den unsrigen beziehungsweise denen aller anderen externen Akteure verhalten. Mir war natürlich aufgefallen, dass alle möglichen anderen Akteure, die EU ebenso wie China oder Indien, Strategien in Bezug auf Afrika besaßen, während die USA über eine robuste Afrikapolitik verfügen. Diese sei vor allem sicherheitspolitisch getrieben und handelspolitisch über das AGOAAbkommen (African Growth and Opportunity Act) mit afrikanischen Ländern. Chinas afrikanisches Engagement sei im Letzten angetrieben von der Sorge um die innere Stabilität des chinesischen Aufstiegs. Seit den Tagen Zhou Enlais in den 60er-Jahren sei China natürlich auch ideologisch an Afrika interessiert. Heute dominiere gleichwohl an erster Stelle die Frage, inwieweit Afrikas Entwicklungen Chinas heimische Stabilität berühren. Man könne also pauschalisierend sagen, die USA seien sicherheitsgetrieben, China stabilitätsgetrieben und Europa in einer Rhetorik der Partnerschaft verfangen. Die europäische Rhetorik werde von den Ambivalenzen und Unsicherheiten genährt, die sich für den direktesten Nachbarn mit den potenziell unmittelbarsten Folgen afrikanischer Eruptionen naturgemäß anders darstellen als für die weiter von Afrika entfernten USA und China. Afrika, so fasste ich meine Forschungen zusammen, sei der Testfall für einen smarten Multilateralismus. Man sprach in der Forschung unterdessen von 17 Emerging Countries auf dem afrikanischen Kontinent. Einzelne afrikanische Länder standen inzwischen an der Schwelle zur Industrialisierung, Ghana und Gabun beispielsweise. Indien engagierte sich mit Projekten des E-Governance in Afrika. Deutschland hatte trilaterale Kooperationen mit Brasilien und dem lusophonen Afrika vorgeschlagen. Die EU war unterdessen überall in Afrika mit eigenen Botschaften vertreten. Die Rolle der afrikanischen Diaspora war enorm und völlig unterbeforscht und für nachhaltige Entwicklungsansätze in Afrika ungenutzt. Der Mittelstand in Afrika wurde exponentiell größer, aber das musste nicht unbedingt mehr Stabilität und weniger Migrationsambitionen bedeuten, prognostizierte ich. Es gab allerdings weiterhin zu viele failed oder failing states in Afrika. Auf dem Gipfeltreffen der EU mit den USA im Jahr 2010 war

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das Thema Afrika Gegenstand für Überlegungen zu pragmatischer Kooperation gewesen. Das sei durchaus eine zukunftsfähige Komponente in einer runderneuerten transatlantischen Beziehung, die die EU und die USA in die Richtung des südlichen Atlantiks erweitern sollten. Brasilien und, eingeschränkt, Südafrika seien, so argumentierte ich, zwei wichtige „westliche“ Länder im globalen Süden. In der Diskussion sagte mir jemand, die erste große Sünde des Westens sei der Kolonialismus gewesen. Die zweite, noch größere Sünde des Westens sei es gewesen, Afrika über Nacht wieder verlassen zu haben Der Westen könne Afrika aber nicht länger vernachlässigen. Meine Studie Africa Consensus versuchte, genau diesen Anspruch einzulösen. Ich war dankbar und glücklich, dass sie im Verlag des Woodrow Wilson International Center for Scholars erscheinen konnte, die mit der überaus renommierten Johns Hopkins University Press zusammenarbeitet. Africa Consensus war von der Forschungsfrage geleitet, welche Folgerungen sich aus der zunehmenden Interaktion von Afrika mit allen anderen Teilen der Welt für die innere Entwicklung Afrikas und die Stellung Afrikas in der Welt ergeben. Dabei untersuchte ich, welche Auswirkungen die verschiedenen Strategien, die diese Trends unterstützen, auf Schlüsselbegriffe des politischen Denkens und Schlüsselkonzepte von Governance und Entwicklung in Afrika haben. Ich fragte nach den Wechselwirkungen zwischen afrikanischen und nicht-afrikanischen Strategien, die darauf abzielen, den Verlauf des Kontinents im 21. Jahrhundert zu beeinflussen, und ob diese Ansätze komplementär, überlappend oder im Widerspruch miteinander sind. Mir ging es um das Ineinander von internen und externen Aspekten der Entwicklung Afrikas. Ich verstand meine Studie als einen Beitrag zur Anwendung der Idee des Afro-Realismus. Ich anerkannte die Notwendigkeit eines differenzierten, frischen Blicks auf viele Aspekte der immer wieder kolportierten herrschenden Meinungen über Afrika. Um dieses Ziel angemessen zu erreichen, suchte ich nach einem Gleichgewicht zwischen empirischer Forschung und konzeptionellen Fragen sowie theoretischen und normativen Überlegungen, um ein möglichst breites und präzises Bild der aktuellen Situation und möglicher Trends in Afrika zu erhalten. Mein Ausgangspunkt war der strategische Plan der Afrikanischen Union für die gerade begonnene Dekade. Ich schlug vor, von ihm auszugehen, wo immer die internationale Gemeinschaft zusammenkam, um afrikabezogene Initiativen zu starten. Ich plädierte für diesen „Africa Consensus“, der vielversprechender sei als die beiden Ansätze, die sich in den letzten Jahren eingebürgert hatten, auch in der Forschungsliteratur über den richtigen Weg für Afrika: „Washington Consensus“ und „Beijing Consensus“. Von Afrika her zu denken, also einen „Africa Consensus“ zu finden, das dürfte ein weit besserer und erfolgversprechenderer Ansatz werden.

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Abb. 7.26   Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners (2014). (©Johns Hopkins University Press/Woodrow Wilson Center Press)

Meine Studie sollte den gängigen Horizont erweitern, um die aktuellen Paradigmenwechsel in Afrika besser zu erkennen und in die Perspektive für eine erfolgreiche Globalisierung einzubeziehen. Um das Potenzial dieser Bemühungen zu erfassen, versuchte die Studie, verschiedene Themen und Fragestellungen miteinander zu verbinden, vor allem Vorstellungen von Governance und Solidarität in ihrer Interaktion mit Konzepten von Entwicklung, Fortschritt und solchen universellen Normen, die diesen Begriffen zugrunde liegen. Die Studie stützte sich stark auf empirische Daten und suchte diese mit konzeptionellen und politischen Fragen zu verbinden. Die Studie

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beseitigte eine ganze Reihe von Stereotypen, einschließlich der Vorstellung, es gebe ein einheitliches Afrika, während in Wirklichkeit die Differenzierung zwischen afrikanischen Ländern und Gesellschaften exponentiell zunimmt. Da zu Recht immer mehr Anstrengungen unternommen werden, um Afrika an seinen rechtmäßigen Platz in globalen Angelegenheiten zu bringen, erschien es mir zwingend, über die Entkolonialisierung der postkolonialen Ära in Bezug auch die politische Theorie, auch zur Dekonstruktion der Postmoderne vorzudringen, durch einen neuen Sinn für das universelle Verständnis, das das globale Zeitalter, in dem wir leben, angemessen widerspiegelt.

Abb. 7.27   Ich widmete „Africa Consensus“ Bibiana und Joseph Mallya Mardai aus Tansania. Sie hatten mich 1977 in das Leben im ländlichen Afrika eingeführt. Bei einem Wiedersehen in Arusha (2014). (©Ludger Kühnhardt)

Africa Consensus. New Interests, Initiatives, and Partners war wie folgt gegliedert: Kap. 1 („The Global Turn and Its Meaning for Africa“) analysierte den Übergang von einer durch Ost-West-Fragen und Nord-Süd-Fragen fragmentierten Welt zu einer Welt der integrativen, aber asymmetrischen Globalität (Kühnhardt 2014, S. 15–31). Die Bedeutung Afrikas nach der globalen Wende bestehe darin, dass bei einem größeren Spielfeld mit mehr Spielern der Einfluss Afrikas wachse. Der Westen befinde sich derzeit in einer Phase der Selbstreflexion, in der es keine formative Idee für westliches Handeln

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in der Welt gibt. Während der Niedergang des Westens eine stereotype Behauptung ist, steigt sicherlich die Bedeutung „des Restes“. Dies, so argumentierte ich, beseitigt geografische Barrieren und unterkomplexe Vorstellungen von pyramidalen Beziehungen auf der ganzen Welt. Es sei notwendig, das Studium der politischen Geografie und der geopolitischen Ökonomie mit dem Studium von Kultur- und Identitätsfragen zu verbinden. Die neuen globalen Trends werfen auch neue konzeptionelle Fragen zur Definition des menschlichen und sozialen Fortschritts auf und zu den besten Modellen für Entwicklung, Governance und Multilateralismus. Ich stellte provokative Fragen: Widersprechen sich Effizienz und Freiheit? Können Transparenz und Rechtsstaatlichkeit mit Marktdynamik und sozialer Inklusivität in Einklang gebracht werden? Während das Zusammenleben auf der Welt neu kalibriert wird, waren die Auswirkungen für den alten Westen – die EU und die USA – bilateral und in ihrer Interaktion mit anderen Weltmächten weniger sicher als zu früheren Zeiten. Die EU und die USA mussten lernen, so analysierte ich die Aufgabe, sich mehrdimensional und weltweit zu engagieren. An dieser Stelle kam Afrika in den Blick, der Kontinent, der die meiste Zeit der Moderne am Rande der Geschichte gestanden hatte. In Kap. 1 argumentierte ich, dass Afrika, in der Vergangenheit oft nur das Zentrum externer Konflikte auf afrikanischem Boden oder das Objekt der vorherrschenden wirtschaftlichen und kulturellen Interessen externer Mächte, aufgrund der Globalität neue Räume für eine selbstbestimmte und global verbundene Zukunft gewinnt. Kap. 2 („Past Scrambles for Africa: Lessons learned“) blickte nicht nur zurück, sondern zog Lehren aus den gröbsten Versäumnissen der Vergangenheit (Kühnhardt 2014, S. 33–70). Von Anfang an hatte Afrika einer Außenwelt begegnet, die angetrieben war vom Willen zur Ausdehnung und bereit für Kämpfe um Vorherrschaft. Dies galt nicht nur für Europäer, sondern ebenso für Araber. Die imperialen Mächte blickten nach Afrika, um natürliche und menschliche Ressourcen von einem Kontinent zu gewinnen, der die Wiege der Menschheit gewesen war. Die ersten Begegnungswellen zwischen Afrika und der Außenwelt hatten sich auf Küstengebiete im Norden und Nordosten Afrikas beschränkt. Die Griechen und Römer hatten Afrika seinen modernen Namen gegeben. Ihnen folgten Araber, die neue Handelsdimensionen einführten, darunter den Sklavenhandel. Während Sklaverei eine afrikanische Praxis war, bevor sie zu einer Dimension des arabischen Handels und der islamischen Expansion nach Afrika wurde, trug sie dazu bei, die Relevanz Afrikas für den Export von Rohstoffen und Menschen zu verringern. Als der Sklavenhandel ein starkes Merkmal der Begegnung Afrikas mit verschiedenen europäischen Nationen geworden war, trug er zum Aufbau einer neuen Welt über den atlantischen Ozean hinweg bei. Am Ende aber diskreditierte und schwächte die Sklaverei den Westen moralisch. Als jedoch die Sklaverei zu Ende ging, suchten die expandierenden europäischen Nationen nach anderen Mitteln, um an afrikanische Ressourcen zu gelangen: Anstatt afrikanische Menschen zu exportieren, um die harte Arbeit in überseeischen Kolonien zu verrichten, verwandelten sie Afrika in Kolonien, die von indigenen, aber sachlich versklavten Menschen betrieben wurden.

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Der Kampf um afrikanisches Territorium war eine Externalisierung der innereuropäischen Konflikte, unter der die Afrikaner am meisten leiden mussten. Billige Arbeitskräfte wurden zur Signatur der afrikanischen Wirtschaft. Das Vorhandensein mehrerer Kolonien europäischen Ursprungs auf afrikanischem Boden war indessen das Gegenteil eines homogenen europäischen Kolonialismus. Es war eher ein Ausdruck von innereuropäischen Konflikten, die an die Ufer des Nils (Fashoda) oder des Kongo exportiert worden waren. Unabhängig von den lokalen Unterschieden wurde der Kolonialstaat zum Verwaltungsrahmen für die Kolonialwirtschaft. In keinem Fall war der Kolonialstaat demokratisch oder marktwirtschaftlich ausgerichtet. Es verriet die Werte und Verfassungsrechte, die Europäer und Amerikaner für sich selbst in Anspruch nahmen. Es gelang nicht, Ausbeutung in Entwicklung zu verwandeln. Der Überschuss Afrikas – Menschen und natürliche Ressourcen – wurde als Wohlfahrtsobjekt betrachtet. Die Menschen in Afrika wurden nicht als freie Subjekte akzeptiert, die Wohlstand schaffen können. Dies wurde im Fall des ersten unabhängigen afrikanischen Landes, Liberia, prototypisch deutlich. Liberia wandelte sich von einer britischen Kolonie zu einer Kolonie befreiter schwarzer Amerikaner. Die einheimische Bevölkerung blieb benachteiligt. Die globale Katastrophe des Zweiten Weltkriegs brachte mit der Selbstzerstörung der europäischen Mächte auch ein Ende ihrer globalen Hegemonie und des Kolonialanspruchs in Afrika mit sich. Die meisten afrikanischen Länder erlangten ihre Unabhängigkeit Mitte des 20. Jahrhunderts nach mehr oder weniger 80 Jahren Kolonialherrschaft. Während der nächsten 50 Jahre blieben die meisten unabhängigen afrikanischen Staaten schwach. Sie kämpften mit dem Aufbau von Nationen und versäumten es oft, für ihre Bürger das Versprechen der Freiheit zu erfüllen. Die Unabhängigkeit war im Namen der Werte erlangt worden, die europäische Kolonisatoren gepredigt, aber misshandelt hatten. Die externe Souveränität wurde im Namen der Prinzipien gewonnen und basierte auf Strukturen, die aus den Ländern der Kolonisatoren stammten. In den Händen der afrikanischen Unabhängigkeitsführer schrumpfte die nationale Souveränität allzu oft zu einem Anspruch auf Zugang zur Macht und damit zu einem Anspruch auf materielle Ressourcen. Unabhängig gewordene Staaten produzierten zu häufig autoritäre Monopolstrukturen, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Unabhängigkeit bedeutete die Übertragung souveräner Rechte in das lokale Staatsvermögen und ersetzte allzu oft den kolonialen durch einen durch internen Autoritarismus mit politischen und wirtschaftlichen Machtmonopolen. Die Außenwelt unterstützte die formale Unabhängigkeit Afrikas mit einem Entwicklungskonzept, das von Ideen des „social engineering“ und des „Fabian Socialism“ geprägt war. Modernisierung, Entwicklung und Governance wurden als statische Aktivitäten angesehen, bei denen ihre Voraussetzungen, ihr Kontext und ihre Auswirkungen kaum berücksichtigt wurden. Ein wachsender Teil der Staatshaushalte in den meisten afrikanischen Ländern wurde durch externes Kapital finanziert. Entwicklungshilfe führte selten zu einer nachhaltigen Entwicklung. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurde Afrika zum Krisenfall der Welt, zum Kontinent der Verzweiflung und Dunkelheit. Der

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Ruf nach einer afrikanischen Renaissance war die letzte Hoffnung für die Bewahrung der afrikanischen Würde. Eine afrikanische Renaissance würde aber nur möglich sein, argumentierte ich, wenn Afrika sich auf die Quellen einer nachhaltigen Entwicklung, auf die Voraussetzungen einer integrativen Modernisierung, auf die Bedeutung einer rechtsbasierten Ordnung sowie einer demokratischen Regierungsführung besinnen wird. Kap. 2 schloss mit der grundlegenden Lehre aus der kolonialen und postkolonialen Geschichte: Afrikas Zukunft wird von afrikanischer Eigenverantwortung abhängen. Externe Unterstützung von außen würde weiterhin notwendig sein, aber die Entwicklung könnte nur durch den Aufbau einer echten und komplexen Wirtschaft mit genuinen Wertschöpfungsketten erfolgen, die von einem engagierten und begrenzten Staat unterstützt und nicht entführt werden. Ein solchermaßen neu justierter afrikanischer Staat müsste so weit wie möglich mit den Nachbarstaaten zusammenarbeiten. Das Ziel wäre tatsächliche regionale Integration mit Mehrwert für Frieden und Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und verantwortungsvolle Staatsführung. In Kap. 3 („A New Beginning“) setzte ich meine argumentative Begründung für die Notwendigkeit einer neuen Sicht auf Afrika fort (Kühnhardt 2014, S. 71–117). Ich erinnerte daran, dass das Leben oft von den Rändern zurückkehre. Was in den Künsten, im Lebensstil und in der Politik gilt, gilt im globalen Zeitalter nicht weniger für Afrika. Kein Urknall, keine einfache Schnellreparatur, keine zentralisierte Idee oder kein zentrales Projekt würde den Neuanfang Afrikas erleichtern. Eine Neubewertung der Bedeutung Afrikas in der Welt und für die Welt müsse aus dem Zusammenspiel verschiedener Ideen und materieller Realitäten entstehen, die sich nur allmählich verbinden. Ein solcher Neubeginn kann nur mit neuen internen afrikanischen Initiativen starten, die mit dem wachsenden Interesse externer Akteure an Afrika, seinem Potenzial und seiner Partnerschaft einhergehen. Die Gründung der Afrikanischen Union 2001 war ein guter Startschuss, schrieb ich. Dies sei Ausdruck eines neuen Gefühls der Verantwortung der afrikanischen Eliten gegenüber dem Schicksal ihres Kontinents und seiner Bevölkerung. Auch die Außenwelt müsse Afrika mit neuen Augen betrachten. Das wachsende Interesse an Rohstoffen spiegelte die Dynamik der globalen Wirtschaftstrends wider, sowohl in alten wie in neu entstehenden Volkswirtschaften. Die wachsende Unterstützung für Demokratisierung und politische Stabilität zeigte einen Stimmungswechsel an: Bürgerkriege, gewalttätige Politik und konstitutionswidriger Regierungswechsel waren unterdessen in den meisten Regionen Afrikas verpönt. Eine kritische Debatte über den begrenzten Nutzen der Entwicklungshilfe müsse verbunden werden mit neuen Bewertungen des wirtschaftlichen Potenzials Afrikas, forderte ich. Seit der Jahrhundertwende hatte sich, so führte ich in diesem Kapitel weiter aus, der politische und akademische Diskurs über Afrika allmählich erweitert. Es war kein Diskurs mehr vorwiegend über Frustration, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Es war ein Diskurs geworden, der sowohl Chancen als auch Probleme umfasst. Dies spiegelte sich in einer neuen Ernsthaftigkeit in Bezug auf die Begriffe „Eigentum“ und „Verantwortung“ wider, ebenso in einer ehrlicheren Suche nach Stabilität durch gute Regierungsführung und in einer optimistischeren Suche nach der Entwicklung des

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wirtschaftlichen Potenzials Afrikas. Dieser Neuanfang zeigte sich auch im Umbau der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) zur Afrikanischen Union (AU) und in der damit verbundenen Anerkennung der strategischen Bedeutung von regionaler Integration als dem passgenauen Instrument zur Überwindung der Grenzen des postkolonialen Nationalstaates. Auf diesen afrikanischen Neuanfang musste die Europäische Union Bezug nehmen, wenn sie den Rahmen für eine aufrichtige Partnerschaft mit Afrika entwickeln möchte. Auch die USA reagierten unterdessen mit verstärktem Engagement in Afrika, ebenso Chinesen, Inder, Brasilianer, Südkoreaner, Türken, Araber. Die Prognosen der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und vieler Entwicklungsexperten auf der ganzen Welt über die wirtschaftlichen Aussichten Afrikas waren so zuversichtlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die vielen Herausforderungen, vor denen Afrika steht, könnten auf keinen Fall unterschätzt werden, ordnete ich meine Argumente ein. In einigen Fällen stellten Afrikas Herausforderungen weiterhin und fast grundsätzlich den Glauben der Menschheit an Fortschritt und den Begriff der Menschenwürde in Zweifel. Und dennoch: Eine vernünftige Analyse der aktuellen Trends in Afrika und bezüglich des Zusammenspiel Afrikas mit der Welt müsse die vorsichtigen und neuen Wege des Wandels in Afrika anerkennen. Das Kap. 3 präsentierte die wichtigsten neuen Diskurse über Afrika, aber auch neue Fakten zur reellen Lage in Afrika. Die nachfolgenden Kapitel waren geordnet entsprechend der vier „strategischen Säulen“ des Strategieplans der Afrikanischen Union für die Jahre 2009 bis 2012. In ihrem Strategieplan hatte die Afrikanische Union vier Interventionsbereiche oder „strategische Säulen“ thematisiert, die den Schwerpunkt eines ehrgeizigen Arbeitsplans für die Transformation Afrikas in den kommenden Jahren definieren. Ich verglich die Aussagen dieses Strategieplans mit den Afrika-Konzepten der USA, der EU, Chinas, Indiens, Brasiliens und wo möglich und nötig weiterer externen Akteure in Afrika. Schaubilder gaben einen guten Überblick über diese unterschiedlichen Interpretationen afrikanischer Prioritäten und Interessen. Alle Konzepte spiegelte ich in jedem der nachfolgenden Kapitel mit den afrikanischen Realitäten und Trends. In Kap. 4 („Strategic Pillar: Peace and Security“) erläuterte ich, dass die Afrikanische Union mit Recht Frieden und Stabilität als erste Säule identifiziert hat (Kühnhardt 2014, S. 119–158). Angesichts der Erfahrungen mit Gewalt und Instabilität in der Vergangenheit stützte der allgemeine Trend in Afrika seit der Jahrhundertwende den vorsichtigen Optimismus hinsichtlich einer friedlichen und auf Gesetzen basierenden Entwicklung von Regierungsführung und politischer Ordnung. Während die Gesamtzahl der Länder, die mit sich selbst oder ihren Nachbarn in Konflikt stehen, im Laufe des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts erheblich zurückgegangen war, blieb die Natur vieler afrikanischer Staaten und Gesellschaften schwach und verletzlich. Unter den vielen möglichen Gründen für diese Situation gelte ein übergeordnetes Merkmal für alle Länder des Kontinents, erklärte ich detailliert: Um Frieden und Stabilität zu schaffen, blieben die Voraus-

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setzungen und der Kontext, in dem die Grundlage für nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolle Staatsführung gefestigt werden kann, einfach zu schwach. Unterdessen sei indessen, führte ich aus, das afrikanische Panorama vielfältiger als je zuvor. Es werde zunehmend anerkannt, dass es viel mehr als ein einheitliches Afrika gibt. Die Wachstumsraten waren sowohl in Ländern mit Ölproduktion als auch in Ländern ohne Ölproduktion deutlich gestiegen. Es herrschte Konsens, dass Fragen des Friedens und der Stabilität über das traditionelle Verständnis von militärischer Gewalt und politisch bedingter Instabilität hinausgehen. De-territorialisierte Bedrohungen – von der demografischen Entwicklung über Lebensmittelpreise bis hin zu ökologischen Katastrophen – hatten der afrikanischen Wirklichkeit neue Dimensionen verliehen. Dies galt auch für das wachsende Bewusstsein der nationalen Regierungen, regionalen Gruppierungen, der AU und der externen Partner Afrikas, dass Fragen des Friedens und der Stabilität über die Grenzen Afrikas hinausgehen und sowohl weltweit als auch unmittelbar für die Interessen von Afrikanern eine Bedrohung darstellen können. Der internationale Terrorismus war und blieb in diesem Zusammenhang sicherlich und zu Recht die größte Besorgnis. Bei Diskussionen von nicht-afrikanischen Akteuren mit afrikanischen Führern zeigten sich indessen auch unterschiedliche Wahrnehmungen bei der Bestimmung der Ursachen des Terrorismus. Es hatte sich ein beruhigender Konsens gebildet: Ohne friedliche Lösungen für anstehende Konflikte, so Kap. 4 abschließend, kann am Ende niemand erfolgreich sein. Mit einem zweiten Gedanken, der als Folge des Arabischen Frühlings 2011 stark in die afrikanischen Diskurse eingedrungen ist, endete das Kap. 4: Ohne eine auf Gesetzen basierende Regierungsführung, die Pluralismus, freie Meinungsäußerung und politische Eingliederung anerkennt, wird es keine Stabilität geben. Kap. 5 („Strategic Pillar: Development, Integration, and Cooperation“) zeichnete die Debatte nach, die über den Entwicklungsbegriff seit dem Beginn der Unabhängigkeit Afrikas mehrere Phasen durchlaufen hatte (Kühnhardt 2014, S. 159–215). Obwohl ein breiter Konsens darüber bestand, dass externe Entwicklungshilfe als zusätzliche Investitionsressource bei der Bekämpfung der Armut weiterhin relevant ist, müssten zugleich aber die klaren Grenzen von Entwicklungshilfe als Quelle und Instrument für nachhaltige Entwicklung akzeptiert werden. Ohne private Initiative und ohne private Investitionen kann kein dauerhafter wirtschaftlicher Aufschwung gewährleistet werden, der ausreichende Arbeitsplätze für eine wachsende Bevölkerung generieren kann. Während der informelle Sektor in ganz Afrika so stark ist, dass man von einer informellen Normalität sprechen muss, ist eine neue Reflexion über das Potenzial zur Steigerung der Produktivität des informellen Sektors dringend notwendig. Afrika selbst musste die Frage nach der Wertschöpfung afrikanischer Produkte, einschließlich agrarischer Produkte, und die nachdrückliche Ausfuhr afrikanischer Fertigwaren in den Kreislauf der Weltwirtschaft zufriedenstellender als bisher beantworten. Die Millenniumsziele der Vereinten Nationen waren gute Kriterien („benchmark“) für die menschliche Entwicklung und die Bekämpfung der Armut. Eine nachhaltige Entwicklung könne jedoch nicht von außen oder durch entwicklungspolitische Instrumente

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erfolgen, argumentierte ich. Ohne die radikalsten Kritiker der Entwicklungshilfe in allen Argumenten zu akzeptieren, war doch ihr Haupteinwand überzeugend: Es herrscht die starke Notwendigkeit, die afrikanische Mittelklasse zu verbreitern, die über Kaufkraft jenseits des Existenzminimums verfügt. Es ist zwingend, Bildung und den Aufbau der materiellen Infrastruktur entschieden zu verbessern. Es war und bleibt alle Kreativität wert, angewandte Technologien zu erfinden, die afrikanische Ressourcen in wettbewerbsfähige afrikanische Produkte verwandeln können. Dazu bedürfe es auch, ergänzte ich, Rechtsstaatlichkeit als Schutzrahmen und den regulatorisch organisierten Abbau monopolistischer Strukturen, die häufig die Quelle von Korruption sind. Es bestehe, so führte ich in Kap. 5 aus, die Notwendigkeit einer Harmonisierung im Verhältnis von Nationen und Regionen. Die Hindernisse für die regionale Integration in ganz Afrika und in den von der Afrikanischen Union als konstituierende Regionen definierten regionalen Integrationssystemen sind ebenso offensichtlich wie es das ungenutzte Potenzial von regionaler Integration als Instrument zur Überwindung der künstlichen Natur postkolonialer nationaler Grenzen ist. Es sei doch interessant festzustellen, dass das Marktpotenzial Afrikas in jüngster Zeit durch diejenige Technologie am stärksten aktiviert werden konnte, die sich nicht auf territoriale Grenzen und Normen stützen muss: die Handyindustrie. Chinesen und Inder erkannten das Marktpotenzial Afrikas tendenziell eher als europäische und nordamerikanische Akteure, die zu sehr in überholten Vorstellungen vom Entwicklungszustand Afrikas verharren und in Afrika weniger einfühlsam und zugleich mutig auftreten. In Kap. 6 („Strategic Pillar: Shared Values“) bezeichnete ich diese Priorität der Afrikanischen Union als Ausdruck der Bedeutung von Soft Power für die Entwicklung Afrikas (Kühnhardt 2014, S.  217–241). Globalisierung hat neue Verbindungen gebracht, aber auch neue Belastungen und Spannungen an die Oberfläche gelenkt, die das menschliche Verständnis der Werte und Normen beeinflussen, die unser Handeln bestimmen. Identitätspolitik, aber auch das breite Thema der Voraussetzungen für die Konsolidierung und Aktivierung der Zivilgesellschaft, sind relevant für die Organisation der demokratischen Politik in Afrika. Kosmopolitische Ambitionen stehen immer wieder parochialen Neigungen entgegen. Wirtschaftsräume und politische Räume wurden in Afrika neu kalibriert, während in der westlichen Politik neue Erkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge von Migration, Braindrain und die Rolle der afrikanischen Diaspora weiterhin sträflich vernachlässigt werden. Schließlich müsse die Agenda, die sich mit Werten und Normen befasst, auch die Einstellung von Akteuren im öffentlichen Raum enthalten, insbesondere bei der Besetzung von politischen Ämtern. Um das geradezu räuberische System zu überwinden, das leider immer noch allzu viele öffentliche Strukturen in Afrika beherrscht, müssen das politische und das wirtschaftliche System auf neue Weise miteinander verbunden werden. Noch immer war politische Macht häufig identisch mit wirtschaftlicher Macht und gewährleistet politischen Akteuren einen vorübergehenden Zugang zu materiellen Ressourcen, der in anderen sozialen Schichten oft unmöglich ist. In der langen Geschichte der Modernisierung des Westens wuchs der wirtschaftliche Erfolg analog zur Einschränkung

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politischer Ansprüche und zur Zurückdrängung des Staates. Damit dies auch in den meisten afrikanischen Staaten zur Norm werden könnte, schrieb ich, sei es wichtig, dass Ausstiegsstrategien für ein Leben nach der Politik für diejenigen Personen entwickelt werden, die vorübergehend in exponierten öffentlichen Ämtern tätig sind. Der Ausstieg politischer Amtsträger müsse zu einer normalen Form der zyklischen Erneuerung sowohl der Gesellschaft als auch der Politik werden. Ich rühmte die Vergabe des Mo-IbrahimPreises an afrikanische Staatspräsidenten, die freiwillig auf eine Wiederwahl verzichtet haben, um mit dem Preisgeld – deutlich höher als das Preisgeld für den Friedensnobelpreis – eine öffentlich wirksame Stiftung zu errichten. Verfassungsreformen in afrikanischen Staaten seien immer wieder notwendig, um die Exekutive zu zähmen, das System der Gewaltenteilung zu stärken und der Zivilgesellschaft Raum zu geben, sich in öffentliche Angelegenheiten einzubringen. Die Staats- und Verfassungskrise 2010/2011 in der Elfenbeinküste könnte sich, so hoffte ich, als Wendepunkt herausstellen, spekulierte ich: Die politische Macht müsse, wie ich abschließend in Kap. 6 argumentierte, von allen als begrenzt akzeptiert werden, um Legitimität und Respekt für diejenigen zu stärken, die für eine bestimmte Zeit öffentliche Ämter ausüben. Afrika dürfte noch für lange Zeit mit einer Transformation weg von den durch die Exekutive dominierten politischen Systemen konfrontiert sein, prognostizierte ich. Eine Erfolgsgarantie für die dauerhafte Verwirklichung der genannten Ideen gebe es nicht. Kap.  7 („Strategic Pillar: Institution-Building and Capacity-Building“) begann ich mit der Feststellung, wie wichtig der Aufbau von Institutionen und menschlichen Kapazitäten in Afrika sei (Kühnhardt 2014, S. 243–264). Es sei offensichtlich, dass Institutionen als Archive des kollektiven Gedächtnisses wichtig sind, aber auch als Rahmen für pluralistische Gesellschaften, um in Situationen öffentlicher Konflikte frei und als Schiedsrichter zu agieren. In Afrika besteht ein hoher Bedarf an stärkeren und rechenschaftspflichtigeren öffentlichen und privaten Institutionen. Institutionen fallen nicht vom Himmel. Sie müssten das Potenzial einer Gesellschaft und ihrer politischen Ordnung berücksichtigen und darauf aufbauen. Sie müssten vor allem auch das Problem der Erneuerung lösen. Um tragfähige Motoren des Wandels zu werden, müssten öffentliche und private Institutionen als zentral für jede kollektive Einheit anerkannt werden. Das, so war mir bewusst, war leichter gesagt als getan angesichts tiefverwurzelter vormoderner Loyalitäten zu Familie und Clan. Institutionelle Erfahrungen mit der Modernisierung, insbesondere im Europa des 18. Jahrhunderts, im Japan des 19. Jahrhunderts, in der Türkei des 20. Jahrhunderts sowie im China und Indien des 21. Jahrhunderts, sind für Afrika von hoher Bedeutung. Es würde lohnen, diese Erfahrungen stärker vor dem Hintergrund der Aufgaben des heutigen Afrikas zu studieren. Afrika, so zeigte ich mich überzeugt, hat das Potenzial, seinen institutionellen Kapazitätsaufbau mit den technologischen Mitteln des 21. Jahrhunderts zu verknüpfen und so die schwache physische Infrastruktur auf dem Kontinent durch drahtlose Kommunikation und entfernte Formen interaktiver Beratung und interaktiven Lernens zu überwinden. Der Kapazitätsaufbau ist mit der Ressourcenallokation verbunden und müsste mit

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nationalen oder regionalen politischen Zielen verknüpft werden. Es würde jedoch nicht funktionieren, solange Bildung nicht als persönliches Gut anerkannt wird. Damit verknüpft sind Fragen der Migration und die interessante Konzeption der zirkulären Migration. Wenn Staaten in die Bildung ihrer Bürger investiert haben, sind diese Staaten Nettoverlierer, wenn gut ausgebildete Menschen auswandern. Kap. 7 befasste sich schließlich eingehend mit der Frage, wer die Motoren sind, die afrikapolitische Strategien und Strategien außerhalb Afrikas formulieren und vorantreiben können. In Kap. 8 („Africa Consensus: A New Compact for a Common Age“) fasste ich die differenzierten Analysen der afrikanischen Ziele und, wie ich es schon in jedem vorherigen Kapitel en détail getan hatte, vergleichenden Einordnungen in Bezug auf die Zielsetzungen afrikapolitischer Strategien und Politiken der wichtigsten Partner Afrikas zusammen (Kühnhardt 2014, S. 265–298). Ich forderte eine neue gemeinsame Agenda für eine neue Zeit, einen African Consensus. Ich schilderte die Inhalte, mit denen die Afrikanische Union dabei war, ihren strategischen Plan für die Jahre 2014 bis 2017 weiterzuentwickeln und zu präzisieren. Die Stichworte: Entwicklung von menschlichen Ressourcen im Bereich der Gesundheit, Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Innovation. Stärkung der Landwirtschaft und der Verarbeitung landwirtschaftlicher Güter, inklusive wirtschaftliche Entwicklung durch Industrialisierung. Ausbau der Infrastruktur, Landwirtschaft, Handel und Investitionsförderung. Frieden, Stabilität und gute Regierungsführung. Stärkung von Frauen und der Jugend in allen Bereichen. Mobilisierung finanzieller Ressourcen. Aufbau einer Afrikanischen Union der Bürger durch stärkere Kommunikation und das „branding“ der AU. Stärkung der institutionellen Kapazitäten aller Organe der Afrikanischen Union. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten, davon war ich überzeugt, werden Afrika und seine Partner weltweit die Entkolonialisierung der postkolonialen Ära zuwege bringen. Dies beinhaltet sowohl Einstellungsänderungen als auch sich ändernde Machtbeziehungen innerhalb und zwischen afrikanischen Staaten, aber auch in Bezug auf die globalen Verbindungen Afrikas. Ich diskutierte die Modernisierungserfahrungen von Indien und Brasilien, der Türkei, Japan und Korea. Das alte „Balgen um Afrika“ sei längst durch ein „Balgen mit Afrika“ abgelöst worden, einen Wettbewerb um die geeigneten Strategien und Instrumente. Es sei an der Zeit, forderte ich, über den „Washington Consensus“ und die Spekulationen über den „Beijing Consensus“ hinauszugehen, um die Parameter des „Africa Consensus“ zu definieren. Am Ende mache ich deutlich, was grundlegender humaner und politischer Fortschritt wäre: „The time has come for a new global compact with a transforming Africa (Kühnhardt 2014, S. 298).“ Das Buch endete mit einer umfassenden Bibliografie und einem ausführlichen Index. Zwischen der Fertigstellung des Buchmanuskriptes und der Auslieferung der ersten Exemplare vergingen mehr als zwei Jahre. Nirgendwo ist der Peer-Review-Prozess strenger als in den USA und nirgendwo ist der technische Prozess der Manuskriptfertigung gewissenhafter, ja pedantischer als in den USA. Zwei anonyme Rezensenten würdigten mein Manuskript außergewöhnlich genau. Im Kern waren sie voll des Lobes, aber zögerten nicht, mit gleicher Klarheit eine lange Liste von Petita vorzulegen. Sie

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halfen mir damit enorm, mein Manuskript zu verbessern, überflüssige Fehler zu vermeiden und Missverständnisse auszuräumen. Alles andere blieb, wie ich im Vorwort formulierte, in meiner eigenen Verantwortung. Als das Buch Anfang 2014 endlich ausgeliefert wurde, war ich besonders gerührt und dankbar für zwei Stellungnahmen, die, wie in den USA üblich, auf dem Buchdeckel zu lesen waren. Francis Kornegay, Senior Research Fellow des Institute of Global Dialogue der University of South Africa, wurde wie folgt zitiert: „By linking Africa’s current display of economic dynamism … to global changes that are underway, Kühnhardt revisits and goes beyond major historical themes and narratives. In the process, he elevates the continent as a global agenda-setting actor.“ Kingsley Y. Amoako, Präsident und Gründer des African Center for Economic Transformation in Accra, langjähriger leitender Mitarbeiter der Weltbank und ehemaliger Generalsekretär der UN Economic Commission for Africa, schrieb: „Africa Consensus is the rare book that treats Africa as the complex region that it is. Kühnhardt is experienced enough to put that complexity front and center … and his destillations are nuanced enough to succesfully describe a continent that is transforming before our very eyes and playing an ever-growing role in all aspects of the global economy and community. Students of Africa have a new place to begin.“ Welche Worte mehr hätte ich erhoffen dürfen? Ich wiederholte meine Hauptthesen in der nachfolgenden Zeit immer wieder, so beispielsweise bei einem Vortrag im Außenministerium von Madagaskar in Antananarivo am 21. Februar 2014. Am 12. Juni 2014 konnte ich Africa Consensus im Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. vorstellen. Zuallererst dankte ich Joe Brinley, dem Leiter der Woodrow Wilson Center Press, für seine Geduld. Joe hatte das Buch mit mir von der ersten Idee bis zur Auslieferung begleitet und mir immer wieder ermunternde Ratschläge gegeben. Ich fasste das Buch vor über 100 Besuchern, darunter viele alte Bekannte, aus Think Tanks und Universitäten, Mitarbeitern des US-Kongress und amerikanischer Regierungseinrichtungen, Diplomaten und Journalisten in fünf Thesen zusammen: 1. Afrikas jüngere Generation erfreut sich heute besserer Bildungsstandards und trotz aller Defizite größerer Beschäftigungsmöglichkeiten als jemals zuvor seit der Unabhängigkeit. Zugleich aber fehlt es der afrikanischen Jugend an politischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Angesichts des demografischen Drucks, der auf Afrika laste, berge diese Diskrepanz zunehmenden Sprengstoff. 2. Politische Gewalt und politischer Extremismus waren nie so gering in Afrika wie in den letzten zehn Jahren. Dennoch sei die Verbreitung jihadistischen und islamistischen Terrors in der Sahelregion äußerst alarmierend. 3. Eine beachtliche Zahl von afrikanischen Staaten hat in den letzten zehn Jahren Wachstumsraten von sechs oder mehr Prozent generiert. Gleichwohl gibt es weiterhin eine enorme Lücke in der öffentlichen Infrastruktur und in ausreichenden Investitionen, die allein die erforderliche Zahl von Arbeitsplätzen jenseits des informellen Sektors schaffen können.

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4. Die Umbau- und Restrukturierungsarbeiten in der Afrikanischen Union sind ambitioniert, aber realitätsorientiert. Wir im Westen sollten sie zum Ausgangspunkt für eine neue große globale Initiative nehmen, die zu einem „New Compact With Africa“ führen müsse. 5. Afrika bewegt sich von politisch-ideologischer Rhetorik immer klarer zu pragmatischen Taten. Deshalb sei es im aufgeklärten Eigeninteresse der USA und der EU, die Chancen von African ownership zu unterstützen, wo immer es geht. Der Westen sollte dabei funktionale Kooperationen mit Brasilien, Indien und China suchen. Ich kehrte mit einem besorgniserregenden Eindruck hinsichtlich der Kernanliegen der transatlantischen Beziehungen aus Washington zurück. Der Vertrag zur „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) könnte vom black caucus im amerikanischen Kongress abgelehnt werden, wenn die EU nicht ihre Politik gegenüber den AKP-Staaten ändere, hatte ich von verschiedenen Kennern der Materie gehört. Mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) verhandelte die EU seit einigen Jahren sogenannte Economic Partnership Agreements (EPA). Ich nahm mir vor, mich mit diesem Thema genauer auseinanderzusetzen. Dass Africa Consensus auf manchen in der Wissenschaft verstörend wirken musste, hatte ich erwartet. Ian Taylor, beispielsweise, Afrika-Experte in St. Andrews, rezensierte das Buch im „Journal of Modern African Studies“ (2015) als eine weitere allzu optimistische Deutung Afrikas (Taylor 2015, S. 251 f.). In „Perspectives on Politics“ (2015) äußerte sich Kidane Mengisteab, Pennsylvania State University, ähnlich (Mengisteab 2015). John F. Clark, Florida International University setzte noch einen skeptischen Akzent dazu: In „Choice. A publication of the Association of College and Research Libraries“ (2015) schrieb er: „Despite the volume’s title, Kühnhardt does not identify any consensus among these players, nor suggests what the basis for one might be. He begins, nonetheless, with the claim that the current state of ‚globality‘ makes such a consensus among Africa and its partners imperative (Clark 2015).“ Konnte es sein, dass die Wissenschaftler, die sich Zeit ihres Lebens vorwiegend oder ausschließlich mit Afrika beschäftigt hatten, in ihren etablierten Denktürmen verblieben waren, während afrikanische Praktiker und politische Akteure längst nach genau der Perspektive im Zusammenwirken mit ihren eigenen Gesellschaften suchten, die ich intoniert hatte? Jedenfalls erfreute mich ein Brief von Rupert Neudeck, dem Gründer der Hilfsorganisation „Kap Anamur“, den ich seit der Flüchtlingshilfe für vietnamesische Boatpeople Anfang der 1980er-Jahre kannte. Am 20. August 2015 schrieb er mir, er „giere ja immer nach Bündnisgenossen, die mir meinen Optimismus für Afrika und die Afrikaner abnehmen … Das Wichtige an dem Buch ist die AU-Perspektive … Ich warte auf den Beginn einer Afrika-Rebellion, für die es möglicherweise noch fünf, aber nicht mehr zehn Jahre zu warten braucht.“ Am 31. Mai 2016 verstarb Rupert Neudeck, ohne dass die von ihm erhoffte positive Afrika-Rebellion stattgefunden hätte.

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Bald nach der Buchvorstellung ernannte mich das Woodrow Wilson International Center for Scholars zu einem ihrer besonders herausgehobenen „Woodrow Wilson Global Fellows“. Ich empfand dies als Zuspruch zu meiner Forschung zwischen allen Stühlen. Nur so konnte Wissenschaft Nutzen für die Praxis generieren, war ich zutiefst im Sinne des Anspruchs dieser Auszeichnung überzeugt. Zu diesem Eindruck des Nutzens meiner Forschungen passte, dass Joe Brinley mir eine weitere Begutachtung von Africa Consensus zusandte. Nach einer ausführlichen Darlegung meiner Argumente und Thesen hieß es bei diesem anonymen Gutachter: „To conclude, this book is meant to explain, if necessary to provoke, and, most important, to broaden our horizon in considering our contemporary global age by including the African dimension. To fulfill this effort’s potential, the author seeks to connect the various perspectives and interests on those issues that are relevant for Africa’s future. … Kühnhardt revisits and goes beyond major historical themes and narratives, however these instruments, strategies and solutions that the author pointed out are compromised by lack of political will. The role of political will is the key to implement those tools.“ „Political will“, das war das Stichwort, politischer Wille. Die Wirkung von Africa Consensus wurde zu einem Lehrstück, wie Forschung in der politischen Praxis wirken kann. Schon am 1. Juli 2014 hatte ich ein außerordentlich freundliches E-Mail von Romano Prodi erhalten, dem früherenKommissions- Präsidenten der Europäischen Union. Er gratulierte mir zu dem Buch, das er wichtig fand. Er lud mich ein, an dem Projekt teilzunehmen, das er seit einigen Jahren initiiert hatte. Romano Prodi und ich lagen ganz auf der gleichen Linie der Argumentation und Absicht hinsichtlich der notwendigen Neubewertung Afrikas. Mit seiner „Fondazione per la Collaborazione tra i Popoli“ strebte auch Prodi nach einer differenzierten Neubewertung Afrikas. Zugleich wollte er die wichtigsten externen Partner Afrikas zusammenführen, um eine gemeinsame Ausrichtung ihrer Bemühungen zu befördern. Auch dies entsprach der Argumentation in meinem Buch. Am 15./16. Juni 2011 hatte Romano Prodi mit seiner Stiftung eine erste Konferenz unter dem Titel „Africa. 54 states, one union“ in Washington D.C. organisiert, zu der ich eingeladen war (Kühnhardt 2022, S. 538 f.). Es ging darum, das weltweite Verständnis von Afrika zu modernisieren und auf die Höhe der afrikanischen Realitäten zu heben. Ich konnte auf der Tagung unter anderem mit Abdoullie Janneh, UN-UnterGeneralsekretär, Johnnie Carson, Assistant Secretary of States der USA für Afrikanische Angelegenheiten, Koen Vervaeke, dem mir schon länger bekannten Botschafter der EU bei der Afrikanischen Union, Obiageli Ezekwesili, stellvertretende Präsidentin der Weltbank, die mich noch Jahre später zur Fortsetzung unseres Gesprächs in Bonn besuchte, Tansanias Außenminister Bernard Membe und Amina Salum Ali die Botschafterin der Afrikanischen Union in den USA diskutieren und von ihren Perspektiven lernen.

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Am 3./4. Mai 2012 nahm Romano Prodi mich mit nach Addis Abeba zur nächsten Etappe seines Projektes (Kühnhardt 2022, S. 568 ff.). An der dortigen Tagung nahmen unter anderen teil Erastus Mwencha, der stellvertretende Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Plutarchos Sakellaris, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, EU-Botschafter Gary Quince, Reuben Bridgety, der neuernannte stellvertretende US-Außenminister für Afrikanischen Angelegenheiten, Botschafter Liu Guijin, Sonderbotschafter für Afrika des chinesischen Außenministeriums, der türkische Botschafter bei der AU, Kenan Ipek, die Botschafterin Brasiliens bei der AU, Isabel Cristina de Azededo Heyvaert, Olusegun Akinsanya, nigerianischer Direktor des Instituts für Security Studies. Neben dem Kollegen Winrich Kühne von der Stiftung Wissenschaft und Politik war ich der einzige Deutsche bei der Konferenz. Meles Zenawi, der äthiopische Premierminister, begrüßte uns in der neu eröffneten Halle der Afrikanischen Union. Der kleingewachsene Mann, mit listigen, sich stets unruhig bewegenden Augen, trat bescheiden, fast schüchtern auf. Sein Redestil war langweilig. Aber der Inhalt seiner Worte war stark. Afrika, so Zenawi, der im August 2012 plötzlich sterben sollte, sei der neue globale Wachstumspol. Natürlich gebe es riesige Probleme in Afrika. Gewalt innerhalb von Staaten sei an die Stelle von zwischenstaatlichen Konflikten getreten. Die globale Erwärmung habe in und für Afrika besonders schlimme Folgen. Es sei aber tragisch, dass Afrika keine internationale Stimme habe. Daher bleibe, so Zenawi, ein gewichtiger Teil des Potenzials der Menschheit ungenutzt. Afrika benötige einen neuen „compact with the world“. Aus dem Mund des Ministerpräsidenten von Äthiopien hörte ich den Titel, das Thema und die Forderung meiner Studie Africa Consensus, die sich in Washington mitten im Druckprozess befand. Romano Prodi erinnerte daran, dass Frieden überall und daher auch in Afrika fragil bleibe. Das gemeinsame Ziel der AU und der wichtigsten externen Partner Afrikas sei der Aufbau eines kontinentalen Marktes. Chinas Erfolg der letzten Jahrzehnte sei das Resultat großer Investitionen in die Infrastruktur, das müsse sich jetzt in Afrika wiederholen und von allen, die es können, unterstützt werden. Jobs and Infrastructure, das sei die neue Erfolgsformel für Afrika, so Prodi. Für die Infrastrukturmodernisierung in Afrika seien 91 Mrd. Dollar nötig. Bereits bei einer um 40 % verbesserten Infrastruktur werden zwei Prozent mehr Wirtschaftswachstum in Afrika möglich. In Zukunft müssten Kriege um Wasser vermieden werden. Europas Hilfe und Präsenz in Afrika seien enorm, aber nicht ausreichend wirkungsvoll.

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Abb. 7.28   Mit dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi, dem Generalsekretär der Fondazione per la cooperazione tra i popoli, Alessandro Ovi, und dem AfrikaBeauftragten der chinesischen Regierung, Liu Guijin, am Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba (2012). (©Ludger Kühnhardt)

Liu Guijin erläuterte mir, dass China Afrika aus einer langfristigen strategischen Perspektive betrachte. Die Afrikanische Union habe einen langen und guten Weg zurückgelegt. Das chinesische Forum der Kooperation mit Afrika (FOCAC) sei unterdessen konsolidiert. Botschafter Liu äußerte sich sehr positiv zum Engagement der EU in Afrika, das er als komplementär zu den chinesischen Aktivitäten beschrieb. Gemeinsam könnten alle Partner Afrikas mit den Afrikanern zusammen viel mehr zum Wohle aller erreichen. Kenan Ipek, der türkische Botschafter bei der AU, erzählte mir, wie er unlängst mit seinem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine türkische Botschaft in Mogadischu eröffnet habe, begleitet von einer großen Delegation türkischer

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Geschäftsleute. Die Türkei glaube an die Zukunft Afrikas. Wenn es gewünscht würde, so fügte er scherzhaft hinzu, könnte Antalya zu einem afrikanisch-europäischen Begegnungsort ausgebaut werden. Der stellvertretende amerikanische Außenminister für Afrika, Reuben Bridgety, ermunterte die AU, weiter für eine verbesserte Regierungsführung in Afrika zu arbeiten. Das sei essenziell für die strategische Stabilität in Afrika und sehr im Interesse der USA. Der Privatsektor Afrikas sei Schlüssel zur wirtschaftlichen Modernisierung, fügt Bridgety an. Bereits jetzt würden jährlich mehr als 600 Mrd. Dollar im Jahr für den privaten Konsum in Afrika ausgegeben. Die nächste Einladung von Romano Prodi nach Peking musste ich aus Termingründen leider ausschlagen. Am 10.und 11. Mai 2015 aber sahen wir uns in Rom wieder (Kühnhardt 2022, S. 667 ff.). Den Abschluss seines Konferenzzyklus hatte er unter das Motto gestellt: „Poverty Alleviation: A role for technology and infrastructure?“ In dem einzigartigen „Oratorio del Gonfalone“, einem Juwel von Rom, saß ich an einem Runden Tisch unter anderem mit Paolo Gentiloni, Italiens Außenminister, dem Vizepräsidenten der Weltbank, Jin-Yong Cai, dem Direktor der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Wu Guobao, Jeffrey Sachs und Vijay Modi vom New Yorker Earth Institute, Kardinal Peter Turkson, dem Präsidenten der vatikanischen Kommission Justitia et Pax, Jason Pontin, dem Verleger des MIT Technology Review, Cristina Russo, der für internationale Forschung und Entwicklung zuständigen Abteilungsleiterin in der Europäischen Kommission, und dem Innovationschef des italienischen Konzerns ENEL, Ernesto Ciorra. Nicolas Negroponte, der Begründer des Medialabs am MIT („One Laptop per Child“), führte in den Themenblock zum Thema „Connectivity as a Universal Human Right“ ein, in den auch ich von Romano Prodi zu sprechen gebeten worden war. Unter Vorsitz von Ibrahim Mo, dem reichsten Mann Afrikas und Präsidenten der Mo Ibrahim Foundation, sprach ich neben Vittorio Colao, dem Vorstandsvorsitzenden von Vodafone, Mamadou Kaba Traoré, dem Präsidenten der African University of Science & Technology (AUST) in Abuja, Bruce Krogh, dem Direktor der Carnegie Mellon University Rwanda, Marcella Elvira Logli, Direktorin für Corporate Social Responsibility bei der Telecom Italia, Angelo Petrosillo, dem Vorstandsvorsitzenden von „Blackshape“, Shamas Ur-Rehman Toor von der Islamic Development Bank und Stefano Stangoni, dem Verantwortlichen für Global Banking & Transaction bei der Bank Intesa Sanpaolo. Didier Lombard, der frühere Vorstandsvorsitzende von France Telecom fasste unsere Beiträge und die anschließende Diskussion elegant zusammen. Allein die Auflistung derer, mit denen ich diskutieren konnte, zeigte überzeugend den neuen Ansatz in der Bewertung Afrikas. Endlich kam die Welt heraus aus dem paternalistischen Entwicklungshilfemodus in der Analyse der Aufgaben, die in Afrika bewältigt werden müssen.

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Abb. 7.29   „Africa 54 states, one union“: Mit Vijay Modi, Earth Institute, Kardinal Peter Turkson und Yang Guang, Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften in Rom (2015). (©Ludger Kühnhardt)

Ich präsentierte drei Argumente in Rom, die sich auf meine unterdessen vorliegende Studie Africa Consensus stützten (Kühnhardt 2015b). 1. Es gelte „Africa first“: Man muss von Afrika her denken, um Afrika zu fördern. Dabei müsse der Eigentumsbegriff im Sinne des altrömischen integralen Verständnisses von proprietas in den Mittelpunkt eines neuen Denkansatzes zum Thema Entwicklung gestellt werden. Es sei an der Zeit, neu über die Bedeutung privater Güter für öffentliche Ziele zu reflektieren und die Rolle der afrikanischen Diaspora im afrikanischen Transformationsprozess zu stärken. Ich schlug vor, einen Mo-IbrahimPreis für Role Models in der afrikanischen Diaspora zu vergeben, ein Thema, das mir besonders zukunftsträchtig schien und das ich immer wieder vortrug (Kühnhardt 2017b). 2. Die mangelnde Konnektivität von Afrika und Europa sei in den Fragen besonders beklagenswert, wo es um das Migrationsthema gehe. Migranten sind zweifellos häufig eine Belastung für beide Seiten, ein Verlust für die Länder, die sie verlieren, und eine Bürde für die Länder, die sie aufnehmen. Sie können aber zur Lerngemeinschaft für beide Seiten verhelfen, wenn der Themenkomplex Migration und Flucht endlich von den Wurzeln her betrachtet und gemeinsam weltweit gemanagt werden würde. Bisher versagen alle Beteiligten in beide Richtungen, da in den Bereichen Migration und Flucht fast alles falsch oder nicht ausreichend geschehe, um die Fragen, um die es geht, wenn wir miteinander ehrlich wären, von beiden Enden her

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integral zusammenzudenken. Die derzeitige Migrationswelle beschrieb ich als Folge gescheiterter Bildungssysteme und fehlender Arbeitsplätze in Afrika, die allein den Kontinent widerstandsfähiger machen werden. Die Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa drängen, machen nicht mehr als maximal drei bis fünf Prozent der Migranten aus, die derzeit in Afrika unterwegs waren. Diese Menschen seien, auch wegen jahrzehntelanger falscher europäischer Anreize in der Entwicklungszusammenarbeit, desillusioniert vom nicht nachhaltigen und unvollständigen Fortschritt in ihrer Heimat. Es sei oberflächlich, sie allein als Opfer von Armut, Konflikt und Gewalt anzusehen. Vielmehr sind diese Menschen die enttäuschten Opfer falscher Entwicklungskonzepte. Da die Bildungssysteme in Afrika von der Entwicklung der Arbeitsmärkte entkoppelt worden seien, erlebt die Welt nun diese Fluchtphänomene des frustrierten Mittelstands. 3. Der Entwicklungsbegriff müsse runderneuert werden. Ich erinnerte daran, dass dieser Begriff 1949 in US-Präsident Harry Trumans Inauguralrede erstmals als politisches Konzept präsentiert worden sei. Truman hatte gefordert, dass das Entwicklungskonzept mutige Schritte des Technologietransfers zugunsten der Entwicklungsländer nach sich ziehen sollte. Dazu sei es seither nur sehr bedingt gekommen. Heute sei in den Industrieländern, die Forschung und Innovation weiterhin dominieren, ein neuer Ansatz notwendig: Ich stellte das Konzept von „reverse innovation“ vor, das mich sehr beeindruckt hatte (Govindarajan und Trimble 2012). Dabei geht es um die innovative Entwicklung angepasster Technologien in den führenden Industrieländern, um mit entsprechend preiswerten Produkten den wachsenden Bedarf einer ansteigenden, ein menschenwürdiges Leben in ihrer Heimat suchenden Mittelklasse in der südlichen Hemisphäre befriedigen zu können. Eine solche Innovation werde auch den technologisch fortgeschrittenen Industrieländern nutzen. Daneben sei in Afrika eine Verbesserung regulatorischen Regierens nötig, um von der Rhetorik der verbalen Integration zu einer Realität funktionierender Integration zu gelangen. Stresstests seien nötig für alle Länder, im Süden wie im Norden. Die Schlussrede dieses außergewöhnlichen und durch und durch innovativen Brainstorming-Prozesses, den Romano Prodi auf den Weg gebracht hatte, hielt Ertharin Cousin, die flamboyant auftretende und eindrucksvoll argumentierende Exekutivdirektorin des UN-Welternährungsprogramms. Die wirkungsvollste Politikberatung stand mir noch bevor. Sie wurde zu einem Anschauungsunterricht darüber, wie Politikberatung funktionieren kann, wenn sie tatsächlich Politik fördern und beeinflussen soll. Für den 25. Januar 2017 bat mich Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abendessen, korrekter: zu einem Fachgespräch zum Thema Afrika anlässlich der soeben begonnenen deutschen Präsidentschaft in der Gruppe der 20 führenden Wirtschaftsnationen der Erde, G20. Zehn Tage zuvor war die telefonische Voranfrage gekommen. Sofort wurde viel Staub aufgewirbelt: Ein Vorgespräch von einer Stunde mit einem Kanzleramtsmitarbeiter.

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Einige Tage später ein Vorgespräch mit Merkels G7/G20-Chefunterhändler („Sherpa“) Lars-Hendrik Röller, der mir erklärte, ich sei von der Bundeskanzlerin als ihr persönlicher Experte für ein Gespräch über Afrika ausgewählt worden. Sie sei beeindruckt gewesen von meiner Studie Africa Consensus. Es sei das Beste, was sie bisher zum Thema mit Blick auf die G20-Aufgaben gelesen habe. Ich solle nach den Begrüßungsworten der Bundeskanzlerin den screen-setter spielen, und bitte bloß nicht zu professoral auftreten. Ich würde höchstens drei bis vier Minuten Zeit haben, je kürzer ich sprechen würde, desto besser. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Entwicklungsminister Gerd Müller und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel – der am Vorabend des Treffens wegen neuer Kapriolen in der SPD zurückgetreten war und von seiner am 27. Januar 2017 vereidigten Nachfolgerin Brigitte Zypries vertreten wurde – seien dabei. Ich wisse ja, raunte Röller, dass unter den Ministern gelegentlich Hahnenkämpfe stattfinden, auch um das richtige Afrika-Engagement. Wenn ich möge, könne ich der Bundeskanzlerin ja meine Thesen vorher schriftlich vorlegen. Ich müsse dies aber nicht tun, sie sei immer für eine offene Diskussion zu haben. Ich wollte natürlich nicht. Reisekosten wurden vom Kanzleramt nicht gezahlt, das würde ich doch wohl als „Fachgespräch“ anderweitig irgendwie abrechnen können. Ach so, fiel es Röller am Schluss noch ein, über die Flüchtlingsthematik solle bitte kein Wort verloren werden. Das Gespräch solle konstruktiv verlaufen und nach vorne führen. Wenige Tage später, im 8. Stock des Berliner Kanzleramtes, in einem privat-offiziell anmutenden Wohnzimmer-Esszimmer-Empfangsraum. Hinter einem Paravent liegt noch ein privates Schlafzimmer mit Bad, das Bundeskanzler Gerhard Schröder als erster Bewohner dieses surreal kalten Apartments bewohnt hatte, ehe ihn seine damalige Partnerin Doris Köpf in Hannover erdete. In diesem sterilen Raum speist Merkel mit Regierungschefs, manchmal drei, vier Mal in der Woche, erzählte Lars-Hendrik Röller bedeutungsschwer. Plötzlich stand die Bundeskanzlerin in der Tür, mit Regierungssprecher Steffen Seibert und ihrem mir seit vielen Jahren gut bekannten außenpolitischen Berater Christoph Heusgen. Heusgen freute sich sichtlich – Trump hin, Trump her – auf den baldigen Wechsel als Botschafter bei der UNO in New York („man lebt nur einmal“). Angela Merkel begrüßte mich freundlich, wie immer in ihrer so geschäftsmäßigen Art, als sei ihr ganzes Leben eine Sequenz ununterbrochener Sitzungen und Begegnungen, bei denen der Blick immer nach vorne und nie zurück geht. Momente später tauchte Außenminister Steinmeier auf, danach Noch-Wirtschaftsstaatsekretärin Brigitte Zypries, leicht verspätet Finanzminister Schäuble und Entwicklungsminister Müller. Schäuble war wieder einmal der beste Frotzeler: Erst vor zwei Tagen habe ihm Steinmeier irgendwas in Sachen Stabilität in der SPD-Führung erzählt und jetzt „dieser Scheiß“. Die Bundeskanzlerin: „Bitte keine Innereien ausplaudern.“ Angela Merkel blieb cool wie immer. Am Tisch wurde sie eingerahmt von ihren beiden Senior-Ministern Steinmeier, bald Bundespräsident, geschäftsmäßig trocken und analytisch, und Schäuble, unverwüstlich in seinem Rollstuhl, frisch ins Leben schauend, als habe er das Beste noch vor sich.

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Abb. 7.30   Auf dem Weg zum „Compact with Africa“: Brainstorming im Bundeskanzleramt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Entwicklungsminister Gerd Müller, Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries Regierungssprecher Steffen Seibert, G20-Sherpa Lars-Hendrik Röller, Sicherheitsberater Christoph Heusgen, Afrika-Beauftragter Günter Nooke und meinen Kollegen Dirk Messner, Paul Collier, Michael Rabbow und Jens Riese in Berlin (2017). (©Ludger Kühnhardt)

Ich saß der Bundeskanzlerin direkt gegenüber, neben mir Paul Collier, Entwicklungsökonom aus Oxford und seit 2015 ein noch weit schärferer Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik als ich. An diesem Abend wurde darüber kein einziges Wort verloren und es ehrte Merkel, dass sie sich gleich zwei Kritiker dieser bisher größten Fehlleistung ihrer Kanzlerschaft – neben der ungenierten Unterstützung der mit der Nord-Stream2-Pipeline verbundenen Energie-Erpressbarkeit durch Russland – zu Tisch gebeten hatte. Aber der Preis des respektvollen Schweigens auf der Seite von Paul Collier und mir bedeutete natürlich auch, dass die uns beide so verbindende Priorität „Ursachenbekämpfung“ von Migration und Zwangsentwurzelung aus dem Gespräch über Afrika ausgeklammert blieb. Das war besonders bedauerlich, da ich Colliers Ansatz uneingeschränkt teilte, Flüchtlingslager in der unmittelbaren Region von Bürgerkriegsländern zu wirkungsvollen wirtschaftlichen Einheiten zu entwickeln, anstatt Menschen in den Händen von Schmugglern über Kontinente und gefährliche Seerouten hinweg zu deplatzieren (Betts und Collier 2017). Angela Merkel wusste die Afrika-Agenda der

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G20 perfekt zu nutzen, um von den Versäumnissen ihrer Flüchtlingspolitik abzulenken. Neben mir saßen außerdem noch der Kollege Dirk Meissner, Direktor des „Deutschen Institut für Entwicklungspolitik“, der Mediziner Michael Rabbow, seit drei Jahrzehnten Berater für Gesundheitsfragen in Afrika, Jens Riese, Senior Partner bei McKinsey, und Günter Nooke, der Beauftragte der Bundeskanzlerin für Afrika. Gereicht wurden Hähnchenfilet mit Kartoffelsalat, dazu ein Glas Brunello di Montalcino, später Eis und Kaffee. Nach wenigen einführenden Worten der Bundeskanzlerin erwähnte Angela Merkel mein Buch Africa Consensus, das sie schon zu über einem Drittel gelesen habe. Man kenne mich ja als Europa-Experten, aber ich habe nun doch auch interessante Perspektiven zu Afrika vorgelegt. Während alle ihre Suppe aßen, durfte ich ins Thema einführen. Ich hielt mich an die vereinbarten Spielregeln und bedankte mich für die Gelegenheit, drei Empfehlungen für die deutsche G20-Präsidentschaft vortragen zu dürfen. Da ich spürte, dass die Aufmerksamkeit für die Suppe und wohl auch für meine Thesen noch nicht gestillt war, faltete ich mein wohlpräpariertes Statement auf fünf bis sechs Minuten aus. Eine leicht geglättete Version veröffentlichte ich bald nach dem Treffen in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Kühnhardt 2017c). 1. Ich verkniff es mir, plump zu sagen, die Politik solle aufhören, sich immerfort um Afrika „kümmern“ zu wollen, ein grässliches Wort, hinter dem eine paternalistische Haltung steckt. Deutlich aber begann ich damit, dass es notwendig sei, weit konsequenter als in der Vergangenheit vom Prinzip der Ownership her zu denken, nicht nur im Sinne der Eigenverantwortung der Afrikaner für ihre eigene Zukunft, sondern auch in Bezug auf die Folgen für uns. Afrika von Afrika zu denken, von seinen Menschen und von der Vielfalt der Kontinent, werde allein alle geplanten Maßnahmen zu Erfolg führen. Die Kräfte und Interessen der externen Partner Afrikas sollten auf die Ziele der Afrikanischen Union und der Regional Economic Comnmunities (RECs) bezogen werden. 2017 sei eine gute Gelegenheit wegen der Kaskade von Ereignissen: Zunächst der G20-Gipfel im Juli in Hamburg, dann der EU-Afrika-Gipfel im November in Abidjan und die Notwendigkeit, bis Jahresende die Weichen für ein Nachfolgeabkommen der EU mit den AKP-Staaten zu stellen. Der Überbietungswettbewerb unter den externen Partnern Afrikas um die Aufmerksamkeit Afrikas müsse beendet werden. Zugleich sei es zielführend, mehr gesellschaftliche Kräfte außerhalb Afrikas zu ermuntern, aus Eigeninteresse funktional mit afrikanischen Partnern zusammenzufinden. Dieser Kreis müsse weit über die üblichen Verdächtigen in der entwicklungspolitischen Szene ausgedehnt werden und beispielsweise auch Landwirte, Erfinder und Vertreter des Mittelstandes umfassen. Die Bundeskanzlerin hatte angekündigt, dass die G20-Staaten eine „umfassende Initiative“ für Afrika starten wollten. Das sei eine gute Gelegenheit, die bisher unverbundenen externen Strategien zusammenzuführen. Allerdings solle es doch bitte eine Initiative mit Afrika werden. Unter Afrikas externen Partnern fand seit Jahren ein Überbietungswettbewerb um die Aufmerksamkeit Afrikas statt. Amerikaner orientieren sich dabei vor allem an ihren eigenen Sicherheitsinteressen

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und den wirtschaftlichen Chancen für ihre Privatwirtschaft. Chinas Präsenz in Afrika dient der Stabilisierung der Entwicklung in China, mit einer weit schnelleren Lernkurve als bei allen anderen Staaten. Brasilien (mit Agrartechnologien) und Indien (mit satellitenbasierter Bildung), Korea (mit Technologietransfer) und die Türkei (mit Investitionen), neuerdings auch wieder Russland (mit Rüstungsverkäufen) treten in Afrika in Erscheinung, weil sie ihre eigene globale Rolle ausweiten möchten. SaudiArabien unterstützt noch immer am ehesten radikale islamische Gruppierungen. Die Europäische Union fordert als Erstes gute Regierungsführung und Menschenrechte. Das Ergebnis bedeutet, dass die 54 Staaten Afrikas heute mehr Optionen für Partnerschaften haben denn je. Es wäre daher von größtem Nutzen, wenn sich die Staaten der G20-Gruppe auf eine gemeinsame pragmatische Linie in ihrer Zusammenarbeit mit Afrika einigen könnten. Dabei solle ein Leitmotiv gelten: Was kann man überhaupt von außen erreichen, um Afrikas interne Ziele zu fördern? Eine ehrliche Analyse dieser Frage sei notwendig. In jedem Falle gehe es nur „mit Afrika“ und nicht „für Afrika“. 2. Beim Blick auf die Stärkung des Prinzips „ownership“ gelte es, pragmatisch zu denken, Anreize zu stärken, Voraussetzungen zu verbessern und Hindernisse ehrlicher zu benennen. Ich plädierte für einen Weltmigrationsgipfel mit dem Ziel, eine Weltmigrationskonvention zu erarbeiten, die Bedingungen und Ziele legaler Migration fördern und, ich konnte wenigstens diesen Teilaspekt des flüchtlingspolitischen Dramas von 2015 nicht unterdrücken, die schädlichen Seiten illegaler Migration zu reduzieren. Ich empfahl, mehr Aufmerksamkeit auf Modelle zirkulärer Migration zu richten. Das funktioniere aber nur, wenn Behörden, Polizei und Militär in Afrika human auftreten. Die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und dem Gewaltmonopol überall in Afrika sei essenzielle Voraussetzung zum Gelingen aller Wirtschaftsaktivitäten. In diesem Zusammenhang machte ich einen weiteren pragmatischen Vorschlag: Die systematische Förderung der digitalen Erfassung biometrischer Daten von allen Afrikanern sei nicht nur eine Vorsorgemaßnahme gegenüber unberechenbaren weiteren Folgen ungesteuerter Migration, sondern auch Ausdruck des Respekts vor der Würde jedes Einzelnen in Afrika. Anknüpfend an das letzte G20-Treffen in Hangzhou sei es nützlich, an die wichtigste chinesische Reformerfahrung seit Deng Tsiao Ping anzuknüpfen: Die strukturelle Bedeutung von Investitionen von Auslandschinesen, die die Rücküberweisungen für den familiären Konsum weit überstiegen hat. Die G20-Staaten, IWF, Weltbank und Europäische Investitionsbank sollten Impulse setzen, um das enorme Potenzial der afrikanischen Diaspora zu aktivieren. Eine Idee könnte sein, landwirtschaftsnahe Spar- und Raiffeisenbanken in Afrika aufzubauen und moderne Äquivalente im Zeitalter des Telefon-Bankings für mehr Investitionen der afrikanischen Diaspora in afrikanische Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze. Vielleicht könnte die G20-Gruppe Bürgschaften für solche Investitionen bereitstellen. Ich plädierte für pragmatische Zusammenarbeit mit China bei der Optimierung der bisher in Afrika nicht funktionierenden von China eingerichteten Sonderwirtschaftszonen. Es gäbe dabei auch Anknüpfungspunkte für die

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Einbeziehung der Amerikaner über den dortigen AGOA-Ansatz (African Growth and Opportunity Act). Ich stellte das Konzept „reverse innovation“ vor, das die Kreativität auch unserer jungen Erfinder stärker beflügeln könnte: Billigautos zur Mobilitätsstärkung und preiswerter, aber flächendeckender Gesundheitsservice könnten wichtige Prioritäten sein, die die G20-Staaten unterstützen sollten. Alle redeten immerzu von Ownership, aber, so führte ich weiter aus, der größte Mangel Afrikas sei ein umfassend verbreiteter Sinn für und ein schlüssiger Begriff von Eigentum. Dies sei nicht nur eine akademische Frage. Die römische Rechtsidee der proprietas habe sogar noch bei John Locke in Sinne der Gesamtheit der Unverfügbarkeit materieller und ideeller Aspekte des menschlichen Daseins gegolten. Davon sei nur wenig jemals in Afrika gesprochen worden. So sei die Idee der Menschenwürde immer nur verkürzt vermittelt worden. Dieser Sachverhalt könne teilweise auch das plötzliche Aufbrechen von Gewalt in Afrika erklären. Kollektivbesitz habe zu einer Unternutzung des Bodens und zu Korruption bei Verpachtungen geführt. Die Idee eines sozialpflichtigen Eigentums sei in Afrika weitgehend abwesend. Wenn menschliches Leben nicht als unverfügbar gedacht wird und Eigentum an Grund und Boden nicht als normal angesehen werden, sei es nicht überraschend, dass über land-grabbing so emotionaler Streit geführt wird. Hier könne die G20-Initiative neue Impulse geben. 3. Die G20-Staaten müssten sich, so setzte ich mein Kurzreferat fort, redlicherweise auch die Frage vorlegen, was passieren sollte, wenn afrikanische Ownership scheitert. Gescheiterte oder, ein Begriff, den ich vorziehe, residuale Staaten werfen neue Fragen an das Konzept der Souveränität auf. Ich betrat Neuland und empfahl der Runde, das Konzept der Treuhandgebiete unter dem Dach von UN und im Rahmen des Völkerrechts neu zu durchdenken. Die G20-Gruppe könnte die UNO bitten, ein Konzept durch Fachagenturen und Völkerrechtler ausarbeiten zu lassen. Ein wechselseitiges Treu- und Schutzkonzept könnte entwickelt werden. Dabei wäre nicht nur an zusammengebrochene Staaten und (Klima-)Flüchtlinge zu denken. Ein solcher Ansatz könnte auch einen positiven Beitrag zu Raumordnung, Urbanisierung, Ausbildung, Wertschöpfung und der Schaffung von Arbeitsplätzen unter internationalem Schutz leisten. Dieses wie alle anderen afrikabezogenen Themen verlangten mehr, so endete ich, als nur in den Kategorien von Schadensbegrenzung zu denken. Aufgeklärtes Eigeninteresse an einem normalen und stabilen Afrika sei doch ein Gedanke, den die deutsche G20-Präsidentschaft vielleicht sogar im Weißen Haus vermitteln könnte. Eine erste Nachfrage der Bundeskanzlerin, ob sich in Afrika derzeit denn wirklich so viel ändere, wie sie überall höre, gab ich an Jens Riese weiter, der meine Darstellung passgenau fortführen konnte. So begann der Gesprächsball über alle Ecken des Tisches zu rollen. Im Kern drehte sich die Runde für eineinhalb Stunden um die allgemeinen Investitionsbedingungen in Afrika. Mancher Aspekt in den Analysen auf meiner Seite des Tisches traf auf konzentrierte Aufmerksamkeit der Politikerbank. Anderes prallte als zu theoretisch ab. Wieder andere Aspekte, wie etwa die Thematik der Korruptionsbekämpfung, wollten die Politiker sich von uns nur bestätigen lassen, weil sie meinten,

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ein so hochkomplexes Thema ohnehin schon mit wenigen rhetorischen Formeln verstanden zu haben. Angela Merkel hielt die Gesprächsfäden klar zusammen. Sie machte sich beständig Notizen, wie auch schon zu meinen einleitenden Ausführungen. Der zweite Teil des Abends kippte dann ins politisch Prozedurale: Was welcher afrikanische Politiker wo gesagt hatte und wie Dieses und Jenes bei den anderen in der EU ankommen würde. Ob und wie man die OECD-Definition von Entwicklungshilfe knacken könne, um sich die Förderung von Privatinvestitionen durch HermesBürgschaften mit verrechnen zu lassen. Wie man schneller sein könne oder jedenfalls besser als die Chinesen. Auf meine Anregung, mit China und den USA trotz Trump zu kooperieren, ging Merkel explizit nicht ein. Alles drehte sich plötzlich um Deutschland und darum, wie die deutsche Wirtschaft für mehr Präsenz und Investitionen in Afrika gewonnen werden könne. Plötzlich hieß es aus Ministermund, Deutschland solle Champions in Afrika unterstützen und dabei am besten wohl alleine gehen, ohne andere. Frankreich sei sowieso nicht einzufangen in seiner starken Präsenz in Afrika. Der Brexit sei wenigstens noch nicht in der G20-Gruppe angekommen, sagte jemand. Ich berichtete, dass es gleichwohl bereits Effekte des Brexits auf die ärmeren Länder Afrikas gebe. Die Bundeskanzlerin notierte, das sei wohl ein „Kollateralschaden“ mehr des Brexits. Schließlich wurde das Gespräch ganz technisch und nurmehr unter den Politikern geführt: Welcher Satz in das G20Kommunique für das Gipfeltreffen im Juni in Hamburg hineinbugsiert werden müsse, um die OECD in die Schranken zu weisen, die mit ihrer altertümlichen Definition von Entwicklungshilfe nerve. Ich merkte, wie im Kopf des armen Sherpa Röller weitere 19 Telefonate mit seinen G20-Sherpa-Kollegen abliefen. Deutschland, so klang es in meinen Ohren, wollte in Hamburg brillieren, am liebsten alleine. Ich schlug noch einmal vor, über die G20-Gruppe alle wohlmeinenden Kräfte auf der Welt zu bündeln für eine neue Sicht auf Afrika. Der Überbietungswettbewerb der externen Partner um die Aufmerksamkeit Afrikas müsse beendet werde. Der Gedanke fiel dem gestrengen Blick der Bundeskanzlerin zum Opfer. Es war Deutschlands G20-Präsidentschaft, wollte sie mir bedeuten, und es musste Deutschlands Erfolgsinitiative werden, die wir hier bitteschön berieten. Afrika wirklich durchdenken und die wirksamsten Anreize setzen? Die empirischen Erfahrungen hatten den Politikern bereits Grenzen ihrer Ambitionen gezeigt. Außenminister Steinmeier fragte höflich, aber faktisch im Sinne eines Plädoyers, dass Deutschland sich in Afrika auf sich selbst konzentrieren solle und einige ausgewählte Schwerpunktländer favorisiert betreuen könnte. Mit Frankreich? O Gott, bitte nein, hallte es ihm von der Politikerbank entgegen. Bundeskanzlerin Merkel erzählte, was sie in Niger gesehen hatte: Eine deutsche Botschaft mit drei Mitarbeitern neben einer französischen mit 100. Die Runde lachte verständnisvoll. Der Afrikabeauftragte Günter Nooke lachte am erfahrensten, als ich die Strategieinflation karikierte. Afrikaner machen das Spiel um immer neue Strategiepapiere nur zu gerne mit, weil sie glauben, auf diese Weise ihren externen Partnern zu gefallen. Zugleich aber nehmen sie gerne das Papier schon für die Tat und wissen nur zu gut, externe Partner gegeneinander auszuspielen. Aus diesen Erkenntnissen müsse die G20-Gruppe Folgerungen ziehen.

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Merkel verteilte Noten zwischen den Zeilen. Als Entwicklungsminister Müller einmal zu lang ausholte, um sein Faktenwissen zu Afrikas Urbanisierung zu präsentieren, tuschelte sie sofort mit Außenminister Steinmeier über irgendwelche E-Mails. Als Paul Collier zu lange geredet hatte, rüffelte sie resümierend trocken: „Es war gut, trotzdem.“ Collier war der einzige Nicht-Deutschsprachige an diesem Abend. Für ihn war ein perfekter Dolmetscher-Service arrangiert worden mit Ohrsteckern und Mikrofon vor jedem am Tisch. Gelegentlich antworteten ihm die Bundeskanzlerin und Minister Schäuble in gediegenem Englisch. Paul Collier war offenbar gewonnen worden, um für Finanzminister Schäuble das Konzept eines „Compact for Africa“ zu schreiben. Ich plädierte ganz im Sinne meiner Studie Africa Consensus und aller Erfahrungen in Afrika für einen „Compact with Africa“. Die weit mehr als nur semantische Formeldifferenz setzte sich zu meiner Freude am Tisch durch. Von Afrika her zu denken, das war für alle plausibel. Beim G20-Gipeltreffen am 7./8. Juli 2020 wurde in Hamburg der „Compact with Africa“ beschlossen und der Welt verkündet. Ein ganz neuer Ansatz in der weltweiten Befassung mit Afrika hatte an diesem Abend im Berliner Bundeskanzleramt seinen Anfang genommen. Die Bundeskanzlerin gab jedem zum Abschied die Hand. Dann sammelte sie uns alle um sich in dem eigenartig großen Aufzug, der wirkte, als sei er nicht für Menschen, sondern für Lasten bestimmt. Wir fuhren auf ihren Knopfdruck hin ins Erdgeschoss. An einer Stelle war die Bundeskanzlerin ehrlich über den eigentlichen Nutzen des Abends für sie gewesen: Es gebe ja, ich hatte darauf hingewiesen, Klage über zu viele AfrikaStrategien in der Welt. Das sei aber ja auch schon in ihrer Regierung ein Problem. Ich erinnerte mich: Wolfgang Schäuble schaute in Richtung des Internationalen Währungsfonds, Frank-Walter Steinmeier auf die UN-Diplomatie. Gerd Müller hatte vor wenigen Tagen für einen neuen Marshallplan für Afrika plädiert. Das Wirtschaftsministerium, wer immer sein Minister war, präferierte deutsche Handelsinteressen. Der Abend hatte unter dem Strich also in erster Linie der Kabinettskoordination mithilfe von externen Experten gegolten. Angela Merkel hatte ihre Stärke gezeigt: Präsenz und natürliche Führung in solcher Runde, von denen es jeden Tag ähnliche für sie gibt. Sie wirkte frisch und unverzagt nach aller öffentlicher Kritik wegen der selbstverschuldeten Flüchtlingspolitik und der allgemeinen Umstände in der Welt (Trump, Brexit). Sie lenkte bravourös den Flohzirkus Bundesregierung. Und doch blieb ein fader Nachgeschmack des Abends. Wie hatten die Mitglieder der Bundesregierung an den Lippen von Paul Collier gehangen, obgleich er in einem Interview so drastisch kritisiert hatte, Merkels Flüchtlingspolitik sei schuld am Tod vieler Menschen im Mittelmeer. Was würde werden, wenn die Briten aus der EU ausgeschieden sein werden? Auch der Brexit war nicht erklärlich ohne Merkels falsche Flüchtlingspolitik. Die Mitglieder der Bundesregierung, die mir gegenübersaßen, schienen zu glauben, dass Deutschland schon alles hinkriege, was auch komme. Die Mischung aus zu später Ursachenanalyse bei großen Herausforderungen und einer beschönigenden Verarbeitung der Folgen fand ich fatal für das dauerhafte Vertrauen in

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die demokratische Politikgestaltung. Mich machte diese Wahrnehmung melancholisch, trotz des sehr guten und enorm erfolgreichen Gesprächs, das vielleicht ein wenig dazu beitragen konnte, einige dieser Fehler einzudämmen. Wir alle verließen das düstere, menschenleere und kalte Kanzleramt. Bizarre, sterile Gänge, Türen, Übergänge. Das Gebäude soll achtmal so groß sein wie das Weiße Haus in Washington. Achtmal so steril ist es gewiss. Ob Frau Merkel noch auf ein Bier mitgehen wolle, fragte Außenminister Steinmeier sie. Sie winkte ab, nein, sie habe noch zu arbeiten. Pflicht ist eben Ästhetik und Inbegriff von Schönheit in Preußen. Kalte Leere vor der Tür des Kanzleramtes. Berlins virtuelle Welten hatten mich wieder. Am nächsten Tag schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert mir ein E-Mail: Es sei einer der interessantesten Abende seit Langem gewesen. Ein G20 „Compact with Africa“ sollte tatsächlich am Ende des Weges stehen. Das war als Ertrag des Gespräches mehr als sich jeder erhoffen durfte, der sich auf Politikerberatung einlässt. Die nächsten Schritte waren in Berlin berichtet worden: Nach dem Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure in Washington am 20./21. April 2017 stand in Berlin eine internationale Konferenz der Bundesregierung am 12./13. Juni 2017 auf dem Programm, um die deutsche Wirtschaft für ein neues Afrika-Engagement zu gewinnen. Am 7./8. Juli 2017 fand der G20-Gipfel in Hamburg statt. Der „Compact with Africa“ ging in den Medien naturgemäß ein wenig unter, weil es die erste Gelegenheit für ein Treffen des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war. Aber der „Compact with Africa“ wurde in Hamburg in Anwesenheit einer ganzen Reihe afrikanischer Staatschefs beschlossen. Er führte Entwicklungspartnerschaften der G20-Länder mit einzelnen Staaten Afrikas ein. Africa Consensus, so hatte ich ihn mir vorgestellt. Bei diversen Vorträgen führte ich das Thema weiter aus, so beispielsweise am 20. Januar 2018 bei der Rheinischen Genossenschaft des Johanniterordens. Die Bundeskanzlerin kümmerte sich an erster Stelle längst wieder um die Absicherung ihrer innenpolitischen Macht. Ich verfolgte den Weg des „Compact with Africa“ weiter. Manchmal ironisierte ich den Sinn von internationalen Gipfelveranstaltungen. Der EU-Afrika-Gipfel am 29./30. November 2017 in Abidjan, beispielsweise: 54 afrikanische und 28 europäische Regierungsdelegationen kamen dort zusammen. Netto war Zeit für acht Stunden Gespräch und Diskussion. Das machte dreieinhalb Minuten Redezeit pro Land, rechnete ich aus, wenn es hochkam, maximal fünf Minuten. Das war weniger als ich bei dem Gesprächsabend im Bundeskanzleramt gesprochen hatte. Plötzlich verstand ich sehr anschaulich, was es heißt, wenn von Politik als Prozess gesprochen wird. In der Presse wurde berichtet und im Schlusskommuniqué konnte ich es nachlesen, dass der EUAfrika-Gipfel in Abidjan eine der Ideen aufgegriffen hatte, die ich beim Brainstorming am dinner table von Bundeskanzlerin Merkel zehn Monate vorher vorgetragen hatte: die biometrische Erfassung der Daten von Afrikanern durch Stärkung aller dafür notwendigen technologischen Instrumente. Nur auf den ersten Blick ein kleines Thema,

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das seit dem EU-Afrika-Gipfel vom November 2017 von einer Idee zur bi-kontinentalen Arbeitsaufgabe geworden ist. Eine zweite Idee, die ich der Bundeskanzlerin vorgetragen hatte und die mitgeschrieben wurde, kam auch bald voran: Im April 2017 begannen die Vereinten Nationen damit, den „Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ zu erarbeiten. In der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde der Pakt am 19. Dezember 2018 verabschiedet. Auch dies war natürlich erst einmal nur ein erster, zudem weiterhin umstrittener Schritt. Aber immerhin: Politikerberatung kann funktionieren.

7.4  Maturing beyond Cotonou (Kühnhardt 2016) – The European Archipelago (Kühnhardt 2019) Der Zusammenhang zwischen der Dekolonialisierung und dem Beginn der europäischen Integration ist in der zeitgeschichtlichen Forschung stets vernachlässigt worden. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass National-Building in der südlichen Hemisphäre und Region-Building in Europa zwei Seiten einer Medaille sind. Der Zweite Weltkrieg hat diesen Prozess beschleunigt und konsolidiert. Sichtbarster Ausdruck des Zusammenhangs wurde die Idee der Assoziation zwischen den Mitgliedsländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und einer ganzen Reihe von überseeischen Gebieten, die weiterhin unter der Kolonialherrschaft von Mitgliedsstaaten der EWG standen. In Anhang IV zu den Römischen Verträgen von 1957 wurden diese Gebiete en Detail aufgelistet.5 Mit den Römischen Verträgen begann die erste internationale Form der Zusammenarbeit des sich entwickelnden gemeinsamen europäischen Marktes und einer vielfältigen Staatengruppe in Afrika. 1963 wurde das „Yaoundé Abkommen“ abgeschlossen. Dieser Schritt konsolidierte die Assoziation der EWG mit zunächst 18 Staaten Afrikas.6 Seit 1975 kam es zu einer Folge von vier LoméAbkommen. Dessen Effekte verfolgte ich von Anfang an. In der Rezension eines

5  Französisch-Westafrika:

Senegal, Sudan, Guinea, Elfenbeinküste, Dahomey, Mauretanien, Niger und Obervolta, Französisch-Äquatorialafrika: Mittelkongo, Ubangi-Shari, Tschad und Gabon, Saint Pierre und Miquelon, Komoren-Archipel, Madagaskar und zugehörige Gebiete, Französisch-Somaliland, Neukaledonien und zugehörige Gebiete, die französischen Niederlassungen in Ozeanien, die australen und antarktischen Gebiete, die autonome Republik Togo, das unter französischer Verwaltung stehende Treuhandgebiet Kamerun, Belgisch-Kongo und RuandaUrundi, das unter italienischer Verwaltung stehende Treuhandgebiet Somaliland, NiederländischNeuguinea.

6  Die

18 Staaten waren Burundi, Dahomey, Demokratische Republik Kongo, Elfenbeinküste, Gabun, Kamerun, Kongo-Brazzaville, Madagaskar, Mali, Mauretanien, Niger, Obervolta, Ruanda, Senegal, Somalia, Togo, Tschad und die Zentralafrikanische Republik.

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Buches über die ersten Erfahrungen mit dem Lomé-Abkommen verwies ich 1979 darauf, dass manche Hoffnung enttäuscht worden sei. Noch immer lieferten die AKPStaaten zu 90 % agrarische und mineralische Rohstoffe in der Europäische Gemeinschaft: „Die Industrialisierung in den AKP-Staaten machte keine entscheidenden Fortschritte (Kühnhardt 1979c).“ In meinem Buch Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik wurde ich 1980 grundsätzlicher. Zwar zitierte ich die damalige EGKommissarin Edith Cresson, die das Lomé-Abkommen von 1975 als „historisch und aktuell einmalig in der Welt“ bezeichnet hatte. Aber der Mechanismus zur Stabilisierung der Rohstoffexporterlöse, der mit dem Lomé-Abkommen etabliert worden war, reichte ganz gewiss nicht, um die Wirtschaftsbeziehungen der Staaten Europas und der Signatarstaaten des Lomé-Abkommens, die nach dem EG-Beitritt Großbritanniens 1973 um anglophone Staaten Afrikas sowie um Staaten der Karibik und des Pazifiks erweitert worden waren, grundlegend zu ändern. 1980 bilanzierte ich wie folgt: „Dieses Abkommen, dessen Nachfolgeabkommen sich zwischen 1980 und 1985 zu bewähren haben wird, beseitigte den bösen Verdacht noch nicht ausreichend, ein gerechter Interessenausgleich werde von den Industrieländern als Deckmantel zur Rechtfertigung eigener Besitzstände mißbraucht (Kühnhardt 1980e, S. 15).“

Abb. 7.31   Mit Gabriel Nimbdik, Leiter des Büros des Premierministers von Vanuatu, in Port Vila (2007). (©Ludger Kühnhardt)

7.4  Maturing beyond Cotonou (Kühnhardt 2016) …

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2000 wurde das „Cotonou Abkommen“ geschlossen, unterdessen von 28 EU-Mitgliedsstaaten und 79 AKP-Staaten.7 Das „Cotonou Abkommen“ wurde auf 20 Jahre geschlossen. Folgerichtig stellte sich ab spätestens 2015 die Frage, wie es danach weitergehen würde. Ich stellte diese Frage als einer der ersten.

Abb. 7.32   Mit Michelle Mukaruliza, Ruandas Ministerin für Fragen der Ostafrikanischen Integration, in Kigali (2012). (©Ludger Kühnhardt)

7  Die

AKP-Staatengruppe besteht aus: Afrika: Angola, Äquatorialguinea, Äthiopien, Benin, Botswana, Burkina Faso, Burundi, Cabo Verde, Dschibuti, Elfenbeinküste, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, Kenia, Komoren, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Lesotho, Liberia, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mauritius, Mosambik, Namibia, Niger, Nigeria, Ruanda, Sambia, São Tomé und Príncipe, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Somalia, Südafrika, Sudan, Swasiland, Tansania, Togo, Tschad, Uganda, Zentralafrikanische Republik; Karibik: Antigua and Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Dominikanische Republik, Grenada, Guyana, Haiti, Jamaika, Kuba, St. Kitts and Nevis, St. Lucia, St. Vincent and the Grenadines, Suriname, Trinidad and Tobago; Pazifik: Cookinseln, Fidschi, Kiribati, Marshall Islands, Föderierte Staaten von Mikronesien, Nauru, Niue, Palau, Papua-Neuguinea, Salomonen, Samoa, Timor-Leste, Tonga, Tuvalu, Vanuatu.

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Seit 1977 hatte ich mich regelmäßig und schlussendlich in allen 54 Staaten Afrikas aufgehalten (Kühnhardt 2021; Kühnhardt 2022, passim). Den karibischen Teil der AKPGruppe hatte ich erstmals 1979 in Jamaika und Haiti, den pazifischen Teil der AKPGruppe 1993 in Tonga, Fidschi und den Cookinseln kennengelernt. Es folgten Zug um Zug Feldforschungen in allen karibischen und pazifischen AKP-Staaten: Dominikanische Republik (1995), Bahamas (2000), Kuba (2003), Palau, Föderierte Staaten von Mikronesien und Belize (2005), Guyana, Suriname, Trinidad and Tobago, Grenada, St. Vincent and the Grenadines, St. Lucia und Barbados (2006), Vanuatu, Salomonen, Papua-Neuguinea, Timor-Leste (2007), Madagaskar, Komoren und Mauritius (2014), nochmals die Föderierten Staaten von Mikronesien, Marshall Islands, Fidschi, Nauru, Kiribati, Samoa, Tuvalu und Niue (2015), Dominica, Antigua and Barbuda und St. Kitts and Nevis (2016) (Kühnhardt 2021, passim).

Abb. 7.33   Interview mit Herman Sargeant für „Radio Montserrat“ in Brades (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Neben vielfältigsten Begegnungen mit verantwortlichen Persönlichkeiten hielt ich bei verschiedenen Gelegenheiten einen Vortrag, zumeist über die Bedeutung der AKPEU-Beziehung im Zeitalter von Globalisierung und neuen geopolitischen Herausforderungen: Havanna, XI. International Conference on European Studies, 30.

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September 2003; Belmopan, University of Belize, 20. September 2005; Paramaribo, Lim a Po Institute for Social Sciences, 25. September 2006; Port of Spain, University of the West Indies, Institute for International Relations, 26. September 2006; Port Vila, Cultural Center of the Republic of Vanuatu, 28. September 2007; Port Moresby, University of Papua New Guinea, 1. Oktober 2007; Antananarivo, Table Ronde der Deutschen Botschaft und der Friedrich-Ebert-Stiftung, 22. Februar 2014; Port Louis, Außenministerium von Mauritius, 29. Februar 2014; Suva, University of the South Pacific, Department of Political Studies, 21. August 2015; Basseterre, Ministry of International Trade, St. Kitts and Nevis, 8. September 2016. Im Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn führte ich im Wintersemester 2014/2015, im Sommersemester 2015, im Sommersemester 2016 und im Sommersemester 2018 jeweils ein Seminar zur EUAKP-Thematik durch, die von sehr interessierten Studierenden besucht wurden.

Abb. 7.34   Im Gespräch mit Marie-Jeanne Maguy, Direktorin im Conseil Régional von Martinique (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Meine Studien hatten immer wieder zu Präzisierungen, Anpassungen und Erweiterungen meiner Einstellungen zu vielen entwicklungspolitischen Fragen geführt. Über die Jahre wurde mir immer deutlicher bewusst, dass das postkoloniale Zeitalter, vom dem das „Lomé-Abkommen“ ebenso wie das „Cotonou-Abkommen“ ein Teil waren, zu

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Ende gekommen war. Wir waren in eine post-postkoloniale Ära in Bezug auf die Beziehungen zwischen Europa und den AKP-Staaten eingetreten. Die europäische Integration war längst konsolidiert. Im Zentrum stand über den gemeinsamen Markt hinaus ein System des gemeinschaftlichen Regierens in Europa, das sich von seinen postkolonialen Ursprüngen ebenso gelöst hatte wie von der ursprünglichen Kernbegründung, eine Friedensordnung in Europa zu schaffen. Die EU war eine Föderation sui generis geworden, gleichzeitig aber immer noch hochgradig unterentwickelt in Bezug auf ihre strategische Globalpräsenz und Interessenprojektion. Die AKP-Staaten waren emanzipiert, häufig in vielschichtige Bemühungen um eine Balance zwischen NationBuilding und Region-Building involviert und traten der EU nicht länger als postkoloniale Underdogs entgegen. Sie waren zu einem politischen Partner gereift, der indessen noch nicht ausreichend als solcher in der EU wahrgenommen wurde. Größtmögliche Ausdifferenzierungen hatten sich zwischen den 79 AKP-Staaten vollzogen, aber als gemeinsame Gruppe waren sie einzigartig. Zusammen mit der EU bildeten sie das einzig rechtlich bindende Forum der Zusammenarbeit, das außerhalb des UN-Systems über vier Kontinente hinweg existierte. Ich war zutiefst überzeugt davon, dass es im Interesse der EU und der AKP-Staaten sein würde, diesen wichtigen Baustein einer multilateralen Weltordnung fortzuführen, ja grundlegend zu vertiefen und an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anzupassen. Meine Feldforschungen hatten mich darin ebenso bestätigt wie meine Analysen zum Wandel der Weltordnung.

Abb. 7.35   Mit Alhaji Muhammad Mumuni, dem Generalsekretär der AKP-Staatengruppe, in Brüssel (2014). (©Ludger Kühnhardt)

7.4  Maturing beyond Cotonou (Kühnhardt 2016) …

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Wie kaum anders zu erwarten, war es in Brüssel mühsam, ein einheitliches Bild der Überlegungen unter Verantwortlichen in der EU zu gewinnen, ob und wie es nach Auslaufen des Cotonou-Abkommens am 28. Februar 2020 weitergehen könnte. Am 18. November 2014 verbrachte ich erstmals einen langen Tag in Brüssel, um mir mithilfe einer langen Abfolge von Einzelgesprächen ein Bild von den möglichen Perspektiven zu gewinnen. Hoher Erkenntnisgewinn, aber auch Ernüchterung brachte mein langes Gespräch mit dem Generalsekretär der AKP-Staatengruppe, Alhaji Muhammad Mumuni, einem früheren Außenminister von Ghana. Mumuni beklagte, die EU habe die AKP-Gruppe gespalten. Die „heydays“ der AKP-Staatengruppe seien vorbei, obwohl dies die wichtigste globale Koalition der Armen sei. Ich suchte auch den Botschafter von Samoa bei der EU auf. Fatumanava III Pa’olelei Luteru galt als Sprecher der AKP-Inselstaaten. Luteru zeigte sich besorgt über die Marginalisierung der 36 Small Island Development States, die Teil der AKP-Gruppe sind. In der Generaldirektion Entwicklung der Europäischen Kommission (DG DEVCO) gewann ich bei den sehr engagierten Beamten Elisabeth Pape und Peter Craig McQuaide den Eindruck, langsam könnte in der EU ein koordinierter Vorbereitungsprozess hin zu einem Nachfolgeabkommen für das Cotonou-Abkommen beginnen. Die beiden hofften auf einen internetbasierten Reflexionsprozess in der EU, um zu neuen Ideen und einer Vermehrung der Stakeholder, wie es im dortigen Jargon hieß, auf dem Weg zu einem Cotonou-Nachfolgeabkommen zu gelangen. Geert Laporte, Cotonou-Experte im European Center for Development Policy Management (ECDPM) zog eine sehr kritische ökonomische Bilanz der EU-AKP-Beziehung. Er erkannte bestenfalls diplomatisches Kapital in dem EU-AKP-Thema, das aber nicht zwingenderweise die Fortführung der EUAKP-Zusammenarbeit sicherstellen und rechtfertigen würde. Ich kämpfte mich bei mehreren weiteren Brüssel-Aufenthalten durch die verschiedenen Arbeitsebenen in unterschiedlichen EU-Generaldirektionen hindurch, um mit Offiziellen und Experten weiterhin über diese Fragen zu sprechen. Spärlich flossen die Informationen, weil die inter-institutionellen Abstimmungsprozesse noch kaum begonnen hatten. Je länger diese Prozesse dann dauerten, umso byzantinischer wurden sie. Je mehr ich mich umhörte, desto deutlicher wurde mir, wie groß die Vorbehalte gegen eine Fortführung des EUAKP-Kooperationsansatzes waren. Die entwicklungspolitische Bilanz war durchwachsen. Unter einigen der besonders interessierten Mitgliedsstaaten, von denen es nicht viele gab, waren die Interessen unterschiedlich. Für Deutschland war, zumal nach der Flüchtlingskrise von 2015, Afrika wichtiger denn je. Die Karibik und der Pazifik waren hingegen noch weiter entfernt als ohnehin schon. Frankreich dachte geopolitisch und maritim, aber war damit eher an strategischen als an mühevollen institutionellen Netzwerkstrukturen interessiert. Der wichtigste Aspekt, der für die Fortführung des EU-AKP-Ansatzes aus französischer Sicht sprach, war die finanzielle Beteiligung aller anderen EU-Partner über den Europäischen Entwicklungsfonds. Diesen wiederum wollte das Europäische Parlament seit vielen Jahren am liebsten in den allgemeinen EU-Haushalt einbauen, um damit seine eigenen Mitsprachemöglichkeiten zu erhöhen. Am 30. März 2016 traf ich Len Ishmael wieder, die wildgelockte Botschafterin der Organisation der Eastern Caribbean States (OECS), die ich zehn Jahre zuvor in Castries/

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St. Lucia kennengelernt hatte, wo sie seinerzeit Generalsekretärin der OECS war. Sie schildete mir sehr eindringlich die besonderen Verwundbarkeiten der kleinen Inselstaaten, die Alternativlosigkeit der regionalen Integration für die einwohnerschwächsten Staaten der Karibik („600.000 is more than 95.000“). Len Ishmael sprach bewundernd von den Reformen in Kuba, verhehlte aber auch ihre Skepsis nicht gegenüber der kontinental-großterritorialen Blickweise der spanischsprachigen Latinos. Die USA hätten keinerlei Verständnis für die Probleme der kleinen Inselstaaten, sagte die teilweise in den USA ausgebildete Diplomatin, und nur insofern hätten die USA auch die AKPGruppe auf dem Radar. Die größte Hoffnung für die AKP-Kleinstaaten bleibe die Fortführung der strukturierten Zusammenarbeit mit der Europäischen Union.

Abb. 7.36   Neben Patrick Ignatius Gomes aus Trinidad und Fatumanava III Pa’olelei Luteru aus Samoa: Meine strategischen Ausführungen werden von den Botschaftern aller Staaten der AKPGruppe in Brüssel diskutiert (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Später an diesem Tag wurde mir die Ehre zuteil, vor 60 afrikanischen, karibischen und pazifischen Botschaftern sowie einigen Vertretern internationaler Organisationen im Hauptquartier der AKP-Gruppe über meine Ideen für die Zukunft der EU-AKPBeziehung zu referieren. Der neue AKP-Generalsekretär Patrick Ignatius Gomes hatte mich eingeladen, meine Überlegungen zu einem gewandelten Entwicklungsbegriff vorzutragen. Die Sitzung, die die AKP als wegweisenden Schritt der Vorbereitung auf mögliche Nachfolgeverhandlungen für das „Cotonou-Abkommen“ verstand, wurde von dem mir unterdessen vertrauten Botschafter Samoas bei der EU, Fatumanava III Pa’olelei Luteru, geschmeidig geleitet. Ich führte aus, dass das eigentliche Thema nicht sein könne, ob und wie, sondern nur was die AKP-Gruppe und die EU miteinander erreichen wollten. Die UN Sustainable Development Goals (SDG) seien schön und unangefochten. Aber es fehlt diesen UN-Zielen eine klare Ordnung der Prioritäten und Klarheit über innere Zielkonflikte sowie die Voraussetzungen ihrer erfolgreichen Verwirklichung. Politische Konflikte, die zwischen einzelnen SDGs unvermeidlich seien, würden verharmlost. Hier könnte, sollte und müsste die künftige EU-AKP-Zusammenarbeit

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konstruktiv ansetzen. Dazu sei ein frischer neuer Startpunkt nötig, den ich ungeniert wie folgt formulierte: Alle unsere Länder, gleichgültig ob in den AKP-Regionen oder in der EU seien Entwicklungsländer. Der Begriff Entwicklung müsse erneuert und an die heutige Welt und vor allem die innergesellschaftliche Lage aller Staaten der Erde angepasst werden. Als strategische Partner sollten die AKP-Länder und die EU sich dieser Aufgabe künftig stellen. Ich variierte die Kernthese meiner Studie Africa Consensus: Jobs und Infrastruktur müssen entstehen, das sei das Kriterium für den Erfolg der künftigen EU-AKP-Zusammenarbeit. Zudem empfahl ich den anwesenden AKPRepräsentanten, mit ihren Regierungen zu überlegen, wie die EU-AKP-Struktur im internationalen politischen System sichtbar werden kann, namentlich am Sitz der Vereinten Nationen in New York.

Abb. 7.37   Maturing beyond Cotonou. An EU-ACP Association Treaty for Development. A proposal for reinventing EU relations with the African, Caribbean and Pacific (ACP) Group of States (2016). (©Ludger Kühnhardt)

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Wenig später erschien meine systematische und zugleich sehr praktisch ausgerichtete Studie „Maturing beyond Cotonou“ als ZEI Discussion Paper (Kühnhardt 2016). Ich rekapitulierte die kolonialen und postkolonialen Erfahrungen, die die Zeit zwischen den Römischen Verträgen und den vier „Lomé-Abkommen“ geprägt hatten, erinnerte an die wechselseitigen Vorurteile zwischen Europa und den AKP-Staaten während des Kalten Krieges und bezeichnete die Beziehungen im Zeichen des „Cotonou-Abkommens“ und der weithin gescheiterten EU-Politik, sogenannte Economic Partnership Agreements (EPAs) mit den AKP-Regionen zu verhandeln, als Zeit des Stillstands und des Patts („stalemate“). Jetzt komme es darauf an, nach vorne zu schauen und die Beziehungen zwischen EU und den AKP-Staaten strategisch reifen zu lassen. Dazu seien, so setzte ich den argumentativen Aufbau meiner Studie fort, drei Aspekte vorrangig: 1. Eine stärkere Begründung und eine breite thematische Aufstellung für die EU-AKPBeziehungen. Dazu würde gehören, die politische Natur der Beziehungen zu stärken und mit einem künftigen „EU-ACP Association Treaty for Development“ nicht nur einen entwicklungspolitischen, sondern einen weltpolitischen Akzent im Sinne der Stärkung multilateraler Strukturen zu setzen. 2. Der größte Mehrwert für eine vertragliche Fortführung der EU-AKP-Beziehungen würde in der rechtsverbindlichen Natur der Vereinbarung liegen. Zugleich müssten aber die regionalen Besonderheiten besser berücksichtigt werden, die sich seit der Verabschiedung des Lomé-Abkommens in Afrika, der Karibik und im Pazifik herausgebildet hatten. Für die drei AKP-Subregionen müssten daher unter dem Dach einer gemeinsamen rechtlich verbindlichen Form spezifische Vereinbarungen getroffen werden. Diese können in Bezug auf Afrika und auf die Karibik auf erprobten gemeinsamen Strategien der EU mit diesen beiden Regionen aufbauen, und auch im Blick auf die pazifischen AKP-Staaten hatten sich unterdessen solide Kooperationsmechanismen und Themen der Zusammenarbeit herausgebildet, teilweise sogar mit anderen, wie etwa mit Neuseeland im Bereich des Aufbaus erneuerbarer Energie. Ich ging auf die einzelnen Besonderheiten der drei AKP-Regionen ein, die von der EU zielgenauer als in der Vergangenheit im Rahmen der künftigen Partnerschaft berücksichtigt werden müssten. Die EU müsse auch ihrerseits ihre allgemeinpolitischen Prioritäten jenseits der EU-AKP-Agenda deutlicher als in der Vergangenheit an die AKP-Partner und ihre Gesellschaften vermitteln. 3. Die Letztbegründung für die künftige, strategisch gereifte EU-AKP-Beziehung bezog ich auf die gemeinsamen Beiträge zur Umsetzung der UN Sustainable Development Goals (SDGs), die 2015 verabschiedet worden waren. Deren Inhalte zu unterstützen mache erforderlich, dass die EU und die AKP-Staaten künftig stärker gemeinsame Präsenz in der UNO zeigen und ihre Herangehensweisen und Politikformulierungen wo immer möglich besser abstimmen. Gemeinsam repräsentieren beide Staatengruppen mehr als die Hälfte aller unabhängigen Länder der Erde. Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass in allen Fragen natürliche Interessenüberschneidung besteht und es sogar angenommen werden muss, dass in gewichtigen Angelegen-

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heiten Interessendivergenzen oder gar Konflikte auftreten, sei doch eine gemeinsam erhöhte Präsenz in der UNO vorteilhaft. Sie werde weltweit ihre Wirkung nicht verfehlen, argumentierte ich, unterstützt mit einer Reihe von Detailvorschlägen und konkretisierenden Ideen. Offenkundig blieben meine Thesen und Überlegungen nicht ungelesen. Am 14. Juni 2016 schrieb mir Dieter Frisch einen mehr als ausführlichen Brief. Frisch war ehemaliger Generaldirektor für Entwicklung in der Europäischen Kommission und als solcher konzeptioneller Vater der „Lomé-Abkommen“. Ich hatte ihn angesichts seiner enormen Erfahrungen in der EU und in den AKP-Regionen im Zuge meiner Recherchen konsultiert. Nun reagierte er mehr als freundlich auf meine Studie, die „ein wertvoller, origineller, konstruktiver Beitrag zu der angelaufenen Diskussion“ sei. Er schätzte besonders, dass ich das EU-AKP-Partnerschaftskonstrukt an sich nicht nur nicht infrage stellte, sondern seinen weltpolitischen Wert herausgearbeitet hatte. Dazu sei völlig komplementär, wie von mir vorgeschlagen, das „all-ACP umbrella agreement“ mit spezifischen regionalen Partnerschaften zu verknüpfen. Im Blick auf die Formel „Assoziierung“ verwies er auf tiefgehend unterschiedliche Instinkte zwischen frankophonen Ländern, für die der Begriff unproblematisch sei, und anglophonen Ländern des Commonwealth, die bei denen der Begriff schon bei den Verhandlungen zum ersten „Lomé-Abkommen“ antikoloniale Instinkte geweckt hatte. Hinsichtlich der Vorbereitung auf die anstehenden Abläufe teilte Frisch meinen Eindruck, dass die AKP-Staaten besser vorbereitet seien als die EU. Dann aber ging es auch in der EU los. Am 20. März 2018 bat mich der entwicklungspolitische Ausschuss des Europäischen Parlaments zum Auftakt seiner Beratungen über den Cotonou-Nachfolgeprozess in Brüssel mit einer Keynote Address zur strategischen Zukunft der Beziehungen von EU und AKP den Diskussionsrahmen zu definieren. Die schottische Labour-Abgeordnete Linda MacAvan und der luxemburgische EVPAbgeordnete Frank Engel moderierten die lebhafte und sehr ausführliche Diskussion mit den Abgeordneten. Vor über 150 Abgeordneten und ihren Mitarbeitern, aber auch einer großen Zahl interessierter Offizieller aus den Brüsseler Institutionen, aus Botschaften, Nichtregierungsorganisationen und den Medien, legte ich einen Argumentationsrahmen vor unter dem Stichwort „Negotiating change“. Ich sagte, der Vorschlag für ein Verhandlungsmandat über ein Cotonou-Nachfolgeabkommen, den die Europäische Kommission am 12. Dezember 2017 vorgelegt hatte, sei ambitionierter als man hätte befürchten müssen. Aber er sei doch nicht strategisch genug. Ich nannte drei Punkte, bei denen ich das Europäische Parlament ermutigte, ambitioniertere Ziele voranzubringen. Erstens: Branding. Geplant war die Verhandlung eines gemeinsamen Rahmens sowie von drei regional ausgerichteter „Compacts“, jeweils mit den afrikanischen, den karibischen und den pazifischen AKP-Staaten. Das machte Sinn. Aber was, so fragte ich, sollte Rolle und Reichweite des gemeinsamen Daches sein? Ich schlug erneut meinen Ansatz vor, einen „EU-ACP Association Treaty for Development“ zuwege zu bringen. Noch

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wichtiger als der Begriff aber sei mir, endlich aus der merkwürdigen Prozesshaftigkeit unter Benennung der Vereinbarung mit dem Namen einer Stadt herauszukommen. Nur so könne „Branding“ entstehen und strategische Sichtbarkeit in der Welt. Zweitens: Geopolitik. Der Vorschlag der Europäischen Kommission sei voller SoftPower-Rhetorik (Frieden, Stabilität, resiliente Gesellschaften). Aber der strategische Nutzen von 79 plus 28 oder, nach dem Brexit, 27 Ländern werde in dem Entwurf des Verhandlungsmandats überhaupt nicht erwähnt. Immerhin macht die Gruppe der AKP und der EU-Staaten zusammen mehr als die Hälfte der Länder aus, die in der UNVollversammlung sitzen. Ich empfahl, den Brexit bereits mitzudenken, vor allem auch in Bezug auf die Verluste durch den Weggang der britischen Überseeterritorien für die strategische Weltpräsenz der EU. Sechs der britischen Überseeterritorien liegen in der Karibik, wo ein EU-AKP-Pfeiler besteht. Auch zu den verbleibenden 13 Überseegebieten müsse die EU sich in dem neuen EU-AKP-Vertrag mit einer neuen strategischen Systematik verhalten. Drittens: Jobs und Infrastruktur. Entwicklungshilfe sei weiterhin nützlich, aber nur als globale Sozialhilfe. Entwicklung funktioniere nur über privatwirtschaftliche Initiativen, einschließlich der Aktivierung von Ressourcen der afrikanischen und karibischen Diaspora. Viertens: Politischer Dialog. Dieser müsse endlich wechselseitig ernst genommen werden. Das müsse AKP-WahlbeobachterMissionen in der EU einschließen, um den Verdacht des Paternalismus bei diesem Thema zu überwinden. Alle nur denkbaren politischen und gesellschaftlichen Aktivitätsformate zwischen der EU und den AKP-Staaten sollten auf ihre baldige Machbarkeit geprüft werden. Ich erwähnte als Beispiele ein EU-ACP Migration Forum, ein EU-ACP Business Forum, ein EU-ACP Home Affairs Forum, ein EU-ACP Maritime Forum, ein EU-ACP Security Forum. Meine Thesen seien provolant, aber nötig und gut gewesen, sagte ein Abgeordneter aus Französisch-Guyana. Andere Abgeordnete wollten mehr erfahren über die Chancen einer kooperativen Souveränität zwischen den EU und den AKP-Staaten. Ich hatte diesen Begriff erstmals in die Debatte eingeführt, um die Zukunft der EU-AKP-Beziehungen politiktheoretisch zu grundieren („cooperative sovereignty“). Mir ging es bei allen Überlegungen darum, aus der technizistischen Sprache der Entwicklungspolitik herauszufinden in eine ernsthafte politische und strategische Analyse- und Argumentationsbegrifflichkeit. Der Abgeordnete Frank Engels kam zu einem vertiefenden Gespräch zu mir nach Bonn. Er wollte vor allem über meine Idee sprechen, Treuhandgebiete als Konzept für integrale Entwicklung mit friedenssichernden Maßnahmen nach einem Bürgerkrieg zu verbinden. Er erzählte mir, dass er auf dem Weg in die Zentralafrikanische Republik sei, wo er meine Idee zirkulieren lassen wolle. Wir skizzierten weitere Eckpunkte für diesen Ansatz, zu dem sich auch Günter Nooke, Afrikabeauftragter von Bundeskanzlerin Merkel ausführlich mit mir austauschte. Er warnte nur davor, zu präzise zu werden, sonst kämen gleich wieder Bundesbaubehörden und Bedenkenträger aller Art auf den Plan, damit jeder Aspekt der Infrastruktur solcher trust territories nach deutschen Maßgaben und politischen Korrektheiten konzipiert werden würde. Am 6. April 2018

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bat mich Hanna Tetteh um ein Gespräch. Die ehemalige Außenministerin von Ghana mit einer ungarischen Mutter wollte meine EU-AKP-Vorstellungen ausführlich mit mir diskutieren. Sie war vor allem daran interessiert, wie die multilaterale Architektur durch EU-AKP-Impulse gestärkt werden könnte. Schon wenig später wurde Frau Tetteh Leiterin des Büros der UNO am Sitz der Afrikanischen Union in Addis Ababa. Dort zogen die Erträge unseres Gesprächs weitere Kreise.

Abb. 7.38   Vortrag vor der Parlamentarischen Versammlung von EU und AKP im Europäischen Parlament in Brüssel (2018). (©Ludger Kühnhardt)

Am 28. September 2018 wurden die Verhandlungen für ein Cotonou-Nachfolgeabkommen am Rande der UNO-Vollversammlung in New York formell aufgenommen worden. Es konnte kein Zurück mehr geben. Der Erfolg musste alle Beteiligten nach vorne treiben. Am 11. Oktober 2018 war ich wieder in Brüssel. Der Politische Ausschuss der Gemeinsamen Parlamentarierversammlung EU-AKP hatte mich um Ausführungen zur strategischen Bedeutung der künftigen Zusammenarbeit der EU mit den AKP-Staaten gebeten. Ich freute mich, dass in einer überarbeiteten Version des EUVerhandlungsmandats meine Argumente über die strategische und globalpolitische Bedeutung der künftigen EU-AKP-Beziehungen Eingang gefunden hatten – wenngleich nicht als erster, sondern als letzter Punkt, aber immerhin. So ist das, wenn neue Ideen in ein Dokument einfließen, das schon über lange Zeit die Summe vielfältiger Kompromisse gewesen ist. Meine Überlegungen stießen bei den AKP- und

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EU-Parlamentariern in Brüssel erneut auf große Resonanz. Sie wurden sowohl von Abgeordneten des Europäischen Parlaments, vor allem dem liberalen Luxemburger Charles Goerens, als auch von den AKP-Abgeordneten Sebastian Kopulande aus Zambia und Außenminister Carl Barrington Greenidge aus Guyana, aber auch von anwesenden Vertretern der Europäischen Kommission und des AKP-Sekretariats positiv bewertet. Mir wurde signalisiert, dass meine Ausführungen in den weiteren EU-AKP-Verhandlungsprozess einfließen werden. Wiederum machten vor allem meine Vorschläge Eindruck, wie die EU-AKP-Partner sich im UN-System strategisch wirkungsvoller und politischer als bisher positionieren könnten.

Abb. 7.39   Im Gespräch mit Obiageli Ezekwesili, ehemalige Vize-Präsidentin der Weltbank, und meinem ghanaischen Doktoranden Michael Amoah Awuah in Bonn (2019). (©Ludger Kühnhardt)

Ich freute mich, als am 6. November 2019 Obiageli Ezekwesili zu einem Besuch nach Bonn kam. Ich hatte die ehemalige Vizepräsidentin der Weltbank 2011 bei dem Forum in Washington kennengelernt, zu dem damals Romano Prodi eingeladen hatte. Auch im Gespräch mit Oby, wie die vormalige nigerianische Präsidentschaftskandidatin

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genannt werden wollte, spürte ich, dass meine Denkansätze und Beiträge deswegen nützlich waren, weil sie als originell galten. Lange diskutierten wir über meine These vom defizitären Eigentumsbegriff als Urproblem der afrikanischen Entwicklung. Oby hatte meinen Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung“ gelesen (Kühnhardt 2017c). Beim Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel war diese These noch unter den Tisch gefallen. Oby griff sie auf und dachte sie weiter, als sie nach Nigeria zurückkehrte. Dort wollte sie eine Stiftung gründen, die den zivilgesellschaftlichen Gemeinsinn fördern sollte. Auch dort würden die Erträge unseres Gespräches weitere Kreise ziehen. Bei ihrem Gipfeltreffen am 9./10. Oktober 2019 in Nairobi überraschte die AKPStaatengruppe die Welt mit einer starken Botschaft des Multilateralismus. Nach 45 Jahren als informeller Verbund der AKP-Staaten vollzogen die Staatschefs der 80 AKPStaaten eine Namensänderung. Fortan war von der „Organisation der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten“ (OACPS) die Rede. Die EU hatte einen schlagkräftigeren und stärker auf eigenen Beinen stehenden globalen Partner. Die Verhandlungen über ein Cotonou-Nachfolgeabkommen zogen sich immer wieder hin, vor allem aufseiten der EU. Der Ausbruch der Corona-Pandemie kam geradezu als ein Alibi, um die Laufzeit des bisherigen „Cotonou-Abkommens“ einstweilen zu verlängern. Am 15. April 2021 war es endlich soweit: Jutta Urpilainen, die EU-Kommissarin für Internationale Partnerschaft, und der Chefunterhändler der OACPS-Gruppe, Togos Außenminister Robert Dussey, unterzeichneten das neue „OACPS-EU Partnership Agreement“. Kein erklärungsbedürftiger Städtename zierte diesmal das Abkommen, das eine neue Ära der strategischen Beziehungen zwischen der EU und ihren ältesten externen Partnern begründete. Teil 3 des allgemeinen Teils über globale Allianzen und internationale Zusammenarbeit behandelt eine globale Perspektive für die Zukunft der EU-OACPS-Beziehungen. Die entscheidenden Weichen hin zu diesem Neubeginn waren lange vor der Aufnahme der Verhandlungen 2018 gestellt worden: „You were very instrumental in supporting a global perspective which has been adopted“, schrieb mir am 31. Januar 2022 der vormalige Generalsekretär der OACPS, Patrick Ignatius Gomes, unterdessen in Trinidad pensioniert. In seiner Studie Strategische Diplomatie bezog sich der frühere Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Hans-Dieter Heumann (Diplomat und Bracher-Schüler), auf meine EU-AKP-Analyse: Weltpolitik komme, wie an meinem Blick auf dieses zu häufig vernachlässigte Thema zu sehen sei, „über die Ränder“ zurück (Heumann 2020, S. 188). Die Diskussionen, die ich zu meinem Argumentationsansatz mit Entscheidungsträgern auf beiden Seiten der Erde hatte führen können, hatten manches Rad ins Rollen gebracht. Mein ZEI Discussion Paper von 2016 „Maturing beyond Cotonou“ hatte seinen Zweck mehr als erfüllt: Die EU-OACPSBeziehungen begannen zu reifen.

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Abb. 7.40   Brexit-Folgen: Bei minus 30 Grad in einem Kühlhaus für Thunfisch in St. Helena (2018). (©Ludger Kühnhardt)

Während meiner Forschungen zur EU-AKP-Thematik wurde mir immer mehr bewusst, welche gravierende Folge der britische Austritt aus der EU für einen Aspekt der globalen Präsenz der Europäischen Union haben würde, der noch weniger im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stand als die Cotonou-Thematik: Neun der 22 mit der Europäischen Union assoziierten „Überseeischen Länder und Hoheitsgebiete“ waren dabei, mit Großbritannien die EU zu verlassen. Dies war umso paradoxer, als gerade jetzt die EU endlich zu einem umfassenden geopolitischen Akteur werden wollte. Im Jahr 2000 war die „Overseas Countries and Territories Association“ (OCTA) gebildet worden, um den weit über den Globus verstreuten Außenposten mehrerer EU-Mitgliedsländer eine gemeinsame Vertretung am Sitz der EU-Institutionen zu verschaffen. Die OCTs waren bestenfalls in den vier Ländern der EU, zu denen sie staatsrechtlich gehören, präsent: in Frankreich, in den Niederlanden, in Dänemark und in Großbritannien. Je genauer ich diese sehr spezielle Form eingeschränkter Souveränität untersuchte, umso deutlicher wurde mir die geostrategische Bedeutung der Overseas Countries and Territories. Die arktische und die antarktische Dimension gab ihrer Zuordnung zu Fragen der künftigen maritimen Geopolitik noch größeres Gewicht. Nachdem ich bereits 1993 Französisch-Polynesien, 2000 Bermuda und 2003 Grönland kennengelernt hatte, begann ich eine systematische Serie von Feldforschungen in den mit der EU assoziierten überseeischen Ländern und Territorien. Ich besuchte Neukaledonien (2007), gefolgt von Montserrat, Sint Maarten, Saint Martin, Saba, Sint Eustatius, Anguilla, Saint-Barthélemy, British Virgin Islands, (2016), St. Pierre

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et Miquelon, Turks and Caicos Islands, Cayman Islands, Curaçao, Bonaire, Aruba (2017). Es folgten die Falklandinseln und Saint Helena (2018) sowie Pitcairn und nochmals Französisch-Polynesien, Wallis und Futuna und nochmals Neukaledonien (2019). Wie üblich hielt ich Eindrücke von Gesprächen und Orten in Notizen fest (Kühnhardt 2021; Kühnhardt 2022, passim). Mancher Ort war nur mit Mühen zu erreichen. Überall erwartete mich ein dichtes Gesprächsprogramm. Ich wollte den Status und die Wirkung überseeischer Gebiete verstehen, die in semi-souveräner Verbundenheit mit „Mutterländern“ geblieben waren und nicht den Weg in die staatliche Unabhängigkeit wie viele andere ehemalige Kolonien gegangen waren. Dabei suchte ich auch nach vergleichenden Gesichtspunkten in den wichtigsten überseeischen Ländern und Territorien, die entweder nicht mit europäischen Ländern staatsrechtlich verbunden sind oder andererseits in Verbindung mit europäischen Ländern einen genuinen Status besitzen und daher weder überseeisches Territorium noch „normales“ Staatsgebiet sind. Diese Feldforschungen führten mich auf die Cookinseln (1993), und nach Niue (2015), die paradoxerweise zu den AKP-Staaten gehören, obwohl sie völkerrechtlich in freier Assoziierung mit Neuseeland sind, nach Guam (2005 und 2015), in den Commonwealth of the Northern Mariana Islands (2005), nach Amerikanisch-Samoa, in die US Virgin Islands und nach Puerto Rico (2016), die in freier Assoziation mit den USA verbunden sind, und nach Spitzbergen (2019), das als Teil Norwegens gilt, obwohl auf Svalbard noch immer russische Exklaven bestehen. Ebenso studierte ich die lokalen Umstände im britischen Überseegebiet Gibraltar (2001, 2009 und 2013) und im britischen Antarktisterritorium (2020), das sich mit dem argentinischen Antarktisterritorium und dem chilenischen Antarktisterritorium überschneidet, in den französischen Übersee-Départements FranzösischGuyana (2006), Mayotte und La Réunion (2014), Martinique, Guadeloupe (2015), sowie auf Färöer (2018), mit Dänemark durch Sonderbeziehungen verbunden, nicht der EU und ihrem Recht beigetreten, gleichwohl aber nicht eines von deren überseeischen Ländern und Territorien wie Grönland. Selbstverständlich hielt ich überall meine Eindrücke in Notizen aus einer verknüpften Welt fest (Kühnhardt 2022, passim). In einigen dieser enorm vielseitigen Außengebiete Dänemarks, Frankreichs, der Niederlande und Großbritanniens hielt ich Vorträge, ebenso aber auch in Deutschland, wo das Thema bisher keinerlei Spuren in Wissenschaft oder Politik hinterlassen hatte: University of Greenland, 20. November 2003; Noumea, Université de Nouvelle Caledonie, 27. September 2007; Mamoudzou, Centre Universitaire de Mayotte, 26. Februar 2014; Saint Denis, Université de La Réunion, 27. Februar 2014; Jamestown, Legislative Council von Saint Helena, 7. September 2018; Bonn, Center for Strategic Security and Governance (CISG), 28. September 2018; Bonn, Institut français, 14. Januar 2019; Hildesheim, Europagespräche, 24. Juni 2019; (digital wegen der CoronaPandemie) Aruba, Milo Croes Foundation, 9. April 2021. Im Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn führte ich im Sommersemester 2019 und im Wintersemester 2019/2020 jeweils ein Seminar zum Thema der überseeischen Länder und Territorien durch, das auf erstaunlich großes studentisches Interesse stieß. Die mit der EU assoziierten überseeischen Länder und Territorien pflegen einen regelmäßigen politischen Konsultationsprozess mit der Europäischen Union. Am 24.

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Februar 2017 konnte ich in Oranjestad am hochrangigsten Element dieser Kooperation teilnehmen, dem „EU-OCT-Forum“ (Kühnhardt 2022, S. 791 ff.). Der zuständige Europäische Kommissar, Neven Mimica, stand ebenso bereitwillig für meine Fragen zur Verfügung wie Mike Eman, der Premier des gastgebenden Aruba, Maurice Ponga, der aus Neukaledonien stammende Vizepräsident des Entwicklungsausschusses im Europäischen Parlament, Younous Omarjee, Abgeordneter des Europäischen Parlaments aus Französisch-Guyana und Vertreter aus den Overseas Countries and Territories aus allen Ecken der Erde. Es war hilfreich, dass mit mir die rechtswissenschaftliche Kollegin Flora Goudappel von der University of Curaçao ebenfalls das „EU-OCT Forum“ beobachtete. Sie ist eine der ganz wenigen Expertinnen, die sich auf Handelsrechtsfragen in Bezug auf die überseeischen Länder und Territorien spezialisiert hat. Floras Einschätzungen halfen mir, die subtilen Unterschiede zwischen den Territorien und ihren oft mit viel Mühen nach Oranjestad gereisten Vertretern besser zu verstehen.

Abb. 7.41   The European Archipelago. Rebranding the Strategic Significance of European Overseas Countries and Territories (2019). (©Ludger Kühnhardt)

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Am Ende meiner Feldforschungen und Literaturstudien formulierte ich ein ZEI Discussion Paper, das neben umfassenden Analysen auch grundlegende strategische Vorschläge zur Weiterentwicklung der Beziehungen der EU zu den überseeischen Ländern und Territorien umfasste (Kühnhardt 2019). Der Fokus meiner Studie hatte zwei Richtungen: Zum einen bilanzierte ich die möglichen Folgen des Brexits für die davon betroffenen britischen überseeischen Gebiete und Territorien. Zum anderen fragte ich nach den Folgen des Brexits für die Konstruktion der Assoziierungspolitik der EU. Dies geschah vor dem Hintergrund der tiefgreifenden geostrategischen Veränderungen, aber auch angesichts klimapolitischer Achsenverschiebungen (Arktis-Transportwege). Ich prognostizierte eine Zunahme von Souveränitätsansprüchen über die verbliebenen überseeischen Länder und Territorien angesichts des Brexits. Vor dem Internationalen Strafgerichtshof und in der UNO hatte das britische Überseegebiet Diego Garcia, faktisch ein unsinkbarer Flugzeugträger im Indischen Ozean, schon für heftigste Ausschläge gesorgt. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten votierten 2019 mit Mauritius und den AKP-Staaten, um Diego Garcia auf die Liste der Gebiete zu setzen, die sich bisher nicht selbstbestimmt regieren. Der Falkland-Konflikt, aber auch die Gibraltar-Frage könnten wieder aufbrechen. Die Zukunft von Neukaledonien war unbestimmt. Grönland blieb ein Sonderfall. Vor diesem Hintergrund plädierte ich in meiner Studie explizit dafür, die überseeischen Länder und Territorien nicht als einen irrelevant gewordenen Wurmfortsatz der europäischen Kolonialzeit zu betrachten, von dem man nicht wisse, wie man ihn entfernen könnte. Stattdessen, so argumentierte ich, verlange es strategische Weitsicht, die über den gesamten Erdkreis verstreuten überseeischen Länder und Territorien, die mit Frankreich, den Niederlanden und Dänemark verbunden und mit der EU insgesamt assoziiert sind, als Teil eines weltumspannenden Europäischen Archipels anzusehen. Es wäre im Eigeninteresse der EU, die Frage der überseeischen Länder und Territorien nicht allein unter Gesichtspunkten der entwicklungspolitischen Förderungsbedürftigkeit zu betrachten. In den meisten Gebieten schwinde dieser Status ohnehin immer mehr. Es wäre ein strategischer Coup der EU, argumentierte ich, und Zeichen globalpolitischer Weitsicht, die überseeischen Länder und Territorien aufzuwerten und in gleicher Kategorie zu behandeln wie die sogenannten Gebiete in äußerer Randlage. Damit werden von der EU die französischen Übersee-Départments Guadeloupe, Martinique, FranzösischGuyana, La Réunion und Mayotte bezeichnet, ebenso die portugiesischen Inseln Madeira und Azoren sowie die spanischen Kanarischen Inseln. Am 10. Januar 2020 schrieb mir die neue EU-Kommissarin für Internationale Partnerschaft, Jutta Urpilainen, die von mir vorgebrachte Thematik der überseeischen Länder und Territorien sei „an important element of my portfolio“. Es war wohl zu viel erwartet, dass die EU-Granden schon bei den Haushaltsberatungen der Europäischen Union 2020/2021 die Gelegenheit ergriffen hätten, sich neben der Routinefrage der Mittelzuwendung über die strategisch bedeutsame Rolle der überseeischen Länder und Territorien zu beugen. Am 5. Oktober 2021 beschloss der Europäische Rat immerhin eine Nachfolgeregelung für die Overseas Association Decision von 2013. Sie trägt den Titel „Decision on the Overseas Association, including Greeland“ (DOAG) und bedeutet

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eine Rahmenvereinbarung für die politische, finanzielle und wirtschaftliche Zusammenarbeit im Zeitraum 2021 bis 2027. Nach dem Brexit sind der EU 13 überseeische Länder und Territorien verblieben. Das war nicht unbedeutend, gerade auch im Blick auf die schärfer gewordenen Auseinandersetzungen um die Neubestimmung der Weltordnung. Zu befürchten war gleichwohl, dass erst unter Bedingungen einer gravierenden Krise die überseeischen Länder und Territorien die ihnen gebührende strategische Aufmerksamkeit in der EU finden dürften. Das galt erst recht für die Bedeutung der sie umgebenden Weltmeere, durch die höchst sensible Internetkabel verlaufen und einige der für die Aufrechterhaltung der Weltwirtschaft wichtigsten Seerouten. Ich konnte reklamieren, frühzeitig genug das Thema mit den Mitteln der Wissenschaft aufgegriffen und analytisch aufbereitet zu haben. Wieder einmal war die Politik nun am Zuge, wissenschaftliche strategische Vorausschau zu übersetzen in weitsichtiges politisches Handeln. Angesichts der heraufziehenden Dominanz von geopolitischen Entwicklungen  war dies umso dringlicher. Denn  nicht nur der Westen insgesamt und der europäische Archipel, sondern auch die meisten regionalen Integrationssysteme in aller Welt gerieten zunehmend in den Strudel geopolitischer Turbulenzen. 

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Globalität

Der Begriff „Globalisierung“ hat sich zu einem Mantra des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts entwickelt. Dabei sind Definitionen und Deutungen vielstimmig geblieben. Ludger Kühnhardt näherte sich dem globalen Zeitalter über drei Zugänge an. Zum einen erinnert er daran, wie der Begriff „Weltfähigkeit“ ihn auf einen Habitus verwiesen hat. Er schildert die enorme Begriffsarbeit, die er mit über 100 Kolleginnen und Kollegen in eine Enzyklopädie investierte, um den Begriff der „Globalität“ zu bestimmen und auf die wichtigen Lebenssachverhalte und gesellschaftlich relevanten Aspekte und Symbolisierungen zu beziehen. In grundlegenden Analysen hat er sich mit den Konstellationen von Macht und Ohnmacht im globalen Zeitalter auseinandergesetzt, nach den Erhaltungsbedingungen liberaler globaler Ordnung angesichts des Dritten Weltkrieges geforscht und den Wandel des europäischen Raumbewusstseins beschrieben. Getragen wurden seine wissenschaftlichen Analysen von Feldforschungen und Studienreisen in alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen und eine große Zahl nichtsouveräner Länder und Territorien. Frühzeitig hat er den Systemkonflikt zwischen dem westlichen Fortschrittsbegriff und dem Weltbild des radikal-extremistischen politischen Islams aufkommen sehen. Im Licht der globalen Corona-Pandemie beschreibt Kühnhardt die Jahrzehnte seines Wirkens als eine Zwischenzeit auf dem Weg zu einer nun erst grundstürzend beginnenden, von größten Widersprüchen und massiver werdenden Spannungen erfüllten globalen Epoche.

8.1 Haltung und Idee der Weltfähigkeit: Der Diplomat Dieter Chenaux-Repond Globalisierung ist bloß ein abstrakter Vorgang, ein theoretischer Begriff. In der Globalisierung zu bestehen, erfordert Menschen, die weltfähig sind. Weltfähigkeit ist eine Haltung, die weitergeht als das, was der Begriff des Weltbürgers bezeichnen möchte. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_8

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Weltbürger versuchen, ihr Lebensmodell des Bürgers unter allen denkbaren Umständen zu bewahren, wo immer sie sich aufhalten. Um weltfähig zu sein, muss man nicht nur eigene Wurzeln haben und natürlicherweise weltläufig sein, Weltbürger eben. Weltfähig ist nur, wer auch weltkritikfähig ist. Wer nicht nur versucht, möglichst nirgends anzuecken, sondern wer unverstellt und unverblümt sagt, denkt und handelt, ohne sich durch die Welt und ihre Konventionen übermäßig verbiegen zu lassen. Dabei elegant und konstruktiv zu bleiben, unterscheidet den Weltbürger vom Wutbürger oder vom Nörgler. Weltfähig zu sein bedeutet aber auch, die eigene Endlichkeit zu akzeptieren, loslassen zu können, anstatt immerzu verändern, bewahren, haben und halten zu wollen. Weltfähigkeit umfasst, den eigenen Fortschrittsbegriff zu hinterfragen, der eben gerade nicht von aller Welt akzeptiert wird. Weltfähig sein heißt, optimistische Melancholie zu leben. Niemand hat mich dieses Verständnis von Welt und Weltfähigkeit so ausdrücklich gelehrt wie Dieter Chenaux-Repond. In einem Forschungsbericht über Neuerscheinungen zur Europäischen Union haben der Historiker Michael Gehler und der Germanist Paul Michael Lützeler 2021 überfreundlich befunden, ich habe mit meinem 2020 erschienenen Sammelband Identität und Weltfähigkeit das Copyright für den Begriff „Weltfähigkeit“ verdient. Sie dehnten den Kranz, den sie mir banden, gleich auch noch auf den Begriff der „Weltpolitikfähigkeit“ aus (Gehler und Lützeler 2021, S. 19). Beides war zu viel der Ehre. Soweit ich weiß, fiel der Begriff „Weltpolitikfähigkeit“ erstmals am 17. Februar 2018 in einer Rede des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, auf der Münchner Sicherheitskonferenz (Juncker 2018). Schon gut möglich, dass ich Impulsgeber für Junckers Redenschreiber gewesen bin. Ich hatte jedenfalls 2017 ein ZEI Discussion Paper unter dem Titel Weltfähig werden. Die Europäische Union nach dem Biedermeier (Kühnhardt 2017c) veröffentlicht. Meine Analyse wurde 2020 nachgedruckt und geriet in leicht sprachlich verfeinerter Form in den Titel meines Sammelbandes Identität und Weltfähigkeit (Kühnhardt 2020a). Der Begriff hatte offenbar ein interessantes Eigenleben entwickelt und dürfte auch in den Korridoren der EU in Brüssel wahrgenommen worden sein. Zugleich schien er eigentümlich geschrumpft zu sein auf europäische Befunde, Hoffnungen und Defizite. Tatsächlich aber ist mit „Weltfähigkeit“ in erster Linie eine Haltung gemeint. Eine Haltung, die über Europa hinausdenkt. Eine Haltung, die in aller Welt gelebt werden will. Wenn irgendjemandem das Copyright für den Begriff „Weltfähigkeit“ gebührt und überdies allergrößter Respekt dafür, jederzeit die Haltung eines Weltfähigen gelebt zu haben, dann ist dies der Schweizer Diplomat Dieter ChenauxRepond. Dieter war mir lange Jahre fast im Sinne eines älteren Bruders ein guter Freund. Am 28. September 1984 hatten wir uns auf Empfehlung des Genfer Journalisten Antoine Maurice kennengelernt (Kühnhardt 2021a, S. 236). Als Postdoc studierte ich damals in Tokyo. Dieter Chenaux-Repond, seinerzeit Botschafter der Schweiz in Japan, und seine Frau Agathe, eine stets sensible Kunstliebhaberin, luden mich sogleich am Tag unseres Kennenlernens und danach immer wieder herzlich in ihre Familie ein. Endlose Diskussionen beim – wie die Schweizer sagen – Nachtessen mit Fondue oder Raclette und einem guten Tropfen Walliser Wein verbanden auf das Schönste Schweizer Gast-

8.1  Haltung und Idee der Weltfähigkeit: Der Diplomat Dieter …

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freundschaft und unser gemeinsames Gespräch im Ringen um die Deutung Japans. Wir trafen uns später in der Schweiz wieder und 1989 in New York, wo der leidenschaftliche Befürworter einer EU-Mitgliedschaft der Schweiz sein Land bei den Vereinten Nationen vertrat. Wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer warnten Agathe und Dieter mich, ein bald wiedervereinigtes Deutschland müsse unter allen Umständen europäisch verankert bleiben (Kühnhardt 2021, S. 368). Nach vielen weiteren Begegnungen in Deutschland nahmen wir am 16. Juni 1999 in der Schweizer Residenz in Köln Abschied voneinander. Sieben Jahre war Dieter Chenaux unterdessen Botschafter der Schweiz in Deutschland gewesen. Viele Begegnungen lagen auch in diesen Jahren hinter uns, in der Botschaft in Bonn, in der Schweizer Residenz in Köln oder bei uns zu Hause. Dieter hatte an der Universität Bonn und in Freiburg bei einem meiner „Politikdialoge“ und später noch einmal am Bonner Zentrum für Europäische Integrationsforschung referiert. Ich hatte einen Vortrag von ihm am Collegium Europaeum Jenense arrangiert (ChenauxRepond 1993) und ihn erfolgreich bedrängt, seine so sprachkräftige Sammlung von Essays, Aufsätzen und Gedichten in ein bleibendes Buch zu verwandeln. Ich vermittelte den Druck des Buches, zu dem ich ein Geleitwort beisteuerte (Chenaux-Repond 1994).

Abb. 8.1   Mit dem Schweizer Botschafter Dieter Chenaux-Repond in Tokyo (1984). (©Ludger Kühnhardt)

Weitere Nachtessen blieben aus dieser Köln-Bonner Zeit unvergessen, immer mit anregenden Gästen aus der Schweiz, so beispielsweise dem Strategieforscher Curt

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Gasteyger vom Genfer „Institut universitaire de hautes études internationales“. Jedes Mal hatte ich nach solchen Begegnungen das Gefühl, ein Seminar besucht zu haben, an dem ich mehr über die Schweiz – und damit über Deutschland, Europa und die Welt – gelernt hatte als je zuvor. In einem Beitrag für die Festschrift meines Freiburger Historiker-Kollegen Hugo Ott setzte ich mich 1996 systematisch mit der Bedeutung der Schweiz in der internationalen Ordnung auseinander (Kühnhardt 1996a, S. 361 ff.). Am besten waren die Abende en famille, in denen Dieter seine konzertfähigen Künste auf dem Flügel darbot. Bei dem Abschiedsabend 1999 ließen Agathe und Dieter ChenauxRepond Wesendonk-Lieder von Richard Wagner in ihrer prachtvollen Villa in KölnMarienburg erklingen. Unter den Gästen war Monsignore Paul Adenauer, ein Sohn von Konrad Adenauer. Unser Gespräch wandte sich sofort dem Schweizer Konsul FranzRudolf von Weiss zu. In den düstersten Nazi-und Kriegsjahren waren die Begegnungen von Weiss’ mit Konrad Adenauer für diesen die wichtigste Verbindung zur Welt und zu objektiven Nachrichten über die Verhältnisse in Berlin. Nun war es Zeit für Dieter und Agathe Chenaux-Repond, rheinabwärts zurück nach Basel zu ziehen. Dieter ChenauxRepond war nur ein kurzer Ruhestand vergönnt. Noch einmal sahen wir uns, am16./17. März 2000 in Luxemburg. Ich hatte dort eine Tagung zur Rolle der Kleinstaaten in Europa organisiert. Dieter Chenaux-Repond hielt einen fulminanten Vortrag über die mentale Großmacht Schweiz und die Kunst des Understatements. Er war schon arg vom Krebs gezeichnet, der Macht über ihn gewonnen hatte. Trotzdem wir spürten, dass es die letzte Begegnung sein könnte, haben wir nicht weniger gescherzt, disputiert und die Welt in neue Fugen des Denkens gesetzt als über viele Jahre. Dieter war ein vorbildhafter Europäer und Inspirator, eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Für den 21. Oktober 2000 hatte ich mir ein Telefonat vorgenommen, um den Schweizer Freund wieder einmal im Rat zu fragen, wie so oft in den vergangenen Jahren. Niemand meldete sich auf der anderen Seite der Leitung. Wer zu spät kommt, den bestraft der Tod. Am 18. Oktober 2000 war Dieter Chenaux-Repond verstorben, nur 66-jährig und vom Krebs besiegt. In seinem Sterbezimmer ertönte am Ende Rachmaninoffs zweites Klavierkonzert von einer CD. Am 25. Oktober war es Agathe Chenaux-Repond, die mich anrief. Sie war gefasst und berichtete von den letzten Tagen, von Dieters Tod und der zügigen Beerdigung in Berzona am Tag vor unserem Telefonat. Der älteste Sohn Lorenz, mit dem ich 1984 in der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau gereist war, würde bald Vater werden, sagte sie dann noch. Toshiho, seine japanische Frau, und Lorenz lebten inzwischen in Hongkong. Das Leben ging weiter. Im August waren Agathe und ihr Mann noch bei Dieters Bruder in Simbabwe gewesen. Dann erloschen seine Kräfte. Oft hätten sie in der letzten Zeit von uns gesprochen. Es war ein sonniger Tag – ein „Dieter-Tag“ sagte sie liebevoll –, als Dieter in Berzona bestattet wurde. Erinnerungen lebten in unserem Telefonat auf und in ihnen lebte er, wie jeder Tote, weiter. Am 1. November 1996 war Dieter Chenaux-Repond mit dabei, als Enikö und ich unsere Tochter Victoria endlich, nach der viel zu frühen Geburt, aus der Freiburger Universitätsklinik nach Hause holen konnten. Am Vorabend hatte er zu meinen Doktoranden und mir gesprochen. Er zitierte einen italienischen Autor mit der

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Quintessenz, die die Seine war: „Es gibt im Leben nichts Wichtigeres, als sich hinabzubeugen, damit ein anderer die Hände um Deinen Hals legen und sich wieder aufrichten kann.“ Dann fügte er, typisch Dieter, kurz und knapp hinzu: „Ja, das ist’s, für mich jedenfalls.“ Er hatte einen klaren moralischen Kompass und Esprit wie kein Zweiter. Am 6. Juni 2001 besuchte ich mit meiner Frau und unseren beiden Kindern Agathe Chenaux-Repond in Basel. Auch Tochter Anya kam vorbei. Fröhlich und vielseitig waren die Erinnerungen, die wir austauschten. Wir brachten das Leben des Verstorbenen auf einen Nenner: Weltfähig, ein schönes Wort, das Dieter geprägt hatte. Zwei Tage später stand ich an seinem Grab in Berzona, im südlichen Tessin. Mühsam hatte sich die schmale Straße von Locarno ins Onsernonetal hinaufgeschlängelt. Schon spürt man dort das Licht des Mittelmeers. Hierhin liebte Dieter es, sich zurückzuziehen. Hinaus aus allem Trubel der Welt, den er doch wieder schätzte, um sich regeneriert, mit scharfsinnigen Beobachtungen an der Welt zu reiben. Seit Studententagen hatte es ihn nach Berzona gezogen, wo er früh das Haus einer baltischen Gräfin hatte erwerben können. 1986 war ich dort zu Gast bei Agathe und Dieter gewesen. Wir hatten damals gemeinsam den Historiker und Schriftstellersohn Golo Mann im Nachbarhaus besucht, der uns aus einem im Entstehen befindlichen Werk über Ludwig II. von Bayern vorlas. Berzona hatte es auch anderen Intellektuellen angetan. Unweit von Dieter liegen der Schriftsteller Alfred Andersch und seine Frau auf dem Dorffriedhof. An der Außenmauer erinnert eine kleine Tafel an Max Frisch, den Ehrenbürger von Berzona. „Baron Frischli“ hatte Golo Mann gespöttelt: Links reden und rechts leben, das habe Frisch auch in Berzona getan. Immerhin hat Max Frisch rechtzeitig der ewigen Natur von Berzona (und dem gebrechlichen Menschen aller Zeiten) ein literarisches Denkmal gesetzt, ohne allerdings den Ortsnamen Berzona auch nur einmal zu erwähnen (Frisch 1979). Nun, 2001, stand ich an diesen Gräbern. Meine viereinhalbjährige Tochter Victoria entdeckte das Fresko eines nackten Toten, das den Friedhof ziert: „Papa, ist man nackt im Grab? Das ist aber nicht so schön, ohne Spielsachen und Kleider.“ Entrückt allem Trubel, nahe dem Himmel muss Dieters Seele noch weit über der Sphäre der Adler aufgehoben sein. Schwebend über den Wipfeln der einsamsten aller Tessiner Berge. Berzonas Kirchlein, 1783 erbaut, versperrt den Weg ins Dorf der engen Pfade, steilen Treppen, kargen Häuser. Eine Welt für sich am Ende der Welt. Hinabsteigen in die Ebene müssen die Lebenden, immer wieder. „Auch Du“, so hatte er mir einmal, aus eigenem Erleben geprägt, in einem seiner Briefe prognostiziert, „wirst es schwer bis unmöglich haben, in Dir und Deiner Umwelt zu ruhen. Du wirst immer unruhig, wandernd, stets neuen Aufbruch zum je Gegenteiligen fühlen. Eher unzufrieden, aber doch und vor allem frei sein.“ So lebte und starb Dieter Chenaux-Repond. Im Spätsommer 2022 suchte ich noch einmal sein Grab auf. Der unerschütterliche Grabstein aus dem Granit des Onsernonetals schien für die Ewigkeit gemacht. Er wirkte auf mich als der passende Mittler zwischen Kultur und Natur. Für die Aufsatzsammlung, die die Erträge der Luxemburger Tagung vom März 2000 aufbewahrte, hatte ich ein Porträt von Dieter Chenaux-Repond verfasst, das ich gekürzt weitergeben möchte:

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Der Begriff des Kleinstaates war Dieter Chenaux-Repond irgendwie suspekt. Sein Heimatland, die Schweiz, verehrte er innigst und sezierte sie gerade deshalb in klarsichtiger Unabhängigkeit und mit scharfer Begrifflichkeit, wo sie ihm zu beengt, zu selbstgerecht oder erstarrt daherkam. Er ordnete die Schweiz weder in Stereotypen ein, die aus platitüdenhaften Vogelflug erfolgen, noch in solchen der Iglu-Manier, so wie es sonst immer mal auf die eine oder andere Weise geschehen kann, von Schweizern selbst oder von angeblich wohlmeinenden Freunden des Landes. Dieter ChenauxRepond rang ernsthaft mit der Frage, was denn nun klein und was groß, was Selbstbeschränkung und was Naivität am Verhalten seines Landes sei, „was duckmäuserisch, was realistisch?“ (Chenaux-Repond 2001, S. 188). Sein letzter Essay ist noch einmal ein Beispiel seines sicheren Stilvermögens, seiner subtilen und nachschwingenden Sprachkraft und seiner gedankenschärfenden historischen Verwurzelung, die erst den Blick freigibt für die Durchdringung einer unübersichtlich und oftmals kakophonisch gewordenen Gegenwart. In seinen Schlussworten klang Melancholie an, Abschiedsstimmung vielleicht schon, als er von dem tieftraurigen späten Streichquartett Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ sprach. Und, typisch Dieter Chenaux-Repond, er ließ es in seinem Schlussgedanken in der Schwebe, die Sehnsucht, das letzte Wort in diesem seinem letzten Essay, auszubuchstabieren. Aber man durfte ahnen, dass seine Zuneigung nicht der unaufhaltsam scheinenden Globalisierung – er sprach von wirtschaftlicher Gigafusion, da der Begriff Mega „den Heutigen ja bereits als zu kleinlich“ scheine –, sondern der Heimatverwurzelung galt, ohne provinziell oder gar dumpf daherzukommen. Als er davon sprach, dass „unsere Natiönlein zu einer archäologischen Grabungsstätte mit allen ihren Bruchstücken“ werden könnten, klang dies wie die Liebeserklärung eines Weltbürgers an die Heimat (Chenaux-Repond 2001, S. 189). Es war weltfähig wie nur wenige, die mit größerem Pathos daherkommen. „Weltfähig“, eine Wortschöpfung von ihm, die auf den Punkt brachte, worum es dem wahrhaften Weltbürger dieser Zeiten gehen muss: Aus den Kraftquellen der Verwurzelung sich als fähig zu erweisen, um durch die Welt zu gehen, so wie sie ist, in ihr zu bestehen. „Dass wir alle uns an wachsende kontinentale und globale Verantwortung gewöhnen müssen“, notierte er, so gar nicht verzweifelt und weltabgewandt, in seinem provokativ titulierten Essay von 1998 „Abschied von der Zukunft?“ „ist Schicksal der Jungen und der noch Ungeborenen. Die Generation der beruflich Abtretenden scheint damit nicht fertig zu werden. Was sie kann und muss, ist den Nachfolgenden durch Kenntnis der Vergangenheit, durch Erklärung des Wesens im Gewesenen (der gemeinsame Wortstamm kommt kaum von ungefähr) zu jenem Abstand von der banalen Aktualität zu verhelfen, der allein das Beurteilungsvermögen verschafft, um unser Gesamtpotential mit dem Erfordernis der Gesamtaufgaben wieder ins Gleichgewicht zu bringen“ (ChenauxRepond 1998, S. 165).

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An anderer Stelle hatte er dem Gedanken, der sein Leben von Stufe zu Stufe trug, Gedichtform gegeben: „Nur wer sein grübelndes Verlangen meistert Wer fraglos hinnimmt, was die Gunst verliehn Herrscht über die Sekunde, die begeistert Begreift die Schenkung, die als Pfand erschien“ (Chenaux-Repond 1998, S. 164).

So war er, so lebte und redete er. Dieter Chenaux-Repond war weltfähig ohne Grenzen, weil er, wo immer der Weg ihn hinführte, festen Wurzelgrund in der Gesinnung eines schweizerischen Europäers besaß. Äußerlich war es der Weg eines erfolgreichen Schweizer Karrierediplomaten. Geboren am 22. Juli 1934 in Bombay als Sohn eines Schweizer Kaufmanns und einer deutschen Mutter. Schulbesuche in der Schweiz. Studien der Rechte an der Universität Basel, die er mit dem Doktorat abschloss. Aufbaustudien am „Institut Universitaire des Hautes Etudes Internationales“ in Genf und an der University of Minnesota, die er mit einem „Master of Arts“ beendete. 1961 Eintritt in das schweizerische Außenministerium. Nach Einsätzen in Berlin – zur Zeit des Mauerbaus –, Bern und Bonn stellvertretender Chef der schweizerischen Delegation bei der OECD in Paris, hernach ab 1980 Botschafter seines Landes in Ankara, ab 1983 in Tokyo, ab 1987 bei den Vereinten Nationen in New York – denen er mit Vorbehalt gegenüberstand – und von 1992 bis 1999 in Bonn. Verheiratet mit Agathe, einer Generalstochter, drei Kinder.

Abb. 8.2   Dieter Chenaux-Repond doziert an der Universität Bonn (1990). (©Ludger Kühnhardt)

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Nachgeborene werden es entdecken: Er war ein zweiter, vielleicht ein letzter Carl Jacob Burckhardt. Wie sein berühmter Landsmann war er mehr als nur Diplomat der offiziellen Schweiz, sondern ein Homme des lettres, ein Europäer mit Leidenschaft und nüchternem Verstand, wenngleich in gänzlich anderer Zeit, unter vollständig anderen politischen Umständen. Musisch versiert, polyglott, welterfahren und menschenfreundlich, engagiert über das diplomatische Muss hinaus, klarsichtig und pointiert formulierend. Ein überragender Anreger, ein Intellektueller mit Freude an der Fülle des Lebens. Gingen ihm deutsche Debatten zu intellektualistisch und krämerisch zu, warf er gerne das französische Bonmot ein: „N’oubliez pas, il y a toujours un diner qui attend.“ Seine Frische war entwaffnend. Nie war er verlegen, auf den Punkt zu bringen, wo andere nur redeten. Über seinen frühen Tod hinaus sind es seine beiden in den deutschen Jahren erschienenen Bücher, die für Dieter Chenaux-Repond weiterreden, alles Dahinfahrende überlebend. Es sind engagierte Zeugnisse der Zeit, eingebettet in die großen politischen Linien, die vom Bau der Mauer bis zur Lage Deutschlands und Europas in der Dekade nach der Wiedervereinigung reichen; es sind markante und häufig mahnende Analysen der Schweiz, ihrer föderalen Ordnung und europäischen Berufung, die von vielen Eidgenossen noch immer nur verhalten akzeptiert wird; es sind stilsichere und kluge Essays, zumeist für andere, an andere gerichtet, die seinen Wunsch markieren, mitzuhelfen bei der „Suche nach dem sicheren Hort“ und die Schichten freizulegen, die dazu beitragen können; es sind schließlich außerordentlich einfühlsame, musikalisch schwingende und immer wieder nachschwingende Gedichte, in denen sich Gelassenheit und Sensibilität bündeln. Dieter Chenaux-Repond war Europäer, weil er Humanist war, und er war Menschenfreund, weil er Europäer war. Vom Kalten Krieg bis zum Fall der Mauer. Notizen eines Schweizer Diplomaten – es sind vor allem seine intensiven Reflexionen über Deutschland und seine außenpolitischen Einordnungen, die diese Aufsätze und Essays lesenswert bleiben lassen weit über den Tag hinaus (Chenaux-Repond 1994). Den Bucheinband zierte ein Foto von Dieter Chenaux-Repond mit seinem kleinem VW-Käfer vor dem Gebäude der schweizerischen Delegation in Westberlin, das einzig unzerstörte Gebäude im Sperrgebiet direkt an der Mauer. Als Botschafter verweigerte Dieter Chenaux-Repond den Ankauf des Gebäudes durch die Bundesrepublik Deutschland. Stattdessen baute er die alte Hülle um und aus zur neuen Schweizer Botschaft. Sie liegt seither wie ein Sperrriegel vor der Einfahrt zum Bundeskanzleramt und nimmt dem bombastischen Getöse des Ensembles zwischen Kanzleramt, Reichstag und Bahnhof die Spitze. Es ist das ironische Vermächtnis von Dieter Chenaux-Repond, den Deutschen zur Mahnung, jeder Großmannssucht zu trotzen, auch in ihrer Staatsarchitektur. Sein Buch zieren Mosaiksteine einer Zeitgeschichte aus erster Hand. Differenziert analysierte Chenaux-Repond im September 1961 die möglichen Folgen des Mauerbaus vom Vormonat. An Moskaus Machtentfaltung in Mittel- und Osteuropa hatte er keinerlei Zweifel. Aber er war zugleich davon überzeugt, dass die Ostberliner Herrscher sich selbst durch den Mauerbau die „Beutewürdigkeit Westberlins“ geschmälert hatten, „namentlich wenn man die

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Beute ins Verhältnis zu den Risiken setzt, die zu ihrer Verschlingung einzugehen sind“. (Chenaux-Repond 1994, S. 15). 1996, 35 Jahre später, kehrte Chenaux-Repond mit seinen Gedanken zurück zu der Frage nach der Bedeutung des Ostens für Deutschland. In seinem zweiten Aufsatz-, Essay- und Gedichtband Abschied von der Zukunft? Ein Blick aus Deutschland vor der Jahrhundertwende (Chenaux-Repond 1998) zeichnete er klug die Linien und Brüche der deutschen Geschichte und Staatswerdung nach, eingedenk der nur zu selten so präzise benannten Tatsache, dass der Dreißigjährige Krieg die eigentlich prägende deutsche Katastrophe war: „Das Reich versank in Provinzialismus. Erst 100 Jahre später als im Westen brach sich in Deutschland die Aufklärung Raum“ (Chenaux-Repond 1998, S. 29). In Deutschland habe immer, stärker als dies für andere Länder Europas gelte, der greifbare Ist-Zustand und das von den Nachbarn zugetraute Potential auseinandergeklafft. Eine der Folgen der deutschen Auswanderung nach Osten sei die Ungenauigkeit der Abgrenzung Deutschlands nach Osten: „Die Unschärfe der deutschen Ostgrenze im kulturellen Sinn erschwert die Definition des Volkscharakters … Hinzu tritt, dass auch die Topographie dem gliederungsgewohnten West- und Zentraleuropäer das sichere Urteil erschwert: Wer nicht jahrelang Gelegenheit findet, genauer hinzusehen, steht einigermaßen ratlos vor dem gleichförmigen Übergang vom ostelbischen MecklenburgVorpommern über Brandenburg, Niederschlesien bis nach Ostpreußen, die polnischen Kurlande und weiter darüber hinaus. Nicht nur die Berge, auch die weiten Ebenen färben auf das Gemüt der Bewohner ab“ (Chenaux-Repond 1998, S. 32). Für Dieter Chenaux-Repond gab es nur eine Quintessenz aus Deutschlands Geschichte und Lage: „Die Notwendigkeit und die Chance der Integration“ (ChenauxRepond 1998, S.  32). Dadurch sah der Schweizer Freund der Deutschen die unerschütterliche Basis, um unter Europäern wieder „zusammenzufinden unter dem Vorzeichen der Aufklärung, der Vernunft“ (Chenaux-Repond 1998, S. 64). 1972, zum zweiten Mal auf diplomatischem Posten in Deutschland, diesmal in Bonn, gab ChenauxRepond seine Einschätzung der Folgen des soeben abgeschlossenen Grundvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR zu Papier: Nach der Überwindung des Alleinvertretungsanspruchs jeder Seite werde das nationale Anliegen der Deutschen wieder zu dem, „was es während der längsten Dauer der nationalen Geschichte war: zu einem Band des Geistes und des Herzens“. Die Welt werde sich indessen nicht von den „Belästigungen“ durch die deutsche Frage ausruhen können, denn man müsse davon ausgehen, „dass die deutschen Völker beidseits der Elbe ihren auf ein gemeinsames staatliches Schicksal gerichteten Willen nicht preisgegeben haben. Diese Tatsache, die für Europa, notabene auch für den westeuropäischen Einigungsprozess, von ungebrochener Bedeutung bleibt, spricht aus jeder Zeile des Grundvertrages und seiner vertrackten Beilagen, die alle zusammen aus den in Ostberlin zu suchenden Gründen ja nichts Anderes ausdrücken als die fatale Inkongruenz zwischen der Konvergenz der deutschen Teilvölker und dem Selbsterhaltungstrieb der ostdeutschen Machthaber“ (Chenaux-Repond 1994, S. 30). Über alle nachfolgenden Jahre stand ihm vor Augen, dass die Wiedervereinigung Deutschlands kommen werde. Sie würde indessen nur gelingen können, indem

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sie „durch Besinnung auf eine gewisse Föderalisierung resorbiert wird“, wie er mir in einem Brief aus Tokyo vom 14. Oktober 1986 schrieb. 1996, vor meinen Studenten an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, fragte Chenaux-Repond, was seine Generation in den kommenden zehn, 15 Jahren von der deutschen Außenpolitik erhoffen dürfe: Das trotz aller Probleme durch die Wiedervereinigung gestärkte Deutschland habe die Chance zur Zurückhaltung, ja zur Ritterlichkeit, „die mit Gönnerhaftigkeit gar nichts zu tun hat“. In Umkehrung des Schiller’schen Satzes, wonach der Starke am mächtigsten allein ist, müsse für Deutschland und auch für seine Partner „unbedingt das Gebot der Einbindung in die Europäische Union“ gelten: „Das bedeutet zielbewusstes, aber nicht überstürztes Fortschreiten auf dem Pfad der unkündbaren ‚Vergemeinschaftung‘. Sie ist das Gegenteil vertraglicher Vereinbarungen, denen sich der Starke immer wieder entziehen kann. Der Pfad muss allmählich hinführen zum supranationalen Bundesstaat, und wenn ich betone: Bundesstaat, so deshalb, weil diesem das Subsidiaritätsprinzip per se innewohnt“ (Chenaux-Repond 1998, S. 46). Dies war zeitlebens sein Credo: Europa als Bestimmung seiner Völker. Und konkret, formuliert im Dezember 1994, im fünften Jahr nach dem Fall der Mauer: „Erstens: Die Osterweiterung der EU ist eine einzigartige Chance, Osteuropa für den Westen zu gewinnen, ohne dass ein Schuss abgefeuert wird. Sie ist gleichzeitig ein derart ‚dicker Brocken‘, dass er ohne gleichzeitige Vertiefung der ‚kerneuropäischen Union‘ nicht verdaut werden kann. Anderenfalls zerrinnt alles in einem Gewirr kündbarer Abmachungen. Zweitens: Vertiefung heißt mehr Supranationalität und mehr Subsidiarität, nicht lediglich mehr intergouvernementale Zusammenarbeit. Mehr unkündbare Schicksalsgemeinschaft als kündbare Verträge. Auf den Punkt gebracht: Mehr Europa“ (Chenaux-Repond 1998, S. 13). Noch erfüllt vom unmittelbar zurückliegenden Fall der Berliner Mauer, als Repräsentant seines Landes bei den Vereinten Nationen, denen die Eidgenossenschaft bislang ebenso wenig beizutreten geneigt ist wie der Europäischen Union, notierte Dieter Chenaux-Repond Anfang Dezember 1989, den Blick über den Hudson River schweifen lassend: „Östlich der Elbe atmen die Völker freier unter der gelüfteten Glocke verschriebener ‚sozialistischer Brüderlichkeit‘. Das heißt auch, dass sie endlich ihren alten, gegenseitigen Aversionen werden freien Lauf lassen können. Berlin und Leipzig, Prag, Budapest und Warschau suchen den Weg zurück zum Pluralismus Mitteleuropas. Deutschland findet sich in der Funktion des Scharniers, gleichgültig, ob man derlei begrüßt oder nicht. Was gilt, ist die westliche Scharnierplatte solide zu verschrauben. Dazu bedarf es westeuropäischer Integration stärker denn je“ (Chenaux-Repond 1994, S. 47). Wenige Tage nach der Niederschrift dieser Gedanken festigten die Staats- und Regierungschefs der EU den Weg zum Euro. Unverschnörkelt und temperamentvoll, wie er auf Deutschland und Europa blickte, war Dieter Chenaux-Repond ein ehrlicher, wenn nötig scharfzüngiger Kritiker seines Schweizer Heimatlandes. „Manches an der Schweiz von heute,“ notierte er lapidar im

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Jahr 1998, erinnert merkwürdig an die letzten Jahre des „Ancien Régime“. Er ging davon aus, dass es in naher Zukunft in der Schweiz zu mentalen und folglich auch politischen Veränderungen kommen werde, an deren Ende die Bejahung der Mitgliedschaft in der Europäischen Union stehen werde: „Dann stehen wir vor dem Quantensprung, der endlich zu der Einsicht verhilft, effektive Autonomie sei besser als fiktive Souveränität … Aber die Entdeckung unserer schlummernden Qualitäten wird nicht schmerzlos sein; denn meine Generation hat zu wenig dazu beigetragen, um uns den überfälligen Veränderungen freudig-gespannt und mit hochgekrempelten Ärmeln entgegenblicken zu lassen. Die Überwindung der Hürdenscheu, dieser schmalbrüstigen Erbin des Erfolgs, wird Opfer fordern“ (Chenaux-Repond 1998, S. 160). Die Schweiz, materiell unbeschadet aus den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts hervorgegangen, tue sich weiterhin schwer mit Europa: „Wir wähnen uns weltverbunden – die Welt ist ja fern“ (Chenaux-Repond 1998, S. 72). Als Leitmotiv über seinem lebenslangen Ringen mit der Schweiz und ihrer unerlösten europäischen Bestimmung könnte jener Satz von Lucius Annaeus Seneca stehen, des im spanischen Cordoba geborenen römischen Dichters und Philosophen des 1. Jahrhunderts nach Christi Geburt, den Chenaux-Repond so gerne zitierte: „Nicht weil es schwer ist, wagen wir’s nicht, sondern weil wir’s nicht wagen, ist es schwer.“ Daraus erwuchs bei ihm indessen nicht selbstquälende Überhebung, sondern Leichtigkeit und Lebensfreude. Sie war getragen von seiner Lebenserfahrung, mit dem eigenen Streben nicht nachzulassen, zugleich jedoch in jeder Ankündigung neuer Dinge nicht zu übersehen „den Wink, zu Lasten der Planung die Dinge geschehen zu lassen. Äpfel müssen erst reifen, bevor sie in den Korb fallen“, wie er mir am 7. Juni 1994 schrieb. Schon 1964 hatte der junge, aufstrebende Diplomat gesehen, dass der Zweite Weltkrieg „eine tiefgreifende Veränderung der politischen Landschaft Europas“ mit sich gebracht hatte: „Größtenteils verwüstet, die östliche Hälfte zur Unfreiheit verurteilt, schien der Kontinent seiner Vitalität, seiner traditionellen Machtzentren beraubt.“ Indem er sich und seine präsumtiven Leser an Churchills Rede in Zürich 1946 über die europäische Integration erinnerte, schien er die Aufgabe vor Augen zu haben, die seiner Generation auch in der Schweiz gestellt war. Apodiktisch fiel daher schon 1964 seine Frage aus: „Hat die Schweiz diese Zeichen der Zeit richtig verstanden?“ (Chenaux-Repond 1994, S. 97). Neutralität, Solidarität, Unabhängigkeit, Bundesstaat auf Basis von Subsidiarität und einer polykulturellen Gegebenheit – das alles definiert das Schweizer Staatsverständnis seit 1848. Chenaux-Repond warnte davor, den Souveränitätsbegriff angesichts machtvoller Veränderungen der Wirklichkeit überzustrapazieren. Leidenschaftlich plädierte er wieder und wieder für eine europäische Öffnung der Schweiz, also dafür, dass sein Heimatland gerade aufgrund seiner Erfahrungen mit bundesstaatlichen Lösungen komplexer gesellschaftlicher Wirklichkeiten Muster, Vorbild, Modell für Europa sein sollte – nicht aber vor Europa Angst haben müsste.

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Stolz verband Dieter Chenaux-Repond mit seinem Schweizer Heimatland. Dies wurde beispielsweise deutlich, für ihn selbst wohl mehr als für seine Wegbegleiter, als er 1968 im fernen Ostanatolien ein türkisch-schweizerisches Landwirtschaftsprojekt besuchen konnte. Milcheinlieferung, Transportfragen, Preisindizes, Käsehalterung: Das waren die Themen bei seiner Dienstreise durch das Kernland des alten armenischen Königreichs nahe der Grenze zur damaligen Sowjetunion. Die Synthesen Europas, überraschend, widersprüchlich, aber waren immer wieder gegenwärtig, so auch damals in Ostanatolien: „Durch hohes Gras stapfen wir zum Wagen, teilen Brot und Käse mit dem gutmütigen Polizisten und fahren durch feinen Regen nach Kars zurück. Der letzte Abend dort vereinigt uns alle, an die zwanzig Personen, zum Fondue bei einem Arzt, der seine Frau am Kantonsspital Zürich kennengelernt hat … Trefflich munden der als Gastgeschenk mitgebrachte Gruyère und anatolischer Wein … Der Gastgeber hebt sein Glas und spricht: ‚Ihr könntet hundert sein, immer wärt ihr uns willkommen!‘ … Nach dem Essen tanzen die vier Kinder, die Schaffhauser Mundart sprechen, zu türkischer Musik kaukasische Tänze“ (Chenaux-Repond 1998, S. 107). Würde der Schweizer Bundesstaat Sonderfall bleiben oder Vorbild für Europa werden können? Diese Grundfrage stand im Kern der Betrachtungen, des Ringens von Dieter Chenaux-Repond mit seinem Heimatland. Präzise benannte er den Mechanismus des Mehrheitsprinzips in allen relevanten politischen Angelegenheiten als den Kern der Schweizer Bundesstaatlichkeit und damit als die Kernaufgabe für die Bundeswerdung Europas. „Man muß sich wohlfühlen, bevor man bereit ist, sich überstimmen zu lassen. Das Mehrheitsprinzip als demokratische Legitimation sowie als Absage an den Staatenbund; das qualifizierte Mehrheitsprinzip mit gewogenen Stimmen mehr als Respekt vor dem Föderalismus, dass heißt vor den Kleinen im Bunde“ (Chenaux-Repond 1994, S. 137). Richtschnur des politischen Denkens von Dieter Chenaux-Repond war und blieb der subsidiär geordnete Bundesstaat, für die Schweiz wie für Europa. Als Angehöriger eines der kleineren, durch Kultur, Geschichte und Geographie mit den großen Völkern, ihren Ansprüchen und Zumutungen verwobenen Landes konnte es niemals eine andere Perspektive für ihn geben, wenn das Ziel im Nutzen aller und in der Bündelung der besten Kräfte einer auf Vielfalt gründenden und zur Handlungskraft strebenden Vereinigung liegen soll. „Denn“, so erläuterte er unwiderstehlich, „wenn der Bundesstaat als diejenige Organisationsform gelten darf, die ihre stärksten Glieder am sichersten in das Ganze einbindet und dadurch den Schwächeren Vertrauen einflößt, so ist die umgekehrte Beobachtung ebenso zutreffend: der Bundesstaat ist Ausdruck vorweggenommener Bereitschaft der Mehrheit, sich zuweilen der Minderheit zu beugen, damit diese sich im Regelfall vor dem demokratischen Mehrheitsprinzip nicht zu fürchten braucht“ (Chenaux-Repond 1994, S. 143).

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Abb. 8.3   Dieter Chenaux-Repond lehrte und lebte Weltfähigkeit (1998). (©Ludger Kühnhardt)

Gegen die Brandungen des Zeitgeistes lebte, redete und schrieb Dieter Chenaux-Repond ebenso herzerfrischend wie inspirierend. Allein die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit und die Kraft, mit der er redend und schreibend Bilder von dieser Welt zu malen wusste, unterschieden ihn von vielen in einer Zeit der Austauschbarkeit und Anpasserei. Er suchte Grenzerfahrungen aus Neugier und wollte Erfahrungsgrenzen, die bescheiden machen, durch den wechselseitigen Austausch erweitern. In einer Zeit des Monologisierens war er des Gespräches fähig, konnte zuhören und ging ein auf das zuvor Gesagte, ohne seine eigene vorgestanzte Version des Themas durchzubuchstabieren. Schon allein daraus erwuchs ihm Inspirationskraft. Er war der Zuneigung fähig, die in Herz und Geist ihre Wurzel findet. „Freund und Lehrer,“ so rief er seinem verstorbenen Basler Universitätslehrer Max Imboden 1969 nach, „als Du unter uns warst, schien unsere Jugend uns jünger, unsere Welt uns reicher“ (Chenaux-Repond 1994, S. 171). Man muss dieses Wort auf ihn selbst umwidmen. In der Nachbetrachtung einer Amerikareise hieß es: „Maßstäbe setzt, wer das Notwendige tut.“ Es könnte das Lebensmotto von Dieter Chenaux-Repond gewesen sein. Im „Death Valley“ hatte er Tage zuvor in diesem Frühjahr 1993 gedichtet:

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„Denn aus der Totenstille wächst die Brandung Die wiederkehrend alles Sein bewegt Und ohne Rücksicht auf des Augenblicks Gewandung Dereinst ein neu‘ Gestade aus der Tiefe hebt“ (Chenaux-Repond 1994, S. 187).

In einem Brief an Joachim Fest, auf dessen großes Italien-Buch Im Gegenlicht (Fest 1988) reagierend, schrieb Chenaux-Repond: „Nichts durchsetzen zu wollen, sondern die Resultate Jahrtausende alter europäischer Durchmischung zu suchen und zu akzeptieren, ohne das in uns Vorgegebene vor die Hunde zu werfen – so stelle ich mir ernsthaftes europäisches Weltbürgertum vor am Ende dieses Jahrtausends“ (Chenaux-Repond 1994, S. 178). Eine lange Freundschaft hat Dieter Chenaux-Repond mit Golo Mann verbunden. Da war Thomas Mann nie fern, dem Chenaux-Repond als junger Student einmal begegnet war und dessen naives Verhältnis zur Politik er als problematisch empfand, wie er zugleich das geistige Europäertum des Literaturnobelpreisträgers würdigte. Persönliches und politisches Schicksal hatten sich in dessen Leben überkreuzt. Es bedurfte der Distanz, um besser zu verstehen, denn, so Chenaux-Reponds geschichtsphilosophisches Diktum, erst Zeit schaffe Raum, „Raum zu reifen, indem wir begreifen“ (ChenauxRepond 1998, S. 116). Mit Golo Mann verband Chenaux-Repond die Bindung an das kleine Tessiner Bergdorf Berzona. Dort entstanden wesentliche Passagen des Wallenstein von Golo Mann (Mann 1971). Dieter Chenaux-Repond würdigte das Werk seines Freundes anlässlich dessen 80. Geburtstags, das „als Beispiel lebensnaher Erfassung eines machtbewußten Gestalters in wirrer Zeit wohl ohne Seinesgleichen ist“ (ChenauxRepond 1994, S. 176). Wichtig für das Gelingen dieser Freundschaft – und Wurzelgrund einer jeden Freundschaft, deren Dieter Chenaux-Repond so fähig war, enthüllte er in einer kleinen Festschrift für Golo Mann – „war von Anbeginn Offenheit, also auch jene Freiheit der Rücknahme, die sich so oft als die dauerhafteste Basis der Freundschaft erweist. Gemeinsamkeit nicht in Kasteiung und Abkehr, vielmehr als gelebtes Angebot an jene, die sich nicht von der Welt abwenden, noch sie bekriegen, sondern sich freundlich in ihr behaupten wollen“ (Chenaux-Repond 1998, S. 121). Die Freundschaft würde weitergehen, das Gespräch auch dann nicht verstummen, wenn für das eine Mal der Worte genug gewechselt waren. Sein Händedruck war stets mehr als Abschied, er griff in die Zukunft hinein. In solcher Haltung liegt Gewissheit, aus einem solchen Verhalten wächst Geborgenheit. 1983, ehe er mit seiner Familie nach Tokyo aufbrach, hatte Dieter Chenaux-Repond in Ankara zur Feder gegriffen. Am östlichen Saum des einstmaligen und einmaligen Römischen Reiches dachte er über das Heimatgefühl nach und über den Zug zum Aufbruch. Beide Impulse schwangen intensivst, wenngleich nicht immer ohne innere Spannung nebeneinander in ihm: „Doch frag Dein Herz nicht, wo die Heimat liegt! Befiehl zu warten ihm, wie manche Sterne erwarten, Dass ein andrer Wille siegt Als jener Geist der namenlosen Ferne, Der Mal für Mal dir seine Zügel reicht.

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) …

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Der Hörner Widerhall geht in dich ein Und du erinnerst, dass der Abschied leicht. Laß gut es sein“ (Chenaux-Repond 1994, S. 161).

Sein unbestechlicher und unwiderstehlicher Esprit geht in den Früchten seiner Werke für immer mit uns weiter (Kühnhardt 2001a, S. 9–21). Von Dieter Chenaux-Repond habe ich zum ersten Mal das schöne Wort „Weltfähigkeit“ gehört. Es passte zu seiner Haltung, wie er den Begriff so nebenbei in ein Gespräch warf. Seither habe ich beständig versucht, mich der Idee und dem dazugehörenden Habitus so zu nähern, wie es Dieter, hoffentlich, gefallen hätte.

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) – The Bonn Handbook of Globality (Kühnhardt und Mayer 2019) Bei einem Vortrag in New York verwendete ich am 17. April 1999 erstmals den Begriff „Globality“. An der Columbia University wurde ein European Legal Studies Center etabliert. George A. Bermann, renommierter amerikanischer Rechtswissenschaftler, und mein Bonner Kollege Matthias Herdegen hatten mich gebeten, über den Zusammenhang von Globalisierung, transatlantische  regulatorische  Kooperation und demokratische Werte zu referieren (Kühnhardt 2021a, S. 569 f.). Ich wendete die Frage ein wenig und thematisierte die Möglichkeiten, vor allem aber die Grenzen einer Demokratisierung der Globalisierung. Das Wortungetüm spiegelte Stereotypen wider, auch im unterschiedlichen Zugriff von Amerikanern und Europäern: Hier die freihändlerisch orientierten Amerikaner, dort die regulierungsbesessenen Europäer. So einfach sollte man es sich nicht machen, empfahl ich. Man müsse schon tiefgründiger ansetzen, um die Frage, die mir aufgegeben worden sei, seriös zu beantworten. Als Politikwissenschaftler präsentierte ich den mehrheitlich juristischen Kollegen einige Kategorien und Parameter einer Demokratietheorie, die auch unter Bedingungen der Globalisierung standhalten könnte. Ich warnte sogleich davor, dass es ohne die Benennung von Dilemmata nicht gehen werden, die der Demokratie inhärent seien, allzumal unter den Bedingungen von Globalisierung. Es lag nahe, über Legitimität zu sprechen. Ich verteidigte die Grundprinzipien der repräsentativen Demokratie gegenüber den Verlockungen partizipativer Demokratie. Auch im Kontext transatlantischen regulatorischen Regierens würden Fragen nach Kompetenz und Mandat gestellt werden müssen als Kriterien, die an jeden politischen Akteur gerichtet werden, der Wirtschaftsabläufe und Rechtsregeln im transatlantischen Kontext zu regulieren anstrebt. Jede Demokratie erfordert die Delegation von regulatorischer Macht. Ich diskutierte die Probleme von Transparenz und Effizienz in der

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Demokratie. Globalisierung habe neue Dimensionen zu den altbekannten demokratietheoretischen Diskursen hinzugefügt. Die Welt als Marktplatz, das verlange rechtliche, wenn nicht legislative Rahmenbedingungen. Allerdings sei die Ebene nicht mehr eindeutig, auf der diese Rahmenbedingungen am wirkungsvollsten gesetzt werden können. Die Vermittlungsregeln der Welthandelsorganisation und spezifische Bemühungen beispielsweise im Zusammenhang mit dem Transatlantic Business Dialogue könnten keine demokratisch rechenschaftsgeprüfte Legitimität ersetzen, führte ich aus. Damit stellte ich mich kritisch gegen die allgemeine Begeisterung über Globalisierung und regulatorische Aktivitäten, die auf der Tagung dominierte. Globalisierung sei nach wie vor ein zu unbestimmtes Allerweltswort, das zu viele verschiedene Inhalte habe und interpretatorische Assoziationen wecke. Natürlich würde die autonome Kapazität staatlichen Handelns durch die Interdependenzen geschwächt, die die Marktglobalisierung mit sich bringe. Die individuellen Vorzüge der Globalisierung, namentlich für Konsumenten, änderten nichts an ungeklärten Fragen rechtlicher und politischer Rahmenbedingungen. Je mehr wirtschaftliche Globalisierung es gebe, desto größer werde im weltweiten Rahmen das demokratische Defizit, die Kontrolle durch legitimierte Legislativorgane und Jurisdiktionen. Diese Tatsache kontrastiere sehr eigentümlich mit dem allgemeinen Freudenschrei über ein Mehr an Freiheit, welcher Ende der 1980er Jahre nach dem Ende der realsozialistischen Zwangsdiktaturen weltweit zu hören war. Cyber-Demokratie sei noch keineswegs die überzeugende Antwort, auch wenn die Präsenz des Internets weltweit immer mehr zunehme. Auch im Feld der Kommunikationstechnologien seien die Fragen der demokratischen Kontrolle noch nicht einmal umfassend erfasst, geschweige denn gelöst. Die Bemühungen um globale regulatorische Regime und ihre demokratische Legitimität und Akzeptanz seien weiterzuführen. Es gebe einfach keine Alternative, kein Zurück hinter die Globalisierung. Ich empfahl ein genaueres Studium der supranationalen Aktivitäten in der Europäischen Union, um oberhalb des staatlichen Handlungsrahmens zu gemeinsamen Standards und Rechtsregeln zu finden, die demokratisch legitimiert und akzeptiert werden. Mir waren amerikanische Vorbehalte gegenüber dem föderalen europäischen Experiment durchaus bewusst. Für den weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts machte ich schließlich eine gewagte Prognose: Vernunft und Vision würden gemeinsam notwendig sein, da Globalisierung ersetzt werden wird durch die allgemeine Anerkennung von „Globalität“ als dem entscheidenden Referenzpunkt für jedwedes lokale, nationale oder regionale Handeln (Kühnhardt, 2001c, S. 481ff.). Ich hatte den Begriff einstweilen in Anführungsstriche gesetzt, ohne ihn weiter zu erläutern.

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) …

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Abb. 8.4   Erstes Nachdenken über Globalität: Mit Giacomo Marramao und Gerard Mortier sowie den Gastgebern Carlo Secchi und Alberto Martinelli (ISPI) im prachtvollen Tiepolo-Saal des Palazzo Clerici in Mailand (2008). (©Ludger Kühnhardt)

Am 24. Juni 2008 lud mich das Istituto Regionale di Ricerca della Lombardia zu einer Diskussion nach Mailand (Kühnhardt 2022a, S. 407 f.). Im einzigartigen Palazzo Clerici, dem Sitz des Istituto per gli Studi di Politica Internazionale (ISPI), reflektierten Gerard Mortier, der aus Belgien stammende künstlerische Direktor der Pariser Oper, und der italienische Philosoph Giacomo Marramao mit mir über „Europe – Mission and Destiny“. Mortier monierte, dass der Gründungsmythos Europas, der Raub der phönizischen Prinzessin Europa durch Zeus in Stiergestalt, tief blicken lasse hinsichtlich

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des Verständnisses von Sexualität in Europa. Die besten großen Debatten zum Thema der Identität Europas haben, so Mortier, seit der Antike im Theater stattgefunden. Er beschrieb Faust als die protestantische und grüblerische Identität Europas sowie Don Giovanni als das katholische Konzept von Sünde, Vergebung oder Höllenfahrt. Wie keine andere Kultur habe Europa eine Kultur der Aggression hervorgebracht, klagte Mortier. Plötzlich und spontan warf ich das das Wort „globalitá“ in die Runde. Das Wort gefiel mir einfach, allzumal in der klangvollen italienischen Aussprache. Ich hatte es wohl mit dem Kunstwort „italianitá“ assoziiert, das im Risorgimento des 19. Jahrhunderts ebenso eine Rolle gespielt hatte wie es in der heutigen Alltagskultur Italiens eine Art „branding“ für die italienische Lebensart bedeutet. Giacomo Marramao griff den Begriff auf und ordnete ihn sogleich seinen Überlegungen zu, die um eschatologische Kategorien und deren marxistische Säkularisierungen kreiste, beinflußt von Leo Strauss, Martin Heidegger und der Frankfurter Schule. Ich vollzog manchen Gedankengang mit und widersprach anderen. Es war Zeit, „Globalität“ anständig zu definieren. Am 4. November 2008, dem Tag der Wahl von Barack Obama zum ersten schwarzen amerikanischen Präsidenten, fertigte ich eine kleine, unveröffentlicht gebliebene Skizze, die den empirischen Kontext markieren sollte: „Eine neue Ära beginnt: Die Ära der Globalität. Globalisierung war ein diffuses Stichwort über einen wabernden, diffusen Prozess. Globalität beginnt, eine Struktur zu werden. Die Spannungen und Widersprüche zwischen den unausweichlichen Faktoren und Fakten vom ‚globalen Dorf‘ und der Ungleichzeitigkeit der Gleichzeitigen werden nicht verwehen. Sie werden bleiben und verschiedentlich ausbrechen. Die Wahl von Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA ist alles dies gleichzeitig: Sie wird von vielen Amerikanern als Erlösung von der Erbsünde des Landes empfunden, daher die große Erleichterung und Selbstbeglückung so vieler Amerikaner. Die Wahl Obamas erfindet intuitiv in aller Welt den amerikanischen Traum neu, die zivilreligiöse Perspektive von ‚everything is possible‘, das Versprechen von ‚hope‘ und ‚change‘. Obamas Wahl hält für Europa aber gleich mehrere bedrückende Konsequenzen bereit: Wenn Obama der erste post-ethnische Präsident ist, wie Timothy Garton Ash mir heute in einer Email von der Straßenparty am Weißen Haus geschrieben hat, dann wird umso drängender, dass Europa zur Direktwahl eines EU-Präsidenten gelangt. Stattdessen wird bei uns lediglich öffentlich diskutiert, wann Frankreich einen algerischstämmigen Präsidenten, Großbritannien einen pakistanischen Premierminister und Deutschland einen türkischstämmigen Kanzler erhält. Wir alle sollten noch in meiner Lebenszeit einen postnationalen, direkt gewählten EU-Präsidenten erhalten.“ Dann fuhr ich fort: „Die Obama-Wahl hat eine noch weitergehende Implikation für Europa. Sie zeigt, dass Europas ‚Südstaatenkomplex‘ keineswegs gelöst worden ist mit der formalen Beendigung der Kolonialzeit. Strukturell besteht Europas ‚Südstaatenproblem‘ in der massiven Unterentwicklung Afrikas fort. Es ist an der Zeit, Afrika ernst zu nehmen als Europas erste Nachbarschaftspriorität. So wie die USA die Schwarzen erst ernst genommen haben, als diese die Machtfrage gestellt haben,

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könnte es auch Europa ergehen: Migrationsdruck, Export von Instabilität nach Europa. Es könnte alles noch härter kommen für Europa, wenn Europa nicht in den nächsten zehn Jahren den afrikanischen Kontinent als seine zentrale, dabei gleichzeitig vieldimensionale Nachbarschaftsaufgabe entdeckt. Das ist im Zeitalter der Globalität unausweichlich geworden.“ Man musste kein Prophet sein, wenn man wollte, um schon 2008 viele Zeichen an der Wand zu lesen, die in Europa im nachfolgenden Jahrzehnt zum Handeln zwangen. Globalität aber, was war das in einem geisteswissenschaftlichen Sinne? Mich interessierte, was meine Kolleginnen und Kollegen darüber dachten, mit denen ich in der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn zusammenarbeitete. Mit den meisten traf ich mich nur bei leidigen Sitzungen, ohne recht zu erfahren, womit sich jeder Einzelne eigentlich wissenschaftlich beschäftigt. Das fand ich bedauerlich. Kreativ waren wir alle, aber eine gemeinschaftliche Forschungsaufgabe hatte ich in den vielen Jahren meiner Zugehörigkeit zur Philosophischen Fakultät der Bonner Universität noch nie erlebt. 2018 würde die Universität ihr 200-jähriges Jubiläum feiern. Sie war von Preußens König Friedrich Wilhelm III. nur drei Jahre nach der Annexion des Rheinlandes gegründet worden. Mit ihren reformerischen Impulsen sollte sie Beiträge zur Stärkung des Staates leisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg, mit Bonn als Bundeshauptstadt, gingen auch von ihrer Universität gewichtige Impulse für die politische Kultur der deutschen Demokratie aus. Seit dem Wegzug der Bundesregierung nach Berlin war Bonn zu einem der drei europäischen Sitze der Vereinten Nationen geworden. Was lag näher als der Gedanke, fortan könne, solle und müsse Bonn deutsche und europäische Erfahrungen mit der Welt teilen. Eine geistes- und kulturwissenschaftliche Stimme durfte dabei nicht fehlen, dachte ich mir. In früheren Zeiten waren Fächer der Bonner Universität Impulsgeber für nationale Erhebung, später für demokratische Erneuerung gewesen. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, Impulsgeber für das globale Zeitalter zu sein, das in Bonn einen seiner Handlungsorte als Amtssitz von rund 20 UN-Agenturen gefunden hatte? Zwei Dinge vor allem waren nötig: eine schlüssige Idee und kollegiale Mitstreiter. Ich dachte an den hohen Grad der Zersplitterung in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Es würde nicht leicht sein, einen gemeinsamen akademischen Nenner zu finden und die unterschiedlichsten Fachkulturen und persönlichen Bindungen zusammenzuführen. Mehr noch ärgerte mich die subtile Kritik an den Arbeitsweisen und Erträgen der Geistes- und Kulturwissenschaften bei Bonner Ökonomen, die uns als „Buchwissenschaften“ abtaten. Mit ihren ökonometrischen Modellen und spieltheoretischen Arbeiten ließen sich, auch in Bonn, Nobelpreise gewinnen und beeindruckende Drittmittelsummen einwerben. Aber war das ein Grund, abschätzig auf andere Disziplinen und Fakultäten zu schauen? Die Grundidee für ein gemeinsames Projekt der Bonner Geistes- und Kulturwissenschaftler musste einfach und bestechend sein. Sie hatte nur

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eine Chance, zu einem starken Ende zu führen: Das noch gut zehn Jahre entfernte Universitätsjubiläum. Für einmal musste die Stimme der Bonner „Buchwissenschaften“ unüberhörbar im Chor derer sein, die die Universität repräsentieren würden. Eine erste, noch recht rohe Skizze formulierte ich Ende 2008. Sie firmierte unter dem Titel „Die Gestaltung der Globalität in Europa“. Auszüge: „Zu den zentralen, bisher aber nicht in kooperativer Form behandelten Anfragen an die geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung gehört eine systematische und die Perspektive aller EU-Mitgliedsländer einbeziehende Untersuchung der Verarbeitung der Globalisierung in Europa. In verschiedenen Einzeldisziplinen, die in der Philosophischen Fakultät vereinigt sind, wird über Aspekte geforscht, die sich explizit oder implizit mit Phänomenen der Globalisierung beschäftigen und/oder einen europawissenschaftlichen Bezug haben. Dabei verhandeln die meisten Fachdisziplinen relevante Fragen separiert voneinander: Sie erschließen das Einmalige einer Thematik und Konstellation. Eher selten werden in den Geistes- und Kulturwissenschaften Themen mit europawissenschaftlichem Bezug gemeinschaftlich untersucht. Ähnlich verhält es sich mit dem wissenschaftlichen Zugang zum Phänomen der Globalisierung. In beiden Themenfeldern ist die geistes- und kulturwissenschaftliche Verbundforschung unterentwickelt und ausbaufähig … Globalisierung bezeichnet den Prozess einer wachsenden, durch technischen Fortschritt induzierten weltumspannenden Verflechtung, der anfangs vor allem in der massiven Zunahme gegenseitiger Verbindungen und Abhängigkeiten im Wirtschaftsleben wahrgenommen wurde. Aufgrund seiner globalen Dimension ist mit dem Prozess die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen und damit eine der Grundlagen der sogenannten ‚ersten Moderne‘ verbunden. Durch die Infragestellung der Organisation in und der Reglementierung durch staatliche Strukturen hat der Prozess der Globalisierung grundsätzliche und weitreichende politische und kulturelle Auswirkungen. Im Rahmen der angestrebten Forschung soll davon ausgegangen werden, dass Globalisierung sich inzwischen von einem prozesshaften Vorgang zu Globalität als einem Strukturelement der heutigen Zeit verdichtet hat. Eine Bestandsaufnahme der vielschichtigen Aspekte dieses Strukturelements und seiner Auswirkungen in geisteswissenschaftlicher Perspektive fehlt bisher. Von einer geistes- und kulturwissenschaftliche Selbstverortung der Globalität aus europäischer Perspektive können und sollen Impulse zu einem besseren Umgang mit diesem Phänomen ausgehen. Als alle Lebensbereiche durchdringendes Phänomen ist die Globalität hinsichtlich ihrer umfassenden gesellschaftlich-kulturellen Auswirkungen nur in der ganzen Bandbreite ihrer sie konstituierenden Einzelaspekte angemessen zu erfassen. Zum Zwecke einer umfassend und systematisch angelegten europäischen Selbstverortung ist es naheliegend, dass die Geistes- und Kulturwissenschaften zu einer koordinierten Zusammenarbeit finden … Die Ergebnisse der Verbundforschung, die wenn irgend möglich mit der

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wissenschaftlichen Nachwuchsförderung kombiniert werden soll, sollen nachhaltige Beiträge zur geisteswissenschaftlichen Profilierung der Universität Bonn bilden … … Vor dem Hintergrund des skizzierten Themas und der bisherigen Defizite der Forschung sollen aus unterschiedlichen Perspektiven geisteswissenschaftliche Analysen vorgenommen werden, die der Frage nachgehen, auf welche Weise sich in europäischer Sicht die zentralen Phänomene und Aspekte des neuen Zeitalters der Globalität darstellen. Im Kern geht es folglich um drei aufeinander aufbauende zentrale Fragenkomplexe: 1. Was ändert sich in Europa durch die Globalität? Welche Phänomene der Globalität induzieren Wandel in Europa? Was bewirkt dieser Wandel in den europäischen Gesellschaften? 2. Wie reagiert Europa auf den Wandel durch die Globalität? Wie gehen die europäischen Gesellschaften mit den durch die Globalität induzierten Phänomenen des Wandels um? Wie positionieren sie sich gegenüber externem Druck? Welche Anpassungsstrategien werden formuliert und umgesetzt? 3. Welchen Beitrag leistet Europa selbst zur Ausgestaltung der Globalität? Welche allgemeinen Möglichkeiten werden in Europa zur Beeinflussung der der Globalität zugrunde liegenden Prozesse gesehen? Vor dem Hintergrund des skizzierten Themas und der bisherigen Defizite der Forschung sollen in dem geplanten Verbundprojekt aus unterschiedlichen Perspektiven geistesund kulturwissenschaftliche Analysen vorgenommen werden, die der Frage nachgehen, auf welche Weise die Gesellschaften Europas die zentralen Phänomene und Aspekte des neuen Zeitalters der Globalität gestalten. Dabei ist sowohl an die reaktive Folgenbearbeitung globaler Prozesse in der EU zu denken als auch daran, auf welche Weise europäische Beiträge geleistet werden, um Elemente und Strukturen der Globalität mitzuprägen und auszugestalten. Schließlich ist nach den Voraussetzungen einer gelingenden Globalität zu fragen. Da die Welt über das rein empirisch Faktische hinausgeht und dem Geistigen ein grundlegender Anteil an der Wirklichkeit zuzuschreiben ist, stellt sich auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Intensität die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz im Zeitalter der Globalität.“

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Abb. 8.5   Arbeitskolloquium „Die Gestaltung der Globalität“ mit den Kollegen Tilman Mayer, Günther Schulz, Gerhard Blickle, Stephan Conermann, Wolfram Kinzig, Volker Ladenthin und Wolfgang Kubin sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern des ZEI Wiebke Drescher und Georg Kristian Kampfer an der Universität Bonn (2010). (©Ludger Kühnhardt)

Ab Anfang 2009 führte ich Gespräche, zunächst mit einzelnen Kolleginnen und Kollegen, danach mehrfach in einem größeren Kreis. Ein erstes ZEI Discussion Paper entstand, das erste Vorüberlegungen zusammenführte (Kühnhardt und Mayer 2009). Zugleich bildete sich eine besonders interessierte Gruppe von Kolleginnen und Kollegen heraus, die breite Teilbereiche der Philosophischen Fakultät repräsentierten: Stephan Conermann, Islamwissenschaftler, Gerhard Blickle, Psychologe, Markus Gabriel, Philosoph, Eva Geulen (die bald Bonn verlassen sollte), Germanistin, Xuewu Gu, Professor für internationale Beziehungen, Marion Gymnich, Anglistin, Wolfram Hogrebe, Philosoph, Wolfram Kinzig, evangelischer Theologe, Wolfgang Kubin, Sinologe, Volker Ladenthin, Erziehungswissenschaftler, Tilman Mayer, Politikwissenschaftler, und Günther Schulz, Historiker. Wir vereinbarten miteinander ab dem Wintersemester 2009/2010 wöchentlich eine Gesprächsrunde, in die wir jeweils abwechselnd zu den vorher gemeinsam festgelegten Themen referieren und ihre Plausibilität im Sinne von Bausteinen für das gemeinsame Projekt austesten wollten. Ich organisierte die Treffen. Bei einer Suppe und belegten Brötchen kam eine Studienseminar-Atmosphäre auf, wie

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ich sie seit meinen eigenen Studientagen an der Universität Bonn nicht mehr erlebt hatte. Die 12-Uhr-Mittags-Kolloquien wuchsen rasch über die ursprüngliche Rahmenkonzeption hinaus. Dies zeigte, wie sich das Nachdenken über das angestrebte Projekt bereits gut weiterentwickelt hatte. Die Idee firmierte unterdessen unter der Überschrift „Der Blick der Geisteswissenschaften auf ein neues Zeitalter. Deutungskontroversen, Symbolisierungsprozesse und Sinnstiftungen.“ Auszüge: „Die Globalisierung, die sich von einem zunächst ökonomisch dominierten Prozess allmählich immer klarer zu einem Zustand der Globalität verdichtet, bedingt innerhalb zahlreicher Disziplinen der philosophischen Fächer (Gesellschaftswissenschaften im weiteren Sinne) eine Verwischung der einzelnen Disziplingrenzen. Aus dieser allgemeinen Feststellung, die sich innerhalb der Debatten der einzelnen Fächer manifestiert, leitet sich die grundlegende Hypothese von der Verwischung der Grenzen bisher mehr oder minder klar abgegrenzter Phänomene geistiger Ordnung ab. Während dies zunächst eine Feststellung im postmodernen Sinne ist, ist besonders Europa mit seinen, viele Bereiche menschlichen Lebens durchdringenden – häufig universal formulierten – Geltungs- bzw. Deutungsansprüchen hiervon im globalen Wettbewerb der Ideen in besonderer Weise herausgefordert. Im Sinne einer über das Ökonomische hinausgehenden Verortung dessen, was Globalisierung bzw. Globalität bedeutet, gilt es im Rahmen des Forschungsprojekts, vor allem überall dort eine Neubestimmung dessen vorzunehmen, was die Welt ausmacht, wo bisher entsprechend starke Geltungs- und Deutungsansprüche formuliert wurden. Es geht um eine europäische Standortbestimmung im globalen Ideen- und Deutungswettbewerb und eine Überprüfung der Haltbarkeit bisher formulierter universaler Aussagen bzw. deren Adaption in der globalisierten Welt. Die Hypothese lautet: Die globalisiert induzierte ‚Umdeutung der Werte‘, die insbesondere die intellektuelle und akademische europäische Deutungshoheit infrage stellt, bedeutet eine grundlegende Herausforderung für europäisches Denken und Handeln. Ausgehend von der Erschöpfung der in den vergangenen Jahrzehnten viele geisteswissenschaftliche Theorien leitenden Dekonstruktionsannahmen strebt das Verbundforschungsprojekt an, einen Beitrag zur Formulierung eines (minimalen) Konsenses in den Deutungsherausforderungen der Globalität zu leisten. Die Frage nach der Einschätzung der Rolle des Menschen, seiner Natur und seines Platzes in der Welt wird dabei von zentraler Bedeutung sein. Die methodischen Desiderate einer erfolgreichen Projektformulierung sind in bisher drei Arbeitskolloquien im Verlauf des Sommersemesters 2009 herausgearbeitet worden. Gesucht ist derzeit vor allem eine Fragestellung, • die spezifisch genug ist, um dem Projekt ein klares Profil zu geben, und interessant genug, um das Projekt förderungswürdig erscheinen zu lassen, • die detailliert genug ist, um die beteiligten Teilprojekte präzise und nachvollziehbar einzubinden, • die trennscharf genug ist in dem Sinne, dass sie klar gegen andere, ähnlich positionierte Projekte an anderen Universitäten profiliert werden kann.

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Als Ergebnis der bisherigen Diskussionen haben sich drei grundsätzliche Ansätze für die mögliche konkrete Fragestellung des Projekts herausgebildet: 1. Welche konkreten Auswirkungen hat die Globalisierung auf die Methode und die Gegenstände der verschiedenen geisteswissenschaftlichen Einzeldisziplinen? Eine wissenschaftsgeschichtlich und selbstreflexiv angelegte Fragestellung, die als potentiell interessant und förderungswürdig gilt, birgt die Gefahr, bei falscher Akzentsetzung zu selbstbezogen, rein auf ‚Nabelschau‘ ausgerichtet zu sein. 2. Welche konkreten Auswirkungen hat die Globalisierung empirisch in den konkreten Sachbereichen, die die einzelnen geisteswissenschaftlichen Einzeldisziplinen untersuchen? Eine empirische, objektbezogene Fragestellung birgt die Gefahr, ohne weitere Eingrenzung immer noch viel zu unspezifisch zu bleiben. 3. Lässt sich eine neue spezifische, idealtypische Handlungsform der Globalisierung beschreiben, die sich jeweils in den geistigen Welten wiederfinden lässt, die die geisteswissenschaftlichen Einzelwissenschaften beschreiben? Die Fragestellung einer verstehenden Soziologie der Globalisierung im weitesten Sinne mit hohem thetischem Anspruch und hoher Begründungslast birgt die Gefahr relativ zu starker Vorgaben für die Einzelforschungen innerhalb des Projektes.“ Bald danach konnte ein weiteres ZEI Discussion Paper mit Zwischenergebnissen unserer Beratungen erscheinen (Kühnhardt und Mayer 2010). Im April 2010 führten wir ein größeres Symposium im Fakultätssaal durch, bei dem mehrere Kolleginnen und Kollegen der Reihe nach darüber berichteten, ob und wie in ihrem jeweiligen Fach Globalisierung beziehungsweise Globalität (die Begriffe gingen für die meisten durcheinander) aufgegriffen und verarbeitet wurde. Einige der Präsentationen erschienen als ZEI Discussion Paper, Ausdruck unserer anhaltenden Vorarbeiten (Kühnhardt und Mayer 2011). Von der Europa-Orientierung waren wir zu einer Selbstreflexion von Fachwissenschaften gelangt. Zeitgleich verbrachte mein Kollege Tilman Mayer einen Forschungsaufenthalt als ZEI Fellow damit, die extrem vielschichtigen und verstreuten Globalisierungsdiskurse aufzuarbeiten und zu systematisieren. Nun geschah der Projektentwicklung das Beste, was im Rückblick geschehen konnte. Unsere Anfrage bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das Projekt im Rahmen einer multidimensionalen Organisation von kurz- und langfristigen Fellowships in Bonn, mehreren Konferenzen und dem Aufbau von internationalen Netzwerken weiterzuentwickeln, wurde mit Schreiben vom 14. September 2010 schnöde abgelehnt. Offenbar hatten Platzhirsche Angst, dass wir in Gefilden wissenschaftlich wildern könnten, die sie beherrschten. Endgültig wurde mir klar, dass Fortschritt in der geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschung nicht von einer Million Euro Drittmitteln abhängen musste. Zu oft hatte ich ohnehin erleben müssen, dass Universitätsleitungen mehr am Drittmittelaufkommen als an der Thematik interessiert waren und auch Kollegen am Ende die inhaltlichen Erträge der Forschung vor allem am Drittmittelvolumen eines Projektes maßen. Ich war froh, dass wir auf uns allein gestellt weiterarbeiten konnten, befreit von dem

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geradezu prostitutiven Druck, der mit Drittmittelforschungen zusammenhängen kann. Die Absage der Deutschen Forschungsgemeinschaft tat unserer Forschung gut. Jetzt ging die Arbeit richtig los. Der Bonner Kollegenkreis hielt zusammen. Unterdessen hatten wir die Überlegung in die Welt gesetzt, dass am Ende – mit oder ohne Staffage und Arbeitsaktionismus eines Drittmittelprojektes – eine bleibende Publikation stehen sollte. Die Idee der „Bonner Enzyklopädie der Globalität“ war geboren. Würde sie realistisch sein und wie könnte sie realisiert werden? Würden sich Kolleginnen und Kollegen, deren Reputation in ehrenwerten fachdisziplinären Zusammenhängen verankert war, auf ein so hochgradig interdisziplinäres und zugleich thematisch innovatives Feld begeben? Da wir von Anfang an im Gespräch mit unseren jeweiligen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den Grundfragen des Globalitätsprojektes gestanden haben, luden wir diese ein, im Wintersemester 2010/2011 in einem weiteren Zyklus von „brown bag luncheons“ Fragestellungen der Globalität im Blick auf eine mögliche Enzyklopädie mit den Mitgliedern der Steuerungsgruppe zu durchdenken. Die Kolloquien firmierten unter dem Arbeitstitel „Europa angesichts des global turn. Geisteswissenschaftliche Deutungsmöglichkeiten der Globalität.“ Es sprachen: Perspektive einer Enzyklopädie im Zeitalter der Schwarmintelligenz: Mario Anastasiadis, Institut für Kommunikationswissenschaften. Beispielhafte Erörterung der Systematik eines Textbeitrages: Impulsreferat I: Macht und Globalität in systematischer Perspektive: Maximilian Mayer, Center for Global Studies; Impulsreferat II: Integration und Globalität: Andreas Marchetti, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Beispielhafte Erörterung der Gliederung der Hauptabschnitte: Impulsreferate: 3 Forschungsfelder – 3 Hauptabschnitte: Stephan Zimmermann, Institut für Philosophie; Boris Gehlen, Institut für Geschichtswissenschaft, Florian Broschk, Institut für Orient- und Asienwissenschaften. Beispielhafte Erörterung von Stichworten und Themen („Zettelkasten“): Christian Schwermann, Institut für Sinologie; Susanne Kretschmer, Arbeitsbereich Bildungswissenschaft; Christian Ewen, Institut für Psychologie. Die sehr engagierten jüngeren Kolleginnen und Kollegen bezeugten, dass sich die Absicht realisieren ließ, die wir entwickelt hatten. Es entstanden zwei weitere ZEI Discussion Paper (Kühnhardt und Mayer 2012; 2013). Unterdessen hatten 22 wissenschaftliche Kolloquien stattgefunden, darunter einige wenige technische Arbeitsbesprechungen der Steuerungsgruppe. Ich hatte mir die Schriftenverzeichnisse aller Kolleginnen und Kollegen der „Buchwissenschaften“ an meiner Universität angesehen. Neben den Professorinnen und Professoren der Philosophischen Fakultät rechneten wir auch die benachbarten Rechts- und Staatswissenschaften, die Katholische und die Evangelische Theologie sowie die Humangeographie zum Kreis der „Buchwissenschaften“. Alle Kolleginnen und Kollegen, die wir identifizierten, hatten schon einmal indirekt oder direkt wissenschaftliche Fragen behandelt, die einen Anknüpfungspunkt zum Thema unserer geplanten Enzyklopädie hatten. Wir bezogen die daraus abgeleiteten Schlüsselbegriffe auf die wichtigsten Phasen im persönlichen Leben und im gesellschaftlichen Zusammenleben. Die nachfolgenden Kolloquien

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nutzten meine Mitherausgeber und ich, um die Gliederungsstruktur einer Bonner Enzyklopädie der Globalität zu entwickeln und eine schlüssige Begründung für die Auswahl der Lemmata und die Zuordnung zu den gewünschten Autorinnen und Autoren zu erarbeiten. Nun stand das Konzept für eine Bonner Enzyklopädie der Globalität. Jede Kollegin und jeden Kollegen, die beziehungsweise den wir als Autor gewinnen wollten, lud ich am 1. Juli 2012 mit einem persönlichen Brief ein. Dem Brief war die Konzeption beigefügt, wie sie in den letzten Jahren entstanden und immer wieder weiterentwickelt worden war. Auszüge: „Seit 2009 führt das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) vorwiegend gemeinsam mit Professoren der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn ein Forschungsprojekt durch, das sich unter dem Titel ‚Die Gestaltung der Globalität/ Shaping Globality‘ mit den geistes- und kulturwissenschaftlichen Implikationen der Globalisierung befasst. Im Zentrum der im Rahmen des Projektes unterdessen initiierten Bonner Enzyklopädie der Globalität steht die Frage, ob und inwieweit Europa weiterhin Referenzrahmen für Begriffsbildungen, Symbolisierungen und Sinndeutungen im Zeitalter der Globalität ist. Angesichts heutiger weltweiter Diskurse zur Globalität wird exemplarisch nach den Konsequenzen des global turn für den seit der Aufklärung erhobenen Anspruch Europas auf geisteswissenschaftliche Deutungshoheit gefragt. In verschiedenen Kolloquien und Publikationen haben sich die bisher beteiligten Wissenschaftler ausführlich mit zentralen Methodenfragen und Deutungskontroversen hinsichtlich der Gestaltung der Globalität aus der Perspektive der Geistes- und Kulturwissenschaften befasst. Über wesentliche Begriffsdefinitionen und Fragestellungen herrscht inzwischen Konsens unter den an dem Forschungsvorhaben beteiligten Wissenschaftlern. Herausgeber der handbuchartigen Bonner Enzyklopädie der Globalität sind Stephan Conermann, Markus Gabriel, Xuewu Gu, Marion Gymnich, Wolfram Hogrebe, Volker Ladenthin, Wolfram Kinzig, Wolfgang Kubin, Günther Schulz sowie (Leitung) Ludger Kühnhardt und Tilman Mayer. Die Herausgeber gehen von folgenden Begriffsdefinitionen aus: • Globalität wird verstanden als (1) ein partiell durchaus unvollständiger und ambivalenter Zustand globaler Vernetzung und Verdichtung, der auch geisteswissenschaftliche Deutungsfragen aufwirft. Das diskursive Ringen um die mondiale Gesamtdeutung, die sich im Begriff der Globalität ausdrückt, verhält sich (2) reflexiv zu den Prozessen und Ausdrucksformen der Globalisierung. Gemeinhin wird Globalisierung primär verstanden als ein anhaltender technisch-ökonomischer und medialer Prozess, der allerdings nicht im Kern des Forschungsvorhabens steht. Globalität umfasst als Zustand und Begriff die Anerkennung von Disparitäten, Asymmetrien und Widersprüchen, sowohl in den materiellen als auch in den geistigen Formationen. • Global turn wird verstanden als ein Reflexionsmodus, der die Frage nach neuen Kategorien in der geisteswissenschaftlichen Arbeit aufwirft. In den Kulturwissenschaften meint der Begriff des „turn“ einen neuen Forschungsfokus, der als Medium der Erkenntnisbildung dient. Das Forschungsprojekt geht von der These aus, dass der

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gegenwärtige global turn Europa (wie alle anderen Regionen auch) nicht nur ökonomisch und technisch herausfordert, sondern auch eine geisteswissenschaftliche Rekonstruktion seiner Welt- und Gestaltungsfähigkeit abverlangt. • Europa wird als ein Verständigungsraum verstanden, in dem sowohl ideelle Einheit (in der Tradition des westeuropäischen Aufklärungsdenkens) als auch Divergenz nebeneinander bestehen (‚Einheit in Vielfalt‘). Trotz unterschiedlicher Wahrnehmungen und Akzentuierungen bietet Europa aufgrund geistesgeschichtlicher Voraussetzungen einen gemeinsamen wissenschaftlichen Diskursrahmen, der auch für Intellektuelle anderer Regionen und Zivilisationen anschlussfähig ist. In der Bonner Enzyklopädie der Globalität geht es in erster Linie darum, problemorientiert solche Phänomene zu erfassen, die durch den global turn zu einer Neubestimmung des Begriffsverständnisses führen könnten oder bereits geführt haben. Die Begriffsfelder und Schlüsselbegriffe (siehe II.) sowie das Gliederungs- und Interpretationsmuster zur Abfassung jedes der Schlüsselbegriffe (siehe III.) wurden in einer Reihe von Arbeitskolloquien erarbeitet und an ersten ausgewählten Schlüsselworten der sozialen Ordnung überprüft. Drei Grundtypen von Schlüsselbegriffen zur geisteswissenschaftlichen Deutung der Globalität wurden im Verlauf der Arbeitskolloquien als orientierungsleitend für die handbuchartige ‚Bonner Enzyklopädie der Globalität‘ identifiziert: • Verstehensbegriffe: Es handelt sich dabei um solche Begriffe und Konzeptionen, in denen sich der Vorgang der Globalität vollzieht und in seinen Voraussetzungen und Folgen verstehen lässt; gegebenenfalls werden diese Begriffe infolge des global turn, der sich in den dahinterliegenden Phänomenen vollzieht, funktional verstanden und erfordern eine mit der Globalität kompatible Interpretation. • Deutungsbegriffe: Es handelt sich dabei um Begriffe, die normativ aufgeladen sind und möglicherweise kontrovers diskutiert werden; hinzu kommen extraokzidentale Begriffe, für die es kein identisches Begriffsäquivalent in den westlichen geisteswissenschaftlichen Traditionen gibt. • Anwendungsbegriffe: Es handelt sich dabei um Begriffe, die eine fähigkeitsorientierte Ausrichtung in globalitätsspezifischer Perspektive aufweisen; dabei kann ein besonderes Augenmerk auf die Akteursebene gelegt werden. Alleinstellungsmerkmal für das Abfassen aller Texte ist der Bezug zum global turn als dem Wendepunkt in der Deutung des jeweils behandelten Schlüsselbegriffs. Wir setzten ein Jahr für das Abfassen der Beiträge an, die alle einem gleichen Gliederungsmuster folgen mussten: I. Begriffsdarlegung. II. Global Turn. III. Folgerungen. Die Texte sollten nicht länger als 5000 Wörter sein und am besten nicht mehr als zehn Literaturangaben enthalten. Lediglich die beiden ersten Segmente der Enzyklopädie

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waren längeren Betrachtungen und Einordnungen vorbehalten. Sie wurden von allen Mitherausgebern und mir verfasst. Ein Jahr ist eine lange Zeit, selbst in der Wissenschaft. Aber vermutlich waren die Texte, die wir erbaten, für einige Kolleginnen und Kollegen zu kurz, um sie zeitgerecht zu verfassen. Die Einholung der Manuskripte gestaltete sich nicht ohne Mühen. Ich merkte bald, dass ich dafür und für die anschließende Editionsarbeit nicht auf noch so engagierte wissenschaftliche Mitarbeiter zurückgreifen durfte. Ich musste die Kärrnerarbeit selbst übernehmen, zumeist in Form von Nachtschichten. Über die bunte Vielfalt der Erfahrungen, die ich in den vielen Gesprächen mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen sammeln konnte, ließe sich ein länglicher Aufsatz schreiben. Es passt nicht in diese Werkbiographie. Nur eine verschwindend kleine Zahl von Kollegen hatte sich der Mitwirkung komplett entzogen. Einige wenige wollten auf einmal nicht mehr mitmachen, als sie erfuhren, welche geschätzten oder nicht geschätzten Kolleginnen und Kollegen noch dabei waren. Andere schütteten ihr privates Herz aus, um zu begründen, warum sie den Abgabetermin nicht einhalten konnten. Oder sie führten die Verzögerung auf akademische Ladehemmung angesichts von Frustrationserfahrungen im Job und mit diesem oder jenem in der Universität zurück. Manchmal fühlte ich mich an der Grenze zum Beichtvater. Skurril wurde es bei der erforderlichen Vereinheitlichung der Fußnoten, unverzichtbar bei solch einem Mammutunternehmen. Der eine oder andere fühlte sich nachgerade in seiner Ehre verletzt, würde er auf die in seinem Fachmilieu üblichen Zitationsusancen verzichten. Kein einziger Text wurde noch vor der Drucklegung zurückgezogen, was auch immer wieder bei Projekten dieser Art vorkommen soll. Nach vielen, vielen Nachtschichten konnte das Manuskript zum Verlag gehen. Am 1. Februar 2017 lag die Bonner Enzyklopädie der Globalität gedruckt auf meinem Schreibtisch (Kühnhardt und Mayer 2017). 1627 Seiten in zwei schön gearbeiteten Bänden. 110 Bonner Professorenkolleginnen und -kollegen hatten mitgemacht. In dem einführenden Grundsatzartikel „Globalität: Begriff und Wirkung“ leistete ich Begriffsabgrenzungen und Begriffszuordnungen. Globalität definierte ich als „Denkfigur“. Es sei eine Methode, die Welt als Ganzes zur Ausgangsidee zu nehmen, um uns selbst, unser Dasein und unsere gesellschaftliche Umwelt zu reflektieren. Globalisierung definierte ich als unabgeschlossenen und vermutlich nie abschließbaren technisch-wissenschaftlichen Prozess. Aufgrund dieses unvollendbaren Prozesscharakters müsse Globalisierung immer widersprüchlich und unfertig bleiben. Modernisierung deutete ich als den Charakter von sozial ausdifferenzierten und kulturell pluralistischen Gesellschaften basierend auf einer der Aufklärungsrationalität verpflichteten Lebensweise. Universalität schließlich verstand ich als „Denkprinzip, das von der Allgemeingültigkeit von Begriffen und Normen ausgeht“. Im zweiten Abschnitt rekonstruierte ich Globalisierungsinterpretationen, die parallel zur Ausweitung der Globalisierung in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten massiv zugenommen hatten. Globalität führte ich anschließend noch einmal genauer aus als Reflexionsrahmen für die höchst kontingenten Phänomene des weltweiten Wandels: „Der Gedanke der Globalität trägt den Globus sozusagen in alle Bereiche der menschlichen Existenz und

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­ ebenspraxis.“ Ich präsentierte die wichtigste bisher vorliegende Forschungsliteratur und L warnte, ganz Schüler meines akademischen Lehrers Karl Dietrich Bracher, vor immer wiederkehrenden Möglichkeiten der Ideologiebildung auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften (Kühnhardt 2017a, S. 21–36).

Abb. 8.6   Bonner Enzyklopädie der Globalität. Zwei  Bände (herausgegeben mit Tilman Mayer; 2017). (©Springer)

Das Inhaltsverzeichnis der Bonner Enzyklopädie der Globalität zeigte die Breite und Tiefe des zweibändigen Werkes: Einleitung (Ludger Kühnhardt/Tilman Mayer; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1 ff.) I. Globalität verstehen Globalität: Begriff und Wirkung (Ludger Kühnhardt; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 21 ff.)

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Methoden geisteswissenschaftlicher Begriffsbildung (Volker Ladenthin; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 37 ff.) Die Welt der Welten (Markus Gabriel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 53 ff.) Nomos Erde (Wolfram Hogrebe; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 65 ff.) Globalität: Deutungsmodelle der Geschichte (Günther Schulz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 79 ff.) II. Die Entwicklung des Menschen: Fragen der Freiheit und der Bildung Bildung und Erziehung (Reinhold Boschki; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 95 ff.) Demographie (Hans-Dieter Laux; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 107 ff.) Emotionen (Rainer Banse/Jasmin Khosravie; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 119 ff.) Ernährung (Joachim von Braun; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 129 ff.) Familie (Una Maria Röhr-Sendlmeier; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 139 ff.) Freundschaft (Dorothee Gall; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 155 ff.) Gehirn und Geist (Ulrich Ettinger; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 167 ff.) Gender (Sabine Sielke/Elisabeth Schäfer-Wünsche;  Kühnhardt und Mayer 2017, S. 179 ff.) Gesundheit und Medizin (Karoline Noack; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 189 ff.) Glück (Christoph Horn; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 201 ff.) Intelligenz (André Beauducel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 213 ff.) Kleidung (Volker Ladenthin; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 223 ff.) Kompetenz (Una Röhr-Sendlmeier/Udo Käser; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 235 ff.) Lebensphasen (Georg Rudinger; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 249 ff.) Leiblichkeit (Ulrich Eibach; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 267 ff.) Lesen (Florian Radvan; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 277 ff.) Sexualität (Rainer Banse/Jasmin Khosravie; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 289 ff.) Sport (Dittmar Dahlmann; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 301 ff.) Subjektivität (Theo Kobusch; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 311 ff.) Wissen (Elke Brendel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 331 ff.) III. Die Kommunikation des Menschen: Fragen der Sprachlichkeit und der Interaktion mit Anderen Argumentation (Elke Brendel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 345 ff.) Begriffstransfer (Harald Meyer; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 355 ff.) Buch (Günter Bader; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 367 ff.) Deutsch (Claudia Wich-Reif; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 383 ff.) Englisch (Uwe Baumann/Klaus-Peter Schneider; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 393 ff.) Erinnerung (Reinhold Boschki; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 405 ff.) Graphismen (Sabine Mainberger; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 419 ff.) Internet (Caja Thimm; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 433 ff.) Kollektive Identität (Christoph Antweiler; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 443 ff.) Kritik (Michael N. Forster; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 455 ff.) Medien (Michael Wetzel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 467 ff.) Nonverbale Kommunikation (Mechthild Albert; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 479 ff.) Schrift (Ludwig Morenz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 489 ff.) Sprachen (Franz Lebsanft; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 495 ff.) Symbolische Zeichen (Ludwig Morenz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 507 ff.)

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) …

753

Übersetzung (Daniela Pirazzini; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 515 ff.) Umgangsformen (Doris Mathilde Lucke; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 525 ff.) Vernunft und Rationalität (Rainer Stuhlmann-Laeisz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 537 ff.) Weltgesellschaft (Rudolf Stichweh; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 549 ff.) Wissenstransfer (Uwe Küchler; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 561 ff.) IV. Die technisch-instrumentelle Aneignung der Welt: Fragen des Eigentums und der Arbeit Arbeit (Gerhard Blickle/Mareike Kholin; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 573 ff.) Arbeitsteilung (Friedrich Fürstenberg; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 587 ff.) Architektur (Georg Satzinger; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 599 ff.) Entwicklung (Erich Weede; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 613 ff.) Fortschritt (Dirk Tänzler; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 623 ff.) Geistiges Eigentum (Matthias Leistner/Stefan Koroch; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 635 ff.) Grenze (Peter Schwieger; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 649 ff.) Heimat (Manfred Groten; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 663 ff.) Landschaft (Winfried Schenk; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 671 ff.) Mobilität (Dittmar Dahlmann; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 685 ff.) Moderne (Ingo Stöckmann; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 697 ff.) Natur (Karl-Heinz Erdmann/Andreas Wilhelm Mues; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 709 ff.) Raum (Conrad Schetter; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 719 ff.) Soziale Sicherheit (Friedrich Fürstenberg; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 735 ff.) Stadtentwicklung (Theo Kötter; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 747 ff.) Stadtgesellschaft (Jörg Blasius; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 761 ff.) Umwelt (Jürgen Pohl; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 775 ff.) Weltmarkt (Ralph Kauz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 785 ff.) Wohlstand (Winfried Schmitz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 795 ff.) Wohnen (Jörg Blasius; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 811 ff.) V. Die ästhetisch-praktische Aneignung der Welt: Fragen der Kunst und der Kultur Antikenrezeption (Thomas A. Schmitz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 825 ff.) Archäologie (Bethany J. Walker; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 837 ff.) Ästhetik (Rolf Lessenich; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 847 ff.) Bild (Jens Schröter; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 857 ff.) Film (Michael Wetzel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 867 ff.) Geistes- und Kulturwissenschaften (Paul Geyer; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 877 ff.) Gründungsmythen (Michael Bernsen; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 889 ff.) Kultur (Christoph Antweiler; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 899 ff.) Kulturelles Gedächtnis (Roland A. Ißler; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 909 ff.) Kultureller Wandel (Reinhard Zöllner; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 923 ff.) Kunst (Roland Kanz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 933 ff.) Literatur (Christian Moser; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 943 ff.) Museum (Karin Noack; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 955 ff.) Musik (Bettina Schlüter; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 969 ff.)

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8 Globalität Naration (Barbara Schmidt-Haberkamp; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 985 ff.) Reisen (Kerstin Stüssel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 997 ff.) Schönheit (Anne-Marie Bonnet; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1009 ff.) Tanz (Erik Fischer/Alexander Kleinschrodt; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1021 ff.) Theater (Helmut J. Schneider; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1039 ff.) Tradition (Rolf Lessenich; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1051 ff.)

VI. Die öffentliche Ordnung des Menschen: Fragen der Politik und des Rechts Atlantische Zivilisation (Karl Kaiser; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1063 ff.) Demokratie (Volker Kronenberg; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1071 ff.) Demos (Christian Hillgruber; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1081 ff.) Diktatur (Volker Kronenberg; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1093 ff.) Diplomatie (Joachim Scholtyseck/Thomas Freiberger; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1101 ff.) Europa (Peter Geiss; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1117 ff.) Föderalismus (Hanns Jürgen Küsters; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1129 ff.) Frieden (Erich Weede; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1143 ff.) Gewaltmonopol (Stefan Haack; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1153 ff.) Imperium (Dominik Geppert; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1163 ff.) Macht (Matthias Becher; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1175 ff.) Nation (Peter Geiss; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1189 ff.) Politische Größen (Hans-Peter Schwarz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1201 ff.) Recht (Mathias Schmoeckel; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1213 ff.) Regieren (Frank Decker; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1225 ff.) Regulierung (Christian Koenig; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1235 ff.) Sanktionen (Urs Kindhäuser; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1245 ff.) Souveränität (Matthias Herdegen; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1259 ff.) Verfassung (Klaus Ferdinand Gärditz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1271 ff.) Weltordnung (Christian Hacke; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1291 ff.) VII. Die moralische Ordnung und das Problem der Endlichkeit des Menschen: Fragen der Ethik und der Religion Ehe und Familie (Gerhard Höver; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1305 ff.) Erkennen (Andreas Bartels; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1315 ff.) Ethik (Dieter Sturma; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1325 ff.) Ewigkeit und Endlichkeit (Michael Schulz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1335 ff.) Freiheit, Gleichheit, Solidarität (Christoph Horn; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1345 ff.) Heilige Schriften (Manfred Hutter; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1369 ff.) Gemeinschaft und Gesellschaft (Clemens Albrecht; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1355 ff.) Humanität (Marc Laureys/Rolf Lessenich; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1369 ff.) Konventionen (Doris Mathilde Lucke; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1389 ff.) Kosmos (Cornelia Richter; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1401 ff.) Menschenbilder (Ludger Honnefelder; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1409 ff.) Menschenwürde (Theo Kobusch; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1419 ff.)

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) …

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Oikos (Heinz Gerd Ingenkamp; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1437 ff.) Religion (Michael Schulz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1447 ff.) Rituale (Michael Meyer-Blanck; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1461 ff.) Sinn des Lebens (Christoph Horn; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1471 ff.) Streit (Marc Laureys/Rolf Lessenich; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1481 ff.) Wahrheit (Michael Schulz; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1491 ff.) Werte (Hartmut Kreß; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1505 ff.) Zeit (Dirk Tänzler; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1515 ff.) VIII. Globalität gestalten Ist Globalität gestaltbar? (Xuewu Gu; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1527 ff.) Globalität: Die Sichtweisen von Sprache und Literatur (Marion Gymnich; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1543 ff.) Das Christentum und die anderen Religionen im Zeitalter der Globalität (Wolfram Kinzig; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1561 ff.) Global Turn und Kulturwahrnehmung am Beispiel des Islams (Stephan Conermann; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1579 ff.) Globalität: Sichtweisen im Kulturvergleich am Beispiel Europa und China (Wolfgang Kubin; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1595 ff.) Humanität – Globalität – Politik (Tilman Mayer; Kühnhardt und Mayer 2017, S. 1609 ff.)

Nach über neun Jahren intensiver Arbeit lag die neue Visitenkarte der Geistes- und Kulturwissenschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vor. Der Wikipedia-Eintrag über die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität erwähnt die Bonner Enzyklopädie der Globalität und den Anlass ihres Entstehens online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinische_Friedrich-Wilhelms-Universit%C3%A4t_ Bonn (Zugegriffen: 4.Juni 2023). Allein schon die Fächervielfalt, die meine Kolleginnen und Kollegen repräsentierten, berechtigte zum Stolz auf unsere Universität. Daher seien alle Kolleginnen und Kollegen, die die Bonner Enzyklopädie der Globalität ermöglicht haben, noch einmal mit den Denominationen ihrer Fächer genannt: Mechthild Albert, Professorin für Iberoromanische Literatur- und Kulturwissenschaft; Clemens Albrecht, Professor für Kultursoziologie; Christoph Antweiler, Professor für Südostasienwissenschaft; Günter Bader, Professor für Systematische Theologie; Rainer Banse, Professor für Sozial- und Rechtspsychologie, in Zusammenarbeit mit Jasmin Khosravie, Islamwissenschaftlerin; Andreas Bartels, Professor für Natur- und Wissenschaftsphilosophie; Uwe Baumann, Professor für Englische Literatur und Kultur; André Beauducel, Professor für Psychologische Methodenlehre und Psychologische Diagnostik; Matthias Becher, Professor für die Geschichte des Mittelalters; Michael Bernsen, Professor für Vergleichende Romanistische Literaturwissenschaft; Jörg Blasius, Professor für Soziologie; Gerhard Blickle, Professor für Arbeits-, Wirtschafts- und Organisationspsychologie, in Zusammenarbeit mit Mareike Kholin, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Arbeits-, Wirtschafts- und Organisationspsychologie; Anne-Marie

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8 Globalität

Bonnet, Professorin für Kunstgeschichte; Reinhold Boschki, Professor für Religionspädagogik, religiöse Erwachsenenbildung und Homiletik (in Bonn von 2004 bis 2015); Elke Brendel, Professorin für Logik und Grundlagenforschung; Stephan Conermann, Professor für Islamwissenschaft; Dittmar Dahlmann, Professor für Osteuropäische Geschichte; Frank Decker, Professor für Politische Wissenschaft; Ulrich Eibach, Professor für Systematische Theologie und Ethik; Karl-Heinz Erdmann, Honorarprofessor am Geographischen Institut, in Zusammenarbeit mit Andreas Wilhelm Mues, Doktorand, Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen; Ulrich Ettinger, Professor für Allgemeine Psychologie; Erik Fischer, Professor für Musik- und Medienwissenschaft, in Zusammenarbeit mit Alexander Kleinschrodt; Michael N. Forster, Professor für Philosophie; Friedrich Fürstenberg, Professor für Soziologie; Markus Gabriel, Professor für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit; Klaus Ferdinand Gärditz, Professor für Öffentliches Recht; Dorothee Gall, Professorin für Lateinische Philologie; Peter Geiss, Professor für Didaktik der Geschichte; Dominik Geppert, Professor für Geschichte der Neuzeit, Paul Geyer, Professor für Romanische Philologie; Manfred Groten, Professor für Mittelalterliche und Neuere Geschichte sowie für Rheinische Landesgeschichte; Xuewu Gu, Professor für Internationale Beziehungen; Marion Gymnich, Professorin für Anglistische Literatur- und Kulturwissenschaft; Stefan Haack, Professor für Öffentliches Recht (in Bonn 2009 bis 2015); Christian Hacke, Professor für Politische Wissenschaft; Matthias Herdegen, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht; Christian Hillgruber, Professor für Öffentliches Recht; Gerhard Höver, Professor für Moraltheologie; Wolfram Hogrebe, Professor für Theoretische Philosophie; Ludger Honnefelder, Professor für Philosophie; Christoph Horn, Professor für Praktische Philosophie und Philosophie der Antike; Manfred Hutter, Professor der Vergleichenden Religionswissenschaft; Heinz Gerd Ingenkamp, Professor für Griechische und Lateinische Philologie; Roland Alexander Ißler, Professor für Didaktik der Romanistik; Roland Kanz, Professor für Allgemeine Kunstgeschichte; Karl Kaiser, Professor für Politische Wissenschaft; Ralph Kauz, Professor für Sinologie; Urs Kindhäuser, Professor für Strafrecht; Wolfram Kinzig, Professor für Kirchengeschichte; Theo Kobusch, Professor für Philosophie des Mittelalters; Christian Koenig, Professor für Öffentliches Recht und Europarecht und Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI); Theo Kötter, Professor für Städtebau und Bodenordnung; Hartmut Kreß, Professor für Systematische Theologie; Volker Kronenberg, Professor für Politische Wissenschaft; Wolfgang Kubin, Professor für Sinologie; Uwe Küchler, Professor für Englisch als Fremdsprache; Ludger Kühnhardt, Professor für Politische Wissenschaft und Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI); Hanns Jürgen Küsters, Professor für Politische Wissenschaft; Volker Ladenthin, Professor für Historische und Systematische Erziehungswissenschaft; Marc Laureys, Professor für Mittel- und Neulateinische Philologie; Hans-Dieter Laux, Professor für Bevölkerungsgeographie; Franz Lebsanft, Professor für Romanische Sprachwissenschaft; Matthias Leistner, Professor für Bürger-

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) …

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liches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht (in Bonn 2007 bis 2016), in Zusammenarbeit mit Stefan Koroch, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht; Rolf Lessenich, Professor für Anglistik; Doris Mathilde Lucke, Professorin für Soziologie; Sabine Mainberger, Professorin für Vergleichende Literaturwissenschaft; Tilman Mayer, Professor für Politische Theorie, Ideen- und Zeitgeschichte; Harald Meyer, Professor für Japanologie und Koreanistik; Michael Meyer-Blanck, Professor für Religionspädagogik; Ludwig Morenz, Professor für Ägyptologie; Christian Moser, Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft; Karoline Noack, Professorin für Altamerikanistik; Daniela Pirazzini, Professorin für Romanische Philologie; Jürgen Pohl, Professor für Sozialgeographie (in Bonn von 1996 bis 2014, verstorben); Florian Radvan, Professor für Fachdidaktik Deutsch; Cornelia Richter, Professorin für Systematische Theologie; Una Röhr-Sendlmeier, Professorin für Pädagogische Psychologie, in Zusammenarbeit mir Udo Käser, Privatdozent für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie; Georg Rudinger, Professor für Psychologie; Georg Satzinger, Professor für Kunstgeschichte; Winfried Schenk, Professor für Historische Geographie; Conrad Schetter, Professor für Friedens-und Konfliktforschung; Bettina Schlüter, Professorin für Musikwissenschaft; Barbara Schmidt-Haberkamp, Professorin für Anglistik; Thomas A. Schmitz, Professor für Griechische Philologie; Winfried Schmitz, Professor für Alte Geschichte; Matthias Schmoeckel, Professor für Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht; Helmut J. Schneider, Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft; Klaus-Peter Schneider, Professor für Anglistik; Joachim Scholtyseck, Professor für Geschichte der Neuzeit, in Zusammenarbeit mit Thomas Freiberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Geschichte der Neuzeit; Jens Schröter, Professor für Medienkulturwissenschaft; Günther Schulz, Professor für Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Michael Schulz, Professor für Philosophie und Theorie der Religionen; Hans-Peter Schwarz, Professor für Politische Wissenschaft (in Bonn von 1987 bis 2017, verstorben); Peter Schwieger, Professor für Tibetologie; Sabine Sielke, Professorin für Amerikanische Literatur und Kultur, in Zusammenarbeit mit Elisabeth Schäfer-Wünsche, Akademische Oberrätin für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie; Rudolf Stichweh, Professor für Theorie der modernen Gesellschaft; Ingo Stöckmann, Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft; Kerstin Stuessel, Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft; Rainer Stuhlmann-Laeisz, Professor für Logik und Grundlagenforschung; Dieter Sturma, Professor für Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Ethik; Dirk Taenzler, Professor für Allgemeine Soziologie (in Bonn von 2010 bis 2016); Caja Thimm, Professorin für Medienwissenschaft und Intermedialität; Joachim von Braun, Professor für Agrarwissenschaften und

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Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF); Bethany Joelle Walker, Professorin für Islamkunde; Erich Weede, Professor für Soziologie; Michael Wetzel, Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft; Claudia Wich-Reif, Professorin für Geschichte der Deutschen Sprache und Sprachvariation; Reinhard Zöllner, Professor für Japanologie und Koreanistik. Wo hatten je 110 Professorinnen und Professoren einer einzigen Universität gemeinsam eine Enzyklopädie, in welchem Wissenschaftsgebiet auch immer, realisiert? Der Historiker Hans-Peter Schwarz, 1999 an der Universität Bonn emeritiert und nach Bayern verzogen, schrieb mir am 12. Februar 2017: „Gestern nachmittag hat unser getreuer Türke das gewichtige Paket mit der Bonner Enzyklopädie der Globalität vorbeigebracht und seither bin ich am Lesen. Natürlich zuerst die Essays jener vielen Kollegen, die ich noch kenne und die sich alle in globaler Kostümierung bestens präsentieren. Erstaunt, fast beglückt bin ich aber schon, dass es möglich war, zwei so unglaublich reichhaltige, im besten Sinne welthaltige Bände aus Beiträgen von Kollegen einer einzigen Universität zu rekrutieren. Für die beiden Herausgeber ist ein derartiges Werk so nervig, zeitaufwendig, entsagungsvoll und ich weiß nicht, was alles noch, wie zwei eigene, von vorn bis hinten selbst verfasste Bücher. Doch der Aufwand hat sich wirklich gelohnt. In der ganzen Welt gibt es, wenn ich das recht sehe, kein vergleichbares enzyklopädisches Handbuch. Noch in hundert Jahren werden Historiker und Sozialwissenschaftler dies als beispiellos ergiebiges Sediment unserer Epoche ausbeuten und, so es gerecht zugeht, Ihnen und Tilman Mayer wie einem Diderot und d’Alembert Kränze flechten, weil sie kurze Jahre nach der säkularen Zäsur das gesammelte Wissen (in ein paar Beiträgen auch die gesammelten Irrtümer) des Zeitalters zwischen vier Buchdeckel gepresst haben. Auch die äußere Form stimmt: Übersichtlichkeit, Formatierung, Druck Papierqualität – alles bestens bis hin zu dem gepflegten, globale Weite suggerierenden Blau des Einbands. Es sind Bücher, die man gern in die Hand nimmt. Die Stichworte lesen sich wie die Speisekarte in einem der Restaurants unseres Münchner Promi-Kochs Schuhbeck. Nomos Erde, Ernährung, Gehirn und Geist, Weltgesellschaft, Geistiges Eigentum, Reisen, Schönheit, Tanz und Demos … man möchte überall gleichzeitig zu lesen beginnen. Nun verfüge ich auch wieder einmal über ein brandneues Handbuch, in dem sich die neueste Forschungsliteratur aufspüren lässt. Für 5–8 Jahre ist ausgesorgt. Besonders gelungen sind die acht Hauptbeiträge. Ja, mit diesen Fragen läßt sich die Vielfalt der Probleme und Phänomene erfassen. Und die mir immer fremd bleibende Rasse der Naturwissenschaftler und Techniker könnte erkennen, worauf die Geisteswissenschaften Antworten geben oder wenigstens zu geben versuchen. Ob Ihnen die in vielem doch auch schreckliche Fakultät und die obersten Etagen unserer Alma Mater, die Sie soviel und so dauerhaft geplagt haben, nun dankbar sein werden? Wohl kaum, aber neidisch! Genießen Sie auch das. Diese kurze Mail versteht sich erst

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) …

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einmal als rascher Lobpreis des Direktors dieses Professorenzirkus, dessen Raub- und Kriechtiere Sie mit der Vorgabe ‚Begriffsdarlegung‘, ‚global turn‘ und ‚Folgerungen‘ auf den Rhythmus des Leitmotivs abgerichtet und zu jeweils kurzen Auftritten gezwungen haben. Sagen Sie bitte auch Ihrem Ko-Herausgeber, dass ich der Bewunderung voll bin. Ihr Dressurerfolg ist wirklich einmalig. Ich fühle mich nun also akademisch im 21. Jahrhundert angekommen, müsste zwar lügen mit der Feststellung, dass ich mich hier heimisch fühle, doch verfüge ich nun mit Ihrer ‚Bonner Enzyklopädie‘ über einen leicht zu handhabbaren Navi, mit dem ich zu jedem Stichwort eine ‚mental map‘ aufrufen kann.“ Mein Freund Christoph Böhr, unterdessen Professor für Philosophische Gegenwartsfragen an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. im österreichischen Heiligenkreuz, rief mir mit einem ausführlichen Brief am 24. Februar 2017 zu, es sei „ein Jahrhundertprojekt“. Michael Hoch, der liebenswürdige und sehr kollegiale Rektor unserer Universität, Entwicklungsbiologe von Hause aus, erdete uns vor dem Übermut, als ich ihm mit meinen Mitherausgebern am 4. April 2017 die Bonner Enzyklopädie der Globalität übergeben konnte. Wer denn in unserer Zeit ein solch dickes Buch noch lese, fragte er zur Begrüßung provozierend? Und: ob das Buch nach so vielen Jahren der Arbeit überhaupt noch aktuell sei? Ein sehr gutes und längeres, aufklärerisches Gespräch folgte, auch über die so unterschiedlichen Wissenschaftskulturen in den Geistes- und in den Naturwissenschaften. Der Rektor stellte die Pläne zum Universitätsjubiläum vor. Es war ermutigend, dass er schließlich fragte, ob und auf welche Weise in Fortsetzung unserer Enzyklopädie Globalität als Zukunftsprofil für die Universität gedacht werden könnte. Mit der Enzyklopädie hatten wir einstweilen ein Nachschlagewerk vorgelegt, gedacht für Bibliotheken und auch für künftige Forscher- und Studentengenerationen, einschließlich derjenigen, die im Rückblick einmal untersuchen werden, was an der Bonner Universität im Umfeld des 200-jährigen Jubiläums zur Welt von damals gedacht worden sei. Der Zufall wollte es, dass am Tag der Buchübergabe an Rektor Hoch der örtliche „General Anzeiger“ groß aufgemacht die Bonner Enzyklopädie der Globalität seinen Lesern vorstellte. Moritz Rosenkranz würdigte die Vermessung der geisteswissenschaftlichen Dimension der Globalisierung. Es sei ein gutes Geschenk an die Universität Bonn zu ihrem 200-jährigen Bestehen, das sich die beteiligten Wissenschaftler gleichsam selber gemacht hatten. Die Enzyklopädie, die nicht nur misst, sondern auch interpretiert, wolle zeigen, wie Universalität in einer modernen Universität aussehen kann. Aus dem Wissensfundus vieler in der Bandbreite der Fächer und Forschungsansätze sei Wissen in dieses eine, zentrale Werk geflossen, thematisch orientiert und nicht an einem

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8 Globalität

Abb. 8.7   Mitherausgeber Tilman Mayer und ich übergeben Bonns Universitätsrektor Michael Hoch die Bonner Enzyklopädie der Globalität (2017). (©Ludger Kühnhardt)

akademischen Fächerkanon. Die Bonner Enzyklopädie der Globalität orientiere sich, so Rosenkranz lobend, an der Lebenswirklichkeit des Menschen (Rosenkranz 2017). Wolfgang Reinhard, Historiker und zur Zeit meiner Freiburger Antrittsvorlesung 1991 Dekan meiner damaligen dortigen Philosophischen Fakultät, zeigte in einer Rezension in der Historischen Zeitschrift (Band 308 III, 2019) Respekt, dass mit Tilman Mayer und mir zwei Politikwissenschaftler eine Aufgabe übernommen hatten, die eigentlich die historische Anthropologie besorgen müsste. „Obwohl die Wirtschafts- und die Naturwissenschaften nur beiläufig eine Rolle spielen, ist die geleistete Begriffsarbeit gigantisch … Plädoyer für mehr Humanität statt für noch mehr blinden Fortschritt. In diesem Rahmen behandeln 110 weitere Bonner Professoren verschiedener Fächer eine erstaunliche Fülle einschlägiger und nur auf den ersten Blick weniger einschlägiger Sachthemen. Denn an globalen Aspekten fehlt es nirgends.“ Bereits an sich sei natür-

8.2  Bonner Enzyklopädie der Globalität (Kühnhardt und Mayer 2017) …

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lich die Frage nach der Globalität und die daran anknüpfende Definitionsarbeit „europalastig … denn eine Welt ohne Europa wäre schlicht unmöglich. Aber“, fügte Reinhard hinzu, „die Welt ist doch nur noch historisch Eigentum Europas, real ist sie vielmehr längst global geworden.“ Globalität sei alles andere als einheitlich, „sondern läuft auf eine dynamische Interaktion europäischer und nichteuropäischer Komponenten hinaus. Zur Aufarbeitung dieser Pluralität hat das vorliegende Werk maßgebende Beiträge geleistet.“ Wie gar nicht anders zu erwarten, ging die Bonner Enzyklopädie der Globalität sehr rasch veschlungene Wege der Rezeption. Unübersichtlich wurden die Zusendungen aus dem Autorenkreis, die in einem Buch oder einer Zeitschrift ihres Faches mit ihrem Enzyklopädie-Beitrag zitiert wurden. Natürlich konnte und wollte ich mich auch nicht mit jeder Zeile jedes Beitrags identifizieren. Aber darum ging es ja gar nicht. Es ging darum, den ganzen Pluralismus an Auffassungen und Methoden und die Weite und Tiefe der Bonner Geistes- und Kulturwissenschaften gebündelt zur Diskussion zu stellen. Tausende von Downloads von einzelnen Kapiteln bestätigten die Prognose des Verlages, das nurmehr dickleibige Bücher, gebunden und schön aufgemacht, von Bibliotheken angeschafft werden und dann dort selektiv, aber kontinuierlich gelesen werden. Am 14. Mai 2018 erschien die Bonner Enzyklopädie der Globalität im offiziellen Programm zum Universitätsjubiläum. Ich hatte darauf bestanden, dass die Vorstellung des Buches und das Gespräch mit fast allen Mitherausgebern im Festsaal der Bonner Universität unter der Rubrik „Nachhaltigkeit“ stattfinden sollte. Ein nachhaltig gelingendes Leben, so hatte ich argumentiert, setze Klarheit über die Begriffe voraus, nach denen wir leben und an denen wir unser Leben orientieren. Prorektorin Karin Holm-Müller, Umweltökonomin, die die Veranstaltung souverän leitete, war am Ende angetan: Das Gespräch über die Grenzen von Geistes- und Naturwissenschaften hinweg war gelungen. Über zwei Semester las und interpretierte ich die Bonner Enzyklopädie der Globalität in einem Seminar im Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, um die daran interessierten Studierenden im Sinne eines Studium universale die Vielfalt der aktuellen Forschung kennenlernen zu lassen. Zugleich musste ich eine weitere Mammutaufgabe zu einem guten Ende führen: die englische Ausgabe. Sie brachte noch einmal neue Einblicke in die Komplikationen des Publizierens einer Enzyklopädie jenseits der eigentlichen Inhalte. Komplett voneinander getrennte Abteilungen des Springer-Verlages, des größten Wissenschaftsverlags der Welt, betreuten die deutsche und die englische Ausgabe. Jede Abteilung hatte ihre eigenen Vorgaben und Vorstellungen. Copyright-Fragen für einige verwendete Abbildungen musste ich mühsam klären. Vor allem aber hielten mich die Fußnotenapparate beschäftigt. Englischsprachige Bücher, die in deutschen Übersetzungen

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Abb. 8.8   The Bonn Handbook of Globality. 2 volumes (edited with Tilman Mayer; 2019). (©Springer)

zitiert worden waren, mussten im Original gefunden werden. Bei anderen Sprachen – von Altgriechisch über Deutsch bis Spanisch – musste ich eine englische Ausgabe finden oder eine autorisierte Übersetzung besorgen. Am Ende lag auch The Bonn Handbook of Globality in zwei dicken Bänden vor (Kühnhardt und Mayer 2019). Innerhalb der ersten fünf Jahre nach Erscheinen der beiden Bände meldete der Verlag 42.000 Downloads für Beiträge aus der Bonner Enzyklopädie der Globalität und 28.000 Downloads für Beiträge aus The Bonn Handbook of Globality. Die Enzyklopädie hatte in beiden Sprachfassungen

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ihren Weg begonnen, so wie wir Herausgeber es uns erhofft hatten. Der Weg dürfte noch lange weitergehen, wie bei einer Enzyklopädie dieses Formats üblich. Eine Idee ließ sich nicht realisieren: Übersetzungen in allen Amtssprachen der Vereinten Nationen vorzulegen. Dieser Traum scheiterte nicht nur an den hohen Kosten. Chinesische Kollegen, mit denen ich eigentlich eine gute Zusammenarbeit pflegte, lehnten nach Prüfung der Inhalte die Übersetzung und Veröffentlichung in chinesischer Sprache ab. Ich spürte, dass auch eine Enzyklopädie als Bombe der Vernunft wirken kann, in der zu viel unberechenbarer Sprengstoff für eine geschlossene Gesellschaft steckt. Das Übersetzungsprojekt sei derzeit keine Priorität, wurde ich nach langem Hin und Her beschieden. Zu viel pluralistisches Denken steckte in dem Werk. Vielleicht musste man sagen: Meine chinesischen Kollegen wurden zur Ablehnung eines unzensierten Dialogs mit der Bonner geisteswissenschaftlichen Sicht auf die Globalität gezwungen. Denn hinter jeder akademischen Linie steht in China ein Parteikader. Eine Begründung für die Einstellung der Kooperation erhielt ich in China jedenfalls nie.

8.3  The Global Society and its Enemies: Liberal Order Beyond the Third World War (Kühnhardt 2017b) Nach den Terroranschlägen auf New York und Washington am 11. September 2001 hatte mich Michael Mertes im Rheinischen Merkur unter der Überschrift „Der Ernstfall kommt“ mit dem sorgenvollen Gedanken zitiert, wir könnten den Beginn der Gefahr einer globalen „Nahostisierung“ erleben. Mich beschäftigte schon damals die Frage nach der globalen Gesellschaft und ihren Feinden. Frühzeitig identifizierte ich den politischen Islamismus in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen als Treiber eines neuen weltweit wirkungsmächtigen ideologischen (und in seinen radikalen Varianten terroristischen) Gegenmodells zur liberalen Gesellschaft, ja zu einer inklusiven, Vielfalt respektierenden humanen Zivilisation an sich. In einem Aufsatz für das „Croatian International Relations Review“ (Kühnhardt 2002a, S.115ff.), dessen internationalem wissenschaftlichen Beirat ich angehörte, und nachgedruckt in der Zeitschrift Totalitarian Movements and Political Religions (2003) legte ich die Zusammenhänge zwischen der internationalen Politik und den Prozessen der Ideologiebildung dar. Zunächst fragte ich, was eigentlich einen „definierenden Moment in der Geschichte“ ausmache. Ich erinnerte zunächst daran, dass in der wissenschaftlichen Literatur, die ich konsultiert hatte, zumeist religiöse Erweckungen mit „definierenden Momenten“ verbunden werden. Politische und historische Momente von großer Tragweite wurden meistens als solche von denen bestimmt, die das Monopol über die Interpretation vorhergehender Ereignisse haben, beispielsweise den Sieg in einem Krieg, Erfolg bei Friedensverhandlungen, Sturz eines zuvor verhassten Regimes. Sicher sei, dass „definierende Momente in der Geschichte“

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solche Augenblicke seien, in denen sich Geschichte gewissermaßen verdichtet. In diesem Sinne war auch „9/11“ ein „defining moment“. Obgleich die USA bereits verschiedentlich, auch im Zusammenhang mit Terroranschlägen, Demütigungen erlebt hatten, war keine so tiefgreifend wie am 11. September 2001. Terrorismus, so schrieb ich, habe weder Vaterland noch Religion, instrumentalisiere und pervertiere aber zumeist das eine oder das andere. Wegen der Symbolik des Anschlags auf exponierte Gebäude, wegen der aus aller Welt stammenden Toten und wegen der globalen Schockwellen war, so bilanzierte ich, 9/11 ein Anschlag auf die menschliche Zivilisation an sich. Wie üblich analysierte ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den amerikanischen und den europäischen Reaktionen. Unterschiedliche Bedrohungsperzeptionen unter den transatlantischen Partnern waren nichts eigentlich Neues. Terrorismus sei ein tiefgreifender Anschlag auf den Anspruch eines Staates, über das Gewaltmonopol zu verfügen. Wo dieses gebrochen werde, wachse Unsicherheit und privatisierte Gewalt. Der gegenwärtige Bogen der Instabilität, der von Nordafrika bis tief nach Südasien reicht, sei eine Dauerbelastung für die Stabilität der atlantischen Welt, führte ich aus. Die Widersprüche der unvollendeten Globalisierung und das kulturelle Gegenmodell des radikalen politischen Islams seien die größte Herausforderung für die atlantische Zivilisation. Es sei an der Zeit, dass der Westen wieder eine formierende Idee seines Denkens und Handelns finde, wie dies im Kalten Krieg mit dem Primat der Freiheit der Fall gewesen sei. Im Zeitalter der Globalisierung sei es nicht so einfach, unterschiedliche Bedrohungen und Ziele über den eigenen Entwicklungsweg so zu fassen, dass eine neue formierende Idee entstehen könne. Nötig sei es vor allem, den totalitären Charakter des radikalen jihadistischen Islamismus zu erkennen. Dort liege mehr als nur die Wurzel für situative, spontane Gewalttaten und terroristische Akte. Dahinter stehe eine Ideologie, die einen Anschlag auf die offene globale Gesellschaft und jedwede pluralistische Zivilisation bedeutet. Islamischer Fundamentalismus stehe in einer Kontinuitätslinie mit den Feinden der offenen Gesellschaft, die Karl Popper in der Mitte des 20. Jahrhunderts im kommunistischen und nationalsozialistischen Denken und Handeln identifiziert hatte. Islamischer Fundamentalismus sei ebenso perfide wie der reaktionäre Modernismus der Nationalsozialisten, wie dies mein amerikanischer Freund und Kollege Jeffrey Herf eindringlich herausgearbeitet hat. Islamischer Fundamentalismus, so hatte er unlängst geschrieben, leihe sich westliche Technologien und Techniken, um sie zu zerstören (Herf 2002). Ich knüpfte an Popper und Herf an, um eine intellektuell grundierte neue „grand strategy“ der atlantischen Zivilisation zu skizzieren. Sie müsse auf Eindämmung der Gefahr und auf vorsichtiger Dialogbereitschaft beruhen, um die globale Gesellschaft gegenüber ihren Feinden erfolgreich bleiben zu lassen (Kühnhardt 2002a, S. 115 ff.).

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Abb. 8.9   The Global Society and Its Enemies. Liberal Order Beyond the Third World War (2017). (©Springer)

2015 fand ich Muße, um diese frühen, eher kursorischen Überlegungen systematisch auszubauen. Viel war inzwischen passiert auf der Welt. Die illegale Einwanderung von über einer Million Menschen per Boot und dann zu Fuß quer durch Europa, die ich von Neuseeland aus miterlebte (und miterlitt), gab den letzten Anstoß, meine grundsätzlichen Gedanken und Analysen zu Papier zu bringen. Während einer Gastprofessur am National Centre for Research on Europe (NCRE) an der Canterbury University in Christchurch ging ich täglich am „Karl Popper Building“ vorbei. Der Philosoph hatte die ausschlaggebenden Jahre der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und des Zweiten Weltkriegs in diesem neuseeländischen Exil verbracht. Ich las sein Meisterwerk The

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Open Society and Its Enemies (Popper 1945) neu und studierte seine Autobiographie Unended Quest (Popper 1976), vor allem hinsichtlich seiner Antriebe für das Verfassen seines weltberühmten Buches. Geschockt von der illegalen Massenmigration nach Europa und der Hilflosigkeit der politisch Verantwortlichen, die dem Thema viel zu lange ausgewichen waren und nun die Kontrolle verloren, fühlte ich mich selbst irgendwie im Exil. Ich war sprachlos und fühlte mich entwurzelt gegenüber dem, was in meiner Heimat vor sich ging. Ich begann mit der Ordnung und Niederschrift meiner Gedanken. Der Titel stand sofort fest: The Global Society and Its Enemies (Kühnhardt 2017b). In meinem Buch diskutierte ich, bewusst essayistisch, aber unter Rückgriff auf reichhaltige aktuelle und grundsätzliche wissenschaftliche Literatur, die wichtigsten Aspekte der gegenwärtigen globalen Transformationen. Darauf aufbauend analysierte ich die Möglichkeiten und Grenzen einer Erneuerung der liberalen Weltordnung. In Kap. 1 („Introduction: The World in Times of Globality“) stellte ich dar, wie Globalität, die unvollendete Folge der Globalisierung, die Interaktionen von Menschen, Ideen und Gütern rund um den Globus intensiviert hat (Kühnhardt 2017b, S. 1–12). Dennoch sei Globalität als menschliches Versprechen unvollständig geblieben. Ich erinnerte daran, warum der Philosoph Karl Popper sein Meisterwerk The Open Society and Its Enemies geschrieben hatte. Popper war im Angesicht des doppelten Totalitarismus kommunistischer und nationalsozialistischer Provenienz von der Idee getrieben, dass die Menschheit angemessene Wege finden müsse, um, wie er 1945 schrieb, „vom Tribalismus zum Humanitarismus“ voranzukommen. Acht Jahrzehnte nach Poppers Veröffentlichung sei die Welt ein völlig anderer Ort geworden, schrieb ich. Das Hauptargument seines Buches sei jedoch immer noch faszinierend. Frühere Feinde der offenen Gesellschaft seien durch heutige Feinde der globalen Gesellschaft ersetzt worden. Die Herausforderungen für die menschliche Zivilisation im 21. Jahrhundert unterschieden sich natürlich erheblich von den Herausforderungen, denen sich Popper und seine Generation Mitte des 20. Jahrhunderts gegenübersahen. Aber auf der ganzen Welt spürten die Menschen einen epochalen Wandel, der sich nicht so sehr von der tragischen Atmosphäre in der Mitte des 20. Jahrhunderts unterschied. Die Denkfigur der Globalität empfahl ich daher bei der Beurteilung dieser Situation als einen analytisch-methodischen Ausgangspunkt. Globalität war keineswegs allgemeine Wirklichkeit und sollte auch nicht als simple, naive Antwort auf alle Zerissenheiten der Gegenwart missverstanden werden. Bei der Analyse der Globalität gehe es nicht nur um Gewalt oder deren Abwesenheit. Bei dieser Analyse gehe es auch um gewaltfreie Veränderungen von Ideen, weicher oder harter Macht, um menschliche Fähigkeiten und aufstrebende Gesellschaften. In Kap. 2 („Third World War: The Enemies of the Global Society“) lenkte ich den Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten aller Kontinente (Kühnhardt 2017b, S. 13–60). Die Herausforderungen variierten von Region zu Region. Die Ausgangslage menschlicher Pluralität fand vielfältige Ausdrucksformen und ebenso vielfältige Herausforderungen. Eine globale Ordnung, die die Schlüsselprinzipien der offenen Gesellschaft umfasst, so wie Popper sie im Sinn hatte, sei, argumentierte ich, eine Ordnung, die auf

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der Akzeptanz gemeinsamer Regeln unter Bedingungen schwerwiegender empirischer und manchmal ideologischer Widersprüche beruht. Die Welt sei derzeit weit davon entfernt, ein solches Ziel zu erreichen. Im Gegenteil, das Scheitern des Nationalstaates in einer Reihe von Staaten und die ideologische Radikalisierung extremistischer Islamisten haben neue Formen der Kriegsführung, individualisierte Konzepte des Kampfes gegen Akteure und eine Situation hervorgebracht, die zu Recht als „Dritter Weltkrieg“ bezeichnet werden kann. Die stärkste, wenngleich keineswegs einzige ideologische Quelle des Dritten Weltkriegs war im radikalen jihadistischen Islamismus zu finden. Ich rechnete vor, dass zwischen 1990 und 2015 in über 40 Bürgerkriegen mehr als zehn Millionen Menschen getötet worden waren. Zum Vergleich: Im Ersten Weltkrieg starben 17 Mio. Menschen. Fast 200.000 Menschen waren seit dem Ende des Kalten Krieges Opfer terroristischer Anschläge geworden. Einige grundlegende Erfahrungen aus der Zeit von Karl Popper hinsichtlich der Feinde der offenen Gesellschaft in kommunistisch und nationalsozialistischrassistisch regierten Staaten hatten ihre Relevanz nicht verloren: Eine liberale Ordnung im Inneren eines Staates blieb die vorhersehbar beste Basis, um eine globale offene Gesellschaft voranzutreiben. Die Interdependenzen zwischen dem Lokalen und dem Globalen sowie die Komplexität von ideellen Faktoren und neuen Akteuren – beeinflusst von neuen Denkansätzen, die weit über die früher konkurrierenden westlichen Philosophietraditionen hinausgehen – bestimmten die Parameter der Welt im 21. Jahrhundert. Wenige Jahre später, im August 2021, bestätigten die Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban und ihre weltpolitischen Folgen meine Überlegungen, die bereits im Lichte der Ereignisse von 2014 (Ukraine-Krieg und Krim-Annexion) und 2015 („Flüchtlingskrise“) die Grenzen des westlichen Fortschritts-und Freiheitsbegriffs mitdachten. Kap. 3 („Spaces and Spheres“) klassifizierte den Raum als politisch (Kühnhardt 2017b, S. 61–94). Die Sphäre der Politik sei immer räumlich. Jede politische Ordnung sei relational zum Raum. Die längste Zeit wurde die Welt als die Art und Weise verstanden, wie ihre Gebiete abgegrenzt und genutzt wurden. Heutzutage sei der populäre Begriff für solche Veränderungen das Wort „Machtverschiebung“. Die grundlegendste geopolitische Zweiteilung ist jedoch so alt wie die menschliche Zivilisation: Landmacht gegen Seemacht. Seit den Tagen des antiken Griechenlands ist das Thema relevant. Im 21. Jahrhundert sind die Räume der Welt auf 193 UN-Mitgliedstaaten aufgeteilt, zu denen rund drei Dutzend abhängige Gebiete und Staaten mit unvollständiger Anerkennung hinzugerechnet werden müssen. Der Erwerb von Territorien habe jedoch nicht an Attraktivität verloren. Der Begriff der staatlichen Souveränität blieb eng mit der tatsächlichen Kontrolle des Landes verbunden. Residuale oder gescheiterte Staaten sind zu einem herausragenden Merkmal globaler Narrative geworden. Die Komplexität der maritimen Agenda, die über das Problem des Klimawandels und seine Auswirkungen auf das Überleben in Atollstaaten und Küstengebieten hinausgeht, wird in der internationalen politischen und akademischen Debatte häufig unterschätzt, führte ich aus. Territoriale Räume und maritime Bereiche bestimmen aber zusammen die Zukunft der Weltwirtschaft und höchstwahrscheinlich auch alle möglichen Dimensionen der Geopolitik und die damit verbundenen Probleme.

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In Kap. 4 („Borders and Orders“) beschrieb ich den Doppelcharakter von Grenzen, die sowohl Barrieren als auch Brücken sind (Kühnhardt 2017b, S. 95–132). Grenzen definieren weiterhin die Frontlinie der Nationalstaaten, ihren Willen und ihre Fähigkeit, das eigene Territorium zu verteidigen. Grenzen gewinnen nur in Kombination mit den Faktoren, die das Leben außerhalb und innerhalb einer Grenze definieren, an Bedeutung. Innerhalb der Grenzen, so schrieb ich, sei die Autorität der innerstaatlichen Regeln und Vorschriften von wesentlicher Bedeutung. Außerhalb der Grenzen bleibe die Fähigkeit zum Schutz von größter Bedeutung. Illegale Migration und transnationale Formen organisierter Verbrechen verstand ich als unfreiwillige Grenzüberschreitungen, gegen die Länder sich schützen müssen, um der Menschen willen, die hinter solchen missachteten Grenzen leben. Grenzen können zu leeren Hüllen werden, wenn die staatliche Autorität die formale Souveränität nicht in eine praktische Kontrolle darüber verwandelt, wer in ein Gebiet hereinkommt und wer herauskommt. Grenzen können aber auch, schrieb ich, zu Gefängnissen werden, wenn sie Menschen daran hindern, anderswo ein Leben ihrer Wahl zu verlassen und zu leben. Sie können zu Räumen der Abschreckung für diejenigen werden, die anderswo Schutz und einen Neuanfang brauchen, aber die Grenzen ihrer Heimat nicht nach außen übertreten dürfen. Auswanderung, Einwanderung und die traurige Situation der erzwungenen Migration von Flüchtlingen berühren die Komplexität der Grenzthematik. Grenzen, so schrieb ich weiter, entwerfen weder Kulturen noch verhindern sie, dass Kulturen und Zivilisationen auf beiden Seiten gedeihen. Grenzen sind Rechtsinstrumente, die jedoch häufig als Schutzzaun für die nationale kulturelle oder gar ethnische Identität missverstanden werden. Die Herstellung gemeinsamer Souveränitätstitel über Grenzen hinweg kann eine freiwillige Entscheidung von Staaten sein, wie die Europäische Union zeigt. Wie jedoch 2015 unter Bedingungen massiven Drucks durch illegale Migranten deutlich wurde, können auch in der EU Länder recht schnell und intuitiv zum traditionellen Mechanismus der nationalen Grenzkontrolle zurückkehren, um innere Stabilität zu schützen, solange die gemeinsame Kontrolle der Außengrenzen nicht besteht. Kap. 5 („People and Peoples“) erinnerte daran, dass die globale Gesellschaft aus mehr als sieben Milliarden Menschen besteht (Kühnhardt 2017b, S. 133–170). Tendenz steigend. Menschen kommen vor in allen Formen, Größen und Farben. Sie werden individuell geboren und sterben individuell, mit wenigen Ausnahmen wie Mehrlingsgeburten und kollektiven Todesfällen. Aber jeder Moment zwischen Geburt und Tod ist so vielfältig, wie das Leben nur sein kann. Meistens wird das Leben in Gemeinschaft mit anderen gelebt, nah und fern. Das Leben wird aber auch vertikal gelebt, und zwar über Generationenstufen hinweg, die durch Alter, Kontext und Anspruch definiert sind. Das Leben, so analysierte ich, verlaufe in Zyklen, wobei sich jedes Individuum von allen anderen auch darin unterscheidet. Demographie sei ein sehr unterschätzter Aspekt zur Erklärung von Entwicklungen in der internationalen Politik. Bei der wissenschaftlichen Befassung mit demographischen Fragen geht es unter anderem um die Anzahl der Menschen an einem bestimmten Ort, die Alterspyramide und die Auswirkungen von Alterskohorten auf die sozioökonomische Entwicklung einer Gesellschaft. Demographie, konstatierte ich, erzeuge Interdependenzen zwischen Gesellschaften. Demographische

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Trends werden durch Aktionen oder Nichtaktionen an anderer Stelle beeinflusst. Jede demographische Entwicklung sei daher sehr politisch. Demographische Analysen sind häufig mit Trends, Annahmen über angebliche Pfadabhängigkeiten und die möglichen Auswirkungen demographischer Merkmale auf Gesellschaften verbunden. In erster Linie gehe es bei der Demographie aber nicht um Projektionen und Phantasien, sondern um das Fundament der globalen Gesellschaft. In Kap. 6 („Sources and Resources“) diskutierte ich intellektuelle Quellen und materielle Ressourcen (Kühnhardt 2017b, S. 171–214). In einer Vielzahl von Zusammenhängen und Widersprüchen bilden sie die Fakten und Zahlen, die das Leben definieren, soweit der Mensch es gestalten kann. Wir leben, so führte ich aus, unser Leben auf der Grundlage inspirierender Ideen und nutzen die vorhandenen Ressourcen, um unsere Ideen in die Realität umzusetzen. Ideen können sich dabei in pragmatische Ordnungen verwandeln, aber auch in Ideologien. Die Radikalisierung des politischen Islams seit den späten 1970er Jahren war zum wirkmächtigsten ideologischen Gegenmodell zur offenen Gesellschaft, ja zur unübersehbaren Kampfansage an die pluralistische Zivilisation schlechthin geworden. Ressourcen können im Dienste der Stärkung der Menschenwürde eingesetzt werden, aber auch als Instrument, um einige zu stärken und andere zu demütigen. Die Verbindungen zwischen Ideenquellen und materiellen Ressourcen sind permanent fließend. Sie müssen jedoch in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und ihren gegenseitigen Auswirkungen betrachtet werden, argumentierte ich. Noch konnte ich nach meinen eigenen Erfahrungen in Afghanistan 2013 (Kühnhardt 2013) nur in meinen düsteren Ahnungen darüber spekulieren, dass dieses ewige und unwirtliche Exerzierfeld einer Verknüpfung von Ideologie und Machtressourcen erneut explodieren und das westliche Freiheits- und Fortschrittsdenken tiefgehend erschüttern würde. Im August 2021 geschah genau dieses: Islamistischer Tribalismus eroberte sich Afghanistan zurück. Kap. 7 („A New World Order: The Global Society and Its Friends“) verwandelte die durchaus von Besorgnis getragene Analyse in einen hoffnungsvolleren Ausblick (Kühnhardt 2017b, S. 215–258): Um die Freunde der offenen globalen Gesellschaft zu identifizieren, schrieb ich, lohne es sich, über die Voraussetzungen und Hindernisse nachzudenken, mit denen die Menschheit derzeit weltweit konfrontiert ist. Freunde der globalen Ordnung seien diejenigen, die zu einer integrativen, friedlichen globalen Ordnung beitragen, die auf Respekt vor Individuen und legitimen kollektiven Entscheidungen beruht. Freunde der globalen Gesellschaft seien diejenigen, die versuchen, Offenheit auf der ganzen Welt mit Offenheit zu Hause zu verbinden und diese Offenheit mit einem klaren Sinn für Normen und Grenzen zu verbinden. Mit anderen Worten: Es gehe weiterhin, wie zur Zeit Poppers, um die Bekämpfung des Tribalismus mit einer realistischen Form des Humanismus. Ich diskutierte Ansätze einer Humanisierung der Geopolitik, setzte mich mit der neuen globalen sozialen Frage auseinander, mahnte die Verantwortung aller Religionen an, gemeinsam jegliche Anwendung von Gewalt im Namen religiöser Prinzipien und Normen zu ächten und überzeugende Beiträge zu leisten, mit deren Hilfe die Religionen der Welt Führung bei der Verfolgung einer humanen globalen Ordnung übernehmen könnten.

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In Kap. 8 („Outlook: Prospects and Uncertainties“) griff ich Karl Poppers letzte und dringlichste Frage auf: „Hat Geschichte irgendeine Bedeutung?“ (Kühnhardt 2017b, S. 259–276). Für Popper lautete die Antwort: „Nein.“ Die Bedeutung für die Geschichte könne nur durch die Handlungen des Einzelnen erreicht werden. Die Geschichte, so entwickelte ich Poppers Sicht weiter, folge keinem abstrakten Gesetz, das sich dem menschlichen Einfluss, der Kontrolle oder der Korrektur entzieht. Geschichte sei das, was Menschen daraus machen, mit ihren Hoffnungen und Ängsten, Erfindungen und Leiden, Beiträgen und Misserfolgen. Letztendlich basiere die von Menschen gemachte Geschichte auf der Ausübung menschlicher Verantwortung. Nur wenn die Zukunft als ein offener Prozess anerkannt werde, kann menschliche Verantwortung praktisch werden. Eine offene Zukunft verbiete jedes deterministische Konzept der Geschichte. Eine offene Zukunft erfordere aber menschliches Handeln und die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Diese Logik gelte auch, argumentierte ich abschließend, für die globale Gesellschaft. Eine Neubesinnung auf wichtige ihrer Voraussetzungen ist dazu ebenso notwendig wie die angemessen kooperative globale Rolle der führenden Ordnungsmächte USA, EU und China bei der Überwindung des derzeit tobenden Dritten Weltkriegs, argumentierte ich. Während der Westen sich erneuern müsse, um zur Erneuerung globaler liberaler Ordnungsvorstellungen beizutragen, plädierte ich für eine intensivere Kooperation der USA und Europas mit China als einem Partner für eine stabile globale Ordnung. Die Europäische Union kann in der neuen Weltordnung, die sich aus den Zerrüttungen und Umwälzungen der Gegenwart ergeben wird, nur als eine globale Macht bestehen, die multilaterale Ziele befördert, aber ebenso realistisch über deren Grenzen ist. Noch bevor mein Buch erschienen war, gab ich der Journalistin Edith Inotai für die ungarische Zeitung Figyelö ein Interview zu meinen Thesen (Kühnhardt 2015a, S. 13 f.). Einige meiner Argumente vertrat ich in pointierter Form bei einer Debatte mit Norbert Röttgen, dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages am 3. Oktober 2016 im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn. Ich karikierte bissig das unpolitische Biedermeier der vergangenen 25 Jahre. Deutschland sei moralistisch, aber nicht weltfähig. Das reiche aber nicht mehr. Dem mentalen Kontrollverlust sei 2015 der faktische Kontrollverlust gefolgt. Ich ermahnte zur Grenzsicherheit, am besten durch robuste Absicherung der jahrzehntelang strategisch vernachlässigten europäischen Außengrenze, als einer elementar wichtigen Erhaltungsbedingung von Freiheit, Sicherheit und Humanitätsbereitschaft. Es musste schon eine aufgewühlte Zeit sein, dass die katholischen Bischöfe und Weihbischöfe aller 27 Diözesen mich einluden, ihre Frühjahrsvollversammlung am 9. März 2017 in Bensberg mit einer politischen Analyse und Diskussion zu beenden. Noch nie habe der Vortrag eines Politikwissenschaftlers diese ehrenwerte Versammlung des deutschen Episkopats ausklingen lassen, wurde mir bedeutet. Wie immer war die äußerst lebhafte Fragerunde für mich lehrreich. Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen, regte an, Weltfähigkeit durch Heimatbindung zu ergänzen, damit das Konzept tragen kann. Stefan Oster, Bischof von Passau, thematisierte die Folgen der Digitalisierung auf die

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Dekonstruktion gesellschaftlicher Zusammenhänge. Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg, fragte nach den Chancen eines echten Marshallplans für Afrika und, ob denn Entwicklungshilfe noch von Nutzen sein könne. Einige Bischöfe griffen meine kritische Bemerkung auf, auch die Kirche tue nicht genug, um einer Gesellschaftsbildung mit Referenzpunk EU zuzuarbeiten. Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart, meinte, bei uns gebe es doch noch immer mehr als relative Stabilität, weshalb die Rolle Deutschlands in der EU neu bewertet werden solle. Gregor Hanke, Bischof von Eichstätt, fragte nach der heutigen Bedeutung von „immer engerer Union“ und artikulierte Skepsis über möglicherweise zu viel, zu schnell und zu weitgehende europäische Einigung. Theologische Kompetenz ist nicht immer eine ausreichende Bedingung für staatsbürgerliche Weitsicht oder politische Einsicht.

Abb. 8.10   Vortrag vor der Deutschen Bischofskonferenz mit Bischof Franz-Josef Overbeck, Erzbischof Heiner Koch, Kardinal Reinhard Marx und Pater Hans Langendörfer in Bensberg (2017). (©Ludger Kühnhardt)

Reinhard Marx, Kardinal von München und Freising und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, reagierte auf meine Empfehlung, ein Weltforum der Religionen zu initiieren, das Gewalt im Namen der Religion als Gotteslästerung ächtet, mit dem etwas ausweichenden Hinweis, so eine Initiative könnte nur der Papst starten. Aber leider würden viele fernbleiben, orthodoxe Kirchen und bestimmte Juden, von den Muslimen ganz zu schweigen. Beim anschließenden Mittagessen, an dem auch Bischof Overbeck und Hans Langendörfer, der mit mir seit vielen Jahren befreundete Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz,1 teilnahmen, äußerte Kardinal Marx große Sorge 1  Hans

Langendörfer hatte ich 1987 kennengelernt, als er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundeskanzleramt war, während ich nebenan im Bundespräsidialamt arbeitete. Im Bonner „Foyer der Jesuiten“, das er von 1989 bis 1996 leitete, trafen wir uns zu manchem guten Gesprächskreis wieder. Mein jesuitischer Freund war mit einer Arbeit über kirchliche Friedensethik bei dem

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über Stabilität und Frieden in Europa. Meine kritische Frage, ob seine Zustimmung, ja Förderung der Willkommenskultur 2015 nicht zum Gegenteil beigetragen habe, brachte ihn ins Grübeln. Er schien noch immer hin- und hergerissen zu sein: Ja, wer hätte denn gedacht, fragte er zurück, was alles folgen würde? Als Christ müsse man ein optimistisches und offenes Bild allen Menschen gegenüber bewahren. Das christliche Menschenbild sei schon anstrengend, wie alle Ideen über Autonomie, Aufklärung und Vernunft. Aber schwierig, dramatisch schwierig, sei die Lage schon geworden, da stimme er mit mir überein. Kardinal Marx konstatierte, es sei schon eine verkehrte Welt,

Bonner Moraltheologen Franz Böckle promoviert worden, bei dem auch ich Vorlesungen über Fundamentalmoral gehört hatte. Ich lernte viel über ethische Zielkonflikte bei diesem wunderbar ausgeglichenen Mann. Als Franz Böckle am 8. Juli 1991 an Krebs verstarb, bat ich die Studierenden meiner Vorlesung an der Universität Bonn, sich zu Ehren des verstorbenen Altrektors für eine Schweigeminute zu erheben. Zur Wahl zum Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz gratulierte ich Hans Langendörfer am 3. Juli 1996 und setzte darauf, dass wir „unseren Gesprächsfaden auch in Zukunft in der erprobten, und das heißt auch: dialektisch-kritischen Form pflegen“ würden. Dies gelang uns über mehr als drei Jahrzehnte. Am meisten inhaltliche Abstriche hinsichtlich der Hoffnungen, mit denen ich nach den Böckle-Vorlesungen in den 1980er Jahren im Blick auf die Wirkungskraft der katholischen Kirche angetreten war, musste wohl ich machen. Hans Langendörfer hatte ich 1996 in meinem Brief ermutigend zugerufen, dass angesichts der in unserer pluralistischen Gesellschaft häufig überforderten Selektionskompetenz vieler Menschen die Kirchen durch „spirituelles Profil“ zum Aufbau von Vertrauen, Entscheidungsfähigkeit und Verlässlichkeit beitragen mögen. Ich konnte nicht ahnen, dass der Vertrauensverlust und sogar der Rückgang der spirituellen Präsenz der christlichen Kirchen in Deutschland in den nachfolgenden Jahrzehnten so massiv zunehmen sollten. Die Gründe dafür waren natürlich vielschichtig. Aber Tatsache war, dass die Kirche, je mehr sie anpassungsbedürftig hinter gesellschaftlichen Realitäten hinterhereilte, umso stärker in ein Glaubwürdigkeitsproblem geriet. Zugleich agierten viel zu viele überheblich als Fälle sexuellen Missbrauchs zum Strukturproblem hochstilisiert wurden. Ich hatte Christsein so gelernt, dass der Heilige Geist jedem einzelnen Menschen ein Gewissen verliehen hat und mithin Eigenverantwortung, auch für Verbrechen und Vergehen. Jeder einzelne Kleriker hätte von Anfang an in diesem Geiste behandelt und vor staatlichen Gerichten beurteilt, wo nötig auch abgeurteilt werden müssen. Dass dies nicht geschah, evozierte, dass aus persönlichem Fehlverhalten und Verbrechen ein systemischer Missbrauchsvorwurf wurde, den die Kirchenoberen in keinem Land des katholischen Universums mehr „beherrschen“ und überwinden konnten. In Summe: Meine katholische Kirche beschäftigte sich viel zu sehr mit sich selbst und zeigte zugleich versteinerte Züge, die immer mehr Menschen zum Kirchenaustritt trieben. Dies war nicht nur, aber in exponierter Weise auch ein Problem der katholischen Kirche in Deutschland. Mich ließ diese indessen nur oberflächliche Trotzreaktion ebenso ungerührt wie die systemischen Reformaktionismen von Laienfunktionären und Klerikern, die auf Mäßigung der Geister riefen, die sie häufig selber erzeugt hatten. Ich war weiter davon überzeugt, dass der Glaube an Gott von Voraussetzungen lebt, die nicht einmal die Kirche zerstören kann. Die Befunde um mich herum in zu vielen katholischen Kirchen rund um den Erdball übersah ich natürlich nicht: Das unverkrampfte Glaubenszeugnis und ein unspektakuläres Gottvertrauen um die Eckpunkte Liebe, Barmherzigkeit und Versöhnung traten immer mehr in den Hintergrund, ohne dass kirchenkritische Geister größere Resonanz oder gar Akzeptanz bei religionsentwöhnten Menschen fanden.

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in der nur noch die Chinesen das katholische politische Weltbild vom Nutzen multilateraler Weltkooperation offensiv zu vertreten scheinen. Mit dem mir bei allen Disputen so sympathischen westfälischen Genussmenschen durfte es aber auch fröhlich zugehen und gefrotzelt werden. Trotz Fastenzeit tranken nicht wenige der Herren Bischöfe nach Tagungsende bei Tisch Wein. Auf meine erstaunte Einlassung lachte Kardinal Marx: „Ich faste, indem ich einen oder zwei Termine weniger wahrnehme.“ Das sei ja wie bei meinen Kindern erwiderte ich, den Scherz aufgreifend: Die fasten am liebsten bei den Hausarbeiten. Nach der Tagung der Deutschen Bischöfe schärfte ich meine dort vorgetragenen Gedanken weiter und schrieb sie nieder. Das ZEI Discussion Paper trug den programmatischen Titel, mit dem ich an Dieter Chenaux-Repond zurückdachte: Weltfähig werden (Kühnhardt 2017c). Die Fehlwahrnehmung der Außenwelt halte noch immer viel zu stark an, stellte ich fest, trotz des Schocks der fälschlicherweise so genannten Flüchtlingskrise. Solange man sich nicht grundlegend mit den komplexen Ursachen der massiv angewachsenen Migration in aller Welt befasse, greife jede politische Aktivität zu kurz. Folge der deutschen Kurzsichtigkeit, die 2015 zu Fehlentscheidungen geführt hatte, sei, so argumentierte ich, die tiefste Verunsicherung und die tiefste gesellschaftliche Spaltung seit bald 100 Jahren. Faktisch bedeutete diese Kombination eine gravierende Selbstlähmung mit unabsehbaren und sehr dauerhaften Folgen. Die Analyse müsse in ihrem ursachenbezogenen Anfang stimmen, wenn wir weiterkommen wollten, führte ich aus: Die Nord-Süd-Fragen sind wichtiger für unsere Existenz, als die Ost-West-Fragen es je waren. So hatte ich es seit Jahrzehnten immer wieder gesagt. Meine Argumentation bezog sich nun aber vor allem auf innere Kohäsion und Stabilität in Europa ebenso auf Europas globale Rolle. Die Eckpunkte waren für mich eindeutig: Das Neo-Biedermeier, das seit 1990 bestanden hatte, war endgültig beendet. Angesichts unvollendeter Globalisierung und eines Dritten Weltkriegs sah ich es als Staatspflicht an, das Gewaltmonopol zu sichern, auch gegenüber organisierter Clan-Kriminalität. Legale Migration musste gesteuert werden und gleichzeitig freiwillig sein. Korridore für Humanitätsbereitschaft gegenüber dem globalen Süden mussten offengehalten werden. Aber es konnte keine Zwangspflicht zur Asylgewähr in der EU geben. Angesichts der neuen globalen Lage war die Asylrechtsausweitung nach den Artikeln 78–80 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) dysfunktional. Die Überhöhung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg bei diesem Thema sei auch falsch gewesen, denn die demokratische Legitimität der dortigen Richter sei zweifelhaft. Offene Grenzen in der EU, wie sie das Schengenabkommen seit 1985 im Prinzip vorsieht, waren natürlich ein großer Freiheitsgewinn für alle EU-Bürger. Das Prinzip offener Binnengrenzen musste aber korrespondieren mit einem robusten und umfassenden Schutz der EU-Außengrenzen. Dazu gehört es, abschreckende Mechanismen zu etablieren, um dem Schleuserwesen ein Ende zu bereiten, weswegen so viele unschuldige Menschen im Mittelmeer ertrunken sind. Migrationswillige und Asylbewerber müssten so heimatnah wie möglich und in jedem Falle vor den EU-Außengrenzen daraufhin geprüft werden, ob sie überhaupt Anrecht und Chance haben, in die EU einreisen zu dürfen.

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Solange ein umfassender und konsequent praktizierter Außengrenzschutz fehlt, hatte ich immer wieder betont, sollte sich niemand darüber wundern, dass Binnengrenzen durch einzelne EU-Mitgliedstaaten immer wieder kontrolliert werden. Noch problematischer als das Grenzregime aber sei die ungeklärte Frage nach der nationalen und kulturellen Zugehörigkeit von Migranten und Geflüchteten. Faktisch war die Integration von Millionen Menschen in die EU unterdessen gescheitert. Es schien mir kaum vorstellbar, Parallelgesellschaften, Ghettobildungen und rechtsfreie Räume wieder verschwinden zu lassen. Ihrer Heimat waren diese Menschen auf Dauer ohnehin verlorengegangen. Die Entwicklung der Weltbevölkerung war die Schlüsselfrage. 250 Mio. Menschen lebten unterdessen außerhalb ihrer Heimat, davon 35 Mio. als Geflüchtete. Einen maximalen Widerspruch hatte die deutsche Politik zu den schwierigen Fragen, die sich stellten, beigesteuert: Wieso hatte 2015 bei einem so einzigartigen globalen Migrationsdruck eine undifferenzierte deutsche Verweigerung von individuellen Grenzkontrollen stattfinden können? Bei aller Liberalität und Humanität: Dies sei ein unverzeihlicher Verzicht auf das Proprium staatlicher Souveränität gewesen. Das aber helfe am Ende niemandem, außer dass Deutschland und Europa selber geschwächt wurden. 2018 verwies der renommierte Staatsrechtslehrer Josef Isensee in seinem neuen Buch Grenzen bestätigend auf meine Thesen zur Grenzproblematik (Isensee 2018, S. 15, 128 und 176). Unmittelbar nach Erscheinen von The Global Society and Its Enemies erhielt ich einige freundliche Reaktionen: König Felipe von Spanien, seit bald 20 Jahren mit mir bekannt, schickte am 16. Juni 2017 Dankesgrüße. Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg, schrieb mir am 13. Juli 2017, er sei „bereits beim ersten Durchblättern auf viele interessante Themen und Thesen aufmerksam geworden, die ich demnächst genauer studieren möchte“. Romano Prodi, der frühere Präsident der Europäischen Kommission, ließ mich am 16. Oktober 2017 handschriftlich wissen, das Buch sei „very useful for my understanding of today's problems“. Unter der Überschrift „Multipolare Unordnung“ publizierte mein Freund und Erlanger Kollege Stefan Fröhlich am 9. Januar 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine umfangreiche Rezension (Fröhlich 2018, S. 6). In meinem neuen Buch hätte ich „eine These aufgegriffen, mit der er nicht allein steht in der Debatte um die neue Unübersichtlichkeit und Konflikthaftigkeit der Welt: die Idee, dass der Dritte Weltkrieg längst begonnen hat“. Die von mir analysierten Fakten ließen „daran erinnern, dass die Welt sich im Grunde genommen seit dem Ende des Kalten Krieges im Ausnahmezustand befindet“. Fröhlich erinnerte an die innerstaatliche Auflösungskrise in Jugoslawien, an Konflikte in einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, an den Nahen und Mittleren Osten: „Galten diese Konflikte unter Beobachtern lange Zeit als konzeptionell unverbundene Phänomene, so waren sie dies nach Ansicht des Autors zu keinem Zeitpunkt: vielmehr verkörperten sie die ‚Dekolonialisierung‘ der postkolonialen Epoche.“ Das Gesamtbild sei natürlich vielschichtig. Es gebe in manchen postkolonialen Regionen Stabilität und Aufstieg, andernorts aber eben auch Bürgerkriege und Staatszerfall. „Kühnhardt zeichnet kenntnisreich und souverän diese Entwicklungen nach, fragt – hier und da mit ein wenig zu viel Liebe

8.3  The Global Society and its Enemies …

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fürs Detail – nach den historischen Wurzeln und entwirft dabei das Bild einer offenen globalen Gesellschaft, in der Raum Grenzen und Identitäten gleichermaßen aufgehen und sich gegenseitig abstoßen.“ Popper habe Pate gestanden, weil es Parallelen zwischen seiner Zeit und den Herausforderungen der Zivilisation im 21. Jahrhunderts gebe. Stefan Fröhlich konstatierte, es bleibe „die Erkenntnis heute virulenter denn je, dass der Widerstreit zwischen offener und geschlossener Gesellschaftsordnung offensichtlich im Menschen angelegt ist“. Dieser Widerspruch befördere den Wunsch nach Freiheit, aber auch die Konfliktanfälligkeit des internationalen Systems. Neue Konflikte erinnerten mit Söldnern, Milizen und Terroristen eher an vormoderne Erfahrungen. „Um Licht in das Dickicht der neuen multipolaren Unordnung zu bringen, skizziert Kühnhardt in den beiden letzten Kapiteln die Parameter einer Strategie für den Westen“, die geopolitischen Realismus und den Anspruch auf eine Welt mit humanem Antlitz verbinde. Der Strategieansatz anerkenne die Vielfalt der Welt, sei aber auch deutlich hinsichtlich der Tatsache, dass der Westen unterdessen übermäßig Konflikte importiere und sich besser wappnen müsse aufgrund der Verbindungen von innerer und äußerer Sicherheit, „eine Erkenntnis, die insbesondere die EU erst allmählich realisiert“. Weiter schrieb er: „Nach Ansicht Kühnhardts“ müsse die eigene Gesellschaft besser sensibilisiert werden und ihre Resilienz müsse gestärkt werden. Zugleich sei eindeutig, dass Zeit und Geduld nötig sind. Die Umsetzung der vorgestellten Strategie basiere auf drei Pfeilern: erstens entschlossene Verteidigung, wobei vor allem die EU gefordert sei, zweitens entschlossene Anwendung normbasierter Kontrollinstrumente bei gleichzeitigem Festhalten an den Prinzipien der Unverletzlichkeit von Grenzen und der Religionsfreiheit, drittens konsequente Unterstützung der Resilienz des Westens und der Krisenländer zur Eindämmung der globalen Migrationsströme. „Leider reicht die kluge und informationsgesättigte Analyse von Kühnhardt an diesem Punkt über die kursorische Benennung dieser Elemente nicht mehr hinaus“, endete Stefan Fröhlich seine klare Rezension. Ich verstand diesen Satz als Bitte, mein diesbezügliches Denken bei Gelegenheit weiterzuführen und auszubreiten. Regime Change und militärisch abgesicherte Zwangsmodernisierung waren gewiss keine plausiblen und wirksamen Instrumente. Die zunehmende Fragilität der Sahelzone und die Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban 2021 zwangen zu einer grundsätzlichen und selbstkritischen Neubewertung des westlichen Fortschrittsbegriffs. The Global Society and Its Enemies standen lange Jahre und Jahrzehnte der Unsicherheit bevor. Mein ZEI-Kollege Christian Koenig traf den Nagel auf den Kopf. Ihm gefiel, dass ich „Deutungswege außerhalb der eingefahrenen Wege der Journale und der sie beliefernden Politik“ gehe. Das sei „sehr, sehr spannend“, schrieb er mir am 17. Juni 2017. Auf meinen neuseeländischen Freund Simon Upton war aus einem ganz anderen Grund Verlass: Am 22. Juli 2017 schickte er ein E-Mail, erzählte, dass er mitten in der Lektüre meines Buches sei und daneben Kapka Kassabovas Buch Border lese (Kassabova 2017). Simon war wie stets Experte für anregende Bücher jenseits der üblichen Pfade. Die bulgarische Schriftstellerin Kassabova hatte einige Zeit in Neuseeland gelebt und jetzt einen faszinierenden Bericht über das Grenzland zwischen

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Bulgarien, Griechenland und der Türkei geschrieben. Es sei eine großartige Fortführung der dortigen Geschichte, schrieb Simon, seitdem Patrick Leigh Fermor diese Gegend in den frühen 1930er Jahren durchwandert hatte (Leigh Fermor 1966; 1986). Simon Upton erinnerte mich mit seinem Hinweis daran, dass er mir zu Beginn einer gemeinsamen Wachau-Expedition zu Beginn des Jahres 1989 den ersten Band der Trilogie von Patrick Leigh Fermor mitgebracht hatte. Fermor war 1933 zu Fuß in London aufgebrochen, um nach Istanbul zu laufen. A Time of Gifts war nicht nur ein einzigartiges Werk der Reiseliteratur, sondern auch ein mulmiger Bericht über das Rheinland und Bayern, wo damals seit Kurzem allerorten Hakenkreuzfahnen wehten (Fermor 1977). Gerade war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden. Nun durchwanderte der junge Patrick das Dritte Reich. Das Wort „Weltläufigkeit“ hatte für mich eine ganz andere Bedeutung gewonnen, seitdem ich Patrick Leigh Fermors Bücher kennengelernt habe. Globalität ohne Empfindsamkeit für lokale Geschichte und Kultur würde nie zu verstehen sein, war die Botschaft meines neuseeländischen Freundes. Das galt für die Bewertung Deutschlands ebenso wie für die Gesellschaften des Balkans oder Afghanistans.

8.4  Europa in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts (Kühnhardt 1998a) – Raumbegriff und Grenzbewusstsein (Kühnhardt 2020b) Seit Beginn meines Weges richtete sich mein Interesse sowohl auf Fragen der internationalen Politik wie des Dialogs der Kulturen. Vor allem im Nahen Osten, aber auch in Afrika und in der Karibik, in Südasien und in Ostasien habe ich seit den späten 1970er und frühen 1980er Jahren die Zusammenhänge zwischen Politik und Kultur kennengelernt. In publizistischen Beiträgen setzte ich mich mit den Zusammenhängen auseinander. 1980 habe ich mehrere Wochen im israelischen Kibbuz Geva in der Nähe von Afula gearbeitet. Die Schatten des Holocaust waren noch sehr präsent bei jeder Begegnung zwischen Deutschen und Israelis. Ich spürte Verantwortung, für das Existenzrecht Israels einzutreten. In dieser Hinsicht habe ich niemals meine Überzeugung geändert. Ich pflückte Orangen, bis zu 3000 am Tag, und arbeitete in einer Maschinenfabrik, die Scharniere für die Türen von Autobussen herstellte. Eine Weile mitzuleben in einem Kibbuz empfand ich damals, wie andere jungen Menschen auch, als meinen persönlichen Beitrag, Israels Existenz sichern zu helfen. Über meine Erlebnisse und Erfahrungen verfasste ich eine große Reportage für den Rheinischen Merkur (Kühnhardt 1980a). Ich sah das Kibbuzleben durchaus kritisch, aber Israel blieb Israel, das gelobte, das umfochtene, das trotz allem heilige Land (Kühnhardt 1980a; Kühnhardt 2021a, S. 92 ff.).

8.4  Europa in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts …

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Israel, so wurde mir schon bei meinem ersten mehrmonatigen Aufenthalt in Nahen Osten klar, würde auf Dauer nur in Frieden leben können, wenn Israel Frieden mit seinen Nachbarn erreichen konnte. Mit dem Camp-David-Abkommen vom 17. September 1978 war erstmals ein Friedensvertrag zwischen Israel und einem arabischen Nachbarstaat gelungen. Unter amerikanischer Vermittlung wurde der Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten vereinbart und von Präsident Jimmy Carter, Israels Ministerpräsident Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar al Sadat unterzeichnet worden. Diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die seit der Gründung Israels 1948 im Kriegszustand miteinander waren, wurden am 26. Januar 1980 etabliert. Seit dem 26. Februar 1980 gab es eine israelische Botschaft in Kairo und eine ägyptische Botschaft in Tel Aviv. Dort, im Hilton Hotel, besorgte ich mir im März 1980 ein Visum. Dann ging es als einer der Ersten auf „die schmale Fährte des Friedens“, wie ich meine Reportage über die Fahrt von Tel Aviv nach Kairo überschrieb, die bald danach im Rheinischen Merkur erschien (Kühnhardt 1980b, S. 8; Kühnhardt 2021a, S. 95 ff.). Erstmals sah ich 1980 den Gazastreifen, ein damals leidlich ordentliches kleines Stück Erde. Es sollte, so hieß es überall, zum Nukleus eines Palästinenserstaates werden, wenn es weitergehen würde mit dem Frieden. Der Gazastreifen war weit entfernt davon, ein großer Slum zu sein, wie es zu späteren Zeiten traurige Realität wurde. 400.000 Palästinenser lebten dort damals unter einem strengen israelischen Besatzungsregime, das mit dem Abzug der Israelis 1982 enden sollte. Zusammen mit 650.000 Palästinensern in den historischen Landschaften von Judäa und Samaria, der Westbank, bildeten sie den humanen Kern aller damaligen und späteren Pläne für einen eigenen Palästinenserstaat. 2020 lebten 1,8 Mio. Menschen im Gazastreifen und 2,7 Mio. in der Westbank. Das Palästinenserproblem hatte sich multipliziert. Der Gazastreifen war ein trostloser Slum geworden. Am 1. April 1980 passierte ich den noch arg provisorischen Grenzposten in Neot Sinai und wurde mit einem Pendelbus zur ebenso provisorisch anmutenden ägyptischen Grenzstation El Arish gebracht. 1982 sollte der Rest der Sinai-Halbinsel an Ägypten zurückgegeben werden. Es schien weiterzugehen in die Richtung einer Zweistaatenlösung. In einem Sammeltaxi fuhr ich vorbei an zerschossenen Panzern, ausgebrannten Militärlastwagen und Beduinenlagern durch die unwirtliche Wüste des nördlichen Sinai. Ich sah ägyptische Soldaten, die nie wieder aus dieser ölreichen Gegend abziehen wollten, und überquerte bei dem von tiefen Zerstörungen während des Jom-KippurKrieges 1973 gezeichneten El Kantara den Suezkanal. Von Ismailia ging es zügig nach Kairo. Echter Friede im Nahen Osten ließ auf sich warten.

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Abb. 8.11   Kamelritt vor der Cheops-Pyramide in Gizeh (1980). (©Ludger Kühnhardt)

Schon 1980 waren die Erwartungen an Beiträge der Europäer zu einer besseren Zukunft des Nahen Osten zu hören, eher in Ägypten als in Israel. In Ägypten erlebte ich aber auch, wie die Bevölkerungsexplosion immer mehr die Stabilität des wichtigsten arabischen Staates untergrub (Kühnhardt 1980c, S. 22) Am 12./13. Juni 1980 verabschiedete der Europäische Rat in Venedig erstmals eine Erklärung zum Nahen Osten. Sie wird seither immer wieder zitiert, vor allem als Ausweis der begrenzten Einflussmöglichkeiten der Europäer in den Machtkonstellationen des Nahen Ostens. Bei meinem nächsten längeren Israel-Aufenthalt 1988, inmitten der ersten Intifada, die von 1987 bis 1991 dauerte, war ich überaus frustriert. Trotz seiner Position der Stärke war Israel zu wenig Kompromissen bereit, um eine Zweistaatenlösung tatsächlich zu realisieren. So blieben Chancen vertan, Israel wurde zum selbstverschuldeten Sündenbock gestempelt und der Friede im Nahen Osten immer wieder von allen Seiten bedroht. 1980 erlebte ich die Auswirkungen des Ost-West-Konfliktes auf Afrika. Der äthiopisch-somalische Konflikt war auch eine Funktion der Ost-West-Spannungen. Die Folgewirkungen, einschließlich des massiven Flüchtlingselends in Somalia, berührten den Westen stark. Ich hielt mich in vielen der Flüchtlingslager in Somalia und Djibouti auf und versuchte, mit einer zu Herzen gehenden Reportage im Rheinischen Merkur Aufmerksamkeit und Spenden für die Flüchtlinge aus Äthiopien zu aktivieren (Kühnhardt 1980d, S. 3; Kühnhardt 2021a, S. 100 ff.). Humanitätsempfinden und Hilfsbereitschaft im Westen aber hatten keinen Einfluss auf die geopolitischen Konstellationen am Horn

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von Afrika. Der Westen – auch ich in den dazu veröffentlichten Berichten aus Äthiopien und vom Horn von Afrika – starrten auf den Einfluss Moskaus (Kühnhardt 1980e; S. 8; 1980f, S. 300). In Addis Abeba wurde ich für einige Tage unter Hausarrest gestellt (Kühnhardt 2021a, S. 111 ff.). Dennoch behielt ich zwischen den Zeilen meiner Texte Hoffnung auf schrittweise Bewegung innerhalb des revolutionären Regimes in Addis Abeba. Mehr nicht. Zu wenig wurde in der westlichen Öffentlichkeit und damaligen Politik auf die indigenen soziologischen, kulturellen und machtpolitischen Ambitionen der Akteure außerhalb Europas geachtet. Sonst hätten abrupte Seitenwechsel in Bezug auf externe Loyalitäten wie im Falle Somalias, aber auch im Irak und immer wieder in Südasien weniger überrascht. Schon damals hätte im Westen die Einsicht gelten müssen: Die spezifischen Konstellationen und Vorgehensweisen in den politischen Regimen der südlichen Hemisphäre waren nur bedingt eine Funktion des Ost-West-Konfliktes. Sie konnten mit den Kategorien des Kalten Krieges nur sehr eingeschränkt erklärt werden. Im Post-Apartheid-Simbabwe hörte ich bereits am 1. September 1980 zu, als der frisch installierte Ministerpräsident Robert Mugabe seine sehr eigenwillige Linie hinsichtlich des Interesses an westlichen Privatinvestitionen formulierte. Sie seien nur solange akzeptabel, wie sie den sozialen Aspirationen der Simbabweaner dienen würden, was immer das heißen sollte (Kühnhardt 1980g, S. 6 ff.; 2021a, S. 130 f.). Bis zu einer Gastprofessur an der Universität von Kapstadt 1991 – einschließlich einer eindrucksvollen Begegnung mit Nelson Mandela (Kühnhardt 2021a, S. 404 f.) – verfolgte ich die inneren und äußeren Veränderungen in Afrika genau. Nach den Erfahrungen in Südafrika konzentrierten sich meine Forschungen in die 1990er Jahre hinein vor allem auf die dortige Situation nach Überwindung der menschenrechtswidrigen Rassentrennung, dem System der Apartheid (Kühnhardt 1994a, S. 23 ff.). Dass keine menschliche Rasse besser oder schlechter ist und ökonomische Umstände darüber entscheiden können, dass es einer Population auch nach sehr langer Zeit noch schlecht gehen kann, habe ich auf eigentümliche Weise in Jamaika elebt (Kühnhardt 2021, S. 84 ff.). Deutsche Einwanderer, die sich über eineinhalb Jahrhunderte isoliert hatten, waren entschieden ärmer geblieben als ihren schwarzen Nachbarn. Ich berichtete in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 7. März 1981 über meine Begegnung mit den „armen Weißen von Seaford Town“ Kühnhardt 1981b (FAZ 1981). Unter den Aufzeichnungen aus meiner Studienzeit in Tokyo 1983/1984 befindet sich eine unveröffentlichte Skizze. Ich versuchte darin die Simplifizierungen zu überwinden, die immer wieder über die Unterschiede zwischen westlichen und orientalischen Kulturen zu hören und zu lesen sind. Auszüge aus meinem Text vom Mai 1984: „Ich glaube nicht, dass die Reduzierung der orientalischen Zivilisationen auf den Begriff des Despotismus in der Tradition Karl Wittvogels angebracht und ausreichend ist (Wittvogel 1957). Die kulturellen und spirituellen Werte des Orients können auf diese Weise nicht zureichend gewürdigt werden. Andererseits stehen die durchschlagenden Werte des Abendlandes im Blick auf die Idee der Freiheit über den Gesellschaftsformationen des Orients: Befreiung des Individuums, Auflösung ungerechter, quasi naturgesetzlicher Hierarchien,

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Abhängigkeiten und Unterdrückungsmechanismen und die zukunftsträchtige Idee der Demokratie … Die Hochkulturen des Orients kreisten immer wieder um quasi totalitäre Herrschergestalten und stellten sich auf die eine oder andere Weise als Zwangssysteme dar, wobei die kulturellen Leistungen oftmals die Funktion einer Legitimierung, Besänftigung oder Ablenkung besaßen (von konfuzianischer Philosophie über brahmanische Gelehrte bis zu islamischer Architektur, zoroastrischen Priesterkönigen, tibetanischer Theokratie und japanischem No-Theater). Wo immer diese Hochkulturen zerbrachen, wirkten sie nicht produktiv, sondern eher zersetzend. Chinas einstige kulturelle Größe ist zugleich seine Schwäche gewesen, da das Zwangssystem des Imperiums, um den ‚Sohn des Himmels‘ geschart, keine Perspektiven vermitteln konnte. Es blieb zu starr für inneren Wandel und hemmte die Entfaltungskräfte der Menschen, wenn es sie nicht gar brach. Der Zerfall der chinesischen dynastischen Tradition war zugleich das Ende der welthistorischen Bedeutung Chinas. Die republikanische Revolution von 1911 wollte Elemente der gebotenen Moderne und Freiheitlichkeit einführen, zerbrach aber an ihrer Erblast und der inneren Unklarheit ihrer Absichten. Im Abendland hingegen stehen von Griechenland und Rom zwar auch nur noch Ruinen, doch zeigen diese – Akropolis, Forum Romanum – eine völlig andere, eine pluralistische Gesellschaftsauffassung. Wo gibt es im Abendland Ming-Gräber, Pharaonen-Pyramiden und andere Ausdrucksformen derart absoluter, pseudoreligiöser Herrschaft? Die Akropolis und das Forum Romanum wurden im Laufe der Zeit abgelöst vom House of Common, der Assemblée Nationale und dem Bundestag. Respekt vor dem einzelnen Menschen: Nur auf dieser Basis können civic sense, Gemeinschaftssinn, Verantwortung für den Staat und das bonum commune erwachsen. Gerade dieses Defizit aber bemängeln wir zu Recht in Ländern wie Ägypten, Indien, auch in China und Japan. Es ist der spezifische und unübertroffene Zivilisationsbeitrag des hellenistisch-römischen Abendlandes. Trotz Dreißigährigem Krieg und zwei Weltkriegen, trotz Auschwitz. Europa hat sich in Kriegen selbst zerfleischt, aber auch das Rote Kreuz hervorgebracht. Europäer vergasten Millionen von Menschen, aber schufen auch Kulturwerke von menschheitsgeschichtlichem Wert. In Europa wirkten stets neben Größe und Versagen die Kräfte des Wandels. Dies hat auch erst Amerika zu dem gemacht, was es heute ist.“ Bei einem Kongress für Nachwuchswissenschaftler, den die Hanns Martin SchleyerStiftung vom 22.–24. Mai 1991 in Erfurt durchführte, wurde ich gebeten, an der Schnittstelle zwischen Geopolitik und Kultur über „Europa in globaler Verpflichtung“ zu referieren. Aus den wenigen Seiten sprach eine damals herrschende Stimmung des Aufbruchs in Europa, aber ebenso die Aufgabe, sich konsequenter und umfassend der Welt zu öffnen. Ich schilderte den Aufbruchsgeist in den postkommunistischen Transformationsländern, aber ebenso in der Europäischen Gemeinschaft. Aufbruch sei auch transatlantisch notwendig. Ich plädierte für einen „Partnerschaftsvertrag“ zwischen den USA und der EG, die gerade dabei war, sich in EU umzutaufen. Die Aktualisierung und Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Demokratien der Welt seien auch nötig im Blick auf die Stärkung der Verbindungen mit Japan. In der Triade der Hochtechnologieländer seien die USA, Japan und die EG zwar Konkurrenten. Sie seien aber auch Partner in Bezug auf

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Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie. Auch vor dem Hintergrund der Möglichkeit eines Auseinanderbrechens der Sowjetunion (was schon bald, Ende 1991 erfolgte), sei eine konsequente Stärkung der Vereinten Nationen wichtig. Das sei auch der richtige Rahmen für Friedensmissionen, an denen sich künftig auch Deutschland beteiligen müsste. Eine „Selbstsingularisierung“ der Deutschen dürfe es nicht mehr geben. Dies gelte gerade im Blick auf die Entwicklungsländer der südlichen Hemisphäre, wo die EG gut beraten wäre, für ihr Modell der regionalen Zusammenarbeit und Integration zu werben. Die Fahne der nationalstaatlichen Kolonialmächte sei allerorten eingezogen. Wenn künftig als Zeichen ehrlicher Partnerschaft Europäer gemeinsam die Fahne mit den zwölf goldenen Sternen auf blauem Grund aufziehen werden, müsse die „kein Schaden“ sein, endete ich, an Europas globale Verpflichtung erinnernd (Kühnhardt 1992a, S. 234 ff.). Insgesamt habe ich mich im Laufe der 1970er und 1980er Jahre mehr als ein Dreivierteljahr in Indien aufgehalten, zudem weitere Zeit in dessen südasiatischen Nachbarländern (Kühnhardt 2021a, passim). Neben kultursoziologischen Skizzen und publizistischen Reportagen veröffentlichte ich 1990 eine strategische Analyse. Ich setzte mich mit der Frage nach den Ambitionen und Potentialen, aber den Verwundbarkeiten und Schwächen Indiens als einer regionalen Führungsmacht auseinander (Kühnhardt 1990, S. 3 ff.). Während eines weiteren Indien-Aufenthaltes vom 12. bis 17. Februar 1994 repräsentierte ich bei einem Symposium im India International Centre von New Delhi neben Henri Ménudier von der Sorbonne und Renata FritschBournazel vom Pariser Institut d’études politiques sowie Robert Picht, dem Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg die deutsch-französische Entente. Diesmal sprach ich vor allem über die politischen und ökonomischen Entwicklungen in der Europäischen Union (Kühnhardt 1994b, S. 101 ff.; Kühnhardt 2021a, S. 449). Robert Picht lud mich anschließend für das Studienjahr 1994/1995 zu einer Gastprofessur am College d’Europe in Brügge ein. Dort hielt ich ein neorealistisches Seminar ab: „Shaping actors of a new world: the International Organizations“. Das „Europe-Asia-Forum“, zu dem mich die Quandt-Stiftung und die Asia-Europe Foundation am 20. und 21. Februar 1998 nach Singapur einluden, war eine weitere sehr informative Gelegenheit, um neue Perspektiven über den Zustand einer sich rasant verändernden Welt kennenzulernen. Lee Kuan Yew und General Klaus Naumann beeindruckten mich ganz besonders mit der Klarheit und dem Tiefgang ihrer Analysen. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche forderte ich nach dem Forum in Singapur, die EU müsse ihr Potential als Weltmacht besser bündeln (Kühnhardt 1998b, S. 40; Kühnhardt 2021a, S. 542 ff.). Die geopolitischen Konstellationen, in denen Europa sich befand, vermaß ich nun erstmals grundsätzlich (Kühnhardt 1998a). Ich sprach von Europa in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts und begann mit dem nur leicht ironisch gemeinten Hinweis auf Studien des Kulturanthropologen Robert L. Carneiro, wonach der Weg der weltpolitischen Evolution dazu führen werde, dass mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit im Jahr 2750 ein Weltstaat etabliert sein wird (Carneiro 1978). Die Zahl politischer Einheiten habe sich in den vergangenen 3000 Jahren von rund 600.000 auf 157 im Jahr 1978 reduziert, hatte Carneiro geschrieben mit Blick auf die damalige Zahl der

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­ itgliedsstaaten der Vereinten Nationen. Er hatte biologische Prinzipien über den AusM schluss durch Wettbewerb auf die kulturelle und politische Entwicklung der Menschheit übertragen. Europas Einigung, so folgerte ich, läge mithin im Trend, sei wohl Zwischenetappe auf dem Weg zum Weltstaat. Dass ein solcher tatsächlich kommen könnte, glaubte ich aber zu keinem Zeitpunkt. Auch auf die unleugbare Tatsache, dass sich den Raum des römischen Imperiums, als ein einziger Staat des Mittelmeerraums beherrschte, heute 15 Staaten teilen, könnte man allerdings mit Carneiros Argumentation antworten, räumte ich ein. Immerhin bestanden in Nordeuropa zur Zeit des römischen Weltreiches Hunderte von kleinen und kleinsten territorialen Einheiten. Unterdessen gab es in diesen Räumen nurmehr sieben Nationen. Ich erinnerte an Edward Luttwaks Studie über die „Grand Strategy“ des römischen Imperiums. Praktischerweise stellten sich, so fuhr ich fort, die europäischen Einigungs- und Organisationsfragen heute nicht bloß territorial. Europa war in unterschiedlichen Systemen mit unterschiedlicher Reichweite von Kompetenz und Wirkungsweise organisiert. EU, OSZE, Europarat, NATO, die MOE(Mittelost-Europa-)Staaten, die GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) – ich sprach von einem Pantheon der Akronyme. Seit den Tagen des Vaters der griechischen Geschichtsschreibung, Herodot, war die Frage nach den Grenzen Europas immer wieder neu gestellt und beantwortet worden. Vielen Entwicklungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte vorausgreifend, fragte ich, ob Europa angesichts des Migrationsdrucks bald Mauern und Grenzsicherungen mitten in den Fluten des Mittelmeeres benötige. Mehr noch: Würde Europa ein Imperium erst werden können, wenn es sich, den Römern mit dem Hadrianswall gleich, feste Mauern gegeben haben werde? Entscheidend werde sein, wie Europa in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts seinen Handlungswillen organisieren wird. Europarat und OSZE seien dafür ungeeignet. Da, wenn überhaupt, lediglich die Europäische Union solche Handlungskräfte organisieren könne, müsste man sagen, dass Europas Grenzen dort enden, wo die institutionellen und politischen Handlungskräfte der EU enden. Das Ganze sei also keine Frage des Territoriums, sondern des politischen Willens. Die Frage nach dem Handlungswillen Europas verwies schon 1998 auf die Probleme, Rechtsverständnis und demokratische Ideale exportieren zu wollen. Ich erinnerte in meinem Aufsatz an die Probleme im Raum der Realpolitik, aber auch an die Unterschiedlichkeit der europäischen Rhetorik, wenn beispielsweise aus ökonomischen Gründen bei China und Russland Nachsicht geübt wird, die Türkei aber mit sehr strengen Maßstäben gemessen wird. Die Nachbarschaftspolitik der EU sei inkohärent und voller Widersprüche. Nötig sei eine strategische Sicht auf die Welt aus einem Guss. Das sei angesichts der unterschiedlichen strategischen Traditionen und Interessen unter den EU-Mitgliedsstaaten leichter gesagt als getan. Um ein „europäisches Weltgefühl“ entstehen zu lassen, wäre die Überwindung dieser Defizite unvermeidlich. Es sei auch notwendig, thematisch zu einem „Gleichklang des außenpolitischen Denkens“ zu finden. Es werde nicht reichen, sich als Zivilmacht zu sehen oder die Weltrolle der EU auf die Bedeutung der Währungskraft oder des europäischen Sozialmodells zu reduzieren. Notwendig sei eine „außenpolitische Willensunion“.

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Ich buchstabierte die verschiedenen Konfliktregionen der Welt durch und schaute auf die Machtpotentiale der etablierten Großmächte. Für Europa sei der Weg noch weit, schrieb ich in meinem Aufsatz 1998. Aber es sei nötig, ihn zu gehen. Dazu gehöre, einen Außenminister der EU zu etablieren, der einem EU-Außenministerium vorstehen wird. Europa habe im Grunde genommen nur eine Wahl: proaktiv den Aufbau globalpolitisch wirksamer strategischer Handlungskapazitäten voranzutreiben oder sich in diese Aufgabe durch externen Druck hineindrängen zu lassen. Dabei sei eine Schlüsselfrage der Aufbau einer europäischen Rüstungsindustrie mit dem Ziel, eine europäische Armee zu schaffen. Diese solle komplementär zur NATO und der weiterhin sehr gewünschten Präsenz der USA als einer europäischen Macht entstehen. Gemeinsam müssten Amerikaner und Europäer eine verbindende Sichtweise auf die strategisch zentralen Fragen und Regionen der Erde aufbauen. Ich streifte die Probleme in der Beurteilung des Verhältnisses zwischen Russland und China sowie Russland und der islamischen Welt. Ich unterstrich die Bedeutung der Ukraine und Weißrusslands, deren Souveränität und territoriale Integrität mit dem Ziel einer Assoziierung an die euroatlantischen Strukturen ein wichtiges Interesse der EU seien. Im Blick auf Zentralasien verwies ich darauf, dass strategische Weitsicht der EU zum Aufbau einer „revitalisierten Seidenstraße“ führen könne – wobei ich nicht das chinesische Projekt vorwegnahm, das 15 Jahre später Aufmerksamkeit erlangte, sondern für eine neue Seidenstraße warb, die ihren Ausgangspunkt in Europa nehmen sollte. Südosteuropa beschrieb ich als Achillesferse Europas. Europa müsse weitsichtige strategische Entscheidungen treffen und zwar bald. Es könne nicht im europäischen Interesse liegen, „eine Kombination von Armenhaus, Unsicherheitszone und Destabilisierungsexporteur“ in Südosteuropa, namentlich auf dem Balkan, zu perpetuieren. Leider kam es aber genau so, wie ich zu vermeiden gesucht hatte. Meine Argumente blieben im Raum der Politik ungehört. Der Westen war vor allem mit sich selbst beschäftigt und erging sich im Klein-Klein der Tagesereignisse. Noch prekärer entwickelten sich nach 1998 die arabischen Anrainerstaaten des Mittelmeeres. Ich hatte frühzeitig vorgeschlagen, einen übergreifenden Rahmen für die Mittelmeerkooperation zu entwickeln, der aus der Mehrschichtigkeit der KSZE-Prozesse Lehren zog und sie auf die EU und die volatile Region im Süden Europas übertrug. Abschreckung und Kooperation müssten die Schlüsselbegriffe lauten. Dabei dürfe die EU nicht länger Sudan, Saudi-Arabien, Irak und Iran in den Analysen und Handlungsprojektionen außen vorlassen. Diese Länder gehören, so schrieb ich, zur erweiterten Nachbarschaft der EU und könnten deren Stabilität enorm schädigen. Im Blick auf Afrika verwies ich auf die Notwendigkeit, die währungspolitischen Konsequenzen der geplanten Euro-Einführung für die westafrikanischen Währungsunionen nicht zu vernachlässigen. Im Blick auf China schrieb ich 1998, dass Europas größtes Problem Indien sei. Es fehle eine symmetrische Entsprechung der China-Politik der EU gegenüber Indien, das immerhin die größte Demokratie der Erde ist. Die EU müsse „partnerschaftliche Ausgewogenheit“ praktizieren und dürfe Indien nicht länger vernachlässigen. Beide Länder würden führende Mächte des 21. Jahrhunderts werden. Es dauerte zwei Jahrzehnte ehe die Politik im Westen die strategische Frage nach der Zukunft der indopazifischen Region entdeckte. Für Afrika, Lateinamerika und Südostasien mahnte ich an, dass

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die EU ihr Integrationsmodell eines offenen Regionalismus stärker ins Zentrum der Kooperation mit den dortigen Integrationsgemeinschaften stellen solle. Nicht weniger als eine EU-Gesamtstrategie, die auf zügigen Entscheidungsverfahren, effektiver Umsetzung eigener Beschlüsse und angemessenen konzeptionellen und operativen Mitteln beruhe, sei nötig, endete ich meine Wortmeldung 1998. Die westliche Politik, in der EU wie im transatlantischen Kontext, benötigte zwei Jahrzehnte, um aus ähnlichen Analysen endlich Handlungserfordernisse zu machen. 1999 verlegte der Deutsche Bundestag seinen Dienstsitz von Bonn nach Berlin. Mit Paul Löbe hatte der von der Zeit der nationalsozialistischen deutschen Diktatur gezeichnete sozialdemokratische Alterspräsident die erste Sitzung des Deutschen Bundestages in Bonn eröffnet. 1999 hatte der Christdemokrat Helmut Kohl die letzte Rede im Bonner Plenarsaal mit einem Plädoyer für Demut und Sensibilität für die kleinen Nachbarn der Deutschen gehalten. Mir schwebte vor, Bonn als Kreuzungsort der diversen Gesprächsachsen der Welt wieder ins Rampenlicht einer neuen Ära zu rücken. Noch war nicht absehbar, dass sich genau diese Perspektive infolge des Ausbaus der UNO-Einrichtungen in Bonn so gut entwickeln würde. Auch daher schlug mir manche Skepsis entgegen, als ich mich mit viel Aufwand dafür einsetzte, dass auch die Wissenschaft von Bonn aus neue Gesprächsfäden in alle Welt spinnen sollte: „So gehen auch im Bundestag die Lichter wieder an“, zitierte mich das Magazin Focus 1999 unter der Überschrift „Die Denker am Rhein“ (Nr. 44, S. 136).

Abb. 8.12   Eröffnungsansprache beim Kongress „Weltachsen 2000“ im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages in Bonn in Anwesenheit von Wole Soyinka, Kharan Singh und Lech Wałęsa (1999). (©Ludger Kühnhardt)

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Am 11. und 12. November 1999 konnte ich mit meinen Direktoren-Kollegen Christian Koenig, Paul Vlek, Joachim von Braun, Jürgen von Hagen und Andreas Wimmer namens der beiden in Bonn neu gegründeten Forschungsinstitute Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) und Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) den Kongress „Weltachsen 2000“ eröffnen. Nicht mehr die deutsche Tagesordnung, sondern die globale Agenda stand auf dem Programm. Erstmals fand eine nicht parlamentarische Veranstaltung im bisherigen Plenarsaal des Deutschen Bundestages statt. 750 Menschen waren unserer persönlichen Einladung gefolgt. Es ging um die Universalität der Menschenrechte, um den Dialog der Kulturen, die Bedingungen guten Regierens, die Nachhaltigkeitsfrage, die globalen Märkte, die Weltethik. In den nächsten 20 Jahren sollten in Bonn viele neue internationale Akteure, aber keine wirklich grundsätzlich neuen Fragen dazugekommen. Unser Initialkongress „Weltachsen 2000“ hatte die Standards für die Aufgaben des neuen Bonns richtig definiert. Mary Robinson, Irlands ehemalige Präsidentin und UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, die ich persönlich am Flughafen abgeholt hatte, plädierte in einer exzellenten, eher legalistischen Rede dafür, dass die Implementation von Vereinbarungen nötig sei, nicht aber Prinzipienstreit zwischen den Kulturkreisen. Kharan Singh, der Sohn des letzten Maharadscha von Kaschmir und heutiges Mitglied des „Club of Rome“, den ich 1994 in Neu-Delhi kennengelernt hatte, analysierte in seiner pointierten Rede das Entwicklungsproblem als Chance, die Verbundenheit der Menschheit zu fördern. Wole Soyinka, Afrikas bisher einziger Literaturnobelpreisträger, kritisierte in seiner lockeren Art die Internet-Manie. Beim gemeinsamen Abendessen mit Kharan Singh und Joachim von Braun hatte Soyinka am Vorabend des Kongresses erzählt, dass er seine Kenntnis neuer Bücher aus dem „New York Times Book Review“ beziehe, da der Büchermarkt einfach zu unübersichtlich geworden sei. Oscar Arias Sanchez, Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident von Costa Rica, war überrascht und erfreut, in Bonn von mir auf Spanisch begrüßt zu werden. Der Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied des französischen Rates für Wirtschaftsanalyse, Olivier Blanchard, späterer Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, dozierte, als stünde er in einem volkswirtschaftlichen Hörsaal. Am stärksten berührte mich die Anwesenheit von Lech Wałęsa, dem legendären Gründer der polnischen Gewerkschaft Solidarność, ehemaligen Staatschef seines Landes und neben Papst Johannes Paul II. einer meiner größten europäischen Helden des 20. Jahrhunderts. Diese bedeutenden Persönlichkeiten führten in die Kongressthemen ein. Es folgten eine Reihe von Foren und Panel-Veranstaltungen mit einer großen Zahl international und national renommierter Diskutanten. Klaus Töpfer, ehemaliger deutscher Umweltminister und Direktor des UNO-Umweltprogramms, sprach das Schlusswort. Die Gesellschaft war der Politik gefolgt. Die Welt war den früheren deutschen Rednern gefolgt. Wir hatten den Anfang markiert. Weltachsen begannen sich zu formen, die auf Dauer das neue Profil von Bonn bestimmen sollten (Kühnhardt 1999a, S. 11 ff.). Nach dieser logistischen Großaufgabe entwickelte ich meine grundsätzlichen Gedanken zu den globalitären Aufgaben Europas im Jahr 2000 in einem Beitrag für das

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in Wien erscheinende „Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik“ weiter (Kühnhardt 2000a, S. 259 ff.). Ich verwies darauf, dass angesichts der ungeheuren Dynamik der Zeit die gängigen wissenschaftstheoretischen Annahmen und Modelle nurmehr begrenzte Plausibilität besäßen. Geändert hatten sich nicht nur die Fakten und Akteure. Geändert hatte sich die Perspektive, aus der heraus von Europa die Welt verstanden werden kann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Welt von den europäischen Mächten geprägt gewesen. Trotz der umfassenden Integrationsagenda der Europäischen Union hatte sich die Ausgangslage unwiederbringlich geändert. Drei Faktoren seien revolutionär. Erstens habe sich angesichts einer Erdgeschichte von 4,5 bis 5 Mrd. Jahren und selbst angesichts der seit dem dritten Jahrtausend vor Christus angesetzten Entwicklung von Hochkulturen das Phänomen der Globalität erst in den letzten Jahrzehnten entfaltet. Es sei verbunden mit der besorgniserregenden, weltweit zu beobachtenden Klimaerwärmung mit ihren vermutlich eruptiven Folgen für Ernährungs- und Zivilisationsgrundlagen und damit den Überlebensbedingungen in weiten Teilen der Erde. Wir schrieben das Jahr 2000, als ich diese Sätze publizierte. Zweitens habe es niemals einen derartig rasanten Anstieg der Weltbevölkerung gegeben. Gab es zur Lebenszeit von Jesus von Nazareth noch rund 200 Mio. Menschen auf der Erde und 1900 1,6 Mrd., so lebten 1999 bereits 6,6 Mrd. Menschen auf dem Planeten. Für 2050 schätzten die Vereinten Nationen einen Anstieg auf neun Milliarden. Besonders auffällig sei die rapide zunehmende Verstädterung sowie eine Verschiebung der Balance zwischen christlichen und muslimischen Bevölkerungsmehrheiten an einigen besonders virulenten Orten der Erde. Konflikte um Ressourcen und Lebensbedingungen dürften zunehmen. Drittens erwähnte ich den exponentiell beschleunigten technisch-wissenschaftlichen Fortschritt unter Bedingungen der Globalität. Die Länder der südlichen Hemisphäre dürften ihren Rückstand gegenüber Europa und den USA verringern. Auch dieser Trend werde soziale und kulturelle Spannungen nähren. Vor diesem Hintergrund benötigte Europa, plädierte ich, eine Bündelung seiner wissenschaftlichen und politischen Kapazitäten, eine gemeinsame Energiepolitik und eine Grundsatzdiskussion über die Zivilitätsbedingungen, die mit allen anderen Kulturen und Regionen zu einer globalen Erklärung der Zivilitätsbedingungen weiterentwickelt werden sollte. Europas Interaktion mit allen anderen Regionen und Kulturen solle dialogisch angelegt und weder bevormundend noch missionarisch sein. Das schließe aber ein, dass Europa seine Mechanismen des Selbstschutzes dringend stärken müsse. Noch gravierender als Probleme, die aus den Unberechenbarkeiten Russlands heraus für Europa erwachsen könnten, seien Herausforderungen aus dem globalen Süden, schrieb ich erneut im Jahr 2000: Auch unter Verweis auf meine Studie Stufen der Souveränität von 1992 erwähnte ich die Proliferation von Massenvernichtungsmitteln, Migrationsdruck, aggressive politische Bewegungen unter Nutzung von Mitteln des Terrorismus und Regionalkonflikte mit Staatszerfall (Kühnhardt 1992b). Neben den schon 1998 formulierten Strategieansätzen, die in der EU entwickelt werden müssten, analysierte ich besonders ausführlich die wichtigen Gründe, um die Beziehungen der EU zu den Staaten Lateinamerikas zu intensivieren. Ich ging

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auf die Potentiale von Mercosur ein, aber darüber hinaus auch auf die kulturellen Komplementaritäten. Ich zitierte den von mir geschätzten Politikwissenschaftler Manfred Mols, der für „eine Allianz für das neue Jahrhundert“ mit Lateinamerika geworben hatte. Ausführlich setzte ich mich mit dem politischen Denken in Lateinamerika und mit den dortigen Debatten über das angemessene Entwicklungsmodell auseinander. Meine Analyse mündete ein in ein Plädoyer für einen kooperativen Multilateralismus, den Europa mit seinen globalen Partnern – in regionalen Integrationsgemeinschaften oder auch bilateral wie im Falle der USA – verfolgen solle. Mir schwebte ein neues Gleichgewicht zwischen den Machtpolen in der Welt vor, das der Weltordnung Kontur und Stabilität geben könnte (Kühnhardt 1999b, S. 3). 2002 befasste ich mich mit dem Wandel der mentalen Landkarten. Ich definierte den Raum Europas und die daraus erwachsenden geostrategischen Implikationen nicht, wie üblich, aus dem Land und seiner Topographie, sondern aus den Meeren, die Europa umgeben. Mein ZEI Discussion Paper The Lakes of Europe war die erste systematische Studie mit maritimem Bezug, die ich verfasste (Kühnhardt 2002b). Ich zeichnete den Weg nach, den die Mittelmeerregion durchschritten hatte von der frühen Zeit als Wiege ihrer Zivilisationen bis hin zu den zeitgenössischen Bemühungen des Brückenbaus zwischen einem integrierten Europa und einer fragmentierten Südküste. Die bisherigen „euro-mediterranen“ Konzepte seien hilflos und unzulänglich, um die Komplexität dieses europäischen Meeres, das gleichwohl nicht Europa allein gehört, zu managen. Die Kluft zwischen dem demokratischen Nordufer des Mittelmeeres und dem weithin autokratisch regierten Südufer, mit der Ausnahme Israel – das wiederum aus geopolitischen Gründen mehr Konflikte schafft als löst – werde immer größere Folgen haben, prognostizierte ich. Anschließend durchmaß ich die Regionen des Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres an den südöstlichen Peripherien Europas. Der Blick ging bis zum Arabischen beziehungsweise Persischen Golf und den möglichen Folgen der Entwicklungen in diesen Regionen auf die innere Kohäsion Europas. Schließlich erörterte ich die nördliche Dimension der „Lakes of Europe“ mit einer ausführlichen Analyse der maritimen geostrategischen Bedeutung der Ostsee und der Nordsee. Ich richtete den Blick auch nach Grönland und damit in den Nordatlantik. Die Studie The Lakes of Europe endete mit einer Erinnerung an die These des Universalhistorikers Arnold Toynbee, der Europa als eine „asiatische Halbinsel“ charakterisiert hatte. Für mich konnte aus dieser maritimen Gesamtschau nur eine Folge zukunftsfähig sein: Europa müsste seine Interessen über die eigenen Grenzen hinaus definieren, wenn es in der Welt bestehen wolle. Im gleichen Jahr folgte eine umfassende Studie über die Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Widersprüche zwischen Globalisierung und europäischer Integration (Kühnhardt 2002c). Die Hauptthesen trug ich zunächst bei einem Vortrag an der buddhistischen Fu-Guang-Universität in Taipeh (22. August 2002), beim XIX. Deutschen Philosophentag in Bonn (25. September 2002), im Forschungsinstitut ARENA in Oslo (1. Oktober 2002), an der Universität Uzhgorod in der Westukraine (7. November 2002), später in weiterentwickelter Argumentationsweise an der Universität Innsbruck (5. Mai 2003), beim XI. Internationalen Kongress für ­Europastudien

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in Havanna (30. September 2003), an der Universität von Grönland in Nuuk (20. November 2003) sowie bei einer „Leading Scholars Lecture“ an der Katholischen Universität Mailand (9. Februar 2004), am Instituto de Altos Estudios Nacionales in Quito (1. März 2004), an der Pontifica Universidad in Lima (3. März 2004), beim Peruanischdeutschen Kulturnetzwerk Lima (3. März 2004) sowie an der Pontifica Universidad La Paz (5. März 2004) vor (Kühnhardt 2022a, passim). Ein entsprechender Nachdruck des englischsprachigen Originals erfolgte verschiedentlich in deutscher und in spanischer Sprache. Die Diskussion, ob die Europäische Union Vorläufer der Globalisierung in einer Region sei oder die Globalisierung eher bremse, führte ich in dieser Studie weiter zu einem Argument über die Unvermeidbarkeit einer Neubegründung der europäischen Einigung, die sich aus der Globalisierung ergeben musste. Ich diskutierte Souveränitätsfragen und sagte voraus, dass die größten Spannungen, vor denen Europa angesichts des Globalisierungszeitalters stehen dürfte, die Zugehörigkeit zur Bürgerschaft Europas beziehungsweise zur Staatsbürgerschaft der EU-Mitgliedstaaten betreffen werden. 2005 folgten eine genaue Analyse und Kritik der ersten europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 („A secure Europe in a better world“). Die EU-Sicherheitsstrategie war eine Antwort auf die sehr offensive Sicherheitsstrategie, die die USA 2002 vorgelegt hatten. Immerhin, so führte ich aus, beginne die EU, sich auf realistische Weise den Bedrohungsperzeptionen zu nähern, die für die USA seit längerer Zeit handlungsleitend seien. Die europäischen Schlussfolgerungen würden immer geleitet sein von den genuinen Wertinterpretationen und Interessenkonstellationen in der EU. Am wichtigsten sei, dass die EU den erweiterten Nahen Osten als Region wahrnehme, der für Stabilität, Frieden und Wohlergehen Europas von elementarer Bedeutung ist. Unklar waren die Ziele der EU geblieben. Manche Herausforderung übersteige objektiv fast das Vorstellungsvermögen, beispielsweise die Tatsache, dass die arabischen Länder bis 2020 100 Millionen neue Arbeitsplätze würden schaffen müssen, um ihrer rapide gestiegenen jungen Bevölkerung eine Lebensperspektive zu geben. Es müsse jedem klar sein, dass der Auswanderungsdruck auf Europa massiv zunehmen werde. Dazu gebe die europäische Sicherheitsstrategie indessen keinerlei schlüssige Antwort. Europa verhalte sich weiterhin wie Heinrich der Seefahrer, der sich im 15. Jahrhundert mit äußerster Vorsicht und nur sehr langsam der Welt außerhalb Europas und jenseits von Mittelmeer und Nordatlantik näherte. Dieses alles würde, so schloss ich, Europa nur nützen, wenn die Gesellschaften jenseits der europäischen Grenzen, deren Instabilität Europa besorge, „nicht nur Opfer reformerischer Deklarationsdiplomatie“ blieben, „sondern Subjekte eines selbstbestimmten Wandels zu offenen und wirtschaftlich dynamischen Gesellschaften sein werden“. Ob ich diesen Gedanken analytisch-deskriptiv oder normatividealistisch meinte, war mir selber zu diesem Zeitpunkt nicht ganz klar (Kühnhardt 2005, S. 273 ff.). Die Zeiten wurden immer rauer und jedes Wort konnte so verzerrt interpretiert werden wie nur möglich. Bizarr und beängstigend waren beispielsweise die Reaktionen auf die Ansprache von Papst Benedikt XVI. am 19. September 2006 an der Universität Regensburg. Seine Einladung zum Dialog wurde von Islamisten des Zorns und der

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Unvernunft ins Gegenteil gedreht. Sie warfen dem Papst vor, sich mit einem Zitat aus dem 14. Jahrhundert zu identifizieren, dass Mohamed als Missionar des Schwerts und der Gewalt apostrophierte. Hunderttausende gingen auf Knopfdruck auf die Straßen der arabischen Welt. Es gab Morddrohungen gegen den Papst und Drohungen zur Zerstörung des Vatikans. In Somalia wurde eine Nonne getötet. Benedikt XVI. erklärte, dass er überhaupt nicht so vom Islam denke, wie ihm unterstellt worden war. Eine FastEntschuldigung aus dem Munde eines Papstes gegenüber aggressiven Islamisten. Wann hatte es das schon je gegeben? Von islamischen Würdenträgern wäre so eine Haltung wohl undenkbar wie auch die ironische Sottise in der Papst-Rede mit einer Erinnerung an seine Zeit in der Bonner Universität. Dort habe 1959 ein Universitätskollege, so der Papst in Regensburg, gewitzelt, offenbar seien die christlichen Kirchen so stark, dass sie sich gleich zwei Fakultäten leisten, eine katholische und eine evangelische, die sich mit einer Sache befassen würden, die es nicht gebe – Gott. Ein langes Gespräch mit meinem akademischen Lehrer, dem Bonner Politikwissenschaftler Karl Dietrich Bracher am gleichen Tag vertiefte die Erinnerung an die Zeit von Joseph Ratzinger an der Universität Bonn. Der liberale Protestant Bracher erzählte, wie Ratzinger und er als junge, neuberufene Professoren sich 1959 immer kurz vor 9 Uhr vor der zeitgleichen Vorlesung im Dozentenzimmer getroffen hätten. Er war 38 Jahre alt, Joseph Ratzinger 32, sehr gescheit, ehrgeizig und theologisch modern. Bald warf der Kölner Kardinal Josef Frings ein Auge auf ihn und machte ihn 1961 zum Konzilsberater. Das gab Spannungen mit einem älteren, dem Aggiornamento keineswegs zugeneigten Bonner Theologiekollegen, erinnerte Bracher sich. Ratzinger geriet unter Druck, ging nach vier Jahren nach Münster. Der weitere Lebensweg wurde Geschichte. Für Karl Dietrich Bracher war der Rückblick nicht nur erfreulich. Ihm werde, so sagte er, bei diesem Rückblick nur noch deutlicher, wie sehr die Zeiten sich geändert hatten. Das Verhältnis des Islams zur westlichen Welt sei die größte Problematik unserer Zeit geworden. Dabei sei die Frage des Verhältnisses zur Gewalt der zentrale Punkt, der ihn im Islam beunruhige, so Bracher. Respekt und Ehrfurcht vor der Religion müsse allerdings auch gegenüber Muslimen immer eingehalten werden, so mein liberaler Lehrer. Eine antitotalitäre Haltung bleibt eben immer eindeutig. Im Bezug auf die Einordnung der Europäischen Union und ihres internationalen Profils war Eindeutigkeit weit weniger gegeben. Als ich mich 2008 für die akademische Festschrift anlässlich des 65. Geburtstags von Christian Hacke an eine Abhandlung über die Deutung der Europäischen Union als Imperium setzte, wurde mir dies deutlich. Inspiriert hatte mich der Oxforder Kollege Jan Zielonka. Seine Arbeit Europe as Empire hatte sich mit der inneren Form der EU auseinandergesetzt (Zielonka 2006). Zu Recht fand Zielonka viele Überschneidungen zwischen der EU und dem vormodernen, mittelalterlichen Ordnungsmuster: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sei polyzentrisch, nicht territorial und mehrdimensional gewesen, so wie die heutige EU. Insofern sei sie nicht vergleichbar mit den großen Imperien der vergangenen zwei Jahrhunderte, sondern könnte als neomittelalterliches Imperium bezeichnet werden. Mich interessierte die äußere Seite der EU. Ich verfolgte den Weg nach, den die großen

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europäischen Imperien, vor allem Großbritannien und Frankreich, gegangen waren, im Inneren wie gegenüber ihren ehemaligen überseeischen Kolonien. Daneben stellte ich die Genese der USA hin zu einer auf politischen Idealismus, ja Missionarismus beruhenden globalen Macht mit imperialen Elementen. Ob dieses Modell ein Vorbild für die EU sein könnte, bezweifelte ich einstweilen. Aber die EU könne auch nicht länger nur mit einem Selbstverständnis auftreten, bei dem sie sich als normatives Imperium beziehungsweise als Zivilmacht kleiner macht, als sie ist. Die EU werde auf Dauer, so argumentierte ich, nicht umhinkommen, ihre innere Integration mit einer zunehmend klareren Projektion als Weltmacht zu verbinden. Nur so könne die EU auf Dauer als ein „Qualitäts- und Machtfaktor in der Weltordnung bestehen“, schrieb ich 2008 (Kühnhardt 2008, S. 29 ff.). Mich überraschte das Interesse an einer chinesischen Übersetzung von meinem Aufsatz, der in zwei Publikationen 2010 und 2011 in Shanghai erschien. Nicht weniger hatte mich am 12. November 2008 der Besuch einer Delegation der nordkoreanischen „Partei der Arbeit“ überrascht. Bei dem Gespräch im Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Bonner Universität ließ ich keinen Zweifel daran, dass jedes Land sich in der Energieversorgung unabhängig machen dürfe, zugleich aber die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen ein absolutes No-Go sei, nicht nur für die USA oder für die EU, sondern auch für mich persönlich. Mir wurde kritisch entgegengehalten, ob wir es verantworten könnten, aus Getreide Benzin zu machen, wo doch so viele Menschen auf der Welt hungern. Ich versuchte, über das brasilianische Rapsölprojekt aufzuklären, das doch – und nicht nur in Brasilien –mit einer enormen Steigerung der Effizienz in der Produktion von Getreide und Reis für den menschlichen Verbrauch einhergehe. Zu der bunten Palette meiner Beschäftigung mit Fragen der Globalität gehörten immer wieder Diskussionsveranstaltungen, bei denen ich um meine Sicht der Dinge gebeten wurde. Mit dem Theologen Gerhard Kruip führte ich ein solches Gespräch am 3. Mai 2010 an der Berliner Humboldt-Universität. Thema meines einführenden Vortrages: „Pluralismus der Kulturen – Chance oder Überforderung?“ Ich freute mich, ausgerechnet im Rahmen der Guardini-Professur an die Humboldt-Universität eingeladen worden zu sein. Romano Guardini war einer der meistverehrten Theologen, von dessen Werken ich seit frühester Jugend viel profitiert habe. Immer wieder musste ich an die faszinierenden Erzählungen meines Vaters denken, der Guardini während seines Medizinstudiums Anfang der 1950er Jahre in München häufiger gehört hatte. Natürlich verfolgte ich kontinuierlich, aber mit einer eher zunehmenden inneren Distanz politikwissenschaftliche Theoriedebatten. Angetan hatte es mir endlich wieder einmal ein Buch, als ich 2010 gebeten wurde, Peter van Hams Studie Social Power in International Politics vor der endgültigen Drucklegung zu beurteilen (Ham 2010). Das Buch meines holländischen Freundes und Kollegen, der im renommierten Clingendael Institute Den Haag den Forschungsbereich Global Governance leitet, war, so kommentierte ich gerne, „an eloquent and stimulating contribution to an important

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debate“. Die wenigen Worte gelangten zur Werbung für das Buch auf die Rückseite des Einbandes. Über Jahre hatten Peter van Ham und ich über viele Fragen der internationalen Politik miteinander diskutiert. Nun gab er dem Wort „social power“ neue Bedeutung jenseits der ausgetretenen Pfade der Diskurse über die Zivilgesellschaft. Überzeugend und kritisch analysierte er, dass und wie „social power“ der Schlüssel sei, um die derzeitigen Mechanismen der internationalen Politik und die Abläufe, aber eben auch Grenzen von Global Governance zu verstehen. Social Power, so definierte van Ham, sei die Fähigkeit, soziale Standards und Normen zu setzen, die Legitimität schaffen und neue Werte grundlegen. Dies könne sowohl innerhalb als auch außerhalb der etablierten politischen Institutionen geschehen. Auch bei der Lektüre dieses Buches empfand ich, wie Globalität die Parameter der Ordnungen, aber auch des Denkens über sie beeinflusste. Vom 5. bis 8. Dezember 2010 führte mich die Einladung des „Presidential Council on Nation Branding“ und des „Korean National Research Council for Economics, Humanities and Social Sciences“ nach Seoul (Kühnhardt 2022a, S. 506 f.). Der Staatspräsident von Korea wollte es wissen und hatte den führenden Wissenschaftlern seines Landes aufgetragen, dafür zu sorgen, dass Korea in der Globalisierung mit einem eigenen „branding“ erfolgreich bestehen würde. Die Koreaner waren bereit, zu lernen, wo immer es etwas zu lernen gab. Sie waren zugleich in der Lage, ebenso schnell wie gründlich Anpassungen vorzunehmen, um energische Reformen mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz zu verbinden. Ich hatte die Ehre, auf einer internationalen Konferenz in Seoul sprechen zu dürfen. Mein Konferenzbeitrag zum Thema „The fair society and global leadership“ erschien alsbald in koreanischer Sprache (Kühnhardt 2011). Immer deutlicher schälte sich aus meinem Denken der Gedanke heraus, dass Europa sich als Weltmacht neu erfinden müsse angesichts des Global Turn. Die Wende zur Globalität war dabei, zunehmend alle Lebensbereiche zu erfassen. Mir schien, dass Malta unter allen europäischen Staaten am weitesten war mit der Verarbeitung des 20. Jahrhunderts und der Neupositionierung als Teil der globalisierten Ordnung des 21. Jahrhunderts. Erste Überlegungen trug ich bei einer internationalen Konferenz vor, die am 4./5. Dezember 2009 in Sliema an das Ende des Kalten Krieges erinnerte (Kühnhardt 2022a, S. 465 f.). War dieser 1945 in Jalta begonnen worden, so hatte er mit einer Begegnung von US-Präsident George Bush sen. und dem sowjetischen Staats- und Regierungschef Michail Gorbatschow 1990 vor Malta ein symbolisches Ende gefunden. Von Jalta bis Malta zu denken hieß auch, eine neue Ära zu verstehen. Ich sprach vom „Malta turn of Europe“, denn Malta habe als erstes europäisches Land vorweggenommen, was allen anderen in Europa noch bevorsteht: die Wende zur Welt (Kühnhardt 2010a; 2010b). Aus der ehemaligen britischen Kolonie Malta war ein erfolgreiches EU-Mitgliedsland geworden, das die gemeinsame europäische Währung längst verinnerlicht hatte und auch sonst eine proaktive EU-Integrationspolitik befürwortete. Das Ende des Kalten Krieges habe die Rückkehr des Künstlichen zum Reellen bedeutet, sei verbunden gewesen mit der Wiederkehr der Geschichte und größten Mühen, nach

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dem Zeitalter des Totalitarismus wieder das Ethos eines allseits akzeptierten öffentlichen Raumes herzustellen. Die EU habe vier geopolitische Optionen: Sie könne versuchen, Politik komplett zu deterritorialisieren. Dieser Ansatz sei nicht realistisch, weil es anderenorts nicht geteilt werde. Die EU könne Pufferzonen zwischen sich und ihren unruhigen Nachbarschaften bilden. Das würde stets eine weiche Form von Machtprojektion und sehr labil bleiben. Die EU könne im Stile eines aggressiven Konzeptes Grenzen über den Weg von Normen, Standards und Interessen ausdehnen wollen. Die EU könne, viertens, klare Grenzziehungen vornehmen zwischen sich und den externen Welten. In der Realität versuche die EU, verschiedene Aspekte aller vier möglichen Strategien zu verbinden. Das sei gewagt, da dies Modell weder erprobt noch resistent im Falle von Krisen sei. In jedem Falle müsse sich die EU entscheiden und sie dürfe nicht alles zugleich wollen. Ich diskutierte ausführlich die Probleme der EU-Mittelmeerpolitik, insbesondere die Fragen des östlichen Mittelmeeres. Schließlich kam ich auf das globale Zeitalter zu sprechen. Dies verlange von der EU nicht nur, sich den Fragen, Chancen und Herausforderungen der Welt als Ganzes zu stellen. Es verlange neue Formen des Denkens, um die menschliche Sicherheit in einer vernetzten Welt zu verbessern. Ich nannte drei innovative Beispiele, um zu zeigen, wie neues Denken mit alten Themen verbunden werden könnte: Als Erstes sprach ich von einer „geo-religiösen Dimension“, die den Dialog der Religionen auf die drängendste Frage führt: das Verbot von Gewalt im Namen religiöser Glaubensüberzeugungen. Als Zweites sprach ich von einer „geo-demographischen Dimension“, auf deren Basis versucht werden solle, die demographischen Fragen und migrationsrelevanten Themen weltweit gemeinsam anzugehen. Zehn Jahre dauerte es, bis die UNO im Dezember 2018 einen globalen Migrationspakt zustande bringen sollte. Ich war zweifellos einer der Ersten, der diesen Ansatz zur geordneten Bewältigung der massiv gewordenen Migrationsströme in aller Welt entwickelt hatte. Drittens sprach ich von einer „geo-ökonomischen Dimension“, die innovative Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung mit deutlichem Fokus auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in den von Menschenüberschuss geprägten Gesellschaften befördere. Mit dem Wechsel von Kalten Krieg zum „age of globality“ habe ein langwieriger Prozess hin zu neuem Denken und frischen Ideen begonnen. Mit dem Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings 2011 keimte die Hoffnung auf reformerische Veränderungen in der arabischen Welt auf. Bei einer meiner Studienreisen mit Hans-Gert Pöttering und Reinhard Stuth vom 25. bis 30. August 2011 in den kurdischen Norden des Irak wurde mir die Fragilität der ganzen Region noch einmal drastisch vor Augen geführt. Die Konflikte im Irak waren seit der amerikanischen Invasion 2003 keineswegs beruhigt. Sie waren nicht einmal ausgestanden. Noch konnte ich mit dem chaldäischen Bischof Bashar Matte Warda in Erbil sprechen und das Heiligtum der Jesiden in Lalisch besuchen. In der Luft aber lagen Unsicherheit, Zweifel, Gefahr (Kühnhardt 2022a, S. 543 ff.). 2014 überzog der terroristische IS die Jesiden mit seinen völkermordartigen Gräueltaten, vor allem in Sindschar, weniger als drei Autostunden westlich von Lalisch.

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Abb. 8.13   Knotenknüpfen als Gebetswunsch: im Heiligtum der Jesiden in Lalisch (2011). (©Ludger Kühnhardt)

Unterdessen war auch an anderen Orten der Arabische Frühling ermattet. Die Rede vom Arabischen Winter machte sich breit. Ich stellte mir die Frage, warum vor allem die arabischen Republiken von so tiefgreifenden Identitätskonflikten und Machtkämpfen erschüttert worden waren. Zugleich stellte ich fest, wie verhältnismäßig ungerührt die arabischen Erbmonarchien durch die Krisenjahre gegangen waren. Der Zerfall vieler Monarchien in der Welt oder deren grundlegende Transformation hin zu parlamentarischen Monarchien schien an den arabischen Erbmonarchien in den Golfstaaten spurlos vorbeigegangen zu sein. Angesichts der Personenkulte, Heucheleien und Protzkulissen in den nicht selten auf Sklavenarbeit beruhenden Ökonomien der Golfstaaten analysierte ich die Lage nicht aus Gründen monarchischer Nostalgie, sondern um Klarheit zu gewinnen, unter welchen Bedingungen die traditionellen Loyalitäten von Monarchien ein vorteilhafter Faktor sein können, um Wandel zu konsolidieren und Veränderungen gelingen zu lassen. Für die Zeitschrift Policy Review der Hoover Institution an der Stanford University durchleuchtete ich alle nur denkbaren vergleichenden Aspekte der tatsächlichen oder vermeintlichen Resilienz der arabischen Erbmonarchien. Ich verwies auf die Erfahrungen, die europäische Monarchien gemacht hatten, um sich in verfassungsgestützte parlamentarische Regierungssysteme einzufügen. Die vorsichtigen Reformansätze in einigen der Golf-Monarchien gingen in die richtige Richtung. Aber zugleich blieb die Affinität einiger von ihnen, vor allem Katars, für islamistische Bewegungen in den unruhigen arabischen Republiken  besorgniserregend (Kühnhardt 2012,

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S. 57–67). Mit meinem maltesischen Freund und Kollegen Stephen Calleya verfolgte ich besonders intensiv die Entwicklungen in Tunesien. Sollte das dortige Experiment einer republikanischen Aussöhnung mit moderaten Islamisten scheitern, wäre dies ein Menetekel für die ganze arabische Welt. Die Streichung des Verweises auf die Scharia in der neuen tunesischen Verfassung von 2014 war ein hoffnungsvoller Schritt. Aber letztlich blieb auch dies eine Aktion im Bereich der symbolischen Politik. Der Islam blieb die einzige von der Verfassung geschützte Religion des Landes. Entscheidend für das Gelingen der tunesischen Transformation, so argumentierten wir, würde die wirtschaftliche Entwicklung sein. Stephen Calleya und ich plädierten für massive Investitionen aus europäischen Ländern, abgesichert mit Staatsbürgschaften oder solchen der Europäischen Investitionsbank. Nur so könnten in kurzer Zeit ausreichende Arbeitsplätze geschaffen, der Jugend eine Lebensperspektive gegeben und Tunesien zu einem Erfolgsmodell für andere arabische Republiken werden. Tunesien sei auch ein Testfall für den europäischen Handlungswillen jenseits der eigenen Grenzen. Wir prognostizierten, dass die europäischen Grenzen durch die Folgen der anhaltenden Unruhen in der arabischen Welt weiterhin und noch mehr als bisher massiv unter Druck geraten würden (Kühnhardt und Calleya 2013). Zehn Jahre später mussten wir bitter feststellen, dass Anregungen wie die unsrigen nicht wirklich konsequent von den relevanten Entscheidungsträgern auf beiden Seiten des Mittelmeeres aufgegriffen worden waren. Auch Tunesien rutschte immer tiefer in die post-Arab Spring-Misere eines neoautokratischen Staatswesens mit anhaltend zerrütteter Volkswirtschaft. Meine Aufenthalte in Syrien 1999 und 2003 sowie in Jemen 2004 hatten für immer zwei Länder in mein Gedächtnis eingebrannt, die sich schon damals langsam, aber sicher dem Abgrund näherten. Reformen wurden vertagt, Konflikte unterdrückt, die spätere Gewalteskalation vorprogrammiert (Kühnhardt 2021a, S. 589 ff.; Kühnhardt 2022a, S. 217 ff. und 252 ff.). Aber nirgendwo hatten ein Land und seine Menschen so sehr in alle Abgründe der Gewalt und des Scheiterns von Zivilität über so lange Jahrzehnte geschaut wie Afghanistan. Als ich mich für den Aufenthalt in Afghanistan 2013 vorbereitete, erinnerte ich mich an die Darstellungen meines afghanischen Professors in Tokyo, Saadollah Ghaussy, über den Beginn des noch immer anhaltenden Katastrophenzyklus in den 1970er Jahren. Ghaussy war von 1970 bis 1973 letzter Protokollchef des Königs von Afghanistan, bevor Zahir Schah gestürzt wurde. Mit seiner reizenden Frau Benazir, der Tochter eines ehemaligen Generalstabschefs der königlich-afghanischen Armee landete Saadollah Ghaussy als Flüchtling in Tokyo und wurde Professor für internationale Politik an der Sophia-Universität.

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Abb. 8.14   Mit Benazir und Saadollah Ghaussy bei einem Besuch in Bonn (1990). (©Ludger Kühnhardt)

Afghanistan stürzte in jahrtzehntelange Gewalt. Mein Aufenthalt in Afghanistan vom 5. bis 13. Juli 2013 wurde zu einem Schlüsselerlebnis für mich, auf das ich noch ein Jahrzehnt später wieder einging, als ich die Frage nach der Ambivalenz des Fortschrittsbegriffs grundsätzlicher thematisierte (Kühnhardt 2022a, S. 603 ff.; Kühnhardt 2024). Am eigenen Leib erfuhr ich, was es bedeutet, wenn eine Bevölkerung auswärtige Menschen beständig immer nur in Uniform sieht, gleichgültig ob als eindringende oder als friedenserhaltende Soldaten. Die interessantesten Momente meines Aufenthaltes in Afghanistan waren jene, in denen sich Hubertus Hoffmann, Mario Ole und ich, die wir im Auftrag des „World Security Network“ unterwegs waren, unsere Schutzwesten und Stahlhelme ablegten.

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Abb. 8.15   Unter Mitmenschen in Kabul mit Splitterweste und Gefechtshelm (2013). (©Ludger Kühnhardt)

Plötzlich traten wir, für einen Moment ganz ungewohnt, als Zivilisten zivilen afghanischen Menschen gegenüber und wurden sogleich als solche akzeptiert. Vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr perfekt und sicher betreut, gewannen wir außergewöhnliche Einblicke in die Mühen, Afghanistan von außen zu befrieden. Aber mir wurde klar: Afghanistan, wie jedes andere Land der Erde, müsste von innen konsolidiert werden, um wieder eine ruhige Heimat für seine Bewohner zu werden, die Konflikte friedlich und im Geist von Pluralität und Zivilität austragen. Meine Reportagen und Analysen wurden im „World Security Network“ publiziert, dem am weitesten verbreiteten InternetInformationsdienst für Sicherheitsfragen. Meine Texte zeigten die Grenzen des Konzepts von Regime Change auf und beleuchteten die Mühen von Ownership und NationBuilding deutlicher, als ich es jemals in einer abstrakten Analyse hätte formulieren können (Kühnhardt 2013). Schon 2013 war vom Ende der westlichen Stabilisierungsmission die Rede. Endgültig fand der Truppenabzug der NATO-Staaten aber erst 2021 statt. Die westlichen Truppen mussten nun Hals über Kopf das Land verlassen. Kampflos übernahmen die Taliban am 15. August 2021 wieder die Herrschaft über das Land am Hindukusch. Viele der afghanischen Ortskräfte, die den westlichen Truppen geholfen hatten, sahen sich mit dem Leben bedroht und konnten sich nicht rechtzeitig in Sicherheit

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bringen. Schon 2013 hatte mich das Gespräch mit diesen Menschen besonders bewegt. Sie fürchteten um die Rache der Taliban. 2021 – als Afghanistan wieder in die Hände der Taliban fiel und die westlichen Stabilisierungstruppen schmachvoll abzogen – baten viele von ihnen immer noch vergeblich um Repatriierung in westliche Länder. Der angeblich moderat gewordenen Taliban-Führung trauten sie nicht – zu Recht. Zwanzig Jahre nach „9/11“ war die Zukunft von Afghanistan wieder unkalkulierbar, wie sie es selten anders gewesen war, seitdem das Land am Hindukusch im frühen 19. Jahrhundert zum Zankapfel des „Great Game“ wurde. Damals ging es um die geopolitischen Interessen des russischen Zarenreiches und von Großbritannien. Zwei Jahrhunderte später ging es um eine unentwirrbare Faktorenvielfalt, in der sich instabile Prozesse des Nation-Building, der Machtanspruch des radikalen politischen Islamismus, unentwirrbare Stammeskämpfe und die regionalen Interessenlagen sowie das Ringen um weltpolitische Machtverschiebungen vermischten. Wie so viele Male in den letzten zwei Jahrhunderten trugen die Menschen in Afghanistan den schwersten Teil der Folgen. Bei allen Fragen, um die es im Zusammenhang mit Europas Rolle in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts ging, stand am Anfang die Klärung der mentalen Landkarten, mit deren Hilfe man die Welt vermisst. Beim ersten portugiesisch-deutschen Forum, das die beiden Außenminister Paulo Portas und Guido Westerwelle am 24. Januar 2013 in Lissabon eröffneten, war ich gebeten worden, über die transpazifischen Entwicklungen mit dem Botschafter der Europäischen Union in den USA, João Vale de Almeida, und der Publizistin Teresa de Sousa zu diskutieren (Kühnhardt 2022a, S. 587 f.). Über 200 Besucher waren im Saal der Gulbenkian-Stiftung, als ich die beiden folgenden Thesen vortrug. 1. Europa muss die mentalen Landkarten der Welt neu durchdenken. Alte Raumbegriffe sind obsolet. Dieses Erfordernis umfasst nicht nur die Erweiterung europäischer Rauminteressen auf die transpazifischen Dimensionen, sondern auch eine Erweiterung der transatlantischen Landkarte. Durch die Blickerweiterung auf den Südatlantik kommen Afrika und Brasilien in den Fokus Europas. Erforderlich ist ein tetragonaler Dialog über strategische Sichtweisen zwischen Nordamerika, Brasilien, Afrika und Europa. Und, ergänzte ich: Wo immer Chinesen Teil des Dialoges sein können, um so besser wäre dies für eine Stabilisierung der Weltordnung. 2. Europa muss den Modellwettbewerb annehmen. Die Frage, ob staatsautoritärer Konsumkapitalismus à la China oder die ultrasubventionierte und ultralangsame europäische Konsensdemokratie besser sei, wird sich nicht nur zu Hause entscheiden. Wenn Europa sein Modell für das erfolgreichere hält, muss die EU aber auch beispielsweise den Armen in Niger eine bessere Antwort als bisher geben, sagte ich. Bisher galt im globalen Süden zumeist nur, Europa nachzueifern. Je weniger dies erfolgreich gelingt, desto größer wird die Sehnsucht an Orten wie Niger nach Europa auszuwandern. Erforderlich sind daher bessere und überzeugendere normative Antworten der EU als bisher auf den Aufstieg der einen (China) und die wachsende Frustration der anderen (vor allem in Afrika), führte ich aus. Ich traf auf ein nachdenkliches und zugleich sehr weltläufiges portugiesisches Publikum.

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Eine Rundfahrt im Hamburger Hafen führte mich am 14. Juli 2014 durch die gigantischen Container-Kais in der einzigen wirklich globalisierten Stadt Deutschlands. Der Besuch bei der Seemanns-Mission „Duckdalben“, Gespräche über Fair Trade mit dem Kaffee-Kaufmann Arthur Ernesto Darboven und über die Bekämpfung der Ursachen des Flüchtlingsproblems mit der Landesbischöfin der nordelbischen Kirche, Kirsten Fehrs, bestätigten mir einmal mehr die triviale, aber so wirkmächtige Tatsache, wie alles mit allem zusammenhängt. Von der International Christian University (ICU) Tokyo, wo ich vor mehr als drei Jahrzehnten die japanischen Silbenalphabete Hiragana und Katakana sowie manches KanjiSchriftzeichen gepaukt hatte, wurde ich gebeten, zwischen dem 25. und 28. Mai 2015 in mehreren Vorträgen Globalität einzuordnen. Die Vorträge zirkulierten später als Video an der Universität, deren Online-Zeitung mich überdies zu meinen Verbindungen nach Japan und zur ICU interviewte (Kühnhardt 2015b; Kühnhardt 2022a, S. 668 ff.). Ich blickte dabei nicht nur in Räume und in die Zukunft. Ich wurde in Tokyo auch nach dem Umgang mit der eigenen nationalen Vergangenheit und den Folgen für die heutige Geopolitik gefragt. Verbunden mit der Klärung der eigenen globalen Rolle würde immer auch die Frage nach der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ein Faktor bleiben, der nicht vergehen werde, sagte ich. Siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges bestehe die letzte Chance, mit Überlebenden zu sprechen, führte ich an der International-Christian-Universität aus, an der eine Enkelin des derzeitigen japanischen Kaisers Akihito, des Sohnes des Kriegskaisers Hirohito, studierte. Hirohito hatte ich an seinem Geburtstag 1984 als Teil einer großen japanischen Menschenschar während meiner Studienzeit in Tokyo einmal im kaiserlichen Palast zu Gesicht bekommen (Kühnhardt 2021a, S. 267 f.). Daran erinnerte ich mich natürlich, als ich darüber referierte, dass in Bezug auf die politischen Veränderungen nach 1945 Japan und Deutschland postmoderne Staaten seien. In Artikel 9 der japanischen Verfassung hat das Land für immer auf das souveräne Recht verzichtet, Krieg führen zu können. Der Nachkriegs-Ministerpräsident Shigeru Yoshida wird immer wieder mit Konrad Adenauer verglichen. Warum aber, fragte ich die japanischen Studierenden, habe es bisher keinen japanischen Willy Brandt gegeben, der sich in Richtung China oder Korea niederknien würde? Ich erzählte von einer deutsch-niederländischen Gedenkveranstaltung zum Zweiten Weltkrieg, bei der ich kurz vor meinem Japan-Besuch in Solingen hatte sprechen dürfen (Kühnhardt 2015c, S. 20 ff.). Der holländische Kulturwissenschaftler Hermann von der Dunk hatte dort einen bewegenden Gedanken geäußert. Versöhnung könne dann stattfinden, so hatte er gesagt, „wenn wir lernen, gemeinsam zu weinen“. Japan sei von dieser Haltung noch weit entfernt, bedeuteten mir meine Kollegen in Tokyo. Aber die Notwendigkeit einer nordostasiatischen Sicherheitsarchitektur war ihnen durchaus ein wichtiges Anliegen. Botschafterin Takako Ueta, Professorin für Internationale Politik an der ICU, hatte sich als Vordenkerin zu diesem Thema anerkannte Verdienste erworben. Ich lauschte aufmerksam ihren Analysen und Meinungen. Wir dachten die Überlegung weiter, wie das in Nordostasien immer noch vorherrschende Nullsummenspiel überwunden werden könnte. Die ICU-Professoren Toshi Sasao und Wilhelm Vosse sowie Prorektor Anri Morimoto tauschten sich ausführlich mit mir über

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die Folgen der Globalität aus. Vor großen Studentengruppen legte ich meine Sicht der Dinge dar: Auf der individuellen Ebene, so dozierte ich, kann Globalität zum Verlust des persönlichen Kompasses führen. Auf der gemeinschaftlichen Ebene können Schwierigkeiten entstehen, die gesellschaftliche Identität zu definieren. Auf der Ebene des Staates kann dieses wiederum zu Handlungslähmungen führen. Auch international herrsche eher Konfusion über globale Normen. Im Westen, vor allem in den USA, griff seit einigen Jahren eine Sicht um sich, die vom Syndrom des eigenen Niedergangs getrieben sei. Dabei müssten die USA einfach lernen, ein wenig vom hohen Berg herunterzusteigen und mit anderen globalen Akteuren einen konsequenten Multilateralismus aufzubauen. Für die EU erfordere dies, geostrategisch und ernsthaft global zu denken. Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) stiegen legitimerweise zu wichtigen globalen Akteuren auf. Japan müsse seinen Ort in möglichst vielfältigen multilateralen und regionalen Formen der Kooperation noch finden. Die Voraussetzungen seien aufgrund der inneren japanischen Ordnung gut, bewertete ich die Ausgangslage. Gleichwohl war überraschend, mit welcher Intensität und Geschwindigkeit die Wahrnehmung Europas in Bezug auf Asien sich verändert hatte. War bis etwa 2000 primär Japan das Kraftzentrum der Region, das für Europa der erste Wirtschaftspartner und Wettbewerber war, so hatte sich seither die allgemeine Aufmerksamkeit vorrangig auf China hin verschoben.

Abb. 8.16   Im Mao-Look: Li Peng, Staatsrat und stellvertretender Ministerpräsident der Volksrepublik China, begrüßt mich in der Großen Halle des Volkes in Peking (1983). (©Ludger Kühnhardt)

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Bei meinem ersten Aufenthalt in China 1983 hatten noch Fahrräder und Mao-Look das Bild dominiert. Selbst der stellvertretende Ministerpräsident Li Peng empfing in dem typischen grauen Kittel (Kühnhardt 2021a, S. 222 ff.). Bald sollte China sich rasanter wandeln als jedes andere Land der Erde. Nach meinen ersten China-Aufenthalten 1983 und 1984 konnte ich seit 2001 die Entwicklungsprozesse in einem unterdessen völlig veränderten China wieder regelmäßiger verfolgen. Zu danken hatte ich eine differenzierte Sichtweise und viele neue Einblicke vor allem Xuewu Gu. Wir hatten uns 1990 kennengelernt, als er gerade seine Promotion bei Hans-Peter Schwarz über das Problem der chemischen Waffen beendet hatte. Gu war in Wuhan geboren. Er hatte nach landwirtschaftlicher Zwangstätigkeit während der Kulturrevolution Bibliothekswissenschaften studiert und autodidaktisch Deutsch gelernt. In Köln und danach in Bonn setzte er seine Studien in politischer Wissenschaft fort. 1991 ging er mit mir an die Universität Freiburg. Dort hatte ich die Ehre, seine Habilitation zu betreuen, die er 1997 während meiner dortigen Dekanzeit erfolgreich abschloss. Die Arbeit über China zwischen den Supermächten während des Kalten Krieges verknüpfte empirische Analysen der Zeitgeschichte, systematische Perzeptions- und Kontextstudien sowie Aspekte der politischen Ideengeschichte und politischen Theorie. Die Studie mit dem prononcierten Titel Ausspielung der Barbaren wurde bald als Standardwerk gewürdigt (Gu 1998). Gu baute sein beeindruckendes Renommee als Mittler zwischen deutschen Sichtweisen auf China und chinesischen Sichtweisen auf Deutschland aus. Er forschte über amerikanische Weltpolitik in Harvard und Berkeley. Am ZEI leitete er einige Jahre das Europa-Asien-Programm. In dieser Zeit bereisten wir 2001 erstmals miteinander China und begründeten eine Kooperation mit dem European Studies Centre an der Universität von Szechuan in Chengdu (Kühnhardt 2022a, S. 54 ff.). 2004 nahmen wir an einem Kolloquium in Shanghai teil und besuchten Tibet (Kühnhardt 2022a, S. 266 ff.). Bei weiteren Feldforschungen lernten wir die Perspektiven und Sichtweisen einer ganzen Reihe von Nachbarstaaten der Volksrepublik China kennen, so der Mongolei, von Süd- und Nordkorea, von Taiwan und Vietnam, Laos und Kambodscha, Thailand und Myanmar, Bhutan und Indien (Kühnhardt 2022a, passim). Professuren zur Politik Ostasiens und den internationalen Beziehungen hatten Xuewu Gu nach Trier und Bochum geführt. Seit 2009 leitete er das Center for Global Studies an der Universität Bonn. Für die Festschrift zu seinem 65. Geburtstag, die 2022 sein rühriger Schüler Hendrik W. Ohnesorge besorgte, steuerte ich eine gründliche Reminiszenz an Gus Meisterwerk Ausspielung der Barbaren bei. Ich ordnete seine Studie geisteswissenschaftlich grundierten Grundüberlegungen zu, die den Horizont zu Gus Werk bilden. Die Rekapitulation der von ihm bereits in den 1990er Jahren gewählten Methodik und seine damalige Perspektive bezog ich auf die Hoffnung, er werde noch einmal eine ähnlich grundlegende Studie über Chinas Strategie im globalen Zeitalter verfassen. China schwankte unterdessen offenkundig zwischen autonomer, wenn nicht revisionistischer Multipolarität und kooperativer Multilateralität. Das wäre sicherlich eine solide Studie über das Dreieck China-USA-Europa wert, schrieb ich in meinem Gratulationsessay an einen immer anregenden und unaufgeregten Weltbürger (Kühnhardt 2022b, S. 3–19).

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Abb. 8.17   Mit meinem Kollegen Xuewu Gu in Angkor Wat (2000). (©Ludger Kühnhardt)

Xuewu Gu beherrscht den fundierten Umgang mit den Traditionen und Theorien des Realismus und war mit umsichtigen Publikationen ausgewiesen. Er verfügt zugleich über methodisch vielseitige Kompetenzen in Theorie und Empirie sowie über die Fähigkeit, empirische Arbeiten auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen mit normativen Grundfragen des Faches, vor allem in Bezug auf die Demokratietheorie, zu verknüpfen. Sein spezifisches Kompetenzprofil in Bezug auf Politik und internationale Beziehungen des modernen Chinas war beeindruckend. Zu den Brückenbau-Aktivitäten von Xuewu Gu gehörte der systematische Ausbau der Beziehungen Bonner Kollegen zur angesehenen Tongji-Universität in Shanghai. Für einige Jahre gab mir diese durch Gu geschaffene Verbindung Gelegenheit, Chinas Aufstieg und die damit verbundenen, im Westen häufig kontrovers diskutierten Themen ausführlicher kennenzulernen. Vom 21. Februar bis 19. März 2016 wurde ich von Chunrong Zheng, dem tüchtigen Direktor des Deutschlandforschungszentrums der Tongji-Universität, zu einer Gastprofessur nach Shanghai eingeladen (Kühnhardt 2022a, S. 726 ff.). Auf mich wartete ein umfangreiches Programm mit Blockseminaren zur Lage in der EU sowie eine Reihe von Vorträgen, vor allem zur Flüchtlingskrise und zum möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU (am 2. März 2016 in der Tongji-Universität, am 8. März 2016 in der FudanUniversität und am 10. März 2016 im Shanghai Institute for European Studies). Ich hatte nie ein Problem damit, außerhalb Europas ebenso freimütig und transparent zu sprechen

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und zu schreiben wie in Europa. Ausführlich und systematisch erläuterte ich daher in Shanghai die Gesamtkonstellation der europäischen Krise, die schwierigste seit 100 Jahren. Ich erinnerte an William Butler Yeats’ Gedicht von 1916 „things fall apart, the center cannot hold“. Europa werde derzeit dominiert von einer Agenda der Sorge: Brexit. Neonationalistische und neosozialistische Politikansätze. Klimarigorismus. Paralyse der EU Mechanismen. Sorge vor den US-Wahlen im November 2016. Putins Imperialismus. Terrorismus, besser: jihadistischer Nihilismus. Und, alles dominierend, anhaltender Flüchtlingsdruck. Noch sei unklar, ob Europa schon Kriegszone sei oder „nur“ dem Kollateralschaden externer Konflikte ausgeliefert ist. Die Rhetorik von „europäischen Lösungen“, einschließlich des EU-Türkei-Deals, sei nur politische Symbolik und baue den Druck nicht wirklich ab, unter dem Europa ächze. 1,4 Mio. illegale Migranten habe es allein 2015 gegeben. Für 2016 wurden 1,8 Mio. weitere geschätzt. Bis 2017 wären es also 3,2 Mio. und mehr Menschen, die neu nach Europa gekommen sein werden. 1,1 Mio. Menschen seien registriert, 450.000 noch nicht, 130.000 seien schon wieder untergetaucht. Frankreich hatte eine Aufnahmeobergrenze von 30.000 festgelegt. Schweden hatte seine Landesgrenze geschlossen. Die Niederlande wollten erst Flüchtlingsunterkünfte fertigstellen, ehe sie Menschen aufnehmen konnten. Österreich hatte seine Kapazitäten für 2016 auf 37.000 Menschen kontingentiert. In Griechenland waren allein in den ersten Wochen des Jahres 2016 weitere 31.000 Menschen angekommen. Mazedonien hatte nun einen Grenzzaun, Ungarn und Bulgarien ebenso. Am Brenner wurde ebenfalls ein Grenzzaun errichtet. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte erklärt, notfalls werde die Landesgrenze mit dem Einsatz des Militärs geschützt. Nur in Deutschland waren solche Maßnahmen Tabu und jeder Diskurs in die entsprechende Richtung wurde sogleich als nationalistisch abgestempelt. Noch dominierte der gute Geist der Willkommenskultur. In der EU insgesamt aber tobte der Schuldzuweisungswettbewerb über die Kontrollverluste der vergangenen Monate. Die deutsche Gefahr sei wie stets, so analysierte ich ungeniert in China, nicht weniger ungeniert wie in Europa, eine Mischung von Provinzialität und Überheblichkeit. Ich zitierte Heinrich Heine („im Luftreich des Traumes die Herren unbestritten“) und Friedrich Schiller („der Größte ist nicht groß genug allein“). Es regierte in Deutschland derzeit die Generation, die immer nur fragte, wie etwas zu tun sei, und nicht, was zu tun sei. Die Gesellschaft drifte daher angesichts global induzierten Druckes auseinander. Wutbürger seien nur die Spitze eines Eisberges von Systemverachtung, Fragmentierung und rhetorischer wie faktischer Aufrüstung leider nicht weniger Bürger. Deutschland sei massiv geschwächt, sah sich aber weiterhin als moralisch stark und eher die anderen als geschwächt an. Fehlwahrnehmungen der Wirklichkeit nahmen zu. Die Schwächung des Rechtsstaates wurde immer problematischer. Nicht nur der Aufstieg der AfD war ein Teil

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des Problems, sondern auch die Große Koalition, die gerade dadurch gestärkt wurde. Das Rechtsbewusstsein wird geschwächt, wenn illegaler Grenzeintritt in Ordnung geht, aber falsch parken sofort sanktioniert wird. Das Ziel der notwendigen Grenzschließung und der Identitätsüberprüfung jedes Geflüchteten vor Eintritt nach Deutschland blieben im Ungefähren. Die wirtschaftlichen Folgen aber waren bereits absehbar. Mindestens 20 Mrd. € würde Deutschland von nun an pro Jahr für die Geflüchteten zahlen müssen. Ob sich alle wirklich überhaupt integrieren lassen wollten? Was alles mehr könnte man mit diesem vielen Geld in den Herkunftsregionen der Menschen Gutes tun? Der Deal mit der Türkei umfasste eine Unterstützung von drei Milliarden Euro. Das war nur ein Siebtel dessen, was Deutschland pro Jahr fortan im eigenen Land aufbringen musste. Die Türkei aber sollte Deutschlands Grenzwärter sein. Deutschland machte sich abhängig. Ich nannte auch die Eckdaten einer positiven Agenda: robuste Küstenwache, echter EU-Geheimdienst, eine EU-Interventionstruppe, EU Peace Keeping in arabischen Bürgerkriegsländern, EU-weite Harmonisierung legaler Migration, Africa First mit massiven Investitionen in Jobs und Infrastrukturen. In chinesischen Online-Zeitungen wurden Artikel von mir mit meinen Analysen und Thesen publiziert (Kühnhardt 2016a; 2016b). Am 16. März 2016 lernte ich den Songjiang-Campus der Shanghai International Studies University (SISU) kennen. Dorthin hatte mich Feng Jiang eingeladen, der Vorsitzende der Universität. Ich kannte Jiang seit 1998 aus seiner Zeit als Sekretär für Bildungsfragen in der chinesischen Botschaft in Bonn. Unterdessen hatte er Karriere in China gemacht. Die chinesischen Universitäten werden von einer Doppelstruktur geleitet, einem akademischen Rektor und einem Vorsitzenden, den die Mitglieder der Kommunistischen Partei innerhalb der Universität wählen. Jiang wollte mich beeindrucken. Der Campus außerhalb von Shanghai hatte die Größe eines Dorfes. Für jedes große Land, dem dort Studien gewidmet sind, war eine lokale architektonische Ikone nachgebaut worden, überdimensioniert und mit gebührlichem Abstand, um die Wirkung im Raum zu stärken. In der Mitte stand die Zentralbibliothek, eine Simulation des Petersdoms im Vatikan. Jiang fuhr chinesische Experten zu jedem europäischen Land auf. Bewandert in jeder Sprache Europas und der entsprechenden Landeskunde sowie ausgerüstet mit vielerlei lokalen Kontakten brachten die Kolleginnen und Kollegen das gesamte europäische Potpourri an den Tisch. Sie wollten sich mit mir über die Entwicklungen in der EU austauschen. Die Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen beeindruckte mich sehr. Im Gegenzug lernte ich von Jiang eine Menge über das Innenleben der chinesischen Kommunistischen Partei. Er erklärte mir, dass die entspannte Körpersprache des Ministerpräsidenten Li Keqiang bei einer soeben im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz wichtiger als alle Worte gewesen sei: Die Gesten bedeuteten Entwarnung gegenüber der Sorge, das Wirtschaftswachstum könnte hinter den Erwartungen zurückbleiben, die die Partei wieder einmal geweckt hatte.

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Abb. 8.18   Fußmassage in Shanghai (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Am 28. und 29. September 2017 war ich wieder in Shanghai (Kühnhardt 2022a, S. 799 ff.). Feng Jiang lud mich zu einem Abendessen ein, zusammen mit seiner Mitarbeiterin Andrea Mao und dem Kollegen Zuangjing Chen, beides exzellente Kenner Deutschlands und Europas. Diesmal zog Jiang es vor, über die deutsche Politik zu lamentieren, die China zu wenig Aufmerksamkeit und Zuneigung zuwende. Er machte mir fast schon auf schroffe Weise deutlich, wie wenig er von der Europäischen Union überzeugt war. Ich hielt dagegen. Wir verabredeten uns wieder für das nächste Jahr. An der Tongji-Universität fand in diesen Tagen das Chinesisch-Deutsche Forum statt, das gemeinsam mit Xuewu Gu und seinem Bonner Center for Global Studies seit einigen Jahren im jährlichen Rhythmus stattfand. Von der Universität Bonn waren neben Gu und mir weitere Kolleginnen und Kollegen mit dabei: Tilman Mayer, Christoph Antweiler, Jörg Blasius, JD Bindenagel, Enrico Fels, Hendrik W. Ohnesorge, Ying Huang, Christine Heidbrink. Überschattet wurden die Tage 2017 durch eine präzedenzlose Kriegsrhetorik zwischen Nordkorea und den USA. Seit dem Korea-Krieg 1950 hatte die Welt solches Säbelrasseln mit wechselseitigen Atomvernichtungsdrohungen nicht erlebt. Nordkoreas Diktator Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump gingen höchstpersönlich auf Konfrontation zueinander. Das Weiße Haus musste erklären, es habe Nordkorea nicht den Krieg erklärt. Wenige Tage nach der Bundestagswahl vom 24. September 2017 wollten die chinesischen Kolleginnen und Kollegen von uns, der Bonner Gruppe um Xuewu Gu, natürlich wissen, wie es in der deutschen Politik weitergehen würde. Dass es bis März 2018 dauern würde, ehe eine neue Bundesregierung gebildet wurde, konnte niemand vorhersehen. Mir war es ohnehin wichtiger, auf das Thema zu sprechen zu kommen, auf das ich mich intensiv vorbereitet hatte: „Yīdài Yīlù“, das

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chinesische Projekt einer neuen Seidenstraße („one belt, one road“). Vor dem DeutschChinesischen Forum war ich in Kashgar am äußersten westlichen Rand Chinas und bei den Bingling-Grotten in der Nähe von Lanzhou gewesen, um zwei kulturgeschichtlich zentrale Stätten der klassischen Seidenstraße auf chinesischem Territorium kennenzulernen. Das war mir wichtig, um nicht nur abstrakt und politisch über ein Thema zu reden. Durch diese Anschauungen gewann die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Strategie einer chinesisch dominierten neuen Seidenstraße erst geistes- und kulturwissenschaftliche Tiefe. Vorweg stellte ich bei meinem Vortrag in Shanghai fest, dass eine bessere Zusammenarbeit von China und der EU durch ein doppeltes Vertrauensdefizit erschwert werde: China lasse die Außenwelt über seine genauen strategischen Ziele im Unklaren. Das schaffe Zweifel in Europa. Europa setze immer nur auf multilaterale Politikprozesse und werde daher misstrauisch beäugt von denen, die wie China, strategisch denken. Europa nimmt man so viel Naivität nicht recht ab. Aus dem Studium der historischen Seidenstraße der Antike und der Zeit von Marco Polo zog ich vier Lehren für die Gegenwart: 1. Eine geopolitische Einordnung der chinesischen Seidenstraßen-Initiative, die Staatschef Xi Jingping 2013 gestartet hatte, sei unumgänglich. Schon die antike Seidenstraße war nicht frei von strategischen Aspekten und ebenso die Erfindung des Begriffs „Seidenstraße“ durch Ferdinand von Richthofen, der von 1875 bis 1883 Professor für Geographie in Bonn gewesen war. Er wollte Kohlevorkommen für das deutsche Kaiserreich erschließen und, darauf aufbauend, die Regionen entlang der Seidenstraße unter den Einfluss der kaiserlichen deutschen Wirtschaftsinteressen bringen. 2. Regelbasierter Handel sei gut für alle. Das Handelspotential entlang der Seidenstraße sei schon immer stark gewesen. Es habe schon früher Technologieraub gegeben, auch in umgekehrte Richtung, wenn man an die chinesische Seidenraupenzucht denke. Heute stammen 60 Prozent aller gefälschten, in die EU eingeführten Waren aus China. Aus der Geschichte lernen, müsse doch heißen: Verlässlichkeit durch regelbasierten Umgang miteinander stärken. 3. Weitverzweigte Handelswege zu optimieren verlange zum Wohle aller regulatorische Formen des Regierens, auch in Mittelasien. Seit der „Naturgeschichte“ des Plinius wurden die chinesischen Entwicklungen in Europa perzipiert. Indessen war das Pamirgebirge weithin die Endstation für die westlichen China-Reisenden und umgekehrt auch für die chinesischen West-Reisenden. Heute seien entlang der Seidenstraße alle Völker und Staaten logistisch miteinander verbunden. Das mache Regulierungen des Handels und der Begegnungen erforderlich. Ich erwähnte Umwelt-, Arbeits-, Energiefragen, aber auch den Nutzen von Rechenschaftspflichtigkeit und Compliance. Zielungerichtete Expeditionen ohne Interaktionsfähigkeit scheiterten, das sei eine Lehre seit der chinesischen wie der europäischen Antike. Italiener hätten dies bei den christlichen Missionierungsaktivitäten im14. Jahrhundert erlebt, China bei den Seeexpeditionen des Admiral Zheng He im

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15. ­Jahrhundert. Auch sollte man sich erinnern, sagte ich, dass Gefahren bei einer so langen Wegstrecke immer mitreisen würden. Ich erwähnte die mongolische Pest im 14. Jahrhundert, die durch den Handel mit Pelzen rasche Ausbreitung über weite Entfernungen fand. Gesundheitliche Probleme dieser Art könnten sich auch in unserer Zeit wiederholen. Bald schon bestätigten der Ausbruch und die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus meine düstere Prognose. 4. Die geistesgeschichtliche und kulturelle Entdeckung des jeweils anderen habe entlang der neuen Seidenstraße erst begonnen. Die Entdeckung wichtiger kultureller und religiöser Fragen stehe erst am Anfang: Warum sei der Buddhismus nicht weiter gen Westen gedrungen? Warum gab es so viele nestorianische christliche Kirchen in China zu der Zeit von Marco Polos Aufenthalt? Erst 1885 hatte James Legge die erste vollständige Übersetzung des Li Ki (Buch der Riten) von Konfuzius vorgelegt (Legge (1885) 1986). Aber auch Chinesen, so endete ich, hätten gewiss noch Potentiale, westliches Denken genauer zu studieren, vor allem wohl im Zusammenhang mit christlichen Ideenkreisen. Meine Ausführungen wurden aufmerksam aufgenommen und sehr ernsthaft diskutiert. Ich veröffentlichte alsbald eine überarbeitete und erweiterte Fassung meines Vortrags (Kühnhardt 2018). Am Rande des Chinesisch-Deutschen Forums überraschte mich Xu Mingqi, der Direktor des Shanghai Institute for European Studies (SIES), einem Zusammenschluss von Europawissenschaftlern in der Stadt, mit einer Auszeichnung. Das mustergültig in rotes, glänzendes Leinen gehüllte Papier war in echtem ShanghaiEnglisch gehalten: „We hereby granted your appointment as the adviser to Shanghai Institute for European Studies due to your devoting and excellent work in European Integration Studies. 27.09.2017.“ Das war, wie er sagte, eine formale Anerkennung meiner wissenschaftlichen Kompetenzen ohne Konsequenzen oder Privilegien. Ich verstand das eigentümliche Zeugnis als verspäteten Dank für meinen offensichtlich gelungenen Vortrag im Vorjahr. Ich blieb höflich, auch wenn ich nicht so recht wusste, was die Implikation dieser Anerkennung meiner Arbeit sein sollte. Jedenfalls sah ich mich nicht als Advisor (wie es ohnehin korrekt hätte heißen müssen) dieses Instituts in irgendeinem praktischen Sinne und wollte auch nicht als solcher gehandelt werden, wie ich Xu sogleich sagte. Gleichwohl postete das Shanghai Institute for European Studies einen Beitrag über die eigentümliche Anerkennung meiner Arbeit. Davon erfuhr ich erst, als mich Monate später ein Vertreter des deutschen Verfassungsschutzes aufsuchte. Das SIES in Shanghai sei aufgefallen, weil es versuche, westliche Wissenschaftler als Experten anzuwerben, um über sie an als geheim eingestufte Informationen aus Deutschland und aus anderen europäischen Ländern heranzukommen, erfuhr ich zu meiner Überraschung. Ich konnte den Herrn vom Verfassungsschutz beruhigen, allzumal ich nicht über geheime Informationen verfügte, die für China von Interesse sein konnten. Als Advisor hatte ich mich ohnehin nie verstanden und natürlich überhaupt zu keinem Zeitpunkt als ein solcher für das SIES gewirkt. Ein deutscher Diplomat erklärte mir auf Rückfrage:

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Wer in China mit westlichen Kollegen in Kontakt trete, sei geradezu automatisch verpflichtet, Berichte für irgendwelche Einrichtungen der Partei oder des Staates zu verfassen. Umgekehrt sei unproblematisch, von einer solchen chinesischen Institution als Kooperationspartner genannt zu werden. Das habe nicht wirklich etwas zu bedeuten. Ich war beruhigt. Mit dem Shanghai Institute for European Studies hatte ich ohnehin keine weiteren Kontakte seit meinem Vortrag dort 2016. 2021 wurde ich daher überrascht durch eine Zeugenvorladung ins Bundeskriminalamt. Dort ermittelte man gegen einen mir nicht bekannten Mitarbeiter des Shanghai Institute for European Studies. Wieder konnte ich keine sachdienlichen Hinweise geben. Allerdings bat ich Xu Mingqi umgehend, die falsche und missverständliche Information über mich als „adviser“ auf der Webpage seines Instituts zu löschen. Ich empfand die Angelegenheit wie einen schlecht belichteten Film aus den Zeiten des Kalten Krieges. Auffällig war in jedem Falle, dass es unterdessen in Deutschland, und nicht nur dort, eine gesteigerte Sensibilität gegenüber dem von Erfolg zu Erfolg eilenden China und seiner subtilen Methoden der Spionage gab. Die China-Begeisterung der vergangenen Jahre war erkaltet. Noch zweimal war ich bis zu diesem Zeitpunkt nach China gereist. Am 23. und 24. September 2018 nahm ich erneut am Chinesisch-Deutschen Forum teil (Kühnhardt 2022a, S. 842 ff.). Kurz nach dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas wollten Chunrong Zheng und Xuewu Gu mich unbedingt wieder dabeihaben, obgleich sie wussten, dass ich nicht unkritisch zu Chinas Positionen sein würde. Partei- und Staatschef Xi Jingping hatte eine neue Ära des chinesischen Sozialismus ausgerufen: mehr Selbstbewusstsein, robuste Großmachtdiplomatie zum Zweck des Aufbaus einer weltweiten Schicksalsgemeinschaft, aber auch strenge Erneuerung der ideologischen Grundlagen Chinas. Seit 40 Jahren befand China sich nun auf Reformkurs. Die chinesischen Kolleginnen und Kollegen beim Chinesisch-Deutschen Forum strotzten nur so vor Selbstbewusstsein. Manche Äußerung grenzte an Hochmut. Ich wurde in meiner Einschätzung bestärkt, dass Chinas Kommunismus in Wirklichkeit längst zum Nationalismus geworden war. Feng Jiang, unterdessen für mich Seismograph, um den jeweiligen Trend in Chinas Sicht auf die Welt einzuordnen, blieb wenigstens sachlich. Als ich am 27. und 28. September 2019 zum vierten und letzten Mal in Folge nach Shanghai kam, hatten Feng Jiang und ich so viel Vertrauen aufgebaut, dass wir uns als Freunde begegneten, die sich gegenseitig sehr offen Kritisches sagen konnten (Kühnhardt 2022a, S. 885 ff.). Wir drangen diesmal in unserem Gespräch von der Oberfläche der aktuellen Politik in die Tiefe der Themen vor, die für den Fortgang der Globalität wichtig sein würden. Ich wollte von ihm wissen, was für ihn „Eigentum“ bedeutet. Er definierte Eigentum mit Blick auf die in China verwendeten Schriftzeichen als „Besitz erwerben“. Man müsse sich anstrengen, um über Eigentum zu verfügen, sagte er. Wenn man das tue, sei Eigentum gut und gerechtfertigt. So hätten dies auch die frühen chinesischen Philosophen gesehen. Jiang bat darum, unser Gespräch metaphysisch zu vertiefen, jenseits der ideologischen Stereotypen des 20. Jahrhunderts über Kommunismus und Kapitalismus. Ich machte mir gleichwohl keine Illusionen über die Machtfrage, die in China eindeutig zugunsten der Kommunistischen Partei geklärt war.

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Einige Tage vor den Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag des Revolutionssieges von Mao Tse Tung und der Ausrufung der Volksrepublik China war das ganze Land in rote Fahnen gekleidet. Beim Chinesisch-Deutschen Forum diskutierten wir kontrovers miteinander über Multilateralismus. Die chinesischen Kollegen, vorneweg Hongjian Cui, der kluge Kopf aus dem China Institute of International Studies in Beijing, präferierten, wie sie sagten, selektiven Multilateralismus. Ich widersprach und plädierte für gemeinsam geteilte Regeln. Spannungen kamen auf, als das Thema Hongkong zur Sprache kam. Mir wurde klar: Bei diesem Thema verstanden auch die weltläufigsten chinesischen Wissenschaftler keinen Spaß und sahen sich auf Partei- und Staatslinie. Hongkong sollte vollständig unterworfen und seiner Sonderrechte beraubt werden. Die durch Demütigung entstandene Empfindlichkeit aus der Zeit der ungleichen Verträge war einer Empfindlichkeit der Macht in Zeiten selbstbewusster und gelegentlich exzessiver Machtpolitik gewichen. Hongkong müsse sich den Regeln der Zentralregierung endlich vollständig beugen, hörte ich mehr als einmal. Ich war beunruhigt über die Deutlichkeit dieser nationalistischen, zumindest zynischen Linie. Mir schien, dass es im Letzten darum ging, Hongkong endgültig durch Shanghai als wichtigste Weltstadt Asiens abzulösen. Es war an der Zeit, eine grundlegende Bestandsaufnahme des geopolitischen Umfeldes vorzunehmen, in dem die Europäische Union agieren musste. Gelegenheit dazu hatte mir bereits am 4. Dezember 2018 das Antall József Knowledge Center in Budapest gegeben Ich referierte bei einer internationalen Konferenz, die zu Ehren des ersten demokratischen Ministerpräsidenten des Landes in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften veranstaltet wurde und baute meinen Vortrag 2019 zu einem gründlichen wissenschaftlichen Aufsatz aus (Kühnhardt 2019, S. 28 ff.; Kühnhardt 2022a, S. 824). Zwei Schlüsselfaktoren bezeichnete ich als entscheidend für die Art und Weise, wie die EU sich positionieren müsse: 1) der demographische Faktor angesichts einer weltweit überproportional stark gewachsenen und in vielerlei Hinsicht fordernden, aber auch ungeduldig und kritischer auftretenden Jugend. Ich erinnerte daran, dass allein in meiner bisherigen Lebenszeit die Weltbevölkerung von drei auf über sieben Milliarden Menschen gewachsen sei. Es komme darauf an, weltweit die jeweilige Mittelschicht zu stärken, um die Entwicklung der Welt stabil zu halten und gleichwohl der lebenshungrigen Jugend Lebenschancen zu ermöglichen. 2) Die Rückkehr der maritimen Dimension erweiterte notwendigerweise das Denken über die territorialen Zugänge zur Geopolitik hinaus, die im Zeitalter des Ost-West-Konfliktes wichtig waren. Ich verwies auf die maritime Seidenstraße, die Eröffnung von Handelsrouten über die Polarwege infolge des Klimawandels und der Eisschmelze, die Spannungen im südchinesischen Meer, die potentiellen geopolitischen Konflikte in und um Antarktika, womit die Bedeutung der europäischen überseeischen Länder und Territorien in einem neuen Licht erscheine. Es werde in Mitteleuropa arg unterschätzt, dass Frankreich eine indopazifische Macht ist und als solche auch Chinas Expansionsneigung balanciert. Die Idee des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron von der europäischen

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Souveränität müsse schleunigst mit Leben gefüllt werden. Detailliert analysierte ich den Stand der Permanenten Sicherheitspolitischen Kooperation (PESCO) mit den 2018 verabschiedeten 17 Projekten der EU-Rüstungskooperation. Ich zögerte nicht, die anhaltend gravierenden Unterschiede in den französischen und deutschen Zugängen zu diesem wegweisenden Ansatz zu analysieren. Die EU müsse es schaffen, die Weltmacht Frankreich und die Kontinentalmacht Deutschland zu einer gelungenen Komplementarität zusammenzuführen. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU war diese Aufgabe nicht leichter geworden. EU und NATO müssten ebenfalls immer wieder neu an ihrer Komplementarität arbeiten. In der NATO habe früher der Spruch von Lord Hastings Ismay, dem ersten NATO-Generalsekretär, gegolten, Aufgabe sei es, die Russen außen vor, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten. Heute könne man wohl eher sagen, Zweck der NATO sei, die USA drinnen und Russland engagiert zu halten, die EU aber zu stärken. Ich lernte in Budapest einen neuen strategischen Begriff kennen, den der frühere ungarische Außenminister János Martonyi bei der Konferenz vorgestellt hatte: Heterarchie sei das System, in dem wir derzeit in der Welt leben. Heterarchie beschreibe ein System, das anders als eine hierarchische Ordnung keine Über- und Unterordnungen kennt, sondern nur allerlei Zwischenformen der Interdependenz. Fragen der Wahrnehmung der anderen würden in einem solchen System immer wichtiger. Schließlich gab Martonyi der EU einen fast chemikalisch wirkenden Rat mit auf den weiteren Weg nach dem Austritt von Großbritannien: Substanz, die in der Menge weniger wird, muss an Stärke gewinnen. Für das von Barbara Lippert und Peter Becker 2020 herausgegebene Handbuch Europäische Union fasste ich den Kern des Wandels zusammen, den Europas Selbstverständnis über drei Jahrzehnte hinweg inmitten der Kräftefelder der Erde vollzogen hatte (Kühnhardt 2020, S. 289 ff.). „Raumbegriff und Grenzbewusstsein“ der Europäischen Union hatten sich grundlegend verändert und schrittweise an neue Realitäten angepasst, deren Ursprung und deren Dynamik außerhalb Europas lagen. Europa musste mit einer Veränderung der mentalen Landkarte reagieren. Dieser Prozess verlief asynchron und oft beschwerlich. Der bis in die Antike zurückreichende Raumbegriff sei stets relational gewesen. Ich erinnerte an die große Europa-Studie des Historikers Norman Davies, bei der alle Einzelheiten aus allen Epochen exzellent dargestellt waren (Davies 1996). Ich empfahl das Studium der Arbeiten von Arnold Toynbee (Toynbee 1946), Ernst Robert Curtius (Curtius 1948) und Fernand Braudel (Braudel 1949), von Tony Judt (Judt 2005) und Jürgen Osterhammel (Osterhammel 2009). Meinen Freund und Kollegen Timothy Garton Ash zitierte ich, der das „niemals endende Werden Europas“ gerühmt hatte (Garton Ash 2017). Auch 2020 war der Prozess dieses Werdens und der Anpassung an einen sich beständig wandelnden Raum keineswegs abgeschlossen. Mit dem jeweiligen Raumbegriff, so analysierte ich aus, habe stets das Bewusstsein für die Bedeutung von Grenzen zusammengehangen. Ich erinnerte an die koloniale Expansion Europas und die

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nachfolgende Schrumpfung unter Einschluss von hybriden Zwischenformen wie den britischen Commonwealth und die „Union française“, mit der 1946 der Unionsbegriff erstmals in die neuzeitliche politische Sprache Europas Eingang gefunden hat. Im Kalten Krieg markierte die Ost-West-Teilung eine schroffe Grenzmarkierung mitten durch Europa. Sie wurde zeitweilig abgelöst von der Hoffnung auf Überwindung aller Grenzen und eine Art Deterritorialisierung der europäischen Politik. Der Begriff „Schengenraum“ war zum Akronym dieser Perspektive geworden. Völlig aus dem Blick geraten waren die anhaltenden überseeischen Verbindungen einzelner EU-Mitgliedsländer, die große geopolitische Bedeutung besitzen, und die fragilen Außengrenzen der EU, die erst unter dem extremen Druck anschwellender illegaler Migration nach Europa als Aufgabe entdeckt wurden. Der Aufbau eines robusten Schutzes der europäischen Außengrenzen war auch 2020 noch keineswegs abgeschlossen. Er war aber zwingende Erhaltungsbedingung der inneren europäischen Freiheit und damit der Grenzfreiheiten im „Schengenraum“. Die mentale Bereitschaft in der EU zu dieser Sichtweise entwickelte sich weiterhin nur zögerlich. Ein europäisches Asyl- und Einwanderungssystem, das Eigeninteressen und Humanität, Selbstschutz und Rechtsstandards miteinander verband, blieb die beschwerlichste Aufgabe, die die EU künftig zu meistern hatte. Raumbegriff und Grenzbewusstsein waren in der EU zu politischen Willensakten geworden, formulierte ich. Ob die „Global Strategy“, die die Europäische Union 2016 verabschiedet hatte, bereits die ausreichende Orientierung biete, um das politische Handeln endlich zu beschleunigen, werde sich weisen, bemerkte ich mit einem skeptischen Unterton. Um als Weltmacht agieren zu können, müsse die EU den begonnenen Weg konsequent weitergehen, denn „die größten Zumutungen an den Grenz- und Raumbegriff“, wie ich schrieb, würden der EU auf Jahrzehnte hin von außen „zuwachsen“. Bei einem weiteren Workshop des Antall Jozséf Knowledge Center, die am 2. Juni 2021 als Webinar stattfand, verwies ich noch einmal auf den mir wichtigsten Punkt: In einer Welt, die durch die doppelte Gefährdung geht, multipolare Wirklichkeiten zu akzeptieren und angesichts von revisionistischen und autokratischen Neoimperien einer multilateralen Ordnung zuzustreben, kommt es zuallererst darauf an, die richtigen Fragen zu stellen: Was ist eigentlich das Problem? Welche Lehren können und müssen aus vergangenen Fehlern gezogen werden? Wie kann kluge Analyse in neue Wirklichkeiten übersetzt werden? In einem ZEI Discussion Paper, das ich im Vorgriff auf meine Emeritierung an der Universität Bonn 2024 verfasste, sprach ich von den Ambivalenzen des westlichen Fortschrittsbegriffs und von der Notwendigkeit, den Freiheitsbegriff unter globalen Bedingungen weiterzudenken. Frieden, Wohlstand und Freiheit des Westens mussten sich wie noch niemals zuvor in einer Welt behaupten, die endlich ohne jede Illusion im Westen wahrgenommen, ernstgenommen und mit strategischer Vorausschau begriffen werden musste (Kühnhardt 2024).

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien (Kühnhardt 2021a, 2022a) Mein globalitäres Denken hatte stets verschiedene Wurzeln, folgte verschlungenen Pfaden, grub immer wieder verschüttete Kanalläufe aus und strebte zum Gesamtbild. Erst im Rückblick wurde deutlich, dass ein Werk entstand, das mehr war als die Summe von Themensprüngen, Beschäftigungen am Rande, unvollendeten Beiträgen und spontanen Ideen. Meine Wege durch die Welt ließen sich nirgends plausibler und einfacher rekonstruieren als dort, wo ich tatsächlich gegangen war, gereist bin. Über Jahrzehnte führte ich Tagebuch bei allen Aufenthalten außerhalb von Deutschland. Ich notierte in Kladden, absichtslos und unsortiert, was ich sah, wen ich getroffen und worüber die Menschen gesprochen hatten, die mir einen Ort oder ein Thema nahebrachten. So entstand in  vielen, vielen Notizheften, was schon immer war: das aus vielen Einzelteilen zusammengesetzte Puzzle von verknüpften Welten.

Abb. 8.19   An den Victoriafällen in Simbabwe (1980). (©Ludger Kühnhardt)

Entlang dieser Wege platzierte ich hin und wieder Reflexionen. Sie mochten auf Dritte wirken wie zufällig entstandene Texte. In Wirklichkeit waren es Einblicke in die Denkwege, die meine Aufenthalte in aller Welt begleiteten. Acht Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes einer Schriftenreihe der Stiftung Wissenschaft und Politik über Fragen der internationalen Politik, die bisher kaum wahrgenommen worden war, las ich 1986 Texte neu, die 1978 verfasst worden waren, am zeitlichen Beginn also meines eigenen Weges durch die Welt. Die Rezension, die ich damals in der Zeitschrift Verfassung

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und Recht in Übersee veröffentlichte, enthielt entscheidende Sätze, die nicht nur mein eigenes Selbstverständnis markieren, sondern auch meine Arbeitsmethode für die nachfolgenden Jahrzehnte. Ich äußerte meine Überzeugung, dass „der enge Zusammenhang zwischen praktischer Politik und Politischer Wissenschaft noch weiter ausgebaut zu werden verdient“. Das gehe nicht ohne klare Maßstäbe: hohes Niveau, Sachkompetenz und profunde politische Einschätzungen. Drei Themenkreise würden ineinandergreifen: Dritte Welt, Ost-West-Fragen, europäische Integration. Besonders beeindruckt war ich von der Rubrik „Globale Verflechtungen und regionale Entwicklungen“, einem Themenblock des besprochenen Buches. Diese Themenstellung und die Art der Herangehensweise „an der Schnittlinie zwischen politischer Publizistik und esoterischer Wissenschaftsproduktion“ mache solche Texte besonders „verwertbar“ für Entscheidungsträger als Informationshilfe und immer dort, wo in Kategorien von Alternativszenarien gedacht werde. Ich stellte fest, dass die meisten der in dem Buch behandelten Themen nicht gelöst worden seien und dass manche wunderbare Diagnose überaltert wirkte. Aktualität sei eben auch für die Wissenschaft „unerbitterlich“. Zeitlos gewinnend seien diejenigen Texte geblieben, die theoretische Reflexionen mit politischen Handlungsalternativen zu verknüpfen wussten. Eine Erkenntnis blieb vor allem bei der Beurteilung des Nutzens, aber auch der gebotenen Ausrichtung publizistisch-wissenschaftlicher Begleitung politischer Entwicklungen: Ernüchterung. „Dies aber“, so endete ich die Rezension, „ist nicht wenig in einer Welt, die noch immer für perfekte Lösungen anfällig scheint“ (Kühnhardt 1986, S. 221 ff.). Ohne es zu wissen, gehörten Klaus Ritter, der Begründer der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), und seine leitenden Mitarbeiter Albrecht Zunker und Klaus Freiherr von der Ropp, die ich seinerzeit kennengelernt hatte und in der Rezension erwähnte, also zu den mittelbaren Lehrern meiner autodidaktischen Weltentdeckung. Es war vielleicht doch nicht nur ein purer Zufall, dass ich Bundespräsident Richard von Weizsäcker bei seiner Ansprache anlässlich des 25-jährigen Bestehens der SWP zuarbeitete und ihn am 2. Oktober 1987 nach Ebenhausen begleitete. Bei der Gelegenheit lernte ich übrigens den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kennen und lauschte andächtig den Ausführungen von Klaus Ritter, einem Kriegskameraden und jahrzehntelangen persönlichen Freund von Weizsäckers. 1995 reflektierte ich unter dem etwas platten Titel „Eine Erde – verschiedene Welten“ über die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen und die Probleme politischer Planbarkeit. Ich erinnerte an die Idee der einen Welt als „wechselseitiger, von allen auf ihr lebenden Völkern und Nationen als gemeinsam anerkannter Auftrag“ und zitierte Woodrow Wilsons Diktum, die Welt sicher für die Demokratie machen zu wollen. Weltinnenpolitik sei eine „griffige Formel“, um die Metapher vom „global village“ zu konkretisieren. Man müsse dann aber auch genauer auf die Voraussetzungen dieser Idee blicken: „Glück und Friede, aber auch Ungerechtigkeit und Elend würden auf Dauer nur mehr miteinander geteilt, und alle Hoffnungen, Wünsche, ja selbst die niederträchtigsten Absichten seien unteilbar, ja das Gut der ganzen Menschheit.“ Realistischer sei es wohl, die Dialektik und Widersprüchlichkeit der Welt anzuerkennen, die zwischen

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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„kommunikativer Globalisierung und gleichzeitig zunehmender kultureller und sozialer Ausdifferenzierung“ schwankt. Es gebe die Allgegenwärtigkeit von Medien wie den 1980 gegründeten Fernsehsender CNN. Produktionsprozesse laufen über mehrere Zeitzonen der Welt ab. Die Konsumkultur hat sich für einen Teil der Menschheit globalisiert. Man könnte statt Multikulturalismus auch von Multigastronomie sprechen. Zugleich prallten Vernetzungen und Differenzen – das Anderssein – immer deutlicher aufeinander. Ich sprach von „Homogenisierungswirkungen“ und der „Differenzierungskraft“ von Identitätswünschen, von gleichzeitiger Emanzipation und Bindungssehnsüchten. Konflikte der Zivilisationen berührten nicht nur Weltanschauungen und Machtfragen, sondern zunehmend auch die Folgen technologischer Entwicklungen. Ich erwähnte die Gefahr globaler Epidemien (35 Jahre vor Corona!), Hunger und die Folgen ungleich verteilter Wirtschaftskraft. Am auffälligsten erschienen mir „Kulturkonflikte in Kulturen“, in denen „Werte mit kultureller Prägekraft und politischer Ausstrahlungswirkung“ innerhalb einer kulturell geprägten Umwelt und politisch klar verfasster Räume umstritten sind. Das Aufklärungsdenken und die „Bindekräfte der westlichen Zivilisation“ seien unter Druck geraten und diese Tendenz werde wohl leider zunehmen. Ich schrieb über die Spannungen zwischen zunehmender Religiosität auf der einen Seite, vor allem in islamischen Gesellschaften, und zunehmender Säkularisierung und Religionsschwund im Westen. Ich erwähnte Spannungen, die sich auf den Staatsbegriff bezogen. Dabei verstand ich den Staat mehr oder weniger als Referenzbegriff für die Definition bei der Ausübung von Funktionen mit öffentlicher Autorität. Dann thematisierte ich die Frage nach der Konfliktfähigkeit von Interessen. Eigenartigerweise gebe es, beispielsweise, keine authentische „Partei der Arbeitslosen“. Generell müsse man wohl unterscheiden zwischen der konfliktgesteuerten Organisation von Interessen und der Absicht, problemlösungsorientiert vorzugehen und Interessenkonflikte zu transformieren. Damit war ich beim Stichwort politische Planung angekommen. Ich schrieb von Zielebenen, der Plausibilität von eingesetzten Mitteln, Variablen und Leidenschaften. Ich hatte mich durchaus mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann beschäftigt, ihr allerdings nicht viel abgewonnen außer dem schönen Wortungetüm „Inkompetenzkompensationskompetenz“, die er dort sah, wo Kompetenz und Mandat auseinanderfallen: Wer seine Aufgabe nicht lösen könne, kaschiere dies, indem er das Problem in einen größeren Rahmen stellt und dafür ein Mandat erbittet. In einer letzten Analyserunde untersuchte ich die strukturellen Unterschiede zwischen der UNO, die auf Freiwilligkeit beruht, und der Europäischen Union, in der verpflichtende Rechtsregeln gelten. In einer Welt der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen sei Nüchternheit geboten gegenüber der Illusion konstanter Planbarkeit. Planungssicherheit könne es nie geben in einer Welt, „in der mit der Illusion von einer neuen Weltordnung auch die Illusion beständig machbaren Fortschritts in der Beherrschbarkeit äußerst komplexer und äußerst ungleichzeitiger Möglichkeiten untergegangen ist“ (Kühnhardt 1995, S. 65 ff.).

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Abb. 8.20   In der Steppe der inneren Mongolei bei Hohot (1983). (©Ludger Kühnhardt)

Neben Fragen der internationalen Beziehungen im Zeitalter der Interdependenz und politiktheoretischen Überlegungen im Zeichen der Widersprüchlichkeiten des globalen Zeitalters setzte ich mich mit kulturtheoretischen Themen auseinander. Niemand hatte diese Diskussion so sehr angestoßen wie Samuel Huntington mit seiner 1996 erschienenen Studie Clash of Civilisations (Huntington 1996). Ich hatte ein Jahrzehnt zuvor in Harvard bei Huntington studiert und den Kontakt zu ihm weitergepflegt. Niemand war weltläufiger als er und differenzierter in seiner Analyse. Daher ärgerte es mich massiv, dass seine Studie, mit der er vor einem Zusammenprall von Kulturen als der neuen Quelle von Weltkonflikten warnte, ins Gegenteil verdreht und ihm zumal und ausgerechnet in Deutschland vorgehalten wurde, er strebe ebensolche Kulturkonflikte an. In einer Rezension für die Zeitschrift für Kulturaustausch listete ich unverzüglich die vielen Fehler auf, die die deutsche Übersetzung des Buches enthielt. Samuel Huntington, so bilanzierte ich seine Haltung, schwanke zwischen amerikatypischem Sendungsbewusstsein und einem Führungsverzicht der USA. Festgehalten werden aber musste vor allem sein Diktum, dass eine auf Kulturen basierende Ordnung die beste Schutzgarantie vor künftigen Weltkriegen sei (Kühnhardt 1996b, S. 118 ff.; 1997, S. 4; 1998c, S. 128 f.;

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1998d, S. 34 ff.; 2001b, S. 547). In einem kleinen Essay in der Tageszeitung Die Welt hatte ich schon zuvor darauf hingewiesen, welcher Einwanderungsdruck „sich vor unseren Grenzen zusammenbraue“. Gefordert sei nicht nur bei diesem Thema eine kluge und weitsichtige außenpolitische Strategie, um den Widersprüchen und Spannungen der Globalisierung zu begegnen (Kühnhardt 1996c, S. 4). 2000 fügte ich meine positive Bewertung von Samuel Huntingtons gewichtiger Studie in eine grundsätzliche kulturtheoretische Abhandlung ein, die unter dem Titel „Wahrnehmung als Methode“ auf einen Vortrag am 14. November 1997 in Kiel bei der Ranke-Gesellschaft zurückging (Kühnhardt 2000b, S.9ff.). Ausgangspunkt meiner Überlegungen war ein Plädoyer für die Bedeutung der Wahrnehmung anderer und ihrer „Andersartigkeit“, was ich wertfrei meinte. Wichtig war mir, den Nutzen von Perzeptionen zu erklären, die zugleich Wirklichkeiten sind und in die Gesamtbeurteilung einer kulturellen, gesellschaftlichen oder politischen Realität einfließen. Ich diskutierte die vielschichtigen, ebenso subtilen wie grundsätzlichen Unterschiede zwischen „Verwestlichung“ und „Modernisierung“, rehabilitierte den Begriff der Mentalität in der Analyse von kulturellen Unterschieden und warnte vor dem Fetisch der empirischen Sozialforschung. Durch noch so opulente Methoden der Messung von Realitäten werde die Frage nach ihrer Interpretation und Deutung nicht außer Kraft gesetzt. Dafür aber bedürfe es normativer Maßstäbe, in letzter Instanz des Kriteriums der Wahrheit, das ich unter Verweis auf die berühmte Frage des Pontius Pilatus als ein durchaus heikles Thema ansprach. Subjektivitätsvorbehalte und Objektivierbarkeitsansprüche bestimmten heutzutage weitgehend die Wahrheitssuche in den Sozialwissenschaften. In Walter Lippmanns Studie Public Opinion, die 1922 in New York erschienen war (Lippmann 1922), wurde tiefgründig über Stereotypen nachgedacht. Werteinstellungen, die daraus erwachsen können, müssten immer auch Wandlungsvorgänge in Rechnung stellen und berücksichtigen, um nicht zu kulturwissenschaftlicher Ideologie zu werden. Von Seneca und Cicero über Carl Schmitt und Golo Mann (Mann 1989), Karl Dietrich Bracher und Lothar Rühl fuhr ich die Sichtweise kluger Geister auf, um die Frage nach der angemessenen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Mentalitäten anderer möglichst differenziert zu durchdringen. Mein Aufsatz endete mit „Arbeitsaufträgen für die Geisteswissenschaften“, einer Liste, die, natürlich unvollständig, auch die Kriterien widerspiegelte, die ich bei meinen Feldforschungen und Studienreisen in aller Welt anlegte: 1. 2. 3. 4. 5.

die Verarbeitung der Diktaturerfahrungen des 20. Jahrhunderts, das Verhältnis von Einheit und Vielfalt, nicht nur in Europa, der Zusammenhang von politischer und ökonomischer Entwicklung, das Wechselspiel von Zivilgesellschaft und demokratischem Rechtsstaat, die Bedingungen des Zusammenhalts liberaler Gesellschaften,

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Mentalität, politische Kultur und universale Werte, Bilder über andere als Bilder über sich selbst, die Wechselwirkungen von Religion, Politik und Kultur, Territorialität und Kulturräume, Globalisierung und die Suche nach lokalen Identitätsmustern, die Neubestimmung des Verhältnisses von Innen- und Außenpolitik, zum Zusammenhang von Staatsverfassung und Gesellschaftsverfassung, Weltgesellschaft und der Fortbestand nationaler politischer Systeme, die Formierung von Konflikten und Muster der Konfliktlösung, Feindbilder – Stereotype – Instrumentalisierungen, Relativismus und Universalismus, Interessen und Ideale, Völker und Nationen zwischen Abgrenzung und Verflechtung, Wertbegriffe und Toleranzgebote, eine Welt – verschiedene Wirklichkeiten.

Zur optimalen Perzeption der Welt gehören nicht nur Denkwege und Bücher. Dazu gehören auch Freunde, am besten solche vom anderen Ende der Welt. Seit 1984 habe ich mit keinem anderen Freund so kontinuierlich über den Lauf der Welt diskutiert wie mit Simon Upton, der mich schon kurz nach unserem Kennenlernen in Neuseeland in Harvard besuchte. Die Amerikaner behagten ihm, wie vielen Neuseeländern, nicht so recht. Er fand sie eitel und vorlaut. Simon beeindruckte mich von Anfang an als eine ungewöhnliche Kombination von Country Boy und Weltbürger. Der Sohn eines Farmers aus Hamilton auf der neuseeländischen Nordinsel liebte das Landleben, Fauna und Flora. Das Holzhaus, das seine Frau Bhaady und er zerlegten, durch halb Neuseeland transportierten und auf dem Hügel im Dorf Ngaruawahia wiedererrichtet hatten, war Legende. Jahre dauerte es, bis neue Tapeten die Wände zierten. Aber zwei Dinge durften von Anfang an nie fehlen, um den Fernblick über die Familienfarm zu versüßen: klassische Musik, lautstark intoniert, und ein gutes Dinner nebst exquisiten neuseeländischen Weinen, bei denen es sich im Kerzenlicht stundenlang zivilisiert disputieren und orakeln ließ. Mein erster Aufenthalt in Neuseeland 1984 hatte mit einem Unglück begonnen: Das Motorboot, mit dem ich den prächtigen Hafen von Auckland gezeigt bekam, explodierte. Ich fand mich mit leichten Brandwunden zunächst im Wasser wieder – von dem es hieß, dort gebe es Haifische – und danach in allen Medien des Landes, in dem sich Nachrichten dieser Art schnell herumsprechen (Kühnhardt 2021a, S. 259 ff.).

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Abb. 8.21   Wenn einer eine Reise tut: mit leichten Brandwunden nach der Bootsexplosion im Hafen von Auckland (1984). (©Ludger Kühnhardt)

Simon strebte frühzeitig in die Politik und saß für die National Party von 1981 bis 2001 im neuseeländischen Parlament. Im September 1986 organisierte ich für ihn in Bonn ein Gesprächsprogramm über die Technikfolgenabschätzung, die erstmals den Deutschen Bundestag beschäftigte. Seit 1983 saßen erstmals Abgeordnete der Grünen im deutschen Parlament. Simon fand meine These provokativ und „faszinierend“, wie er mir in einer Rückschau auf unsere Bonner Gespräche am 1. Oktober 1986 schrieb, dass die radikalen Umweltschutzaktivisten auf die natürliche Welt, die sie vorgefunden haben, den spirituellen Handlungsimpetus übertragen haben, die sie häufig in der Religion ablehnten, ohne deren Erbe die moderne westliche Gesellschaft gar nicht erklärt werden konnte. Er war mit mir einig, dass die moderne westliche Welt in Überzeugungen wurzelte, die in religiösen Prägungen jenseits der staatlichen Ordnung gründeten. Er suchte damals nach einer ethischen Basis für Sozialpolitik in nichtmarxistischen Staaten. Der liberale Markt sei amoralisch und das genügte ihm nicht. In der angelsächsischen Tradition waren die darüber hinausgehenden Fragen nie richtig untersucht worden, er reagierte mit Überraschung auf meine Herleitung des Modells der sozialen

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­ arktwirtschaft aus ordoliberalen und katholisch-sozialen Konzeptionen. Davon hatte M er noch nichts gehört. Zugleich wollte er den omnipräsenten Sozialstaat begrenzen, der sich auch in Neuseeland ausgebreitet hatte. 1987 publizierte Simon Upton sein argumentationsstarkes Buch The Withering of the State, das auch manche unserer Diskussionen der vergangenen Jahre widerspiegelte (Upton 1987). 1989 und 1991 durchstreiften wir Mitteleuropa, für Simon das Herz Europas. Neuseeland ging frühzeitiger als andere westliche Länder tiefgreifende Sozialstaatsreformen an, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Abb. 8.22   Mit Simon Upton an der Krateröffnung des Mount Ngauruhoe (1984). (©Ludger Kühnhardt)

1989/1990 wollte es der Zufall, dass Simon sich eine Auszeit im Parlament nahm, um endlich sein Stipendium als Rhodes Scholar am Wolfson College in Oxford zu realisieren. Ich arbeitete zeitgleich am St. Antony’s College weiter an meinem wissenschaftlichen Weg. Unser erster gemeinsamer Weg führte uns nach Bladon, zum Grab von Winston Churchill. Ja, Churchill war in jungen Jahren ein Kolonialimperialist, wohl auch ein Rassist und nach eigener Erzählung im Burenkrieg selbst ein Killer. Aber er war später auch der große, mutige Staatsmann, der Adolf Hitler nicht nur rhetorisch die Stirn bot, sondern die Allianz mit den USA schmiedete, der Heimat seiner Mutter, um das nationalsozialistische Deutschland zu besiegen. Ohne Churchill wäre ich kein freier Europäer geworden, der in Oxford seinen Studien hätte nachgehen können.

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Abb. 8.23   Mit Bhaady Miller, Simon Upton und Peter Kiely in Marienbad (1991). (©Ludger Kühnhardt)

1989 fiel die Berliner Mauer und meine Gespräche mit Simon Upton kreisten unversehens um die Zukunft Europas. Wir grübelten schon damals über eine neue Ostpolitik nach, die nun notwendig würde. Aber nicht nur dies: Wir besprachen auch Überweltliches. Simon führte mich in Oxford in den Evensong im New College ein, den erhebendsten Abendgesang auf der Erde. Immer wieder wollte ich seither an einem Evensong im New College teilnehmen, wenn es mich allein oder mit meiner Familie nach Oxford zog. Simon ist gläubiger Anglikaner, seine Frau Bhaady Mitglied der in Schottland verwurzelten Presbyterian Church. So diskutierten wir auch viel über theologische Fragen. Uptons hatten Sympathie für die Traditionen der katholischen Kirche. Aber das Papstamt war ihnen nie so recht verständlich nahegebracht worden, um es zu akzeptieren. Anfang der 1990er Jahre waren wir nicht nur besorgt, dass der Westen nach dem Ende des Kommunismus zerbrechen könnte. Wir diskutierten auch die immer konturenreichere neue Gefahr: den fundamentalistischen Islam. Auf einen ausführlichen Brief von mir zu diesem Thema vom 10. März 1992 antwortete Simon mit einer

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literarischen Empfehlung: Vielleicht helfe es, Fjodor Dostojewskis Der Idiot zu lesen, die beste Verarbeitung mentaler und moralischer Angst. Neuseeland schien weit weg von Europas unruhiger werdenden Realitäten. Umso mehr zog es Bhaady und Simon immer wieder nach Europa, vor allem nach Mitteleuropa. Mehrfach durchstreiften wir gemeinsam einige der Zonen zwischen Bayern und Böhmen, der Wachau und Sachsen, die es den beiden besonders angetan hatten. 1991 brachten sie ihren Freund Peter Kiely mit, einen international tätigen Anwalt. Von den Stimmungen in Marienbad und Karlsbad ließ er sich ebenso einnehmen, wie ihn das Konzentrationslager Theresienstadt erschütterte, das auf unserem Programm stand wie das magische Prag.

Abb. 8.24   Simon Upton und seine Frau Bhaady Miller mit Enikö und mir vor Schloss Sanssouci in Potsdam (1995). (©Ludger Kühnhardt)

Von 1990 an war Simon Upton Minister, zunächst für Gesundheit, Umweltschutz, Wissenschaft und Forschung, ab 1993 bis 1999 nurmehr für Umweltschutz. Dies war eine Mammutaufgabe, selbst im so grünen Neuseeland. 1993 konnte ich mich davon bei einem ausführlichen Aufenthalt in Neuseeland überzeugen (Kühnhardt 2021a, S. 444 ff.). Bei unseren Gesprächen in Simons Farmhaus lief im Hintergrund, wenn irgend möglich, Musik von Richard Strauss. Zusammen mit unseren Frauen Bhaady und Enikö durchstreiften wir die Naturparadiese der Nordinsel und begegneten eindrucksvollen Persönlichkeiten. Mir schien Neuseeland damals Paradebeispiel für eine Art gelungener westlicher Perestroika zu sein, wie ich am 5. Januar 1994 an Simon schrieb. Wir führten unsere Diskussionen über die fundamentalen Identitätsdebatten in der ­westlichen Welt

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fort. Bald richtete sich unser Diskussionsfokus auf die Folgen der Globalisierung. Geschichte aber war immer präsent bei all unseren Zukunftsspekulationen. 1995 trafen wir uns in Berlin am Rande der ersten Nachfolgekonferenz des Rio-Gipfels von 1992 über Klimaschutz und Entwicklung. Bhaady und Simon wollten den Cecilienhof in Potsdam sehen, den Ort der Potsdamer Konferenz von 1945, und Schloss Sanssouci. 1998 übernahm Simon neue Aufgaben bei der OECD in Paris. Ich lud ihn zu einem Vortrag in Bonn ein, um aus seiner Sicht über die Folgen der Globalisierung für Europas Rolle und Wahrnehmung in der Welt zu referieren (Upton 1998). Er hielt die Post-Rio-Agenda für „voluminous and unachievable“. Aber immerhin: Spätestens seit dieser Zeit wird weltweit in politischem Kontext über den Zusammenhang Klimaschutz und Entwicklung gearbeitet und auch angesichts divergierender Interessen gerungen. Das Thema wurde gewiss nicht erst 2019 von der „Fridays-for-Future“-Bewegung erfunden.

Abb. 8.25   Mit Simon Upton vor dem Sheldonian Theatre Oxford (2006). (©Ludger Kühnhardt)

Simon Upton und seine Familie zogen am 14. Januar 2001 für einige Jahre nach Paris. Wir trafen uns dort bereits einen Tag nach ihrer Ankunft am 15. Januar 2001, da ich zufälligerweise in der Stadt zu tun hatte. Die baldige Einführung des Euro, die Simon

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mit Skepsis verfolgte, und der Terrorismus, der nach „9/11“ nicht mehr nur mit Literatur bekämpft werden konnte, dominierten unsere Gespräche in dieser Zeit. 2002 besuchte Simon meine Familie und mich in Washington. 2004 trafen wir uns in Paris am Palais Chaillot, dort, wo 1940 Adolf Hitler und Albert Speer gestanden hatten, wie mein Freund nicht ohne Sinn für historischen Humor sogleich anmerkte. Schon trat Simon auf, als habe er noch nie anders als ein „homme de lettre“ des Pariser Bürgertums gelebt. Aber Mitteleuropa blieb für ihn das Herz Europas. Opernaufführungen von Richard Strauss führten uns in München und in Dresden zusammen. Musik als gelebte Globalität. Bis 2005 leitete Simon Upton den Round Table on Sustainable Development bei der OECD, lange bevor die UNO die Ziele der Nachhaltigkeit für alle Welt definierte. Es folgten bis 2017 lange und arbeitsintensive Jahre als Leiter der Umweltabteilung der OECD. Dann zog es Simon und Bhaady wieder nach Neuseeland. Unterdessen hatten ihre beiden Kinder nach Ende der Schulzeit eigene Wege aufgenommen. Die Farm in Ngaruawahia wartete und ein weiteres öffentliches Amt, das des Parliamentary Commissioner for the Environment. Aus seiner ersten E-Mail zurück in Neuseeland vom 27. Juli 2017 sprach ein Simon Upton, der zutiefst über die Entwicklungen in der atlantischen Welt pessimistisch, fast schon depressiv war. Jahre des Reformstaus, allzumal in Frankreich. 2015 Kontrollverlust angesichts islamischer Migration, zumal in Deutschland. Schließlich am 8. November 2016 die amerikanischen Präsidentschaftswahlen mit dem Sieg von Donald Trump: „New Zealand is at least a place one can seek refuge and weather the storm.“ Mich hatten Simons Lebenslauf und sein öffentliches Engagement stets beeindruckt. Wir diskutierten immer wieder über neue und alte Bücher, über Georg Steiners In Bluebeard’s Castle (Steiner 1971) und Edward Gibbons The History of the Decline and Fall of the Roman Empire (Gibbon (1776) 1994). Beschenkt fühlte ich mich durch viele Gespräche über Kunst, vor allem über Opernmusik. Er, ein neuseeländischer Weltbürger, hatte mich den deutschen Opern nahegebracht, Richard Wagner und Richard Strauss. Ich musste ihn immer wieder in seiner schwankenden Sympathie für Frankreich stützen und erst recht seine britisch geprägte Euroskepsis bremsen. Aber ist das nicht der Sinn der Freundschaft, dass sie auch vom Widerspruch lebt und durch Ergänzung die eigene Weltverortung stärkt? 2020 brach die Corona-Pandemie aus. Die Welt danach würde eine andere werden. Es war an der Zeit, die Welt aufzuheben, die sich mir in den vergangenen fünf Jahrzehnten präsentiert hatte. Ich bearbeitete die Aufzeichnungen, die ich bei allen meinen Aufenthalten außerhalb von Deutschland verfasst hatte. Verknüpfte Welten wurde ein Quellenband ganz eigener Art, der der künftigen Forschung über die Zeitgeschichte vielleicht an der einen oder anderen Stelle Impulsgeber werden kann (Kühnhardt 2021a, 2022a). In mehreren aufeinanderfolgenden Seminaren an der Universität Bonn ging ich Jahr um Jahr die Fragestellung durch, welche Interaktionen es in den vergangenen sechs Jahrzehnten zwischen Entwicklungen in der Welt und der

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europäischen Einigung gegeben hatte. So wollte ich zum zeithistorischen Wissen der Studierenden beitragen, getreu dem von mir 1986 rezensierten Buchtitel Polarität und Interdependenz. Wer nach 2020 in die Universität eintrat, war um 2000 herum geboren worden. Meine Erfahrungen und Erinnerungen aus dieser Zeit, geschweige denn aus den 1960er, 1970er, 1980er und 1990er Jahren mussten logischerweise steinzeitlich auf die nächste Generation wirken. Aber auch auf der Steinzeit würde künftig alles aufbauen, was vor der Post-Corona-Welt lag.

Abb. 8.26   Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 1 (1960– 1999; 2021a). (©Springer)

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Abb. 8.27   Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien – Band 2 (2000– 2020; 2022a). (©Springer)

In Verknüpfte Welten präsentierte ich die Welt, wie ich sie in sechs Jahrzehnten erlebt hatte. In Kap. 1 („Eine Zwischen-Zeit: Die Welt entdeckt sich selbst“) führte ich in die Reisenotizen ein, die ich in allen Ländern und so vielen unselbstständigen Territorien der Welt gemacht hatte (Kühnhardt 2021a, S. 1–26). Ich knüpfte an den Roman Die letzte Welt von Christoph Ransmayr an und an wissenschaftliche Zugänge zu den Bildern, die wir uns von der Welt formen (Ransmayr 1988). Mentale Landkarten erwähnte ich, die ich in 235 Ländern und Territorien der Erde mit Leben zu füllen gesucht hatte. Eine Unterscheidung zwischen Zentrum und Peripherie hatte ich nie vorgenommen. Ebenso ließ ich mich nie von einer fixen Theorie leiten. Ich erfuhr die Welten als miteinander verknüpft, je mehr ich mir von der Welt aneignen konnte. Zwischen den 1960er und den 2010er Jahren waren die Verbindungen und Verknüpfungen in der Welt auf unvergleichliche Weise verstärkt worden. Damit wuchs natürlich auch die Anfälligkeit der

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zunehmend globalisierten Welt, wie die Corona-Pandemie 2020 brutal zeigte. Über 50 Aufenthalte in Asien, über 30 Aufenthalte in den USA und ebenso viele Aufenthalte in Afrika, zehn Aufenthalte in Ozeanien und jeweils ebenso viele Aufenthalte in Südamerika und in der Karibik, ein Aufenthalt in Antarktika und endlos viele Aufenthalte in allen Ländern Europas hatte ich erlebt. Das Reisen, so schrieb ich, war mir zum Aufenthalt geworden. Fast 14 Jahre meines bisherigen Lebens hatte ich mich bis zur Niederschrift von Verknüpfte Welten außerhalb von Deutschland aufgehalten. Das Reisen war mir stets, ich bekenne es gerne, die gelungenste Daseinsform. Zwei Sachverhalte waren besonders bedeutsam für den Gang der 60 Jahre, die ich Revue passieren ließ, bemerkte ich im Vorwort zu Verknüpfte Welten: Der explosionsartige Anstieg der Weltbevölkerung und die fast erdumspannende Ausbreitung souveräner Staaten. 1958, in meinem Geburtsjahr, lebten 2,9 Mrd. Menschen auf der Erde. 1970 waren es 3,7 Mrd. Menschen. 2020 bewohnten 7,7 Mrd. Menschen den Planeten. Für 2058 wird mit 9,8 und für 2100 mit 11,2 Mrd. Menschen gerechnet. 1945 wurden die Vereinten Nationen von 45 Staaten gegründet. 1958 existierten 68 anerkannte Staaten auf der Welt. 1972 nahmen Sportler aus 122 Ländern an den Olympischen Spielen in München teil. 2020 waren 193 Staaten Mitglied der Vereinten Nationen. Die Konsequenzen der beiden Entwicklungen im Bereich der Demographie und der Staatenbildung würden, davon war ich überzeugt, Wirkungen auf das ganze weite 21. Jahrhundert und wohl auch die Zeit danach haben. Umso hilfreicher könnte es sein, sich der Wege zu vergewissern, die die Menschheit in den letzten sechs Jahrzehnten gegangen war.

Abb. 8.28    Tagebuch-Niederschrift während der Fahrt in der Transsibirischen Eisenbahn zwischen Peking und Moskau (1984). (©Ludger Kühnhardt)

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Die großen Stichworte der Jahrzehnte standen in jedem Geschichtsbuch: Kalter Krieg und Ost-West-Konfrontation, Atombedrohung und Systemwettbewerb, Dekolonialisierung und Entwicklungsparadigma, Armutsbekämpfung und Wohlstandsmaximierung, Gesundheitsverbesserung und Mobilitätszuwachs, technischer Fortschritt und Globalisierung, Rohstoffexploration und Umweltprobleme, Souveränität und Identität, die Suche nach Anerkennung und der Konflikt mit „dem anderen“. Die europäische Einigung und regelbasierter Multilateralismus gehörten ebenfalls zur Bilanz der Jahrzehnte zwischen 1960 und 2020. Es war viel zu früh, von einem zu Ende kommenden Zeitalter der Globalisierung zu sprechen, wie dies mancher im Angesicht der CoronaPandemie tat. Ich war überzeugt: Globalisierung würde weitergehen, aber mehr denn je war ihre Unzulänglichkeit deutlich geworden. In meinen Aufzeichnungen verwoben sich Blicke auf Europa und Blicke eines Europäers auf die Welt. Dies war seit Jahrhunderten ein Thema der europäischen Geschichtsschreibung gewesen. Ich ergänzte dieses große Thema um meine bescheidene Sicht auf die Interaktionen Europas mit der Welt. Ich erwähnte Reiseschriftsteller und Soziologen, Publizisten und Historiker, um meinen Beitrag einzuordnen. Ich gliederte die Themen, um die sich meine eigene Begegnung mit der Welt rankte, in fünf Phasen.

Abb. 8.29   Das einzige Ziel, das ich nie erreichte: Timbuktu. 52 Tage Kamelritt von Zagora im südlichen Marokko (1986). (©Ludger Kühnhardt)

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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1. Meine ersten Entdeckungen der verknüpften Welten fanden in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in Europa statt. Sie verliefen zeitgleich zum Aufbau der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie wurden vertieft durch die Konfrontation mit den aufwühlenden Verbrechen, die in deutschem Namen begangen worden waren, bei einem Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz. Für immer verinnerlichte ich die anhaltende Verantwortlichkeit für die Lehren, die wir Nachgeborene aus den Grauen des deutschen und jedes totalitären Terrors ziehen mussten. Meine zweite Phase der Entdeckung verknüpfter Welten in Europa vollzog sich in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts inmitten des Niedergangs einer widergeschichtlichen Teilung und des Aufbruchs in eine neue europäische Hoffnungsepoche.

Abb. 8.30   Mit meinem Kommilitonen Stephan Richter, später Chefredakteur des InternetInformationsdienstes „The Globalist“, unter grusinischen Juden in Jerusalem (1987). (©Ludger Kühnhardt)

2. Vieles von dem, was Europa in späterer Zeit verwirren und erschüttern sollte, so fuhr ich fort, hätte man in Europa früher wissen können. Die Verantwortlichen hätten mancherlei Zeichen an der Wand ehrlicher lesen müssen. Sie hätten früher und besser hinhören können, wie Europa in der Welt wahrgenommen wurde und was in der Welt sich alles zu ändern begonnen hatte. Der Global Turn, schrieb ich, fand nicht über Nacht statt. In den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts begann ich damit, verknüpfte Welten in China und Lateinamerika zu entdecken. Einher gingen damit Neubewertungen des postkolonialen Denkens in den Nullerjahren und der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts. 3. Parallel zu den Entdeckungen der Verknüpfung weit entfernt liegender Welten durchstreifte ich seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts die unmittelbaren Nachbarschaften Europas. Zu diesem Kennenlernen der Nachbarschaften gesellten sich

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die Nachbarn hinter den Nachbarn, einschließlich des Irans mit seinem, wie ich mir notierte, islamischen Gegenuniversalismus. Dazu gehörten auch das Kennenlernen der anhaltenden Unsicherheiten im postsowjetischen Raum und die Vorboten des Arabischen Frühlings, der nach 2011 rasch einem Arabischen Winter wich.

Abb. 8.31   Mit meinem Freund Hüseyin Bagci vor der Celsus-Bibliothek in Ephesos (1988). (©Ludger Kühnhardt)

4. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte meine Entdeckung verknüpfter Welten über den Atlantischen Ozean hinweg begonnen, ohne dass ich die USA und Kanada je anders als Teil einer gemeinsamen atlantischen Zivilisation empfunden hätte. Auf Dauer sollte niemand in Europa die USA abschreiben, auch wenn sie durch Krisenjahre gingen. Die USA würden immer benötigt für das Management des globalen Regierens.

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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5. Zu meinen letzten Entdeckungen verknüpfter Welten gehörten maritime Fragen. Zu Aufenthalten in den weiten Meeresräumen des Nord- wie des Südatlantiks sowie im Indischen Ozean und im Pazifik kam 2020 eine Anlandung in Antarktika dazu, dem drittgrößten, bisher unbewohnten Kontinent der Erde. In Antarktika konnte ich auf völlig neue, noch weithin unbekannte und doch bereits verknüpfte Welten blicken, die zugleich neue Konflikte in sich bergen. Der Gesamtüberblick meiner weltweiten Feldforschungen und Studienreisen stellt sich wie folgt dar: Europa: Bundesrepublik Deutschland: seit 1958. Königreich der Niederlande: 1960, 1965, 1973, 1980, 1984, 1988, 1990, 1992, 1995, 1998, 1999, 2001, 2002, 2007, 2010, 2011, 2012, 2016, 2017, 2018, 2019. Schweiz: 1965, 1972, 1975, 1976, 1977, 1978, 1980, 1981, 1982, 1983, 1985, 1986, 1987, 1989, 1991, 1992,1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1999, 2003, 2005, 2007, 2009, 2011, 2017, 2018, 2019. Liechtenstein: 1972, 1993, 2009. Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland: 1974, 1986, 1989, 1990, 1991, 1992, 1994, 1996, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2005, 2006, 2009, 2010, 2018, 2019. Irland: 1974, 1998, 2002. Frankreich: 1974, 1976, 1981, 1985, 1986, 1987, 1988, 1989, 1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2019. Monaco: 1974. Tschechische Republik: 1976, 1990 (Tschechoslowakei), 1991, 1992, 1993, 1996, 1998, 1999, 2001, 2012. Polen: 1976, 1990, 1991, 1992, 1995, 1997, 1999, 2004, 2007, 2012, 2013, 2014. Deutsche Demokratische Republik: 1976, 1978, 1980, 1990. Österreich: 1978, 1989, 1990, 1993, 1994, 1995, 1998, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020. Ungarn: 1978, 1988, 1990, 1993, 1994, 1995, 1998, 2001, 2002, 2007, 2009, 2014, 2016, 2018. Italien: 1978, 1981, 1983, 1985, 1987, 1988, 1989, 1991, 1992, 1994, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020. Vatikan: 1978, 1985, 1994, 2001, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2012, 2014, 2015, 2017. Luxemburg: 1980, 1988, 1995, 1999, 2000, 2003, 2018. Belgien: 1980, 1985, 1987, 1992, 1994, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019. Griechenland: 1981, 1997, 1998, 2001, 2012, 2017, 2018. Serbien: 1981, 1990 (Jugoslawien), 2001, 2002, 2004, 2011. Dänemark: 1982, 1995, 2003, 2018. Schweden: 1982, 1996, 1997, 1998, 2003. Norwegen: 1982, 2002, 2019. Russland: 1984 (Sowjetunion), 1992, 1998. Spanien: 1985, 1986, 1987, 1988, 1995, 1998, 2001, 2003, 2004, 2006, 2007, 2008, 2009, 2011, 2013, 2014. Portugal: 1986, 1999, 2007, 2008, 2010, 2013, 2016, 2017. Türkei: 1988, 1995, 1997, 1999, 2000, 2003, 2005, 2006, 2011, 2012, 2016, 2017. San Marino: 1990. Albanien: 1990, 2001, 2004. Estland: 1992, 1994, 1999, 2000, 2007, 2018. Litauen: 1992, 1994, 1999, 2003, 2004, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019. Lettland: 1992, 1999, 2004, 2008, 2017. Ukraine: 1992, 1995, 1999, 2002. Slowakei: 1993, 1995, 1998, 1999, 2002, 2017. Rumänien: 1993, 2000, 2002, 2004, 2014. Bulgarien: 1993, 1999, 2000, 2002, 2004. Mazedonien: 1993, 2002, 2004. Belarus: 1994. Finnland: 1994, 2001, 2018. Slowenien: 1994, 2002, 2003, 2004, 2007. Malta: 1994, 2003, 2005, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020. Andorra: 1995. Republik Moldau: 1995, 2015. Georgien: 1996, 2005. Armenien: 1996. Aserbaidschan: 1996. Island: 1997. Zypern: 1997, 2009. Kroatien: 1998, 2000, 2002, 2003, 2004. Bosnien-Herzegowina: 2000, 2003. Montenegro: 2001, 2004, 2018. Gibraltar (britisches Überseegebiet): 2001, 2009, 2013. Kosovo: 2002, 2004, 2011.

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Afrika: Tansania: 1977, 1980, 2014. Ägypten: 1980, 2004, 2018. Seychellen: 1980. Dschibuti: 1980. Somalia: 1980. Kenia: 1980. Äthiopien: 1980, 2008, 2012. Malawi: 1980. Botswana: 1980, 2014. Sambia: 1980. Simbabwe: 1980. Marokko: 1986, 2000, 2008. Tunesien: 1990, 2001. Namibia: 1991, 2018. Südafrika: 1991, 2013, 2018. Algerien: 2000. Libyen: 2001. Nigeria: 2007. Mauretanien: 2008. Gambia: 2008. Guinea-Bissau: 2008. Sierra Leone: 2008. Guinea: 2008. Senegal: 2008, 2013. Cabo Verde: 2008, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2018. Benin: 2009, 2010. Togo: 2009. Ghana: 2009, 2013. Liberia: 2009. Elfenbeinküste: 2009. Niger: 2009. Burkina Faso: 2009. Mali: 2009. Sudan: 2010. Äquatorialguinea: 2010. Kamerun: 2010, 2012. Kongo-Brazzaville: 2010. Demokratische Republik Kongo: 2010. Gabun: 2010.

Abb. 8.32   Bootsfahrt mit Harry Stephan und weiteren südafrikanischen Freunden um das Kap der Guten Hoffnung (1991). (©Ludger Kühnhardt)

São Tomé e Principe: 2010. Angola: 2010. Burundi: 2012. Ruanda: 2012. Uganda: 2012. Südsudan: 2012. Tschad: 2012. Zentralafrikanische Republik: 2012. Mosambik: 2013. Swasiland: 2013. Lesotho: 2013. Eritrea: 2013. Madagaskar: 2014. Komoren: 2014. Mayotte (französisches Überseedepartement): 2014. Réunion (französisches Überseedepartement): 2014. Mauritius: 2014. Saint Helena (britisches Überseegebiet): 2018. Asien: Pakistan: 1979. Indien: 1979, 1980, 1981, 1982, 1983, 1989, 1994, 2007. Nepal: 1979. Sri Lanka: 1979, 1982. Bangladesch: 1979, 1982, 1983. Burma: 1979, 2007. Israel: 1980, 1988, 2007, 2013. Thailand: 1981, 2000, 2007. Malaysia: 1981, 1998. Singapur: 1981, 1984, 1998, 2005. Indonesien: 1981, 2007, 2019. Philippinen: 1981, 1984, 2005. Hongkong: 1981, 1983 (britische Kronkolonie), 2001, 2005, 2017 (chinesische Sonderverwaltungszone). Macao (portugiesische Kolonie): 1983. Volksrepublik China: 1983, 1984, 2001, 2004, 2005, 2016, 2017, 2018, 2019. Taiwan: 1983, 2002, 2005. Südkorea: 1982, 1983, 2003, 2004, 2005, 2010, 2019. Japan: 1983, 1984, 2005, 2015. Iran: 1991, 2005. Kasachstan: 1992, 1995, 1997. Usbekistan: 1992, 1997, 2013. Kirgisien: 1995, 1997. Turkmenistan: 1997. Tadschikistan: 1997. Brunei: 1998. Libanon:

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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1999. Syrien: 1999, 2003. Jordanien: 1999, 2004. Laos: 2000. Vietnam: 2000. Kambodscha: 2000. Mongolei: 2001. Saudi-Arabien: 2002. Vereinigte Arabische Emirate: 2002, 2009, 2015. Katar: 2002. Nordkorea: 2002. Malediven: 2003. Kuwait: 2003. Bahrain: 2003. Oman: 2003. Jemen:

Abb. 8.33   Mit den britischen Journalisten Tira Shubert und John Simpson auf dem Maidan in Isfahan (1991). (©Ludger Kühnhardt)

2004. Bhutan: 2007. Palästinensische Autonomiegebiete: 2007, 2013. Irak: 2011. Afghanistan: 2013. Amerika: Jamaika: 1979. Haiti: 1979. USA: 1984, 1985, 1987, 1988, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2010, 2011, 2014, 2017, 2019. Kanada: 1984, 1995, 2002, 2010, 2017. Dominikanische Republik: 1995. Guatemala: 1995, 2005. Mexiko: 1995. Argentinien: 1999, 2011, 2020. Uruguay: 1999. Chile: 1999, 2018, 2019. Bermuda (britisches Überseegebiet): 2000. Bahamas: 2000. Brasilien: 2003, 2008, 2020. Paraguay: 2003. Kuba: 2003. Venezuela: 2004. Kolumbien: 2004. Ecuador: 2004. Peru: 2004. Bolivien: 2004. Belize: 2005. Honduras: 2005. El Salvador: 2005. Costa Rica: 2005. Nicaragua: 2005. Panama: 2005. Guyana: 2006. Suriname: 2006. FranzösischGuyana (französisches Überseedepartement): 2006. Trinidad and Tobago: 2006. Grenada: 2006. St. Vincent and the Grenadines: 2006. St. Lucia: 2006. Barbados: 2006. Martinique (französisches Überseedepartement): 2016. Guadeloupe (französisches Überseedepartement): 2016. Dominica:

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2016. Antigua and Barbuda: 2016. Montserrat (britisches Überseegebiet): 2016. St. Kitts and Nevis: 2016. Sint Maarten (autonomes Land innerhalb der Niederlande – „landen“): 2016. Saint Martin (französisches Überseegebiet – „collectivité d’outre mer“): 2016. Saba (besondere Gemeinde der Niederlande – „bijzondere gemeente“): 2016. Sint Eustatius (besondere Gemeinde

Abb. 8.34   Erstmals reise ich mit Enikö nach Ungarn (1993). (©Ludger Kühnhardt) der Niederlande – „bijzondere gemeente“): 2016. Anguilla (britisches Überseegebiet): 2016. Saint-Barthélemy (französisches Überseegebiet – „collectivité d’outre mer“): 2016. British Virgin Islands (britisches Überseegebiet): 2016. US Virgin Islands (nichtinkorporiertes Territorium der USA): 2016. Puerto Rico (nichtinkorporiertes Territorium der USA): 2016. St. Pierre et Miquelon (französisches Überseegebiet – „collectivité d’outre-mer“): 2017. Cayman Islands (britisches Überseegebiet): 2017. Turks and Caicos Islands (britisches Überseegebiet): 2017. Curaçao (autonomes Land der Niederlande – „landen“): 2017. Bonaire (besondere Gemeinde der Niederlande – „bijzondere gemeente“): 2017. Aruba (autonomes Land der Niederlande – „landen“): 2017. Falklandinseln (britisches Überseegebiet): 2018. Ozeanien: Australien: 1984, 2007, 2015, 2019. Neuseeland: 1984, 1993, 2015. Tonga: 1993. Fidschi: 1993, 2015. Cookinseln (selbstverwaltet in freier Assoziierung mit Neuseeland): 1993. Französisch-Polynesien (französisches Überseegebiet – „collectivité d’outre-mer“): 1993, 2019. Palau: 2005. Föderierte Staaten von Mikronesien: 2005, 2015. Guam (nichtinkorporiertes Territorium der USA): 2005, 2015. Commonwealth of Northern Mariana Islands (nichtinkorporiertes Territorium der USA): 2005. Neukaledonien (französisches Überseegebiet – „collectivité sui generis“): 2007, 2019. Vanuatu: 2007. Solomon Islands: 2007. Papua-Neuguinea: 2007. Timor-Leste: 2007. Marshall-Inseln: 2015. Nauru: 2015. Kiribati: 2015. Samoa:

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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2015. Amerikanisch-Samoa (nichtinkorporiertes Territorium der USA): 2015. Tuvalu: 2015. Niue (selbstverwaltet in freier Assoziierung mit Neuseeland): 2015. Pitcairn (britisches Überseegebiet): 2019. Wallis et Futuna (französisches Überseegebiet – „collectivité d’outre-mer“): 2019.

Antarktika: britisches Antarktisterritorium/argentinisches Antarktisterritorium/ chilenisches Antarktisterritorium/britisches Antarktisterritorium: 2020. 235 Länder und Territorien habe ich kennengelernt, alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, einen unterdessen ersatzlos untergegangenen Staat und 41 Territorien mit eingeschränkter Selbstbestimmung beziehungsweise internationaler Anerkennung ihrer Souveränität. In einigen Fällen löste sich ein Staat später auf, den ich besucht habe, und hatte sich selbst oder seine Einzelstaaten verändert, als ich zurückkehrte. Einige wenige Orte auf der Welt habe ich nicht gesehen. Einzig, dass ich nicht nach Timbuktu hatte kommen können, bedauerte ich zutiefst. Die Gefahr einer Entführung durch islamische Terroristen ließ einen bereits in allen Einzelheiten vorbereiteten Aufenthalt 2009 im letzten Augenblick platzen. Anlässe, Umstände und Funktionen der Aufenthalte in 235 Ländern und Territorien, die ich über sechs Jahrzehnte aufzeichnete, waren unterschiedlicher Natur. Ich erwähnte in meiner Einführung in die Reisenotizen einige der tiefgreifendsten, prägendsten Eindrücke, die ich gewinnen konnte. 1980 starben vor meinen Augen in Somalia unterernährte Flüchtlingskinder in der sengenden Hitze der ausgetrockneten Steppe. 1985, bei einer Tagung in den USA, wurde ich gefragt, ob Deutschland angesichts der niedrigen Geburtenrate von 60 Mio. auf 30 Mio. Einwohner schrumpfen könnte. Wäre es dann aber gut oder schlecht, wenn Deutschland ein Einwanderungsland werde und sich dazu endlich bekenne, wurde ich gefragt? Es dauerte bis 2015, ehe dann die Welle illegaler Einwanderung nach Deutschland aus dem Ruder lief. 1995 drängte Edward Teller, der

Abb. 8.35   Die kleine Kamera reist immer mit (1994). (©Ludger Kühnhardt)

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Erfinder der Wasserstoffbombe, mich dazu, die Livermoore Laboratories zu besichtigen. Mehr als jemals zuvor oder danach verstand ich in der Wüste Kaliforniens die Basis der Innovationskraft und strategischen Führerschaft der USA. 2008 erlebte ich in Addis Abeba, dass und wie die Europäische Union damit begonnen hatte, Afrika wiederzuentdecken und dem Kontinent endlich größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. 2013 bestaunte ich in Afghanistan die groteske Begegnung zwischen einem stolzen, weithin vormodern lebenden, durch und durch islamischen Volk mit dem westlichen Fortschrittsbegriff, der sich in Regime Change, Stabilisierung durch massive Militärpräsenz und einer Art erzwungener, vordergründiger Liberalität präsentierte. Waren die Taliban wirklich vertrieben oder nur in die unwirtlichen Bergwelten am Hindukusch verdrängt, wo sie sich erneut für ihr Programm antifortschrittlichen islamischen Totalitarismus stählten? 2015 machte ich in Tuvalu, einem der kleinsten Staaten der Erde, die überraschende Entdeckung, dass entgegen den allseits beklagten Gefährdungen des Atolls infolge des weltweiten Klimawandels und der Folgen des Anstiegs des Meeresspiegels dort die von Menschen bewohnte Fläche in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen war. Aushandlungsprozesse über die Zukunft müssten stets sehr differenziert betrachtet werden, wurde mir wieder einmal deutlich. 2016 hörte ich in Shanghai, die nächste chinesische Studentengeneration strebe nur nach Konsum und einem guten Leben. Was würde das für den neuen Systemwettbewerb zwischen autoritärem Staatskapitalismus und Demokratien auf der Suche nach nachhaltiger Lebensweise bedeuten, von dem so viel die Rede war? 2020 erlebte ich in Brasilien beim Ausbruch der Corona-Pandemie, dass die Schwellenländer am ärgsten zurückgeworfen werden, wenn die Globalisierung nicht weitergehen würde. Es war für mich nicht überraschend, dass das Corona-Virus in Ländern wie Haiti und Niger am spätestens eintraf. Die, die am wenigstens in die globalisierte Welt integriert sind, leiden am spätesten. Aber auf Dauer leiden sie am meisten, wenn es nicht weitergehen würde mit der Stärkung der Widerstandskraft aller und der Bekämpfung der Widersprüchlichkeiten in unserer verknüpften Welt. Die Notizen, die ich zu dem Buch Verknüpfte Welten verarbeitete, gerieten zu einem Lesebuch über Kreuzungen in einer verknüpften Zeitgeschichte. Menschen und Orte wurden zu Zeitzeugen, die ich sprechen lassen wollte. Das Gliederungsschema von Verknüpfte Welten folgte Zyklen von jeweils einem Jahrzehnt, mit Ausnahme des ersten Kapitels, wo ich Notizen aus zwei Jahrzehnten präsentierte: Kap. 2 stellte ich unter die Überschrift „Souveränität: Europäische Transformation und außereuropäische Pyrrhussiege (1960–1979)“ (Kühnhardt 2021a, S. 27–89). Meine erste Weltentdeckung fand 1960 statt. Auf dem Rücksitz des Fahrrads meiner Großmutter fuhr ich über die deutsch-niederländische Grenze. In Holland kaufte meine Oma günstig Butter ein. Neben uns warteten Lastwagen geduldig auf die Abfertigung. Der europäische Binnenmarkt war in den Kinderschuhen wie ich selbst. Während im

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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Osten des Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg das Modell sowjetischer Transnationalität als Zwangskorsett unterdrückter Eigenstaatlichkeit und nationaler Identität einstweilen akzeptiert werden musste, begann im Westen des Kontinents mit der atlantischen Allianz und den römischen Verträgen eine völlig neue Wirklichkeit transnationaler Interdependenz. NATO und EWG entfalteten sich geradezu spiegelverkehrt zur schließlich fast erdumspannenden Ausbreitung des Prinzips autonomer nationalstaatlicher Souveränität. Vielfach erlebte die südliche Hemisphäre damals allerdings Pyrrhus-

Abb. 8.36   Bei Scheich ul Islam Pashazade Allahashakur Humatoglu in Baku mit Hans-Gert Pöttering, Reinhard Stuth und dem deutschen Geschäftsträger Jasper Wieck (1996). (©Ludger Kühnhardt)

siege des Souveränitätsdogmas. Bei ersten Aufenthalten in Ostafrika, in Südasien und in der Karibik wurde ich mit diesen Realitäten vertraut. Kap.  3 behandelte „Aufbrüche zu Freiheit und Globalisierung (1980–1989)“ (Kühnhardt 2021a, S. 91–372). Mit der exponentiellen Zunahme von technischen Erfindungen beschleunigte sich die Vernetzung der Welten, noch bevor der Begriff der Globalisierung zum Mantra einer neuen Epoche wurde. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Einparteiendiktaturen zog der Geist von Freiheit und menschlichem Aufbegehren seine Bahn. Der Wille zu einem Leben in Würde und Freiheit blieb aber

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weiterhin Millionen von Menschen versagt, die aufgrund der Armut, in der sie lebten, oder aufgrund der Diktaturen, unter denen sie litten, an vielen Orten der Erde auf Hoffnung und Anerkennung warten mussten. Am Horn von Afrika, in Ost- und Nordafrika, in Südasien, im Nahen und im Fernen Osten, in Ozeanien, in der Sowjetunion, in Nordamerika und in Europa gewann ich ein immer besseres Bild von den Macht- und Entscheidungsfragen des Jahrzehnts zwischen 1980 und 1989. Kap. 4 stellte ich unter das Motto „Kein Ende der Weltgeschichte und Europas Europäisierung (1990–1999)“ (Kühnhardt 2021a, S. 373–608). Weltgeschichte kannte kein Ende, sondern erlebte in den 1990er Jahren eher einen neuen Anfang. In Europa gab es neuen Schub für die Idee der Europäisierung. Es kam zu grundlegenden Integrationsfortschritten jenseits der Staatlichkeit. Neue Identitätskonflikte brachten aber auch den Krieg zurück nach Europa (Jugoslawien). In West- und Osteuropa, in Südafrika und im Nahen Osten, in den USA und in Ozeanien, in Südostasien und in Zentralasien, im Kaukasus und in Südamerika wurde mir deutlich, dass und wie Gesellschaften und Völker überall Respekt einfordern. Zugleich werden sie immer ausdifferenzierter, je stärker sie miteinander in Berührung traten. Mit Kap. 5 begann der zweite Band von Verknüpfte Welten. Ich überschrieb Kap. 5 mit „Europa und der global turn: Ohnmachtserfahrungen und Inspirationsquelle der Welt (2000–2009)“ (Kühnhardt 2022a, S. 1–468). Der Global Turn verlangte von Europa, zu lernen, dass und wie in anderen Regionen nach den dort üblichen Gesetzen und Traditionen um öffentliche Güter und politische Ordnungen gerungen wird. Dies geschah und geschieht weiterhin oft im massiven Gegensatz zu den in Europa mühsam entwickelten Verhaltensweisen, auch wenn der Rahmen des souveränen Staates doch für alle Menschen in der Welt gleich scheint. Zwar wurde die europäische Integrationserfahrung eine Quelle der Inspiration für Prozesse des Region-Building in anderen Gegenden der Welt. Zeitglich aber nahm ein neuer Wettbewerb souveräner Großmachtrivalität zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China seinen Lauf. Reisen und Aufenthalte in Nord- und Südamerika, in der arabischen Welt und in Afrika, in Süd-, Südost- und Ostasien, in Ozeanien sowie in West- und Osteuropa hatten meinen Sinn für die Umbrüche geschärft, die in diesem Jahrzehnt stattfanden. Kap. 6 nannte ich „Gefährdete Globalisierung und Europas Selbstbehauptung (2010–2019)“ (Kühnhardt 2022a, S. 469–894). Neue ökonomische Nationalismen und altbekannte Muster geopolitischer Aggression – so bilanzierte ich meine Notizen von Aufenthalten in Afrika, Asien und Ozeanien, in Nordamerika, in Südamerika und in der Karibik, in Europa und in den mit der EU assoziierten überseeischen Ländern und Territorien – vermischten sich zu einer strukturellen Gefährdung regelbasierter Austragungsmuster globaler Aushandlungsprozesse. Europa wurde erschüttert durch den Import von Instabilität und ihren Folgen. Die Bedeutung globaler Aufgaben wie diejenige, gemeinsame Antworten auf den unausweichlich gewordenen Klimawandel zu

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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Abb. 8.37   An der Mauer in Bethlehem (2007). (©Ludger Kühnhardt)

geben, wuchs gleichzeitig mit der Hilflosigkeit gegenüber allen, die einzig an die unilaterale Verfolgung ihrer Interessen dachten, notfalls mit Gewalt als Mittel der Politik. Die EU wollte endlich ein geopolitischer Akteur werden, wurde ihren Bürgerinnen und Bürgern von der 2019 installierten neuen EU-Führungsmannschaft versprochen. Widersprüche und Disruptionen, so notierte ich umgehend, würden nicht ausbleiben, im Inneren wie außerhalb Europas. Kap. 7 lautete „Epochenwechsel: Erste Ausblicke auf die Post-Corona-Welt (2020)“ (Kühnhardt 2022a, S. 895–955). Die Post-Corona-Welt der 2020er Jahre – so schien es mir gleich beim Ausbruch der Pandemie in Europa, Lateinamerika und in ­Antarktika unaufhaltsam – werde neue Rahmenbedingungen setzen, alte Machtverhältnisse bestätigen und bestehende Spannungen in aller Welt verschärfen. Wandel und Globalisierung aber würden weitergehen, weil die Welt weitergeht und Globalität nicht ungeschehen gemacht werden kann. Die Hoffnung, dass Ideologiebildungen in einer Welt pragmatischen Neben- oder Miteinanders verschwinden, habe sich immer wieder als voreilig erwiesen. Angesichts neuer Eruptionen von emotional getriebener Unvernunft endete ich meinen Blick in die Post-Corona-Welt mit Verweis auf die Antike: Wie bei Sisyphos würde der Stein der Vernunft immer wieder den Berg hinaufgeschoben werden müssen, um die Einsicht in den Nutzen und die Plausibilität gemeinsamer Regeln zu stärken. Noch auf dem Rückflug von Brasilien, wo mich die Corona-Pandemie

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erreicht hatte, nach Deutschland, wo ein allgemeiner Lockdown wartete, entwickelte ich am 20. März 2020 Umrisse einer Forschungsagenda für die Post-Corona-Welt. Jedes der Kapitel begann mit einer stichwortartigen Rückblende auf die wichtigsten Ereignisse in jedem der Jahre, an die erinnert wurde. Die kurze Faktenrückblende verwies auf Ereignisse, die für Europa und für die Interaktion der Welt mit Europa wichtig gewesen waren. Jedes Kapitel endete mit einer umfassenden Literaturliste, die alle im Text erwähnten Aufsätze und Bücher enthielt – meine eigenen wie viele derer, die ich jeweils in den entsprechenden Namen gelesen hatte. Band 1 begann mit einer Chronologie der Länder und Territorien sowie den Jahreszahlen, in denen ich sie kennengelernt hatte. Hinzu kam ein umfangreiches Abkürzungsverzeichnis. Beide Bände endeten mit

Abb. 8.38   Umgeben von menschlichem Leid vor dem Tempel von Kali, der Göttin der Zerstörung und des Todes, in Kolkata (2007). (©Ludger Kühnhardt)

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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einem sehr ausführlichen und gewissenhaft zusammengestellten Verzeichnis der Ortsnamen und der Personennamen. Ich illustrierte die Tagebuchnotizen mit Photographien, die die Aussagen des Textes und die Reichweite meiner Suche nach den verknüpften Welten gut verdeutlichten. Mit Verknüpfte Welten legte ich in zwei voluminösen, sorgfältig lektorierten und schön editierten Bänden eine wissenschaftliche Quelle zur zeitgeschichtlichen Entwicklung und Dialektik des globalen Zeitalters vor. Es waren, so hatte ich mein Vorwort begonnen, „Puzzle-Steine eines Rückblicks auf die sechs Jahrzehnte von 1960 bis 2020“, die ich durch die unterdessen schicksalhaft verknüpften Welten gereist bin (Kühnhardt 2021a, S. vii). Verknüpfte Welten waren nicht mehr und nicht weniger als ein Lesebuch, das aufbewahrt, was bald schon meiner Erinnerung entschwinden könnte. Aus einem bald nach Erscheinen der beiden Bände geradezu ins Uferlose anschwellenden Rückfluss von Reaktionen aus aller Welt auf die Reisetagebücher zitiere ich eine mehr als schmeichelhafte Auswahl: „werde sehr aufmerksam diese Weltreisen mitmachen“ (Henri Ménudier, Universität Sorbonne Paris); „werde mich gerne der Lektüre widmen“ (HansAdam II., Fürst von Liechtenstein); „Es wird wohl wenige Menschen geben, die wie Sie die Welt bereist und erfahren haben. Es war eine ausgezeichnete Idee, die Texte zu veröffentlichen“ (Wolfgang Schmale, Universität Wien); „Prächtige Gabe, welche den analytischen Scharfblick und den feinsinnigen Rückschluss vom scheinbar Akzidentiellen auf das Allgemeine und Grundsätzliche in der Kühnhardt'schen Perspektive vereint“ (Matthias Herdegen, Universität Bonn); „Schon beim ersten Durchblättern bin ich auf interessante Impulse gestossen“ (Ludwig Schick, emeritierter Erzbischof von Bamberg); „Jetzt brauche ich noch etliche weitere Tage, ja Wochen, um die ganze Lesearbeit zu vollziehen und mich subtil fortzubilden. Ich staune!“ (Werner Weidenfeld, Universität München);  „Du schreibst spannend, ohne lange Umschweife, in einem fast emblematischen Stil...Und jede Begegnung findet sich im Buch als kleine, fein ziselierte Miniatur“ (Christoph Böhr, Universität Heiligenkreuz).           „Was für ein opus magnus, zeitgeschichtlich, persönlich, weltumspannend und ein Fundus für die wissenschaftliche Nachwelt... Wir haben in der Tat „Verknüpfte Welten“ erlebt, wie die Netze der Welt engmaschiger wurden und wie sie zur Zeit allenthalben wieder reißen. Bahnen sich „Zerbrochene Welten“ an? (Ulrich Guntram, früherer CEO von Axa Art); „Mir fehlen die Worte...fast...Ich werde mit Ihnen die Wanderung durch so vieler Menschen Städte machen“ (Christiane Liermann Traniello, Generalsekretärin, Deutsch-Italienisches Zentrum Villa Vigoni); „Deine Notizen sind ein eindrücklicher Beweis, dass die Herausforderungen der globalen Welt nicht auf wenige Federstriche reduziert werden können. Viele Entwicklungen fordern ihren Respekt. Ignoranz führt zu Konflikt und oft zu Gewalt. Das muss eine Lehre sein.“ (Roland Koch, Ministerpräsident von Hessen a.D.); „Dies ist wahrhaftig ein großes Zeitdokument, das von Deinem weiten Weltblick und Deinem unermüdlichen Engagement Zeugnis ablegt“ (Dirk Rochtus, Handelshogeschool

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Antwerpen). „I do not read German...but - luckily enough! - electronic tools make it possible for me to access the contents. And I can easily appreciate the few but significant photos you included“ (Simona Beretta, Università Cattolica di Sacro Cuore, Milan); „Darin verbinden Sie verschiedene Perspektiven Ihres wissenschaftlichen Wirkens mit biographischen Bezügen und Rekonstruktionen dieser neuen Welten im Verbund mit den großen Herausforderungen, vor denen wir stehen“ (Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen); „Es zeigt, dass Sie einen langen Atem haben. Die einleitenden Abschnitte mit ihren theoretischen Reflexionen haben mich auf die Berichte über die Länder neugierig gemacht“ (Wolfgang Bergsdorf, früherer Berater von Bundeskanzler Kohl und Präsident der Universität Erfurt); „They will occupy a prominent place in my library with the other works of friends and colleagues“ (Joe Borg, früherer EU Kommissar und Außenminister von Malta). „Vorhin habe ich die 1001 Seiten fertig gelesen (nicht alles, aber das meiste). Gelernt habe ich vor allem viel über schwer zugängliche Gebiete wie Nordkorea und Libyen, und über die vielen, vielen Inseln und Mirkostaaten von der Karibik bis zu den Pazifikinseln, zudem über die kleinen mittelamerikanischen Staaten. Ich vermute, dass Du einen Eintrag im Guiness Book erhieltest, wenn es diese Kategorie gibt: wer die meisten Inseln und Kleinstaaten der Welt besucht hat“ (Robert von Lucius, Publizist); „Eine wirklich interessante Literatur zum 'Schmökern“ (Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising); „Ihre Lebensführung und Empfehlung im Text, unmittelbar nach Reisen zu protokollieren, was man erleb t und wen man getroffen hat, wirkt sich nun in der Jahrzehnte umfassenden Bilanz besonders aus...So entstand ein Werk ganz eigener Kategorie, ein neues Format, das seine eigene Bedeutung hat, auch als Nachschlagewerk dienen kann“ (Tilman Mayer, Universität Bonn); „Kein anderer deutscher Politikwissenschaftler dürfte annähernd derart viele Reisen ins Ausland unternommen haben. Sie haben ja noch Peter Scholl-Latour übertroffen. Was Sie nun überaus anschaulich zu Papier gebracht haben, ist Wahnsinn“ (Eckhard Jesse, Universität Chemnitz). „So langsam habe ich mich eingelesen in das Riesenwerk Ihrer Gedanken und Erinnerungen: Die Impressionen aus aller Welt, die kraft einer hegelianischen List der Vernunft ein bewegliches Ganzes ergeben, geeint durch die Person des Beobachters und Interpreten, den Klarsicht, Urteilskraft und Sprachmächtigkeit auszeichnen wie auch die Gabe des Erzählens, der die einzelnen Bäume beschreibt, aber damit auch den Wald schildert... Hinter den zahllosen Details steht die prinzipielle Affirmation der Wirklichkeit der Lebenswelt, die, wenn sie auch vielfältige Kritik verdient, die Hoffnung nährt, gut zu werden“ (Josef Isensee, Universität Bonn); „What an excellent documentation it is! On that it would be both easy and difficult to write a political autobiography“ (Géza Jeszensky, ehemaliger ungarischer Außenminister); „Überaus eindrucksvoll“ (Sönke Neitzel, Universität Potsdam); „I'm proud to be in  it. Some people may think the worl is a sin gle entity but the differences are stark, especially between the dictators and the democracies“ (Jeffrey Herf, University of Maryland); „Ich blättere nun nicht mehr, sondern mache es wie die mittelalterlichen Ritter, die zur Begründung ihrer Rechtsauf-

8.5  Verknüpfte Welten: Notizen aus 235 Ländern und Territorien …

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fassung einfach die Bibel (oder den Koran) aufschlugen und immer einen guten Gedanken fanden“ (Botschafter a.D. Hans-Ulrich Seidt). „Für mich ist die Essenz Ihrer Aufzeichnungen, dass die Geschichte nicht stillsteht und die Zusammenhänge vielfältig und mitunter auch erst bei genauer Betrachtung erkennbar sind“ (Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen); „Ich bin außer Atem, wenn ich nur die verschiedenen Orte aufzähle“ (Matti Wiberg, Universität Turku); „I recall our conversations with fondness, and I am eager to start reading your book, which is sure to provide an illuminating account of global fynamics over the past fifty years. Indeed, as you said, there is much to be learnt from the satudy of global history; according to the old adage: 'those who fail to study history are doomed to repeat it’...Your holistic account of the core challenges and transformations within and between countries will provide important reflections and insights for the shape of international relations in the future“ (Prinz Hassan bin Talal, früherer Präsident des Club of Rome, Royal Palace Amman); „Das ist ein fulminantes Werk, das fast ein eigenes literarisches Genre bildet“ (Hartmut Ihne, Präsident Hochschule Bonn-Rhein-Sieg). „...an impressive work...“ (Steve Szabo, German Marshall Fund of the United States); „eine phantastische Quelle für einen Historiker“ (Frédéric Bozo, Université Sorbonne Nouvelle Paris); „Haben Sie sehr herz-

Abb. 8.39   Mit dem Parlamentspräsidenten von Kiribati, Taomati Iuta, in Bairiki (2015). (©Ludger Kühnhardt)

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lichen Dank für diesen Schatz, an dem Sie mich mit Ihrem Werk so umfänglich und gleichermaßen nachdenklich wie unterhaltsam teilhaben lassen“ (Christine Lieberknecht, ehemalige Ministerpräsidentin von Thüringen); „Ich bin erneut tief beeindruckt von Deiner Schaffenskraft und der Disziplin, die in diesen der Reisezeit abgetrotzten Notizen zum Ausdruck kommt - aber auch von Deinem sehr deutlich werdenden Ansatz, Dir Welt und Politik reisend und in der Begegnung mit Menschen zu erschliessen. Vermutlich gibt es keinen Politikwissenschaftler von Gnaden auf dieser Erde, der so weitgereist ist wie Du - so eine Art Alexander von Humboldt der Politikwissenschaft“ (Botschafter HansDieter Lucas); „I deeply respect the fact that you have continued to think sincerely about how to build a better world always looking forward in the midst of the world's increasing chaos“ (Shuji Saito, Tokyo Institute of Technology); „Das ist wirklich ein spannendes Lesebuch“ (Matthias Wissmann, ehemaliger Bundesverkehrsminister); „...of enciclopedic importance...“ (Milenko Petrovic, National Center for Research on Europe, Canterbury University Christchurch). „Ein superinteressantes Buch“ (Germano Gehrke, Universität Blumenau); „Die langjährigen Aufzeichnungen und Beobachtungen Ihrer Reisen sind äußerst interessant...und bieten Anreize für neue Blickpunkte auf diese bewegten Jahre“ (Wolfgang Schäuble, ehemaliger Bundesinnenminister); „L'opera è davvero importante...particolarmente in questo momento storico“ (Lorenzo Ornaghi, emeritierter Rektor der Katholischen Universität Mailand und früherer italienischer Kultusminister). „Vergleichbares kenne ich bisher noch nicht. In vieler Hinsicht ist die Publikation Ihrer Notizen bewundernswert, mutig und höchst instruktiv; bewundernswert, weil das regelmässige Schreiben parallel zu und nach den Reisen sehr viel Kraft erfordert haben muss, ganz abgesehen von der notwendigen Disziplin und dem steten Zwang zur Aufmerksamkeit; mutig, weil Sie Ihre eigenen zeitgenössischen Einschätzungen dem Urteil der Geschichte überlassen, sie de facto aus der Hand geben; schliesslich hochaufschlussreich, weil sie die Herausforderungen durch eine immer enger verknüpfte Welt thematisieren und nachfühlbar machen...aufklärerische Weltbeobachtungen des Weltbürgers“ (Armin Heinen, RWTH Aachen); „Eine weltrekordverdächtige Leistung...Die Bände sind eine Fundgrube und Quelle für überraschende, neue Erkenntnisse und auch weitere Forschungen. Den das Gesamtwerk einleitenden Artikel 'Eine Zwischen-Zeit: Die Welt entdeckt sich selbst' (S.1-26) möchte ich gerne meinen Master-Studierenden als wichtige Lektüre empfehlen“ (Uwe Holtz, Universität Bonn, ehemaliger Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusmamenarbeit); „Ein Meister des Tagebuchs“ (Karl Kaiser, Belfer Center for Science and International Affairs, Harvard University); „'Verknüpfte Welten' tgrifft in der Tat das dringlichste Thema unserer Zeit“ (Feng Jiang, Präsident Shanghai International Studies University); „Die Bände stellen einen einmaligen Einblick in Deine Arbeit, Interessenkreise, Erfahrungen und Analysen dar...eine wertvolle Bereicherung für alle“ (Andras Inotai, Institut für Weltwirtschaft, Ungarische Akademie der Wissenschaften); „Was für

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ein Leben! Welches Glück, es so leben zu dürfen“ (Martin Kämpchen, Schriftsteller, Santiniketan). Martin Kämpchen machte mich mit seinem Kompliment demütig: Ich fühlte mich in der Tat von aller Welt beschenkt.

8.6 The post-corona world. A research agenda (Kühnhardt 2021b) Die Corona-Pandemie überraschte meine Frau und mich Ende März 2020 in Brasilien. Ein Forschungsaufenthalt an der Universidade Federal de Santa Catarina (UFSC) in Florianópolis hatte kaum begonnen, da wurden wir sozusagen aus dem Paradies vertrieben (Kühnhardt 2022a, S. 897 ff.). Mir war sofort klar, dass Schwellenländer wie Brasilien in ganz besonders schwerwiegender Weise getroffen werden würden. In ganz Lateinamerika war der Anteil der Armen zwischen 2000 und 2014 42,8 % auf 23,3 % gesunken. 122 Mio. Lateinamerikanern war es gelungen, sich aus der gröbsten Armut zu befreien. Schon der Einbruch der Rohstoffverkaufspreise nach 2013 hatte dramatische Folgen: 115 Mio. Menschen verarmten seit 2014 wieder. 2018/2019 bahnten sich plötzlich und eruptiv Unruhen eine Bahn in Brasilien und dann in Chile, in Bolivien und in Argentinien. Ganz zu schweigen von den strukturellen Zerrüttungen in Venezuela, die das Land seit spätestens 2018 zu einem „failed state“ hatten werden lassen. Dann kam Corona und Lateinamerika wurde eines der Epizentren der Pandemie. Ich dachte sogleich daran, dass der Weg durch die Pandemie nicht kalkulierbar sein würde und manches wilde Medienspektakel nach sich ziehen dürfte. Aber was dann? Irgendwann wäre es wieder an der Zeit, besonnen Maß zu nehmen und über die Erfahrungen zu reflektieren, die die Menschheit als Lerngemeinschaft gewonnen hatte. Noch während ich auf den Flughäfen in Florianópolis und Sao Paulo darauf hoffte, zusammen mit meiner Frau mit einer der letzten Maschinen nach Europa zurückkehren zu können, ehe ein allgemeines Flugverbot einsetzte, entwickelte ich die Konturen einer künftigen Forschungsagenda für die Post-Corona-Welt. Dabei organisierte ich meine Gedanken um acht Forschungsfelder herum, die produktive Erkenntnisse über den Umgang der Menschheit mit der außergewöhnlichsten Krise des globalen Zeitalters bringen dürften. Es war für uns beide schließlich eine Flucht hinein ins Auge des Hurrikans. In Deutschland begannen gerade der steile Anstieg der ersten Infektionswelle und der erste allgemeine Lockdown. Nach einem Jahr sollte Europa im Blick auf die Todeszahlen der am meisten von den Folgen der Corona-Pandemie betroffene Kontinent sein. Ökonomisch aber ging es anderen Weltregionen noch weit schlechter. Eines nur war für alle Welt im Verlauf des Jahres 2000 unausweichlich geworden: Corona verfügte über den Ausnahmezustand, paraphrasierte ich eine berühmte These des Rechtsphilosophen Carl Schmitt (1922). Ein unsichtbares Virus bestimmte Not-

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Abb. 8.40   Noch tanzt Brasilien, doch das Corona-Virus ist schon unterwegs: beim Karneval in Florianópolis (2020). (©Ludger Kühnhardt)

verordnungen und Tagesordnungen, Parlamentsbeschlüsse und tiefgreifende Freiheitseinschränkungen im Alltag der Menschheit. Corona war der neue Weltsouverän. Ich überprüfte eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie meine frühen Hypothesen und stellte fest, dass ich sie zwar verfeinern konnte, aber nicht grundlegend ändern musste. Das Krisenmanagement der allermeisten Staaten der Erde fixierte sich auf die Frage nach der Zahl der angesteckten Menschen. Die Fixierung auf diese Inzidenzen unterwarf die ganze Menschheit einem Experiment. Die Sars-Pandemie 2003 hatte 600.000 Tote hinterlassen. Die furchtbare Ebolakrise in Westafrika hatte im Jahr 2013 rund 13.000 Menschenleben gefordert. Nun aber waren Menschen in faktisch allen Ländern und Territorien der Erde betroffen. Die Zahl der Infizierten und Toten schoss alsbald in horrende Millionenhöhe. Anfangs zählte ich noch mit und konsultierte täglich die Daten der Johns-Hopkins-Universität. Am 8. März 2020 wurden weltweit 137.445 Infizierte und 5088 Tote registriert. Am 20. März 2020, als Enikö und ich unter Mühen mit einem der letzten Flugzeuge, das Richtung Europa aufbrach, Brasilien verlassen konnten, waren weltweit 245.484 Infizierte und 10.031 Tote registriert. In Deutschland

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warteten am nächsten Tag ein ausgestorbener Frankfurter Flughafen und ein allgemeiner Lockdown auf meine Frau und mich (Kühnhardt 2022a, S. 951 f.). Bis zum 20.März 2023 wurden weltweit über 600 Millionen Infizierte und über sechs Millionen Tote, aber auch mehr als 1,3 Milliarden Geimpfte registriert. Über Jahre hatten Experten vor einer globalen Pandemie gewarnt. Wieder einmal hatte sich das politische Leben überall auf die Pathologien und Liebhabereien der Gegenwart konzentriert. Nie bewiesen werden konnte die Behauptung, dass mit Vorsorgemaßnahmen die Corona-Weltpandemie hätte verhindert werden können. Vorausschauende Planung und proaktivere Solidarität beim weltweiten Zugang zu Impfstoffen hätten aber gewiss nur einen Bruchteil dessen gekostet, was die Menschheit an sozialen und ökonomischen Folgeschäden schultern musste. Für Utilitaristen ist üblicherweise das höchste Glück die möglichst hohe Zahl von Glücklichen. Die Corona-Pandemie hatte der Menschheit urplötzlich eine neue Definition vorgegeben, um auf die Welt zu schauen: Das höchste Unglück ist die Summe des möglichen Unglücks aller. Nur wer die Krankheit durchgemacht hat und genesen ist, war von dem Unglück befreit, das die Krankheit bringen kann. Jedenfalls galt dies im Normalfall, denn die Menschheit musste auch lernen, dass eine zweite Ansteckung mit dem Corona-Virus nicht unmöglich ist. Der Umgang mit dieser Paradoxie glich einem globalen Experiment. Ich veröffentlichte meine Analyse unter dem Titel „The postcorona world. A research agenda“ als ZEI Discussion Paper (Kühnhardt 2021b). Für die Folgenverarbeitung würde es, so setzte ich methodologisch den Rahmen für eine künftige Forschungsagenda, notwendig sein, die starre Fixierung in den Wissenschaften auf die zwei Kulturen zu überwinden. 1959 hatte Charles Percy Snow ihre Unversöhnlichkeit behauptet (Snow 1959). In der Corona-Pandemie war seine Behauptung widerlegt worden. Nur im Wechselspiel von Naturwissenschaften und Geistes- und Kulturwissenschaften könnte die Menschheit angemessene Erkenntnisse aus der Pandemie ziehen. Die Fixierung auf naturwissenschaftliche Sichtweisen, auf die Zahlen der Intensivmedizin, auf Befunde der Epidemiologie und der Virologie, auf Impfstoffe und öffentliche Gesundheitssysteme war ebenso einseitig wie eine rein sozioökonomische Sicht, die aus Angst vor Erschütterungen in Wirtschaft und Gesellschaft die menschliche Dramatik der Pandemie zu relativieren neigte. Beide Sichtweisen würden zusammengehören für eine transdisziplinäre Aufarbeitung der größten Gesundheitskatastrophe der modernen Welt. Die erste Untersuchungsebene, die ich empfahl, bezog sich auf moralische Dilemmata. Sie waren auf vielerlei Weise in der Pandemie zutage getreten. Zu forschen wäre über die Kriterien, um das Verhältnis von nicht erforderlichem Leid gegenüber nicht verhinderbarem Leid künftig besser zu bestimmen. Es ging im Letzten um die Abwägung zwischen dem Gut des Lebensschutzes durch maximale Konzentration auf Gesundheitsmaßnahmen und dem Gut des menschlichen Wohlergehens jenseits der Gesundheit. Mit der Pandemie hielt ein neues Vokabular Einzug in die öffentlichen Diskurse. Der Begriff der „Übersterblichkeit“ gehörte dazu, ebenso der

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Abb. 8.41   Auf der chilenischen Antarktisbasis Gabriel González Videla (2020). (©Ludger Kühnhardt)

Begriff „Lockdown“. Zu den tiefer liegenden moralischen Dilemmata aber gehörte die Auseinandersetzung mit dem Tod und den Grenzen der Hoffnungen, die der moderne medizinische Fortschrittsbegriff für Gesundheit und ein langes, scheinbar endloses Leben geprägt hat. Ich beklagte schmerzhaft, dass in der tiefen existenziellen Krise der Corona-Pandemie so wenige gute Beiträge von exponierten Führern der Weltreligionen zu vernehmen waren. Wo war, fragte ich, etwas von einer Ethik des Leidens zu hören und über die Zerbrechlichkeit allen Lebens, um mit Worten des Trostes der hilflosen Angst über die Wucht des Unbekannten wenigstens eine ihrer Spitzen zu nehmen. Es wäre an der Zeit gewesen, theologisch klar und deutlich das Geheimnis des Lebens auf seine letztendliche Unverfügbarkeit durch einen fortschrittsgewissen Menschen zu beziehen. Die Religionsführer dieser Welt aber blieben weithin stumm. Sie hatten moralisch und theologisch in ihrer großen Mehrheit über die Grenzen aller Weltreligionen hinweg versagt. Bei einem Disput über diese Frage mit Ruhrbischof FranzJosef Overbeck am 8. Oktober 2020 riet ich dem Bischof, das tiefgründige und den im Westen grassierenden Fortschritts- und Selbsterlösungsbegriff ironisierende Buch des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers José Saramago Eine Zeit ohne Tod zu lesen

8.6  The post-corona world. A research agenda (Kühnhardt 2021b)

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(Saramago 2007). Offenbar hatten sich selbst die christlichen Kirchen in einer solchen Zeit eingerichtet, die doch eigentlich ihr „Geschäftsmodell“ von Tod und Auferstehung endgültig infrage stellen musste. Eine zweite Untersuchungsebene einer Post-Corona-Agenda für die Wissenschaften würde sich mit dem Angstfaktor befassen müssen. Neben der Theologie und der Moralphilosophie würde es auch Anfragen an die Medien geben müssen, aber auch an die Sozialpsychologie und die Angstforschung. Die Frage nach der Angst und die Reflexion über die Verhältnismäßigkeit öffentlicher Entscheidungen müsste im Zusammenspiel der verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen aufgearbeitet werden. Dabei wäre es von Interesse, im weltweiten Maßtab zu untersuchen, ob Gesellschaften mit einer überdurchschnittlich älteren Bevölkerung anders reagiert hatten als solche mit einer überdurchschnittlich jungen Bevölkerung. Auch von Interesse wäre, ob es Reaktionsdifferenzen zwischen eher religiösen und stärker säkularisierten Gesellschaften gegeben hatte. Ich prognostizierte, dass es künftig gewiss auch Thriller-Autoren geben werde, die sich der Corona-Thematik annehmen werden. Die dritte Ebene künftiger Forschung würde die Frage nach der Schuld behandeln oder besser: die Frage nach Ursachenversäumnissen und systembedingten zeitlichen Verszögerungen in der unmittelbaren Krisenreaktion. Hier werde es nicht weiterhelfen, mit Schuldzuweisungen zu operieren, auch nicht gegenüber China, wo das Corona-Virus zum ersten Mal aufgetreten war. Konstruktiv werde nur sein, aus den Versäumnissen in Bezug auf eine rechtzeitige Vorsorge und in Bezug auf die angemessene Katastrophenreaktion zu lernen. Die vierte Forschungsebene müsse die Frage aufarbeiten, die ich schon einige Jahre zuvor in Anknüpfung an Karl Popper in meiner Studie The Global Society and its Enemies aufgeworfen hatte (Kühnhardt 2017b). Es musste inmitten der Krise und ihrer Nachwirkungen offenbleiben, was erst langfristige Forschung würde verstehen und beantworten können: Würde aus der einzigartigen Erfahrung menschheitlicher Gemeinsamkeit in der Bedrohung durch einen neuen Virus ein Schub an Humanität und Mitmenschlichkeit erwachsen, möglicherweise sogar an einklagbarer Solidarität? Oder würde der Rückzug ins tribalistische Dasein befördert werden, der Abriss allgemeinmenschlicher Humanitätsvorstellungen zugunsten atavistischer und darwinistischer Stammesverhaltensweisen, für die der moderne Nationalstaat einen Rahmen bietet? Bruchlinien hatten sich bereits mitten im Krisengeschehen gezeigt. Signale eines neuen Darwinismus waren gelegentlich nicht zu übersehen, in aller Welt. Ideenpolitische Untersuchungen wären nützlich, auch über die Reichweite von Verschwörungstheorien und die Symbolisierungsbeispiele, die mit der Corona-Pandemie einhergingen, etwa im Blick auf vergleichbare Ereignisse in der Weltgeschichte. Die fünfte Forschungsebene müsste sich sehr energisch mit Fragen der öffentlichen Gesundheit in allen Aspekten, sowohl den medizinischen wie den ökonomischen und

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ethischen, befassen. Zu den Lernerfordernissen gehörte zweifelsfrei, dass die Menschheit nur dann vor künftigen Pandemien geschützt sein wird, wenn die Widerstandskraft aller Gesundheitssysteme in allen Ländern der Erde verbessert werde und wenn es einen gerechten Zugang für alle Länder zu Impfstoffen und Therapien gibt. Prävention habe aber ihren Preis und werde daher zum Testfall für Solidarität zwischen den reichen und den armen Gesellschaften der Erde. Interessant dürfte sein, ob das globale HygieneErziehungsprogramm, das während der Corona-Pandemie stattfand, anschließend bestehen bleiben würde. Ich warf auch Fragen nach Tabus auf, wie beispielsweise dem der zu großen Nähe zwischen Mensch und Tier, zumal Haustieren, wodurch die Gefahr des Überspringens neuer Viren auf den Menschen objektiv wachse. Die sechste Untersuchungsebene für künftige Forschung lokalisierte ich im Kontext der wirtschaftlichen Folgen von Corona und ihrer Bewältigung. Faktisch wurden fast in aller Welt Gesetze des rationalen Wirtschaftens durch menschlichen Willensakt außer Kraft gesetzt. Die Folgen von unterbrochenen Produktions-, Mobilitäts- und Lieferketten setzten den Mechanismus des Marktes aus, der auf Angebot und Nachfrage beruht. Normalerweise entstehen Wirtschaftskrisen, wenn die Nachfrage abnimmt. Die CoronaPandemie kehrte Ursache und Wirkung um: Absichtliche, bewusste Angebotskürzungen und Nachfrageeinbrüche erfassten bald ganze Volkswirtschaften und damit auch die weltwirtschaftlichen Interdependenzen. Im Einklang mit der OECD und dem Internationalen Währungsfonds hatte ich frühzeitig prognostiziert, dass Schwellenländer und die ärmsten Entwicklungsländer am härtesten von den ökonomischen Erschütterungen getroffen sein würden. Neben den volks- und betriebswirtschaftlichen sowie währungspolitischen Analysen warf die Corona-Erfahrung auch Fragen an die Verhaltensökonomie auf: Was besagte es über die ökonomische Rationalität von Krisenreaktionen, dass Menschen proaktiv aus Angst vor dem Zusammenbruch der Gesundheitssysteme Angebotsreduzierungen und Mobilitätsaussetzungen willentlich herbeigeführt haben?  Neue Grundsatzdiskussionen über das Verhältnis von Markt und Staat dürften folgen. Die siebte Untersuchungsebene dürfte sich besonderen öffentlichen Interesses erfreuen: die Frage nach dem politischen Management. In freien Gesellschaften wurde mit stereotyper Gewohnheit darauf verwiesen, dass autokratisch und diktatorisch regierte Staaten in geringer Weise auf die Gefühle, vor allem auf die Ängste, ihrer Bevölkerungen Rücksicht nehmen müssen. So konsequent dieser Unterscheidungsansatz in akademischen Lehrbüchern seine Berechtigung hat, so wenig erfasste dieser Ansatz allein den Ausnahmezustand der Corona-Pandemie. Radikaler Freiheitsverzicht als Bedingung für weitgehende Sicherheit – das chinesische Modell wird in westlichen Ländern niemals auf große Zustimmung stoßen. Zur Wahrheit gehört aber auch: In China hat die rigorose Durchsetzung des Prinzips Sicherheit gegenüber dem Prinzip Freiheit funktioniert. Umgekehrt gilt für freiheitliche Gesellschaften: Ihr Ringen um eine Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit hat enorm viele Varianten des politischen Managements generiert. Damit waren ein beständiger Lernprozess und eine Kultur von Versuch und Irrtum verbunden, die nahezu endlose Fragestellungen für künftige vergleichende Forschung nach sich ziehen dürfte.

8.6  The post-corona world. A research agenda (Kühnhardt 2021b)

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Die achte, spezifisch politikwissenschaftliche Untersuchungsebene dürfte sich mit den machtpolitischen Implikationen der Corona-Pandemie auseinandersetzen. Bedauerlicherweise würden viele der ärmsten Länder des globalen Südens auch auf Dauer erleben müssen, dass sie infolge der Corona-Pandemie eher wieder zurückgefallen sind. Zumindest dürfte das Entwicklungsniveau vieler dieser Länder auf lange Zeit in der Post-Corona-Welt stagnieren. Insgesamt werde die Neuausrichtung vieler Staaten auf Dauer weitreichende Folgen für das machtpolitische Ringen in der Welt haben. Diese Einschätzung bezog ich auf Volkswirtschaften und ihre Branchen, auf Staaten und regionale Großräume, schließlich auf die Organisationsformen der globalen wirtschaftlichen Interaktionen und der zwischenstaatlichen beziehungsweise multilateralen politischen Kooperationsstrukturen. Ich diskutierte die Ausgangslage und die Potentiale der großen Mächte. Mehr noch als die UNO war in den Jahren nach der Weltfinanzkrise die G20-Staatengemeinschaft charakteristisch geworden für einen Modus Vivendi im Angesicht weltweiter Managementaufgaben. Unklar blieb einstweilen, ob, wie ich formulierte, der weltweite Nichtangriffspakt halten würde und mithin der Wille zur mühsamen Verstetigung multilateraler Formen des Regierens. Sorgen machte ich mir auch, ob bei künftigen Machtkämpfen um Ehre, Einfluss und Ressourcen in der PostCorona-Welt auch damit gerechnet werden müsste, dass biologische Waffen zum Einsatz kommen könnten. Nachfolgend diskutierte ich den Umgang der Europäischen Union mit der CoronaPandemie. Ich präsentierte Argumente für eine Anpassung des Lissabon-Vertrages, um die Grundlagen einer Gesundheitsunion mit stärkeren Befugnissen der EU im Falle künftiger Pandemien zu schaffen. Dies werde eine Schlüsselfrage für den Erfolg der 2021/2022 stattfindenden Konferenz zur Zukunft Europas, die die Europäische Kommission initiiert hatte. Schließlich reflektierte ich über den Zusammenhang von Resilienz und Fragilität in der globalen Welt. Nie sei so deutlich geworden, dass strategische Vorausschau vor allem auch Fragen der menschlichen Sicherheit betrifft. Gleich zu Beginn meiner Analyse hatte ich davon gesprochen, dass die CoronaPandemie das erste genuin globale Ereignis sei, das der gesamten Menschheit gleichzeitig auf gleiche Weise widerfahren ist. Damit, so argumentierte ich, habe die Corona-Pandemie die Übergangszeit zum globalen Zeitalter beendet. Es bedürfte ausführlicher Analysen, um meine Vermutung zu stützen, dass das ganze Jahrhundert vom Ersten Weltkrieg bis 2020 eine welthistorische Zwischenzeit gewesen ist, ähnlich wie etwa in der altägyptischen Geschichte von der Hyksos-Zwischenzeit gesprochen wird (1648–1550 vor Christus zwischen der 13. und der 17. Dynastie). Bisher hatten sich alle während dieses Zeitraums verwendeten „Welt“-Begriffe nur auf einen Teil der Welt bezogen: Weltkriege, Weltwirtschaft, Weltordnung. Das Corona-Virus aber wurde zur Erfahrung aller Völker und Menschen in allen Ländern und Territorien der Erde. Fortan hatte der „Welt“-Begriff eine eindeutigere Bedeutung als vor der Pandemie. Zumindest in symbolischer Hinsicht hatte endgültig das globale Zeitalter begonnen. 2010 hatte ich eine Sammlung meiner Aufsätze aus Jahren 2000 bis 2010 noch so betitelt: Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (Kühnhardt 2010b). Das war eine phänomeno-

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logische Aussage. Spätestens mit Beginn der Post-Corona-Zeit war der wissenschaftstheoretische Referenzbegriff für künftige reflexive Welt-Deutungen einschlägig und konnte künftig nicht mehr hintergangen werden: Globalität. Corona war aber nicht nur ein abstraktes Phänomen. Corona griff in unser aller Lebensgefühl ein. Nirgendwo empfand ich die Differenz eines Lebens vor Corona und eines Lebens nach Corona so stark wie bei meiner jährlichen Gastprofessur an der Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität Mailand. Vom 25. bis 27. Januar 2020 zog mich dort die Berichterstattung in den internationalen Fernsehsendern über plötzliche Entwicklungen in China in den Bann. BBC warnte vor der unmittelbar bevorstehenden Schließung aller Verkehrsverbindungen von China mit der Außenwelt. Ich eilte, meine Tochter Victoria und meinen Schwiegersohn Raphael zu überzeugen, rechtzeitig China zu verlassen, wo sie gerade herumreisten. Corona schien ein chinesisches Phänomen zu sein. Dass das Virus im Januar 2020 längst auch in der Lombardei sein Unwesen trieb, wusste noch niemand in Mailand. Bald folgten die entsetzlichen Bilder überfüllter Leichenhallen in Bergamo. Ich sah diese Bilder in Brasilien. Unterdessen war mir bewusst, dass es sich bei Corona um ein weltweites Drama handelte. Im darauffolgenden Jahr 2021 fand mein ASERISeminar als Webinar statt. An eine Reise nach Mailand war nicht zu denken. Als ich vom 24. bis 26. Januar 2022 wieder den Weg in die Hauptstadt der Lombardei antreten konnte, musste ich mich doch ein wenig neu orientieren, so als wäre ich erstmals auf einer Reise unterwegs. Trotz dreifacher Impfung fühlte es sich schon irgendwie anders an, so als müsste ich jeden Schritt vorsichtig setzen, ohne genau zu wissen, was mich hinter der nächsten Ecke erwarten könnte. Zu meiner Überraschung waren die Italiener, die ich seit vielen Jahren kannte, und auch alle bisher Fremden, die mir begegneten, die Corona-Anspannung offenbar irgendwie leid. Die Überraschung für mich war: Sie traten so normal und lebensvoll auf wie nur möglich, wenngleich in Mailand wie überall in Europa die Schutzmaske zu unserer neuen Normalität gehörte. Die Italiener hatten gelernt, mit Corona zu leben. Ich lernte, so rasch es ging, mit ihnen.

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8 Globalität

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Europas Neugründung

Aufbauend auf dem Gründungsimpetus als Friedensstifter befindet sich die Europäische Union seit dem Ende des Kalten Krieges in einem Prozess der Neugründung als europäisches Gesellschafts- und Regierungssystem und als globaler Akteur, manche meinen: als Weltmacht. Die Frage nach der Begründung der EU verlangt für Ludger Kühnhardt die Auseinandersetzung mit der Frage nach der geistigen Gestalt und den ethischen Voraussetzungen öffentlicher Ordnung im 21. Jahrhundert. Kühnhardt hat Krisen als Beschleuniger der europäischen Einigung identifiziert, solange es Krisen in der Integration bleiben und nicht Krisen der Integration werden. Jenseits selbstreferentieller und erstarrter Theoriediskurse in den Sozialwissenschaften hat er die These entwickelt, dass die Europäische Union ein eigenes, noch unabgeschlossenes Genre des politischen Denkens hervorgebracht hat. Mit dem Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Universität Bonn gestaltete Ludger Kühnhardt einen wissenschaftlichen Rahmen, der sich in der Erforschung des Wechselspiels von Regieren und Regulieren in der EU profiliert hat und weltweite Austrahlung gewinnen konnte.

9.1  Die Wiederentdeckung Europas (Kühnhardt und Rutz 1999) – Europa auf der Suche nach einer neuen geistigen Gestalt (Kühnhardt 1999c) Mein Denken über Fragen der geistigen Gestalt Europas kreiste seit jeher um die Eckpunkte Geschichte, Religion, Identität und politische Kultur. In den ersten Jahren meines wissenschaftlichen und politischen Denkens hatte ich mich mit diesen Eckpunkten noch unverbunden beschäftigt. In meinem ersten Buch Christliche Soziallehre konkret formulierte ich 1977 normative Akzente hinsichtlich der Bedeutung christlicher Werte für die Politik (Kühnhardt 1977). Mit „Europaideen in der Geschichte“ setzte ich mich © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_9

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9  Europas Neugründung

1991 in einem Kapitel des mit Hans-Gert Pöttering verfassten Buches Europas vereinigte Staaten auseinander (Kühnhardt und Pöttering 1991, S. 9–32). Nachdem mir 1997 der Aufbau und die Leitung des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) an der Universität Bonn übertragen wurde, stellte man mir regelmäßig die Frage nach der möglichen Zukunft der Idee der europäischen Einigung. Wissenschaftlich seriös konnte ich mich der Frage nur annähern, indem ich in die Vergangenheit zurückblickte. Immer wieder entschied ich mich in den nachfolgenden Jahren für die Stilform des Essays, um meine Forschungsergebnisse und normativen Überlegungen zu präsentieren. Diese publizistische Ausdrucksform erschien mir der ansprechende Weg zu sein, um Leser nicht mit einer trockenen und dürren wissenschaftlichen Systematik zu langweilen. Zugleich konnte ich so immer wieder neue Perspektiven und Denkwege anstoßen, ohne mich in einer methodischen Trockenübung zu verfangen. Kaum ein Thema ist und bleibt so schwammig wie die Frage nach der europäischen Identität. Europäische Identität unter Zuhilfenahme einer einzigen sozialwissenschaftlichen Theorie oder historischen Zugangsmethode ein für allemal angemessen zu interpretieren, ist so gut wie unmöglich. Essayistische Denkwege erschienen mir die zutreffende Vorgehensweise, um gleichzeitig thematischen Tiefgang und methodische Flexibilität so anzuwenden, dass ich neue eigene Gedanken verarbeiten konnte und meine Texte für andere Impulse zum Weiterdenken boten. Publizistik im Dienst der wissenschaftlichen Erkenntnis, so sah ich diesen Teil meiner Arbeit. Mit dem Chefredakteur des Rheinischen Merkur, Michael Rutz, tauschte ich mich in den 1990er Jahren immer wieder über diese Fragen und auch darüber aus, wie Europa sich seiner selbst am sinnvollsten vergewissern könnte. Wir fanden, der anstehende Wechsel des Jahrhunderts, sogar eines Jahrtausends, verdiente eine „Wiederentdeckung Europas“, einen Rückblick auf frühere Wendepunkte. Unter diesem Stichwort luden wir gewichtige Historiker, Kulturwissenschaftler, Schriftsteller und Publizisten ein, zusammen mit einigen meiner klügsten damaligen Mitarbeiter am ZEI in kurzen, knappen Texten die wichtigsten Wegmarken in der bisherigen Geschichte Europas zu beleuchten. So entstand ein wunderbares Panorama, Die Wiederentdeckung Europas. Ein Gang durch Geschichte und Gegenwart (Kühnhardt und Rutz 1999). Der Band wurde mit Bedacht bebildert. Das Inhaltsverzeichnis zeigt den starken roten Faden, den wir zusammengebunden hatten: Clemens Zintzen, Griechenland und Europa (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 23 ff.) Wolfgang Will, Alle Umwege führen nach Rom – vom attischen Seereich zum römischen Imperium (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 38 ff.) Paolo Pombeni, Der Mittelmeerraum als Machtzentrum Europas (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 50 ff.) Annemarie Schimmel, Karl der Große und Harun al Raschid (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 64 ff.) Klaus Gotto, Europa und die Geschichte des Christentums (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 74 ff.) Barbara Schock-Werner, Romanik und Gotik – Europas Architektur entsteht (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 87 ff.)

9.1  Die Wiederentdeckung Europas …

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Ferdinand Seibt, Erste Staats- und Einigungsideen (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 100 ff.) Tanja Kinkel, Das Meer wird entdeckt (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 112 ff.) Winfried Eberhard, Herrschaft braucht Zustimmung – der europäische Frühparlamentarismus entsteht (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 121 ff.) Jean-Pierre Arrignon, Ränder und Grenzen Europas – eine geopolitische Betrachtung (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 136 ff.) Bernd Roeck, Monarchen ringen um Europas Gestalt (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 149 ff.) Walter Schweidler, Moderne Staatsideen und Gesellschaftsvorstellungen breiten sich aus (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 163 ff.) Volker Gerhardt, Der Westfälische Frieden – zwölf Thesen zu seiner Bedeutung (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 178 ff.) Herfried Münkler, Nationale Ideen teilen Europa auf (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 190 ff.) Hermann Lübbe, Europäische Aufklärung – eklektisch (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 202 ff.). Heinz Duchardt, Revolutionszeiten. Die Französische Revolution und Europa (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 217 ff.) Dieter Langewiesche, Einigung durch Zwang – Zwang zur Einigung? Europa vor dem Wiener Kongress (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 229 ff.) Günther Nenning, Europa-Modelle-Wien 1815 (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 242 ff.) Frank Ronge, Erfindungen der Technik und die Technik erfundener Sozialtheorien (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 256 ff.) Jost Dülffer, Die Selbstentmachtung Europas in zwei Weltkriegen (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 267 ff.) Peter Wittschorek, Das Fanal des Totalitarismus – Brüche und Verwerfungen in Europas Fundament (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 278 ff.) Lothar Rühl, Der Kern und die Ränder – die Rolle der kleinen Staaten (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 293 ff.) Andreas Beierwaltes, Europa – eine Welt wird (wieder) Wirklichkeit (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 304 ff.) Hans-Peter Schwarz, Die Teilung Europas (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 316 ff.) Jiří Gruša, Menschenrechte als Argument (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 329 ff.) Michael Mertes, Die Mauer fällt – wird Europa eins? (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 338 ff.) Michael Rutz, Europa in der Welt des 21. Jahrhunderts (Kühnhardt und Rutz 1999, S. 354 ff.)

Die Schriftstellerin Tanja Kinkel hatte mich mit ihren historischen Romanen beeindruckt. Wir blieben in lockerem Kontakt und führten bei einem Treffen 2002 in Washington D.C. ein Gespräch über das dortige politische Milieu. Sie arbeitete inzwischen an einem gänzlich anderen Thema und Genre: Aids, ein fiktiver Skandal in der Pharmaindustrie und Enthüllungsjournalismus im Zusammenhang mit einer geplanten Biowaffe. 2003 erschien Tanja Kinkels Buch Götterdämmerung (Kinkel 2003). Ich war überrascht, mich in der Liste der Danksagungen neben dem früheren amerikanischen Außenminister Henry Kissinger, dem mit ihr nicht verwandten deutschen Außenminister Klaus Kinkel und einer langen Reihe von Medizinern zu finden. Wenn ich mich recht erinnere, war dieses Buch weniger erfolgreich als Tanja Kinkels Historienromane.

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9  Europas Neugründung

Abb. 9.1   Die Wiederentdeckung Europas (herausgegeben mit Michael Rutz, 1999). (©Ludger Kühnhardt/DYADesign)

Mein eigener Beitrag zum Auftakt des Lesebuches Die Wiederentdeckung Europas war im Science-Fiction-Stil verfasst (Kühnhardt 1999a, S. 11–22). Ich blickte zurück auf Europas Zukunft aus dem Jahr 2751. Ich erfand eine Situation, in der es unterdessen eine Weltregierung gab. Diese erklärte, dass in der autonomen Weltregion China, geprägt von einer stolzen alten Kultur, hervorragende Fortschritte bei der Einhaltung des Völkerrechts gemacht worden seien. Geplant war die Durchführung der nächsten Olympischen Spiele 2752 in Pristina, Kosovo. Im neuseeländischen Wellington las ein Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees in alten Folianten, denn es gab noch immer Bücher. Er bereitete sich auf einen Besuch in Pristina vor. Die Reise dauerte sechs Stunden mit dem Flugzeug. Der Mann war soeben eine Wette über die

9.1  Die Wiederentdeckung Europas …

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Frage eingegangen, ob Europa im Jahr 2000 sieben, 22 oder 49 Staaten gehabt hatte. Er blätterte in den Büchern, um sich ein Bild vom Lebensgefühl damals, um 2000 herum, zu machen. Er las von Fussball und Beethoven, von eigenartigen postmodernen Gebäuden, die unterdessen zu Ruinen geworden oder gänzlich verschwunden waren. Geblieben waren noch die Stümpfe des Eiffelturms und die Ruine des Weißen Hauses. In Berlin suchten Archäologen schon länger nach einem Gebäude, das einst Reichstag genannt worden war. In Brüssel wurde in einem Museum die europäische Verfassung des 21. Jahrhunderts ausgestellt, aber es war aus der Ferne der Zukunft schwer zu rekonstruieren, wie genau damals die vielen europäischen Einzelstaaten und die politische Zentrale der Weltregion Europa miteinander funktioniert hatten. Irgendwie hatten es die Europäer wohl geschafft, sich am Ende zusammenzuraufen und auch die unruhige Region Balkan zu integrieren. Europas Souveränität war Zwischenschritt auf dem Weg zur Weltregierung. Die Region Europa war noch immer damit beschäftigt, die Beziehungen zu anderen Regionen der Erde zu ordnen, die sich auf ähnliche Weise zu regionalen Souveränitäten zusammengeschlossen hatten. Die Religionen der Welt waren 2751 so vielfältig geblieben wie schon vor 700 Jahren. Im Bereich der Suche nach einer menschengemäßen Ethik waren offenkundig die geringsten Fortschritte gemacht worden. Noch immer waren Fragen akut, die schon im Jahr 2000 gestellt worden waren: Zum Verhältnis von Freiheit und Autorität, zu Schuld und Sühne, zu Bildung und Erziehung, zu dem, was technisch erlaubt ist und wo die Grenzen der Eingriffe in die menschliche Natur liegen. Plötzlich klingelte das Telefon und unterbrach den Mann beim Lesen in der Geschichte. Das Krankenhaus rief an, in das sein Sohn mit einer unerklärbaren Diagnose eingeliefert worden war. Mit ungeahnter Geschwindigkeit hatte sich die Krankheit in seinem Körper ausgebreitet. Soeben war er gestorben. Von Corona schrieb ich natürlich nicht, aber hätte es nicht so sein können? Jedenfalls würden Krankheiten und Epidemien länger auf dieser Welt anzufinden sein als viele politische Strukturen des Jahres 2000. 1999 begann ich einen weiteren Essay unter dem Titel „Die Zukunft des europäischen Einigungsgedankens“ mit einem Rückblick auf die beiden vorherigen Jahrhundertenden (Kühnhardt 1999b): Mit Verweis auf Friedrich Hölderlins Hyperion (1797) und auf Johann Wolfgang von Goethes Bürgergeneral (1793) konnte ich zeigen, dass die Begeisterung über die Wirkungen der Französischen Revolution in Deutschland ambivalenten Reaktionen gewichen war, während allein in Großbritannien das 40. Jahr der Regentschaft von Georg III. 1799 im Zeichen solider Kontinuität gefeiert wurde. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Idee des „fin de siècle“ in Paris als Bühnenstück inszeniert. Dekadenzgefühle, aber auch ein Geist der Aufsässigkeit, wie er im englischen Begriff von den „naughty nineties“ mitschwang, gingen den Kriegsahnungen voraus, die im frühen 20. Jahrhundert immer lauter wurden. Auch am Ende des 20. Jahrhunderts hatte ein ambivalentes Lebensgefühl von Europa Besitz ergriffen, das ich „zwischen einem Vulgärhedonismus des ‚carpe diem‘ und neuen Varianten des alten Themas Kulturpessimismus“ verortete. Ich erinnerte daran, dass Geschichte immer „auch Teil

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der sozialen und kulturellen Selbstdeutung einer jeden Gegenwart“ gewesen sei. Ich hatte die Buchbestände nach entsprechenden Studien unter der Chiffre „Geschichte und Zukunft“ durchforstet und breitete meine Erkenntnisse aus. Es blieb nicht aus, dass ich am Vorabend des Jahres 2000 auch auf die Zeit um 1000 und auf die Zeitenwende zurückblickte. Die Zeitenwende, nach der unsere heutigen Kalender ausgerichtet sind, beginnt im Jahr Null im Grunde gar nicht mit Christi Geburt, die doch in einem anderen Jahr stattgefunden haben muss. Dennoch aber wird die Zeitrechnung „nach Christi Geburt“, in der wir bis heute leben, längst auch von jenen Völkern akzeptiert, die dem christlichen Glaubensbekenntnis überhaupt nicht verpflichtet sind. Ich rekapitulierte die wichtigsten Aspekte, um die Ambivalenz von Aufstieg und Niedergang an der Schwelle eines tiefgreifenden Epochenwechsels am Beispiel des römischen Imperiums zu verdeutlichen. Die Krise des römischen Selbstverständnisses, „seiner kulturellen und geistig-politischen Idee“ ging einher mit demographischen und sozioökonomischen Problemen. Kinderlosigkeit, gegen die Kaiser Augustus im Jahr 19 vor Christus Gesetze erlassen hatte. Gleichzeitig rapide zunehmende Einwanderung nach Rom von außen. Verschwendungssucht und der Verlust von wirtschaftlicher Sicherheit. Erschütterung der moralischen Stabilität und Sympathie für Pessimismus und Zynismus gingen Hand in Hand. Bald vollzog sich eine machtpolitische Achsenverschiebung weg von Rom und vom Mittelmeer in das nördliche europäische Binnenland. Neue Legitimationsgrundlagen für politische Herrschaft wurden benötigt und neue Herausforderungen tauchten am Horizont auf. Bald war vom „christlichen Europa“ vor allem in Antithese zur Gefahr der Expansion des Islams und der Araber die Rede. Das Europa an der Schwelle zum Jahr 2000 war weithin säkularisiert, vor allem aber materialistisch. Legitimationsgrundlagen für die politische Ordnung eines vereinten Europas wurden gesucht, aber die geistig-ethische Substanz, die sich dafür vorfand, war eher dünn. Ich verwies auf die römische Gleichzeitigkeit von technischem Fortschritt (Mobilität, Kommunikation) und Sittenwandel (Ehescheidungen, Sexualmoral, Todesverachtung), einen Zusammenhang, den Karl Dietrich Bracher in seiner Dissertation Verfall und Fortschritt im Denken der frühen römischen Kaiserzeit ausführlich untersucht hatte (Bracher (1948) 1987). Die Analogien zur Gegenwart schienen mir offenkundig, auch wenn die Themen anders gelagert waren (Handy und Internet, gleichgeschlechtliche Ehe, Hirntod und Euthanasie). Es sei verhängnisvoll, so schlussfolgerte ich, dass die umstrittenen Fragen nach den gesellschaftlichen Werteveränderungen bei den üblichen Diskussionen über die Zukunft der Ordnung Europas fast systematisch ausgeklammert wurden. Auch der Rückblick auf die Jahrtausendschwelle um das Jahr 1000 nach Christus gab Grund zum Nachdenken. Ich erinnerte an das Kaisertum Otto III., dessen Mutter Griechin war, und an die Ostpolitik des Kaisers. Seine Kirchenpolitik führte dazu, dass die heutigen Länder Polen, Tschechien und Ungarn endgültig in den Kreis des lateinischchristlichen Abendlandes aufgenommen wurden. Damit waren die Wurzeln für die anstehende Osterweiterung der Europäischen Union gelegt. Ich blickte auch auf Island, dessen Christianisierung im Jahr 1000 in Thingvellir, dem Ort des ältesten Parlamentsplatzes von Europa, Grundlagen für die Verbundenheit mit Kontinentaleuropa gelegt

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hatte (Kühnhardt 2021d, S. 517f.). Neben den kirchenpolitischen und territorialen Fragen aber erinnerte ich auch an technologische Innovationen aus der Zeit um 1000, einschließlich der misslungenen Flug- und Schwebeversuche mit künstlichen Flügeln, des medizinischen Fortschritts, den arabische Ärzte in den Raum des heutigen Deutschlands brachten, an die Kultur- und Religionsleistungen der Benediktinermönche und an wirtschaftspolitische Innovationen wie die Währungsunion zwischen dem Frankenreich Karl des Großen und dem englischen Teilkönigreich Merzien unter König Offa. Der Blick zurück sollte, so war die Absicht meines Essays, den Sinn für die Fragestellungen und Aufgaben der Gegenwart schärfen. Ich erinnerte an die Warnung aus dem alttestamentarischen „Buch der Richter“: Für eine Generation seien jeweils etwa 40 Jahre angesetzt, in denen entschieden wird, ob das, was die jeweils aktive Generation tue, auf Dauer Bestand haben wird. Europa müsse 40 Jahre nach den römischen Verträgen seine Sensoren neu schärfen, um nicht den apokalyptischen Warnungen des Alten Testamentes zum Opfer zu fallen. Dazu seien jetzt vor allem drei Dinge entscheidend. Erstens war Europa stets eine Kombination von Idee und Wirklichkeit gewesen, hatte immer wieder neu nach institutionellen Formen seiner Organisation suchen müssen und stand vor einer ganzen Palette von Aufgaben, ein Europa der Bürger zu errichten, um Bürgerferne zu überwinden und das vielbeklagte Demokratiedefizit aufzulösen. Zweitens müsse Europa eine „Politik der Mentalitäten“ entwickeln, um der Vielfalt seiner Traditionsprägungen das Trennende zu nehmen und unterschiedliche Europa-Bilder, aber auch Auslegungen europäischer Normen und Werte zu versöhnen. Dies bleibe insbesondere gegenüber den Ländern des ehemaligen kommunistischen Herrschaftsbereichs eine Aufgabe, die mehr als eine Generation in Anspruch nehmen werde und große Sensibilität von allen Beteiligten verlange. Drittens litt Europa unter dem Mangel einer teleologischen Diskussion über die Frage: „Wozu?“ Die Diskussion sei auch deswegen undeutlich geworden, weil Europas Wertekanon sich am Ende des 20. Jahrhunderts „auf quasi zivilreligiöse Sekundärideen“ beschränkt hatte. Wenn von Europa als Wertegemeinschaft gesprochen werde, sei von Menschenrechten, Rechtsstaat, Minderheitenschutz und Demokratie die Rede. Das seien alles hohe Ideale. Aber in weit fundamentaleren Wertefragen herrschte längst kein Konsens mehr in Europa. Ich erwähnte das Familienbild und sexuelle Präferenzen sowie Fragen der Ethik und der Religion. Europa sei ein Missionierungsgebiet selbst im Sinne der christlichen Kirchen geworden. Der dahinterstehende Substanz- und Überlieferungsverlust sei gravierend und werfe die wirklich grundlegenden Fragen nach dem Zusammenhalt der europäischen Gesellschaften auf, endete ich meinen Essay nüchtern. In einem weiteren Essay vertiefte ich ebenfalls 1999 meine Analyse (Kühnhardt 1999c). Unter dem Titel „Europa auf der Suche nach einer neuen geistigen Gestalt“ begann ich mit einem provokativen Zitat des Schriftstellers Paul Valéry, demzufolge Europa eine Halbinsel Asiens sei. Europa müsse sich mithin immer wieder Klarheit über sein Selbstverständnis schaffen, um zu reüssieren. Ich verwies auf verschiedene kulturwissenschaftliche Deutungen, von Jacob Burckhardt über Arnold Toynbee bis zu Friedrich Nietzsche. Den zeitgenössischen philosophischen Fetisch, die Welt befinde sich in

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einer Ära der Postmoderne, karikierte ich mit der Antwort des Malers Pablo Picasso auf die Frage, was Kunst sei: „Was ist es nicht?“ Ich führte das schöne Wort des Theologen Romano Guardini von der „Selbstvertiefung“ ein, um Europas derzeitige Aufgabe zu benennen. Gegen die weithin grassierende Vorstellung, die Europäische Union sei und benötige Projekte, argumentierte ich, Europa sei nie Projekt, sondern immer die Folge von Ideen gewesen. Daran aber mangele es. Ich stellte mich der provokanten Frage, ob Europa eines Feindes bedürfe, um sich zu finden. In Auseinandersetzung mit dieser Frage zitierte ich die Historiker Hagen Schulze, Geoffrey Barraclough und Timothy Garton Ash mit ernüchternden Aussagen. Zumindest, so folgerte ich, benötige Europa gute Mythen, um die Stärke seiner Idee am Leben zu erhalten. Vor diesem Hintergrund spannte ich den Bogen von der Kulturgeschichte zur Aktualität der politischen Kultur. Unter diesen Vorzeichen gehe es für die Europäische Union, so argumentierte ich, um die Gestaltung einer Verfassung. Mir waren die Bedenken bewusst, nicht nur in Großbritannien. Ich zog Vergleichsanalysen heran, aus den USA und der Schweiz, um die Problematik der Kompetenzabgrenzungen unter den konstitutiven Bestandteilen einer Föderation zu vertiefen. Aus der Verfassungsgeschichte aber waren auch sehr unterschiedliche Typen bekannt, die eher mit weltanschaulichen Begriffen beschrieben werden mussten: liberale, sozialistische und konservative Verfassungskonzeptionen vor allem. Über diese weltanschaulichen Inhalte müsse Europa streiten, um sich den Aufgaben zu stellen, die seine geistige Gestalt bestimmen werden. Ich erinnerte an die Kardinaltugenden (Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß), zitierte Raymond Aron, Josef Pieper und Robert Spaemann („Gedanke des Unbedingten“). Im 21. Jahrhundert, so sah ich es 1999, werde Europa wesentlich mit Kulturbegegnungen konfrontiert, die sich im Spannungsbogen von Begegnung, Befruchtung, Abgrenzung und Anerkennung bewegen dürften. Zwar sei die innereuropäische Versöhnungspolitik weithin gelungen, aber im Blick auf Interaktionen mit anderen Kulturräumen stünde Europa erst am Anfang eines geistigen, intellektuellen Dialogs. Noch einmal erinnerte ich an Paul Valéry, der den Zustand Europas seit der Renaissance durch zwei Metaphern definiert sah: Der Melancholiker Blaise Pascal war verängstigt durch die schwarze Leere des Himmels. Der Erfinder Leonardo da Vinci dachte demgegenüber jedem Abgrund eine Brücke hinzu. In diesem Spannungsbogen müsse das heutige Europa seine geistige Gestalt neu definieren. Dabei würden, so prognostizierte ich, die Attraktivität und Aktualität der atlantischen Zivilisation entscheidend sein. Ich diskutierte Verbindendes und Trennendes zwischen Amerikanern und Europäern und bekräftigte, dass sie füreinander Spiegel seien. In einem entscheidenden Punkt sei Amerika Europa voraus: Während es eine amerikanische Idee gibt, suche man in Europa nach einer europäischen Idee doch wohl eher vergebens. Das sei unter den gegenwärtigen weltpolitischen Bedingungen nicht länger hinnehmbar. Europa müsse sich mit seiner Rolle in der Welt befassen. Nicht in einem altbacken missionarischen Sinne, wohl aber, um zu einer internationalen Versöhnungspolitik beizutragen, die schon aus Eigeninteresse für Europa wichtig ist. Der Mangel an Handlungskraft Europas angesichts der Zerfallskriege in Jugoslawien sei

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bedrückend. Europa müsse „Verantwortungswahrnehmung“ lernen und sich im 21. Jahrhundert als „Aufgabenunion“ beweisen. Zugleich seien neue Erzählungen notwendig, um die Begründung für die Einigung Europas auch geistig und kulturell überzeugend an neue Generationen weiterzugeben. „Damit“, so endete ich meinen Essay, „ist kein Appell an Europas Werte ausgesprochen, sondern ein Auftrag an Europas Verhalten benannt.“ Noch ein Satz folgte, der mein Denken über Europas geistige Gestalt im Jahr 1999 zusammenfasste: „In Europas Taten liegen seine Ideen am besten aufgehoben und begründet.“ Ich hatte für einen ethischen Pragmatismus plädiert. Der Text wurde verschiedentlich nachgedruckt, auch im Zusammenhang mit Vorträgen an so unterschiedlichen Orten wie in Fulda beim Jahresempfang der Sparkasse (11. Januar 1999), in Ibbenbüren beim 50. Jubiläum meines Goethe-Gymnasiums (24. September 1999) und in Bangkok an der Chulalongkorn-Universität (28. August 2000). Die Frage nach der Relevanz der christlichen Kirchen in den politischen und gesellschaftlichen Prozessen Europas begleitete ich mit regelmäßigem persönlichen Gedankenaustausch, auch in Begegnungen mit hohen Würdenträgern der Kirchen. Bischof Karl Lehmann, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hatte mich beispielsweise am 29. Januar 1998 zu einem Wiedersehen mit Karekin I., dem Katholikos aller Armenier, eingeladen. Ich hatte Karekin I. erstmals 1996 in Edschmiadzin getroffen und war beeindruckt von der Kraft seiner Kirche, die die Jahrzehnte der Sowjetunion überlebt hatte (Kühnhardt 2021d, S. 505 f.). In einer improvisierten und ebenso kraftvollen wie emotionalen Tischrede erinnerte Karekin I. nach dem Abendessen, das Bischof Lehmann für ihn gegeben hatte, an die Teilnahme eines seiner Vorgänger an der Berliner Konferenz 1878. Er hatte dort das Selbstbestimmungsrecht der Armenier im Osmanischen Reich eingefordert. Wie habe die Zeit sich geändert, sagte der Katholikos. Heute komme er aus einem freien, wiedergeborenen Armenien. In Deutschland, so Karekin I., leben 25.000 Armenier. In Armenien erleben der Glaube an Gott und das Kreuz als Symbol von Leid und Auferstehung eine Wiedergeburt. Karekin I. gab sich patriotisch und gläubig. In seinen Erwiderungsworten zeigte Bischof Lehmann Respekt vor der armenischen Kultur und dem Selbstbehauptungswillen der armenischen Christen. Er streckte, wie er sagte, die Hand aus zum ökumenischen Dialog. Die Jahrtausendwende christlicher Zeitrechnung nutzte ich dazu, am Zentrum für Europäische Integrationsforschung gemeinsam mit der Katholischen und der Evangelischen Fakultät der Bonner Universität eine internationale Tagung zu organisieren unter dem Thema „Christenheit – Europa 2000“. Am 21. Januar 2000 lud ich in diesem Rahmen den Erzbischof von Oppeln, Alfons Nossol, in das gut besuchte Bonner Münster ein. Vor seinem Predigtvortrag („Gottes Zukunft, Europas Zukunft“) plauderte ich mit „meinem Heimatbischof“, wie ich ihn aufgrund der Herkunft meines Vaters spaßeshalber titulierte. Bischof Nossol erzählte, dass er die Filialkirche in dem Dorf Niewodniki, aus dem meine Großmutter stammte, nach der Restauration, die durch die schlimme Oder-Überflutung vor einigen Jahren notwendig geworden war, kürzlich besucht habe. Bischof Nossol, ein auf die Menschen zugehender Mann, argumentierte

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kraftvoll und wandte sich gegen alle innerkirchliche Verzagtheit. Er bejahte das konziliare Aggiornamento und sagte dezidiert, Christen müssten mit Hoffnung in der Welt leben, nicht aber sich ihr zu entziehen versuchen. Der Predigtvortrag von Bischof Nossol wurde umrahmt von Psalmengesängen einer Schola, der Tageslesung, dem Gemeindegesang „Lobet den Herren“ und dem gemeinsam gebeteten „Vaterunser“.

Abb. 9.2   Mit „meinem“ Bischof Alfons Nossol aus Oppeln. Links Frank Ronge, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZEI, rechts Gerhard Höver, Theologieprofessor an der Universität Bonn (2000). (©Ludger Kühnhardt)

Am 29. Februar 2000 wurde ich vom Katholischen Forum Thüringen gebeten, in Erfurt über Europas Identität und die Kraft des Christentums zu sprechen. Nur 4 % der 2,4 Mio. Thüringer sind Katholiken, darunter der CDU-Fraktionsvorsitzende Dieter Althaus, der spätere Ministerpräsident, der zu meinem Vortrag gekommen war. Bei meinem Aufenthalt traf ich mich auch wieder einmal mit Thüringens Landtagspräsidentin Christine Lieberknecht, einer evangelischen Pastorin. Christine Lieberknecht sagte voraus, das zentrale Thema der deutschen Innenpolitik werde in den nächsten Jahren und Jahrzehnten das Verhältnis von Globalisierungsfolgen zu Wertorientierungen sein. In einem ZEI Discussion Paper setzte ich mich nach dem Erfurter Vortrag gründlich mit der Frage nach dem Verhältnis von europäischer Identität und christlicher Prägung auseinander (Kühnhardt 2000a). Ich bemerkte gleich eingangs, dass man das Thema in

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beide Richtungen hin betrachten könne: Gefragt werden könnte auch, wie die Identität des Christentums durch die europäische Einigung beeinflusst werde. Unabhängig von allen multikulturellen Veränderungen und, wie ich schrieb, „Zumutungen einer religionsentwöhnten Umwelt“ sei unumstritten, dass das Christentum zu den „Traditionsfundamenten der europäischen Identität“ gehört. In einem sich permanent wandelnden Europa und einem sich als Weltreligion verstehenden Christentum sei die Verbindung von Christentum und Europa keineswegs so eindeutig, wie man zumeist denke. Von Goethes Christentumsschelte im West-östlichen Divan bis zur Entscheidung des Deutschen Bundestages, den Andachtstraum im soeben neu bezogenen sanierten Reichstag in Berlin ohne Kreuz auszustatten, ziehe sich ein Bogen des Denkens durch die deutsche Geschichte, das der Zumutung, ja Provokation des Kreuzes auszuweichen suche. Wie der christliche Begriff der Erbsünde passe das Kreuz Christi angeblich nicht in eine aufklärungsrationalistische Welt. Die Idee der Selbstbegrenzung und der Demut sei den heute Lebenden eher fremd. Die Gottesformel im Grundgesetz („In Verantwortung vor Gott und den Menschen“) werde bestenfalls noch als Beiwerk aus der Zeit des Kampfes gegen die totalitäre Ersatzreligion des Nationalsozialismus verstanden. 44 % der Deutschen hatten sich in einer kürzlichen Umfrage für religiös erklärt, 47 % für areligiös. 9 % nannten sich dezidiert Atheisten. So betrachtet, stehe nicht die Kirche vor dem dritten Jahrtausend, sondern das dritte Jahrtausend vor der Frage, was ihm die Botschaft der christlichen Religion noch bedeute. Ich zitierte religionssoziologische Studien, kritisierte „katholische Selbstflagellation“ und insistierte, dass die eigentliche Kraft der christlichen Botschaft nicht in WohlfühlWeihnachten, sondern in der Zumutung und Radikalität des Kreuzestodes von Jesus Christus und dem Glauben an seine Auferstehung liege. Aber auch die Zehn Gebote und der Dreiklang des Korintherbriefes des Apostel Paulus von Glauben, Hoffnung und Liebe sowie die Institution der Kirche, führte ich aus, seien „Bausteine der Seele Europas“. Europa benötige nicht nur das Narrativ von der Antithese zum Krieg, sondern auch die „kontrapräsentische Erinnerung“ wie der christliche Glaube sie in der Auseinandersetzung mit dem Tod und damit der menschlichen Endlichkeit anbietet, um das 21. Jahrhundert zu bestehen. Ich erinnerte an Lessings Ringparabel als klugen Maßstab des Umgangs zwischen den Angehörigen der drei Buchreligionen und an die tiefe Wunde von Auschwitz, die das Verhältnis des christlichen Europas zum Judentum so extrem belastet hat. In den letzten Jahren habe man glücklicherweise durch Läuterung im Christentum zu einer neuen Form des Dialogs zwischen Christen und Juden gefunden. Zu den „Schlüsselfragen des 21. Jahrhunderts“ werde die Frage gehören, so prognostizierte ich, wie Christen und Muslime ihr Verhältnis zueinander und – wo immer sie miteinander leben – ihr Zusammenleben organisieren. Jenseits der beiderseitigen Stereotypen sei es nötig, Kultur, Geschichte und Ethos vorauszudenken. Es sei überraschend, dass auch der an Lessings Ringparabel geschulte gesunde Menschenverstand offensichtlich hochkomplexer organisierter Dialoge und Initiativen benötige,

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weil die Vorbehalte übereinander doch weit gravierender sind, als gerne von Vertretern beider Religionen und Politikern in allen relevanten Ländern zugegeben wird. Ich erwähnte eine entsprechende Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Vor „9/11“ und lange vor dem Arabischen Frühling fragte ich, ob Lessing wirklich so weit entschwunden sei, dass man staatlich organisierte Dialogforen benötige? Ich fragte auch direkt, woran es in den Begegnungen von Christen und Muslimen wirklich mangele? Gehe man eigentlich ehrlich in die Tiefe des jeweiligen Selbstverständnisses, wenn man miteinander redet? Ich kritisierte, dass die Thematik des interreligiösen Dialogs zu didaktisch und formalistisch geschehe und zu wenig in die substanziellen Tiefen – und Tabus – von Theologie und Gesellschaftsanalyse aus jeweils christlicher und muslimischer Perspektive vordringt. Selbst beim Dialog des Bundespräsidenten gehe immerzu durcheinander, ob nun vom „Westen“ oder vom „Christentum“, ob vom islamischen Kulturraum oder von der islamischen Theologie oder von der Weltsicht einzelner Muslime oder radikalen Interpretationen eines politischen Islams die Rede sei. Das alles hatte mehr mit Didaktik als mit einer Substanzdiskussion zu tun. Ich problematisierte auch, dass die interreligiösen Dialoge offenbar vor allem von liberalen christlichen und liberalen muslimischen Köpfen geführt werden. Diese könnten sich für gewöhnlich schnell darauf verständigen, „über die starren, um nicht zu sagen fundamentalistischen Neigungen ihrer Mitbürger zu lamentieren“. Das sei aber nicht genug. Ich markierte zwei Grundaussagen: Das Verhältnis zwischen den christlich geprägten Kulturräumen und denen des islamischen Kulturraumes könnte im Verlauf des 21. Jahrhunderts „zur zentralen Frage werden, in der es um Krieg oder Frieden geht“. Und: „Der Islam ist auch eine europäische Religion, eine Religionsgemeinschaft in Europa.“ Hinter den Geist der Ringparabel dürfe Europa nicht zurückfallen, damit sei aber noch keines der wirklich relevanten Probleme der Gegenwart gelöst. Ich plädierte dafür, dass muslimisch geprägte Gesellschaften wie Albanien und Bosnien-Herzegowina in die EU aufgenommen werden sollten und ebenso die Türkei als Kandidatenland anerkannt werde. Ich erwähnte explizit den euromediterranen Dialog, der nur dann Sinn mache, wenn er über technisch-politische Fragen auch eine geistige und geistliche Dimension gewinne. Im sogenannten Barcelona-Prozess seien alle Anrainerstaaten des Mittelmeeres verbunden, einschließlich Israel und Libyen. In diesem Kontext müsse „die kulturelle Brücke“ über das Mittelmeer gebaut werden. Dabei müsse man über Beschwörungsformeln der Toleranz hinausgehen und sich wechselseitig zu spannungsreichen theologischen Fragen kritisch befragen lassen. Ich erwähnte die Essentials der christlichen Anthropologie: personale Freiheit, soziale Freiheit, transzendentale Freiheit, Liebe, Barmherzigkeit, Vergebung und Demut. Zur menschlichen Selbstverfügung gehöre die Freiheit, zu einem religiösen Leben zu streben, aber ebenso sich einem religiösen Leben zu entziehen. Das christliche Europa habe schmerzhafte Erfahrungen in beide Richtungen gemacht. Offenkundig stehe die islamische Welt erst am Anfang dieses

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Ringens: Volle Reziprozität für die Ausübung der christlichen Religion in islamisch geprägten Gesellschaften sei eine Kernfrage ebenso das Recht von Muslimen, dem islamischen Glauben abzuschwören. Beide Religionsgemeinschaften werden auch erst dann zu einem Modus Vivendi miteinander finden, wenn sie gelernt haben, Missionierungsaktivitäten der jeweils anderen Seite zu respektieren. Ich zitierte den damaligen Fuldaer Weihbischof (und späteren Bischof von Bamberg) Ludwig Schick, der die christliche Neuevangelisierung („Wir müssen von der Pastoral zur Mission umsteigen“) postuliert hatte. In einem deutschen Umfeld des Skeptizismus gegenüber der Religion stoße diese Haltung rasch auf Ablehnung. Wie aber solle dann erst ein akzeptabler Umgang mit einem missionierenden Islam gelingen, der sich immer stärker ausbreite, fragte ich? Ich zeigte mich besorgt über Defätismus und innerkirchliche Diskurse, die sich am Selbstzweifel mehr erfreuen als an der frohen Botschaft des christlichen Glaubens. Europas Christentum sei wohl ein Sonderfall gegenüber anderen Regionen der Welt. Werde eines Tages, so fragte ich sorgenvoll, von der Zeit im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert als „Zeit der nachchristlichen Seele“ Europas gesprochen werden? Noch konzentrierte ich mich in meiner Analyse vor allem auf deutsche Wirklichkeiten, zog aber auch einige grundlegende Schlussfolgerungen. Glaube an Gott und demütige Verantwortung für die Welt gehörten für mich immer zusammen. Am wichtigsten war mir daher das Plädoyer, „die horizontale und die vertikale Ebene des Kreuzes in ihrer Aufeinanderbezogenheit und wechselseitigen Abhängigkeit“ zu vermitteln. Wo dies gelinge, würden die christlichen Kirchen „gegenüber einer Welt des Stückwerks“ ihren wichtigsten Dienst erweisen. Kritisch äußerte ich mich „zu den kulturellen Selbstentmachtungen der aufklärungsgewissen ‚Moderne‘“. Dabei bezog ich mich vor allem auf den Wandel des Bewusstseins von Sünde hin zu einer Kultur von Schuld und darüber hinaus einer Kultur der Selbstverwirklichung, in der bestenfalls noch von wechselseitigen Zerrüttungsverhältnissen gesprochen werde. Der interreligiöse Dialog sei eine Kernfrage für Europa, gerade weil die religiösen Realitäten in Europa sich so sehr von anderen Regionen der Erde unterscheiden. Es gebe weder Grund zu der Annahme, dass Religiosität bei Menschen jenseits der europäischen Aufklärungsfixierungen schwinde oder dass die Welt einer harmonischen Weltethik, geschweige denn Weltreligion zustrebe. Europa müsse wieder lernen, die Spannungen „zwischen dem christlichen Wahrheitsbegriff und dem real existierenden europäischen Pluralismus“ auszuhalten. Bald hatte ich Gelegenheit, das Thema von einer gänzlich anderen Seite in die Praxis hinein zu denken. Ich hatte daran mitgewirkt, dass Anfang 2000 der frühere sozialdemokratische Abgeordnete in der Parlamentarischen Versammlung im Europarat, Uwe Holtz, in der von mir herausgegebenen Schriftenreihe des ZEI im renommierten Baden-Badener Nomos Verlag einen Sammelband anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Europarates herausgegeben hatte (Holtz 2000). Da offensichtlich war, dass die postkommunistischen Länder Mittel- und Südosteuropas nicht in der unterdessen erreichten

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Mitgliedschaft im Europarat ihr Ziel sahen, sondern in die Europäische Union drängten, stellte sich die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal des Europarates neu. Der Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer, hatte mich direkt nach seiner Wahl im Herbst 1999 aufgesucht. Schwimmer war Abgeordneter der Österreichischen Volkspartei in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Er wollte seiner Amtszeit, die bis 2004 ging, einen substanziellen neuen Akzent verleihen. Ich empfahl ihm, sich zwei Themen zuzuwenden: der Frage nach der Identität Europas und dem Dialog der Kulturen. Für Foren zu beiden Themen wäre der Straßburger Plenarsaal ein wunderbarer Rahmen, allzumal das Europäische Parlament immer deutlicher danach drängte, seinen Hauptsitz endlich nach Brüssel verlegen zu können. Mit einer Neuprägung des Versammlungsortes durch eine Initiative könne man an die deutsch-französische Aussöhnungsgeschichte anknüpfen, für die Straßburg ein Symbol ist. Zugleich würde die französische Regierung gewiss Gefallen an einer neuen und ausstrahlungsstarken Verwendung des Straßburger Plenarsaals durch den Europarat finden. Generalsekretär Schwimmer entschied sich für das Thema „Europäische Identität“ und bat mich, ihn bei der Konzipierung und Durchführung des Projektes ehrenamtlich zu beraten. Als ich ihn zu einem Gespräch am 26. Januar 2000 in Straßburg wiedersah, verließ gerade eine weißrussische Delegation sein Büro. Danach rasch noch ein Phototermin mit Kolping-Gästen. Für den nächsten Tag hatte sich Russlands Außenminister Igor Iwanow angemeldet. Der Politiker-Terminkalender war dicht getaktet. Der joviale, angenehm zurückgenommene Schwimmer klagte, dass er ja selbst schuld sei, wenn er verdrängt habe, dass dies der härteste Job seines Lebens werden dürfte. Er ließ sich dann, sehr konzentriert, von mir das Konzept für ein Projekt des Europarates zur europäischen Identität vortragen. Am 15. Januar 2001 traf sich das von Schwimmer eingesetzte Vorbereitungskomitee, dem ich angehörte, mit ihm in Paris. Dann ging es los. Im Plenarsaal des Europarates in Straßburg kamen bei drei thematisch aufeinander aufbauenden internationalen Kolloquien (17./18. April 2001, 20./21. September 2001, 24./25. April 2003) jeweils 80 bis 100 Intellektuelle aus allen Regionen Europas zusammen. Viele von ihnen hatte ich für die Teilnahme vorgeschlagen. Die beteiligten Persönlichkeiten deckten die ganze Bandbreite des weltanschaulichen Pluralismus des Kontinents ab. Spannende, offene und in der Substanz weiterführende Gespräche fanden statt, die ich teilweise moderierte oder in die ich mit einem Statement einführte (Kühnhardt 2001a, passim; 2002a passim; 2003a passim).

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Abb. 9.3  Europäische Identität: Ich berate den Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer, in Straßburg (2000). (©Ludger Kühnhardt)

Ich setzte gleich beim ersten Kolloquium mit einem eigenen Impulsvortrag einen sehr deutlichen Akzent bei der Bestimmung der Identitätsdefinition. Angesichts vieler schwammiger Aussagen zu diesem Thema empfahl ich dezidiert, zwischen kultureller Identität und politischer Identität, zwischen „kultureller Kultur“ und „politischer Kultur“ zu unterscheiden. Damit würde ein Teil der intellektuellen Aporien aufgehoben, die fast jede Diskussion der Identitätsthematik in Europa durchzog. Zugleich würde, so argumentierte ich, die arg sterile Identitätdiskussion politikfähiger. Am Ende sollte sie, so hoffte ich, in die Begründung für eine europäische Verfassung einmünden. Meine Analyse vertiefte ich für die nachfolgende Veröffentlichung. Das Paper wurde in der Türkei und in Slowenien nachgedruckt (Kühnhardt 2001b). Besonders hitzig ging es bei der letzten Debatte am 24./25. April 2003 über die anthropologischen Grundansätze der Demokratie zu. Starke Emotionen brachen auf, als jemand auf die Legitimität, ja Nützlichkeit von „targeted killings“ und der in Israel praktizierten Notwehrfolter zu sprechen kam. Auch bei der Bewertung neuer politischer Bewegungen in Europa kam es zu heftigen Disputen. Dürfe man, oder solle man sogar, von „extremistischen Parteien“ sprechen? Ich lehnte den Begriff der „populistischen Parteien“ ab, weil er wenig aussagestark war und durch beständige Wiederholung keinen höheren Analysewert gewann. Bevor aber neue Parteien als „extremistisch“ bezeichnet wurden, war es nötig, sich über die Bedeutung des Wortes „extremistisch“ eindeutige

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Klarheit zu verschaffen. Ich hielt diese Denkrichtung für notwendig und zielführend, um inmitten der unterschiedlichsten Neukonfigurationen politischer Parteien in Europa mit sauberen Begriffen zu hantieren. Sichtbar wurde bei dem Straßburger Kolloquium eine grundlegende Bruchlinie im Demokratieverständnis Europas: Auf der einen Seite stand jungfräuliche Normgläubigkeit und eine daraus für Europa erwachsende „mission civilisatrice“. Auf der anderen Seite standen neue Erfahrungen des Abgrundes, die der Terrorismus unterdessen ausgelöst hatte und die die Demokratie in ein pessimistisches Licht stellte. Seit dem 11. September 2001 lagen auch in Europa die Nerven blank. Die Idee eines idyllischen Dialogs der Kulturen war zerbrochen. Hochkontroverse Konfliktlinien waren an vielen Orten aufgebrochen. Der Europarat war überfordert, sie zu kitten. Erst nach seinem Ausscheiden aus der politischen Arbeit 2004 griff Walter Schwimmer das Thema Dialog der Kulturen wieder auf, zu dem ich ihm 1999 unter weit vorteilhafteren Umständen geraten hatte. Unterdessen war der Dialog der Kulturen zu einem Nischenthema für Idealisten geworden. Die Welt rollte auf einen neuen harten Realismus zu, bei dem Spannungen innerhalb der einzelnen Kulturen und Religionen zu Zerreißproben für alle wurden. Dies wurde besonders offenkundig im Verhältnis von christlichen und muslimischen Sichtweisen, wovor ich immer wieder gewarnt hatte. Zeitgleich zum Projekt über die europäische Identität, das mich zur Zusammenarbeit mit dem Europarat und zur ehrenamtlichen Beratungstätigkeit für seinen Generalsekretär Schwimmer geführt hatte, fand ich mich zwischen zwei extrem gegenläufigen Polen der Reflexion über Europas Identität, seine Werte und religiösen Wurzeln einerseits und des Dialogs der Kulturen und den Zusammenprall unversöhnlich erscheinender Wahrheitsvorstellungen wieder. Mir war immer wichtig gewesen, den Blick nicht zu verlieren für die Fragen, die über Europas Selbstfindung hinausgingen. Die Nachbarschaftsdimension, vor allem in Richtung Süden, war mir immer ein starkes Anliegen. Ich hatte Deutschland gleich zu Beginn meiner Tätigkeit am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) in Bonn als ein Land des Mittelmeeres definiert. Natürlich traf ich auf verdutzte Gesichter. Aber ich arbeitete konsequent an der Thematik. Dazu gehörten regelmäßige Veröffentlichungen renommierter Wissenschaftler und politischer Praktiker in den ZEI Discussion Papers und in den Schriften des Zentrums für Europäische Integrationsforschung im Nomos. Über mehrere Jahre organisierte ich den „ZEI Mediterranean Dialogue“, für den ich immer wieder starke Referenten gewinnen konnte, beispielsweise: den Botschafter der Arabischen Liga in Frankreich, Nassif Hitti, der mir sehr herzlich antwortete, als ich ihm 2020 zu seiner Ernennung zum Außenminister des Libanons gratulierte und seine 2004 am ZEI vorgetragene Vision von Kooperation und Zusammenarbeit im Mittelmeerraum würdigte, die nichts an Bedeutung verloren hatte; der israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor; der deutsche Diplomat Christoph Heusgen, der spätere Sicherheitsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Botschafter bei den Vereinten Nationen und Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz; Ian Lesser, führender amerikanischer Geostratege von der RAND Corporation.

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Ein besonderes Ereignis fand am 19. Juni 2001 statt, nur wenige Wochen vor den epochalen Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001: Ich konnte Prinz Hassan bin Talal, den Bruder des Königs von Jordanien und Präsidenten des Club of Rome an der Bonner Universität begrüßen. Ich hatte den Prinzen bei einem Studienaufenthalt in Amman 1999 kennengelernt (Kühnhardt 2021, S. 593 ff.). Zum Auftakt einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz über den Dialog der Kulturen im Mittelmeer sprach Prinz Hassan in Bonn über die Mühen der Ebene und darüber, nicht zu verzagen, wenngleich der ehrliche und auch kritische Dialog der Kulturen und Religionen schwierig bleibe. Wider alle Furcht vor einem Zusammenprall der Kulturen plädierte Prinz Hassan für den Aufbau einer „School of Mediterranean Humanities“ (Hassan bin Talal 2003, S. 5 ff.). Ich organisierte einen Empfang bei Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann mit einer Eintragung des Prinzen in das „Goldene Buch“ der Stadt Bonn und ein festliches Abendessen auf dem Petersberg. Zu Ehren des Prinzen und seiner charmanten Gattin Prinzessin Sarvath el Hassan nahmen daran auch der langjährige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher und seine Frau Barbara teil. Die Tischreden der beiden eindrucksvollen Persönlichkeiten waren launige Worte über ein sehr ernsthaftes Thema. Allein, dass Prinz Hassan und Hans-Dietrich Genscher auch über die kulturellen Spannungen zwischen dem Westen und der islamischen Welt kluge Witze machen konnten, war ein Zeichen der Hoffnung. So empfanden es auch die anwesenden Wissenschaftler aus aller Welt, die meiner Konferenzeinladung nach Bonn gefolgt waren.

Abb. 9.4   Dialog der Kulturen: mit Prinzessin Sarvath el Hassan und und Prinz Hassan bin Talal in Bonn (2001). (©Ludger Kühnhardt)

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Nur wenige Wochen nach der inspirierenden Konferenz schockierten die Terrorangriffe auf New York und Washington am 11. September 2001 die ganze Welt. Der tiefe Einschnitt des 11. September regte sensible Geister in aller Welt zu einem Moment der Selbstprüfung an. Er förderte aber auch Furcht und Schrecken, so wie die Terroristen es beabsichtigt hatten. Misstrauen und eine völlig neue Dimension von Unsicherheit machten sich in westlichen Ländern breit. Nur wenige Tage nach den schrecklichen Terroranschlägen nahm die akademische Initiative, über die Prinz Hassan und ich in Bonn gesprochen hatten, eine bemerkenswerte Wendung und wurde hoch politisch. Ich hatte es einer Empfehlung von Prinz Hassan zu danken, dass ich mitten in dieser so aufgewühlten Zeit, die auch an mir nicht spurlos vorbeiging, eine ganz besonders ehrenvolle Einladung erhielt: auf dem formvollendeten Karton prangte das Wappen des tschechischen Staates. Dem Anschreiben von Staatspräsident Vaclav Havel vom 19. September 2001 war eine englische Übersetzung beigefügt. Vaclav Havel lud mich für den 16. Oktober 2001 nach Prag ein (Kühnhardt 2022a, S. 81 f.). In der Residenz von Staatspräsident Havel traf ich auf eine kleine und sehr illustre Gruppe: Neben mir hatte Havel Israels Außenminister Shimon Peres, Prinz Hassan bin Talal von Jordanien, den israelischen Verhandlungsleiter bei den gescheiterten Camp-David-Verhandlungen, Gilead Sher, Manuel Hassassian, Politikwissenschaftler und als Vizepräsident der Bethlehem University ein Vertrauter der PLO-Führung, meinen guten alten Bekannten Mahdi Abdul Hadi von der Society for the Study of International Affairs der Palästinensischen Akademie, meine geschätzte britische Kollegin Rosemary Hollis vom Royal Institute for International Affairs in London, seinen Außenminister Karel Fürst Schwarzenberg und als Überraschungsgast den ehemaligen Staatspräsidenten von Südafrika, Willem de Klerk, zum Gespräch gebeten. Der beeindruckende Tag stand unter dem Motto „Middle East Peace: Strategy or Tactics?“ Wir sollten Möglichkeiten ausloten, auch gegen das derzeit faktisch Unmögliche Friedens- und Versöhnungswege für den Nahen Osten zu denken. Wir sollten uns dabei, so wünschte es Havel, inspirieren lassen von dem, was de Klerk und Nelson Mandela in Südafrika geschafft hatten. Wie kaum anders zu erwarten, blieb der Ton der Gesprächsrunde düster. Shimon Peres mutmaßte, wenn es nicht gelinge, innerhalb der nächsten zwei Jahre einen auf Vertrauen basierenden Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu schaffen, werde 100 Jahre Düsternis über dem Nahen Osten aufziehen. Prinz Hassan blieb bei aller Melancholie seines Charakters ein Optimist. Nur wenige Tage nach dem Treffen in Prag erreichte mich ein Brief von ihm aus dem königlichen Palast in Amman, datiert vom 25. Oktober 2001. „Dear friend“, begann der Prinz und regte an, wir mögen gemeinsam am Konzept einer „School of Mediterranean Humanities“ arbeiten. Unser Austausch ging hin und her, aber blieb letzten Endes im Sand des sich verschlechternden Verhältnisses zwischen dem Westen und der arabischen Welt stecken. Am 12. Juli 2004 suchte ich Prinz Hassan erneut im königlichen Palast in Amman auf. Wir diskutierten ausführlich einen Vorschlag, den ich zur systemöffnenden Zusammenarbeit zwischen Europa und der arabischen Welt erarbeitet hatte (Kühnhardt 2003b). Punkt für Punkt ging Prinz Hassan meinen Text mit mir durch. Am 29. August

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2004 schrieb er mir geradezu beschwörend: „Europe has a vital role to play in arresting the deteriorating situation in our region. A role that will hopefully positive results.“ Allein, die öffentlichen Verhältnisse zwischen Europa und der arabischen Welt wurden immer mehr von Stereotypen übereinander bestimmt. Ich fand in Europa trotz einiger Mühen keine nennenswerte Unterstützung für die Weiterverfolgung der Initiative, die Prinz Hassan gestartet hatte und zu der ich einige Impulse hatte beitragen können. Waren wir zu spät gestartet oder zu früh? Der zweite Pol, der mich in dieser Zeit aufrieb, betraf das europäische Wertebewusstsein. Intensiv wie nie zuvor wurde damals über die Liberalisierung der Stammzellenforschung diskutiert, auch an meiner Universität. Ich sah diese Entwicklung als den größten moralischen Dammbruch an, den ich jemals im europäisch-christlichen Kontext miterlebt hatte. Mittels der Stammzellenforschung würde, so fürchtete ich, unser Bild vom Menschen grundlegend deformiert. Explizit nahm ich mit einer Reihe von Bonner Universitätskollegen gegen die biomedizinischen Grenzverschiebungen Stellung. Wir setzten uns für die Absolutheit der Menschenwürde ein, die wir nicht als bloß instrumentell und beliebig verfügbar für technische Experimente akzeptierten. Aufgewühlt durch diese Diskussionen und zugleich unter der ganzen Wucht der Wirkungen der Terroranschläge des 11. September hatte ich am 11. Oktober 2001 in Ravenna einen Vortrag zu halten. Es ging um die wissenschaftliche Auftaktkonferenz zum Start eines neuen „Corso di laurea in civiltà dell’Europa Orientale del mediterraneo“ an der dortigen Außenstelle der Universität Bologna. Ich sprach dort über den Druck, unter den das europäische Menschenbild von verschiedenen Seiten genau in dem Augenblick geraten sei, wo ein freier und selbstbewusster Blick auf die Erfordernisse des Dialogs der Kulturen geboten sei, verwurzelt in einem soliden Konsens über die eigene europäische Identität. Genau das aber sei erschüttert durch die bioethischen Entwicklungen infolge von neuen Aktivitäten in der Reproduktionsmedizin, die mit der Proklamation einer bioethischen Konvention des Europarates 1996 eine verhängnisvolle weitere Wendung genommen hatten. Die Unteilbarkeit der Menschenwürde, die soeben erst wieder durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Jahr 2000 statuiert worden war, sei gefährdet. Therapeutisches Klonen sei der Beginn eines Weges weg vom europäischen Menschenbild, wie es in der christlich-jüdischen Tradition lange unzweifelhaft gegolten hatte. Damit erlebe Europa die Bedrohung durch eine neue technizistische Ideologie. Fundamentale Umdeutungen der ethischen Begründungen über den Beginn (Liberalisierung der Abtreibung) und das Ende (Euthanasie) des Lebens seien besorgniserregend, erläuterte ich. Aber die Stammzellenforschung greife noch einen Schritt weiter aus hin zur technischen Machbarkeit des Menschseins. Ich zitierte Novum Organum, Francis Bacons Theorie des befangenen Denkens aus dem Jahr 1620, der die Grundlage von Ideologiebildungen analysiert hatte, vor deren immer wieder möglicher Rückkehr mein Lehrer Karl Dietrich Bracher (1982) in seinem wichtigen Werk Zeit der Ideologien gewarnt hatte (Bracher 1982). Vor dem Hintergrund des islamistischen Terrors gegen „den Westen“ empfand ich dessen eigene innere Selbstentwertung doppelt schwer-

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wiegend. Der überarbeitete Vortrag erschien in Italien und in Deutschland (Kühnhardt 2003c, S. 49 ff.). Am 25. November 2001 führte ich ein längeres Gespräch mit dem zu Jahresbeginn zum Kardinal ernannten Bischof Karl Lehmann und seinem mit mir seit Langem befreundeten Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, über die Embryonenschutzdiskussion. Der Kardinal meinte, der Ausgang der Arbeit des „Nationalen Ethikrats“, in den es der katholischen Kirche gelungen sei, den von mir sehr geschätzten Freiburger Theologen Eberhard Schockenhoff zu entsenden, sei noch offen. Es gebe schließlich doch überraschend viele Einwände gegen zu utilitaristische Ideen. Kardinal Lehmann stimmte mir zu, dass hinter den Debatten um Heilungshoffnungen durch die Embryonenforschung eine Ideologie der Machbarkeit stecke, der man als Katholik widerstehen müsse. Lehmann sah die enormen Gefahren, die von Konzepten abgestufter Menschenwürde ausgehen, sehr deutlich. Mein Eindruck war: Der Kirche schwammen wieder einmal die Felle davon. Der deutsche gesellschaftliche und politische Diskurs zog unbarmherzig an ihr vorbei. Eine weitere Stellungnahme zu dem aus meiner Sicht bioethischen Sündenfall der Stammzellenforschung unter Verwendung von lebensfähigen Embryonen publizierte ich mit Blick auf die Einordnung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die die Europäische Union im Dezember 2000 in Nizza postuliert hatte. Ich sprach von der „christlichen Ortlosigkeit der europäischen Grundrechte-Charta“ und stemmte mich, im Ergebnis natürlich vergebens, gegen die, wie ich es fand, Umdeutungen der Menschenrechtskonzeption und die damit einhergehende Entwertung der Idee der Menschenwürde durch die neuartigen Liberalisierungen für die Reproduktionsmedizin. Ich zitierte Kardinal Joseph Ratzinger, der vom montierten Menschen gesprochen hatte, die Warnung meines Bonner Philosophiekollegen Ludger Honnefelder vor einer „Phasenontologie“ und den Einwand des Theologen Romano Guardini über die „Grenzen der Machtfähigkeit“ und das damit einhergehende „Bild des überanstrengten Menschen“. Mehr als ein Appell konnte es nicht sein, den ich am Schluss meines Aufsatzes formulierte. Ich hoffte auf Mitstreiter, um Anreize für eine Wiederentdeckung des christlichen Menschenbildes zu formulieren, die immun blieben gegen „Machbarkeitswünsche und technokratische Beherrschaftkeitsansprüche“. Dass mein Aufsatz in der bekannten „Grünen Reihe“ der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach erschien, hieß natürlich Eulen nach Athen zu tragen. Mehr nicht. Dem Aufsatz lag ein Vortrag zugrunde, um den ich in Anwesenheit von Kardinal Joachim Meissner anlässlich des Patroziniums des Priesterseminars des Erzbistums Köln am 29. April 2001 gebeten worden war (Kühnhardt 2001c). Meissners Polemik konnte deftig sein. Bei einem Empfang für die katholischen Professoren der Universitäten Köln und Bonn erzählte er mir am 6. Dezember 2012 folgende Begebenheit: Der Bischof von Dhaka in Bangladesch habe ihn kürzlich gefragt, ob Deutschland unterdessen islamisch geworden sei und ein muslimisches Staatsoberhaupt habe. Bundespräsident Joachim Gauck sei doch nicht geschieden und lebe gleichwohl mit einer neuen Frau zusammen. Das gehe doch eigentlich nur im Islam mit seiner Akzeptanz der Vielehe.

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Mir wurde in den Jahren nach der Jahrtausendwende immer deutlicher, gelegentlich auch schmerzlich bewusst, dass sich das ethische Umfeld, in dem ich lebte, seit meiner Jugend grundlegend – und wohl irreversibel –geändert hatte. Aus christlicher Verantwortung ein Gesellschaftsbild abzuleiten war in der unmittelbaren Zeit nach der nationalsozialistischen Hybris wirkmächtig gewesen und sogar noch unter dem indessen zunehmend nachlassenden Druck des kommunistischen Totalitarismus im Zeitalter des Ost-West-Konfliktes. Der Pluralismus der Weltanschauungen und die Liberalisierung der ethischen Normen waren also auch wünschenswerte, jedenfalls unvermeidliche Folge der Freiheit. Gleichwohl standen diese Entwicklungen in einem zunehmenden Spannungsverhältnis zu den Erhaltungsbedingungen ebendieser Freiheit. Ich war in den 1970er Jahren mit einem dezidiert katholischen Weltbild gestartet. Dieses hatte sich in der Welt zu bewähren, ohne die Welt sein oder die Welt dominieren zu können. Je mehr mir dieser Zusammenhang klargeworden war, desto mehr löste ich mich von einem ausschließlich normativ-apodiktischen Zugang zu den Fragen der normativen Wertgrundlagen der modernen Gesellschaft, basierend ausschließlich auf vorgeprägten subjektiven Annahmen und Glaubenssätzen. Ich fragte zunehmend nach Begründungen und versuchte, Zielkonflikte zwischen unterschiedlichen normativ-ethischen Zugängen zu ergründen. Das hieß nicht, dass ich die Eckpunkte meines katholischen Weltbildes revidiert hätte. Aber es musste in der Welt bestehen, in der ich eine Rolle spielen und mit meinen Impulsen Wirkung erzielen konnte. Es musste relational sein, bezogen werden und beziehbar sein auf die Welt, in der es eben nicht nur katholisch zugeht. Ich realisierte, dass Kämpfe, die verloren waren, nicht länger gekämpft werden sollten. Wichtiger war es mir, dort Engagement zu zeigen, wo Dinge im Fluss waren oder wo es möglich war, ein wenig vorauszudenken und möglichen Entwicklungen zuzuarbeiten. Daher zog ich mich sukzessive aus primär selbstreferentiellen Diskussionszusammenhängen zurück, die mir wenig ergiebig geworden waren. Für einmal setzte ich mich mit der Systemtheorie auseinander, um besser zu verstehen, was es mit den Wertorientierungen und ihrem Kontext aus sozialtheoretischer Sicht auf sich hatte. Unbewusst war ich lange Zeit davon ausgegangen, dass Werte allein eine integrative Funktion für die Gesellschaft haben. Nun dachte ich über die „Reststeuerung“ nach, die ihnen in der pluralistischen Wirklichkeit geblieben war. Bestenfalls verfügten Werte noch, musste ich in den 1990er Jahren konstatieren, über eine „Alarmfunktion“. Der (vermeintliche) Wertekonsens, wie ich ihn in meinen jüngeren Jahren erlebt hatte und als Ziel entsprechender Diskussionen unreflektiert angenommen hatte, war jedenfalls offensichtlich in der deutschen Gesellschaft und weithin in Europa zerbrochen. Wertediskussionen hatten eine andere Funktion bekommen. Sie dienten bestenfalls als Korrektiv, um Dissens zwischen unterschiedlichen Wertpostulaten aushaltbar zu machen. Selbst das rituell vorgetragene Wort von der „europäischen Wertegemeinschaft“ meinte nur allzu häufig geradezu das Gegenteil: Es vernebelte Dissens über Werte, um rhetorischen Konsens zu ermöglichen. Das Wort von der „europäischen Wertegemeinschaft“ war vor allem eine didaktische und keine normative Denkfigur.

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Metarationale Vorstellungen, wie sie aus religiösen und philosophischen Prämissen und Begründungen erwachsen, erzeugen und regenerieren sich nicht selbst. Gleichwohl sind sie bedeutsam, um den Orientierungsrahmen für Diskurse, gerade solche mit kontroversen Ansichten, zu setzen. In der europäischen Tradition waren die metarationalen Vorstellungen trotz aller Pluralisierung der Weltbilder durchaus präsent. Jedenfalls waren sie bekannt. Dem früheren ungarischen Ministerpräsidenten József Antall wurde der nicht nur ironisch gemeinte Aphorismus zugeschrieben, Europa sei der Kontinent, auf dem auch Atheisten an Gott glauben. Das Wort war treffend und wirklich klug, auch wenn ich für Antalls Copyright nie einen Beleg fand. Im Kontext des Dialogs mit außereuropäischen kulturellen Dispositionen, namentlich islamischen Vorstellungen, konnten diese intuitiven Voraussetzungen nicht mehr angenommen werden. Das machte aus meiner Sicht diesen interkulturellen und interreligiösen Dialog so problematisch, aber auch so notwendig. Mir schien, so überlegte ich im Jahr 2001 in einem Aufsatz über die „Wertorientierung in der modernen Gesellschaft“, sinnvoll, nach Anreizen zu suchen, um das Zusammenleben in Verantwortung voreinander und füreinander zu ermöglichen und zu stärken, wo immer die Wertdifferenzen dieses erschwerten (Kühnhardt 2001d, S. 233 ff.). Ein pragmatisches Anwendungsfeld für diese Überlegungen erschien mir die Bildungspolitik zu sein. Ich entwickelte Argumente, um Bildung als privates Gut zu verstehen, das durch Anreizstrukturen zu stärkerer Eigenverantwortung beitragen könne (Kühnhardt 2001e, S. 55 ff.). Wohl war, so empfand ich, Europa weiterhin ein kulturelles Laboratorium, auch in Bezug auf die Beziehungen zwischen Wertvorstellungen und normativen Idealen, einschließlich christlich grundierter Weltbilder, einerseits und den Vielfältigkeiten des real existierenden weltanschaulichen Pluralismus andererseits (Kühnhardt 2001f, S. 45 ff.). Aber es war dringend an der Zeit, zu klären, wovon eigentlich die Rede sei, wenn Begriffe verwendet wurden, die eindeutiger erschienen, als sie waren. Das Problem ging über die ethischen Fragen hinaus und betraf auch das politische Vokabular. Ein Beispiel war für mich die Auseinandersetzung um Österreichs innenpolitische Entwicklungen im Jahr 2000. Noch ehe dort eine Koalition aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) überhaupt gebildet worden war, wurde anderenorts in der EU zum Boykott gegen Österreich getrommelt. Von nicht wenigen wurde diese Auseinandersetzung zu einer geradezu existenzgefährdenden Bedrohung der europäischen Wertegemeinschaft hochstilisiert. Mir schien es richtiger, dass Europa in pragmatischer Hinsicht mit einem dialektischen Leben im Widerspruch fahre. Das Aufkommen neuer politischer Parteien konnte nicht durch hypermoralischen Widerstand unter pauschalen Neonaziverdacht gestellt und mit Methoden gestoppt werden, die nicht durch die EU-Verträge gedeckt waren. Anstatt alle EU-Europäer unter das Zwangskorsett eines schablonenhaften und subjektiv aufgeladenen Werteverständnisses zu zwingen, zugleich aber alternative politische Auffassungen unmittelbar und ohne Beleg als wertbedrohend zu stigmatisieren, wäre ein wenig mehr Gelassenheit, aber auch Fairness und mehr Redlichkeit im Umgang miteinander in der EU angezeigt, schrieb ich. Ich buchstabierte gewichtige europäische Erfahrungen mit der Wertediskussion durch

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und schlussfolgerte, dass der säkulare Minimalkonsens „in einer Mischung aus philosophischen Extrakten von Thomas Hobbes und Immanuel Kant“ gründe: Recht und Frieden seien nicht voraussetzungslos. Sie müssten aber immer wieder neu begründet werden. Dies gelte allzumal in der praktischen Politik der EU, wo kein Land und keine Position einen moralischen Alleinvertretungsanspruch erheben könne (Kühnhardt 2001g, S. 73 ff.). Ich blieb natürlich katholisch. „Natürlich“ hieß immer „normal“, wie ich fand, Mainstream. Ich praktizierte meine Religion zeitlebens. Sie gab mir Halt und immer wieder neue Kraft für die Bewährungen im Alltag. Zugleich war ich zunehmend irritiert von verschiedensten Phänomenen der Selbstbezogenheit in meiner Kirche. Selten fand ich noch irgendwo in der westlichen Welt derartig verbissene, ja fundamentalistische Streitigkeiten zwischen verschiedenen „Lagern“ vor wie in meiner Kirche. Ich hatte nie Berührungsängste mit Vertretern der einen oder der anderen Anschauung. Aber ich weigerte mich konsequent, mich für eines der innerkirchlichen Lager vereinnahmen zu lassen. Mich irritierten auch jene Kreise, in denen kirchliche Laienfunktionäre dominierten. Sie erschienen mir häufig viel zu selbstreferentiell zu sein, um es abstrakt freundlich zu sagen. Die Entschuldigungsrituale, die in der Kirche für vergangenes Unrecht und Leid um sich griffen, sprachen mich ebenfalls nicht an. Schuld ist immer individuell, so hatte ich den Sinn des Gewissens verstanden, das christlich gesprochen mit dem Pfingstwunder in die Welt eingezogen war. Schuld muss „ent-schuldigt“ werden, aber sie kann nicht durch noch so ehrlich gemeinte Sühnegesten durch einen selbst eliminiert werden. Auch in diesem Zusammenhang galt Romano Guardinis warnendes Wort von der Selbstüberforderung des Menschen. Besonders eigentümlich muteten mich daher immer wieder christliche Selbstflagellationen aller Art und Güte an. Und dennoch blieb ich katholisch. Wenn ich gefragt wurde, erläuterte ich unumwunden, warum der christliche Glaube mit seinen Grundideen von Barmherzigkeit, Versöhnung und Liebesgebot unersetzbar und unübertroffen im Kanon der großen Weltreligionen sei. Die Kirche lebte in meiner Sicht auf ihren Gründungsauftrag durch Jesus Christus von Voraussetzungen, die sie nicht einmal selber zerstören konnte. Damit verbunden blieb die unersetzbare Bedeutung des Christentums und der Kirche für den inneren Kompass Europas. In mehreren Interviews erläuterte ich, was „Salz der Erde“ unter zeitgenössischen Bedingungen für mich bedeutet (Kühnhardt 2002b, S. 20 ff.; 2005a, S. 1; 2008a). Als Begriff und Realität war und ist „katholisch“ für mich stets identisch mit „Freiheit“. In den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts konzentrierte ich meine ethischen Bemühungen auf zwei Fragen. Zum einen erschien mir der Dialog der Kulturen von überragender Bedeutung für Frieden und Wohlergehen in der Welt. Alle Schritte, diesen Dialog redlich und selbstkritisch zu führen, waren wichtig. Zum zweiten konzentrierte ich mich auf die Neubegründung der europäischen Einigung. Die europäische Einigung erschien mir als gleichsam kulturchristliche Anwendung der theologischen Identität Europas. Sie ging vom Übernationalen als Gestaltungsraum menschlicher Freiheit und Solidarität aus wie der christliche Glaube und die Struktur meiner

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katholischen Kirche. Aber ohne im Dialog der Kulturen und Religionen zu bestehen – und das heißt auch: Kontroversen zu akzeptieren und Konflikte redlich auszutragen –, würde Europas innere Entwicklung nicht gelingen. Fast jedes zweite Jahr, gelegentlich mit längeren, dann wieder kürzeren Intervallen, habe ich mich seit der Zeit, als ich mich Mitte der 1980er Jahre erstmals mit der Frage nach der Universalität der Menschenrechte beschäftigte, im Vatikan aufgehalten. Immer ging es mir bei den dortigen Gesprächen in den verschiedenen Dikasterien, in den päpstlichen Universitäten und mit führenden Repräsentanten der katholischen Kirche um die Frage nach dem Verhältnis meiner Kirche zur liberalen Welt und um ihre Position im interreligiösen Dialog, vor allem mit den islamischen Gesellschaften (Kühnhardt 2021d, S. 332 (Verknüpfte Welten, Band 1); Kühnhardt 2022a, S. 52 ff.; 82 ff.; 225 ff.; 278 ff.; 318 ff.; 341 ff.; 406 ff.; 571 ff.; 653 ff.; 668 ff.; 811 ff.). Am 17. März 2004 tauschte ich mich wieder einmal mit meinem akademischen Lehrer Karl Dietrich Bracher aus, einem liberalen Protestanten, der soeben seinen 82. Geburtstag begangen hatte. Bracher war temperamentvoll wie eh und je und wohlvertraut mit den jüngsten weltpolitischen Entwicklungen. Er bezeichnete die Gefahr des politischen Islams für im Kern totalitär. Der Einzelne werde im Islam unter den Zwang einer radikalen, harten, aggressiven Religionsinterpretation gestellt. Er habe schon früher von Orientalisten gelernt, dass jede Sure durch den Inhalt einer anderen Sure widerlegt werden könne. Der Koran sei zweideutig. Türken und Perser seien im Prinzip moderater als Araber, weil für sie die strenge Koranlehre das Studium einer fremden Sprache voraussetzt. Dennoch sei, wie er im Unterschied zu mir fand, die Türkei nicht in der Lage, in die EU aufgenommen zu werden. Es gebe natürlich die moderne, europäische Türkei, aber eben auch die arme Türkei in den leeren Weiten der Osttürkei, die er besucht hatte. Europa müsse nicht christlich sein, aber es gehe nicht an, dass Europa allerorten Moscheen zulasse und immer mehr verschleierte Frauen zu sehen seien, auch in Bonn, während es Christen in der Türkei schwer haben, auch nur einen Gebetsplatz zu finden. Dem Problem des totalitären politischen Islams liege eine Modernisierungskrise in den vom Islam geprägten Gesellschaften zugrunde. Bracher zog Vergleiche zur Weimarer Republik. Kultur und Staatlichkeit, so sagte er, klaffen in der arabischen Welt auseinander. Gäbe es eine lineare Modernisierung, müsste Saudi-Arabien, oder auch Venezuela, wie er beiläufig bemerkte, ein blühendes, freies und modernes Land sein. Die kulturelle und mentale Modernisierung sei aber nicht mit dem ökonomischen Reichtum mitgekommen. Kulturelle Spannungen und die Gefahr der „totalitären Versuchung“ – er zitierte Jean-François Revels Buch – seien die Folge (Revel 1976). Bracher war apodiktisch: Man könne in Gesellschaften, die sich in derartig intensiven Kulturkämpfen mit sich selbst befinden, nicht von außen demokratische Herrschaftsformen hineinzwingen. Das führe nur zu weiteren Konflikten, wie nun im Irak zu erleben sei. Der radikale politische Islam sei ähnlich wie die pseudoreligiöse Radikalität des Nationalsozialismus. Die neue Kulturkrise werde dadurch noch verschärft, dass der Westen Zeichen von Dekadenz und Verfall zeige, die bis zu gesteigerten Perversionen nicht mehr zu übersehen seien.

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Die Frage nach einer möglichen türkischen Mitgliedschaft in der EU beantwortete ich im späten 20. Jahrhundert und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts noch anders als mein Lehrer und das heißt: zustimmend. Tatsächlich wurde dieses Thema nie so ernsthaft und doch zugleich so wenig zielstrebig behandelt wie während dieses Jahrzehnts. Dies galt sowohl in der Türkei als auch in der EU. Seit den 1980er Jahren habe ich die Türkei bei regelmäßigen Aufenthalten im Abstand von durchschnittlich zwei bis drei Jahren immer wieder neu als eines der faszinierendsten, vielseitigsten und freundlichsten Länder der Erde kennengelernt (Kühnhardt 2021d, Verknüpfte Welten, Band 1S. 354 ff.; 461 ff.; 520 ff.; 532 f.; 604 ff.; 2022d, S. 271 ff.; 324; 550 f.). Mir war die, wie ich sagte, georeligiöse Dimension dabei immer wichtig. 1999 betete ich das „Vaterunser“ in der St.-Petrus-Grotte bei Antakya während eines Besuches mit meinem muslimischen Freund Hüseyin Bagci und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff. An diesem Ort war zum ersten Mal der Begriff „Christen“ für die kleine Gemeinde verwendet worden, so erzählt die Apostelgeschichte aus dem damaligen Antiochia (Kühnhardt 2021a, Verknüpfte Welten, Band 1S. 606). 2001 suchte mich eine Delegation aus Antalya auf, um zu erfahren, wie das Image der Touristenhochburg auf dem Weg der Türkei in die EU noch verbessert werden könnte. Die Besucher waren überrascht, als ich empfahl, in Antalya eine christliche Kapelle oder Kirche zuzulassen. Ich bin sicher, die türkischen Besucher hatten einen solchen Vorschlag weder erwartet noch zuvor gehört. Am 17. Dezember 2004 beschloss die EU, zum 3. Oktober 2005 Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beginnen. Tatsächlich war 2003 die Nikolaus-Kirche in Antalya als erster neuer Kirchenverein zugelassen und eingeweiht worden. Dies war ein ermutigendes Zeichen der religionspolitischen Liberalisierung im Rahmen der Reformpolitik von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan. Ich sprach von einem guten Schritt auf dem Weg zur Reziprozität bei der Anerkennung des religiösen Lebens. Am 10. Januar 2005 fuhr ich zur Spurensuche nach Antalya (Kühnhardt 2022a, S. 271 ff.). Prälat Rainer Korten hatte mit dem Aufbau der deutschsprachigen St.-NikolausGemeinde begonnen, Ein umtriebiger und erfahrener Mann, der seine wöchentlichen Gottesdienste mit 70 Gläubigen abhielt, Beerdigungen durchführte, Seelsorger für endlos viele Alltagsprobleme geworden ist und sich darüber erregte, dass sein Telefon noch immer abgehört wurde. Korten plädierte gleichwohl für Geduld. Er setzte auf „türkische Lösungen“, die er auch bei den ersten Konversionen erlebt hatte, bei denen er um die Spende der Taufe gebeten worden war. Korten erzählte mir, dass er drei Bedingungen gestellt habe, als er nach Antalya gekommen war: jederzeit religiöse Feiern abzuhalten, alle erforderlichen kirchlichen Instrumente mitzubringen und jederzeit, wenn er darum gebeten würde, Strafgefangene zu besuchen. Letzteres wurde ihm alsbald verwehrt, trotz Gesprächen mit dem örtlichen Gouverneur, der ohne Begründung ablehnte, und mit dem Mufti. Der habe wenigstens gefragt, was das denn solle. Korten hatte geantwortet, Jesus hätte es auch so gemacht. Dieses Gespräch, so erzählte mir Korten, sei der Beginn einer guten und tiefen Freundschaft geworden. Bald sprachen die beiden über die unterschiedlichen Konzepte von Barmherzigkeit und Vergebung, die es als Ideen im Islam nicht so gebe wie im Christentum. Ich war überzeugt: Der interreligiöse Dialog, der in die Tiefe

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ging und nicht bei Stereotypen und Oberflächlichkeiten stehenblieb, war möglich. So argumentierte ich beispielsweise nach dem Besuch von Papst Benedikt XVI. vom 28. November bis 1. Dezember 2006 in der Türkei (Kühnhardt 2006a). Zugleich spürte ich natürlich immer wieder bei politikwissenschaftlich orientierten Workshops, Vorträgen und Gesprächen die verschiedenen Variationen der Entfremdung zwischen der Türkei und der EU, aber auch die unterschwelligen Verwerfungen, die zunächst die Eskalation des islamistischen Terrorismus und später die Folge des Syrien-Krieges bewirkt hatten.

Abb. 9.5   Ein „Vaterunser“: mit meinem muslimischen Freund Hüseyin Bagci und dem CDUBundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff in der frühchristlichen St.-Petrus-Grotte bei Antakya, dem antiken Antiochia (1999). (©Ludger Kühnhardt)

Am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) verfolgte ein deutschtürkisches Wissenschaftlerteam zwischen 2005 und 2008 sehr aufmerksam die Ent-

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wicklungen in den Beitrittsverhandlungen. Wir publizierten unsere Analysen mehrfach jährlich als „ZEI EU-Turkey-Monitor“. In diesen Jahren verschoben sich auf beiden Seiten die Akzente der Diskussion. Vieles blieb technisch, manches war immer häufiger getrieben von Misstrauen. Immer wieder redeten beide Seiten aneinander vorbei. Ich beteiligte mich an der Diskussion mit dem Argument, Europa müsse von seinen Möglichkeiten, nicht aber von seinen Grenzen her definiert werden. Die Türkei müsse sich allerdings redlich mit dem Begriff der Souveränität auseinandersetzen und lernen, von „Türkei in der EU“ statt von „Türkei und EU“ zu sprechen, wenn sie es ernst meine mit dem Willen zum Beitritt in die EU. Besonders lebhaft wurden meine Argumente bei einem Workshop im Ankara Foreign Policy Institute am 30. Juni 2006 diskutiert (Kühnhardt 2022a, S. 324). Der unverwüstliche Seyfi Tashan hatte eine illustre Gesprächsrunde zusammengerufen, darunter Stefano Silvestri, Präsident des Istituto Affari Internazionali in Rom, Duygu Bazoğlu Sezer, Strategie-Expertin an der Bilkent University, Rosemary Hollis, die von mir sehr geschätzte Forschungsdirektorin für Nahostfragen am Chatham House, Reşat Arim, pensionierter Botschafter der Türkei, Metin Heper, Soziologe an der Bilkent University, und Lothar Rühl, früherer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium und Publizist. Mir wurde von allen Seiten die Klage vermittelt, die EU sage zugleich Ja und zugleich Nein zum möglichen Beitritt der Türkei. Das sei nicht kohärent und bringe auch in Bezug auf eine Lösung der Zypern-Frage keine Bewegung. Die Türkei, so herrschte Konsens in der Runde, könne wohl frühestens 2019/2020 beitreten. Zu diesem Zeitpunkt teilte ich noch diese optimistische Sicht der Dinge. Aber die Türkei müsse, so insistierte ich, eine Veränderung des Souveränitätsbegriffs durcharbeiten. Währenddessen müsse die EU umgekehrt einen stärkeren Zusammenschluss der Souveränität ihrer Mitgliedsstaaten verwirklichen und globale Ambitionen entwickeln, von denen die Türkei ein Teil werden kann. Dass dies möglich war, davon war ich 2006 noch überzeugt. Der Arabische Frühling wenige Jahre später änderte Vieles. So auch diese meine optimistische Einschätzung hinsichtlich eines türkischen EU-Beitritts. Seit Februar 2011 war es in Syrien zu Verhaftungen protestierender Menschen gekommen. Es gab Demonstrationen gegen die Regierung Assad und gewaltsame Niederschlagungen durch Sicherheitskräfte. Seit dem Sommer 2011 bildeten desertierte Soldaten die „Freie Syrische Armee“. Seit dem September 2011 musste man von bürgerkriegsartiger Gewalt in Syrien sprechen. Am 6. Dezember 2011 referierte ich vor dem „Bilkent International Security and Strategic Seminar“ vor Diplomaten, Wissenschaftlern und Studierenden zu den geopolitischen Entwicklungen aus Sicht der EU (Kühnhardt 2022a, S. 550 f.). Mein guter Bekannter und Kollege Ali Karaosmanoglu, Direktor des Center for Foreign Policy and Peace an der Bilkent-Universität, hatte mich zwischenzeitlich in den wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift All Azimuth. Journal of Foreign Policy and Peace Studies berufen. Ich befand mich also in freundschaftlicher Runde. Auch meine früheren Studenten Saban Kardas und Sühal Gündüz waren anwesend, die unterdessen beide wissenschaftliche Karrieren in Ankara machten. Die Stimmung in Sachen EU war weiterhin eher ratlos. Aber im Rückblick sehr über-

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raschend war bei aller Zurückhaltung an diesem Abend noch immer mit verhaltener Hoffnung vom „Arabischen Frühling“ die Rede, der seit Dezember 2010 in der südlichen Nachbarschaft der Türkei aufzublühen schien. Die Radikalisierung der Situation in Syrien war eigenartigerweise noch kein Thema an diesem Abend in Ankara. Das sollte sich bald sehr grundlegend und langfristig ändern. Damit aber richtete sich der strategische Blick der Türkei immer mehr nach Süden. Selbstbehauptung und Mitgestaltung wurden treibende Kräfte in der Türkei. Auf die Wahrnehmung der türkischen Rolle in der EU wurde immer weniger Rücksicht genommen. Das innenpolitische Agieren in der Türkei war Wasser auf die Mühlen vieler antitürkischer Skeptiker in der EU. Bei einem längeren Interview mit dem international ausgestrahlten türkischen Sender TRT warnte ich am 12. August 2012 vor den Folgen dieses Auseinanderdriftens der wechselseitigen Wahrnehmungen. Erst als die Türkei nach der großen Migrationswelle 2015 zum Grenzwächter für die EU gerufen wurde, gewann die Türkei wieder politische Sympathien in der EU. Die Mitgliedschaft in der EU war allerdings unterdessen faktisch von der EU-Tagesordnung genommen. Ich musste erkennen, dass es keinen Sinn mehr machte, an meiner früheren Hoffnung auf EU-Mitgliedschaft der Türkei festzuhalten. Beide Seiten hatten sich irgendwie verloren, jedenfalls galt dies für die aktuelle politische Generation. Dennoch: Die EU wie die Türkei blieben aufeinander angewiesen. Davon war ich weit über die Frage des Managements des Flüchtlingsproblems hinaus zutiefst überzeugt. Seit 1999 war das ZEI Mitglied der Euro-Mediterranean Studies Commission (EuroMesco), einem informellen Zusammenschluss von Forschungsinstituten aus allen Ländern, die am Barcelona-Prozess teilnehmen. Lange Jahre leitete der portugiesische Kollege Alvaro Vasconcelos die EuroMesco-Aktivitäten. Immer wieder besuchte ich Jahrestagungen von EuroMesco oder ließ mir von Mitarbeitern über die dortigen Diskussionen berichten. Bei der Jahrestagung in Tarragona am 2. Oktober 2014 wurde deutlich, wie sehr die Stimmung in der Mittelmeerregion gekippt war (Kühnhardt 2022, S. 653). Von „Arabischem Frühling“ war längst keine Rede mehr. Die Visionen seien noch da, hieß es unter den anwesenden Kolleginnen und Kollegen, aber die Realitäten in den Gesellschaften der arabischen Mittelmeeranrainer seien leider rückwärts orientiert. Ich konnte mich, einmal mehr, besonders intensiv mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen austauschen, die ich seit Jahren kannte und auf deren Urteil ich Wert legte, darunter Salam Kawakibi, Arab Reform Initiative, Ahmed Driss, Centre des Etudes Méditerranéennes et Internationales, Tunis, Pol Morillas, IEMED Barcelona, Oktay Aksoy, türkisches Foreign Policy Institute, Haizam Amirah Fernandez, Real Elcano Institute, Erzsebet Rosa, Hungarian Institute of International Studies, Ewan Lannon, Europainstitut der Universität Gent, Claire Spencer, Chatham House, London, Roderick Pace, Universität Malta, Sharon Pardo, Centre for Study of European Politics and Society, Ben Gurion University, Albert Tovias, Hebrew University, Jerusalem. Bisherige Gesellschaftsmodelle lösten sich auf. Diversität war so groß wie noch nie in der arabischen Welt. Ein Mehr an Sicherheit aber brachte dies nicht. Anders als bei den postkommunistischen Transformationen in Mitteleuropa bestand keine Perspektive,

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die ähnliche Funktionen für Wandel und EU-Orientierung hätte haben können, wie diejenige der EU-Mitgliedschaft es für die mitteleuropäischen Staaten gewesen war. Modernisierungskonzepte und die schroffen Gegensätze zwischen Laizität und islamisch geprägter Politik waren immer spannungsgeladener geworden. Arabische Kolleginnen und Kollegen machten wenig Mut auf eine baldige Beruhigung der aggressiv aufgeladenen Identitätsdiskussionen in ihren Ländern. Das soziale Elend nehme immer mehr zu, wurde aus allen Richtungen geklagt. Zugleich aber wurden alle von außen an die arabischen Länder angetragenen Konzepte der Entwicklung stolz abgelehnt. Besonders Azmy Khalifa vom Regional Centre for Strategic Studies in Kairo und Omar Shaban vom Palestinian Think Tank for Strategic Studies in Ramallah bestätigten mit vielen schlüssigen Beispielen, wie sehr sich die Menschen in den arabischen Ländern von Konsumenten westlicher Ideen zu Agenten ihrer eigenen Normvorstellungen gewandelt hatten. Auf lange Zeit aber, so sagten sie, würden Unruhe und Unberechenbarkeit die Norm bleiben. Regime-Change sei jedenfalls das falsche Konzept, weil aufgrund der labilen Verhältnisse am Ende doch nur eine Widerherstellung der alten Machtstrukturen erfolgen würde. Dieser Weg produziere nur noch mehr Hass, Gewalt und Widerstand. Angesichts dieser Umstände in den Gesellschaften der südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeeres war die längste und beständigste Kooperation segensreich, die ich seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Mittelmeerregion unterhielt. 2000 hatte ich erstmals den damaligen stellvertretenden Direktor der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC), Stephen Calleya, zu einem „Mediterranean Forum“ des ZEI nach Bonn eingeladen. Bald danach publizierten wir eine exzellente Analyse aus seiner Feder über die Stärken und Schwächen der seit 1995 bestehenden euro-mediterranen Zusammenarbeit (Barcelona-Prozess; Calleya 2000). Eine enge persönliche Freundschaft und wissenschaftliche Zusammenarbeit nahm ihren Anfang. 2001 resümierte ich in einem Aufsatz die bisherigen Erfahrungen mit der euromediterranen Partnerschaft. Entscheidend sei, so schrieb ich, der Wandel der demographischen Realitäten: 1950 lebten zwei Drittel der Anwohner des Mittelmeeres auf seiner Nordseite, im Jahr 2000 hatten sich die Verhältnisse exakt umgekehrt und zwei Drittel lebten auf der Südseite des Mittelmeeres. Es sei offensichtlich, dass die Europäische Union als Ganzes dringend eine richtige Mittelmeer-Strategie benötige und diese wichtige Frage nicht allein den südlichen Mitgliedsstaaten überlassen könne. Unklar war mir indessen, ob der Ansatz des Barcelona-Prozesses ausreiche. Die Idee, mithilfe eines gemeinsamen Marktes ein Mittelmeer-Gefühl zu generieren, sei doch fraglich, schrieb ich. Ich zitierte Fernand Braudels große kulturwissenschaftliche Studie über das Mittelmeer, um die geistige und historische Dimension anzudeuten, in der die Aufgaben der Gegenwart zu sehen sind (Braudel 1949). Ich blickte auf verschiedene Phasen der Geschichte, um zu bilanzieren, dass nur selten eine kohärente gemeinsame Mittelmeer-Identität aller Völker, die an seinen Ufern leben, bestanden habe. Immer wieder waren Entscheidungen zu treffen, die zu strategischen Veränderungen zwischen den Anrainervölkern des Mittelmeeres führen. So werde jetzt beispielsweise die EUMitgliedschaft von Malta Folgen für die traditionellen Beziehungen Maltas zu Libyen

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haben. Ein Aspekt war mir besonders wichtig: Das Mittelmeer öffnet den Blick nach Afrika, dem von Europa so lange vernachlässigten Kontinent. Wenn die Befassung mit dem Mittelmeer zu einer profilierteren globalen Rolle Europas führt, gerade auch in Bezug auf Afrika, sei das vielleicht am Ende die beste Begründung für eine genuine Mittelmeer-Strategie in der EU und wissenschaftliche Forschungen über das Mittelmeer in Europa (Kühnhardt 2002c, S. 163 ff.). Am 8. März 2003 hatte die Mehrheit der Bevölkerung von Malta in einem Referendum für die Mitgliedschaft in der EU gestimmt. Vom 1. bis 3. April 2003 hielt ich mich in Malta auf, das ich schon bei einem früheren privaten Aufenthalt mit meiner Frau schätzen gelernt hatte (Kühnhardt 2022, S. 182 f.). Jetzt realisierte ich die ungemein strategische Bedeutung der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC). Ich referierte dort vor jungen arabischen Diplomaten und maltesischen Nachwuchswissenschaftlern über die Entwicklungen in der EU. Verschiedentlich nahm ich, auch öffentlich, Stellung zur in Malta hitzig debattierten Frage, welche Vorzüge die Mitgliedschaft Maltas in der EU haben würde und wohin sich die EU derzeit entwickele (Kühnhardt 2003d, S. 6; 2003e, S. 21). Wenige Tage nach meinem Aufenthalt, am 12. April 2003, fanden Wahlen zum Parlament von Malta statt, die das Pro-EU-Referendum mit einem Sieg für die National Party bestätigten. Am 13. Oktober 2003 gelang es mir, den Staatspräsidenten von Malta, Guido de Marco, zu einem Vortrag am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) in Bonn zu gewinnen. De Marco sprach über die mediterrane Berufung seines Landes und den kulturellen und strategischen Wert, den dies für die EU bedeute, sobald Malta am 1. Mai 2004 ihr Mitglied sein würde. Die Zuhörer, darunter Teilnehmer des wiederum international besetzten „Mediterranean Forum“, das ich am nächsten Tag als wissenschaftliche Fachkonferenz organisiert hatte, erlebten einen eindrucksvollen Vortrag im Festsaal der Universität über die mediterrane Identität Europas, eine „forma mentis“, wie er sagte (Marco 2004, S. 11 ff.). Präsident de Marco äußerte tiefe Sorge über den Nahostkonflikt und schlug einen Council of the Mediterranean vor, analog zum Council of Europe. Nach dem Vortrag gab ich für Präsident de Marco ein festliches Abendessen auf dem Petersberg hoch über dem Rheintal. Mit dabei waren der maltesische Botschafter William Spiteri, die Entourage von Präsident de Marco und die Teilnehmer des ZEI „Mediterranean Forum“. Bis tief in den Abend diskutierten wir die Frage, wie Deutschland auch mit Mitteln der Wissenschaft stärker an die mediterrane Agenda herangeführt werden könne. Ich fragte Präsident de Marco, was er von der Idee eines deutschen Lehrstuhls an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC) halte, die auf seine Initiative hin 1990 entstanden war. Er war sofort begeistert. Wir setzten das Gespräch über diese Frage und die „forma mentis“ des Mittelmeeres wenige Monate später in seinem beeindruckenden Büro im ehemaligen Palast des Großmeisters des Malteser-Ritterordens in Valletta fort. Bis zu seinem Tod 2010 blieb ich diesem freundlichen und hochgebildeten Gentleman verbunden. Er war klein an Gestalt, aber groß in der Weite seines gedanklichen Horizonts. Davon künden über seinen Tod hinaus die Memoiren, die er der Nachwelt hinterlassen hat (Marco 2007).

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Abb. 9.6   Mittelmeer als „forma mentis“: mit Maltas Staatspräsident Guido de Marco an der Universität Bonn (2003). (©Ludger Kühnhardt)

Die Idee, die Präsident de Marco und ich am 13. Oktober 2003 in Bonn entwickelt hatten, nahm einen mühsamen, aber unzerstörbaren Weg durch die deutsche Diplomatie und Bildungsbürokratie. Ich ließ nicht locker und führte auf verschiedensten Ebenen intensive Gespräche, bestens unterstützt von Präsident de Marco, Botschafter Spiteri und seinen Nachfolgern ebenso wie von den wechselnden deutschen Botschaftern in Malta, die ich immer wieder mit Stephen Calleya aufsuchte. Am Ende hatten die vielen Interventionen in Berlin und Valetta Erfolg: Am 5. Februar 2009 wurde in der „Mediterranean Academy of Diplomatic Studies“ (MEDAC) ein vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanzierter „German Chair in Peace and Conflict Prevention“ eingerichtet. Die Laufzeit des deutschen Engagements war über alle Maßen großzügig und wurde mehrfach verlängert. Monika Wohlfeld, die zuvor bei der KSZE in Wien tätig gewesen war, erfüllte ihre Aufgaben an der MEDAC über einen bemerkenswert langen Zeitraum hervorragend (Wohlfeld 2020). Ich konnte in all diesen Jahren die durch sie ausgebaute deutsche Präsenz an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies regelmäßig unterstützen, was deren „Newsletter“ immer wieder freundlich kommentierte. Zugleich erlebte ich die dramatischen Veränderungen in der arabischen Welt und im Mittelmeerraum. Regelmäßig nehme ich seit 2007 eine Gastprofessur an der MEDAC wahr zu Fragen des Verhältnisses von Region-Building und den geopolitischen

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Entwicklungen mit besonderem Augenmerk auf der volatilen Mittelmeer-Region (Kühnhardt 2022a, passim). Im Gegenzug unterrichtete Stephen Calleya jährlich ein Modul über mittelmeerische Herausforderungen im Master of European Studies des ZEI. Stephen Calleya, der ebenso aktive wie kluge MEDAC-Direktor, und ich entwickelten immer wieder neue Ideen und Formate für die Zusammenarbeit, um Präsident de Marcos Vision, das Mittelmeer sei eine „forma mentis“, mit Leben zu füllen. Auf meine Anregung hin ehrte MEDAC Guido de Marco 2008 mit der Benennung der dortigen Bibliothek nach dem ganz ungewöhnlichen maltesischen Staatsmann. 1984 wurden erstmals Gallup-Meinungsumfragen in Malta durchgeführt. Seitdem lagen Daten über die sozioökonomische, aber auch die kulturelle Disposition der maltesischen Bevölkerung vor. Mit besonderer Neugier betreute ich daher 2009 die Masterarbeit von MEDAC-Absolventin Lourdes Pullicino über die Rolle der öffentlichen Meinung in der Außenpolitik von Malta. Die theoretisch grundierte Fallstudie entwarf ein lebendiges Panorama der Gesellschaft von Malta, ihrer mediterranen Identität, ihrer engen Verbundenheit zu Europa und namentlich Italien aufgrund der katholischen Prägung, der unbefangenen Nachbarschaft zu den arabischen Staaten und zu Israel. Malta war schon ein besonderes Land, wurde mir auch durch das Studium dieser Masterarbeit vermittelt. Mehrfach nahm ich an größeren MEDAC-Tagungen teil. Unvergessen blieb die Konferenz am 4. Dezember 2009 anlässlich des 20. Jahrestages des Endes des Kalten Krieges, bei dem Malta eine gewichtige Rolle gespielt hatte (Kühnhardt 2022a, S. 435 f.): Am 2. Dezember 1989 hatten US-Präsident George Bush sen. und der sowjetische Staats- und Regierungschef Michail Gorbatschow sich auf einem Kriegsschiff vor Malta getroffen und den Kalten Krieg für beendet erklärt, der 44 Jahre zuvor in Jalta seinen Anfang genommen hatte. Der damalige Chief of Staff im Weißen Haus, John Sununu, Gorbatschows damaliger Außenminister Aleksander Bessmertnych und per Video-Übertragung der damalige amerikanische Außenminister James Baker waren neben der Staatsführung von Malta, angeführt vom ehemaligen Präsidenten Guido de Marco und seinem Nachfolger als Staatschef, Edward Fenech Adami, sowie vielen Gästen aus Diplomatie und Wissenschaft anwesend. Ich diskutierte die Folgen des Falls des Eisernen Vorhangs für Europa mit dem ehemaligen österreichischen EU-Kommisar Franz Fischler, dem slowakischen Soziologen Martin Bútora und Fred Tanner, dem ersten MEDAC-Direktor und unterdessen Direktor des Geneva Center for Security Policy. Am 12. August 2010 starb Guido de Marco. Der erste Weg bei meinem nächsten Aufenthalt Anfang Januar 2011 führte mich zu seinem Grab auf dem bukolischen Addolorata-Friedhof in Paola (Kühnhardt 2022a, S. 508). In den nächsten Jahren entwickelte sich ein ebenso herzliches, ja freundschaftliches Verhältnis mit de Marcos Nachfolger als MEDAC-Chairman, dem ersten maltesischen EU-Kommissar Joe Borg und seiner Frau Isabelle. Joe Borg erweiterte meine Horizonte um die komplexen maritimen Fragen. Wir versuchten immer wieder zu Jahresbeginn mit einer „tour

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d’horizon“ die nahen und fernen Herausforderungen zu sortieren. Bei einer großen Konferenz anlässlich des 25-jährigen Bestehens von MEDAC saß ich am 3. Dezember 2014 mit Bichara Khader, palästinensischer Wissenschaftler und Gründungsdirektor des Center for Arab Studies an der Katholischen Universität Löwen, und der Jordanierin Natascha Schawarib, die in Amman für einen Thinktank arbeitete, vor den Trümmern des Arabischen Frühlings (Kühnhardt 2022a, S. 656). Wir mussten eine sehr ernüchternde, ja bittere Analyse der Lage in der arabischen Welt vornehmen. Doch wir waren unverzagt in der Hoffnung, dass mit MEDAC in der Mitte des Mittelmeeres eine wissenschaftliche Institution besteht, die weiterhin vorurteilsfreie intellektuelle und diplomatische Brücken über die tiefen weltanschaulichen, machtpolitischen und ökonomischen Gräben um das Mittelmeer herum bauen kann. Mein „ceterum censeo“ bei dieser Gelegenheit war wieder einmal klar: Europa muss weltfähig werden. Es sei nicht hinzunehmen, dass Europa nurmehr Instabilität aus der arabischen Welt importiert, aber über keinerlei Handlungskraft verfügt, um bei den strategisch entscheidenden Fragen von Krieg und Frieden mitzuwirken, weder im Konflikt zwischen Israel und Palästina noch in den Bürgerkriegen in Syrien und Libyen. Sowohl in Bezug auf Wertfragen als auch hinsichtlich der Machtfragen sei die Wirkungskraft der EU leider trostlos, klagte ich Ende 2014.

Abb. 9.7   Euro-mediterraner Dialog: mit Stephen Calleya in Mdina (2003). (©Ludger Kühnhardt)

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9  Europas Neugründung

Dass die Lage in der arabischen Welt noch deprimierender werden würde, war leider vorherzusehen, aber kein Grund zum Defätismus. Stephen Calleya und ich zogen daraus nur den Schluss, die wichtige strategische Funktion von MEDAC noch intensiver zu nutzen, um durch die Kooperation mit meinem Institut ZEI unter jungen Fach- und Führungskräften aus aller Welt den Kompass hinsichtlich der Mittelmeer-Agenda zu schärfen. Zwischen 2010 und 2020 führten wir jährlich einen gemeinsamen Workshop von ZEI Master of European Studies Fellows und MEDAC-Studierenden durch, die zumeist in den Außenministerien arabischer, kaukasischer und afrikanischer Staaten tätig sind. Nachdem wir eingangs mit prominenten Sprechern wie Werner Hoyer, dem Staatsminister im deutschen Auswärtigen Amt und seit 2012 Präsidenten der Europäischen Zentralbank, den gemeinsamen Workshop begonnen hatten, entwickelten wir das Konzept weiter. In den späteren Jahren trugen ausschließlich Studierende beider Institutionen pointierte Kurzvorträge vor, die zu enorm bereichernden und unbefangenen Diskussionen untereinander führten. Ein stimmungsvoller Ausklang auf einem Restaurantboot im Rhein rundete die gute Atmosphäre jedes Mal ab. Die Erträge dieser ZEI-MEDAC-Workshops wurden ab 2013 Jahr um Jahr in einer eigens für diesen Zweck reservierten Ausgabe des am ZEI erscheinenden „Future of Europe Observer“ publiziert. Immer wieder legte ich mir zwischendurch Rechenschaft ab, wie sich der Dialog der Kulturen und die europäische Identitätsdiskussion entwickelten. Bei Wiederlektüre einiger meiner Texte aus den Jahren 2004, 2005 und 2008 über den Zusammenhang von euro-mediterraner Partnerschaft und den menschlichen Dimensionen war ich überrascht, eigentlich eher betrübt, wie wenig sich einige Grundaussagen geändert und wie sehr andere mit unausweichlicher Härte 17 Jahre später noch treffender klangen (Kühnhardt 2004a, S. 7; 2005b, S. 83 ff.; 2008b, S. 7). Ich schrieb anlässlich der weiterhin ungelösten Fragen im Nahen Osten, des zehnten Jahrestages der Barcelona-Erklärung, die 1995 die euro-mediterrane Partnerschaft begründet hatte, und der Gründung der „Union für das Mittelmeer“, einer besonders kryptischen Konstruktion. Das Versprechen, eine Partnerschaft zwischen allen Gesellschaften um das Mittelmeer herum in sozialer, kultureller und menschlicher Hinsicht zu schaffen, sei bisher nicht eingelöst worden. Aus der Perspektive der 2020er Jahre war dieser Befund eine drastische Untertreibung. Ich verteidigte in meinem Text von 2005 Samuel Huntingtons Befund, dass erstmals in der Weltgeschichte Politik multipolar und multizivilisatorisch geworden sei. Er habe auch recht damit gehabt, dass die inneren Konflikte zwischen den islamischen Glaubenstraditionen und der Entwicklung einer modernen, säkularen und pluralistischen Gesellschaft, die auf Recht und nicht auf Glauben beruhe, massiv bleiben würden. Sie waren eindeutig noch härter geworden, als Samuel Huntington 1996 und ich 2005 vermutet hatten.

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Abb. 9.8   MEDAC- und ZEI-Studenten mit Monika Wohlfeld, dritte von links, Stephen Calleya, in der Mitte, und mir in Bonn (2015). (©Ludger Kühnhardt)

2005 hatte ich konstatiert, dass unklar geblieben sei, wie ein Dialog der Kulturen überhaupt zustande gebracht werden könnte. Ich schrieb damals ironisch, dass die derzeitigen Migrationsprozesse im Mittelmeer zwar zu mehr menschlichen Interaktionen führen, aber in Wirklichkeit fördern sie doch so, wie sie verlaufen würden, Vorurteile und Misstrauen. 2005 standen wir noch am Anfang von Schlepperwesen, im Mittelmeer ertrunkenen Menschen und illegaler Einwanderung nach Europa. Bald zwei Jahrzehnte später hielt die illegale Migration nach Europa an. Die Kontroversen, die sich schon 2005 abzeichneten, waren längst nicht gelöst. 2005 hatte ich mich darüber gesorgt, dass externe Faktoren und Angst die Barcelona-Agenda seit 1995 zu stark beherrscht hätten. Ich bezog mich natürlich auf die Terroranschläge des 11. September 2001 in den USA und am 11. März 2004 in Madrid. Seither war die Liste der islamistischen Terroranschläge in Europa so lang geworden, wie es sich 2005 kaum jemand hätte vorstellen können. Jeder fünfte Terrorist war als Schutzsuchender nach Europa gekommen, in Deutschland war die Zahl sogar höher (Leubacher 2021). Die Radikalisierung einzelner Muslime, die längst in Europa lebten oder sogar aufgewachsen waren, war nicht weniger besorgniserregend. Längst war allgemein bekannt, dass nicht systematischer Terrorismus, sondern terroristische Aktionen radikalisierter Individuen oder kleiner Gruppen

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stattfanden, gründend auf strategischen Anweisungen früherer Al-Qaida-Strategen. Doch Europas Politik blieb verzagt und schaute lieber naiv weg. Das Gleiche galt für die konsequente Bekämpfung der Ursachen illegaler Migration und für Sekundärmigration innerhalb der EU. Illegale Migration nach Europa blieb auch in den 2020er Jahren das Thema, das am meisten polarisierte, am wenigsten lösbar schien und am stärksten die optimistischen Hoffnungen der Barcelona-Erklärung des Jahres 1995 konterkarierte. Meine Argumente von 2005 waren in den 2020er Jahren leider noch immer gültig: Ich hatte in Malta seit 2010/2011 das Anschwellen der Zahl von Geflüchteten gesehen und die Enttäuschung der Malteser, lange Zeit von anderen in der EU, einschließlich Deutschlands, allein gelassen zu bleiben. Als dann Deutschland ab 2015 zwischen Willkommensnaivität und humanitärer Abschreckung schwankte, bestanden die Probleme in Malta und im gesamten Mittelmeerraum gleichwohl fort. Meine dortigen jährlichen Gespräche und Eindrücke waren mir ein wichtiges Korrektiv in den sehr Deutschland-zentrierten Diskussionen zu Hause. Meine Haltung blieb konstant, im Grunde seit dem Abfassen meiner Dissertation Anfang der 1980er Jahre: Die Phänomene Flucht und Migration müssen gedanklich, konzeptionell und politisch deutlich auseinandergehalten und getrennt betrachtet werden, wenn Politik das eine wie das andere irgendwie kontrollieren und managen will. Migration nach Europa müsse, so schrieb ich schon 2005 und konnte zwei Jahrzehnte später nichts hinzufügen, wieder steuerbar werden und nach rechtlichen Regeln verlaufen. Legale Migration sei an manchen Orten in Europa aufgrund der demographischen Entwicklung und der Produktivitätsfolgen wünschenswert, an anderen Orten aber nicht. Die Probleme der Integration in die jeweils nationalen europäischen Gesellschaften müssen illusionsfrei angesprochen werden. Die Stadtplanung müsse verhindern, dass sich weitere slumartige Ghettos am Rande europäischer Großstädte bilden. Migranten müssen sich an die örtliche Lebensweise in Europa anpassen. Illegale Migration aber müsse bekämpft werden. Sie sei inakzeptabel. Legal eingereiste und mithin erwünschte Migranten sollten zu Nachbarn werden. Das aber setze legale Formen der Einwanderung und wechselseitiges Kennenlernen voraus. Die Differenzen in Bezug auf die mit dem Islam verbundenen Fragen und die daraus erwachsenden Formen der Lebensgestaltung seien ein gravierendes Thema, das leider viel zu häufig tabuisiert werde. Es gelte Reziprozität und Respekt vor jeder religiösen Glaubenshaltung. Das aber verlange auch in Europa, wieder ernsthafter die christlichen Wurzeln des eigenen Kontinents zu entdecken. Die hohe Säkularisierung mache Europa zum außergewöhnlichen, zum atypischen Kontinent. Ich zitierte Maltas Staatspräsidenten Guido de Marco, dass, wenn Europa die Wiege vernachlässige, die Europa nähre, es auf Dauer seine Wurzeln zerstöre. Die „forma mentis“ des Mittelmeeres, so hatte de Marco 2003 am ZEI formuliert, sei es, Dinge miteinander zu tun. Dieses Ziel müsse man gar nicht überhöhen. Es reiche, so hatte er hinzugefügt, wenn die Völker um das Mittelmeer herum korrekt miteinander umgehen (Marco 2004, S. 11 ff.). In den 2020er Jahren war diesen Worten nichts hinzuzufügen, außer die Anmerkung, dass schon wieder zwei Jahrzehnte vergangen waren, ohne dass, wie ich seit zwei Jahrzehnten

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immer wieder betont hatte, diese erste Bedingung für eine Wiederentdeckung Europas inmitten fortwirkender Dispute über die Wertorientierung in der modernen Gesellschaft erfüllt worden wäre.

9.2  European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration (Kühnhardt (2008c) 2010) Die europäische Einigung war und ist für mich die größte politische Idee seit den Tagen des römischen Weltreiches. Bei der Suche nach einer Balance zwischen Einheit und Vielfalt in Europa hatte das Römische Reich den einen Pol markiert. Alle nachfolgenden Imperien, einschließlich das lange Zeit gelungene Heilige Römische Reich Deutscher Nation, aber auch die auf exzessivem Expansionsdrang beruhenden überseeischen Imperien wie das Britische Empire und erst recht die an ihren freiheitszerstörenden Selbstwidersprüchen gescheiterten totalitären Hegemonial- und Gewaltstaaten (Drittes Reich in Deutschland, Sowjetunion) konnten als strategisch missratene oder gar ideologisch pervertierte Variationen des ursprünglichen römischen Imperiums interpretiert werden. Den anderen Pol bildeten in der Geschichte Europas vielerlei Ausprägungen von kleinteiliger Herrschaftsordnung: vom feudalen Lehnswesen über örtliche Fürstentümer bis zu den Staats- und Kulturnationen, die zu immer weiteren Segregationen und in der Neuzeit zu nationalistischen Hypostasierungen neigten. Allein die heutige europäische Einigung ist ein wirklich innovativer Ansatz, um Einheit und Vielfalt mit den Mitteln der Freiheit und des Kompromisses auszugleichen. Vielfalt ist konstitutiv für die europäischen Realitäten und wird es bleiben. Aber Einheit in Freiheit war friedensstiftend und ist immer mehr zur Erhaltungsbedingung der Vielfalt im globalen Zeitalter geworden. Ich war immer davon überzeugt, dass der Aufbau der Europäischen Union ein Prozess war, der gut 100 Jahre dauern dürfte. Über mindestens drei Generationen würden sich die Bemühungen hinziehen, wenn die Akteure durchhielten, um die wichtigsten Erfordernisse für eine konsolidierte Föderation zu verwirklichen und die gravierendsten Widersprüche in der Konstruktion dieses einzigartigen Typus der Ordnung Europas in immer wieder neuen Anläufen auszugleichen. Aber eine genuine Föderation ganz eigener Art war bereits die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 1957 und ganz gewiss die 1992 umgetaufte Europäische Union. 1957 waren mit den Römischen Verträgen die richtigen Weichen gestellt worden. 40 Jahre später wurde der erste seriöse Anlauf genommen, um eine europäische Verfassung zu realisieren. Zugleich wurde der erste nachhaltige Weg beschritten, um die Teilungen zwischen unterschiedlich geprägten Gesellschaften und Wirtschaftsverfassungen unter dem Dach einer gemeinsamen Europäischen Union zu überwinden. Ich war überzeugt, dass eine neue Phase der europäischen Einigung begann, aber vorsichtig genug, um nicht zu glauben, allein mit der Osterweiterung und einer europäischen Verfassung

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wäre schon der stabile Zustand erreicht, für den ich den mehr als doppelten Zeitraum annahm. Ich bereitete im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eine umfassende Studie vor, die die erste Phase der europäischen Einigung nachzeichnen und die Erfordernisse der neuen, gerade erst begonnenen zweiten Phase analysieren sollte. Dabei ließ ich mich immer wieder neu von der inneren Dynamik der Entwicklungen in Europa und zugleich von Wahrnehmungen Europas von außen inspirieren. Ich sprach von einer Inkubationsphase, die der Konzipierung meiner Studie vorausgegangen war. Erste Forschungen führte ich während meines mehrmonatigen Aufenthaltes 2002 als Public Policy Fellow am Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. durch (Kühnhardt 2022a, S. 102 ff.). Ich erwähnte später im Vorwort zu European Union – The Second Founding, wie sehr mich die Plakette beeindruckt hatte, die ich in der Nähe des Wilson Center beziehungsweise des Weißen Hauses an der Außenwand des Willard-Hotels entdeckt hatte. Dort wird an den Aufenthalt von Jean Monnet erinnert, der im Willard-Hotel sein Büro hatte. Einen Steinwurf entfernt beriet im Weißen Haus während des Zweiten Weltkrieges die amerikanische Regierung unter Präsident Franklin D. Roosevelt ihre Strategie („Project Victory“). Zugleich dachten die verantwortlichen Amerikaner mit Jean Monnet zusammen darüber nach, wie die europäische Nachkriegsordnung intelligenter gestaltet werden könnte als nach dem Ersten Weltkrieg. In dieser Zeit las ich auch das Buch von Joseph J. Ellis Founding Brothers, weil ich nie müde wurde, immer wieder Neues über die Zusammenhänge der amerikanischen Geschichte zu erfahren (Ellis 2000). Ellis unterschied zwei politische Generationen, die „founding fathers“, die die Unabhängigkeit der USA erstritten hatten, und die nachfolgenden „founding brothers“, die dem Land seine bis heute im Kern gültige Verfassung gaben. Diese Lektüre inspirierte mich zu der Idee, von der zweiten Gründung Europas zu sprechen: 1957 hatte die erste Gründung stattgefunden. Bei der laufenden Verfassungsgebung der EU ging es um die Parameter einer zweiten Gründung: Vom Gemeinsamen Markt ging der Weg zu gemeinsamer Politik. Die erste systematische Gliederung meines Buches erarbeitete ich 2004 an der Stanford University (Kühnhardt 2022a, S. 239 ff.). 2004/2005, als ich die Seoul National University beim Aufbau eines Center for European Studies beriet, schrieb ich den ersten Textentwurf (Kühnhardt 2022a, S. 263 ff.). Immer wieder wurde ich durch Studierende meiner Kurse als Gastprofessor in Stanford und Seoul zu neuen Sichtweisen angeregt. Die erste Ausgabe von European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration erschien Mitte 2008 (Kühnhardt (2008c) 2010). Sie konnte ich sofort in der Lehre in Bonn einsetzen. Bald schon war die erste Auflage vergriffen. Als nach dem zweiten Referendum in Irland am 2. Oktober 2009 der Vertrag von Lissabon endlich ratifiziert war und zum 1. Dezember 2009 in Kraft treten konnte, überarbeitete ich das Buch. Ich fügte die Fakten und Folgen der Wahlen zum Europäischen

9.2  European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of ...

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Parlament vom Juni 2009 ein und natürlich Drama und Finale des Ratifikationsmarathons für den Vertrag von Lissabon. An meinen Grundthesen hatte ich nichts zu verändern. Im Gegenteil sah ich sie weiterhin bestätigt. Bald zirkulierte die zweite Auflage, die ab dem Studienjahr 2010/2011 ebenfalls in der universitären Lehre von großem Nutzen wurde. 2016 war auch die zweite Auflage endgültig vergriffen. Ich habe das Buch meinem Sohn Stephan Maximilian gewidmet, der 2000 geboren wurde. Das 21. ist sein Jahrhundert und das seiner Generation, die die Hundertjahrfeiern der Europäischen Union 2057 erleben werden. Während des Entstehungsprozesses von European Union – The Second Founding publizierte ich verschiedentlich Aufsätze im Umkreis des Themas und meiner Thesen, ergänzt durch Vorträge. Erstmals griff ich meine These von der Neugründung der EU bei einer Veranstaltung der deutschen und der französischen Botschaft beim Heiligen Stuhl am 30. Januar 2003 im Vatikan auf, wo ich den Vorsitzenden der Konvention über die Zukunft Europas, Valéry Giscard d’Estaing, unter Bezug auf die Metapher von Joseph J. Ellis als europäischen „Gründungsbruder“ bezeichnete (Kühnhardt 2003f). Am 11. November 2006 referierte ich in Wiesbaden bei der Bundesversammlung der Paneuropa-Jugend Deutschland. Nach dem Grußwort von Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch entwickelte ich meine These, dass die bisherige europäische Integration ein Prozess der Paradoxien gewesen sei, der gleichwohl gut vorangekommen sei: Die Römischen Verträge kamen ohne Wertebezug aus. Die EU habe den amerikanischen Slogan der Boston Tea Party umgekehrt und praktiziere „representation without taxation“. Erst habe es in der EWG wirtschaftliche Grundrechte gegeben und später dann folgten politische Bürgerrechte. Nun gebe es einen additiven Verfassungsbildungsprozess, den Politiker meistens ablehnen, wenn sie direkt darauf angesprochen werden. Europas Bürger seien zwar häufig engagiert, aber meistens unter negativen Vorzeichen, weil sie etwas verhindern wollen. Europa müsse im Sinne einer Theorie von John Stuart Mill eine Gemeinschaft der geschichtlichen Erinnerung, der gemeinsamen Erfahrungen und der geteilten Zukunft werden. Wenig später verwandelte ich diese akademische These in praktische Handlungsempfehlungen, die ich bei einer Gesprächsrunde von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit führenden Repräsentanten unterschiedlicher deutscher Lebensbereiche im Berliner Bundeskanzleramt am 6. Dezember 2006 zur Vorbereitung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 vortrug: Ich forderte neue mobilisierende Ideen und stellte der Bundeskanzlerin, ihrem Vizekanzler Franz Müntefering, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Wirtschaftsminister Michael Glos und Kanzleramtsminister Thomas de Maizière meine Ideen über den Aufbau eines europäischen Hauses der Geschichte und eines europäischen Zivildienstes, eine regelmäßige europäische Talkshow im öffentlichrechtlichen Fernsehen, bei der jeder in seiner Muttersprache reden kann, und die Entwicklung einer europäischen Olympiamannschaft vor (Kühnhardt 2007a). Zu Beginn

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des live vom Fernsehsender „Phoenix“ übertragenen Gesprächs am Kabinettstisch hatten Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier einen vom ZEI erarbeiteten Leitfaden vorgestellt („Fünfzig gute Gründe für Europa“), der mit praktischen Beispielen die Wirkungen der Europäischen Union für das Alltagsleben plausibel machte. Angela Merkel blieb im Allgemeinen: Die Jugend sei Verbündeter für Europa, Europa gelinge nur gemeinsam. Vizekanzler Müntefering meinte, Europa müsse begeistern wie der Fußball. Die soziale Dimension müsse stark gemacht werden. Wir sollten mehr Anspruch an uns selber haben. Recht hatte er. Jeder am Tisch hatte fünf bis maximal sieben Minuten für sein Statement. Der Publizist Alfred Grosser führte aus, die größte Überraschung seit 1957 sei die Erhaltung der Freiheit gewesen. Der Politikwissenschaftler-Kollege Werner Weidenfeld mahnte eine bessere Kommunikationsstrategie für Europa an. Der Präsident des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs, Peter Meyer, erzählte stolz, wie groß die Beteiligung bei einer Autorallye von Warschau über Berlin nach Paris gewesen sei. Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, erzählte von einer für ihn denkwürdigen Hausfrauen-Sportinitiative, die grenzüberschreitend zwischen Thüringen und Tschechien organisiert worden sei. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude erinnerte daran, dass die Stadt das kulturelle Gedächtnis Europas sei. Der Chefredakteur der Zeit, Giovanni di Lorenzo, konstatierte, das Thema Europa sei Kassengift am Zeitungskiosk. Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth wiederholte, der Friede bleibe die zentrale europäische Frage. Außenminister Steinmeier stellte fest, 2007 sei der Bundesregierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft ein großes Bündel aufgeladen. Danach war ich an der Reihe und überraschte manchen mit meinen konkreten Anwendungsvorschlägen, um in Europa wirklich auch Europabürger entstehen zu lassen. Meine konkreten Ideen machten in den nachfolgenden Tagen die Runde durch die deutsche Medienlandschaft. Nach mir sprachen noch Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Markus Schächter, der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, Kardinal Karl Lehmann, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunkanstalten, Edit Müller, grüne Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen und Verbraucherschützerin, Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Die Veranstaltung kam zum Ende. Die Bundeskanzlerin zog Bilanz. Beim Rausgehen fragte mich Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, ob ich schon ein genaueres Konzept für einen europäischen Zivildienst erarbeitet hätte. Die Idee solle man wirklich weiterverfolgen. Er würde sich melden. Ich wartete vergebens.

9.2  European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of ...

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Abb. 9.9  European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration (2008/2010). (©Nomos Verlag)

Zwischen 2004 und 2009 veröffentlichte ich eine Reihe von Aufsätzen im Umfeld der Studie European Union – The Second Founding. Erstaunlich war für mich der mehrfache Nachdruck von Auszügen meiner Aufsätze in Schulbüchern (Kühnhardt 2004b, S. 63 ff.; 2007b, S. 1; 2007c, S. 7; 2007d, S. 19 ff.; 2007e S. 6; 2007f, S. 3 ff.; 2008d; 2009a, S. 65 ff.; 2009b S. 272 ff.). European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration war wie folgt aufgebaut. In der Einleitung thematisierte ich den Begriff der „Europäisierung“ unter Verweis auf einen Aufsatz in der Encyclopedia of the Social Sciences aus dem Jahr 1937. Das in den USA erschienene Werk war von einem gleichsam imperialen Begriff von „Europäisierung“ ausgegangen und hatte diese als Ausdehnung der europäischen Kultur und Lebensweise in der Welt verstanden. In Bezug

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auf Amerika waren Zusammenhänge evident. Auch hinsichtlich Russlands wurde dieser Zusammenhang gesehen, das schon unter Peter dem Großen eine erzwungene Europäisierung durchgemacht hatte. Japans Europäisierung habe zu einer eigentümlichen Form des Nationalismus geführt. Hinsichtlich Indiens sprach der Text von der Europäisierung der indischen Elite. Für die arabische Region und für China stellte der Aufsatz schlechte Prognosen aus hinsichtlich einer Europäisierung. Amerika und Europa stünden in einem Wettbewerb zwischen Europäisierung und Amerikanisierung der Welt. Von Afrika war in dem Enzyklopädie-Aufsatz überhaupt keine Rede. Am Anfang des 21. Jahrhunderts stellte sich ein gänzlich gewandeltes Europa der Welt vor: ein Europa, das Partnerschaft mit der Welt anstrebte und für das „Europäisierung“ ein Programm zur inneren Integration zwischen den in vieler Hinsicht weiterhin unterschiedlichen Völkern und Staaten bedeutete. Noch immer gebe es keinen „europäischen Traum“, führte ich aus. Aber die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 sei der Beginn einer fundamentalen Transformation in Europas Selbstverständnis und Weltbezug gewesen. Europas Ordnung habe sich seither gewandelt und nun stehe die Europäische Union vor der Aufgabe, ihre Neugründung zu managen. Die Europäische Union befinde sich mitten in einem Prozess der Redefinition ihrer Existenzbegründung. Dieser Vorgang sei ähnlich wie die Bemühungen in den USA, nach der erreichten Unabhängigkeit eine solide Verfassungsordnung zu etablieren, die den revolutionären Spirit der Gründerväter kanalisieren und fortentwickeln konnte. Mit dem Projekt eines europäischen Verfassungsvertrages habe sich die EU dieser Aufgabe gestellt. Auch wenn daraus im zweiten Anlauf zunächst nur der Reformvertrag von Lissabon wurde, so sei dies gleichwohl Teil der anhaltenden Transformation der EU, ihrer Europäisierung eben. Europas Einigung sei der bemerkenswerteste Vorgang in der modernen europäischen Geschichte. Daraus werde kein Imperium alter Art werden, sondern eine Union freier Völker, die, ich zitierte Timothy Garton Ash, eine freie Welt mitbauen wolle (Kühnhardt 2008c (2010), S. 9–24). Das Buch war in fünf größere Abschnitte unterteilt. Teil 1 („The Second Founding“) behandelte ausführlich die Erfahrung des Prozesses, der 2004 zur einvernehmlichen Vorlage des „Vertrages über eine Verfassung für Europa“ geführt hatte. Auch wenn die Ratifizierung schließlich gescheitert war, rekonstruierte ich in Kap. I („From National Identities to European Constitutionalism“) die interessanten Vorgänge und vor allem die Methoden und die Akteure, mit deren Hilfe die Konvention über die Zukunft Europas gearbeitet hatte. Der Reformvertrag von Lissabon konnte 2007 hinter die meisten Verbesserungen, die der Verfassungsvertrag gebracht hatte, nicht mehr zurückfallen. Das war ein großer Sprung nach vorn für die EU. Aber die Grundfrage nach der verfassungsgebenden Kompetenz der EU war weiter unentschieden. Die Mitgliedsstaaten blieben völkerrechtlich souveräne Einheiten, die einen graduellen Kompetenztransfer nur auf dem Wege der Einzelermächtigung billigten (Kühnhardt 2008c (2010), S. 27–70). In Kap. II („Europe’s Constitution“) beschrieb ich die Erfahrungen als Teil eines additiven Verfassungsbildungsprozesses, mit dem ein ebenso schrittweiser Prozess der Heraus-

9.2  European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of ...

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bildung eines europäischen Verfassungspatriotismus korrespondiere. Man bedürfe aber der Geduld, weil angesichts der Gegensätze in der komplexen europäischen Realität ein großer Verfassungswurf unwahrscheinlich bleiben werde. Schrittweise aber werde der seit 1957 angehäufte gemeinsame Rechtsbestand der EU, der „acquis communautaire“, in Verfassungsform gegossen. Insofern sei auch der Vertrag von Lissabon Teil einer europäischen Vorverfassung. Ich diskutierte ausführlich den Wandel der Verhältnisse in der EU am Beispiel von Referenden. 47 Referenden hatten seit 1972 in Mitgliedsstaaten der EWG, später EU, stattgefunden. Im ersten Referendum, das abgehalten wurde, akzeptierte die Mehrheit der wahlberechtigten Franzosen die Aufnahme Großbritanniens in die EWG. Durchgängig waren die Referenden zu Fragen der europäischen Integration nationale Entscheidungsprozesse gewesen, zumeist mit begrenzten nationalen Wirkungen. Erst die beiden Referenden in Frankreich und den Niederlanden, die 2005 die Ratifizierung des Verfassungsvertrages torpedierten, hatten eine andere Wirkung: Sie nahmen die gesamte EU in Haft, obgleich eine Mehrheit der Bevölkerung in einer Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten den Verfassungsvertrag ratifiziert hatte. Das Legitimitätsproblem war nicht aus der Verfassungsproblematik der EU gewichen (Kühnhardt 2008c (2010), S. 71–118). Teil 2 („Challenge and Response“) folgte den Annahmen des Universalhistorikers Arnold Toynbee über kulturelle Herausforderungen, denen in der Geschichte immer wieder mit überzeugenden Antworten entgegengetreten worden sei. Die Wege der bisherigen europäischen Integration seien keineswegs gradlinig gewesen, argumentierte ich. Im Gegenteil seien sie vielfach Antworten auf vorherige Herausforderungen gewesen. Ich präsentierte eine Periodisierung der bisherigen europäischen Einigungsentwicklung. Kap. III („1957–1979: Institutions Consolidated“) zeigte auf, dass in der ersten Phase der EWG die Errichtung und Konsolidierung der wichtigsten Institutionen zentral gewesen seien. Entgegen der üblichen Fokussierung auf Fragen der Entwicklung des gemeinsamen Marktes habe die eigentlich überzeugendste und wichtigste Leistung dieser Periode darin bestanden, erstmalig ein bisher unerprobtes Set von Institutionen zu schaffen, vorneweg die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof, später das Europäische Parlament und den Europäischen Rat. In diesem Institutionenmix, der schwerwiegende Krisen überstehen konnte, zeigte sich von Anfang an der vergleichslose und innovative Ansatz, den die Gründerväter bei der Formulierung der Römischen Verträge verfolgt hatten (Kühnhardt 2008c (2010), S. 121–155). Kap. IV („1979–1993: Economies Integrated“) zeichnete den Weg zum gemeinsamen Markt nach, der mit den Versprechungen der vier Grundfreiheiten (Arbeit, Kapital, Güter, Dienstleistungen) begonnen hatte. Faktisch aber wurde er erst ernsthaft verwirklicht, als mit dem Binnenmarktprojekt die Voraussetzungen geschaffen wurden, die Europäische Gemeinschaft weltwirtschaftlich wettbewerbsfähig zu machen und zugleich die Grundlagen für die gemeinsame Währung zu legen (Kühnhardt 2008c (2010), S. 156–190). Kap. V („1993–2009: Politics Europeanized“) argumentierte, dass mit der ernsthaften Verwirklichung des gemeinsamen Marktes und dem Beginn des Prozesses zur politischen Union, die der Vertrag von Maastricht seit 1993 rechtsverbindlich ein-

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rahmte, die Politisierung der europäischen Politik begann. Damit einher gingen neue und teilweise scharfe Formen des Disputs, wie sie früher nur aus der nationalen Innenpolitik gewohnt waren. Faktisch wurde europäische Einigungspolitik schrittweise zur europäischen Innenpolitik (Kühnhardt 2008c (2010), S. 191–237). Kap. 3 („Global Setting“) analysierte detailliert den internationalen Rahmen, in dem die europäische Einigung steht und in dem sich die EU zu bewähren hat. Kap. VI („Transatlantic Relations: The Bonds that Hold“) beschrieb die transatlantischen Beziehungen zwischen der EU und den USA als die für beide Seiten wichtigste und trotz vieler Streitigkeiten berechenbarste internationale Beziehung. Aus der primär strategisch und militärisch angelegten Arbeit der atlantischen Allianz, die mithilfe der NATO sicher und erfolgreich durch den Kalten Krieg navigieren konnte, war unterdessen ein komplexes Bild von transatlantischen Beziehungen geworden mit einem starken Fokus auf Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und des Handels. Eine formierende Idee, wie sie im Kalten Krieg vorhanden gewesen war, wurde indessen bisher nicht erarbeitet. Dadurch fallen Streitigkeiten in Einzelfragen oft ruppiger aus als notwendig. Eine gemeinsame globale Agenda zu formulieren bleibe mühsam, schlussfolgerte ich, da die Bedrohungsperzeptionen und Interessen der USA und der EU doch immer wieder auseinanderlaufen. Gleichwohl sei für beide Seiten kein anderer Partner weltweit so wichtig (Kühnhardt 2008c (2010), S. 241–280). Kap. VII („Globalization and the Changing Rationale for European Integration“) untersuchte die Folgen der Globalisierung auf die europäische Einigung. Das Spektrum der wissenschaftlichen Erklärungsansätze war unterschiedlich: Manche sahen in der europäischen Einigung die Vorwegnahme der Globalisierung in einer spezifischen Region. Andere sahen die regulatorisch geprägte europäische Einigung als Hindernis einer marktgetriebenen Globalisierung. In jedem Fall, so erläuterte ich, zwinge die Globalisierung die EU zu einer Neuausrichtung ihrer Begründung: Nicht mehr die Sorge um ein friedliches Europa, sondern die globale Handlungsfähigkeit in einer globalisierten Weltwirtschaft sei konstitutiv geworden für Frieden und Wohlergehen in Europa (Kühnhardt 2008c (2010), S. 281–315). Kap. VIII („The Global Proliferation of Region-Building“) akzentuierte die Globalisierungsthematik mit Fokus auf die weltweit zu beobachtenden Prozesse der regionalen Integration. Ich stellte die wichtigsten regionalen Integrationsgemeinschaften vor und beschrieb deren Verhältnis zur EU. Dabei wurde deutlich, dass die Beziehungen der EU zu den Entwicklungsländern insgesamt in ihrer Bedeutung in der EU nicht ausreichend wahrgenommen und berücksichtigt werden. Der EU seien mit anderen regionalen Integrationsgemeinschaften globale Partner zugewachsen, die eine stärkere politische Würdigung in Europa verdienen (Kühnhardt 2008c (2010), S. 316– 364). Teil 4 („Ideas, Norms, Theories“) unternahm in einem Dreischritt eine historische und ideengeschichtliche Reflexion, an die sich eine Auseinandersetzung mit sogenannten Integrationstheorien anschloss. Kap. IX („Searching in Vain: Why European Integration did not Work Earlier“) beließ es nicht bei der üblichen Sicht auf frühere Entwürfe für ein geeintes Europa. Das Kapitel behandelte darüber hinaus systematisch die Ursachen

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und Zusammenhänge für deren Scheitern vor Etablierung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957. Neben interessenpolitischen und ideologischen Differenzen stach ein Aspekt ins Auge: Frühere Entwürfe und Bemühungen um eine Einigung Europas hatten die Frage nach der kulturellen Vielfalt nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Vielfalt aber, so analysierte ich, erfordere Mechanismen der Zusammenarbeit und Integration, die zu einer veränderten politischen Kultur in Europa führen kann, ohne die kulturelle Vielfalt infrage zu stellen (Kühnhardt 2008c (2010), S. 367–407). Kap. X („‘For the Sake of Europe’: Prevailing Normative Disputes“) setzte sich strukturell mit den grundlegenden Disputen um die europäische Einigung auseinander. Dabei ging es sowohl in politischer wie in ökonomischer, zunehmend aber auch in rechtlicher Hinsicht um Zielkonflikte zwischen den anhaltenden Beharrungskräften des Nationalstaates und den unfertigen und daher zu Widersprüchen neigenden Ausrichtungen an einem Primat der EU. Offenkundig sei aber auch, dass immer wieder gegenläufige Versuche unternommen werden, einen eigenen Standpunkt als im Interesse der ganzen EU liegend zu vertreten. Europas größtes unbewältigtes Problem sei die Frage nach den Chancen und Grenzen der Adaption von Migranten. Solange es keine kohärente Übereinkunft über die Substanz einer europäischen Staatsbürgerschaft mit allen ihren Konsequenzen gebe, müsse die Frage der Migration von außen zu Verwerfungen in der EU führen. Jedes Land verfolge bei diesem Thema einstweilen seine eigenen, geschichtsbasierten Zielsetzungen und Interessen. Daher gebe es auch keine einheitliche Sicht auf die Problematik des Multikulturalismus (Kühnhardt 2008c (2010), S. 408–444). Kap. XI („Academic Evaluation: Theorizing European Integration“) wurde bewusst so spät im Aufbau des Buches eingefügt, da ich, je länger ich die Sachverhalte und Texte studierte, desto weniger davon überzeugt war, ob es überhaupt richtig sei, von Theorien im Zusammenhang mit der europäischen Einigung zu sprechen. Eher waren die gängigen Theoreme (Föderalismus, Funktionalismus, Neofunktionalismus, Multilevel-Governance-Ansätze, Konstruktivismus) Reflex auf soeben vollzogene neue Phasen der europäischen Integrationspraxis oder sie waren Teil einer selbstreferentiellen Auseinandersetzung zwischen theoretisch arbeitenden Sozialwissenschaftlern (Kühnhardt 2008c (2010), S. 445–479). In Teil 5 („Prospects“) griff ich zunächst in Kap. XII („Toward European Patriotism?“) die eingangs gestellte Frage nach den Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen eines europäischen Verfassungspatriotismus wieder auf. Ich argumentierte, Patriotismus in Europa könne am ehesten wohl über den Weg gemeinsam geleisteter Aufgaben und Erfolge erwachsen. Ich entwickelte konkrete Überlegungen, die die Idee einer europäischen Bürgerschaft stärken konnten. Gemeinsame politische Parteien, gemeinsamer Aufbau einer europäischen Zivilgesellschaft und die Herausarbeitung einer gemeinsam geteilten Zukunftsagenda waren Eckpunkte meiner Analyse. Die ungeklärten Fragen der Migration sah ich als die größte Schwachstelle in der europäischen Konstruktion an. In Ermangelung einer europäischen Verfassungsidentität trete jeder nach Europa Einwandernde in einem existierenden Nationalstaat mit seinen Prägungen ein, an erster Stelle die Sprache (Kühnhardt 2008c (2010), S. 483–522). Kap. XIII

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(„Defining Europe’s Global Interests“) stellte heraus, dass die innere Europäisierung und Konstitutionalisierung der EU nur gelingen könne, wenn sie einher gehe mit einer konsequenten Ausarbeitung gemeinsamer globaler Interessen. Die EU müsse lernen, strategisch zu denken und ihre globalen Interessen zu projizieren (Kühnhardt 2008c (2010), S. 523–573). In einer knappen Schlussfolgerung („Conclusion“) bilanzierte ich die wichtigsten Argumente, die in dem Buch ausgebreitet worden waren (Kühnhardt 2008c (2010), S. 574–584). Das Buch endete mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis und einem sorgfältig erarbeiteten Register. Bald war die erste Auflage vergriffen. Ich überarbeitete das Buch gründlich für die zweite Auflage. Es gelang mir, in der zweiten Auflage 2010 die identischen Seitenzahlen für jedes Kapitel zu verwenden wie in der ersten Auflage 2008. Eine ausführliche Rezension widmete der stets in weiten Dimensionen denkende Historiker Michael Gehler in „Das historisch-politische Buch“ meiner Studie (Gehler 2009). Das Buch gebe „einen sehr anregenden, gedankenreichen und tiefgründigen Überblick über die seit fünf Jahrzehnten anhaltende europäische Integrationsdynamik, die er nicht nur in den historischen wie aktuellen und globalen Zusammenhang stellt, sondern auch in den kulturhistorischen und wissenschaftstheoretischen Diskurs einbettet“. Die Rekapitulation der Impulse und Erfolge, Fehlschläge und Neuanfänge mündete ein in die These von der zweiten Gründung, die Michael Gehler richtig einzuordnen wusste: Es gehe, so schrieb er, um den „Aushandlungsprozeß des Verhältnisses zwischen politischen Eliten und den Bevölkerungen Europas und letztlich um die Legitimationsbasis und Wirksamkeit dieses einzigartigen Experiments in der Geschichte Europas“. Er griff meine an Toynbee angelehnte These von „challenge and response“ auf: „Kühnhardt hebt auf das dialektische Wechselspiel von Gegebenheiten und Reaktionen ab, wobei für ihn schwere Krisen und unbeabsichtigte Konsequenzen für eine Stärkung des Integrationsprozesses eine nicht unerhebliche Rolle spielten.“ Das Buch zeige meine Verwurzelung in der Bonner Schule von Karl Dietrich Bracher mit ihrem Fokus auf der historischen Methode: „Diese Tradition schlägt sich in dem hier zu besprechenden Buch nieder, welches politologisch wie historiographisch ausgerichtet ist.“ Dann bilanzierte Michael Gehler meinen Standort: „Kühnhardt ist Gegenwartshistoriker, Politikanalytiker und Zukunftsdesigner zugleich.“ Im Blick auf die Europäische Union griff er noch einmal bestätigend meine These auf, „strukturelle Neuformation und gewandelte Rechtfertigung“ seien die beiden Pfeiler der Neugründung und Neubegründung der EU. Gehler leuchtete den wissenschaftsimmanenten Horizont aus, in dem er mein Buch verortet sah: „Nach der fundamentalen These von Alan S. Milward von der Integration zur europäischen Rettung des Nationalstaates fehlte bislang eine weitere vergleichbare, wirkungsmächtige Deutung der Geschichte der Integration.“ Mein Buch, so bilanzierte er, „steht für eine historische, politologische und philosophische Gesamt- und Neubewertung der europäischen Integration in ihrer zeitgeschichtlichen longue durée.“ Michael Gehler erwähnte die praktischen Vorschläge, die ich unterbreitet hatte, um europäischen Patriotismus zu fördern: „Dieses Buch ist also mehr als nur ein neuer wissenschaftlicher Beitrag, sondern auch Bekenntnis eines

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engagierten und weltoffenen Europäers. Mit der vorliegenden englischsprachigen Version sollte auch ein fortgesetzter Wissenschaftsdiskurs in der angloamerikanischen ‚scientific community‘ der ‚European Integration Studies‘ gesichert sein.“ Michael Gehler zitierte meine Studie in den nachfolgenden Jahren immer wieder in gewichtigen eigenen Studien (Gehler 2013 passim; 2014a passim; 2014b, S. 220). Der Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen rezensierte die Erstausgabe von European Union – The Second Founding 2009 kompakt im online-basierten „Portal für Politikwissenschaft“ (Knelangen 2009): „Mit einer prägnanten These leitet Kühnhardt seine voluminöse Studie ein“: Die heutige EU sei eine Neugründung und „habe ihr zentrales Begründungsprinzip verändert“. Knelangen führte meinen Argumentationsansatz weiter aus und schlussfolgerte schließlich: „In Anlehnung an Arnold Toynbee interpretiert er die europäische Einigung als einen dialektischen Prozess.“ Die mühevolle Verfassungsgebung markiert „nach Kühnhardt den Durchbruch der EU als einer politischen Gemeinschaft, die weitreichende Wirkungen auf die Systeme ihrer Mitgliedsstaaten hat“. Damit traf Knelangen den Nagel auf den Kopf und lenkte sogleich den Blick auf meine nachfolgenden Forschungsarbeiten. Diese widmeten sich, notgedrungen den aus dieser Entwicklung heraus entstehenden Krisensymptomen. Für mehr als ein Jahrzehnt wurde das Stichwort „Krise“ zum Dauerthema der europäischen Integration. Es überlagerte Erfolge wie die Osterweiterung, die Einführung der gemeinsamen Währung und die institutionellen Entwicklungen hin zur europäischen Innenpolitik.

9.3  Crises in European Integration (Kühnhardt 2009c) – Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (Kühnhardt 2010a) Nach der Ablehnung des Europäischen Verfassungsvertrages durch Referenden in Frankreich am 29. Mai 2005 und in den Niederlanden am 1. Juni 2005 dachte ich sogleich über mögliche Auswege und Alternativen nach. In verschiedenen Aufsätzen und Medienstellungnahmen entwickelte ich meine Überlegungen (Kühnhardt 2005c, S. 5; 2005d, S. 1; 2005e, S. 42 ff.; 2005f; 2005g, S. 3 ff.). Eine exzellente Gelegenheit, um die Fragen nach den Konsequenzen von Krisen für die europäische Integration grundsätzlich zu durchdenken, führte mich von September 2005 bis Juni 2006 erneut ans St. Antony’s College in Oxford. Mir war am dortigen European Studies Centre die ehrenvolle Gastprofessur als „Stifterverband Fellow“ angetragen worden. Mein langjähriger Freund Timothy Garton Ash und meine Kolleginnen und Kollegen Jane Caplan, Jan Zielonka, Kalypso Nicolaidis, Charles Knickerbocker „Knick“ Harley, Othon Anastasiakis, Julie Adams sowie meine Gastprofessoren-Kollegen Luca Verzichelli aus Siena und Jon Arrieta aus Bilbao machten es mir mehr als leicht, zum zweiten Mal ein ungemein produktives und inspirierendes Jahr in dieser anregendsten und schönsten aller europäischen Universitätsstädte zu verbringen. Dass meine Familie mit dabei sein

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konnte und unsere beiden Kinder die benachbarte St. Aloysius Catholic Primary School besuchen konnten, war ein besonderes Privileg.

Abb. 9.10   Mit meinem Kollegen und Freund Timothy Garton Ash am St. Antony’s College in Oxford (2005). (©Ludger Kühnhardt)

Der St. Antony’s College Record berichtete 2006 über das Seminar, das ich im Hilary Term organisiert hatte: „European integration: success through crisis“. Freitags um 17 Uhr kamen im European Studies Center an der Woodstock Road Studierende und Oxford-Lehrende zusammen, gefolgt vom High Table im St. Antony’s College. Dank der Förderung durch den Stifterverband für die deutsche Wissenschaft konnte ich einige der besten deutschen Kollegen einladen, um zu einzelnen Facetten des Themas Woche um Woche vorzutragen. So konnten Erkenntnisse der deutschen Wissenschaft aus den Bereichen Geschichte, Politik und Wirtschaft in Oxford eingeführt und zur Diskussion gestellt werden. Am Ende der Seminarreihe sprach mein Freund Hans-Gert Pötterring, der künftige Präsident des Europäischen Parlaments. Alle Vorträge waren gut besucht von interessierten, informierten und diskussionsfreudigen Leuten. Es war sehr ehrenvoll, dass Tony Nicholls, der langjährige Direktor des European Studies Center, ebenso regelmäßig dabei war wie der von mir hochgeschätzte Peter Pulzer, Emeritus Fellow des All Souls College. Natürlich ließen Tim Garton Ash und Jane Caplan es sich nicht nehmen, intensiv mitzudiskutieren. Zusammen mit Jürgen Kocka, Gerhard A. Ritter und Margit Szöllösi-Janze gaben sie die sorgfältig edierten Beiträge in der Reihe „New German Historical Perspectives“ heraus. Marion Berghahn, die Verlegerin, traf sich

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gelegentlich mit mir beim High Table, um die Planungen zu besprechen. Während die Gedanken immer wieder in die Zukunft der EU gingen, diente die Vorlesungsreihe der historischen Rückvergewisserung. Der Titel des von mir herausgegebenen Buches wurde am Ende gegenüber dem Titel der Seminarreihe leicht angepasst: Crises in European Integration. Challenges and Responses, 1945–2005. Mein einleitender Aufsatz „European integration: success through crises“ brachte die These der Lehrveranstaltung auf den Punkt. Ich entwickelte die Systematik des Krisengedankens und unterschied zwischen Krisen in der Integration und Krisen der Integration. Die Logik von Challenge und Response, wie der Universalhistoriker Arnold Toynbee sie dem Gang der Weltgeschichte zugrunde gelegt hatte, übertrug ich auf die bisherigen Erfahrungen mit der europäischen Integration. Ich diskutierte mögliche Periodisierungen der bisherigen europäischen Einigungsgeschichte, die ich in meinem Buch European Union – The Second Founding ausführlicher erörtern sollte (Kühnhardt (2008) 2010). Die Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages 2005 habe eine neue Krise in der Integration bewirkt, zugleich aber auch die erste „public constitutional debate in Europe“ hervorgebracht. Ich argumentierte, dass in der bisherigen Geschichte der europäischen Einigung Krisen immer wieder Wendepunkte gewesen seien, die am Ende den Fortgang der europäischen Einigung verstärkt hatten. Ich erwähnte die sieben wichtigsten Situationen: 1. Die Krise nach dem Scheitern der Ratifizierung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1954. 2. Das Scheitern der Fouchet-Pläne von 1961 und 1962, die angestrebte politische Integration voranzubringen. 3. Der Luxemburger Kompromiss von 1965, der schlussendlich doch den Weg zur langsamen Erweiterung des Mehrheitsprinzips in den Entscheidungsverfahren der Europäischen Gemeinschaft eröffnete. 4. Das Scheitern des ersten Versuchs zu einer Währungsunion auf Basis des Werner-Plans von 1970. 5. Die Ablehnung des Maastricht-Vertrages in einem Referendum in Dänemark 1990, die zur pragmatischen Erfindung von „Optingout“-Klauseln führte und damit die Weiterentwicklung der europäischen Integration ermöglichte. 6. Die Verweigerung der Staats- und Regierungschefs im Dezember 2003, den europäischen Verfassungsvertrag, der ihnen vom europäischen Verfassungskonvent mit einstimmigem Votum vorgelegt worden war, zu akzeptieren, allein um doch zügig zu Kompromissen und zur Unterzeichnung des Verfassungsvertrages im Oktober 2004 zu finden. 7. Die Ratifizierungskrise nach Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages in den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden, die am Ende aufgefangen wurde durch den Weg zu einem europäischen Reformvertrag, der 2009 in Kraft treten konnte. Gelegentlich waren diese Krisen verbunden mit Veränderungen in den Prioritäten, mit überraschenden Umwegen, Abbrüchen bisheriger Strategien und unvorhergesehenen Konsequenzen. Überdies hatten sich die europäischen und die transatlantischen Anpassungskrisen an neue Herausforderungen immer wieder überlappt, argumentierte ich (Kühnhardt 2009d, S. 1 ff.).

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Abb. 9.11   Vom Seminar zum Buch (2005). (©Ludger Kühnhardt)

Mitten in der Zeit der Oxforder Gastprofessur traf ich wieder einmal meinen früheren Chef, Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Nach unserem Gespräch am 26. Januar 2006 in Berlin über Krisen als Motor der Einigung bat er mich um meinen Textentwurf für das St.-Antony’s-Seminar und schrieb postwendend am 17. Februar 2006: „Was Sie hierzu bei unserer Begegnung im Berliner Magnushaus gesagt haben, war für mich geradezu ein Lichtblick im Vergleich zu vielerlei Texten, mit denen man es sonst zu tun hat. Zu meiner Freude habe ich neulich wieder einmal die Rede von Winston Churchill gelesen, die er 1946 in Zürich gehalten hat. Damals hat er ja für die europäische Integration höchst charakteristische Ziele vorgegeben. Frankreich und Deutschland

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sollten sich zusammentun. Die Deutschen dank ihrer föderalistischen Überlieferung und Geschichte könnten ja auch in Erwägung ziehen, ihre alten Herzogtümer einzeln in den Kreis der europäischen Mitglieder einzubringen, ein Gedanke, auf den man leider gegenwärtig manchmal stösst, wenn man wahrnimmt, dass europäische Fortschritte in Brüssel auf das Problem stossen, bei der Ausschau nach dem deutschen Votum nicht auf eine, sondern auf siebzehn Stimmen zu stossen, von denen eine dem Bund und die anderen sechzehn unseren Bundesländern zuzuschreiben sind.“ Von Weizsäcker wusste nur zu gut, dass meine föderale Sicht auf Europa in Oxford keinen leichten Stand haben dürfte. Dann griff er die Debatte um den Brexit vorweg und erinnerte mich daran, dass Churchill 1946 schließlich noch einen zweiten Gedanken hinzugefügt hatte: USA, Sowjetunion „und das britische Commonwealth würden gewiss das ihre dazu tun, um neue Wege für Europa (also für den Kontinent Europas ohne seine Inseln) zu fördern“, schrieb von Weizsäcker. 2009 erschien Crises in European Integration nach sorgfältigstem Editing und Proofreading. Nach meiner Einführung folgten die gelungenen Texte meiner Kollegen, die durch Klarheit und Tiefgang der historischen Analyse bestachen: Wilfried Loth (Universität Duisburg-Essen): Sources of European Integration: The meaning of failed interwar politics and World War Two (Kühnhardt 2009c, S. 19 ff.) Manfred Görtemaker (Universität Potsdam): The Failure of EDC and European Integration (Kühnhardt 2009c, S. 33 ff.) Jürgen Elvert (Universität zu Köln): The Institutional Paradox: How Crises Have Reinforced European Integration (Kühnhardt 2009c, S. 49 ff.) Jürgen von Hagen (Universität Bonn): Through Crisis to EMU: Perspectives for Fiscal Union and Political Union (Kühnhardt 2009c, S. 61 ff.) Wolfgang Wessels/Thomas Traguth (Universität zu Köln): Opportunity of Overstretch? The Unexpected Dynamic of Deepening and Widening (Kühnhardt 2009c, S. 79 ff.) Matthias Jopp/Udo Diedrichs (Institut für Europäische Politik): Learning from Failure: The Evolution of the EU’s Foreign, Security and Defense Policy in the Course of the Yugoslav Crisis (Kühnhardt 2009c, S. 95 ff.) Michael Gehler (Universität Hildesheim): Challenges and Opportunities. Surmounting Integration Crises in Historical Context. (Kühnhardt 2009c, S. 109 ff.) Hans-Gert Pöttering (Europäisches Parlament): Frontiers and Chances for the European Union. (Kühnhardt 2009c, S. 131 ff.)

Index und Bibliographie durften nicht fehlen. Nachdem die Hardcover-Ausgabe von 2009 vergriffen war, besorgte der Berghahn Verlag 2011 eine zweite Softcover-Ausgabe. Auch diese nahm ihren Weg erfolgreich.

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Abb. 9.12   Crises in European Integration. Challenges and Responses, 1945–2005, ed. (2009). (©Berghahn Books)

In einer Rezension im European History Quarterly äußerte sich der Historiker Wolfram Kaiser kritisch. Das Thema sei gut gewählt. Der Einführung fehle aber ein analytischer Rahmen und die Entwicklung passender Kategorien, um die guten Einzelbeiträge besser einzuordnen. Gleichwohl sei beachtlich, dass anlässlich des 50. Jahrestages der Römischen Verträge kein Jubelbuch vorgelegt worden sei, sondern die bisherigen Integrationserfolge aus Krisen gedeutet wurden. Die Schlussfolgerung hieß für ihn: Brüssel ist nicht Weimar. Es sei wohl die unbeabsichtigte Konsequenz des Buches, vorzuschlagen, die Geschichte der EU künftig als Geschichte von Dauerkrisen zu interpretieren, weil erst aus einer Krise der politische Wille entsteht, der nötig ist, um die EU

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immer wieder voranzubringen. Dass gerade Krisen Stabilität schaffen, sei ein Paradoxon, das die künftige Integrationsforschung in Fortführung des Buches berücksichtigen müsse (Kaiser 2011, S. 336 f.). Simon Serfaty vom Center for Strategic and International Studies in Washington D.C., mit dem ich mich bei USA-Aufenthalten gelegentlich ausgetauscht hatte, publizierte eine ausführliche Rezension im Journal of Cold War Studies: „The theme is worth repeating, especially now when an existential crisis threatens Europe’s capacity to sustain its past achievements, let alone proceed with new steps toward institutional finality.“ Serfaty bezeichnete die Fallstudien, die in dem Buch vorgelegt worden waren, als „a compelling reason for hope in the future“. Er erinnerte daran, dass die Essays unter dem unmittelbaren Eindruck der negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden geschrieben worden waren. Serfaty, der mich als „an able scholar but also a past policy practitioner“ beschrieb, teilte meine Grundannahme, „whatever happens next, the age of the Westphalian nation-states is finished“. Kritisch merkte er an, dass der Band der Rolle der USA innerhalb der europäischen Einigung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet habe. Die Debatten um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in den 1950er Jahren und um die Zukunft Jugoslawiens in den 1990er Jahren hätten nicht in einem atlantischen Vakuum stattgefunden (Serfaty 2013, S. 148 f.). Das Buch und seine Thesen reflektierten nicht nur Vergangenes. Sie arbeiteten der Zukunft vor. Denn die nächsten beiden Jahrzehnte bestätigten immer wieder die Wirkung von Krisen in der europäischen Integration. Dabei war in keinem Fall ein minutiöser Beginn oder ein punktgenaues Ende einer Krise in der europäischen Integration feststellbar. Krisen bauten sich auf, ehe es zur ersten sichtbaren Eskalation einer Konfliktkonstellation kam. Krisen wirkten nach, auch wenn pragmatische Lösungsmodalitäten im Rahmen der bestehenden politischen Mechanismen gefunden worden waren. Vor allem aber: Hinter allen fünf Krisen, die ich in den beiden Jahrzehnten ab 2005 identifizierte und analysierte, verbargen sich durchgängig grundlegende Themen und Lösungsperspektiven. Über die spezifischen Sachverhalte einer jeden Krise in der europäischen Integration hinaus begleiteten diese Themen und Lösungsperspektiven daher meine Wahrnehmung und schärften meine Analyse. Es war nicht die Zeit für eine neue systematische Bewertung. Es war die Zeit der Überprüfung und Anwendung meiner Forschungserträge über Crises in European Integration anhand neuester Entwicklungen. Es war daher folgerichtig, dass ein wichtiges Instrument meiner Analysen in diesen Jahren regelmäßige mediale Kommentare waren. Ich hatte das Glück, regelmäßig vom Fernsehsender „Phoenix“ eingeladen zu werden. Bis zu einer Million Zuschauer sehen zwischen 23 und 24 Uhr die anspruchsvolle und sachliche Zusammenfassung der wichtigsten Tagesereignisse („Phoenix. Der Tag“) in diesem gemeinsamen „Ereigniskanal“ von ARD und ZDF. Wenn es um europäische Ereignisse und Ereignisse mit Bezug zur Europäischen Union ging, lud mich „Phoenix“ seit 2000 kontinuierlich ins Bonner Studio zur wissenschaftlichen Einordnung. Im Live-Studiogespräch mit den Moderatorinnen und Moderatoren des Senders bemühte ich mich, über die Bewertung der aktuellen Ereignisse hinaus die Zusammenhänge auszuleuchten oder auf Fakten

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hinzuweisen, die in der sonstigen Berichterstattung zu wenig Beachtung fanden.1 Bei einer systematisierenden Gesamtschau lassen sich für die Zeit von 2005 bis 2020 fünf gewichtige Krisen in der Europäischen Union identifizieren, die ich über diese Jahre

1 In

Livesendungen mit bis zu einer Million Zuschauern wurde ich fast 100 Mal um wissenschaftliche Einordnungen und Bewertungen zu folgenden Themen der Zeit gebeten: Gesprächsrunde zur Entwicklung der Europäischen Union. In Phoenix, 7. September 2000. Studiogespräch: Terror gegen die USA. In Phoenix, 17. September 2001. Studiogespräch: Kampf gegen den Terror. In Phoenix, 12. Oktober 2001. Studiogespräch: 40. Jahrestag des Élysée-Vertrages. In Phoenix, 22. Januar 2003. Studiogespräch: Krieg gegen Irak. In Phoenix, 22. März 2003. Studiogespräch: Die EU und die Türkei. In Phoenix, 3. September 2003. Studiogespräch: Die EU nach dem irischen Referendum zum Vertrag von Lissabon. In Phoenix, 16. Juni 2008. Studiogespräch zur Lage in Griechenland. In Phoenix, 7. Mai 2012. Studiogespräch: Die deutsch-französischen Beziehungen und die EU. In Phoenix, 23. August 2012. Studiogespräch: 50 Jahre Rede de Gaulles an die deutsche Jugend. In Phoenix, 23. September 2012. Studiogespräch: EU Gipfeltreffen zur Bankenunion. In Phoenix, 19. Oktober 2012. Studiogespräch: G8-Gipfel in Nordirland und zum ObamaBesuch in Deutschland. In Phoenix, 18. Juni 2013. Studiogespräch: Der türkische Ministerpräsident Erdogan besucht Berlin. In Phoenix, 4. Februar 2014. Studiogespräch: Die Krim optiert für den Anschluss an Russland. In Phoenix, 6. März 2014. Studiogespräch: Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten der Wahl zum Europäischen Parlament. In Phoenix, 15. Mai 2014. Studiogespräch: G7-Gipfel in Brüssel: Zukunft der Ukraine. In Phoenix, 6. Juni 2014. Studiogespräch: Ypern – Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. In Phoenix, 26. Juni 2014. Studiogespräch: Konstituierung des 8. Europäischen Parlaments. In Phoenix, 1. Juli 2014. Studiogespräch: Sanktionen gegen Russland – Linkspopulist Tsipras griechischer Ministerpräsident. In Phoenix, 30. Januar 2015. Studiogespräch: Waffenstillstandsverhandlungen in Minsk. In Phoenix, 12. Februar 2015. Studiogespräch: Flüchtlingspolitik der EU. In Phoenix, 24. April 2015. Studiogespräch: Putin in Italien: In Phoenix, 10. Juni 2015. Studiogespräch: Griechenland-Diskussionen in Brüssel. In Phoenix, 10. Juni 2015. Studiogespräch: Griechenland-Krise. In Phoenix, 30. Juni 2015. Studiogespräch: Griechenland vor dem Referendum. In Phoenix, 3. Juli 2015. Studiogespräch: Griechenland nach dem Referendum. In Phoenix, 6. Juli 2015. Studiogespräch: Griechenland – der Countdown läuft. In Phoenix, 9. Juli 2015. Studiogespräch: EU-Afrika-Sondergipfel in Malta zu Migrationsfragen (mit Djénéba Traore). In Phoenix, 11. November 2015. Studiogespräch: EU-Ratstreffen zum Aufbau eines europäischen Grenzschutzes. In Phoenix, 17. Dezember 2015. Studiogespräch: Neue Regierung – neues Polen? In Phoenix, 15. Januar 2016. Studiogespräch: Deutsch-polnische Begegnung/EU-Finanzminister zum Grenzschutz. In Phoenix, 12. Februar 2016. Studiogespräch: Merkels Regierungserklärung vor dem Europäischen Rat: Flüchtlingsagenda. In Phoenix, 17. Februar 2016. Studiogespräch: Vor dem Europäischen Rat zu Großbritanniens Forderungen zum Verbleib in der EU und zur Migrationsfrage. In Phoenix, 18. Februar 2016. Studiogespräch: Nach dem Europäischen Rat zu Großbritanniens Forderungen zum Verbleib in der EU und zur Migrationsfrage. In Phoenix, 19. Februar 2016. Studiogespräch: Nach dem EU-Türkei-Abkommen zur Legalisierung von Flüchtlingsströmen. In Phoenix, 21. März 2016. Studiogespräch: Folgerungen aus den Terroranschlägen von Brüssel. In Phoenix, 23. März 2016. Studiogespräch: Rechtspopulismus auf dem Vormarsch in Europa – FPÖ in Österreich, AFD in Sachsen-Anhalt. In Phoenix, 25. April 2016. Studiogespräch: Vorschlag für einen EUMigrationsplan. In Phoenix, 7. Juni 2016. Studiogespräch: Großbritannien vor dem EUReferendum. In Phoenix, 14. Juni 2016. Studiogespräch: Großbritannien entscheidet. In Phoenix, 23. Juni 2016. Studiogespräch: Großbritannien votiert für EU-Austritt. In Phoenix, 24. Juni 2016. Studiogespräch: Die Türkei nach dem Putschversuch – Die britische Premierministerin Theresa May erstmals im Unterhaus. In Phoenix, 20. Juli 2016. Studiogespräch: Wien-Gipfel zur Balkan-

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hinweg beobachtete, begleitete und kommentierte. Ich ging dabei immer von der Frage aus, ob im Ergebnis einer jeder dieser Krisen die europäische Einigung gestärkt wurde oder nicht.

route. In Phoenix, 24. September 2016. Studiogespräch: EU-Kanada-Abkommen CETA vor dem Aus. In Phoenix, 26. Oktober 2016. Studiogespräch: EU-Kanada-Handelsabkommen unterzeichnet. In Phoenix, 30. Oktober 2016. Studiogespräch: Europäisches Parlament: Martin Schulz geht nach Berlin – Türkei-Verhandlungen sollen suspendiert werden. In Phoenix, 25. November 2016. Studiogespräch: Ein grüner Präsident für Österreich – Renzi tritt nach Referendum zurück. In Phoenix, 5. Dezember 2016. Studiogespräch: Neuer Anschlag in der Türkei – EU Außenminister zu EU-Türkei-Beitrittsverhandlungen. In Phoenix, 12. Dezember 2016. Studiogespräch: Griechische Staatsschuldenkrise ist zurück – Doppelte Staatsbürgerschaft ist umstritten. In Phoenix, 16. Dezember 2016. Studiogespräch: Theresa May will „sauberen“ Brexit – EU-Parlament wählt neuen Präsidenten. In Phoenix, 17. Januar 2017. Studiogespräch: Trump Administration – Außenminister Gabriel in Washington – Putin bei Orban. In Phoenix, 2. Februar 2017. Studiogespräch: Europäisches Parlament ratifiziert CETA – NATO-Verteidigungsminister tagen – Trump und Netanjahu begraben die Zwei-Staaten-Lösung. In Phoenix, 15. Februar 2017. Studiogespräch: 60 Jahre Römische Verträge. In Phoenix, 25. März 2017. Studiogespräch: EUTürkei nach Präsidialsystem-Referendum. In Phoenix, 17. April 2017. Studiogespräch: EUStrategie für Brexit-Verhandlungen. In Phoenix, 28. April 2017. Studiogespräch: Beginn der Brexit-Verhandlungen. In Phoenix, 19. Juni 2017. Studiogespräch: Brexit-Verhandlungen – Arbeitsmarkreform in Frankreich. In Phoenix, 31. August 2017. Studiogespräch: 5. Gipfeltreffen Europäische Union-Afrikanische Union in Abidjan. In Phoenix, 30. November 2017. Studiogespräch: Doch eine Große Koalition für Deutschland? – Neue deutsch-französische Achse? In Phoenix, 16. Dezember 2017. Studiogespräch: EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eröffnet – Brexit-Verhandlungen gehen in Phase II. In Phoenix, 20. Dezember 2017. Studiogespräch: Flüchtlingskrise hält an. In Phoenix, 16. Januar 2018. Studiogespräch: Anti-Establishment Parteien gewinnen in Italien – Schlagabtausch zum Brexit im britischen Parlament. In Phoenix, 6. März 2018. Studiogespräch: Zollstreit EU-USA eskaliert, Regierungsbildung in Italien, Absetzung des Premierministers in Spanien. In Phoenix, 1. Juni 2018. Studiogespräch: Europa – vereint? In Phoenix, 20. Juni 2018. Studiogespräch: Jean-Claude Junckers State of the Union Address – Sanktionsverfahren gegen Ungarn. In Phoenix, 12. September 2018. Studiogespräch: EU Gipfel zu Brexit, Asylpaket, Euro-Reformen, EU-ASEM-Treffen. In Phoenix, 18. Oktober 2018. Brexit-Deal oder nicht – Italiens Schuldenproblem und die EU. In Phoenix, 14. November 2018. Theresa May gewinnt Misstrauensvotum der eigenen Fraktion. In Phoenix, 12. Dezember 2018. EU-Ratspräsidentschaft von Rumänien – Merkel in Athen – Frankreich – Ungarn. In Phoenix, 10. Januar 2019. Brexit Abstimmung im britischen Unterhaus. In Phoenix, 15. Januar 2019. EU und die Staatskrise in Venezuela/Übergangspräsident Juan Guaido – Kanzlerin Merkel in Japan – Japan-EU Free Trade Agreement. In Phoenix, 4. Februar 2019. Flüchtlingskontroversen in der EU: Merkel trifft die Regierungschefs der Visegrad-Länder. In Phoenix, 7. Februar 2019. Brexit: neuer Verlängerungsantrag von May – Barnier und Juncker reagieren. In Phoenix, 2. April 2019. Europawahlkampf: FDP und AfD. In Phoenix, 14. Mai 2019. Wahlen zum Europäischen Parlament. In Phoenix, 26. Mai 2019. Nachlese: Wahlen zum Europäischen Parlament. In Phoenix, 27. Mai 2019. EU-Sondergipfel: Neue EU Führung – Sea-Watch-Kapitänin in Haft. In Phoenix, 2. Juli 2019. Brexit-Debatte im britischen Parlament. In Phoenix, 3. September 2019. EU MarathonGipfel zum EU-Haushalt 2021–2027 und zum Sonderhaushalt „Corona-Pandemie-Bekämpfung“. In Phoenix, 20. Juli 2020. Flüchtlingspolitik: Unterschiede in der EU – State of the Union Address von der Leyen. In Phoenix, 16. September 2020. Europäischer Rat: Corona, Klima, Budget,

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Abb. 9.13   Einordnung: Gesprächspartner der Journalistin Constanze Abratzky im Fernsehsender „Phoenix“ (2018). (©Phoenix)

Erstens die Verfassungskrise. Sie begann mit der Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages in zwei Referenden in Frankreich (29. Mai 2005) und in den Niederlanden (1. Juni 2005). Am 25. Juli 2007 wurde die Berliner Erklärung der EU verkündet („Wir sind zu unserem Glück vereint“) und am 13. Dezember 2007 der Vertrag von

Rechtsstaat. In Phoenix, 15. Oktober 2020. EU-USA Wirtschaftsbeziehungen unter dem künftigen Präsidenten Joe Biden. In Phoenix, 16. November 2020. Brexit show down. In Phoenix, 7. Dezember 2020. EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Corona-Pandemie: EU Kompetenzen, Impfpass und Solidarität mit Afrika. In Phoenix, 25. Februar 2021. EU-Gipfel der Staats-und Regierungschefs zur Corona-Pandemie, Treffen mit US-Präsident Biden. In Phoenix, 25. März 2021; Studiogespräch: Ukraine-Krieg und EU-Solidarität: Energie- und Flüchtlingsfragen. In Phoenix, 8. März 2022. Studiogespräch: Ukraine-Russland: Erste Direktgespräche der Außenminister ergebnislos – EU Sondergipfel in Versailles. In Phoenix, 10. März 2022. Studiogespräch: Der Krieg in der Ukraine, gemeinsames Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister. In Phoenix, 21. März 2022. Studiogespräch: Präsidentenwahlen in Frankreich. In Phoenix, 10. April 2022. Studiogespräch: Europäischer Rat beschließt 6. Sanktionspaket – Ukraine-Krieg und Kriegsziele. In Phoenix, 31. Mai 2022; Studiogespräch: Friedensnobelpreis an osteuropäische Menschenrechtsgruppen – Informeller Europäischer Rat in Prag und die Energiekrise. In Phoenix,7. Oktober 2022; Korruptionsskandal im Europäischen Parlament – EUAußenminister zum Krieg in der Ukraine/Sanktionen gegen Iran. In Phoenix, 12.Dezember 2022; Studiogespräch: Ukraine-Präsident Selenskyi vor dem Europäischen Parlament und beim Europäischen Rat. In Phoenix, 9.Februar 2023; Studiogespräch: EU Kommissionspräsidentin von der Leyen zur Strategie gegenüber China. In Phoenix, 30.März 2023; Studiogespräch: Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt – Weltordnungsproblem Flüchtlingsfrage und seine Ursachen – EU Asylpolitik. In Phoenix, 11.Mai 2023.

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Lissabon unterschrieben. Nach neuerlichen Ratifikationswirren trat der als „Reformvertrag“ vorgestellte Vertrag von Lissabon am 1. Dezember 2009 in Kraft. Die Krisen in der europäischen Integration waren damit nicht zu Ende, aber sie hatten einen neuen Rechtsrahmen gefunden. Die Erfahrungen, wie in der EU auf die Verfassungskrise reagiert wurde, waren ein Lehrstück, wie Krisen die Integration beeinflussen, bremsen und befördern können. Auf der operativen politischen Ebene ging es um Krisenmanagement. Dies lernten die politischen Akteure in der EU immer besser. Dabei aber wuchs zugleich die Kluft zwischen denen, die im permanenten Krisenmodus um mikroskopische Kompromisse rangen, und der geneigten Bevölkerung in den EU-Mitgliedsstaaten, der immer wieder nur vermittelt wurde, ein Damoklesschwert hänge über der Existenz der EU. Ich war mehr denn je überzeugt, die EU müsse Grundsätzliches lernen: Die Legitimitätsfrage würde erst dann gelöst werden können, wenn die EU Unionsbürgerinnen und Unionsbürger besitzt, die eine neue gemeinschaftliche politische Kultur verinnerlicht haben. Das war enorm idealistisch gedacht, aber ich erinnerte mich immer wieder an einen Spruch von Helmut Kohl, Idealisten seien die besten Realisten. Meine Wendung des Gedankens: Europa ist geschaffen, jetzt braucht es Europäer. Wie könnten Einwanderer europäischer sein als wir selbst? Ich war skeptisch, ob es beispielsweise einen EuroIslam geben könne, solange es nicht einmal Euro-Europäer gibt. Die Erweiterung der Europäischen Union verlangte, davon war ich immer mehr überzeugt, auch eine graduelle Europäisierung des Sozialstaates, jedenfalls in Eckpunkten (Arbeitslosenversicherung, Gesundheitsschutz). In diesem Sinne argumentierte ich bei verschiedenen Gelegenheiten, so bei einem Vortrag vor der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl am 22. Januar 2007 (Kühnhardt 2007g) bei einer Würdigung für den Präsidenten der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union, Bischof Josef Homeyer, am 29. Januar 2007 in Bonn, bei einem Vortrag an der Andrassy Universität Budapest am 19. Februar 2007 (Kühnhardt 2007h) und in einem Interview mit der spanischen Wochenzeitschrift Cambio16 am 9. April 2007. Ich suchte immer wieder gerne Rat bei erfahrenen Persönlichkeiten. So verglich der frühere EU-Kommissar Karl-Heinz Narjes am 12. Mai 2007 die hitzigen öffentlichen Debatten um den Vertrag von Lissabon mit der Verwirklichung der Römischen Verträge 1957: „Hundert Tage nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge wussten wir, dass die Sache gut geht, weil de Gaulle mitmachte.“ Er erzählte mir, wie geräuschlos und emotionsfrei die Arbeit seinerzeit lief, als er Kabinettschef des ersten EWGKommissionspräsidenten Walter Hallstein war: 1000 Menschen hätten damals in Brüssel gearbeitet. Alles sei hoch politisch gewesen, doch sollte es diskret vorangehen. Alle konzentrierten sich auf die naheliegenden Wirtschaftsfragen, um keine schlafenden nationalistischen Hunde zu wecken. Unterdessen war europäische Einigung ein tägliches Medienthema geworden. Nach dem Scheitern des ersten Referendums über den Vertrag von Lissabon am 12. Juni 2007 empfahl ich der EU einen Stopp des Institutionen-Fetischismus und, wenn es nicht anders ginge, die Einführung der Teile der institutionellen Verbesserungen, die durch Sekundärrechtsbeschlüsse ohne Ver-

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tragsrevision möglich waren. Ich war überzeugt und erläuterte dies bei einem meiner Studiogespräche im Fernsehsender „Phoenix“ am 16. Juni 2008: Auf Dauer sei eine Wahlrechtsreform in jedem einzelnen Mitgliedsland nötig, damit europäische Parteien entstehen könnten. Die EU müsse ein Europa der Ergebnisse werden, um den politischen Erwartungen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu entsprechen. Am Ende setzte sich der schrittweise Verfassungsbildungsprozess der EU fort, nachdem das zweite Referendum in Irland am 2. Oktober 2009 zur Zustimmung einer Mehrheit der wahlberechtigten Iren geführt hatte. Ich analysierte die neue Konstellation in Interviews in Mailand mit der Zeitschrift Tracce und in Brüssel mit der Online-Zeitung „Euractiv“ (Kühnhardt 2009e; 2009f, 2010b) sowie in zwei Essays mit Thierry de Montbrial im Rahmen eines deutschfranzösischen Forschungsprojektes, das das Zentrum für Europäische Integrationsforschung mit dem Institut français des relations internationales (Ifri) durchführte (Kühnhardt und de Montbrial 2009, S. 9 ff.; 2011, S. 13 ff.). Zweitens die Staatsschuldenkrise. Sie war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon längst ausgebrochen und wurde allseits fälschlicherweise als „Eurokrise“ bezeichnet. An ihrem Ursprung stand eine weltweite Bankenkrise. Bis zum Frühjahr 2009 hatten Banken weltweit bereits mindestens 1000 Mrd. US$ abgeschrieben. Die größte Weltwirtschaftskrise seit 70 Jahren wurde an die Wand gemalt. Aggressiver Antiamerikanismus erhob wieder sein Haupt. Am 19. April 2009 schockierte mich in Straßburg der Anblick der verbrannten Zollhäuser und des verbrannten IBIS-Hotels nahe der Europabrücke. Beim Gipfeltreffen zum 60. Jahrestag der NATO-Gründung am 3./4. April 2009, mit einem Spaziergang der Staatschefs über die neue Fußgängerbrücke von Kehl nach Straßburg, hatte sich die Wut des Mobs entladen. Seit 60 Jahren hatte Westeuropa solche Ruinen nicht mehr gesehen. In Europa entwickelte sich die Staatsschuldenkrise einiger Mitgliedsstaaten der Eurozone zu einem Dauerkrisenthema. Bei Vorträgen und Diskussionen am 13. Oktober 2009 an der Katholischen Universität Mailand – unter anderem mit den amerikanischen Kollegen Michael Mastanduno und Matthew Evangelista – und am 20. Oktober 2009 am Institut für Weltwirtschaft Budapest – wo dessen mit mir seit Jahren gut bekannter Direktor Andras Inotai für ein sehr anspruchsvolles Publikum gesorgt hatte – äußerte ich meine Sorge, dass Europa weltweit irrelevant zu werden drohe, weil es zu langsam auf die Globalisierung reagiere und außereuropäisch nicht mit einer Stimme spreche. Machtverschiebungen auf der Welt verlangten von Europa eine konsequente und zügige Vertiefung der Integration und eine profiliertere globale Rolle. Regionale Integration sei eine normative Denkfigur, die besonders im so lange vernachlässigten Nachbarkontinent Afrika unterstützt werden müsse. Am meisten besorgte mich, dass die EU zwar über ein etabliertes Governance-System verfüge, bei jeder neuen Krise aber sofort ihr labiler Zustand dämonisiert wurde. Bei einem Vortrag vor dem von Kardinal Reinhard Marx geleiteten Beraterkreis der Deutschen Bischofskonferenz für Europafragen am 15. Januar 2010 in Brüssel ging ich kritisch mit der ideenarmen deutschen Europapolitik ins Gericht. Ich schlug konkrete Initiativen vor, auch innerhalb der Kirchen: Einen gemeinsamen Europa-Hirtenbrief, eine

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europäische kirchlich orientierte Wochenzeitung und einen europäischen Kirchentag. Nur mit solchen Initiativen aus der Mitte der Gesellschaft heraus könne die Solidarität der Tat wiederentdeckt werden, von der Robert Schuman gesprochen hatte. Die Kirchen würden bislang weit unter ihren Möglichkeiten bleiben, um konstruktiv zur Einigung Europas beizutragen. Das aber sei ein Jahrhundertprojekt, das beste, das die europäische Politik in Jahrhunderten hervorgebracht hatte. 2012 konnte, besser: musste ich den gleichen Vortrag erneut halten. Es war nicht viel Neues in den Kirchen geschehen. Aber nicht nur dort: Die europapolitische Diskussion verlief müde. Vor allem von Deutschlands politischer Klasse war nicht viel zu hören und zu sehen in dieser Zeit. Bundespräsident Richard von Weizsäcker bedankte sich für Geburtstagsglückwünsche im April 2010 handschriftlich: „Ihre Arbeit war ja immer vorzüglich, aber heute wird sie noch wichtiger. Bald benehmen wir Deutschen uns schon so, als wären wir Briten, zu weit weg von Europa.“ Immerhin beschloss die EU am 28. Oktober 2011 einen 50-prozentigen Schuldenschnitt für Griechenland unter freiwilliger Beteiligung der Banken. Endlich wurde es langsam in der Eurozone Konsens, dass eine vergemeinschaftete Währungspolitik ohne eine Form gemeinsamer Wirtschafts- und Fiskalpolitik immer an einem strukturellen Widerspruch leiden müsste. Je mehr das EU-Krisenmanagement sich in diese Richtung hinbewegte, umso dringlicher wurde es, die gesellschaftlichen Ressourcen zu stärken, um ein höheres Maß an Legitimität für die europäische Einigung zu erreichen. Europäische Fiskalunion, Sozialunion, und Steuerunion seien gewiss ein Projekt für weitere drei oder vier Jahrzehnte. Aber nichts würde erreicht, wenn nicht aus der Union der Bürgerrechte eine europäische Gesellschaft erwachsen würde, mit allen Kontroversen, die pluralistischen Gesellschaften eigen sind. Ich plädierte dafür, über ein europäisches Gemeinwohl und ein europäisches Gesellschaftsmodell nachzudenken, das Einheit und Vielfalt miteinander in Balance bringen konnte. Bei einem Vortrag am 9. November 2011 in der „Akademie Wolfsburg“ in Duisburg-Mülheim brachte ich die Ausgangslage auf einen kurzen Nenner: „Das uns Gemeinsame in der EU ist das Widersprüchliche.“ Die EU sei gegen die europäische Geschichte entstanden, gegen ihre Konflikte und langen Linien. Das Dreieck von Jerusalem, Athen und Rom, von Gottesglauben, Vernunft und Recht sei eine gute Grundlage. Die Annahme, dass die europäische Einigung einen Verlust der eigenen kulturellen Identität bringen werde, sei falsch, weil es sich bei der europäischen Integration nicht um einen Kulturwandel, sondern um die Herausbildung einer neuen politischen Kultur handele. Derzeit sei Identität ein Maximalanspruch auf individuelle Rechte, müsse aber übersetzt werden in die Identität europäischer politischer Strukturen. Ich vertiefte meine Argumente bei verschiedenen Gelegenheiten, beispielsweise: am 6. Juni 2012 in Brüssel bei einer Diskussionsveranstaltung der Friedrich Naumann Stiftung und der Hessischen Vertretung bei der EU mit der hessischen Europa-Staatssekretärin Zsusza Dreier; bei einem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung zum Thema „Mythos Europa“ am 10. Juli 2012 an der Universität Ulm; bei einem Vortrag im „Böhler Club“ am 23. Oktober 2012; bei einer Veranstaltung der Europa-Union des

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Kreises Altenkirchen am 26. Januar 2013; bei einem Vortrag im Universitätsclub Bonn am 27. Januar 2013 und bei den Europagesprächen der Bundesstadt Bonn am 8. Mai 2013. Nun war ich mir so sicher in meiner Analyse und ihrer Begründung, dass ich meine Überlegungen zu einem wissenschaftlichen Aufsatz ausarbeitete (Kühnhardt 2013a, S. 167 ff.). Manchmal freute ich mich geradezu, wenn ich auf Widerspruch stieß. Beim Deutschen Historikertag am 28. September 2012 empfahl ich, in spätestens zehn Jahren keinen nationalen, sondern einen europäischen Historikertag durchzuführen. Zwei geschätzte Kollegen, die mit mir auf dem Panel saßen, der Historiker Andreas Rödder und der Staatsrechtler Otto Depenheuer, widersprachen mir erwartungsgemäß: Das gehe zu weit und sei nicht realistisch. Der Berichterstatter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung äußerte am 2. Oktober 2012 ebenfalls seine Skepsis gegenüber meiner Anregung. Mich bestärkte solche Skepsis nur in der Notwendigkeit, weiter für solche und ähnlich praktische Ideen zu werben, um die EU zu einem Europa ihrer Bürger werden zu lassen. Ermutigt fühlte ich mich bei der Jahrestagung der „Friends of Europe“ am 11. Oktober 2012 in Brüssel (Kühnhardt 2022a, S. 577 f.). Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratspräsident Herman van Rompuy („Der Aufstieg der Anderen ist doch gut. So gibt es weniger Armut auf der Welt. Wir sollten uns freuen“) argumentierten gegen das allgemeine Lamento über die Existenzkrise der EU. Am klarsten sprach der ehemalige Kommissar Mario Monti. Die EU sei nicht zum Tode verurteilt, aber habe ein systemisches Problem zu lösen, hörte ich aus seinem Munde. Eine vergemeinschaftete Währung sei nicht kompatibel mit einer unvergemeinschafteten Finanz- und Wirtschaftspolitik. Bei einem Gespräch am 23. Januar 2013 in Brüssel beeindruckte mich wieder einmal der europäische Schwung der liberalen französischen Abgeordneten im Europäischen Parlament Sylvie Goulard. Wir kannten uns seit über zehn Jahren. Ich suchte in Brüssel auch immer wieder das Gespräch in den Maschinenräumen der EU, um die Bodenhaftung für das politisch Machbare nicht zu verlieren. Uwe Corsepius, der Generalsekretär des Europäischen Rates und Vertrauter von Bundeskanzlerin Merkel, äußerte seine Sorge, dass der Reformprozess heraus aus der Staatsschuldenkrise auf halbem Wege stehenbleiben könnte, weil das Krisenbewusstsein so langsam schwinden würde. Ich arbeitete weiter an neuen Ideen. Im Oktober 2013 wurde ich von Michaela Kolster, einer Studentin von mir in meiner Zeit als Bonner Privatdozent, die sehr erfolgreich als Programmgeschäftsführerin den Fernsehsender „Phoenix“ leitete, darum gebeten, meine Idee einer europäischen TV-Talkshow zu einem Konzept auszubauen, das gemeinsam von den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern der EU realisiert werden könnte. Einmal im Monat könnte, so erläuterte ich, für 90 min, in denen jeder Gast in seiner Muttersprache zu einem konkreten Thema von europäischer Relevanz sprechen könnte, eine gemeinsame europäische TV-Talkshow stattfinden. Ich war überzeugt, dass dies einen wertvollen Baustein in der Entwicklung einer europäischen Gesellschaft bilden könnte. Reaktionen seitens der Chefredaktionen von ARD und ZDF auf mein Konzept und Michaela Kolsters Einsatz blieben leider aus, einstweilen jedenfalls. Die

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erste europaweit ausgestrahlte Fernsehdiskussion mit den Spitzenkandidaten für die achte Direktwahl zum Europäischen Parlament (Juncker, Schulz, Verhofstadt, Keller, Tzipras) am 16. Mai 2014 bestätigte mir, dass europäische Innenpolitik, von deren Entwicklung ich beständig sprach, medial transportiert werden kann, wenn man in den steuerfinanzierten Fernsehanstalten nur wollen würde. Beim akademischen Symposium zum 80. Geburtstag von Hans-Peter Schwarz, das Xuewu Gu am 10. Mai 2014 grandios im Festsaal der Universität Bonn organisiert hatte, variierte ich meine 2012 erstmals systematisch formulierte und verschiedentlich publizierte These von der Europäischen Union als einer protokonstitutionellen Föderation. In der existierenden europäischen Föderation gehe es um das Regieren, aber nicht mehr um die grundsätzliche Formfrage, hatte ich bei verschiedenen Gelegenheiten und in unterschiedlichen Textformaten argumentiert, in Europa, aber auch in Argentinien, in der Türkei und in Korea (Kühnhardt 2012a; 2012b, S. 13; 2012c, S. 55 ff.; 2012d, S. 67 ff.; 2012e, S. 639; 2012f; 2013b, S. 7; 2014a, S. 111 ff.). Bei dem Symposium zu Ehren von Hans-Peter Schwarz in Anwesenheit von drei ehemaligen Ministerpräsidenten, in deren Bundesländern ich als Universitätsprofessor tätig gewesen war – Bernhard Vogel (Thüringen), Erwin Teufel (Baden-Württemberg) und Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) – sowie von Kanzleramtsminister Peter Altmaier stellte ich die EU unter Verweis auf Zitate aus Hans-Peter Schwarz’ reichhaltigem Œuvre als eine Föderation im rheinischen Geiste des Begriffs dar. Sie sei unvollendet, gewiss, und immer wieder unzufriedenstellend. Aber es sei doch an der Zeit, die ritualisiert gewordene Existenzfrage zu ersetzen durch eine pragmatische Sicht auf die EU als den faktischen Rahmen der europäischen Innenpolitik. Ich knüpfte mit meinem Vortrag und der nachfolgenden Ausarbeitung (Kühnhardt 2014b) an eine Analyse in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an, in der ich am 17. März 2014 eine Bilanz des unterdessen mehr als fünfjährigen Krisenmanagements der EU in Bezug auf die Staatsschuldenkrise gezogen hatte (Kühnhardt 2014c, S. 6). Die EU gehe gestärkt aus der Krise heraus und die europäische Integration sei vorangekommen, analysierte ich in der FAZ. Ich beschrieb mehrere Phasen des Krisenmanagements: Zwischen 2009 und 2011 sei es um die grundsätzliche Frage gegangen, ob es überhaupt eine europäische Wirtschaftsregierung geben solle. 2012 sei nur noch die Frage gewesen, wie diese Wirtschaftsregierung aussehen sollte. Zwischen 2012 und 2014 habe sich die Frage durchgesetzt, was denn nach einer europäischen Wirtschaftsregierung noch nötig sei, um die EU zu stabilisieren. Befremdlich blieb der entpolitisierte Sprachstil für EU-Maßnahmen (SixPack, Two-Pack, Europäisches Semester). Diese verklausulierte Begriffsakrobatik zeige, dass faktisch vollzogener Souveränitätstransfer noch immer auf massive legitimatorische Vorbehalte stoße. Es sei wohl die europäische Methode, Souveränitätstransfer am liebsten so zu vollziehen, dass es kaum einer merke. Am Ende des Symposiums am 14. Mai 2014 schmeichelte mir Hans-Peter Schwarz ungebührlich: „Zweifellos gibt es heute so etwas wie eine Bonner Schule der Europawissenschaft. Ihr Haupt ist Ludger Kühnhardt. Er verlieht der Europaforschung und -lehre unserer Universität Glanz, kosmopolitisches Flair und kulturgeschichtlichen

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Tiefgang. Da ich selbst eher zum universalgeschichtlichen Pessimismus neige, beeindruckt mich auch sein christlich fundierter Optimismus. Wenn ich bis heute, lieber Herr Kühnhardt, an dem ‚sanften Monster Brüssel‘ nicht verzweifelt bin, dann auch deshalb, weil Ihre in gut europäischem Geist verfaßten Bücher und Studien meine Gefühle wärmen“ (Schwarz 2015, S. 140). Flugs bat mich die Fachschaft Politikwissenschaft der Bonner Universität um ein Gespräch, betitelt mit „Der Europtimist“ (Kühnhardt 2014d, S. 6 f.). Nachdem es bisher vorwiegend negative Konnotationen gab, wenn „Europa“ als Epitheton verwendet wurde (Eurosklerosis, Euroskeptizismus, Eurokrise), empfand ich diese Überschrift, die sicherlich ironisch gemeint war, als Ermutigung. Immer wieder fand ich Gelegenheiten, um meine Argumente kritisch zu überprüfen oder Inspiration durch neue Gedanken zu erhalten. Beispiele waren eine Diskussion am 13. Mai 2014 bei der „Aktion Gemeinsinn“ in Bonn mit dem FDP-Europaabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff und der SPD Kandidatin für das Europäische Parlament, Dörte Schall, und am 16. Mai 2014 eine Online-Telefon-Debatte mit Christopher Tugendhat, dem früheren Vizepräsidenten der Europäischen Kommission. Diesen Termin hatte David Marsh organisiert, ein alter Königswinter-Konferenz-Freund, der das „Official Monetary and Financial Institutions Forum“ (OMFIF) in London gegründet hatte und mich in seinen ehrenamtlichen Beirat gebeten hatte. Einige weitere Beispiele waren eine Diskussion mit Henri de Castries, dem dynamischen Vorstandsvorsitzenden des französischen Versicherungskonzerns AXA, am 6. November 2014 bei der HanielStiftung in Duisburg und das „Ideen-Laboratorium“ des Center for European Policy Studies (CEPS) am 26./27. Februar 2015 in Brüssel. Dort konnte ich mich ausführlich mit dem Sprecher und späteren Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, über die Neuakzentuierungen in der Arbeit der Europäischen Kommission unter Jean-Claude Juncker austauschen. Der Tenor lautete: Konzentration auf das Wesentliche. Am ZEI hatten wir damit begonnen, als einziges Forschungsinstitut in der EU regelmäßig die Umsetzung der jährlichen Arbeitsprogramme der Europäischen Kommission zu monitoren. Schinas, wie später auch andere Kommissare, zeigte sich sehr an den Ergebnissen unserer Arbeit interessiert. Bei einem Gedankenaustausch mit dem Planungschef des Europarates, Matjaž Gruden, am 9. März 2015 in Straßburg über die möglichen Alternativen der europäischen Politik gegenüber Russland lautete der Tenor: Hilflosigkeit, sollte Russland mit der eurasischen Union sein Alternativmodell zur EU vorantreiben. Kein Anlass ist in der Europäischen Union derartig erhebend und inspirierend wie die Zeremonien anlässlich der Verleihung des Aachener Karlspreises. 1988 hatte ich Bundespräsident Richard von Weizsäcker bei seiner Ansprache zur Verleihung des Karlspreises an Frankreichs Staatspräsidenten François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl zugearbeitet und ihn nach Aachen begleiten dürfen (Kühnhardt 2020d, S. 92 ff.). Am 28/29. Mai 2014 wurde ich erneut zu diesem politischen Hochamt eingeladen. Diesmal wurde der Preis an den Ratspräsidenten der Europäischen Union, Herman van Rompuy, verliehen, den exzellenten Advokaten des Ausgleichs und Krisenmanagements der letzten Jahre. Einen ganzen Tag lang wurde vor den eigentlichen Feierlichkeiten beim

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„Karlpreis-Europa-Forum“ im Aachener Kurhaus über den Stand der EU diskutiert. Unter den Stichworten „wer, warum und wohin“ legte ich meine Argumente über den aktuellen Krisenzustand der EU vor: 1. Wir hätten es, so begann ich, nicht mit einem Anti-EU-Problem, sondern einem Antipolitikproblem zu tun. Die Sprache stimme nicht mehr in den politischen Zirkeln der EU. Dass die EU von einer Mega-Großen-Koalition regiert werde, sei ein Teil des Problems, während der Medienlärm über den angeblichen Rechtsruck übertrieben sei. 2. Das Phänomen des Euroskeptizismus blockiere die EU nicht, sondern politisiere sie weiter, da auch die Euroskeptiker die reale EU als Referenzpunkt ihrer Kritik akzeptieren müssen. Alle EU-Mitgliedsländer müssten ihre nationalen Wahlgesetze ändern, damit bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 europäische Parteien gebildet werden können und EU-weite Listen möglich sind. 3. Europa braucht eine neue das Denken organisierende Idee. Ich schlug vor: „Global Europe“ mit Fokus auf der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft, einer engen Partnerschaft mit Afrika und einer EU-Olympiamannschaft.

Abb. 9.14   Beim Karlspreis in Aachen: mit dem Schriftsteller György Konrád (2014). (©Ludger Kühnhardt)

Beim „Karlspreis-Europa-Forum“ machte besonders György Konrád, Ungarns großer Schriftsteller und Essayist, tiefen Eindruck auf mich. Er erzählte mir von Großwardein, der Art-déco-Geburtsstadt meiner Frau. Alle seine von dort stammenden Verwandten seien durch die deutschen Nazis ermordet worden. Gleichwohl sei es eine schöne Stadt. Seinen politischen Lagebefund schloss er prosaisch ab: Wer frustriert sei über Europa, solle Romane lesen. Wie der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-

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Claude Trichet, mahnte Konrád vor allem die Jüngeren unter uns, den Frieden nie für selbstverständlich zu nehmen. Karlspreisträger Herman van Rompuy blickte auf die vergangenen fünf Eurokrisenjahre zurück und sagte fast liebevoll: „Es war meine Krise.“ Besser hätte er meine These über den europäischen Fortschritt durch Krisen nicht bestätigen können.

Abb. 9.15  Mit Karlspreisträger Herman van Rompuy und dem FDP-Abgeordneten des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff (2014). (©Ludger Kühnhardt)

In der Aula Carolina wartete ein feierliches Abendessen in illustrer Gesellschaft. König Felipe VI., einer der Schirmherren des Karlspreises, begrüßte mich jovial mit „qué tal?“ („wie geht’s Dir?“) Wir kannten uns nun schon bald zwei Jahrzehnte lang. Das feierliche Hochamt zu Christi Himmelfahrt mit den herrlichen Stimmen der Domschola sendete ein gemeinsames Gebet aus der Rotunde des großartigen Oktogons des Doms in den Himmel über Aachen. Gellende Pfeifkonzerte linker deutscher Protestgruppen, ergänzt durch einige recht kräftig auftretende Russen vor dem Aachener Rathaus. Putins Konfliktwille hatte den Karlspreis erreicht. „Jazenjuk, you are not welcome“, „Fascist“, „murder“, hallte es laut. Auf der anderen Seite des Marktplatzes wehten ukrainische und georgische Fahnen, in manche waren junge Leute gehüllt. Herman van Rompuy hatte die drei Ministerpräsidenten der Ukraine, Arsenij Jazenjuk, Georgiens, Irakli Gharibaschwili, und der Republik Moldau, Iurie Leancă, mitgebracht. Statt

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einer Laudatio auf ihn selber wünschte er, dass die Festgesellschaft im Kaisersaal des Aachener Rathauses Plädoyers dieser drei Männer aus der grauen Zone des Kontinents für Europas Werte und die Bestimmung ihrer Völker hörte. Konzentrierte Aufmerksamkeit. Starker Applaus. Weltpolitik hatte den Karlspreis erreicht. Das politische Hochamt für Europa endete mit der Urbs-Carolina-Hymne und der Europahymne „Ode an die Freude“. Im darauffolgenden Jahr ging der Karlspreis an den ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, dem zu Ehren in der Festveranstaltung der Rockmusiker Peter Maffey „Über sieben Brücken musst Du gehen“ sang. Man weiß zu feiern in Aachen.

Abb. 9.16   Beim Karlspreis in Aachen: Im Gespräch mit König Felipe VI. von Spanien (2015). (©Ludger Kühnhardt)

Drittens die sogenannte Flüchtlingskrise. Schon bald nach Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ 2011 brachen sich die Dissonanzen über die gebotenen Reaktionen in Europa politische Bahn. Italien wurde mit der ersten Welle von 20.000 Geflüchteten, die über das Meer gekommen waren, von den EU-Partnern im Stich gelassen. Unilaterale Grenzkontrollen griffen um sich, um die Weiterreise dieser Menschen zu stoppen. Dänemark versuchte, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen entgegen den bisher geltenden Bestimmungen des Schengen-Abkommens am Europäischen Parlament vorbei durchzusetzen. Während der dänischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2012 kam es zu einem bisher einzigartigen Verfassungskonflikt zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament. Von Troels Heeger, Journalist der dänischen Tageszeitung

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Dagbladet Information, wurde ich am 12. Juni 2012 um eine detaillierte Einschätzung des europäischen Verfassungskonfliktes gebeten (Heeger 2012). Die Situation hätte für alle Beteiligten eine letzte Warnung sein können, was sich an Konfliktpotential in der EU zusammenbraute, sollte der Migrationsdruck noch weiter zunehmen, sagte ich. Im „Literarischen Salon“ von Sabine Gruša, der Witwe des Schriftstellers und Diplomaten Jiří Gruša, beschrieb ich am 24. Februar 2015 in Meckenheim die Ursachen und Folgen des anrückenden Desasters: Europa drohe seinen inneren Kompass zu verlieren. Das zentrale Erkenntnisproblem sei die Vermischung von Zielen, Mitteln, Instrumenten und Prioritäten. Ein Europa der Solidarität müsse nach innen und nach außen kohärent agieren mit der gebotenen Klarheit und Bescheidenheit. Das Europa der Krisen habe zwar immer wieder als Integrationsbeschleuniger gewirkt. Aber unterdessen sei Europa vom Exporteur von Normen und Stabilität zum Importeur von Instabilität und gänzlich anders gelagerten Weltbildern, Weltanschauungen und Politikvorstellungen geworden. Das wirke auf die politischen Strukturen, die politischen Loyalitäten und die Diskurse, auch die Ängste in Europa. Im globalen Kontext sei ein Faktor wesentlicher als alle anderen: Die Weltbevölkerung sei binnen einer Generation von drei auf fast acht Milliarden Menschen gestiegen. Eine Milliarde Menschen gehöre dem Mittelstand in armen Ländern an. Vielerorts seien deswegen Revolutionen der wachsenden Erwartungen zu erwarten und Auswanderungsdruck in Richtung Europa vorprogrammiert. Europa müsse lernen, sich selbst zu behaupten. Dazu gehöre eine zügige Sicherung der Außengrenzen der EU. Bis 2057 müsse die EU zu einer europäischen Regierung führen, sagte ich dann noch ein wenig pathetisch. Am Rande eines Workshops mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg hörte ich am 10. März 2015 aufmerksam König Abdullah II. von Jordanien zu. Zwischen Abstimmungen zur Begrenzung der Gebühren von Kreditkartenzahlungen von 0,9 % auf 0,3 % und zum Fortschrittsbericht zu Serbien hielt er im Plenum des Europäischen Parlaments ein flammendes Plädoyer für die Partnerschaft Europas mit der arabischen Welt. Schonungslos analysierte er die dortigen Belastungen des Terrorismus, die Schwierigkeiten einer moralischen Erziehung der Jugend unter Bedingungen heutigen Medienkonsums und die dringende Notwendigkeit ihrer sozialen Inklusion, um eine stabile Gesellschaftsentwicklung zu garantieren. Stolz erinnerte König Abdullah II. an Jordaniens Flüchtlingsaufnahme von über einer Million Syrer. Das entspräche 20 % der eigenen Bevölkerung und sei so, als würde Frankreich alle Belgier aufnehmen. Der Kernsatz des Königs: „Der Weltkrieg gegen IS findet im Islam statt. Die islamische Welt muss ihn führen und gewinnen. Es geht nicht um die Leiden der Muslime, von denen IS immer spricht, sondern um den Machtanspruch der Leute, die Gottes Namen für ihren Terror missbrauchen. Ihr größter Gegner ist die islamische und arabische Welt.“ Ich fürchtete Schlimmes: Was könnte passieren, wenn Russland und sein syrischer Alliierter die dortigen Zerrüttungen nach Europa exportieren würden? Was würde es für Europa bedeuten, wenn eine große Zahl Menschen aus dem zerrütteten Syrien plötzlich und unkontrolliert nach Europa käme? Nach dem Wochenende des 5. und 6. September 2015 konnten es alle erfahren. Ich befand mich zu einer Gastprofessur als

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Erskine Fellow an der Canterbury University in Christchurch auf der neuseeländischen Südinsel (Kühnhardt 2022a, S. 713 ff.). Plötzlich wollten alle dort mit mir nur noch über ein Thema reden: Refugee Crisis. Wie von einem Tsunami wurde das inkonsistente und unzulängliche europäische Asyl- und Migrationssystem an einem Wochenende weggefegt, aber mit ihm auch das Versprechen des Rechtsstaats auf konsequente Durchsetzung des Gewaltmonopols. 300.000 illegale Bootsflüchtlinge hatten im bisherigen Verlauf des Jahres 2015 die griechische Insel Lesbos mit ihren 80.000 Einwohnern erreicht. Zehntausende hatten die Grenzzäune und Barrieren von Erstaufnahmelagern in Mazedonien und Ungarn durchbrochen. Ungarn hatte bis September 2015 150.000 illegale Migranten aufgenommen. Die 2500 ungarischen Polizisten waren total überfordert vom Fußmarsch der Migranten. Aber die meisten Menschen drängten zum eigentlich gelobten Land: Deutschland. Die deutsche Regierung versagte auf der ganzen Linie durch Nichthandeln. Am 21. August 2015 hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) völlig eigenwillig und ohne jedwede Parlamentsdiskussion per Twitter mitgeteilt, Deutschland wende die Dublin-Regeln für Flüchtlinge aus Syrien „faktisch“ nicht mehr an. 20.000 Flüchtlinge kamen am Wochenende 5./6. September 2015 in München an, nachdem Bundeskanzlerin Merkel ihren Innenminister de Maizière keine Anweisung zur Schließung der Grenze hatte geben lassen. Tausende marschierten auf Autobahnen durch Ungarn und durch Österreich bis nach Deutschland. Zunächst wurden die Menschen in Deutschland fast überschwänglich willkommen geheißen. Aus der Sondergenehmigung eines Wochenendes wurde ein deutscher Normalvorgang. Kontrollverlust bei der Registrierung. Eine lange Liste absehbarer kurz-, mittel- und langfristiger Probleme. Das Wochenende 5./6. September 2015 war nur die Spitze des Eisbergs, der zu schmelzen begann. Die langfristigen Wirkungen sollten im wahrsten Sinne des Wortes das Gesicht Europas verändern. Die Ursachenfrage war völlig aus dem Blick geraten unter den politisch Verantwortlichen Europas, von den meisten Medien ganz zu schweigen. Von einer möglichen langfristigen Friedensregelung für Syrien redete niemand. Von der Notwendigkeit einer späteren Rückkehr der einstweilen beschützten Menschen, um ihr Land wiederaufzubauen, sprach auch niemand. Zu den skrupellosen Schleppern und den wirklich Geschundenen und Armen, die daheimgeblieben waren und nicht den Kampf des „survival of the fittest“ mittels Fußmärsche von Hunderten von Kilometern bestehen konnten, wurde von Regierungspolitikern und in den allermeisten Medien nichts gesagt. Die Langsamkeit der europäischen Politik gegenüber einem Druck, der sich seit Jahren aufgebaut hatte und illegale Migranten per Boot nach Europa gebracht hatte, war erst leidlich gestoppt worden, als zweimal hintereinander im April 2015 Boote gesunken und über 1000 Tote im Mittelmeer zu beklagen waren. Nun wurde im Innenministerrat der EU eine Verteilung von 40.000 Geflüchteten entsprechend einem Quotenschlüssel beschlossen. Am 22. September 2015 wurde vom Innenministerrat der EU eine weitere verbindliche quotenbasierte Verteilung von 120.000 Geflüchteten beschlossen. Die Mehrheitsbeschlüsse waren europarechtlich einwandfrei, aber sie waren ein politisches Desaster. Auch wenn seither immer auf Ungarn, Polen und die Slowakei geschimpft

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wurde, weil sie die Quotenregelung a priori ablehnten, erfüllte auch kaum irgendein anderes EU-Land seine Quote. Urteile des Europäischen Gerichtshofes, die die Quotenregelung bestätigten und den sich verweigernden Ländern Bruch des Europarechts vorwarfen, führten zu noch mehr Misstrauen in der EU. Vor allem aber wurde der Quotenstreit in keiner Weise den Dimensionen der illegal eingereisten Menschen gerecht, mit denen Europa es plötzlich und anhaltend zu tun hatte. Konzepte für die Bekämpfung des Menschenschmuggels und das ordnungsgemäße Management legaler Migration blieben seit 2016 bestenfalls Stückwerk. So verschärfte sich der Kontrollverlust der Politik angesichts der Langsamkeit und Behäbigkeit des Handelns inmitten einer einzigartigen Krise immer mehr. Aus dem Kontrollverlust der Politik wurde Vertrauensverlust vieler Bürger und Misstrauensmaximierung innerhalb der EU. Am Münchner Hauptbahnhof war das Asyl-Erstaufnahme-System (Dublin III) zerbrochen, so wie es vorher schon auf Lesbos und in Ungarn zerbrochen war. Es wurden keine Personalien mehr aufgenommen und keine Fingerabdrücke registriert. So mancher flüchtete in die Dunkelheit der deutschen Nacht. Wer das „mastermind“ hinter der Gerüchteküche war, die zur Massenschmuggelflucht aus türkischen Flüchtlingslagern unter Obhut der total überforderten und viel zu lang von wichtigen europäischen Ländern alleingelassenen UNHCR geführt hatte und Europa zu destabilisieren beginnt, wurde nie geklärt, nicht einmal ernsthaft recherchiert. Berichte westlicher Geheimdienste durften nicht publik gemacht werden. Ich hatte meine eigenen Theorien. Als 2021 im Zusammenhang mit dem Menschenschmuggel über Belarus nach Polen und Litauen Medien von der belarussisch-russischen Geheimdienstaktion „Operation Schleuse“ berichteten, die bereits 2010 erfunden worden sei, erinnerte ich mich sogleich an die Dramen des Jahres 2015. Täglich ging ich damals, im September/Oktober 2015, am Karl Popper Building auf dem Campus der Canterbury University von Christchurch vorbei zum danebenliegenden National Centre for Research on Europe. Ich las Karl Poppers Buch The Open Society and Its Enemies nach vielen Jahren wieder, das er während des doppelten europäischen Totalitarismus und des Horrors des Zweiten Weltkrieges in Christchurch verfasst hatte (Popper 1945). Diesmal las ich das Buch mit den Augen der Flüchtlingskrise, die die EU gerade paralysierte, und konnte gar nicht anders, als mich auch irgendwie im Exil zu empfinden. Ich konzipierte meine Studie The Global Society and Its Enemies. Liberal Order Beyond the Third World War (Kühnhardt 2017a). Der Donnerschlag durch Father Antoine Fontaine beim Studentengottesdienst am 13. September 2015 in der St. Teresa Church im Stadtteil Riccarton weckte mich vollends: „Ich bete für die Deutschen. Bald werden viele von ihnen als Märtyrer enden. Nicht wenige der Flüchtlinge werden sich bald als ISIS-Kämpfer zu erkennen geben, die gesandt sind, Europa von innen zu zerstören. Ich sorge mich um die Deutschen und um uns Franzosen, meine Familie und mein Heimatland.“ So eine Predigt wie die von Father Antoine Fontaine hatte ich noch nie in meinem Leben gehört. Nach dem Gottesdienst sprach ich den Priester an, wünschte ihm und uns, dass er Unrecht habe. Das wünschte er sich auch, erwiderte er, aber die Politik in Europa habe doch die Kontrolle verloren. Die traditionellen Muslime

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in Paris, seiner Heimatstadt, seien friedlich gewesen. Die jetzige Welle aber, der syrische Tsunami, sei aggressiv (Kühnhardt 2022a, S. 714). 4.000 Menschen hatten es am 5./6. September 2015 eigentlich sein sollen, 20.000 Menschen waren es geworden. Es sollte eine einmalige Ausnahme sein, beschwichtigte die deutsche Regierung. Dass die Entscheidungen, die Bundeskanzlerin Merkel getroffen oder besser: unterlassen hatte, in ihren Auswirkungen nicht mehr beherrschbar sein könnten, war schon eine Woche später offensichtlich. Weitere 50.000 Flüchtlinge kamen allein bis zum nächsten Wochenende 12./13. September 2015 in Deutschland an. Korrekte Registrierung und Gesundheitscheck funktionierten nicht mehr. Ende 2015 war die Zahl der in dem einen einzigen Jahr nach Europa Geflüchteten auf 1,32 Mio. angestiegen. 2016 kamen weitere 1,21 Mio. Menschen dazu. Wie naiv war nur Deutschland? Erst war Einwanderung jahrzehntelang ein Tabu, obwohl sie stattfand und viel gezielter hätte durchgeführt werden können. Jetzt wurden alle Schleusen aufgemacht für Menschen, von denen Hunderttausende illegal und unregistriert lebten, ohne klare Herkunftsidentität. Entgegen allen anderen Flüchtlingspopulationen der Erde waren von den Eingereisten 80 % junge Männer, die das Kämpfen um die Ordnung ihrer Heimat noch längst nicht aufgegeben haben dürften. Eine Weile dominierte noch die „Willkommenskultur“. Ich fürchtete, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Dinge umschlagen würden. Bald gab es tatsächlich Gewalt unter den Geflüchteten und gegen sie, brennende Asylantenheime und Gewalt gegen unschuldige Europäer. Bald etablierte sich eine rechtsnationalistische Partei in Deutschland. Dann kam der Dritte Weltkrieg nach Europa. 13. November 2015: Paris im Ausnahmezustand. Eine Horrorserie perfekt geplanter Anschläge an sechs Orten von Paris zwischen 21:20 Uhr (vor dem Stade de France beim Fußballspiel Frankreich-Deutschland) und 21:53 Uhr (dritte Bombe ebenfalls vor dem Fußballstadion). Die Zahl der Toten stieg am Ende gegen 200. Es war das schlimmste Gemetzel in Paris seit dem Zweiten Weltkrieg. Ich empfand die Bombenattentate als einen Anschlag auf die Menschheit, auf jede Zivilisation. Es war eine Kriegserklärung von Nihilisten an die Welt und die Freiheit, die wir leben. Im Verlauf der Woche gab es auch noch einen russischen Flugzeugabsturz per Bombe an Bord über dem Sinai mit über 200 Toten und zwei Bombenanschläge auf Schiiten in Beirut mit 45 Toten. Auch hier waren nihilistische Terroristen am Werk. Für die Europäische Union hatte die bisher schwerste aller Prüfungen begonnen. In einem ausführlichen Gespräch mit „RTL Next“ versuchte ich, die Konstellation angemessen und differenziert zu erklären. Philipp Brandstädter, der bei mir studiert hatte, veröffentlichte seinen langen Artikel am 16. Dezember 2015 online (Brandstädter 2015). Die EU tue sich deshalb so schwer, wurde ich zitiert, weil Jahre lang versäumt wurde, über die Probleme des globalen Südens, einschließlich des Bürgerkriegs in Syrien, und über Migrationsdruck, einschließlich der illegalen Menschenschmuggeleien über das Mittelmeer, auf der Höhe der Aufgabe in der EU zu sprechen. Deutschland habe auch noch zu allem Übel die Nahrungshilfe für syrische Flüchtlinge in Jordanien und dem Libanon massiv gekürzt. Nun seien diese Fragen in Deutschland angekommen.

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Aber sie waren seit Jahren schon in Italien, Spanien, Griechenland und Malta präsent, ohne dass Deutschland sich dafür erkennbar interessiert hätte. Die Fronten in der EU seien massiv verhärtet. Mit aufoktroyierten Quotenregelungen könne man keine Antwort auf die komplexe Einwanderungsthematik geben, über die noch nie versucht worden war, Konsens in der EU herzustellen. „Quoten können nur funktionieren“, so wurde ich zitiert, „wenn sie freiwillig sind.“ Außerdem sei fraglich, ob die Geflüchteten dort bleiben wollen, wohin sie verteilt werden. Ich wiederholte, dass wir einen „Kontrollverlust der europäischen Politik“ erlebten: Europa sei in Abhängigkeiten von anderen geraten, wie bei der Hilfe-Offerte von Bundeskanzlerin Merkel an die Türkei zu sehen sei. Nun solle Geld dafür bezahlt werden, dass die Türkei die Weiterreise von Syrern und anderen Geflüchteten nach Europa unterbindet. Damit sei Europa noch erpressbarer geworden. Durch die jetzige Krise in der Asylpolitik sei es auch schwieriger geworden, die legale Migration nach Europa besser zu organisieren. Das Schleuserunwesen im Mittelmeer produzierte weiterhin mit kalkuliertem Zynismus Tote im Mittelmeer, die letztlich auf das Konto der handlungsarmen EU gingen, versuchte ich aufzuklären. Die deutsche Politik der offenen Grenzen ohne präzise Registrierung der Menschen sei massiv schädlich gewesen, auch für den Zusammenhalt in der EU. Deutschland reduzierte den Begriff der Solidarität jetzt darauf, dass die anderen in der EU unsolidarisch handeln, wenn sie nicht so mitspielen, wie Deutschland es vorgab. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es sei ein moralischer Imperativ gewesen, so zu handeln, wie ihre Regierung gehandelt habe. Andere Staaten sagten: Nein, das sei genau die falsche Sicht der Dinge. Deutschland habe unilateral die Dublin-Regeln missachtet. Zügig müsse die gemeinsame EU-Außengrenze mit einem gemeinsamen Grenzschutz gesichert werden, forderten andere in der EU. Leider wollten aber unterdessen einige Länder ihre Zuständigkeiten für den Außengrenzschutz nicht mehr an die EU abgeben, weil sie eine deutsche Dominanz fürchten. Flüchtlingskrise, der Krieg in Syrien, Terrorismus und der vergessene Bürgerkrieg in Libyen zeigten, so wurde ich zitiert, dass Europa keine Insel ist, die nur die Vorteile der Globalisierung genießen könne. Die Krise sei unterdessen gravierender als alles, was die EU je erlebt habe, wurde ich zitiert. Die EU, so hoffte ich, würde wohl nicht formal zerbrechen. Aber eine gelähmte, sich selbst komatisierte EU sei fast noch schlimmer. Erstmals war ich mir nicht sicher, ob Europa nicht nur mit einer Krise in der Integration, sondern mit einer existenziellen Krise der Integration konfrontiert wurde. Im Magazin Focus (4/2016) griff Hans-Jürgen Moritz meine Sorge auf, erstmals könnte die Idee, dass Krisen die EU-Integration befördern, nicht mehr gültig sein. „Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben wirklich beunruhigt“, wurde ich zitiert: „Das Problem sind nicht die Ausländer, sondern wie wir Europäer miteinander umgehen.“ Die EU sei „auf einer ganz schlimmen abschüssigen Bahn“, denn: „Wir denken wieder in Freund-Feind-Bildern.“ Moritz formulierte weiter: So sei es zwar richtig, die neue nationalistische Regierung in Polen auf demokratische Normen hinzuweisen, findet der Professor. „Aber die Reaktionen auf beiden Seiten sind überlagert von Wut im Bauch wegen des Managements der Flüchtlingsfrage“ (Moritz 2016).

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Am 9. März 2016 zitierte mich Juliano Machado in der führenden brasilianischen Tageszeitung Folha da Sao Paulo: Europa bezahle heute dafür, dass es seit Jahren den Aufbau einer gemeinsamen robusten Grenzsicherung und eine gemeinsame Migrationspolitik versäumt, ja verschlafen habe („paga agora por nao ter conseguido, depois de anos, ter uma politica migratoria comun e um sistema de controle de fronteiras robusto“). Ich prognostizierte, dass der eskalierende Bürgerkrieg in Libyen der EU noch weit mehr und größere Probleme bescheren werde als der Bürgerkrieg in Syrien. Am 22. März 2016 erreichte der jihadistische Nihilismus Brüssel. Mehrere koordinierte Bombenanschläge zerstörten 30 Menschenleben und verwundeten über 200 Menschen. Als ich eine Woche später nachdenklich durch Brüssel ging, grübelte ich besorgt. Natürlich war nicht jeder Muslim Terrorist, aber alle Terroristen waren derzeit ihrem Selbstverständnis nach jihadistisch. Letztlich war es der politische Kontrollverlust infolge der zu massiven und plötzlichen Migrantenwelle, der Europa in Unruhe und Angst versetzt hatte. In dieser Atmosphäre suchten nihilistische Provokateure mit terroristischer Gewalt und unter Missbrauch des Namens Gottes weitere Unsicherheit zu schüren. Pauschalisierungen und Verschwörungstheorien waren natürlich beklagenswert und falsch. Der Alltag in Brüssel – wie ich wenige Tage nach den Anschlägen sehen konnte – schien unberührt, das Leben wollte weitergehen. Aber die Angst blieb. Das Misstrauen über deutsche moralische Dominanz und migrationspolitische Alleingänge hatte die europäische Politik sehr zum Schlechten verändert. „Die Lage der EU ist dramatisch“, hörte ich am 3. Mai 2016 beim „Karlspreis-Europa-Forum“ den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz sagen. Die Flüchtlingskrise hatte die Existenzfrage aufgeworfen und es schien kein Ende in Sicht. Dagegen schien die Eurokrise, die nie eine Krise der gemeinsamen Währung war, fast überwunden. EU-Währungskommissar Valdis Dombrovskis erläuterte mir, dass zwar bis 2019, dem Ende der derzeitigen EU-Führung, kein weiteres Land zum Euro stoßen werde. Aber er war optimistisch, dass Tschechien danach der aussichtsreichste Kandidat werde. Jerko Bakotin von der kroatischen OnlineZeitung „Lupiga“ interessierte sich nur für die destabilisierenden Folgen der Flüchtlingskrise, als er mich um eine ausführliche Analyse der Ursachen und Zusammenhänge sowie der europapolitischen Folgen bat. Auch in Beiträgen für die Mailänder Zeitschrift Tracce und im Online-Informationsdienst „The Globalist“ fand ich wenig Gründe für Europtimismus (Bakotin 2016; Kühnhardt 2016b, S. 11 ff.; 2016c). Viertens, die Brexit-Krise. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union war eine Krise mit Ansage. Bis zum Referendum in Großbritannien am 23. Juni 2016 wollten die wenigsten in der EU wahrhaben, was in Großbritannien immer offenkundiger möglich wurde und dann entgegen allen Wunschvorstellungen stattfand. Es wird immer Gegenstand nicht beweisbarer Theorien bleiben, aber auch für mich stand fest, dass die massenhaft illegale Einwanderung in die EU in den Jahren 2015/2016 den Brexiteers den erforderlichen Restaufschwung gegeben hatte. Am Ende votierten 51,9 % der Briten für „leave“ und 48,1 % für „remain“. Wenngleich ich das Ergebnis sehr bedauerte und großen strategischen Schaden für die EU entstehen sah, schien wenigstens ein jahrzehntelanger Schwebezustand endlich beendet, den Großbritannien gerne kultiviert hatte.

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Am Ende konnte man studieren, warum der Begriff des Populismus analytisch wenig aussagekräftig war, wenn sogar eine bestens etablierte Regierung ihren eigenen Untergang mithilfe eines „populistischen“ Referendums einleitete. Premierminister David Cameron wollte mit dem Referendum die Tories einen und spaltete mit der Ankündigung des Referendums sein Land mehr denn je. Überraschenderweise blieb die EU-27 einig. Die Brexit-Krise wurde zu einem einigenden Impuls, wie ihn die wenigsten für möglich gehalten hatten. Bis zum endgültigen Austritt Großbritanniens am 31. Januar 2020 entwickelte sich die Brexit-Saga von einer Tragödie zur Komödie und zurück zum Drama. Aber die EU blieb einig, was zumal vor dem Hintergrund der Spaltungen durch die Flüchtlingskrise positiv überraschte. Das Austrittsabkommen mit Großbritannien kam am 17. Oktober 2019 zustande und trat am 1. Februar 2020 in Kraft, ohne dass einer der EU-27-Staaten ausgeschert wäre. Am 9. Mai 2019 hatte es ein Gipfeltreffen in Sibiu gegeben, bei dem die politischen Führungsspitzen der EU-27 sich gegenseitig versprochen hatten, sie wollten „vereint durch dick und dünn gehen … immer nach gemeinsamen Lösungen suchen … unseren Lebensstil, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit weiterhin schützen … den nächsten Generationen von Europäerinnen und Europäern die Zukunft sichern“. Schließlich folgte ein weiteres Bekenntnis: „Europa wird seine globale Führungsrolle verantwortungsbewusst wahrnehmen“ (Europäische Union 2019). Der Realitätsschock „Brexit“ vermochte nicht, die Identitätskrise zu überwinden, die die illegale Masseneinwanderung in die EU ausgelöst hatte. Europa blieben weitere Terroranschläge nicht erspart. Istanbul, Berlin, Nizza, Brüssel, Ankara, London, Stockholm, Barcelona, Ansbach, Würzburg, Saint-Étienne-du-Rouvray, Manchester, Petersburg. Der Wahnsinn des willkürlichen Tötens verlängerte die Listen der Orte und der Opfer für eine Zeit lang fast täglich, nahm die öffentliche und private Psyche in den Griff, ersetzte die Unbeschwertheit des Alltags durch eine Unkalkulierbarkeit des Daseins. Aber: Der Brexit-Realitätsschock ließ die meisten Europäerinnen und Europäer den Nutzen der EU besser verstehen als viele gut gemeinte Maßnahmen der Politik. Bei einem Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“ erklärte ich am 3. April 2017 die Funktion des Artikels 50 im Vertrag von Lissabon, der die Bedingungen eines Austritts aus der EU bestimmt, aber gerade deswegen einen solchen Austritt hätte verhindern sollen. Es war, als wirke von außen, was von innen nicht so recht gelang: europäische Interessen zu bündeln. Natürlich war die Erklärung von Sibiu nur ein Dokument der Absichten. Aber immerhin: Auch bei genauerer und kritischer Beobachtung der Aktivitäten der Europäischen Kommission und der mit ihr im Trialog zusammenarbeitenden Organe, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat, konnte ich während der Zeit des Brexit-Schwebezustandes ein solides Europa der Taten feststellen. Mit dem Monitoring der jährlichen Arbeitsprogramme in den Jahren 2014 bis 2019 waren wir am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) das einzige Wissenschaftlerteam, das sich in der EU dieser Aufgabe angenommen hatte. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission unter Jean-Claude Juncker folgte zehn Prioritäten: 1. Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen; 2. digitaler Binnenmarkt;

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3. Energieunion und Klimaschutz; 4. den Binnenmarkt fair und vertieft komplettieren; 5. Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion; 6. EU-US-Handelsfragen (TTIP); 7. Justiz und Grundrechte; 8. Migration; 9. EU als globaler Akteur; 10. demokratischer Wandel. Projektteams sorgten für eine bessere Koordination auf allen Ebenen der Europäischen Kommission und zwischen ihren verschiedenen Generaldirektionen. Ergänzend zum Monitoring der EU am ZEI (Stüwe und Panayotopoulos 2020) verfasste ich grundsätzliche Artikel zu den Ursachen der parteipolitischen Lähmungen in einer EU ohne europäische Parteien, zum angeblichen oder tatsächlichen Demokratiedefizit und zur historischen Einordnung der EU angesichts des 60-jährigen Bestehens der Römischen Verträge im Jahr 2017 (Kühnhardt 2017b, S. 1; 2017c, S. 10; 2017d; 2017e). Eng mit dem Brexit verbunden war und blieb die Frage, wie die Europäische Union ihre weltpolitische Rolle ausgestalten konnte, nachdem das dafür so unersetzbare Großbritannien nicht mehr Motor für europäische Weltpolitik sein wollte. Am 11. November 2016 hörte ich zu, als Federica Mogherini, die EU-Außenbeauftragte, bei der Verleihung des „Bonner Demokratiepreises“ vom „European way“ sprach, auf den wir Europäer mehr stolz sein sollten, denn wir seien doch – „pardon“, schob sie ein – eine Supermacht. Das Wort, so Mogherini nüchtern, meine sie ganz und gar nicht arrogant oder triumphal. Es solle aber normal werden und niemanden mehr mit zusammengezucktem Blick zum Nebenmann blicken lassen. „La speranza ha un nuovo nome in Europa“, sagte ich Frau Mogherini am Ende der Veranstaltung. Sie lächelte ganz ohne Triumphalismus. Der Weg von der sprachlichen Anpassung zur faktischen Realität aber blieb lang und steinig. Zwei Themen blieben in meiner Analyse konstitutiv, damit die Europäische Union aus der Brexit-Krise gestärkt herauskommen würde: Gesellschaftsbildung und Weltpolitik. Europa musste über die Bekenntnisse und Absichtserklärungen seiner politischen Führung auch faktisch zueinanderfinden, „durch dick und dünn“. Dies würde nur gelingen, wenn ein europäisches Gesellschaftsbewusstsein entstehen würde. Dies Thema griff ich immer wieder bei Vorträgen und in Diskussionsveranstaltungen auf. Mir war bewusst, dass ich einen Prozess ansprach, der noch mindestens eine Generation dauern würde, ehe mit erkennbaren Wirkungen zu rechnen war. Immerhin wurde am 6. Juni 2017 das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel eröffnet. Ich war sehr zufrieden, dass Hans-Gert Pöttering meine Idee für die Entwicklung dieses Hauses der Europäischen Geschichte 2007 aufgegriffen hatte. Jetzt konnte er mit seinem Nachfolger als Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, das erste supranationale Geschichtsmuseum Europas der Öffentlichkeit übergeben. Ein guter erster Schritt war getan, um zur identitätspolitisch wichtigen Geschichtserinnerung in der EU zu gelangen. Neben dem Euro war, bei Lichte betrachtet, das Haus der Europäischen Geschichte die einzige wirklich durchschlagend neue Idee der letzten Jahrzehnte, die konsequent von Europa aus gedacht war. Auch in Zukunft würde Großbritannien ein europäisches Land sein. Kein anderer aus meiner Generation verkörperte diese Verbundenheit so sehr wie Timothy Garton Ash.

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Keinen besseren Karlspreisträger hätte es daher 2017 geben können als meinen Freund, Wegbegleiter und Kollegen seit über drei Jahrzehnten. Am 24. und 25. Mai 2017 wurde für diesen engagierten Beobachter unserer Zeit das Aachener Christi-HimmelfahrtsHochfest für ein besseres Europa zelebriert. In seinem Auftreten bescheiden wie eh und je, mit funkelnden, neugierig wachen, jungenhaften Augen zog dieser Oxford-Don durch die Welt, der beste aller britischen Europäer, der britischste aller Europäer. Dem BrexitVotum seiner manipulierten Landsleute schleuderte er sein europäisches „Dennoch“ entgegen. Der Kontinent werde immer und sei nie fertig, erklärte Tim in seiner Aachener Dankesrede. Daher sollten wir uns auf das weitere Werden Europas freuen. Deutschland habe erst die Hälfte seiner zweiten Chance gut gemeistert, jetzt gehe es darum, mit Empathie den anderen in Europa besser zuzuhören und Europa voranzubringen, ohne „Gesamtkonzepte“ und mit Sinn für die Stärke der Vielfalt, die sich nicht zentralisieren lasse. Meine Erinnerungen gingen zurück zu Gesprächen über drei Jahrzehnte. In einem Brief vom 1. Juli 1994 hatte Tim mir erstmals seine Sorge über Großbritanniens Position in Europa mitgeteilt, gerade weil eine Reihe der britischen Fragen an die europäische Integration doch richtig seien. Die EU, so war mir seit dem Ausgang des BrexitReferendums klar, würde ohne Großbritannien nicht nur ärmer werden, sondern mit neuen Machtfragen unter seinen Mitgliedsländern konfrontiert sein. Vor Tim Garton Ashs Europaplädoyer hatte der sympathische neue Aachener Bischof Helmut Dieser im großartigen Aachener Dom bemerkenswert zur Zwei-Reiche-Theologie in Anlehnung an Augustinus gepredigt. Da Jesus alles Dasein, das Leben und das Kreuz, auf sich genommen und in seinem Mysterium uns alle erlöst habe, brauche der Mensch keinen Gegenstaat zu den jeweils bestehenden. Mehr noch: Säkularität und Liberalität seien das Glaubensbekenntnis der Welt von heute, zugleich aber nur Folie der in Gott gehaltenen Welt der Erlösung durch den Glauben. Eine steile These, sagte Bischof Dieser über seinen eigenen Gedanken, mit dessen Hilfe er das 6. Prinzip der soeben publizierten Garton Ash’schen zehn Prinzipien (dieser versprach sich später absichtlich und sprach vom 6. Gebot) zur Redefreiheit interpretierte. Allen Glaubenden, so lehrte der anglikanisch sozialisierte christliche Agnostiker aus Oxford, solle mit Respekt begegnet werden, aber nicht alle Glaubensinhalte seien akzeptabel. Das könne und solle nur sagen, so der Bischof, wer den Glaubensinhalt von Christi Himmelfahrt zumindest verstehe. Daran erkenne man aber auch umgekehrt, dass man die Botschaft von Christi Himmelfahrt auch glauben könne, ohne in Widerspruch zur rationalen Freiheitssuche in der Civitas Terena zu geraten. Eine Tim Garton Ashs scharfen, unbestechlichen Willen zum rationalen Weiterfragen würdige Ehrung. Was für ein Bild, wie Tim dort im Aachener Dom vor dem Bischof saß, neben sich seine polnische Ehefrau Danuta. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und EU-Ratspräsident Donald Tusk verneigten sich mit sehr persönlichen Ansprachen vor dem Alexis de Tocqueville unserer Zeit. Der Klügste meiner Generation, der Einfühlsamste und Authentischste, er hatte den Karlspreis auch in Anerkennung der Geisteswissenschaften und der Publizistik für ein Europa erhalten, das immer mehr sein würde als seine politischen Krisen.

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Bei vielen kleinen und großen Veranstaltungen debattierte ich meine Überlegungen zur Zukunft Europas und schärfte sie immer wieder neu. Beispielsweise am 24. November 2016 vor der katholischen Studentenverbindung KDStV Arminia in Bonn, am 7. Dezember 2016 bei einer Diskussion mit der Ministerpräsidentin des Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbauer, dem Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff und meinem langjährigen Freund, dem Airbus-Manager Johannes von Thadden, in der Bonner Akademie für praktische Politik, am 13./14. März 2017 bei einem Gesprächskreis Wissenschaft und Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung im Europäischen Parlament in Straßburg, am 24. März 2017 vor der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin, am 8. Mai 2017 bei einer Festakademie zum Europatag im Rathaus von Eupen, vom 7.–9. September 2017 beim 14. European Seminar des griechischen Thinktanks „Eliamep“ in Nafplio, zu dem mein geschätzter Kollege Loukas Tsoukalis eine beeindruckende Schar führender Wissenschaftler und Praktiker mit vorwiegend frankophoner Orientierung zusammengebracht hatte (Kühnhardt 2022a, S. 798). Loukas hatte mich gebeten, mit Renaud Dehousse, dem Präsidenten des Europäischen Hochschulinstituts, Miguel Maduro, portugiesischer Jurist und früherer Staatsminister, Ben Crum, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Amsterdam, und Björn Fägersten, Swedish Intitute for International Affairs, über das demokratische Defizit in der EU zu diskutieren. Um im Krisenmanagement zu bestehen, war die Sprache der EU oft hohl und bewusst missverständlich geworden. Griechische Rettungspakte waren in Wirklichkeit Bankenrettungspakete an den wichtigen Finanzplätzen der EU. Die Flüchtlingskrise war in Wirklichkeit eine Folge nicht intensiv und rechtzeitig behandelter Ursachen von Zwangsmigration. Demokratisches Defizit war in Wirklichkeit Folge des Beharrens nationaler Parteien am Monopol in der Organisation des politischen Lebens in der EU. Auch die politischen Prozeduren waren gelegentlich sehr merkwürdig: Wenn Akteure Handlungsschwierigkeiten haben, verstecken sie sich gerne hinter Referenden. Aber auch hinter dem Konzept des Bürgerbegehrens („citizen’s initiative“), das mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt worden war, konnte man sich verstecken, um sich der Rechenschaftspflicht zu entziehen. Ich monierte in Nafplio, dass die Konflikte zwischen Elementen repräsentativer und direkter Demokratie in der EU gravierend geworden seien. Der Hauptwidersacher gegenüber europäischen Lösungen seien immer wieder wechselnde nationale Regierungen, kritisierte ich. Aber auch im Blick auf die Zivilgesellschaft war unklar, welches Konzept gemeint war: der Begriff freier Assoziationen, den Alexis de Tocqueville in Anlehnung an den römischen Begriff der „societas civile“ präferiert hatte, oder Antonio Gramscis und Wladimir Iljitsch Lenins Idee, dass Zivilgesellschaft die hässliche Unterstützung des Machtsystems einer Bourgeoisie sei. Unklar bei allem Hype über „civil society“ war die Frage, ob dies nun soziale Bewegungen oder Oppositionsbewegungen mit Machtanspruch waren, argumentierte ich. Herman van Rompuy gab bei der Tagung in Nafplio sehr ehrliche Einblicke in seine Begegnungen mit David Cameron im Europäischen Rat, die sein Seelenleben doch arg strapaziert hatten. Cameron habe konsequent von „this

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organisation“ und nie von „der EU“ gesprochen, um seine innere Distanz zum Ausdruck zu bringen. Ein außergewöhnlicher Dialog, um Europa neu zu denken, fand vom 27. bis 29. Oktober 2017 in der neuen Synodenaula im Vatikan statt (Kühnhardt 2022a, S. 811 ff.). Anwesend waren Intellektuelle, Politiker und Kirchenvertreter aus allen Ländern Europas. Alle Teilnehmer wurden von Papst Franziskus begrüßt. Kardinal Reinhard Marx sprach mir ganz aus dem Herzen, als er in seinem Schlusswort einen neuen Europäischen Konvent anregte. Ich präsentierte meine darauf aufbauenden Ideen über die erforderliche Europäisierung der europäischen Gesellschaften. In einem Kongressbericht zitierte mich Benjamin Leven in der „Herder Korrespondenz“ als eines der Mitglieder der deutschen Delegation (Leven 2017, S. 10): „Für den Prozess der Herausbildung einer europäischen Gesellschaft, also dem missing link zwischen dem Europa der Staaten und dem Europa der Einzelbürger, hat kaum jemand so wichtige Beiträge zu leisten und orientierende Impulse zu geben wie die Kirchen des europäischen Kontinents.“ Dass die Christen nicht mit einer Stimme sprechen würden, so hatte ich gesagt, sei im Grunde nicht so wichtig, denn: „Die europäische Christenheit ist so plural wie der Kontinent selbst. Mit einer Stimme spricht man nur in geschlossenen Gesellschaften – und genau das ist Europa, auch das christliche Europa nicht. Das wurde auch beim Kongress in Rom deutlich.“ Der Kongress im Vatikan gab Gelegenheit zu vielfältigen Begegnungen. Ich hatte meinen Sohn Stephan mitbringen dürfen, der sich souverän unter den wichtigen und sich für wichtig haltenden Menschen bewegte. Wie alle anderen Kongressteilnehmer wurden auch Stephan und ich Papst Franziskus vorgestellt. Der luxemburgische Erzbischof JeanClaude Hollerich – der 2018 zum Präsidenten der Bischofskonferenzen der Europäischen Union gewählt und 2019 durch den Papst zum Kardinal ernannt wurde – hatte 2001 am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) als Visiting Fellow geforscht, was auch auf seinem offiziellen Lebenslauf bis heute vermerkt ist. Seither weiß ich seine sympathische, bescheidene und pfiffige Art zu schätzen. Da der Theologe Hollerich sich an meinem Forschungsinstitut erstmals ausführlich mit Fragen der europäischen Einigung befasst hatte, stellte er sich mit leicht ironischem Tonfall als meinen Schüler vor. Gegenüber Hollerichs Landsmann, dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Santer, der auch schon mal am ZEI einen Vortrag gehalten hatte, war mir dieses Bischofslob am Rande des Kongresses in Rom doch etwas übertrieben und unangemessen. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und mein Sohn Stephan, die der Szene beiwohnten, waren verblüfft, wie vielseitig und produktiv die Verbindungen zwischen Kirche und Wissenschaft sein können. „Es tut gut“, schrieb Jean-Claude Hollerich mir, als ich ihm im Oktober 2019 zur Ernennung zum Kardinal gratulierte, „sich angesichts der sich anbahnenden, neuen Verantwortungen in der Weltkirche durch Ihr Gebet getragen zu wissen.“

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Abb. 9.17  Kongress im Vatikan: mit Erzbischof Jean-Claude Hollerich (Luxemburg), dem früheren Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Santer, meinem Sohn Stephan und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck (2017). (©Ludger Kühnhardt)

In den institutionellen Strukturen der EU – auf allen Ebenen – musste die Zukunft wieder energischer vorbereitet werden. Daher war es ein gutes Zeichen, dass ich am 8. November 2017, vom Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union des Hessischen Landtags zu einer Anhörung nach Wiesbaden geladen wurde. Es ging um das „Weißbuch zur Zukunft der Europäischen Union“, das die Europäische Kommission im März 2017 vorgelegt hatte. Das Weißbuch sah fünf Zukunftsszenarien für die EU vor: 1. weiter wie bisher; 2. Schwerpunkt Binnenmarkt; 3. wer mehr tun will, tut mehr; 4. weniger, aber effizienter; 5. viel mehr gemeinsames Handeln. Ich sah das Weißbuch als einen guten Beitrag zur Fortschreibung und Fokussierung der Debatte, um aus den Krisen der vergangenen Jahre die relevanten strukturellen Schlussfolgerungen zu ziehen. Es war erfreulich, dass sich auch ein deutsches Regionalparlament mit dem Weißbuch zur Zukunft der Europäischen Union beschäftigte. Mit seiner jährlichen Rede zur Lage der Europäischen Union, die unterdessen gute Tradition geworden war, hatte EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 13. September 2017 die Debatte um das künftige Profil der EU begonnen. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte am 26. September 2017 den Ball aufgegriffen und in einer großen Rede an der Sorbonne aus seiner Sicht den Begriff der „europäischen Souveränität“ durchbuchstabiert. Wo nur blieb Deutschland? In Wiesbaden nahm ich die Gelegenheit wahr, proaktive deutsche Beiträge zu der notwendigen Verfassungsfortschreibung in der EU aufzuzeigen und zugleich von den politisch Handelnden einzufordern (Kühnhardt 2017f, S. 3 ff.). Alle EU-Mitgliedsstaaten hätten ein Problem damit, bestehende Regeln einzuhalten. Deutschland präsentiere sich immer extrem europakonform, aber das Gegenteil sei leider oft der Fall, vom Binnenmarkt über die Europolitik bis zu den Abkommen von Schengen und Dublin. Deutschlands öffentliche Debatten müssten ehrlicher werden. Das gelte schon bei der Verwendung der Begriffe. Das immer wieder kritisch verwendete Wort

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von der „Transferunion“, zu der die EU sich nie entwickeln dürfe, sei heuchlerisch. Seit 1957 habe es Transferzahlungen in der EU gegeben. Dies sei letztlich immer auch in deutschem Interesse gewesen, denn nur starke europäische Partner würden Deutschlands Wohlstand garantieren. Zum zweiten musste Europa seine weltpolitische Rolle finden. Die Folgen der amerikanischen Präsidentenwahlen vom 4. November 2017 sickerten erst langsam ins kollektive Gedächtnis der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie ihres politischen Führungspersonals ein. Viele machten es sich danach leicht, wenn sie mit einem fast reflexartigen „Trump-Bashing“ zu der leichtesten intellektuellen Übung griffen, die verfügbar war. Ehrliche und konsequente Schlussfolgerungen zu ziehen, was denn der konsequente Rückbau des globalen amerikanischen Führungsanspruchs an Zumutungen für die EU bedeuten musste, blieb eher aus. Vor katholischen Sozialwissenschaftlern empfahl ich eine Woche nach den amerikanischen Wahlen am 10. November 2017 in Paderborn eine neue Reflexion des Universalismusproblems. Europa müsse sich im Innern stabilisieren, um nach außen weltmachtfähiger zu werden. Das sei die einzig zielführende Antwort auf die Wahl von Donald Trump. Immerfort nur auf ihn zu schimpfen, sei gewiss die leichteste, aber auch schwächste intellektuelle Übung, die Europa sich in den nachfolgenden vier Jahren leisten könne. Niemand hätte wohl so gerne Europa zur sofortigen Weltmachtfähigkeit geführt und dabei die Führung übernommen wie Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Am 10. Mai 2018 begegnete ich in Aachen in dem Karlspreisträger dieses Jahres einer Urgewalt von Charisma und einem Feuerwerk an Ideen, talentiert mit gewinnender Rhetorik. Bei einem kurzen Gespräch am Ende des feierlichen Abendessens konnte ich Präsident Macron berichten, dass wir im ZEI unter den ersten waren, die in Deutschland seine Sorbonne-Rede analysiert hatten. Konzentriert hörte er zu, blätterte in dem Newsletter mit den genannten Analysen, schüttelte mir die Hand, als ich ihm für seine Unterstützung der Idee Europa dankte. Ein Meter neben ihm stand seine Frau Brigitte und wartete freundlich lächelnd auf den Aufbruch mit ihrem Mann. In ihrer Laudatio am nächsten Tag blieb Bundeskanzlerin Merkel wieder eine halbwegs befriedigende Antwort auf Macrons Sorbonne-Ideenkasten schuldig. Bischof Helmut Dieser hingegen beeindruckte mich wieder mit einer klugen Predigt im Aachener Dom. Seine beste Sentenz: „Gott ist so groß, dass keiner von uns ihm zu klein ist.“ Mit dem früheren Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, tauschte ich mich nach den Karlspreis-Zeremonien 2018 noch einmal brieflich über den großen Kontrast zwischen dem vorwärtsstürmenden französischen Präsidenten und der zaudernden Bundeskanzlerin aus. Wie ich war Rüttgers offenkundig enttäuscht über die vertane Chance für die EU, allzumal angesichts eines dezidierten Europakapitels gleich am Beginn der deutschen Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD. Am 24. Mai 2018 schrieb er mir: „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“ Er war fassungslos wie ich über „die aktuelle europapolitische Nicht-Debatte“ in Deutschland. Wie immer entwickelte ich mein eigenes Denken zu den Aufgaben in der EU bei Vorträgen weiter, vorzugsweise an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichem

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Publikum, um von den Diskussionen zu profitieren. Entsprechende Termine führten mich am 30. Oktober 2018 an die Tallinn Technical University (Kühnhardt 2022a, S. 845 ff.) und am 14. Januar 2019 ans Institut français in Bonn. Wie üblich, äußerte ich mich nachfolgend in verschiedenen publizistischen Formaten, vorzugsweise in kurzen Essays oder in Interviews (Kühnhardt 2018a, S. 1; 2018b, S. 8; 2019a, S. 1; 2019b, S. 5; 2019c, 2019d, 2019e, S. 87 ff.).

Abb. 9.18   Mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi und Bundesjustizministerin Katharina Barley, alsbald SPD-Abgeordnete im Europäischen Parlament, in Aachen (2019). (©Ludger Kühnhardt)

Ein Jahr später, beim „Karlspreis-Europa-Forum“ am 29. Mai 2019 bürstete ich ein wenig gegen den Strich des üblicherweise Gesagten. Die Zersplitterung des Fraktionsspektrums im Europäischen Parlament nach den Wahlen 2018 sei, so argumentierte ich, ein ehrlicher Ausdruck der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Europa. Man solle aufhören, ausgrenzende Polemiken gegenüber einer der gewählten Gruppen zu veranstalten. Gerade die Zersplitterung werde zur Politisierung führen, die nötig ist. Die Mehrheit der die EU führenden Großen Koalition werde noch größer. Sie müsse in der

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Sache liefern, ein gutes Arbeitsprogramm erarbeiten. Der Protest war früher links. Er sei heute rechts und werde künftig wegen der Jugendproteste, Digitalentwicklungen und des Klimahypes noch einmal ganz anders sein. António Gutteres, UNO-Generalsekretär und Karlspreisträger 2019, hielt ein kluges und flammendes Plädoyer für eine multilaterale Weltordnung. UNO und EU seien die besten politischen Errungenschaften seit der Aufklärung. Europa müsse stark werden und in der Welt das Tempo angeben, sagte der Europäer an der Spitze der UNO. Den stärksten Eindruck hinterließen bei mir die Jugendgruppen, die sich aus allen Ländern der EU am Jugend-Karlspreis beteiligt hatten, vorneweg die griechische Gruppe um Vasiliki Papaioannou. Die Jugendlichen inspirierten mit phantasievollen Projekten für ein Europa der Menschen. Trotz allem und immer wieder mit neuem Schwung. Die Begegnungen beim Aachener Karlspreis waren jedes Mal auf neue Weise außergewöhnlich. Eine sehr persönliche Plauderei mit König Felipe VI. über seinen hüftkranken Vater, meine demente Mutter, die „Nachhaltigkeitsreligion“ der Jugend, unsere Kinder und seine Rede beim Festakt, die ein Plädoyer für die Weltfähigkeit Europas war. Mit Tim Garton Ash, dessen kürzliche Analyse im Guardian mich beeindruckt hatte, ging das Gespräch weiter, stets freundschaftlich wie seit Jahrzehnten: 1945 habe Hoffnung gegen Hoffnungslosigkeit gestanden, 1990 habe die Illusion endloser Freiheit dominiert. Heute würden wir über Aporien und neue Spannungen jammen, aber leben dennoch das beste Europa aller Zeiten. Keine Berliner Staatsgäste waren diesmal anwesend, auch dies ein Signal der deutschen Provinzialität. Ein Gespräch mit Ayman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland: Ihn habe der missionarische Ton in der Predigt von Bischof Dieser nicht gestört. Deshalb sei er auch im Gottesdienst gewesen, weil fromme Menschen kein Problem miteinander haben. Er wisse keine Antwort, wo all der Zorn, die Wut in unserer wohlhabenden Gesellschaft herkomme. Ich schlug ihm folgende Stichworte für die Antwort vor: Religionsverlust, Nihilismus, Fehlen von inneren Koordinationssystemen, Hilflosigkeit im Umgang mit der Freiheit. Mir erschienen beim Rückblick auf die bisherigen Krisenerfahrungen in der europäischen Integration drei Phänomene prägend zu sein: Es gab immer wieder das bekannte Bekannte (beispielsweise die Verfassungsfrage, das Thema der Staatsschulden, die Flüchtlingsfrage und der Brexit). Dann gab es das unbekannte Bekannte, das oft unausgesprochen über dem Krisenmanagement schwebte (vor allem die Politisierung der europäischen Politik mit ihren Folgen, auf die ich frühzeitig hingewiesen hatte). Schließlich gab es das unbekannte Unbekannte, was keiner in Europa so recht verstand, aber alle immer mehr spürten (vor allem die Wirkung des globalen Südens auf Europa). Als 2019 eine neue EU-Führung unter Ursula von der Leyen mit dem Diktum antrat, dieses sei eine „geopolitische Kommission“, war nicht sofort ersichtlich, was das denn genau heißen würde. Aber die Ausrichtung stimmte endlich. Die Berufung Ursula von der Leyens an die Spitze der Europäischen Kommission deutete ich als eine Teilantwort auf die Frage der Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel: Kein deutscher Politiker würde in den nächsten Jahren solchen Einfluss in der

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EU haben wie Ursula von der Leyen. Ich äußerte meine Besorgnis, dass das europäische Reformtempo mit nachlassendem Krisendruck sinken würde. Die Widerstände derer, die das autonome Handeln der Nationalstaaten präferieren, würden mit jedem neuen Transfer von Aspekten des staatlichen Souveränitätskerns wachsen. Die Ost-WestTeilungen innerhalb der EU könnten nur durch pfleglichen Umgang untereinander, Geduld und einen Tiefgang der Analyse überwunden werden. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für die Jahre 2019 bis 2024, das in Kooperation mit dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament umgesetzt werden musste, wurde am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI), wie in den Jahren zuvor, detailliert beobachtet und beurteilt. Henrik Suder und Liska Wittenberg koordinierten unser Monitoring-Projekt hervorragend. Ursula von der Leyen hatte die Prioritäten der von ihr geführten Kommission zu Beginn ihres Mandats formuliert: Green Deal; Digitalunion; Binnenmarkt vollenden; Währung und Sozialfragen; Europas Weltgewicht stärken; neuer Schwung für die Demokratie. Plötzlich trat ein unsichtbares Virus als neuer Souverän auf, der die ganze Welt in den Ausnahmezustand versetzte. 2022 überfiel Russland die Ukraine und alles wurde noch dramatischer. Fünftens, die Corona-Krise. Der gleichzeitige Ausbruch einer weltumspannenden Pandemie hatte in Europa verheerende Auswirkungen. Neben den unmittelbaren Reaktionen und Schutzmaßnahmen stellten sich rasch grundlegende Fragen. Die Europäische Union hatte richtig gehandelt, als sie die Initiative ergriffen hatte, um humanitäre Direkthilfe zu leisten und Kurzarbeitergeld für alle EU-Mitgliedsstaaten zu organisieren („Sure“). Auch die Förderung der Produktion von Impfstoffen und therapeutischen Mitteln gegen Corona sowie die Beschaffung von Impfstoff wurde für die gesamte EU organisiert. Ungeachtet aller praktischen Fragen hinsichtlich der Qualität des Verhandlungsergebnisses und der nachfolgenden Probleme bei der Ausgestaltung der Impfkampagne war dies ein europapolitisch richtiges Handeln. Die EU unterstützte sogleich auch die weltweiten Bemühungen um den Impfprozess in den ärmeren und ärmsten Ländern der Erde, die von Corona medizinisch und ökonomisch am härtesten getroffen wurden. Nach Artikel 168 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist der Gesundheitsschutz eine geteilte Zuständigkeit zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten. Der mühsame Koordinierungsbedarf und die Tendenz zu nationalen Alleingängen wurden Gegenstand vielfältiger Diskussionen. Eine Konzentration von Kompetenzen und eine Beschleunigung von Entscheidungsprozessen in Situationen höchster Gefährdung der öffentlichen Gesundheit war in der EU zwingend. Der Slogan von der „Gesundheitsunion“ machte die Runde. Ohne Veränderungen an den vertraglichen Grundlagen der EU würde eine solche „Gesundheitsunion“ nicht erreichbar sein, die sich bei künftigen Pandemien und anderen Naturkatastrophen bewährt. Es fügte sich, dass für 2021/2022 eine Konferenz zur Zukunft Europas als Teil des langfristigen Arbeitsprogramms der EU vorgesehen war. Sie kam zum richtigen Zeitpunkt, aber ohne erkennbare Ambition oder zukunftsgerichtetes Mandat. In einem grundsätzlichen ZEI Discussion Paper entwarf ich Konturen einer Forschungsagenda für die

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Post-Corona-Welt (Kühnhardt 2021a). Dabei nahm ich die weltweite Dimension der Pandemie in den Blick, ging aber auch auf die Folgerungen für die notwendige Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU ein. Ein Notstandsmechanismus musste vertragsrechtlich festgeschrieben werden, damit die EU für künftige Krisen zum Schutz aller Unionsbürgerinnen und Unionsbürger vorbereitet sein wird. Ohne zügige Kompetenzübertragung auf die EU im Bereich der Gesundheitspolitik war dies nicht zu machen, argumentierte ich. Auf Dauer würde die EU aber nicht nur mikroskopische Korrekturen und Verbesserungen ihrer Arbeitsweise vornehmen müssen. Ich hatte schon zu Beginn der Pandemie erneut die Aufgabe formuliert, eine Europäische Verfassung zu verabschieden (Kühnhardt 2020e). Mir schwebte vor, dass diese als eine Art kurze und prägnante Rahmenerklärung über die politischen Aufgaben und Ziele der EU den bestehenden Verträgen vorgeschaltet wird. Die additive Verfassungsentwicklung, zu der sich Europa seit den Römischen Verträgen von 1957 aufgemacht hatte, würde so pragmatisch und effektiv weitergeführt werden können, ohne neuerlich in den Aporien einer überkomplexen Neuformulierung des Primärrechts der EU steckenzubleiben. Zusammen mit ZEI-Kollegen und Bonner Studierenden beteiligte ich mich mit 25 konkreten Vorschlägen für die Zukunft der EU am Bürgerdialog, mit dem die Europäische Kommission online die Konferenz zur Zukunft Europas begleitete (Kühnhardt 2021b)2. Die europapolitischen Ambitionen der französischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 wurden durch den russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 in den Hintergrund gedrängt. Der französische Präsidentschaftswahlkampf überlagerte die EU-Reformagenda. Der Ausgang der nachfolgenden Parlamentswahlen ließ nicht viel Raum für Optimismus über zügige Reformen der EU. Gleichwohl war es mir wichtig, die grundlegende Bedeutung der Gedanken zu bewahren und in die deutsche Diskussion einzubringen, die Präsident Emmanuel Macron 2017 an der

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Einzelnen schlug ich vor: 1. The EU needs more emergency competences in health matters; 2. the European Union should produce and publish a regular (annual) report on the costs of nonEurope; 3. all public TV stations across the EU should jointly offer regular „Euro Talks“; 4. bringing all Western Balkans countries into the EU; 5. the EU should support the establishment of a „European Academy“ with a focus on the Eastern Neighbourhood; 6. the European Union should decide on a European Constitutional Declaration; 7. upgrading overseas countries and territories to the status of outermost regions; 8. advance new schemes to activate remittances of migrants for productive investment in their countries of origin and promote joint projects with the African Union for new cities; 9. the European Union must move from governance to a government; 10. the European Union should form one united EU Olympic Team for Paris 2024: Kühnhardt, Ludger 2021c. Conference on the Future of Europe. 25 ideas from ZEI, passim. In: Future of Europe Observer, Vol.9, No.2/Juli 2021. https://www.zei.uni-bonn.de/dateien/future-of-europe-observer/ feo-vol9no2-2021 (Zugegriffen: 4.Juni 2023).

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Sorbonne vorgetragen hatte. „Europäische Souveränität“ war nicht nur politisches Wortgeklingel oder eine Camouflage für verbrämte nationale politische Machtambitionen Frankreichs, wie immer wieder gerne in Deutschland unterstellt wurde. „Europäische Souveränität“ war eine bemerkenswerte neue Denkfigur. Sie ergänzte die bisherigen Vorstellungen zur Souveränität grundsätzlich. Nach Bodins Idee der Souveränität eines autarken Staates, der Konzeption von Rousseau, Locke und anderen über die Volkssouveränität und schließlich der völkerrechtlichen Definition des souveränen Staates lenkt die Denkfigur der europäischen Souveränität den Blick auf die Dialektik von interner Legitimität für die europäische Einigung und gleichzeitiger äußerer Selbstbehauptung Europas in einer von neuen geopolitischen Schärfen gekennzeichneten Welt. In diesem Sinne analysierte ich die Denkfigur der „europäischen Souveränität“ in einem Aufsatz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der am 17. November 2021 erschien (Kühnhardt 2021c). Die Europadiskussion verlief auch in Deutschland eher schleppend. Bei einer Diskussion mit Schülern des Bonner Aloisius-Kollegs – deren Rektor, der Jesuit Martin Löwenstein, als junger Student in einem meiner Seminare als Privatdozent gesessen hatte – mokierte ich mich am 16. Januar 2022 über den Titel der Veranstaltung: „Dürfen wir mehr Europa wagen?“, hatten sie als Titel über die Webinar-Diskussion gesetzt, an der ich neben Bonner Abgeordneten teilnahm. Warum so zaghaft, ja fast ängstlich, fragte ich zurück? Ich ermunterte die Schülerinnen und Schüler zu mehr Ehrgeiz, denn es gehe um ihre Zukunft. Bis 2050 müsse es eine europäische Regierung geben, eine europäische Verfassung, eine europäische Armee und eine europäische Olympiamannschaft – so wollte ich die Abiturienten des Jahrgangs 2022 durch einige konkrete Impulse für ihr weiteres Nachdenken und Handeln aufrütteln. Ich bat alle, doch einmal gemeinsam 30 Jahre zurückzublicken, in eine Zeit, in der diese Schülerinnen und Schüler noch gar nicht gelebt hatten. Seit 1990 war Vieles möglich und besser geworden. Auch heute gebe es keinen Grund, mit Defätismus ins Leben zu starten. Junge Menschen wie alle Europäerinnen und Europäer müssten die EU wieder von ihren Chancen und nicht immerzu von ihren Grenzen denken und weitsichtig voranbringen. Die Festschrift, die seine Mitarbeiter für meinen Freund und Kollegen, den Hildesheimer Historiker Michael Gehler, anlässlich seines 60. Geburtstages 2022 herausgaben, gab mir Gelegenheit, in systematischer Form von den Krisen der vergangenen zwei Jahrzehnte den Bogen zu den Zielen der nächsten zwei, drei Jahrzehnte zu spannen. Michael Gehler hat immer wieder auf bemerkenswert kluge Weise die Zeitgeschichtsforschung durch seine Analyse eines dynamischen Mehrebenensystems bereichert, in dem sich die unterschiedlichen horizontalen Ebenen und vertikalen Perspektiven kreuzen (Gehler 2001). Dieser Ansatz war zugleich Michael Gehlers sehr persönliche eigene Methode für sein ungeheuer produktives wissenschaftliches Arbeiten. Ich konnte also zuversichtlich sein, dass er den einen oder anderen Gedanken aufgreifen und weitertragen würde, den ich zu dem Band beisteuerte (Kühnhardt 2022b, S. 93–102). Ich analysierte die

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zyklische Bewegung der europäischen Einigung seit den 1950er Jahren, das Auf und Ab zwischen Fortschritt, Stillstand, Regression und „relance européenne“. Dann wagte ich eine Projektion in die Zukunft: 2057, 100 Jahre nach Verabschiedung der Römischen Verträge, werde die Zeit gekommen sein, um nach weiteren unvermeidlichen Krisen zu einer europäischen Verfassung und zu einer europäischen Regierung zu gelangen. Beides werde die europäischen Staaten nicht ersetzen, sondern klug im Sinne eines dynamischen Mehrebenensystems komplementär ergänzen. Ein Schlüsselthema für die künftige europawissenschaftliche Forschung, so gab ich nicht nur Michael Gehler, sondern allen mit auf den Weg, denen die Zukunft der EU am Herzen liegt, ist die Frage der Kosten von Nicht-Europa. Eine solide und umfassende wissenschaftliche Ausarbeitung sei notwendig, um einmal präzise festzustellen, wie hoch die finanziellen Kosten für die EU-Mitgliedsländer sich belaufen, weil es offenkundig gravierende Verschwendungen öffentlicher Güter aufgrund fehlender einheitlicher europäischer Lösungen gibt. Ich nannte Beispiele: Die Fortsetzung von 27 Armeen und 41 zivilen und militärischen Geheimdiensten, die trotz der Projektzusammenarbeit unter dem Dach der strukturierten Zusammenarbeit ungebrochene Mittelverschwendung bedeutet. Die fehlende strategische Vorausschau in Bezug auf den Migrationsdruck, der zu Reparaturkosten in der Folgenbehandlung in Milliardenhöhe geführt hat. Die zögerlichen Aufwendungen für Impfstoffe gegen die Corona-Pandemie, die Europa ein Vielfaches an Milliarden-Hilfsprogrammen für die notleidende Wirtschaft kostet. Am Ende ging es nicht nur um eine weltfähige Herangehensweise an politische Herausforderungen. Es ging auch und vor allem um eine systematische Verankerung von strategischer Vorausschau in die Institutionen der Politik. 2015 hatte ich dem damaligen deutschen Innenminister vorgeschlagen, ein Konzept von „auswärtiger Innenpolitik“ zu entwickeln. In allen Strukturen und Ebenen der politischen Institutionen müsse Weltwissen einbezogen werden. Nur so werde rechtzeitig erfasst werden, welche Fragen sich jedem beliebigen Sektor der Innenpolitik von außen aufdrängen. Es war nötig, ja freiheits-, wohlstands- und friedenssichernd, das Verhältnis von Innen- und Außenpolitik neu zu justieren. Die EU stand ebenso vor dieser gewaltigen Aufgabe wie das deutsche oder jedes andere westliche Regierungssystem. Das Bonner Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) mit seinem ebenso besonnenen wie umtriebigen Direktor Ulrich Schlie befasste sich glücklicherweise seit einiger Zeit mit der Idee der strategischen Vorausschau. Ich griff entsprechende Impulse aus verschiedenen Gesprächen auf und dachte sie weiter. In einem längeren Essay stellte ich meine Überlegungen zur „auswärtigen Innenpolitik“ in der Neuen Zürcher Zeitung vom 20. Januar 2022 (Kühnhardt 2022c) zur Diskussion. Mehr als ein Jahrzehnt zuvor, 2010, hatte ich meine Aufsatzsammlung mit Beiträgen aus den Jahren 2005 bis 2010 betitelt Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (Kühnhardt 2010). Noch immer waren beide Aufgaben unvollendet. Schlimmer noch: sie hatten sich verschärft.

9.4  The Reunification of Europe (Kühnhardt 2009g) – Identität …

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Abb. 9.19   Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt (2010). (©Nomos Verlag)

9.4  The Reunification of Europe (Kühnhardt 2009g) – Identität und Weltfähigkeit (Kühnhardt 2020c) Nach den drei Wellen der EU-Osterweiterung 2004, 2009 und 2013 ist in den 2020er Jahren die Wiedervereinigung Europas immer noch nicht vollendet. Zum einen sind entscheidende Beitrittswünsche in Südosteuropa bisher unbeantwortet geblieben. Die Türkei ist Kandidatenland seit 1999, Nordmazedonien seit 2005, Montenegro seit 2012, Serbien seit 2012 und Albanien seit 2014. 2022 wurden die Ukraine und die Republik

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Moldau zu Kandidatenländern ernannt. Bosnien-Herzegowina und Kosovo warteten zu diesem Zeitpunkt noch immer ebenso wie Georgien auf diesen symbolpolitischen Akt der Annäherung an die „europäische Staatenfamilie“. Die EU schiebt eine unerledigte Länderliste mit Beitrittsbegehren vor sich her und beklagt zugleich, dass geopolitische Veränderungen ihren Einfluss in diesen Ländern zunehmend schwächen. Die Verleihung des nicht in den europäischen Verträgen vorgesehenen Status „Kandidatenland“ wirkt den geopolitischen Bedrohungen wie im Falle der Ukraine (nach dem russischen Überfall am 24. Februar 2022) ebenso wenig entgegen wie allein durch den Druck der Kandidatenländer die inneren Reformnotwendigkeiten der EU tatsächlich beschleunigte Antwort finden würden (Stichwort: Einführung des Mehrheitsprinzips in Fragen der Außen-, Sicherheits- und Fiskalpolitik). Dennoch setzt die Europäische Union weiterhin auf ihr wichtigstes Instrument, um innere Reformen in beitrittswilligen europäischen Staaten voranzubringen. In der Vergangenheit war die Europäische Union – wie zuvor die Europäische Gemeinschaft – immer wieder damit befasst gewesen, komplexe Wirklichkeiten, die sich hinter den Schlagworten „Erweiterung“ und „Vertiefung“ verbergen, in Balance zu bringen. Die Akzente, ja die gesamte Ausrichtung dieser Suche nach einer europäischen Balance von „Erweiterung“ und „Vertiefung“ wurden allerdings immer mühevoller. Nach der Überwindung der Teilung Europas und des Ost-West-Konfliktes 1990 ging es zunächst und vorwiegend um die künftige Rolle Mitteleuropas. Ich verfolgte diese Diskussion mit Leidenschaft und nahm in verschiedenen Publikationen Stellung. Meine Veröffentlichungen im Umfeld der ersten Erweiterungswelle 2004 beschrieben die sogenannte Osterweiterung als eine „Dividende für Europa“. Ich arbeitete gesellschaftliche und kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen Mitteleuropa und Westeuropa heraus, aber auch in Bezug auf die Erinnerungskultur und hinsichtlich der Entwicklungen bei den politischen Parteien. 2002 organisierte ich eine wissenschaftliche Konferenz in Budapest über die christlich-demokratischen Parteibewegungen in Mitteleuropa, die sich damals offensichtlich immer mehr aufzulösen begannen (Kühnhardt 2000b, S. 344; 2000c, S. 56 ff.; 2004c, S. 5 ff.; 2004d, S. 14 ff.; 2022a, S. 172 f.). Es konnte nicht überraschen, dass in Mitteleuropa, aber noch mehr in Südosteuropa, aus der Zeit des Kalten Krieges Wunden geblieben waren, Folgen der kommunistischen Diktatur und der sowjetischen Hegemonie. Es entstanden aber auch neue Minderwertigkeitsgefühle gegenüber der „alten EU“. Am zuversichtlichsten schauten die drei baltischen Republiken in eine gemeinsame europäische Zukunft. Sie hatten die größte Bürde von allen abgeschüttelt und sich nicht nur der kommunistischen Diktatur entledigt, sondern auch aus der Sowjetunion befreit. Für Estland, Lettland und Litauen kam dies einer Wiedergeburt gleich. Es war daher folgerichtig, dass Tunne Kelam, der führende Kopf der estnischen Unabhängigkeitsbewegung und seit 2004 Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei, im Europäischen Parlament die Initiative ergriff, um den historischen Stellenwert des Kampfes für Freiheit und Wiedervereinigung vor dem Vergessen aufzubewahren. Ich hatte Tunne seit unserem Kennenlernen 1992 immer wieder bei seinem Kampf um die Wiedergeburt von Estland unterstützt. Mit ihm war ich glück-

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lich, dass Estland, Lettland und Litauen Mitglieder der EU und der NATO geworden waren. 2007 bat er mich, ein Buch herauszugeben, in dem an den Freiheitskampf aller zehn neuen EU-Mitgliedsländer erinnert werden sollte, die 2004 in die Europäische Union aufgenommen worden waren. Ich war sofort gerne bereit, mich dieser Aufgabe zu widmen. Tunne Kelam und ich trafen uns mehrfach, um das Konzept zu besprechen. Ich erinnerte mich besonders an eine Begegnung am 6. Mai 2008 in Bonn. Im Blick auf die zunehmenden Unsicherheiten über die Ausrichtung und die Ziele Russlands fand Tunne Kelam nur zwei knorrige Worte: Geduld und Ausdauer. Wir überlegten, wie eines Tages ein gemeinsamer europäischer Gedenktag für alle Opfer aller totalitären Herrschaftssysteme aussehen könnte. Ich ging noch einen Schritt weiter und entwickelte die Idee für

Abb. 9.20  Mit Tunne Kelam, dem Anführer der estnischen Unabhängigkeitsbewegung, und seiner Frau Mari-Ann in Tallinn (1994). (©Ludger Kühnhardt)

einen gemeinsamen europäischen Gedenktag an die Opfer aller Kriege in Europa. Es gelang mir, eine Gruppe renommierter Wissenschaftler und Zeitzeugen zu gewinnen, die zu The Reunification of Europe jeweils ein Länderporträt beisteuerten: Bulgaria: False start and successful second revolution (Evgenii Dainov; Kühnhardt 2009g, S. 15 ff.) Czech Republic: From monolithic totalitarian rule to democratic power struggle (Hynek Fajmon; Kühnhardt 2009g, S. 53 ff.) Estonia: Almost extinguished, successfully reborn (Mart Laar; Kühnhardt 2009g, S. 83 ff.) Hungary: A century of complicated transformations (György Schöpflin; Kühnhardt 2009g, S. 123 ff.) Latvia: The Baltic destiny and the rebirth of a nation (Antonijs Zunda; Kühnhardt 2009g, S. 161 ff.)

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Lithuania: The centuries-long struggle for freedom (Vytautas Landsbergis; Kühnhardt 2009g, S. 215 ff.) Poland: The land of the Pope and of „Solidarity“ (Wlodzimierz Bernacki; Kühnhardt 2009g, S. 245 ff.) Romania: From democracy to totalitarianism and back (Virgil Tarau; Kühnhardt 2009g, S. 287 ff.) Slovakia: Identity and democratization (Slavomir Michálek; Kühnhardt 2009g, S. 327 ff.) Slovenia: From triple totalitarian occupation to freedom and independence (Damjan Hančič, Renato Podbersič, Ivanc Blaž; Kühnhardt 2009g, S. 371 ff.)

Bei einer Neuauflage der englischen Ausgabe 2014 konnte ein weiterer Text über den Weg Kroatiens aufgenommen werden, das 2013 der EU beigetreten war: Croatia: From the inequality behind the mask of „brother and unity“ to the union of democracy and equality and the Croats in the 20th century and after (Mario Jareb and Ante Nazor).

Alle Beiträge wurden mit Landkarten und aussagestarken Photographien ergänzt. So entstand ein einzigartiges Panorama des Freiheitswillens der viel zu lange als peripher abgetanen Länder, deren Selbstbestimmungsrecht unzweifelhaft ist und künftig gegen alle nur denkbaren Widrigkeiten garantiert werden muss. Ein wichtiges Element der europäischen Freiheitsgeschichte hatte sich in der Wiedervereinigung Europas 2004/2007 erfüllt. Daran erinnerte die Publikation, die ich edierte. The Reunification of Europe erschien in hervorragender Aufmachung 2009 in Brüssel (Kühnhardt 2009g). Tunne Kelam, der Hobbyphotograph, steuerte ein eindrucksvolles Titelbild bei: Ein Photo des Freskos vom Zug west- und mitteleuropäischer Monarchen mit Krone und zu Pferd auf dem gemeinsamen Weg zum Kreuz Christi, das eine Seitenwand in der Eglise St.-Pierre-Le-Jeune Protestant in Straßburg ziert. Das Fresko steht symbolisch dafür, dass West- und Mitteleuropa zusammengehören. Mit Unterstützung des Europäischen Parlaments konnten gleichwertig ausgestattete Ausgaben in deutscher, polnischer, slowakischer, rumänischer und französischer Sprache erscheinen. Die Erstauflage betrug für jede Sprachfassung 10.000 Exemplare. Wer die Texte las, wurde zurückgeführt in die grauenhaften Ereignisse, die die in dem Buch porträtierten Völker im 20. Jahrhundert hatten erleiden müssen: Armut, Demütigung und Vernachlässigung nach dem Ersten Weltkrieg, Kampfzone und Zerstörungszentrum während des Zweiten Weltkrieges, danach brutale Sowjetisierung, aber auch ungebrochener Freiheitswille, der immer wieder durch Blut und Leid gestählt wurde, endlich die Abschüttelung der kommunistischen Diktatur und der sowjetischen Hegemonie, schließlich das Glück der Mitgliedschaft in der Europäischen Union und in der Nordatlantischen Allianz. The Reunification of Europe schrieb die Geschichte großer antitotalitärer Helden. Sie zu ehren, sah ich als den Sinn dieser Publikation an.

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Abb. 9.21   The Reunification of Europe. Anti-Totalitarian Courage and Political Renewal (ed.; 2009). (©European Parliament/European People’s Party)

So formulierte ich es mit aller Klarheit in meiner Einführung in den Sammelband (Kühnhardt 2009h, S. 5 ff.). Ich erinnerte an die historische und kulturgeschichtliche Bedeutung von 1989/1990, bezugnehmend auf Nikolaus Kopernikus und Hannah Arendt, die den Sinn von Revolutionen als Rückkehr zu einem ursprünglichen Zustand gedeutet hatten. In allen postkommunistischen Staaten waren die Revolutionen, die zumeist friedlich verlaufen waren, mit Beiworten versehen worden: singende Revolution, orange Revolution, purpurne Revolution. Der gemeinsame Nenner, so schrieb ich, sei der Wille der Bevölkerung gewesen, ein totalitäres Modell von Politik abzustoßen. Der Schlachtruf: „wir sind das Volk“, zeigte den Willen, einen neuen Sozial- und vor allem auch einen neuen Herrschaftsvertrag zu etablieren, der die Frage nach der Wurzel und der Legitimität staatlicher Ordnung neu beantworten konnte. Zugleich hatte es, führte ich weiter aus, allüberall geheißen: „zurück nach Europa“. Eiserner Vorhang, Kalter Krieg

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und Sowjetisierung hatten europäische Völker von der kulturellen Gemeinsamkeit mit anderen europäischen Völkern getrennt. Die Wiedervereinigung Europas war für sie eine Heimkehr. Zugleich wollten sie in diesem gemeinsamen Europa wieder sie selber sein. Damit verwies ich auf die komplexe und sehr vielschichtige Transformationserfahrung, die diese Gesellschaften durchgemacht hatten und weiterhin durchmachten. Viele politische Akteure waren auf der Bühne der Geschichte erschienen, die ohne das Ende der totalitären Herrschaft niemals dort gestanden hätten. Die Erneuerung der öffentlichen Sphäre war in keinem Land einfach und vollzog sich überall unterschiedlich. Die Auseinandersetzung mit den Beharrungskräften des alten Regimes war nicht zu übersehen. Zudem traten neue und tiefgreifende Probleme auf, vor allem hinsichtlich des Umbaus der Volkswirtschaften. Ich erinnerte daran, dass auch Albanien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo zu Europa gehörten und für diejenigen, die dies so sahen wie ich, auch die Türkei. Der Osten des Westens war Teil des gemeinsamen europäischen Hauses. Die EU-Mitgliedschaft biete nun den Rahmen, in dem die Individualität und Diversität jeder Gesellschaft und jedes Landes aufblühen können. Die EU sei kein zentralisierendes System, sondern schützender Rahmen für die vielfältige kulturelle Landschaft Europas, schrieb ich. Ich mochte naiv sein, die Dinge so zu sehen. Aber meine Sicht half mir, überhaupt nicht überrascht zu sein, als die vielschichtigen soziokulturellen Differenzen zwischen den einzelnen Staaten sich wenige Jahre später zu veritablen politischen Disputen in der gemeinsamen europäischen Rechtsgemeinschaft steigerten. Die soziale und politische Transformation, die in Mitteleuropa und Südosteuropa 2009 anhielt, dürfe nicht, so argumentierte ich leidenschaftlich, dazu führen, die Opfer der totalitären Herrschaft zu vergessen. Es sei dabei immer um einzelne Menschen gegangen. Ebenso gehe es bei der Generation, die Freiheit und europäische Wiedervereinigung erkämpft hatte, um mutige Menschen, um antitotalitäre Helden, deren große Leistung nicht vergessen und immer wieder erzählt zu werden lohne. Am 14. Oktober 2009 sprach ich bei einem Festakt des Europäischen Parlaments in Brüssel anlässlich des 70. Jahrestages des Molotov-Ribbentrop-Pakts. Neben vielen anderen mir bekannten Teilnehmern traf ich Vytautas Landsbergis wieder, den ersten Präsidenten des wieder unabhängigen Lettlands, Alojz Peterle, den ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten von Slowenien, und aus Tschechien meinen alten Bekannten Pavel Zacek, der unter hohem Druck alter Seilschaften die dortige Institution zur Aufarbeitung der Verbrechen der staatlichen Geheimdienste zur kommunistischen Zeit leitete. Mein erinnerungspolitischer Beitrag im voll besetzten Auditorium des Europäischen Parlaments steuerte auf eine These zu: Die friedliche Revolution von 1989/1990 und die europäische Wiedervereinigung in der EU seien die Basis für ein neues Europa der Freiheit und der Verantwortung. Nie dürfe der Respekt vor den Opfern des kommunistischen Totalitarismus vernachlässigt werden, die Jahrzehntelang von diesen Werten abgetrennt leben mussten. Der doppelte antitotalitäre Konsens bleibe Fundament der EU: Die gleichermaßen deutliche Ablehnung gegenüber dem kommunistischen wie dem nationalsozialistischen Totalitarismus sei unaufgebbarer Teil des Gründungsmythos der EU.

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Den Konferenzband gab die Präsidentin des litauischen Parlaments, Irena Degutiene, in Vilnius heraus (Kühnhardt 2009i, S. 66 ff.).

Abb. 9.22  Mit Vytautas Landsbergis (Litauen), Alojz Peterle (Slowenien) und Pavel Zacek (Tschechien) in Brüssel (2009). (©Ludger Kühnhardt)

Dass dieses Fundament allein nicht ausreichte, um Europa in seinen Gesellschaften zusammenwachsen zu lassen, war mir stets bewusst. Daher war ich besonders erfreut darüber, dass 2010 der Präsident des Landtags von Sachsen, Matthias Rößler, auf mich zukam mit der Frage, ob ich eine Idee hätte, wie der Geist, der in Mitteleuropa die friedlichen Umwälzungen von 1989/1990 möglich gemacht hatte, wiederbelebt werden könnte. Ich teilte seinen Befund, dass sich jede Region und die in ihr lebenden Gesellschaften wieder vorrangig auf sich selbst zurückgezogen hatten. Bestenfalls sei „Brüssel“ – eine Chiffre für die EU – neuer Referenzpunkt, aber gelegentlich auch neuer Buhmann geworden. Für Sachsen gelte überdies, dass es sich zudem im deutschen Föderalismus behaupten müsse. Die politischen Akteure wurden durch dessen vielschichtige Strukturen voll absorbiert. Die Nachbarregionen sollten wiederentdeckt werden, wenn denn dies möglich sei, wünschte sich der Landtagspräsident des Freistaats Sachsen. Ich empfahl, es nicht bei einer nostalgischen Wiederentdeckung zu belassen, sondern Gemeinsamkeiten aufzubauen, die zum Nutzen aller in der EU wirksam werden und der Region Mitteleuropa eine stärkere Stimme geben könnten. Mit Matthias Rößler bin ich seit 1992 befreundet. Er gehörte zu der Generation der antitotalitären Helden, wie ich sie in dem Buch The Unification of Europe beschrieben

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hatte. Matthias Rößler und seine kluge Frau Gerlind waren Enikö und mir über Jahre zu unseren engsten persönlichen Freunden im Osten Deutschlands geworden. Gerlind und Matthias imponierten uns und wir waren uns sympathisch. In ihrem Haus auf dem Grundstück der elterlichen Gärtnerei am Rande von Dresden zogen sie ihre zwei prächtigen Söhne auf, die gute Wege gingen. Gerlind und Matthias Rößler sind als praktizierende lutherische Protestanten Angehörige einer besonders moralisch gefestigten Minderheit in der DDR. Matthias hatte Maschinenbau studiert und über Strömungstechnik promoviert. Eine wissenschaftliche Laufbahn blieb ihm wegen fehlender Linientreue in der SED-Diktatur versagt. Er arbeitete im Lokomotivkombinat Henningsdorf und fand 1989 über die Bewegung „Demokratischer Aufbruch“ in die Politik. Er spezialisierte sich auf Bildungs- und Hochschulfragen, trat später der CDU bei, wurde Mitglied des Sächsischen Landtags und dort wissenschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Zu dieser Zeit hatten wir uns kennengelernt, immer wieder wechselseitig besucht, waren im Elbsandsteingebirge gewandert und hatten uns zu vielen Fragen der Zeit ausgetauscht oder miteinander eine grandiose Aufführung in der Semperoper besucht. 2003 waren unsere neuseeländischen Freunde Bhaady Miller und Simon Upton mit dabei, als wir mit Gerlind und Matthias Rößler dem „Lohengrin“ lauschten. Unsere Gespräche drehten sich zu der Zeit immer wieder um die Sorgen, die uns die Veränderungen in der deutschen Gesellschaft machten. Nicht einmal mehr die CDU räumte Familie und Kindern den ihnen gebührenden Platz in ihrem Drang zu gesellschaftlicher „kultureller“ Modernisierung ein. Das konnte nur zu noch mehr Zukunftsangst und Zukunftsverweigerung führen, die ohnehin allenthalben um sich griffen. Auch mein neuseeländischer Weltbürger-Freund Simon Upton, damals bei der OECD in Paris tätig, und seine lebenspraktische Frau Bhaady empfanden, dass die politischen Eliten Frankreichs und Deutschlands in ihren selbstverliebten Hauptstädten eines gemeinsam hatten: Sie verkörperten Stagnation und Reformverweigerung in den weit entscheidenderen Fragen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. Das Leben, so waren wir überzeugt, würde auch in die Politik wieder über die Ränder zurückkehren. Sachsen stand weiterhin für Aufbruch und war mir auch deshalb durch und durch sympathisch. Matthias Rößler war von 1994 bis 2002 sächsischer Kultusminister, danach von 2002 bis 2004 sächsischer Minister für Wissenschaft und Kunst. Seit 2009 wurde er immer wieder im Amt des Präsidenten des Sächsischen Landtags bestätigt, zuletzt 2019. In dieser Funktion wollte er – wir schrieben das Jahr 2010 – einen mitteleuropäischen Impuls setzen. Ich entwickelte ein Konzept für das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“. In meinem Konzeptpapier vom 15. Juli 2010 hieß es unter anderem: „Die Einrichtung eines ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ kann einen doppelten Mehrwert erzeugen: Zum einen kann das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ das Bewusstsein von der mitteleuropäischen Verbundenheit in der Region – und namentlich im Freistaat Sachsen selbst – stärken. Darin eingeschlossen ist die Würdigung und Stärkung des freiheitsfördernden Impetus der mitteleuropäischen Bürgergesellschaft. Zum anderen kann das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ durch Beiträge zu allgemein-europäischen Fragen die spezifisch mittel-

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europäische Sicht auf die entsprechenden Dinge und Materien einbringen und für deren Ausstrahlung auf andere Regionen und Entscheidungsträger in der EU werben.“ In den nachfolgenden Überlegungen beleuchtete ich den Kontext der Thematik und zeigte Handlungsoptionen sowie inhaltliche Profilierungspotentiale auf. Den Begriff „Mitteleuropa“ für eine europapolitische Ambition des Freistaates Sachsen zu aktivieren, erforderte, sich Klarheit über die begriffspolitische Ausgangslage zu verschaffen. Der Begriff „Mitteleuropa“ war im Verlauf der Geschichte verschiedenen Deutungen unterlegen und diente unterschiedlichen Zielsetzungen. Ich erinnerte an die politische Konzeption, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Unruhe stand, die seinerzeit von der ungelösten deutschen Frage ausging. „Mitteleuropa“ war gedacht als Ablehnung sowohl der kleindeutschen wie der großdeutschen Lösung. Deutsche und Slawen seien viel zu sehr miteinander verflochten, um eine nationalhomogene deutsche Staatsbildung konfliktfrei und nutzbringend realisieren zu können. Eine Föderation „Mitteleuropa“ sollte ein Gegengewicht gegen die Großmächte Russland und Frankreich schaffen, wie beispielsweise der sächsische Historiker und Publizist Constantin Frantz argumentierte. Ich erinnerte daran, dass zu Beginn des Ersten Weltkrieges Reichskanzler Theodor von Bethmann-Hollweg einen mitteleuropäischen Wirtschaftsverband als Teil seiner Kriegszielkonzeption angesehen hatte („Septemberprogramm“). Reichsaußenminister Walther Rathenau hatte diese Konzeption aufgegriffen und von einer mitteleuropäischen Zollunion gesprochen. Am prononciertesten wurde das ökonomische Konzept „Mitteleuropa“ von Friedrich Naumann in seinem gleichnamigen Buch von 1915 im Sinne eines Staatenbundes unter der ökonomisch beherrschenden Führung Deutschlands verstanden (Naumann 1915). Schließlich erinnerte ich daran, dass nach dem Ende des Kalten Krieges und der Überwindung der Teilung Europas die Anrufung eines imaginären Konzeptes von Mitteleuropa durch verschiedene Intellektuelle vor allem dem Ziel gedient hatte, Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei rasch an die Europäische Union heranzuführen. Eine Initiative aus Sachsen müsste die Fallstricke der historischen Bezüge vermeiden und einen innovativen Akzent setzen, der nicht alte Reflexe bedienen oder zu neuem Misstrauen führen würde. Ich empfahl, über den Begriff „Central Europe“ hinauszugehen, der in der EU vor allem als technischer Begriff für die Abwicklung regionaler Projektlinien diene. Zwar sei die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Mitteleuropas weiterhin wichtig, aber die Initiative des Sächsischen Landtags sollte zunächst einmal kulturelle Sensibilität wecken. Die freiheitlich verfasste Bürgergesellschaft von Mitteleuropa sollte angesprochen und aktiviert werden, lautete meine Empfehlung. Auf diesem Weg sollte versucht werden, die Mitteleuropa-Thematik mit der Frage zu verknüpfen, ob und auf welche Weise aus dem Raum Mitteleuropa mit seiner genuinen Identität Anregungen für Lösungen zeitaktueller Fragen erwachsen können, die einerseits zur Signatur der Region werden könnten und andererseits auch, wo immer möglich, Anregung für andere grenzüberschreitende Räume und Regionen in der Europäischen Union geben können. Ich schlug konkrete Arbeitsformate für das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Land-

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tag“ vor, Themen und schließlich Personen.3 Ich empfahl, ein Kuratorium einzurichten, das jährliche Tagungen mit öffentlicher Ausstrahlung, rotierend in der Region, planen könne. In einem seltenen Akt der Einmütigkeit billigte das Präsidium des Sächsischen Landtags einstimmig das Konzept, das ich erarbeitet hatte, einschließlich der „Dresdener Erklärung“, die bei der Gründungsveranstaltung veröffentlicht wurde.4 3 Unter

anderem schlug ich folgende Themen vor: Freiheit und Bürgergesellschaft: Was bleibt von 1989 und wie verstehen wir Freiheit heute? Solidarität in Mitteleuropa: Wie können grenzüberschreitende Beiträge geleistet werden, um einen nationenübergreifenden europäischen Patriotismus zu befördern? Gerechtigkeit in einer Region der Unterschiede: Welche gemeinsamen Elemente eines zeitgemäßen Gerechtigkeitsbegriffs können in Mitteleuropa identifiziert werden? Die Bedeutung mitteleuropäischer Traditionen für die Zukunft Europas: Welche Elemente der mitteleuropäischen Geschichte können für das 21. Jahrhundert furchtbar gemacht werden? Mitteleuropas Brücken über seine Ränder hinaus: Wie kann sich der in der Europäischen Union vereinte Raum Mitteleuropas öffnen für die Mitteleuropäer in der Ukraine und in Belarus? Mitteleuropäische Impulse: Welche Inspiration kann von Mitteleuropa als Raum der Geschichte und Gegenwart ausgehen für andere grenzüberschreitende Traditionsregionen in der Europäischen Union? Europäische Fragen – mitteleuropäische Antworten: In welchen gesellschaftlichen und politischen Feldern können genuin mitteleuropäische Antworten Leitcharakter für europaweit gestellte Fragen haben? Grenzen und Grenzüberschreitungen: Wie können Grenzerfahrungen nutzbar gemacht werden und wo müssen – metaphorisch wie faktisch – Grenzsteine heute fallen? Mitteleuropa als Wertegemeinschaft: Wo gibt es Gemeinsames und wo Trennendes in den Wertpräferenzen der mitteleuropäischen Gesellschaften, vor allem im Blick auf die Vielfalt der religiösen Traditionen? Der andere in Mitteleuropa: Wie gehen Mitteleuropas Völker mit Minderheiten und Erfahrungen des Anders-Seins um? 4  Die „Dresdener Erklärung“ lautete: „Vor 20 Jahren wehte der Geist der Freiheit durch Europa. Der Geist der Freiheit hat Mitteleuropa erlaubt, wieder in den Raum der gemeinsamen europäischen Zukunft einzutreten und diesen mit anderen Europäern zusammen zu gestalten. Über Jahrhunderte hat Mitteleuropa in besonderer Weise Kultur und Wissenschaft, Wirtschaft und Politik unseres Kontinents geprägt. Im Kalten Krieg und während der Zeit der Teilung Europas in demokratische Verfassungsstaaten und kommunistische Diktaturen wurde Mitteleuropas Ethos verdunkelt. Seit dem Ende von Diktatur und Teilung ist Europa zusammengewachsen und Mitteleuropa wieder aufgeblüht. Heute gehören die Völker und Staaten Mitteleuropas der Europäischen Union an und bilden damit eine gesamteuropäische, auf Freiwilligkeit beruhende Schicksalsgemeinschaft. Vor uns in Europa liegen große Aufgaben, aber auch vielfältige Chancen. Mitteleuropa ist an diesem geschichtlichen Abschnitt als starker Partner beteiligt. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will die besonderen Akzente, die Mitteleuropa in das gemeinsame Bemühen um die Zukunftsgestaltung der EU einbringt, stärker ins Bewusstsein heben. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will die Verbundenheit unter den Völkern und Staaten Mitteleuropas unter den heutigen Bedingungen erneuern. Im Blick nach vorne will das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ Impulse für die gesamte Europäische Union geben. Mitteleuropa ist Teil der europäischen Zukunft. Europas Zukunft kann von den Erfahrungen und Potentialen Mitteleuropas profitieren. In Mitteleuropa verbinden sich grenzüberschreitende Einsichten, die Inspiration für die Europäische Union sein können. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will dafür werben, dass Mitteleuropa in der Europäischen Union Impulsgeber ist und dass die Europäische Union in Mitteleuropa als Union der Bürgerinnen und Bürger stets angenommen bleibt. Die großen geistigen, politischen und gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit werden in Mitteleuropa im Wechselspiel von Einheit

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Am 29. September 2011 konstituierte sich das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ in Dresden mit einer formvollendeten Übergabe der Berufungsurkunden in das Kuratorium durch Landtagspräsident Matthias Rößler, der selbstverständlich und sehr engagiert das Kuratorium leitete. Dem Kuratorium gehörten an: Erhard Busek, ehemaliger Vizekanzler der Republik Österreich, Stefan Troebst, Professor für Kulturstudien Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig, Beate Neuss, Professorin für Internationale Politik an der TU Chemnitz, Gábor Erdödy, ehemaliger Botschafter der Republik Ungarn und Professor für Geschichte an der EötvösLorand-Universität Budapest, Jiří Gruša, Schriftsteller und Diplomat, Tschechische Republik, Magdaléna Vášáryová, Abgeordnete des Slowakischen Nationalrates, vormalige Botschafterin und Präsidentschaftskandidatin sowie Präsidentin der Slovak Foreign Policy Association, Ryszard Król, ehemaliger Generalkonsul der Republik Polen in Sachsen. Auch ich wurde in das ehrenamtlich tätige Kuratorium des „Forums Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ berufen. Alle Kuratoren unterschrieben die „Dresdener Erklärung“. Wir trafen mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich zusammen, der fürchtete, dass trotz der am gleichen Tag erfolgten Zustimmung des Bundestages zur Aufstockung des Europäischen Rettungsfonds die Eurokrise noch gravierender werden könnte. Rasch waren wir mitten in inspirierenden Diskussionen über Mitteleuropa mit pointierten Sentenzen von Gábor Erdödy („Orbán hat die Demokratie abgeschafft“), Jiří

und Vielfalt ebenso diskutiert wie überall sonst in der Europäischen Union. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will diesen Diskussionen Stimme und Gewicht geben. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ arbeitet im Geist guter Nachbarschaft, ehrlicher Partnerschaft und europäischer Bestimmung. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ dient der Stärkung der mitteleuropäischen Bürgergesellschaft. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will sich in seiner Arbeit der Fragen annehmen, die für die Zukunft Mitteleuropas in der EU von zentraler Bedeutung sind: Freiheit und Bürgergesellschaft – Solidarität in Mitteleuropa – Gerechtigkeit in einer Region der Unterschiede – Bedeutung mitteleuropäischer Traditionen für die Zukunft Europas – Mitteleuropas Brücken über seine Ränder hinaus – Europäische Fragen und mitteleuropäische Antworten – Grenzen und Grenzüberschreitungen – Mitteleuropa als Wertegemeinschaft – Der Andere: Minderheiten in Mitteleuropa. Zwanzig Jahre nach dem historischen Aufbruch der mitteleuropäischen Bürgergesellschaft ist die Zeit in Mitteleuropa und in der Europäischen Union insgesamt reif für einen neuen Aufbruch im Geist der Freiheitsrevolution von 1989/1990. Von Dresden und aus dem Freistaat Sachsen geht ein neuer Impuls aus: Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will Wege aufzeigen, wie die mitteleuropäische Bürgergesellschaft der Gestalt unserer gemeinsamen Zukunft zuarbeiten kann. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will die Solidarität in Mitteleuropa und in der Europäischen Union stärken. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will ein Mitteleuropa der Gerechtigkeit, des Ausgleichs und der Partnerschaft. Das ‚Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag’ will mithelfen, damit der Geist der Freiheit weiter in Verantwortung für das Wohl unseres Kontinents weht.“ Der Text wurde auch in polnischer, tschechischer, slowakischer und ungarischer Sprache online gestellt: https://fme.landtag.sachsen. de/de/ueber-uns/dresdner-erklaerung/dresdner-erklaerung.cshtml. (Zugegriffen: 4.Juni 2023).

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Gruša („An Europa kann man nur angetrunken denken“), Magdaléna Vášáryová („Wahlbeteiligung in der Slowakei von 83 auf 33 % gesunken, die Bürgerbewegung von 1989 bis 1998 ist tot oder am meckern“) und Erhard Busek („Mitteleuropa liegt dort, wo C+B+M an der Tür steht, man in Federbetten schläft und einer Dame eine ungerade Zahl Rosen schenkt“).

Abb. 9.23   Kuratorium „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ in Dresden: (von links) Erhard Busek, Stefan Troebst, Beate Neuss, Gábor Erdödy, Jiří Gruša, Landtagspräsident Matthias Rößler, Magdaléna Vášáryová und, neben mir, Ryszard Król (2011). (©Ludger Kühnhardt)

Über weit mehr als ein Jahrzehnt folgte eine gelungene Serie von hochkarätigen öffentlichen Veranstaltungen, reihum in der Region Mitteleuropa. Teilnehmer waren immer wieder unterschiedliche Kreise der Bürgergesellschaft aller Länder der Region. Der Ablauf war überall beeindruckend, eingerahmt üblicherweise von klassischer Musik aus der Region. Die nachfolgende mehrsprachige Publikation war jedes Mal reich bebildert und hob die Erinnerungsmomente schön auf. Die regelmäßigen Kuratoriumssitzungen in Sachsen dienten nicht nur der jeweiligen Identifizierung des Konzeptes für die nächste Jahrestagung, sondern immer auch dem sehr freimütigen Austausch über Befindlichkeiten aus und Aussichten für Mitteleuropa. So blieb ich immer am Puls der Entwicklungen in den Ländern und Gesellschaften Mitteleuropas. Einige Erlebnisse und Eindrücke waren besonders einprägsam. Am 9. Oktober 2012 hielt ich beim ersten „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ in Dresden ein einführendes Impulsreferat in Erinnerung an Jiří Gruša, der

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am 28. Oktober 2011 verstorben war. Kultur befreie und Kultur müsse gestaltet werden, postulierte ich. Ich beschrieb die EU als eine genuine Föderation und Mitteleuropa mit meinen väterlicherseits schlesischen Wurzeln auch mir als Heimat. Mitteleuropa habe die Anpassungskrise zwischen 1990 und 2004 meisterhaft bestanden. Aber nach Eintritt in die EU seien viele Fragen aufgebrochen. Die DDR sei den eigenwilligsten Weg gegangen, ohne Beitrittsverhandlungen über den Vollzug der deutschen Einheit der EU beizutreten. In Deutschland fänden daher, wenig überraschend, manche Debatten erst seither statt, die in den Nachbarländern längst vor Eintritt in die EU geführt worden waren. Mit wechselseitiger Sensibilität einander wiederzuentdecken, sei heute nötiger denn je (Kühnhardt 2013c, S. 115 ff.). Die Kuratoriumssitzung 2013 fand in Görlitz/Zgorzelec statt. Wir schlenderten natürlich auch über die Brücke auf die polnische Seite der Neiße, die so lange Teil des umstrittenen deutsch-polnischen Grenzverlaufes gewesen war. Am 7. Mai 2014 sprach ich beim „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ im Rathaus von Breslau, unweit der schlesischen Heimat meines Vaters (Kühnhardt 2022a, S. 642 f.). Polens Freiheit, so erinnerte ich an einen Ausruf beim Hambacher Fest 1832, sei Deutschlands Freiheit – bis heute. Es komme in Europa weiterhin darauf an, vom Menschen her zu denken und nicht von der formalen EU-Mitgliedschaft. Kernthema sei unsere Selbstachtung als Europäer. Die Krimkrise bahnte sich an und ich war dezidiert: Russland sei weiterhin, vor allem mit Blick auf den Kaukasus, eine Kolonialmacht. Ich erwähnte den Schriftsteller Alex Capus, der mit einprägsamen Worten eine jede kolonialistische Gesinnung charakterisiert hatte. Am Ende muss kolonialistische Gesinnung immer selbstzerstörerisch wirken (Capus 2007). Die EU beschrieb ich in Breslau als einen starken magnetischen Kern, der viele anziehe. Sie sei aber schwach in der Projektion einer Politik, die ausstrahlen könne. Daher müsse die EU entschieden ihre gemeinsame Außenpolitik stärken bei gleichzeitiger Sensibilität für die diversen Empfindungen und Empfindlichkeiten der Mitgliedsgesellschaften (Kühnhardt 2014e, S. 26 ff.). Wir waren gut ein Jahr von der massiven Flüchtlingskrise entfernt, die diese Gedanken schwer unter Druck stellen sollte. Es war bewegend für mich, im Rathaus von Breslau zu sprechen. In der Stadt, in der mein Vater hätte studieren wollen, wenn es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hätte, der alles zerrissen hat, was heute in Europa wieder mühsam zueinanderfindet. Bei der Kuratoriumssitzung am 16. und 17. März 2015 in Dresden empfahl ich eindringlich, dass der Modus des „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ umschalten müsse von einem sanften, völkerverständigenden Ansatz („Tradition und Vielfalt in Mitteleuropa“) auf einen realpolitischeren Zugang („Mitteleuropa: Stabilität und Krise“). Mitteleuropa, die ewig gefährdete Zwischenzone Europas, sei zwar zu einem Hort der Stabilität geworden infolge von Reformen und Renaissancen. Es sei aber auch ein Produzent und Objekt neuer Krisenerscheinungen mit Stichworten wie Oligarchen-Demokratien, ausländerfeindlichem und euroskeptischem Populismus, Institutionenzweifel und Autokratiesympathie. Darüber müsse man beim Forum Mitteleuropa tabufrei sprechen.

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Beim „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ am 23. September 2016 in Budapest gab es nur ein Thema, was alle bewegte: die sogenannte Flüchtlingskrise (Kühnhardt 2022a, S. 775 ff.). Der gemeinsame Nenner war noch immer stark in Mitteleuropa, das Vermächtnis der Freiheitsrevolutionen von 1989. Aber wie ein Damoklesschwert schwebte die Dramatik der Flüchtlingsfrage über Europa, verbunden mit beißenden Polarisierungen zwischen den Visegrad-Ländern und Deutschland. Ich fand es erhebend, im ungarischen Parlament sprechen zu können. Mein Appell lautete: Europa müsse sich neu begründen, um nicht an seinen Erfolgen zu ermatten und zu erliegen. Ich zitierte den Weckruf im alten Rom: „caveat consules“ (Kühnhardt 2017h, S. 66 ff.).

Abb. 9.24   Am Rande des „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“: Interview mit einem ungarischen Fernsehsender auf einem Donauschiff in Budapest (2016). (©Ludger Kühnhardt)

Bei einer Kuratoriumssitzung am 1. und 2. März 2017 in Moritzburg traf ich auf einen ungewöhnlich niedergeschlagenen Matthias Rößler. Er klagte über die Orientierungslosigkeit seiner CDU, die aus mir schon längst ausgewandert war, seitdem sie 2005 die irrlichternde Große Koalition gebildet hatte. Sollte bei der Bundestagswahl am 25. September 2017 ein Verlust der Regierungsmehrheit folgen, so Rößler, drohe der CDU eine Zellteilung nach dem Muster der italienischen Christdemokraten in den 1990er Jahren. Das Terrorproblem werde die deutsche Gesellschaft über Jahrzehnte begleiten. Die Wehrpflicht müsse wohl wieder eingeführt werden. Erhard Busek, Österreichs einstiger Vizekanzler, sah unabhängig von der künftigen deutschen Regierungskoalition das Parteiensystem am Ende, das sich im 19. Jahrhundert gebildet hatte. Magda Vášáryová, elegante und attraktive, ehemalige hochumjubelte Schauspielerin und slowakische Botschafterin und Präsidentschaftskandidatin, schilderte ihr Land

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als Labor von Populismus, bei dem man nie wisse, ob er rechts oder links sei, und als Inbegriff einer Zersplitterung des Parteienwesens auch in der Slowakei. Das Kuratorium des „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ hatte unterdessen einige wertvolle Neumitglieder gewonnen: Ulf Großmann, Präsident der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, der traurigerweise 2020 verstarb, Rafał Dutkiewicz, ehemaliger Stadtpräsident von Wrocław, Jarmila Krejčíková, Generalkonsulin der Tschechischen Republik in Sachsen, und Hans Penz, ehemaliger Präsident des Landtags von Niederösterreich. Beim „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ am 17. Oktober 2017 in Bratislava richteten wir den Fokus ganz pragmatisch auf Fragen der Wirtschaft und der Infrastruktur (Kühnhardt 2022a, S. 810 ff.). Christian Geinitz, ehemaliger Student von mir in Freiburg und unterdessen Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Mitteleuropa mit Sitz in Wien, moderierte vorzüglich eine der Diskussionsrunden. Mit Iveta Radičová, der ehemaligen Ministerpräsidentin der Slowakei und Soziologie-Professorin, konnte ich Erinnerungen an das St. Antony’s College in Oxford austauschen, wo wir uns 1990 zeitgleich aufgehalten hatten.

Abb. 9.25   Mit Iveta Radičová, der ehemaligen Ministerpräsidentin der Slowakei, in Bratislava (2017). (©Ludger Kühnhardt)

Beim „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ am 17. und 18. Mai 2019 in Dresden war Raum für eine ehrliche und im Kern fundamental kontroverse Diskussion über die Befindlichkeiten in der Region. Vor allem in Deutschland waren Kritik und Über-

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heblichkeit über die Entwicklungen in den mitteleuropäischen Nachbarländern an der Tagesordnung, vor allem gegenüber Polen und Ungarn. Umgekehrt herrschte dort starkes Misstrauen gegenüber den deutschen Europa-Vorstellungen, beschleunigt durch den moralischen Unilateralismus der deutschen Regierung in der Flüchtlingskrise 2015 und seither überhaupt nicht vernarbt. László Kövér, Ungarns Parlamentspräsident, rief zur Schlacht um das unter Druck stehende christlich-nationale Europa auf. Ein pragmatischer Sachverhalt erklärte manchen Frust in Mitteleuropa und einen oft unterschätzten Aspekt, der auch für die Spannungen mit Deutschland verantwortlich ist: 25 Mio. zumeist junge Menschen haben Mitteleuropa zwischen 1990 und 2019 verlassen. Das habe die dortigen Volkswirtschaften 1000 Mrd. EUR gekostet (Investitionen in die jungen Menschen, Wettbewerbsdefizite durch ihren Weggang). Kövér sprach von einer „kannibalistischen“ Wettbewerbspolitik der westeuropäischen Staaten gegenüber den Gesellschaften Mitteleuropas. Er war eindeutig: Westeuropa gebe Geld für Flüchtlinge aus, aber nicht genug für den Abbau der europäischen Jugendarbeitslosigkeit. Das könne so nicht bleiben. Ich ahnte: Ein neues Wiedergutmachungsthema kündigte sich in Europa an. Das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ war und blieb ein segensreicher Ort der respektvollen und ausgleichenden Begegnung. Der beste Ansatz einer heilenden Perspektive in der EU insgesamt blieb wohl das Versöhnungswort der polnischen Bischöfe von 1965, an das Breslaus ehemaliger Stadtpräsident, der Sozialdemokrat Rafał Dutkiewicz, erinnerte. Janusz Reiter, Polens früherer Botschafter in Deutschland, der unterdessen als Wirtschaftsberater tätig war, nannte das zweite wichtige Stichwort: Mitteleuropa sei nicht weltfähig, noch nicht reif für die Welt. Deutschland allerdings werde auch immer introvertierter je mehr machtpolitisches Denken verlangt wird von Europa. Mein langjähriger Freund Janusz hatte Recht: Politik war nach Europa zurückgekehrt. Ich sah die Perspektiven dialektisch und mithin à la longue positiv: Wir durchlebten den schmerzhaften Beginn der Schwangerschaft hin zur schwierigen Geburt einer europäischen Politik, in der das Monopol der Nationalstaaten gebrochen werde. Das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ bot Raum für Gespräche in versöhnter Verschiedenheit. Zum Abschluss der Dresden-Tage 2019 nahmen Enikö und ich am protestantischen Gottesdienst am Kantate-Sonntag in der Frauenkirche mit Ehepaar Rößler teil, just an deren 40. Hochzeitstag. Haydns Paukenschlagmesse ertönte: Spätestens beim „Agnus Dei“ lösten sich, wie immer, auf wundersame Weise alle Gegensätze und Selbstzweifel auf. Die Corona-Pandemie unterbrach unser jährliches Nachdenken über die Zukunft Mitteleuropas nur vorübergehend. Als wir uns am 11. und 12. November 2021 in der Wiener Hofburg zu einem weiteren „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ wiedersahen, fühlte es sich an, als seien wir ohne Unterbrechung im Gespräch geblieben. Dennoch lag eine Zäsur zwischen dem letzten „Forum Mitteleuropa“ und dieser Konferenz. Der österreichische Nationalrat hat für eine Weile in der Hofburg ein Ausweichquartier bezogen, weil der beeindruckende Bau saniert wird. Wer ein solches Ausweichquartier zur Verfügung hat, braucht sich um sein Selbstverständnis nicht zu viel sorgen: Österreich ruht in sich selbst. Nationalratspräsident Wolfgang Swoboda, ein

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ebenso weltläufiger wie bodenständiger Mann, wusste die Gäste des „Forums Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ perfekt einzubeziehen in das Selbstbild seines Parlaments. Unter der vorzüglichen Moderation des renommierten österreichischen Journalisten Gerald Schubert (Der Standard) diskutierte ich mit Gergely Gulyás, dem ungarischen Minister im Amt des Ministerpräsidenten, und mit Ralf Beste, dem deutschen Botschafter, der nur wenig später von der neuen Außenministerin Annalena Baerbock als Leiter der Kulturabteilung ins Berliner Auswärtige Amt zurückgerufen wurde. Zwischen einem Beharren auf Souveränität auf der einen Seite und einem strengen Kurs der Durchsetzung strikter Rechtsstaatsprinzipien auf der anderen Seite, wie es sich in letzter Zeit zwischen Ungarn und Deutschland eingebürgert hatte übereinander zu klagen, positionierte ich mich nicht wie ein Blatt getrieben zwischen Scally und Charybdis. Vielmehr nahm ich kein Blatt vor den Mund und kritisierte alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gleichermaßen: Zu geizig, zu schwerfällig, zu wenig vorwärtsgerichtet sei die bisherige Corona-Politik gewesen. Die Europäische Union hätte viel proaktiver Impfstoff für den globalen Süden spenden müssen. Ursache dafür liege nicht in Brüssel, sondern bei den Mitgliedsstaaten, die immer wieder als Bremser auffallen. Ich rechnete vor, dass die EU Mitgliedsstaaten für die erste Impfbestellung 2020 durch die Europäische Kommission nach zähem Ringen weniger als 20 Mrd. EUR hätten bezahlen müssen. Wäre zu gleichen Preisen Impfstoff als Spende für alle Menschen des globalen Südens bestellt worden, hätte dies weniger als 50 Mrd. EUR gekostet. Viel Geld, aber doch wenig gegenüber der ins Unermessliche gestiegenen Neuverschuldung sowie allen ökonomischen, sozialen und psychologischen Nebenwirkungen. Zudem dauere die Pandemie länger und könne jederzeit infolge neuer Mutationen, die aus Ländern mit niedriger Impfquote nach Europa schwappen, neu ausbrechen. Die Zögerlichkeit der EU-Mitgliedsstaaten sei, was sie ist: geizig, kopflos und kurzsichtig, Unausweichlich sei ein Transfer von Kompetenzen in Richtung einer Gesundheitsunion durch Anpassung des Artikel 168 im Teil XIV des Vertrags von Lissabon. Nur durch die Ablösung der gemeinsamen Zuständigkeit durch eine vergemeinschaftete Kompetenz in gesundheitsgefährdenden Notlagen können Europas Bürgerinnen und Bürger künftig zügiger beim Ausbruch von Naturkatastrophen geschützt werden, führte ich aus. Ohne dabei ausreichend an den Gesundheitsschutz der ärmeren Regionen der Erde zu denken, sei fahrlässig. Die bisherige Unterstützung der armen Länder durch die Impfinitiative COVAX sei gut gemeint, aber völlig unzulänglich. (Kühnhardt 2022d, S. 28–53). Die Corona-Pandemie war noch nicht abgeklungen, da erschütterten neue Bedrohungen die Grenzen Mitteleuropas. Gefälschten Wahlen in Belarus im August 2021 folgten die Niederschlagung der mutigen Demokratiebewegung und die Inhaftierung vieler ihrer engagierten Mitstreiter. Zugleich wurde ein besonders perfider Akt hybrider Kriegsführung gegenüber Polen und Litauen angewendet: Belarus’ diktatorische Staatsführung verhalf migrationswilligen Menschen aus dem Nahen Osten, Afrika und Afghanistan zum Versuch eines illegalen Grenzübertritts nach Polen und Litauen. Mit der „Operation Schleuse“, wie die vom belarussischen und russischen Geheimdienst offenbar schon 2010 ausgeheckte Strategie genannt wurde, sollte die EU an ihren östlichen

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Außengrenzen destabilisiert werden. Noch Schlimmeres folgte: Am 24. Februar 2022 begann Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Staatsführung im Moskauer Kreml stellte das Existenzrecht einer souveränen Ukraine infrage. Die Ukraine sei natürlicher Teil der russischen Welt. Europas kollektive Sicherheitsordnung wurde zerstört. Bereits seit 2013 wurde in der Ostukraine und auf der Krim die territoriale Integrität der Ukraine durch Russland verletzt. Nun eskalierte der Konflikt um Freiheit und Völkerrecht zur größten und gefährlichsten militärischen Gewaltaktion seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Vor diesem Hintergrund war es ein Akt guter symbolpolitischer Solidarität, dass das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ meiner Empfehlung folgte: Am 13. und 14. Mai 2022 tagte das Forum in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Ich war darüber besonders glücklich. In der litauischen Hauptstadt hatte ich viele Bekannte. Ich war immer in besonderer Weise mit den baltischen Staaten seit ihrer Unabhängigkeit verbunden gewesen. Für mehrere Jahre war ich von 2015 bis 2019 Mitglied des Governing Board der European Humanities University gewesen, der in Vilnius ansässigen belarussischen Exiluniversität. Diese Aufgabe hatte mir geholfen, besonders nahe das harte Ringen um Freiheit und Selbstbestimmung zu verfolgen, das weiterhin jenseits der östlichen Grenzen der EU und der NATO tobte (Einzelheiten unter Abschn. 9.6). Die massive Eskalation der Konflikte in Belarus 2020 und der Überfall auf die Ukraine 2022 hatten längst eine gesamteuropäische Bedrohungsdimension angenommen. Es war daher ein starkes Zeichen, dass das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ seinen ersten Termin in der European Humanities University hatte. Der dortige Gedankenaustausch mit litauischen und belarussischen Persönlichkeiten stimmte hervorragend ein auf die intensiven Begegnungen und Gespräche des nächsten Tages. Der Tonfall der baltischen Sprecher bei der Tagung im Seimas, dem litauischen Parlament – darunter Andrius Kubilius, der frühere Ministerpräsident von Litauen – war äußerst selbstbewusst und kämpferisch: Man lasse sich von Russlands Aggression nicht einschüchtern und werde alles tun, damit die Ukraine den Krieg gewinnt. Ich lernte Swetlana Tichanowskaja kennen, die Anführerin der belarussischen Oppositionsbewegung, deren Wahlsieg 2020 gegen Langzeitdiktator Lukaschenko durch Wahlfälschungen gestohlen worden war. Die stoische Frau beeindruckte mich mit ihrem Glauben an die Macht guter Überzeugungen. Der 9. Mai, so forderte sie, solle langfristig in ganz Europa zu einem Tag der Erinnerung werden: Es dürfe nirgendwo mehr auf dem europäischen Kontinent Krieg und Diktatur geben. Am Ende der Tagung durfte ich im Plenarsaal des litauischen Seimas die Bilanz unseres Gedankenaustausches ziehen (Kühnhardt 2022e). Ich erinnerte an meinen ersten Aufenthalt in diesem Gebäude 1992, als Betonquader und Sandsäcke Schutz vor möglichen russischen Attacken boten. Heute war Litauen als EU- und NATO-Mitglied eine gefestigte Demokratie wie nie zuvor. Aber doch schwebte der Ungeist einer neuen Bedrohung über Europa und an erster Stelle über Litauen, das nur an einer schmalen Stelle zwischen dem Oblast Kaliningrad und Belarus mit Polen verbunden ist. Die Demilitarisierung von Kaliningrad, die mein alter Bekannter Žygimantas Pavilionis, unterdessen einflussreicher Seimas-Abgeordneter,

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eindringlich gefordert hatte, leuchtete mir nur zu gut ein. Ich griff diesen Punkt später immer wieder auf, wenn von der Sicherheitslage am Ostseeraum die Rede war. Bei der

Abb. 9.26   Mit Swetlana Tichanowskaja, der Führerin der belarussischen Demokratiebewegung, Magda Vášáryová, meiner slowakischen Freundin im „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“, und dem Vorsitzenden des Europa-Ausschusses im Sächsischen Landtag, Marko Schiemann, im Seimas von Litauen in Vilnius (2022). (©Ludger Kühnhardt)

Jahreskonferenz des „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ am 22. und 23. Mai 2023 in Prag wurden neue Bruchlinien und künftige Konfliktmuster innerhalb der EU vor dem Hintergrund der nicht nur kriegsbedingten Umwälzungen im Osten Europas und in der Welt deutlich. Die Energieversorgung war als zentrale strategische Überlebensfrage für die EU-Volkswirtschaften identifiziert. Mindestens zehn harte Jahre dürften Mitteleuropa bevorstehen, hiess es von vielen Seiten. Deutschland hatte mit seiner eigenartig erratischen und überzogenen, dabei zugleich wenig erfolgreichen und für die Nachbarstaaten wenig attraktiven Energiepolitik viel Vertrauen verloren: Ich hörte aus dem Mund führender Köpfe aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Mitteleuropas, dass der „Green Deal“, den die EU auf ihre Fahnen geschrieben hatte, wohl zu schnell und zu teuer sei. Die sozialen Folgen aber müssten zu Überforderungen vieler Menschen und zu weiteren Gefährdungen der Demokratie in Mitteleuropa führen. Konsens bestand bei allen Diskussionsteilnehmern darin, dass für die EU strategisches Denken zu einer Existenzfrage geworden sei, zugleich aber nationale Unterschiede nicht einfach verdrängt werden dürfen. Besonders die empfindliche Thematik von Demographie und Migration dürfe nicht durch überzogene Erwartungen an rasche Anpassungen der Sichtweisen und – mehr noch – der höchst unterschiedlichen Realitäten zu weiteren

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Spaltungen in der EU führen. Die Mitteleuropäer, so schien es mir, waren erkennbar selbstbewußter geworden seitdem 2011 unser „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ aus der Taufe gehoben wurde. Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler, der sein Bundesland wieder einmal als deutschen Akteur in Mitteleuropa verortete, appellierte in Prag daran, trotz der Intensität der strukturellen und aktuellen Krisen Politik als „Kunst des Unmöglichen“ zu versuchen.Strategisch angelegte Energiepolitik müsse Sicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltschutz ausbalancieren. Im nächsten Jahr, so verständigten wir uns im Kuratorium auf meine Anregung hin, wollte das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ die Erwartungen, ja Forderungen aus Mitteleuropa an die nächste politische Führung der EU formulieren, die sich nach den Wahlen zum Europäischen Parlament auf allen Ebenen bilden würde. In den Jahren nach 2024 hatte die EU mit selbstbewußt artikulierten Interessen Mitteleuropas zu rechnen, auch wenn nicht immer alle Länder und Gesellschaften im Gleichklang von Denken und Handeln sein dürften. Mit dem „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ im Prager Waldstein Palais, dem prachtvollen Sitz des tschechischen Senats, schloss sich für mich im Mai 2023 auch ein persönlicher Kreis: In Mitteleuropa hatte 1976 mein Studium der Entwicklungen auf meinem damals maximal gespaltenen Heimatkontinent begonnen. Nach Mitteleuropa hatte sich unterdessen infolge des russischen Angriffskrieges die geopolitische Achse im Ringen um Freiheit, Frieden und Selbstbehauptung Europas und seines Lebensmodells verschoben. Für Mitteleuropa standen energiepolitische und ökonomische Fragen der Stabilität an, die auch in anderen Regionen Europas den gesellschaftlichen Konsens herausforderten. Prag präsentierte sich stolz und schön als das magische Herz Mitteleuropas. Es war mir ein besonderes Anliegen, mich am Rande der Konferenz wieder einmal mit Michal und Zdenek Rerych auszutauschen, den Enkeln des Försters, der am Ende des Zweiten Weltkrieges südlich von Prag meinem kriegsgefangenen Vater faktisch das Leben gerettet hatte. Unsere Familienfreundschaft bestand über alle Abgründe des 20.Jahrhunderts und die Freuden des Neubeginns hinweg seit bald achtzig Jahren. Trotz der wunderbaren Neugeburt von Freiheit, Wohlergehen und europäischer Verbundenheit in den letzten dreißig Jahren machten wir uns neue Sorgen über die Zukunft Europas und versuchten doch, unsere Zuversicht in die Substanz unseres Gesellschaftsmodells mit einem geschärften Sinn für bedrohliche Realitäten zu bewahren. War das nicht schon immer die Überlebensstrategie Mitteleuropas gewesen? Michals 21jähriger Sohn Jan,ein unternehmerisch ambitionierter Selfmademan, half uns, optimistisch zu bleiben,auch wenn wir Älteren scheinbar zu viel darüber wussten, was alles schiefgehenkönnte. Waren nicht auch dies schon immer die sich gegenseitig befruchtenden undnur auf den ersten Blick entgegengesetzten Lebenshaltungen in Mitteleuropa gewesen?

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Ich hatte mir nie Illusionen gemacht, dass die innere gesellschaftliche Entwicklung in den postkommunistischen Staaten schon allein durch eine formale Aufnahme in gemeinsame europäische Organisationen garantiert wäre. Deswegen warb ich auch nach dem Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO dafür, die postkommunistischen Transformationsländer mit Geduld und Sensibilität zu beurteilen. Dass viele von ihnen „zurück nach Europa“ gewollt hatten, hieß nicht, dass sie sich den postmodernen kulturellen und politischen Vorstellungen unterordnen wollten, die in Westeuropa unterdessen vorherrschten. Zum Beispiel schossen bei Fragen gleichgeschlechtlicher Eheschließung in Mitteleuropa rasch die Emotionen hoch. Ich verstand diese Emotionalität vieler Mitteleuropäer, weil ich selbst mit diesem Thema im Westen Europas und in den USA lange Zeit gehadert hatte. Ich hatte aber gelernt, zu Neubewertungen eigener Urteile und Vorurteile zu finden und in kulturell-ethischen Fragen meinen Frieden mit der rechtsstaatlich legitimen Mehrheit in Westeuropa und in den USA zu schließen. Die unterschiedlichen kulturellen und historisch gewachsenen Prägungen in Westund Mitteleuropa bedeuteten eben nicht, um ein anderes Beispiel zu erwähnen, dass in Mitteleuropa Deutungen des Rechts und der Souveränität unreflektiert geteilt wurden, die in Westeuropa nach langem Ringen für selbstverständlich gehalten wurden. Bei diesen Fragen war ich wiederum durch und durch westeuropäisch sozialisiert und warb unverdrossen in Mitteleuropa für Konzepte geteilter Souveränität (Kühnhardt 2017i, S. 101 ff.). Auch bei der Frage von Geschichtsbildern und geschichtspolitischen Deutungen des eigenen kulturellen und nationalen Selbstverständnisses waren kontroverse Standpunkte gegenüber westeuropäischen Ansichten in Mitteleuropa üblich. Schließlich war in Mitteleuropa bei der Frage der Kontrolle über die Ausprägung der eigenen Gesellschaft und die möglichen Folgen von Migration eine große Erfahrungs- und Anschauungskluft zu jedweder Variante des zeitgenössischen multikulturellen Denkens im Westteil Europas offensichtlich. Bei der Frage der Migration warb ich daher in Westeuropa immer für eine maßvolle Linie, die nach Kompromissen zwischen den verschiedenen Prägungen und Standpunkten suchte, ohne sich rechthaberisch zu erheben. Auch bei der Problematik der Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn plädierte ich für Geduld und die Suche nach Anreizen, anstatt immerfort nach subtileren Formen der Sanktionierung zu rufen.

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Abb. 9.27   Familiär: Mit den Freunden Csilla und Gábor Erdödy in Budapest (2014). (©Ludger Kühnhardt)

Es bedurfte immer wieder nur der kleinsten Anlässe, um in den postkommunistischen Gesellschaften Minderwertigkeitsgefühle ausbrechen zu lassen und in Westeuropa überhebliche Rechthabereien zu hören. Mir kam es immer darauf an, zu erklären und zu vermitteln, aber weder zu rechtfertigen noch zu verurteilen. Mir schien, dies war ich den Erfahrungen schuldig, die ich in allen Teilen Europas hatte machen können. Vor allem war ich es den beeindruckenden Menschen schuldig, die die Freiheitsrevolution initiiert und gestaltet hatten. Einer von ihnen war Alojz „Lojze“ Peterle. Am 22. Februar 2008 referierte der erste Ministerpräsident Sloweniens (1990–1992) und seit 2004 Abgeordnete im Europäischen Parlament am ZEI. Als erstes postkommunistisches Mitgliedsland hatte Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Peterle, den ich seit 15 Jahren kannte und ob seiner nüchternen Art sehr schätzte, setzte sich vehement für eine europäische Perspektive des Kosovo ein. Erst wenige Tage zuvor, am 17. Februar 2008 hatte das Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. In der Nacht vor Peterles Besuch bei mir in Bonn waren westliche Botschaften in Belgrad aus Protest gegen die Entscheidung des Kosovo von einem Mob in Brand gesetzt worden. Peterle meinte in seiner knorrig-ruhigen Art, die gegenwärtigen Emotionen in Belgrad seien wohl der letzte Akt der jugoslawischen Tragödie. Der Katholik erzählte, dass er nie antiserbische Gefühle gehabt habe. Die Loslösung von Jugoslawien hätten alle Teile des Kunststaates vollziehen sollen. Er habe damals nie verstanden, warum mancher im Westen, einschließlich Österreichs Außenminister Alois Mock, verständnislos gegenüber dem Wunsch nach Selbstbestimmung gewesen sei. Jugoslawien sei nicht zukunftsfähig gewesen. Einen

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Abb. 9.28   Im Parlament in Pristina. In der Mitte nachdenklich Vjosa Osmani, die spätere Staatspräsidentin des Kosovo (2011). (©Ludger Kühnhardt)

„Kulturkampf“ gebe es noch immer, wie er sagte. Peterle spielte damit auf die antikatholische Stimmung der europäischen Laizisten an – inklusive der morallosen ExKommunisten in seiner Heimat, von denen nicht wenige Bankiers geworden seien. Nach dem Abendessen mit meiner Familie und unseren Freunden Antje und Hubertus Graf Plettenberg, die Peterle seit ihren Jahren in Ljubljana zugetan waren, spielte er uns auf seiner immer mitgeführten Mundharmonika einige Volkslieder seiner Heimat vor. Erfreulich war die Aufnahme Kroatiens in die Europäische Union am 1. Juli 2013. Nur wenige Tage zuvor, am 24. Juni 2013, konnte ich die Vorzüge dieser Mitgliedschaft mit dem künftigen kroatischen Abgeordneten im Europäischen Parlament, Andrej Plenkovic, im Alten Rathaus von Bonn diskutieren. Plenkovic, der 2016 kroatischer Regierungschef werden sollte, stimmte mit mir überein, dass die Vollendung der Aussöhnung im ehemaligen Jugoslawien erst gelungen sei, wenn alle Nachfolgestaaten Mitglied der EU geworden sein werden. Ich freute mich über diesen europäischen Akzent in Bonn. Wenig später, am 25. Oktober 2013, wurde ebenfalls im Alten Rathaus von Bonn der ungarische Nationalfeiertag festlich begangen. Zum Absingen der ungarischen und der deutschen Nationalhymnen standen alle Gäste auf, Enikö und ich Hand in Hand. Ungarn präsentierte sich, wie ich zu sagen pflegte, gulaschdemokratisch: In der

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Abb. 9.29  Mit Bojan Zunic und Teodora Lađić, ZEI-Alumni, und der Ökonomin Gordana Durovic an der Wirtschaftsuniversität Podgorica (2018). (©Ludger Kühnhardt)

kommunistischen Zeit war in Bezug auf Ungarn immer von gulaschkommunistischen Zuständen die Rede, womit ausgedrückt werden sollte, dass alles nicht so schlimm sei, nicht so fundamentalistisch wie in anderen Staaten des Ostblocks. In Ungarn blieb immer noch Platz für nichtkommunistische Meinungen und Lebensweisen. Unter demokratischen Vorzeichen schien mir seit 1990 spiegelverkehrt eine gulaschdemokratische Wirklichkeit entstanden zu sein, weit weniger konsequent reformerisch, demokratisch und rechtsstaatssensibel, als es der Westen Europas vom Vorzeigeland Ungarn zu hoffen beanspruchte. Der letzte reformkommunistische Botschafter in Deutschland, István Horvath, hielt eine politisch korrekte Festrede. Ich stellte mich Horvath nach seinem Vortrag mit der scherzhaften Bemerkung vor, ich sei eine Fußnote in seinem Buch Die Sonne ging in Ungarn auf (Horvath 2000). Horvaths Nach-Nachfolger József Czukor, getreuer FideszMann und seit drei Jahren Botschafter Ungarns in Berlin, beklagte sich bei mir bitterlich über den Berliner Europa-Diskurs. Alle, die er dort aus der deutschen politischen Elite treffe, würden ständig sagen, Europa und der Euro seien alternativlos. Das stimme ja und auch er sei proeuropäisch. Aber so, wie dies in Berlin gesagt werde, sei es vereinnahmend, bremse das Denken und Reden aller anderen in der EU ab und sei fast verletzend. Ich hörte das Gras wachsen. In einem Interview mit der Belgrader Zeitung Vreme am 29. Mai 2014 verwies ich auf eben diese Unart eines größeren Landes, vor der

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sich Deutschland gegenüber seinen Nachbarstaaten ebenso hüten möge wie Serbien in seiner Umgebung. Es lag nahe, dass ich mit besonderer Regelmäßigkeit die Entwicklungen in Ungarn verfolgte. Csilla Erdödy Csorba, Direktorin des Petöfi-Literaturmuseums, und ihr Mann Gábor Erdödy, Historiker an der Eötvös-Lorand-Universität, waren über Jahrzehnte die engsten dortigen Freunde. Für Enikö und mich waren ihre Einschätzungen stets der beste Seismograph, um die Zwischentöne und Subtilitäten der ungarischen Entwicklung zu verstehen. Bei Vorträgen und Diskussionen in Ungarn schonte ich die Ungarn nicht mit Kritik, wo ich sie für nötig und angemessen befand. In Deutschland aber hieb ich nicht in die immer wieder und immer stärker geritzte ungarnkritische Kerbe. Eher erklärte und, wo nötig, verteidigte ich Ungarn. Das Land wurde seit 2010 von der Fidesz-Partei um Ministerpräsident Viktor Orbán regiert. Orbán erschien mir eine dialektische Antithese zu dem von ihm in jungen Jahren bekämpften Bolschewismus zu verkörpern. Er war verfangen in einem binären Denken, das noch als Nemesis des Totalitarismus an seinen Widersacher erinnerte. Das aber konnte nicht heißen, das ganze Land zu stigmatisieren, den regelgerechten Wahlsieg Orbáns in Zweifel zu ziehen und nicht länger zu differenzieren. Beim Deutsch-Ungarischen Forum am 19. September 2014 führte ich eine turbulente Diskussion mit Mónika Balatoni, der Staatssekretärin für Kulturdiplomatie (Kühnhardt 2022a, S. 650 ff.). Ich sagte ihr freimütig, der Begriff der „illiberale Demokratie“, den Ministerpräsident Viktor Orbán neuerdings postulierte, komme in meinem Begriffswörterbuch der Demokratietheorie leider nicht vor. Ich machte durchaus kritische Bemerkungen zum Thema Zivilgesellschaft, da die Frage nach der Selbstermächtigung und Rechenschaftspflichtigkeit von vielen Nichtregierungsorganisationen überall auf der Welt unklar geblieben war. Gesellschaft, so sagte ich, sei doch immer zivil und nicht das Gegenteil von militärisch. Die Tendenz nehme zu, dass Nichtregierungsorganisationen Interessen artikulieren, die gegen die bestehenden Machtverhältnisse und Strukturen ausgerichtet seien. Dies sei durchaus kein Sonderphänomen in Ungarn. Was aber illiberale Demokratie sei, verstünde ich nicht. Wir alle seien doch Unionsbürger und seit dem Vertrag von Maastricht gebe es kein Prinzip der Nichteinmischung oder Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten mehr in der EU. Wir wären gut beraten, bürgerschaftliche Diskurse europäisch zu denken und daher wechselseitig Kritik entspannt zu behandeln, sagte ich. Staatssekretärin Balatoni versprach, ihren Ministerpräsidenten bei Gelegenheit nach seiner genauen Deutung des Wortes zu fragen. Mein alter Freund Gergely Pröhle, Staatssekretär für Humanressourcen, eilte seiner Kollegin mit bissigen Worten der Verteidigung zur Hilfe. Zwei Jahre später wurde er selber Opfer von Orbáns Eigenmächtigkeiten. Mir war in diesen Jahren stets bewusst, dass jenseits der europäischen Ostgrenze tiefgreifende Spannungen über die Frage anhielten, ob die Gesellschaften zum sich wiedervereinigenden Europa gehören sollten oder weiter unter russischer Hegemonie leben müssten. Diese Spannungen waren weit dramatischer als die permanente westeuropäische Kritik an eigenwilligen Interpretationen von Recht und Zivilgesellschaft in Ungarn oder in Polen. Die dortigen nationalkonservativen politischen Strömungen

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Abb. 9.30  Identität und Weltfähigkeit. Sichtweisen aus einem unruhigen Europa (2020). (©Nomos Verlag)

deutete ich als Ausdruck einer Art „1968er Bewegung von rechts“. Sie waren nur verständlich in Antithese zur langen Herrschaft der kommunistischen Einparteiensysteme. Der Geist der härtesten Widersacher des Totalitarismus war ähnlich binär wie der ihrer einstigen totalitären Herrscher. Hinzu kam, dass in der mitteleuropäischen Zwischenzone Kulturnationen noch immer nach ihrer Identität suchten, während ihnen in Westeuropa eher gefestigte Staatsnationen begegneten. Ich war überzeugt, dass sich diese Tendenzen auf Dauer gleichsam natürlich aus den Gesellschaften Mitteleuropas herauswachsen würden. Viel gravierender aber schien mir immer die anhaltende Trennungsgrenze zwischen der euroatlantischen Zivilisation und der Zone unter russischer Hegemonie. Die machtpolitisch erzwungene Trennungslinie hatte sich indessen aus dem geteilten Deutschland an die polnisch-slowakisch-ungarisch-rumänisch-bulgarische Ost-

9.4  The Reunification of Europe (Kühnhardt 2009g) – Identität …

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Abb. 9.31  Mit meinem Kollegen Christian Koenig und Studierenden (Master Fellows) am Zentrum für Europäische Integrationsforschung in Bonn (2017). (©Ludger Kühnhardt)

grenze verschoben. Trostlose Begegnung des 21. mit dem 19. Jahrhundert: Nach dem illegitimen Referendum auf der Krim 2014, in Anwesenheit einschüchternder russischer Spezialmilizen, faktischer Okkupationssoldaten, bereitete Russlands Autokrat Wladimir Putin die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation für den 18. März 2014 vor. Hilflos und zukunftsverängstigt erlebte ich an genau diesem Tag einige junge Ukrainer bei einer Gesprächsrunde in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Sie waren naiv über die EU, wohlmeinend, aber schwach in Sachen Reform der Ukraine und vor allem sprachlos gegenüber Putins Aggression. Vom 12. bis 14. November 2014 lud mich mein Kollege, der Ökonom Ryszard Rapacki, zu Vorträgen über die Europäische Union und die neuen geopolitischen Herausforderungen an die „Warsaw School of Business“ ein (Kühnhardt 2022a, S. 586). Es gab keinen Moment, in dem meine polnischen Gastgeber und ihre Studierenden nicht mit mir an die dramatische Situation der anhaltenden blutigen Kämpfe in der Ostukraine dachten. Meine polnischen Gastgeber und ich fühlten uns miteinander verbunden. Wir waren Teil der euroatlantischen Zivilisation, durch Mitgliedschaft in EU und NATO abgesichert gegenüber imperialen russischen Ansprüchen. Innerhalb der EU konzentrierte sich der Streit um die Interpretation von Geschichte, Kultur und Identität auf die innenpolitischen Entwicklungen in Polen und Ungarn. Es kam den meisten westeuropäischen Beobachtern bereits merkwürdig vor, dass es noch immer Länder in der EU gab, in denen in freien Wahlen absolute Mehrheiten zustande kamen. Angesichts der fragmentierten gesellschaftlichen und politischen Realitäten vielerorts in Europa waren schon deswegen Polen und Ungarn des Misstrauens der

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Hüter des Zeitgeistes und der politischen Korrektheit sicher. Das war aus meiner Sicht keine Entschuldigung für offensichtlich problematische Rechtsinterpretationen in beiden Ländern. Nach den Aktionen eines dubiosen moralischen Unilateralismus, den die deutsche Regierung im August/September 2015 praktiziert hatte, folgten der zeitweilige Kontrollverlust bei der massiv eskalierenden illegalen Flüchtlingseinwanderung und langanhaltende, tiefgreifende Verstimmungen und Schuldzuweisungen zwischen den EU-Partnern. Vor allem auf Ungarn wurde in Deutschland herumgehackt. Zugleich aber wurde, was ich heuchlerisch fand, gerne klammheimlich Erleichterung darüber gezeigt, dass Ungarn die EU-Außengrenze gemäß den Verpflichtungen der europäischen Verträge zu schützen bereit war. Beim Deutsch-Ungarischen Forum am 13. November 2015 in Berlin war die Widersprüchlichkeit zwischen der allgemeinen öffentlichen Meinung in Deutschland und den Ansichten der anwesenden Ungarn und ihrer deutschen Freunde mit Händen greifbar. Vor 200 Teilnehmern dankte ich den Ungarn, dass sie in diesem chaotischen Sommer die europäischen Rechtsregeln eingehalten haben, auch wenn das in Deutschland üblicherweise so ganz anders gesehen werde. Ich war mir mit dem früheren deutschen Innenminister Hans-Peter Friedrich einig, dass die Linie, die Spanien über mehrere Jahre gegen die illegale Migration sowie die Vermischung von Flüchtlings- und Wirtschaftsmigration entwickelt und durchgesetzt hatte, eine im Prinzip richtige Blaupause sei, um eine gemeinsame europäische Antwort auf die anhaltende Flüchtlingsmigration zu finden. In Stichworten trug ich das zwar sukzessive entwickelte, am Ende aber kohärente Konzept vor, an dem mehrere spanische Regierungen hatten arbeiten müssen: rigider Schutz der eigenen Grenzen, um den Menschenschleppern das Handwerk zu legen. Kooperation mit dem Transitland Marokko zur Ertüchtigung des dortigen Grenzschutzes. Kooperation mit den Herkunftsländern der Migranten, wie etwa Senegal, um dort nachhaltige Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten zu schaffen. Legalisierung der nach Spanien gekommenen illegalen Migranten, um ihre soziale Integration gesellschaftsverträglich zu fördern. Der neue ungarische Botschafter in Deutschland, Péter Györkös, war mir seit den 1990er Jahren gut bekannt, als er Mitarbeiter meines Freundes, Botschafter Gábor Erdödy, war. Als Péter Györkös mich am 12. Dezember 2016 in Bonn aufsuchte, konnten wir herzhaft debattieren. Ich vernahm seine Klage, die Berliner politische Szene sei scheußlich selbstbezogen und weltvergessen, und teilte seine Sicht, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel durch ihre undurchdachte, zu spät einsetzende und im Ergebnis falsche Politik die Flüchtlingskrise zu einem Spaltpilz in die EU hatte werden lassen. Aber ich widersprach vehement, als Botschafter Györkös von den Illusionen des Maastricht-Vertrages sprach und meinte, Europa könne nur als Europa der Staaten und der Regierungen überleben. Ich gab nicht nach, in Westeuropa um Verständnis für die Weltsicht der Mitteleuropäer zu werben und in Mitteleuropa den Blick auf den „global turn“ und die Weltausgesetztheit der EU zu erklären. Ich leistete entsprechende Diskussionsbeiträge beim Karlspreis-Forum am 3. Mai 2016 in Aachen und hielt Vorträge bei der DeutschUngarischen Gesellschaft am 16. Juni 2016 in St. Augustin, im Europäischen Kultur-

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zentrum Plötz am 9. Mai 2016, an der Eötvös-Lorand-Universität Budapest am 22. September 2016 (Kühnhardt 2022a, S. 775 ff.) und im ungarischen Institut for Foreign Affairs and Trade am 7. März 2018 (Kühnhardt 2022a, S. 824). Der Budapester Zeitung Varsarnapi Hirek erläuterte ich in einem langen Interview meine Sicht auf die EU (Kühnhardt 2016a). Wie mühsam der Brückenbau innerhalb der EU geworden war, erfuhr ich selbst bei einer Diskussion mit Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz am 15. November 2018 in Berlin. Bischof Overbeck berichtete von den Schwierigkeiten unter den katholischen Bischöfen in der EU, im Rahmen der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) ein gemeinsames Wort zur anstehenden Wahl zum Europäischen Parlament 2019 zu formulieren, das ich angeregt hatte. Schuldzuweisungen und Selbstlähmungen aber konnten doch kein guter Ratgeber sein. Ich erinnerte an den sehr eindrucksvollen, immerhin von der COMECE 2017 im Vatikan 2017 initiierten Kongress „Rethinking Europe“ (Kühnhardt 2022a, S. 811 ff.). Ich versuchte, Bischof Overbeck davon zu überzeugen, die damalige Rede von Papst Franziskus als eine Art Prüfstein zu nehmen, um Brücken der Versöhnung wenigstens innerhalb des katholischen Episkopats in der EU zu bauen (Franziskus 2017). Mir schien der Vatikan unterdessen energischer für die Einheit Europas einzustehen als mancher nationale europäische Kirchenfürst. Das Thema ließ mich nicht los: 2023 publizierte ich ein ZEI Discussion Paper zum Thema „Die Päpste, Europas Einigung und ein zerrissener Kontinent“ (Kühnhardt 2023). Ich rekonstruierte anhand ihrer Ansprachen die Positionen der bislang sechs Päpste seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und identifizierte vier Phasen der päpstlichen Einstellung zur Einigung Europas, die ich an dieser Stelle im Telegrammstil wiedergebe: 1. Ringen mit totalitären Weltanschauungen: Religion als Seele Europas; 2. „Aggiornamento“: proaktiv gegenüber der Welt – kooperativ gegenüber dem Osten – defensiv gegenüber dem Westen; 3. das Europa der zwei Lungenflügel – die Überwindung der Teilung im Geist der Hoffnung; 4. defensiver Kampf gegen den Relativismus der Werte und ein Plädoyer, Europa neu zu denken. Voller Paradoxien war die päpstliche Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem vom Zweiten Vatikanischen Konzil angekündigten „Aggiornamento“ geblieben. Während in Fragen der Entwicklung und der Weltgemeinschaft der Vatikan Vorreiter einer proaktiven Ermöglichungsethik im Blick auf Anliegen des globalen Südens und der multilateralen, auf dem Völkerrecht basierenden Ordnung war, hinkte die Führung der katholischen Kirche bei gesellschaftlichen und vor allem sexuellen Fragen mit einer Verbotsethik hilflos hinter den Realitäten hinterher. Angesichts der Zerrissenheit der katholischen Kirche bei Fragen bezüglich ihrer inneren Reformen kulminierte die grassierende Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Fragen vor allem in westlichen Ländern zu einer massiven Glaubwürdigkeitskrise, spätestens seitdem das Schlagwort vom „Missbrauch“ sich jenseits der Fragen des individuellen Gewissens und der individuellen Schuld kirchlicher Amtsträger zu einer nicht mehr kontrollierbaren Sprechblase entwickelt hatte. Nur leicht ironisch stellte ich fest, dass die katholische Kirche von

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Abb. 9.32   Governance and Regulation. A Reader (herausgegeben mit Christian Koenig; 2017). (©Nomos Verlag)

Voraussetzungen lebt – Gott und seine Schöpfung –, die sie nicht einmal selber zerstören kann. Zugleich konstatierte ich, dass sich der Vatikan in Gestalt päpstlicher Ansprachen zwar an die realexistierende Europäische Union mit allen ihren Widersprüchen und Defiziten angenähert und irgendwie mit ihr arrangiert hatte. Hinsichtlich des Verhältnisses zur russisch-orthodoxen Kirche aber war der Vatikan wie im Kalten Krieg so auch in den nachfolgenden Jahrzehnten in Russland als gefährlicher Gegenspieler betrachtet worden. Trotz aller Vatikan-Diplomatie blieben jedem bisherigen Papst die Wege nach Moskau versperrt. Gelegentlich war die russisch-orthodoxe Kirchenleitung strikter als der Kreml, auch wenn zwischen beiden immer ein eigentümlich symbiotisches Verhält-

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nis bestanden hatte. Der kulturelle und religiöse Bruch zwischen der lateinischen und der russisch-orthodoxen Christenheit fand jedenfalls lange Zeit viel zu wenig Beachtung in der politischen Öffentlichkeit der EU. Dass sollte sich erst nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 ändern (siehe Abschn. 9.6). Kurz zuvor, 2020, hatte ich für die renommierte ungarische Zeitschrift Hungarian Review – und in litauischer Sprache in der litauischen Online-Zeitung „15 min.lt“ – die grundsätzlichen kultur- und geschichtspolitischen Probleme ausführlich eingeordnet, die in der erweiterten Europäischen Union weiterhin bestanden. 1989/1990 sei viel erreicht worden, wobei die Wurzeln der Erneuerung teilweise in die vorherige kommunistische Zeit zurückreichten. Ich listete die wichtigsten Erfolge der europäischen Freiheitsrevolution auf: Rechtsstaatlichkeit hatte der friedlichen Austragung von Konflikten einen legitimatorischen Rahmen gegeben. Die Wirtschaft hatte enorme Erfolge zu verzeichnen. Die meisten Staaten, die dies wünschen, hatten ihren Platz in der NATO und in der EU eingenommen. Aber die Gesellschaften Europas, so fuhr ich fort, seien noch längst nicht in ihren Verschiedenheiten miteinander versöhnt. Seit 1989/1990 hatten sich politische Loyalitäten vielfach gewandelt. Das Spektrum an politischen Mehrheiten in den postkommunistischen Ländern sei breit, spiegele aber auch ein neues Selbstbewusstsein wider. Westeuropa verstehe die mitteleuropäischen Empfindlichkeiten oft immer noch so schlecht wie zu der Zeit von Frankreichs Staatspräsidenten Jacques Chirac, der mit dem brutalen Satz zitiert worden war, die Neueuropäer sollten erst einmal den Mund halten wie kleine Kinder. Europäische Identität in den Kulturnationen Mitteleuropas hieß und heißt weiterhin: wieder sich selbst sein. In Mittel- und Südosteuropa wirkten immer noch, so analysierte ich, Instinkte einer Suche nach dem dritten Weg nach, nach Abgrenzungen gegenüber dem Westen wie dem Osten. Dies sei auch die Folge dessen, was der ungarische Historiker István Bibó schon in den 1940er Jahren die „Misere der osteuropäischen Kleinstaaterei“ genannt hatte (Bibó (1946) 2014). Auch in den Volkswirtschaften würden diese Phänomene inmitten aller Transformationen zur Marktwirtschaft nachwirken. Ich erwähnte eine neueste Studie meines polnischen Ökonomie-Kollegen Ryszard Rapacki, der von „pachtwork capitalism“ sprach (Rapacki 2019). Ich fragte selbstkritisch in die gesamte EU hinein, warum es bis heute kein gemeinsames europäisches Freiheitsdenkmal gebe? Ein solches Denkmal müsste aber auch erklären, dass Freiheit nicht immer für alle Europäer das Gleiche bedeutet hat. Deutschland uneingeschränkt zum westeuropäischen Denkraum zu rechnen, sei übrigens auch ein recht junges Phänomen. In der westlichen, auf die Französische Revolution zurückgehenden Tradition wird Freiheit immer zuerst als individuelle Freiheit und Selbstbestimmung verstanden. In den Kulturnationen Mitteleuropas aber wird Freiheit seit zwei Jahrhunderten eher als kollektive, nationale Freiheit empfunden. Daher sei dort auch der Dreiklang „Familie, Kirche, Volk“ stark. Freiheit und Patriotismus, manchmal auch konservativer Nationalismus, seien noch immer weitverbreitet, während diese Denkansätze in westeuropäischen Diskursen eher verpönt seien. Ich plädierte dafür, mit Geduld aber auch Tiefgang der Diskussion an neuen gemeinsamen Fundamenten für das Werteverständnis in der EU zu arbeiten.

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Die Frage der Einwanderung und damit der Kontrolle über die Zusammensetzung der eigenen Bevölkerung blieb in den 2020er Jahren das am stärksten emotionalisierte und kontroverse Thema in der EU. Aus den geistig-historischen und den sozioökonomischen Voraussetzungsunterschieden, so schrieb ich 2020, seien auch pragmatische Dissonanzen zwischen unterschiedlichen europäischen Gesellschaften erwachsen. In Westeuropa werde bei Migrationsfragen rasch über Fachkräftemangel gesprochen. Noch immer werde Flüchtlingsmigration mit Arbeitsmigration verwechselt. In Mitteleuropa werde beim Thema Migration in erster Linie Abwanderung gedacht, vor allem der besten jungen Menschen, die zu Hause keinen Arbeitsplatz hatten finden können. Ich erwähnte einige deutliche Zahlen: 40 % der EU-Binnenmigration betraf Polen, Ungarn, Kroatien, Bulgarien und Rumänien. In Lettland lebten unterdessen 27 % weniger Menschen als 1991. 15 % aller Rumänen arbeiteten im Ausland. Die Probleme, die mit diesen Umständen für die betreffenden Länder verbunden sind, seien in den westeuropäischen Diskussionen über Migrations- und Flüchtlingsfragen noch gar nicht angekommen. Daher werde die Frage nach dem European Way wichtig bleiben, den die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 zu einer ihrer Arbeitsprioritäten erklärt hatte. Man werde, so schloss ich meinen Aufsatz, in Westeuropa zur Kenntnis nehmen müssen, dass in Mittel- und Südosteuropa unterschiedliche Prägungen und Erfahrungen bestehen, die Folgen für das Verständnis von Staatsangehörigkeit, Multikulturalismus und zeitgenössische Kultur- und Sexualtheorien haben. Ohne dieses Verständnis für die Unterschiede werde Europa, unabhängig von der politisch geteilten Mitgliedschaft in der EU, gesellschaftlich und kulturell kaum zusammenfinden. Ich gab meinem Essay den Titel „Before and After“ (Kühnhardt 2020a, S. 49 ff.). Mich bedrückte ganz besonders, dass und wie die Länder des westlichen Balkans in ihrer Europaperspektive von der EU seit 2003 immer wieder nur vertröstet wurden. Längst war die Gefahr strategischer Wegorientierungen in diesem weichen Unterleib der EU groß geworden. Russland und China dehnten ihren Einfluss aus. Die EU aber blieb im Modus extremster Zögerlichkeit, aus allgemeinen Europaperspektiven eine konkrete Mitgliedschaft werden zu lassen. Exzellente Masterstudenten am Zentrum für Europäische Integrationsforschung aus der Region, die nach ihrem Studium in Bonn beachtliche Beiträge zur Europäisierung und Westbindung ihrer Heimatländer leisteten – wie etwa Marko Vujacic, Vladimir Pavicevic und Nikola Zivkovic, Tomislav Belovari und Glori Husi, Julia Vitanova und Marina Bulatovic –, bestärkten mich immer wieder: Europa würde unvollständig bleiben, ohne alle Völker und Staaten des ehemaligen Jugoslawiens und Albaniens aufgenommen zu haben. Mehr noch: Es wäre ein eklatantes strategisches Versäumnis, ein geopolitisches Vakuum in dieser volatilen Region Europas bestehen zu lassen. Wo immer ich konnte, argumentierte ich zugunsten dieser Sichtweise. Bei Vorträgen und Begegnungen in der Region drängte ich gleichzeitig immer wieder auf Reformen. Aus Selbstachtung solle der europäische Weg gegangen werden, nicht um irgendjemandem in der EU zu gefallen. Am 19. November 2011 trug ich in der Universität Pristina diese Linie in einer öffentlichen Diskussion mit dem stellvertretenden Minister für Europäische Integration, Gezim Kasapolli, und dem Vorsitzenden

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des Parlamentskomitees für die Europäische Integration, Lutfi Haziri, vor (Kühnhardt 2022a, S. 553 ff.). Im Parlament diskutierte ich am gleichen Tag mit Vertretern aller Parteien des Kosovo. Besonders beeindruckt war ich von Alma Lama von der Bürgerbewegung „Vetevendosje“ und von Vjosa Osmani von der Demokratischen Liga des Kosovo. 2019 wurde Vjosa Osmani „Frau des Jahres“ in ihrem Land und, wenig überraschend, 2021 Staatspräsidentin der Republik Kosovo. Aber noch immer weigerten sich vier EU-Mitgliedsstaaten, Kosovos Staatlichkeit anzuerkennen. Die Schatten des Krieges verschwanden nur langsam am Horizont. Mein Werben für die volle Aufnahme aller Länder des sogenannten westlichen Balkans in die EU endete zu keinem Zeitpunkt. Immer wieder aktualisierte ich meine Eindrücke in der Region, so beispielsweise bei einem weiteren Aufenthalt in Serbien 2011 im Zusammenhang mit der Stärkung von dortigen Europa-Studien (Kühnhardt 2022a, S. 546 f.) oder bei Vorträgen in Montenegro am 19. November 2018 auf Einladung der dortigen Pan-Europa-Union und der Wirtschaftsuniversität (Kühnhardt 2022a, S. 847f.) und, zuvor schon am 4. Juni 2018, meinem 60. Geburtstag, in Griechenland. In Korinth war die University of the Peloponnese, erstaunlicherweise in Zusammenarbeit mit dem National Centre for Research on Europe der Canterbury University in Christchurch (Neuseeland), glücklicherweise Advokat der europäischen Integration aller Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens geblieben (Kühnhardt 2020b, S. 223 ff.; Kühnhardt 2022a, S. 829 f.). Bei der Final Ceremony des ZEI Master of European Studies 2019 bat ich sechs imponierende Alumni unseres Instituts zur Diskussion nach Bonn: Ksenija Milenković war unterdessen stellvertretende Europaministerin von Serbien, Denis Preshova Juraprofessor in Skopje, Ermir Hajdini Cybersecurity-Experte in der albanischen Regierung, Flandra Syla Doktorandin mit einem Thema über ihre Heimat Kosovo, Teodora Lađić eine der Führungspersönlichkeiten der Pan-EuropaUnion Montenegro und Nikola Jokić arbeitete im Justizministerium von Bosnien-Herzegowina. Ich empfand es als Verrat an diesen Menschen und ihrer Generation, ihre Heimatländer weiterhin vor der Tür Europas zu lassen. Was wäre aus Deutschland nach 1945 geworden, hätten die Sieger darauf gewartet, dass der letzte Mitläufer der Nationalsozialisten verstorben war, ehe sie den Deutschen die Hand zur Versöhnung und Erneuerung gereicht hätten? Im ehemaligen Jugoslawien, dieser merkwürdigerweise als Westbalkan bezeichneten Zone, war die moralische Selbstreinigung Europas noch immer unvollständig. Der Begriff „westlicher Balkan“ erschien mir hochgradig künstlich. Noch schlimmer war der Verrat an der Jugend dieser Region, die sich in nichts von den jugendlichen EU-Bürgerinnen und Bürgern unterschieden – außer dass sie aufgrund von Misstrauen und Ängstlichkeiten innerhalb der EU noch immer nicht zum wiedervereinigten Europa gehören durften. Bei diesem leidvollen Thema trafen Identitätsprobleme und mangelnde Weltfähigkeit der EU ungebrochen aufeinander und verstärkten sich gegenseitig. Die Sammlung meiner Aufsätze aus den 2010er Jahren hätte ich auch dem westlichen Balkan widmen können. Sie trug den Titel Identität und Weltfähigkeit (Kühnhardt 2020c).

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9.5  Governance and Regulation (Koenig und Kühnhardt 2017) – Transdisciplinary Research and Education: Das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020) Das 25-jährige Bestehen des Zentrums für Europäische Integrationsforschung hätten wir im Jahr 2020 gerne mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gefeiert. Allein, Corona war der Souverän, dem sich seinerzeit alles und alle unterwerfen mussten. Die Feier konnte nicht stattfinden. Umso wertvoller war die systematische und ausgiebige Darstellung der Arbeit des Zentrums für Europäische Integrationsforschung, die Aiveen Donnelly, Absolventin der Master Class von 2016, und Sally Brammer, Absolventin der Master Class von 2012, zusammengestellt hatten. Im Vorwort erinnerten mein Kollege Christian Koenig und ich daran, dass der unterdessen erreichte Grad an europäischer Integration ein Vierteljahrhundert zuvor undenkbar gewesen wäre (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020, S. 5). Der Vertrag von Maastricht hatte ab 1993 Europa wirklich in ganz neue Dimensionen der Zusammenarbeit und der Einigung geführt. Die EU war ein Alltagsbegriff geworden und europäische Innenpolitik war ein Dauerthema für Akteure, Medien und wissenschaftliche Beobachter. Auch die Universität Bonn hatte in jenen Jahren akademisches Neuland betreten. Mit der Gründung des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) war eine interdisziplinäre Forschungs-, Beratungs- und Weiterbildungsinstitution geschaffen worden, die in mancherlei Hinsicht ein beispielloser Vorreiter für universitäre Entwicklungen wurde. Das Zusammenwirken von Politikwissenschaftlern, Rechtswissenschaftlern und Ökonomen sowie Geisteswissenschaftlern verschiedener Disziplinen war damals ein Novum. Erst später sprach man von Clusterbildung. Die Verschachtelung von Forschung, Beratung und Weiterbildung war ebenfalls Neuland im deutschen akademischen Kontext. 25 Jahre später war das ZEI ein erfolgreicher Begriff, der weltweit für transdisziplinäre Forschung und Lehre im Feld der regionalen Integration stand. Zum 200-jährigen Jubiläum der Universität Bonn 2018 wurde ich um einen eigenständigen Beitrag über das ZEI für die offizielle Universitätsgeschichte gebeten (Kühnhardt 2018c, S. 656 ff.). 25 erfolgreiche Jahre wissenschaftlicher Tätigkeit sind für ein interdisziplinär angelegtes Forschungsinstitut in der Schlangengrube universitären Neids und permanent wechselnder akademischer Reformmoden schon eine beachtliche Zeit. Christian Koenig und ich haben auf der Basis unserer jederzeit vertrauensvollen Zusammenarbeit den Fokus entwickelt und verfeinert, der seit etwa 2005 das allgemein anerkannte Profil des ZEI definiert: Governance und Regulation. Das Wechselspiel von Regieren und Regularien markiert die beiden wichtigsten Eckpunkte zum Verständnis der Europäischen Union. Bei einem Workshop des Rektors unserer Universität mit israelischen Kollegen der Lauder School of Government, Diplomacy and Strategy des Interdisciplinary Center Herzliya erläuterte ich am 6. Juni 2017 das Konzept von Governance, das wir unserer Arbeit zugrunde legten. Good Governance sei ein Allerweltswort geworden mit der Hauptstoßrichtung, Machtfragen zu neutralisieren. Gleichwohl bleibe Max Webers Diktum vom Gewaltmonopol des Staates konstitutiv für die

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Abb. 9.33   Mit dem langjährigen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, dem ersten Vorsitzenden des Internationalen Beirats des ZEI (2001). (©Ludger Kühnhardt)

moderne Form rechtskonformen Regierens. Politische Wissenschaft müsse sich daher wieder um Begriffsklärungen bemühen. Recht, Souveränität, Gewalt und Regieren gehören dazu. Für die EU blieb die Frage ungeklärt, wie vom Regieren zu einer Regierung gefunden werden kann. Es gebe immer nur verballhornte Versionen, wie den Begriff Economic Governance. Die politische Wissenschaft habe längst, auch mit den Ansätzen von Multi-Level Governance, die Governance-Natur der EU bestätigt. Solange es keine Regierung der EU gebe, müsse Regieren indirekt analysiert und beurteilt werden. Dabei helfe die regulatorische Macht, die die EU im Bereich der Umsetzung der politischen Beschlüsse über den Binnenmarkt erworben habe. Christian Koenig sprach in einer brillanten Studie von The Art of Regulation (Koenig und Wendland 2017). Er vermittelte sehr überzeugend die regulatorischen Aktivitäten in der EU als Beiträge zur Zerschlagung freiheitseinschränkender und wettbewerbsverzerrender Monopole. Binnenmarkt und Wettbewerbsrecht hatten zur Einrichtung nationaler regulatorischer Agenturen geführt, gestützt durch die permanente Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Koenig und ich führten unsere jeweilige Sicht auf das Regieren und das Regulieren in der EU gedanklich zusammen und übersetzten sie zugleich in den Syllabus eines der erfolgreichsten internationalen Studienprogramme im Bereich der European Studies. Die Dozenten des Studiengangs brachten wir 2017 in einer gemeinsamen Publikation zusammen. Unser Reader Governance and Regulation reflektierte die unterschiedlichen Zugänge und Folgerungen aus Sicht diverser Fachdisziplinen und Praxisrichtungen (Koenig und Kühnhardt 2017). Die Autoren und ihre Themen spiegelten die Bandbreite der Forschungsansätze und Lernziele am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI):

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Part One: Governance in the European Union Ludger Kühnhardt: The Proto-Constitutional Establishment of European Domestic Policy (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 13 ff.) Henri de Waele (Radboud-Universität Nijmegen): Law of the European Union: Institutions and Procedures (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 27 ff.) Volker Nitsch (Technische Universität Darmstadt)/Harald Badinger: National Representation in Supranational Institutions: The Case of the European Central Bank (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 59 ff.) Neill Nugent (Manchester University): Enlargements and their Impact on EU Governance and Decision-Making (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 99 ff.) Dirk Rochtus (Katholische Universität Löwen): European Hesitation: Turkish Nationalism on the Rise? (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 121 ff.) Wolfram Kaiser (University of Portsmouth): Limits of Cultural Engineering (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 129 ff.) Stephen Calleya (University of Malta): Mapping out a Euro-Mediterranean Strategy (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 153 ff.) Stefan Fröhlich (Universität Nürnberg/Erlangen): Transatlantic Leadership in a Multipolar World (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 177 ff.) René A. Pfromm (Pfromm Negotiations): International Negotiations: The Foundations (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 195 ff.) Part Two: Regulation in the European Union Christian Koenig/Bernhard von Wendland (Europäische Kommission): The Art of Regulation & The Ethics of Competition and State Aid (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 215 ff.) Richard Crowe (wissenschaftliche Dienste der Europäischen Union): The Role of the European Council in the European Union’s Institutional Framework (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 219 ff.) Klaus-Jörg Heynen (Bundesministerium für Landwirtschaft): Frustration or Success: How to negotiate EU Law (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 235 ff.) Robert Klotz (Sheppard Mullin Richter & Hampton LLP): Cartels and Restrictive Agreements in the Liberalized Telecommunication Sector (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 255 ff.) Kristina Schreiber (Loschelder Rechtsanwälte): Regulating the Railway: Innovative and Competitive Railways in Europe (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 271 ff.) Alexander Gee (Europäische Kommission): Competition in the Water Sector (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 281 ff.) Ryszard Rapacki/Piotr Maszczyk (Warsaw School of Business): Emerging Varieties of Capitalism in the EU New Member Countries of East Central Europe (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 289 ff.) Andras Inotai (Institut für Weltwirtschaft Budapest): Economic Security – Key Challenge of the 21st Century (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 305 ff.) Daniel Tarschys (Universität Uppsala): Policies for Coherence and Structural Change (Koenig und Kühnhardt 2017, S. 313 ff.)

In einer Rezension des Readers im „Portal für Politikwissenschaft“ (4. Januar 2018) verwies Max Lüggert darauf, dass nicht alles, was die EU betrifft, auf Fragen von Identität und Souveränität reduziert werden dürfe. Es gelte über Disziplingrenzen hinweg zu verstehen, wie stark die Bedeutung des regulatorischen Regierens in der EU sei. Er bekräftigte meine Einschätzung, dass sich Deutschland und die EU ein Stück weit ent-

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Abb. 9.34   Begrüßung von europäischen Nachbarn: mit Leo Tindemans, ehemaliger belgischer Ministerpräsident, am ZEI in Bonn (1999). (©Ludger Kühnhardt)

fremdet hatten und deutsche Alleingänge häufiger geworden seien. Lüggert verwies auf die unterschiedlichen Ansätze der Buchbeiträge und nannte explizit einige der Themen, um die dahinterstehende Logik zu verdeutlichen. „Schon die hier vorgestellte Auswahl beleuchtet, dass der Sammelband ein besonders breites thematisches Spektrum abdeckt. Angesichts des vielseitigen Einflusses der EU auf Politik und Regulierung ist diese thematische Breite durchaus angemessen.“ Und schließlich bilanzierte Lüggert: „Für Lehrende und Studierende ist der Sammelband eine empfehlenswerte Quelle, die als Ausgangspunkt für weitere Recherchen dienen kann“ (Lüggert 2018). Immer wieder erweiterterten und erneuerten wir den Kreis der Dozentinnen und Dozenten: So kamen Simona Beretta, Katholische Universität Mailand, Daiva Dumciuviene, Universität Kaunas, Johanna Engström, Europäische Kommission, Lukas Ernst, Uniper Legal Council, Peter van Ham, Clingendael Institute, Christine Neuhold, Maastricht-Universität, Sara Balestri, Katholische Universität Mailand, Natascha Zaun, London School of Economics, und Malgorzata Znoykowicz-Wierzbicka, Warsaw School of Business, sowie unser französischer Alumni („Class of 2003“) Tristan Suffys, Eurogypsum Generalsekretär, dazu. Das besonders originäre Career Development Program des Studiengangs wurde kontinuierlich durchgeführt von Zlatko Bodrožić, Leeds University, Bettina Hegmann, Hegmann Training und Coaching, und Ulrike Seibel, Auswärtiges Amt. Nach dem Bundestagsbeschluss vom 20. Juli 1991, den Regierungssitz von Bonn nach Berlin zu verlagern, legte der Bonn-Berlin-Vertrag vom 29. Juni 1994 fest, ein

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Abb. 9.35  Mit Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, am Zentrum für Europäische Integrationsforschung in Bonn (1999). (©Ludger Kühnhardt)

„Zentrum für Europäische Integrationsforschung“ (ZEI) sowie ein „Zentrum für Entwicklungsforschung“ (ZEF) als zentrale wissenschaftliche Einrichtungen der Universität Bonn zu errichten. Am 4. Mai 1995 beschloss der Senat der Universität Bonn die Einrichtung beider Zentren, die einstweilen als Arbeitsgemeinschaft „Internationales Wissenschaftsforum Bonn (IWB)“ zusammenarbeiten sollten. Als Aufgabenbereiche wurden in dem Senatspapier aufgeführt: grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung, Ausbildung und Weiterbildung im Bereich der „advanced education“ und Transfer von Kompetenz und Wissen. „An der Schnittstelle von Theorie und Praxis“ solle das ZEI tätig werden, „erarbeitet Konzepte, Hypothesen und Modell“ und praktiziert eine „konsequente Öffnung nach außen, durch Einbezug von Gastwissenschaftlern, sowie durch enge Kooperation mit außeruniversitären Institutionen der Integrationsforschung, der Integrationspraxis und der Europäischen Union.“ Die drei Arbeitsfelder „politische, rechtliche und institutionelle Fragen, wirtschaftliche und soziale Fragen, sowie Europäische Wertesysteme, Kulturen und Sprachen“ waren so breit als nur möglich formuliert. Die modischen Begriffe hießen damals Internationalität und Interdisziplinarität. Ausdrücklich war im Konzept von der „Öffnung zur außereuropäischen Welt“ als eine „politische Gestaltungsaufgabe der Europäischen Union“ gesprochen worden.

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Als ich am 1. Oktober 1997 das von der Universität Bonn für ZEI und ZEF erworbene Gebäude im damaligen Regierungsviertel betrat, fand ich zwei leere Räume im dritten Stock vor, einen für mich und einen für meine künftigen Mitarbeiter. Das Haus war noch immer vom Bundesverband für das Versicherungswesen und von Abgeordneten des Deutschen Bundestages genutzt. Der bereits als Geschäftsführer des ZEI etablierte Hartmut Ihne hatte für unser kleines Aufbauteam erste Möbel bestellt, Computer und Schreibutensilien. Mit der Französin Chantal Pirang hatte ich eine erfahrene und tüchtige Sekretärin eingestellt. Aus Freiburg hatte ich einige Mitarbeiter rheinaufwärts mitgenommen. Am Tag der Deutschen Einheit 1997 setzten wir uns bei uns zu Hause zu einem ersten achtstündigen Planungsgespräch zusammen: Chantal Pirang, Frank Ronge, Peter Wittschorek, Matthias Pape, Susanne Baier-Allen und Andreas Beierwaltes, der am Ende des Tages ein später geflügeltes Wort ins Gästebuch schrieb: „ZEI fängt an, wo andere aufhören.“ In der ersten Zeit wurde die gesamte Infrastruktur eines Forschungsinstituts gezimmert: Briefpapier, ein Logo, Adressverteiler, ein Newsletter, eine Schriftenreihe und eine Reihe von kürzeren ZEI Discussion Papers, vor allem aber ein multidimensionales und mehrjähriges Forschungs- und Arbeitsprogramm. In Bonn absolvierte ich nebenbei eine endlos lange Serie von Antrittsbesuchen, um das im Aufbau befindliche Institut zu präsentieren, solange die mit den Hauptstadtaufgaben verbundene Gesellschaft noch am Ort war: Ich traf Politiker, Diplomaten, Spitzenbeamte und Journalisten, dazu natürlich alle, die für unsere Vernetzung in der Stadt und der Universität wichtig waren.5 Es war ein gutes Gefühl, am 21. Oktober 1997 bei der feier5 Dazu

gehörten neben vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Universität Bonn, von denen Matthias Herdegen hervorzuheben ist, Forschungsminister Jürgen Rüttgers, NRW-Ministerpräsident Johannes Rau und seine Wissenschaftsministerin Anke Brunn, József Czukor, Ungarische Botschaft, Jonathan Carr, The Economist, Günter Verheugen, SPD-Bundestagsabgeordneter, und Karl Lamers, CDU-Bundestagsabgeordneter, Wilhelm Schönfelder, Leiter der Europaabteilung im Auswärtigen Amt, der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Hans-Friedrich von Ploetz, der Leiter des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes, Harald Kindermann, und der Mitarbeiter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Auswärtige Angelegenheiten, Ulrich Schlie, Polens Botschafter Andrzej Byrt, Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, Andrew Nagorski, „Newsweek“-Korrespondent, Christian Bode, Generalsekretär des DAAD, Manfred Osten, Generalsekretär der Humboldt-Stiftung, Friedhelm Hilterhaus und Wolfgang Bruncken, Hanns Martin Schleyer-Stiftung, Michael Stübgen (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Europa-Ausschusses des Bundestages, und Markus Meckel (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Günter Müchler, Deutschlandfunk, Werner Ungerer, ehemaliger Rektor College d’Europe, Gernot Fritz, Bundespräsidialamt, Klaus Freiherr von der Ropp, Stiftung Wissenschaft und Politik, Klaus Reichelt, Bundeszentrale für Politische Bildung, Renate Mayntz, Max Planck Institut für Gesellschaftsforschung, Barbara Ischinger, Generalsekretärin der Fulbright Commission. Bei meinen ersten der vielen regelmäßigen Besuchen in Brüssel traf ich Anfang 1998 Peter Ludlow, Gründungsdirektor des Centre for European Policy Studies, Dietrich von Kyaw, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei der EU, Nikolaus van der Pas, Chefunterhändler für Erweiterungsfragen, Helmut Steinel und Jérôme Vignon, die beiden Leiter der Planungsabteilung in der Europäischen Kommission. So entwickelte ich ein immer größer werdendes und dicht gespanntes Netzwerk, das mir half, die unterschiedlichen Perspektiven von Wissenschaft und Politik, Diplomatie, Beratung und Medien in immer europäischerer Perspektive zu verstehen.

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Abb. 9.36   Theorie und Praxis im Gespräch: mit Michaele Schreyer, Mitglied der Europäischen Kommission von 1999 bis 2004, und Tabea Leibbrand, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZEI (2009). (©Ludger Kühnhardt)

lichen Eröffnung des akademischen Jahres neben Karl Dietrich Bracher und Hans-Peter Schwarz in der Aula der Bonner Universität zu sitzen und anschließend viele alte und neue Kollegen zu begrüßen, vorneweg Altrektor Max Huber. Zu Jahresbeginn 1997 hatte Huber mich überzeugt, dass der Aufbau des ZEI eine lohnenswerte Aufgabe sei, um noch einmal zurück nach Bonn zu kommen. Staatssekretär Hans-Friedrich von Ploetz schilderte mir im November den Bedarf des Auswärtigen Amtes an europakompetentem Nachwuchs. Das wäre doch eine Aufgabe für das ZEI im Bereich der Weiterbildung, forderte er mich heraus. Ich entwickelte mit ihm und seinem Büroleiter Christoph Heusgen, später Sicherheitsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, deutscher Botschafter bei der UNO und Präsident der Münchner Sicherheitskonferenz, Eckpunkte für einen praxistauglichen Masterstudiengang. Ein Ausbildungsprogramm zu konzipieren, gehörte natürlich zu meinen Aufgaben, aber dass es dann sehr rasch gehen würde, war angesichts des üblichen Tempos an einer Universität eigentlich kaum zu glauben. Im Januar 1998 bat ich um ein Gespräch beim Rektor mit allen für die entsprechenden formalen Beschlüsse in der Universität relevanten Personen, zu dem ich Staatssekretär von Ploetz mitbrachte. Als ihm gleich zu Beginn des Gesprächs von der Universitätsbank gesagt wurde, dass die Idee zwar gut sei, aber wohl zwei, drei Jahre bis zu ihrer Realisierung nötig seien, erwiderte er, ein bisschen mehr Ehrgeiz hätte er doch erhofft. Nun konnte ich in das Gespräch eingreifen und mitteilen, dass, wenn die erforderlichen Bewilligungen seitens der Universität und des Landes zügig gegeben würden, wir im ZEI sofort im nächsten Studienjahr 1998/1999 mit einem Master of European Studies beginnen könnten. Selbstverständlich in englischer Sprache. Keiner auf der Universitätsbank wagte mir zu widersprechen. Nach 20 Minuten konnte Staatssekretär von Ploetz gehen. Das Gespräch war beendet,

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kurz und wirkungsvoll. Am 24. Juni 1998 rief mich der Rektor der Universität, Klaus Borchard, mit der Mitteilung an, auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen habe unter Zurückstellung aller sozialdemokratischen Grundsätze die Genehmigung erteilt, einen weiterbildenden Masterstudiengang in European Studies zu beginnen, finanziert durch Studiengebühren und unterrichtet durch eine aus allen Richtungen der EU rekrutierte fliegenden Fakultät. Am 1. Oktober 1998 startete das einjährige Programm und wurde ohne Unterbrechung eines der erfolgreichsten internationalen Studienprogramme seiner Art in Europa. Zum zehnjährigen Bestehen des Programms würdigte der EU Kommissar für Erziehung und Kultur, Jan Figel, 2008 den Studiengang: „This is a prime example of a university course in tune with the demands of the labour market, an orientation that the European Commission wants to encourage, as European education and training confirms its relevance to the wider world around us. ZEI is paving the way towards a new rationale in matters of European education.“ Mein früherer Chef, Bundespräsident Richard von Weizsäcker, schrieb mir am 24. Juni 2008 freundlich: „Sie selbst und Ihr Zentrum für Europäische Integrationsforschung bieten ein beeindruckendes Beispiel für die so notwendige akademische Reflexion über die europäische Integration und ihre geopolitischen Auswirkungen.“ Meine Kollegen und ich sahen unsere Arbeit als Labor an, das sich der Aufgabe verschrieben hatte, das wissenschaftliche Arbeiten zu europäisieren. Zum 20-jährigen Bestehen 2018 kehrten über 100 Alumni aus allen Kontinenten nach Bonn zurück, um das Programm zu feiern und sich gegenseitig über ihre gelungenen Karrierewege auszutauschen. Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, gratulierte überschwänglich. Die erste Phase meiner Tätigkeit am ZEI stand unter dem Eindruck des Bonn-BerlinGesetzes und der damit verbundenen Erwartungen, Bonn als Wissenschaftsstandort auszubauen. ZEI war ein wichtiger Baustein dieser Strategie von Bundes- und Landesregierung. Ministerpräsident Wolfgang Clement zog mich am 6. Mai 1999 nach einem Vortrag am ZEI zur Seite. Das Land Nordrhein-Westfalen müsse seine Präsenz in Brüssel ausbauen. Er hoffe, dass das ZEI dabei mitwirken könne. Immer mehr wurde mir klar, dass meine neue Hauptstadt Brüssel geworden war. Fast jeden Monat hielt ich mich damals dort zu Gesprächen auf. So baute ich im Laufe der Jahre ein immer größeres Netzwerk von Kontakten auf. Wir führten manche Veranstaltung in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen durch. Zunehmend fanden Alumni des ZEI Master of European Studies oder ehemalige Wissenschaftler des ZEI eine wichtige berufliche Verwendung in den Institutionen der EU oder bei Verbänden und Medien in Brüssel, aber auch beim Europäischen Gerichtshof und bei der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg sowie bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Mit meinen Direktoren-Kollegen Jürgen von Hagen (bis 2005) und Christian Koenig entwickelte ich die gemeinsame Basis für ein nach außen kohärent in Erscheinung tretendes Institut. Das war nicht immer reibungslos. Wir drei waren in ganz unterschiedlichen Fachdisziplinen sozialisiert und von unterschiedlichem Temperament. Die Universität hatte uns aufgrund unserer genuinen Fachkompetenzen berufen, ohne auch

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nur einen Augenblick darauf zu verwenden, dass ein über die Fachdisziplinen hinausgehender und multiperspektivischer Institutsansatz auch einen gemeinsamen Nenner der Beteiligten benötigt. Wir erlebten ein außergewöhnliches Learning by Doing, ein Prozess, den wir mit Geduld und Weitsicht immer wieder durch neue Herausforderungen hindurch meisterten. Neben dem Aufbau des ZEI stand die Abstimmung mit den Kollegen Joachim von Braun, Paul Vlek und Andreas Wimmer im Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF), mit denen wir zunächst über eine gemeinsame Geschäftsführung formal als „Internationales Wissenschaftsforum Bonn“ zusammengeschlossen waren und das gleiche Gebäude mit seiner hervorragenden Infrastruktur teilten. Experimente auf allen Ebenen bestimmten den Alltag. Nie war so viel Neubeginn. In der ersten Phase organisierten wir die Forschung in sieben Forschungsgruppen: Forschungsgruppe Institutionen und Institutionenentwicklung (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010, S. 29 ff.) Forschungsgruppe Europäische Mikrostrukturen, Regulierungs- und Wettbewerbspolitik (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010, S. 49 ff.) Forschungsgruppe Makroökonomische Politik und Institutionen in Europa (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010, S. 79 ff.) Forschungsgruppe Europäische Arbeitsmärkte und Systeme der sozialen Sicherung (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010, S. 105 ff.) Forschungsgruppe Erweiterung der Europäischen Union (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010, S. 111 ff.) Forschungsgruppe Europas Rolle in der Welt (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010, S. 129 ff.) Forschungsgruppe Identität und Dialog der Kulturen (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010, S. 145 ff.)

Zu allen Einzelheiten hinsichtlich von Forschungsmethodik und -systematik sowie unserer bisherigen Forschungserträge konnten wir 2010 eine erste Zwischenbilanz vorlegen. Alle bisherigen Veröffentlichungen und Forschungsergebnisse wurden dem Büchlein zudem als CD beigelegt – wieder einmal kündigte sich ein neues Medienzeitalter an (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2010). Wir hatten eine große Fachbibliothek aufgebaut und führten kontinuierlich Workshops, Konferenzen, Vorträge und Seminare in dem mit hervorragender Infrastruktur ausgestatteten Gebäude durch. Mein größter Triumph war es, die Universitätsverwaltung davon zu überzeugen, uns die Kantine zu belassen, die wir von den Vorbesitzern des vorzüglichen Gebäudes „geerbt“ hatten. Das schien manchem ein zu exklusives Privileg zu sein. Über die Jahre blieb die Kantine die entscheidende Kommunikationsbörse des ZEI und der mit uns das Gebäude teilenden Institute. Margot Warzecha, die Leiterin der Kantine, hielt wie niemand sonst Leib und Seele des Hauses und aller dort Tätigen zusammen. In Spitzenzeiten trafen sich über 150 Menschen zur Mittagszeit in ihrer Kantine zu fruchtbaren und entspannten Begegnungen. Die Forschungsarbeit war vielseitig, wurde immer europäischer und so sehr nachgefragt, dass sie unsere Arbeitskapazitäten bald schon überstieg. Bis in administrative und haushalterische Fragen hinein empfanden wir uns als Speerspitze der Reformprozesse, die in den deutschen Universitäten in diesen Jahren langsam und oft mühevoll anzulaufen

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schienen. Volker Merx, unser stets zuverlässiger Bibliothekar, Hartmut Ihne und Ralf Meyer, unsere Verwaltungsleiter, sowie Ludger Hammer und Anja Köhler, unsere ITExperten, garantierten jederzeit ein reibungsloses wissenschaftliches Arbeiten. Es war mir gelungen, den früheren Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher als Vorsitzenden des Internationalen Beirats des ZEI zu gewinnen. Für die Zeit der Förderung des Institutsaufbaus durch Mittel des Bundeshaushalts auf Basis des BonnBerlin-Gesetzes bis Ende 2004 war er uns mit Rat und Tat eine enorme Hilfe. Dem Beirat gehörten auch der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, Polens ehemaliger Außenminister Wladislaw Bartoszewski, der Präsident des Europäischen Hochschulinstituts, Patrick Masterson, Otmar Issing, Chefökonom der im Aufbau befindlichen Europäischen Zentralbank, und mehrere renommierte internationale Wissenschaftler an. Die Landesregierung entsandte auf Wunsch von Ministerpräsident Wolfgang Clement seine Europaministerin Hannelore Kraft, die spätere Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Mit den Sitzungen des Internationalen Beirats und mancher persönlichen Unterstützung zwischendurch erwiesen uns Hans-Dietrich Genscher und die mit ihm versammelten Persönlichkeiten unschätzbar große Dienste. Wir wurden beständig unterstützt, wo nötig korrigiert und immer wieder dazu ermutigt, aus unserem Engagement ein gemeinsames Ganzes werden zu lassen. Wir erfuhren auch Rückendeckung gegen mancherlei Begehrlichkeit und bei manchem Ringen zwischen unterschiedlichen Interessen in der Universität und in der Landesregierung. Wie sonst nur die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, die meine Kollegen und mich zu manchem Gespräch aufsuchte oder einlud, hat der Internationale Beirat die Aufbauarbeit und Aufbruchzeit des ZEI so begleitet, wie man es sich besser nicht hätte wünschen können. Es war über die ZEI-Fragen hinaus eine große Schule der Diplomatie, mit Hans-Dietrich Genscher regelmäßige Gespräche führen zu können und von seinen Erfahrungen zu lernen. So klagte er am 8. Januar 1999, dass die deutsch-französischen Beziehungen derzeit „seelenlos“ seien. Als Außenminister habe er an jedem Sonntagnachmittag mit seinem französischen Kollegen Roland Dumas telefoniert. Seine frankophile Ader habe er von seinem Großvater „geerbt“, der das Rheinland von Halle aus gesehen schon als halb französisch empfand und erschüttert darüber war, einen Sohn im Zweiten Weltkrieg auf den Kriegsfeldern Frankreichs zu verlieren. Genscher erzählte, wie ihn die erste Begegnung mit dem Rhein 1953 bewegt habe. Ein andermal, am 15. September 2000, bei sich zu Hause, fast familiär, mokierte er sich über die Zustände in der deutschen Politik: „Dieses Land wird einfach nicht erwachsen. Erst hält der Bundespräsident eine Rede, die er als wichtig ankündigt. Eine Rede muss wichtig sein und nicht als solche angekündigt werden. Dann hält er sie im Hotel Adlon. Kein Präsident Frankreichs oder der USA käme auf die Idee, eine große Rede in einem Hotel zu halten. Wofür gibt es in Berlin drei Universitäten? Am besten wäre es gewesen, diese ‚Ruck durch Deutschland’-Rede in einem Ostberliner Betrieb zu halten.“ Genscher lebte auf: „Und jetzt die EXPO. Keine Botschaft geht von ihr aus. Ich hatte schon 1984/85, als erstmals die Idee einer EXPO in Deutschland aufkam, vorgeschlagen, sie solle nach Berlin. Das

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Abb. 9.37  Transdisciplinary Research and Education in Regional Integration. Zentrum für Europäische Integrationsforschung/Center for European Integration Studies (ZEI) 1995–2020 (herausgegeben von Christian Koenig und Ludger Kühnhardt/ZEI 2020). (©Ludger Kühnhardt)

würde einen Beitrag zum Fall der Mauer bedeuten. 1990 habe ich, wieder vergeblich, erneut vorgeschlagen, die EXPO nach Berlin zu legen. 1900 haben die Franzosen die Weltausstellung in Paris durchgeführt. Bis heute kennt alle Welt den Eiffelturm. Und wir? Was bleibt von Hannover? Nichts! Das hat etwas mit der Würde des Staates zu tun.“ Ironisch fügte ich an, es gebe nun immerhin eine neue S-Bahn-Station in Hannover. Mir kam bei diesem Gespräch die Idee, vor dem Berliner Reichstag könnte eine Freiheitssäule zur Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989/1990 errichtet werden. Bis heute gibt es weder ein deutsches noch ein EU-weites Freiheitsdenkmal in Würdigung der friedlichen Revolution von 1989/1990. Mir sind viele wertvolle Begegnungen mit Hans-Dietrich Genscher jenseits der ZEITagesordnung in besonders guter Erinnerung geblieben. Am 7. Mai 2001 äußerte er sich begeistert zu Papst Johannes Paul II., der am Vortag als erster Papst der Kirchengeschichte in Damaskus eine Moschee besucht hatte – und dann noch die überwältigend schöne Omajjadden-Moschee mit der Kapelle, in der das von Herodes geköpfte Haupt des Johannes des Täufers würdevoll aufbewahrt wird. Er, Genscher, sei ja ein liberaler protestantischer Christ und verstehe vieles von den inneren Dingen in der katholischen Kirche nicht. Aber dieser Papst sei doch zweifellos eine der ganz großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, ja der Kirchengeschichte. Seine missionarische Wirkung

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Abb. 9.38   Ohne sie ging nichts: mit meiner langjährigen Sekretärin Ingrid Maldonado im ZEI (2014). (©Ludger Kühnhardt)

in allen Regionen der Welt sei einmalig, so Genscher. Auch evangelische Christen, einschließlich Kinder, seien von der Ausstrahlung dieses Mannes fasziniert. Ohne ihn wäre der Kommunismus so nicht zerfallen, wie es geschehen sei. Genscher erzählte mir dann noch, dass sein zehnjähriger Enkel derzeit sehr ernsthaft die Bibel studiere. Kinder seien eben so, erwiderte ich, von Natur aus religiös, was Genscher bestätigte und ergänzte, gerade deshalb habe Karl Marx Religion als „Opium fürs Volk“ bezeichnet. Religion sei und bleibe die entschiedenste Resistenzkraft gegen die kommunistische Ideologie, so Genscher. Er freute sich in diesen Tagen auf einen weiteren Besuch in seiner Heimat Halle mit seinem Enkel. Es sei doch phantastisch, ihm dann die Schlosskirche von Wittenberg und Luthers Geburtshaus in Eisleben zeigen zu können. Am 20. Juni 2001 suchte ich Hans-Dietrich Genscher in seinem Haus auf, das kurz zuvor Prinz Hassan bin Talal und Prinzessin Sarvath verlassen hatten. Am Abend zuvor waren sie wie Genscher und seine Frau Barbara meine Gäste bei einem Abendessen auf dem Petersberg gewesen. Jetzt erzählte Genscher, der Prinz sei tief verletzt und traurig, weil er nach dem Tod seines Bruders, König Hussein, auf den Thron gehofft hatte. Das Verhältnis von Prinzessin Sarvath und Königin Noor verglich er mit der Begegnung von Krimhild und Brunhilde vor dem Speyrer Dom, wie das Nibelungenlied sie überliefert hat.

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Überdies sei Prinz Hassan den Amerikanern ein zu unabhängig denkender Kopf. Hassan und der neue König Abdullah II. hätten sich seit Dezember 2000 nicht mehr gesehen. Prinz Hassan baue jetzt ein neues Haus außerhalb des Palastbezirks. Genscher war tief besorgt über den Fortgang der Stabilität Jordaniens und mehr noch über den Frieden in der Region. Israel habe am 6. März 2001 Ariel Sharon zum Ministerpräsidenten gewählt, weil die Leute Angst hätten und Sicherheit wollten. Nun hätten sie indessen erstmals den Krieg im eigenen Land. Niemand wisse, wie alles weitergehen wird im Nahen Osten. Es war der zehnte Jahrestag des Bonn-Berlin-Umzugsbeschlusses des Deutschen Bundestages. Damals, am 20. Juni 1991, war ich zum Antrittsbesuch bei Wilhelm Hennis in Freiburg gewesen, der für Berlin war, während ich für Bonn votierte. Nun, zehn Jahre später, auf der Rückfahrt von Genschers Haus, hörte ich dessen Stimme plötzlich auf WDR 3 im Autoradio: Ein Interview mit Hans-Dietrich Genscher zu dem damaligen Bundestagsbeschluss und seinen Folgen. Genscher „all over“, wie in seinen besten Ministerzeiten: Berlin sei die natürliche Hauptstadt der Deutschen, von den allermeisten Deutschen akzeptiert, von so vielen Ausländern geschätzt. In Bonn lebe er gerne und es lebe sich gut. Die Stadt sei für ihn immer Symbol der demokratischen Republik gewesen. Diese sei nun mit ihren Organen in Berlin und daher sei das Wort von der „Berliner Republik“ dummes Gerede. Der Staat habe seinen Charakter nicht verändert. Die Bevölkerung des Ostens sei nun stärker als früher nach Westen orientiert. Noch am gleichen Tag, so hatte er mir beim Abschied erzählt, brach er mit seiner Frau nach Prag auf, die, wie Genscher meinte, „europäischste Stadt Europas“. Zu seinem 75. Geburtstag am 21. März 2002 bereitete mein Studienfreund Hans-Dieter Lucas, der von 1995 bis 1998 Genschers Büroleiter gewesen war, ehe er seinen weiteren eindrucksvollen Weg im Auswärtigen Amt ging, die erste wissenschaftliche Würdigung dieses außergewöhnlichen deutschen Staatsmannes in der von mir herausgegebenen Schriftenreihe des ZEI vor (Lucas 2002). Am 11. März 2002 bedankte sich Hans-Dietrich Genscher mit einem persönlichen Brief bei mir: „Für mich bedeutet das Urteil der in diesem Band versammelten Persönlichkeiten viel.“ Es war eine gute Fügung, dass die Stadt Bonn 2016 die Straße, an der sich das ZEI befindet, in Genscherallee umbenannte. In das Foyer des Institutsgebäudes ließ ich ein Porträtphoto von Hans-Dietrich Genscher hängen, des von 1974 bis 1992 am längsten amtierenden Außenministers der Bundesrepublik Deutschland. Bald schon nach unserem gemeinsamen Start entwickelte sich das Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) zu einem der erfolgreichsten Projekte im Rahmen des „Bonn-Berlin-Ausgleichsvertrages“. In Forschung, Lehre und Beratung wurde das ZEI mit einer dezidiert EU-bezogenen und multiperspektivischen Arbeitsausrichtung ein unverwechselbarer Akteur in der europäischen Wissenschaftslandschaft. Der von der nordrhein-westfälischen Landesregierung veranlasste erste Evaluierungsbericht aus dem Jahr 2002 bestätigte den gelungenen Beginn der Arbeit des ZEI und unterstrich das enorme weitere Potential für das in seiner Konzeption in der deutschen Wissenschaftslandschaft einzigartige Forschungsinstitut. Das ZEI hatte in kürzester Zeit nationale und internationale Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und Anerkennung in der Wissenschaft gefunden. Es wurde von der lokalen, der regionalen und der

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Abb. 9.39   Forschungskonferenz der Bonner Philosophischen Fakultät. Vorne links Dekan Volker Kronenberg (2019). (©Ludger Kühnhardt)

nationalen Politik mit Wohlwollen und mit konstruktiver Unterstützung begleitet. Meine administrativen Erfahrungen in all den Jahren am ZEI waren durchwachsen. Zweimal wurde das ZEI einer umfänglichen externen Evaluation unterzogen. Viermal durchlief der Master of European Studies ein kompliziertes Reakkreditierungsverfahren. Die Resultate dieser externen Begutachtungen waren positiv. Aber das war nicht immer nur von Vorteil im Kontext der Universitätsstrukturen, in denen wir arbeiteten. Ein Wort von Gaius Petronius, einem römischen Legionsschreiber in Colonia Agrippina etwa aus dem Jahr 100 nach Christus, fand ich immer wieder bestätigt: „Wir übten uns mit aller Macht. Aber immer, wenn wir begannen, zusammengeschweißt zu werden, wurden wir umorganisiert. Ich habe später im Leben gelernt, dass wir oft versuchen, neuen Verhältnissen durch Umorganisation zu begegnen. Es ist eine phantastische Methode. Sie erzeugt die Illusion des Fortschritts, wobei sie gleichzeitig Verwirrung stiftet, die Effektivität vermindert und demoralisierend wirkt.“ Das Wort des Gaius Petronius war aber auch Trost und Ansporn, es immer wieder neu zu versuchen. Ein älterer Kollege sagte mir einmal scherzhaft während einer viel zu lange dauernden Sitzung, Schmerzensgeld sei integraler Bestandteil von Professorengehältern. Wichtig war, bei aller Selbstverwaltung nicht die eigentlichen Aufgaben und wissenschaftlichen Leidenschaften zu vernachlässigen. In der zweiten Entwicklungsphase konzentrierten wir uns auf die Konsolidierung des Erreichten und bauten zugleich neue Schwerpunkte am ZEI auf. Seitens der Universität wurde nach Ende der Bundesförderung das ominöse Dach eines „Internationalen Wissenschaftszentrums“, das über ZEI und ZEF geschwebt hatte, abgebaut. Jürgen

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von Hagen ging in seinen wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich zurück. Christian Koenig und ich pflegten eine außerordentlich zufriedenstellende und harmonische Zusammenarbeit, wie sie in universitären Milieus selten ist. Wir konnten uns immer aufeinander verlassen und ergänzten uns in unseren wissenschaftlichen Sichtweisen optimal. Bei allen Kontroversen, die wir mit der Universitätsleitungauszufechten hatten, passte zwischen uns kein Blatt. Gegenüber unseren Studierendenund Mitarbeitern praktizierten wir eine gelungene Mischung von wissenschaftlicher Pluralität und Liberalität, gepaart mit höchsten Ansprüchen an uns selbst und alleStudenten sowie jederzeit, wo nötig, fürsorglicher Loyalität. Mehr als in meinem eigenen Fach, der Politikwissenschaft, lernte ich über die Jahre am ZEI von den Perspektiven der Juristen und Ökonomen viel Neues, um die komplexe Ausgestaltung der Europäischen Union besser zu verstehen. Multidisziplinäres Denken entspricht dem klassischen Ansatz der politischen Wissenschaft. Seit den antiken Wurzeln hatten sich die, die umfassend das Politische verstehen wollten, in der Tradition des Aristoteles synthetisierend betätigt. Methoden, Theorien und empirische Befunde zusammenzuführen und integriert zu denken hatte ich immer für ergiebig gehalten. Die komplexe Natur der Europäischen Union ließ sich gar nicht anders erschließen. Politik, Recht und Wirtschaft gehören einfach in jeder Analyse zusammen, um die EU zu begreifen. Eine erste Zwischenbilanz, die Christian Koenig und ich 20215 vorlegten,zeigte, was das für uns hiess: Forschung und Outreach I. Europa – Strukturen, Prozesse und Identitäten (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2015, S. 9 ff.) 1. Vertragsreformen 2. Regieren in der EU: Entscheidungs- und Handlungsprozesse 3. Identität und Globalität II. Europäischer Binnenmarkt (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2015, S. 63 ff.) 1. Wettbewerbs- und Beihilferecht 2. Regulierung der Pharmaindustrie 3. Regulierung der Telekommunikations- und Internetmärkte 4. Regulierung der Energiemärkte 5. Regulierung der Logistikmärkte III. Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2015, S. 127 ff.) 1. Geld- und Fiskalpolitik 2. Wirtschaftspolitik 3. Regional- und Strukturpolitik IV. Europas globale Rolle (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2015, S. 173 ff.) 1. Gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik 2. Erweiterungspolitik 3. Nachbarschaftspolitik 4. EU und die Weltmächte 5. EU und Regionalintegration in der Welt

C. Aus- und Weiterbildung (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2015, S. 361 ff.) 1. Graduiertenausbildung 2. Sommerschulen

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In diesen Themenfeldern hatten wir, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie viele mit uns verbundene externe Projektpartner (Fellows) Forschungsprojekte durchgeführt und deren Erträge weit gestreut publiziert. Die Graduiertenausbildung und verschiedene thematisch ausgerichtete Sommerschulen rundeten das Profil des ZEI ab. Im Vorwort zu dieser Zwischenbilanz verwiesen Christian Koenig und ich darauf, dass wir am ZEI auch nach dem Ende der Bundesförderung 2005 über ein Budget verfügten, das zu fast der Hälfte aus von uns eingeworbenen Drittmitteln bestand. In dieser zweiten Phase der Arbeit des ZEI führten wir unsere Arbeit auch heran an das öffentliche Profil, das sich unterdessen die Stadt Bonn zugelegt hatte. Als einziger deutscher Sitz der UNO ging es nicht mehr darum, von Bonn aus Deutschland zu regieren, sondern aus Bonn innovative Beiträge zu Problembewältigungen der Menschheit zu leisten. Vor diesem Hintergrund bauten wir am ZEI ganz bewusst das Forschungsfeld „Comparative regional integration“ auf, um mit unserer Expertise den wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch mit anderen Weltregionen zu stärken. Die Forschungsarbeit des ZEI wurde weltweit wahrgenommen. Studierende aus aller Welt kamen ans ZEI, um den aktuellen Stand der europäischen Integration zu studieren oder auch um die genuinen Herausforderungen in ihrer eigenen Region im Lichte der europäischen Erfahrungen zu spiegeln. Zum 20-jährigen Jubiläum des ZEI würdigte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 2015 unsere Arbeit und stellte sie in den Zusammenhang der immer wichtiger werdenden Konsequenzen der europäischen Einigung. Seit einer Reihe von Jahren schon hatten Christian Koenig und ich die dritte Phase unserer Arbeit in allen ihren Aspekten längst auf guten Weg gebracht. Der Fokus auf „governance and regulation“ zog sich durch unsere im Einzelfall recht unterschiedlichen, aber nur auf den ersten Blick disparaten Forschungen und Beratungsaktivitäten. Beide Säulen – Governance und Regulation – fanden darüber hinaus auf perfekte Weise im Curriculum der „Master of European Studies“ zusammen. Mit Absolventen aus 125 Ländern der Erde entsprach das ZEI der Internationalität des UN-Standorts Bonn. Unsere fliegende Fakultät mit Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Regionen der EU, die gleichzeitig verschiedene Fachdisziplinen und Methoden repräsentierten, brachten die EU ins ZEI. Bei Exkursionen zu den Standorten der europäischen Institutionen in Brüssel, Luxemburg und Frankfurt sowie zum deutschen Regierungssitz Berlin brachten wir die jeweils aktuellen Studierenden mit Alumni zusammen, die Einblicke in die europäische rechtliche, wirtschaftliche und politische Wirklichkeit ebnen konnten. Forschung war für uns am ZEI niemals nur statistische Quantifizierung und Abstraktion unter dem Diktat von angeblich objektiven Peer-Review-Parametern. Die Themen, mit denen wir uns auseinandersetzten, waren der Wirklichkeit entnommen. Mit den Ergebnissen unserer Forschung wollten wir wissenschaftliche, aber ebenso praktisch nützliche Erkenntnisse und Empfehlungen leisten. Universitätsrektor Michael Hoch verstand ZEI als „Grundstein, auf dem die Universität in den kommenden Jahren aufbauen will“, wie er bei der Feierstunde anlässlich des 20-jährigen Bestehens des ZEI formulierte. Die Bonner Universität war auf dem Weg, als nationale Exzellenzuniversität

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gewürdigt zu werden und damit in ihrem ohnehin starken internationalen Profil noch weiter aufgewertet zu werden. Aus dem früheren Leitbild der Interdisziplinarität war unterdessen das Konzept der Transdisziplinarität geworden. Zum 25-jährigen Bestehen des Zentrums für Europäische Integrationsforschung konnten wir feststellen: Die Arbeiten des ZEI in Forschung und Lehre hatten Pionierarbeit geleistet und reflektierten das Konzept der Transdisziplinärität passgenau. Die umfangreiche Darstellung der bisherigen Arbeiten des ZEI, der Einbettung unserer Arbeit, der Schwerpunkte und Wirkungen war von Aiveen Donnelly („Class of 2016“) und Sally Brammer („Class of 2012“) verfasst worden, beide Alumni des ZEI Master of European Studies. Zur Erarbeitung der Grundzüge und der Einzelheiten fanden viele Gespräche mit Christian Koenig und mir statt. Die dickleibige Broschüre begann im ersten Teil („A Dynamic Environment for Innovation and Change“) mit einem „flashback“ auf die 1990er Jahre: Die Umstände der „formative years“ der EU wurden in Kap. 1 („Historical Flashback: The 1990s“) nachgezeichnet ebenso die Suche der vormaligen Hauptstadt Bonn nach einem neuen Profil und die innovative Ausrichtung des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (Kühnhardt/ZEI 2020, S. 9–36). In Kap. 2 („Novel Approach to Transdisciplinarity“) folgte eine ausführliche Erläuterung der methodischen Ansätze und der Zielsetzung unserer Forschung (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020, S. 37–44). Drei Leitfragen überdachten die Arbeitsfelder „Governance“ and „Regulation“ des ZEI: Was hält die EU zusammen? Das ZEI unterstützt die entsprechenden Prozesse Was strahlt die EU aus? Das ZEI formuliert Projektionen und Optionen Welche Hindernisse existieren für die europäische Einigung? Das ZEI antizipiert Disparitäten und Widersprüche

Dabei folgte das ZEI ganz bewusst unterschiedlichen Methoden und Perspektiven, die den transdisziplinären Ansatz unserer Arbeit reflektierten. Wir summierten unsere Ansätze mit englischen Begriffen: Inclusion: Das institutionelle Gefüge und rechtswissenschaftliche Fallstudien werden der Frage unterzogen, ob und inwieweit die EU Katalyst für Innovationen ist Diffusion: Politische und kulturelle Diversität und struktureller Wandel sowie Anpassungen an Schocks werden der Frage unterzogen, welche Wirkung kulturelle Konflikte auf Traditionen haben Confusion: Herausforderungen und Gelegenheiten sowie Erfordernisse im Verlauf der Konsolidierung des Binnenmarktes werden unter der Frage beleuchtet, welche Bedeutung der „prinzipiengeleitete Pragmatismus“ hat, von dem sich die EU in den Worten ihrer „Global Strategy“ aus dem Jahr 2016 leiten lassen will

Auf dieser wissenschaftstheoretisch grundierten Basis hat das Zentrum für Europäische Integrationsforschung auf immer wieder innovative Weise Forschung, Beratung und Lehre unter drei Gesichtspunkten in immer neuen Anwendungsfeldern zusammenführen können, wie der zweite Teil der Veröffentlichung („Twenty-Five Years of ZEI: Creativity,

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Adaptation and Renewal“) ausführlich darstellte. Kap. 3 behandelte die Logiken, denen unsere Arbeit verpflichtet war und zu denen sie beigetragen hat („Rationale for Regional Integration“; Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020, S. 47–105): Ökonomische Logik: Sie zeigt sich in der Theorie der Zollunion, bezieht sich auf die Harmonisierung von Tarifen und die Überwindung von Barrieren des Marktzugangs. Im Kern geht es bei der Interaktion um den Abbau von Transaktionskosten. Politische Logik: Sie entfaltet sich in Institutionen, ist mithin akteurszentriert. Im Mehrebenensystem des Regierens geht es darum, eine politische Agenda zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Rechtliche Logik: Sie geht von der Prämisse aus, dass Integration durch Recht vollzogen wird. Regulatorische Formen des Regierens sind einzelfallbezogen. Ausgleichsund Schiedsverfahren basieren auf Gerichtsentscheidungen. Kap. 4 („Regional Integration in Practice“) stellte die Forschungsansätze und -ergebnisse dar, die wir im Blick auf die Verwirklichung des Wettbewerbsrechts, unterschiedliche sektorspezifische Regulierungsbereiche und die Fragen im Zusammenhang mit der Einführung der Währungsunion verfolgt und realisiert haben (Koenig und Kühnhardt/ ZEI 2020, S. 106–186). Kap. 5 („The Dialectics of Regional Integration“) stellte dar, auf welche Weise wir zu Forschungen im Bereich des Regierens in der EU beigetragen haben. Darauf aufbauend hatten wir umfassende Forschungen zu Fragen der Projektion europäischer Normen in fragile Nachbarschaftsräume durchgeführt. Schließlich behandelte dieses Kapitel unsere Forschungen und Forschungserkenntnisse im Bereich der Entwicklung der Europäischen Union von einer normativen Macht zu einer (unvollständigen) Macht mit globaler Präsenz (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020, S. 187–255). Im dritten Teil („Prospects for Regional Integration“) richtete die Publikation den Blick in die Zukunft. Basierend auf 25 Jahren Erfahrung projizierten wir Chancen für die weitere Entwicklung von Bonn, das unterdessen die UNO-Stadt der Nachhaltigkeit geworden war. Wir skizzierten die Zukunft der Europäischen Union und formulierten Leitlinien für die künftige Forschung zu Fragen von regionaler Integration in ihrem Zusammenhang mit neuen globalen Herausforderungen (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020, S. 259–275). Christian Koenig und ich befanden (Koenig und Kühnhardt/ZEI 2020, S. 5): Die ZEIBilanz nach 25 Jahren konnte sich sehen lassen: Mehr als 700 Forschungsprojekte, über 300 davon durch Drittmittel finanziert. Mehr als 750 eigene Publikationen, dazu eine unübersichtlich große Zahl von Veröffentlichungen außerhalb des ZEI. Mehr als 650 Absolventen der Weiterbildungsprogramme. Über 100 Doktoranden und Habilitanden. Über 500 akademische und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter. Fast 300 Gastwissenschaftler, die eine Zeitlang am ZEI ihre Forschungen durchführen konnten. Eine unübersichtliche Zahl von Vorträgen, Workshops, Studiengruppen und Konferenzen. Eine Präsenzbibliothek mit über 33.000 Büchern und 1500 verfügbaren Zeitschriften. Mehr als 5000 monatliche Besucher der ZEI-Homepage. Mehrfach im Jahr publizierte Newsletter, die an über 7000 wissenschaftliche und politische Akteure weltweit versandt wurden. Buchreihen und Zeitschriften, die von uns beiden ZEI-Direktoren, Christian

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Koenig und mir, verantwortet wurden. Vorträge von uns und unseren Mitarbeitern in aller Welt und Mitwirkung in verschiedenen wissenschaftlichen und öffentlichen Beratungsgremien. Regelmäßige Medienpräsenz. 20 der am ZEI tätigen Nachwuchswissenschaftler und ausgebildeten Doktoranden waren Professoren geworden. Sie gaben in ihren akademischen Lehrämtern auch Einsichten und Erkenntnisse weiter, die ihren Ursprung im ZEI hatten: Johannes Beverungen, Duale Universität Baden-Württemberg, Mannheim. Christoph Bierbrauer, CBS Business School Köln. Rafael Biermann, Friedrich-Schiller-Universität Jena. Thomas Demmelhuber, Universität Nürnberg-Erlangen. Valeriya Dinger, Universität Osnabrück. Ralf Elm, Pädagogische Hochschule Weingarten. Dirk Foremny, UB School of Economics, Barcelona. Stefan Fröhlich, Universität Nürnberg-Erlangen. Xuewu Gu, Universität Bonn. Andreas Haratsch, Fernuniversität Hagen. Bernd Hayo, Universität Marburg. Marcus Höreth, Universität Kaiserslautern. Silke Kettig, Mediadesign Hochschule Düsseldorf. Jürgen Kühling, Universität Regensburg. Eva Maria Müller, Humboldt-Universität Berlin. Iulia Siedschlag, Economic and Social Research Institute, Dublin. Rolf Strauch, European Stability Mechanism, Luxemburg. Guntram B. Wolff, Institut Bruegel, Brüssel. Haiping Zhang, Auckland University Business School. Jizong Zhou, Shanghai University of Finance and Economics, vor allem anderen aber: immer wieder hoch motivierte Nachwuchswissenschaftler, die den Weg zur Mitarbeit am ZEI fanden und das Institut mit ihrem Elan und ihrer Neugier bereicherten. Ohne meine Sekretärinnen Chantal Pirang, Karin Erhardt, Ingrid Maldonado und Lisa-Marie Brackmann wäre die Vielfalt der Aufgaben und der Menschen, die am ZEI über die Jahre einund ausgingen, niemals zusammengehalten worden. Ihnen war ich am meisten dankbar. Regionale Integration, so hat unsere Forschung am ZEI in über einem Vierteljahrhundert deutlich gemacht, geht durch verschiedene Stufen. In einer ersten Stufe ist regionale Integration der Tendenz nach protektionistisch. Dabei vollziehen sich Integrationsschritte nicht nach einem theoretischen Bauplan. Wohl aber können immer wieder Übergänge von ökonomischen zu politischen und rechtlichen Facetten der Integration beobachtet werden. Schließlich vollzieht sich eine zweite Phase der regionalen Integration unter den Bedingungen der expandierenden Globalisierung. Integration muss, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, zu mehr Wettbewerb führen. Im Bereich des europäischen Binnenmarktes ist dies gelungen, im Bereich der politischen Integration sind die entsprechenden Organisations- und Entscheidungsprozesse noch unvollständig. Die richtige Balance zwischen Nation-Building und Region-Building zu finden, bleibt für regionale Integrationsgemeinschaften in aller Welt eine Daueraufgabe. Transdisziplinäre Forschung zu Fragen des Regierens und des Regulierens unter Bedingungen von regionalen Integrationsgemeinschaften wird über Arbeitsmangel auch in den nächsten Jahrzehnten nicht klagen können. Wie meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Kolleginnen und Kollegen am ZEI war ich stolz, während eines wichtigen Vierteljahrhunderts an der Grundlagenforschung zu Fragen der europäischen Einigung und der regionalen Integration weltweit mitgewirkt zu haben. Es war Zeit, eine europawissenschaftliche Zwischenbilanz zu ziehen.

9.6  Das politische Denken der Europäischen Union …

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9.6  Das politische Denken der Europäischen Union (Kühnhardt 2022f) – Europas Sicherheit, die Zukunft der Ukraine und die „russische Frage“ (Kühnhardt 2022g) Am 8./9. Mai 2014 fand in Zakopane ein wissenschaftliches Symposium zu Ehren von Marek Siemek statt. Kollegen, Freunde und Weggefährten des bedeutenden polnischen Philosophen, der im Mai 2011 verstorben war, hatten sich eingefunden (Kühnhardt 2022a, S. 643 f.). Seit unseren gemeinsamen Aktivitäten im Collegium Europaeum Jenense Anfang der 1990er Jahre war ich Marek Siemek und seiner Frau Wirginia freundschaftlich verbunden. Marek Siemek, ein großer Experte der Transzendentalphilosophie, hatte wie kaum ein zweiter die geistigen Grundlagen für die anstehende Osterweiterung der Europäischen Union formuliert. Gerne nahm ich die Einladung der Siemek-Schüler Jakub Kloc-Konkołowicz und Ewa Nowak nach Zakopane an. Mein Vortragsthema lautete: „Gibt es eine politische Philosophie der Europäischen Union?“ Der Text erschien in deutscher, englischer und polnischer Sprache (Kühnhardt 2014f). Der polnische Filmemacher Paweł Kuczyński nahm neben anderen auch ein Gespräch mit mir auf in seinen 2018 erschienenen eindrucksvollen Dokumentarfilm über Marek Siemek „The View from a Cathedral“ (Kuczyński 2018). So ging mein jahrelanges Gespräch mit Marek Siemek auf ganz eigene Weise weiter. Aber auch das Fragezeichen hinter meinem Vortrag in Zakopane beschäftigte mich weiter. Unentschieden blieb einstweilen, ob ich von politischer Philosophie oder von politischem Denken sprechen sollte. In jedem Fall rang ich mit einer Deutung der Europäischen Union, die über die ausgetretenen Pfade der sogenannten europäischen Integrationstheorie hinausging. Die erste Forschungskonferenz der Philosophischen Fakultät meiner Bonner Universität am 1. Februar 2019 gab mir Gelegenheit, meine Fragestellung vorzustellen und weiterzudenken. Ich ordnete mein Projekt in eines der neuen transdisziplinären Forschungsgebiete ein, die Forschungen an der Bonner Exzellenzuniversität bündelten: Individuen, Institutionen und Gesellschaften. Mein Kollege Werner Weidenfeld lud mich ein, aus meinen Forschungen ein Lehrbuch für eine brandneu von ihm und dem Passauer Kollegen Michael Weigl konzipierte politikwissenschaftliche Schriftenreihe zu fertigen. Nun waren die Weichen gestellt. Ab 2020 durchdachte ich die Thematik in mehreren Seminaren des politikwissenschaftlichen Studiums an der Universität Bonn. Studentische Impulse gingen so auf vielfältige Weise in das Lehrbuchkonzept mit ein, während ich meine Hypothesen und Erkenntnisse mit engagierten Studierenden diskutieren und überprüfen konnte. Die Fragestellung war nun klar: Politisches Denken, politische Philosophie und Ideengeschichte werden gewöhnlicherweise und traditionell auf den Staat bezogen. Die Arbeitshypothese für mein Forschungsvorhaben lautete: Die europäische Einigung hat in ersten Umrissen eine Form genuinen politischen Denkens hervorgebracht, die über die klassischen Begrifflichkeiten der europäischen Integrationstheorie (Intergouvernemental, Supranational) hinausgeht. Es ging mir dabei nicht um politisches Denken in der EU, sondern um politisches Denken der Europäischen Union. Meine Arbeitshypothese ging von

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der Feststellung aus, das die Entwicklung von Großbegriffen des politischen Denkens der EU häufig spiegelverkehrt zu entsprechenden, wohlbekannten Entwicklungen und Denkfiguren im Kontext des Staates verlaufen ist. Ich präsentierte entsprechende Beispiele. Das politische Denken der Neuzeit hatte sich um den Begriff des Staates herum gebildet. Antike Wurzeln des politischen Denkens wiesen schon immer darauf hin, dass die grundlegenden Fragen politischer Ordnung durchaus in vorstaatlichen Zusammenhängen reflektiert wurden und zu Begriffsbildungen geführt haben. Vor diesem Hintergrund stellte ich die Frage, ob politisches Denken nicht auch in überstaatlichen Zusammenhängen eigene Begrifflichkeiten und Reflexionen hervorbringen könne. Die Europäische Union war der Bezugsrahmen, um dieser Frage nachzugehen. So entstand Das politische Denken der Europäischen Union. Supranational und zukunftsoffen (Kühnhardt 2022f). In meinem Vorwort diskutierte ich einige methodische Überlegungen. Es sei keineswegs eindeutig, was politisches Denken ist. Denken heiße, verstehen zu wollen. Im Blick auf die Europäische Union bedeute dies hinter Institutionen, Ereignisse und Prozesse zu schauen: „Die Europäische Union denken gehört zum politischen Denken dazu“ (Kühnhardt 2022e, S. 7). Ich schlug vor, dass politisches Denken sich vor allem auf drei Wegen studieren lasse: mithilfe von Dokumenten und Entscheidungen der Europäischen Union als unmittelbaren Quellen, mithilfe von Impulsen von Denkern, „die schon immer mit der Kraft ihres Geistes bestehende Wirklichkeiten weitergedacht haben, neue Ideen und Perspektiven hervorgebracht haben oder durch ihre Sicht der Dinge bestehende Ansichten widerlegt haben“, schließlich mithilfe wissenschaftlicher Interpretationen und Analysen, die immer auch den jeweiligen Zeitgeist reflektieren, in dem ihre Autoren arbeiten. Ich erinnerte an eine wesentliche Erkenntnis der universitären Seminare, aus denen heraus die Anlage meines Lehrbuches erwachsen war: „Das politische Denken der Europäischen Union ist nicht frei von gedanklichen Widersprüchen und es muss praktische Spannungsverhältnisse aushalten in einer EU, wie sie nun einmal ist“ (Kühnhardt 2022f, S. 8). Teil I („Kontext“) behandelte systematische Zugänge zum Thema und methodisch relevante Überlegungen. Aufbauend auf meiner 1999 veröffentlichten Studie Zukunftsdenker (Kühnhardt 1999d) wurden in Kap. 1 („Ideengeschichte und Internationale Beziehungen zusammengedacht“) bleibende Einsichten des politischen Denkens reflektiert, gefolgt von ausführlichen Diskussionen methodischer Fragen. Ich stellte in aller Kürze Grundzüge der politischen Ideengeschichte dar, die sich auf die Ordnung Europas beziehen. In immer neuen Anläufen waren diese Ansätze von zwei Eckpunkten geprägt worden: Einerseits ging es um die Frage nach den Zielen und Zwecken des eigenen Gemeinwesens, andererseits ging es um die Beziehungen zu anderen. Ich lenkte den Blick auf drei Grundthemen, um die immer wieder gerungen wurde: Mythos und Identität Europas, Grenzen und „mental maps“, Europapläne und Kriegswirklichkeiten. Ich untermauerte diese Themenliste mit einschlägigen Beispielen. Stärken und Schwächen der ideengeschichtlichen Erfahrungen summierte ich wie folgt: Die tiefgehende Überzeugung, in einem europäischen Kulturraum mit gemeinsamen Wurzeln und vielfältigsten kulturellen Zusammenhängen zu leben, die Einsicht, dass

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die Bündelung der Kräfte innerhalb Europas die Selbstbehauptung gegenüber äußeren Bedrohungen stärkt, und die Vorstellung, dass es gemeinsamer Institutionen bedarf, um die unterschiedlichen Interessen zusammenzuführen, kollidierten in der Geschichte Europas immer wieder neu damit, dass einige der Pläne zur Herstellung eines einigen Europas zu idealistisch und unpräzise universalistisch waren, während andere Pläne zu sehr von den Interessen einzelner Staaten geprägt waren. Die Idee, sich gegenüber einer externen Bedrohung zum gemeinsamen Vorteil zusammenzufinden, war zwar plausibel, aber doch nicht ausreichend, um eine solide Form gemeinsamer Ordnung hervorzubringen. Kurz: Allen Plänen lag ein methodisches Defizit zugrunde, um den richtigen Weg zu ihrer Verwirklichung zu beschreiten. Im Bereich der Theorien, die von der modernen politischen Wissenschaft zur Erklärung der internationalen Beziehungen entwickelt wurden, blieb das Thema der europäischen Einigung eher ein Randphänomen. Zwar wurden die epistemologischen Prämissen dieser Theorien immer präziser, führten zu einem beachtlichen Theoriepluralismus und stellten die Machtfrage in ihr Zentrum. Zugleich aber blieben diese Theorien ihrem Ausgangspunkt verbunden, der Rolle des einzelnen Staates in der Weltpolitik. Theorien zu den internationalen Beziehungen taten sich schwer, die Dynamik des weltpolitischen Bedeutungszuwachses der EU ausreichend zu erfassen, und blieben hinter den genuinen Machtbegrifflichkeiten und soziologischen Aspekten im Kontext der EU zurück (Kühnhardt 2022f, S. 17–28). In Kap. 2 („Europäische Integrationsgeschichte und Integrationstheorie weitergedacht“) erinnerte ich an die „Denkstrukturen des Wiederaufbaus“, die mein Lehrer Karl Dietrich Bracher als konstitutiv für die erfolgreiche Anlage der Einigung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieben hatte (Bracher 1982, S. 272 f.). In nur wenigen Jahren entstanden in Abkehr von Erschöpfungszuständen und Krisenerfahrungen nach zwei Weltkriegen die Parameter eines gemeinsamen westeuropäischen Politikverständnisses, das sich auf Freiheit und Menschenwürde, den Ausgleich zwischen individuellen und sozialen Rechten und auf die Grundregeln parlamentarischer Demokratie bezog. Zu dem neuen Politikverständnis traten parteipolitische Neuerungen hinzu und eine geläuterte außenpolitische Rationalität, die nach dem Verbindenden zwischen den Staaten eines sich vereinigenden Europas fragte. Aufbauend auf diesen Hinweisen zu strategischen und kulturhistorischen Weichenstellungen bezeichnete ich die eigentümliche Entwicklung europäischer Integrationstheorien als zwar anregend, aber doch überkommen, um weiterführenden Erkenntnisgewinn zu generieren. Ich erinnerte an die wichtigsten Ansätze und Befunde der europäischen Integrationstheorien. Zum einen seien die subtilen ideengeschichtlichen und zeitgeschichtlichen Aspekte in diesen Integrationstheorien nicht abbildbar. Zum anderen vermögen Integrationstheorien nicht vorzustoßen zu den methodischen und inhaltlichen Kernfragen, die im Kontext der politischen Philosophie an Auftrag, Selbstverständnis und Telos eines Gemeinwesens gestellt werden. Ich machte vertraut mit systematisierenden staatsphilosophischen Überlegungen meines Bonner Philosophie-Kollegen Christoph Horn (Horn (2003) 2012). Horn hatte

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fünf klassische Modelle der Staatsbegründung unterschieden: das eudämonistische Modell, mit dem das richtig gestaltete Gemeinwesen als Voraussetzung für gelingendes menschliches Leben verstanden wird, das utilitaristische Modell, mit dem der Zweck der politischen Ordnung in der Nutzenmaximierung begriffen wird, das Modell der strategisch rationalisierten Vertragstheorie, mit dem die Regelsetzungen gemeint sind, die dabei helfen, aus der Ausgangssituation des Naturzustandes in eine Ordnung der Sicherheit zu gelangen, das Modell des moralischen Kontraktualismus, mit dem die Rechtsregeln gemeint sind, mit deren Hilfe das Gebot von Freiheit und Eigentum aus dem Naturzustand herausführt, das kommunitär-intersubjektive Modell, das die politische Ordnung als Verwirklichung von kollektiver Identität und Sittlichkeit betrachtet. Ist politisches Denken jenseits des Staatsbegriffs möglich, fragte ich, an Horns Systematik anknüpfend. Die der Staatsphilosophie zugrunde liegende Frage nach den Bedingungen politischer Herrschaft ist älter als der moderne Staat. Themen wie die Legitimität von Herrschaft, das Ethos des Politischen, Begründungen und Bedingungen von Rechtsregeln, aber auch das Verhältnis von Freiheit und Autorität, von persönlicher Ethik und öffentlicher Moral stellen sich seit der europäischen Antike zeit- und raumentkoppelt vom Verhältnis zwischen individueller Freiheit und kollektiver Ordnung. Insofern kann politisches Denken und eine sich daraus entwickelnde politische Philosophie nicht allein Fragestellungen aus dem modernen Staat heraus gewinnen. Das politische Denken der Europäischen Union, so formulierte ich, stehe gewiss noch am Anfang und werde sich weiterentwickeln (Kühnhardt 2022f, S. 29–40). Teil II („Denkwege“) untersuchte konkrete Beispiele, um die Ausgangsthese zu erhärten. Kap. 1 („Von der Abwehr des Bösen zum bonum commune europaeum“) konstatierte, dass, so wie die europäische Einigung zu einem erheblichen Teil gegen die europäische Geschichte gestaltet worden ist, sich Zug um Zug politisches Denken der Europäischen Union zu entwickeln begonnen hatte. Dies geschehe überraschenderweise gleichsam gegenläufig beziehungsweise spiegelverkehrt zur klassischen Entwicklungsgeschichte der politischen Ideengeschichte mit Bezug zum Staat. Gemäß dem eudämonistischen Modell wird seit den Tagen von Platon und Aristoteles nach dem „bonum commune“ gesucht, nach der guten Ordnung, dem Guten an sich. Weiterentwicklungen gab es vor allem durch die Scholastik (Thomas von Aquin) und im Kontext der katholischen Soziallehre (Oswald von Nell-Breuning), aber auch im Bereich der politischen Ökonomie und modernen Sozialtheorien. In der EU gründete sich der regelmäßig angerufene Wertekonsens lange Zeit vorwiegend auf die Abwendung vom Bösen. Erst zögerlich und häufig eher rhetorisch wird nach einem europäischen Gemeinwohl gefragt. Die gemeinsame Erfahrung in der Corona-Pandemie hat diesbezüglich zu neuen Impulsen, aber auch zweifelnden Fragestellungen an die EU geführt. Dabei blieb vor allem die Frage nach dem Verhältnis eines europäischen zu einem globalen Gemeinwohl undeutlich (Kühnhardt 2022f, S. 43–54). Kap. 2 („Von Marktbürgern zu Unionsbürgern“) rekonstruierte die Entwicklung der Grundrechte des Menschen, die in nationalen beziehungsweise staatlichen Herrschafts-

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Abb. 9.40   Das politische Denken der Europäischen Union. Supranational und zukunftsoffen (2022). (©UTBBrillFink)

traditionen einem klaren Entwicklungsmuster gefolgt war. Zunächst ging es um die Einschränkung absoluter Herrschaft (Magna Charta), dann folgte die sukzessive, graduelle Ausweitung des Prinzips der Partizipation (Rechtsstaat, Wahlrecht), ergänzt schließlich durch die lange Zeit umstrittene Etablierung sozialer Rechte (Arbeit, Wohlfahrt). In der Geschichte der EU wurde der umgekehrte Weg beschritten. Zunächst wurde dem Menschen attestiert, Marktsubjekt zu sein und als solches über Grundfreiheiten zu verfügen (die vier Freiheiten der Römischen Verträge, allen voran die Freiheit der Arbeit, gefolgt von Arbeitsschutzregeln und Festlegungen von Sozialstandards). Später folgte die Erkenntnis, dass Marktteilnehmer auch politischer Partizipation bedürfen. Es entstand die Idee der Unionsbürgerschaft (einschließlich der Ausweitung des Wahlrechts nicht nur zum direkt gewählten Europäischen Parlament, sondern auch als auswärtiger Unionsbürger bei Kommunalwahlen am jeweiligen Wohnort). Erst im letzten Schritt folgte die Formulierung von Abwehrrechten des einzelnen Unionsbürgers gegenüber

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den Entscheidungen der EU und ihrer Organe (Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Kühnhardt 2022f, S. 55–64). Kap. 3 („Vom Binnenmarkt zum Regierungssystem“) widmete sich dem Verhältnis von primär regulatorischen Entwicklungen im Binnenmarkt und der Herausbildung eines genuinen Regierungssystems. Zentral ist die Rechtsstaatsentwicklung, die in den unterschiedlichen europäischen Staaten eingespielte, gleichwohl unterschiedliche Modelle und Mechanismen des Verhältnisses von Macht, Recht und Bürgerfreiheit generiert hat. Es ist mühsam geblieben, diese auf die Ebene der EU zu transportieren. Diese Erfahrung begann mit der intuitiven Moralisierung (Sanktionen gegen Österreich 2000), die die individualstaatlichen Präferenzbildungsprozesse zu Entscheidungsalternativen für Europa stilisierte. Es folgte die gemeinschaftliche Legalisierung des Rechtsstaatsmodus (Artikel 7) und die Etablierung des Rechtsstaatsmechanismus im Kontext von Haushaltsentscheidungen. Beides führte, so argumentierte ich gegen die herrschende Meinung, zu ebenso überzogenen wie unwirksamen Effekten, vor allem gegenüber Ungarn und Polen. Es war notwendig, so argumentierte ich, das Instrument der Sanktionierung, das aus den internationalen Beziehungen übernommen worden war und schon dort weithin wirkungslos geblieben war, zu verwandeln in ein adäquates (EU-)innenpolitisches Instrumentarium, das subsidiäre Ausdrucksformen gemeinschaftsgeteilter Prinzipienpräferenzen unter Einschluss von innovativen Anreizen einbezieht, um gemeinsam verabredete Rechtsregeln auch faktisch zu realisieren. Erst wenn dies gelingen würde, könne von einem EU-europäischen Rechts(staats)verständnis gesprochen werden (Kühnhardt 2022f, S. 65–76). Kap. 4 („Vom Krisenimport zum Gewaltmonopol“) setzte sich mit den Folgen der weltweit virulenten Radikalisierung von Identitätskonflikten auf die innere Stabilität der EU auseinander. Entgegen den optimistischen Annahmen, die EU könne Stabilität exportieren, war die EU zum Importeur von Instabilität geworden, die ihre Ursachen in Konflikten außerhalb der EU hatte. Die Frage hatte im Kontext der Flüchtlingsfrage nach 2015 zu tiefen Spaltungen und Kontroversen geführt. Dies hatte zu einer Rekonfiguration politischer Loyalitäten in vielen Mitgliedsländern der EU und auch auf Ebene der Mehrheitsbildung in den europäischen Organen geführt. Die Frage nach der eigenen Identität müsse bei aller Weltoffenheit zu einer konsequenteren Entwicklung eines europäischen Gewaltmonopols führen, um auf Dauer Sicherheit und Stabilität der EU zu garantieren, bilanzierte ich. Einer Neubewertung der Grenzen komme dabei eine zentrale denkerische Aufgabe zu: Grenzen können sowohl freiheitseinschränkend als auch freiheitsermöglichend und freiheitssichernd sein (Kühnhardt 2022f, S. 77–88). Kap. 5 („Von einer normativen Macht zu einer multilateralen Weltmacht“) erinnerte daran, dass in der Geschichte der europäischen Staaten sich als Erstes die Machtfrage gestellt hatte, gefolgt von Überlegungen über das jeweilige Herrschaftssystem und seine funktional differenzierte Ausgestaltung. Erst danach ging es um die Begrenzung von Macht und Herrschaft, zunächst durch das Recht, erst danach durch demokratische Partizipation und regulatorische Wohlfahrtsmaximierung. In der Geschichte der europäischen Einigung wurde der gegenläufige Weg beschritten. Zunächst wurden

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Mechanismen der Regulation etabliert, gefolgt von der Institutionenfrage (im Sinne des Legitimitätsproblems), und erst danach artikulierten sich das Demokratieproblem (demokratisches Defizit) und schließlich die Frage nach Macht und Herrschaftsanspruch (EU als normative Macht). Der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 zwang die EU – ob sie nun wollte oder nicht –, die Machtfrage als Ausdruck der eigenen Selbstbehauptung zu stellen. Politisch kam plötzlich vieles in Bewegung, was zuvor kaum zu denken gewagt worden war. Dennoch: Die Machtfrage dürfte in der EU nach aller bisherigen Erfahrung wohl erst konstitutionell beantwortet werden können, wenn die Identitätsfrage (Grenzfrage) und die Rechtsfrage (Ordnungsfrage) ebenso geklärt sein werden wie die Grundrechtefrage und die Sozialfrage. Angesichts der neuen Bedingungen der Weltpolitik aber war dieser Prozess mit dem Ukraine-Krieg unausweichlich geworden. Die EU musste fortan, wie ihr Hoher Vertreter für Außenund Sicherheitspolitik, Josep Borell, formuliert hatte, in einer Welt leben, die mehr von Thomas Hobbes (Krieg aller gegen alle) als von Immanuel Kant (kategorischer Imperativ) geprägt ist (Kühnhardt 2022f, S. 89–102). Teil III („Grundbegriffe“) griff in Kap. 1 („Europäische Union“) die beiden untrennbar miteinander verbundenen Begriffe auf. Während der Begriff „Europa“ Bibliotheken füllt und in Großmachtstärke Betrachtungen und Theorieansätze hervorgebracht hat, ist es um den Wortteil „Union“ in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der EU eher still geblieben. Für den ursprünglichen Begriff der „Gemeinschaft“ ließen sich noch vergleichsweise leicht Copyright-Rechte vergeben. Seitdem einer der ersten deutschen Europarechtler, Hans Peter Ipsen, 1972 attestierte, dass Carl Friedrich Ophüls den Begriff der „Gemeinschaft“ in die Römischen Verträge transponiert habe, gilt diese Zuschreibung als eine historische Tatsache (Ipsen 1982, S. 11 ff.; Ophüls 1966, S. 387 ff.). Ipsen diskutierte auch die naheliegenden Bezüge zum Werk des Soziologen Ferdinand Tönnies von 1887 Gemeinschaft und Gesellschaft (Tönnies (1887) 2010). Weit ungenauer und unzulänglicher fiel bisher die archäologische Spurensuche aus, wenn der Begriffsteil „Union“ rekonstruiert und spezifiziert werden soll. Der Wortstamm ist noch eindeutig: „Unus“, eins, und das kirchenlateinische „unio“, „Einheit“ oder „Vereinigung“, stehen auf der Geburtsurkunde. Jean-François Deniau, ehemaliger französischer Diplomat und Politiker, so hatte ich herausgefunden, beansprucht das Copyright für die Einführung des Begriffs in die Römischen Verträge in der Formulierung: „une union sans cesse plus étroite“ (Deniau 1977, S. 65). Aber der genaue Grund – und die damit intendierte Funktion – für die Aufnahme des Unionsbegriffs in die Römischen Verträge („eine immer engere Union der Völker“), in die feierliche Erklärung zur Europäischen Union vom 19. September 1983 und schließlich in den Maastrichter Vertrag, mit dem die Europäische Gemeinschaft zur Europäischen Union wurde, ist bisher weitgehend unerforscht geblieben. Im Kontext der Gründung des Europarates 1948/1949 hat im französischen Sprachgebrauch „fast bis zum Schluss“ der Begriff „union européenne“ vorgeherrscht, ehe sich dann doch der Begriff des „conseil de l’Europe“ durchgesetzt hat. Bezüge zu französischen Diskursen und politischen Verwendungsformen des Begriffs „Union“,

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inklusive der staatsrechtlichen Verwendung im Begriff der „union française“ von 1946, sind also evident. Dennoch harrte der Begriff der „Union“ weiterhin der ideengeschichtlichen Reflexion. Mit dieser Reflexion, so spekulierte ich, wird die ideenpolitische Interpretation des Projektes der europäischen Einigung endgültig in die Sphäre der politischen Philosophie eintreten (Kühnhardt 2022f, S. 105–114). Im Kap. 2 („Europäische Identität“) erinnerte ich an die erstmalige politische Verwendung des Begriffs der „europäischen Identität“ in einer außenpolitisch ausgerichteten Erklärung der Europäischen Gemeinschaft 1973. Der Europäische Rat wollte damit auf den Zusammenhang zwischen dem inneren Selbstverständnis der verbundenen Gesellschaften und der weltpolitischen Implikation ihres Zusammenstehens hinweisen. Ich griff den vom französischen Philosophen Rémi Brague geprägten Begriff der „exzentrischen Identität“ Europas auf (Brague 2002), um den häufig übersehenen Zusammenhang zwischen äußeren Impulsen und Herausforderungen sowie inneren Entwicklungen und Handlungsstrategien für die Frage nach der Bedeutung des schillernden Begriffs der „europäischen Identität“ fruchtbar zu machen. Ich erwähnte praktische Beispiele, um die Idee einer europäischen Gesellschaftsbildung zu stärken (europäische Olympiamannschaft, europaweite TV-Talkshows, Haus der Europäischen Geschichte; Kühnhardt 2022f, S. 115–123). In Kap. 3 („Europäische Wertegemeinschaft“) erinnerte ich an die klassische Unterscheidung des Soziologen Ferdinand Tönnies zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft (Tönnies 1887; jetzt dazu: Albrecht 2017, S. 1355 ff.). Die Verwendung des Wertebegriffs in der Europäischen Union ist mit unterschiedlichen kulturellen und normativen Prägekräften in den verschiedenen europäischen Gesellschaften konfrontiert. Seit dem Vertrag von Lissabon (2007) hat der Begriff von Europa als Wertegemeinschaft Eingang in die politische und rechtliche Selbstdeutung der EU gefunden, ohne dass damit weitere Aushandlungsprozesse hinsichtlich der konkreten Anwendung dieses Begriffs vermieden werden können. Der Begriff der europäischen Wertegemeinschaft bleibt relational, bezogen auf spezifische Sachverhalte und vielfältige Deutungsmöglichkeiten, ausgesetzt. Eng verbunden mit dem Begriff der europäischen Wertegemeinschaft ist die Idee der Solidarität. Dieser Begriff ist nicht weniger schillernd und vielseitig verwendbar, erläuterte ich. Keineswegs konsensual ist das Verständnis von Solidarität als wechselseitiges Verpflichtungsverhältnis, dass sich abhebt vom philanthropischen Begriff der Menschen- bzw. Nächstenliebe und dem justiziablen Begriff der Gerechtigkeit (Kühnhardt 2022f, S. 124–132). In Kap. 4 („Euro-Sprache“) erörterte ich die Funktion des Wortes „Europa“ in der politischen Sprache. Ich diskutierte zunächst die Probleme des Übersetzens angesichts immer wieder auftretender unterschiedlicher Bedeutung grundlegender europapolitischer Begriffe in den Amtssprachen und kulturellen Kontexten der EU-Mitgliedsstaaten. Originäre Begriffsbildungen haben bisher im Kontext der europäischen Einigung einen eigenwilligen Weg genommen. Er zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die wenigen spezifisch mit dem Epitheton „Euro“ oder „Europa“ verbundenen Begriffe polemischer Natur sind („Euroskeptizismus“) oder aus der Defensivhaltung gegenüber äußeren

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Bedrohungen heraus entstanden sind („europäische Energiesolidarität“). Selten sind positiv gemeinte Konnotationen anzufinden wie das Wort von der „Euro-Politics“, das im Zuge der Entscheidungen über die Einführung des Euro mit dem Währungsbegriff spielte, ohne indessen angemessen begründet zu werden. Ich zeigte meine Verwunderung darüber, dass das in der EU zirkulierende politische Vokabular häufig in eigentümlichem Kontrast zu der Diskussionskultur in der EU steht. Die politische Sprache technisiert offenbar gerne eminent machtpolitische Vorgänge („europäisches Semester“, „two-pack“). Das Kapitel fragte nach Intention und Funktion dieser sprachpolitischen Vorgänge. In der traditionellen europäischen Kulturgeschichte entwickelten sich die Schlüsselbegriffe des Politischen im Ringen zwischen den Formen der Herrschaftsgestaltung einerseits und den Deutungsangeboten ideengeschichtlicher Großdenker andererseits. Die entsprechenden Begriffsbildungen waren Folge des politischen Ringens, während politische Begriffe im Kontext der EU oftmals geradezu an die Stelle des politischen Ringens getreten sind und dieses bestenfalls eingezäunt haben (Kühnhardt 2022f, S. 133–138). Teil IV („Machtfragen“) begann in Kap. 1 („Europäische Souveränität“) mit einer genauen Analyse des von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron 2017 formulierten Begriffs, durch den eine neue Denkfigur in die europapolitischen Diskussionen eingeführt worden ist. Jenseits der Frage nach einer unmittelbaren Verwirklichung und den damit wie üblich verbundenen Schwierigkeiten in der EU ist zunächst einmal eine Reflexion des Begriffs „europäische Souveränität“ unter ideengeschichtlichen Aspekten sinnvoll, argumentierte ich. Ich stellte zunächst fest, dass die großen Begriffe des Politischen traditionell entweder als politische Ritualbegriffe verwendet worden (Transparenz, Good Governance) oder als Kampfbegriffe gegen praktische und grundsätzliche Defizite der Europäischen Union eingesetzt worden sind (Demokratiedefizit). Zu häufig blieben zentrale Begriffe des Politischen ohne tiefere Reflexion (der Souveränitätsbegriff, die Formel von der Legitimität). Begriffe dieser Ebene gründen in einer genuinen europäischen Ideengeschichte. Sie wurden im Rahmen der Europäischen Union üblicherweise mit einer genuinen EU-Konnotation verwendet: Von Souveränitätstransfer ist die Rede oder von Legitimitätsdefiziten. Nach den Begriffen der staatlichen Herrschaftssouveränität (Jean Bodin), der Volkssouveränität (John Locke, Jean-Jacques Rousseau) und der völkerrechtlich relevanten Souveränität der Staaten (Georg Jellinek) hat Emmanuel Macron mit dem Begriff der „europäischen Souveränität“ 2017 eine weitere Denkfigur geschaffen. Sie wird das politische Denken der Europäischen Union unter den Bedingungen einer rauer gewordenen Weltpolitik und inmitten innereuropäischer Anfechtungen des Integrationsprojektes lange Zeit beschäftigen, befand ich (Kühnhardt 2022f, S. 141–150). Im Kap. 2 („Steuerhoheit“) beschrieb ich Haushaltsfragen als Kern aller politischen Fragen. Solange die Europäische Union nicht über eine Finanzverfassung verfügt, die es ihr ermöglicht, die ihr übertragenen Aufgaben wirksam zu erfüllen, werden Enttäuschungen über die EU immer Legitimationsprobleme für die EU bleiben. Die EU hat bisher das parlamentarische Recht auf Mitbestimmung über die Ausgaben

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massiv erweitert. Die Festlegung der EU-Einnahmen aber bleibt weithin Monopol der Mitgliedsstaaten. Damit fehlt ein zentrales Element des politischen Denkens der Europäischen Union, argumentierte ich. Mit Rückgriff auf den aus der Antike stammenden Topos des „oikos“ diskutierte ich die Frage der Begründung privater Abgaben in föderalen Systemen. Die Europäische Union müsse sich bei diesem Thema gedanklich so weiterentwickeln, dass politische Entscheidungen dazu führen, die EUEigenmittel zu generieren, die zur Absicherung europäischer Souveränität notwendig seien, lautete mein Plädoyer. Der Corona-Wiederaufbaufonds des Jahres 2020 bedeutete fast eine Verdoppelung der EU-Eigenmittel. Das angemessene Niveau dieser Eigenmittel aber wird erst dann erreicht sein, wenn mindestens fünf bis sieben Prozent des gemeinsamen Bruttosozialprodukts der EU für die öffentlichen Ausgaben der EU aufgewendet werden können (Kühnhardt 2022f, S. 151–161). In Kap. 3 („Unionsverfassung“) notierte ich zunächst, dass der Föderalismusbegriff immer wieder zu ritualisierten Diskussionen über die Finalität der Europäischen Union herangezogen worden sei. Zwei Sachverhalte hätten dabei immer wieder zu Blockaden in der Herausbildung einer konsensualen theoretischen Einordnung des Begriffs „föderal“ im Kontext der europäischen Integration geführt. 1. Begriffsunterschiede, die sich vor allem zwischen dem angelsächsischen und dem deutschen Verständnis von „föderal“ zeigen. 2. Interpretationsunterschiede, die sich immer wieder aus der Frage ergaben, ob mit „Föderation“ ein Zustand oder ein Prozess gemeint ist. Ich erinnerte daran, dass Carl Joachim Friedrich schon 1968 empfohlen hatte, intensiver als bis dahin üblich die Prozesse der Integration zu studieren. Dies ist seither ausführlich geschehen, doch immer noch ist der Streit nicht beigelegt, ob die EU nun ertragreicher als Struktur oder als Prozess erklärt werden müsse. Die Formel vom „Staatenverbund“, die das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Maastricht-Vertrag erfunden hat, hat nicht befriedet, sondern neues Öl in das noch immer nicht ausgebrannte Feuer gegossen. Ertragreicher wäre es, endlich Konsens zu finden über den Hallstein-Begriff Der unvollendete Bundesstaat (Hallstein 1969). Die EU, so formulierte ich dogmatisch, sei seit Beginn ihrer Existenz eine Föderation eigenen Typus. Allein, ihr fehlt eine Verfassung. Ich schlug vor, eine Verfassungscharta zu formulieren, die dem jetzigen Primärrecht mithilfe der Passerelle-Klausel als „mission statement“ vorangestellt werden kann, ohne erneut einen ungewissen Verfassungsratifikationsprozess auszulösen (Kühnhardt 2022f, S. 162–169). Im Kap. 4 („Strategische Sicherheit“) kontrastierte ich die Ambitionen der EU, eine weltpolitische Rolle auszufüllen, mit den verschiedenen Paradoxien und Widersprüchen, die dieser Ambition weiterhin entgegenstehen. An erster Stelle mangelt es an einem gemeinsamen strategischen Denken über die einzelstaatlichen Herangehensweisen hinaus. Es gelte, so argumentierte ich, die politischen Instrumente der EU weltpolitikfähig zu machen. Ich entwickelte meine Überlegungen zur auswärtigen Innenpolitik weiter. Die mutwillige Zerstörung der europäischen Friedensordnung durch Russland ließ nur einen Schluss zu: Die Europäische Union musste Macht unter Mächten

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sein wollen, wenn sie überleben wollte und die eigene Lebensweise sichern wollte (Kühnhardt 2022f, S. 170–180). In Teil V („Folgerungen“) stellte ich zwei Begriffe in den Mittelpunkt, die mir besonders wichtig erschienen: in Kap. 1 den Begriff der Selbstbehauptung („Selbstbehauptung: Eine in die veränderte Welt gestellte Europäische Union“; Kühnhardt 2022e, S. 183–194), in Kap. 2 den Begriff der Regierungsfähigkeit („Regierungsfähigkeit: Eine gegen die europäische Geschichte gedachte Europäische Union“; Kühnhardt 2022e, S. 195–206). Ich leuchtete den weltpolitischen Kontext aus – zumal vor dem Hintergrund des brutalen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine –, in dem die EU künftig über ihre Gestaltungsspielräume und Interessen zu reflektieren hat. Die EU sei keineswegs auf dem Weg zu einem expansiven Imperium. Aber sie müsse eine Weltmacht sein, eine Macht unter Mächten, die sich zugleich mit den Ambivalenzen und Grenzen des Fortschrittsbegriffs auseinandersetzt. Ich begründete mit allem Nachdruck die Notwendigkeit, ein handlungsfähiges Regierungssystem zu entwickeln. Das politische Denken der Europäischen Union wird sich darin zu bewähren haben, diesen Wandel von Governance zu Government zu befördern und damit die EU auf die Höhe der von ihr erwarteten Aufgabenbewältigung zu führen. Die politische Philosophie der Europäischen Union, so lautete meine Schlussfolgerung, stand erst am Anfang, so wie die Europäische Union selbst. Die Utopie europäische Einigung – eine gegen die Erfahrungen mit der europäischen Geschichte gesetzte positive Utopie – begann sich nach sechs, sieben Jahrzehnten zu konsolidieren. Die EU war kein Phantasiegebilde, sondern eine schrittweise gewachsene, solide und realistische Wirklichkeit. Auch in dieser Hinsicht verliefen, schrieb ich, die Prozesse der politischen Philosophie im Vergleich der europäischen Kulturgeschichte und Staatengeschichte mit der Entwicklung der politischen Kultur und Ordnung der Europäischen Union spiegelverkehrt: Die Ursprungsideen der politischen Philosophie waren, alles in allem, fast jederzeit von Optimismus und Fortschrittsglauben getragen. Die politische Philosophie, die sich aus der Erfahrung mit und in der Europäischen Union herausbildete, war demgegenüber eher von Vorsicht und Zurückhaltung gekennzeichnet. Sie war eher skeptisch im eigentlichen, philosophischen Wortsinn als ambitioniert oder rechthaberisch. Gerade darin lag, so argumentierte ich, vermutlich das Geheimnis ihrer Zukunftskraft. In jedes Kapitel meiner Studie hatte ich mit einigen Fragestellungen und Anregungen für eine kreative Seminarstunde eingeführt. Am Ende jeden Kapitels standen jeweils fünf Übungsfragen zur weiteren Vertiefung des Stoffes. Ich erarbeitete Lösungsskizzen, die der Verlag ergänzend zum Buch online bereitstellte. In meinem Vorwort hatte ich darauf hingewiesen, dass ein deutschsprachiges Lehrbuch für eine deutschsprachige Hochschullandschaft immer nur einen Teilausschnitt des Denkens der Europäischen Union wiedergeben kann. Europa werde überall gedacht, wo Unionsbürgerinnen und Unionsbürger dies in einer der 24 Amtssprachen der EU tun. Auch dies gehörte für mich zu den wichtigen Argumenten für die Europäische Union. Sie war und blieb die beste Erfindung der politischen Kultur Europas, weil sie eine permanente Lerngemeinschaft für alle

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Abb. 9.41   Mit Litauens ehemaligem Staatspräsidenten Valdas Adamkus und dem Gründer der European Humanities University, Anatoli Mikhailov, in Vilnius (2015). (©Ludger Kühnhardt)

Beteiligten ist, weil sie alle nur denkbaren Monopole brechen kann, aber auch weil alle an der EU Beteiligten nach wie vor noch viel zu lernen haben, um weltfähig zu werden. Mit meiner Studie wollte ich auch die Erinnerung an einige wichtige Gedanken wachhalten, die ich von Marek Siemek über die Dichotomie zwischen Wissenschaft und Leben gelernt hatte. Ich hatte daran bei meinem Vortrag 2014 in Zakopane erinnert (Kühnhardt 2014f). Marek Siemek, Ehrendoktor meiner Bonner Universität, hatte die geisteswissenschaftlichen Umwälzungen nach der Postmoderne auf drei Begriffe gebracht (Siemek 2000, S. 185 ff.): 1. Der Übergang von der epistemischen auf die epistemologische Denkebene: „Auf dieser Ebene wird … das Denken erst recht zur Epistemologie, nämlich soweit es alle wirklichen Formen unserer episteme als unmittelbaren Wissens-von-der-Welt nicht allein in bezug auf die bloße Offenbarkeit dessen betrachtet, was sich in ihnen direkt artikuliert, sondern auch hinsichtlich dessen, wie diese Artikulation selbst erfolgt … Die so verstandene epistemologische Philosophie, die nicht anderes ist als Bewegung eines eben diesen Horizont schaffenden Denkens, wäre … zugleich die richtige Ontologie der epistemischen Formen der menschlichen Erfahrung.“ 2. Die Erschließung neuer Dimensionen „der sinnbildenden Intersubjektivität“: „Es ist das Sein eines Sinnes, nicht etwa die nackte Existenz irgendeiner rein

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ontischen Wirklichkeit ‚an sich‘. Allerdings ist auch der Sinn nichts Vorgegebenes, sondern etwas, was sich innerhalb bestimmter Bedeutungs- und Beziehungssysteme, d. h. immerhin im zwischenmenschlichen Raum des gemeinschaftlichen Bildens erst enthüllt.“ 3. Geschichtlichkeit, Gesellschaftlichkeit und Kultur werden nicht mehr als ein Gegenüber des Menschen, sondern als Teil des Seins angesehen. In Bezug auf die Geschichtlichkeit bedeutet dies, mit Marek Siemek, „dass das ‚In-der-Geschichte-Sein‘ oder das ‚Geschichte-Haben‘ … keine sekundäre Eigenschaft, sondern das ursprünglich ontologische Wesen unseres Seins ausmacht.“ In Bezug auf Gesellschaftlichkeit folgt daraus, wiederum mit Siemek, dass die Analyse „des Subjekts und seiner direkten Selbsterfahrung … in der ontologischen Grundstruktur der menschlichen Subjektivität jene unhintergehbare Modalität des ‚In-der-Welt-Seins‘ nicht übersehen [kann], das vor allem eben ein Mit-Sein mit den Anderen bedeutet.“ In Bezug auf Kultur schließlich meint diese Sichtweise „jene Einheit, innerhalb deren ‚Mensch‘ und ‚menschliche Welt‘ sich gegenseitig hervorbringen, und zwar im zwischenmenschlichen Raum der sinnvollen Objekte und gesellschaftlich objektivierten Sinne.“ Soweit Marek Siemek. 2022 übergab ich meine Studie Politisches Denken der Europäischen Union. Supranational und zukunftsoffen dem universitären Lehrbetrieb und damit der fortwährenden Aufgabe, den Raum einer politischen Philosophie zu vermessen, der sich je länger, je mehr auch aus der originären Erfahrung mit der europäischen Einigung weiterentwickelt. Die europäische Einigung, davon war ich überzeugt, würde sich auch weiterhin in der Zeitgeschichte entfalten und selber Ausdruck der Gesellschaft jener sein, die die EU führen und gestalten. Vor allem aber würde sie weiterhin ihre genuin eigene Kultur der Integration bilden, eine ganz eigene europäische politische Kultur. In studentischen Seminaren, die ich über mehrere Semester am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Bonner Universität durchführte, wurden das Buch, sein Aufbau und die begleitenden Fragen durchweg positiv aufgenommen. Kollegen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen reagierten ermutigend. In wenigen Wochen trudelten Reaktionen und Briefe über Briefe bei mir ein. Der Wiener Historiker Wolfgang Schmale schickte am 1. August 2022 eine schöne E-Mail: „Das Buch liefert jede Menge willkommene Akzentuierungen, ich stimme Ihnen zu, dass das politische Denken der EU bisher viel zu marginal behandelt wurde. Ich denke, das Buch ist auch für Geschichte-Studierende äußerst gut geeignet. Sie öffnen viele Türen.“ Mein Freund, der Hildesheimer Historiker Michael Gehler, schlug am 4. August 2022 in die gleiche Kerbe: „Das Buch ist sicher von großem Interesse auch für meine Studierenden. Gerne werde ich es empfehlen.“ Sein Aachener Kollege Armin Heinen wurde am 15. August 2022 grundsätzlicher: „Als ich Ihr neues Buch in meiner Postablage in der Universität fand, war ich mehr als erfreut und sofort fasziniert. Denn, was Sie da mit Ihrem Lehrbuch anstreben, scheint mir dringend erforderlich. Wie wichtig Ihr Buch ist, das wird an Ihren Fragen deutlich. Sie sind vermutlich der allerbeste Anreiz, sich Ihr Werk intensiv anzuschauen und systematisch durchzuarbeiten. Ich bin mir sicher, dass Ihr Buch bald als Standardlektüre für alle europabezogenen Lehrveranstaltungen gelten wird.“

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Abb. 9.42   Sitzung des Governing Board der European Humanities University in Vilnius mit (von rechts) Lina Gorbacioviene, Michael Kennedy, Mindaugas Kaslauskas, Sergei Ignatov, Per Carlsen, Anatoli Mikhailov und Eva Srijber (2018). (©Ludger Kühnhardt)

Der Frankfurter Rechtswissenschaftler Uwe Volkmann schrieb am 12. August 2022 fast im Ton eines Gutachtens: „Ihren Befund, dass die Europäische Union nicht nur wirtschaftlich und nun auch militärisch bedroht ist, sondern in vielleicht noch höherem Maße als eine geistig-politische, den Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtete Lebensordnung, kann man nur unterschreiben; umso wichtiger ist es, die europäischen Grundideen – oder, wie Sie sagen, die Grundbegriffe’ – immer wieder kritisch zu reflektieren und sich ihre fortdauernde Aktualität bewusst zu machen, ohne die Defizite zu verschweigen.“ Die Europarechtlerin Adelheid Puttler von der Ruhr-Universität Bochum lobte am 26. August 2022: „Die Themen, die Sie behandeln, sind nicht nur grundlegend, sondern auch von aktueller politischer Bedeutung. Ihre Erkenntnisse dazu interessieren mich sehr.“ Ihr Bonner Jura-Kollege Matthias Herdegen hatte mir schon am 26. Juli 2022 attestiert, dass ich „mit klarem Duktus den Leser zu den entscheidenden Fragen und Weichenstellungen“ führe. Die Bielefelder Jura-Professorin und frühere Richterin am Bundesverfassungsgericht, Gertrude Lübbe-Wolff, schrieb sehr nett am 3. August 2022: „Dieses Buch werde ich sowohl des Themas wegen als auch weil es von Ihnen ist, mit großem Interesse lesen und freue mich darauf.“ Der Philosoph Ludger

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Honnefelder wurde am 24. August 2022 praktisch: „Das Buch gibt ein eindrucksvolles Gesamtpanorama der Grundlagen der EU, ein Zusammenhang, den die aktuellen Diskussionen zu wenig sichtbar machen bzw. in Erinnerung rufen.“ Demgegenüber ging Peter Becker von der Stiftung Wissenschaft und Politik am 25. August 2022 ins Grundsätzliche: „Ich habe Ihr Buch leider noch nicht ganz gelesen, aber die ersten Kapitel liefern bereits einen interessanten und sehr guten Ein- und Überblick in die normativen Diskussionen über den europäischen Integrationsprozess und dessen Entwicklung.“ Dass bleibt, wer schreibt, versprachen mir einige, die auf mein Buch reagierten: „Das politische Denken der Europäischen Union habe ich noch nicht gelesen und werde es auf jeden Fall erst anschließend in die Bibliothek unserer Schule geben, wo es sicher gute Dienste tun wird“, schrieb mir am 3. August 2022 Jesuitenpater Martin Löwenstein, Direktor des Bonner Aloisius Kolleg, der 1988 als Student in einem meiner ersten Seminare gesessen hatte. „Ich bin gespannt auf die Lektüre und werde das Buch im Anschluss gerne auch meinen Mitarbeiter*innen und Student*innen zur Verfügung stellen“, schrieb Clemens Fuest, der Präsident des IFO Instituts für Wirtschaftsforschung am 3. August 2022 ganz politisch korrekt. Ryszard Rapacki, international angesehener Ökonom an der Warschauer Business School sekundierte am 28. August 2022: „I will make it available also to my colleagues in the Department of Economics.“ Franck Debié, der Direktor der Parlamentarischen Forschungsdienste des Europäischen Parlaments meldete sich mit einem Schreiben vom 2. September 2022: „I am pleased to inform you that your publications have been included in the Library of the European Parliament’s collection and are available for consultation by all Members and staff of the European Parliament.“ Mancher in Brüssel verfügte durchaus auch über eine gut sortierte private Bibliothek und fand mein Buch gleichwohl nützlich: „Wenn ich in mein Bücherregal schaue, dann finde ich auch einiges zu Europa und seiner Einigung. Es ist aber doch so, dass die Ideen und Zusammenhänge im Lauf der Zeit verschwimmen oder halt vergessen werden. Deswegen bin ich froh über das Buch, denn es wird meinen Blick auf Europa (und auf mein bürokratisches Tun) erweitern, dessen bin ich mir nach inzwischen 33 Seiten sicher“, schrieb mir Bernhard von Wendland, leitender Beamter der Europäischen Kommission, am 14. August 2022. Pointiert zog der Politikwissenschaftler Markus Kornprobst von der Diplomatischen Akademie Wien am 9. September 2022 Bilanz: „Das Buch versteht es ganz ausgezeichnet, ein sehr komplexes politisches System sehr anschaulich und klar darzulegen.“ Peter Nitschke, Politikwissenschaftler an der Universität Vechta, hatte am 9. August 2022 umgehend eine Rezension im Jahrbuch Politisches Denken angekündigt und mein französischer Historikerkollege Henri Ménudier von der Sorbonne versprach Gleiches in der Zeitschrift Allemagne d’Aujourd’hui. Der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht von der Stanford University vermeldete am 10. September 2022: „Gerade habe ich in meinem Stanford-Postfach Ihr schönes Buch gefunden. Tausend Dank, ich freue mich aufs Lesen.“ Mein finnischer Kollege Matti Wiberg, Politikwissenschaftler an der Universität Turku deutete Ehrlichkeit mit dem Lesen neuer Bücher noch deutlicher an und schrieb

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am 23. August 2022: „Many thanks for the Das politische Denken der Europäischen Union -book. Will read it. My tsundoku, ie. the pile of collected but unread books is getting bigger by every month that passes, even when I read five books per week.“ So viel durfte ich nicht von Menschen erhoffen, die in einem minutiösen Terminkalender eingezwängt leben. Gleichwohl nahmen auch einige an den Schalthebeln Europas das Buch freundlich auf. Schon am 3. August 2022 hatte der EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, mich wissen lassen: „Da ich deutschsprachig bin, ist die Sprache kein Problem. Die EU steht vor gewaltigen Herausforderungen, sowohl nach Innen wie nach Außen. Ich werde deshalb Ihr Buch mit großem Interesse lesen, da es die wichtigsten Themenfelder behandelt.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des europäischen Parlaments, David McAllister, sah dies offenbar ähnlich als er am 22. August 2022 schrieb: „Die Europäische Union steht vor großen Herausforderungen. Eine große Aufgabe ist es, die EU effektiver, handlungsfähiger und vor allem bürgernäher zu machen. Ihr Lehrbuch ist ein guter Ansatz, den Bürgern die Europäische Union näher zu bringen.“ Brice Blondel, Kabinettschef des französischen Staatspräsidenten Macron dankte am 22. August 2022 aus dem Élysée-Palast: „Sensible a votre demarche, le Chef de l’Etat m’ à confie le soin de vous remercier tres sincerement de votre envoi et du temoignage que vous lui avez exprime sur les liens indefectibles d’amitie qui unissent la France et l’ Allemagne. Cette amitie, le Chef de l’Etat souhaite qu’elle se developpe encore davantage, car le couple franco-allemand doit jouer un rôle moteur dans la refondation et la rélance de l’Europe, une Europe toujours plus unie, afin de repondre a nos defis communs.“ Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, teilte mir am 26. August 2022 ihre Hoffnung mit: „Ich freue mich auf die Lektüre des Buches, welches eine interessante Analyse des Einflusses der EU auf die Entwicklung des politischen Denkens und politischer Philosophie verspricht.“ Der Freund und tschechische Informatiker Michal Rerych formulierte am 19. August 2022: „Ich muss schreiben, dass mein Weltbild oder Ansicht darüber, was Europa anbelangt, sehr nah an Deinen sind. Ich würde von der ganzen EU öfter eine klare Einstimmigkeit gegenüber Russland erwarten. Aber ich bin kein Diplomat oder Politiker, die fast immer die Kompromisse machen müssen.“ Perfekt diplomatisch, aber auch in persönlicher Verbundenheit klang es dann am 26. August 2022 im Schreiben des Kabinettschefs des spanischen Königs Felipe VI., Emilio Tomé de Vega: „Estimado amigo: Me complace informarle de que Su Majestad el Rey ha recibido el ejemplar de su libro, Das politische Denken der Europäischen Union. Su Majestad, me encarga que, en Su nombre, le agradezca esta publicación y sus amables palabras, y le envie un cordial saludo, lo que cumplo con el mayor agrado.“ Mein Freund, der deutsche Botschafter in Paris, HansDieter Lucas, ordnete den wissenschaftlichen Charakter des Buches mit Schreiben vom gleichen Tag ein: „Ein Lehrbuch zum politischen Denken der EU halte ich für eine sehr originelle Idee – so etwas gab es noch nicht. Aus meiner Sicht richtig, die Frage nach Inhalt und Reichweite europäischer Souveränität zu stellen.“

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Der Studienfreund und koreanische Diplomat Chan Boum Lee schrieb berührend am 14. August 2022: „Von welchen Grundbegriffen des politischen ist die Europäische Union geleitet? Was für eine fundamentale und wichtige Frage! Ich werde das Buch mit größtem Interesse lesen. Ich habe noch alle Deine Bücher. Mein Wissen über Europa kommt zum großen Teil von Kühnhardt sensei [Lehrer].“ Jürgen Rüttgers, früherer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen schrieb am 24. August 2022: „Ich habe mit großem Interesse das neue Lehrbuch über das politische Denken der Europäischen Union gelesen. Ich beglückwünsche Sie ausdrücklich. Ich bin ganz sicher, dass viele Studentinnen und Studenten, die sich mit der europäischen Frage beschäftigen, das Thema zur Grundlage ihrer Forschungstätigkeit heranziehen werden.“ János Martonyi, ehemaliger ungarischer Außenminister, ermutigte mich am 1. September 2022: „I tend to agree with many of your approaches and conclusions and hope to revert at least to some of them. I hope you continue to write equally interesting and important studies.“ Der Bischof von Essen und Vizepräsident der Europäischen Bischofskonferenz ComECE, Franz-Josef Overbeck, notierte am 11. September 2022: „Für meine Arbeit bin ich durch Ihre Thesen sehr angeregt, neu über die innere Ordnung und die weltpolitische Strategie der Europäischen Union nachzudenken, aber ebenso über die friedenspolitische Positionierung.“ Der Schriftsteller Robert Menasse, Autor des ersten Brüssel-Romans Die Hauptstadt, musste es wissen, als er mir am 16. September 2022 diese Zeilen schrieb: „In Ihrem Begleitbrief schreiben Sie, dass Sie sich freuen würden, wenn es für mich von Interesse wäre. Au ja, Professor, das ist für mich von größtem Interesse! Sie beschäftigen sich mit Fragen, die auch mir stetig durch den Kopf gehen, und da bin ich für Anregungen, Gedanken und Informationen immer überaus dankbar.“ Der Freiburger Historiker Wolfgang Reinhard hatte sich am 26. August 2022 nach dem Lesen noch einmal und recht grundsätzlich gemeldet: „Inzwischen habe ich in Ihrem neuen Buch gelesen und bin dabei zu folgenden Schlussfolgerungen gelangt, die ich Ihnen vielleicht doch nicht vorenthalten sollte: Zentral ist nicht nur für mich das Problem einer europäischen Souveränität. Diese ist aber nur möglich, wenn die Schlüsselrolle des europäischen Rates als im Grunde undemokratischer Machthaber auf diejenige eines parlamentarischen Oberhauses von der Art deutscher Bundesländer oder amerikanischer Staaten reduziert wird. Das wissen die nationalen Exekutiven selbstverständlich zu verhindern. Zusätzlich wäre die Ausbildung und Förderung einer europäischen politischen, nicht nur kulturellen Identität erforderlich, die bisher in den meisten Medien sorgfältig verhindert wird. Diese könnte eigentlich durchaus mehrstöckig ausfallen, z. B. Franken – Bayern – Deutsche – Europäer. Ich war aber schon immer der Auffassung, dass dieser entscheidende Doppelschub in der weitgehend profitorientierten EU unmöglich ist, wenn die Europäer nicht irgendwie gemeinsam unter Druck geraten und diesen Druck zum Ausbau einer Bundesrepublik Europa zu nutzen wissen. Theoretisch wäre der Ukraine-Krieg eine solche Möglichkeit. Doch wird ihn jemand dazu zu nutzen wissen?“ Die Frage war nur zu berechtigt. Sie durchzog auch bei einer Präsentation meines Buches in der Münchner Gesellschaft für Außenpolitik am 21. November 2022 alle Gespräche in illustrem Kreis.

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Abb. 9.43   Immer wieder blickte ich über die östlichen Außengrenzen der EU hinaus: Bei den Gagausen in der Republik Moldau (2015). (©Ludger Kühnhardt)

2022 traf mein Buch auf eine Wirklichkeit, die niemand sich hätte bedrückender vorstellen können. In Europa fand der größte Angriffskrieg seit 1945 statt. Ich war durch unterschiedliche Aktivitäten und Erfahrungen vorgeprägt und vorgewarnt. Im postsowjetischen Raum ging das existenzielle Ringen um Freiheit und Selbstbestimmung seit über 30 Jahren weiter. Das Ende des Kalten Krieges und selbst das Ende der Sowjetunion hatten nicht das Ende von Regimen bedeutet, die ihre Bürger unterdrücken, weil ihnen die Freiheit suspekt ist. Sie haben Angst, Privilegien und Macht zu verlieren, die sich die Träger dieser Regime nur als Nullsummenspiel vorstellen können. Die Entfaltung der eigenen Gesellschaft bedeutet Machtverlust für diejenigen, die den Staat und seine Ressourcen als ihren persönlichen Besitz ausbeuten. Sie verstecken ihre materiellen Interessen hinter Parolen über Ehre und Stärke der Nation. Auch im postsowjetischen Europa existieren die schlimmsten Ausbeutungssysteme dort, wo die menschliche Freiheit als Gefahr gilt. Die Entwicklung einer pluralistischen und weltoffenen geisteswissenschaftlichen Kultur bleibt unter solchen Bedingungen die beste Voraussetzung für jede junge Generation, eine eigenverantwortliche Sicht auf die Welt zu entwickeln und Lebenschancen zu mehren. In diesem Geiste hatte der belarussische Philosoph Anatoli Mikhailov 1992 in Minsk die „European Humanities University“ (EHU) gegründet. 1994 war ich Anatoli dort erstmals begegnet (Verknüpfte Welten Kühnhardt 2021d, S. 451).

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1999 kam Mikhailov zu einem Forschungsaufenthalt ans ZEI nach Bonn. Der in Jena als Fichte-Experte ausgebildete Philosoph, ein hagerer, sportlicher Mann, hatte seine Lebensaufgabe gefunden, um einen unverwechselbaren Beitrag zur Förderung pluralistischer Geisteswissenschaften im postsowjetischen Raum zu leisten. 2004 schloss der Langzeitdiktator von Belarus, Alexander Lukaschenko, die „European Humanities University“ (EHU). Alles schien verloren. In Litauen fand die EHU Verbündete. Bald ging der Studienbetrieb von Vilnius aus in der ersten und einzigen Exiluniversität weiter, die es im 21. Jahrhundert in Europa gibt. Zufällig traf ich Anatoli Mikhailov 2014 in Rom bei einem Treffen der europäischen Alumni des Woodrow Wilson International Center for Scholars wieder. Dort hatte auch Mikhailov eine Zeit arbeiten können, so wie ich. Unterdessen war er 75 Jahre alt, noch immer hellwach und zäh, aber weiterhin in Sorge um sein Lebenswerk. Er bat mich, nach Vilnius zu kommen. Die bisherige Bilanz konnte sich sehen lassen: In Belarus lebten 850 Alumni aus den ersten Studienjahren der EHU in Minsk. Seit der Aufnahme des Lehrbetriebs in Vilnius waren 2124 Alumni hinzugekommen. 2015 studierten 880 überwiegend belarussische Studenten an der EHU. Sie wurden unterrichtet von gut 100 Dozenten in neun Studienprogrammen, die durch acht Forschungszentren ergänzt wurden. Im Bereich der Sozialwissenschaften, der Geistes- und Kulturwissenschaften war ein Anfang gemacht, damit der intellektuelle Nachwuchs von Belarus Anschluss an die westlichen Traditionen finden konnte. Vom 2. bis 4. März 2015 unternahm ich den ersten von zehn Aufenthalten an der European Humanities University, die mich zwischen 2015 und 2019 eine schwierige, aber am Ende erfolgreiche Phase des Umbaus und der Erneuerung der EHU miterleben und mitgestalten ließen. Neben den jungen Belarussen, die in Vilnius studierten, waren 1000 Studierende per Fernstudium online aus Belarus heraus mit den Dozenten der EHU in Vilnius verbunden. Gelegentlich wurden Studierende durch den belarussischen Geheimdienst bedrängt, hörte ich. Alles sei in Belarus wie früher in der Sowjetunion, nur unsystematischer, da das belarussische Regime unprofessionell sei. Regime-Change aber war längst keine Option mehr in Belarus. Die meisten Studierenden, die ich traf, waren 1989/1990 noch nicht geboren. Sie würden bis ins späte 21. Jahrhundert in den Konsequenzen der heutigen Entwicklungen und Unsicherheiten leben. Ich schlug Anatoli Mikhailov vor, über eine Erneuerung und Ausweitung des Mandats der EHU nachzudenken. Europa benötigt Plattformen, in denen sich Intellektuelle aus allen Teilen der EU und Nordamerikas mit Gleichgesinnten aus Russland und den anderen postsowjetischen Republiken treffen und austauschen können. Würde die EHU sich in diese Richtung weiterentwickeln, könnte die EHU über den reinen Studienbetrieb für junge Belarussen zu einer Brücke zwischen den euroatlantischen und den eurasischen Welten von Wissenschaft und Kultur werden. Anatoli Mikhailov berichtete, die Zukunft der EHU hänge einstweilen am seidenen Faden. Ob ich nicht ehrenamtlich im Governing Board, dem Hochschulrat, mitarbeiten könne? Es stünden wohl die heikelsten Jahre bevor.

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Ich war in diesem März 2015 wie auch bei späteren Gelegenheiten erfreut, dass in der Staatsführung von Litauen die Bedeutung der EHU verstanden wurde. Wie großartig hatte Litauen sich entwickelt seit meinem ersten Aufenthalt 1992. Damals hatte ich Sandsäcke vor dem Parlament in Vilnius gesehen und immer noch Angst vor russischen Panzern in den Augen der Menschen (Kühnhardt 2021d, S. 415 ff.). 1994 hatte ich den Staatsgründer Vytautas Landsbergis kennengelernt, den umtriebigen Außenminister Algirdas Saudargas, der 1997 einer meiner ersten Gäste am ZEI war, und Dalia Grybauskaitė, damals Leiterin der Wirtschaftsabteilung im Außenministerium und spätere Staatspräsidentin (Kühnhardt 2021d, S. 453 ff.). Wir sahen uns erst viele Jahre später wieder, beim Aachener Karlspreis 2014. 1998 kam ihr Vorgänger Valdas Adamkus zu einem Vortrag auf meine Einladung nach Bonn. 1999 suchte ich Präsident Adamkus in Vilnius auf (Kühnhardt 2021d, S. 584 f.) und traf ihn auch 2015 während meines Engagements an der EHU wieder. Zwischen 2001 und 2003 hatte ich mehrfach das Außenministerium von Litauen bei der Entwicklung seiner EU-Strategie beraten. Dort waren Staatssekretär Rytis Martikonis und Žygimantas Pavilionis, der damalige Leiter der Europaabteilung, meine Hauptgesprächspartner. 2004 konnte Litauen der NATO und der EU beitreten. Seit dem 1. Januar 2015 wird in Litauen mit dem Euro bezahlt. Das Land ist vollends mitten in der EU angekommen. Ganz anders war die Situation damals in der Ukraine, wo sich die Entwicklungen zuspitzten. Seit 2013 gab es Massenproteste in Kiew gegen das prorussische Regime des Präsidenten Viktor Janukowitsch. Bei einem zweifelhaften Referendum auf der Halbinsel Krim votierte im März 2014 die Mehrheit der Wahlberechtigten für den Anschluss an Russland. Unter Anwendung offener Gewalt und mit Bruch des Völkerrechts wurde die Annexion der Krim durch Russland vollzogen. Ähnliche Voten kamen in den ostukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk zustande. Dort blieb die Lage indessen ungeklärt. Proeuropäische Mehrheiten bei den ukrainischen Präsidenten- und Parlamentswahlen im Herbst 2014 wurden von den prorussischen Separatisten abgelehnt. Der neu gewählte Präsident Petro Poroschenko geriet immer mehr unter Druck. Gewalt eskalierte im Donbass. Auf europäische Vermittlung kamen zwei Abkommen in Minsk zustande, das wichtigere Minsk-II-Abkommen am 12. Februar 2015. Wie ein Damoklesschwert schwebte dennoch auch in den nächsten Jahren die Gefahr einer weiter um sich greifenden hybriden Kriegsführung über der Ukraine. Vor dem Hintergrund dieser bedrückenden Entwicklung in der Nachbarschaft frischte ich im März 2015 meine Eindrücke über Litauen in vielen Gesprächen wieder auf. Aber fast immer kamen meine Gesprächspartner nach kürzester Zeit auf die besorgniserregenden Entwicklungen in der Ukraine zu sprechen. Erstmals seit der Unabhängigkeit 1991, so erzählte mir Klaudijus Maniokas, Chef einer kleinen Beratungsfirma für EU-Fragen, früherer Mitarbeiter des Außenministeriums im Beitrittsprozess und als Politikwissenschaftler früher auch einmal Gastforscher am ZEI, sei die Mehrheit der Litauer zufrieden mit ihrem Leben. Ich sah in diesen Tagen erstmals einen amerikanischen GI in voller Uniform mit US-Flagge am Oberarm in der Altstadt von Vilnius. Ob die Litauer Sorge vor einem Übergreifen der

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hybriden Kriegsführung und Destabilisierung Litauens durch den Kreml hätten, wollte ich von Raimundas Lopata, Professor an der Universität Vilnius, wissen. Seine Antwort: Auch nur zehn in Litauen stationierte US-Soldaten seien die beste Sicherheitsgarantie. Litauen habe aber immerhin die Wehrpflicht wieder eingeführt. Marius Janukonis, Direktor für die östliche Nachbarschaft der EU im Außenministerium meinte, in Litauen fühle man sich trotz der Kaliningrad-Korridor-Problematik sicher. Mein alter guter Bekannter Algirdas Saudargas, unterdessen Abgeordneter des Europäischen Parlaments, sah die neuen Auseinandersetzungen mit Russland als Cyber War. Das sei ernsthafter als die Gefahr einer militärischen Okkupation der Eisenbahnstrecke Kaliningrad-Minsk durch hybride Soldaten. Im Kalten Krieg sei Russland technologisch immer fünf Jahre der westlichen Forschung unterlegen gewesen. Dieser Abstand müsse gehalten werden, um nicht dem Propagandakrieg Russlands zu unterliegen. Den ehemaligen Staatspräsidenten Valdas Adamkus traf ich als einen von Krebs gezeichneten Mann wieder. Aber noch immer war er willensstark und präsidentiell. Am erfolgreichsten in den vergangenen zehn Jahren, seit unserem ersten Treffen, so sagte er mir, sei der materielle Fortschritt infolge der EU-Mitgliedschaft. Politisch sei die EU aber nicht viel vorangekommen. Wütend und zornig brach es aus ihm heraus, dass die EU die Ukraine und Georgien habe fallen gelassen. Jetzt seien beide Länder, für deren NATO-Mitgliedschaft er sich so eingesetzt habe, so gut wie verloren. Wir schrieben März 2015. Trotz des grauen und schäbigen Gebäudes, in dem die European Humanities University (EHU) damals am Stadtrand von Vilnius untergebracht war, wollte ich die belarussischen Studierenden bei meinem ersten Vortrag an der EHU ermutigen und erinnerte an das alte polnische Wort, wenn man Geschäfte machen wolle, gehe man nach Lodz, wenn man Weisheit suche, gehe man nach Vilnius. Für mich standen bald regelmäßige Sitzungen des ehrenamtlich tätigen Governing Board auf dem Programm. Wir trafen uns bis zum Ende meines Mandats am 29. März 2015, 22./23. Januar 2016, 27./28. März 2017, 16./17. November 2017, 19./20. Februar 2018, 25./26. Juni 2018, 21./22. Janaur 2019, 10./11. Juni 2019 und am 11./12. November 2019 (Kühnhardt 2022a, passim). Tatsächlich rang die EHU seit ihrer Registrierung als private Universität in Vilnius um ihre Existenz. Es war beeindruckend, dass immerhin 62 % der Graduierten nach Belarus zurückkehrten. Bei vielen Gelegenheiten traf ich zwischen 2015 und 2019 eindrucksvolle, kreative und engagierte junge Menschen, die hoffnungsvolle junge Elite eines in Europa vergessenen Landes. Die EU unterstützte weiterhin mit einer Million Euro die Existenz der EHU. Im Mai 2016 übertrug der Nordische Rat seine Unterstützung der EHU an die schwedische Organisation für Internationale Kooperation SIDA. Koordiniert wurden alle finanziellen Aktivitäten durch die General Assembly of Part-Owners (GAPO), denen Horton Beebe-Center vorstand, der langjährige Präsident der in Washington ansässigen Eurasia Foundation. Die Studenten mussten in Vilnius Studiengebühren bezahlen, wenig im Vergleich mit westlichen Beträgen, aber doch immer wieder zu viel für viele. So hingen Finanzierungsfragen wie ein Damoklesschwert über dem Governing Board

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ebenso wie die unklaren Führungsfragen in der Universität und die künftige Ausrichtung. In Deutschlands Wissenschaftsförderungsszene stieß ich auf Vorbehalte gegenüber der EHU. Ein, zwei Presseberichte hatten ein Zerrbild gezeichnet. Der antitotalitäre Esprit der Gründungsidee wurde nicht länger verstanden. Man konnte meinen, Lukaschenko hätte Ghostwriter gespielt. Es gelang mir, bis 2019 bei den einschlägigen Stellen und auch bei Abgeordneten im Deutschen Bundestag immer wieder dafür zu werben, die internen Reformen in der EHU genauer und fairer zur Kenntnis zu nehmen. Deutschland musste doch einfach ein Interesse daran haben, sich langfristig sichtbarer in der European Humanities University zu engagieren. Anfangs ging es um das reine Überleben. Zunächst führte den Governing Board Daniel Tarschys, der frühere Generalsekretär des Europarates, aus Stockholm. Er wurde abgelöst von Anne Lonsdale, einer britischen Sinologin, die an der Nazarbayev University in Astana als Prorektorin tätig war. Wir führten anfangs lange und gelegentlich unfruchtbare Debatten im Governing Board, ob die EHU ein belarussisches Projekt sei oder eine weitergefasste internationale Mission erfüllen könnte. Nur mühsam durchschaute ich die Machtkämpfe und Interessenkonstellationen hinter den Kulissen. Manches mutete immer noch extrem sowjetisch an. Lichtblicke waren die litauischen Kollegen im Governing Board. Ich verstand mich besonders gut mit Žygimantas Pavilionis, dessen Vater Rektor der Universität Vilnius gewesen war, und mit Petras Auštrevičius, dem litauischen Verhandlungsführer beim Weg in die EU, der unterdessen Abgeordneter des Europäischen Parlaments in der liberalen ALDE-Fraktion war. Ein Durchbruch war Anfang 2017 die Benennung des früheren dänischen Spitzendiplomaten Per Carlsen zum neuen Vorsitzenden des Governing Board. Ich hatte Carlsen erstmals 2005 bei einer Konferenz in Tbilissi kennengelernt. Mit dem Acting-Rektor Jørgen Jørgensen, ebenfalls ein Däne, führte er die EHU in ruhigere Fahrwasser. Bald war der Governing Board runderneuert. Neben mir gehörten ihm schließlich an: Eva Srijber, frühere Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank, Michael Kennedy, Soziologe an der Brown University, Matts Svensson als Vertreter der SIDA, Mindaugas Kačerauskis als Vertreter des litauischen Außenministeriums, Zaneta Orsolina, Politikwissenschaftlerin aus Riga, und Megaklis Petmezas, Hochschulmanager einer Privatuniversität in Saloniki. Die Arbeit wurde pragmatisch und professionell. 2018 begann die European Humanities University Schritt um Schritt ein schönes neues Gebäude zu beziehen: Die litauische Regierung hatte ein Augustiner-Kloster aus dem 16. Jahrhundert in der Altstadt von Vilnius sehr stilvoll restaurieren lassen. Die neue Unterbringung der EHU war ein exzellentes Zeichen der litauischen Unterstützung der Universität. Unterdessen konsolidierte sich die EHU weiter. Anfang 2018 wurde Sergei Ignatov neuer Rektor. Der Ägyptologe hatte als Rektor der New Bulgaria University und zeitweiliger Wissenschaftsminister von Bulgarien höchste Meriten erworben. Besonnen und zielstrebig führte er fortan die EHU. Lina Gorbacioviene war seine rechte Hand. Der Governing Board ernannte die sehr patente Litauerin bald zur Kanzlerin der Universität. Ihr Team sympathischer und engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgte für das reibungslose Funktionieren in einem für die Belarussen doch ungewohnten Umfeld.

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Maksimas Milta war mehr als nur Pressesprecher der EHU. Der umtriebige junge Mann, mehrsprachig und multikulturell geprägt, war ein wahres Organisationstalent und zugleich Kopf hinter dem neuen Strategieplan der EHU. Er griff meine Anregung auf und organisierte recht rasch einen Brüssel-Besuch für Rektor Ignatov, um auszuloten, ob und wie die EHU ein operatives Instrument der in Neuausrichtung befindlichen EU-Nachbarschaftspolitik werden könne. Der Governing Board bat mich, meine Idee einer EHU Academy im Sinne eines Institute for Advanced Studies auszuarbeiten.6 Das Paper und die damit verbundenen Ideen wurden mehrfach wohlwollend diskutiert, denn sie zeigten das langfristige Zukunftspotential der EHU auf. Aber zunächst musste die Konsolidierungsphase der EHU komplett abgeschlossen sein, ehe Kapazitäten für Zukunftspläne frei wurden. Bis zum Ende meines Mandats im Governing Board hatten sich die Dinge gut gefügt. Nach vielen Sitzungen, Telefonaten, Korrespondenzen und

6 Auszüge

aus meinem Papier vom 25. Juni 2018: „With its consolidated location in Lithuania, EHU has good reason to expand its horizon and advance its mission by looking at its broader potential. Research and outreach should become the second pillar EHU needs to develop in the years ahead. In doing so, EHU will complement and broaden its initial mission. Both from within EHU as well as from external observers, EHU has been encouraged to strengthen its research profile. Time has come to advance this new frontier of EHU. Intensified focus on research and outreach at EHU can serve the European Union and its Eastern neighborhood policy as a whole. EHU and Lithuania are in a key position to reach out to the wider Eastern European neighborhood. The European Union is in urgent need to establish bridges between the EU and its Eastern neighborhood at-large, to provide hubs for in-depth studies of reciprocal meaning, to offer opportunities for intellectual exchange and human interaction beyond the level of tertiary education. EHU can and should serve as a focal point and hub to collect, reflect and disseminate knowledge about developments in the Eastern European neighborhood into the wider European Union. At the same time, EHU can and should provide a public academic space for scholars from the broader Eastern European neighborhood, including Russia and Central Asian countries. Given the core mission of EHU, the focus of future research and outreach at EHU should center around themes and developments which can be studied with the methods of humanities and social sciences. In doing so, research and teaching at EHU will mutually reinforce each other. Developments could lead to the creation of an EHU Academy (understood as an Institute for Advanced Studies). Such an EHU Academy can provide space to bring together academics and practitioners of different background, identity and aspiration. It can provide the space to think, discuss and study, to conduct research and share insights, to disseminate knowledge and help concentrate on its proper in-depth reflection.“ Ich schlug ein präzises Arbeitsprogramm vor mit jeweiligen Jahresthemen, Vorträgen, Workshops und Gastforschern. Eine Visiting-Fellow-Kultur würde die EHUStudierenden inspirieren und auch das intellektuelle Leben in Vilnius bereichen können. Das freie Gelände neben dem sanierten Kloster könnte langfristig zu einem Akademiegebäude mit Gästewohnungen und einem großen Vorlesungsraum erweitert werden. Ich entwarf eine konkrete Organisationssstruktur und nannte Themen, die für die Profilbildung nützlich sein könnten: Comparative aspects of cultural heritage and identity formation in Europe; urban development and rural future; visual culture and creative industry; rooting human rights and European law in the social fabric of society; engines of change in education; migration and social cohesion; mental maps of Europe; economic preconditions for cultural renewal; dimensions of security in insecure times; changing political culture in Europe; monitoring humanities in the Eastern neighborhood.

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ergänzenden Gesprächen übergab ich die Stafette als deutsches Mitglied im Governing Board Ende 2019 an Reinhard Stuth. Mein langjähriger Freund und ehemaliger Kollege im Team von Bundespräsident Richard von Weizsäcker verfügte als Hamburger Anwalt über enorme Netzwerke und Erfahrungen, die der EHU von großem Nutzen wurden. Per Carlsen wurde von Andrius Kubilius abgelöst, einem hochangesehenenund tatkräftig zupackenden früheren litauischen Ministerpräsidenten. Pers früher Tod im Dezember 2020 erschütterte alle, die ihn als klugen Vorsitzenden des EHU Governing Board und weltläufigen dänischen Diplomaten gekannt und geschätzt hatten. Anatoli Mikhailov, als Ehrenpräsident noch immer Inspirator und lebendiges Archiv der EHU, konnte zufrieden sein. Der Governing Board hatte zwischen 2015 und 2019 seine Aufgaben erfüllt, so wie er es sich nicht zufriedenstellender hätte wünschen können: Wir hatten Aufsicht und Beratung so geleistet, dass die European Humanities University stabilisiert und neu ausgerichtet war. Wir hatten in schwierigsten Jahren viel geschafft, gemeinsam mit der neuen akademischen Führung der European Humanities University: Die litauischen Behörden hatten der EHU endgültig die Lizenz erteilt. Statut und Regularien waren erarbeitet worden. Die internen Arbeitsprozesse waren professionalisiert worden. Der Strategieplan 2019–2024 stand. Die Studentenzahl war konsolidiert, der Dozentenpool erneuert. Die mediale Darstellung war optimiert. Die Bibliothek war ausgebaut. Erste Forschungserfolge konnten vermeldet werden. Die Finanzlage hatte sich stabilisiert. In Folge war die EHU mehrfach zur besten Privatuniversität von Litauen gewählt worden. Mit einem bulgarischen Rektor und einem runderneuerten Governing Board war die Internationalisierung vollzogen. Anatoli aber war nicht zufrieden, sondern deprimierter denn je. Die Kämpfe in seiner Heimat hielten unvermindert an. Freiheit und Pluralismus, unabhängiges wissenschaftliches Denken und eine offene Gesellschaft waren noch immer in Belarus verbotene und verfolgte Ideen. Auch unter den Studierenden und den belarussischen Dozenten der EHU gab es noch immer Konflikte, die in die alte Zeit zurückführten. Zu diesem Thema hatte ich mir nie Illusionen gemacht. Die revolutionären Umwälzungen in Europa hatten nicht erst 1989/1990 begonnen und sie waren nicht 2020 zu Ende. Gleichwohl: Als der belarussische Langzeitdiktator Alexander Lukaschenko im Sommer 2020 die mutige Demokratiebewegung in seinem Land niederschlug, wurde eine neue Dimension der Verachtung des Zukunftswillens junger Menschen sichtbar. Eine Reihe von Alumni und Studierenden der European Humanities University saß auf einmal in belarussischen Gefängnissen. Darunter war Sophia Sapega, die russische Freundin des Bloggers Raman Pratasevich, der nach einer erzwungenen Notlandung in Minsk am 23. Mai 2021 aus dem Flugzeug heraus verhaftet wurde. Hätte es noch eines Grundes bedurft: Was sich in Belarus an neuen Tragödien ereignete, verlangte mehr denn je nach der Arbeit der EHU. Die European Humanities University hätte spätestens jetzt als Exil-Universität freiheitsliebender junger Belarussen gegründet werden müssen, wenn es sie nicht schon gab. Dass sie auch 30 Jahre nach ihrer Gründung als Raum der Freiheit im Exil nötig geblieben war, war für mich erschütternd.

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Ich war überrascht, dass erst seit der Eskalation der Kämpfe in der Ukraine 2013 und der Annexion der Krim 2014 das Problem des russischen neoimperialistischen Rückschlags in der westlichen Öffentlichkeit so präsent wurde. Tatsächlich hatte sich seit dem Ende der Sowjetunion eine Spur der Verwüstung durch mehrere Länder des postsowjetischen Raumes gezogen. Mithilfe einer gewaltsam herbeigeführten faktischen Teilung sollte die Westorientierung der Staaten, die zum wiedervereinigten Europa strebten, in der Zwischenzone zwischen EU und NATO einerseits und Russland andererseits international unmöglich werden. Darum ging es schon bereits in den Bürgerkriegen in Tadschikistan (1991–1997) und in Georgien (1992–1994). Seit 2008 ist Georgien faktisch geteilt und international handlungsunfähig gemacht worden. In der Ukraine erfolgte diese bedauerliche Rückwärtsentwicklung für die Idee von Freiheit und Selbstbestimmung 2013/2014 durch die Besetzung und Annexion der Krim. Am Anfang aber stand Moldawien, das nach einigem Hin und Her schließlich offiziell Republik Moldau genannt wird. Zwischen 1990, also schon vor Auflösung der Sowjetunion, und 1992 tobten dort Konflikte, die am Ende zur staatlichen Unabhängigkeit der Republik Moldau und gleichzeitig zur Abspaltung der prorussischen Provinz Transnistrien führten. 1995 hatte ich mich erstmals in der Republik Moldau aufgehalten (Kühnhardt 2021d, S. 468 ff.). Vom 25. bis 29. April 2015 führte mich das Vortragsprogramm des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart erneut zu Vorträgen und Gesprächen nach Chişinău, Bălți und Comrat (Kühnhardt 2022a, S. 662 ff.). Ich traf Studierende und Professoren, Angehörige der nationalen Rechtsakademie, führende Politiker und Vertreter der Kirchen. Korruptionsbekämpfung und europaorientierte Reformen seien essentiell für die Zukunft der Republik Moldau, führte ich immer wieder aus. Gleichgültig sei bei dieser Aufgabe, was die EU im Zusammenhang mit den Annäherungswünschen des Landes erwarte. Prekär war, dass die proeuropäischen politischen Kräfte in der Republik Moldau unterdessen wegen unerträglicher Bereicherungsskandale enorm diskreditiert waren. Dennoch lud ich meine Zuhörer und Gesprächspartner zu einem Gedankenexperiment ein: Wir befanden uns 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie sollten einmal zurückschauen, wie die Welt 1875 ausgesehen hatte, und dann Spekulationen nach vorne wagen: Wie könnte die Welt für die Republik Moldau 2085 aussehen? Man müsse, wollte ich damit sagen, langfristig denken, um in der Gegenwart klug die richtigen strategischen Weichen für den Fortgang der Gesellschaft zu stellen. Überall stellte ich die Frage, was wir denn in Europa gemeinsam würden machen wollen, sollte die Republik Moldau eines Tages zur EU dazugehören. Ich empfahl, sich mit Grundbegriffen vertraut zu machen, vorneweg den Begriffen Eigentum, Recht und Marktordnung. Innovationen in Bildung und Forschung seien elementar, um die Gesellschaft stressfester und widerstandsfähiger zu machen. Misstrauen und Autoritätsskepsis, die unter vielen Menschen infolge der kommunistischen, aber auch der postkommunistischen Erfahrungen stark ausgeprägt waren, überwinde man nur durch gezielte Übernahme eigener Verantwortung, sagte ich. Ich zitierte Vaclav Havels Mahnung, in der Wahrheit leben zu wollen. Dies sei der beste Impfstoff gegen die neuen Propagandafeldzüge der prorussischen Kräfte. In der Republik Moldau hing alles an

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einem seidenen Faden, sagte ich immer wieder in Interviews während meines Aufenthaltes in der Republik Moldau und später auch dem Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart (Kühnhardt 2015a, S. 1 f.; 2015b, S. 5; 2015c; 2015d; 2015e; 2015f). Die Freiheitsrevolution in Europa ging weiter. Am massivsten eskalierten die Spannungen in der Ukraine und in Belarus. Nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020 brachen Massenproteste in Belarus auf. Hunderte Menschen wurden im Laufe eines Jahres inhaftiert und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die drei Anführerinnen der Demokratiebewegung gewannen die Sympathie der Welt und zogen den Hass des Regimes auf sich. Erst als Belarus in einer von den dortigen und den russischen Geheimdiensten Jahre zuvor ausgeheckten Operation 2021 Migranten über die polnische und die litauische Grenze verbringen wollte, begann die EU aufzuwachen. Beim Karlspreis-Forum am 1. Oktober 2021 sagte Litauens frühere Präsidentin Dalia Grybauskaitė völlig zu Recht, dass es sich an der belarussisch-polnischen Grenze nicht um eine humanitäre Krise handele, sondern um eine Form hybrider Kriegsführung. Menschen als Waffe einzusetzen, um die EU zu destabilisieren sei widerwärtig, sagte sie völlig zu Recht. Die naive Willkommenskultur des Jahres 2015 wich einem Eurorealismus, bei dem es an erster Stelle um die eigene Selbstbehauptung geht. Ich hörte zu, als der Karlspreisträger 2021, Rumäniens Staatschef Klaus Johannis Staatschef Klaus Johannis, den bürgerlichen Geist von Europa beschwor. An den östlichen Grenzen Europas ging es ganz und gar unbürgerlich zu. Die Eskalation der Krise um die Ukraine wurde zum massivsten Weckruf für den Westen seit drei Jahrzehnten. Am 24. Februar 2022 zerstörte Russland gewaltsam und ohne jeden Grund die kollektive europäische Friedensordnung. Der brutale Angriffskrieg, der die Ukraine überzog, war seit 1945 in Europa ohne Beispiel. Es wurde rasch deutlich: Nur supranationale und freiheitliche Allianz- und Integrationsstrukturen wie NATO und EU konnten Frieden und Freiheit in Europa sichern. Ich freute mich, dass der Karlspreis 2022 an die drei Anführerinnen der belarussischen Demokratiebewegung verliehen wurde. Swetlana Tichanowskaja, der der Wahlsieg bei den Präsidentschaftswahlen durch Fälschungen genommen wurde, hatte ich bereits kurz zuvor beim „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ in Vilnius gesprochen. In Aachen traf ich sie wieder, zusammen mit ihrer Mitstreiterin Veronika Zepkalo. Veronika wurde begleitet von ihrem Mann Valery Zepkalo, mit dem ich bereits einmal vor vielen Jahren, 1994, in Minsk ein längeres Gespräch geführt hatte. Es ging schon dabei um die Unsicherheiten in einer Pufferzone zwischen dem organisierten Westen und dem unberechenbaren Russland (Kühnhardt 2021d, S. 452). Aus dem damals 28-jährigen Vizeaußenminister von Belarus war ein Opponent von Langzeitdiktator Lukaschenko geworden, dem die Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2020 verwehrt wurde. Nun hoffte er mit seiner Frau, mit Swetlana Tichanowskaja und vielen anderen auf einen baldigen Zusammenbruch der Diktatur in Belarus. Die dritte Karlspreisträgerin 2022 saß derweilen in Belarus seit September 2020 im Gefängnis und war 2021 zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt worden: In Aachen wurde Maria Kolesnikowa durch ihre Schwester vertreten. Die Präsidentin des

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Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock würdigten die drei als „mutigste Frauen Europas“ (Der Spiegel 2022). Annalena Baerbock beeindruckte mich mit ihrer klaren und sehr persönlichen Diktion. Wenn das feministische Außenpolitik war, sollte es mir recht sein. Annalena Baerbock war eine der ersten Verantwortlichen in der deutschen Politik, die aussprachen, dass Sicherheit auf lange Zeit nur gegen Russland organisiert werden kann. Mehr noch: Das Konzept des Wandels durch Handel bezeichnete sie vor der Aachener Festgesellschaft als gescheitert. Diejenigen, die für die letzten 20 Jahre der Beschönigungspolitik Deutschlands gegenüber Russland zuständig gewesen waren, flüchteten sich in selbstgerechte Worthülsen. Ich ordnete meine Erfahrungen und Gedanken. Europas Sicherheit und die Zukunft der Ukraine – und nicht weniger die Zukunft von Belarus, der Republik Moldau und Georgien – hingen wieder ab von den Entwicklungen der „russischen Frage“, die ich erstmals 1994 als Herd neuer Unberechenbarkeiten charakterisiert hatte (Kühnhardt 1994). In einem ZEI Discussion Paper fragte ich 2022, welche Elemente der internationalen Ordnung 2022 zusammengebrochen waren und welche nicht. Kollektive Sicherheitsarrangements wie die UNO, die KSZE oder der Europarat blieben abhängig von der politischen Willkür einzelner Staaten. Die auf Freiwilligkeit und Regeln basierenden Ordnungen der EU und der NATO wurden im neuen Konflikt mit Russland urplötzlich gestärkt. Ich beschrieb die neue Gefährdung der Sicherheit durch ein kolonialistisches und imperiales Russland als ein Problem, das vermutlich über Jahre und Jahrzehnte anhalten dürfte, jedenfalls so lange das herrschende russische Machtsystem weiterbesteht. Die Staatsverwaltung, die orthodoxe Kirche, die Oligarchen, die Medien und die Armee waren den Geheimdiensten und ihren lügnerischen Praktiken unterworfen. Die normalen, häufig eingeschüchterten Menschen waren nicht Gegenstand staatlicher Fürsorge, sondern Instrumente der Manipulation. Ein Wechsel an der Staatsspitze (Tyrannenmord) wird das System nicht ändern. Eine erfolgreiche Volkserhebung hielt ich für unwahrscheinlich. Die Diktatur Putins analysierte ich als einen geheimdienstgeprägten Totalitarismus, einen völlig neuen und besorgniserregenden Regimetypus. Es gab keine wissenschaftliche Analyse und keine politische Erfahrung, wie mit einem gewaltbereiten Staat umzugehen ist, dessen Machtsystem darauf beruht, dass sich Geheimdienste einen ganzen Staat halten und die Gesellschaft mit Willkür überziehen. Ich spiegelte die trostlose russische Lage mit Aussagen und Sichtweisen in der westlichen Polit-Thriller-Literatur, die der Politikwissenschaftler Hans-Peter Schwarz in eindrucksvoller Weise in ihrer historischen Genese und ihrem zeitgeschichtlichen Kontext rekonstruiert hatte. In seinem wenig beachteten Buch Phantastische Wirklichkeit, 2006 erschienen (Schwarz 2006), fand ich manchen Hinweis, der den Blick auf das russische Geheimdienstsystem nur noch schwindelerregender werden ließ. Am meisten ging mir ein Satz unter die Haut, den Schwarz in dem Polit-Thriller Mit der Zeit gefunden hatte, den Eric Ambler bereits 1981 veröffentlicht hatte. Dort ließ er einen üblen Typen „zweifelsfrei vorhersagen, daß in den kommenden fünfzig Jahren das letzte Jahrhundert

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noch einmal – nur zehntausendfach schlimmer – ablaufen wird“ (Ambler 1981). Wir befanden uns bereits mitten in diesem Abwärtsstrudel. Ich wollte allerdings auch jetzt nicht spekulieren und prognostizieren. Stattdessen konzentrierte ich mich auf die Beschreibung möglicher Optionen, die für den weiteren Weg Russlands und der europäischen Sicherheit zu diesem Zeitpunkt denkbar waren. Für Russland gab es keine günstige Option, solange das herrschende System eines originären Totalitarismus der Geheimdienste bestehen blieb. Es gab wenig Anlass zu hoffen, dass sich an dessen Machtbasis etwas ändern würde, selbst bei einer formalen Kriegsniederlage oder einem Tyrannenmord an Putin. Radikalere Formen des Zusammenbruchs mochte sich niemand im Westen öffentlich vorstellen und ich hielt mich an den vorgegebenen Comment. Hinsichtlich der Ukraine analysierte ich auf ähnlich realistische, aber auch zurückhaltende Weise mögliche Optionen für ein Kriegsende. Ich hielt Waffenstillstände für weit wahrscheinlicher als komplexe Friedensvereinbarungen. Alle strategischen Einordnungen in die Zukunft der EU, in die Optionen der NATO und Folgen für die globale Ordnung, aber auch für globale Fragen wie die Nahrungsversorgung vieler armer Länder liefen immer wieder auf einen Punkt zu: Russland würde die Gewalt beenden müssen, die das dortige Regime über die Welt gebracht hatte. Für die Selbstbehauptung Europas bedeutete dies vor allem: Transatlantischer Schulterschluss war überlebensnotwendig wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr für möglich gehalten. Ich war – ohne dass dies zynisch gemeint war – zuversichtlich, dass der Westen die neue russische Bedrohung würde bestehen können. Sanktionspakete waren wirksam, aber würden den Krieg nicht beenden. Der Westen müsste kreativer und weitsichtiger werden. Schließlich ging es um die Selbstbehauptung. Allerdings war nicht zu übersehen: Trotz der großen Verurteilung des russischen Angriffskrieges in aller Welt waren an vielen Orten des globalen Südens antiwestliche, zumindest antiamerikanische Ressentiments so offenkundig wie noch nie. Die Machtachsen verschoben sich, auch wenn sich der Westen als einer der künftigen Weltpole sicher behaupten würde. Die Europäische Union blieb Lerngemeinschaft hin zu einer strategisch und sicherheitspolitisch, möglicherweise sogar verteidigungspolitisch ausgerichteten Union. Da konnten Widersprüche, Verzögerungen und Absetzbewegungen von den harten Sanktionspaketen – die die Grundlagen des Binnenmarktes in sensiblen Bereichen der Energieversorgung, aber auch verschiedenster Rohstoffe und Lieferketten arg berührten – nicht ausbleiben. Soziale Spannungen in der EU waren nicht auszuschließen. Das Krisenmanagement musste sich wie noch nie zuvor in einer von außen der EU aufgezwungenen Krise bewähren. Mit internen Frustrationen umzugehen hatte die EU immer wieder gekonnt. Wie sie aber mit den Frustrationen in der Ukraine, in Moldau und in Georgien, vor allem aber auch im westlichen Balkan umgehen würde, die sich teilweise über Jahre und Jahrzehnte aufgestaut hatten, blieb einstweilen unklar. Was wäre als nächster Schritt erforderlich, wenn die symbolpolitischen Ausrufungen als Kandidatenland der EU nicht zügig konkretisiert werden würden, was in allen genannten Fällen wenig unwahrscheinlich war? Die EU kämpfte noch immer damit, wenigstens eine Regionalmacht zu sein.

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Das eigenwillige, nebulöse und gescheiterte Konstrukt der „Nachbarschaftspolitik“ musste jedenfalls durch einen komplett neuen strategischen Ansatz ersetzt werden, der über die symbolpolitische Verkündigung eines letztlich nichtssagenden Kandidatenstatus hinausgeht. Ich empfahl einen europäischen Sicherheitsraum um die Kernföderation herum zu bilden. Damit würde dem Sicherheitsbedürfnis der Kandidatenländer entgegengekommen, ohne dass die EU sich selbst überschätzen würde. Für die Territorialverteidigung blieb die EU ohnehin angewiesen auf die weiterhin überragende Stärke der amerikanischen Streitkräfte und die militärische Infrastruktur der NATO. Wann aber, wenn nicht nach den Erfahrungen des russischen Angriffskrieges, musste sich die Frage der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine irgendwann wieder stellen, war ich überzeugt. Damit stand ich einstweilen allein auf weiter Flur. Mit meinem ZEI Discussion Paper Europas Sicherheit, die Zukunft der Ukraine und die „russische Frage“ wollte ich Impulsgeber sein. Der Text wurde erfreulich stark rezipiert und erschien überdies in italienischer Fassung (Kühnhardt 2022g). Das deutsch-italienische Zentrum für den europäischen Dialog „Villa Vigoni“ am Comer See bat mich am 6. und 7. September 2022 zur Mitwirkung bei einer studentischen Sommerakademie. Ich drängte die Studierenden unterschiedlichster Disziplinen, vor allem die richtigen Fragen zu stellen: Wie kann Sicherheit neu gedacht werden? Wie kann die Selbstbehauptung liberaler Demokratien gelingen? Wie kann die atlantische Zivilisation erneuert werden? Wie kann der euroatlantische Weg für die Ukraine, Moldau, Georgien und Belarus geebnet werden? Wie lässt sich die strategische Umwälzung zu einer multipolaren Welt entschärfen? Wieder versuchte ich bei dieser Gelegenheit über dem so friedlich-weltentrückt anmutenden Comer See, Impulse in einer undurchsichtigen und gefährlichen Zeit zu geben. Bei ganz unterschiedlichen Gelegenheiten führte ich die Frage nach den Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine (und faktisch gegen Europa) auf die Zukunft Europas (und der Ukraine) auch im darauffolgenden weiter, so bei einer EuropaVeranstaltung der Stadt Bonn (21.März 2023), bei einer Sommerakademie des Institute of Advanced Studies im westungarischen Köszeg (25.Juni 2023) und im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes („(Mis-)managing differences“) an der Stanford University (30.August 2023). Vor allem ging es mir bei diesen Gelegenheiten darum, die Frage zu schärfen, um was für eine Art von Krieg es sich eigentlich handelt und welche Folgerungen aus der sich neu formierenden Weltordnung gezogen werden müssen. Eindeutig schien mir dabei auch, dass der globale Süden seine Interessen gegenüber dem Westen robuster denn je artikuliert und durchzusetzen bestrebt bleiben wird. 2022 war ein verwirrendes Jahr. Es galt, mich in eine Post-Corona-Realität hineinzutasten, in der es ein Faktum bleiben würde, mit dem Virus und seinen Mutationen zu leben. Zunächst blieben Enikö und ich nicht von der Corona-Infektion verschont, trotz dreifachem Impfschutz. Dann begannen Zoom-Begegnungen wieder durch Präsenzaktivitäten ersetzt zu werden, auch wenn gewisse Zoom-Meetings immer wieder aus Gründen der Praktikabilität beibehalten blieben. Zu meinen regelmäßigen Gastprofessuren nach Malta, Mailand und Wien aufzubrechen, fühlte sich schon irgendwie eigentümlich an, so als bestieg ich erstmals ein Flugzeug. Das Tragen von Masken war

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zur neuen Normalität geworden. Jede politische Vorgabe, auf Maskenpflicht und andere Alltagseinschränkungen zu verzichten, wurde gefeiert wie eine Neuerfindung des Alltags. Ich war natürlich glücklich, an den mir vertrauten Orten wieder Studenten zu treffen – genauso wie in Bonn. Schon bisher bekannte Schwachstellen in den Gesellschaften, auf die ich traf, wirkten unter Post-Corona-Bedingungen auf mich schärfer als früher – obgleich es angesichts der Rückkehr zum vorher Üblichen eigentlich umgekehrt hätte sein sollen. Denn immerhin waren wir noch einmal davongekommen, dank der großen Leistungen der Impfforschung. Seit Anfang 2022 zeichnete sich ab, dass Russland aus dem hybriden Krieg, der seit 2014 in der Ukraine ausgetragen wurde, in einen offenen Angriffskrieg übergehen würde. In der Mailänder „Scala“ sah ich am 24. Januar 2022 die Ballettaufführung „La Bayadére“ mit der betörenden Musik von Leon Minkus und meinte, einen fernen Donnerhauch von Putins Russland zu spüren. Im Ballett lässt ein orientalischer Potentat die Puppen tanzen. Ein Tanz weißer Engel, der an einen Wiener Opernball erinnert, verdrängt für einen kurzen Moment die Machtrealitäten. Faktisch bereitete sich die Ukraine, aber auch NATO und EU, längst auf den russischen Überfall vor. Am 24. Februar 2022 war es so weit. Neben allen politischen Folgen, die der russische Angriffskrieg für die Weltordnung mit sich brachte, beschäftigte mich auch eine kirchenpolitische und damit zivilisatorische Komponente der europäischen Erschütterung. Beim Festhochamt zum Aachener Karlspreis am 26. Mai 2022 brachte der kluge Aachener Bischof Helmut Dieser endlich zum Ausdruck, was Papst Franziskus bis dahin kaum über die Lippen gekommen war: Bischof Dieser distanzierte sich auf das Schärfste von den apologetischen Einlassungen von Patriarch Kyrill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Mit seiner theologischen Überhöhung der Kriegsbegründung habe der Patriarch „die ökumenische Gemeinschaft verlassen“ (Dieser 2022). Bischof Dieser sprach mir aus dem Herzen. Als ich am 9. Juni 2022 mit Botschafter Emil Brix, dem Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, über das russische Geheimdienstsystem sinnierte, waren wir uns einig, dass es auf Dauer mit einem derartigen russischen Regime bestenfalls Waffenstillstände geben könnte. Selbst dieser in guter österreichischer Tradition der Neutralität stehende, Amerika-kritische Diplomat war eindeutig: Das Böse müsse beim Namen genannt werden. In diesem Sinne verfolgte ich die vatikanische Russland-Politik mit Verwunderung. In meiner Studie Die Päpste, Europas Einigung und ein zerrissener Kontinent bilanzierte ich 2023 unzweideutig: Zur weltpolitischen Zwischenbilanz der anhaltenden Krise gehörte es, das Scheitern päpstlicher Vermittlungsversuche in der Ukraine unverschnörkelt zu benennen (Kühnhardt 2023). Nach einem eigenartigen Video-Gespräch am 16. März 2022 verweigerte Patriarch Kyrill im September 2022 ein persönliches Gespräch mit Papst Franziskus. Bei einem interreligiösen Treffen in Kasachstan, an dem der Patriarch entgegen aller päpstlichen Hoffnung nicht teilnahm, rang Papst Franziskus sich am 14. September 2022 endlich zu Worten durch, die jede Gewalt ablehnten, wenngleich eine direkte Verurteilung des Verhaltens der russischorthodoxen Kirchenführung noch immer ausblieb: „Bemühen wir uns gemeinsam, ein-

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gedenk der Schrecken und Irrtümer der Vergangenheit, dass der Allmächtige nie wieder zur Geisel menschlichen Machtstrebens wird … Rechtfertigen wir niemals Gewalt. Lassen wir nicht zu, dass das Heilige vom Profanen instrumentalisiert wird. Das Heilige darf nicht zur Stütze der Macht werden und die Macht darf sich nicht auf das Heilige stützen!“ (Franziskus 2022a). Früher hätte mancher solche Sätze auch der katholischen Kirche entgegengeschleudert, zumal sie ebenso ungenau wie abstrakt waren. Noch immer formulierte der katholische Papst theologisch-prosaisch und ließ im Ungefähren, wen er eigentlich mit „wir“ meinte. In Moskau blieb er dennoch weiterhin unerwünscht. Eine Einladung dorthin, gar eine Vermittlungsaufgabe für Papst Franziskus, um zu einem Waffenstillstand in der überfallenen Ukraine zu kommen, blieb völlig unrealistisch. Da half es auch nicht, dass Papst Franziskus am 2. Oktober 2022 beim Angelus auf dem Petersplatz endlich direkt an Präsident Putin appellierte, „den ich bitte, diese Spirale der Gewalt und des Todes auch um seines Volkes willen zu beenden“. Irritierend, ja merkwürdig war noch immer der allgemeine und unpräzise Tonfall des Papstes: „Wir sollten die Waffen ruhen lassen und die Bedingungen für Verhandlungen suchen, die zu Lösungen führen, die nicht mit Gewalt durchgesetzt werden, sondern einvernehmlich, gerecht und stabil sind“ (Franziskus 2022b). Franziskus und die katholische Kirche, für die der Papst mit „wir“ sprechen konnte, waren keine Kriegspartei und zu den Waffen einer Aggression hatte nur ein Staat gegriffen. Am 14.Mai 2023 wurde der Aachener Karlspreis an das tapfere Volk der Ukraine und dessen kommunikationsstarken Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verliehen. Noch immer verursachte Russlands Krieg gegen Europa in seinem Land tagtäglich Leid und Zerstörung. Mir erschienen eindeutige Sicherheitsgarantien für die Ukraine durch eine zügige NATO-Mitgliedschaft zwingend. Die Perspektive der EU-Mitgliedschaft für die Ukraine – wie auch für Moldau und Georgien – dürfte sich indessen hinziehen, gleichgültig wie euphorisch sich auch in Aachen mancher Politiker äußerte. Ich plädierte für ein realistisches Erwartungsmanagement, um nicht auf allen Seiten in kürzester Zeit nach übertriebenen Erewartungen unbändige Enttäuschungen zu erleben. So langsam lernten europäische Politiker Realismus und Strategie, Ausgang offen. Bundeskanzler Olaf Scholz hielt in Aachen eine gewohnt nüchterne Laudatio auf Selenskyj und versicherte, Deutschland bleibe „auf Dauer“ mit der angegriffenen Ukraine solidarisch. Wenige Stunden zuvor hatte er ein neues Paket von Militärhilfe in Höhe von fast drei Milliarden Euro an die Ukraine übergeben. Eine Strategie war das aber noch nicht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drückte ihre Empathie mit der Ukraine besonders euphorisch aus. Eine Strategie war auch dies noch nicht. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schlug geopolitische Töne an: Die Ukraine kämpfe für ganz Europa und die Freiheit seiner souveränen Nationen. Ich hörte europapolitische Achsenverschiebungen aus seinen Worten, sowohl in Bezug auf das gewachsene strategische Gewicht Polens als auch auf künftige Grundsatzdebatten um die Ausrichtung der EU. Dann begann Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Nur wenige Meter entfernt von mir stand er am Mikrofon, wie stets in tarngrüne Hose und Pullover gekleidet. Ich merkte ihm förmlich an, dass er kaum noch länger warten konnte, um das Wort zu ergreifen.

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Er rief die elegante Festgesellschaft unverschnörkelt dazu auf, dass alle in Europa zu Siegern über Russland werden müssten. Alle Europäer müssten den Sieg der Zivilisation über das Böse wollen, das bedroht, was Europa in mehr als sieben Jahrzehnten aufgebaut hat.Russlands Regime, so Selenskyj, verursache keine Katastrophen, es selbst sei die Katastrophe. Die Tapferkeit der Ukraine und die Waffen des Westens würden zum Sieg der europäischen Zivilisation führen. Hier sprach ein Kriegsheld. Das Narrativ von der normativen Friedensmacht EU konnte kaum deutlicher durch das Narrativ einer zur geopolitischen Selbstverteidigung bereiten EU abgelöst werden als mit diesen Worten des neuen Karlspreis-Trägers. Mein bulgarischer Kollege Ivan Krastev brachte unsere Gespräche am Rande der Karlspreis-Verleihung 2023 auf den Punkt: Bisher wollte die EU seine Nachbarn transformieren. Nun müsse die EU verteidigungswillig sein, um nicht von anderen auf der Welt transformiert zu werden. Ivan hatte recht: Dies dürfte das Programm europäischer Selbstbehauptung und das Kernanliegen europäischer Souveränität für Jahre und Jahrzehnte sein. Tröstend war in dieser Zeit der Wirren mit gravierenden machtpolitischen Veränderungen in der Weltordnung (zu Lasten des Westens und zugunsten aufstrebender Staaten) für mich die Wiederbegegnung mit dem Beethoven-Fries von Gustav Klimt, das ich im Juni 2022 wieder einmal ausführlich in der Wiener „Secession“ hatte studieren können. Klimts Meisterwerk im Schnittfeld von Malerei und Musik läuft nach allen Bedrohungen, Abstürzen und Exzessen doch auf die eine große Hoffnung zu, die Ludwig van Beethoven im Sinn gehabt hatte, als er seine 9. Symphonie komponierte: „Diesen Kuss der ganzen Welt“. Völkerverständigung bleibt die unhintergehbare Aufgabe für eine Menschheit, deren ehrloseste Vertreter offenkundig Freude daran haben, möglichst viele – oder auch nur einzelne – ihrer Mitmenschen zu quälen und zu schinden, weil für sie Macht wichtiger ist als Freiheit und Würde. Europas Neugründung aus dem Geist geopolitischer und geoökonomischer Selbstbehauptung wird daran gemessen werden, ob und wie sie diese Lehre der Geschichte auf Dauer bewahrt.

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Literatur

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Aufbrüche

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Ludger Kühnhardt ist nie auf einer Stelle, an einem Ort, bei einem Thema stehengeblieben. Gedanklich und mit seinen publizistischen und wissenschaftlichen Aktivitäten ist er immer wieder aufgebrochen zu neuen Ufern. Er hat darüber reflektiert, welche altbewährten Ideen politischer Ordnung für die Zukunft fruchtbar sind und wie den Ambivalenzen menschlichen und politischen Fortschritts in der Welt vernünftigerweise zu begegnen ist. Als Hochschullehrer hat er sich vor allem als Berater der Studierenden verstanden, die er dabei unterstützen konnte, Türen in ein selbstbestimmtes und verantwortetes Leben zu öffnen. Wichtig war ihm immer, im Gespräch zu bleiben, auf Erfahrungen aufzubauen und vor dem Wandel der Zeit in Freiheit und Demut zu bestehen. Noch einmal schaut Kühnhardt auf Fundamente seines Werkes und Wirkens zurück. Er erlebte sich zwischen den Stühlen und zwischen den Zeiten, mittendrin und doch dazwischen. Dieses Lebensempfinden half ihm, die Zeit, die ihm zwischen Politik und Wissenschaft, Publizistik und Beratungsaufgaben gegeben war, als Zwischenzeit auf dem Weg zu einer neuen Epoche zu identifizieren. Hinter ihm lag die lange Zwischenepoche auf dem Weg ins globale Zeitalter. Vor ihm lagen neue Aufbrüche.

10.1  Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend (Kühnhardt 1999) – Die Ambivalenz des Fortschritts. Freiheit unter globalen Bedingungen weiterdenken (Kühnhardt 2024a, b, c) Mein erstes Freisemester habe ich 1995/1996 an einem Ort verbringen können, den man nur als Paradies unter den akademischen Paradiesen dieser Welt bezeichnen kann: Stanford University. Ich war eingeladen worden, in der Hoover Institution on War,

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7_10

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Revolution and Peace meinen Forschungen nachzugehen. Ein größerer Abstand zu Deutschland war kaum denkbar. Eine größere Nähe zu den Schönheiten des zweckfreien Forschens und des konzentrierten, fast mönchischen Studiums auch nicht. Alles eingepackt in den angenehmsten Ort, den ich mir in der Welt der Wissenschaft nur wünschen konnte. Die Gespräche und Begegnungen in Stanford waren ein zusätzliches Geschenk (Kühnhardt 2021, S. 478 ff.). Das Motto der Universität „Die Luft der Freiheit weht“, ein Wort des Renaissance-Humanisten Ulrich von Hutten, wirkte auf mich wie eine Droge. Stanford beflügelte meinen Geist und meine Phantasie. Ich dachte in größeren Dimensionen als üblicherweise. Ich dachte an das Jahr 2000. Und ich begann, zurückzudenken hinein in die vergangenen zwei Jahrtausende. Was würde bleiben, an Ideen, Normen, Orientierungen? Worauf könnten wir Menschen bauen auf dem Weg in die nächsten zwei Jahrtausende? Zugleich beschäftigte ich mich mit grundlegenden Herausforderungen an die zeitgenössische Demokratie (Kühnhardt 1995a, S. 177 ff.). Die Luft der Freiheit wehte über meinem kleinen Schreibplatz im Hoover Tower und dem ersten Notebook, das ich zum Abfassen eines Manuskriptes verwendete. Bisher hatte ich alle Buchmanuskripte zunächst mit der Hand geschrieben. Auch in dieser Hinsicht wehte 1995 in Stanford ein anderer Wind. Vor der Abreise nach Stanford hatte ich wieder einmal ein ausführliches Gespräch mit Karl Dietrich Bracher und seiner Frau Dorothee geführt. Er selbst war 1963/1964 während eines Forschungssemesters in Stanford gewesen und gab mir manchen Gruss an alte Bekannte mit auf den Weg. Vor allem wiederholte er den Ratschlag der vergangenen Jahre, es sei an der Zeit, nach der Studie über die Universalität der Menschenrechte (1987) eine weitere grundlegende Forschungsarbeit zu erstellen. Mein Thema sei doch die Verbindung von Denken, Ethik und Handeln. Da läge nichts näher, als im Licht der Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten Jahre mit einem ähnlichen methodischen Zugriff wie bei der Menschenrechtsstudie die Gefährdungen der Demokratie und die neueren Debatten über die Kollisionsgefahren der Weltzivilisationen auf eine solche Weise so zu fassen, dass eine Studie zu diesem Thema die geistige Debatte wirklich weiterführen kann. Ich berichtete ihm von meinen Plänen. Zunächst beschäftige mich die Frage nach den Gefährdungen der Demokratie. Ich sei mir seiner Mahnung nur zu gut bewußt, dass wir doch unbedingt aus der Geschichte lernen müssen, wo immer Gefährdungen der Freiheit auftreten. Es gefiel ihm sogleich, als ich berichtete, ich wolle in Stanford einige der wichtigsten Persönlichkeiten der politischen Philosophie und Ideengeschichte unseres eigenen Kulturkreises neu und kreativ studieren und nach Lehren aus ihrem Denken für unsere Zeit und die Zukunft zu befragen. In meinem Kopf begannen sich die Zukunftsdenker zu drehen. In Stanford fand ich den Weg in ihre Werke, durchforstete alte und neue Forschungsliteratur und begann mit der Niederschrift. Mit einer soliden ersten Fassung konnte ich 1996 die Rückreise nach Freiburg antreten. Die ebenso solide Bearbeitung meiner

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Texte und Ideen zog sich eine Weile hin, wie nicht anders zu erwarten bei einem solch großen Thema. Außerdem warteten unterschiedlichste Aufgaben darauf, von mir gleichsam nebenbei bewältigt zu werden. Dem Manuskript tat es gut. Weitere Überarbeitungen folgten. Mitte 1999 lagen die Zukunftsdenker als Band 3 der von mir unterdessen herausgegebenen Schriften des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) im Nomos Verlag vor. Ursächlich mit Europa und meinen neuen Kernaufgaben am ZEI hatten die Zukunftsdenker nichts zu tun. Aber die Zukunftsdenker bildeten Abschluss, Brücke und Ausblick zwischen meinen unterschiedlichen Lebensphasen als Wissenschaftler. Mich hatte seit langem die Klage von Albert Schweitzer begleitet, der in seinem Werk Kultur und Ethik auf griffige Weise von der „Ungesammeltheit“ des neuzeitlichen urbanen Menschen gesprochen hatte (Schweitzer 1923 (1981), S. 26). Albert Schweitzer analysierte messerscharf, dass wir neuzeitliche Menschen vorwiegend außengeleitet sind. Von den Erscheinungen rund um uns herum werden wir mehr gelenkt als von unseren inneren moralischen und geistigen Antrieben. Mich beängstigte der gelegentlich geäußerte Befund von Albert Einstein, nur maximal fünf Prozent unserer Lebenszeit würden wir produktiv verwenden. Daher ging ich aufs Ganze. Die Wiederlektüre von Platons Politeia (Der Staat) hatte mich einmal mehr die ganze Wucht intellektueller Anmaßung und totalitärer Arroganz spüren lassen, die zeitlos wirkmächtig sein kann (Platon 1973). Der Mensch wurde von Platon zu einem Subjekt seiner Philosophenklugheit degeneriert. Selbst sein Privatleben und die Kindererziehung wurden dem Diktat des Staates unterworfen. Ende des 20. Jahrhunderts konnte ich nur noch angewidert sein von falschen Propheten. Ich war aber auch besorgt darüber, was die westliche Demokratie nach den totalitären Bedrohungen des 20. Jahrhunderts dauerhaft attraktiv sein lassen könnte. Ich hatte zu diesem Thema vor dem Stanford-Aufenthalt unter anderem auf wissenschaftlichen Tagungen in New Delhi und in Krakau, in Lublin und in Warschau referiert. Ein Besuch im Konzentrationslager Majdanek hatte mich erneut mit den tiefsten Abgründen des 20. Jahrhunderts konfrontiert (Kühnhardt 1994b, S. 287 ff.; Kühnhardt 2021, S. 449, 466.). Mit meiner Studie Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend wollte ich mithelfen, politische Ideen zu bewahren und zu aktualisieren, die zeitlos gültig menschenfreundliche und freiheitsfördernde Orientierung geben können (Kühnhardt 2000).

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10 Aufbrüche

Abb. 10.1  Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend (1999). (© Nomos Verlag)

Ich begann in Kapitel I („Zeitenschwelle 2000“) mit einer umfangreichen Reflexion über die Triebfedern, Entwicklungssprünge und Grenzen der Demokratie-Idee (Kühnhardt 1999, S. 8–45). Im Blick auf das Jahr 2000 entfaltete ich die Entwicklungsgeschichte menschlicher Ordnungssuche im Spannungsfeld von Freiheit und Autorität. Ich empfahl, in den Traditionsbeständen der politischen Philosophie nach solchen Ideen zu suchen, die auch in Zukunft dem Menschen hilfreich bei der Bewältigung seiner Existenzfragen sein können. Ich konstatierte, dass die liberale westliche Demokratie offenbar nur noch Konsens in den Reihen ihrer Bürger erzielen konnte, wenn die Frage nach den Zielen der Politik, dem telos, ausgeklammert wurde. So aber werde politische Ordnung statisch und kraftlos. Ich nahm meine Leser mit in einen in die Vergangenheit zurückführenden Gang des Denkens. Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Gewalt gewesen. Kapitel II („Hannah Arendt: Die langen Schatten des Totalitarismus“) widmete ich einer

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eingehenden Analyse des Werks von Hannah Arendt (Kühnhardt 1999, S. 47–83). Das Denken von Hannah Arendt über Ursprünge und Elemente totalitärer Ordnung gehörte für mich seit vielen Jahren und gehört auch über die Veröffentlichung der Zukunftsdenker hinaus zu den bewahrenswerten Fundamenten des politischen Denkens, die mich immer wieder in ihren Bann zogen (Kühnhardt 1997a, S. 125 ff., 2001, S. 320 f.). Kapitel III („Alexis de Tocqueville: Die Unausweichlichkeit der Massengesellschaft“) führte zurück zu den Entstehungszeiten der modernen Massengesellschaft (Kühnhardt 1999, S. 85–122). Im 18.und 19. Jahrhundert hatten Verfassungsstaat und Parlamentarismus ihren Durchbruch erlebt. Die soziologischen Voraussetzungen und Folgen hat niemand so klug und bleibend begriffen und reflektiert wie Alexis de Tocqueville. Seine Werke über die Ursachen der Französischen Revolution und über die Zusammenhänge der amerikanischen Demokratie sind zu Recht Klassiker des politischen Denkens. Seit Beginn meiner Studienzeit haben mich Werk und Leben von Alexis des Tocqueville fasziniert. Selbstverständlich nahm ich ihn auf in meinen Pantheon der bewahrenswerten Fundamente des politischen Denkens (Kühnhardt 1988, S. 68 ff.) Zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert hatte Europa um eine neue Legitimitätsbasis für Politik und Religion. Der Friedenkonnte nur gelingen, indem letzte Wahrheitsfragen ausgeklammert wurden und in der Ordnung des Vorletzten Recht und Gesetz allseits befolgt wurden. Kapitel III („Thomas Hobbes: Der Zwang zum Rechtsstaat“) widmete ich dem vielschichtigen Werk von Thomas Hobbes, der im Zeichen der englischen Bürgerkriege die Unterwerfung unter das Recht als notwendige Bedingung erfasst hatte, um den Frieden zu sichern (Kühnhardt 1999, S. 123–164). Zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert hatte sich der moderne Territorialstaat mit seinen Attributen von Macht und Souveränität etabliert. Politische Methoden und Ziele mussten einer Logik folgen, die allerorten akzeptiert werden konnte. In Kapitel IV (Niccolò Machiavelli: Die Logik des Realismus) durchleuchtete ich das Werk von Niccolò Machiavelli (Kühnhardt 1999, S. 165–208). Die Klassiker, die er hinterlassen hat, werden oftmals zu eindimensional gelesen. Die Logik des Realismus, die ich als den roten Faden im Denken von Machiavelli identifizierte, gehört für mich zu den bewahrenswerten Fundamenten des politischen Denkens. In der Zeit des frühen Christentums wurden die Ideen über die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, aber auch über seine Unvollkommenheit grundgelegt. Menschliches Versagen und moralisches Scheitern waren immer präsent, als die befreiende Botschaft der Erlösung durch den Kreuzestod Jesu Christi gesellschaftlich und politisch wirksam wurde. Kapitel VI („Aurelius Augustinus: Die Provokation der Sünde“) lenkte folgerichtig den Blick auf das Denken von Aurelius Augustinus über die Zwei Reiche, das Reich Gottes und das Reich des Menschen (Kühnhardt 1999, S. 209–252). Ich schrieb über die für die säkularisierte Gegenwart anhaltende Provokation der Sünde, mit der sich Augustinus auseinandergesetzt hat. Damit hat er eines der bewahrenswerten Fundamente des politischen Denkens hinterlassen. In der griechischen und römischen Antike waren die Grundlagen des politischen Denkens im Kontext von städtischen Ordnungen und individueller Ethik gelegt worden. Kapitel VII („Aristoteles: Das Glück der

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­ ürgertugend“) erinnerte daran, dass durch die Werke von Aristoteles Wohlbefinden und B Glückseligkeit zum Maßstab für das Ethos eines Gemeinwesens wurden (Kühnhardt 1999, S. 253–294). Das Denken von Aristoteles über Bürgertugenden gehört deshalb für mich zu den bewahrenswerten Fundamenten des politischen Denkens. Kapitel VIII („Die Zukunft der Vergangenheit“) rahmte meine ideengeschichtlichen Analysen ein mit einer Projektion in Gegenwart und Zukunft. Erstmals zitierte ich den spanischen Dichter Antonio Machado „Die Wege machen im Wandern sich“ („al andar se hace camino“) (Kühnhardt 1999, S. 295). Der Satz hatte es mir angetan. So sah ich es auch folgerichtig an, den Bogen, den ich hinein in die Vergangenheit geschlagen hatte, zu verlängern zu einer demokratietheoretischen Reflexion über die Gegenwart an der Schwelle zum 2. Jahrtausend (Kühnhardt 1999, S. 295–324). Die Stichworte sind rasch aufgezählt: Menschenbild, Medien und Erfahrungen, Krisendenken und Fortschrittskrise, geschichtliche Abläufe und Systemkämpfe, Massengesellschaft und Globalisierung, Freiheit und Sozialkonflikte, Identität und Multikulturalität, Religion und Psychologie, Kultur und Zivilisation, Verfassungsfragen und die Rolle des Einzelnen, Pluralismus und Stabilitätsbedingungen, liberale Aufklärung und Zukunftsfähigkeit der Demokratie, Brüche und beständiger Neubeginn. Beim Blick auf die Zukunft sprach ich von einer „Gradwanderung am Abgrund des Imaginären“ (Kühnhardt 1999, S. 295). Das Buch endete mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis, das meine Lesefrüchte unter Einbezug der jeweils neuesten Forschungen wiedergab, und mit einem Namens- sowie einem Sachregister, das das Lesen und Stöbern in meinem Buch erleichtern sollte. Ich widmete das Buch meiner 1996 geborenen Tochter Victoria, die vor ihrem genuin eigenen Jahrhundert stand. Bei verschiedenen Gelegenheiten stellte ich meine Thesen vor und erlebte immer wieder, wie sich der Bogen von der Gegenwart bis in die Antike spannen lässt, wenn man sich auf die einzigartige Perspektive einläßt, die die Geschichte des politischen Denkens uns zur Verfügung stellt. Zuweilen ergaben sich aus den Terminplanungen ganz eigentümliche Assoziationsketten binnen eines Tages. Am Vormittag des 25. Januar 1997 hatte ich vor tausend Menschen eine Ansprache vor dem 87. Landesparteitag der CDU Hessen in Dieburg über Kommunalpolitik als die Seele aller Politik zu halten (Kühnhardt 1997b, S. G1) tauschte danach Gedanken zur Reform des öffentlichen Dienstes mit Bundesinnenminister Manfred Kanther aus und lauschte Bundeskanzler Helmut Kohl, der mahnte, die deutsche Linke wolle die Achse der Republik verschieben. Die Abschaffung des Religionsunterrichtes in Brandenburg habe dies gezeigt. Die PDS bleibe auch für den Westen Deutschlands ein Problem. Nie wieder dürften Kommunisten in Deutschland regieren. Am Abend des gleichen Tages hielt ich einen Vortrag zum Thema „Ideengeschichte – was bleibt?“ im Industrieclub Düsseldorf. Fast auf den Tag genau vor 65 Jahren, am 26. Januar 1932, hatte Adolf Hitler im gleichen Saal gestanden, den imperialen Machtstaat der Deutschen beschworen und die Industriellen zum gemeinsamen Kampf gegen Bolschewismus und deutsche Minderbehandlung aufgerufen. Der damalige Vortrag bewirkte Hitlers Durchbruch bei den rheinischen Industriellen. So harmlos hatte die Zerschlagung der Weimarer Republik angefangen.

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Gerade daher stellte ich am 27.Januar 1997 mit Tocqueville, Machiavelli und Aristoteles drei Denker vor, die uns Heutigen helfen konnten, die Erhaltungsbedingungen der Freiheit neu zu bedenken. Unter den Zuhörern meines Vortrags in Düsseldorf war Sigismund von Braun. Sigismund von Braun, den ich schon aus anderen Zusammenhängen kannte, war 1943 bis 1945 als junger Diplomat an der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl tätig gewesen. Botschafter war dort damals Ernst von Weizsäcker, der Vater von Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Mit diesem trat Sigismund von Braun als Hilfsverteidiger 1948 im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen Ernst von Weizsäcker auf. Von 1968 bis 1970 und von 1972 bis 1976 war von Braun Botschafter in Paris, von 1970 bis 1972 Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Sigismund von Braun war Bruder von Wernher von Braun, dem Kopf des deutschen Raketenprogramms in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde im Hitler-Deutschland, der im Zuge der „Operation Overcast“ 1945 in die USA gelangte und dort später Kopf des Apollo-Weltraumprogramms wurde. An diesem Abend in Düsseldorf wollte Sigismund von Braun von mir wissen, was denn bei aller Vielfalt von Demokratiedefinitionen an Essentiellem bleibe. Meine Antwort: Der Zusammenhang von Freiheit und Bindung, Freiheit und Autorität, kurz: die Notwendigkeit von Ordnung und damit von ordnungspolitischem Denken, um Freiheit dauerhaft zu sichern. Manche andere Rückblende in die verwirrende deutsche Geschichte wurde an diesem Düsseldorfer Abend wach. Die Ehefrau des Gastgebers Gottfried Noelle war eine Cousine des Hitler-Attentäters Claus von Stauffenbergs. Bärbel von Dohnanyi, Tochter des Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi und Schwester des SPD-Politikers Klaus von Dohnanyi tauschte sich mit mir aus. Diskussionsleiter war mein Mannheimer Kollege Peter Graf Kielmansegg, dessen Vater Johann Adolf eine zentrale Rolle beim Wiederaufbau der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt hatte, nach Hitlers Schuldkrieg und Stalins Totalsieg. Die Geschichte vergeht eben nur für den, der sie nicht kennt. Astrid von Pufendorf, stellte sich mir an diesem Abend als Nachfahrin des großen Staatstheoretikers und Historikers Samuel von Pufendorf vor, dessen Naturrechtstheorien Eingang in die Diskussion der amerikanischen Verfassungsgebung Ende des 18. Jahrhunderts gefunden hatten. Die deutsche Geschichte, so spürte ich an diesem Abend, begann eben nicht erst 1933 und sie konnte nicht allein auf die Geschichte der Deutschen reduziert werden. Noch lebten Zeitzeugen der besonders einschneidenden Jahre totalitärer Herrschaft über Deutschland. Mit dem deutschen Widerstand gegen Adolf Hitlers Diktatur hatte ich mich seit Studienzeiten beschäftigt und gelegentlich eine kleinere Arbeit zum Thema publiziert (Kühnhardt 1987, S. 213 ff.) Das Vermächtnis der Erinnerung begleitete mich stets, so beispielsweise bei einem Vortrag vor mehreren studentischen Gruppen in der Aula der Universität Freiburg am 8. Mai 1995 (Kühnhardt 1995b, S. 93 ff.). Bei all der Wucht der Geschichte, die nicht vergeht, fühlte ich mich plötzlich aber auch wieder ein wenig fremd in dem Land, in das ich hineingeboren war. Ich gehörte dazu und empfand mich doch eher als ein Beobachter von außen. Ich war mittendrin und doch irgendwie bloß dazwischen. Ich fühlte mich zwischen den Stühlen und zwischen

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den Zeiten. Die letzte in Düsseldorf an mich gerichtete Frage lautete, ob ich wisse, welches der Lieblingsphilosoph von Bundeskanzler Kohl sei. Meine Antwort: Meines Wissens präferiere er Geschichtsbücher, vor allem Biographien. Nach allem Verstiegenheiten der zerstörerischen Ideologien war dies auch wohl die bessere geistige Schule für einen deutschen Politiker. Dieser Tag bestätigte mich einmal mehr darin, die Zukunftsdenker zu bewahren und in ihrem Geiste weitere intellektuelle Fäden zu spinnen. Entschieden hatte ich mich für die Geisteswissenschaften, die Heimat geben können. 1997 trug ich meine Überlegungen über die Traditionslinien und Brüche des politischen Denkens für die Bewahrung und Weiterentwicklung der Demokratie noch vor ganz unterschiedlichen Foren vor. Beispielsweise am 29. Mai 1997 beim Stiftungskommers der katholischen Studentenverbindung Hercynia Freiburg in Altglashütten. Am 19. Juni 1997 bei einem Vortrag an der Universität Jena. Am 4. Oktober 1997 bei einer Geschäftspolitischen Tagung der Firma Rheinmetall in Friedrichsruhe. In den nächsten Jahren folgten Konferenzen und nachfolgende Publikationen in Argentinien und Rumänien (Kühnhardt 2000, S. 147 ff., 2021, S. 596 ff., 2022a, S. 164 ff.). Meine ideengeschichtliche Bilanz war zugleich Prolegomena für spätere Forschungen. Richard von Weizsäcker meldete sich mit einem Brief am 30. März 1999: „Am meisten interessieren mich Aristoteles und Tocqueville. Jede Verkleinerung der Bedeutung der anderen beobachteten Persönlichkeiten aber wäre natürlich völlig fehl am Platze.“ In der „Zeitschrift für Kulturaustausch online“ (4/1999) positionierte Sven Schröder sich: „In einer in mehrerlei Hinsicht denkwürdigen Einleitung sowie der Bilanz versucht der Autor eine Analyse der Welt im Allgemeinen und der Politik im Besonderen am Ende des 20. Jahrhunderts.“ Das Buch sei „meinungsfreudig und argumentiert stringent“. Allerdings „bricht sich zeitweilig Kulturpessimismus Bahn“, was den Rezensenten offenkundig irritierte. Gleichwohl: „Einen positiven Eindruck hinterlassen die Porträts der Zukunftsdenker und ihrer Gedanken. Ihnen nähert Kühnhardt sich in sensibler Weise, ohne die Zeitenschwelle 2000 aus dem Blick zu verlieren.“ Und: „Gelungen ist vor dem Hintergrund ihrer zentralen Thesen sicher auch die Auswahl der Zukunftsdenker.“ Der Rezensent summierte meine Argumente für die Auswahl der Zukunftsdenker: Aristoteles: Lebensglück und Bürgertugend. Augustinus: Die christliche Sicht auf Sünde und Gewissen. Machiavelli: Die Logik des Realismus. Thomas Hobbes: Der Schutz des Einzelnen durch das Recht. Alexis de Tocqueville: Die Unausweichlichkeit der Massengesellschaft. Hannah Arendt: Analysen totalitärer Phänomene. Die Bilanz war freundlich: „Kühnhardt spannt einen gelungenen Bogen“ (Schröder 1999). Der Philosoph Walter Schweidler folgte am 11. Januar 2000 mit einer sehr gründlichen Rezension in der „Neuen Zürcher Zeitung“ unter der schönen Überschrift „Politisch ins nächste Jahrtausend“. Schon die Frage, ob Politikwissenschaft einen grundlegenden Beitrag zur Lösung der Fragen der Menschheit leisten könne, scheint Hybris zu zeigen, begann er. Prophetie wolle ich aber nicht, sondern biete mit diesem Buch ernsthafte Analyse. Der Autor „wagt den denkerischen Zugriff auf das neue Millenium, jedoch mittels eines ebenso einfachen wie pragmatischen Kunstgriffs, nämlich in Form einer Studie über sechs Denkerpersönlichkeiten“. Das sei geschickt, denn

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eben „nicht der hybride Blick in eine unvoraussehbare Zukunft, sondern die Bewährung an dieser geschichtsträchtigen Problemsubstanz entscheidet nach Kühnhardt über den wirklichen Anspruch politischer Theorien.“ Die Interpretationen seien geleitet von gesunder Skepsis gegenüber dem Fortschritt der Menschheit als Idee. Die Überzeugung werde deutlich, dass sich Grundfragen des Politischen in Jahrhunderten nicht geändert haben. Neueste Forschungsliteratur sei überzeugend eingearbeitet und lenke die Neuausrichtung der Analysen, etwa bei Machiavelli der Begriff des Geistes und bei Hobbes die Kategorie des Rechts. „Man versteht Kühnhardts Studie wohl am sinnvollsten in einem ‚metatheoretischen‘ oder theorieorientierten Sinne. Er argumentiert aus einer Art Proportionalismus heraus“. Entsprechungen werden auf diese Weise sichtbar zwischen den Verhältnissen zur Zeit der „Zukunftsdenker“ und unseren Aufgaben heute, unsere Zukunft zu denken: „Es handelt sich bei dieser Studie also gewissermaßen um Prolegomena zu allem, was als zukunftsbewältigende politische Theorie wird auftreten können“. Methodisch biete das Buch eine politische Theorie als Hermeneutik der realen politischen Kräfte, philosophisch die Wende zu einer realistischen Analyse von Interesen und sozialen Bewegungen. Das „bedeutet, dass politische Theorie sich als Exponentin der Zivilcourage gegen die Parolen und Denkverbote jedes Zeitgeistes verstehen und gerade dass zur Sprache bringen muss, was Politiker für sich behalten“. Walter Schweidler buchstabierte die Tragweite meines Ansatzes gekonnt weiter. Ethisch biete das Buch die Fortsetzung der seit Augustinus bestehenden Verankerung der Politik in der Sphäre des Vorletzten. Schließlich biete das Buch die Erkenntnis der geschichtlichen Verankerung des Republikanismus im Kantschen Sinne. Schweidler attestierte dem Buch, den überragenden Primat des Politischen über die Zeiten hinweg nachgewiesen zu haben: „Mit seiner denkgeschichtlich fundierten Untersuchung skizziert Kühnhardt einen seit langem vermissten Zugang zu den Problemen der politischen Zukunftsorientierung, eine Alternative zu dem gerade in konservativen Lagern um sich greifenden Glauben an den Ökonomismus und die Systemanalyse als vermeintlich ‚wertfreiem‘ Allheilmittel gegen die gegenwärtigen Krisen“ (Schweidler 2000). Die deutsche Demokratie habe ich mit meinem Buch Zukunftsdenker sehr grundsätzlich in politisch-philosophischen Fundamenten verortet. Mit meinem Nachdenken über die Politik hatte ich mich endgültig für die Geisteswissenschaften entschieden. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert war ich mit dieser Entwicklung und Wegrichtung zufrieden. Mein Wegbegleiter auf der nächsten Etappe wurden Europa und die Frage nach der Identität der schönen phoenizischen Prinzessin. Äußerlich war der Rhythmus der nachfolgenden Jahre pragmatisch. Tatsächlich aber verstand ich alles, was auf die Zukunftsdenker folgte, entschieden als Impulse für die Geisteswissenschaft. Bereits 1999 hatte ich in Zukunftsdenker befunden: „Die neue Fortschrittskrise am Ausgang des 20. Jahrhundert war irritierend.“ (Kühnhardt 1999, S. 303). Ich bezog mich damals auf Selbstzweifel um die Zukunft der Demokratie. Ich erwähnte soziale Spaltungen und moralischen Nihilismus in westlichen Gesellschaften. Der Fortschrittsbegriff sei „unter Auzehrungsverdacht“ geraten (Kühnhardt 1999, S. 303). Das Kind mit

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dem Bade ausschütten aber wollte ich nicht. Ich reflektierte über die Ambivalenz, die die Aufklärungsphilosophie schon stets „gegenüber der geschichtlichen Grundspannung von Bewahrung und Veränderung, von Sicherung und Fortschritt“ innegehabt hatte (Kühnhardt 1999, S. 303). Die Suche nach der besten Ordnung sei jederzeit die Suche des Menschen nach sich selbst gewesen: „Politik ist daher im Letzten Anthropologie, Menschenkunde,“ attestierte ich (Kühnhardt 1999, S. 305). Ich setzte mich nicht nur mit innerwestlichen Zweifeln an der Zukunftskraft der Demokratie auseinander. Schon 1999 identifizierte ich die Haupttreiber „möglicher Konflikte mit den demokratischen Verfassungsstaaten“: fundamentalistischen islamischen Druck, ethnische Spannungen, post- und neokommunistische Tendenzen „zu Einparteien- oder gar Einmannherrschaft“ (Kühnhardt 1999, S. 314). Als sich die Konturen meiner Emeritierung an der Universität Bonn 2024 abzeichneten, wollte ich in selbstkritischer Absicht zurückblicken auf meine wissenschaftlichen Anfänge und einen Bogen zu den neuen Herausforderungen für Analyse und Handeln 45 Jahre später spannen. 2021 zwang der Fall von Kabul und 2022 die mutwillige Zerstörung der europäischen Friedensordnung durch ein neoimperiales Russland zu einer Neubewertung meines Denkens über Fortschritt und Freiheit. Offenbar hatte es in Afghanistan wie in Russland nur eine geliehene Modernität gegeben. Anderswo auf dieser Welt war es nicht viel anders. Ich erinnerte mich daran, wie nach einer langen Diskussion in Tunis 1990 über die völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Folgen des Einmarsches irakischer Truppen in Kuwait am Ende jemand aufstand und sagte, es sei doch illusonär, dass wir hier über Völkerrecht und Menschenrechte zu einem Konsens gefunden hätten. Kuwait existierte einfach nicht mehr. Punkt (Kühnhardt 2021, S. 392). Geschichte schien sich zu wiederholen, als Russlands Regime unter Präsident Wladimir Putin 2022b die Existenzberechtigung der Ukraine infrage stellte, das souveräne Land angriff und zugleich gegenüber der Welt das Gegenteil behauptete. Wirklichkeitsverdrängung ist Ursache und Folge ideologischer Verblendung. Zugleich ist Wirklichkeitsverdrängung die Voraussetzung, um die Wahrheit zum ersten Opfer jedweder Gewaltpolitik werden zu lassen. Brechungen der Aufklärung und ihrer Dialektik zeigten sich in dem einen wie im anderen Fall. Kulturkonflikte in Gesellschaften, gepaart mit Machtansprüchen wurden um so schlimmer, je stärker ihnen eine Modernisierungskrise im Innern zugrundeliegt. Äußerlichkeiten liessen gleichwohl tief blicken: Je ärmer ein Land, desto reicher sind offenkundig seine Eliten, war mir immer wieder aufgefallen. Afghanistan und Russland machen davon keine Ausnahme. Korruption ist unter den Bedingungen schlecht geführter armer Gesellschaften ein endemisches Strukturproblem. Wo sich widersprüchliche kultursoziologische Aspekte mit hypertrophen Machtphantasien von Despoten paaren, wird es richtig gefährlich. Russland ist leider ein solcher Fall: arm aufgrund eines falschen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells und deshalb für seine eigenen Menschen und die Außenwelt gefährlich. Zwischen der Krim-Annexion 2014 und der Invasion in der Ukraine 2022 war das Bruttoinlandsprodukt Russlands im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt der EU von 12,9 % auf 10,9 % gesunken. Die Zahl der Patente

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allein in Deutschland lag zwischen 2009 und 2018 bei 1812 pro Million Einwohner. In Russland waren es 6 Patente pro Million Einwohner (Simon 2022). Weltwirtschaftlicher Abstieg und Innovationslosigkeit aufgrund selbstgemachter Systemdefekte konnten einen Teil des Ablenkungs-Imperialismus der Staatsführung um Präsident Putin erklären. Fortschritt und Modernisierung waren für sie keine Option. In einem letzten ZEI Discussion Paper unter dem Titel Die Ambivalenz des Fortschritts. Freiheit unter globalen Bedingungen weiterdenken (Kühnhardt 2024a) entfaltete ich meine selbstkritischen Überlegungen über den Wandel von Fortschritt und Freiheit, wie sie seit dem Aufklärungszeitalter konstitutiv für das westliche Selbstverständnis sind. Europa und die USA – der Westen insgesamt – mussten sich unterdessen ihre Grenzen als Weltordnungsmacht eingestehen. Das Scheitern von Demokratisierung durch regime change mußte den Fortschrittsglauben zutiefst erschüttern, der seit der Aufklärung das westliche Selbstbild definiert hatte. Der Fall von Kabul 2021, aber auch die gescheiterten Vorgehensweisen in Libyen und Mali, schliesslich die Sprachlosigkeit gegenüber den Entwicklungen in Syrien und Jemen verlangten nach Selbstkritik, einer der Stärken des westlichen Denkens. Hinzu kam die Herausforderung durch den autoritären chinesischen Weltmachtanspruch und den gewaltbereiten neuen russischen Imperialismus. Das westliche Denken war auf die Zukunft gerichtet. Russland drängte zurück in das Denken des 19. Jahrhunderts, weit hinter das totalitäre Zeitalter und die kommunistische Fortschrittsidee zurück. Der Westen musste sich aus seiner „Fortschrittsfalle“ befreien, die über die Jahre immer offensichtlicher zu Exzessen von Selbstgerechtigkeit und Selbstlähmung geführt hatte, seitdem ich dies 1994 erstmals in meinem Buch Jeder für sich und alle gegen alle. Zustand und Zukunft des Gemeinsinns konstatiert und analysiert hatte (Kühnhardt 1994, S. 22–34). Für die USA hiess dies: Das Land musste seinen demokratischen Imperialcharakter abstreifen und die Parameter einer multipolaren, bestenfalls einer multilateralen Weltordnung akzeptieren. Für die Europäische Union hiess dies: Aus Selbstbehauptung musste sie schleunigst eine Macht unter Mächten werden wollen, wenn es dafür nicht schon zu spät war. Ich war besorgt wie nie, ob der Westen den Zusammenbruch der Sowjetunion und den Zusammenbruch der globalen Demokratisierungs- und Modernisierungsideologie würde überleben können. Ich begann, mich erneut mit den „Brechungen des Fortschritts“ auseinanderzusetzen, auf die Karl Dietrich Bracher bereits 1982 in seiner Studie Zeit der Ideologien tiefgründig und weitsichtig verwiesen hatte (Bracher 1982, S. 11). Selbstkritisch setzte ich mich mit meinen eigenen frühen Ansätzen des Denkens über Entwicklung und Universalität, Menschenrechte und Fortschritt auseinander. Ich blickte zurück auf meine Antrittsvorlesung als Privatdozent der Universität Bonn am 31. Januar 1987. Meine Arbeiten kreisten damals um das politische Denken in der Dritten Welt, um die Flüchtlingsfrage und den Menschenrechtsbegriff. Das Problem der Souveränität und ihrer Brechungen beschäftigten mich damals intensiv. Dann drängten die Fragen der Neuordnung Europas in den Vordergrund und mit ihnen die Perspektiven supranationaler Weiterentwicklungen von Souveränität und Staatlichkeit, Werten und

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Interessen. Meine weltweiten Erfahrungen erfuhren einen besonders tiefen Einschnitt 2013 in Afghanistan. Dort wurde mir die Brüchigkeit des westlichen Fortschrittsbegriffs deutlich wie nie zuvor. Der Fall von Kabul an die Taliban am 15. August 2021 bestätigte meine dunkelsten Befürchtungen. Ich verglich die Erschütterung dieses Ereignisses mit der Bedeutung des Erdbebens von Lissabon vom 1.November 1755 auf Voltaire. Ich zitierte einige besonders bewegende Sätze aus seinem Gedicht über das Desaster von Lissabon, nur wenige Wochen nach dem Drama zu Papier gebracht: „Zu welchem Glauben wir uns wenden mögen, Der eine wie der andre macht uns schaudern Nichts, das wir kennen, giebt es, nichts, was wir Nicht fürchten. Die Natur ist stumm, vergebens Befragt man sie: der Lehre eines Gottes Bedarf der Sterblichen Geschlecht, um endlich Zur rechten Kunde zu gelangen… …Nur unsern Kummer weckt das Angedenken An das Vergangne, und die Gegenwart Ist schauervoll, wenn’s keine Zukunft giebt, Wenn Grabesnacht, was in uns denkt, zerstört. Dereinst wird Alles gut, das hoffen wir; Doch Täuschung ist’s, daß jetzt schon Alles gut sei.“ (Voltaire, 1756)

Voltaire rang in seiner Zeit mit dem christlichen Glauben. Ohne die Dialektik von Glauben und Glaubensabkehr im Namen der Vernunftrationalität war das Aufklärungszeitalter nicht zu denken. Unterdessen hatte Gleichgültigkeit an Glaubensfragen einen starken Stellenwert in der westlichen Alltagskultur. Zugleich ging die aggressive Herausforderung des Islamismus nicht einmal mehr an Voltaire vorbei: Nach einer Beschmutzung durch Islamisten wurde in Frankreich eine Statue von Voltaire schon über zwei Jahre lang gesäubert und in einem Depot „weggeschlossen“, wie Jürg Altwegg am 9. Juni 2022 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb. Mit ungewohnter Klarheit bezeichnete Altwegg den Vorgang als „Symbol der geistigen Kapitulation Frankreichs vor dem Islamismus“ (Altwegg 2022). Für mich gehörten Glauben und Vernunft immer und auch weiterhin denknotwendig zusammen. Der Fall von Kabul, aber auch die Corona-Pandemie und die Rückkehr zu brutaler Gewaltpolitik in der Welt mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 mussten neu und tiefer nach den Erhaltungsbedingungen westlicher Freiheit fragen lassen. In meiner Analyse ging ich auf den islamischen Gegenuniversalismus ein und auf die unterschiedlichen Varianten des globalpolitischen Revisionismus, den russischen Imperialismus aus Schwäche und Chinas autokratischem Nationalkapitalismus. Ich warnte vor übertriebenem Kulturpessimismus, der offenkundig wieder „eine beliebte intellektuelle Disziplin“ geworden sei. Ehrlichkeit sei notwendig, auch gegen lähmende Selbstzweifel. Die demokratischen Regierungsapparate befanden sich offenkundig im Modus des Umbaus auf Vorsorge und Krisenreaktionsmechanismen. Aufrüstung fand, so schrieb ich, „geistig wie faktisch neue Begründungen und Notwendigkeiten“. Darin lag auch eine Chance zur Neufindung des westlichen sense of purpose. Radikales Krisendenken würde indessen nur zu neuen Ideologien führen

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können: „Die schrillen Töne der Angst vor dem Weltuntergang, wie sie inmitten des durchaus, aber nicht nur menschengemachten Klimawandels zu hören sind, vermischen sich mit einer alt-neuen Anfälligkeit für ideologiegetriebene Selbstermächtigungen in Sprache und Form.“ Ich erinnerte daran, dass die liberale demokratische Ordnung besser als andere Regierungsmodelle das Problem der menschlichen Vielfalt gelöst habe, „gleichgültig ob ökonomisch, kulturell oder politisch.“ Mit ihrem Zwang zur „Mäßigung in den Zielen und Mäßigung in den Instrumenten“ garantiert die demokratische Staatsform „Offenheit für Falsifikation und Verbesserung“. Meine Bilanz: „Wenn man es gut meint mit dem Fortgang der je nächsten jungen Generation ist das ein unübertreffliches Programm.“ Zugleich müssten auch weltweit Minimalstandards für Menschenrechte und maximale Ambitionen für das Völkerrecht hochgehalten werden. „Die Ambivalenz der Aufklärung,“ so schlussfolgerte ich, „war schon immer im Westen selbst ein Thema. Jetzt muss die ihr zugrunde liegende Frage nach den Maßstäben von Normen und nach den Bedingungen von Macht und Ordnung in eine neue Weltlage hinein neu beantwortet werden.“ (Kühnhardt 2024a, passim). Der Fortschrittsbegriff in seinen universalen Ambivalenzen musste neu und realitätsnäher bestimmt werden. Exzesse unseres Fortschritts- und Freiheitsverständnisses konnten wir uns nicht länger leisten, befand ich. Aus Gründen der Selbstbehauptung mussten wir Europäerinnen und Europäer neu Maß und Mitte der Freiheit durchdenken. Alte wie neue Themen kamen zusammen: Es ging um Verantwortung für das Gemeinwesen, eine neue Balance zwischen Rechten und Pflichten, um Selbstverteidigung und den politischen Willen, Macht unter Mächten in einer bedrohlichen Welt sein zu wollen. Es war kein einfaches Programm, das die Zukunft dem Westen aufgezwungen hatte. Aber es war ein gutes Programm, das allen Einsatz wert ist.

10.2  Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023) (Kühnhardt 2023a) Viele Menschen haben mir Wege bereitet und immer wieder mit neuen Perspektiven meine Sichtweisen erweitert. Nichts lieber tat ich in meinen Ämtern als Professor als meinerseits jungen Menschen Wege zu eröffnen. Die eigentlichen Hürden hatten sie selber zu meistern: Anspruchsvolles und zielgerichtetes Studium, erfolgreicher Besuch von ein oder zwei Seminaren, die ich im Grundstudium zu wechselnden Themen anbot, schliesslich eine selbstformulierte Fragestellung für die Magisterarbeit, später für Bachelor- oder Master-Arbeit, oder für eine Dissertation. Im Kolloquium für Examenskandidaten, und wo immer nötig auch darüber hinaus, stand ich stets für akademische Gespräche und, wo gewünscht, für Ratschläge zur Verfügung. Ich wollte Impulse geben. Denken und handeln mussten alle selber. Hunderte von Studierenden besuchten meine Vorlesungen und Seminare. Niemals liess ich eine angekündigte Lehrveranstaltung ausfallen, selbst wenn ein Bundespräsident rief. Ich erwartete Qualität und keine brave

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Gefolgsamkeit im Blick auf meine Standpunkte. Wichtig war mir immer an erster Stelle die Logik eines Arguments und die Stringenz der verwendeten Methode. Deswegen ging es in meinen Seminaren und auch im Kreis der Examenskandidaten jederzeit pluralistisch zu. Mir kam es darauf an, die Freiheit des Selber-Denkens zu fördern, wo immer ich konnte. Ich sah mich in erster Linie als Impulsgeber. Der Lehrbetrieb hielt mich zu jeder Zeit in seinem Bann. Vor jeder Vorlesung und vor jedem Seminar kroch Lampenfieber in mir hoch. Immer wieder neu sah ich mich vor einer Prüfung, so oft ich diese Situation auch schon erlebt hatte. Das Wort „Routine“ kannte ich in meinen Lehraufgaben nicht. Nie konnte ich mich auf vorheriger Lektüre ausruhen, nie wollte ich zweimal in den gleichen Fluss steigen. So steckte ich immer wieder viel Zeit in die Vor- und ebenso in die Nachbereitung aller meiner Lehrveranstaltungen. Ich lehrte gerne und freute mich am meisten auf die Erkenntnisfortschritte der Studierenden, ihre kritischen Fragen und ihre neugierigen Nachgespräche in meinen wöchentlichen Sprechstunden. Ungezählte Hausarbeiten hatte ich von Semester zu Semester zu korrigieren. Gutachten mussten verfasst werden für studentische Anträge für Stipendien, Aufbaustudien im Ausland oder Bewerbungen auf eine berufliche Position. Zunächst Magister-, später, nach der Umwidmung der Denomination, Master- und Bachelor-Arbeiten betreute ich in unüberschaubarer Zahl. In Prüfungsangelegenheiten unterstützte ich immer wieder Kollegen mit dem Abfassen eines Zweitgutachtens. Dass die Fachschaft Politikwissenschaft an der Bonner Universität mir 2010 ihren Dozentenpreis verlieh, empfand ich als Ritterschlag. Am meisten ans Herz aber wuchsen mir die von mir betreuten Doktoranden und Habilitanden, die doch schliesslich am längsten mit mir an ihren selbstgewählten Forschungsthemen laborierten. Ich machte ihnen niemals eine thematische Vorgabe, weil ich wusste, dass man für ein Thema brennen muss, wenn man sich der Mühen einer mehrjährigen Promotion unterziehen und durchhalten will. Meine regelmässigen Doktoranden-Kolloquien verstand ich als Übungen der Dekonstruktion vorgetragener Zwischenergebnisse und der verbesserten Rekonstruktion, bis am Ende grundsolide Meisterwerke das Licht der Welt erblickten. Dankbar erfuhr ich jederzeit geräuschlose Unterstützung meiner Kollegen, um die Verfahren meiner Habilitanden, Doktorandinnen und Doktoranden erfolgreich durchführen und in jedem Falle abschliessen zu können. Bis zu meiner Emeritierung konnte ich 31 Doktoranden und zwei Habilitanden zum erfolgreichen Abschluss ihrer wissenschaftlichen Studien begleiten. Die Themen, mit denen sich diese Persönlichkeiten wissenschaftlich qualifizierten, waren in verschiedenster Weise verbunden mit fünf Denkkreisen, um die herum sich mein eigenes wissenschaftliches Arbeiten zentrierte: • • • • •

Politisches Denken, Religion und Wertefragen. Europäische Einigung. Weltweit vergleichende Regionalintegration mit besonderem Fokus auf Afrika. Internationale Politik und die Rolle von Akteuren. Humanitäre Anliegen in der Weltordnung.

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Zugleich waren die Themen der Habilitationen und Dissertationen weiterführend und als eigenständige wissenschaftlichen Leistungen eindrucksvoll. Ebenso galt dies für die beruflichen Wege, die ihre Verfasser anschliessend gingen. Wir waren über Jahre, teilweise über Jahrzehnte immer im Gespräch geblieben. Der Überblick über Namen, Themen und berufliche Positionen stellt daher nur den dürren Rahmen einer lebendigen Verbundenheit dar, die wir stets pflegten. Ich bezeugte allen Habilitanden, Doktorandinnen und Doktoranden jederzeit Respekt und Anerkennung für die Geduld und die Mühen, denen sie sich im Reich der Wissenschaft unterzogen haben. Ich freute mich über alle Früchte, die sie mit ihren Leistungen ernten konnten. Jeder von ihnen bestätigte über die Jahre mit ihrem oder seinem jeweiligen Lebensweg, dass mit dem Abschluss der höchsten akademischen Grade das lebenslange Lernen erst anfängt. Habilitation: Prof. Dr. Rafael Biermann (2004), Friedrich-Schiller-Universitat Jena, Professor für Internationale Politik Institut für Politikwissenschaft. Thema: Lehrjahre im Kosovo. Das Scheitern der internationalen Krisenpravention vor Kriegsausbruch (Biermann 2006). Prof. Dr. Xuewu Gu (1997), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universitat Bonn, Professor für Internationale Politik, Direktor Center for Global Studies. Thema: Ausspielung der Barbaren. China zwischen den Supermachten in der Zeit des Ost-West-Konfliktes (Gu 1998). Promotion: Dr. Michael Amoah Awuah (2020), Accenture, Senior Expert. Thema: Energy Regionalism in ECOWAS and the EU. A Comparative and Polycentric Governance Study (Amoah Awuah 2021). Dr. Susanne Baier-Allen (2003), Habitat for Humanity East Bay/Silicon Valley. Thema: Exploring the Linkage between EU Accession and Conflict Resolution: The Cyprus Case (Baier-Allen 2004). Dr. Andreas Beierwaltes (1999), Springer/Palgrave, Vice President Social Sciences Books, Springer Nature.Thema: Demokratie und Medien. Der Begriff der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die Demokratie in Europa (Beierwaltes 2000). Dr. Patrick Baues (2023), Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Thema: Das Europäische Parlament und die Türkei (2005–2019). Beziehungen im Spannungsfeld zwischen normativem und strategischem Handeln (Baues 2023). Dr. Matthias Belafi (2008), Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, Leiter Referat „Kontakte zu Kirchen, jüdischen Kultusgemeinden sowie sonstigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“. Thema: Die Kirchen und die europäische Verfassung (Belafi 2008). Dr. Nathalie Belafi, geb. Jouan (2003), Business France, Senior Investment Advisor. Thema: Deutschland und Frankreich in der Europäischen Union: Konvergenzen und Divergenzen in den 1990er Jahren (Jouan 2003). Prof. Dr. Johannes Beverungen (2003), Duale Hochschule Baden-Württemberg, Professor für kooperative Forschung im Bereich International Trade. Thema: Elite Planning Organizations. Traditionen, Charakteristika, Implikationen der Trilateralen Kommission (Beverungen 2005). Dr. Klaus Driever (1995), Allianz Deutschland AG, Leiter Marktmanagement/Digital Sales. Thema: Die Wirtschafts-Europäer. Irland in der EG/EU (Driever 1996). Dr. Gerd Föhrenbach (2000), Bundesministerium der Verteidigung/European External Action Service. Thema: Die Westbindung der baltischen Staaten. Zur Integration Estlands, Lettlands und Litauens in die bi- und multilateralen europäischen und transatlantischen Sicherheitsstrukturen während der 1990er Jahre (Föhrenbach 2000).

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Prof. Dr. Marcus Höreth (1999), Technische Universität Kaiserslautern, Professor für Politische Wissenschaft. Thema: Die Europäische Union im Legitimationstrilemma. Zur Rechtfertigung des Regierens jenseits der Staatlichkeit (Höreth 1999). Dr. René Daniel Jung (2022), Deutsche Aktuarvereinigung e. V., Referent International Affairs und Relationship Management. Thema: Solidarität: Bedeutungskontroversen der EU am Beispiel der Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik (Jung 2022). Prof. Dr. Silke Kettig (2003), Hochschule Fresenius Köln, Studiengangsleiterin, Thema: Europäischer Minderheitenschutz im Wandel. Konfliktprävention in Estland, Lettland und Litauen (Kettig 2004). Dr. Ariane Kösler (2010), Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), DLR Projektträger Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Thema: Die Entwicklung der Southern African Development Community (SADC) als Building Block der pan-afrikanischen Einheit (Kösler 2010).

Abb. 10.2   Feierliche Promotion von Ariane Kösler, Bonn (2010). (© Ludger Kühnhardt)

Dr. Carola Logan (2020), King’s College London, Research Associate, European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS). Thema: EU Energieunion. Antrieb, Fortschritte und Hindernisse für „das nächste große europäische Integrationsprojekt“ (Logan 2020). Prof. Dr. Andreas Marchetti (2008), Universität Paderborn. Honorarprofessor für Europastudien/ Geschäftsführer „politglott“: Die Europäische Sicherheits – und Verteidigungspolitik. Politikformulierung im Beziehungsdreieck Deutschland – Frankreich – Großbritannien, Baden-Baden: Nomos, 2009 Dr. Matthias Pape (1995), Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg/Dekan der Fakultät Wirtschaft und Soziales (verstorben am 16. 12. 2016). Thema: Humanitäre Intervention. Zur Bedeutung der Menschenrechte in den VVereinten Nationen (Pape 1997). Dechant Dr. Wolfgang Picken (2004), Münsterkirchengemeinde St. Martin, Stadtdechant von Bonn. Thema: Demokratische Grundwerte. Die Bedeutung der demokratischen Grundwerte für die Bundesrepublik Deutschland und den Einigungsprozess Europas. Eine Studie

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über die deutschen Parteien und Kirchen seit der Grundwertedebatte von 1976 (Picken 2004). Dr. Frank Ronge (1997), Deutsche Bischofskonferenz, Abteilungsleiter „Glaube und Bildung“. Thema: Legitimität durch Subsidiarität. Der Beitrag des Subsidiaritätsprinzips zur Legitimation einer überstaatlichen Ordnung in Europa (Ronge 1998). Dr. Martin Rupps (1997), Südwestrundfunk, Leiter der ARD Koordination 3sat. Thema: Helmut Schmidt. Politikverständnis und geistige Grundlagen (Rupps 1997). Dr. Thorsten Kim Schreiweis (2018), Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Referent. Thema: Island und die Europäische Union (Schreiweis 2021). Dr. Matteo Scotto (2022), Villa Vigoni. Deutsch-Italienisches Zentrum für den europäischen Dialog, wissenschaftlicher Referent. Thema: Fragile Orders. Understanding intergovernmentalism in the context of EU crises and the EU reform process (Scotto 2022). Dr. Robert Stüwe (2020), Deutsche Energie-Agentur. Senior Expert. Thema: Die Machtfrage der europäischen Energieaußenpolitik. Erdgasimport: Von der Integration zur Projektion?. (Stüwe 2020). Henrik Suder (in Vorbereitung 2024), Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI), wissenschaftlicher Mitarbeiter. Reaktionsmuster der EU auf die Klimakrise.

Abb. 10.3   Feierliche Promotion von Matthias Vogl mit dem Bonner Universitätsrektor Michael Hoch und dem Dekan der Philosophischen Fakultät, Andreas Bartels (2015). (© Ludger Kühnhardt)

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Dr. Matthias Vogl (2014), Stiftung Cusanuswerk, Referent für das Auswahlverfahren für Studierende sowie für die Auslandsförderung. Thema: Die Beziehungen zwischen Afrika und Europa vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Sicherheitsbegriffs (Vogl 2015). Dr. Daniela Vogt (2011), Universität Koblenz-Landau. Thema: Die Integration der ultraperipheren Regionen in die Europäische Union. Wandel der europäischen Politik gegenüber den überseeischen Besitzungen von Rom (1957) bis Lissabon (2009) (Vogt 2011). Dr. Tilo Wagner (2010), EurAsiaBridge/East–West Consultancy. Thema: Japans Engagement in Mittel- und Osteuropa: Ausdruck strategischer Partnerschaft mit der Europäischen Union (Wagner 2010). Dr. Frank Waltmann (1996), LafargeHolcim, Head Organizational Excellence. Thema: Zur Übertragbarkeit des Modells der europäischen Integration auf andere Regionen. Das Beispiel Zentralasien (Waltmann 1996). Dr. Martin Weber (2001), Rechtsanwalt. Thema: Schweden und die Europäische Union. Europadebatte und Legitimität (Weber 2001). Dr. Jan-Philipp Weisswange (2003), Rheinmetall AG. Thema: Neue Orientierungen in der atlantischen Sicherheitskultur (Weisswange 2003). Liska Wittenberg (in Vorbereitung 2024), Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI), wissenschaftliche Mitarbeiterin. Thema: Krisenreaktionsmuster der EU in ausgewählten weltpolitischen Fragen. Dr. Malte Tim Zabel (2017), Bertelsmann-Stiftung, Ko-Direktor Programm „Europas Zukunft“. Thema: Euroskeptizismus. Ursprünge und Ausdrucksformen im Verlauf des europäischen Integrationsprozesses (Zabel 2017).

Die Wege dieser vielseitig talentierten Persönlichkeiten begleitete ich auch nach dem Ende ihrer wissenschaftlichen Ausbildung weiter. Die Grundlagen dafür hatten die ersten Studenten gelegt, deren Promotion ich Mitte der 1990er Jahre an der Universität Freiburg betreuen durfte. Ihnen stand schon der Abschluss des Promotionsverfahrens vor Augen. Eines Tages fragten sie mich, wie sie mit mir über den Abschluss ihres jeweiligen Promotionsverfahrens in Verbindung bleiben konnten. Sie fragten auch, ob ich sie mit der beruflichen Praxis zusammenzuführen könnte, damit sie besser verstehen lernten, wie sich erste berufliche Wege nach dem Ende des Studiums gehen lassen. Es war eine gute Fügung, dass ich in dieser Zeit von einer neuen Initiative der Hanns-MartinSchleyer-Stiftung erfuhr, Wissenschaft und berufliche Praxis ins Gespräch miteinander zu bringen. Was in den USA üblich war, hatte damals in Deutschland noch nicht Fuss gefasst: Die Pflege von Alumni. Meine ersten Doktoranden und ich begannen damit früher als andere. Und wir hielten durch. Mit Friedhelm Hilterhaus, Wolfgang Bruncken und Barbara Frenz fanden wir in der Hanns-Martin-Schleyer-Stifung sehr beständige und verlässliche Unterstützer unserer Initiative. Für den 24./25. November 1994 lud ich erstmals in das „Historische Gasthaus Zur Linde“ im Münstertal ein. Dieser idyllische Ort wurde zu unserem Kult-Treffpunkt, auch

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Abb. 10.4   Freiburger Politikdialog, Münstertal (1994). (© Ludger Kühnhardt)

wenn wir uns aus logistischen Gründen einige Male an anderen Orten treffen mussten. Aber die „Linde“ war pefekt. Hier gab es einen ausreichend großen Tagungsraum mit einem schönen Kamin. An der Wand erklang stündlich die urig-spiessige SchwarzwaldKuckucksuhr. Ein ausgestopfter Fasan an der Wand und beim Blick durchs Fenster Kühe auf den Wiesen erzeugten entspannte ländliche Stimmung. Nebenan befand sich die holzgetäfelte Alte Stube. Dort wurde für uns ein festliches Abendessen gerichtet, zu dem sich alle angemessen umzogen. Zu Gänsebraten oder Wild wurde Roter oder Weisser Gutedel gereicht. Die Gespräche wollten kaum aufhören. Wir übernachteten in der „Linde“ oder in einigen der umliegenden Gasthäuser. Ich nannte schon das Treffen 1994 „1.Freiburger Politikdialog“. Es war von Anfang an auf Kontinuität angelegt. Dabei war es eine besondere Ehre, dass sich dafür der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur von Baden-Württemberg, Klaus von Trotha bereit erklärt hatte, den ersten Vortrag zu halten. Von Trotha war nicht nur mein Dienstherr, der freundlicherweise Schirmherr der studentischen Initiative wurde. Er hatte Politikwissenschaft und Rchtswissenschaft studiert und konnte daher auch von seinem Werdegang berichten. Die Teilnehmer des 1.Politikdialogs waren verständlicherweise vor allem an diesem Teil der Begegnung mit renommierten Persönlichkeiten interessiert. Nach dem ersten Teil der Veranstaltung unternahmen wir einen kleinen Spaziergang zum nahegelegenen St.Trudbert Kloster, das uns eine der dort lebenden Ordensschwestern ausführlich zeigte. Christoph Bertram, damals Diplomatischer Korrespondent der Wochenzeitung „Die

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Zeit“ und später Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, und Christoph Münzer, damals Pressesprecher des Pharmakonzerns Pfizer und später Hautpgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Baden-Württemberg, blieben auch zum abendlichen Kamingespräch bei uns. Martin Rupps, den es nach der Promotion in den Journalismus drängte, liess es sich nicht nehmen, im „Freiburger Uni-Magazin“ über den gelungenen Auftakt zu berichten. Die Initiative sei deshalb bemerkenswert, weil sie von Studenten ausgegangen war, „die an der Schwelle zum Beruf Kontakt mit Akteuren der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit suchen. Zugleich klagten sie, dass eine dauerhafte Verbundenheit untereinander und mit ihrem Professor über die reine Studienzeit hinaus im System der deutschen Universität nicht vorgesehen ist.“ Unser Freiburger Politikdialog schloss diese Lücke. Der erste Gast, Baden-Württembergs Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Klaus von Trotha kam, so wurde er zitiert „weil ich noch an die Kraft und den Sinn des Dialogs glaube.“ Politikwissenschaftler sollten Orientierungsarbeit inmitten eines bedeutenden kulturellen Umbruchs leisten. Christoph Bertram, Diplomatischer Korrespondent „Die Zeit“ wurde mit einem pointierten Satz zitiert: „Ich erwarte weniger als Sie können und mehr als Sie an der Uni gelernt haben“. Explizit erwähnte er Urteilsfähigkeit und Sprachvermögen für diejenigen, die in dne Medien strebten. Christoph Münzer, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Pfizer Deutschland, erinnerte an das Leben, das nach der Universität wartet, gerade wenn man in die Wirtschaft dränge: „Praxisschocks? So etwas gibt’s“. Anpassungsleistungen seien für jeden Einzelnen erforderlich (Rupps 1997, S. 19). Meine jeweils aktuellen Doktoranden wählten das Thema für die nächste AlumniVeranstaltung aus. Das breite Spektrum der renommierten Gastreferenten in den nächsten Jahren und die Themenpalette, die in Vorträgen und Diskussionen behandelt wurden, zeigten die Bandbreite ihrer Interessen. Die Herren dominierten ganz eindeutig. Doktorandinnen kamen erst langsam hinzu, aber blieben, wohl fachtypisch, in eher geringer Zahl, ohne auch nur im Geringsten schlecher qualifiziert zu sein. Während in meinen universitären Seminaren das Geschlechterverhältnis jederzeit absolut ausgeglichen war, war an der unterschiedlichen Disposition zwischen jungen Damen und jungen Herren, sich einer langen und nicht selten entbehrungsreichen Promotion zu stellen, offenkundig schwer etwas zu ändern. Vielleicht lag es aber natürlich auch an mir und den Themen, bei denen ich kompetent beraten und eine Promotion begleiten konnte. Nach meinem Wechsel von Freiburg an das Bonner Zentrum für Europäische Integrationsforschung nannten wir den „Freiburger Politikdialog“ in „Bonner Europakolloquium“ um. Ab dem zehnten Treffen 2003 fanden drei gute Neuerungen statt: Die

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Abb. 10.5   10. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium, Münstertal (2003). (© Ludger Kühnhardt)

Treffen mit meinen ehemaligen und aktuellen Doktorandinnen und Doktoranden fanden im zweijährigen Rhythmus statt, was die Vorfreude steigerte. Referenten wurden fortan vor allem aus dem Kreis meiner Doktoranden und ehemaligen Doktoranden gewonnen, von denen immer mehr bemerkenswerte Wege beschritten hatten und aussagestarke Praxisberichte beisteuern konnten. Zum dritten wurden Ehepartner und Kinder willkommen geheissen, was mehr und mehr eine ganz besonders schöne familiäre Atmosphäre schuf. Meine Frau und meine beiden Kinder waren natürlich auch mit von der Partie. Wir reservierten den zweiten Tag unseres Treffens für einen Ausflug, der, wenn möglich, in unmittelbarem Bezug zum Thema der vorherigen akademischen Diskussionen stand. So setzten wir die akademischen Gespräche im persönlichen Rahmen fort und freuten uns zum Abschied jedesmal schon auf das nachfolgende Treffen. 2005 entdeckten wir die Fauststadt Staufen, 2007 die Burgruine und die Römische Bäderruine in Badenweiler und 2009 das elsässische Kleinod Eguisheim. 2011 liessen wir uns den Erdbebenmess-Sensor im Faust Gymnasium Staufen vorführen, von wo selbst Erdbeben in Chile gemessen werden können. 2013 wanderten wir im Schwarzwald. 2015 wurden wir mit der Synagoge von Sulzburg vertraut gemacht und 2017 durch den Barbarastollen in Oberried geführt, wo deutsches Kulturgut atombombensicher archiviert wird. 2019 stellte uns ein ehemaliger Freiburger Student, Harald Franke, der als Berufsoffizier dort seine Aufgabe gefunden hatte, die Deutsch-französische Brigade in Müllheim vor.

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2021 musste das Wiedersehen wegen der Corona-Pandemie digital stattfinden, ein ganz eigenes Erlebnis. Am 12./13. April 2023 beendeten wir den Reigen unserer Begegnungen mit einer Bootstour auf dem Rhein bei Breisach. Der Strom verbindet meine beiden wichtigsten Wirkungsorte Freiburg und Bonn und symbolisiert den immer wieder neuen Aufbruch, den das Leben bereithält wie die Natur. Die Dokumentation Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023), mit der ich alle Anwesenden nach drei Jahrzehnten beim 20.Treffen am 13.April 2023 überraschen

Abb. 10.6   17. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium unter der Kuckucksuhr in Münstertal (2017). (© Ludger Kühnhardt)

konnte, war ein eindrucksvolles, zugleich schön bebildertes Zeugnis dafür, wie Wissenschaft Wege bereiten und mithelfen kann, Verbundenheiten über die Zeit in der Universität hinaus lebendig zu halten (Kühnhardt 2023a). Der Titel war unser Programm. Bitter war unser Treffen 2017 gewesen, als ich an Matthias Pape erinnern musste, der sich im Jahr zuvor auf so rätselhafte Weise das Leben genommen hatte. Die Dialoge, ihre Themen und Referenten zeichnen im Überblick ein buntes Bild unserer gemeinsamen Interessen: 1. Freiburger Politikdialog 1994: Was erwarten Politik, Wirtschaft und Journalismus von Absolventen der politischen Wissenschaft? Klaus von Trotha, Minister für Wissen-

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schaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Christoph Bertram, Diplomatischer Korrespondent „Die Zeit“. Christoph Münzer, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Pfizer GmbH. 2. Freiburger Politikdialog 1995: Welchen Einfluss haben Medien und Demoskopie auf Politikerentscheidungen? Ruth Wagner, Vorsitzende der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag. Ulrich Guntram, Geschäftsführender Gesellschafter Institut für Angewandte Sozialforschung INFAS. Peter Christ, Chefredakteur „Badische Zeitung“ 3. Freiburger Politikdialog 1996: Außenpolitische Erwartungen und die Anforderungen an die Politikwissenschaft. Stefan Fröhlich, Seminar für Politische Wissenschaft, Universität Bonn. Dieter Chenaux-Repond, Botschafter der Schweiz in der Bundesrepublik Deutschland. Karsten Voigt, Aussenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. 4. Freiburger Politikdialog 1997: Globalisierung – Folgen für die Politik und ihre Einschätzung aus der Perspektive der Wirtschaft. Rezzo Schlauch, Mitglied des Deutschen Bundestages, Bündnis 90/Die Grünen. Christoph Ehlers, Geschäftsführer Ehlers Consulting. 5. Bonner Europakolloquium 1998: Deutschland und Europa. Positionen, Perzeptionen, Perspektiven. Rudolf Hrbek, Professor für Politikwissenschaft, Universität Tübingen. Jean-Paul Picaper, Deutschland-Korrespondent „Le Figaro“. Arto Mansala, Botschafter von Finnland in der Bundesrepublik Deutschland. 6. Bonner Europakolloquium 1999: Europa und Asien: Chancen für einen interkulturellen Dialog? Xuewu Gu, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. KarlHeinz Ludwig, freier Publizist. Oskar Weggel, Institut für Asienkunde. Walter Woon, Botschafter der Republik Singapur in der Bundesrepublik Deutschland. 7. 7. Bonner Europakolloquium 2000: Interkulturelle Kommunikation in der DeutschFranzösischen Wirtschaftskooperation. Sabine Urban, Professorin für Verwaltungswissenschaften, Universität Strassburg. Gerhard Meier, Leiter der Internationalen Management- und Organsationsentwicklung, DASA (Daimler Crysler Aerospace). 8. Bonner Europakolloquium 2001: The Future of the European Integration Process: Ideas and Interests of Candidate Countries. Boris Hajoš, Sprecher des Ministeriums für Europäische Integration der Republik Kroatien. Vladimir Kissiov, Direktor des EuropaInstituts Bulgarien. Rytis Martikonis, stellvertretender Außenminister der Republik Litauen. Imrich Marton, Planungsstab des Außenministeriums der Republik Slowakei. Iveta Sulca, Botschafter der Republik Lettland in der Tschechoslowakei. 9. Bonner Europakolloquium 2002: Die Auswirkungen des 11. September 2001 auf die transatlantischen Beziehungen Andrew Dennison, Direktor „Transatlantic Networks“. Lothar Rühl, Professor für Politikwissenschaft, Universität Köln, Staatssekretär a.D. Bassam Tibi, Professor für Politikwissenschaft, Universität Göttingen. 10. Bonner Europakolloquium 2003: Die Europäische Dimension im Arbeitsalltag politikwissenschaftlicher Absolventen. Marcus Höreth, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Klaus Driever, Geschäftsführer „Weltbild“. Frank Ronge, Referat Gesellschaft und Soziales, Deutsche Bischofskonferenz. Andreas Beierwaltes, Programmleiter Nomos Verlag. Martin Weber, Rechtsanwalt. 11. Bonner Europakolloquium 2005: Hochschule und Weiterbildung: Quo vadis? Matthias Pape, Regierungsdirektor Freie und Hansestadt Hamburg. Johannes Beverungen, Berufsakademie Lörrach. Hariolf Frankenreiter, Studienrat, Rabanus-MaurusGymnasium Mainz. Gerd Föhrenbach, Zentrum für Transformation der Bundeswehr. 12. Bonner Europakolloquium 2007: Wachstum und Wirtschaftsordnung. Johannes Beverungen, Präsident Berufsakademie Baden-Württemberg. Xuewu Gu, Professor

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für Politik Ostasiens, Ruhr-Universität Bochum. Felix Zimmermann, Finanzvorstand Celesio AG. Frank Waltmann, Head „Learning“, Novartis 13. Bonner Europakolloquium 2009: Partner Frankreich: Positionsbestimmungen zwischen Krise und Aufbruch. Andreas Marchetti, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Claire Demesmay, Programm Deutschland/Frankreich, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Daniela Vogt, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. 14. Bonner Europakolloquium 2011: Eine Welt im Wandel: Herausforderungen an die deutsche und europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Jan Philipp Weisswange, Publizist, Report-Verlag. Silke Kettig, Professorin für Medien und Journalismus, Fachhochschule des Mittelstandes. Matthias Vogl, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Xuewu Gu, Professor für Politische Wissenschaft, Universität Bonn. 15. Bonner Europakolloquium 2013: Die Europäische Union: Krisen und Krisen bewältigung. Rafael Biermann, Professor für Politische Wissenschaft, FriedrichSchiller-Universität Jena. Malte Zabel, Mitarbeiter Deutscher Bundestag. Nathalie Jouan, Agence française pour les investissements internationaux. Thorsten Kim Schreiweis, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. 16. Bonner Europakolloquium 2015: Politik und Religion. Aspekte einer furchtbaren Spannung. Frank Ronge, Leiter Glaube und Bildung Deutsche Bischofskonferenz. Matthias Belafi, Referat Gesellschaft und Soziales Deutsche Bischofskonferenz. Matthias Vogl, Zentrum für Europäische Integrationsforschung.

Abb. 10.7    Webinar in Corona-Zeiten: 19. Bonner Europakolloquium (2021). (© Ludger Kühnhardt)

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17. Bonner Europakolloquium 2017: Neue Wege in Medien und Kommunikation. Klaus Driever, Head Strategic Digital Initiatives, Allianz Deutschland AG. Silke Kettig, Professorin, Mediadesign Hochschule. Robert Stüwe, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Martin Rupps, Leiter ARD Koordination 3sat, Südwestrundfunk. Daniela Vogt, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. 18. Bonner Europakolloquium 2019: Wie weltfähig ist Europa? Ariane Kösler, Cusanuswerk. Carola Logan, Research Fellow, European Centre for Energy and Resource Security, King’s College London. Susanne Baier-Allen, Habitat für Humanity East Bay/ Silicon Valley. Patrick Baues, wissenschaftliche Hilfskraft Hochschule Rhein-Sieg. Michael Amoah Awuah, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. 19. Bonner Europakolloquium 2021: Corona und die Verfassung Europas. Daniel René Jung, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Wolfgang Picken, Stadtdechant von Bonn. Matteo Scotto, Villa Vigon. Liska Wittenberg, Zentrum für Europäische Integrationsforschung. 20. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium 2023: Politikwissenschaft als Beruf. Zwischen allen Zeiten. Zwischenbilanz und Ausblick. Ludger Kühnhardt

Abb. 10.8    19. Bonner Europakolloquium als Webinar. Mit dabei: Meine Frau Enikö, meine Sekretärin Lisa-Marie Brackmann und der junge Ferdinand mit seinen Eltern, meinen Doktoranden Nathalie (geborene Jouan) und Matthias Belafi (2021). (© Ludger Kühnhardt)

Zum Schluss, am 13.April 2023, sprach ich selber (Kühnhardt 2023, S. 747 ff.). Vor allem sprach ich darüber, was das Zeitgefühl mit unserer Existenz macht. Ich erinnerte an antike und christliche Muster der Zeitdeutung. Mit einer Zwischenbilanz, an die ich bewußt das Wort Ausblick anfügte, wollte ich vor dem Kreis meiner Habilitanden und Doktoranden selbstkritisch Rechenschaft ablegen über Anspruch und Wirklichkeit des

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von mir bisher Erreichten. Ich wollte keine alten Schlachten schlagen und keine vergangenen Leistungen rühmen. Mir kam es darauf, in knappen Zügen darzulegen, wie das Viele, das mich beschäftigt und häufig wirklich umgetrieben hatte, zusammenhing. Ich wollte einfach für einmal daran erinnern, was ich bei Studierenden und in der weiten Welt anzustossen erhofft hatte und wie ich die Ergebnisse beurteilte. Mir war klar, dies alles ging nicht ohne ein bestimmtes Mass an Selbstdarstellung. Allerdings: Wenn wir versuchen, eine Balance zwischen Selbstdarstellung und der Tugend der Bescheidenheit im intellektuellen Sinne zu finden, ist Selbstkritik zwingend. Einen Satz hatte ich einmal eher beiläufig bei Karl Popper gelesen: „Unsere intellektuelle, wie auch unsere sittliche Erziehung ist korrupt. Sie ist verdorben durch die Bewunderung der Brillanz, durch die Bewunderung der Weise, in der die Dinge gesagt werden, die an die Stelle einer kritischen Betrachtung des Gesagten (und des Getanen) tritt. Sie ist verdorben durch die romantische Idee des Ganzen auf der Bühne der Geschichte, auf der wir alle Schauspieler sind. Wir sind dazu erzogen, bei allen unseren Handlungen die Galerie im Auge zu behalten“ (Popper 1980, S. 341). Ich erinnerte mich erst jetzt wieder an diesen Satz und an meinen ersten seriösen Schulaufsatz zu Lessings „Erziehung des Menschengeschlechts“. War dort nicht das Gegengift zur Eitelkeit des Menschen formuliert? Selbsterziehung, war das nicht das oberste Gebot der Aufklärung? Hatte ich diesem Ideal genügt? Hatte es gereicht, mich der auf den flüchtigen Effekt ausgerichteten Talkshow-Kultur zu entziehen und den Rummelplatz politischer Eitelkeiten hinter mir zu lassen? Diese Fragen stellte ich an mich. Es geschah zugleich in der Hoffnung, dass meine akademisch am weitesten vorangekommenen Studenten auch ihrerseits eines Tages die Stafette in diesem Geiste weitergeben würden. Ich reflektierte in meiner gleichsam informellen Abschiedsvorlesung in Münstertal den Wandel des Zeitbegriffs und rekonstruierte, dass unser heutiges Zeitbewußtsein aus alttestamentarischer Gottesverheißung, griechischer Philosophie und christlicher Glaubenskraft komponiert wurde. Erst so konnten Vergangenheit, die Kreisläufe der Gegenwart und die Verheißung der Zukunft jenseits der eigenen Vergänglichkeit zusammengedacht werden. In diese Traditionslinien hatte das Leben mich gestellt, referierte ich. Mir wurden, so sagte ich, viele Wege bereitet und ich hoffte, ein wenig Wegbereiter und Impulsgeber für andere und für die Entwicklung einiger neuer Ideen gewesen zu sein. Es war mehr als eine Art Bekenntnis als ich erklärte, dass und wie ich mich im Grunde immer zwischen den Stühlen am wohlsten gefühlt habe. Ich überraschte mit der Sentenz, im Grunde habe ich mich auch zwischen den Zeiten am wohlsten gefühlt. Mein Denken hatte sich selten in einer Gegenwart festgehalten. Immer wieder dachte ich ent-räumlicht, entrückt der Gegenwart, doppelt asynchron. Ob Zeitwege oder Wegeszeiten: In meinem wissenschaftlichen und publizistischen Wirken habe ich immer vorgezogen, Abzweige zu nehmen, womit ich ein in der Schweiz übliches

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Wort aus dem Bereich des Verkehrswesens verwendete. Ich sei meist schon damit beschäftigt gewesen, an meiner nächsten Hypothese zu feilen, eher die letzte These ihre öffentlichen Wege nehmen konnte. Mir war es immer wichtig, anzuregen, aber nicht daneben stehenbleiben, um zu schauen, was aus einer Anregung wurde. Vielleicht lag dieser Wesenzug auch nur an meiner Ungeduld. Am wichtigsten aber war mir jederzeit, die richtigen Fragen zu stellen und zum Kern einer Fragestellung und den Ursachenanalysen eines Problems vorzudringen. Diese Wesenszüge erklären, so fuhr ich fort, warum ich mich immer schwergetan habe mit dem Zeitbegriff in der Sphäre der deutschen Politik. Zu lange dauert es mir dort gewöhnlicherweise, bis nach Ursachen, Ausgangspunkten und Zusammenhängen gesucht wird, um eine öffentliche Frage überzeugend zu vermessen. Noch länger dauert es, bis entschieden wird. Häufig musste ich den Eindruck gewinnen, Politik sei denaturiert zu dem hilflosen Versuch, das Dasein zu verlangsamen. Zugleich sei sie häufig nur noch von dem Drang getrieben, vormalige Fehler und Unzulänglichkeiten zu reparieren. Ich entschied mich für die Freiheit der Wissenschaft gegenüber der Illusion der Macht in den Maschinenräumen der Politik. In 33 Jahren als Professor für Politische Wissenschaft habe ich mein akademisches Fach immer als praktische Wissenschaft in der Nachfolge von Aristoteles verstanden. Der Bezug zum Leben und das Abwägen von Argumenten waren mir wichtig. Geschlossene System- und Theoriebildung, oder gar szientistische Modelle blieben mir fremd. Ich hatte und habe Vorbehalte gegen die Übertragung naturwissenschaftlicher Methoden und Geltungsansprüche auf die Geisteswissenschaften. Ich respektiere das Messen und Zählen, aber es wird erst wertvoll, wenn die Daten gedeutet, interpretiert und eingeordnet werden. Weltverstehen und Welterklärung sind mir wichtiger als Theorieperfektionismus. Ich reagiere allergisch, wenn Begriffe zu salopp verwendet werden oder vorschnell unter Ideologieverdacht gestellt werden. Noch allergischer reagiere ich, so erläuterte ich, auf alle Formen menschlicher Selbstermächtigung. Wo immer moralische Argumente ohne plausible Legitimationsbasis gegen eine komplexe Wirklichkeit aufgeboten werden, werden Vernunftargumente verlieren. Mit diesen Hinweisen wollte ich auch eine Konstante meines gedämpften Fortschrittsbegriffs deutlich machen. Wichtiger als über eine goldene Zukunft zu spekulieren war es mir immer, zu verstehen, wie entstand, was uns herausfordert.

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Abb. 10.9   Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023) (hrsg.) (2023). (© Nomos Verlag)

Politische Korrektheiten waren mir fremd geblieben und ebenso die Effekthascherei, die mich in Talkshows hätte führen können. Ich machte mir immer wieder Sorgen um die Umdeutung des Menschenbildes, auch in universitären Zusammenhängen. Gegenüber dem wissenschaftlichen Nachwuchs wie gegenüber jungen Menschen an sich sollte Vertrauensvorschuss herrschen. Unangemessen aber ist Mißtrauen, dass gleich hinter jeder Hausarbeit ein Plagiat und hinter jeder neuen Idee eine finstere Absicht vermutet. Meine Erfahrung hatte mich aber auch gelehrt, dass Strukturwandel und Innovation oftmals nur simuliert werden. Mir waren immer die Zyklen bewußt, die der Wandel der Generationen immer und immer wieder bedeutet: Die nachwachsende Generation, die meine Generation und mich ablöst, wird danach für zehn, vielleicht fünfzehn Jahre

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dominieren. Doch schon längst war herangewachsen, so sagte ich meinen Habilitanden und Doktoranden der vergangenen dreißig Jahre, wer sie selbst schon bald kulturell herausfordern und danach faktisch überholen wird. Wer heute „cancel culture“ postuliert, muss damit rechnen, schon bald selbst wieder entfernt zu werden. Ich empfahl, achtzugeben, nicht in eine Schublade der Kurzlebigkeit einsortiert zu werden. Immer wieder neu aufzubrechen, mit den eigenen Vorurteilen leben zu lernen und großzügig gegenüber denen der Anderen zu werden, sei wichtiger als immer nur das ewig Gleiche zu wiederholen. Im beständigen intellektuellen Neuaufbruch zeigt sich eine menschenfreundliche Konstante. Ich zitierte den Theologen Romano Guardini, den mein Vater gekannt und mir nahegebracht hatte: „Eine große Bejahung der Welt ist also gefordert. Eine Liebe, die deren ganzem Sein offensteht. Und zugleich eine Freiheit von der Welt, die Überschau und Wertung möglich macht“ (Guardini 1985, S. 19). Meine Schlussfolgerung war einfach. Um der ewigen Wiederkehr des Gleichen auszuweichen, sollte nie diese wichtige Voraussetzungsbedingung der Freiheit vergessen werden: Überschau und Wertung. Ich endete meine Münstertaler Zwischenbilanz mit einem Blick auf das Wesen des Kreises, der sich über nun drei Jahrzehnte gefunden hatte. Alumni sein ist kein Gefühl der Nostalgie. Es heisst, das Erbe weiterzutragen. Erbe aber, so sagte ich, sei stets Haltung und Auftrag. Ich hatte mich immer als Berater und Impulsgeber meiner Studenten verstanden, nicht so sehr als Lehrer. Diese beiden Begriffe mochte ich entschieden lieber als den des Hochschullehrers. Auch an anderen Orten und in anderen institutionellen Zusammenhängen außerhalb der Universitäten hatte ich mich stets so gesehen: als Berater und Impulsgeber. Ob in Bonn oder Berlin, in Brüssel oder Dresden, in Jena oder Vilnius, in Praia oder Abuja, in Singapur oder Seoul, in Straßburg oder Ruse. Offenbar wirkte in mir doch die Aufklärung nach. Mein innerer Kompass war von der Geschichte bestimmt, in deren Konsequenzen ich hineingeboren wurde: Der antitotalitäre Ursprung meines Freiheitsverständnisses hält in mir beständig das Misstrauen wach, einen Urverdacht gegen alle Art von vorgeschriebenen Freiheitseinschränkungen, gegen Verbote, Sanktionen und erzieherischen Unterwerfungsstrategien. Aber jenseits aller denkbarer Anwendungsfelder ging es mir stets um etwas Grundsätzliches: Mein Menschenbild verträgt keine absoluten Gewissheiten, die Menschen anderen Menschen aufdrängen dürften. Genau in diesem Sinne definiere ich mein Menschenbild als katholisch und universalistisch. Der beste Referenzpunkt für ein gelingendes, maßvolles und ausgleichendes Leben bleibt die Idee der Menschenwürde. Und das heisst: Die Freiheit des Anderen. Ich bekannte, was mir im Leben am schwersten gefallen war und weiterhin fällt: Mit den eigenen Vorurteilen leben zu lernen. Menschenwürde zwingt uns, moralische Dilemmata zu durchdenken. Mit der doppelten totalitären Bedrohung schwand, jedenfalls in Deutschland, die Sensibilität für Sinn und Nutzen einer normativen Grundierung des gesellschaftlichen Lebens. Als Idee blieb, bei allen Parteien, allein der Anspruch zur Macht. Das wurde mir nur zu häufig sinn-los, sinn-leer im wahrsten Sinne des Wortes. Eines hatte der Epochenbruch Corona gelehrt: Wie zerbrechlich das Leben ist, aber auch alle Strukturen und Ideen,

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die wir Menschen uns geben. Ich holte noch einmal weit aus: Gorgias und Protagoras, Pyrrhon von Elis und Arkesilaos, sie und andere Skeptiker wussten, dass nichts sicher ist und nicht einmal dies sicher ist. Wenn Skeptiker nicht zu Dogmatikern werden, fragen sie lieber einmal mehr und zweifeln lieber etwas länger. Sie forschen gründlich. Doch zur Geschichte des europäischen Denkens, erinnerte ich meine Zuhörer, gehört auch der Satz, der stolz und selbstgewiss an der Stirnwand der Freiburger Universität prangt: „Die Wahrheit wird Euch frei machen“. Den Satz aus dem 8.Kapitel des JohannesEvangeliums habe ich 1994 ausführlich interpretiert, wenige Monate vor dem 1. Freiburger Politikdialog. Ich schrieb damals von „Kraftquellen der Weisheit“ (Kühnhardt 1994c, S. 24). Nun 2023, war es wieder an der Zeit, daran zu erinnern, dass jede Zukunft „Kraftquellen der Weisheit“ braucht und sucht. Wo diese bestehen, kann Leben gelingen. Und man kann mit Gelassenheit loslassen, wenn Raum und Zeit es verlangen. Mir blieb in Münstertal diesmal nur noch ein von Herzen kommender Wunsch für die über drei Jahrzehnte gewachsene und eingeschworene Gruppe des „Freiburger Politikdialogs/ Bonner Europakolloquiums“: Immer wieder das Glück zu suchen, das zwischen allen Zeiten immer neu auf jede und jeden wartet. Ich empfahl die Lektüre von Senecas Büchlein Vom glückseligen Leben als Kompass (Seneca 1973). Ich war rundum dankbar dafür, dass ich einige intellektuelle Anstösse hatte geben und einigen jungen Menschen hatte Wege bereiten können. Es war Zeit für ein Orgelkonzert in der Klosterkirche St.Trudpert und eine gemeinsame Bootsfahrt mit meinen Doktoranden auf dem Rhein. Die Melancholie des gelungenen Abschieds verwandelte sich in einen fröhlichen Aufbruch.

10.3  Opening doors (ZEI 2018) Wie merkt man als Professor, dass man älter wird? Die Studierenden, mit denen man für eine Weile auf ihrem Ausbildungsweg zusammentreffen und zusammenarbeiten darf, bleiben Jahrein, Jahraus immer etwa gleich alt. Ein Aspekt des Älterwerdens als Universitätslehrer besteht wohl darin, dass man plötzlich Bücher und Autoren einer neuen Generation entdecken kann, die Wegmarken oder Begegnungen des eigenen Lebens bereits als „Welt von Gestern“ (Zweig (1041) 2020) porträtiert haben. Im University Bookshop von Christchurch hatte ich 2015 ein solches Erlebnis. Ein mir völlig unbekannter neuseeländischer Rhodes Scholar, Andrew Dean, outete sich in seinem Essay Ruth, Roger and me als Nachfahre der liberalrevolutionären Altvorderen seines Landes und brach zugleich mit deren Erbe (Dean 2015). Roger Douglas, der Labour Finanz- und Wirtschaftsreformer, den ich 1993 einmal getroffen hatte, und Ruth Richardson, damalige Finanzministerin der Regierung der National Party, die mir noch kurz vor dem Besuch im Buchladen in einem persönlichen Gespräch die großartigen Wirkungen ihrer und Roger Douglas‘ Reformen erklärt hatte, waren Antihelden von Dean. Rod Carr, den so eindrucksvollen Rektor der Canterbury University, an der ich gerade eine Gastprofessur als Erskine Fellow verbrachte, hielt er für einen spätberufenen Apostel von Ruth und Roger, der in die Universität das zu übersetzen suchte, was die

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beiden Schwergewichte der Modernisierung Neuseelands schon eine Generation vorher aus Sicht von Dean falsch gemacht hatten. Nach zehn Minuten hatte ich das Büchlein quergelesen und eine persönliche Zeitreise durch den Spiegel meiner Neuseeland-Erfahrungen erlebt. Im Spiegel des Büchleins sah ich plötzlich meine eigene Erfahrungswelt als bereits ausrangierte Welt von Gestern. So kann es gehen, wenn man in neue Bücher schaut. Und doch war die Erfahrung existenziell lehrreich: Unsere Welt von heute wird immer nur zu schnell zur Welt von Gestern. An einer Universität zu dozieren bedeutet, in der jeweiligen Studenten-Community zwar immer wieder andere, aber mehr oder weniger gleichaltrige Menschen vor sich zu haben. Gerade dadurch aber erfährt man den Lauf des Lebens. Ob bei den Studierenden des sogenannten grundständigen Studiums an den Universitäten Freiburg, Jena und Bonn, ob bei den Master-Studierenden am ZEI oder bei den vielen Studierenden aus aller Welt bei einer meiner Gastprofessuren: Ich sah, wie die Jugend sich wandelte, und damit auch die Gesellschaft, der sie entsprungen war. Ich hörte von neuen Vorlieben und sah neue Moden. Ich nahm veränderte Interessen war und neue Orientierungen gegenüber jedem nur denkbaren Aspekt des eigenen Lebens. Ich erlebte, dass das Leben in der Normalität von Frieden und Freiheit keineswegs leichter wurde. Es wurde für Einige wieder anfällig für Ideologien und Selbstgerechtigkeit. Die Anforderungen an eine neue junge Generation waren Ausdruck anthropologischer Konstanten. Frieden wird immer bedrohter, je weniger wir über seine Zerbrechlichkeit nachdenken müssen. Freiheit wird immer herausfordernder, je mehr wir von ihr haben. Wie sehr ich selber mich mit der Zeit, in der ich stand, veränderte, zumindest älter wurde, spürte ich unmittelbar erst dann, wenn jemand aus der Studentenschaft einmal persönlicher wurde, um Argumente einzuordnen. Dann hörte ich schon mal: „Na ja, das ist doch auch so eine Generationenfrage, also meine Eltern, so um 1970 geboren, und dann erst die Großmutter, oh je,1950er Jahre“. Ich verstand. Ich versuchte mir immer wieder die Sozialisationswege und Prägungen der mir begegnenden Studentengenerationen dadurch besser vorzustellen, dass ich nicht darauf schaute, ob jemand zwanzig, fünfundzwanzig oder dreißig Jahre alt war, sondern in welchem Jahr sie oder er geboren worden war. Dann wurde mir immer rasch verständlich, ob die 1968er Zeit nacherlebte Kulturrevolution oder anekdotische Erfahrung der Eltern oder gar schon der Großeltern war, ob die Wiedervereinigung Deutschlands ein emotionales persönliches Erlebnis war oder bereits so entrückte Geschichte wie für mich im Studentenalter der Zweite Weltkrieg. Deshalb war mir auch sofort klar, dass der globale Corona-Lockdown auf junge Menschen weltweit eine lebensprägende Wirkung haben würde. Eine dritte Ebene, auf der das Älterwerden als Professor erlebbar wird, ist die dankbarste und schönste. Es ist die Ebene, auf der man erfahren kann, welche beeindruckenden Wege Studierende zurückgelegt haben, seitdem sie die akademische Verbindung mit einem Professor hinter sich gelassen hatten. Die Freude ist noch größer, wenn man sich eine Weile nicht gesehen hat. Während ich mit meinen Doktoranden das regelmässige Gespräch fortgeführt habe, war dies mit den Absolventinnen und Absolventen des Studiums am Zentrum für Europäsiche Integrationsforschung nicht

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so ohne weiteres möglich. Es zog sie in den meisten Fällen nach einem zwar sehr intensiven, aber doch relativ kurzen Aufenthalt am ZEI in alle Himmelsrichtungen der Erde. Wir hatten über die Jahre hinweg Studierende aus sage und schreibe 125 Ländern der Erde am ZEI. Aber die Erinnerungen an die intensive Zeit des weiterbildenden Studiums am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) blieb jederzeit lebendig – für die Studierenden wie für mich, der ich so viele sympathische und ambitionierte, bereits gut ausgebildete und vielseitig talentierte von ihnen ohne Unterbrechung seit 1998 habe kommen und gehen sehen. Zu den Absolventen des „Master of European Studies – Governance and Regulation“ kamen noch die Absolventen der hochtourigen „Summer Academy in Regional Integration“ hinzu, die wir am ZEI fünfmal über mehrere Wochen hinweg durchgeführt haben.

Abb. 10.10   ZEI Master of European Studies – „Class of 1999“ (1999). (© Ludger Kühnhardt)

Das Studienjahr des „Master of European Studies – Governance and Regulation“ eröffneten mein Kollege Christian Koenig und ich immer auf eine eher launische Art, bei der wir zugleich den ersthaften und extrem anspruchsvollen Syllabus präsentierten, der nun für jeden in der neuen Gruppe unserer Master Fellows mit der Präzision einer gut geölten Maschine heranrollte. Wir erzählten von den römischen Wurzeln Bonns, aber auch davon, dass es möglich sei, im nun beginnenden Studium zu scheitern („failing is an option“). Tatsächlich war durchgängig die Quote derer, die tatsächlich vorzeitig das Studium aufgeben mussten und mit einem gesichtswahrenden „Certificate of Attendance“ entlassen wurden, denkbar gering (unter ein Prozent über alle Jahre gerechnet). Das sprach für die Qualität derer, die wir augewählt hatten. Es sprach aber auch für die Konzentration, Kreativität und Hartnäckigkeit jeder und jedes einzelnen

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Master Fellow, wie wir die am ZEI Studierenden nannten. Aber die Tränen, die immer wieder einmal flossen, taten weh, auch mir. Mein einführendes Modul diente dazu, Menschen aus ganz unterschiedlichen Regionen und Kontinenten mit denkbar unterschiedlichen wissenschaftlichen und persönlichen Vorprägungen und ebenso unterschiedlichen Kenntnissen und Erwartungen in der Europäischen Union ankommen zu lassen. Geschichte und Identität des europäischen Einigungswerkes, die inneren Entwicklungen und die weltpolitischen Zusammenhänge: Für einige war all dies bekannt, andere waren fast überfordert oder jedenfalls überrascht, ein so hohes Maß an Komplexität in der EU vorzufinden. Die anschliessenden Studienmodule wurden Schritt für Schritt immer dichter und spezifischer. Die elf Module des einjährigen „Master of European Studies – Governance and Regulation“ behandelten folgende Inhalte: Basic 1: Governance in the EU: Historic evolution and political system; Basic 2: Law of the EU: Institutions and Procedures; Basic 3: Political Economy of European Integration; Specialized 1: Multi-level decisionmaking in the EU – between national and EU interests (1) Inter- institutional bargaining and multi-level decision- making in the EU, (2) Legitimacy, democracy and public opinion in the EU, (3) Conflict of aims between national and EU interests; Specialized 2: The European Single Market (1) Economics of the Internal Market, (2) Law of the Internal Market, (3) Policies for Coherence and Structural Change; Specialized 3: Governance and regulatory issues of the EU’s external relations (1) EU and the transformation of its neighbourhood, (2) EU and the global powers, (3) EU governance – regulatory aspects of the global economy; Basic 4: EU competition law and the EU law of sector-specific regulation; Basic 5: EU fiscal federalism; Basic 6: Agenda setting, decision-making and implementation; Specialized 4: Sector-specific regulation in electronic communications and logistics (1) Electronic communications, (2) Transportation, (3) Logistics; Specialized 5: Sector-specific Regulation in Energy and Water (1) Gas, (2) Electricity, (3) Water; Basic 7: Master thesis. Die Dozenten kamen im Durchschnitt aus zehn verschiedenen Ländern der EU. Sie waren anerkannte Experten in unterschiedlichen Fachdisziplinen der Politischen Wissenschaft, der Volkswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaft. Gut die Hälfte waren renommierte Praktiker aus der Europäischen Kommission, internationalen Anwaltskanzleien oder Ministerien und Verbänden. Jeder Dozent wurde von den Master Fellows intensiv bewertet. Gelegentlich tauschten wir Dozenten aus, wenn jemand bei den Studierenden völlig enttäuscht hatte. Zu meiner eigenen, stets interaktiven Vorlesung freute es mich natürlich, Sätze zu lesen wie „The reading materials are intensive, which is good.“ „very knowledgeable and responsive to students’ questions.“ „extremely interesting and very knowledgeable lecturer“ „expanded my vision on the EU integration process“.

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10 Aufbrüche

Alle Master Fellows verfügten bereits über eine bis zu zweijährige Berufserfahrung, ehe sie sich für das weiterbildende Studium am ZEI bewarben. Viele stiegen aus anspruchsvollen beruflichen Positionen aus, um sich dem einjährigen weiterbildenden Studium zu unterziehen. Für manchen waren die methodischen und inhaltlichen Anforderungen am ZEI nur mit strengster Selbstdisziplin und redlichen Mühen zu bestehen. Mit den Studiengebühren deckten wir alle Kosten. Damit verbunden waren natürlich intensive Service-Erwartungen, die wir jederzeit und weit über dem universitätsüblichen Maß erfüllen konnten. Unser Master-Team am ZEI war zu jedem Zeitpunkt beeindruckend engagiert und kompetent, allen voran Ralf Meyer, Stefan Fröhlich, Cordula Janowski, Tabea Leibbrand, Wiebke Drescher, Sally Brammer, Liska Wittenberg und Maximilian Gehrmeyer, eine große Zahl studentischer Hilfskräfte sowie die über alle Maßen patenten und zuverlässigen Sekretärinnen Ingrid Maldonado und Lisa-Marie Brackmann, Barbara Hurterund Birgit Löckenhoff. Wo immer möglich, führten Christian Koenig und ich die Master Fellows neben ihrem Studium an die Forschungsarbeiten im ZEI heran. Mehrfach publizierten wir gemeinsame Paper der Studierenden eines Jahrgangs, insbesondere im Zusammenhang mit der Verfassungskrise der EU, als Teil des Monitorings der Arbeitsprogramme der Europäischen Kommission und im Kontext der globalen Rolle der EU (Eschke und Malick, 2006; Bertrand et al. 2007; Niemann et al. 2008; ZEI Future of Europe Observer, 2013 ff.). Regelmässig wurden besonders qualifizierte Master Thesis als ZEI Discussion Paper veröffentlicht. Alumni wirkten beständig an den Forschungen und Publikationen des ZEI mit. Vorfreude bestand stets auf die Exkursionen an die Orte des europapolitischen Geschehens. „Es fühlt sich wie eine Hauptstadt an“, bilanzierte einmal ein indischer ZEI-Student seine ersten Eindrücke im Brüsseler Europaviertel. Dort, wie auch am Sitz des Europäischen Gerichtshofes und der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg, ebenso bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und bei den für EU-Belange wichtigsten Institutionen der deutschen Politik in Berlin brachten wir die aktuellen ZEI Master Fellows regelmässig mit Alumni des Instituts zusammen. So konnten die aktuellen Studierenden erleben, welche beeindruckenden Wege viele von diesen beschritten hatten: Planungschefin eines EU Kommissionspräsidenten. Mitarbeiter im Kabinett eines Kommissars. Sprecherin eines anderen Kommissars. Lobbyistin oder Lobbyist für wichtige europäische Unternehmensverbände. Minister, Diplomaten oder nationale Regierungsbeamte. Aber auch das gab es: Ein amerikanischer Alumnus des ZEI hatte in Berlin eine Musikkneipe eröffnet, die im informellen Exkursionsprogramm natürlich auch nicht fehlen durfte.

10.3  Opening doors (ZEI 2018 )

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Abb. 10.11   ZEI Master of European Studies – "Class of 2009". Abschlussfeier mit EUKommissar Günther Oettinger, Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und dem Dekan der Bonner Philosophischen Fakultät, Günther Schulz (2009). (© Ludger Kühnhardt)

Am Ende der intensiven Studienzeit stand die „Final Ceremony“. Es ging immer festlich und zugleich fröhlich zu an diesem Tag im ZEI. Gewöhnlich sprach der oder die Oberbürgermeisterin von Bonn ein Grusswort, gefolgt vom Rektor unserer Universität oder dem Dekan der Philosophischen Fakultät. Dann hörten wir eine Festrede, mit der ein prominenter europäischer Politiker, wie beispielsweise der deutsche EU Kommissar Günther Oettinger, Maltas erster EU-Kommissar Joe Borg, die beiden Präsidenten des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering und Martin Schulz oder auch arrivierte Alumni des ZEI die Absolventen ehrten und das Studierte in den großen Kontext des Jahres und der aktuellen Entwicklungen stellten. Am 29. Juni 2012, beispielsweise, fand die „Final Ceremony“ amTag nach einem dramatischen EU-Ratstreffen statt, bei dem tief in der Nacht der EU-Wachstumspakt (mit 130 Mrd. € Volumen) verabschiedet worden war. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) konnte künftig auch als Bank fungieren und spanische oder italienische Banken rekapitalisieren. Am Vorabend war von manchem Politiker an die Schüsse von Sarajewo erinnert worden (28. Juni 1914), den Lebenden zur Warnung, die Maßnahmen zur Bewältigung der Schuldenkrise dürften Europas Demokratie nicht außer Kraft setzen. Den ZEI Fellows, sagte ich in meinen Begrüssungsworten bei der „Final Ceremony“, werde der 29. Juni 2012 in Erinnerung bleiben als Tag, ab dem sie für Europas Zukunft Mitverantwortung trügen. Ein andermal wollten wir bewußt wieder dort anfangen, wo andere fast schon aufgehört und aufgegeben hatten: 2019 luden wir sechs Alumni aus den sechs Kandidaten-

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ländern des Balkans zu einer Panel-Diskussion vor den Absolventen der ZEI Master of European Studies Class of 2019. Ksenija Milenković, serbische Vize-Europaministerin, Ermir I. Hajdini, albanischer Regierungsvertreter im Bereich der Cyber Security, Nikola Jokić, ein Mitarbeiter des Justizministeriums von Bosnien-Herzegowina, Flandra Syla, eine kosovarische Doktorandin und Journalistin, Teodora Lađić, eine montenegrinische Aktivistin der Pan-Europa-Bewegung und Denis Preshova, unterdessen mazedonischer Jura-Professor, zeigten, wie nützlich wir im vernachlässigten Südosten Europas gewirkt hatten (Hajdini et al. 2020). 2022, vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und mit sowohl einer ukrainischen wie einer russischen Studierenden unter unseren Master Fellows der „Class of 2022“ sprach der ehemalige ZEI-Mitarbeiter und Richter am hessischen Oberlandesgericht, Jens-Daniel Braun, über die Rolle des Rechts als Friedensmacher. Das „Bernd Lier Swing Ensemble“ untermalte jede „Final Cerermony“. Mal zeigten die Absolventen einen kleinen lustigen Film, der ihr Zusammenleben in Bonn erhellte. Ein andermal hielt eine oder einer aus ihrem Kreis eine launige oder auch eine ernste kurze Rede. Besonders bemerkenswert war, wie viele Studierende aus nichteuropäischen Ländern den Weg zum ZEI fanden. Dies war ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Folgen der europäischen Integration in den unterschiedlichsten Lebensbereichen auch außerhalb der EU relevant waren. Ebernso stark war das Interesse, vergleichende Studien durchzuführen, um die Potentiale und Hemmnisse eines regionalen Verbundsystems in der eigenen Heimatregion besser zu verstehen. Eine ganze Reihe von Alumni pflegten den persönlichen Kontakt zum ZEI über all die Jahre oder wurden von uns immer wieder aktiv in neue Forschungsprojekte einbezogen.

Abb. 10.12   ZEI Alumni Reunion Day mit ZEI Master Fellows aus allen Kontinenten (2018). (© Ludger Kühnhardt)

10.3  Opening doors (ZEI 2018 )

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Bei unterschiedlichen Gelegenheiten traf ich mich mit ZEI Alumni in den USA und in der Türkei, in Japan, China und in Argentinien. Nach zwanzig Jahren wollten wir systematisch erfahren, was denn aus jeder und jedem Einzelnen geworden sei, die aus eigenem Antrieb und angesichts vielfältigster alternativer Optionen den Weg zum ZEI gefunden hatten. Ich war erfreut darüber, dass unsere Recherchen in den allermeisten Fällen zum Erfolg führten. Bald stand die Liste mit den Verbleibsdaten fast aller unserer über 650 Alumni aus 125 Ländern der Erde, die in zwanzig Jahren an den MasterStudiengängen und Sommerakademien des ZEI teilgenommen hatten. Nun hatten wir einen genauen Überblick über die Karrierewege, die sich für unsere Absolventen geöffnet hatten, nachdem sie die Türen des ZEI hinter sich gelassen hatten: 24 % wirkten in Beratungseinrichtungen und Dienstleistungsunternehmen. 15 % waren in der Industrie tätig. 12 % engagierten sich in der Forschung, 12 % in nationalen Ministerien und Regierungsbehörden. 10 % arbeiteten bei EU Institutionen, 7 % bei Nichtregierungsorganisationen, 5 % in den Medien. 4 % waren in privaten Organisationen, 6 % in internationalen Organisationen, 3 % in nationalen Instituten und 2 % in lokalen Regierungseinrichtungen tätig.

Abb. 10.13   Opening Doors – ZEI Master of European Studies – Governance and Regulation 1998–2018 (2018). (© Ludger Kühnhardt)

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10 Aufbrüche

Eine beachtliche Zahl unserer Alumni war Professorin oder Professor geworden, darunter: Ayse Aslihan Celenk („Class of 2005“), Professorin für Internationale Beziehungen, Erciyes University (Türkei). Stefan Gänzle („Class of 1999“), Professor für Politikwissenschaft, University of Agder, Kristiansand (Norwegen). Alvaro Garcia Otorola („Summer School Class of 2008“), Professor für Wirtschaftsstrategie, Fernuniversität San José (Costa Rica). Emmanuel Kam Yogo „Summer School Class of 2010“), Professor für Juristische und Politische Studien, University Douala (Kamerun). Kristina Kurze („Class of 2005“), Professorin für Politische Wissenschaft, Universität Göttingen. Holger Moroff („Class of 2000“), Professor für Politische Wissenschaft, University of North Carolina, Chapel Hill (USA). Shreya Pandey („Summer School Class of 2011“), Professorin für Politische Wissenschaft, St.Xavier’s College, Ranchi (Indien). Vladimir Pavicevic („Class of 2003“), Professor für Politische Wissenschaft, Universität Belgrad (Serbien). Denis Presova („Classof 2007“), Rechtsprofessor UKIM University, Skopje (Nordmazedonien). Ximena Romero („Summer School Classof 2007“), Professorin für Microökonomie und öffentliche Verwaltung, Universidad Peruana de Ciencias Aplicadas, Lima(Peru). Alena Vysotska Guedes Vieira („Class of 2002“), Professorin für Internationale Beziehungen, Universität Minho (Portugal). Francisco Zorrilla („Class of 2008“), Rechtsprofessor, National Autonomous University UNAM, Mexico-City (Mexiko).

Abb. 10.14   Mit den ZEI Master Fellows Luisa Fernanda Agudelo Blandon (Kolumbien) und Maria Javiera Moya Becerra (Chile) in John Hasler' (USA, „Class of 2003“) Musikcafé „Prachtwerk“ in Berlin (2019). (© Ludger Kühnhardt)

10.3  Opening doors (ZEI 2018 )

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In folgenden Ländern der Erde konnte man auf Absolventen des Zentrum für Europäische Integrationsforschung/Center for European Integration Studies treffen: Ägypten, Albanien, Argentinien, Armenien, Australien, Aserbaidschan, Barbados, Weißrussland, Belgien, Belize, Benin, Bhutan, Bolivien, Bosnien-Herzegowina, Botswana, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, Burundi, Cabo Verde, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Ecuador, Elfenbeinküste, Finnland, Frankreich, Gambia, Georgia, Ghana, Griechenland, Guatemala, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Honduras, Indien, Indonesien, Iran, Irak, Irland, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Jordanien, Kamerun, Kanada, Kasachstan, Kirgistan, Kolumbien, Kosovo, Kroatien, Lettland, Liberia, Litauen, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Malediven, Malta, Mali, Mazedonien, Mexiko, Moldawien, Montenegro, Myanmar, Nepal, Niederlande, Neuseeland, Niger, Nigeria, Nordkorea, Norwegen, Österreich, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Ruanda, St. Vincent und die Grenadinen, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien, Sierra Leone, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Slowenien, Südafrika, Südkorea, Spanien, Sri Lanka, Suriname, Syrien, Taiwan, Tadschikistan, Tansania, Tschechische Republik, Thailand, Togo, Trinidad und Tobago, Tunesien, Türkei, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Usbekistan, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Vereinigte Staaten von Amerika, Venezuela, Vietnam, Zypern. Am 30. Juni 2018 kamen rund einhundert Alumni aus allen Kontinenten der Erde zurück ans ZEI. Das Beisammenein hatte einen akademischen Kern und einen fröhlichen Ausklang. Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, gratulierte. In einem Grußwort für unsere reich bebilderte Festschrift Opening Doors (ZEI 2018) schrieb er, dass die EU ihre gemeinsamen Interessen verteidigen müsse. Aber ebenso wichtig sei es, eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten für die künftige Welt vorzubereiten, eine Welt, in der die EU für einen sich sorgenden Kontinent stehe, zusammen mit Partnern in aller Welt. Die EU verstehe er als einen Kontinent, der schützt, aber auch stärkt im Geist von Demokratie, Diversität und Dialog. Die bisherigen Ausbildungserfolge des ZEI "stood for the best that Europe has to offer… I’m counting on your graduates to help me and others write the next chapter of the European story“ (Juncker 2018, S. 1).

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10 Aufbrüche

Abb. 10.15   Mit einer Gruppe von ZEI Master Fellows ("Class of 2020") in Corona-Zeiten in einem Biergarten am Rhein (2020). (© Ludger Kühnhardt)

Zusammen mit allen meinen Kolleginnen und Kollegen am ZEI war ich dankbar, dass wir mit unseren Ausbildungsformaten so viele ganz unterschiedliche Türen hatten öffnen können, durch die unsere Alumni auf so unterschiedliche Weise erfolgreich in ihr weiteres Leben gehen konnten. Die neuen sozialen Medien halfen uns, über alle Zeitzonen und Kontinente hinweg in regelmässigem Kontakt zu bleiben. In der CoronaPandemie führten wir Webinare durch, die Gelegenheit gaben, eine erfreulich große Zahl von Alumni in aller Welt zumindest digital wiederzusehen und den so anregenden Austausch mit ihnen fortzusetzen. Wir verwendeten die digitalen Interaktionsformate auch, um den „Master of European Studies“ trotz der weltweiten Mobilitätseinschränkungen fortzuführen. Noch mitten in der weltweit anhaltenden Corona-Pandemie konnten wir den Studienjahrgang 2021/2022 („Class of 2022“) mit mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchführen wie seit Jahren. Unsere globale Bekanntheit, aber auch unsere immer wieder angepassten Werbestategien und die Beharrlichkeit des ganzen Teams im ZEI hatten sich ausgezahlt. Wir waren stolz auf unsere Alumni und freuten uns immer wieder auf den nächsten Studienjahrgang.

10.4  Erinnerung als Fundament (Kühnhardt 2009)

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Der Jubiläums-Studienjahrgang 2022/2023 („Class of 2023“) war der fünfundzwanzigste in Folge. Rechtzeitig hatten Christian Koenig und ich mit weitsichtigen Gesprächen über das übliche kollegiale Mass hinaus die Weichen für den natürlichen demographischen Wandel in der Leitung des Master of European Studies infolge des alsbald anstehenden Generationenwechsels am ZEI gestellt. Diese Aufgabe gehört zu den häufig unterschätzten oder vernachlässigten Aspekten in der Entwicklung von akademischen Einrichtungen und ihrem Lebensrhythmus: Beides unterliegt selbstverständlich beständigem Wandel und sollte doch Bewährtes pflegen, ohne Erbhöfe zu schaffen. Christian Koenig und ich konnten nach 25 erfüllten Jahren im Erfolg und mit großer Dankbarkeit loslassen. Dass die Bonner Universitätsleitung die akademische Chance und europawissenschaftliche Aufgabe nicht aufgriff, die ein so perfekt organisierter und weltweit anerkannter Studiengang auch für weitere 25 gute Jahre unter einem neuen, jüngeren Leitungsteam hätte bedeuten können, bedauerten wir zutiefst. Immerhin verstand die Universität ihr neues Strategieinstitut CASSIS als Ausdruck der Weiterführung der ZEI-Tradition. Mir schien das Auslaufen des erfolgreichsten deutschen Master of European Studies ein weiteres Glied zu sein in einer immer länger werdenden Kette des deutschen Reputations- und Einflussverlustes in der Europäischen Union. Die „Final Ceremony“ der „Class of 2023“ wurde von diesen Umständen in keiner Weise getrübt. Sie fand am 23.Juni 2023 statt, wie es jede und jeder unserer Alumni verdient hatten: festlich und fröhlich. Grußworte von Rektor Michael Hoch, Bonns Bürgermeisterin Ursula Sautter, NRW-Europaminister Nathanael Liminski. Beiträge der Studierenden. Key Note von CASSIS-Direktor Ulrich Schlie. Präsentation der Master Fellows. Tusch, Gruppenbild, Büffet und gute Gespräche, auch mit angereisten Alumni aus aller Welt. Ein letztes Mal erklang die Europahymne im Jazz-Sound durch das Bernd Lier Swing Ensemble am Zentrum für Europäische Integrationsforschung.

10.4  Erinnerung als Fundament (Kühnhardt 2009) Eigenartigerweise ist ein Todesfall meine erste Erinnerung an ein öffentliches Ereignis. Am 3.Juni 1963 starb Papst Johannes XXIII., einen Tag vor meinem fünften Geburtstag. Meine Eltern berichteten mir dies, ohne dass ich es recht verstand, als sie mich an diesem Tag von einem Kuraufenthalt auf Norderney abholten. Papst Johannes XXIII. lernte ich erst Jahre später kennen, posthum sozusagen: Als Gymnasiast las ich seine Sozialenzykliken Mater et Magistra und Pacem in terris, die mich damals sehr beeindruckten. Mater et magistra war 1961 erschienen, Pacem in terris im April 1963, kurz vor dem Tod des Papstes. Das Buch Texte zur katholischen Soziallehre, in dem ich 1976 unter anderem diese beiden Enzykliken las, begleitete mich über Jahrzehnte (Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung 1976, S. 201 ff., 271 ff.). Die Werke des toten Papstes blieben für mich auf diese Weise präsent, ohne dass ich irgendeine Erinnerung an sein irdisches Leben gehabt hätte. Sterben kann also bewahren, fortführen und wiedergeboren bedeuten.

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Meine erste Erinnerung an den ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer datiert auf den 19. April 1967. Ich stand als Torwart im heimischen Garagentor und spielte Fussball mit Jungs aus der Nachbarschaft. Plötzlich trat mein Vater vors Haus und sagte: „Adenauer ist tot“. Jetzt kannte ich ihn, den ersten Bundeskanzler und interessierte mich noch vor seinem politischen Wirken für seine Beerdigung, das Requiem im Kölner Dom, die Überführung auf dem Rhein nach Rhöndorf, die Beerdigung auf dem dortigen Dorffriedhof. Es war ein Staatsakt, wie es ihn in der Bundesrepublik Deutschland vorher nie gegeben hatte. Das protestantische Pendant erlebte ich persönlich 2015 beim Staatsakt für Richard von Weizsäcker in Berlin. Von Amerika wusste ich kaum etwas, als mich der Mord an Martin Luther King am 4. April 1968 erschütterte und wenig später der Mord an Robert Kennedy am 6. Juni 1968. Beide Toten hielt ich stets hoch in Ehren, ohne zu ihren Lebzeiten schon Wesentliches von ihnen und ihrem Wirken gewusst zu haben. Abschiede erlebte ich also mehrfach als einen Moment, der dazu verhilft, die Erinnerung zu mehren, also gleichsam als geistige Lebensverlängerung. So erfuhr ich es bei öffentlichen, mir nicht persönlich bekannten Menschen. Bei meinen eigenen Großeltern erlebte ich eine ähnliche Dialektik der Wiederbelebung im persönlichen Bereich: Nach ihrem Tod wollte ich mehr von ihnen und ihren Vorfahren wissen und betrieb intensive Ahnenforschung. An den Orten ihrer Herkunft und der meiner Vorfahren, in den genealogischen Archiven der Mormonen in Salt Lake City und in den Kirchenarchiven an verschiedenen Orten Europas. Es dauerte dann eine lange Weile, bis ich 2020 im Privatdruck eine kleine Geschichte meiner europäischen Familie publizierte (Kühnhardt 2020). Dem Abschied von einem lieben Menschen wohnte für mich niemals nur Traurigkeit inne. Abschiede machten mich neugierig, mehr wissen zu wollen über das, was blieb oder jetzt erst freigelegt wurde. Abschiede machten mir immer wieder bewußt, dass ich niemals verlieren würde, was ich innerlich bewahren konnte. War nicht dies das Geheimnis des Glaubens, von dem ich in der Kirche immer und immer wieder hörte, häufig auch ohne wirklich hinzuhören? Abschiede können dauern. Das erlebte ich nach dem 17. November 2003. Am Krankenbett meiner Mutter sagte mein Vater mir an jenem Tag, seit mehreren Jahren hätten meine Eltern ihre innere Ruhe gefunden, um eines Tages einen Abschied auf immer vornehmen zu können. Fest im christlichen Glauben verwurzelt, miteinander verwoben in Jahrzehnten, blieben sie stets voller Hoffnung: Mein Vater starb 2015 mit fast 92 Jahren. Meine Mutter starb 2020 mit 86 Jahren. Bei meinen Eltern war das Ende ihres Lebensweges absehbar. Abschiede können aber auch brutal und unvorhergesehen sein. Vor allem wenn man zu spät kommt. Am Heiligabend 2004 war unsere gute Freundin Gudrun von Thadden verstorben, geboren 1958 wie ich. Gudrun war die Mutter meines Patensohnes Philipp und Frau meines guten Freundes Johannes von Thadden. Am ersten Weihnachtstag 2004 kämpften Enikö und ich uns durchs Schneegestöber nach Berlin. Wir wussten noch nichts von Gudruns Tod. Wir wollten sie besuchen und hofften, dass sie wieder gesund werden würde. Als wir eintrafen, war Gudrun schon tot. Der Krebs hatte sie besiegt, nach nur 47 Lebensjahren. Mein Patensohn Philipp konnte erst einige Tage später auf Umwegen

10.4  Erinnerung als Fundament (Kühnhardt 2009)

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von einem Schulaustausch in den USA zurückkehren. Wir sassen mit meinem Freund Johannes und seinen beiden anderen Kindern sowie dem priesterlichen Freund der Familie, Klaus Mertes, zusammen. Die Beerdigung musste vorbesprochen werden. Es war in dem Augenblick bedrückend, wie Schmerz, Abschied und Trauer ihren Platz in unserem Alltag einnahmen. Dies geschieht wohl vor allem immer dann, wenn ein Mensch aus der Fülle seiner unvollendeten Aufgaben gerissen wird. Am 4. Januar 2005 waren wir noch einmal in Berlin. Gudruns Beerdigung war traurig und schwer. Der katholische Ritus beruhigte, ja befreite langsam, je mehr ich mich hineinhörte: „Ich bin das Leben“. Das hiess, das Wesen ist wichtig, nicht irgendeine Tat. Ihr Sein würde bleiben, auch zum Dank und zum Vorbild. „Ich bin die Auferstehung“. Das hiess, in Jesus ist Leben hinter dem Horizont des Todes. „Glaubt Ihr das?“ Das für diesen Anlass bewusst ausgewählte Wort des Johannes-Evangeliums war nicht der Gegenbegriff zum Wissen, sondern zur Angst. Ich erinnerte mich an eine Predigt, die ich einige Jahre zuvor einmal gehört hatte: Die Schöpfung in der Bibel beschreibt die Welt, so wie sie als schon fertig von den Menschen vorgefunden wurde, nicht die naturwissenschaftlich erklärbare Schöpfung. Zur Zeit der Abfassung der Bibel wurden nicht einmal die Fragen gestellt, auf die die Naturwissenschaften unterdessen Antworten gegeben haben. Mit diesem Perspektivwechsel konnte ich den oft beschworenen Gegensatz zwischen Glauben und Naturwissenschaft überwinden: Die Naturwissenschaften fokussieren ihre Instrumente auf die Vergangenheitserhellung. Der Glaube richtet den Fokus des Liebesgebotes nach vorne, zu Gott hin und zur Ewigkeitserhellung. Manche Tode gehen tiefer unter die Haut als andere. 3. April 2005, ich war mit meiner Familie in Osaka, starb Papst Johannes Paul II. Japan, wo es weniger als ein Prozent Christen gibt, verfolgte in seinen Medien den Tod dieses großen Menschen, des gebürtigen Polen Karol Józef Wojtyła. Fünf Mal hatte ich ihn persönlich erleben dürfen: Mit meinem Vater und meinem Bruder Markus 1980 im Gottesdienst in Osnabrück, den der Papst in strömendem Regen beendete: „Geht jetzt nach Hause, es regnet zu viel“. 1988 bei der Ankunft auf dem Flughafen Köln-Bonn mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker, für den ich die Begrüßungsansprache entworfen hatte, und am nächsten Morgen beim Gottesdienst auf dem Domplatz meiner Geburtsstadt Münster. 2001, als Enikö, Victoria, Stephan und ich den Apostolischen Segen des Papstes auf dem Petersplatz empfangen durften. 2003 bei der persönlichen Audienz in der slowakischen Delegation des Staatspräsidenten Rudolf Schuster. 2005 auf dem Petersplatz mit Enikö an unserem 12. Hochzeitstag, als Papst Johannes Paul. II. uns und vielen um uns herum mit nur noch wenigen Worten, die seiner Kehle entweichen konnten, den „Angelus Segen“ erteilte. Als wenige Wochen später die Nachricht vom Tod des Papstes amtlich geworden war, sagte meine achtjährige Tochter Victoria: “Es ist gut, dass der Papst in der Nacht gestorben ist. Dann ist es im Himmel hell, dann kann er besser Gott sehen und kennenlernen.“ Nach dem Tod des Publizisten Joachim Fest am 12. September 2006 empfand ich eine große Lücke im geistigen Deutschland. Mit dem Herzen sei er Italiener, mit dem

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Verstand Brite, hatte Fest einmal gesagt. Katholischer Preusse, Anti-Nazi, konservativ, Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, die Präzision in Gedanken, Wort und Auftreten. Ich erinnerte mich dankbar an einige Begegnungen. Seine Hitler-Biographie ist ein Klassiker geblieben, ebenso Im Gegenlicht, die wunderbare italienische Reise, die er, Goethe entgegengesetzt, in Sizilien begonnen hatte (Fest 1973, 1988). Ich hatte Joachim Fests Sprachkraft und die Subtilität seiner Gedankenführung immer bewundert. Er hatte Deutschland einfach gutgetan, empfand ich, als er nicht mehr war und doch in seinen Büchern weiterwirkte. Bei der Beerdigung des Philosophen Wolfgang Kluxen mit Requiem im Bonner Münster am 19. Mai 2007 zog Karl Dietrich Bracher mich mit innerer Unruhe zur Seite. Er sei doch schon ein halbes Jahr älter als Kluxen und lebe immer noch. Ich erwiderte meinem Lehrer, der liebe Gott schenke ihm eben noch Zeit. „Erinnerung als Fundament“, so überschrieb ich 2008 einen Aufsatz über Brachers Werk und Wirkung (Kühnhardt 2008, S. 35 ff.). Erinnerungen wachsen, so lernte ich, je mehr wir ihnen Raum geben. Darin werden sie zum Fundament unserer Selbst. Am 9. März 2009 erzählte mein wie ich 1958 geborener Freund Simon Upton, er habe gerade Marcel Proust’s Auf der Suche nach der verlorenen Zeit gelesen und durch den zeitgleichen Tod seines 87 jährigen Vaters das Gefühl entwickelt, selbst schon seit 1920 zu leben (Proust (1913) 2000). In Barack Obamas Autobiographie Dreams of my father (Obama 1995), einer machtvollen Entdeckungsreise zu sich selbst, las ich ein anrührend-zutreffendes Motto aus dem Alten Testament (1. Chronik Vers 29, Zeile 15): „For we are strangers before thee, and sojourners, as were all our fathers.“ In deutscher Übersetzung, zusammen mit dem nachfolgenden harten Satz: „Denn wir sind Fremdlinge und Gäste vor dir wie unsre Väter alle. Unser Leben auf Erden ist wie ein Schatten, und ist kein Aufhalten.“ Am 17. Juni 2009 starb Ralf Dahrendorf. Ihm hatte ich es zu danken, dass ich 1989/90 als Associate Fellow ans St. Antony’s College in Oxford aufgenommen wurde und damit nach der Beratertätigkeit für Bundespräsident von Weizsäcker den akademischen Weg weitergehen konnte. Im St.Antonys College wurde ich akademisch „resozialisiert“. Dahrendorf hatte mich damals in mehreren Gesprächen beeindruckt, weil er mich jungen Mann ernst nahm. Ich sehe noch immer vor mir in seiner apodiktischen Liberalität, mit einer schnarrenden Stimme sowie leicht schlaksig-ruppigen Handbewegungen, die so gar nicht zu seiner soignierten Erscheinung passen wollten und ihr doch das ungemein Britische gaben. Europa war er stets kritisch, aber nie zynisch verbunden. Etwas skurril und doch auch Zeichen seiner Liberalität war es, wenn er, der bekennende Agnostiker, den High Table im St. Antony’s College mit dem mehrdeutigen Gebet „Benedictor benedicat“ eröffnete. Letztmalig sah ich ihn 2006 beim Vortrag von Tony Blair im St. Antony’s College. Als mich die Todesnachricht erreichte, war er auf einmal wieder ganz lebendig vor mir. Sofort schweiften die Erinnerungen zurück zu meinen eigenen Fundamenten: Meine erste Seminararbeit an der Universität Bonn im Bereich der politischen Theorie hatte ich 1979 über Dahrendorfs Buch Konflikt und Freiheit geschrieben, ohne damals allzu viel von seinem konfliktziologischen Ansatz zu verstehen (Dahrendorf 1972).

10.4  Erinnerung als Fundament (Kühnhardt 2009)

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Am 10. November 2012 starb Wilhelm Hennis, mein Freiburger Lehrstuhlvorgänger, wenige Wochen vor Vollendung des 90. Lebensjahres. „Wer Freiburg wieder verlässt, ist nie hiergewesen“, so hatte er mich 1991 an seiner Haustür begrüßt. Dann stritten wir über die Frage Bonn oder Berlin, am Tag der Bundestagsabstimmung über die deutsche Hauptstadt. Nun hatte er Freiburg verlassen. Für immer. Am 28. Juni 2013 betrat ich wieder die Aula der Freiburger Universität zur Akademischen Gedenkfeier für Wilhelm Hennis. Jemand zitierte seine Lieblingsbeschäftigung: „Mir etwas einfallen zu lassen.“ Der Feuerkopf, als der er mir in Erinnerung geblieben ist, liess uns Lebende Musik aus einer Haydn-Symphonie hören. Ich dachte daran, wie ich in dieser Aula 1990 meinen Probevortrag im Verfahren um den Freiburger Lehrstuhl „vorgesungen“ hatte. Als ich 1997 nach Bonn aufbrach, hatte Wilhelm Hennis mir hinterhergeschrieben: „Lieber würde ich Steine klopfen gehen.“ Irgendwie, hatte Platon gelehrt, sitzen wir doch alle in einer Höhle, so oder so. An eine andere Höhle erinnerte ich mich, als am 13. Dezember 2014 Andreas Schockenhoff ganz unvermittelt nach Kreislaufversagen in seiner Sauna starb. Der 57jährige, von mir sehr geschätzte Bundestagsabgeordnete hatte mit mir und unserem türkischen Freund Hüseyin Bagci im Dezember 1999 in der St.Paulus-Grotte am Stadtrand von Antakya gestanden, in der die ersten Jünger Jesu Christi von den Einheimischen als „Christen“ bezeichnet wurden. Andreas und ich beteten das „Vater unser“ in der Höhlenkapelle, von der aus ein geheimer Fluchtweg irgendwo hinein in die Tiefe der Berge führte. Daran erinnerte ich in meinem Kondolenzschreiben an seinen Bruder Eberhard Schockenhoff, Freiburger Moraltheologe, mit dem ich seit gemeinsamen Freiburger Tagen in Verbindung stand. Seit Aufnahme seiner Freiburger Tätigkeit 1994 wohnte er in Sölden und war auch für das Wallfahrtskirchlein St.Ulrich zuständig. Dort haben  meine Frau und ich 1993 geheiratet. Gelegentlich trafen wir Eberhard Schockenhoff am Rand des Schwarzwalds zum Gespräch bei guter badischer Küche. Bei unserer Silberhochzeit 2018 in St.Ulrich war auch er natürlich unser Gast. Ruhig, moderierend und menschenfreundlich war er stets auf Ausgleich bedacht. Es war ihm daran gelegen, theologische Fragen aus Expertenkreisen herauszuziehen und auch die innekirchlich so extrem strittigen Themen wie Sexualmoral in ihrer Normalität plausibel werden zu lassen. Am 18. Juli 2018, nur wenige Tage nach unserer letzten Begegnung, verstarb Eberhard Schockenhoff, wie sein Bruder plötzlich und unvermittelt. Nach dem Tod seines Bruders Andreas 2015 hatte Eberhard Schockenhoff in einem Interview gesagt, er glaube nicht an eine „familiäre Wiedersehensfeier im Himmel, wie man sich das so kindlich vorstellt“. Und weiter: „Das menschliche Leben findet in Gott seine Vollendung. Das ist radikal unanschaulich. Jedes Bild, das wir uns davon machen, kann nur eine Denkhilfe sein. Näher ausmalen möchte ich mir das nicht“ (Schockenhoff 2015). Fluchtwege sind immer ein untrügliches Zeichen dafür, das es nötig sein kann, sich selber retten zu müssen. Besser wäre schon, wenn Rettung freiwillig und dadurch ensteht, dass wir loslassen können. Am 1. April 2016 starb Hans-Dietrich Genscher mit 89 Jahren, ein großer Europäer. Das ZEI, dessen erstem Internationalen Beirat er vorgestanden hatte, und auch ich

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persönlich hatten Hans-Dietrich Genscher viele gute Ratschläge und wichtige Impulse zu danken. Nur kurz zuvor war mit nur 54 Jahren Genschers Nachnachfolger Guido Westerwelle gestorben, der mich gelegentlich zum Gespräch aufgesucht hatte. Zwei große Persönlichkeiten des deutschen Liberalismus waren plötzlich nicht mehr. Unser Land war wieder einmal ärmer geworden. Ein Jahr später benannte die Stadt Bonn die Strasse, an der mein Institut lag, in Genscherallee um. Manche Verbundenheit überlebt intensiver, ohne dass man es eigentlich merkt. Karl Dietrich Bracher erlebte, um ein Wort von Charles de Gaulles aufzugreifen, das Alter als Schiffbruch („la vieillesse est un naufrage“). Angesichts der Beschwernisse des Alters war er Hin- und Hergerissen: Sollte er Teile seiner Bibliothek veräußern? Nach jedem meiner regelmässigen Besuche liess er es sich nicht nehmen, mich bis vor sein Haus zu begleiten, von wo der Blick über Bonn und das Rheintal ging: „Ich liebe diesen Blick. Es ist mein Vorparadies.“ Sollten er und seine Frau in dem großen Haus wohnen bleiben? „Ich glaube an die Vorsehung“ sagte er und lachte mir ins Gesicht, lachte den Tod aus, indem er ihn anlachte und ihm alle Düsternis entzog. Ein andermal: „So gehe ich jetzt schon seit fünfzehn Jahren vor meinem Haus spazieren. Immer sehe ich meinen Doktorvater Joseph Voigt vor mir und Eduard Spranger, den Philosophen, bei dem ich Vorlesungen in Tübingen gehört habe. Was würden sie mir heute sagen?“ Bracher wirkte froh und stoisch. Er lächelte. Wie immer. Im August 2016 erlitt er eine schwere Gehirnblutung. Eine kurze Zeit lag er noch in einem abgedunkelten Krankenhaus-Zimmer, erbarmungswürdig und zurückgeworfen auf den Ausgangspunkt unseres Menschseins. Nur die Augen, die Augen lebten noch und strahlten Leben aus. Ich hielt ihm die unruhige Hand, sagte ihm, der nicht mehr sprechen konnte, dass er stets in meinem Herzen leben werde und wir alle in Gottes Hand seien. Zu seinem einhundertsten Geburtstag 2022 liess ich den letzten Weg von Karl Dietrich Bracher in einer kleinen Porträtskizze und mit Hilfe von Tagebuchnotizen aufleben: Am 19. September 2016 war Karl Dietrich Bracher verstorben, vierundneunzigjährig, „von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar“, wie es Dietrich Bonhoeffer, der Onkel seiner Frau so einzigartig formuliert hat. Im schönen Spätsommerlicht begleiteten wir Karl Dietrich Bracher am 26. September 2016 zur ewigen Ruhe, angeführt von der evangelischen Pastorin der Bonner Lutherkirche und passenden Gesängen („Wer nur den lieben Gott lässt walten“): „Leicht hinauf geht es den Kreuzberg unterhalb der von Bracher so geliebten Kreuzbergkirche und seinem Haus am Stationsweg. Der Sarg wird in die Erde gelassen. Gebete am offenen Grab. Jeder der Abschiednehmenden wirft ihm eine Schaufel Erde hinterher. Hüseyin Bağcı öffnet die Hände zum muslimischen Totengebet („Möge Gott ihn von aller Schuld reinigen“). Enikö und ich bekreuzigen uns. Hinterher formuliert Josef Isensee, lebensweise, was alle empfinden: Es gehört zu den Wundern von Beerdigungen, dass Menschen hinterher so frohgemut-fröhlich sind wie sonst selten nur. Dies gilt auch und gerade dann, wenn sie sich lange nicht, kaum jemals oder auch noch nie gesehen haben. Genau das ist eines der Geheimnisse der biblischen Weisheit, dass im Tod das Leben neu entsteht“ (Kühnhardt 2022c, S. 90).

10.4  Erinnerung als Fundament (Kühnhardt 2009)

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Am 12. Dezember 2016 starb Hans-Adolf Jacobsen, Brachers jahrzehntelanger Kollege im Bonner Seminar für Politische Wissenschaft (Kühnhardt 2016b). Am Vorabend hatte ich per Zufall wieder einmal Burt Lancaster in der denkwürdigen Rolle des Fürsten Salina in der Verfilmung von Giuseppe Tomasi di Lampedusas „Der Leopard“ gesehen und gehört: „Die Leoparden treten ab, es folgen die Hyänen und Schakale. Das Schlimme ist, sie halten sich ebenso für das Salz der Erde.“ Ein Leopard war mit HansAdolf Jacobsen gegangen, wenige Wochen nach seinem 91. Geburtstag. An Lampedusas „Leopard“ ist besonders der Nachsatz bedenkenswert, der so selten zitiert wird: „Das Schlimme ist, sie halten sich ebenso für das Salz der Erde.“ Dieser Nach-Gedanke zu dem immer wieder zitierten Satz erklärt manche Turbulenz in der Geschichte der Menschheit. Am 15. Juni 2017 starb Hans-Peter Schwarz. Wie vom Blitz getroffen fiel er in dem Wohnzimmer seines retrait in Gauting um und ward kurz darauf nicht mehr unter den Lebenden. Ein schöner Tod, so abrupt und schroff, wie dieser Meister des Wortes und der Klarheit der Gedanken manchmal sein konnte. Sohn Benno rief mich an, gefasst und noch wie in Trance, der unwirklichen Wirklichkeit ins Auge schauend. Vor drei Tagen, so erzählte er, habe sein Vater die Überarbeitung seiner Lebenserinnerungen beendet, die er einstweilen „Arbeitstage“ nannte. Ich kannte schon einen Rohentwurf. Bald werde das Buch hoffentlich vorliegen, erwiderte ich. Sein Vater hatte das eigene Nachleben druckreif vorbereitet. Seine Lebenserinnerungen eines kritischen Zeitgenossen erschienen alsbald unter dem unangreifbaren Haupttitel Von Adenauer zu Merkel (Schwarz 2018). Zum 90.Geburtstag erinnerte ich an Hans-Peter Schwarz mit einer Porträtskizze, so lebensvoll ich nur konnte (Kühnhardt 2024b). Am 16. Juni 2017 starb Helmut Kohl, einen Tag nach seinem Biographen HansPeter Schwarz. Der Ehrenbürger Europas, der Kanzler der deutschen Einheit hinterliess nach 87 Lebensjahren ein vereintes Eurtopa und ein geeintes Land, aber auch eine gespaltene Familie. Seit meiner ersten Begegnung mit Helmut Kohl im Garten der Deutschen Botschaft in Tokyo im Mai 1983 hat er wie kein anderer Politiker meinen Lebensweg begleitet. Er war bei allen persönlichen Begegnungen stets zugewandt und doch zugleich eine entrückte Ausnahmeerscheinung, deftig und geschichtsbewusst. Nun war er ein Teil der Geschichte geworden, für immer. Nein, ein Denkmal wolle er nicht gesetzt bekommen, hatte er mir einmal gesagt: Erst kämen die Tauben und dann die Hunde. Sein Sohn Walter trauerte im Fernsehen. Er bejammerte, dass es nie eine Versöhnung mit der Familie gegeben habe und seine Kinder darunter litten, nie Zugang zum Großvater gehabt zu haben. Es war trostlos. Seit dem Selbstmord von Hannelore Kohl war die traurige persönliche Seite des Altkanzlers Publikumsgespräch geworden. Schliesslich war auch dieser Vulkan erloschen, der bedeutendste Bundeskanzler neben Konrad Adenauer, nach fast zehn Jahren der Fesselung an den Rollstuhl. Der für mich quälendste Abschied betraf die 4760 Bücher meiner Bibliothek. Voltaires Bibliothek mit 3867 Bänden war einmal Inbegriff der Aufklärungszeit und ihres Selbstbildes gewesen. Im digitalen Zeitalter war der Wert einer Privatbibliothek ökonomisch gen Nullpunkt geschrumpft. Als ein Antiquar mir diese Tatsache unsanft offenbarte, traf sie mich wie ein körperlicher k.o.-Schlag. Bücher waren im

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digitalen Zeitalter einfach nichts mehr wert, sagte er mir trocken. Ich empfand dies als einen Anschlag auf meine Identität, denn an jedem meiner Bücher hing ein Teil meines intellektuellen Eros. Von dem englischen Gelehrten Samuel Johnson, wie Voltaire ein Kopf des 18. Jahrhunderts, hatte ich das pointierte Bonmot verinnerlicht, nichts konzentriere das Denken so sehr wie die bevorstehende Hinrichtung. Bevor der Wert meiner Bücher durch Dritte entwertet wurde, wollte ich selber handeln. Die Trennung von jedem einzelnen Buch war eine Rückreise in die Lesezeit. Ganz anders als bisher erlebte ich Erinnerung als Fundament. Wenn sie gelesen sind, werden Bücher zu Mausoleen, die einem so gut tun wie ein guter Friedhof. Sie werden zu Gesprächspartnern, die Wiedergeburt versprechen, wann immer man diese geistigen Weggefährten aufs Neue konsultiert. Aber Abschiednehmen war auch in diesem Falle befreiend. Ein Drittel meiner Bücher spendete ich der Bibliothek meines Instituts. Ein Drittel sog der Internet-Staubsauger „Momox“ für ein nicht erwähnenswertes Schmerzensgeld auf. Ein Drittel wünschte meine schreibende Tochter Victoria als Dauerquelle frischer Ideen und klassischer Bildung. Langsam spürte ich es und schliesslich war ich wirklich überzeugt: Es reist sich besser mit leichtem Gepäck.

10.5 Zwischen den Zeiten (Kühnhardt 2024c) Aurelius Augustinus hatte auch mir eine glaubensgewisse Richtung gewiesen, die sich in allen Kreuzungen, über die das Leben führt, bewährt haben: „Dann werden wir stille sein und schauen, schauen und lieben, lieben und loben. Das ist’s, was dereinst sein wird, an jenem Ende ohne Ende. Denn welch anderes Ende gäbe es für uns, als heimzugelangen zu dem Reich, das kein Ende hat?“ (Augustinus 1978, S. 835). 1958 hatten meine Eltern mir Flügel gegeben, damit ich sie nutze. An das Jahr meiner Geburt und die Umstände jener Zeit hatte ich natürlich keinerlei Erinnerung mehr, außer jener, die über die Erzählungen in der Familie, die Fotos und Anekdoten kolportiert worden sind. Doch eines blieb mir haften. Meine Taufe in der Ludgeri-Kirche zu Münster fand in der Seitenkapelle des Gotteshauses statt. Nur diese Seitenkapelle war schon vollständig von den Kriegsschäden befreit worden. Das Hauptkirchenschiff litt auch 1958 noch immer unter den Kriegsfolgen. Später wurde an der Seitenwand das Kruzifix wieder aufgestellt. Es zeigt den armlosen Christus, der beim Bombenabwurf 1944 stark beschädigt worden war. An der Stelle der zerstörten Arme steht nun auf dem Querbalken: “Ich habe keine anderen Hände als die Eueren“. Dieses Kreuz war mir Zeit des Lebens lieb und ein Auftrag: Nie wieder Krieg, nie wieder Totalitarismus. Nie wieder Ideologie. Stattdessen, wo immer möglich: die Fülle des Lebens. Versöhnung mit Frankreich und mit Polen, auch mit den Russen, wenn ihre Führung es denn zulässt. Dies waren frühe Impulse in mir, die mein politisches Interesse weckten.

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Abb. 10.16   „Ich habe keine anderen Hände als die Eueren“. Das Kruxifix in St.Ludgeri, meiner Taufkirche in Münster. (© Ludger Kühnhardt)

Dass 1958 mit der Arbeit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein völlig neuer Anfang in Europa begann, war erst einmal noch nicht zu spüren. Aber die Anfänge meines Lebens, in einer Münsteraner Dreizimmer-Wohnung im vierten Stock an der Brockhoffstraße 10, setzten sich direkt oder indirekt in den nachfolgenden Jahrzehnten fort. In Münster lagen meine katholischen Wurzeln, der Ausgangspunkt für meine späteren Ideale und Aktivitäten. 1968, Sexta im Städtischen Gymnasium Ibbenbüren, das ab 1973 den Namen Goethes trug. Messdienerzeit, Fußballclub DJK Arminia lbbenbüren, ein großzügiges und schönes Elternhaus an der Krummacherstraße 3, unterdessen abgerissen und einem funktionalen, eher langweiligen Gebäude gewichen. Mein Großvater Franz Hoffmann, der mich politisierte, erste Lesefrüchte und geschichtliche Interessen. Radikale Mitschüler der ältesten Gymnasialjahrgänge demonstrierten auch im kleinstädtischen Münsterland gegen den Vietnam-Krieg, liefen skandierend durch die Stadt. Lange Haare und harte Rockmusik, mich stieß dies damals eher ab. Nur bei den befürwortenden Exklamationen zugunsten der Helden des Prager Frühlings, Dubcek und Svoboda, hatte ich ein gutes Gefühl. Der verlorene Osten, die Heimat meines Vaters, wirkte stark hinein in diese erste Phase meiner politischen Sozialisation. Ich entdeckte aber auch die katholische Soziallehre und die Dritte Welt. Ich war kritisch zur sozialdemokratischen Ostpolitik, bejahte Freiheit und Frieden für ganz Europa, richtete aber immer schon sehr frühzeitig meinen Blick auf die Welt als Ganzes. 1977/78, Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule München. Wohnen in Schwabing. Erste Liebschaften, Kino- und Theaterbesuche. Manche der

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frühen Denkansätze der Grünen sprachen mich an, ebenso die kulturelle Liberalität der Großstadt. Doch meine Gedanken blieben unruhig, gingen immer hinaus in die Welt. Von Pater von Nell-Breuning hatte ich ein erstes Set von ordnungspolitischen Grundkoordinaten gelernt: Solidarität und Subsidiarität, Freiheit und Gemeinwohl. Ich dachte dabei immer über die deutschen sozialstaatlichen Themen hinaus, auf die er diese Begriffe bezogen hatte. Das Lebensgefühl einer Stadt konnte mich nicht ausfüllen. 1988, ich sass im Bundespräsidialamt am Schreibtisch von Theodor Heuss, dem ersten Bundespräsidenten, und arbeitete dem amtierenden Staatsoberhaupt Richard von Weizsäcker zu. Ein hartes Regiment, Arbeitsdisziplin, vor allem aber Autorität. Strengste Kritik, eisernes Pensum, enorme Breite des Lernens, wofür ich zeitlebens dankbar geblieben bin. Es war, befriedigend, für einen so sehr Achtung gebietenden Mann zu arbeiten, an der Spitze des Staatsapparates. Dabei herrschte niemals im engeren Sinne Seelenverwandtschaft mit von Weizsäcker. Eine unvergessliche Szene: „Sie sind mir so katholisch und ich bin das Protestantische“. Aber mein Respekt blieb immer riesengroß, auch wo ich seine Meinungen dezidiert nicht teilte. Bei Karl Dietrich Bracher an der Bonner Universität hatte ich zuvor die deutsche Diktatur studiert, war in die langen Linien der politischen Ideengeschichte vorgedrungen und hatte mich mit den Aporien des modernen Demokratieverständnisses und seiner Anfälligkeit für totalitäre Versuchungen beschäftigt. Richard von Weizsäcker erdete mein politisches Denken und festigte das Verständnis für die Institutionen und die Mühen, die es macht, in ihnen zu wirken. Aber auch in diesem Jahrzehnt galt: Ich bezog das Gelernte auf die Welt als Ganzes und dachte über Deutschland hinaus. So verstand ich meinen Auftrag zur  „Vergangenheitsbewältigung“, die am Anfang meiner Denkwege gestanden hatte. 1998, um meinen vierzigsten Geburtstag herum, holten mich erstmals Gedanken über das Gewesene ein. Ich war dankbar, reich beschenkt mit einer guten Familie und Kindheit, privilegierten Möglichkeiten der Ausbildung und der Lehr-und Wanderjahre, mit Vorbildern und Wegbegleitern, mit Glück und günstigen Umständen, unter der schützenden Hand Gottes, auf die ich mich immer wieder einliess und verliess. Am Zentrum für Europäische Integrationsforschung warteten Gestaltungsfreiheit und Managementaufgaben.Verschiedene meiner Vorerfahrungen und Interessen kamen auf glückliche Weise zusammen: Wissenschaft und Politik, Europabegeisterung und Gestaltungswillen. Richard von Weizsäcker motivierte mich weiterhin. Handschriftlich hatte er auf meine Geburtstagsglückwünsche im April 2000 geantwortet: „Mit Ihrer forschenden, treibenden Kraft arbeiten Sie am entscheidenden Hebel unserer Zeit. Gute Wünsche dafür. Ihr R.Weizsäcker.“ Immer wieder drängte mein Denken zur Welt, von der doch auch Europa nur ein Teil ist. Das größte Glück in dieser Dekade und seither für alle Zeiten: Meine Familie. Seit der Heirat mit Enikö 1993 und der Geburt unserer Kinder Victoria Elisabeth, 1996, und Stephan Maximilian, 2000, mein absolutes Lebensmittelpunkt. Meine Familie war und bleibt mein wertvollster Anker und mein wichtigster Motor. Über meine familiären Wurzeln und Bindungen nachzudenken, half mir immer und immer wieder, stoisch zu werden gegenüber der Nation, in die ich hineingeboren worden bin. In der National Gallery London betrachtete ich 2006 lange das Gemälde von Benjamin West „The Death of General Wolfe“. Mir ging durch den Kopf, wie sehr die

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Dialektik der Geschichte wirkt und wie sehr Erfolge im Krieg zu ultimativen Niederlagen führen können. Mit wurde bewußt, wie die drei Schlesischen Kriege und der Siebenjährige Krieg in Nordamerika zusammenhingen, und die Friedensverträge von Hubertusburg und Paris 1763. Im Verlauf der Machtkämpfe zwischen Österreich und Preussen war Schlesien, die Heimat meines Vaters, zwangweise preussisch geworden. Am Ende dieser Geschichte wurde ich daher als Deutscher geboren, ob ich wollte oder nicht. Zugleich war ausgerechnet der britische Triumph über Frankreich in Nordamerika der Anfang vom Ende der britischen Herrschaft über die dreizehn Kolonien in Neuengland, die sich 1776 für unabhängig erklärten. Die machtpolitischen Verschiebungen reichten in die Karibik, wo Saint Lucia, Dominica, Grenada, Saint Vincent and the Grenadines, und Tobago, und nach Afrika, wo die Sklavenstation Gorée in Senegal britisch wurde. Manila und Havanna entrissen die Briten den Spaniern, während diese wiederum Louisiana und Frankreich Menorca sowie Sumatra in Besitz nahmen. Kolonialismus aber ist am Ende immer selbstzerstörerisch und so lag auch in dieser Abfolge von Triumphen und Niederlagen am Ende nur ein Ausweg: Selbstbestimmung und Dekolonialisierung des gesamten globalen Südens. In den Triumphen und Niederlagen, die Schlesien angetan wurden, lag für die beteiligten europäischen Völker am Ende ebenfalls nur ein Ausweg: Mitgliedschaft von Deutschland, Österreich, Polen und Tschechien in der Europäischen Union. Dass Preussen im Westen, in der Okkupation Westfalens, noch einmal ein Land meiner Vorfahren unter seine Kontrolle brachte, verstärkte meine innersten Reserven gegen jede Vereinnahmung durch alles nur Deutsche. Europäische Einigung, atlantische Zivilisation und postkoloniale globale Partnerschaft: Dieser Dreiklang war zu meiner Antwort auf die Geschichte meiner Vorfahren geworden. Viel emotionaler aber war und blieb jederzeit der Weg, den ich mit meiner Frau und unseren gemeinsamen Kindern gehen darf. Seit der Geburt von Victoria 1996 und von Stephan 2000 habe ich für Victoria und für Stephan jeweils ein privates Tagebuch geführt, um für meine beiden Kinder ihren jeweiligen Entwicklungsweg, ihre Freuden und Tränen, ihre lustigen Erlebnisse und die Eckpunkte ihrer Selbstwerdung bis zum jeweiligen Abitur zu bewahren. Vielleicht werden sie eines Tages, wenn sie selber alt geworden sind, darin lesen oder ihren eigenen Kindern und Enkeln dies und das vorlesen. Einmal, im Juni 2006, notierte ich am Ende einer einjährigen Gastprofessur am St.Antony’s College Oxford (Kühnhardt 2022, S. 309 ff.) neben den Aufzeichnungen für meine Kinder über sie selbst für mich persönlich einige Gedanken, die mir damals die Freude des Vaterseins bescherte: „In diesen Tagen endet für meine Familie ein wunderbares Jahr in Oxford. Stephan, fünfeinhalb, und Victoria, bald schon zehn, haben den Nektar von Oxford in Gestalt ihrer bildungsstarken, wunderbar motivierenden und sie optimal sozialisierenden Schule (St.Aloysius Catholic Primary School) aufsaugen können. Es war eine gute Fügung, dass beide die gleiche Schule beziehungsweise PreSchool besuchen konnten, nur wenige Fussminuten von unserem kleinen Häuschen entfernt. Man merke kaum, dass Victoria keine Muttersprachlerin im Englischen ist, lobte ihr Lehrer, Mr. Hunter. Der ausführliche Zeugnisbericht, ins Deutsche übersetzt, würde dreizehnmal ein „sehr gut“ ergeben. Stephan habe sich tadellos entwickelt, sei intelligent, habe enorm viel Englisch gelernt, seine Projekte konzentriert durchgeführt

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und gut mit anderen zusammengespielt, sagten seine beiden Kindergärtnerinnen, Mrs. Smith und Miss Julie. Die vielen Freundschaften, Besichtigungen und Erlebnisse, die Begegnungen mit allen nur möglichen Facetten des sozialen und familiären Lebens in Oxford, wo wir auf dem Gelände des St.Antony’s College haben leben können, dazu der inspirierende Religionsunterricht im St. Aloysius Oratory bei Father Daniel: Das Oxford-Jahr ist ein wertvoller und bleibender Baustein in der Bildungsbiographie von Victoria und Stephan. Sie haben gestritten und sie haben gelernt, Rücksicht aufeinander zu nehmen auf engem Raum. Sie sind fast zweisprachig geworden und unwiderruflich kosmopolitisch mit Klassenkameraden aus 53 Nationen. Acht Jahre Gymnasium liegen jetzt vor Victoria. Sie ist innerlich erfüllt vom Tagebuch schreiben, das sie in Oxford begonnen hat, ihr Refugium und Geheimnis. Sie hat eine wunderbare Short Story verfasst und ein kleines Klarinettenstück komponiert. Sie möchte Schriftstellerin werden. Sie beginnt, ihr Gefühlsleben in ersten Ausdifferenzierungen zu entdecken, auch die Vielschichtigkeit von Gut und Böse in der Welt, einschließlich der Optionen für die Familie. Sie erlebt Kinder aus zerrütteten Familien und solche, die ohne Vater aufwachsen müssen. Aber sie hat auch die wundersame Entdeckung des Lebens einer gelungenen Familie mit zehn Kindern gemacht, in die sie am liebsten gleich einheiraten würde. Victoria möchte die Verbindungen, die sie in Oxford aufgebaut hat, als Brief- und Email-Freundschaften pflegen. Für Stephan beginnen nun zwölf Schuljahre. Stephan, wie Vicky, hat das „Punting“ erst mit dem Großvater, der zu Besuch bei uns war, und dann nochmals mit Freunden aus seiner Pre-School genossen. Er schliesst schnell und sehr vielseitig neue Freundschaften. Beim Sport geht er völlig auf, ist überschwenglich und ambitioniert. Zugleich ist er sehr flink an Intelligenz und Witz. Die Kinder haben sehr vieles und vielseitiges gelesen, ihr Englisch und ihre Weltsicht an guten und witzigen Filmen geschärft und insgesamt enorm weite Horizonte bekommen. Victoria ist eingeschworene Reiterin geworden. Beide Kinder haben sicheres Schwimmen gelernt, das Beten des Rosenkranzes, englische Gedichte, Tricks und Lieder. Eine wunderbare Bildungsgeschichte mit viel Playtime, Kinderliedern und vor allem: Zeit miteinander. Inzwischen sind Victoria und Stephan sattelfest in drei Kontinenten geworden, in Europa zu Hause, aber auch gerne in der Welt. Stephan sammelt die Fahnen und Landkarten der Welt nicht von ungefähr. Stets fragen beide nach anderen Sprachen und Kulturen. Sie wollen wissen, in wie vielen Ländern sie schon waren. Es wäre für Enikö und mich beglückend, wenn Victoria und Stephan so einmal auf ihre Kindheit zurückblicken: verankert und gesichert in der Liebe der Eltern, die Vertrauen schafft, zugleich offen zur Welt, zu anderen, die beide Kinder prägt, in ihrem zur Zukunft hin so wunderbar offenen Leben. Im Bonner Garten wollen die Kinder den Sandkasten durch ein Trampolin ersetzen, der erste Schritt zu neuen Sprüngen.“ Seither ist viel Zeit vergangen: Victoria und Stephan haben längst wunderbare eigene Sprünge gemacht und schreiten mit eigenem Kompass und eigenen Träumen selbstbewusst durch ihr Leben. 2008, nach Rom führten wieder einmal alle Wege. Unser Sohn Stephan empfing in der ungarischen Nationalkirche Santo Stefano Rotondo auf dem Celio erstmals die Heilige Kommunion. Enikö schenkte mir zum 50.Geburtstag eine wundervolle „Vedute di Roma“ von Giovanni Batista Piranesi. „Der Tempel der Concordia“ am Fuße des

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Capitols ist auf dem heutigen Forum Romanum nur noch als geröllübersäte Wiese präsent. Piranesi liess ihn 1774 in bukolischer Umgebung wiederaufleben, jenen Ort, wo der Senat tagte und Cicero seine Reden gegen Catilina hielt. Nichts fasziniert mich seit jeher mehr als die Magie von Ruinen. Durch Piranesi, diesen einzigartigen Künstler, sind Größe, Verfall und gerade darin die Dauerhaftigkeit der Ewigen Stadt romantisch überhöht worden. Rom, das waren und sind bei jedem Besuch Neuentdeckungen im Detail und in die Tiefe einer Stadt, die zu entdecken kein Leben reicht. Kein anderer Ort dieser Erde ist über mehr als zwei Jahrtausende in mehreren Etagen, Formen, Transformationen und Renaissancen gewachsen, geworden, gestorben und wiedergeboren worden. Kein anderer Ort hat mich immer wieder so inspiriert und erheitert wie Rom.

Abb. 10.17   In den Vatikanischen Gärten mit Hans-Peter Fischer, Rektor des Campo Santo Teutonico, Bettina Machaczek und Reinhard Stuth sowie meiner Familie (2012). (© Ludger Kühnhardt)

2018 feierten Enikö und ich mit unseren Kindern, meiner Mutter und einhundert Freunden, Verwandten und Weggefährten Silberhochzeit, dort wo wir geheiratet hatten: Im idyllischen Barockkirchlein St.Ulrich am Rande des Markgräfler Landes. Unser priesterlicher Freund Hans-Peter Fischer, Rektor des Campo Santo Teutonico in Rom und Taufpfarrer unserer beiden Kinder, erinnerte an die Lesungen unserer Hochzeit. Bei der Ehe gehe es immer wieder neu um die „Geschichte einer großen Treue“. Es gehe darum „weiterzugehen“ und zu wissen: „Das ideale, das perfekte Bild bekommen wir nicht hin.“ Dennoch gelte es immer wieder neu, die Ehe gleichwohl als den Ort zu erfassen, „wo Himmel und Erde einander durchdringen.“ Meine Zwischenbilanz lautete: Tiefe Dankbarkeit. Dafür, dass Enikö in Liebe mit mir durch dieses Leben geht. Dass meine Kinder Victoria mit Schwiegersohn Raphael und Stephan mit Freundin Hannah

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um mich waren. Victoria und Stephan sind die erfolgreichste, wertvollste und dauerhafteste „Leistung“ meines Lebens, mein Stolz und meine Inspiration. Ich war dankbar, dass die beiden so lange ihre Großeltern hatten erleben dürften, meine Eltern und Schwiegereltern. Mein Vater hatte mir einmal gesagt, ich sei ihm bei der Geburt vorausgeeilt: Als er am frühen Morgen des 4. Juni 1958 die Universitätsklinik Münster betrat, rief ihm eine Krankenschwester entgegen: „Da ist ja der glückliche Vater.“ Ich war eine halbe Stunde vor seiner Ankunft zur Welt gekommen. Meine Mutter gab mir einmal den Rat mit auf den Weg, ich solle mich an die Charaktertugenden meines Vaters halten, vor allem an seine Geduld, seine innere Ruhe und Gelassenheit. Das ist kein einfaches Programm. Zum Zeitpunkt meiner Emeritierung übte ich noch immer und würde wohl immer weiter üben müssen. Mit Freude und Dankbarkeit erlebte ich unterdessen seit Jahren, dass und wie meine Kinder mich immer mehr überholten, in ihren Ausbildungen und Berufen ebenso wie in ihren Persönlichkeitsentwicklungen und ihrem ganz eigenen Privatleben. Sie mussten dies so tun und immer mehr davon tun, angetrieben von ihren je eigenen Träumen, weil das Leben es so will.

Abb. 10.18   Tiefempfundene Dankbarkeit für meine Familie: Mit Enikö, Victoria und Stephan vor der Grabeskirche in Jerusalem (2013). (© Ludger Kühnhardt)

Ihr weiterer Lebensweg sollte nur eines sein: glücklich. Glück kommt nicht vom Haben, sondern vom Sein. Man kann Glück nicht „haben“, man kann nur glücklich „sein“. Meine Frau und ich haben unseren Kindern bis zu ihrem Abitur Rom, Athen und Jerusalem zeigen können, die drei Wurzeln unserer Zivilisation. Es war uns wichtig, dass sie frühzeitig erfuhren, was zum Kanon des Westens gehört. Nur mit dem Bewußtsein ihrer eigenen Wurzeln würden sie in der globalisierten Welt ihre Zukunft bestehen

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können. In unserem Haus gingen jederzeit Menschen aller Hautfarben, Nationen und Religionen ein und aus. Wir hatten unseren Kindern stets alle Schönheit und Vielfalt, alle Möglichkeiten und Widersprüchlichkeiten dieser wunderbaren, aber auch zerrissenen Welt gezeigt. Sie waren weltfähig geworden. Enikö, unsere Kinder und ich haben gemeinsam mehrere Jahre auf fünf Kontinenten verbracht. Für mich kam noch einiges an weiteren Aufenthalten hinzu. Bald ein Viertel meines bisherigen Lebens hatte ich bisher ausserhalb von Deutschland gelebt. Ich sortierte langsam meine Pläne, um weiter zu säen, solange es mir vergönnt sein würde. Irgendwo las ich, die besten Bücher schreibe man ab dem sechzigsten Lebensjahr. Es konnte also getrost weitergehen im Wellengang der Zeiten.

Abb. 10.19   Zwischen den Zeiten. Beiträge zu Geschichte, Fortschritt und Freiheit (2024). (© Nomos Verlag)

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Es war Zeit für die Zwischenbilanz meines bisherigen wissenschaftlichen Lebens zwischen den Zeiten. Ich hatte immer wieder neue Anläufe genommen, um mit Hilfe von sorgfältigen Ursachenanalysen Impulse für bleibenden Erkenntnisgewinn zu geben (Kühnhardt 2023b, S.685ff.). Noch einmal stellte ich meine Wortmeldungen der letzten fünf Jahre zu einem Sammelband zusammen. Der Titel meiner Texte reflektierte meine Gefühlslage: Zwischen den Zeiten. Beiträge zu Geschichte, Fortschritt und Freiheit (2024c). Das Ende des zweiten elisabethanischen Zeitalters hatte mich in meinem Zeitgefühl bestärkt, als ich wie Abermillionen von Menschen am 19. September 2022 am Bildschirm Abschied von Königin Elisabeth II. nahm. Ich hatte nie eine andere Monarchin gekannt. Als ich 1974 erstmals in London war und die offizielle Geburtstagsfeierlichkeit „Trooping the colours“ miterleben konnte, war Elisabeth II. bereits 22 Jahre Königin von Großbritannien. Und dennoch: Ihr langes Leben und ihre einzigartige Regentschaft markierten weltgeschichtlich „bloß“ eine Zwischenzeit. Mit ihr beerdigten wir in gewissem Sinne eine lange Geschichte Europas – den Übergang von der Auflösung europäischer Weltdominanz bis zu einer neuen Epoche, in der es künftig um die Selbstbehauptung Europas in einer unberechenbar, wenn nicht feindlich gewordenen Welt geht. Zwischen diesen Polen empfand ich auch mein bisheriges Leben: Es war ein Leben zwischen den Zeiten. Der Untertitel meines Bandes beschreibt darüberhinaus das Programm meiner zukünftigen intellektuellen Pläne im Schnittfeld von Geschichte, Fortschritt und Freiheit. Mit dem Sommersemester 2024 verliess ich meine bisherigen universitären Aufgaben, aber natürlich nicht die Zeitgenossenschaft inmitten einer Welt im massiven Umbruch, ja inmitten einer grundstürzenden Wendezeit. Mein Kollege Christian Koenig bestand auf einer originellen Verabschiedung an der Universität Bonn. Hinter uns lag eine geradezu perfekte Zeit bester Kollegialität. Christian Koenigs Expertise im Bereich des europäischen Wettbewerbsrechts ist legendär. Seine weitgespannten gutachterlichen Beratungserfolge gründen in einem tief durchdachten Verständnis regulationsrechtlicher Fragen. Was er so spielerisch als „The Art of Regulation“ bezeichnet hat (Koenig und Wendland 2017), lernte ich durch ihn als ein weithin unterschätztes Epizentrum von Macht in der EU kennen. Anders als im Bereich der Politik beherrscht das Europarecht die Monopolisten der Märkte und bringt jene auf Trab, die Märkte nur suboptimal ermöglichen oder verwalten. Intellektuell entwickelten sich Christian Koenigs mikroprozesshafter scharfer juristischer Blick und meine politisch-historisch generalisierende und diplomatiefreundliche Herangehensweise zu einer gelungenen Symbiose, von der unsere Studierenden aus aller Herren Länder enorm profitierten. Mehr aber noch: Auch in Fragen des universitären Flohzirkus und beim Management des ZEI konnten wir uns jederzeit aufeinander verlassen. Christian Koenig und ich ergänzten uns optimal zum Wohl der uns anvertrauten Aufgaben am Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Jetzt aber hatte ich eine Bitte, weil ich Abschiede nicht mag. Ich wollte keine Lobeshymnen hören, von denen nie klar ist, ob sie auch tatsächlich so gemeint sind, wie sie vorgetragen werden. Ich wollte auch niemanden langweilen mit einem oder sogar zwei länglichen Festvorträgen, die bei jeder beliebigen Gelegenheit vorgetragen werden konnten. Christian Koenig wollte mich überraschen. Ich wusste, er würde

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es geistvoll und lässig richten. Am liebsten, so sinnierte ich, wäre mir ein lebhafter wissenschaftlichen Workshop, so wie ich sie so oft besucht habe, dort viele kluge Impulse von anderen gewinnen konnte und hoffentlich selber manchen Impuls für andere geben konnte. Ich konnte kaum erwarten, dass irgendjemand es auf sich nehmen würde, seine Zeit einer Emeritierungsfeier zu opfern, zumal mein Netzwerk sich über den ganzen Globus erstreckte. Ich hoffte auf ein irgendwie geartetes hybrides Format, da wir doch alle den Charme der Zoom-Präsenz gelernt hatten die so gut dabei hilft, weit auseinanderliegende Welten zu verknüpfen. Ich konnte sicher sein, dass Christian Koenig eine originelle Choreographie schaffen würde. Vom ersten Moment an, als er mir von seiner Initiative erzählte, ohne auch nur eine Einzelheit preiszugeben, aber wusste ich, was ich zum Adieu im Sinne von persönlicher Bilanz und allgemeiner Anregung in eine unruhige Zukunft hinein sagen wollte: Sisyphos müsse man sich jederzeit als einen glücklichen Menschen vorstellen. Man müsse immer wieder aufs Neue versuchen, was unmöglich scheint und nur selten beständig ist. Dies gilt für jeden einzelnen Menschen und es gilt für die Menschheit.  Vieles an der Entwicklung der Erde stimmte mich  besorgt. Ich hielt es aber immer wieder neu mit Albert Schweitzer, bei dem ich frühzeitig gelesen hatte: „Auf die Frage, ob ich pessimistisch oder optimistisch sei, antworte ich, dass mein Erkennen pessimistisch und mein Wollen und Hoffen optimistisch ist“ (Schweitzer (1959) 1980, S. 200). Deswegen empfand ich das Beispiel des Sisyphos ermutigend, auch wenn es aufgrund einer oberflächlichen Betrachtung eher als Symbol des immer wieder neuen Scheiterns zitiert wird. Trotz allem: Ich konnte gar nicht anders, als für die Zeit um meinen hundertsten Geburtstag herum eine gute Zukunft für meine Kinder zu erwarten. Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt würde auch die Europäische Union die ersten einhundert Jahre hinter sich gebracht haben. 2009 hatte ich in dieser Perspektive für einmal in die Glaskugel geschaut (Kühnhardt 2009, S. 272 ff.): „2057: Der Präsident der Europäischen Union lädt ein zu den Feierlichkeiten anlässlich des 100. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge. In Rom versammeln sich die Vertreter des Europäischen Parlaments, das 2054 zum fünfzehnten Mal in freier, gleicher und direkter Wahl zusammengesetzt wurde und 2059 zum sechzehnten Mal gewählt werden wird. Anwesend sind die Vertreter des Europäischen Senats, den man früher Europäischen Rat genannt hat. Hier sind die delegierten Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union versammelt. Der Senatspräsident repräsentiert mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments die beiden legislativen Kammern der Europäischen Union. Die Europäische Kommission ist durch ihren Präsidenten vertreten, der die Autorität über der Exekutive der EU innehat. Der Präsident der Europäischen Union richtet sich an die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger. Er zeigt sich erfreut darüber, dass die vielen Millionen Einwanderer, die Europa in den vergangenen Jahrzehnten aufgenommen hat, sich so vorbildlich in die Rechtsordnung der EU integriert haben und zu einem Motor der Zukunftskraft geworden seien. Europa sei zu einem Kontinent der Hoffnung geworden, weil Europa den Hoffnungen auf allen Kontinenten der Erde eine Stimme gegeben habe. Er würdigt ausdrücklich die politischen Parteien der Europäischen Union, die längst nationales

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Denken überwunden haben und klare ordnungspolitische Alternativentwürfe für die EU in der Mitte des 21. Jahrhunderts erarbeitet haben. Der Präsident der EU unterstreicht, dass es bei allem Ringen um den richtigen Weg um den Schutz der menschlichen Würde und um die Weiterentwicklung des Gebotes der Solidarität gehe: Freiheit, Menschenwürde, Solidarität – das sei zu recht das Leitmotiv der Europäischen Union. So wie das frühere Leitmotiv der französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) spiegele auch das neue europäische Leitmotiv die Hoffnungen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger und den Auftrag an die Institutionen und Akteure der Europäischen Union wider. Der Präsident der Europäischen Union bedankt sich ausdrücklich für die engagierten jungen Europäerinnen und Europäer, die sich im europaweiten Zivildienst und im europäischen Weltfriedensdienst engagieren. Er erinnert dankbar an den Einsatz der europäischen Friedenssoldaten und den Einsatz der Angehörigen des europäischen Umweltschutzkorps. Ihr Beitrag zu einer besseren Welt mache dem ursprünglichen Ideal der Gründerväter alle Ehre. Der Präsident der Europäischen Union dankt den Partnern der EU im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für ihre Mitgestaltung an der Weltordnung: Den USA, Russland, China, Indien, der Afrikanischen Union, dem Golf Kooperationsrat und der Lateinamerikanischen Union, die sich aus einer demokratischen Verbindung von MERCOSUR, Andengemeinschaft und mittelamerikanischem Integrationsverbund gebildet hat. Die Europäische Union werde auch in den kommenden Jahrzehnten ihre Pflicht erfüllen: An der Seite der führenden Mächte der Welt zum Wohle der Menschheit wirken. Der Realismus gebiete es, an die besondere Stellung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA als der Kernachse der multipolaren Weltordnung zu erinnern. Diese Verbindung sei gegen niemanden gerichtet. Sie habe sich nun in Jahrzehnten als verlässlicher Motor der Weltordnung erwiesen und werde weiterhin Impulse geben, Orientierung anbieten und Führung beweisen. Die neue Weltordnung der multipolaren Einbeziehung aller Regionen, Kontinente und Regionalorganisationen bleibe der vielversprechende Rahmen, um die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gemeinsam zu bewältigen: Die ethnische Mischung der Weltbevölkerung, die sozialen Dissonanzen und die kulturellen Konflikte um Identität im Zeitalter der Globalität erfordern mehr denn je den interkulturellen Dialog und eine Politik der Multipolarität. In dem einen Weltdorf gehe es letztlich um die kulturellen Bedingungen des menschlichen Miteinander. Politik müsse demütiger werden und sei daher mehr denn je auf die orientierenden Beiträge der großen Weltreligionen angewiesen. Die Würde des Menschen zu stärken, in allen ihren Phasen und in allen ihren Ausdrucksformen, bleibe der Kompass einer Ordnung der Freiheit und der Solidarität, schließt der direkt gewählte Präsident der Europäischen Union seine Festrede. Per Satellit wird sie in die Fernsehsysteme aller Kontinente übertragen.“ Als der Kalender zu meiner Emeritierung an der Universität Bonn voranrückte, war ich innerlich längst weitergezogen und das mit Hoffnung, trotz aller gewichtigen Sorgen über den Gang der Welt. Viele gute Wege waren mir bereitet worden. Ich durfte nur hoffen, dass auch ich für andere einige gute Wege bereitet hatte mit meinem Tun und

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Denken. Ich hoffte, einige Impulse zum Erkenntnisgewinn über unser Menschsein und die Welt, die uns aufgegeben ist, beigetragen zu haben. Erkenntnisgewinn ist immer Gemeinschaftswerk in der Kette der Generationen, wie ich 2015 in einem Gespräch mit Radio Vatikan über „Gott und die Welt“ erläutert hatte. Es komme am Ende darauf an, sagte ich damals, „eine Spur der Liebe und der Kompetenz zu hinterlassen, eine Spur, aus der sichtbar wird, wofür wir im Leben gebrannt haben und eine Spur zu hinterlassen, aus der sichtbar wird, mit welchen Kompetenzen wir einen Beitrag zu einer besseren Welt hinterlassen haben“ (Kühnhardt 2015). Liebe und Erkenntnisgewinn wirken über unsere Taten hinaus. Wir müssen die Wirkungen noch gar nicht sehen, um schon zu wissen, dass sie stärker sind, je länger sie sich ausbreiten. In diesem Sinne sah ich mich weiterhin als Impulsgeber. Inmitten aller neuen Aufbrüche, die auf mich warteten, empfand ich tiefe Dankbarkeit und großes Glück. Ich war gelassen, so gut ich konnte und wo immer ich mich niederliess. Im Geist Fernand Braudels – la longue durée – dachte ich seit Jahrzehnten die Zukunft vom Mittelmeer her, der Wiege so vieler Kulturen und Zivilisationen (Braudel 1949). Doch nicht nur Geschichte und Geographie bestimmen das Dasein. Am liebsten unter allen Phänomenen der Natur sind mir das Rauschen des Meeres und seine Weite, die alles übertrifft, was die Erde so wunderbar macht. Besser hätte der Psalmist daher mein Lebensgefühl nicht formulieren können: „Nehme ich die Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder am äußersten Meer, auch dort wird Deine Hand mich ergreifen, und Deine Rechte mich fassen“ (Die Bibel 1980, S. 683).

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Verzeichnis der Publikationen Monographien und Einzelveröffentlichungen   1. Christliche Soziallehre konkret. Gedanken und Perspektiven, München: Olzog Verlag, 1977, 162 Seiten.   2. Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik, Hannover: Landeszentrale für Politische Bildung, 1980, 107 Seiten.   3. Kinder des Wohlstands. Auf der Suche nach dem verlorenen Sinn, München: Olzog Verlag, 1981, 84 Seiten.   4. The land of 500.000 villages. Stories from rural India, Trichur: St.Joseph’s I.S. Press/Jyothi Book Centre, 1982, 79 Seiten.  5. Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik, Wien: Wilhelm Braumüller Universitätsverlag, 1984, 249 Seiten.  6. Private Entwicklungshilfe. Zwischen Überschätzung und Vernachlässigung. Königswinter: Stiftung für Christlich-Soziale Politik und Bildung (ZAK), 1985, 82 Seiten.  7. Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs, München: Olzog Verlag, 1987, 408 Seiten; als überarbeitete Lizenzausgabe, Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, 1987, 253 Seiten (zweite überarbeitete und erweiterte Auflage 1991, 455 Seiten).   8. Wege in die Demokratie. Beiträge aus der Politischen Wissenschaft, Jena: Universitätsverlag/ Erlangen: Palm und Enke, 1992, 271 Seiten.   9. Stufen der Souveränität. Staatsverständnis und Selbstbestimmung in der Dritten Welt, Bonn/ Berlin: Bouvier Verlag, 1992, 395 Seiten. 10. Europäische Union und föderale Idee. Europapolitik in der Umbruchzeit, München: C.H.Beck, 1993, 156 Seiten 11. Ideals and interests in recent German foreign policy, Occasional Paper No 10: Third Alois Mertes Memorial Lecture, Washington D.C.: German Historical Institute, 1993, 26 Seiten. 12. Revolutionszeiten. Das Umbruchjahr 1989 im geschichtlichen Zusammenhang, München: Olzog Verlag 1994, 317 Seiten (Taschenbuch-Ausgabe, München: Olzog Verlag, 1995, 317 Seiten; auf Türkisch als: Devrim Zamanlari, Ankara: ASAM, 2002, 382 Seiten). © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7

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13. Jeder für sich und alle gegen alle. Zustand und Zukunft des Gemeinsinns, Freiburg: Herder, 1994, 139 Seiten. 14. Mitten im Umbruch. Historisch-politische Annäherungen an Zeitfragen, Bonn: Bouvier Verlag, 1995, 463 Seiten. 15. Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit, Bonn: Bouvier Verlag 1996, 314 Seiten. 16. Beyond divisions and after. Essays on democracy, the Germans and Europe, Frankfurt/New York: Peter Lang 1996, 193 Seiten. 17. Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend, BadenBaden: Nomos Verlag, 1999, 374 Seiten. 18. Von Deutschland nach Europa. Geistiger Zusammenhalt und außenpolitischer Kontext, Baden-Baden: Nomos Verlag, 2000, 464 Seiten. 19. Die Europäische Union – Fragen zur Erweiterung, Berlin: Auswärtiges Amt/Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, 2001, 60 Seiten (3.Auflage 2003). 20. Constituting Europe. Identity, Institution Building And The Search For A Global Role, BadenBaden: Nomos Verlag, 2003, 275 Seiten. 21. Atlantik-Brücke. Fünfzig Jahre deutsch-amerikanische Freundschaft, Berlin: Propyläen Verlag, 2002, 367 Seiten. 22. Contrasting Transatlantic Relations. The EU and the US towards a Common Global Role, SIEPS Paper: 2003/1op, Swedish Institute for European Policy Studies, Stockholm 2003, 74 Seiten. 23. European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration, Baden-Baden: Nomos Verlag, 2008, 670 Seiten (zweite, überarbeitete Auflage 2010, 672 Seiten). 24. Erweiterung und Vertiefung. Die Europäische Union im Neubeginn, Baden-Baden: Nomos Verlag, 2005, 448 Seiten. 25. Region-Building. Volume I: The Global Proliferation of Regional Integration, New York/ Oxford: Berghahn Books, 2010, 491 Seiten. 26. Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt. Standortbestimmung der Europäischen Union, Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung Band 72, Baden-Baden: Nomos, 2010, 356 Seiten. 27. Africa Consensus: New Interests, Initiatives, and Partners, Baltimore: Johns Hopkins University Press/Washington D.C.: Woodrow Wilson Center Press, 2014, 380 Seiten. 28. Zwanzigundeine Expedition 1992–2012. Tagebuchnotizen über den Studienreise-Zyklus von Hans-Gert Pöttering, Reinhard Stuth und Ludger Kühnhardt, verfasst durch Letzteren, gewidmet Ersteren, Bonn 2015 (Privatdruck), 357 Seiten. 29. The Global Society and Its Enemies. Liberal order beyond the Third World War, Cham: Springer, 2017, 276 Seiten. 30. Richard von Weizsäcker (1920–2015). Momentaufnahmen und Denkwege eines europäischen Staatsmannes, ZEI Discussion Paper C257, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2020, 153 Seiten. 31. Identität und Weltfähigkeit. Sichtweisen aus einem unruhigen Europa, Baden-Baden: Nomos Verlag, 2020, 744 Seiten. 32. Wurzeln. Eine kleine Geschichte unserer europäischen Familie, Bonn: Privatdruck, 2020, 420 Seiten.

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33. Karl Dietrich Bracher (1922–2016). Aus der Geschichte lernen. ZEI Discussion Paper C 269, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2022, 120 Seiten. 34. Verknüpfte Welten. Notizen aus 235 Ländern und Territorien, Wiesbaden: Springer, 2022, Band 1 (1960–1999) 634 Seiten; Band 2 (2000–2020) 1001 Seiten. 35. Das politische Denken der Europäischen Union. Supranational und zukunftsoffen, Paderborn: UTB BrillFink, 2022, 229 Seiten. 36. Gutachten. Eine Anthologie von Habilitationen und Dissertationen, Bonn: Privatdruck 2023, 264 Seiten. 37. Impulsgeber. Eine Werkbiographie zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, Wiesbaden: Springer, 2023. 38. Hans-Peter Schwarz (1934–2017). Politik und Zeitkritik. ZEI Discussion Paper C 281, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2024, 110 Seiten. 39. Zwischen den Zeiten. Betrachtungen zu Geschichte, Fortschritt und Freiheit. Baden-Baden: Nomos Verlag, 2024.

Co-Autor, Herausgeber und Mitherausgeber  1. Tesfa – Hoffnung. Zeitschrift der äthiopischen Flüchtlinge, Heft 1, Juni 1982 (Mitherausgeber).   2. Reihe j. Praxisbücher für Jugendarbeit und Erziehung, 6 Bände, Tübingen: Katzmann Verlag, 1983–1985 (Mitherausgeber)  3. Universelle Menschenrechte und europarlamentarische Menschenrechtspolitik (mit Andreas Rauch), Brüssel/Straßburg: Katholisches Sekretariat für Europäische Fragen (OCIPE), 1989, 112 Seiten, darin: Ursprünge und Gehalt der universellen Menschenrechtsidee, Seite 6 ff. 4. Europas vereinigte Staaten. Annäherungen an Werte und Ziele (mit Hans-Gert Pöttering), Zürich: Edition Interfrom, 1991, 140 Seiten.   4. Zwölf Nachbarn – ein Europa. Deutschland und die europäische Zukunft aus der Sicht der Diplomaten umliegender Länder (herausgegeben mit Hans-Peter Schwarz), Bonn-Berlin: Bouvier Verlag, 1991, 156 Seiten.   5. Herausforderung Europa 2000. Positionen zu verantwortungsvollem Handeln (herausgegeben mit Utz Dornberger, Marek Siemek, Ulrich Zwiener, Terence J. Reed und Martin Weber), Jena: Collegium Europaeum Jenense, 1993, 76 Seiten, darin: Hochschule und Demokratie, Seite 48 ff.   6. Weltpartner Europäische Union (mit Hans-Gert Pöttering), Zürich: Edition Interfrom, 1994, 231 Seiten.   7. Die doppelte deutsche Diktaturerfahrung. Drittes Reich und DDR – ein historisch- politikwissenschaftlicher Vergleich (herausgegeben mit Gerd Leutenecker, Martin Rupps und Frank Waltmann), Frankfurt: Peter Lang, 1994, 356 Seiten (neu bearbeitete zweite Ausgabe, 1996, 330 Seiten).  8. Europäische Herausforderungen heute. Toleranz und Vertrauen zu neuer Gemeinsamkeit (herausgegeben mit Ulrich Zwiener et al.), Jena: Collegium Europaeum Jenense, 1994, 361 Seiten, darin: Alt-neue Paradoxien in Europa, Seite 319 ff.

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  9. Dieter Chenaux-Repond: Die deutsche Vereinigung aus Schweizer Sicht. Vortrag vom 9. Juni 1993 im Collegium Europaeum Jenense (herausgegeben von Ulrich Zwiener, Christel Fenk, Ludger Kühnhardt und Thomas Pester), Jena: Universitätsverlag, 1993, 17 Seiten. 10. Kontinent Europa. Kern, Übergänge, Grenzen (mit Hans-Gert Pöttering), Zürich: Edition Interfrom, 1998, 382 Seiten (auf Tschechisch als: Kontinent Evropa. Jadro, Prechodny, Hranice, Prag 2000, 261 Seiten). 11. Rußland und Deutschland auf dem Weg zum antitotalitären Konsens (herausgegeben mit Alexander Tschubarjan), Baden-Baden: Nomos Verlag, 1999, 243 Seiten, darin: Von der Last der Geschichte zur Last der Gegenwart, Seite 7 ff. (auf Russisch als: Rossija i Germanija na puti k antitotalitarnomu soglasiju, Moskau 2000, 278 Seiten, darin: Ot osoznanija tjazesti istorii k osoznaniju dolga pered nastrojascim, Seite 7 ff.) 12. Spanien und Deutschland als EU-Partner (herausgegeben mit Dario Valcarcel), Baden-Baden: Nomos Verlag, 1999, 188 Seiten, darin: Europa auf der Suche nach einer geistigen Gestalt, Seite 105 ff. (auf Spanisch als Dokumentation in: Politica Exterior, Vol. XIII, Verano/Otono 1999, darin: La identidad de Europa, Seite 171 ff.). 13. Parameters of Partnership: The U.S., Europe and Turkey (herausgegeben mit Jackson Janes und Hüseyin Bagci), Baden-Baden: Nomos Verlag, 1999, 248 Seiten, darin: On Germany, Turkey and the United States, Seite 217 ff. 14. Die Wiederentdeckung Europas. Ein Gang durch Geschichte und Gegenwart (herausgegeben mit Michael Rutz), Stuttgart: DVA, 1999, 366 Seiten; darin: Europas Geschichte vor ihrer Zukunft, Seite 11 ff.; Nachdruck als: Vorschau auf die Vergangenheit, in: Rheinischer Merkur, Nr. 53, 31.Dezember 1999, Merkur Spezial, S. 1 f. 15. Weltachsen 2000. International Congress, 11./12.November 1999, Bonn, Documentation (herausgegeben mit Christian Koenig, Paul Vlek, Joachim von Braun, Jürgen von Hagen und Andreas Wimmer), ZEI Discussion Paper C 69, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI)/Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) 1999, 96 Seiten; darin: Introduction, Seite 11 ff. 16. Menschliche Werte. Versöhnung (herausgegeben mit Ulrich Zwiener, Reiner Kunze, Alfred Grosser, Terence J. Reed, Annemarie Schimmel und Hans Koschnik), Jena/Erlangen: Jenaer Universitätsverlag, 2001, 69 Seiten, darin Diskussionsmoderation: Seite 39 ff. 17. Ute Schürings, Zwischen Pommes und Praline. Mentalitätsunterschiede, Verhandlungs- und Gesprächskultur in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Nordrhein-Westfalen (herausgegeben von Charles Barthel, Ludger Kühnhardt, Bernd Müller, Dirk Rochtus und Friso Wielenga), Münster: agenda Verlag, 2003,176 Seiten. 18. Die Europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen (herausgegeben mit Marcus Höreth und Cordula Janowski), Baden-Baden: Nomos Verlag, 2005, 301 Seiten, darin: Auf dem Weg zum europäischen Verfassungspatriotismus, Seite 19 ff.; gekürzt als: Auf dem Weg zu einem europäischen Verfassungspatriotismus. Die Perspektive der Referenden in vielen Mitgliedsstaaten, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 163, 16.Juli 2004, Seite 6; und als: Formierung der europäischen Öffentlichkeit. Von der Union der Staaten zur Union der Bürger?, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 169, 23.Juli 2004, Seite 5; erweitert und aktualisiert mit koreanischer Zusammenfassung als: Europas Verfassungsidentität, in: Zeitschrift für deutschsprachige Kultur & Literaturen (Seoul), Band 15/2006, Seite 391 ff. 19. The Crisis in Transatlantic Relations (herausgegeben mit Sam Wells), ZEI Discussion Paper C 143, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2005, 120 Seiten.

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20. Menschenrechte, Kulturen und Gewalt. Ansätze einer interkulturellen Ethik (herausgegeben mit Mamoru Takayama), Baden-Baden: Nomos Verlag, 2005, 474 Seiten; darin: Perceptions of Foreign Civilizations as Perceptions of Oneself, Seite 305 ff. 21. The Reunification of Europe. Anti-Totalitarian Courage and Political Renewal (Herausgeber), Brussels: European Parliament, 2009, 411 Seiten (4. Auflage, 2018); darin: A Struggle for the Power of Freedom: Peaceful Revolutions and the Heroes of Anti-Totalitarian Europe, Seite 5 ff.; auszugsweise als: The Road to Freedom and the Reunification of Europe, in: Irena Degutiene (ed.), Europe: 70 Years after the Molotov-Ribbentrop Pact, Vilnius 2009, Seite 66 ff.; auf Rumänisch als: Reunificarea Europei. Curaj Antitotalitar si reinnoire politica (Editor), Brüssel 2009, 416 Seiten, darin: Lupta pentru puterea libertatii: Revolutille pasnice si eroli Europei antitotalitare, Seite 5 ff.; auf Französisch als: La Réunification de l’Europe. Courage antitotalitaire et renouveau politique (Editor), Brüssel 2009, 416 Seiten, darin: Combat pour le pouvoir de la liberté: Les révolutions pacifiques et les héros de l’Europe antitotalitaire, Seite 5 ff. auf Deutsch als: Die Wiedervereinigung Europa. Antitotalitärer Mut und politische Erneuerung (Herausgeber), Brüssel 2009, 416 Seiten, darin: Ein Kampf für die Herrschaft der Freiheit: Friedliche Revolutionen und die Helden des antitotalitären Europas, Seite 5 ff.; auf Polnisch als: Ponowne Zjednoczenie Europy. Odwaga w Walce z Totalitaryzmem i odnowienie politiyczne (Editor), Brüssel 2010, 416 Seiten, darin: Walka o wolnosc: pokojowe rewolucje i europejsky bohaterowie walki z totalitaryzmen, Seite 5 ff.; auf Slowakisch als: Ponovna Zdruzitev Evrope. Pogum za upor proti totalitarizmu in politicna prenova, (Editor), Brüssel 2011, 416 Seiten, darin: Boj za prevlado svobode: mirne revolucije in junaki protitotalitarne Evrope, Seite 5 ff. 22. Crises in European Integration. Challenges and Responses, 1945–2005 (Editor), New York/ Oxford: Berghahn Books, 2009, 167 Seiten; darin: Introduction: European Integration: Success through Failure, Seite 1 ff. (unveränderter Nachdruck als Taschenbuch 2011). 23. Region-Building. Volume II: Regional Integration in the World: The Documents (Editor), New York/Oxford: Berghahn Books, 2010, 501 Seiten. 24. Forschung, Lehre und Beratung für Europa (herausgegeben mit Christian Koenig), Zentrum für Europäische Integrationsforschung 1995–2015, Bonn 2015, 273 Seiten. 25. Brainstorming for a Pan-African Network in Regional Integration Studies (edited with Djénéba Traore). WAI-ZEI Paper No. 24, Praia/Bonn: West Africa Institute/Center for European Integration Studies, 2015, 69 Seiten. 26. Governance and Regulation in the EU: A Reader (edited with Christian Koenig), Baden-Baden: Nomos Verlag, 2017, 329 Seiten; darin: The Proto-Constitutional Establishment of European Domestic Policy. Germany and the Conditions for Federal Order in Europe, Seite 13 ff. 27. Bonner Enzyklopädie der Globalität (herausgegeben mit Tilman Mayer), Wiesbaden: Springer, 2017, 1627 Seiten; darin: Einführung, Seite 1 ff. und: Globalität: Begriff und Wirkung, Seite 21 ff.; in Englisch als: The Bonn Handbook of Globality (edited with Tilman Mayer), Cham: Springer, 2019, 1509 Seiten, darin: Introduction, Seite 1 ff. und: Globality: Concept and Impact, Seite 19 ff. 28. Opening doors. Master of European Studies – Governance and Regulation 1998–2018 (edited with Christian Koenig/ZEI), Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2018, 117 Seiten. 29. Transdisciplinary Research and Education in Regional Integration. ZEI 1995–2020 (edited with Christian Koenig/ZEI), Bonn: Center for European Integration Studies, 2020, 276 Seiten.

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30. Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/ Bonner Europadialog 1994–2023, Baden-Baden: Nomos Verlag, 2023, 792 Seiten.

Journalistische Beiträge   1. „Aus unserer Redaktion“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 13.Juni 1970   2. Jugendlager: Die Jungen von Mauritius denken gern zurück, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 10.September 1970   3. Violinkonzert nur schwach besucht, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 30.Oktober 1970   4. Violoncellokonzert, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 30.März 1971   5. Dechant Heufers: Goldenes Priesterjubiläum, in: Der Tecklenburger, 21.Mai 1971   6. Zum Nachdenken, in: Gong, 10.Juli 1971   7. Jugendheim wurde renoviert, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 31.Juli 1971   8. Oberstufenreform gelungen, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 16.September 1971   9. St. Ludwig holte den Pokal, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 20.November 1971 10. Für CDU-Frauen, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 3.April 1972 11. Zur Mittelstufenreform, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 6.Juni 1972 12. Moskau-Vertrag – eine Einladung zur Spionage, in: Unser Oberschlesien, 6.Juli 1972 13. Schüler Union sucht Mitglieder, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 10.Dezember 1972 14. Die Schüler Union wird aktiv, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 15.Januar 1973 15. „Beat und Pop sind keine Gefahr für die Klassik“: Interview mit dem Pianisten Peter Hollfelder, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 9.März 1973 16. Dechant Heufers wird morgen 80 Jahre alt, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 1.Mai 1973 17. Jahreshauptversammlung der CDU, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 2.Mai 1973 18. Umweltschutz geht alle an, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 8.August 1973 19. „Die Chancen für Schauspieler sind nicht rosig“: Interview mit dem Schauspieler Rainer Schöne, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 18.Oktober 1973 20. Solschenizyn: Zum Ruhm verdammt, in: Der Tecklenburger, 21.November 1973 21. Solschenizyn „Zum Weltruhm verdammt“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 21.11.1973 22. Tagebuch der Anne Frank, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 19.Dezember 1973 23. Orpheus-Trio aus Amerika zu Gast, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 7.Februar 1974 24. Interview mit der Schauspielerin Inge Meysel, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 22.02.1974 25. Schüler Union formiert sich, in: Münstersche Zeitung, 12.März 1974 26. Lepra-Pokal für die Polizei, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 18.März 1974 27. Klaus Rosenthal neuer Schüler-Union-Landesvorsitzender, in: Der Sprecher, April 1974 28. „Wir sind keine Schülertruppe der JU“: Interview mit dem Schüler Union Landesvorsitzenden Rosenthal, in: Der Sprecher, April 1974 29. Schüler Union: Sogar Optimisten überrascht, in: Westfälisches Monatsblatt, April 1974 30. 25 Jahre Grundgesetz: Das Provisorium ist dauerhaft, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 27.Mai 1974. 31. „Eines der zehn Kraftwerke sollte in Ibbenbüren sein“: Interview mit Bundestagspräsidentin Annemarie Renger, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 10.Juni 1974

Anhang 32. 33. 34. 35.

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JU-Stammtisch, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 11.Juli 1974 Interview mit Burgschauspieler Karl Schönböck, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 04.01.1975 „Was halten Sie vom Jahr der Frau?“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 24.Januar 1975 „An erster Stelle stehen die Gefühle“: Interview mit dem Komponisten Stig Schönberg, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 30.Januar 1975 36. Hilfe für Gastarbeiterkinder, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 8.März 1975 37. Erinnerung an TE, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 12.März 1975 38. JU-Kreisausschuß tagte im Hörstel, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 12.Juli 1975 39. Dem „C“ neue Impulse geben, in: Die Entscheidung, August 1975 40. Schüler gehen wegen Preußag auf die Straße, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 03.12.1975 41. Verlust von Arbeitsplätzen trifft besonders die Jugend, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 9.Januar 1976. 42. Sowjetisches System ist im Prozeß der Zersetzung, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 29.Januar 1976 43. Polen und Deutschland, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 14.Mai 1976 44. Ein alter Bekannter in Ibbenbüren: Pater Josef Babu, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 27.Mai 1976. 45. Eindrücke einer Polen-Reise: Nach den Verträgen, in: Die Entscheidung, Juli 1976 46. Ein Versuch später Wiedergutmachung?, in: Kirche und Leben, 3.Oktober 1976 47. Friedensnobelpreis: Es gibt würdigere Kandidaten, in: Die Entscheidung, Oktober 1976 48. Kooperation statt/oder Konfrontation heißt das Gebot der Stunde, in: Die Entscheidung, Oktober 1976. 49. Japan ist noch immer ein fremdes Land, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 8.November 1976 50. Oberstufenreform, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 22.November 1976 51. Die Welt gehört allen Menschen, in: Kontinente, Dezember 1976 52. Christen und Juden – den Dialog verstärken, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 11.12.1976 53. Kirche und Arbeiterschaft, in: Kirche und Leben, 12.Dezember 1976 54. Die Aufgaben kirchlicher Soziallehre. Fragen an Oswald von Nell-Breuning, in: Kirche und Leben, 19.Dezember 1976 55. Pater Beda dankt für Spenden, in: Der Tecklenburger, 20. Dezember 1976 56. Pater Beda: Geld geht direkt nach Brasilien, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 20.12.1976 57. „Wir brauchen eine Reform der Reform“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 21.Januar 1977 58. Interview mit dem Pianisten Jozef Serafin, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 25.Januar 1977 59. Jugendsekten nicht leichtfertig abtun, in: Der Tecklenburger, 27.Januar 1977 60. Ernste Warnung vor falschen Propheten, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 27.Januar 1977 61. Atomenergie ja oder nein – eine moralische Frage, in: Die Entscheidung, Januar 1977 62. Zugzwang in der Entwicklungshilfe, in: Die Entscheidung, Januar 1977 63. Nur Geld und damit basta?, in: Kontinente, Februar 1977 64. Eindrucksvoller Glaube, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 7.Februar 1977 65. Was sagen Sie dazu?, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 7.Februar 1977 66. Lepra-Pokal ging diesmal wieder an die Sheriffs, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 15.Februar 1977 67. Kooperative Schule: Etikettenschwindel, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 15.Februar 1977 68. Gastarbeiterkinder: praktisch nirgendwo zu Hause, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 19.Februar 1977 69. Rekord: 5000 Waggons mit Altkleidern gefüllt, in: Der Tecklenburger, 26.Februar 1977

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  70. Nulltarif für Pater Beda, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 26.Februar 1977   71. Interview mit NRW-Kultusminister Girgensohn: Parlamente müssen über Koop-Schule entscheiden, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 17.März 1977   72. Die Bundeswehr kein kriegslüsterner Haufen, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 21.03.1977   73. Satire auf eine Hymne, in: Weltbild, 28.März 1977   74. Mißtrauen gegen Kernenergie große Chance für Ibbenbüren, in: Der Tecklenburger, 28.März 1977.   75. Recht auf Arbeit, in: Die Entscheidung, März 1977   76. 30 Jahre Ahlener Programm, in: Die Entscheidung, März 1977   77. Chance für Ibbenbüren, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.März 1977  78. Die Landeselternschaft zum Thema Koop-Schule, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.März 1977.   79. Pater Beda: Unsere Hilfe schafft Hoffnung, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.April 1977   80. CDU und die Dritte Welt, in: Die Entscheidung, April 1977   81. Auf der Suche nach einem neuen Lebensstil, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 7.Mai 1977   82. Feuerwerk zum Aaseefest, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 19.Mai 1977   83. Alten Langemeyer aus neuem Haus, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 19.Mai 1977   84. Bremer Stadtmusikanten begeisterten, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 21.Mai 1977   85. CDU diskutiert Grundsätzliches, in: Deutsches Monatsblatt, 25.Jahrgang, Nr. 5, Mai 1977   86. ZDF bricht eine Lanze für Ibbenbüren, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 19.Mai 1977   87. Produkte aus der Dritten Welt, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 23.Mai 1977   88. Wasser erst 17 Grad, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 24.Mai 1977   89. Was sagen Sie dazu?, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 25.Mai 1977   90. Bulgarische Nationalmannschaft zu Gast, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 26.Mai 1977   91. Mit dem Straßenverkehr fertig werden, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 26.Mai 1977   92. Fußballfreundschaft mit Emsdetten, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 27.Mai 1977   93. Terre des Hommes, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 27.Mai 1977   94. Satire auf die Hymne, in: Publik-Forum, 28.Mai 1977   95. Spätaussiedler, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.Mai 1977   96. Was sagen Sie dazu?, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.Mai 1977  97. Interview: Heinz Steingröver, Terre des Hommes-Bundesvorsitzender in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.Mai 1977   98. So sollte es nicht sein!, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.Mai 1977   99. Sie gratulieren „ihrem Hausmeister“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 1.Juni 1977 100. Der Wald ist wieder sauber, in: Ibbenbürener Volkszeitung,1.Juni 1977 101. Kitzengeburt in Laggenbeck, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 2.Juni 1977 102. „Schluß mit dem Gehampel“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 3.Juni 1977 103. Von Pakistan nach Ibbenbüren, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 3.Juni 1977 104. Ausstellung Blickpunkt, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 4.Juni 1977 105. Ibbenbüren rückt in den Blickpunkt, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 6.Juni 1977 106. Ibbenbürener Politiker gingen in die Luft, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 6.Juni 1977 107. Pontifikalamt unter freiem Himmel, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 6.Juni 1977 108. Abwanderungssog Jugendlicher, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 6.Juni 1977 109. Minister Fahrtmann in Ibbenbüren, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 7.Juni 1977 110. Lepra-Hilfe – Basar in Ibbenbüren, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 7.Juni 1977

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111. Arbeitsamt mit Tag der offenen Tür, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 7.Juni 1977 112. Markt-Kauf-Lotterie, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 8.Juni 1977 113. Selbstkontrolle der Bäcker-Innung, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 8.Juni 1977 114. Verkehrspolizei – Haarschneide-Handwerk, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 8.Juni 1977 115. Bundesgrenzschutz-Konzert: Schulkinder-Ausflug, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 9.Juni 1977. 116. Blickpunkt Ibbenbüren: Bisher gut zufrieden, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 9.Juni 1977 117. Ausstellung Blickpunkt – Festwirt, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 9.Juni 1977 118. Tag der Landfrauen, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 9.Juni 1977 119. Mehr Menschlichkeit und Lebensqualität, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 11.Juni 1977 120. Über 4000 Mark für Leprahilfe, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 11.Juni 1977 121. Städtische Realschule, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 11.Juni 1977 122. Mädchen für alles, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 13.Juni 1977 123. Die halbe Stadt war auf den Beinen, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 13.Juni 1977 124. Von den Westfalen in der wissenschaftlichen Welt, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 13.Juni 1977. 125. Gibt es was Besseres?, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 14.Juni 1977 126. 200.000 Besucher, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 14.Juni 1977 127. Landschaftsbeirat, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 16.Juni 1977 128. Bahnhof Aasee, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 17.Juni 1977 129. Bundesverdienstkreuz, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 17.Juni 1977 130. Zur Lage der Berufsschulen im Kreis Steinfurt, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 17.6.1977 131. Abiturfeier: „Gegen den Strom schwimmen“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 20.Juni 1977 132. Theatergruppe aus Recke, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 21.Juni 1977 133. Theatergruppe im Bürgerhaus, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 23.Juni 1977 134. Für drei Monate nach Tansania, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 25.Juni 1977 135. Zu Ehren der deutschen Gäste, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 20.Juli 1977 136. Schon vier Kinder gestorben, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 03.August 1977 137. Schulbau in Tansania, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 27.August 1977 138. Leadership Code in Tanzania, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 10.September 1977 139. Notizen aus Tansania, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 24.September 1977 140. Fortschritt auf der Basis der Tradition, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 30.September 1977 141. Gemeinschaft ohne Rassenschranken, in: Katholische Korrespondenz, 29.November 1977 142. Am Fuße des Kilimanjaro, in: Mission aktuell, März/April 1978, Seite 12 f. 143. Massenmedien und Nord-Süd-Konflikt, in: Die Feder, Juni 1978 144. Brauchen wir eine „Grüne Partei“?, in: Die Entscheidung, Mai 1978, Seite 30 145. Tansania: Auf dem Weg in eine bessere Zukunft, in: Die Entscheidung, Mai 1978, Seite 31 f. 146. Deutsche Entwicklungsprojekte in Tansania, in: Bayerischer Rundfunk, 10.Januar 1978 147. Teufelskreis des Elends durchbrechen, in: Westfälische Nachrichten, 7.Januar 1978 148. Tanzania: ein neuer Weg, in: Christ in der Gegenwart, 29.Januar 1978 149. Dr. Mallya verdient Anerkennung, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 14.Februar 1978; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 7, 1.März 1978. 150. „Nicht auf die Universität gehen“, in: Forum Umweltschutz. Eine Beilage der Deutschen Journalistenschule München, 16.Lehrredaktion, 1978, Seite 2

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151. Carl Amery für neuen Lebensstil, in: Der Schrittmacher. Übungszeitung der 16.Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule München, 15. Februar 1978 152. Entwicklungshilfe: „Es geht um das Recht auf Leben“, in: Das Übungsei, herausgegeben von der 16. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule München, 20. Dezember 1977 153. Rücktritt oder nicht?, in: Der Münchner. Übungszeitung der 16.Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule München, 11.Januar 1978 154. Wahlkampf spitzt sich zu. Grundsatzstreit in München, in: Info-Satyr, herausgegeben von der 16.Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule München, 1.Februar 1978 155. Interview zu: Christliche Soziallehre konkret, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 27.Juni 1978 156. Dritte Welt in Szene und Spiel, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 17.März 1978 157. Entwicklung eines neuen Lebensstils, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 2.Mai 1978 158. Direktinvestitionen in der Dritten Welt, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 1.August 1978 159. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 7.Juli 1978, S. 2 160. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 14.Juli 1978, S. 2 161. Keine Uni nach dem Abi, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 14.Juli 1978, Seite 5 162. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 21.Juli 1978, S. 2 163. Mut und langer Atem, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 21.Juli 1978, Seite 5; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 27, 25.Juli 1978; auf Englisch als: Development volunteers find coming home hardest, in: The German Tribune, 06.08.1978. 164. Rückkehrer aus der Dritten Welt, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 01.08.1978 165. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 1.August 1978, Seite 2 166. Kaffeeanbau in Tansania: Lohn der armen Leute, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 28.Juli 1978, Seite 15; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 28, 1.August 1978. 167. Die gutwilligen Helfer, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 28.Juli 1978, Seite 12 168. Menschenrechte: Der Grundfreiheit eine Gasse schlagen, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 28.Juli 1978, Seite 3; auf Französisch als: Le verdict de Strassbourg, in: La Tribune d’Allemagne, 20.August 1978; auf Englisch als: Human Rights Court gives judgement on two issues, in: The German Tribune, 20.August 1978 169. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 32, 4.August 1978, Seite 2. 170. Die Spontis spinnen ihre Netze, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 32, 4.August 1978, Seite 10. 171. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Welle/Christ und Welt, Nr. 33, 11.August 1978, Seite 2. 172. Weltwirtschaft: Produzenten wandern aus, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 33, 11.August 1978, Seite 19; teilweise Nachdruck in: Thema Politik (Schulbuch), Stuttgart, Verlag Klett 1981. 173. Entwicklungshilfe: Lauter goldene Betten?, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 33, 11.August 1978, Seite 4; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-

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arbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 30, 15.August 1978; auf Französisch als: Mauvais usage de l’aide au tiers-monde?, in: La Tribune d’Allemagne, No. 762, 27.August 1978 174. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 34, 18.August 1978, Seite 2 175. Besuch aus der neuen Welt, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 34, 18.August 1978, Seite 12. 176. Junge „Dichter“ Nachwuchsseminar, in: Rhein-Sieg-Rundschau, 29.August 1978 177. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 35, 25. August 1978, Seite 2 178. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 36, 1.September 1978, Seite 2 179. Entwicklungshilfe: Neue Gefahr durch den Dirigismus, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 36, 1.September 1978, Seite 14 180. Interparlamentarische Union: Jetzt gipfeln auch die Volksvertreter, in: Deutsche Zeitung/ Christ und Welt, Nr. 36, 1.September 1978, Seite 4; Nachdruck in: Deutschland-Echo. Informationsdienst für Schiffsbesatzungen, 7.Jahrgang, Nr. 175, 14.September 1978, Seite 1 181. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 8.September 1978, Seite 2. 182. Städtepartnerschaften: Tummelplatz für reisende Vereinsmeier, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 37, 8. September 1978, Seite 8 183. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 15.September 1978, Seite 2. 184. Binnenschiffahrt: Auf dem Fluss, da liegt die kleine Freiheit, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 38, 22.September 1978, Seite 8 185. Zur Tätigkeit des Ausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit des Bundestages, in: Deutsche Welle, Aus Politik und Zeitgeschehen, 28.Mai 1979 186. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 22.September 1978,Seite 2. 187. Chronik – Nachrichtenüberblick, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 29.September 1978,Seite 2. 188. Dritte Welt Läden, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 24.Oktober 1978 189. Interview mit dem RCDS-Vorsitzenden Heckelmann, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 24.Oktober 1978 190. Gesundheitswesen in Tansania: Kennzeichen Ärztemangel, in: Deutsches Ärzteblatt, Nr. 39, 28.September 1978, Seite 2226 f. 191. Report: Die alten Klagen der jungen Abgeordneten, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 41, 28.September 1978, Seite 8 192. Entwicklungshilfe: Durch neues Förderungskonzept aus der Sackgasse, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, 19.Jahrgang, September/Oktober 1978, Seite 37 193. Interview mit Bundespräsident Walter Scheel, in: Deutsche Welle, 10.Oktober 1978 194. Indische Handelsmesse eröffnet, in: Deutsche Welle, 11.Oktober 1978 195. Interview mit dem Sprachwissenschaftler Patzold, in: Deutsche Welle, 12.Oktober 1978 196. Internationale Messe Kind und Jugend, in: Deutsche Welle, 13.Oktober 1978 197. Die Chaggas in Tansania, in: Norddeutscher Rundfunk, 15.Oktober 1978

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198. Rassekatzensalon in Köln, in: Deutsche Welle, 16.Oktober 1978 199. 199. Bundeswehr-Sprachhochschule, in: Deutsche Welle, 18.Oktober 1978 200. Ein Laden, der betroffen macht, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 20.Oktober 1978 201. Fachtagung Gesellschaft für Reaktorsicherheit, in: Deutsche Welle, 20.Oktober 1978 202. Interview mit dem Erziehungswissenschaftler Konrad Hartong, in: Deutsche Welle, 23.Oktober 1978 203. Orgatechnik 1978 eröffnet, in: Deutsche Welle, 24.Oktober 1978 204. Interview mit dem Puppenschnitzer de Kock, in: Deutsche Welle, 30.Oktober 1978 205. Studenten aus der Dritten Welt, in: Bayerischer Rundfunk, 30.Oktober 1978 206. Wettbewerbssitten im Einzelhandel, in: Deutsche Welle, 07.November 1978 207. Rohstofflagerung in der Bundesrepublik, in: Deutsche Welle, 21.November 1978 208. Suche nach neuen Entwicklungshelfern, in: Deutsche Welle, 23.November 1978 209. Schulbuchkonferenz: Die Stellung der Frau im Unterricht, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 8.Dezember 1978; auf Englisch in: German Tribune, Nr. 890, 24.Dezember 1978, Seite 13. 210. Interview mit OB van Nes Ziegler, Köln, in: Deutsche Welle, 15.November 1978 211. Redaktion und Moderation: Presseschau, in: Deutsche Welle, 9.November 1978 212. Redaktion und Moderation: Presseschau, in: Deutsche Welle, 10.November 1978 213. Redaktion und Moderation: Presseschau, in: Deutsche Welle, 11.November 1978 214. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 20.11.1978 215. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 21.11.1978 216. Interview mit AGEH-Geschäftsführer Manderfeld, in: Bayerischer Rundfunk (Das Notizbuch), 28.November 1978 217. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 23.11.1978 218. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 24.11.1978 219. Redaktion und Moderation Presseschau, in: Deutsche Welle, 27.November 1978 220. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 1.Dezember 1978 221. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 4.Dezember 1978 222. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 6.Dezember 1978 223. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 7.Dezember 1978 224. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 8.Dezember 1978 225. Ausbruch aus dem Seelengefängnis, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 08.12.1978 226. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 11.Dezember 1978 227. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 12.12.1978 228. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 13.Dezember 1978 229. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 14.Dezember 1978 230. Interview zum Börsenmarkt, in: Deutsche Welle, 14.Dezember 1978 231. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 15.Dezember 1978 232. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 19.Dezember 1978 233. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 20.Dezember 1978 234. Redaktion und Moderation „Das Echo des Tages“, in: Deutsche Welle, 21.Dezember 1978 235. Die Dorfgemeinschaft als Lebensform. Tansanias Afrikanischer Sozialismus, in: Deutsche Welle, 3.Februar 1979 236. Angepaßte Ausbildung oder Ausbildung von Angepaßten?, in: Deutsche Welle, 09.03.1979

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237. Die Zukunft Karachis, in: Materndienst des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, (BMZ- Materndienst), Nr. 3/1979 238. Bombays Habenichtse formieren sich, in: BMZ-Materndienst, Nr. 5/1979 239. Lebensunterhalt für Millionen, in: BMZ-Materndienst, Nr. 5/1979 240. Ländliche Entwicklung in Pakistan, in: BMZ-Materndienst, Nr. 4/1979 241. Erfolg im Kampf gegen die Lepra, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 27.Januar 1979 242. Mit dem Koran ins Jahr 2000? (mit Andreas Schüler), in: Ibbenbürener Volkszeitung, 9.Februar 1979; in: Neue Ruhr Zeitung, Essen, 30.April 1979; in: Die Entscheidung, März 1979, Seite 29 f.; und in: Argentinisches Tageblatt, 9.Februar 1979. 243. Ein Glas Milch und drei Scheiben Brot, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 1.März 1979 244. Schlafen in der Telefonzelle: In den Slums von Bombay, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 2.März 1979. 245. Ceylon: Erwachen im Geist der Lotusblüte, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 23.April 1979 246. Beobachtungen in Indien, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 28.April 1979 247. Reisebericht aus Ceylon, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 29.April 1979 248. Eine Woche in Burma, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 1.Juni 1979 249. Streiflichter aus Indien, in: Ibbenbürener Volkszeitung, 1.Juni 1979 250. Wohlstandsdeserteure?, Interview Dr. Usman Malik, in: Kontinente, Juni 1979, Seite 8 f. 251. Indien: Die Macht schweißt zusammen, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 23.3.1979 252. Die Tamilen fordern einen eigenen Staat, in: General-Anzeiger, Bonn, 20.April 1979 (mit Andreas Schüler), Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, 17/79, 24.April 1979. 253. Die Großfamilie wird großgeschrieben, in: BMZ-Materndienst, Nr. 12/1978 254. Slumbewohner in Bombay: Ein Zug der Lemminge (mit Andreas Schüler), in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 9.März 1979; Nachdruck als: Menschen nur Stücke Dreck, in: Welt der Arbeit, 29.März 1979 und in: Deswos-Brief (Dt.Entwicklungshilfe für sozialen Wohnungsbau), Nr. 11/12 1979, Seite 5 f. 255. Kirchliche Entwicklungsarbeit in Bangladesh, in: Bayerischer Rundfunk, Das Notizbuch, 12.Juni 1979. 256. Südindien: Die verschlungenen Hände, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 4.Mai 1979 257. Das Fernsehen als Entwicklungshelfer (mit Andreas Schüler), in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Juni 1979, Seite 24; auf Englisch als: Television as tool of development, in: Development + Cooperation, Nr. 5–1979, Seite 19 f.; und als TV Indien: Die Schule der Nation, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 48, 23.November 1979, Seite 20 258. Landwirtschaft in Sri Lanka, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Juni 1979, Seite 19 259. Interview mit Sri Lankas Landwirtschaftsminister, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Juni 1979, Seite 20 260. Counterpart-System bewährt, in: Auslandskurier, 27.April 1979, Seite 33 261. Rural development in Pakistan (mit Andreas Schüler), in: Development + Cooperation, 3/1979, Seite 25 f.; auf Deutsch als: Ländliche Entwicklung in Pakistan, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Nr. 7–8/1979, Seite 17 f. 262. Gelungene Leprabekämpfung in Pakistan, in: Bayerischer Rundfunk, 16.Februar 1979 263. Zur Lage in Pakistan, in: Deutsche Welle, 5.Februar 1979 264. Landarbeiter in Indien: Gleichberechtigung kein Thema (mit Andreas Schüler), in: Neue Ruhr Zeitung, 09.Mai 1979

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265. Induskultur in Moenjodaro, in: Norddeutscher Rundfunk, 20.Mai 1979 266. Reis, von der Sonne gekocht, in: BMZ-Materndienst, 23.Juli 1979 267. Falsche Freunde: Der Trick war zu clever, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 27.April 1979 268. Go – der 4000jährige Krieg, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 10.August 1979 269. Yuvak Vikas Sanstha – Jugendarbeit in Indien, in: Die Entscheidung, April 1979, Seite 20 f. 270. Lepra und soziales Umfeld: Interview mit Lepraärzten in Indien, in: heilen + helfen, Nr. 42/1979 und in: Völker im Aufbruch, Nr. IV/1979; als: Für immer verbannt?, in: Kontinente, Februar 1980, Seite 9 f. 271. Jamaika: Die armen Deutschen von Seaford Town, in: General-Anzeiger (Bonn), 4.September 1979, Seite 3 272. Der Schlangendoktor von Kerala, in: Norddeutscher Rundfunk, 9.September 1979 273. Bangladesh: Ausbilden – aber im Lande halten, in: BMZ-Materndienst, Juli 1979 274. Poona: Was zählt, ist nur das eigene Heil, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 4.Mai 1979, Seite 32. 275. Pakistan – Versuch der Reislamisierung (mit Andreas Schüler), in: Bayerischer Rundfunk, Das Notizbuch, 13.Februar 1979 und in: Deutsche Welle, 21.Juli 1979 276. Indische Kleinbetriebe: Lebensunterhalt für 50 Mio., in: BMZ-Materndienst, Nr. 7/Juli 1979. 277. Indien: Desai scheiterte am Neid der Rivalen, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 30, 20.Juli 1979, Seite 6 278. Kinderarbeit in Asien: Mit zehn, da fällt man schon Bäume, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 31, 27.Juli 1979, Seite 24 279. Go-Europameisterschaften, in: Deutsche Welle, 6.August 1979 280. DEG meldet Rekordsumme, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, September 1979, Seite 21 281. DEG at work in Africa, in: Afrika. Review of German-African Relations, Vol. XX, Nr. 9/1979, Seite 16; und auf Französisch als:L’Afrique constitute l’axe d’effort de la DEG, in: Afrika. Revue des relations afro-allemandes, Vol. XX, No. 9/1979, Seite 16 282. Indien: Raj Narain – Der Clown vom Ganges macht Regierungschefs, in: Deutsche Zeitung/ Christ und Welt, Nr. 37, 7.September 1979, Seite 16 283. Information für Entwicklungsplaner: Das Marga-Institut, Colombo, in: BMZ-Materndienst, Nr. 9/1979 284. Armut in den indischen Dörfern, in: Bayerischer Rundfunk, Familienfunk, 18.09.1979 285. Zur Lage in Bangladesh, in: Flaschenpost, Evangelische Gemeinde Lotte, Nr. 14, September 1979 286. Ausländerkinder: Mitbürger aus Izmir, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 40, 28.September 1979, Seite 4 287. Indien – das Land der 500.000 Dörfer, in: Deutsche Welle, 13.Oktober 1979 288. Das Abkommen von Lomé, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Nr. 10/1979 289. Entwicklungspolitisches Seminar in Jamaika: Begegnung in der Karibik, in: BMZ-Materndienst, Nr. 10/1979 290. L’artisanat au Sahel, in: Afrika, Nr. 10/1979, Seite 14 f., auf Englisch: Handicrafts in the Sahel, in: Afrika, Nr. 10/1979, Seite 6 f. 291. Water – development – life, in: Afrika. Nr. 10/1979, Seite 13; auf Französisch als: L’eau le développement – la vie, in: Afrika, Nr. 10/1979, Seite 13.

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292. Weg vom Öl – Chance für den Bergbau: Zechenfahrt auf Sohle 12, in: Deutsche Zeitung/ Christ und Welt, Nr. 46, 9.November 1979, Seite 8 293. Nepal: Revolutionäre Spiele am Himalaya, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 22.Juni 1979; und als Kathmandu erwacht. Nepal möchte mehr Demokratie, in: Weltwoche (Zürich), Nr. 26, 27.Juni 1979 294. Blinder Eifer schadet nur (mit Andreas Schüler), in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 24, 8.Juni 1979, Seite 25; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 24/79, 11.06.1979 295. Bangladesh: Die Lobby der Landlosen, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 31.8.1979 296. Tagung europäischer Afrikapolitik, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, 11/1979, Seite 29 297. Familienplanung in Kerala, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 47, 16.November 1979, Seite 25. 298. Conference sur la politique Européenne envers l’Afrique, in: Afrika, Nr. 11/1979; auf Englisch als: Conference on European Africa Policy, in: Afrika, Nr. 11/1979 299. Weihnachtsbotschaft und Dritte Welt, in: Pfarrbrief St.Ludgerus, Waltrop, Advent/Weihnachten 1979, Seite 3 f. 300. Internationale Begegnung in Jamaika, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, 12/1979, S. 19 301. Burma: Kamerad Win führt bergab (mit Andreas Schüler), in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 7.September 1979, Seite 24 302. Alexander-von-Humboldt-Stiftung: Partnership cooperation in the scientific sector, in: Afrika, Nr. 12/1979, Seite 26 f.; auf Französisch als: La Fondation Alexander von Humboldt. La coopération en partnership dans le domaine scientifique, in: Afrika, Nr. 12/1979, Seite 26 f. 303. „Für die Armen, denen wir dienen“: Friedensnobelpreis für Mutter Teresa, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 44, 26.Oktober 1979, Seite 20 304. Leprahilfe: Eine Insel im Ozean von Leid und Elend, in: Deutsche Zeitung, Nr. 15, 6.April 1979. 305. Leprabekämpfung in Pakistan: Von der Hilfe zur Selbsthilfe (mit Andreas Schüler), in: Deutsches Ärzteblatt, Nr. 13, 29.März 1979, Seite 897 f. 306. Auf der langen Bank: Ausländerkinder, in: Kontinente, 14.Jahrgang, Nr. 6/12–1979 307. Jamaika: Die Sklaven sind stolz geworden, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 39, 21.September 1979, Seite 16; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 40/79, 01.10.1979 308. Auch die Länder zahlen Entwicklungshilfe, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 14.Dezember 1979 309. Bangladesh: Im Armenhaus der Welt, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 25.Mai 1979 310. Zur deutschen Afrikapolitik: Interview mit AA-Beamten Müller, in: Deutsche Welle, 17.September 1979 311. Landtechnische Ausbildungs- und Beratungszentrale Anuradhapura (Sri Lanka) (mit Andreas Schüler), Projektbericht für die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, 2.August 1979 312. Gandaki Agricultural Development Project (Nepal) (mit Andreas Schüler), Projektbericht für die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, 2.August 1979

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313. Savar Rinderzuchtfarm (Bangladesh) (mit Andreas Schüler), Projektbericht für die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, 02.08.1979 314. Gewerbeschule Mirpur (Bangladesh) (mit Andreas Schüler), Projektbericht für die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, 02.08.1979 315. Ceylonesisch-deutsches technisches Ausbildungszentrum Moratuwa (mit Andreas Schüler), Projektbericht für die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, 2.August 1979 316. Integriertes Programm ländlicher Entwicklung (Pakistan) (mit Andreas Schüler), Projektbericht für die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, 2.August 1979. 317. Apprenticeship Training Center Lahore (Pakistan) (mit Andreas Schüler), Projektbericht für die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, 2.August1979 318. Junge Union baut Beziehungen zu Ägypten aus: Interview mit dem Bundesvorsitzenden Matthias Wissmann, in: Bayerischer Rundfunk, 15.Januar 1980 319. Vereinsschule in Jogiwala (mit Andreas Schüler), in: Indischer Schulverein/Vereinsnachrichten, Nr. 2/1 1980 320. Lepraarbeit in einem indischen Dorf, in: Miteinander, Nr. 1/1980, Seite 4–8 321. Indien: Comeback der alten Primadonna, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 2, 11.Januar 1980 322. Pakistan: Haß auf Islamabad, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 4, 25.01.1980 323. Indianer in Paraguay, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, 2/1980, Seite 21 324. Arabisch-deutscher Gesprächskreis: Neue Wege zwischen alten Nachbarn, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, 2/1980, Seite 11 325. Hoffnung für die Bauern in Sri Lanka, in: BMZ-Materndienst, Nr. 2/1980 326. „Viel reicher geworden“: Zehn Jahre Lepraengagement in Madras, in: Contacts, Nr. 1/1980, Seite 10 f. 327. Jamaika: Kubas Einfluß auf der Insel, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 10, 7.Mai 1980, Seite 6 328. Manikpur in Indien: Die Allroundstraße für jedermann, in: Norddeutscher Rundfunk, 9.März 1980. 329. La coopération entre le Soudan and FRG, in: Afrika, Nr. 2–3/1980; Seite 32; auf Englisch als: Cooperation between Sudan and the Federal Republic of Germany, in: Afrika, Nr. 2–3/1980, Seite 32. 330. Bahnhof!, in: Bistro, Zeitung des AStA der Universität Bonn, Mai 1980, Seite 4 f. 331. Flüchtlinge: Die neuen Leiden der Vietnamesen, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 23, 6.Juni 1980, Seite 5 332. Katholikentag in Berlin: Gesang vom Ufer der Armen, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 24, 13.Juni 1980, Seite 23 333. Liens avec Afrique, in: Afrika, Nr. 6/1980; Seite 3; auf Englisch als: Links with Africa, in: Afrika, Nr. 6/1980, Seite 3 334. A taste of India, in: My World (Caritasverband Köln), April 1980

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335. Ägypten: Berufsschulausbildung in Kooperation mit Deutschland, in: BMZ-Materndienst, Nr. 6/1980 336. Im Kibbuz sind noch Zimmer frei, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 22, 30.Mai 1980. 337. Indien: Tagelöhner in Kerala, in: Norddeutscher Runkfunk, 20.Juli 1980; und als: Indien: ein Tag im Leben der Tagelöhnerfamilie des Antony, in: Soziale Ordnung, 34.Jahrgang, August 1981, Seite 4 ff. 338. Menschlicher Treibsand aus dem Ogaden, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 34, 22.August 1980, Seite 3 339. Kultur und Gesellschaft in Indien, in: Im Gespräch (Konrad Adenauer Stiftung), Nr. 3/1980, Seite 29 ff. 340. Lepraarbeit in Dehra Dun: Die Devise heißt „small is beautiful“, in: Miteinander, Nr. 3/1980, Seite 3 ff. 341. Iwan gefällt sich als Kolonialist, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 37,12. September 1980, Seite 8 342. Äthiopien unter Hammer und Sichel, in: Afrika-Post, Nr. 10/1980, Seite 300 343. Jamaika: Boden unter den Füßen, in: Kontinente, Nr. 5/Oktober 1980 344. La lutte d’Ethiopie contre l’analphabetisme, in: Afrika, Nr. 10/1980, Seite 18; auf Englisch als: Ethiopia’s campaign against illiteracy, in: Afrika, Nr. 10/1980, Seite 18 345. Was heißt Integration? (auf Deutsch und auf Vietnamesisch), in: nhip-cau/Die Brücke. Zeitung für vietnamesische Flüchtlinge in Deutschland, Ausgabe 4/1980, Seite 22 346. Suche nach dem besten Rezept: Entwicklungspolitik, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 29.Februar 1980, Seite 3 347. Das grosse Erwachen aus dem Elend: Sarvodaya-Bewegung auf Sri Lanka, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 29.Februar 1980, Seite 28 348. Nepal: Das Gelb der Götter siegte über das Blau der Parteien, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 23.Mai 1980 349. Tansania: Nyereres Staat ist korrumpiert, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 31.Oktober 1980 350. Sambia: Einem Helfer platzt der Kragen, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 31.Oktober 1980; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 44/80, 3.November 1980; auszugsweiser Nachdruck als: DED-Projekt in Sambia: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Sambia, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, 2/1981, Seite 15. 351. Indien: Das Ende von Westminster, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 45, 7.November 1980, Seite 8 352. Fünf Fremde schauen Prahlad zu, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 50, 12.Dezember 1980 353. Ladakh: Bewohnte Adlerhorste am Fels (mit Ulrich Guntram), in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 12.Dezember 1980, Seite 26 354. Rätsel um Obotes Kurs, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 51–52, 19.12.1980 355. Kibosho – sur la voie d’un avenir meilleur, in: Afrika, Nr. 12/1980, Seite 10 f.; auf Englisch als: Kibosho – a small village in Tanzania, in: Afrika, Nr. 12/1980, Seite 10 f.

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356. Kalkutta: Jeder Job ein großes Los, in: Kontinente, Februar 1981, Seite 12 357. Mit der Tansam-Eisenbahn durch Afrika: Wenn einer eine Reise tut, in: Afrika-Post, 28.Jahrgang, Nr. 2/1981, Seite 17 358. Katholikentag Berlin: Interview mit dem brasilianischen Bischof d’Souza, in: Bayerischer Rundfunk, 6.Juni 1980 359. Ägypten: Lösung der Bevölkerungsprobleme möglich?, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Juni 1980, Seite 22 360. Durch Gelobte Land nach Kairo: Die schmale Fährte des Friedens, in: Rheinischer Merkur/ Christ und Welt, Nr. 16, 18.April 1980, Seite 8 361. Simbabwe: International Ressources Conference, in: Afrika Recht + Wirtschaft, Nr. 4/1980, Seite 6 ff. 362. Die armen Weißen von Seaford Town, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. März 1981 363. Pazifismus-Debatte: Ich verweigere den Wehrdienst, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 7.März 1981; auszugsweiser Nachdruck in: Bernhard Sutor (Hrsg.), Politik. Ein Studienbuch, Paderborn1986 364. Truc schlägt Wurzeln in Westfalen, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 29.Mai 1981; nachgedruckt vom Vietnam-Büro e. V. Bonn; in: Der Pfeil. Deutsche Jugend des Ostens, 1/1983, Seite 12 f. und in: p17 – Illustrierte Monatszeitschrift für Junge Christen, 11.Jg., 3/1983, Seite 4 ff.; sowie auszugsweise nachgedruckt unter dem Namen Ellen Bruder als: Die Wunden heilen langsam, in: PZ (hrsg. Bundeszentrale für Politische Bildung, Nr. 27, 12/1981, Seite 19) 365. Simbabwe: Stunde der Wahrheit, in: Kontinente, Nr. 3/Juni 1981 366. Die Rückkehr in den Busch, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, 3.Juli 1981; Nachdruck in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Entwicklungspolitik. Spiegel der Presse, Nr. 24/81, Bonn 13.Juli 1981. 367. Möglichkeiten und Grenzen der Friedensbewegung: Viele Köche verderben den Brei, in: Maria vom guten Rat, Heft 1, Januar 1982, Seite18 f. 368. Integration beginnt erst; und auf Vietnamesisch als: Chi moi la buoc khoi dau, in: nhip-cau/ Die Brücke, 6/1981, Seite 6 f. 369. Missionswissenschaft: Berufen aber sind alle. Die Verengung der europäischen Kirche sprengen, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 1, 1.Januar 1982 370. Laos: Bischof ermordet?, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 7, 12.Februar 1982 371. Universitäre Zusammenarbeit Osnabrück-Yogyakarta, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Nr. 1/1982. 372. Verkündigung durch den Eisernen Vorhang, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 20, 14.Mai 1982. 373. Flüchtlingslager Bataan (Philippinen): Sprachkurs unter Tropenhimmel, in: Deutsche Welle, 13.November 1981. 374. Transmigration in Kalimantan, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Nr. 2/1982, Seite 13 ff. 375. Jugendprotest – Chance oder Irrweg?, in: Akut – Zeitung der Bonner Studentenschaft, Nr. 184, 5.Mai 1982, Seite 4 376. Falkland, Reagan und die Folgen, in: Akut – Zeitschrift der Bonner Studentenschaft, Nr. 185, 27.Mai 1982, Seite 5

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377. Indien und Deutschland: Partnerschaft, in: Meine Welt, Juni 1982, Seite 40 378. Singapur – Südostasiens heimlicher Riese, in: Der Pfeil, Nr. 3/III 1982, Seite 9 ff. 379. Wenn eine Rückkehr in die Heimat unmöglich wird, in: Flüchtlinge. Nachrichten vom Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Genf, Oktober 1982 380. Boat-people. Menschen auf der Flucht, in: Deutsche Jugend im Osten (Hrsg.): Flucht und Vertreibung weltweit, Bonn 1982, Seite 61 ff. 381. Indien: Harijans – Noch immer bessere Sklaven, in: Kontinente, 17.Jahrgang, Heft1/Februar 1982, Seite 16 f. 382. Menschen, Menschen und nochmals Menschen – Familienplanung in Bangladesh, in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, Bonn Oktober 1982, Seite 53 ff. 383. Bangladesh – Armenhaus der Welt wandelt sich, in: Entwicklung + Zusammenarbeit, Nr. 2/1983, Seite 12 f.; auf Englisch als: Bangladesh – the poorhouse of the world is changing, in: Development + Cooperation, 2/1983, Seite 14 f. 384. Verminderung der Kindersterblichkeit (nur Fotos), in: Development + Cooperation, 2/1983, Seite 12 ff. 385. Soziales Denken erweitert, in: Kehret um und erneuert die Welt. Offizielle Illustrierte des Deutschen Katholikentages, September 1982, Seite 61 ff. 386. Muktapur ist Bangladesh durchs Brennglas. Bericht über Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm in Bangladesh, in: gtz-Info, 2/1983, Seite 48 f.

Dokumentar- und Fernsehfilme   1. Schulfilm: Prahlad – ein Junge in Indien, in: Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht/Tellux-Film, München 1980.   2. Dokumentarfilm: Muktapur (Bangladesh) im Wandel, in: Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 20.November 1983.   3. Dokumentarfilm: Der Glaube wächst im Land der Morgenstille, in: Missio.Internationales Missionswerk/Tellux-Film, München 1983.   4. Dokumentarfilm: 2021 – Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Folge 1: Schlange, Rad, Kreuz und Halbmond, in: Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 14.Oktober 1984.   5. Dokumentarfilm: 2021 – Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Folge 2: Ein Lied für die Freiheit, in: Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 21.Oktober 1984.   6. Dokumentarfilm: 2021 – Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Folge 5: Dein Platz ist hier, in: Westdeutsches Fernsehen (WDR 3), 11.November 1984.

Mitübersetzer  1. Shogun. Kunstschätze und Lebensstil eines japanischen Fürsten der Shogun-Zeit (Haus der Kunst München), Tokyo: The Shogun Age Exhibition Executive Committee, 1984, 282 Seiten.

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Wissenschaftliche Aufsätze und Essays  1. Östliches Afrika – eine Region im Umbruch, in: Aussenpolitik, 32.Jg., Nr. 3/1981, Seite 186 ff.; auf Englisch als: Eastern Africa – a region in ferment, in: Aussenpolitik.German Foreign Affairs Review, Vol.32, No.2/1981, Seite 187 ff.   2. Flüchtlingsproblematik in Südostasien, in: Die Entscheidung, 12/1981; und in: ZAR – Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, Nr. 2–3/1981, Seite 123 ff.; als: Sie brauchen noch immer Hilfe, in: Weltwoche (Zürich), Nr. 53, 30.Dezember 1981, Seite 5 und in: Deutsche Welle, Sendetermin 13.November 1981; und auszugsweise als: Asiens Strandgut. Flüchtlingsproblematik in Südasien, in: Die Entscheidung, 27.Jahrgang, Nr. 200/1982, Seite 69 ff.  3. Protest im Staat als Engagement für den Staat, in: Matthias Wissmann (Hrsg.): Einsteigen statt Aussteigen, Stuttgart, 1983, Seite 163 ff.   4. Root causes of refugee movement in contemporary history, in: The Journal of International Studies, Tokyo, Nr. 13, Juli 1984, Seite 23 ff.  5. Herausforderung des Westens. Droht die Entpersönlichung der Menschenrechte?, in: Die politische Meinung, 31.Jg., Heft 228, Sept./Okt. 1986, Seite 54 ff.  6. Die konservative Revolution. Geistesgeschichtliche Anmerkungen zu Japan, in: Verfassung und Recht in Übersee, 19.Jg., 3/1986, Seite 295 ff.  7. Menschenrechte, politisches Denken und politische Systeme, in: Europäische Grundrechtezeitschrift, 13.Jg., Heft 23, 16.12.1986, Seite 665 ff. und in: Ulrich Klug/Martin Kriele (Hrsg.), Menschen- und Bürgerrechte. Vorträge aus der Tagung der deutschen Sektion der internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie in der Bundesrepublik Deutschland vom 9.–12.Oktober 1986 in Köln, Stuttgart, 1988, Seite 69 ff.   8. The impact of the technological age on the young generation in Third World countries, in: Indian Missiological Review, Vol.8, No.4, Oktober 1986, Seite 271 ff.  9. „Wissenschaft für die Demokratie“. Zum 65.Geburtstag des Bonner Zeithistorikers Karl Dietrich Bracher, in: Zeitschrift für Politik, 34.Jg., Heft 2/1987, Seite 107 ff.; überarbeitet und erweitert als: Erinnerung als Fundament. Karl Dietrich Bracher – der öffentliche Gelehrte der deutschen Demokratie, in: Tilman Mayer/Volker Kronenberg (Hrsg.), Streitbar für die Demokratie, Bonn 2009, Seite 35 ff.; ergänzend dazu: Interview: Karl Dietrich Bracher und die Bonner politikwissenschaftliche Schule, mit Ulrike Quadbeck, Bonn 7. Dezember 2005 (unveröffentlicht) 10. Möglichkeiten und Grenzen der Demokratie in der Dritten Welt, in: Fußnoten. Dankschrift für Karl Dietrich Bracher (unveröffentlichter Privatdruck), März 1987, 25 Seiten (Nachdruck in: Ludger Kühnhardt, Wege in die Demokratie, Jena/Erlangen 1992, Seite 131 ff.) 11. Menschenrechte in Afrika: eine unstete Diskussion, in: Afrika-Post. Magazin für Politik, Wirtschaft und Kultur Afrikas, 7/1987, Seite 8 f. 12. Universale Menschenrechte – Prioritäten und ihre Begründung, in: Informationen für die Truppe, 11/1987, Seite 36 ff. 13. Ideologiebildung in der Dritten Welt, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 35.Jahrgang., Nr. 4/1987, Seite 661 ff. (zugleich öffentliche Antrittsvorlesung an der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, 31.Januar 1987) 14. Diritti umani e democrazia, in: la nottola. Rivista quadrimestrale di Filosofia, Anno VI, 2–3/1987, Triest, Seite 33 ff.

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15. Menschenrechte und Demokratie, in: Grundlagen. Zeitschrift der Stiftung Forum für Bildung und Politik e. V., Nr. 24, Januar 1988, Seite 1 ff. 16. Menschenrechte und soziale Ordnung in asiatischen Kulturen, in: Im Gespräch, 1.Vierteljahr 1988, Seite 25 ff. 17. Das Weltflüchtlingsproblem als europäische Aufgabe, in: AWR-Bulletin. Vierteljahrsschrift für Flüchtlingsfragen, 25.Jg., Nr. 2–3/1987, Seite 128 ff. 18. Mythos der Revolution. Alexis de Tocqueville und die Deutung des demokratischen Zeitalters, in: Die politische Meinung, 32.Jg., Heft 237, März/April 1988, Seite 68 ff. 19. Staatsordnung und Macht in indischer Perspektive. Chanakya Kautilya als Klassiker der politischen Ideengeschichte, in: Historische Zeitschrift, Band 247 (1988), Seite 333 ff. 20. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.Dezember 1948, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49/88, 2.Dezember 1988, Seite 3 ff.; auszugsweise Nachdruck in: Geschichte und Geschehen, Schulbuch für Gymnasien, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1999 und in Joachim Rohlfes (Hrsg.), Historisch-politische Weltkunde Europa, Stuttgart 2001. 21. Menschenrechte in afrikanischer Tradition begründet?, in: Im Gespräch. 1.Vierteljahr 1989, Seite 22 ff. 22. Menschenrechte und Demokratie, in: AWR-Bulletin. Vierteljahresschrift für Flüchtlingsfragen, 27.Jg., Nr. 1/1989, Seite 11 ff. 23. Ist unser Menschenrechtskatalog ergänzungsbedürftig? Zum Problem der verschiedenen Kategorien von Grundrechten, in: Rudolf Uertz (Hrsg.), Menschenrechte in Ost und West, Studien zur politischen Bildung, Band 16, Mainz 1989, Seite 89 ff. 24. Germany and Central Europe. A new debate about an old theme, in: German Comments. Review of Politics and Culture, No.16, Okt.1989, Seite 24 ff. 25. Die Japaner und die Menschenrechte (auszugsweiser Nachdruck aus „Die Universalität der Menschenrechte“), in: Olzog Verlag (Hrsg.), Beobachter und Gestalter. Autoren in vier Jahrzehnten, München 1989, Seite 162 ff. 26. Europäischer Nachsommer. Kein Ende der Geschichte – Die neue Tagesordnung, in: Die Politische Meinung, 35.Jg., Heft 248, Januar/Februar 1990, Seite 53 ff. 27. Stellenwert und Maßstab des Christlichen in der Politik, in: Matthias Wissmann (Hrsg.), Deutsche Perspektiven. Unser Weg zum Jahr 2000, München 1990, Seite 202 ff.; Nachdruck in: CDU Intern. Zeitschrift des CDU Kreisverbandes Breisgau-Hochschwarzwald, Nr. 2/1994, Seite 7; Nr. 3/1994, Seite 3 f. 28. Indien auf dem Weg zu einer regionalen Führungsmacht?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 32/90, 3.8.1990, Seite 3 ff. 29. Kultur, Politik und die Menschenrechte, in: AI-Magazin (Amnesty International Bern), Nr. 9/ Sept. 1990, Seite 10 ff. 30. The coming revolution of attitudes. Changing mentalities in Eastern Europe, in: German Comments, 9.Jg., Nr. 21, Januar 1991, Seite 70 ff.; auf Deutsch als: Neue Geisteshaltung. Beim Wandel in Mittel- und Osteuropa muss auch die Mentalität „modernisiert“ werden, in: Die Politische Meinung, 36.Jg., Nr. 254, Januar 1991, Seite 82 ff.; auszugsweise als: Osteuropas Prozess der geistigen Modernisierung, in: Saarländischer Rundfunk, Fragen zur Zeit, 9. März 1991. 31. Menschenrechte als Bedingung des Friedens, in: Beiträge aus der evangelischen Militärseelsorge, 2/1990, Seite 39 ff.

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32. Föderalismus und Subsidiarität. Betrachtungen zu einer deutschen und europäischen Frage, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 45/91, 1. November 1991, Seite 37 ff.; auf Englisch als: Federalism and Subsidiarity-reflections on a German and European question, in: Konrad Adenauer Foundation (ed.), The example of federalism in the Federal Republic of Germany. A Reader, St. Augustin 1994, Seite 21 ff.; auf Tschechisch als: Federalismus a Subsidiarita. Uvahy o jedne nemecke a evropske otacze, in: Reinhard Stuth (Hrsg.), Region-Narod-Evropa, Prag 1998, Seite 7 ff. 33. Prioritäten der Freiheit. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag beendet einen langen Irrweg, in: Die Politische Meinung, 37. Jg., Nr. 266, Januar 1992, Seite 39 ff. 34. Der Nationalstaat und die Politikwissenschaft, in: Deutschland-Archiv. Zeitschrift für das vereinigte Deutschland, 25. Jg., Nr. 4/April 1992, Seite 358 ff. (zugleich öffentliche Antrittsvorlesung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 27. November 1991) 35. Mehr Einheit oder mehr Freiheit?, Föderalismus als Begriff und Wirklichkeit, in: Universitas. Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft, 47. Jg., Nr. 551, Mai 1992, Seite 458 ff.; und als: Föderalismus als Begriff und Wirklichkeit. Von der Vielfalt eines Ideals und seiner Darstellungsformen, in: Schweizer Monatshefte, 72. Jg., Heft 6/Juni 1992, Seite 489 ff. 36. Das Christliche in Deutschland. Der legitime Ort der Religion in der säkularisierten Politik, in: Hermann Boventer (Hrsg.), Thomas Morus Jahrbuch 1992, Düsseldorf 1993, Seite 133 ff. 37. Zum Demokratieproblem, in: Reinhard Göhner (Hrsg.), Die Gesellschaft für morgen, München 1993, Seite 125 ff. 38. Stichwort „Politik“, in: Georges Enderle/Karl Hohmann et al.(Hrsg.), Lexikon der Wirtschaftsethik, Freiburg 1993, Seite 824 ff. 39. Menschenrechte und Volksrechte, in: Karl Graf Ballestrem (Hrsg.), Naturrecht und Politik, Berlin 1993, Seite 147 ff. 40. Staatsphilosophie und Ideologiebildungsprozesse in den Nord-Süd-Beziehungen, in: Jürgen Schwarz (Hrsg.), Der politische Islam. Intentionen und Wirkungen, Paderborn 1993, Seite 37 ff. 41. European Courts and Human Rights, in: Douglas Greenberg et al. (eds.), Constitutionalism and Democracy. Transitions in the Contemporary World. The American Council of Learned Societies Comparative Constitutionalism Papers, New York/Oxford 1993, Seite 126 ff. 42. Zwei Transatlantiker. Bezüge und Beziehungen zwischen Alexis de Tocqueville und Franz Lieber, in: Peter Schäfer/Karl Schmitt (Hrsg.): Franz Lieber und die deutsch-amerikanischen Beziehungen im 19. Jahrhundert, Weimar/Köln/Wien 1993, Seite 135 ff.; erweitert als: Ein Deutsch-Amerikaner denkt Staat und Politik. Franz Liebers Platz in der Entwicklung der Politischen Wissenschaft, in: Wolfgang Jäger/Hans-Otto Mühleisen/Hans-Joachim Veen (Hrsg.), Republik und Dritte Welt. Festschrift für Dieter Oberndörfer zum 65.Geburtstag, Paderborn 1994, Seite 181 ff. 43. Menschenrechte weltweit, in: Eine neue Stadt entsteht – Europa bauen in der Einen Welt. 91.Deutscher Katholikentag 17.–21.Juni 1992 Karlsruhe, Dokumentation, herausgegeben vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Kevelaer 1993, Seite 180 ff. 44. Multi-German Germany, in: „Germany in Transition“. DAEDALUS. Journal of the American Academy of Arts and Sciences. Winter 1994, Vol. 123, Nr. 1, Seite 193 ff. Nachdruck in: Michael Mertes et al.(eds.), In Search of Germany, Brunswick/London 1996, Seite 211 ff. 45. Ost-Erweiterung Europas, in: Die politische Meinung, 39. Jg., Heft 290, Januar 1994, Seite 63 ff.

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46. Südafrikas künftige Agenda: Fragen an das Land auf dem Weg in die post-Apartheid-Ära, in: Michael Behrens/Robert von Rimscha (Hrsg.), Südafrika nach der Apartheid. Aspekte des politischen, sozioökonomischen und kulturellen Wandels in der Ära de Klerk, Baden-Baden 1994, Seite 23 ff. 47. De Bondsrepubliek Duitsland en de Europese Gemeenschap, in: Jan de Pierre/Dirk Rochtus (eds.): Zicht op Duitsland, Leuven-Apeldoorn 1994, Seite 49 ff. 48. Beyond the totalitarian threat. Participation, institutions and the limits of democracy,in: South Asia Survey, Vol.1, No.2/1994, Seite 287 ff.; gekürzt in: German Comments. Review of politics and culture, No. 34, April 1994, Seite 39 ff.; auf Polnisch als: Spojrzenie z Niemiec: Uczestnictwo w demokracji, jej instytutcje i jej ograniczenia, in: TRANSIT. Przeglad Europejski (Warschau), Nr. 3/1997, Seite 45 ff. 49. Der Osten des Westens und die „russische Frage“, in: Europa-Archiv. Zeitschrift für internationale Politik, 49. Jahr, Folge 9, 10. Mai 1994, Seite 239 ff. 50. Zum Geleit, in: Dieter Chenaux-Repond. Vom Kalten Krieg bis zum Fall der Mauer. Notizen eines Schweizer Diplomaten, München 1994, Seite 7 f. 51. Wertgrundlagen deutscher Außenpolitik, in: Karl Kaiser/Hanns W. Maull (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik. Band 1: Grundlagen, München 1994, Seite 99 ff.; auf Türkisch als: Alman dis politikasinin temel degerleri (Die Entwicklung des politischen Selbstverständnisses in Deutschland), in: Silahli Kuvvetler Dergisi (Ankara), Nr. 115/1996, Seite 13 ff. 52. Neues historisches Maß nehmen: Die deutsche Außenpolitik vor den Erfahrungen der europäischen Geschichte, in: Deutschland-Archiv. Zeitschrift für das wiedervereinigte Deutschland, 27.Jg., Nr. 10/Oktober 1994, Seite 1079 ff. 53. Menschenrechte, in: Günther Rüther (Hrsg.), Politik und Gesellschaft in Deutschland. Grundlagen, Zusammenhänge, Herausforderungen. Köln 1994. Seite 75 ff. 54. Ein Europa der politischen Kriterien, in: Die politische Meinung, 39.Jg., Heft 300,November 1994, Seite 19 ff.; auf Englisch als: A politically driven Europe. The European Union: visions of the future, in: German Comments, 12.Jg., Nr. 37, Januar 1995, S. 29 ff. 55. Menschenrechte, Minderheitenschutz und der Nationalstaat im KSZE-Prozeß, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 47/94, 25.November 1994, Seite 11 ff.; auf Englisch als: Human Rights, the Protection of Minorities, and the Nation State in the CSCE Process, in: Josef Thesing (ed.), The Rule of Law, Sankt Augustin 1997, Seite 212 ff.; auf Spanisch als: Derechos humanos, proteccion de las minorias y Estado nacional: la politica seguida por la Conferencia sobre Seguridad y Cooperacion en Europa, in: Josef Thesing (ed.), Estado de Derecho y Democracia, Buenos Aires/Sankt Augustin 1997, Seite 321 ff.; auszugweise Nachdruck in: Heiner Hoffmeister (Hrsg.), Politik im Wandel, Paderborn 2002. 56. European Union, Common market and global market, in: India International Centre Quarterly, Volume 21, No.4/1994, Seite 101 ff. 57. Die Nachfolgegeneration ist da, in: Beate Lindemann (Hrsg.), Amerika in uns. Deutschamerikanische Erfahrungen und Perspektiven. Festschrift für Walther Leisler Kiep, Mainz 1995, Seite 203 ff.; auf Englisch als: The next generation is here, in: Beate Lindemann (ed.), America within us. German-American Experiences and Visions, Mainz 1995, Seite 187 ff. 58. Über den Gemeinsinn oder von neu zu entdeckenden Zugängen zur Politik, in: Trend. Zeitschrift für Soziale Marktwirtschaft, 1.Quartal 1995, Nr. 62, Seite 13 ff.

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59. Das Umbruchjahr 1989 im historischen Zusammenhang, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Deutschland 1945–1995. Betrachtungen über Umbrüche, München 1995, Seite 41 ff.; Rundfunkausstrahlung: Bayerischer Rundfunk BR 2, 1.Mai 1995 60. Die neue NATO, in: Die politische Meinung, 40.Jg., Heft 308, Juli 1995, Seite 79 ff. 61. Germany’s role – Germany’s goals: From object to subject in world politics, in: German Comments. Review of politics and culture, Heft 39, Juli 1995, Seite 13 ff. 62. Germany’s role in European security, in: David Calleo/Markus Jelitto (eds.), The new Germany in the new Europe. SAIS Review. Journal of International Affairs, Volume XV, Fall 1995, Seite 103 ff.; und in: Strategic Analysis (Neu Delhi), Vol.18, No.4, Juli 1995, Seite 553 ff. 63. Adenauer és Antall. Magyar-német parhuzamok, in: Europai utas (Europäischer Reisender), Budapest, 5.Jg., Nr. 3/1995, Seite 17 ff. 64. Seioteki kempo rikai ni taisuru minamigawa no orutanativ wo megutte. (Über Alternativen zum westlichen Verfassungsverständnis in der südlichen Hemisphäre), in: Ho no Riron (Theory of Law), Tokyo, Vol.15/Dezember 1995, Seite 11 ff. 65. Die Zukunft der Demokratisierung, in: Karl Kaiser/Hans-Peter Schwarz(Hrsg.), Die neue Weltpolitik, Baden-Baden und Bonn 1995, Seite 177 ff.; Neuauflage in: Karl Kaiser/HansPeter Schwarz (Hrsg.), Weltpolitik im neuen Jahrhundert, Baden-Baden und Bonn 2000, Seite 233 ff.; auf Polnisch als: Przyszlosc procesu democratycznego, in: TRANSIT. Przeglad Europejski, Nr. 1/1996, Seite 83 ff.; auf Türkisch als: Demokratiklesmenin Gelecegi, in: liberal düsünce(Ankara), Nr. 4/1996, Seite 100 ff. 66. Alternativen zum westlichen Verfassungsverständnis in der südlichen Hemisphäre? in: Adolf Kimmel (Hrsg.), Verfassungen als Fundament und Instrument der Politik, Baden-Baden 1995, Seite 75 ff. 67. Grußwort in: Arnold Bergstraesser Institut(Hrsg.), Dieter Oberndörfer. Festgabe zum 65.Geburtstag, Freiburg 1995, Seite 13 f. 68. Eine Erde – verschiedene Welten. Ungleichzeitigkeit von Entwicklung als konstanter Planungsfaktor, in: Zeitschrift zur politischen Bildung, 32.Jg., Nr. 4/1995, Seite 65 ff. 69. Die NATO im Prozeß der inneren und äußeren Veränderung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 5/96, 26.Januar 1996, Seite 12 ff. 70. Jeder für sich und alle gegen alle ? Zustand und Zukunft des Gemeinsinns, in: Hanns Seidel Stiftung(Hrsg.), Mit der Jugend Staat machen. Dokumentation eines Expertengesprächs, München 1996, Seite 40 ff. 71. Die Schweiz und die Zukunft der internationalen Beziehungen, in: Hermann Schäfer(Hrsg.), Geschichte als Verantwortung. Festschrift für Hugo Ott zum 65.Geburtstag, Frankfurt/New York 1996, Seite 361 ff. 72. Normativ geführte Reflexion. Zwei Beiträge zum Thema „Verantwortungsgesellschaft“, in: Schweizer Monatshefte, 76. Jahr, Heft 9/September 1996, Seite 47 f. 73. Das Problem mit der zweiten Kammer, in: Die politische Meinung, 41.Jahrgang, Nr. 322, September 1996, Seite 43 ff., auch als: Erscheinungsformen des deutschen Föderalismus in Geschichte und Gegenwart, und in: Thüringer Ministerium für Bundesangelegenheiten (Hrsg.), Leistungen und Grenzen föderaler Ordnungsmodelle. Ettersburger Gespräche, Weimar 1996, Seite 29 ff. und in: Christine Lieberknecht (Hrsg.), Orientierung im Umbruch. Analysen zur Lage Deutschlands seit 1990, Rudolfstadt/Jena 1999, Seite 109 ff.; sowie in

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erweiterter Fassung als: Föderale Denk- und Ordnungsmodelle. Ein historisch-systematischer Blick auf Deutschland, in: Schweizer Monatshefte, 77. Jahr, Heft 5/Mai 1997, Seite 14 ff. 74. Demokratieerfahrungen in Deutschland und Indien, in: Claus Kühne/Shiva-Kumar Sharma/ Klaus Rosen (Hrsg.), Vidyadana.20 Jahre Vivekananda Schule in Indien, Bonn 1996, Seite 11 ff.; Nachdruck in: Meine Welt. Zeitschrift zur Förderung des Deutsch- Indischen Dialogs, Jahrgang 14/Heft 1, August 1997, Seite 10 ff. 75. Glück-Sicherheit-Verantwortung: Zukunftserwartungen im vereinten Deutschland, in: Christlich Demokratische Union Deutschlands (Hrsg.), 7.Parteitag, Karlsruhe, 16.bis 18.Oktober 1995, Niederschrift, Bonn o. J. (1996), Seite 151 ff.; Nachdruck in: CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hrsg.), Auf dem Weg in das 21. Jahrhundert. Dokumentation des Zukunftstages beim CDU-Bundesparteitag im Oktober 1995, Bonn o. J. (1996), Seite 19 ff.; in: Westfalen-Blatt, 51.Jg., Nr. 4/5.Januar 1996 – Nr. 6/8.Januar 1996 -Nr. 10/12.Januar 1996; und auszugsweise Nachdruck in: Die politische Meinung. 41.Jg., Nr, 315, Februar 1996, Seite 77 ff. 76. Maastricht II: The German debate, in: German Comments. Review of Politics and Culture, 14.Jahrgang, Nr. 43, Juli 1996, Seite 58 ff. 77. Post-1989 European and German Politics, Working Paper, Washington D.C.: Center for German & European Studies/Georgetown University, 1996, 25 Seiten. 78. Der wehrhafte Rechtsstaat. 12 Thesen wider Political Correctness, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 354, Februar 1997, Seite 14 ff. 79. Neue Voraussetzungen für die Menschenrechtsdiskussion, in: Zeitschrift für Kultur-Austausch, 46.Jahrgang, Heft 4/1996, Seite 22 f. 80. Über die Regierungskonferenz hinausgeblickt: Die nächste Erweiterungsrunde der Europäischen Union/Regard sur la conférence intergouvernementale: le prochain élargissement de l’Union Européenne, in: La Tribune Franco-Allemande (Science Po), Numero Special, Mai 1997, Seite 114 ff. 81. Von der Bundesrepublik nach Deutschland, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 360, August 1997, Seite 24 ff. 82. Für Europa lernen. Politische Bildung und europäische Einigung, in: Eichholz-Brief, Jubiläums-Sonderdruck 1997, Seite 21 ff. 83. Der Streit um den Demokratiebegriff, in: Eckhard Jesse/Steffen Kailitz (Hrsg.), Prägekräfte des 20.Jahrhunderts. Demokratie, Extremismus, Totalitarismus, München und Baden-Baden 1997, Seite 25 ff. 84. I Tedeschi, la Germania, l’Occidente, in: cittá e societa (Mailand), No.2/1997, Seite 63 ff. 85. Hannah Arendt: Neue Interpretationen nach dem Ende des totalitären Jahrhunderts, in: SAECULUM. Jahrbuch für Universalgeschichte, 48.Jahrgang, I.Halbband/1997, Seite 125 ff. 86. Veränderungen der Binnenkultur der NATO seit 1989, in: Werner Kremp/Gerd Mielke (Hrsg.), Atlantische politische Kultur. Dimensionen und Perspektiven, Kaiserslautern 1997, Seite 55 ff. 87. Umbruch – Wende – Revolution. Deutungsmuster des deutschen Herbstes 1989, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B40-41/97, 26.September 1997, Seite 12 ff. und in: Günter Glaeske et al.(Hrsg.), Deutsche Revolutionen 1848–1918–1989, Bremen 1998, Seite 64 ff.; auf Ungarisch als: Atalakulas-fordulat-forradalom. Ertelmezési modellek 1989 öszének német eseményeihez, in: Valóság (Budapest), Nr. 6/1998, Seite 1 ff.; auszugsweise Nachdruck in: Hans Jürgen Lendzian (Hrsg.), Zeiten und Menschen. Sekundarstufe II Baden-Württemberg, Paderborn 2005.

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 88. Gesucht: ein strategischer Ausgleich, in: Die politische Meinung, 42.Jahrgang, Nr. 335, Oktober 1997, Seite 67 ff.   89. Präsidialregierung oder Kanzlerdemokratie? Zehn deutsche Thesen für eine italienische Diskussion, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis. Rechts-, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Beiträge zum staatlichen Handeln, 8.Jahrgang, Nr. 2/1997, Seite 261 ff.; auf Italienisch als: Governo presidenziale o cancellierato democratico? 10 tesi tedesche per una discussione italiana, in: Geminello Preterossi (Hrsg.), La sfida federalista. Italia e Germania nell’Europa che cambia, Rom 1997, Seite 34 ff.   90. On Germany, Turkey, and the United States, in: Dennis L. Bark (ed.), Reflections on Europe, Stanford 1997, Seite 93 ff.  91. Arupa Birliginin Yapilanmasi ve Almanya’nin Rolü (Deutschlands Rolle in Europa) (mit Ertugrul Köse), in: Dis Politika (Ankara), No.1–2/1997, Seite 83 ff.  92. Vom Eurozentrismus zum Zusammenprall der Weltkulturen? Ideengeschichtliches Erbe und die Zukunft der kulturellen Beziehungen, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 368, April 1998, Seite 34 ff.   93. Was soll und kann die Politik leisten? in: lebendige Seelsorge, 48.Jahrgang, Dezember 1997, Seite 322 ff.  94. Germany, the US and Turkey: The institutional framework, in: American Institute for Contemporary German Studies (ed.), The Parameters of Partnership: Germany, the US and Turkey. Conference Report, Washington D.C. 1998, Seite 65 ff.  95. Gemeinschaft und Gemeinsinn als Voraussetzungen des Rechts, in: Walter Schweidler (Hrsg.), Menschenrechte und Gemeinsinn – westlicher und östlicher Weg?, Sankt Augustin 1998, Seite 339 ff.   96. Der transatlantische Dialog: Der ewige Spiegel, in: Zeitschrift für Kulturaustausch, 48.Jahrgang, 2/1998, Seite 29 ff.   97. Freiheit braucht aktive Bürger, in: Roland Koch (Hrsg.), Aktive Bürgergesellschaft, München 1998, Seite 26 ff.   98. Europa in den Kräftefeldern des 21.Jahrhunderts. Grenzen, Aufgaben, Handlungsfähigkeiten, in: ZEI Discussion Paper C 22, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 1998, 26 Seiten; Nachdruck als: Europa in den Kräftefeldern des 21.Jahrhunderts. Grenzen, Aufgaben, Handlungsfähigkeit, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 20, 26.Januar 1999, Seite 5 und als: Europa und die Idee der Rechtsgemeinschaft, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 23, 29.Januar 1999, Seite 5; und Nachdruck in: Romanian Journal of International Affairs, Vol.V, 2–3/1999, Seite 152 ff.  99. Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft und die AGENDA 2000, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B 1–2/99, 8.Januar 1999, Seite 3 ff. als: A presidencia alemana na Uniao Europeia e a Agenda 2000, in: Konrad Adenauer Stiftung (ed.), Europa e a Agenda 2000, Papers No.37, Sao Paulo 1999, Seite 1 ff. 100. Die Europäische Union zwischen Reformerfordernissen und Erweiterungsfolgen: Zur Ausgestaltung der Agenda 2000, in: Peter Wittschorek (Hrsg.), AGENDA 2000. Herausforderungen an die Europäische Union und an Deutschland, Baden-Baden 1998/1999, Seite 33 ff.; auszugsweise Nachdruck in: Wirtschaftspolitische Blätter (Wien), 46. Jahrgang, Nr. 1–2/1999, Seite 110 ff. 101. Europa auf der Suche nach einer neuen geistigen Gestalt, ZEI Discussion Paper C41, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 1999, 36 Seiten; Nachdruck in: MUT.

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Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 378, Februar 1999, Seite 32 ff. und in: Nachdruck in: Ibbenbürener Goethe-Forum (Hrsg.). Vorträge zu 50 Jahre Goethe-Gymnasium, Ibbenbüren 2000, Seite 59 ff.; sowie als: Geistige Gestalt und Zukunftschancen Europas, in: Sparkasse Fulda (Hrsg.), Aktuelles zum Auftakt des neuen Jahres, Fulda 1999, Seite 12 ff.; auf Englisch und Thai als: Europe in search of its constitution and identity, in: Journal of European Studies (Chulalongkorn University Bangkok), Vol.8, No2/July-December 2000, Seite 1 ff. 102. Europas Interessen, in: Die politische Meinung, 44.Jahrgang, Nr. 351, Februar 1999, Seite 58 ff. 103. Von 1848 bis 1989: Reflexionen über einen europäischen Zusammenhang, in: Csilla ErdödyCsorba (Hrsg.), Europäische Romantik und nationale Identität. Sandor Petöfi im Spiegel der 1848er Epoche, Baden-Baden 1999, Seite 155 ff.; auf Ungarisch als: 1848-tól 1989-ig: Reflexiók az európai összefüggésekröl, in: Csilla Erdödy Csorba (ed.), Nemzeti romantika és európai identitás. Tanulmáyok a romantikárol, Budapest 1999, Seite 203 ff. 104. Europas Chancen in der Welt, in: BFS-Unternehmerkongress (Bundesverband der Filialbetriebe und Selbstbedienungs-Warenhäuser e. V.) 1.–3.März 1999, Dokumentation, Köln 1999, Seite 14 ff. 105. Die Zukunft des europäischen Einigungsgedankens, ZEI Discussion Paper C 53, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 1999, 36 Seiten; erweitert in: Peter R. Weilemann et al. (Hrsg.), Macht und Zeitkritik. Festschrift für Hans-Peter Schwarz zum 65.Geburtstag, Paderborn 1999, Seite 371 ff.; Nachdruck als: Europa. An der Schwelle zum 3.Jahrtausend, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 388/Dezember 1999, Seite 34 ff. 106. Wertorientierung in der modernen Gesellschaft, in: civis. Vierteljahresschrift, Nr. 2/99, Seite 55 ff. 107. Europäische Integration: Eine Frage von Krieg und Frieden, in: Die Politische Meinung, 44.Jahrgang, Nr. 360, November 1999, Seite 23 ff. 108. Europas Identität und die Kraft des Christentums. Gedanken zum Jahr 2000 nach Christus, ZEI Discussion Paper C 60, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2000, 28 Seiten.; Nachdruck in Udo Zelinka (Hrsg.), Über-Gänge. Die Kirche im 3.Jahrtausend, Paderborn 2000, Seite 65 ff. 109. Über die Grenzen Europas hinaus, in: Erich Reiter (Hrsg.), Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik 2000, Wien 2000, Seite 259 ff. 110. Transatlantic regulatory cooperation, globalization, and democratic values, in: Susanne Baier-Allen (ed.), The Future of Euro-Atlantic Relations, Baden-Baden 2000, pp.183 ff.; erweitert als: Globalisation, transatlantic cooperation, and democratic values, in: George A. Bermann/Matthias Herdegen/Peter L. Linseth (eds.), Transatlantic Regulatory Cooperation. Legal Problems and Political Prospects, Oxford/New York 2001, S. 481 ff. 111. Wahrnehmung als Methode. Mentalität, Kultur und Politik „des Anderen“ vor neuen Herausforderungen, in: Birgit Aschmann/Michael Salewski (Hrsg.), Das Bild „des Anderen“. Politische Wahrnehmung im 19.und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2000, Seite 9 ff. 112. Europas Rolle in der Weltpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B24/2000, 9.Juni 2000, Seite 31 ff.; auszugsweiser Nachdruck in: Benn/Watzmann (Hrsg.), Sicherheit im 21. Jahrhundert, Schwalbach 2000 und in Heiner Hoffmeister (Hrsg.), Politik im Wandel, Paderborn 2002.

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113. Das Weimarer Dreieck. Die französisch-deutsch-polnischen Beziehungen als Motor der Europäischen Integration. Le Triangle de Weimar – Trójkat Weimarski (mit Janusz Reiter und Henri Ménudier), ZEI Discussion Paper C72, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2000, 74 Seiten; auszugsweise als: Vielfältige Aufgaben für das „Weimarer Dreieck“. Die französisch-deutsch-polnischen Beziehungen als ein Motor der europäischen Integration, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 200, 29.August 2000, Seite 11, auf Französisch als: Le moteur de l’Union européenne élargie?, in: Documents. Revue des Questions Allemandes, Nr. 1/2001–2002, Seite 16 ff. 114. Historia del pensamiento politica: Qué queda?, in: Contribuciones (Buenos Aires), XVII Jahrgang, No.3/2000, Seite 147 ff.; auf Deutsch als: Ideengeschichte: Was bleibt?, in: Studia Historica (Galati, Rumänien), Fascicula 19, Band 1/2002, Seite 143 ff. 115. Towards Europe 2007. Identity, Institution-building and the Constitution of Europe, ZEI Discussion Paper C 85, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2001, 46 Seiten; Nachdruck in: Ankara Avrupa Calismalari Dergisi, No. 1/2001, Seite 103 ff. und in: Peter A. Zervakis/Peter J. Cullen (eds.), The Post-Nice Process: Towards a European Constitution?, Baden-Baden 2002, Seite 15 ff.; auszugsweise Nachdruck als: Europe in search of its constitution and identity, in: Pamfil (Ljubljana), Nr. 1/2001, Seite 92 ff. 116. Osterweiterung – eine Dividende für Europa, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 400, Dezember 2000, Seite 56 ff.; auch in: Die politische Meinung, Nr. 382, September 2001, Seite 43 ff. 117. Grundfragen und Konsequenzen der europäischen Einigungspolitik, in: Hessische Landesregierung (Hrsg.), Europa im 21. Jahrhundert. 17 Standpunkte zum Thema, Wiesbaden 2001, Seite 75 ff. 118. Pragmatyzm nie wystarczy Europa w poszukiwaniu nowego ksztaltu duchowego, in: Jürgen Wahl (ed.), Kultura i tozsamosc europejska. Duchowy fundament integracji naszego kontynentu, Gliwice 2001, Seite 17 ff. 119. Christliches Menschenbild im Prozeß der europäischen Einigung, Kirche und Gesellschaft, Kirche und Gesellschaft 280, herausgegeben von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, Mönchengladbach 2001, 16 Seiten. 120. Wertorientierung in der modernen Gesellschaft, in: Bernhard Nacke (Hrsg.), Visionen für Gesellschaft und Christentum, Würzburg 2001, Seite 233 ff. 121. Perspektiven der Bildungsreform in Deutschland, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 408/August 2001, Seite 55 ff. 122. Baustelle Europa: Chance für ein kulturelles Laboratorium, in: Zeitschrift für Kulturaustausch, 51.Jahrgang, Nr. 3/2001, Seite 45 ff. 123. Europa als Wertegemeinschaft – Verlierer der Österreich-Krise 2000?, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit, 1.Jg. 2001, Heft 1, Seite 73 ff. 124. Europa als Bestimmung. Nachruf auf Dieter Chenaux-Repond, in: Romain Kirt/Arno Waschkuhn (Hrsg.), Kleinstaaten-Kontinent Europa. Probleme und Perspektiven, BadenBaden 2001, Seite 9 ff. 125. Biomedizin und Menschenwürde (herausgegeben mit Ulrich Eibach et al.), ZEI Discussion Paper C 97, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2001, darin: Die Unteilbarkeit der Menschenwürde als Bedingung der Universalität der Menschenrechte, Seite 67 ff.; Nachdruck in: Gudrun Lang/Michael Strohmer (Hrsg.), Europa der Grundrechte? Beiträge zur Grundrechtecharta der Europäischen Union, Bonn 2002, Seite 75 ff.; erweitert auf

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Englisch als: Europe’s view of man under pressure, in: Gustavo Gozzi (ed.), Le prospettive Europee di apertura all’Europa Orientale e ai paesi del mediterraneo, Ravenna 2003, Seite 49 ff. und als Culture, Values and European Integration in: Alessia Casetta (ed.), Increasing complexity in international relations: economy, politics and values, Mailand 2005, Seite 5 ff. 126. Die Farbe der Menschenrechte. Der Universalismusgedanke, in: Zeitschrift für Kulturaustausch. Der Dialog mit dem Islam, 52. Jahrgang, 1/2002, Seite. 56 ff. 127. Die Frage nach der Zukunft der NATO, in: Reinhard C. Meier-Walser (Hrsg.), Die Zukunft der NATO. Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen 34, München, Hanns Seidel Stiftung, 2002, Seite 25 ff. 128. Stolperstein im Mittelmeer. Zypern vor dem EU-Beitritt, in: Internationale Politik, 57. Jahrgang, Januar 2002, Nr. 1, Seite 51 ff.; auch erschienen in der russischen Ausgabe 1/2002, hergestellt von der Deutschen Botschaft in Moskau, Seite 56 ff. 129. The Lakes of Europe, ZEI Discussion Paper C104, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2002, 42 Seiten. 130. Europe on the way to a constitution: Transatlantic implications, in: American Enterprise Institute (ed.), Federalism Project Conference, Washington D.C. 16.April 2002, online unter: www.federalismproject.org/masterpages/publications/eurotranscript.pdf., Seite 50 ff. 131. Implications of Globalization on the Raison d’Etre of European Integration, Working Paper Nr. 32, Oslo: ARENA, Oktober 2002, 52 Seiten; auch in: Asia-Pacific Journal of EU Studies (Seoul), Vol.1, No.1/Summer 2003, Seite 27 ff. (Mitglied International Advisory Board); online unter: www.aicgs.org; erweitert als Globalization and European Constitutionalism, in: Michael Gehler/Günter Bischof/Ludger Kühnhardt/Rolf Steininger (eds.), Towards a European Constitution: A Historical and Political Comparison with the United States, Wien/ Köln/Weimar 2005, Seite77 ff.; auf Deutsch als: Welche Grenzen setzt die Globalisierung der europäischen Integration? ZEI Discussion Paper C 117, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2003, 47 Seiten; Wolfram Hogrebe/Joachim Bogrand (Hrsg.), Grenzen und Grenzüberschreitungen. Vorträge und Kolloquien, XIX.Deutscher Kongress für Philosophie, Berlin 2004, Seite 344 ff.; auszugsweise als: Globalisierung und europäische Integration. Folgerungen für politische Philosophie und Ideengeschichte, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 427, März 2003, Seite 10 ff.; auf Spanisch als: Globalizacion y la Integracion Europea, in: Vitral (Pinar del Rio, Kuba), No.58, 9. Jahr, November/Dezember 2003, Seite 46 ff. und unter www.2glauco.it/vitral/vitral58/vitral58. htm, als: Globalizacion, soberania y democracia, in: Vitral (Pinar del Rio, Kuba), No.59, 10. Jahr, Januar/Februar 2004, Seite 43 ff. und unter www.2glauco.it/vitral/vitral59.hyo.htm sowie als: Integracion y Intervencion, in: Archivos del Presente (Buenos Aires), 9. Jahr, Nr. 33/2004, Seite 101 ff. 132. The Mediterranean – New Directions in Research and Policy-Making, in: Indra de Soysa/ Peter Zervakis (eds.), Does Culture Matter? Politics and Governance in the Mediterranean, ZEI Discussion Paper, C 111, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2002, Seite 163 ff. 133. Die Atlantische Gemeinschaft zwischen Misstrauen und Vitalität, in: Die politische Meinung, Monatszeitschrift zu Fragen der Zeit, 47. Jahrgang, Nr. 397/Dezember 2002, Seite 82 ff. 134. The global society and its enemies: „9/11“ and the future of the Atlantic civilization, in: Croatian International Relations Review, Vol.VIII, No.28/29–2002, Seite 115 ff. (Mitglied

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International Advisory Board); auch in: Totalitarian Movements and Political Religions, Herbst 2003, Vol.4/Nr. 2, Seite 157 ff. 135. Implications of a Constitution for European identity, in: The Malta Independent on Sunday, 13.April 2003, Seite 21; auch in: WorldSecurityNetwork.com, 3.März 2003; auf Rumänisch als: Implicatiile unei constitutii asupra identitatii Europene, in: Elena Geara/Ana-Illinka Macri (ed.), Romania in contextul extinderii Uniunii Europene, Bukarest 2003, Seite 115 ff.; auf Spanisch als: Efectos de una Constitución para la identidad Europea, in: afese. Revista del Servicio Exterior Ecuadoriano (Quito). Nr. 41/2004, Seite 58 ff. 136. An EU Constitutional Twist: No representation without taxation?, in: European Affairs (Washington D.C.), Vol. 4, No.2/Spring 2003, Seite 76 ff. 137. Die Türkei und Europa, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 431, Juli 2003, Seite 42 ff. 138. EU-USA: Plädoyer für einen Atlantischen Vertrag (mit Hans-Gert Pöttering), in: Integration, 26.Jahrgang, Nr. 3/03 (Juli 2003), Seite 244 ff. 139. System-opening and Cooperative Transformation of the Greater Middle East. A New Trans-Atlantic Project and a Joint Euro-Atlantic-Arab Task. EuroMeSCo Papers No.26, Lissabon 2003, 19 Seiten; online unter www.euromesco.org; in: WorldSecurity.Network. com, 25.September 2003; in: Andreas Marchetti (ed.), The CSCE as a Model to Transform Western Relations with the Greater Middle East, ZEI Discussion Paper C 137, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2004, Seite 7 ff.; auszugsweise Nachdruck in: Andreas Jacobs (ed.), Euro-Mediterranean co-operation: enlarging and widening the perspective. ZEI Discussion Paper C 131, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2004, Seite 114 ff. 140. Tendências atuais dentro da integração européia, in: Wilhelm Hofmeister/Franklin Trein (eds.), Anuario Brasil – Europa. Solução de Controvérsias, Arbitragem Comercial e Propiedade Intelectual, Rio de Janeiro, Brasil, 2003, Seite 37 ff.; auf Spanisch als: La integracion Europea hoy, in: Archivos del Presente. Revista Latinoamericana de Temas Internacionales (Buenos Aires), 8. Jahr, Nr. 31/2003, Seite 35 ff. und als: Tendencias Actuales dentro de la integracion Europea, in: Universidad Nacional de Asuncion, Revista, Asuncion 2004, Seite 575 ff. 141. German-American Relations: What else can go wrong?, in: American Institute for Contemporary German Studies (ed.), Power and Principle. Prospects for Transatlantic Relations. German-American Issues No.2, Washington D.C. 2004, Seite 14 ff. 142. Das christlich-demokratische Gesellschaftsmodell und die Folgen von 1989, in: Günter Buchstab/Rudolf Uertz (Hrsg.), Christliche Demokratie im zusammenwachsenden Europa. Entwicklungen – Programmatik – Perspektiven, Freiburg 2004, Seite 14 ff. 143. Culture, Values and European Integration, in: The Annals of the University „Dunarea de Jos“ of Galati – History, Fascicula 19, tom III, 2004, Seite 154 ff.; und in: Woosik Moon/ Bernadette Andreosso-O’Callaghan (eds.), Regional Integration – Europe and Asia Compared, Ashgate 2005, Seite 155 ff. 144. L’Europa centrale fra le culture politiche nazionali tradizionali ed una nuova identita europea (mit Gabor Erdödy und Christoph Böhr), ZEI Discussion Paper C 132, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2004, darin: Rafforzare la cultura europea della memoria, Seite 5 ff. 145. The Global Proliferation of Regional Integration. European Experience and Worldwide Trends, ZEI Discussion Paper C 136, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2004, 59 Seiten; auszugsweise als: Global Region-Building in Comparative Perspective, in:

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Ariane Kösler/Martin Zimmek (eds.), Global Voices on Regional Integration, ZEI Discussion Paper C 176, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2007, Seite 229 ff.; auszugsweise mit Zusammenfassung auf Bahasa Indonesia als: Worldwide Region-Building in Comparative Perspective, in: Jurnal Kajian Wilayah Eropa-Journal of European Studies (National University Jakarta), Vol.IV, Nr. 2/2008, Seite 119 ff. und auszugsweise als: The Global Proliferation of Regional Integration, in: ZEI Regional Integration Observer, Vol.1, No.1, November 2007, Seite 1 ff.; auszugsweise und erweitert als: Prospects for Regional Integration, in: Ariane Kösler/Matthias Zimmek (eds.), Elements of Regional Integration. A Multidimensional Approach, Baden-Baden 2008, Seite261 ff. 146. From National Identity to European Constitutionalism. European Integration – The first fifty years, ZEI Discussion Paper C 141, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2004, 57 Seiten; Nachdruck als: Constitutionalizing Europe: From National Identities to European Political Identity, in: Chong-Ko Peter Tzou (ed.), European Constitution and Integration, Taipeh 2005 (2.Auflage 2006), Seite 95 ff.; und in: Amr Hamzawy (ed.), European Integration: Lessons learned, Giza/Cairo 2006, Seite 197 ff.; auszugsweise als:Cutting through History: The Second Founding of the EU, in: Stanford Journal of International Relations, Vol.V, No.2, Spring-Summer 2004, S. 63 ff. 147. Europe: building a community of cultural communication/auf Koreanisch als: Munwha Gongdongche Hyungseong: Yooryub-Munwhajeok Sotongeu Tongil Guchuk, in: Korea Research Council for Humanities and Social Science (ed.), The Policy Study Session for the Formation of the Northeast Asian Cultural Community for Peace and Prosperity. Proceedings International Conference, Seoul October 25, 2004, Seite 61 ff. 148. The Constitutional Crisis of the European Union, in: Emil Mintchev (ed.), The European Perspectives of South Eastern Europe, BRIE Paper 3/2004, Rousse: Bulgarian-Romanian Interuniversity Center (BRIE) 2004, Seite 7 ff. 149. Europäische Sicherheitsstrategie und Horizonterweiterung: Die Europäische Union entdeckt den Erweiterten Nahen Osten, in: Franz Kernic/Gunther Hauser (Hrsg.), Handbuch zur europäischen Sicherheit, Frankfurt 2005, Seite 273 ff. 150. Wozu Europa? Auswege aus der Krise um die Europäische Verfassung, in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 456, August 2005, Seite 42 ff. 151. Northeast Asia: Obstacles to Integration. The European Interests, ZEI Discussion Paper C 152, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2005, 50 Seiten. 152. Quo vadis Europa?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 36/2005, 5.September 2005, Seite 3 ff.; erweitert als: Europa – quo vadis? Kirche und Gesellschaft Nr. 322, Mönchengladbach: Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle, 2005, 16 Seiten; auszugsweise als: Deutschlands Europapolitik verbessern. Überlegungen zu einem strategischen Neubeginn, in: Die politische Meinung, Nr. 433, Dezember 2005, Seite 19 ff.; überarbeitet und erneut erweitert als: Perspektiven der Europäischen Union, in: Ausserschulische Bildung. Materialien zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung, Nr. 1/2006, Seite 6 ff. 153. 10 Years Euro-Mediterranean Partnership: The Human Dimension Revisited, in: Andreas Marchetti (ed.), Ten Years Euro-Mediterranean Partnership: Defining European Interests for the Next Decade, ZEI Discussion Paper C 154, Bonn:Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2005, Seite 83 ff. 154. European Integration: Challenge and Response. Crises as Engines of Progress in European Integration History, ZEI Discussion Paper C 157, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2006, 22 Seiten; auf Chinesisch als: Ouzhou Yitihua: Tiaozhan

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yu Huiying? Lun Weiji: Zuowei Ouzhou Yitihua Fadongji de Jinzhan, Working Paper No.8/2007, Shanghai Academy of Social Sciences; online unter: www.escsass.org.cn/cn/ show.asp?id=548; und als: Wei Ji Shi Ou Zhou Yi Ti Hua De Fa Dong Ji, in: Cao Deming (ed.),Wen Hua Shi Jiao Xia De Ou Meng Yan Jiu/The European Union from a Cultural Perspective, Shanghai 2009, Seite 94 ff. 155. Europa neu begründen, ZEI Discussion Paper C 167, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2007, 26 Seiten; als Serie unter dem Titel: Europa neu begründen I: Grundgesetz für Europa, in: Rheinischer Merkur, Nr. 1, 4.Januar 2007, Seite 10; Europa neu begründen II: Werdet Europäer!, in: Rheinischer Merkur Nr. 2, 11.Januar 2007, Seite 4; Europa neu begründen III: Einheitsbrei schmeckt nicht, in: Rheinischer Merkur Nr. 3, 18.Januar 2007, Seite 4; Europa neu begründen IV: Fürsorglicher Wettbewerb, in: Rheinischer Merkur, Nr. 4, 25.Januar 2007, Seite 4; auszugsweise und erweitert unter dem Titel: Europäische Union: Die Chance der Krise, Vortrag vor der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl, Rom, 22.Januar 2007, online unter: www.vatikan.diplo.de/Vertretung/ Vatikan/de/O3/unterbereich_aktuelles_r_C3_Bbckblick.html.; auszugsweise als: Statement auf dem Europaforum im Bundeskanzleramt zur Vorbereitung der Deutschen EU Ratspräsidentschaft, Berlin, 6.Dezember 2006 (unveröffentlicht); auszugsweise in: Silke Minning (Hrsg.), Spiegel@Klett Europa Themenheft, Stuttgart 2008 156. L’Europa di fronte al XXI secolo: sfide politiche e implicazioni accademiche, in: ASERI (ed.), Scenari e Visioni per il XXI Secolo. Idee, Contributi, Esperienze nel Decennale dell’ASERI, Mailand 2006, Seite 83 ff.; auf Englisch als: Europe in Face of the 21st Century: Political Challenges and Academic Implications, in: Vittorio Emanuele Parsi/ Andrea Locatelli (eds.), Key Challenges to the Global System. Thoughts, Ideas and Essay on ASERI’s Tenth Anniversary, Mailand 2007, Seite 107 ff. 157. Mentalität und Identität: Über die Europäisierung der Nationalstaaten und ihrer politischen Kultur, Andrassy Abhandlungen Nr. 17, Budapest: Andrassy Gyula Deutschsprachige Universität, 2007 (Vortrag an der Andrassy Guyla Deutschsprachigen Universität Budapest, 19.Februar 2007): online unter: www.andrassyuni.hu/deutsch/list.php?00000001/ fix/00000001/_fix/000000048&id=0 158. 50 Jahre Römische Verträge, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 10/2007, 5.März 2007, Seite 3 ff.; auszugsweise Nachdruck in: Silke Minning (Hrsg.), Spiegel@Klett Europa Themenheft, Stuttgart 2008 und in: Edinger et al. (Hrsg.), Forum Geschichte/Gemeinschaftskunde, Troisdorf 2010. 159. European National Welfare Systems: The German Model, in: Centro Nazionale di Prevenzione e Difesa Sociale (ed.), Sistemi di Welfare a Confronto, Mailand 2007, Seite 19 ff. 160. Imperium: Ein Begriff und seine Anwendung. Rückblick auf Imperien als Ausblick auf die Zukunft der EU, in: Volker Kronenberg et al. (Hrsg.), Aussenpolitik und Staatsräson. Festschrift für Christian Hacke, Baden-Baden: Nomos 2008, Seite 29 ff.; auf Chinesisch als: Diguo: Yige Gainian ji qi Yingyong, in: Tongji University (ed.), Ouzhou Pinglun-Europe Review, 6–2010, Seite 50 ff.; als: Diguo YiGe Gainin Jiqi yingjong – Dui di Guo De Huigu Zuowei Dui Oumeng Wei Lai De Zhangwang, in: East-West Review/Dongxi Yanjiu, Nr. 1, Shanghai (Tongji University), 2011, Seite 14–22. 161. Obama and a New Transatlantic Age: Implications for the Renewal of Transatlantic Relations, in: American Institute for Contemporary German Studies/AICGS Analysis, online unter: www.aivgs/analysis/c/kuehnhardt1108.aspx., 21.November 2008.

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162. Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte, in: Anton Rauscher (Hrsg.), Handbuch der Katholischen Soziallehre, Berlin 2008, Seite 999 ff. 163. A new academic frontier: The global dissemination of regional integration studies, in: ZEI Regional Integration Observer, Vol.3, No.1, März 2009, Seite 1 ff.; erweitert in Englisch als: Region-Building. The Role of Research and Studies in Light of Obstacles and Deficits, in Französisch als Region Building. Le role de la recherche e des etudes en face des obstacles et des deficits, und in Portugiesisch als Region-Building. O papel da pesquiera e dos estudos à luz de seus obstáculos e deficits, in: Corsino Tolentino/Matthias Vogl (eds.), Sustainable Regional Integration in West Africa/Intégration régionale durable en Afrique de l’Ouest/ Integração regional sustenavel na África Ocidental, Discussion Paper C 208, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2011, Seite 9 ff.; Seite 83 ff.; Seite 165 ff. 164. African Regional Integration and the Role of the European Union, ZEI Discussion Paper C 184, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2008, 34 Seiten; auch in: ETH Zürich, International Relations and Security Network, online unter: www.isn.ethz. ch/isn/Digital-Library/Publications/Detail/?id=56358; in: Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung (ISPSW) Berlin, online unter: www.ispsw.de/ english/publications.htm.; in: Valeria Bello/Belachew Gebrewold (eds.), A Global Security Triangle. European, African and Asian interaction, London/New York 2010, Seite 77 ff. und in: Simona Beretta/Roberto Zoboli (eds.), Crisis and Change. The Geopolitics of Global Governance, Mailand 2012, Seite 219 ff. 165. Plädoyer für eine erneuerte Europäische Union, Kirche und Gesellschaft Nr. 352, Mönchengladbach: Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle, 2008, 16 Seiten; Nachdruck auf Deutsch und auf Polnisch als: O odnowie Unii Europejskiej. Kryzys ratyfikacji jako kryzys kierownictwa UE, Raporty Fundacji Konrada Adenauera, Numer 11, Warschau 2009, 16 Seiten. 166. Europäische Integrationserfahrungen: Periodisierungen und Begründungswandel, in: Wolfram Hilz et al. (Hrsg.), Europas Zukunft nach dem Lissaboner Vertrag, Sankt Augustin/ Bonn 2009, Seite 65 ff.; Nachdruck in: Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), Veranstaltungsbeiträge Bildungszentrum Schloss Eichholz, online unter: www.kas.de/wf/de/33.12301; erweiterter Nachdruck in: Frank Decker/Marcus Höreth (Hrsg.), Die Verfassung Europas. Perspektiven des Integrationsprojekts, Wiesbaden 2009, Seite 31 ff.; auf Spanisch als: Las experiencias de integración en Europa. Periodizaciones y cambio de la fundamencion, in: Fundación Konrad Adenauer (ed.), Europa en el contexto internacional, Santiago de Chile 2009, Seite 5 ff. 167. Europa 2057: Eine noch nicht gehaltene Tischrede, in: Kurt J. Lauk (Hrsg.), Europa von innen gesehen: Europa jenseits der Bürger? Die EU nach dem Vertrag von Lissabon, Stuttgart/Leipzig 2009, Seite 272 ff.; auszugsweise als: Europa: Die Frage wozu?, in: Karl Dietrich Bracher/Hans-Adolf Jacobsen et al. (Hrsg.), Politik, Geschichte und Kultur. Wissenschaft in Verantwortung für die res publica. Festschrift für Manfred Funke zum 70.Geburtstag, Bonn 2009, Seite150 ff.; auf Italienisch Vortrag als: Europa. Figure e Orizzonti, abgedruckt auf Englisch als: Europe: Mission and Destiny, in: Istituto Regionale di Ricerca di Lombardia IRER (ed.), Idee d’Europa. Dialoghi per un nuovo percorso costituente, Mailand: IRER 2009, Seite 1 ff.

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168. A integração politica e o Mercado Comum: beneficios e custos a União Europeia em comparação com o Mercosul, in: Peter Fischer-Bollin (ed.), Anuário Brasil-Europa, Rio de Janeiro 2009, Seite 53. ff. 169. Die Gestaltung der Globalität. Neue Anfragen an die Geisteswissenschaften (herausgegeben mit Tilman Mayer), ZEI Discussion Paper C 195, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2009, 67 Seiten, darin: Die Gestaltung der Globalität. Eine neue Fragestellung für die Geistes- und Kulturwissenschaften, Seite 5 ff. 170. L’intégration européenne: les vertus de la stratégie des petits pas (mit Thierry de Montbrial), in: Claire Demesmay/Andreas Marchetti (eds.), Le Traité de Lisbonne en discussion: quels fondements pour l’Europe?, Paris: Institut Français des Relations Internationales, 2009, Seite 9 ff.; auf Deutsch als: Europäische Integration: Vom Wert des Schneckentempos – Fortschritt und Rückschritt in den Verträgen von Lissabon (mit Thierry de Montbrial), in: Andreas Marchetti/Claire Demesmay (Hrsg.), Der Vertrag von Lissabon. Analyse und Bewertung, Baden-Baden 2010, Seite 15 ff. 171. The Malta Turn of Europe: The European Union in the age of globality, in: Med Agenda. MEDAC Series in Mediterranean IR and Diplomacy, Malta: Mediterranean Academy of Diplomatic Studies, 2010, 19 Seiten; auszugsweise als:The Malta turn of Europe, in: The Times of Malta, 16.Dezember 2009, Seite 11; auszugsweise als: Europe and the Mediterranean: Reflections on a Vexed Relationship, in: Mustafa Kibaroğlu (ed.), Eastern Mediterranean, Ankara 2009, Seite 233 ff.; auszugsweise und erweitert als: Global Europe: From Geopolitics to Human Security, in: Eckhard Deutscher/Hartmut Ihne (Hrsg.), ‚Simplizistische Lösungen verbieten sich‘. Zur internationalen Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert. Festschrift zu Ehren von Professor Uwe Holtz, Baden-Baden 2010, Seite 27 ff.; erweitert als: Enlargement, Neighborhood, and the Borders of Europe, AICGS Policy Report 44, Washington D.C.: American Institute for Contemporary German Studies, 2010, Seite 21 ff. 172. Die Gestaltung der Globalität. Annäherungen an Begriff, Deutung und Methodik (herausgegeben mit Tilman Mayer), ZEI Discussion Paper C 198, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2010, 74 Seiten; darin: Die Einheit der Welt neu denken: Überlegungen zur Methodik der Globalitätsforschung, Seite 69 ff. Politicheskaja konsolidazija Evrosojusa (Die Konsolidierung der Europäischen Union), in: Russische Akademie der Wissenschaft INION (Hrsg.), Aktualnije Problemy Evropi, Nr. 2/2010, Seite 27 ff.; auszugsweise als: Die zweite Begründung der europäischen Integration, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 18/2010, 3.Mai 2010, Seite 3 ff. und als: Weltfähige Wertegemeinschaft? Für ein neues europäisches Projekt, in: Thomas Kunze/Wolfgang Maier (Hrsg.), Einundzwanzig. Jahrhundertgefahren – Jahrhundertchancen, Berlin 2010, Seite 77 ff. auszugsweise Nachdruck in: Hans-Jürgen Lendzian (Hrsg.) Zeiten und Menschen Sekundarstufe II, Band 2, Baden-Württemberg, Stuttgart: Bildungshaus Schulbuch, 2011; erweitert als Die Neubegründung des europäischen Projektes, in: Johannes Varwick (Hrsg.), Die Europäische Union. Krise, Neuorientierung, Zukunftsperspektiven, Schwalbach: Wochenschau Verlag 2011, Seite 39 ff. und in: Politische Bildung. Beiträge zur wissenschaftlichen Grundlegung und zur Unterrichtspraxis, 44.Jahrgang, Nr. 1/2011, Seite 32 ff. 173. Valeurs et identités européennes: un fragile consensus (mit Claire Demesmay), in: Claire Demesmay/Andreas Marchetti (eds.), La France et l’Allemagne face aux crises européennes, Pessac 2010, Seite 37 ff.

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174. Die Gestaltung der Globalität. Wirkungen der Globalität auf ausgewählte Fächer der Philosophischen Fakultät (hrsg. mit Tilman Mayer), ZEI Discussion Paper C 203, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2011, 71 Seiten; darin: Globalität und curriculare Implikationen in den Geisteswissenschaften (mit Tilman Mayer), Seite 3 ff. 175. Preface: L’avenir de l’Union européenne: choisir l’engagement (mit Thierry de Montbrial), in: Louis-Marie Clouet/Andreas Marchetti (eds.), L’Europe et le monde en 2020. Essai de prospective franco-allemande, Villeneuve d’Ascq 2011, Seite 13 ff.; auf Deutsch als: Vorwort (mit Thierry de Montbrial) in: Andreas Marchetti/Louis-Marie Clouet (Hrsg.), Europa und die Welt 2020. Entwicklungen und Tendenzen, Baden-Baden 2011, Seite 13 f. 176. Die Gestaltung der Globalität. Schlüsselwörter der sozialen Ordnung (I) (hrsg. mit Tilman Mayer), ZEI Discussion Paper C 211, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2012, 66 Seiten; darin: Einführung: Auf dem Weg zu einer Enzyklopädie (mit Tilman Mayer), Seite5 ff. 177. The Resilience of Arab Monarchy. How hereditary rulers should respond to popular pressure, in: Policy Review (Stanford University), Nr. 173, June-July 2012, Seite 57 ff.; online unter: www.hoover.org/publications/policy-review/article/118276; als: The Arab Spring Revisited: How the Arab Monarchies can Survive, in: World Security Network, 24. Januar 2012, online unter: www.worldsecuritynetwork.com/showArticle3.cfm?article-id=18594. 178. Regieren in der europäischen Föderation, ZEI Discussion Paper C 212, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2012, 29 Seiten; auszugsweise als: EU: Normalität statt Getöse. Die Ministertreffen haben etwas Spektakuläres, das Parlament interessiert kaum jemanden – so kommt die EU den Bürgern nicht näher, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 13, 1.April 2012, Seite 13. 179. Turkey, Europe and the irritating power of formative ideas, in: Dis Politika/Foreign Policy (Ankara), Vol. XXXVIII, Nos. 1–2/2012, Seite 35 ff. 180. Europa en transicíon – Lecciones a aprender (Vortrag an der Universidad de Tres de Febrero, Buenos Aires, November 2011), online unter: www.untref.edu/ar/untrefregistra/2011; und in: Argonautas. Revista Digital de Educaccíon y Ciencias Sociales. Universidad Nacionales de San Luis (Buenos Aires), Ano 2, No.2/2012, online unter: www. argonautas.unsl.edu.ar/ contenido.html; in: Archivo del Presente. Revista Latinoamericana de Temas Internacionales, Ano 16, Numero 57/58, Buenos Aires 2012, Seite 55 ff.; in Englisch als: Europe in transition: Lessons to be learned, in: All Azimuth. A Journal of Foreign Policy and Peace (Ankara/Bilkent University), Vol.2/No.1–2013, Seite 47 ff. 181. Subsidiarity and European governance, in: Confronti (Milano), 2/2012, Seite 67 ff. 182. Die Gestaltung der Globalität. Schlüsselwörter der sozialen Ordnung (II) (hrsg. mit Tilman Mayer), ZEI Discussion Paper C 215, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2013, 75 Seiten; darin: Einführung: Auf dem Weg zu einer Enzyklopädie (mit Tilman Mayer), Seite 5 f. 183. How to ride the revolutionary Arab lion (mit Stephen Calleya), in: World Security Network, 7.Januar 2013, online unter: www.worldsecuritynetwork.com/Broader-Middle-East/stephencalleya-and-ludger-kuehnhardt/How-to-ride-the-Revolutionary-Arab-Lion. 184. L’Afrique et l’Europe – Relations comparées et processus d’intégration régionale conjointe, WAI-ZEI Paper No. 4, Praia/Bonn 2013, online unter: www.westafricainstitute.org/images/ pdf/WAIZEIPapers/WAI-ZEI%20Paper%20Khnhardt%20Draft.pdf und unter: www.zei. uni-bonn.de/publikationen/wai-zei-paper/04-2013-kuehnhardt; auch in: Historische Mitteilungen, Band 27/2015, Seite 273 ff.; in italienisch als: Africa ed Europa tra Passato e

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Futuro, in: Africa A Cronometro, online unter: http://www.africaacronometro.it/wp/africaed-europa-tra-passato-e-futuro/ (11.06.2015). 185. Baugesetze der europäischen Gesellschaft: Solidarität und Subsidiarität, in: Peter Schallenberg/Arnd Küppers (Hrsg.), Interdisziplinarität der Christlichen Sozialethik, Paderborn, 2013, Seite 167 ff.; auszugsweise in Englisch als: A de facto solidarity, in: Future of Europe Observer, ed. Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Vol.1/No.2,2013, Seite 1. 186. Preface (mit Djénéba Traore), in: Rike Sohn/Ama Konnadu Oppong (eds.), Regional Trade and Monetary Integration in West Africa and Europe, WAI-ZEI Paper No. 6, Bonn/Praia 2013, p.3 f.; Préface (mit Djénéba Traore), in: Commerce règional et l’intégration monétaire en Afrique de l’Ouest et en Europe, WAI-ZEI Paper, No.6-2013, p. 3 f.; Préfacio (mit Djénéba Traore), in: Comércio regional e integração monétaria na Africa Ocidentale e na Europa, WAI-ZEI Paper No. 6-2013, p.3 f. 187. German-American Relations Post 9/22, in: AICGS Advisor, Washington D.C.: American Institute for Contemporary German Studies, 6.September 2013, online unter: www.aicgs.org/ issue/german-american-relations-post-9-22/?secureIdCustomer=1. 188. Gibt es eine politische Philosophie der Europäischen Union? ZEI Discussion Paper C 223, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung 2014, 19 Seiten; in Englisch als: Is there a political philosophy in the European Union?, in: Dialogue and Universalism (Warschau), No. 2/2016, Seite 7 ff.; in Polnisch als: Czy istnieje filozofia polityczna zjednoczonej Europy?, in: Ewa Nowak (ed.), Recepcja i oddziaływanie Marka Siemka w Europie, Warschau: Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, 2019, Seite 405 ff. 189. Die proto-konstitutionelle Etablierung der europäischen Innenpolitik. Rückblick und Ausblick auf Bedingungen föderaler Ordnung in Europa. Für Hans-Peter Schwarz zum 80.Geburtstag, ZEI Discussion Paper C 225, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2014, 22 Seiten; auszugsweise als: Die Europa-Rettung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 64, 17.März 2014, Seite 6; um eine Podiumsdiskussion erweitert in: Xuewu Gu/Hanns Jürgen Küsters (Hrsg.), Was Deutschland und die Welt im Innersten zusammenhält. Politik und Intellektuelle in der deutschen Zeitgeschichte und die Rolle Deutschlands in einer globalisierten Welt, Sankt Augustin/Berlin 2015, Seite 39 ff.; auf Englisch als: The Proto-Constitutional Establishment of European Domestic Policy. Germany and the Conditions for Federal Order in Europe, in: Christian Koenig/Ludger Kühnhardt (eds.), Governance and Regulation in the EU: A Reader, Baden-Baden, 2017, Seite 13 ff. 190. Neighbors and other realities. The Atlantic civilization and its enemies, ZEI Discussion Paper C 228/2015, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2015, 20 Seiten; auszugsweise als: How the EU can deal with chaos on its borders, in: The OMFIF Commentary, 20.November 2014, Vol.5, Ed. 47/2, online unter: www.omfif.org/intelligence/ the-commentary, und: in: ZEI Insights, December 2014, online unter: www.zei.uni-bonn. de/forschung/die-zukunft-der-europaeischen-union/zei-insights-1; Eurasian heartland or Atlantic civilization: The Ukrainian war of cultures, in: AICGS Advisor Newsletter, Washington D.C., 16. September 2014, online unter: http://www.aicgs.org/issue/eurasianheartland-or-atlantic-civilization-the-ukrainian-war-of-cultures; The Atlantic Civilization and Its Enemies, in: The Globalist, Washington D.C., 25.September 2014, online unter: www. theglobalist.com/the-atlantic-civilization-and-its-enemies; auch als Interview mit Australian Radio National, 27.Oktober 2014, online unter: http://www.abc.net.au/radionational/

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programs/counterpoint/the-atlantic-civilizationand-its-enemies/5839060; The Achilles Heel of the West, in: The Globalist, Washington D.C., 28.September 2014, online unter: www. theglobalist.com/the-achilles-heel-of-the-west-2; Ukraine: survival as a human right, in: The Globalist, Washington D.C., 7.Oktober 2014, online unter: www.theglobalist.com/ukrainesurvival-as-a-human-right; Not Cold War II, but toward World War III?, in: The Globalist, Washington D.C., 15.November 2014, online unter: www.theglobalist.com/not-cold-warii-but-toward-world-war-iii/#disqus_thread; The World’s new Thirty Years War, in: The Globalist, Washington D.C., 16.November 2014, online unter: www.theglobalist.com/worldnew-thirty-years-war/. 191. World War I: Lessons learned and lessons threated, WAI-ZEI Paper, Nr. 21, Praia/Bonn: West Africa Institute/Center for European Integration Studies, 2015, 16 Seiten, online unter: www.zei.uni-bonn.de/forschung/zei-westafrika-projekt/veroeffentlichungen und: www. westafricainstitute.org/index.php/en/2012-11-08-18-10-01/2012-11-15-18-40-40. 192. Die EU und die Kultur der Minderheiten, in: Bernhard Vogel(Hrsg.), Heimat-VaterlandEuropa. Festschrift zum 70.Geburtstag von Hans-Gert Pöttering, Köln/Weimar/Wien 2015, Seite 341 ff. 193. The EU and the ACP countries, in: Harald Badinger/Volker Nitsch (ed.), Routledge Handbook of the Economics of European Integration, Milton Park 2015, Seite 238 ff. 194. Obama, Merkel, and the questions nobody asked, in: Wilson Quarterly, Winter 2016, online unter: wilsonquarterly.com/quarterly/the-post-obama-world/obama-merkel-and-thequestions-nobody-asked/ (23.Februar 2016). 195. Deutschland, zwei Europas und die Atlantische Zivilisation, in: Tilman Mayer (Hrsg.), In der Mitte Europas. Deutschlandforschung aus nationaler und internationaler Perspektive, Berlin 2016, Seite 47 ff. 196. Maturing beyond Cotonou: Toward an EU-ACP Association Treaty for Development. A proposal for reinventing EU relations with the African, Caribbean and Pacific (ACP) Group of States, ZEI Discussion Paper, C 235, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2016, 71 Seiten, online unter: www.zei.uni-bonn.de/publikationen/zei-discussionpaper-2. 197. Respekt vor Biographien: Die deutschen Universitäten im Einigungsprozess. Reflexion der Jahre in Jena (1990–1992), in: Matthias Steinbach/Michael Ploenus (Hrsg.), Erinnerung sichtbar machen. Braunschweiger Vorträge zur Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands 2009/2010, Frankfurt 2016, Seite 125 ff. 198. Die Europäische Union zu Beginn des 21.Jahrhunderts, in: Sächsischer Landtag (Hrsg.), Miteinander in Mitteleuropa: gestern, heute, morgen/Tagung des Forum Mitteleuropa in Budapest, 23.September 2016, Dresden 2017, Seite 66 ff.; in ungarischer Sprache als:Az Európai Unió a 21.század elején, in: Sächsicher Landtag(Hrsg.), Egütt KözépEurópában: tegnap, ma és holnap, A Szász Tartományi Parlament által életre hivott KözépEurópa Fórum, Budapest 23-án szeptember 2016, Dresden 2017, Seite 66 ff.; Nachdruck in: Matthias Rößler (Hrsg.), Mitteleuropa: Ansichten, Einsichten, Aussichten, Dresden: Sächsischer Landtag, 2019, Seite 165 ff. 199. Weltfähig werden. Die Europäische Union nach dem Biedermeier, ZEI Discussion Paper C 242, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2017, 26 Seiten; Nachdruck als: Deutschland, Europa und Globalisierung, in: Michael Reitemeyer et al. (Hrsg.),

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Politische Bildung stärken – Demokratie fördern. Beiträge zur Geschichte und Aktualität von politischer Bildung, Frankfurt/Main 2017, Seite 61 ff. 200. Demokratie und Recht. Spannungsverhältnisse in der EU, in: Ronald Grätz (Hrsg.), Kann Kultur Europa retten?, Bonn 2017, Seite 101 ff.; auf Ungarisch als: Demokrácija és jog. Feszültségek az Európai Unióban,in: Habsburg Ottó Alapitvány (ed.), Nemzetközi konferencia helyett. A Schuman-terv hetvenedik évfordulóján, Budapest 2020, online unter: http://habsburgottoalapitvany.hu/wp-content/uploads/2020/05/STI-HOAL-SchK%C3%BChnhardt-2020-05-09.pdf. 201. Die Europäische Union und das Weltflüchtlingsproblem, in: Manuel Becker/Volker Kronenberg/Hedwig Pompe (Hrsg.), Fluchtpunkt Integration. Panorama eines Problemfeldes, Wiesbaden 2017, Seite 101 ff. 202. Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI), in: Thomas Becker/Philipp Rosin (Hrsg.), Die Natur- und Lebenswissenschaften – Geschichte der Universität Bonn – Band 4, Göttingen 2018, Seite 656 ff. 203. The New Silk Road. The European Union, China and Lessons Learned, ZEI Discussion Paper C 245, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2018, 18 Seiten. 204. Menschenrechte und Europa. Christlich-liberale Aussöhnung und neue Anforderungen an den Humanismus in: Lutz Haarmann/Robert Meyer/Julia Reuschenbach (Hrsg.), Von der Bonner zur Berliner Republik – Politik im Spiegel praktischer Wissenschaft, Festschrift für Tilman Mayer zum 65. Geburtstag, Baden Baden, 2018, Seite 13 ff. 205. Europa: Raumbegriff und Grenzbewusstsein, in: Peter Becker/Barbara Lippert (Hrsg.), Handbuch Europäische Union, Wiesbaden 2020, Seite 289 ff. 206. (mit Philippe de Lombaerde und Mario Filadoro), Re-shaping global borders: EU trade policy and the interregional preference, in: Sangeeta Khorana/Maria Garcia (eds.), Handbook on the EU and International Trade, Cheltenham: Edward Elgar, 2018, Seite 263 ff. 207. Was braucht es, um die Bürger wieder für die EU zu begeistern?, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, Vol.29, 1/2019, Seite 87 ff.; online unter: www.doi.org/10.1007/s41358-01900168-5. 208. Hans-Peter Schwarz, Die neue Völkerwanderung nach Europa. Ein Vermächtnis zur Neujustierung von Interessen und Idealen, in: Dominik Geppert/Hans Jörg Hennecke (Hrsg.), Interessen, Werte, Verantwortung. Deutsche Außenpolitik zwischen Nationalstaat, Europa und dem Westen, Paderborn 2019, Seite 49 ff. 209. The European Archipelago. Rebranding the Strategic Significance of European Overseas Countries and Territories, ZEI Discussion Paper C 255, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2019, 84 Seiten. 210. The geopolitical environment in the 21st century. Challenges for the European Union, in: Tamas Péter Baranyi/Péter Stepper (eds.), NATO in the 21st Century. A Central European Perspective, Budapest: Antall Jószef Knowledge Center, 2019, Seite 28 ff. 211. The post-Coronavirus world. A future research agenda in a dynamic multi-level mode, in: Stephen Calleya (ed.), Towards a Post-Pandemic Euro-Mediterranean Strategy, Malta: MEDAC, 2020, Seite 148 ff.; ergänzt und erweitert als: The post-corona world. A research agenda. ZEI Discussion Paper C 267. Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2021, 46 Seiten, online unter: https://www.zei.uni-bonn.de/dateien/discussion-paper/DP-2672021.pdf; auszugsweise als: The post-corona world. A future research agenda for historians and others, in: Zsusanna Varga/Tamás Melkovics (eds.), Szabad nemzet, szabad hazában.

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Tanulmanyok a polgári átalakulás és a nemzeti modernizáció kérdéseiröl Erdödy Gabor 70.születésnapjára, Budapest 2021, Seite 351 ff. 212. Auf dem Weg zur europäischen Souveränität, in: Institut für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim (Hrsg.), In Europa zu Hause. Festschrift für Michael Gehler zum 60. Geburtstag, Hildesheim 2022, Seite 93 ff. 213. Commission Priority 4: A Stronger Europe in the World (2021), in: Future of Europe Observer (FEO), vol.10, No.1/March 2022, Seite 8 f. 214. The Searcher, Walter Schweidlers „Wiedergeburt“, in: Jahrbuch Politisches Denken, Band 31, 2022, S. 121 ff. 215. „Ausspielung der Barbaren“. Die geisteswissenschaftliche Fundierung der internationalen Politik im Werk von Xuewu Gu, in: Hendrik W. Ohnesorge (Hrsg.), Macht und Machtverschiebung. Schlüsselphänomene internationaler Politik, Festschrift für Xuewu Gu zum 65. Geburtstag, Berlin/Boston, 2022, Seite 3 ff. 216. Europas Sicherheit, die Zukunft der Ukraine und die „russische Frage“. ZEI Discussion Paper C 274, Bonn. Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2022, 73 Seiten; in Italienisch als: La sicurezza europea, il futuro dell’Ucraina e la „questione russa“. Vigoni Paper 5/2022, 86 Seiten. 217. Zwischen den Zeiten. Politikwissenschaft als Beruf – Zwischenbilanz und Ausblick, in: Ludger Kühnhardt (Hrsg.) Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Politikdialog/Bonner Europadialog (1994–2023), Baden-Baden 2023, S. 747 ff. 218. „Bleibender Erkenntnisgewinn entspringt einer sorgfältigen Ursachenanalyse“. Im Gespräch mit Michael Gehler, Seite 685ff. in: Michael Gehler/Deborah Cuccia/Jakob Iser/Philipp Strobl (Hrsg.), Geschichte Europas. Seine Desintegration und Integration schreiben. Vorläufer, Perzeptionen und Perspektiven der europäischen Idee. Hildesheimer Europagespräche VII. Teilband 2.Hildesheim: Georg Olms, 2023. 219. Die Päpste, Europas Einigung und ein zerrissener Kontinent. Eine Zwischenbilanz im Lichte der gegenwärtigen Krisen in Kirche und Welt, ZEI Discussion Paper C 277, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2023, 85 Seiten.

220. Die Ambivalenz des Fortschritts. Freiheit unter globalen Bedingungen weiterdenken, ZEI Discussion Paper C 283, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2024, 70 Seiten.

Publizistische Kommentare und Diskussionsbeiträge  1. Stellungnahme, in: Matthias Wissmann/Rudolf Hauck (Hrsg.), Jugendprotest im demokratischen Staat. Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Stuttgart/ Bonn, 1983, Seite 428 ff.; auch als Parlaments-Drucksache 63/1, Bonn: Deutscher Bundestag, 1982, Seite 10 ff.  2. Flüchtlingslager sind schwelende Zündsätze der Weltpolitik, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 50, 28.Februar1984, Seite 9   3. Jeder Arme ist unser Freund – weltweite Verantwortung und wirtschaftliche Möglichkeiten, in: Frieden und Gerechtigkeit – wie sichern wir den inneren und äußeren Frieden?, Schriftenreihe der Jungen Union, Trier, Heft 3/1982, Seite 25 ff.

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 4. Japan: the most successful developing nation, in: The Ichigaya Times (Sophia University Tokyo), No.7, Summer 1984, Seite 4   5. Japan and the refugees (auf Japanisch), in: Trial and Error (Japan Volunteer Service, Tokyo), No.53, Winter 1984, Seite 31  6. Les Allemands après le sommet, in: Journal de Genève, (I) 9.Dezember 1985, (II) 10.Dezember 1985, Seite 1  7. Strategie de l’espace. Bonn et l’IDS: l’art d’eluder les problèmes, in: Journal de Genève, 3.Februar 1986, Seite 1   8. Gastkolumne: Demokratie gilt nicht nur für den Westen, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 25, 14. Juni 1986, Seite 22   9. Les sociaux-democrates dévorés par leurs zizanies, in: Journal de Genève, 14.Juli 1986, Seite 1 10. Réfugiés en pagaille: un coup tordu de Berlin-Est, in: Journal de Genève, 5.September 1986, Seite 1 11. Interview: „Die Rückkehr sollte freiwillig sein“ (auf Türkisch), in: Hürriyet (Istanbul), 23.Oktober 1986 12. Europe: The third dimension, in: IR-Journal (University of Chicago), Vol. II, No.1, Autumn 1986, Seite 12 ff. 13. Gastkolumne: Demokratie als Christenpflicht, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 42, 10.Oktober 1986, Seite 22 14. L’avenir des verts: même les utopies sont mortelles, in: Journal de Genève, 27.Oktober 1986, Seite 1 15. La république fédérale et l’Europe centrale, in: Journal de Genève, (I) 5.Januar 1987, (II) 06.Januar 1987, Seite 1 16. Gastkolumne: Würde für den Campesino, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 4, 23.Januar 1987 17. Kommentar zur Bundestagswahl 1987 (auf Japanisch), in: Nihon Keizai Shimbun (Tokyo), 5.März 1987 18. Die Berliner Mauer – sie trennt, was zusammengehört, in: Inter Nationes, Exclusiv Material Nr. 10/1987 (auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch); Nachdruck in El Pais, Montevideo, 13.08.1987, El Dia, Montevideo, 15.08.1987, Argentinisches Tageblatt, 15.8.1987, Gazette Newspapers, Florida, 13.08.1987, Zürichsee-Zeitung, 13.08.1987. 19. Politische Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland hat sich bewährt, in: Inter Nationes, Exclusiv Material, Nr. 6/1988 (auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch); Nachdruck in: Argentinisches Tageblatt, 21.Mai 1988; El Seminario Israelita, Buenos Aires, 19.05.1988; El Nuevo Diario, Managua, 23.05.1988, La Voz de Interior, Cordoba, Argentinien, 28.04.1988; The Sunday Times, Singapur, 21.05.1988; Elima, Kinshasa, 21.05.1988; Le Renouveau, Bujumbura, 24.05.1988; El Telegrafo, 21.05.1988. 20. Diskussionsbeitrag: Offene Gesellschaft und offene Kultur, in: Michael Zöller (Hrsg.), Der Preis der Freiheit. Grundlagen, aktuelle Gefährdungen und Chancen der freien Gesellschaft. Symposium der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung, Köln 1988, Seite 172 ff. 21. 40 Jahre Grundgesetz und die Idee Europa, in: Europa kommunal. Hrsg. vom Rat der Gemeinden Europas, 13.Jg., Heft 1, März 1989, Seite 4 ff.

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22. 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland: Auf die Westintegration folgte die Aussöhnung mit Osteuropa, in: Inter Nationes, Exclusiv Material, Nr. 5/1989 (auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch): Nachdruck in: New Nigerian, Lagos, 14.Juni 1989. 23. Fernsehinterview: Germany and Nuclear Weapons, in: „ABC-Nightline“ (USA), 29.Mai 1989 24. Gastkolumne: Ihre sind unsere Sorgen, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 31, 4.August 1989, Seite 20 25. Dritte Welt – Hilfe zur Selbsthilfe. Eigeninteresse oder Entwicklungsinteresse?, in: Das Parlament, 39.Jg., Nr. 32–33, 4./11.August 1989, Seite 17 26. World politics and world economy in flux. Summary report of the First Trilateral Conference Atlantik-Brücke/Woodrow Wilson International Center for Scholars/India International Center, New Delhi 1.–5.November 1989, hrsg. von der Atlantik-Brücke, Bonn 1989, 13 Seiten 27. Im Westen verankert, nach Osten offen. Grundzüge und Leitlinien der Außen- und Deutschlandpolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: Inter Nationes Sonderdienst 08/1989 (auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch), 35 Seiten; auszugsweise Nachdruck in: The Jordan Times, 23.Mai 1979, Seite 5 28. Die Stiefkinder wollen in den Schoß der Familie. Die Wiedervereinigung Europas und wie sie aussehen soll, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 3, 19.01.1990, Seite 8 29. Gastkolumne: Die Natur als Schrittmacher, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 17, 27.04.1990, Seite 30 30. Die Europäische Gemeinschaft: Aufbruch in die Zukunft, in: Das Zeitbild: Europa, Sonderheft Juni 1990, Seite 2 ff. 31. Europa auf dem Weg zur Sozialgemeinschaft, in: Das Zeitbild: Europa, Sonderheft Juni 1990, Seite 10 ff. 32. Personalisierung prägt die Wahlkampfstrategie, in: Westfälische Nachrichten, Nr. 268, 17.November 1990 33. Fernsehinterview: Great Britain in Europe, in: The World this week, ITV/Channel 4 (London), 17.11.1990 34. Fernsehinterview: Germany after the elections, in: European Journal, PBS (USA), 2.Februar1990. 35. Wer bestimmt sich selbst? Zum Verhältnis von individuellen Rechten und Volksrechten, in: Saarländischer Rundfunk, Fragen zur Zeit, 22. Juni 1991. 36. Menschenrechte als oberster Maßstab. In der südafrikanischen Verfassungsdiskussion fällt dem Westen eine wichtige Aufgabe zu, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 42, 18. Oktober 1991. 37. Von den Chancen der Freiheit. Verantwortliches Handeln in der pluralistischen Gesellschaft, in: Gabriele Gräfin Plettenberg (Hrsg.), Familie – aber wie? Dokumentation des internationalen Familienkongresses Dresden 3. Oktober 1991, Stuttgart/Bonn 1992, Seite 68 ff. 38. Bericht: Seminar „Menschenrechte und ihre Grundsätze“, 09. bis 12. September 1991 in Teheran, in: Orient. Zeitschrift des Deutschen Orient-Instituts, 32. Jg., Heft 4/1991, Seite 521 ff. 39. Interview: Europa der Bürger oder der Politiker? Ein Kontinent auf der Suche zu sich selbst; in: Sächsische Zeitung, Dresden, 12. Juni 1992, Seite 3 40. Interview: Zur Lage im Baltikum nach der Einführung einer estnischen Währung, in: Deutschlandfunk, Informationen am Morgen, 22. Juni 1992.

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41. Europa in globaler Verpflichtung, in: Michael Zöller (Hrsg.), Europäische Integration als Herausforderung der Kultur: Pluralismus der Kulturen oder Einheit der Bürokratien?, 5. Kongreß der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung, Erfurt 22.–24.Mai 1991, Essen 1992, Seite 234 ff. 42. Report on Working Group II: The European Union after Maastricht, in: Policies for Europe in Transition. The 42nd Königswinter Conference, St. Catharine’s College Cambridge, March 26–28, 1992, Luton o. J. (1992), Seite 34 ff. 43. Für wen gelten welche Rechte? Ethischer Universalismus und kultureller Relativismus in der Menschenrechtsdiskussion, in: Saarländischer Rundfunk, Fragen zur Zeit, 24.10.1992 44. Kaliningrad sucht seinen Standort im neuen Europa, in: Badische Zeitung, Nr. 239, 15. Oktober 1992. 45. Interview: Zur Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Radio FR 1 (Freiburg), 4. November 1992 46. Die neue europäische Revolution. Akt vier des Dramas ist völlig offen, in: Rheinischer Merkur, Nr. 1, 1. Januar 1993, auszugsweiser Nachdruck in: Ettersburger Gespräche: Deutschland und seine östlichen Nachbarn, herausgegeben vom Thüringer Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, Weimar 1993, Seite 44 ff. und als: Kommentar: Das Drama ist offen, in: Thüringische Landeszeitung, 30.Juni 1993 47. Für ein neues Wahlrecht. Verfassungsreform gegen Staatsverdrossenheit, in: Rheinischer Merkur, Nr. 12, 19. März 1993 48. Das imposante Urgestein von Monticello. Zum 250. Geburtstag von Thomas Jefferson, in: Rheinischer Merkur, Nr. 15, 9. April 1993, Seite 6 49. Diskussionsbeiträge, in: Bergedorfer Gesprächskreis zu Fragen der freien industriellen Gesellschaft, Protokoll Nr. 98: Orientierungskrise in Politik und Gesellschaft? Perspektiven der Demokratie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Hamburg 1993, passim. 50. Die deutschen Universitäten – das letzte Kuba, in: Die Welt, Nr. 166, 20. Juli 1993, S. 5 51. Interview: Zum Problem des Mehrheitswahlrechts, in: Radio 1YA, Morning Report(Neuseeland), 8.September 1993 52. Interview: Zum Problem des Mehrheitswahlrechts, in: Radio Pacific (Neuseeland), 8.September 1993 53. Rundfunkdiskussion: Zum Problem des Mehrheitswahlrechts, in: Radio 1YA, (Neuseeland), 9.September 1993 54. Rundfunkdiskussion: Zum Problem des Mehrheitswahlrechts, in: Radio Pacific (Neuseeland), 14.September 1993 55. Vor dem Superwahljahr 1994: Vom wahren Ort der Politik, in: Rheinischer Merkur, Nr. 53, 31. Dezember 1993, Seite 4; Nachdruck in: Blickpunkt Freiburg, März 1994. 56. Ein halbes Jahrhundert nach dem 20.Juli, in: Die Welt, Nr. 169, 22.Juli 1994, Seite 7 57. Wendezeit? Vor dem CDU-Parteitag in Hamburg: Was ist aus der „geistig-moralischen Wende“ von 1982 geworden?, in: Rheinischer Merkur, Nr. 7, 18. Februar 1994, Seite 3; Nachdruck in: CDU Intern. Hochschwarzwald, Nr. 9, September 1994, Seite 1 f. 58. Die Gunst der Stunde nicht verpassen. Euro-Protektionismus befördert nur neue nationalistische Töne im Osten, in: Die Welt, Nr. 47, 25. Februar 1994, Seite 7. 59. Wer fokussiert die Außenpolitik?, in: Die Welt, Nr. 91, 20. April 1994, Seite 7 60. Umgang mit der SED-Erblast, in: Die Welt, Nr. 101, 2. Mai 1994, Seite 5

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61. Wissenschaft und Glaube: Kraftquellen der Weisheit, in: Rheinischer Merkur, Nr. 26, 1. Juli 1994, Seite 24 62. Radio-Interview: Universalität der Menschenrechte und europäische Identität, in: HFN (Zusammenschluss von siebzig privaten Rundfunkstationen in Deutschland), Dezember 1994 63. Im Denken muß sich der Wandel vollziehen: Deutschland vor neuen Aufgaben – Was in der nächsten Regierungserklärung stehen sollte, in: Die Welt, 14.Oktober 1994, Seite 7 64. Hat die Linke eine Zukunft in Deutschland?, in: Die Welt, 10.August 1994, Seite 5 65. Vom Nutzen und Leid der Politischen Wissenschaft, in: Die Welt, 20./21. August 1994, Seite 8 66. Politikerschelte als Gesellschaftsspiel?, in: FOCUS, Nr. 42/1994, 17.Oktober 1994, S. 90 67. Diskussionsbeitrag, in: Arnulf Baring/Rupert Scholz (Hrsg.), Eine neue deutsche Interessenlage? Koordinaten deutscher Politik jenseits von Nationalismus und Moralismus. Symposium der Hanns Martin Schleyer Stiftung, Köln 1994, Seite 68 f. 68. Volksparteien Garant für soziale Integration, in: Märkische Oderzeitung, 5.12.1994. 69. Europa vor der Maastricht II-Regierungskonferenz, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 5.Februar 1995; ergänzend: Interview: „Deutschland ist wieder eine Supermacht“, in: Aydinlik (Ankara), 11.März 1995. 70. Schwarz-Grüne Zeiten? In den Kommunen erfolgt die politische Erneuerung Deutschlands, in: Die Welt, Nr. 40, 16.Februar 1995, Seite 7; Nachdruck in: Die Entscheidung, Nr. 3/1995, Seite 8 f. 71. Interview: Bürgerliche Mehrheit oder Linksunion?, in: Civis. Vierteljahresschrift für eine offene und solidarische Gesellschaft, Nr. 1/März 1995, Seite 10 ff. 72. Die Schwierigkeiten des Westens mit dem Osten, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 11.Juni 1995 73. Europa ist nichts ohne die USA, in: Die Welt, Nr. 138, 16.Juni 1995, Seite 7 74. Die Banalität des Guten, in: Die Welt, 1.Juli 1995, Seite G2(Geistige Welt) 75. Rundfunkdiskussion: Was hält unsere Gesellschaft noch zusammen?, in: Südfunk 2, Forum, Sendetermin: 24.April 1995. 76. Zeit der Rhetorik ist vorbei. Die Schwierigkeiten mit dem Osten – Klare Zeitpläne nötig, in: Die Welt, 26.Oktober 1995, Seite 9 77. Diskussionsbeiträge, in: Bergedorfer Gesprächskreis zu Fragen der freien industriellen Gesellschaft(Hrsg.), Protokoll 104: Europa – aber wo liegen seine Grenzen?, Hamburg 1995, passim. 78. Moral galt ihm mehr als Machtsinn. Immanuel Kant wies der Menschheit einen schwierigen Weg zum Frieden, in: Die Welt, 23.Dezember 1995, Seite G1(Geistige Welt) 79. Diskussionsbeitrag, in: Bundesverband der deutschen Banken (Hrsg.) 2.Niederschönhauser Gespräch, Sozialstaat und Bürgerfreiheit, Köln o. J. (1995), S. 74 f. 80. Interview: Das deutsche Parlament hat die Handlungen Rußlands in Tschetschenien scharf kritisiert, in: Panorama (Almaty), 9.März 1995, Seite 5 81. Interview: Die Luftdrachen erheben sich dann, wenn es Gegenwind gibt (Zur EU-Einschätzung der Politik Rußlands), in: Stolychichnay Oprosy (Hauptstädtische Nachrichten), Almaty, 30.März 1995, Seite 7 82. Wider die modische „Euro“-Schelte, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendedatum: 4.August 1996 83. Wieviel Bytes verträgt die Demokratie? Info-Gesellschaft funktioniert nicht ohne den Staat, in: FOCUS, Nr. 37/1996, 9.September 1996, Seite 75

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 84. Informationsgesellschaft: Cyberland statt Vaterland, in: Rheinischer Merkur, Nr. 40, 4.Oktober 1996, Seite 34; Wieviel Bytes verträgt der Staat?; erweitert in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 357, Mai 1997, Seite 34 ff.; und in: KI. Luft- und Kältetechnik, 33.Jahrgang, Nr. 3/1997, Seite 100 ff.  85. Menschenrechte und Demokratie – Antinomien und Berührungspunkte, in: Politische Studien, 47.Jahrgang, Nr. 349, September/Oktober 1996, Seite 91 ff.   86. Essay: Dann lieber Kant auf Englisch, in: Die Welt, 2.März 1996, Seite G3 (Geistige Welt)   87. Erwartungen an die deutsche Außenpolitik, in: Die Welt, Nr. 51, 29.Februar 1996, Seite 4  88. Die Bomben als Sprengsätze der deutsch-französischen Beziehungen?, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 3.März 1996   89. Wie vertragstreu sind die Deutschen?, in: Die Welt, Nr. 176, 30.Juli 1996, Seite 4  90. Rhythmen der Politik. Vollziehen sich Umbrüche und Machtwechsel nach zeitlichen Gesetzmäßigkeiten?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 112, 14.Mai 1996, Seite 12.   91. Die unvollendbare Verfassung, in: Rheinischer Merkur, 51.Jahrgang, Nr. 22, 31.Mai 1996, Seite 5   92. Langer Atem, in: Das Bezirksjournal Berlin-Mitte, Nr. 3/Juni 1996, Seite 2   93. Bleibende Erinnerung, in: Ibbenbürener Volkszeitung, Sonderausgabe, 7.Juni 1996, S. 53   94. Der Platz von Bonn, in: Das Bezirksjournal Berlin-Mitte, Nr. 11/Oktober 1996, Seite 4   95. Ist die EU schuld am Sozialabbau?, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 27.Oktober 1996   96. Hochschulen: Die verlorene Ehre der Putzfrau, in: Rheinischer Merkur, 51.Jahrgang, Nr. 46, 15.November 1996, Seite 3   97. Globalisierung – vom Schlagwort zur Strategie, in: Die Welt, Nr. 279, 28.November 1996, Seite 4   98. Der Westen im Transit, in: Das Bezirksjournal Berlin-Mitte, Nr. 15, Dezember 1996, S. 2.   99. Adild ad NATO, VES og ESB stydur hver adra (Die Allianzen von NATO, WEU und EU stützen sich gegenseitig), Interview in: Morgunbladid (Reykjavik), 18. Februar 1997, Seite 8 100. Der Fragebogen, in: Forschung & Lehre, Nr. 3/1997, Seite 168 101. Freiheit, die sich auf den Bürger stützt. Die Kommune als Hohe Schule der politischen Vertrauensbildung, in: Die Welt, 1.März 1997 (Geistige Welt), Seite G 1 102. Die Idee des Friedens geltend machen. Karl Dietrich Bracher vollendet am 13.März sein 75.Lebensjahr, in: Rheinischer Merkur, Nr. 10, 7.März 1997, Seite 2; Nachdruck als Teil des Sammelaufsatzes: Wehrhaft muß die Demokratie sein. Zum 75.Geburtstag von Karl Dietrich Bracher, in: CIVIS. Vierteljahresschrift für eine offene und solidarische Gesellschaft, Nr. 1/1997, Seite 33 ff. 103. Hochschaukeln schadet deutsch-türkischer Politik, in: Die Welt, 16.April 1997, Seite 4; Bericht dazu in: Sabah, 17.April 1997, Seite 9 und in Hürriyet, 17.April 1997 104. Europäisch-türkische Zukunft definieren, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 24.Mai 1997. 105. Report: International Order and Democratic Foreign Policy (Panel III), in: Atlantik-Brücke (Hrsg.), East-West-Issues XVIII: Towards a redefinition of the German-American Partnership. The Eighteenth German-American Biennial Conference, Freiburg 1996, Seite 150 ff. 106. Europamacht USA, in: Das Bezirksjournal Berlin-Mitte, 2.Jahrgang, Nr. 7, April 1997, Seite 2

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107. Between two social contracts: about some debates, taboos and faces of change in current Germany, in: Atlantik-Brücke e. V., Rundschreiben Nr. 5/1997, Bonn 30.April 1997 108. EU-Erweiterung: Die Nächsten, bitte! (mit Hans-Gert Pöttering), in: Rheinischer Merkur, Nr. 28, 11.Juli 1997, Seite 6 109. Der Islam bei uns, in: Das Bezirksjournal Berlin-Mitte, 2.Jahrgang, Nr. 10/Juni 1997, S. 2. 110. Die Ost-Erweiterung klug organisieren, in: FOCUS, Nr. 50/1997, 8.Dezember 1997, S. 58 111. Den Blick auf Europa als Ganzes richten, in: Die Welt, Nr. 288, 10.Dezember 1997, S. 4 112. Die Türkei als logischer Partner Europas, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 290, 13./14. Dezember 1997, Seite 4 113. Türkei: Mehr Toleranz, bitte. Die EU-Mitgliedschaft darf keine weltanschaulich-religiöse Frage sein, in: Rheinischer Merkur, Nr. 1, 2.Januar 1998, Seite 5. 114. Die „baltische Frage“ verlangt eine Antwort, in: Die Welt, 11.Juli 1997, Seite 4 115. Europa und die amerikanische Herausforderung, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 12.Oktober 1997 116. Zentralasiens Erwachen, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 23.November 1997 117. Die EU und das Türkei-Debakel, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 15.Februar 1998 118. Diskussionsbeiträge, in: Bergedorfer Gesprächskreis (Hrsg.), Im Kreuzungspunkt der Kräfte – Die Türkei in einer veränderten politischen Umwelt, Protokoll Nr. 109, Hamburg 1997, passim. 119. Auf den EURO folgen zwei weitere Visionen, in: Die Welt, Nr. 72, 26.März 1998, Seite 4 120. EU: Wo Erweiterung und innere Reform kollidieren: Verwerfung in Sicht, in: Rheinischer Merkur, Nr. 15, 10.April 1998, Seite 3 121. Interview: „Un passo decisivo verso l’unione politica“, in: Avvenire (Mailand), 1.5.1998 122. Kulturen und Werte können Brücken schaffen, in: Die Welt, 2./3.Oktober 1997, Seite 4 123. Ein Motor für die Integration. Die Markt-Union braucht politische Visionen, in: Frankfurter Rundschau, 23.April 1998 124. Interview: „Eigener Spiegelstrich“. Über Europas Chancen als Weltmacht, in: Wirtschaftswoche, Nr. 19, 30.April 1998, Seite 40 125. Nur wirklich bedürftige EU-Regionen unterstützen, in: FOCUS, Nr. 25/1998, 15.Juni 1998, Seite 86 126. Die EU vor grossen Reformerfordernissen. Stark befrachtete Agenda der Osterweiterung, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 163, 17.Juli 1998, Seite 4 127. Winding-up address, in: A Europe that works/Europa voran bringen. The 48th Königswinter Conference, March 26–28,1998, Edinburgh, London o. J.(1998), Seite 80 ff. 128. Von der Wiedervereinigungsklausel zur Europaformel. Wie das Grundgesetz die kommende Verfassung Europas vorbereitet, in: Die Welt (Geistige Welt), 5.September 1998, Seite 3. 129. Russland muss sich selbst entscheiden, in: Die Welt, 26.September 1998, Seite 4 130. Europa: Parteien in der Pflicht, in: Die Entscheidung, 46.Jahrgang, Nr. 11/November 1998, Seite 16 f. 131. Liegt im Föderalismus eine Chance für Rußland?, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 25.Oktober 1998. 132. Der Euro kommt, in: Bezirksjournal Berlin-Mitte, November 1998, Seite 2

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133. Interview: Dryfujacy kontynent, in: wprost (Warschau), Nr. 48, 29.November 1998, Seite 110 f. 134. Report: Revising the Social Contract, in: Atlantik-Brücke e. V. (ed.), East-West-Issues XIX. The Nineteenth German-American Conference 1997 Richmond, Freiburg 1998, Seite 62 ff. 135. Bonn muss Zeitplan für Osterweiterung einhalten. Rot-Grün darf EU-Beitrittskandidaten nicht verunsichern, in: FOCUS, Nr. 52, 19.Dezember 1998, Seite 40 136. Einführung, in: Andreas Beierwaltes (Hrsg.), Lernen für das neue Europa. Bildung zwischen Wertevermittlung und High-Tech, Baden-Baden 1998, Seite 7 ff. 137. Interview: Die Zukunft Europas, in: Radio Suomi, 16.Dezember 1998 138. Interview: Zur Rolle Deutschlands in Europa, in: Radio WBEZ(Chicago), 11.02.1998 139. Es geht um Deutschlands internationale Autorität. Herausforderungen an die EU-Präsidentschaft 1999 (mit Christoph Bertram, Josef Janning, Mathias Jopp, Karl Kaiser), in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 298, 23.Dezember 1998, Seite 11. 140. Interview: Zur europäischen Perspektive der Türkei, in: Türkiye, 19.Oktober 1997 141. Eine Verfassung muß den Rahmen bilden. Europas Union im Jahr 2020, in: Rheinischer Merkur, Nr. 1, 1.Januar 1999, Seite 3. 142. Europa-Kolumne: Nächstes Ziel ist eine europäische Regierung, in: Rheinischer Merkur, Nr. 3, 15.Januar 1999. 143. Berlin, Brüssel und alte Gespenster, in: Die Welt, 15.Januar 1999, Seite 10 144. Fernseh-Interview: Zur Agenda 2000, in: ZDF, Bericht aus Bonn, 21.März 1999 145. Interview: „Wir alle sind Europa“, in: Herder Korrespondenz, 53.Jahrgang, Heft 2/Februar 1999, Seite 75 ff. 146. Studiogespräch: Zur Entwicklung der Europäischen Union, in: WDR III (Bonn am Rohr), 2.März 1999. 147. Europa-Kolumne: Wie eine effiziente europäische Regierung aussehen könnte, in: Rheinischer Merkur, Nr. 9, 26.Februar 1999 148. Forumsdiskussion zur AGENDA 2000, in: Netherlands Institute of International Relations Clingendael (ed.), Die EU-Präsidentschaft Deutschlands. Ein Bericht zur Konferenz am 14.Januar 1999, Den Haag 1999, Seite 37 ff. 149. Nicht nur eine Region der Trostlosigkeit. Vor der zweiten Runde der Kosovo-Verhandlungen in Rambouillet (mit Ivan Krastev), in: General-Anzeiger(Bonn), 15.März 1999, Seite 4; auf Bulgarisch Nachdruck in: Democracia (Sofia), 16.März 1999 150. Interview: „Mehr Macht für das Parlament tut not“, in: Badische Zeitung (Freiburg), 17.März 1999, Seite 3 151. Die Verfassungskrise der Europäischen Union, in: Der Tagesspiegel (Berlin), 25.März 1999, Seite 10. 152. Interview zum Kosovo-Krieg: „Auf Peitsche folgt Zuckerbrot“, in: FOCUS, Nr. 14/1999, 3.April 1999, Seite 274 153. Dymisja nie szkodie (Rücktritt macht nichts! – Stellungnahme zum Rücktritt der EUKommission Santer:), in: Gazeta Wyborcza (Warschau), 17.März 1999 154. Wie der Balkan im Jahr 2010 aussehen könnte, in: Rheinischer Merkur, Nr. 15, 9.April 1999, Seite 8 155. Europa darf sich nicht länger selbst blockieren, in: Rheinischer Merkur, Nr. 21, 21.Mai 1999, Seite 5

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156. Europa hört nicht in den Alpen auf. Was ein Stabilitätspakt für den Balkan leisten muß (mit Ivan Krastev), in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 120, 27.Mai 1999, Seite 15 157. Interview: „Dialog der Kulturen“, in: Union. Das Magazin der CDU Deutschlands, Nr. 2/1999,Seite 9. 158. …und das ist ein Symptom für Brüssel, in: Die Welt, 26.Juni 1999, Seite 10 159. Europa-Disput: Der Europarat hat eine unverzichtbare Aufgabe, in: Rheinischer Merkur, Nr. 27, 2.Juli 1999, Seite 8. 160. Europa-Disput: Mehr Polarisierung täte Straßburg gut, in: Rheinischer Merkur, Nr. 33, 13.August 1999, Seite 8 161. Europa-Disput: Stimmen die Leitbilder in den Beitrittsländern?, in: Rheinischer Merkur, Nr. 40, 1. Oktober 1999 162. Interview: Rat von Europaforschern immer mehr gefragt, in: der forschungsdienst. Agentur für Wissenschaftsinformation, Nr. 18/99, 16. September 1999 163. Interview: „Europa hört doch nicht an den Alpen auf“, in: Rhein-Zeitung, 6. Oktober 1999. 164. Bericht aus der Arbeitsgruppe 3, in: Bundesrat (Hrsg.). 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent. Zur Struktur des deutschen Föderalismus, Bonn 1999, Seite 331 ff. 165. Europa-Disput: Die EU muss lernen, global zu denken, in: Rheinischer Merkur, Nr. 46, 12.November 1999, Seite 3. 166. Wie soll Europa verfasst sein?, in: Saarländischer Rundfunk, Europa zur Zeit, Sendetermin: 5.Oktober 1999. 167. El Sureste de Europa: De la gestion de crisis a la integracion, in: El Pais (Madrid), 10.Dezember 1999. 168. Europa-Disput: Einig im Menschenbild, in: Rheinischer Merkur, Nr. 52, 24.Dezember 1999, Seite 6 169. Europa – wie geht es weiter? Die Verfassungsfrage, in: Der Donauraum, 39.Jg., Nr. 1–2/1999, Seite 15 ff. 170. Hledani spolecne Evropy: iluze, prani, realita?, in: Revue Prostor (Prag), Nr. 43/44–1999, Seite 72 ff. 171. Neue CDU muss Kohls Europa-Vision folgen, in: Focus, Nr. 14/2000, 3.April 2000, Seite 100 172. Estonia 2000, in: Estonia. International Business Handbook 2000–2001, Tallinn 2000, Seite 18 f. 173. Gesprächsrunde zur Entwicklung der Europäischen Union, in: Phoenix, 07.09.2000 174. Interview: „Europako Batzordea Europako Gobernu bihurtu beharko dugu 2005ean“, in: Egunkaria (Andoain, Baskenland), 12.Dezember 2000, Seite 23 175. Diskussionsbeiträge in: Bergedorfer Gesprächskreis Nr. 118, Ein föderatives Europa ? Das politische Gesicht Europas im Zuge der Erweiterung, Hamburg 2001, passim 176. Funkhausgespräch „Ach Europa“ zur Entwicklung zur Europäischen Union, in: WDR III, 14.September 2000 177. Rundfunk-Interview: Zur Lage der Europäischen Union, in: Radio FM 95.5 (Bangkok), Sendetermin: 29.September 2000. 178. Gewinnt Europa an Dynamik? Die Europäische Union vor dem Gipfeltreffen in Nizza, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 279, 29. November 2000, Seite 10 179. Die Charta der Grundrechte als erster Schritt zu einer Verfassung? Die Vereinigten Staaten von Europa: Zukunftsvision zwischen Staatenbund und Bundesstaat, in: Das Parlament,

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51.Jahrgang, Nr. 1–2/2001, 12.Januar 2001, Seite 2; auszugsweise Nachdruck in: Michael Schelonke, Die Zukunft Europas – Europapolitik vor neuen Herausforderungen, Paderborn 2001, Seite 256 f. 180. Collegium Europaeum Jenense: Signal mit Bodenhaftung, in: Rheinischer Merkur, Nr. 4, 26.Januar 2001, Seite 10. 181. Introduction, in: Frank Ronge/Susannah Simon (eds.), Multiculturalism and Ethnic Minorities in Europe, ZEI Discussion Paper C 87/2001, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2001, Seite 9–12. 182. Zeitungsgespräch: Hart van het continent zet de toon, in: Accent. Reformatorisch Dagblaad, 7.April 2001, Seite 7. 183. Überzeugungsarbeit auf der Baustelle Europa, in: Handelsblatt, Nr. 95, 17.Mai 2001, S. 10. 184. Bundesstadt – Europastadt, in: Union Kurier. Mitgliederzeitung des CDU-Kreisverbandes Bonn, Nr. 5/Juni 2001, Seite 2 ff. 185. Die Universalität der Menschenrechte wird Realität, in: Die Welt, 25.Juni 2001, Seite 5 186. What kind of enlarged EU do we want? Challenges and Opportunities of the Eastern Enlargement, in: European Institute(ed.), The Challenges of EU Eastern Enlargement. Second Annual Conference, Sofia, 27th October 2000, Sofia 2001, Seite 23 ff. 187. Konturen des künftigen Europa: Vielstimmiges Konzert ohne gemeinsame Noten, in: Unternehmermagazin, 49.Jahrgang, Juni 2001, Seite 10 ff. 188. Diskussionsbeiträge in: Council of Europe (ed.), The European Identity: The Concept of Identity, Colloquy Strasbourg 17–18 April 2001/Summary, Strassburg 2001, passim (Mitglied des Vorbereitungskomitee) 189. Discussion: Elections in the EU and the ongoing democratic deficit, in: Deutsch-Englische Gesellschaft (ed.), Europe: Opportunities and New Uncertainties. The 51st Königswinter Conference, Berlin 2001, Seite 21 ff. 190. Good governance: Auf die Ergebnisse kommt es an, in: Europa Journal, 7.Jahrgang, Nr. 173, 27.November 2001, Seite 3 191. Schlusswort, in: Vortrag von Frau Professor Dr.Vaira Vike-Freiberga, Staatspräsidentin von Lettland „Republik Lettland und das Land Nordrhein-Westfalen – Partner in einem vereinten Europa“, Industrie-Club e. V. Düsseldorf, Heft 15/2001, Seite 10 ff. 192. Diskussionsbeiträge in: Council of Europe (ed.), The European Identity: From cultural identities to a European political identity, Colloquy Strasbourg, 20–21. September 2001, Strassburg 2002, passim (Mitglied des Vorbereitungskomitee). 193. Fernsehinterview: Das Weimarer Dreieck, in: N-TV, Der Morgen, 26.Februar 2001. 194. Fernsehinterview: Nach den Anschlägen, in: ZDF, ZDF-Spezial, 12.September 2001. 195. Studiogespräch: Terror gegen die USA, in: Phoenix, 17.September 2001 196. Studiogespräch: Kampf gegen den Terror, in: Phoenix, 12.Oktober 2001 197. Interview: Nicht Öl, nicht Sand – aber Salz!, in: irratio: Informationen und Anregungen für Hochschule und Kirche, 1/2002, Seite.20 ff. 198. Neue Weltordnung. Lasst uns den Kreis quadrieren, in: Rheinischer Merkur, Nr. 27, 4.Juli 2002, Seite 8. 199. NATO und EU vor der Osterweiterung, in SOE-Monitor (Task Force Südosteuropa am ZEI), Jahrgang 2, Nr. 4. Oktober 2002, Seite 1 f. 200. Interview: Enlargement and Convention: hot topics of Europe’s Agenda, in: ASERI – The Weekly Global In-Depth Review, in: www.aseri.it, 11.Februar 2003.

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201. Partnerschaft Europas und der USA gefährdet. Kampf um die Macht statt Kampf für die Menschenrechte, in: Focus, Nr. 11/2003, 10.März 2003, Seite 52. 202. Interview: Partnership only works among equals, in: Malta Business Weekly, April 11, 2003, Seite 6 f. 203. Deutschland: Partner oder Moralist? Frankreich und Großbritannien werden die bestimmenden Mächte Europas sein, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 17, 27.April 2003, Seite 12 204. Obituary: A great loss for Europe – Zoran Djindjic did not die in vain, in: SOE Monitor. Task Force South Eastern Europe at ZEI, Vol.3, No.2,April 2003, Seite 1 f. 205. Würdigung Tunne Kelam, in: Tunne Kelam, Eluloointervjuu – Valik artikkleid ja esinemisi, Tallinn 1999, Buch-Einband Innenseite. 206. Drei Lücken, ein Problem. Europa darf sich nicht gegen Amerika definieren: Für eine neue atlantische Gemeinschaft, in: Die Welt, 23.Juni 2003, Seite 9 207. Früher im Ausland Sorge über Deutschlands Stärke, heute Besorgnis wegen seiner Schwäche, in: Der Hauptstadtbrief (Berlin), Nr. 43, Juni 2003, Seite 26 ff. 208. Die Zerrissenheit Europas und die transatlantische Zukunft. Perspektiven nach dem Kalten Krieg des Westens, in: Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Reihe „Fokus Politik“, Sendetermin: 8.August 2003; erweitert als: Wieder Freundschaft nach dem Krieg? Reflexionen über das deutsch-amerikanische Verhältnis, in: FORUM. Vortragsreihe des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, Jg. 53, Nr. 37, 9.September 2003, 4 Seiten und in: Politische Studien, 54.Jahrgang, September/Oktober 2003, Seite 64 ff. 209. Deutschlands Rolle in der Welt: Riese ohne Realitätssinn, in: Rheinischer Merkur, Nr. 29, 17.Juli 2003, Seite 4; auch in: Thomas Gutschker (Hrsg.), Selbstbewusst und unberechenbar? Deutschlands neue Rolle in der Welt, München 2003, Seite 20 ff. 210. Diskussionsbeiträge, in: Hessische Staatskanzlei (Hrsg.), Unsere Zukunft Europa. Öffentlicher Kongress der Hessischen Landesregierung und der Stadt Frankfurt am Main, 6.November 2003, Paulskirche. Dokumentation, Wiesbaden 2004, passim. 211. Flucht und Vertreibung: Wie erinnern wir uns angemessen?, in: Fokus Politik, Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Sendetermin: 12.Dezember 2003, auch in: MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 435, November 2003, Seite 42 ff. 212. Marcas do pos-11 de Setembro, in: O Mundo em Portugues, Ano.IV, No.48/September 2003, Seite 10. 213. Cuba: Change is yet to come, in: WorldSecurityNetwork.com, 13.November 2003. 214. Diskussionsbeiträge in: Council of Europe (ed.), New global challenges for human rights and democracy, Colloquy Strasbourg 24–25 April 2003, Strassburg 2003, passim (Mitglied des Vorbereitungskomitees). 215. Verfassungsstreit: Totgesagte leben länger. Europa muss nicht scheitern: Die Union ist aus der Krise entstanden und an Krisen gewachsen, in: Rheinischer Merkur, Nr. 51–52/2003, 18.Dezember 2003, Seite 5. 216. Studiogespräch: 40.Jahrestag des Elysee-Vertrages, in: Phoenix, 22.Januar 2003. 217. Studiogespräch: Krieg gegen Irak, in: Phoenix, 22.März 2003. 218. Studiogespräch: Die EU und die Türkei, in: Phoenix, 3.September 2003. 219. Interview: Fiasko in Europa – wie geht es weiter in der EU?, in: Radio Polonia, 1.März 2004. 220. Studiogespräch: Deutschland und Amerika – die verfeindeten Freunde, in: Sender Freies Berlin, „Berliner Salon“, 5.Mai 2003. 221. Interview: Tre polmoni per l’Europa, in: Avvenire (Mailand), 10.Februar 2004.

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222. Einführung, in: Hans-Gert Pöttering, Von der Vision zur Wirklichkeit. Auf dem Weg zur Einigung Europas, Bonn 2004, Seite 11 ff. 223. Münster: Hauptstadt der Kultur? Stil und Substanz, in: Westfälische Nachrichten, 4.Mai 2004. 224. Das Mittelmeer verbindet. Perspektiven für Nahost – was Europa tun kann, in: Rheinischer Merkur, Nr. 34, 19.August 2004, Seite 7 225. Auswege für die EU aus der Sackgasse. Vertrauen in die wachsende Kraft des Konstitutionalismus, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 131, 8.Juni 2005, Seite 5 226. Europa: Die Chance der Krise, in: Rheinischer Merkur, Nr. 25, 23.Juni 2005, Seite 1. 227. Interview: Europa ohne Religion ist schlechterdings unmöglich, in: Die Tagespost, Nr. 71, 16.Juni 2005, Seite 1. 228. Interview: „Anti-Türkei-Leier hilft uns nicht“, in: Nürnberger Nachrichten, 13.September 2005 229. Südkorea: Science Fiction statt Morgenstille, in: Rheinischer Merkur, Nr. 42, 22.Oktober 2005, Seite 5. 230. Interview: Alemania, miedo a las reformas, in: La Prensa (Managua), 26.September 2005. 231. Interview: „Was macht eigentlich?“, in: Ibbenbürener Volkszeitung, Nr. 274, 25.11.2006 232. The Pope and Turkey, in: AICGS Monitor (American Institute for Contemporary German Studies, Washington D.C.), 7.Dezember 2006, online unter: www.aicgs.org/analysis/c/ kuehnhardtz120706.aspx; auch in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.3/No.1- March 2007, Seite 6. 233. Interview: Europa muss sich neu erfinden, in: Die Neue Stadt, Nr. 1/2007, Seite 4 ff. 234. Europa: Eine Utopie als Geschenk, in: Rheinischer Merkur, Nr. 12, 22.März 2007, S. 7. 235. Interview: „To succeed, India has to play by global rules“, in: Tehelka. The People’s Paper (Neu Delhi), 28. April 2007 236. Interview: „Benefits of Integration“, Vanuatu Daily Post, 3.Oktober 2007 237. Interview: „EU could serve as Model for Regional Integration in Africa“, Sunday Independent (Lagos), 7.Oktober 2007, Seite C7 238. Turkey’s capability to become member of the EU, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.1, No.1, Oktober 2005, Seite 3 239. EU-Verträge: Reparatur statt Neugründung. Die Institutionen werden effizienter, aber kaum verständlicher, in: Rheinischer Merkur, Nr. 50, 13.Dezember 2007, Seite 6. 240. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.1, No.1, Oktober 2005, Seite 1. 241. Editorial: in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.2, No.1, März 2006, Seite 1. 242. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.2, No.2, August 2006, Seite 1. 243. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.2, No.3, November 2006, Seite 1. 244. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.3, No.1, März 2007, Seite 1. 245. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.3, No.2, Juli 2007, Seite 1. 246. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.3, No.3, November 2007, Seite 1. 247. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.4, No.1, März 2008, Seite 1. 248. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.4, No.2, September 2008, Seite 1. 249. Editorial, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.4, No.3, Dezember 2008, Seite 1. 250. Union der Ungleichen: Zur Gründung der Union für das Mittelmeer, in: Rheinischer Merkur, Nr. 28, 10.Juli 2008, Seite 7. 251. Editorial, in: ZEI Regional Integration Observer, Vol.2, No.1, April 2008, Seite 1

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252. Interview: „Ohne Christentum würde Europa scheitern“, in: ngo – Internet-Zeitung für Deutschland, 19.September 2008, online unter: www.ngo-nline.de/reg/reg_ganze_nachricht. php?R=EN&RT. 253. Studiogespräch: Die EU nach dem irischen Referendum zum Vertrag von Lissabon, in: Phoenix, 16.Juni 2008 254. Studiogespräch: US Präsident Barack Obama besucht Europa und den NATO-Gipfel, in: N-TV, 3.April 2009 255. Interview: Germany and the EU, in: Diplomatic Academy Student News Review (Wien), Vol.3, April 2009, Seite 13 f. 256. Interview: „L’Europa? Va reinventata. E vi spiego perché“, in: Rivista Tracce (Mailand), 14.Juli 2009. 257. Interview: „Deutschlands Europa-Esprit? Blamabel!“ in: EuroActiv, 20.August 2009, online unter: www.euractiv.de/zukunft-und-reformen/artikel/kühnhardt-001972. 258. EU-Reform: Viel Blendwerk, wenig Substanz, in: Rheinischer Merkur, Nr. 36, 3.September 2009, Seite 5. 259. The EU and the Cyprus Conundrum, in: ZEI EU-Turkey-Monitor, Vol.5, No.3, Dezember 2009, Seite 6. 260. Statement, in: Istituto Regionale di Lombardia IRER (ed.), Lombardy: A model for government, online unter: www.irer.it/lobardia2010/lombardia2010/video. 261. Podcast: Prospects for EU Enlargement after the Lisbon Treaty, A Conversation with Jack Janes and Ian Lesser, American Institute for Contemporary German Studies (AICGS), Washington D.C., 26.Mai 2010, online unter: www.aicgs.or 262. Editorial, in: Regional Integration Observer(RIO), ZEI Bonn, Vol.4/No.2–2010, Seite 1 263. Deutschland in der Europäischen Union: Auf die Chancen setzen, in: Unternehmermagazin, 58.Jahrgang, Nr. 5–6/2010, Seite 12 ff. 264. Ein Jahr Vertrag von Lissabon: Die Grosse Koalitionsregierung der EU, in: EURACTIV, 21.Dezember 2010, online unter: http://www.euractiv.de/zukunft-und-reformen/artikel/diegrosse-koalitionsregierung-der-eu-004113. 265. Coming down from the Mountain: A Call fort he United States to Rediscover its Ideals, in: The Globalist, www.theglobalist.com/StoryId.aspx?StoryId=9149, 24.Mai 2011. 266. Germany’s Exit from History?, in: The Globalist, www.theglobalist.com/StoryId. aspx?StoryID=9185, 14.Juni 2011. 267. The fair society and global leadership, Vortrag International Conference, Korean National Research Council for Economics, Humanities and Social Sciences, Seoul 7.Dezember 2010, veröffentlicht in Gesprächsform auf Koreanisch in: Cae One Kim (ed.), Gongjeong Sahoe (Fair Society), Seoul: Hankyung Book Publishing, 2011, passim. 268. In Memoriam Ron Asmus: A Significant Life of Two Continents, in: A Service of Remembrance and Memorial, Dr. Ronald Dietrich Asmus, June 29, 1957–April 30, 2011, Washington D.C.: German Marshall Fund of the United States, 29.Juni 2011, online als: gmfus.org/media/memorialevent.html.; auszugsweise in: GMF Blog, www.blog.gmfus. org/2011/05/remembering-ron-asmus. 269. Editorial, in: Regional Integration Observer (RIO), Vol. 5, No.2, August 2011, Seite 1. 270. Von spontanem Protest zu europäischer Politik?, in: Eyes on Europe (Brüssel), No. 15, Winter 2011, Seite 10 f. 271. Sorge um Freiheit und Demokratie: Bracher, der Nestor der Zeitgeschichtsforschung wird neunzig, in: General-Anzeiger Bonn, 13.März 2012, Seite 19

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272. Wortbeiträge, in: Sächsischer Landtag (Hrsg.), Forum Mitteleuropa. Auftaktveranstaltung „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Herzen unseres Kontinents“ am 29.September 2011. Dresden 2012, passim; Nachdruck als: Mitteleuropa als Heimat und Wertegemeinschaft, in: Matthias Rößler (Hrsg.), Mitteleuropa: Ansichten, Einsichten, Aussichten, Dresden: Sächsischer Landtag 2019, Seite 113 ff. 273. Mythos Europa? Vortrag zur Standortbestimmung Europas im Rahmen einer Ringvorlesung des Humboldt-Zentrums, Universität Ulm, 11.Juli 2012, online als Video unter: www.uniulm.de/einrichtungen/humboldt/colloquium-vortraege-tagungen-und-festakte/ringvorlesung/. 274. Studiogespräch: Die deutsch-französischen Beziehungen und die EU, in: Phoenix. Vor Ort, 23.August 2012 275. Studiogespräch: The Euro Crisis and the future of Turkish-EU relations, in: TRT Turk – Kita Raporu, 25.August 2012 276. Studiogespräch: 50 Jahre Rede de Gaulles an die deutsche Jugend, in: Phoenix. Vor Ort, 23.September 2012 277. Studiogespräch: EU Gipfeltreffen zur Bankenunion, in: Phoenix, Der Tag, 19.Oktober 2012 278. Studiogespräch zur Lage in Griechenland, in: Phoenix, 7.Mai 2012. 279. Interview: Globale Wirtschaftsthemen – Krise in der Europäischen Union, in: Hankyung News (The Korea Economic Daily), 21.Oktober 2012 280. The European sovereign debt crises in perspective – a boost for deepened integration, in: Regional Integration Observer, ZEI/Center for European Integration Studies Bonn, Vol.1/ No.1, Januar 2013, Seite 7 281. A new space for debate, in: Future of Europe Observer, ZEI/Center for European Integration Studies Bonn, Vol.1/No1, März 2013, Seite 1. 282. Studiogepräch: G8-Gipfel in Nordirland und zum Obama-Besuch in Deutschland, in: Phoenix, Der Tag, 18.Juni 2013 283. Statement: Gesprächskultur für Mitteleuropa – Ausblick: Mitteleuropa als Heimat und Wertegemeinschaft, in: Sächsischer Landtag (Hrsg.), Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag. Konferenz „Kulturen in Mitteleuropa: erinnern, Fördern, Gestalten“, am 8. und 9.Oktober 2012, Dresden 2013, Seite 41–43 und Seite 115–123. 284. Was ist konservativ?, in: Markus Porsche-Ludwig/Jürgen Bellers (Hrsg.), Was ist konservativ? Eine Spurensuche in Politik, Philosophie, Wissenschaft, Literatur, Nordhausen 2013, Seite 131 f. 285. Afghanistan: Success and failure of the past decade, in: World Security Network, 22.Juli 2013, online unter: www.worldsecuritynetwork.com/Afghanistan/Kuehnhardt-Prof.-Dr.Ludger/Afghanistan-Success-and-Failure-of-the-past-Decade. 286. Transition in Afghanistan: Potential and Constraints, in: World Security Network, 24.Juli 2013, online unter: www.worldsecuritynetwork.com/Afghanistan/Kuehnhardt-Prof.-Dr.Ludger/Transition-in-Afghanistan-Potential-and-Constraints. 287. Transformation in Afghanistan: „We“ and „they“ or „we“ and „us“, in: World Security Network, 29.Juli 2013, online unter: www.worldsecuritynetwork.com/no_topic/KuehnhardtProf.-Dr.-Ludger/Transformation-in-Afghanistan-We-and-they-or-we-and-us. 288. Studiogespräch: Der türkische Ministerpräsident Erdogan besucht Berlin, in: Phoenix, 4.Februar 2014 289. Studiogespräch: Die Krim optiert für den Anschluss an Russland, in: Phoenix, 6.3.2014.

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290. „Learning community“ for European-African partnership. Recipes for change at Brussels summit, in: The OMFIF Commentary (Official Monetary and Financial Institutions Forum), Vol. 5, Ed. 13.2/26.März 2014, online unter: www.omfif.org/intelligence/thecommentary/2014/march/learning-community-for-european-african-partnership/ 291. Kontinent der Möglichkeiten, in: Die Tagespost, Nr. 37, 29.März 2014, Seite 8 292. Das außenpolitische Erwachen der Europäischen Union, in: Rotary Magazin, Nr. 4/2014, Seite 2 ff. 293. Audio recording: Europe votes, in: OMFIF (Official Monetary and Financial Institutions Forum) telephone briefing, 16.Mai 2014. 294. Studiogespräch: Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten der Wahl zum Europäischen Parlament, in: Phoenix, 15.Mai 2014. 295. Deutsche Welle „Hangout“: Europa is heading to the polls! And you?, in: Deutsche Welle, 22.Mai 2014, online unter: www.youtube.com/watch?v=5en3J1zaReA. 296. Studiogespräch: G7-Gipfel in Brüssel: Zukunft der Ukraine, in: Phoenix, 6.Juni 2014. 297. Erster Weltkrieg: Europas unvollendete Erkenntnis, in: General-Anzeiger (Bonn), 28.Juni 2014, Seite 1 (Journal). 298. Studiogespräch: Ypern – Erinnerung an den Ersten Weltkrieg, in: Phoenix, 26.Juni 2014 299. Studiogespräch: Konstituierung des 8.Europäischen Parlaments, in: Phoenix, 1.Juli 2014 300. Interview: Der Europtimist, in: Politicum. Das Magazin der Fachschaft Politik und Soziologie der Universität Bonn, Sommer 2014, Seite 6 f. 301. Africa as a Global Test Case, in: The Globalist, 21.Juni 2014, online unter: www. theglobalist.com/africa-as-a-global-test-case. 302. Panel Discussion: Cold War II?, Woodrow Wilson Center European Alumni Conference: Transatlantic Relations at a Time of Crisis: Common Threats, Different Responses?, Rome, Centri di Studi Americano, 10.Oktober 2014, passim, online unter: www.facebook.com/Amb asciataUSA?sk=app_325068520852378. 303. Podiumsdiskussion: 25 Jahre Freiheit – Werte in Mitteleuropa, in: Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag (Hrsg.), Konferenz „Werte in Mitteleuropa: Solidarität und Freiheit“, 7.Mai 2014, Rathaus Breslau, Dresden: Sächsischer Landtag, 2014, Seite 26 ff. (passim)/ Dyskusja panelowa: 25 lat wolno’sci – wartosci w dzisiejsej Europie Srodkowej, in: Forum Europy Srodkowij przy Sakso’nskim Parlamencie Krajowym (ed.), Konferencja „Warto’sci w Europie Srodkowej: solidarnosc i wolnosc“, 7.maja 2014, Starym Ratuszu we Wroclawiu, Dresden: Sächsischer Landtag, 2014, Seite 26 ff. (passim). 304. Leaving SEE with no prospects of EU enlargement won’t facilitate their normalcy, in: Emerging Europe News, January 20, 2015, online unter: www.emerging-europe. com//khnhardt-leaving-see-with-no-prospects-of-eu-enlargement-wont-facilitate-theirnormalcy,p301558206. 305. Studiogespräch: Sanktionen gegen Rußland – Linkspopulist Tzipras griechischer Ministerpräsident, in: Phoenix. Der Tag, 30.Januar 2015. 306. Das Amt soll werden wie der Mensch. Eine Erinnerung an Richard von Weizsäcker, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.Februar 2015, Seite 11. 307. Studiogespräch: Waffenstillstandsverhandlungen in Minsk, in: Phoenix. Der Tag, 12.Februar 2015 308. Studiogespräch: Flüchtlingspolitik der EU, in: Phoenix. Der Tag, 24.April 2015

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309. Reden über Gott und die Welt: Menschen in der Zeit, Interview mit Radio Vatikan, Ausstrahlung: 03.Mai 2015, online unter: http://de.radiovaticana.va/news/2015/05/03/ ludger_k%C3%BChnhardt_-philosoph,_politologe,_journalist/1140871. 310. Fernsehinterview: Moldova and the EU, in: Moldova Business Channel, Ausstrahlung: 18.Mai 2015, online unter: www.mbc.md/rus/shows/interviu-cu-impact/ 311. Interview: Drumul spre UE nu este un element de geopolitica, in: Adevarul (Moldova), 30.April 2015, Seite 1 f. 312. Interview: R. Moldova nu face reforme pentru UE, in:Ziarul National (Moldova), 1.Mai 2015, Seite 5. 313. Interview: „Societatea din R.Moldova are rani provocarte de totalirismul sovietic care infleunteazadirect cultura politica“, in: Ziarul National (Chisinau), 2.Mai 2015. 314. Interview: UE va accepta decizia Moldovei, oricare ar fi,si nu va trimite ‘omuleti verzi’, in: IPN Special (Chisinau), 6.Mai 2015. 315. Studiogespräch: Putin in Italien, in: Phoenix, Vor Ort, 10.Juni 2015 316. Studiogespräch: Griechenland-Diskussionen in Brüssel, in: Phoenix, Der Tag, 10.Juni 2015. 317. Studiogespräch: Griechenland-Krise, in: Phoenix, 30.Juni 2015 318. Studiogespräch: Griechenland vor dem Referendum, in: Phoenix, 3.Juli 2015 319. Studiogespräch: Griechenland nach dem Referendum, in: Phoenix, 6.Juli 2015 320. Studiogespräch: Griechenland – der Countdown läuft, in: Phoenix, 9.Juli 2015 321. Interview: Keine Angst vor Europa, in: akut/Studierendenmagazin (Studierendenparlament der Universität Bonn), Nr. 338, Sommer 2015, Seite 21 ff. 322. Herausforderung Migration, in: Tagespost, 7.September 2015 323. Poverty alleviation: A role for technology and infrastructure?, Statement at the International Conference of the Foundation for Worldwide Cooperation/Fondazione per la Cooperazione fra i Popoli, Rome, Mai 2015, online unter: www.fondazionepopoli.org/?p=2209&lang=en 324. Germany and the EU, Lecture at International Christian University Tokyo, 23. Mai 2015, online unter: ICU Open Course Ware, www.ocw.icu.ac.jp/majors/irl235_2015s/ irl235_2015s_lec2/ 325. EU in times of geopolitical turmoil, Lecture at International Christian University Tokyo, 23. Mai 2015, online unter: ICU Open Course Ware, www.ocw.icu.ac.jp/majors/irl235_2015s/ irl235_2015s_lec3/ 326. Interview: Die Zukunft Moldaus hängt an einem seidenen Faden, denn sie ist von der künftigen Politik Moskaus abhängig, in: Institut für Auslandsbeziehungen, 19.Juni 2015, online unter: www.ifa.de/kultur-und-aussenpolitik/forschung-und/dialog. 327. Vorwort, in: Hans-Gert Pöttering, Mein Europa. Werte-Überzeugungen-Ziele, Freiburg 2015, Seite 9 ff. 328. Statement: Botschafter für Bonn – Wie ausgewählte Persönlichkeiten den Standort nutzen, in: Kompakt. Marketing Club Köln-Bonn, Nr. 1/2015, Seite 20. 329. Die europäische Friedensordnung – De Europese Vredesregeling, in: Stadt Solingen (Hrsg.), Dokumentation des gemeinsamen Gedenkens der Partnerstädte Solingen und Gouda am 9.Mai 2015–8 Mai 1945: Ende des Zweiten Weltkrieges – Tag der Befreiung. 8 mei 1945: het einde van de Tweede Wereldoorlog – dag van de befridjding, Solingen 2015, Seite 20 ff. 330. Studiogespräch: EU-Afrika-Sondergipfel in Malta zu Migrationsfragen (mit Djénéba Traore), in: Phoenix, 11.November 2015

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331. Interview: Európába jött a III. Világháború (Der Dritte Weltkrieg ist nach Europa gekommen), in: Figyelö (Observer), Budapest, 19.November 2015, Seite 13 f.; online unter: http://figyelo.hu/cikk_print.php?cid=426338-europaba-jott-a-iii--vilaghaboru 332. Editorial: The Juncker Commission: First Year Review, in: ZEI Future of Europe Observer, Vol.3, No.3/December 2015, Seite 1. 333. Studiogespräch: EU-Ratstreffen zum Aufbau eines europäischen Grenzschutzes, in: Phoenix, Der Tag, 17.Dezember 2015. 334. Interview zu den persönlichen Beziehungen zu Japan, in: Japan ICU Foundation, 18.Oktober 2015, online unter: www.jicuf.org/news/2015/10/5/interview-with-dr-ludger-kuehnhardtvisiting-scholar-at-icu. 335. Studiogespräch: Neue Regierung – neues Polen?, in: Phoenix, 15.Januar 2016. 336. Studiogespräch: Deutsch-polnische Begegnung/EU-Finanzminister zum Grenzschutz, in: Phoenix, 12.Februar 2016. 337. Studiogespräch: Merkels Regierungserklärung vor dem Europäischen Rat: Flüchtlingsagenda, in: Phoenix, 17.Februar 2016. 338. Studiogespräch: Vor dem Europäischen Rat zu Großbritanniens Forderungen zum Verbleib in der EU und zur Migrationsfrage, in: Phoenix, 18.Februar 2016. 339. Studiogespräch: Nach dem Europäischen Rat zu Großbritanniens Forderungen zum Verbleib in der EU und zur Migrationsfrage, in: Phoenix, 19.Februar 2016. 340. Nanminchao Biaoming Oumeng Yijing Shiqu Zhengzhi Kongzhili (Die Flüchtlingskrise hat den Verlust der EU an politischer Kontrollkraft gezeigt), in: Guancha (Shanghai), 6.März 2016, online unter: www.guancha.cn/LudgerKuhnhardt/2016_03_06_353080.shtml. 341. Europa und die Flüchtlinge. Wie können Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt gelingen? Gespräch mit Armin Laschet, MdL, beim Augustinusforum Neuss, 16.Februar 2016, online unter: www.youtube.com/watch?v=jQSRyozguc0&feature=youtu.be. 342. Studiogespräch: Nach dem EU-Türkei-Abkommen zur Legalisierung von Flüchtlingsströmen, in: Phoenix, 21.März 2016. 343. Studiogespräch: Folgerungen aus den Terroranschlägen von Brüssel, in: Phoenix, 23.März 2016. 344. Studiogespräch: Rechtspopulismus auf dem Vormarsch in Europa – FPÖ in Österreich, AFD in Sachsen-Anhalt, in: Phoenix, 25.April 2016. 345. Yingguo Tuiou, Shi Beiju Haishi Xiju? (Brexit: eine Tragödie oder Komödie?), in: China Social Science Newspaper, April 14, 2016, online unter: www.cssn.cn/sjs/sjs_rdjj/201604/ t20160414_2966304.shtml. 346. Interview: Lo stato dell’Unione: Ricominciamo?, in: Tracce (Mailand), Juni 2016, S. 11 ff. 347. Studiogespräch: Vorschlag für einen EU-Migrationsplan, in: Phoenix, 7.Juni 2016. 348. Oumeng Renwei you liangge Shijie Zhongxin, yige shi ziji, yige shi Zhongguo (Die EU glaubt, dass es zwei Weltzentren gibt, das eine ist die EU selbst, das andere ist China), in: Guancha(Shanghai), 13.Juni 2016, online in: www.guancha.cn/LudgerKuhnha rdt/2016_06_13_363712.shtml 349. Studiogespräch: Großbritannien vor dem EU-Referendum, in: Phoenix, 14.Juni 2016. 350. Studiogespräch: Großbritannien entscheidet, in: Phoenix, 23.Juni 2016. 351. Studiogespräch: Großbritannien votiert für EU-Austritt, in: Phoenix, 24.Juni 2016. in: Phoenix, 28.Juni 2016.

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352. Managing the forces of European populism, in: The Globalist, 19.July 2016, online unter: www.theglobalist.com/managing-the-forces-of-european-populism; auch als: ZEI Insight, No.40/Juli 2016, online unter: www.zei.uni-bonn.de/bilder/grafiken/kuehnhardt_40 353. Studiogespräch: Die Türkei nach dem Putschversuch – Die britische Premierministerin Theresa May erstmals im Unterhaus, in: Phoenix, 20.Juli 2016 354. Nachruf Karl Dietrich Bracher: Der die Geschichte kennt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ.net, 21.September 2016, online unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ zum-tod-des-historikers-und-politikwissenschaftlers-karl-dietrich-bracher-14444824-p3.html ?printPagedArticle=true#pageIndex_3 355. Studiogespräch: Wien-Gipfel zur Balkanroute, in: Phoenix, 24.September 2016. 356. Interview: „Maguk mindig Orbánnal vannak elfoglalva“ („Sie beschäftigen sich immer nur mit Orban“), in: Varsarnapi Hirek (Sonntags-Nachrichten), Budapest, 24.September 2016. 357. Studiogespräch: EU-Kanada-Abkommen CETA vor dem Aus, in: Phoenix, 26.Oktober 2016 358. Studiogespräch: EU-Kanada-Handelsabkommen unterzeichnet, in: Phoenix, 30.10.2016 359. The tropical schock waves of the Brexit vote, in: Future of Europe Observer, Bonn: Center for European Integration Studies, Vol.4, No.3, November 2016, Seite 7 ff. 360. Studiogespräch: Europäisches Parlament: Martin Schulz geht nach Berlin – Türkei-Verhandlungen sollen suspendiert werden, in: Phoenix, Der Tag, 25.November 2016 361. Studiogespräch: Ein grüner Präsident für Österreich – Renzi tritt nach Referendum zurück, in: Phoenix, Vor Ort, 5.Dezember 2016 362. Studiogespräch: Neuer Anschlag in der Türkei – EU Aussenminister zu EU-Türkei-Beitrittsverhandlungen, in: Phoenix, Vor Ort, 12.Dezember 2016 und in: Phoenix, Der Tag, 12.Dezember 2016 363. Nachruf Hans-Adolf Jacobsen: Militärisch für den Frieden, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 292, 14.Dezember 2016; Nachdruck als: Der Imperativ des Friedens, in: General-Anzeiger Bonn, 16. Dezember 2016. 364. Studiogespräch: Griechische Staatsschuldenkrise ist zurück – Doppelte Staatsbürgerschaft ist umstritten, in: Phoenix, Vor Ort, 16.Dezember 2016 und Phoenix, Der Tag, 16.Dezember 2016. 365. Studiogespräch: Theresa May will „sauberen“ Brexit – EU-Parlament wählt neuen Präsidenten, in: Phoenix. Der Tag, 17.Januar 2017 366. Editorial: The Juncker Commission: Second Year Review, in: ZEI Future of Europe Observer, Vol. 5/No.1, February 2017, Seite 1. 367. Studiogespräch: Trump Administration – Außenminister Gabriel in Washington – Putin bei Orban, in: Phoenix. Der Tag, 2.Februar 2017 368. Studiogespräch: Europäisches Parlament ratifiziert CETA – NATO-Verteidigungsminister tagen – Trump und Netanjahu begraben die Zwei-Staaten-Lösung, in: Phoenix, Der Tag, 15.Februar 2017. 369. Das Demokratieproblem lähmt Europas Einheit, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 44, 22.Februar 2017, Seite 10. 370. Interview: Das Potenzial der afrikanischen Diaspora, in: General-Anzeiger Bonn, 25.März 2017 371. Studiogespräch: 60 Jahre Römische Verträge, in: Phoenix. Vor Ort, 25.März 2017 372. 60  Jahre Römische Verträge, in: www.deutschland.de/de/topic/politik/deutschlandeuropa/60-jahre-spaeter (Infoservice des Auswärtigen Amtes), 25.März 2017.

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373. The EU Global Strategy: Power of Perceptions, in: ZEI Future of Europe Observer, Vol. 5, No. 2, April 2017, Seite 1. 374. Studiogespräch: EU-Türkei nach Präsidialsystem-Referendum, in: Phoenix, 17.April 2017 375. Studiogespräch: EU-Strategie für Brexit-Verhandlungen, in: Phoenix, 28.April 2017 376. „Compact with Africa“: Die Idee des Eigentums stärken, in: Neue Zürcher Zeitung, 11.Mai 2017, Seite 10. 377. Region-Building. Keynote Address, 67.Session of the UN Economic Commission for Europe (UNECE), Genf, 26.April 2017, online unter: www.unece.org/unece/search?q=&op=Search. 378. Nachruf: Matthias Pape, in: Neue Medien. Dokumentation des XVII. Europakolloquiums in Münstertal, April 2017, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung, 2017, Seite 3 ff. 379. Interview: Uniao Europeia celebra 60 anos do Tratado de Romae repensa identidade e futuro, in: Paraibaonline.com, 6.April 2017, online unter: https://paraibaonline.com.br/2017/03/ uniao-europeia-celebra-60-anos-do-tratado-de-roma-e-repensa-identidade-e-futuro/. 380. Nachruf Hans-Peter Schwarz: Der konservative Anarchist, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ.net, 16.Juni 2017, online unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/geisteswissenschaften/zum-tod-von-hans-peter-schwarz-der-konservative-anarchist-15063314. html.; Nachdruck in: General-Anzeiger Bonn, 17.Juni 2017. 381. Studiogespräch: Beginn der Brexit-Verhandlungen, in: Phoenix, 19.Juni 2017. 382. Studiogespräch: Brexit-Verhandlungen – Arbeitsmarkreform in Frankreich, in: Phoenix, 31.August 2017. 383. Lun oumeng de weilai: Shuxi he bushixi de yizhi yigi bishuxi de weizhi (Über die Zukunft der EU: Die bekannten Unbekannten und die unbekannten Unbekannten), in: The Paper (Shanghai), 15. November 2017, online unter: www.thepaper.cn/newsDetail_ forward_1865489. 384. Begrüßung der Erstsemester: Wer ist eigentlich?, in: Ersticum. Zeitschrift der Fachschaft Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn, Erst Spezial 2017, Seite 32. 385. The EU ahead of a relance européenne: How about Europe’s democratic deficit?, in: Future of Europe Observer(ZEI), Vol.5, No.3(2017), Seite 7 f. 386. Studiogespräch: 5.Gipfeltreffen Europäische Union-Afrikanische Union in Abidjan, in: Phoenix, 30.November 2017. 387. Studiogespräch: Doch eine Große Koalition für Deutschland? – Neue deutsch-französische Achse?, in: Phoenix, 16.Dezember 2017. 388. Studiogespräch: EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eröffnet – BrexitVerhandlungen gehen in Phase II, in: Phoenix, 20.Dezember 2017. 389. Studiogespräch: Flüchtlingskrise hält an, in: Phoenix, 16.Januar 2018 390. Studiogespräch: Anti-Establishment Parteien gewinnen in Italien – Schlagabtausch zum Brexit im britischen Parlament, in: Phoenix, 6.März 2018 391. The Juncker Commission: Outlook for 2018, in: Future of Europe Observer (ZEI, Bonn), Vol. 6/No.1/März 2018, Seite 1 392. Negotiating change. The future of EU-ACP relations, Keynote address at a Hearing of the European Parliament, Committee on Development, Brüssel, 21.März 2018, online unter: web.ep.streamovations.be/index.php/event/stream/20180320-1430-committee-deve … 393. Studiogespräch: EU Gipfeltreffen – Brexit – deutsch-französische Europaimpulse, in: Phoenix, 23.März 2018.

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394. Studiogespräch: Zollstreit EU-USA eskaliert, Regierungsbildung in Italien, Absetzung des Premierministers in Spanien, in: Phoenix, 01.Juni 2018. 395. Studiogespräch: Europa – vereint?, in: Phoenix, 20.Juni 2018. 396. Interview: „Kontroversen sind in der EU selbstverständlich“, in: Aachener Zeitung, 30.Juli 2018, Seite 8. 397. Studiogespräch: Jean-Claude Junckers State of the Union Address – Sanktionsverfahren gegen Ungarn, in: Phoenix. Der Tag, 12.September 2018. 398. Studiogespräch: EU Gipfel zu Brexit, Asylpaket, Euro-Reformen, EU-ASEM-Treffen, in: Phoenix. Der Tag, 18.Oktober 2018. 399. Studiogespräch: Brexit-Deal oder nicht – Italiens Schuldenproblem und die EU, in: Phoenix. Der Tag, 14.November 2018. 400. Studiogespräch: Theresa May gewinnt Mißtrauensvotum der eigenen Fraktion, in: Phoenix, Der Tag, 12.Dezember 2018. 401. Studiogespräch: EU-Ratspräsidentschaft von Rumänien – Merkel in Athen – Frankreich – Ungarn, in: Phoenix. Der Tag, 10.Januar 2019 402. Studiogespräch: Brexit Abstimmung im britischen Unterhaus, in: Phoenix. Der Tag, 15.Januar 2019. 403. Studiogespräch: EU und die Staatskrise in Venezuela/Übergangspräsident Juan Guaido – Kanzlerin Merkel in Japan – Japan-EU Free Trade Agreement, in: Phoenix. Der Tag, 4.Februar 2019. 404. Studiogespräch: Flüchtlingskontroversen in der EU: Merkel trifft die Regierungschefs der Vishegrad-Länder, in; Phoenix. Der Tag, 7.Februar 2019 405. Strategische Diplomatie im 21. Jahrhundert. Bericht eines Fachgesprächs, Bonn: Bonner Akademie für Praktische Politik, 2019, 29 Seiten, vor allem S. 26 ff. (Teilnehmer) 406. The Juncker Commisson: Outlook for 2019, in: Future of Europe Observer, vol. 7, No.1, März 2019, Seite 1. 407. Kommentar zur zentralen Herausforderung für die Zukunft der Europäischen Union, in: Bonner Umwelt Zeitung (BUZ), März/April 2019, Seite 2. 408. Studiogespräch: Brexit: neuer Verlängerungsantrag von May – Barnier und Juncker reagieren, in: Phoenix. Der Tag, 2.April 2019. 409. Studiogespräch: Europawahlkampf: FDP und AfD, in: Phoenix. Der Tag, 14.Mai 2019. 410. Studiogespräch: Wahlen zum Europäischen Parlament, in: Phoenix, 26.Mai 2019 411. Studiogespräch: Wahlen zum Europäischen Parlament, in: Phoenix, 27.Mai 2019 412. Interview: „Wir brauchen dringend europäische Parteien“, in: Börsen-Zeitung, Nr. 109, 8.Juni 2019, Seite 5 413. Studiogespräch: EU-Sondergipfel: Neue EU Führung – Sea Watch Kapitänin in Haft, in: Phoenix. Der Tag, 2.Juli 2019 414. Studiogespräch: Brexit-Debatte im britischen Parlament, in: Phoenix. Der Tag, 3.September 2019. 415. Kann die EU das Parteienkorsett sprengen?, in: Neue Zürcher Zeitung, 26.November 2019. 416. Pries ir po. 1989-ieji prasidejopries 1989-uosius ir dar nepasibaige, in: 15 min.lt (litauische Online-Zeitung), 14.Januar 2020, online unter: https://www.15min.lt/naujiena/aktualu/ nuomones/ludgeris-kuehnhardtas-pries-ir-po-1989-ieji-prasidejo-pries-1989-uosius-ir-darnepasibaige-18-1260342; in Englisch als: Before and after. 1989 began before 1989 and has not yet come to an end, in: 15 min.lt (englische Version der litauischen Online-Zeitung),

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15.Januar 2020, online unter: https://www.15min.lt/en/article/opinion/prof-ludger-kuhnhardtbefore-and-after-1989-began-before-1989-and-has-not-yet-come-to-an-end-530-1260678, und in: Hungarian Review, Vol.XI, No.1(2020), Seite 49–57, online unter: http://www. hungarianreview.com/article/20200121_before_and_after_1989_began_before_1989_and_ has_not_yet_come_to_an_end. 417. In which constitution is Europe – which constitution for Europe?, in: Future of Europe Observer, Zentrum für Europäische Integrationsforschung, vol.8, No.1/2020, Seite 14 f. 418. How can the EU learn the language of power?, in: Future of Europe Observer, Vol.8/No. 2 May/June 2020, Seite 1. 419. Studiogespräch: EU Marathon-Gipfel zum EU Haushalt 2021–2027 und zum Sonderhaushalt „Corona-Pandemie-Bekämpfung“, in: Phoenix. Der Tag, 20.Juli 2020. 420. Preface, in: Robert Stüwe/Thomas Panayotopoulos (eds.), Politicizing EU Politics. The Juncker Commission 2014–2019, Baden-Baden 2020, Seite 5. 421. Studiogespräch: Flüchtlingspolitik: Unterschiede in der EU – State of the Union Address von der Leyen, in: Phoenix. Der Tag, 16.September 2020. 422. Frankreich und Deutschland: Schulterschluss im Schatten von Corona, in: Neue Zürcher Zeitung, 30.September 2020. 423. Studiogespräch: Europäischer Rat: Corona, Klima, Budget, Rechtsstaat, in: Phoenix. Der Tag, 15.Oktober 2020. 424. EU-USA Wirtschaftsbeziehungen unter dem künftigen Präsidenten Joe Biden, in: Phoenix. Der Tag, 16.November 2020. 425. Mitunterzeichnung: Nachruf auf Amerikas „Mr.Germany“: Guido Goldman (4.November 1937–30.November 2020), in: Global Bridges, 30.November 2020, online unter: https:// globalbridges-forum.org/de/und in: Der Hauptstadtbrief, https://www.derhauptstadtbrief.de/ mister-germany-guido-goldman/. 426. Studiogespräch: Brexit show down, in: Phoenix. Der Tag, 7.Dezember 2020. 427. After Brexit: Will the UK now lose the Falkland Islands?, in: The Globalist, 28.Dezember 2020, online unter: https://www.theglobalist.com/united-kingdom-european-union-brexitboris-johnson-2/. 428. Studiogespräch: EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Corona-Pandemie: EU Kompetenzen, Impfpass und Solidarität mit Afrika, in: Phoenix. Der Tag, 25.Februar 2021. 429. Studiogespräch: EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Corona-Pandemie, Treffen mit US-Präsident Biden, in: Phoenix. Der Tag, 25.März 2021. 430. Conference on the Future of Europe. 25 ideas from ZEI (1. The EU needs more emergency competences in health matters; 2. The European Union should produce and publish a regular (annual) report on the costs of non-Europe; 3. All public TV stations across the EU should jointly offer regular „Euro Talks“; 4. Bringing all Western Balkans countries into the EU; 5. The EU should support the establishment of a „European Academy“ with a focus on the Eastern Neighbourhood; 6. The European Union should decide on a European Constitutional Declaration; 7. Upgrading overseas countries and territories to the status of outermost regions; 8. Advance new schemes to activate remittances of migrants for productive investment in their countries of origin and promote joint projects with the African Union for new cities; 9. The European Union must move from governance to a government; 10. The European Union should form one united EU Olympic Team for Paris 2024), in: Future of Europe Observer, Vol.9, No.2/Juli 2021, passim, online unter: https://www.zei.uni-bonn.de/

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dateien/future-of-europe-observer/feo-vol9no2-2021. und: European Union. Conference on the Future of Europe, online unter: https://www.futureu.europa.eu/profiles/ZEIUniversityofBonn/following?locale=en. 431. Rethinking progress: universalism under pressure and ongoing transatlantic pragmatism, in: Future of Europe Observer,Vol.10, No.2/Oktober 2021,S. 1, online unter: online unter: https://www.zei.uni-bonn.de/dateien/future-of-europe-observer/zei-feo-vol9no3_2021. 432. Geteilte Herrschaft. Europäische Souveränität ist Bedingung für die Selbstbehauptung aller Mitgliedsstaaten der EU, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 269, 17.November 2021, Seite 8. 433. Podiumsdiskussion: Dürfen wir mehr Europa wagen? Aloisiuskolleg Bonn, 16.Januar 2022, online unter: https://www.youtube.com/watch?v=4e00-cpC6CU. 434. Die faule Kunst des voreiligen Kompromisses. Will Europa in der heutigen Welt bestehen, muss es endlich strategisch denken und handeln lernen. Die Spielregeln haben sich geändert, in: Neue Zürcher Zeitung, 20.Januar 2022, Seite 18. 435. Studiogespräch: Ukraine-Krieg und EU Solidarität: Energie- und Flüchtlingsfragen, in: Phoenix. Der Tag, 8.März 2022. 436. Studiogespräch: Ukraine-Rußland: Erste Direktgespräche der Außenminister ergebnislos – EU Sondergipfel in Versailles, in: Phoenix. Der Tag, 10.März 2022. 437. Studiogespräch: Der Krieg in der Ukraine, gemeinsames Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister, in: Phoenix. Der Tag, 21.März 2022. 438. Podiumsdiskussion: Europa nach der Pandemie, Wien Nationalrat von Österreich, 12.November 2021, Dresden: Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag, 2022, Seite 28–53 passim. 439. Studiogespräch: Präsidentenwahlen in Frankreich, in: Phoenix, 10.April 2022. 440. Studiogespräch: Europäischer Rat beschließt 6. Sanktionspaket – Ukraine-Krieg und Kriegsziele, in: Phoenix, 31.Mai 2022 441. Studiogespräch: Friedensnobelpreis an osteuropäische Menschenrechtsgruppen – Informeller Europäischer Rat in Prag und die Energiekrise, in: Phoenix, 7.Oktober 2022. 442. Für Europas Stärke und Vielfalt zusammenstehen. Schlussansprache bei der Konferenz "Deutschland, Mitteleuropa und die östlichen Nachbarn" am 13.Mai 2022 im Seimas der Republik Litauen in Vilnius, Dresden: Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag 2022, Seite 102ff.; in englischer Sprache als: Standing together for Europe’s strength and diversity. Concluding speech an the conference „Germany,Central Europe and the Eastern Neighbours“ on May 13, 2022 at the Seimas of the Republic of Lithuania in Vilnius, Dresden:Central Europe Forum at the Saxon State Parliament 2022, Seite 114ff. 443. Studiogespräch: Korruptionsskandal im Europäischen Parlament – EU-Außenminister zum Krieg in der Ukraine/Sanktionen gegen Iran, in: Phoenix, 12.Dezember 2022. 444 Studiogespräch: Ukraine-Präsident Selenskyj vor dem Europäischen Parlament und beim Europäischen Rat, in: Phoenix, 9.Februar 2023. 445. Studiogespräch: EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zur Strategie gegenüber China, in: Phoenix, 30.März 2022. 446. Commission Priority 4: A Stronger Europe in the World (2022), in: Future of Europe Observer (FEO), Vol.11, No.1/März 2023, Seite 11ff.

447. Studiogespräch: Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt – Weltordnungsproblem Flüchtlingsfrage – EU-Asylpolitik, in: Phoenix, 11.Mai 2023.

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Gutachten 1. (Co-Autor) Hanseregion Baltikum. Bericht der Internationalen Studiengruppe. Im Auftrag des Rates von Estland (Eesti Komitee), Tallinn, 1992, 70 Seiten; auf Englisch als: The Baltic Hanseatic Region. Report of the International Study Group. On behalf of the Eesti Komitee/ Council of Estonia, Tallinn, 1992, 37 Seiten. 2. (Co-Autor) Advancing the Union. Report by The Independent Commission for the Reform of the Institutions and Procedures of the Union (ICRI) (Co-Autor), London (o. J.) 1999, 77 Seiten. 3. Gutachterliche Stellungnahme zum Stand der Beratungen im Europäischen Konvent. 19.Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, Berlin, 21.Mai 2003, in: www.bundestag.de/gremien15/a20/ oeffentlichesitzungen/a20_prot_19_dt.pdf. 4. Inhaltliche Ziele und Handlungsfelder einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit zwischen BENELUX und Nordrhein-Westfalen, Gutachten für das Ministerium für Bundesund Europaangelegenheiten von Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Dezember 2006, 32 Seiten. 5. (Co-Autor mit Mélégue Traore), Direct Elections to the ECOWAS Parliament: Report – The Documents (with). Report to the Ad Hoc Committee on Direct Elections of the ECOWAS Parliament, Abuja (Nigeria), 2009, 233 Seiten; auf Französisch: Élections des députes au suffrage universel direct au Parlement de la CEDEAO: Rapport – Documents, auf Portugiesisch: Eleições directas ao Parlamento de ECOWAS: Rapport – Codigo Eleitoral. 6. Establishment of an Institute for Black Sea and European Studies. Initial reflection on preconditions, context and constituting elements. A food-for-thought-paper. Expertise für das Auswärtige Amt Berlin, 9.November 2009, 14 Seiten. 7. Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag, Konzeptskizze im Auftrag des Präsidenten des Sächsischen Landtages, 15. Juli 2010, 21 Seiten. 8. Stellungnahme zur öffentlichen mündlichen Anhörung des Hessischen Landtags (Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union): „Weißbuch Europa“, Ausschussvorlage/ EUA/19/7-Teil 1 – Sitzung vom 8.November 2017, Seite 3 ff. online unter: https://hessischerlandtag.de/sites/default/files/scald/files/EUA-AV-19-7-T1.pdf;

Buchrezensionen 1. Hans-Christoph Binswanger et al. (Hrsg.) Der NAWU-Report: Sozio-Ökologie. Gesellschaft im Gleichgewicht, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 4.August 1978, Seite 1 2. Hermann Glaser (Hrsg.), Bundesrepublikanisches Lesebuch, unter dem Titel: Republik im Wandel, in: Deutsche Zeitung, 1. September 1978 und in: Deutschlandfunk, 14.September 1978. 3. Karl Ernst Wenke/Horst Zilleßen (Hrsg.), Neuer Lebensstil. Verzichten oder verändern?, Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 20.Oktober 1978. 4. Friedrich Heer, Härte der Hirne, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, 15.Dezember 1978. 5. Taschenbuchreihe „Analysen und Perspektiven“ – Publizistische Hornstöße, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 34, 22.August 1980 6. Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, München 1980, unter dem Titel: Blutiger Kreuzzug, in: Münchner Merkur, Nr. 284, 10.Dezember 1981 7. Volkmar Köhler, Aspekte der aktuellen Entwicklungspolitik, Melle 1980, in: Afrika Recht und Wirtschaft, Nr. 3/1981, Seite 29.

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  8. Robert Schinzinger, Das japanische Denken, Berlin 1983, in: Stimmen der Zeit, Heft 4/1984, Seite 287 ff.  9. Richard von Weizsäcker, Die deutsche Geschichte geht weiter, Berlin 1983, in: German Studies Newsletter, Center for European Studies, Harvard University, November 1984, Seite 40 ff. 10. Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), South Africa: a chance for liberalism?, St. Augustin 1985, in: Verfassung und Recht in Übersee, 19.Jg., 1/1986, Seite 93 ff. 11. Stiftung Wissenschaft und Politik (Hrsg.), Polarität und Interdependenz. Beiträge zu Fragen der internationalen Politik, Baden-Baden 1978, in: Verfassung und Recht in Übersee, 19.Jg., 2/1986, Seite 221 ff. 12. Michael Novak, Freedom with justice, San Francisco 1984, in: Projekt Europa, Nr. 31–34, Strassburg 1986, Seite 54 ff. 13. Christoph Böhr, Liberalismus und Minimalismus, Heidelberg 1985 und Stephan Eisel: Minimalkonsens und freiheitliche Demokratie, Paderborn 1986, in: Das historisch-politische Buch, Band 35, Nr. 2/1987, Seite 58 14. Stephan Eisel, Minimalkonsens und freiheitliche Demokratie, Paderborn 1986, in: Zeitschrift für Politik, 34.Jg., Heft 1/1987, Seite 92 ff. 15. Dieter Dowe, Jugendprotest und Generationen Konflikt in Europa im 20. Jahrhundert, Bonn 1986, in: Das historisch-politische Buch, Band 35, Heft 3/1987 16. Henry O. Malone, Adam von Trott zu Solz, Berlin 1986, Ger van Roon: Helmuth James Graf von Moltke, Berlin 1986, in: Zeitschrift für Politik, 34.Jg., Heft 2/1987, Seite 213 ff. 17. Besprechungsaufsatz: Ein Land und sein Staatsmann. Zur Adenauer-Biographie von HansPeter Schwarz, in: Zeitschrift für Politik, 34.Jg., Heft 2/1987, Seite 189 ff. 18. Dieter Senghaas (Hrsg.), Regionalkonflikte in der Dritten Welt. Autonomie und Fremdbestimmung, Baden-Baden 1989; in: Deutschlandfunk. Zur Diskussion: Politische Literatur, Sendetermin: 17.7.1989. 19. Peter Graf Kielmansegg, Das Experiment der Freiheit. Zur gegenwärtigen Lage des demokratischen Verfassungsstaates, Stuttgart 1988, in: Jahrbuch Extremismus & Demokratie, hrsg. von Uwe Backes und Eckhard Jesse, 1.Jg., Bonn 1989, Seite 331 ff. 20. Martin Kämpchen (Hrsg.), Liebe auch den Gott deines Nächsten. Lebenserfahrungen beim Dialog der Religionen, Freiburg 1989, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 5, 2.2.1990, Seite 25. 21. Martin Kriele, Freiheit und „Befreiung“. Zur Rangordnung der Menschenrechte, Frankfurt 1988, in: Historische Zeitschrift, Band 251 (1990), Seite 102 f. 22. Andreas Schüler, Erfindergeist und Technikkritik. Der Beitrag Amerikas zur Modernisierung. Technikdebatte seit 1900, Stuttgart 1990, in: Deutschlandfunk. Zur Diskussion: Politische Literatur, Sendetermin: 13.8.1990; auszugsweise als: Technikdeutung und Technikkritik, in: Das Parlament, 41.Jg., Nr. 1–2, 4.Januar1991, Seite 11. 23. Helmut Herles/Ewald Rose (Hrsg.), Vom runden Tisch zum Parlament, Bonn 1990, in: Das historisch-politische Buch, Jg. 1991, Heft 39/3, Seite 86 f. 24. Stephan Eisel, Politik und Musik. Musik zwischen Zensur und politischem Missbrauch, München 1990, in: Das historisch-politische Buch, Jg. 1991, Heft 39/3, S. 87 25. Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, erweiterte Ausgabe, Frankfurt 1991, in: Jahrbuch Extremismus und Demokratie, herausgegeben von Uwe Backes und Eckhard Jesse, 4. Jg., Bonn 1992, Seite 272 ff.

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26. Besprechungsaufsatz: Ende der Geschichte? Francis Fukuyamas Diagnose der Gegenwart, in: Politisches Denken. Jahrbuch 1992, Stuttgart/Weimar 1993, Seite 159 ff. 27. Karl Dietrich Bracher, Wendezeiten der Geschichte. Historisch-politische Essays, Stuttgart 1992, in: Rheinischer Merkur, Nr. 3, 15. Januar 1993 28. Hans Dieter Lucas, Europa vom Atlantik bis zum Ural? Europapolitik und Europadenken im Frankreich der Ära de Gaulle, Bonn 1992, in: Das Parlament, Nr. 4, 22.Januar 1993 29. Ulrich Zwiener/Marek Siemek (Hrsg.), Polen und Deutsche in Europa. Tradition der Gemeinsamkeit und neue Wege, Jena/Erlangen 1992, in: Thüringer Landeszeitung, 23. Januar 1993; und in: Alma Mater Jenense, 4. Jg., Nr. 12, 9. 2.1993 30. Rüdiger Proske, Das Ende der Politik. Auf der Suche nach der Welt von morgen, Berlin/ Frankfurt 1992, in: Rheinischer Merkur, Nr. 8, 19. Februar 1993 31. Joachim Willink, Wagnis Demokratie. Gernsbach 1992, in: Rheinischer Merkur, Nr. 36, 3. September 1993, Seite 7 32. Hans-Georg Wehler (Hrsg.), Europa '92, Stuttgart 1993, in: Das historisch-politische Buch, Jg. 41/1993, Heft 5/6, Seite 237 33. Wolfgang Fikentscher, Demokratie. Eine Einführung, München 1993, in: Das historischpolitische Buch, Jg. 42/1994, Heft 3/4, Seite 98 34. Wolfgang Schmale (Hrsg.), Human rights and cultural diversity, Goldbach 1993, in: Politische Vierteljahresschrift, Heft 2/1994, Seite 368 f. 35. Frank R. Pfetsch, Internationale Politik, Stuttgart 1994, 325 Seiten, in: Das historischpolitische Buch, Heft 11/12, Jg. 42/1994, Seite 448. 36. Christoph Böhr, Der schwierige Weg zur Freiheit. Europa an der Schwelle zu einer neuen Epoche, Bonn 1994, 167 Seiten, in: Zeitschrift für Politik, 42.Jg., Nr. 4/Dezember 1995, Seite 453 f. und in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 7.Jg., Baden-Baden 1995, Seite 321 37. Walter Schweidler, Geistesmacht und Menschenrecht. Untersuchungen zur Bedeutung des Universalanspruchs der Menschenrechte, Freiburg/München 1994, 676 Seiten, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse(Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 7.Jg., Baden-Baden 1995, Seite 356; in: Neue Politische Literatur, Jg.42/1997, Seite 105 f. in: Der Staat, 36.Band, Heft 2/1997, Seite 313 und in: Historische Mitteilungen der Ranke Gesellschaft, 13.Jahrgang, 2000, Seite 291 f. 38. Reinhard Göhner, Vernetzt denken – verantwortlich handeln. Erneuerung von Gesellschaft und Politik, Bonn 1995, 153 Seiten, in: Zeitschrift für Politik, 43. Jg., Heft 1/März 1996, Seite 109 f. 39. Andreas Püttmann, Ziviler Ungehorsam und christliche Bürgerloyalität. Konfession und Staatsgesinnung in der Demokratie des Grundgesetzes, Paderborn 1994, 506 Seiten, in: Annotierte Bibliographie für die politische Bildung, Nr. 1/1996, Seite 16 f. 40. Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München/Wien 1996, 581 Seiten, in: Zeitschrift für Kultur-Austausch, 46.Jahrgang, Heft 4/1996, Seite 118 ff. und in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 9.Jahrgang, Baden-Baden 1997, Seite 315 ff. 41. Thierry de Montbrial, Dialog am Ende des Jahrhunderts, München 1998, 320 Seiten, in: Zeitschrift für Kulturaustausch, 48.Jahrgang, Nr. 1/1998, Seite 128 f. 42. Klaus Hildebrand (Hrsg.), Das Deutsche Reich im Urteil der großen Mächte, München 1995, 232 Seiten, in: Das historisch-politische Buch, Jahrgang 45/1997, Heft 5/6, Seite 183.

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43. Joschka Fischer, Für einen neuen Gesellschaftsvertrag, Köln 1998, 337 Seiten, in: Das historisch-politische Buch, 46.Jahrgang, Heft 5/1999, Seite 553 f. 44. Wolfgang Wippermann, Totalitarismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute, Darmstadt 1997, in: Das historisch-politische Buch, 46.Jahrgang, Heft 5/1999, Seite 553 f. 45. Otto von Habsburg, Die paneuropäische Idee. Eine Vision wird Wirklichkeit, Wien 1999, in: Das historisch-politische Buch, 47.Jahrgang, Heft 1/2000, Seite 282 46. Christopher Lord (ed.), Central Europe. Core or Periphery, Copenhagen 2000, in: Das historisch-politische Buch, Jahrgang 2000, Seite 344 47. Arved Waltemathe, Austritt aus der EU. Sind die Mitgliedsstaaten noch souverän?, Bern 2000, in: Das historisch-politische Buch, Jahrgang 2000, Seite 404 f. 48. Udo M. Metzinger, Die Huntington-Debatte. Die Auseinandersetzung mit Huntingtons „Clash of Civilizations“ in der Publizistik, Köln 2000, in: Das historisch-politische Buch, 48.Jahrgang, Heft 5/2001, Seite 547. 49. Klemens H. Fischer (Hrsg)., Der Vertrag von Nizza. Text und Kommentar einschließlich der konsolidierten Fassung des EUV und EGV sowie des Textes der EU-Charta der Grundrechte, Baden-Baden 2001, 572 Seiten, in: Das historisch-politische Buch, 49.Jahrgang, Heft 2/2001, Seite 193. 50. Claudia Althaus, Erfahrung denken. Hannah Arendts Weg von der Zeitgeschichte zur politischen Theorie, Göttingen 2001, Das historisch-politische Buch, 49. Jahrgang, Nr. 3, 2001, Seite 320 f. 51. Dana R. Villa, Politics, Philosophy, Terror: Essays on the Thought of Hannah Arendt, Princeton 1999, in: Das historisch-politische Buch, 49.Jahrgang, Nr. 4/2001, S. 443. 52. Mark Leonhard, Was denkt China?, München 2009, in: Das historisch-politische Buch, 57.Jahrgang, Heft 5/2010. 53. Michael Wintle, The Image of Europe, Cambridge 2009, in: Das historisch-politische Buch, 57.Jahrgang, Heft 6/2010, Seite 611 f. 54. Jürgen Mittag (Hrsg.), 30 Jahre Direktwahlen zum Europäischen Parlament (1979–2009). Europawahlen und EP in der Analyse, Baden-Baden 2011, in: Das historisch-politische Buch, 59.Jahrgang, Heft 6/2011, Seite 617 f. 55. Carlo Masala et al.(Hrsg.), Was die EU im Innersten zusammenhält. Debatten zur Legitimität und Effektivität supranationalen Regierens, Baden-Baden 2011, in: Das historisch-politische Buch, 60.Jahrgang, Heft 6/2012, Seite 639. 56. Europe in Crisis. Intellectuals and the European Idea, 1917–1957, Edited by Mark Hewitson and Matthew D’Auria, New York/Oxford: Berghahn Books, 2012, in: Canadian Journal of History, Vol. 49.1 (2014), Seite 111 ff. 57. Winfried Loth, Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte, Frankfurt 2014, in: Politische Vierteljahresschrift, 56.Jahrgang, Nr. 1/2015, Seite 150–152. 58. Tanja Börzel/Thomas Risse (eds.), The Oxford Handbook of Comparative Regionalism, Oxford 2916, in: Politische Vierteljahresschrift (PVS), Jahrgang 58, Heft 3/2017, Seite 487 ff. 59. Miszelle zu Neuerscheinungen: Umdenken und Umsteuern. Gründliche Sichtweisen und neue Einsichten zu Migration und Flucht, in: Jahrbuch für Europäische Überseeforschung, Nr. 18/2019, Seite 211 ff.

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Mitglied von Herausgeberbeiräten   1. Asia-Pacific Journal of EU Studies (Seoul)   2. Croatian International Relations Review (Zagreb)   3. Al-Azimuth. A Journal of Foreign Policy and Peace (Ankara)

Herausgeber von Schriftenreihen Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung/Center for European Integration Studies, Nomos: Baden-Baden Frank Ronge, Legitimität durch Subsidiarität. Der Beitrag des Subsidiaritätsprinzips zur Legitimation einer überstaatlichen politischen Ordnung in Europa, Band 1, BadenBaden,1998, 263 Seiten. Andreas Beierwaltes (Hrsg.), Lernen für das neue Europa. Bildung zwischen Wertevermittlung und High-Tech?, Band 2, Baden-Baden, 1998, 152 Seiten. Ludger Kühnhardt, Zukunftsdenker. Bewährte Ideen politischer Ordnung für das dritte Jahrtausend, Band 3, Baden-Baden, 1999, 374 Seiten. Csilla Erdödy-Csorba (Hrsg.), Europäische Romantik und nationale Identität. Sandor Petöfi im Spiegel der 1848er Epoche, Band 4, Baden-Baden, 1999, 174 Seiten. Susanne Baier-Allen (Hrsg.), Looking into the Future of Cyprus-EU Relations, Band 5, Baden-Baden, 1999, 262 Seiten. Stoyan Stalev, Verfassungssysteme im Umbruch. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zu Bulgarien, Rumänien und Slowenien, Band 6, Baden-Baden, 1999, 139 Seiten. Ludger Kühnhardt/Alexander Tschubarjan (Hrsg.), Russland und Deutschland auf dem Weg zum antitotalitären Konsens, Band 7, Baden-Baden, 1999, 243 Seiten. Peter Wittschorek (Hrsg.), Agenda 2000. Herausforderungen an die Europäische Union und an Deutschland, Band 8, Baden-Baden, 1999, 403 Seiten. Susanne Baier-Allen (Hrsg.), Synergy in Conflict Management. What can be learnt from recent experiences? Band 9, Baden-Baden, 1998, 245 Seiten. Marcus Höreth, Die Europäische Union im Legitimationstrilemma. Zur Rechtfertigung des Regierens jenseits der Staatlichkeit, Band 10, Baden-Baden, 1999, 387 Seiten. Ludger Kühnhardt/Dario Valcarcel (Hrsg.), Spanien und Deutschland als EU-Partner, Band 11, Baden-Baden 1999, 188 Seiten. Matthias Pape (Hrsg.), Österreich – von der Monarchie zum EU-Partner, Band 12, Baden-Baden, 2000, 288 Seiten. Marek J. Siemek, Vernunft und Intersubjektivität. Zur philosophisch-politischen Identität der europäischen Moderne, Band 13, Baden-Baden, 2000, 259 Seiten. Hüseyin Bagci/Jackson Janes/Ludger Kühnhardt (Hrsg.), Parameters of Partnership. The US – Turkey – Europe, Band 14, Baden-Baden, 1999, 248 Seiten.

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Frank Ronge (Hrsg.), In welcher Verfassung ist Europa – Welche Verfassung für Europa?, Band 15, Baden-Baden, 2001, 368 Seiten. Andreas Beierwaltes, Demokratie und Medien. Der Begriff der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die Demokratie in Europa, Band 16, Baden-Baden, 2000, 291 Seiten. Uwe Holtz (Hrsg.), Fünfzig Jahre Europarat, Band 17, Baden-Baden, 2000, 377 Seiten. Susanne Baier-Allen (Hrsg.), The Future of Euro-Atlantic Relations, Band 18, BadenBaden, 2000, 226 Seiten. Cornelis Theunis van der Lugt, State sovereignty or Ecological Sovereignty? A Study of the Regulation of Acid Rain within the European Union, Band 19, Baden-Baden, 2000, 377 Seiten. Sven Arnswald/Marcus Wenig (Hrsg.), German and American Policies towards the Baltic States. The Perspectives of EU and NATO Enlargement, Band 20, Baden-Baden, 2000, 120 Seiten. Wojciech Boloz/Gerhard Höver (Hrsg.), Die Einigung Europas als Herausforderung für die Kirche, Band 211, Baden-Baden, 2000, 255 Seiten. Jackson Janes/Oleg Kokoschinsky/Peter Wittschorek (Hrsg.), Ukraine, Europe, and the United States. Towards a New Euro-Atlantic Security Architecture, Band 22, BadenBaden, 2000, 179 Seiten. Gerd Föhrenbach, Die Westbindung der baltischen Staaten. Zur Integration Estlands, Lettlands und Litauens in die bi- und multilateralen europäischen und transatlantischen Sicherheitsstrukturen, Band 23, Baden-Baden, 2000, 269 Seiten. Susanne Baier-Allen/Ljubomir Cucic (Hrsg.), The Challenges of Pluriculturality in Europe, Band 24, Baden-Baden, 2000, 212 Seiten. Ludger Kühnhardt, Von Deutschland nach Europa. Geistiger Zusammenhalt und aussenpolitischer Kontext, Band 25, Baden-Baden, 2000, 464 Seiten. Wolf-Dieter Lange/Andrea-Eva Smolka (Hrsg.), 25 Jahre nachrevolutionäre Literatur in Portugal. Nationale Mythen und kulturelle Identitätssuche, Band 26, Baden-Baden, 2001, 298 Seiten. Walter Schweidler (Hrsg.), Werte im 21. Jahrhundert, Band 27, Baden-Baden, 2001, 292 Seiten. Monika Jung, Die nukleare Abrüstung der Ukraine 1991–1996. Ein Lehrstück für die ukrainische Aussen- und Sicherheitspolitik, Band 28, Baden-Baden, 2000, 301 Seiten. Gerhard Höver (Hrsg.), Religion und Menschenrechte. Genese und Geltung, Band 29, Baden-Baden, 2001, 182 Seiten. Romain Kirt (Hrsg.), Die Europäische Union und ihre Krisen, Band 30, Baden-Baden, 2001, 347 Seiten. Walter Fürst/Martin Honecker (Hrsg.), Christenheit – Europa 2000. Die Zukunft Europas als Aufgabe und Herausforderung für Theologie und Kirche, Band 31, Baden-Baden, 2001, 222 Seiten. Gabor Erdödy (Hrsg.), Transformationserfahrungen. Zur Entwicklung der politischen Kultur in den EU-Kandidatenländern, Band 32, Baden-Baden, 2003, 284 Seiten. Karl Magnus Johannson/Peter Zervakis (Hrsg.), European Political Parties between Cooperation and Integration, Band 33, Baden-Baden, 2002, 239 Seiten.

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Heiko Uecker (Hrsg.), Deutsch-Norwegische Kontraste. Spiegelungen europäischer Mentalitätsgeschichte, Band 24, Baden-Baden 2001, 151 Seiten. Romain Kirt/Arno Waschkuhn (Hrsg.), Kleinstaaten-Kontinent Europa. Probleme und Perspektiven, Band 35, Baden-Baden, 2001, 304 Seiten. Georg Klöcker (Hrsg), Ten Years after the Baltic States re-entered the International Stage, Band 26, Baden-Baden, 2001, 256 Seiten. Rafael Biermann (Hrsg.), Deutsche Konfliktbewältigung auf dem Balkan. Erfahrungen und Lehren aus dem Einsatz, Band 37, Baden-Baden, 2002, 251 Seiten. Andreas Maurer/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Das Europäische Parlament nach Amsterdam und Nizza: Arena oder Alibi, Band 38, Baden-Baden, 2003, 251 Seiten. Xuewu Gu (Hrsg.), Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa, Band 39, Baden-Baden, 2002, 219 Seiten. Xuewu Gu (Hrs.), Europe and Asia. Mutual Perceptions and Expectations on the Way to a New Partnership for the Twenty-First Century, Band 40, Baden-Baden, 2002, 219 Seiten. Jan Figel/Wolfgang Roth (Hrsg.), Slovakia on the Road to EU Membership, Band 41, Baden-Baden, 2002, 134 Seiten. Georg Michels (Hrsg.), Auf der Suche nach einem Phantom? Widerspiegelungen Europas in der Geschichtswissenschaft, Band 42, Baden-Baden, 2002, 218 Seiten. Ralf Elm (Hrsg.), Europäische Identität: Paradigmen und Methodenfragen, Band 43, Baden-Baden, 2002, 318 Seiten. Andreas Maurer/Wolfgang Wessels (Hrsg.), National Parliaments on their Ways to Europe: Losers or Latecomers? Band 44, Baden-Baden, 2001, 521 Seiten. Heinrich P.Kelz/Rudolf Simek/Stefan Zimmer (Hrsg.), Europäische Kleinsprachen. Zu Lage und Status der kleinen Sprachen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, Band 45, Baden-Baden, 2001, 180 Seiten. Thomas Lemmen, Muslime in Deutschland. Eine Herausforderung für Kirche und Gesellschaft, Band 46, Baden-Baden, 2001, 325 Seiten. Martin Weber, Schweden und die Europäische Union. Europadebatte und Legitimität, Band 47, Baden-Baden, 2001, 367 Seiten. Carlo Masala (Hrsg.), Der Mittelmeerraum – Brücke oder Grenze? Band 48, BadenBaden, 2002, 160 Seiten. Peter J. Cullen/Peter Zervakis (Hrsg.), The Post-Nice Process. Towards a European Constitution? Band 49, Baden-Baden, 2002, 239 Seiten. Hans-Dieter Lucas (Hrsg.), Genscher, Deutschland und Europa, Band 50, Baden-Baden, 2002, 444 Seiten. Frank Kressing/Karl Kaser (Hrsg.), Albania – A Country in Transition, Band 51, BadenBaden, 2002, 176 Seiten. Isolde Burr/Gertrud Graciano (Hrsg.), Sprache und Recht/La construction europenne:aspects linguistiques et juridiques, Band 52, Baden-Baden, 2003, 237 Seiten. Mladen Stanicic (Hrsg.), Croatia on its Way towards the EU, Band 53, Baden-Baden, 2002, 176 Seiten.

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Gabor Erdödy (Hrsg.), Mitteleuropa. Politische Kultur und europäische Einigung, Band 54, Baden-Baden, 2003,153 Seiten. Ralf Elm/Mamoru Takayama (Hrsg.), Zukünftiges Menschsein. Ethik zwischen Ost und West, Band 55, Baden-Baden, 2003, 525 Seiten. Jacobus Delwaide/Georg Michels/Bernd Müller (Hrsg.), Die Rheingesellschaft. Mentalitäten, Kulturen und Traditionen im Herzen Europas, Band 56, Baden-Baden, 2003, 255 Seiten. Carlo Masala, Den Blick nach Süden? Die NATO im Mittelmeerraum (1990–2003). Fallstudie zur Anpassung militärischer Allianzen an neue sicherheitspolitische Rahmenbedingungen, Band 57, Baden-Baden, 2003, 316 Seiten. Heinrich P.Kelz (Hrsg), Die sprachliche Zukunft Europas. Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik, Band 58, Baden-Baden, 2002, 283 Seiten. Uwe Leonardy, Europäische Kompetenzabgrenzung als deutsches Verfassungspostulat. Dokumente zur Entstehung und Auswirkung des Artikels 23 GG, Band 59, BadenBaden, 2002, 333 Seiten. Ludger Kühnhardt, Constituting Europe. Identity, Institution-Building and the Search for a Global Role, Band 60, Baden-Baden, 2003, 275 Seiten. Johannes Beverungen, Elite Planning Organizations. Tradition, Charakteristika, Implikationen der Trilateral Commission, Band 61, Baden-Baden, 2004, 254 Seiten. Ludger Kühnhardt, Erweiterung und Vertiefung. Die Europäische Union im Neubeginn, Band 62, Baden-Baden, 2005, 420 Seiten. Tobias Schumacher, Die Europäische Union als internationaler Akteur im südlichen Mittelmeerraum. Zum Verhältnis von „Actor Capability“ und EU-Mittelmeerpolitik, Band 63, Baden-Baden, 2005, 470 Seiten. Ludger Kühnhardt/Mamoru Takayama (Hrsg.), Menschenrechte, Kulturen und Gewalt. Ansätze einer interkulturellen Ethik, Band 64, Baden-Baden, 2005, 464 Seiten. Marcus Höreth/Cordula Janowski/Ludger Kühnhardt (Hrsg.), Die Europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen, Band 65, BadenBaden, 2005, 301 Seiten. Cordula Janowski, Die nationalen Parlamente und ihre Europa-Gremien. Legitimationsgarant der EU?, Baden-Baden 2005, 278 Seiten. Ludger Kühnhardt, European Union – The Second Founding. The Changing Rationale of European Integration, Baden-Baden 2008, 670 Seiten (Neuauflage 2010). Ariane Kösler/Martin Zimmek (eds.), Elements of Regional Integration. A Multidimensional Approach, Baden-Baden 2008, 278 Seiten. Thomas Demmelhuber, EU-Mittelmeerpolitik und der Reformprozess in Ägypten. Von der Partnerschaft zur Nachbarschaft, Band 69, Baden-Baden 2009, 343 Seiten. Andreas Marchetti, Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Politikformulierung im Beziehungsdreieck Deutschland – Frankreich – Grossbritannien, Band 70, Baden-Baden 2009, 378 Seiten. Andreas Marchetti/Claire Demesmay (Hrsg.), Der Vertrag von Lissabon. Analyse und Bewertung, Band 71, Baden-Baden 2010, 289 Seiten.

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Ludger Kühnhardt, Europa: Innere Verfassung und Wende zur Welt. Standortbestimmung der Europäischen Union, Band 72, Baden-Baden 2010, 375 Seiten. Georg Kristian Kampfer, Die Europäische Union auf dem Weg zu einem Bundesstaat? Von der föderalen Struktur der EU und der Europäisierung der Aussenpolitik, BadenBaden 2010, 353 Seiten. Andreas Marchetti/Louis-Marie Clouet (Hrsg.), Europa und die Welt 2020, Band 74, Baden-Baden 2011, 304 Seiten. Daniela Vogt, Die ultraperipheren Regionen der EU, Band 75, Baden-Baden 2011, 235 Seiten. Matthias Vogl, Europäische Sicherheitspolitik im Wandel. Von Machtpolitik zum aufgeklärten Eigeninteresse?, Band 76, Baden-Baden 2015, 400 Seiten. Christian Koenig/Ludger Kühnhardt (eds.), Governance and Regulation in the European Union: A Reader, Band 77, Baden-Baden 2017, 329 Seiten. Malte Tim Zabel, Euroskeptizismus. Ursprünge und Ausdrucksformen im Verlauf des europäischen Integrationsprozesses, Band 78, Baden-Baden, 2017, 407 Seiten. Robert Stüwe/Thomas Panayotopoulos (eds.), Polticizing EU Politics. The Juncker Commission 2014–2019, Band 79, Baden-Baden, 2020, 140 Seiten. Ludger Kühnhardt, Identität und Weltfähigkeit. Sichtweisen aus einem unruhigen Europa, Band 80, Baden-Baden, 2020, 740 Seiten. Robert Stüwe, Das Machtproblem der EU-Energieaußenpolitik. Von der Integration zur Projektion beim Erdgasimport?, Band 81, Baden-Baden, 2020, 304 Seiten. Carola Logan, Logan, EU Energieunion. Antrieb, Fortschritte und Hindernisse für „das nächste große europäische Integrationsprojekt“, Band 82, Baden-Baden, 2020, 208 Seiten. Michael Amoah Awuah, Energy Regionalism in ECOWAS and the EU. A Comparative and Polycentric Governance Study, Band 83, Baden-Baden, 2021, 534 Seiten. Thorsten K. Schreiweis, Island und die Europäische Union. Eine Studie zur Erweiterung, Vertiefung und Integration der EU, Band 84, Baden-Baden, 2021, 444 Seiten. Ludger Kühnhardt (Hrsg.), Im Gespräch bleiben: Politische Wissenschaft und berufliche Praxis. Freiburger Europadialog/Bonner Europakolloquium (1994–2023), Band 85, Baden-Baden 2023, 792 Seiten. Ludger Kühnhardt, Zwischen den Zeiten. Betrachtungen zu Geschichte, Fortschritt und Freiheit, Band 86, Baden-Baden 2024 Patrick Baues, Das Europäische Parlament und die Türkei (2005-2019). Beziehungen im Spannungsfeld zwischen normativem und strategischem Handeln, Band 87, BadenBaden 2023.

ZEI Discussion Paper, Bonn: Zentrum für Europäische Integrationsforschung Frank Ronge (Hrsg.), Die baltischen Staaten auf dem Weg in die Europäische Union, C 1 (1998)

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Gabor Erdödy, Die Problematik der europäischen Orientierung Ungarns, C 2 (1998) Stephan Kux, Zwischen Isolation und autonomer Anpassung: Die Schweiz im integrationspolitischen Abseits?, C 3 (1998) Guido Lenzi, The WEU between NATO and EU, C 4 (1998) Andreas Beierwaltes, Sprachenvielfalt in der EU – Grenze einer Demokratisierung Europas? C 5 (1998) Jerzy Buzek, Poland’s Future in a United Europe, C 6 (1998) Doug Henderson, The British Presidency of the EU and British European Policy, C 7 (1998) Simon Upton, Europe and Globalisation on the Threshold of the 21st Century. A New Zealand Perspective, C 8 (1998) Thanos Veremis, Greece, the Balkans and the European Union, C 9 (1998) Zoran Djindjic, Serbiens Zukunft in Europa, C 10 (1998) Marcus Höreth, The Trilemma of Legitimacy. Multilevel Governance in the EU and the Problem of Democracy, C 11 (1998) Saadollah Ghaussy, Japan and the European Union, C 12 (1998) Walter Schweidler, Bioethische Konflikte und ihre politische Regelung in Europa, C 13 (1998) Wolfgang Ischinger, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nach Amsterdam, C 14 (1998) Kant K. Bhargava, EU – SAARC: Comparisons and Prospects of Cooperation, C 15 (1998) Anthony J. Nicholls, Die deutsch-britischen Beziehungen: Ein hoffnungsloser Fall?, C 16 (1998) Nikolaj Petersen, The Danish Referendum on the Treaty of Amsterdam, C 17 (1998) Aschot L. Manutscharjan, Der Konflikt um Berg-Karabach: Grundproblematik und Lösungsperspektiven, C 18 (1998) Stefan Fröhlich, Der Ausbau der europäischen Verteidigungsidentität zwischen WEU und NATO, C 19 (1998) Tönis Lukas, Estland auf dem Weg aus der totalitären Vergangenheit zurück nach Europa, C 20 (1998) Wim F. van Eekelen, Perspektiven der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, C 21 (1998) Ludger Kühnhardt, Europa in den Kräftefeldern des 21. Jahrhunderts, C 22 (1998) Marco Bifulco, In Search of an Identity for Europe, C 23 (1998) Zbigniew Czachór, Ist Polen reif für die Europäische Union?, C 24 (1998) Avi Primor, Der Friedensprozeß im Nahen Osten und die Rolle der Europäischen Union, C 25 (1998) Igor Leshoukov, Beyond Satisfaction: Russia’s Perspectives on European Integration, C 26 (1998) Dirk Rochtus, Die belgische „Nationalitätenfrage“ als Herausforderung für Europa, C 27 (1998)

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Jürgen Rüttgers, Europa – Erbe und Auftrag, C 28 (1998) Murat T. Laumulin, Die EU als Modell für die zentralasiatische Integration?, C 29 (1999) Valdas Adamkus, Europe as Unfinished Business: The Role of Lithuania in the 21st Century’s Continent, C 30 (1999) Ivo Samson, Der widerspruchsvolle Weg der Slowakei in die EU, C 31 (1999). Rudolf Hrbek/Jean-Paul Picaper/Arto Mansala, Deutschland und Europa. Positionen, Perzeptionen, Perspektiven, C 31 (1999) Dietrich von Kyaw, Prioritäten der deutschen EU-Präsidentschaft unter Berücksichtigung des Europäischen Rates in Wien, C 32 (1999) Hagen Schulze, Die Identität Europas und die Wiederkehr der Antike, C 34 (1999) Günter Verheugen, Germany and the EU Council Presidency, C 35 (1999) Friedbert Pflüger, Europas globale Verantwortung – Die Selbstbehauptung der alten Welt, C 36 (1999) José María Gil-Robles, Der Vertrag von Amsterdam: Herausforderung für die Europäische Union, C 37 (1999) Peter Wittschorek, Präsidentenwahlen in Kasachstan 1999, C 38 (1999) Anatolij Ponomarenko, Die europäische Orientierung der Ukraine, C 39 (1999) Eduard Kukan, The Slovak Republic on its Way into the European Union, C 40 (1999) Ludger Kühnhardt, Europa auf der Suche nach einer neuen geistigen Gestalt, C 41 (1999) Simon Green, Ausländer, Einbürgerung und Integration: Zukunftsperspektive der europäischen Unionsbürgerschaft?, C 42 (1999) Ljerka Mintas Hodak, Activities of the Government of the Republic of Croatia in the Process of European Integration, C 43 (1999) Wolfgang Schäuble, Unsere Verantwortung für Europa, C 44 (1999) Eric Richard Staal, European Monetary Union: The German Political-Economic Trilemma, C 45 (1999) Marek J. Siemek, Demokratie und Philosophie, C 46 (1999) Ioannis Kasoulides, Cyprus and its Accession to the European Union, C 47 (1999) Wolfgang Clement, Perspektiven nordrhein-westfälischer Europapolitik, C 48 (1999) Volker Steinkamp, Die Europa-Debatte deutscher und französischer Intellektueller nach dem Ersten Weltkrieg, C 49 (1999) Daniel Tarschys, 50 Jahre Europarat, C 50 (1999) Marcin Zaborowski, Poland, Germany and EU Enlargement, C 51 (1999) Romain Kirt, Kleinstaat und Nationalstaat im Zeitalter der Globalisierung, C 52 (1999) Ludger Kühnhardt, Die Zukunft des europäischen Einigungsgedankens, C 53 (1999) Lothar Rühl, Conditions and options for an autonomous „Common European Policy on Security and Defence“ in and by the European Union in the post-Amsterdam perspective opened at Cologne in June 1999, C 54 (1999) Marcus Wenig (Hrsg.), Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit in Europa am Beispiel Deutschland – Slowakei, C 55 (1999)

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Anhang

Rafael Biermann, The Stability Pact for South Eastern Europe – potential, problems and perspectives, C 56 (1999) Eva Slivková, Slovakia’s Response on the Regular Report from the European Commission on Progress towards Accession, C 57 (1999) Marcus Wenig (ed.), A Pledge for an Early Opening of EU-Accession Negotiations, C 58 (1999) Ivo Sanader, Croatia’s Course of Action to Achieve EU Membership, C 59 (1999) Ludger Kühnhardt, Europas Identität und die Kraft des Christentums, C 60 (2000) Kai Hafez, The West and Islam in the Mass Media, C 61 (2000) Sylvie Goulard, Französische Europapolitik und öffentliche Debatte in Frankreich, C 62 (2000) Elizabeth Meehan, Citizenship and the European Union, C 63 (2000) Günter Joetze, The European Security Landscape after Kosovo, C 64 (2000) Lutz Rathenow, Vom DDR-Bürger zum EU-Bürger, C 65 (2000) Panos Kazakos, Stabilisierung ohne Reform, C 66 (2000) Marten van Heuven, Where will NATO be ten years from now?, C 67 (2000) Carlo Masala, Die Euro-Mediterrane Partnerschaft, C 68 (2000) Weltachsen 2000/World Axes 2000. A documentation, C 69 (2000) Gert Maichel, Mittel-/Osteuropa: Warum engagieren sich deutsche Unternehmen?, C 70 (2000) Marcus Wenig (Hrsg.), Die Bürgergesellschaft als ein Motor der europäischen Integration, C 71 (2000) Ludger Kühnhardt/Henri Ménudier/Janusz Reiter, Das Weimarer Dreieck, C 72 (2000) Ramiro Xavier Vera-Fluixa, Regionalbildungsansätze in Lateinamerika und ihr Vergleich mit der Europäischen Union, C 73 (2000) Xuewu Gu (Hrsg.), Europa und Asien: Chancen für einen interkulturellen Dialog?, C 74 (2000) Stephen C. Calleya, Is the Barcelona Process working?, C 75 (2000) Àkos Kengyel, The EU’s Regional Policy and its extension to the new members, C 76 (2000) Gudmundur H. Frìmannsson, Civic Education in Europe: Some General Principles, C 77 (2000) Marcus Höreth, Stille Revolution im Namen des Rechts?, C 78 (2000) Franz-Joseph Meiers, Europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI) oder Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GESVP)?, C 79 (2000) Gennady Fedorov, Kaliningrad Alternatives Today, C 80 (2000) Ann Mettler, From Junior Partner to Global Player: The New Transatlantic Agenda and Joint Action Plan, C 81 (2001) Emil Minchev, Southeastern Europe at the beginning of the 21st century, C 82 (2001) Lothar Rühl, Structures, possibilities and limits of European crisis reaction forces for conflict prevention and resolution, C 83 (2001)

Anhang

1177

Viviane Reding, Die Rolle der EG bei der Entwicklung Europas von der Industriegesellschaft zur Wissens- und Informationsgesellschaft, C 84 (2001) Ludger Kühnhardt, Towards Europe 2007. Identity, Institution-Building and the Constitution of Europe, C 85 (2001) Janusz Bugajski, Facing the Future: The Balkans to the Year 2010, C 86 (2001) Frank Ronge/Susannah Simon (eds.), Multiculturalism and Ethnic Minorities in Europe, C 87 (2001) Ralf Elm, Notwendigkeit, Aufgaben und Ansätze einer interkulturellen Philosophie, C 88 (2001) Tapio Raunio/Matti Wiberg, The Big Leap to the West: The Impact of EU on the Finnish Political System, C 89 (2001) Valérie Guérin-Sendelbach (Hrsg.), Interkulturelle Kommunikation in der deutschfranzösischen Wirtschaftskooperation, C 90 (2001) Jörg Monar, EU Justice and Home Affairs and the Eastward Enlargement: The Challenge of Diversity and EU Instruments and Strategies, C 91 (2001) Michael Gehler, Finis Neutralität? Historische und politische Aspekte im europäischen Vergleich: Irland, Finnland, Schweden, Schweiz und Österreich, C 92 (2001) Georg Michels, Europa im Kopf – Von Bildern, Klischees und Konflikten, C 93 (2001) Marcus Höreth, The European Commission’s White Paper Governance: A ‘Tool-Kit’ for closing the legitimacy gap of EU policymaking?, C 94 (2001) Jürgen Rüland, ASEAN and the European Union: A Bumpy Interregional Relationship, C 95 (2001) Bo Bjurulf, How did Sweden Manage the European Union?, C 96 (2001) Biomedizin und Menschenwürde. Stellungnahmen von Ulrich Eibach, Santiago Ewig, Sabina Laetitia Kowalewski, Volker Herzog, Gerhard Höver, Thomas Sören Hoffmann und Ludger Kühnhardt, C 97 (2001) Lutz Käppel, Das Modernitätspotential der alten Sprachen und ihre Bedeutung für die Identität Europas, C 98 (2002) Vaira Vike-Freiberga, Republik Lettland und das Land Nordrhein-Westfalen – Partner in einem vereinten Europa, C 99 (2002) Janusz Musial, Periodische Arbeitsmigration aus Polen (Raum Oppeln) nach Deutschland. Ein Testfall für die Erwerbswanderungen nach der Osterweiterung?, C 100 (2002) Felix Maier (Hrsg.), Managing asymmetric interdependencies within the EuroMediterranean Partnership, C 101 (2002). Hendrik Vos, The Belgian Presidency and the post-Nice process after Laeken, C 102 (2002) Helmut Kohl, Der EURO und die Zukunft Europas, C 103 (2002) Ludger Kühnhardt, The Lakes of Europe, C 104 (2002) Katharina von Schnurbein, Der tschechische EU-Beitritt: Politischer Prozeß wider die öffentliche Meinung, C 105 (2002)

1178

Anhang

Andrew Dennison, Shades of Multilateralism. U.S. Perspectives on Europe’s Role in the War on Terrorism, C 106 (2002) Boris Hajoš et al., The Future of the European Integration Process: Ideas and Concepts of Candidate Countries, C 107 (2002) Hans von der Groeben, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 108 (2002) Emil Mintchev/Klaus Bünger, A Sustained Economic Revival in Kosovo. Need for a Liberal Concept, C 109 (2002) Michael Lochmann, Die Türkei im Spannungsfeld zwischen Schwarzmeer-Kooperation und Europäischer Union, C 110 (2002) Indra de Soysa/Peter Zervakis (eds.), Does Culture Matter? The Relevance of Culture in Politics and Governance in the Euro-Mediterranean Zone, C 111 (2002) José Manuel Martínez Sierra, The Spanish Presidency. Buying more than it can choose?, C 112 (2002) Winfried Loth, Europäische Identität in historischer Perspektive, C 113 (2002) Hansjörg Eiff, Serbien – zwei Jahre nach Milosevics Sturz, C 114 (2002) Peter Doyle. Ireland and the Nice Treaty, C 115 (2002) Stefan Fröhlich, Das Projekt der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GESVP): Entwicklungen und Perspektiven, C 116 (2002) Ludger Kühnhardt, Welche Grenzen setzt die Globalisierung der europäischen Integration?, C 117 (2003) Franz-Josef Meiers (Hrsg.), Die Auswirkungen des 11. September 2001 auf die transatlantischen Beziehungen, C 118 (2003) Hubert Iral, Between Forces of Inertia and Progress: Co-decision in EU-Legislation, C 119 (2003) Carlo Masala (ed.), September 11 and the Future of the Euro-Mediterranean Cooperation, C 120 (2003) Marcus Höreth, When Dreams Come True: The Role Of Powerful Regions In Future Europe, C 121 (2003) Glen Camp, The End of the Cold War and US-EU-Relations, C 122 (2003) Finn Laursen/Berenice L. Laursen, The Danish Presidency 2002: Completing the Circle from Copenhagen to Copenhagen, C 123 (2003) ZEI (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des EU-Konvents. Bewertung der Strukturentscheidungen, C 124 (2003) Hans-Christian Maner, Multiple Identitäten – Der Blick des orthodoxen Südosteuropa auf „Europa“, C 125 (2003) Janko Prunk, Die rationalistische Zivilisation, C 126 (2003) Władysław Bartoszewski, Europas Identität nach der Osterweiterung, C 127 (2003) Dimitris K. Xenakis and Dimitris N. Chryssochoou, The 2003 Hellenic Presidency of the European Union. Mediterranean Perspectives on the ESDP, C 128 (2003) Fritz Hellwig, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 129 (2004)

Anhang

1179

Thorsten Faas/Tapio Raunio/Matti Wiberg, The Difference Between Real And Potential Power: Voting Power, Attendance and Cohesion, C 130 (2004) Andreas Jacobs (ed.), Euro-Mediterranean cooperation: enlarging and widening the perspective, C 131 (2004) Ludger Kühnhardt/Gabor Erdödy/Christoph Böhr, L’Europa centrale fra le culture politiche nazionali tradizionali ed una nuova identità europea, C 132 (2004) Hubert Iral, Wartesaal oder Intensivstation? Zur Lage der EU nach der gescheiterten Regierungskonferenz, C 133 (2004) Nicole Groß, Netzwerkbildung in der EU als regionale Standortpolitik? Nordrhein-Westfalen und die transnationalen Beziehungen zu Regionen im Benelux-Raum sowie in Mittel- und Osteuropa, C 134 (2004) Karl-Heinz Narjes, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 135 (2004) Ludger Kühnhardt, The Global Proliferation of Regional Integration. European Experience and Worldwide Trends, C 136 (2004) Andreas Marchetti (ed.), The CSCE as a Model to Transform Western Relations with the Greater Middle East, C 137 (2004) Lothar Rühl, Conditions for a European intervention strategy in application of the ESDP and US/Nato crisis management, C 138 (2004) Hubert Iral, Im Spannungsfeld zwischen Normalzustand und Legitimationsfragen. Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2004 vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung und des Verfassungsgebungsprozesses, C 139 (2004) Franz-Josef Meiers, Transatlantic Relations after the U.S. Elections. From Rift to Harmony?. C 140 (2004) Ludger Kühnhardt, From National Identity to European Constitutionalism. European Integration: The first fifty years, C 141 (2004) Ashkaan Rahimi, The Evolution of EU Asylum Policy, C 142 (2005) Samuel Wells/Ludger Kühnhardt (eds.), The Crisis in Transatlantic Relations, C 143 (2005) Hansjörg Eiff, Zum Problem des Kosovo-Status, C 144 (2005) Miguel E. Cárdenas/Christian Arnold, La experiencia de la Unión Europea y sus anécdotas para la «Comunidad Andina de Naciones» (CAN), C 145 (2005) Franjo Štiblar, Preservation of National Identity and Interests in the Enlarged EU, C 146 (2005) Erol Esen, Grundzüge der Kommunalverwaltung und die europäische Integration der Türkei. Strukturen, Aufgaben und Standpunkte, C 147 (2005) Jürgen Elvert, Zur gegenwärtigen Verfassung der Europäischen Union. Einige Überlegungen aus geschichtswissenschaftlicher Sicht, C 148 (2005) Matti Wiberg, New Winners and Old Losers. A Priori Voting Power in the EU25, C 149 (2005) Siebo M. H. Janssen, Belgien – Modell für eine föderal verfasste EU? Die Föderalisierung Belgiens im Kontext der Europäischen Integration, C 150 (2005)

1180

Anhang

Geert-Hinrich Ahrens, Die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine. Die schwierige Mission der OSZE/ODIHR-Wahlbeobachter (August 2004 bis Januar 2005), C 151 (2005) Ludger Kühnhardt, Northeast Asia: Obstacles to Regional Integration. The Interests of the European Union, C 152 (2005) Martin Zimmek, Integrationsprozesse in Lateinamerika. Aktuelle Herausforderungen in Mittelamerika und der Andenregion, C 153 (2005) Andreas Marchetti (ed.), Ten Years Euro-Mediterranean Partnership. Defining European Interests for the Next Decade, C 154 (2005) Valeria Marziali, Lobbying in Brussels. Interest Representation and Need for Information, C 155 (2006) Nina Eschke/Thomas Malick (eds.), The European Constitution and its Ratification Crisis. Constitutional Debates in the EU Member States, C 156 (2006) Ludger Kühnhardt, European Integration: Challenge and Response. Crises as Engines of Progress in European Integration History, C 157 (2006) Andreas Marchetti, The European Neighbourhood Policy. Foreign Policy at the EU’s Periphery, C 158 (2006) Thomas Demmelhuber, The Euro-Mediterranean Space as an Imagined (Geo-)political, Economic and Cultural Entity, C 159 (2006) Emil Mintchev/Janusz Musial (Hrsg.), Stabilität durch Bildung. Die Fortbildungsprojekte des “Zentrum für Europäische Integrationsforschung” (ZEI) in Südosteuropa (1999– 2006), C 160 (2006) Jürgen Mittag, Escaping the Legitimacy-Accountability-Trap? Perspectives of Parliamentary Participation in European Security and Defence Policy, C 161 (2006) Cordula Janowski, Globalization, Regional Integration and the EU. Pleadings for a Broader Perspective, C 162 (2006) Swetlana W. Pogorelskaja, Die Bedeutung der deutschen parteinahen Stiftungen für die EU-Politik gegenüber den MOE- und GUS-Staaten, C 163 (2006) Wolfram Hilz, Deutschlands EU-Präsidentschaft 2007. Integrationspolitische Akzente in schwierigen Zeiten, C 164 (2006) Franz-Josef Meiers, Zwischen Partnerschaft und Widerspruch. Die deutschamerikanischen Beziehungen seit dem 11. September 2001, C 165 (2006) Christiana Tings, The new German European Policy. Challenges to Decentralised EU Policy Coordination, C 166 (2006) Ludger Kühnhardt, Europa neu begründen, C 167 (2007) Marvin Andrew Cuschieri, Europe’s Migration Policy Towards the Mediterranean. The Need for Reconstruction of Policy-Making, C 168 (2007) Ariane Kösler, The Southern African Development Community and its Relations to the European Union. Deepening Integration in Southern Africa?, C 169 (2007) Thomas Demmelhuber, The European Neighbourhood Policy (ENP) and its Implementation in the Southern Mediterranean. The Case of Egypt, C 170 (2007)

Anhang

1181

Matthieu Bertrand/Dorde Popovic/Denis Presova (eds.) Reconstructing Europe. Two Alternative Proposals for a European Constitution, C 171 (2007) Frauke Muth, When Sleeping Dogs Wake Up. Norway and Justice and Home Affairs in the European Union, C 172 (2007) Carsten Schymik, Norwegens Sonderweg in Europa. Warum Norwegen nicht Mitglied der Europäischen Union ist, C 173 (2007) Mladen Dragasevic, The Newest Old State in Europe. Montenegro Regaining Independence, C 174 (2007) Andreas Marchetti/Martin Zimmek (Hrsg.), Annäherungen an Europa. Beiträge zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007, C 175 (2007) Ariane Koesler/Martin Zimmek (eds.), Global Voices on Regional Integration, C 176 (2007) Dominic Heinz, A Review of EU-Russian Relations. Added Value or Structurally Deficient?, C 177 (2007) Peter Hughes, NATO and the EU: Managing the Frozen Conflict. Test Case Afghanistan C 179 (2008) Martin Seidel, Optionen für die europäische Integration, C 180 (2008) Jeffrey Herf, “The Jewish Enemy”: Rethinking Anti-Semitism in the Era of Nazism and in Recent Times, C 181 (2008) Marcus Höreth/Jareed Sonnicksen, Making and Breaking Promises. The European Union under the Treaty of Lisbon, C 182 (2008) Anna Niemann/Sonja Ana Luise Schröder/Meredith Catherine Tunick (eds.), Recovering from the Constitutional Failure. An Analysis of the EU Reflection Period, C 182 (2008) Yannis Tsantoulis, Subregionalism in the Black Sea and the EU’s Role. Incentives, Obstacles and a New Synergy, C 183 (2008) Ludger Kühnhardt, African Regional Integration and the Role of the European Union, C 184 (2008) Hans-Gert Pöttering, European Union – New Impulses for the Decade ahead, C 185 (2008) Jürgen Nielsen-Sikora, Europa der Bürger. Darstellung und Interviews (mit Peter Altmaier, Barbara Gessler, Ruth Hieronymi und Hans-Gert Pöttering), C 186 (2008) Jan Figel, Reflecting on the European Year of Intercultural Dialogue, C 187 (2008) Lazaros Miliopoulos, Begriff und Idee der “Atlantischen Zivilisation” in Zeiten transatlantischer Zerreissproben, C 188 (2008) Carl Christian von Weizsäcker, Regionalisierung der Regulierung im BitstromzugangsMarkt?, C 189 (2008) Sonja Schröder, The 2007–2013 European Cohesion Policy. A New Strategic Approach by the Commission?, C 190 (2008) Meredith Tunick, Promoting Innovation in the European Union: On the Development of Sound Competition and Industrial Policies, C 191 (2008)

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Anhang

Frank Decker/Jared Sonnicksen, The Direct Election of the Commission President. A Presidential Approach to Democratising the European Union, C 192 (2009) Aschot L. Manutscharjan, Der Berg-Karabach-Konflikt nach der Unabhängigkeit des Kosovo, C 193 (2009) Wiebke Drescher, The Eastern Partnership and Ukraine. New Labels – Old Products?, C 194 (2009) Ludger Kühnhardt/Tilman Mayer (Hrsg.), Die Gestaltung der Globalität. Neue Anfragen an die Geisteswissenschaften, C 195 (2009) Ina Hommers, Die Migrationspolitik der EU. Herausforderung zwischen nationaler Selbstbestimmung und europäischer Konvergenz, C 196 (2009) Klaus Hänsch, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 197 (2009) Ludger Kühnhardt/Tilman Mayer (Hrsg.), Die Gestaltung der Globalität. Annäherungen an Begriff, Deutung und Methodik, C 198 (2010) Wolfram Hilz/Catherine Robert (/Hrsg.), Frankreich – Deutschland – Polen: Partnerschaft im Herzen Europas, C 199 (2010) Klaus W. Grewlich, Pipelines, Drogen, Kampf ums Wasser – greift die EU-ZentralasienStrategie? Neues „Great Game“ von Afghanistan bis zum Kaspischen Meer, C 200 (2010) Uwe Leonardy, Is the European Federation a „Mission Impossible“? A Critical Analysis of the German Constitutional Court’s Judgement on the Lisbon Treaty, C 201 (2010) Günther H. Oettinger, Europeanizing Energy Policy, C 202 (2010) Ludger Kühnhardt/Tilman Mayer (Hrsg.), Die Gestaltung der Globalität. Wirkungen der Globalität auf ausgewählte Fächer der Philosophischen Fakultät, C 203 (2010) Dervis Fikret Ünal, EU-Russian Relations. Evolution and Theoretical Assessment, C 204 (2011) Andreas Marchetti/Louis-Marie Clouet, Leadership by Credibility. Franco-German Visions of the Future of the Union, C 205 (2011) Chibuike Uche, European Integration and West African Monetary Union, C 206 (2011) Klaus-Jörg Heynen, Negotiating EU Law. Particularities and Conclusions, C 207 (2011) Corsino Tolentino/Matthias Vogl (eds.), Sustainable Regional Integration in West Africa, C 208 (2011) Patrizia Luzia Kegel/Mohamed Amal, MERCOSUR and its Current Relationship with the European Union- Prospects and Challenges in a Changing World, C 209 (2012) Peter M. Schmidhuber, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 210 (2012) Ludger Kühnhardt/Tilman Mayer (Hrsg.), Die Gestaltung der Globalität. Schlüsselwörter der sozialen Ordnung (I), C 211 (2012) Ludger Kühnhardt, Regieren in der europäischen Föderation, C 212 (2012) Ryszard Rapacki, Poland and Greece – Two Contrasting EU Enlargement Experiences, C 213 (2012)

Anhang

1183

Claudia Rommel, Economic Partnership Agreements in the EU’s post-Lomé Trade Regime: Negotiations with West Africa, C 214 (2012) Ludger Kühnhardt/Tilman Mayer (Hrsg.), Die Gestaltung der Globalität. Schlüsselwörter der sozialen Ordnung (II), C 215 (2012) Marc Jan Eumann, Current challenges in the EU politics. A perspective from North Rhine-Westphalia, C 216 (2012) Desislava Kraleva, Free movement of workers in the EU. Legal aspects of the transitional arrangements, C 217 (2013) Martin Seidel, Die deutsche Europapolitik unter den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, C 318 (2013) Thorsten Kim Schreiweis, Die Demokratisierung der Europäischen Union, C 219 (2013) Michaele Schreyer, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 220 (2013) Günter Verheugen, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 221 (2014) Simon Perger, Regionale Integration in der arabischen Welt – eine neofunktionalistische Analyse, C 222 (2014) Ludger Kühnhardt, Gibt es eine politische Philosophie der Europäischen Union?, C 223 (2014) Christina Wunder, Communication and Campaigning in European Citizen’s Initiatives C 224 (2014) Ludger Kühnhardt, Die proto-konstitutionelle Etablierung der europäischen Innenpolitik. Rückblick und Ausblick auf Bedingungen föderaler Ordnung in Europa, C 225 (2014) Lothar Rühl, European foreign and security policy since the Lisbon Treaty – From common to single?, C 226 (2014) Monika Wulf-Mathies, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 227 (2015) Ludger Kühnhardt, Neighbors and other realities. The Atlantic civilization and its enemies, C 228 (2015) Kun Hu, Innovations of the European Central Bank in the context of financial and monetary integration. A Chinese Assessment, C 229 (2015) Thomas Panayotopoulos, The Energy Union – a solution for the European energy security?, C 230 (2015) Karl Magnus Johansson, Europarties – A Research Note, C 231 (2015) Hannelore Kraft, North Rhine-Westphalia and the European Union, C 232 (2015) Carla Manzanas, Movement, Security and Media, C 233 (2016) Rike Sohn, EU environmental policy and diplomacy from Copenhagen to Paris and beyond, C 234 (2016) Ludger Kühnhardt, Maturing beyond Cotonou: An EU-ACP Association Treaty for Development. A proposal for reinventing EU relations with the African, Caribbean and Pacific (ACP) Group of States, C 235 (2016) James D. Bindenagel, America and Europe in the Twenty-first Century, C 236 (2016)

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Anhang

Matthias Vogl/Rike Sohn, Nachhaltige regionale Integration in Westafrika und Europa. ZEI Forschungskooperation mit dem West Africa Institute (WAI) von 2007 bis 2016, C 237 (2016) Matteo Scotto, The Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). An Insight into its Transatlantic Relations and Global Context, C 238 (2016) Michael Gehler, Revolutionäre Ereignisse und geoökonomischstrategische Ergebnisse: Die EU- und NATO-„Osterweiterungen“ 1989–2015 im Vergleich, C 239 (2017) Tapio Raunio/Matti Wiberg, The Impact of the European Union on National Legislation, C 240 (2017) Robert Stüwe, EU External Energy Policy in Natural Gas: A Case of Neofunctionalist Integration?, C 241 (2017) Ludger Kühnhardt, Weltfähig werden. Die Europäische Union nach dem Biedermeier, C 242 (2017) Carlos Castilla, Relations European Union and Latin America, C 243 (2017) Joe Borg, The Maltese Presidency of the European Union 2017, C 244 (2017) Ludger Kühnhardt, The New Silk Road: The European Union, China and Lessons Learned, C 245 (2018) Teodora Lađić, The Impact of European Integration on the Westphalian Concept of National Sovereignty, C 246 (2018) Wolfgang Reinhard, Die Expansivität Europas und ihre Folgen, C 247 (2018) Joseph M. Hughes, “Sleeping Beauty” Unleashed: Harmonizing a Consolidated European Security and Defense Union, C 248 (2018) Rahel Hutgens/Stephan Conermann, Macron’s Idea of European Universities. From Vision to Reality, C 249 (2018) Javier Gonzaléz López, Bosnia and Herzegovina: a Case Study for the Unfinished EU Agenda in the Western Balkans, C 250 (2018) Günther H. Oettinger, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 251 (2019) Chiara Ristuccia, Industry 4.0: SMEs Challenges and Opportunities in the Era of Digitalization, C 252 (2019) Agnes Kasper/Alexander Antonov, Towards Conceptualizing EU Cybersecurity Law, C 252 (2019) Susanne Baier-Allen, Europe and America, C 254 (2019) Ludger Kühnhardt, The European Archipelago. Rebranding the strategic significance of EU Overseas Countries and Territories, C 255 (2019) Henri de Waele/Ellen Mastenbroek (eds.), Perspectives on Better Regulation in the EU, C 256 (2019) Ludger Kühnhardt, Richard von Weizsäcker (1920–2015). Momentaufnahmen und Denkwege eines europäischen Staatsmannes, C 257 (2020) Ermir I. Hajdini, Nikola Jokić, Teodora Lađić, Ksenija Milenković, Denis Preshova, Flandra Syla (eds.), Western Balkans and the European Union, C 258 (2020) Christos Stylianides, European Emergency Coordination, C 259 (2020)

Anhang

1185

Cillian O’Gara, European Energy Security, C 260 (2020) Johannes Wiggen, Chancen und Grenzen europäischer Cybersicherheitspolitik, C 261 (2020) Christoph Bierbrauer, Bailouts in the euro crisis: Implications for the aftermath of the COVID-19 pandemic, C 262 (2020) Muhammad Murad, Die Geoökonomie der Europäischen Union und die Herausforderung China, C 263 (2021) Jette Knapp, Struggling to Find a Recipe for Peace – Ten Years of European Initiatives to End the Conflict in Syria, C 264 (2021) Stephan Conermann/Rahel Hutgens, Macron’s Idea of European Universities: From Vision to Reality – The Implementation, C 265 (2021) Kwan Lok Alan Ho, “Loud thunder, little rain” – Participatory Democracy in the European Union, Examining the European Citizens’ Initiative as an example, C 266 (2021) Ludger Kühnhardt, The post-corona world. A research agenda, C 267 (2021) Daniel René Jung, Wolfgang Picken, Matteo Scotto, Liska Wittenberg (eds.), Corona und die Verfassung Europas, C 268 (2021) Ludger Kühnhardt, Karl Dietrich Bracher (1922–2016). Aus der Geschichte lernen. C 269 (2022) Michael Gehler, The Signing of the Rome Treaties 65 Years Ago: Origins, Provisions and Effects, C 270 (2022) Milenko Petrovic, EU enlargement into the Western Balkans: a gloomy prospect gets gloomier, C 271 (2022) Merit Thummes, Europäische Parteien als Antrieb für die europäische Integration? C 272 (2022) Henrik Suder, Die Wirkung der Staatsschuldenkrise auf das Legitimitätsniveau der Europäischen Union, C 273 (2022) Ludger Kühnhardt, Europas Sicherheit, die Zukunft der Ukraine und die „russische Frage“, C 274 (2022) Kateryna Khalabuzar, The Evolution of EU’s Perception Towards Ukraine, C 275 (2023) Simon Dietewich, Die EU und Kritische Rohstoffe, C 276 (2023) Ludger Kühnhardt, Die Päpste, Europas Einigung und ein zerrissener Kontinent. Eine Zwischenbilanz im Lichte der gegenwärtigen Krisen in Kirche und Welt, C 277 (2023) Ralf Dahrendorf, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 278 (2023) Koen Verhelst, A geopolitical gem: Greenland as test case for a more ambitious EU, C 279 (2023) Matti Wiberg, Keep calm and join NATO. Finland's and Sweden's road to the militarypolitical alliance, C 280 (2023) Ludger Kühnhardt, Hans-Peter Schwarz (1934–2017). Politik und Zeitkritik. C 281 (2024)

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Anhang

Dušan Brujić, Africa – EU Relations. The evolution of an agenda of partnership, C 282 (2024) Wilhelm Haferkamp, Europäische Integration aus historischer Erfahrung. Ein Zeitzeugengespräch mit Michael Gehler, C 283 (2024) Ludger Kühnhardt, Die Ambivalenz des Fortschritts. Freiheit unter globalen Bedingungen weiterdenken, C 284 (2024)

Verzeichnis der Vorträge, Konferenzteilnahmen, Gastprofessuren und Feldforschungen Datum

Ort

29.04.1977

Münster-Handorf St. Lukas Institut für Ärztliche Anthropologie

Veranstalter

31.01.1978

München

Katholische Studenten- Vortrag über die Entverbindung Aenania wicklungssituation in Tansania

10.02.1978

Ibbenbüren

Volkshochschule

24.–26.02.1978

München

Evangelische Akademie Tagung „Die Dritte Welt in Tutzing Szene und Spiel“

17.05.1978

München

Katholische Studenten- Vortrag zur Katholischen verbindung Aenania Soziallehre

25.–28.08.1978

Schloss Eichholz Konrad-AdenauerStiftung

01.10.1978

Tutzing

01.01.–05.07.1979

Pakistan, Indien, Sri Lanka, Nepal, Bangladesh, Burma

Studien-und Reportagereise

05.–26.08.1979

Jamaica, Haiti

Reportagereise

14.–16.09.1979

Gummersbach

Friedrich Naumann Stiftung

Teilnahme an der Tagung zur europäischen Afrikapolitik

25.09.1979

Bonn

Günter Olzog Verlag

Teilnahme an der Festveranstaltung zum 30-jährigen Bestehen des Olzog Verlags

27.10.1979

Waltrop

Katholische Kirche

Predigtvortrag über die politische und soziale Lage in Indien

Beitrag Vortrag: „Die Nord-SüdFrage“

Vortrag über die Entwicklungssituation in Tansania

Teilnahme an der Fachtagung für Nachwuchsjournalisten

Evangelische Akademie Teilnahme an der Konferenz „Die Zukunft unserer Demokratie“ mit den Repräsentanten aller deutschen Verfassungsorgane

Anhang

1187

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

09.11.1979

Ibbenbüren

Volkshochschule

Vortrag: „Indien, das Land der 500.000 Dörfer“

29.11.1979

Bonn

Verband Deutscher Studenten

Vortrag über Indien

18.01.1980

Lotte

Evangelische Kirchen- Vortrag zur Entwicklungsgemeinde hilfe

10.–12.02.1980

Schloss Eichholz Konrad-AdenauerStiftung

Teilnahme an der Fachtagung zur Entwicklungspolitik

21.02.1980

Ibbenbüren

Junge Union Kreis Steinfurt

Vortrag zu den Entwicklungsfragen in Indien und Pakistan

28.02.–13.04.1980

Israel, Ägypten

Kibbuz Geva

Kibbuz-Arbeitsaufenthalt und Reportagereise

25.04.1980

Ludwigsburg

Junge Union

Vortrag über die politische Entwicklung in Asien

30.04.1980

Bonn

Verband Deutscher Studenten

Vortrag über die politische Entwicklung in Asien

28.05.–02.06.1980

DDR

04.–08.06.1980

Berlin

86. Deutscher Katholikentag

22.05.1980

Düren

CDU-Sozialausschüsse Vortrag „Christliche Soziallehre konkret“

10.07.–26.09. 1980

Somalia, Djibouti, Äthiopien, Kenia, Tansania, Malawi, Sambia, Zimbabwe, Botswana, Seychellen

Studien- und Reportagereise

27.09.–11.10.1980

Indien

Studien- und Reportagereise

12.–18.10.1980

Manikpur

16.11.1980

Osnabrück

21.11.1980

München

Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht

Vortrag zum Film „Prahlad – ein Junge in Indien“

28.–30.11.1980

Gummersbach

Friedrich-NaumannStiftung

Teilnahme an der Fachtagung für Entwicklungspolitik

23.01.1981

Pohlheim/Hessen Evangelische Jugend

Studienreise

Tellux-Film

Interview mit Mutter Theresa

Dreharbeiten zum Film über indisches Dorfleben Teilnahme am Gottesdienst mit Papst Johannes Paul II.

Vortrag über die Christliche Soziallehre

1188

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

30.01.1981

Soest

Junge Union

Vortrag zur Menschenrechtsthematik

25./26.05.1981

Bonn

Friedrich Ebert Stiftung Teilnahme an der Tagung zu Südafrika

13.06.1981

Nürnberg

Deutschlandtag der Jungen Union

17.–21.06.1981

Hamburg

19. Deutscher Teilnahme Evangelischer Kirchentag

24.06.1981

Bonn

Katholische Studenten- Vortrag über die Entgemeinde wicklungsfragen Afrikas

26.06.1981

Ludwigsburg

Junge Union

Vortrag über die politische Entwicklung in Asien

11.08.–12.09.1981

Thailand, Hongkong, Philippinen, Indonesien, Singapur, Bangladesch, Indien

Vietnam-Büro e. V./ Tellux-Film

Informationsreise zu Flüchtlingshilfeprojekten und Recherchereise für Filmprojekt zur Familienplanung in Bangladesch

28./29.09.1981

Lingen

Ludwig-WindhorstHaus/Tellux/WDR

Expertentreffen zur Planung einer Fernsehserie zum Dialog der Religionen

01.12.1981

Düsseldorf

Deutsche Jugend des Ostens (DJO)

Vortrag zum Weltflüchtlingsproblem

07./08.12.1981

München

Tellux-Film/WDR

Autorentreffen für Filmprojekte zum Dialog der Religionen

12.12.1981

Osnabrück

Junge Union Osnabrück Vortrag zum Weltflüchtlingsproblem

07.01.1982

Heidelberg

Äthiopisch-Orthodoxe Kirche

Teilnahme am äthiopischen Neujahrsgottesdienst

12.01.1982

München

Tellux-Film/WDR

Autorentreffen zum Filmprojekt über den Dialog der Religionen

29.01.1982

Ibbenbüren

Volkshochschule

Vortrag „Menschenschicksal ohne Ausweg? Flüchtlingselend in Asien und Afrika“

04.03.1982

Bonn

Jugendkommission der Teilnahme CDU Deutschlands

Podiumsteilnahme zum Zivil-und Wehrdienst

Anhang

1189

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

24./25.03.1982

Lingen

Ludwig-WindhorstHaus/Tellux-Film/ WDR

Strategiegespräch für die Filmserie zum Dialog der Religionen

30.04.1982

Bonn

Jugendkommission der Teilnahme CDU Deutschlands

11.05.1982

Bonn

Corps Preussen

13.05.1982

Bonn

Jugendkommission der Teilnahme CDU Deutschlands

28.05.–03.06.1982

Dhaka/ Munshiganj

Tellux-Film/WDR

Recherchereise zum Film über Familienplanung in Bangladesch

04.–17.06.1982

Bangladesch

Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Journalisten-Informationsreise zu Projekten der deutschen Entwicklungshilfe

18.06.1982

München

Tellux-Film/WDR

Planungsgespräch zur Filmserie über den Dialog der Religionen

26.06.1982

Trier

Junge Union Bezirkstag Vortrag zur Entwicklungspolitik

23.07.1982

Bonn

Enquete-Kommission Anhörung des Deutschen Bundestages über den Jugendprotest im demokratischen Staat

08.–27.11.1982

Seoul, Pusan, Madras, Trichur, Tiruchirapalli, Trivandrum, Bangalore, Kalkutta, Bombay, Dhaka

Tellux-Film/WDR

Recherchereise für Filmprojekt zum Dialog der Religionen

28.11.–13.12.1982

Dhaka, Munshiganj

Tellux-Film/WDR

Dreharbeiten zum Film über Familienplanung in Bangladesh

6.03.1983

München

Tellux-Film/WDR

Planungsgespräch zum Filmprojekt über Familienplanung in Banngladesh

19.04.1983

Ibbenbüren

Volkshochschule

Vortrag: „Kirche: Zukunft in Asien?“

16.04.1983

Eschborn

Tellux/Gesellschaft für Planungsgespräch zum FilmTechnische Zusammen- projekt über Familienplanung arbeit (GTZ) in Bangladesh

Vortrag über die politische Lage in Indien

1190

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

08.05.1983

Niederholtdorf

Äthiopisch-Orthodoxe Kirche

Teilnahme am äthiopischen Neujahrsfest

14.05.1983

KönigswinterIttenbach

Zentrum für Arbeitnehmerbildung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA)

Vortrag „Die deutschen Parteien und die Entwicklungspolitik“

02.–13.06.1983

Seoul, Pusan, Hongkong

Tellux-Film/WDR

Dreharbeiten für Filmprojekt zum Dialog der Religionen

14.06.1983

Dhaka

„German Club“

Vortrag zum Film über Familienplanung in Bangladesch

15.–19.06.1983

Kalkutta

Tellux-Film/WDR

Recherchereisen für Filmprojekt zum Dialog der Religionen

11.–27.08.1983

Hongkong, Macau, China

Democratic Youth Studienreise Community of Europe

27.–29.08.1983

Taiwan

02.–18.12.1983

Neu Delhi, Madras, Tiruchirapalli, Kalkutta

18.03.–08.04.1984

Australien, Neuseeland

Studienreise

15.–23.04.1984

Philippinen

Studienreise

13.06.1984

Tokyo

24.06.–18.07.1984

China, Sowjetunion

Studienreise

06.08.–02.09.1984

USA

Studienreise

20.–23.08.1984

Dallas

Nominierungsparteitag Teilnahme mit einer der Republikanischen Delegation des American Partei Council on Germany

09.–11.11.1984

Princeton

Mid-Atlantic Region of the Association for Asian Studies

Teilnahme an der Jahrestagung

30.11.1984

Portland/Maine

World Affairs Council

Podiumsdiskussion über die deutsche politische Entwicklung

19.02.1985

Washington D.C. American University

Studienreise Tellux-Film/WDR

Rotary Club Ueno

Dreharbeiten für Film zum Dialog der Religionen

Vortrag zum Wert des Studentenaustausches

Vortrag zum Flüchtlingsproblem

Anhang

1191

Datum

Ort

14.03.1985

Cambridge, Mass. Center for European Studies, Harvard University

Veranstalter

Podiumsdiskussion über die europäische Friedensbewegung

19.–20.04.1985

Long Beach, Ca. Pacific Workshop on German Affairs/ American Studies Association

Vortrag: „Youth and Politics in Germany“

16.–18.05.1985

Amherst, Mass.

6. New England Work- Teilnahme shop on German Affairs

01.–06.09.1985

Hamburg

Atlantik-Brücke

20.–23.08.1985

Genf

UNHCR, InterFachgespräche zu Menschennationales Rotes Kreuz rechtsfragen

15.03.1986

Bonn

Deutsche Flüchtlingshilfe e. V.

Vortrag „Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem“

01.–04.12.1986

Berlin

Aspen Institute

Workshop EuropeanGerman-American Relations

06.06.1986

Ulm

American High School Commencement Speech

09.07.1986

Bonn

Kreuzkirche

Moderation einer Diskussion zum Flüchtlingsdrama in Afrika

05.09.1986

Straßburg

36. Internationaler Kongress der „Association for the Study of the World Refugee Problem“

Vortrag: „Le problème mondial des réfugiés comme une tache européenne“

19.09.1986

Schloss Eichholz Konrad-AdenauerStiftung

30.09.1986

ReichshofOdenspiel

Stiftung Forum für Vortrag „Vernunft und Bildung & Politik e. V. Politik“

22.11.1986

Bonn

Stiftung Forum für Vortrag „Das Grundgesetz Bildung & Politik e. V. der Bundesrepublik Deutschland“

28.11.1986

Ibbenbüren

Volkshochschule

Vortrag: „Japan – USA – Europa: Das westliche Dreieck der Weltpolitik“

10.10.1986

Köln

Internationale Vereinigung für Rechtsund Sozialphilosophie e. V.

Vortrag: „Menschenrechte und politische Systeme“

Beitrag

Young Leaders Conference: Introduction and Final Report

Vortrag: „Die Bundesrepublik Deutschland – Grundzüge ihrer Entstehung“

1192

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

14.01.1987

Bonn

Bundeskanzleramt

Fachgespräch im Blick auf die 11. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages

16.02.1987

Bonn

Bundeskanzleramt

Fachgespräch im Blick auf die 11. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages

06.05.1987

Bonn

Studienstiftung des deutschen Volkes

Vortrag: „Ideengeschichte der Menschenrechte“

27.02.–12.03.1988

Israel

Bundeszentrale für Politische Bildung

Studienreise

15.03.1988

Bonn

Stiftung Forum für Vortrag „Die marxistische Bildung & Politik e. V. Umdeutung der Menschenrechte“

13.–17.05.1988

München

Vereinigung „Weisse Rose“

Teilnahme an der Gründungstagung

26.05.1988

Gorizia

Instituto di Sociologia Internazionale

Vortrag „Germany and EastWest Relations“

27.05.1988

Trieste

Universita degli Studi/ Vorlesung „The German Scienze Politiche Political System“

08.06. 1988

Schloss Eichholz Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag „Ist unser Menschenrechtskatalog ergänzungsbedürftig?“

14.06.1988

Korbach

Vortrag „Menschenrechte: Nur ein Schlagwort?“

24.07.–06.08.1988

Türkei

19.–26.08.1988

Washington, Indianapolis

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der „Young Leaders Conference“ und Chairman einer Arbeitsgruppe

28.09.–03.10.1988

Bayreuth

Görres-Gesellschaft

Teilnahme an der Jahrestagung

04.11.1988

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Politische Wissenschaft

Teilnahme an der Jahrestagung

07.12.1988

Berlin

Aspen-Institut

Teilnahme an der Fachkonferenz zum Ost-WestKonflikt

09.–11.03.1989

Königswinter

39. Königswinter Konferenz

Teilnahme

12.–14.03.1989

Bologna

Johns Hopkins University

Vortrag zur deutschen Außenpolitik

Konrad Adenauer Stiftung

Studienreise

Anhang

1193

Datum

Ort

Veranstalter

06.06.1989

London

Royal Institute of Inter- Diskussionsteilnahme an national Affairs der Tagung „The Federal Republic of Germany: A Proven Ally of 40 Years“

25.08.1989

Bremen-Lilienthal

Cusanus-Werk

Vortrag „Die Universalität der Menschenrechte“

13.–15.09.1989

Berlin

American Council on Learned Societies

Vortrag zur europäischen Menschenrechtskonvention

29.09.–04.10.1989

Salzburg

Görres-Gesellschaft

Vortrag „Staatsphilosophie und Ideologiebildungsprozesse in den Nord-SüdBeziehungen“

10.10.1989

Oxford

St. Antony’s College/ South Asian Seminar

Vortrag „Form North to South and back: Some observations on the interactions of Political Thought in the 19th and 20th Century“

26.10.–06.11.1989

Neu Delhi

Autor des Abschlussberichtes India International einer trilateralen Konferenz Institute/Woodrow Wilson Center/AtlantikBrücke

06.–08.11.1989

Wolfenbüttel

Herzog-August-Biblio- Vortrag „Der europäische thek Ursprung der Menschenrechte und ihre Akzeptanz in der Dritten Welt“

15.–17.11.1989

Princeton

American Council of Learned Societies

Konfernz zu internationalen Verfassungsfragen

30.11.1989

Oxford

Alastair Buchan Club

Vortrag: „The future of Germany“

06.12.1989

Cambridge

German Society

Vortrag zur Entwicklung in Deutschland und Europa

29.–31.03.1990

Cambridge

40. Königswinter Conference

Teilnahme

08.–09.07.1990

Freiburg

Albert-Ludwigs-Universität

Probevortrag im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für eine Professur in politischer Wissenschaft „Zum deutschen und europäischen Föderalismus“

26.–31.08.1990

Hamburg

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Young Leaders Conference

Beitrag

1194

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

06.–09.09.1990

Budapest

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag zum Föderalismus bei der Fachtagung zum Umbruch in Europa

17.09.1990

Santa Rosa, Ca.

Sonoma County World Vortrag zur Lage in DeutschAffairs Council land und Europa

18.09.1990

Chico, Ca.

California State University

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

18.09.1990

Chico, Ca.

Rotary Club

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

19.09.1990

Sacramento, Ca.

California State University

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

19.09.1990

Sacramento, Ca.

World Affairs Council

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

19.09.1990

Fresno, Ca.

California State University

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

21.09.1990

Chicago, Ill.

University of Chicago

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

21.09.1990

Chicago, Ill.

The Joyce Foundation

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

24.09.1990

Washington D.C. Catholic University of America,

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

24.09.1990

Washington D.C. Trinity College

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

24.09.1990

Fairfax, Va.

Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

25.09.1990

Emmitsburg, Md. Mount St. Mary’s Uni- Vortrag zur Lage in Deutschversity/Trinity College land und Europa

26.09.1990

Baltimore

27.09.1990

College Park, Md. University of Maryland Vortrag zur Lage in Deutschland und Europa

28.–29.09.1990

Oxford

St. Antony’s College

Vortrag „Prospects for Federalism in Germany and in the European Community“

01.–05.11.1990

Tunis

Université de Tunis, Centre d’Etudes et de Recherches Economiques et Sociales

Vortrag „Entre universalisme éthique et relativisme culturel“

10.11.1990

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Politische Wissenschaft

Teilnahme an der Jahrestagung

George Mason University

Morgan State University

Vorträge zur Lage in Deutschland und Europa

Anhang

1195

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

16.11.1990

London

Federal Trust/Goethe Institut

Vortrag „The dynamics of German federalism under the impact of the European Union“

26.11.1990

Mainz

Universität

Teilnahme an der Fachtagung zum europäischen Grundrechtsschutz

30.11.–02.12.1990

Bournemouth

The Bournemouth Conference

Vortrag „The New Europe“ bei der internationalen Konferenz zum Thema „A leadership led by God“

10.12.1990

Ebenhausen

Stiftung Wissenschaft und Politik

Teilnahme an der Fachkonferenz zur Zukunft Osteuropas

03.–04., 17.–18.01.; 07.–08., 14.–15., 21.–22.03.; 04.–05., 11.–12., 18.– 19., 25.–26.04.; 02.–03., 16.–17., 23.–24.05.; 06.–07., 13.–14.06.; 07.–08., 14.–15., 21.–22., 28.–29.11.; 05.–06., 12.–13., 19.– 20.12.1991

Jena

Friedrich-Schiller-Uni- Gastprofessur im versität, Historisches Historischen Institut zur Seminar Ideengeschichte und zum deutschen Verfassungs- und Regierungssystem

25.01.1991

London

London School of Economics/European Society

25.–26.01.1991

London

Institut français London Vortrag „Europe, Federalism and the German Experience“

29.01.1991

Bonn

Podiumsdiskussion „Fundamentalismus: Gefahr für die Aufklärung?“

02.03.1991

Schloss Eichholz Konrad Adenauer Stiftung

05.–07.04.1991

Cadenabbia

Wissenschaftlicher Bei- Teilnahme an der Tagung rat der Zeitschrift Die „Neue Herausforderungen an politische Meinung die deutsche Politik“

12.–14.04.1991

Eichstätt

Deutsche Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens

Vortrag „The Uniting States of Europe“

Teilnahme und Einführungsvortrag

Vortrag „Die Idee der Universalität der Menschenrechte“

Vortrag „Menschenrechte und Volksrechte“

1196

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

27.04.1991

Saarbrücken

Landeszentrale für Politische Bildung Saarland

Vortrag „Das Weltflüchtlingsproblem“

15.05.1991

Bonn

Außenpolitischer Kongress der CDU Deutschlands

Teilnahme

27.04.1991

Saarbrücken

Landeszentrale für Politische Bildung

Vortrag: „Deutschland nach der Wiedervereinigung“

22.–24.05.1991

Erfurt

Hanns Martin Schleyer- Vortrag: „Europa in globaler Stiftung Verpflichtung“ beim Kongress „Junge Wissenschaft und Kultur“

07.–08.06.1991

Kaiserslautern

Troy State University/ United States Air Forces

Commencement Speech

11.–22.07.1991

Johannesburg, Pretoria, Durban

South Africa Foundation

Studienreise

23.07.–22.08.1991

Kapstadt

Cape Town University

Gastprofessur an der Cape Town University zu den Umbrüchen in Europa; Studienreise durch Südafrika

14.08.1991

Stellenbosch

Stellenbosch University Vortrag „Security in Europe“

24.–31.08.1991

Richmond

Atlantik-Brücke

Young Leaders Conference: Teilnahme und Chairman einer Arbeitsgruppe

08.–15.09.1991

Teheran

Außenministerium der islamischen Republik Iran/Institut für Internationale Beziehungen der Islamischen Republik Iran

Vortrag zur Universalität der Menschenrechte bei einer internationalen Konferenz „Islam und die Menschenrechte“

03.10.1991

Dresden

Internationaler Familienkongress

Vortrag zur Lage der Familie in Deutschland

29.11.–01.12.1991

Cadenabbia

Konrad Adenauer Stiftung

Vortrag „Deutsche Erfahrungen mit dem Föderalismus“ beim 1. European Roundtable

27.11.1991

Freiburg

Antrittsvorlesung im „Der Nationalstaat und die Auditorium Maximum Politikwissenschaft“

07.12.1991

Bad Iburg

Bezirksversammlung der CDU Osnabrücker Land

Vortrag zur europäischen Einigung

Anhang

1197

Datum

Ort

Veranstalter

09.–10., 23.–24., 30.–31.01.; 06.–07., 13.–14., 27.– 28.02.; 02.–03., 09.–10.04.;  06.–07., 14.–15.05.; 04.–05., 11.– 12.06.1992

Jena

Friedrich-Schiller-Uni- Gastprofessur mit Vorversität, Historisches lesungen und Seminaren Seminar

21.02.1992

Bonn

Grundsatzkommission Teilnahme der CDU Deutschlands

11.03.1992

Tartu

Universität Tartu

Vortrag zur Entwicklung in Europa

12.03.1992

Tallinn

Estnischer Nationalkongress

Vortrag zur Entwicklung in Europa

13.–15.03.1992

Riga

Studiengruppe „Hanse- Präsentation der Studie region Baltikum“ „Hanseregion Baltikum“

20.03.1994

Bonn

Grundsatzkommission Teilnahme der CDU Deutschlands

26.–28.03.1992

Cambridge

42. KönigswinterKonferenz

24.04.1992

Bonn

Grundsatzkommission Teilnahme der CDU Deutschlands

22.05.1992

Bonn

Grundsatzkommission Teilnahme der CDU Deutschlands

28.05.1992

Freiburg

Badische Zeitung/ Albert-Ludwigs-Universität

Podiumsdiskussion: „Deutschland, einig Vaterland?“

03.06.1992

Bonn

Atlantik-Brücke

Steering Committee der Young Leaders Conference

18.–19.06.1992

Karlsruhe

Deutscher Katholiken- Vortrag zum Gemeinsinn tag

25.–26.06.1992

Coppet

American Academy of Teilnahme am Round Table Arts and Sciences, Zeit- zur Lage Deutschlands schrift Daedalus

03.–04.07.1992

Bonn

Grundsatzkommission Teilnahme der CDU Deutschlands

11.07.1992

Bonn

Grundsatzkommission Teilnahme der CDU Deutschlands

04.–12.08.1992

Kaliningrad, Petersburg, Taschkent, Kiew, Alma-Ata

Beitrag

Teilnahme und Rapporteur der Working Group on European Union

Studienreise

1198

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

13.–22.08.1992

Washington, Nashville

Atlantik Brücke

Young Leaders Conference Teilnahme und Chairman einer Arbeitsgruppe

23.09.1992

Bonn

Ungarische Botschaft

Empfang zur Akkreditierung des ungarischen Botschafters

29.09.–1.10.1992

Würzburg

Görres-Gesellschaft

Teilnahme und Vortrag „Politik und Religion“

09.–10.10.1992

Weimar

„Ettersberger Gespräche“

Teilnahme und Vortrag „Föderalismus“

23.–25.10.1992

Cadenabbia

Konrad Adenauer Stiftung

Teilnahme und Chairman einer Arbeitssitzung beim 2. European Roundtable

25.–29.10.1992

Wiesneck

Collegium Europaeum Teilnahme und Vortrag zur Jenense europäischen Identität

28.10.1992

Frankfurt

Atlantik-Brücke

Vortrag und Einladung zu Ehren von Henry Kissinger

25.11.1992

Bonn

Bundeszentrale für Politische Bildung

Vortrag zur Rolle der politischen Bildung in der Demokratie

04.–06.12.1992

Windsor Castle

St. George’s House Conference

Vortrag „European Society and Religion“

23.–24.01.1993

Berlin

Bergedorfer Gesprächs- Teilnahme bei der Tagung kreis zur Zukunft der Demokratie im Schloss Bellevue

29.01.1993

Freiburg

Gesprächskreis des Erz- Teilnahme bischofs Oskar Saier

15.–22.02.1993

Harvard University

John F. Kennedy School

Vorträge zur Lage in Europa

04.–31.03.1993

Wien

Institut für die Wissenschaften vom Menschen

Gastforscher

09.03.1993

Wien

Institut für die Wissenschaften vom Menschen

Vortrag „Der legitime Ort der Religion in der säkularisierten Politik“

25.03.1993

Debrecen

Universität Debrecen

Planungsgespräch für die Koordinierung eines Forschungsprojektes im Rahmen der EU-Initiative TEMPUS

31.03.1993

Bratislava

Univerzity Komenskeho, Philosophische Fakultät

Vortrag „After the EastWest-Conflict – culture and politics“

Anhang

1199

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

15.04.1993

Münster (Lager)

Kampftruppenschule der Bundeswehr

Vortrag zu Orientierungsfragen in der offenen Gesellschaft

28.04.1993

Freiburg

„Bremer Gesellschaft“ Vortrag zur deutschen Außenpolitik

06.05.1993

Karlsruhe

Studium Generale der Universität

Vortrag „Die Idee der Menschenrechte“

07.05.1993

Bonn

Bundeskanzleramt

Präsentation der Studie „Europäische Union und föderale Frage“

11.–13.05.1993

Prag

American Academy of Redaktionskonferenz zu Arts and Sciences, Zeit- einer Sonderausgabe über schrift Daedalus Deutschland

27.05.1993

Washington D.C. Deutsches Historisches „Alois Mertes Memorial Institut Lecture“ zur deutschen Außenpolitik

14.06.1993

Breitnau

CDU-Kreisparteitag Hochschwarzwald

Vortrag zur CDU-Grundsatzprogramm-Diskussion

23.–26.06.1993

Bonn

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Jahreskonferenz

25.–26.06.1993

Bonn

CDU-Grundsatzkongress

Teilnahme

15.–22.08.1994

Rumänien, Bulgarien, Mazedonien

Studienreise

05.–15.09.1993

Auckland, Hamilton, Rotorua, Wellington, Christchurch, Dunedin

Vorträge zum deutschen Regierungssystem im Rahmen der neuseeländischen Kampagne für eine Wahlrechtsreform

08.–10.10.1993

Aachen

Collegium Europaeum Teilnahme am EuropaJenense kongress

22.–24.10.1993

Cadenabbia

Konrad Adenauer Stiftung

Teilnahme am 3. European Round Table

30.10.1993

Freiburg

Studentenverbindung „Rhenania“

Vortrag zur Wahlrechtsreform in Deutschland

05.–06.11.1993

Königswinter

Forschungsgemeinschaft 20. Juli

Teilnahme an der Fachtagung

19.–20.11.1993

Baden-Baden

CDU-Landtagsfraktion Fachgespräch zum Thema Baden-Württemberg Rechtsextremismus

1200

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

02.–04.12.1993

Berlin

Hanns Martin Schleyer- Teilnahme am Symposium Stiftung zur deutschen Außenpolitik

07.12.1993

Freiburg

Allgemeiner Studenten- Vortrag zur Hochschulreform ausschuss

09.12.1993

Freiburg

CDU-Wirtschaftsrat

Vortrag zum Thema „Politikverdrossenheit“

11.01.1994

Freiburg

Evangelische Studentengemeinde

Vortrag „Wählen oder Nichtwählen: Welche Werte stehen auf dem Spiel?“

20.01.1994

Bonn

Deutsche Parlamentarische Gesellschaft

Präsentation des Buches „Weltpartner Europäische Union“

14.–18.02.1994

New Delhi

India International Centre/Max Müller Bhavan

Vorträge zur Europäischen Integration

20.–23.04.1994

Hamburg

CDU Bundesparteitag

Teilnahme anlässlich der Verabschiedung eines neuen CDU-Grundsatzprogramms

07.–09.04.1994

Cambridge

44. Königswinter Conference

Teilnahme, Chairman einer Arbeitsgruppe

20.04.1994

Köln

Polnische Botschaft

Abendeinladung beim polnischen Botschafter

21.04.1994

Bonn

„Bonner Gesprächskreis“

Vortrag zur Lage in Deutschland

28.04.1994

Wiesneck

Studienhaus Wiesneck Vortrag zur europäischen Integration

05.05.1994

Köln

Ost-West-Kolleg

Vortrag zur europäischen Integration

11.05.1994

Königswinter/ Petersberg

Bundeskanzleramt

Abendeinladung des Bundeskanzlers zu Ehren des russischen Präsidenten

31.05.1994

Freiburg

Regionalarbeitskreis Christlich-Demokratischer Juristen

Vortrag zum Gemeinsinn

11.06.1994

Bad Boll

Evangelische Akademie Vortrag zum Gemeinsinn

16.06.1994

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der Fachkonferenz

16.06.1994

Köln

Botschaft der Schweiz

Präsentation eines Buches des Botschafters

Beitrag

Anhang

1201

Datum

Ort

Veranstalter

17.06.1994

Freiburg

Katholische Akademie Vortrag bei der Tagung des Erzbischofs und der katholischen Hochschullehrer Freiburgs „Wissenschaft und Glaube: Kraftquellen der Wahrheit“

09.07.1994

München

St. Antony’s College

Jahrestreffen der deutschen Alumni

06.–07.07.1994

Bonn

Auswärtiges Amt

Fachgespräche

18.–26.08.1994

Weissrussland, Finnland, Litauen, Estland

Beitrag

Studienreise

30.9.–1.10./14.– Brügge 15.10./18.–19.11.1994

Europakolleg

Gastprofessur mit einem Seminar zu Fragen der internationalen Politik

28.–30.10.1994

Cadenabbia

Konrad Adenauer Stiftung

Teilnahme am 5. Europäischen Round Table

02.11.1994

Bonn

Bundespresseamt

Fachgespräche

08.11.1994

Freiburg

KDStV Arminia

Vortrag zum Gemeinsinn

14.–16.11.1994

Dresden

Hannah-Arendt-Institut Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats

28.11.1994

Bonn

CDU-Bundesparteitag

Teilnahme

02.12.1994

Bonn

Ungarische Botschaft

Abendeinladung des ungarischen Botschafters

02.–03.12.1994

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Politische Wissenschaft

Vortrag auf der Jahrestagung zur europäischen Integration

15.12.1994

Köln

Schweizer Botschaft

Abendeinladung des Schweizer Botschafters

24./25.11.1994

Münstertal

1. Freiburger Politikdialog

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

19.01.1995

München

Bayerische Landeszentrale für Politische Bildung

Vortrag zu den Umbrüchen in Europa bei einem Symposium

26.01.2005

Köln

Ost-West-Kolleg

Vortrag zur sicherheitspolitischen Lage in Europa

26./27.01.1995

Brügge

Europa-Kolleg

Gastprofessur mit einem Seminar zu Fragen der internationalen Politik

1202

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

02.–06.02.1995

Seiser Alm

Wirtschaftsgilde e. V.

Vortrag „Die geistigkulturellen Voraussetzungen und Erhaltungsbedingungen des demokratischen Verfassungsstaates“

17./18.02.1995

Ebenhausen

Stiftung Wissenschaft und Politik

Teilnahme bei der DeutschHolländischen Tagung

19.–25.02.1995

Almaty

Al-FarabiNationaluniversität

Gastprofessur mit der Vorlesung „Die Europäische Union zwischen Vertiefung und Erweiterung“

06.03.1995

Ankara

Goethe Institut

Vortrag zum Verhältnis der EU zur Türkei

24.–25.03.1995

 Budapest

 Friedrich-NaumannStiftung

Vortrag „Antall-Adenauer; Ungarn-Deutschland – Vergleichsstudien“ 

27.03.1995

 Krakau

Jagiellonen-Universität, Vortrag „The Future of Philosophisches Institut Democracy. Between Participation and Efficiency“

28.03.1995

Lublin

Katholische Universität Vortrag „Polityka-etykareligia“

30.03.1995

Warschau

Universität Warschau, Philosophisches Seminar

Vortrag „The Future of Democracy. Between Participation and Efficiency“

31.03.1995

Warschau

New School of Social Research

Vortrag zur politischen Theorie der friedlichen Revolution

03.–05.04.1995

Dresden

Hannah Arendt Institut Teilnahme an der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats

10.04.1995

Washington

Georgetown University Thyssen Lecture zu den neuen Entwicklungen in Europa

08.05.1995

Freiburg

Albert-Ludwigs-Universität

Vortrag: „Befreiung und Teilung zugleich“, Veranstalter mehrerer studentischer Gruppen zum 50. Jahrestag des Kriegsendes

11.05.1995

Freiburg

Katholische Kirchengemeinde St. Barbara

Vortrag zum Gemeinsinn

19.–21.05.1995

Brügge

Europa-Kolleg

Gastprofessur mit einem Seminar zur internationalen Politik

Anhang

1203

Datum

Ort

Veranstalter

09./10.05.1995

Warschau

Bergedorfer Gesprächs- Rapporteur der Tagung zur kreis Lage in Europa

15.–18.06.1995

Berlin

Atlantik-Brücke e. V.

24.06.1995

Berlin

Katholische Akademie Vortrag „Universelle Menschenrechtsidee in der Anfechtung – ein Kulturkonflikt als Politikum“

14.07.1995

Ebenhausen

Stiftung Wissenschaft und Politik

23.–29.07.1995

Ukraine, Moldawien

Beitrag

XVIII German-American Conference

Vortrag „Erwartungen in und an Deutschland“ Studienreise

01.09.1995–31.12.1995 Palo Alto, Ca.

Stanford University, Hoover Institution on War, Revolution and Peace

Gastforscher

15.–18.10.1995

Karlsruhe

Bundesparteitag der CDU Deutschlands

Rede zur Freiheit in Deutschland

23./24.11.1995

Glottertal

2. Freiburger Politikdialog

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

13.12.1995

Palo Alto, Ca.

Stanford University, Hoover Institution on War, Revolution and Peace

Vortrag „Germany and the Search for a New European Order“

01.01.–27.03.1996

Palo Alto, Ca.

Stanford University, Hoover Institution on War, Revolution and Peace

Gastforscher

19.03.1996

Dresden

Hannah-Arendt-Institut Vortrag zum Totalitarismusproblem

12.04.1996

Dresden

Technische Universität Vortrag zur konzeptionellen Dresden Entwicklung des HannahArendt-Instituts

23.05.1996

Birmingham

University of Birming- Vortrag zur deutschen Rolle in Europa ham, Institut for German and European Studies

03.–05.05.1996

Kempten

Hanns-Seidel-Stiftung

Seminar zum Gemeinsinn

28.05.1996

Gütersloh

Bertelsmann-Stiftung

Fachgespräch zur Zukunft der Privatuniversität WittenHerdecke

1204

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

07.–09.06.1996

Visby

Jarl Hjalmarson Foundation/KonradAdenauer-Stiftung

Teilnahme an der Fachkonferenz zur Lage im Baltikum

16.06.1996

München

Konrad-AdenauerStiftung

Teilnahme an dem Festakt zur Verleihung des KonradAdenauer-Preises

26.06.1996

Bonn

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Jahresversammlung

27.06.1996

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der Jahresversammlung

28.–29.06.1996

Eisenach

„Ettersberger Gespräche“

Vortrag zum Föderalismusthema

19.07.1996

Bonn

Bundespresseamt

Fachgespräche

23.07.1996

München

Hanns-Seidel-Stiftung

Vortrag zur europäischen Integration

15.–23.08.1996

Georgien, Armenien, Aserbeidschan

09.09.1996

Petersberg/Bonn

Bundesminister für Forschung

30.09.–03.10.1996

Weingarten

Hermann und Marianne Vortrag zum Gemeinsinn Straniak-Stiftung und der Rolle des Rechts bei der interkulturellen Fachkonferenz

03.10.–05.10.1996

Reims

Europäische Bischofs- Teilnahme an der Herbstkonferenz COMECE akademie

09.–10.10.1996

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der Fachtagung zur Außenpolitik Deutschlands

18.–20.10.1996

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

Teilnahme am 6. European Round Table

24.10.1996

Schloss Eichholz Konrad- AdenauerStiftung

Vortrag über Gemeinsinn

29.–30.10.1996

Schloss Niederschönhausen

Bundesverband der Deutschen Banken

Teilnahme am Forum

31.10.–01.11.1996

Glottertal

3. Freiburger Politikdialog

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

08.–09.11.1996

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Politische Wissenschaft

Teilnahme an der Jahrestagung

Studienreise

Vortrag „Wieviel Bytes verträgt der Staat?“ bei der Fachkonferenz „Macht Information“

Anhang

1205

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

14.–15.11.1996

London

„Königswinter Conference“

Teilnahme an der Sitzung des Steering Committee

22.11.1996

Stromberg

„Stromberger Teilnahme Gespräche“ des Bundesaußenministers

22.11.1996

Köln

Karl Rahner Akademie Vortrag zum Gemeinsinn

11.12.1996

Bad Neuenahr

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Vortrag zur europäischen Integration bei der internationalen Fachkonferenz

14.01.1997

Bonn

Rheinische Friedrich Wilhelms Universität

Vortrag zur Entwicklung des ZEI

17.01.1997

Bonn

Fulbright-Commission Fachgespräche

21.01.1997

Freiburg

Carl-Schurz-Haus

Vortrag zu den transatlantischen Beziehungen

25.01.1997

Dieburg

CDU-Landesparteitag Hessen

Vortrag zum Gemeinsinn

25.01.1997

Düsseldorf

„Kuhncke-Kreis“

Vortrag zur Ideengeschichte

06.–08.02.1997

Rom

Goethe Institut

Vortrag „Presidenzialismo o Cancellierato: forme di governo e confronto“

14.02.1997

Bremen

Wissenschaftliches Vortrag „Umbruch-WendeInstitut für Schulpraxis Gezähmte Revolution. Die deutsche Variante von 1989“

19.02.1997

Reykjavik

Europabewegung von Island

Vortrag zur Lage der Europäischen Union

21.02.1997

Akureyri

Universität, Erziehungswissenschaftliches Institut

Vortrag zu den geistigen Voraussetzungen der europäischen Einigung

26.02.–27.02.1997

Mailand

Gastprofessur mit einer Alta Scuola di Economia e Relazioni Vorlesung zur europäischen Internazionali (ASERI) Integration der Katholischen Universität

10.03.1997

Bonn

Bundesfachausschuss Europapolitik

Teilnahme

13.03.–15.03.1997

Berlin

„Königswinter Conference“

Teilnahme

17.04.–20.04.1997

Richmond

Atlantik-Brücke

Introducer zum Thema „Revising the Social Contract“ bei der XIV German-American Conference

1206

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

15.05.1997

Eichholz

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag zur europäischen Integration

23.–24.05.1997

Istanbul

Bergedorfer Gesprächs- Teilnahme an der Tagung kreis zum Verhältnis der EU zur Türkei

28.05.1997

Antwerpen

Handelshochschule

Vortrag zur EU-Osterweiterung

30.05.1997

Altglashütten

Studentenverbindung „Hercynia“

Vortrag: „Politische Ideengeschichte – was bleibt nach der Zeitenwende?“

03.06.1997

Berlin

Koerber-Stiftung

Teilnahme an der Kuratoriumssitzung zum Geschichtspreis des Bundespräsidenten

07.–08.06.1997

Visby

Jarl Hjalmarson Foundation/KonradAdenauer-Stiftung

Teilnahme am DeutschSkandinavischen Round Table

12.06.1997

Bonn

Bundeskanzleramt

Fachgespräche

14.06.1997

Kaiserslautern

Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz

Vortrag zu den transatlantischen Beziehungen

19.06.1997

Jena

Friedrich-Schiller-Uni- Vortrag zur europäischen versität Integration

27.06.1997

Bonn

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der Jahrestagung

11.07.–12.07.1997

Mainz

CDU Rheinland-Pfalz

Teilnahme an der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats

28.07–07.08.1997

Turkmenistan, Usbekistan, Tadjikistan, Kirgisien

26.09.–27.09.1997

Antalya

Atlantic Council of Turkey

Teilnahme an der Antalya Conference on Security and Cooperation

01.10.1997

Berlin

Koerber-Stiftung

Teilnahme an der Kuratoriumssitzung zum Geschichtspreis des Bundespräsidenten

04.10.1997

Friedrichsruhe

Rheinmetall AG

Vortrag vor dem Führungskreis zum ideengeschichtlichen Erbe und der Zukunft der kulturellen Beziehungen

Studienreise

Anhang

1207

Datum

Ort

23.–24.10.1997

Washington D.C. American Institute for Teilnahme an der FachContemporary German konferenz zum Verhältnis Studies USA-EU-Türkei

Veranstalter

30.10.1997

Schloss Niederschönhausen

Bundesverband der Deutschen Banken

Teilnahme am Forum

13.–14.11.1997

Kiel

Ranke-Gesellschaft

Vortrag zu Fragen der Ideengeschichte

22.11.1997

Berlin

Hanns Martin Schleyer- Teilnahme am EuropaStiftung kongress

28.–29.11.1997

Glottertal

4. Freiburger Politikdialog

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

14.01.1998

Bonn

CDU Europakongress

Teilnahme

16.01.1998

Brüssel

Europäische Kommission

Fachgespräche

04.–07.02.1998

Seiser Alm

Wirtschaftsgilde e. V.

Vortrag „Gemeinschaft und Gemeinsinn in der Ideengeschichte – was bleibt?“ bei der Studientagung

20.–21.02.1998

Singapur

Europe-AsiaFoundation/QuandtStiftung

Forum zu den Beziehungen Europas zu Asien

24.–27.02.1998

Tallinn

Parlament von Estland Vortrag auf der euroatlantischen Konferenz

16.–17.03.1998

Schloss Waldthausen/ Mainz

CDU Rheinland-Pfalz

Teilnahme an der Tagung des Wissenschaftlichen Beirats

26.–28.03.1998

Edinburgh

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme und Winding-up Speech

02.–03.04.1998

Budapest

Petöfi-Literaturmuseum/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vortrag zur europäischen Identität und Teilnahme an der internationalen Fachkonferenz

29.–30.04.1998

Mailand

Gastprofessur mit Vorlesung Alta Scuola di Economia e Relazioni zur europäischen Integration Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

08.05.1998

Brüssel

Europäische Kommission

Beitrag

Fachgespräche

1208

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

13.–17.05.1998

Moskau

Russische Akademie der Wissenschaften/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vortrag zum Antitotalitarismus auf der Internationalen Fachkonferenz

20.05.1998

Wien

Institut für den Donau- Fachgespräche raum und Mitteleuropa

21.05.1998

Brünn

Masaryk-Universität

Fachgespräche

22.05.1998

Bratislava

Wirtschaftsuniversität

Vortrag zur Europäischen Union

29.05.1998

Brügge

Europa-Kolleg

Fachgespräche

05.–06.06.1998

Visby

Jarl Hjalmarson Foundation/KonradAdenauer-Stiftung

Teilnahme am DeutschSkandinavischen Round Table

17.–18.06.1998

Strausberg

Akademie der Bundes- Teilnahme an der Fachtagung zum Konfliktmanagement wehr für Information und Kommunikation/ ZEI

29.07.–03.08.1998

Russland

19.–21.08.1998

Kloster Seeon

Bundesrat

Teilnahme an der Tagung zum Föderalismus in Deutschland

04.–06.10.1998

Limerick

University of Limerick, Center for European Studies/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vortrag zur Geschichte der europäischen Integration bei der internationalen Fachkonferenz

08.–10.10.1998

Madrid

Instituto de Cuestiones Vortrag zu den deutschInternacionales y spanischen Beziehungen bei Politica Exterior/ZEI der internationalen Fachkonferenz

15.10.1998

Zagreb

Europaministerium

25.–26.10.1998

Boston

American Academy for Fachtagung zur Funktion Arts and Sciences/ZEI des Wandels in den Gesellschaften des Westens

27.10.1998

New Haven

Yale University, Center Vortrag: „A European view for International Affairs on the former Soviet Union“

27.10.1998

Amherst

Amherst College

Studienreise

Fachgespräche zu den Erweiterungsperspektiven der EU

Vortrag: „Europe after the German election“

Anhang

1209

Datum

Ort

28.10.1998

Washington D.C. Georgetown University, Vortrag zur Lage in DeutschCenter for German and land und in der EU European Studies

Veranstalter

30.10.1998

Chicago, Ill.

Kent College of Law

Vortrag zur Lage in der EU und auf dem Balkan

29.–30.10.1998

London

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme an der Sitzung des Steering Committee

07.11.1998

Bonn

CDU Bundesparteitag

Teilnahme

17.–18.11.1998

Berlin

Hanns Martin Schleyer- Teilnahme an der Konferenz Stiftung zu Bildungsfragen

27./28.11.1998

Maria Laach

5. Bonner Europakolloquium (vormals Freiburger Politikdialog)

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

05.12.1998

Mainz

Landesparteitag CDU Rheinland-Pfalz

Vortrag „Perspektiven der Europäischen Union“

11.01.1999

Fulda

Sparkassenverband Fulda

Vortrag „Die geistige Lage in Europa“

14.01.1999

Den Haag

„Clingendael“ Vortrag zur „Agenda 2000“ Netherlands Institute of der EU bei der interInternational Relations nationalen Konferenz „Die EU-Präsidentschaft Deutschlands“

22.–23.02.1999

Mailand

Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

Gastprofessur mit dem Seminar „European Identity between Deepening and Widening of the Union“

02.03.1999

Köln

Bundesverband der Filialbetriebe und Selbstbedienungswarenhäuser (BFS)

Vortrag „Die weltpolitische Rolle der Europäischen Union“

11.03.1999

Bonn

Atlantik-Brücke

Teilnahme am „Arbeitskreis USA“

18.–20.03.1999

Königswinter

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme

31.03.1999

Brüssel

Independent Commission for the Reform of the Institutions and Procedures of the Union (ICRI)

Teilnahme

Beitrag

1210

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

11.04.1999

Paris

Deutsche Botschaft/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Studientagung zum Thema „Weimarer Dreieck“

16.–17.04.1999

New York

Columbia Law School

Vortrag „Transatlantic Regulatory Cooperation and Democratic Values“ auf der internationalen Fachkonferenz

20.04.1999

Maastricht

European Institute of Public Administration

Vortrag „Agenda 2000 und die deutsche EU-Präsidentschaft“

25.–27.04.1999

Erfurt

12. Parteitag der CDU Deutschlands

Teilnahme

28.04.1999

Berlin

Koerber-Stiftung

Teilnahme an der Kuratoriumssitzung des Schülerwettbewerbs „Deutsche Geschichte“

11.–12.05.1999

Sofia

Center for Liberal Strategies/ZEI

Eröffnungsansprache und Moderation eines Panels bei der Konferenz „Pacing the Future: The Balkans in 2010“

28.–30.05.1999

Yalta

Atlantic Council of Ukraine/Zentrum für Europäische Integrationsforschung/ Amerian Institute for Contemporary German Studies

Eröffnungsrede bei der Konferenz „Ukraine, Europe and the U.S. in the Formation of a new Euro-Atlantic Security Architecture“

02.06.1999

Bonn

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Jahresversammlung und an der Podiumsdiskussion „Thank you Bonn, Berlin here we come“

04.06.1999

Lissabon

Institute for International and Strategie Studies

Vortrag „Die deutsche Europapolitik“

07.06.1999

Ponta Delgada

Regionalverwaltung Vortrag „Die Entwicklung der Autonomen Region der Europäischen Union“ Azoren

09.06.1999

Madeira

Regionalverwaltung Vortrag „Die Entwicklung der Autonomen Region der Europäischen Union“ Madeira

Anhang

1211

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

28.06.1999

London

Independent Commission for the Reform of the Institutions and Procedures of the Union (ICRI)

Teilnahme

12.–15.07.1999

Litauen, Lettland, Estland

Fachgespräche

25.07.–31.07.1999

Libanon, Syrien, Jordanien

Studienreise

24.09.1999

Ibbenbüren

Goethe-Gymnasium

Vortrag „Die Zukunftsperspektiven Europas“

01.10.1999

Frankfurt

Hessische Staatsregierung

Vortrag zu den Perspektiven der EU beim Europakongress in der Paulskirche

01.10.1999

Trier

CDU Trier

Vortrag „Wieviel Europa verträgt Deutschland?“ beim Festakt zum Tag der deutschen Einheit

07.10.1999

Buenos Aires, INTAL

Instituto para la Integración de América Latina y el Caribe (INTAL)/ZEI

Vortrag „La UE como potencia mundial del Siglo XXI y el futuro del ‚regionalismo abierto' en la politica mundial“ bei einer internationalen Fachkonferenz

08.10.1999

Montevideo CEFIR

Centro de Formación para la Integración Regional (CEFIR)

Vortrag „Reformas dentro de la UE“

11.10.1999

Mendoza, Universidad de Congreso

Universidad de Congreso

Vortrag „El regionalismo en Lationo America y Europa“

13.10.1999

Santiago de Chile Universidad Católica de Chile

Vortrag „El desarollo dentro de la UE“ bei dem Round Table über vergleichende Prozesse der Regionalintegration

21.10.1999

Berlin

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme an der Sitzung des Steering Committee

23.10.1999

Warschau

Institut für InterVortrag „Die innere Entnationale Beziehungen wicklung Deutschlands in Europa“

1212

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

25.10.1999

Paris

Independent Commission for the Reform of the Institutions and Procedures of the Union (ICRI)

Teilnahme

01.11.1999

Oxford

St. Antony’s College

Vortrag zum 10. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer

02.11.1999

Steyning, Wilton Park Conference Diskussionsleitung bei der Buckinghamshire Konferenz zur Reform der Europäischen Union

05.–06.11.1999

Königswinter

6. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

11.11.1999

Bonn

Zentrum für Europäische Integrationsforschung/ Zentrum für Entwicklungsforschung

Eröffnungsrede bei „Weltachsen 2000“, der ersten Konferenz der Zivilgesellschaft im Plenarsaal des ehemaligen Deutschen Bundestages

09.–10.12.1999

Ankara

Middle East Technical University

Vortrag über die inneren Reformprozesse in der EU

26.01.2000

Strasbourg

Europarat

Buchvorstellung „50 Jahre Europarat“

16./17.02.2000

Mailand

Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

Gastprofessur mit dem Seminar „European Identity between deepening and widening of the Union“

29.02.2000

Erfurt

Katholisches Forum – Bildungsstätte St. Martin

Vortrag „Europa – Herausforderung und Vision“

09.–12.03.2000

Antalya

Atlantic Council of Turkey

Teilnahme an der International Antalya Conference on Security and Cooperation

23.–25.03.2000

Oxford

„50. Koenigswinter Conference“

Teilnahme

27.03.–02.06.2000

Dartmouth, NH

Dartmouth College, Gastprofessur mit VorDepartment of Politics lesungen und Seminare zum europäischen Einigungsprozess

19.04.2000

Dartmouth, NH

World Affairs Council

Vortrag „Europäische Außenund Sicherheitspolitik“

Anhang

1213

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

10.05.2000

 Dartmouth, NH

Dartmouth College

Vortrag „Europe in Search of Its Constitution and Identity“ (The Tenth Annual Walter Picard Lecture)

04.–07.07.2000

Bosnien-Herzegowina, Kroatien

22.08.2000

Hannover

23.–30.07.2000

 Marokko, Algerien

28.08.2000

Bangkok

Chulalongkorn University

Vortrag „The European Union before a New Round of Deepening and Widening“ 

14.09.2000

Berlin

Atlantik-Brücke

Teilnahme am „Arbeitskreis USA“

28./29.09.2000

Berlin

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der GermanDutch Round Table Conference

30.09.–01.10.2000

Genshagen

Bergedorfer Gesprächs- Teilnahme an der Tagung kreis „Ein föderatives Europa? Das künftige politische Gesicht Europas nach der Erweiterung“

09.10.2000

Berlin

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der Fachtagung „Der Stand der Reform der EU unter französischer Präsidentschaft“

12./13.10.2000

Bonn

Deutscher Bauernverband

Vortrag „Eine Dividende für Europa“ bei der wissenschaftlichen Akademietagung zur EU-Osterweiterung

27.10.2000

Sofia

Europa-Institut

Moderation bei der Internationalen Konferenz „The Challenges of EU Eastern Enlargement“

01.–03.11.2000

Tallinn

Parlament von Estland Vortrag „European Historic Experiences as a Basis for Co-operation in the 21st Century“ bei der 7th International Conference „Estonia and the European Union“

Fachgespräche EXPO 2000

Vortrag „Dialog der Weltreligionen“ Studienreise

1214

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

03.11.2000

Mainz

Konrad-AdenauerStiftung

Podiumsgespräch zu „Subsidiarität und Föderalismus: Brauchen wir eine neue Kompetenzordnung?“

09.11.2000

Sofia

Europa-Institut/ZEI

Teilnahme an der Internationalen Konferenz „Reviewing Bulgaria’s Progress Towards EU Membership“

17.–18.11.2000

Königswinter

7. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

12.01.2001

Jena

Collegium Europaeum Moderator des Round Table Jenense (CEJ) „Die Weisen Europas – Die Zukunft Europas“ bei der Jubiläumsveranstaltung „10 Jahre CEJ“

15.01.2001

Paris

Europarat

29.01.2001

Bonn

Katholisches Bildungs- Vortrag „Die Universalität werk der Menschenrechte“

20./21.02.2001

Mailand

Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

Gastprofessur mit dem Seminar „Parameters and Perspectives of a Common Foreign and Security Policy of the European Union“ 

07.03.2001

Bonn

Komtur vom Heiligen Grab

Vortrag „Europas Identität und die Menschenrechte“

12.03.2001

Berlin

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der Fachkonferenz „Die EU-Agenda nach Nizza“

22.–24.03.2001

Potsdam

51. KönigswinterKonferenz

Panel-Diskussion „EU elections and the ongoing democratic deficit“

27.03.2001

Bonn

Stadt Bonn, Internationaler Ausschuss

Vorstellung des ZEI

06.04.2001

Paris

Prometheus Europe

Vortrag „Public opinion and political leadership“

Teilnahme im Vorbereitungskomitee des Generalsekretärs für das Projekt „Developments in the European identity: from the cultural to the political, an identity without borders“

Anhang

1215

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

17./18.04.2001

Strasbourg

Europarat

Teilnahme am Round Table „The concept of identity“ der internationalen Fachtagung „The European Identity“

26.04.2001

Berlin

Körber-Stiftung

Teilnahme an der Sitzung des Kuratoriums des Schülerwettbewerbs „Deutsche Geschichte“

29.04.2001

Köln

Priesterseminar des Erzbistums Köln

Vortrag „Europäische Integration und christliches Menschenbild“

08.05.2001

Turku

Turku University, Vortrag „Towards Europe Department of Political 2007. Identity, InstitutionScience Building and the Constitution of Europe“

24.–25.05.2001

Thessaloniki

Teilnahme an der JahresZentrum für konferenz Europäische Integrationsforschung/ Netzwerk für Europastudien in Südosteuropa

28.06.2001

Berlin

Atlantik-Konferenz

Teilnahme am „Arbeitskreis USA“

04.07.2001

Chengdu

Sichuan University – Center for European Studies

Vortrag „Education and the Future of Identity in Europe“ beim „Workshop on Education and Employment in the Cross-Cultural Context of EU“

05.07.2001

Urumchi

Erziehungskommission Vortrag „Education and von Sinkiang cultural dialogue“

06.07.2001

Shanghai

Modern Management Center

Vortrag „The Constitutionbuilding process in the European Union“

31.07.2001

Ulaan Baator

Nationaluniversität

Teilnahme und Vortrag „Transformation des Philosophieunterrichtes“ beim Workshop „Philosophy in Higher Education Institutions in Mongolia“

12.–17.08.2001

Libyen, Tunesien

20./21.09.2001

Strasbourg

Studienreise Europarat

Teilnahme bei der internationalen Fachtagung „The European Identity. From cultural indentities to a European political identity“

1216

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

11.10.2001

Ravenna

Universitá di Studi/ Corso di laurea in civiltà dell’Europa Orientale del mediterraneo

Vortrag „Crisi della concezione del‘Uomo in Europa?“

15.10.2001

Berlin

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme an der Fachtagung „Die Europäische Union und der Nahe Osten“

16.10.2001

Prag

Präsident der Tschechischen Republik

Gesprächsrunde zur Zukunft des Nahen Ostens

16.10.2001

Prag

Forum 2000 Conference

Teilnahme am Round Table „International Institutions and Human Rights“ 

05.11.2001

Bonn

Burschenschaft Marchia

Vortrag „Zur wissenschaftlichen Diskussion über die EU“

08.11.2001

Berlin

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme an der Sitzung des Steering Committee

09.11.2001

Washington D.C. American Institute for Teilnahme am Workshop Contemporary German „German and American Studies (AICGS) Perspectives on the New Strategic Landscape: Sustaining the Coalition against International Terrorism“

17.–18.11.2001

Königswinter

8. Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

29.11.2001

Antwerpen

Handelshochschule

Teilnahme und Moderation beim Internationalen Kolloquium „The Czech Republic and the Slovak Republic at the Eve of EU Accession“

30.11.2001

Budapest

Deutsch-Ungarische Gesellschaft

Teilnahme bei der Jahrestagung des DeutschUngarischen Forums

07.12.2001

Berlin

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Teilnahme beim Round Table „Le nouveau role de l’Union Européenne après le 11 septembre 2001“

Anhang

1217

Datum

Ort

Veranstalter

11.12.2001

Belfast

Vortrag „European Identity Queen’s University/ Institute of Governance, and Constitution Building“ Public Policy and Social Research

22.–25.01.2002

Belgrad

Eröffnungsvortrag Zentrum für Europäische Integrationsforschung/ Netzwerk für Europastudien in Südosteuropa

28.–29.01.2002

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Europe’s Global Agenda“ Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

31.01.–01.02.2002

Paris

Euro-Mediterranean Study Commission (EuroMeSCo)

Teilnahme an der Jahreskonferenz

11.–17.02.2002

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Deutschland in der EU“

18.02.2002

Bratislava

Slovak Foreign Policy Association

Vortrag „Europe after the EURO“

03.03–31.06.2002

Washington D.C. Woodrow Wilson Gastforscher (Public Policy International Center for Fellow) Scholars

22.05.2002

Washington D.C. American Institute for Vortrag „European Contemporary German Integration and Studies globalization“

28.05.2002

Washington D.C. Woodrow Wilson Vortrag „Transatlantic International Center for Relations after 9/11“ Scholars

19.06.2002

Washington D.C. Woodrow Wilson Vortrag „ConstitutionInternational Center for building in the European Scholars Union“

01.–08.08.2002

Saudi-Arabien, United Arab Emirates, Katar

21.08.2002

Seoul

Seoul National University/EU Study Association of AsiaPacific

Vortrag „The Euro – A Political Project?“ Workshop „Political and Economic Impacts of the Euro“

22.08.2002

Taipei

Fu Guang University

Vortrag „Globalisierung und die Entwicklung des Staates“

17.09.2002

Berlin

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme an der Sitzung des Steering Committee

Beitrag

Studienreise

1218

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

19.–22.09.2002

Dublin

Trinity College/ Woodrow Wilson Center European Alumni Association

Vortrag „Implications of a (Possible) Constitution for European Identity“ bei der Konferenz „The European Union: Its Internal, Regional, and International Roles“

25.09.2002

Bonn

XIX. Deutscher Philo- Vortrag „Welche Grenze sophentag setzt die Globalisierung der europäischen Integration?“

27.09.2002

München

CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament

Vortrag „Die deutsche Europapolitik nach der Bundestagswahl“

01.10.2002

Oslo

„ARENA“-Institut

Vortrag „The implications of Globalization on the European Integration Process“

14.10.2002

Rousse

Bulgarian-Romanian European Institute (BRIE)

Ansprache bei der Eröffnungskonferenz

15.10.2002

Galati

Universität Galati, Seminar für Alte Geschichte

Vortrag „Die Konstitution der Europäischen Union“

22.–23.11.2002

Königswinter

9. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

17.10.2002

Bukarest

Europa Institut

Vortrag „The Implications of a Constitution for the European Identity“

21.10.2002

Berlin

Wertekommission der CDU Deutschlands

Teilnahme

30.10.2002

Berlin

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Sitzung des „Arbeitskreises USA“

07.11.2002

Uzhgorod

Uzhgorod National University, International Relations Institute

Vortrag „The Future of European Integration“

08.–09.11.2002

Budapest

Konrad-AdenauerStiftung/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Leitung und Einführungsvortrag der Konferenz „Christliche Demokratie und die Transformationsprozesse in Mitteleuropa“

11.11.2002

Berlin

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme an der Sitzung des Steering Committee

Anhang

1219

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

14.11.2002

Brüssel

Landesvertretung Nordrhein-Westfalen/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vorsitz des Workshops „Europe’s Regions in the Laeken Process. Real Players or only Spectators?“

12.–13.12.2002

London

„Koenigswinter Conference“

Teilnahme an der Sitzung des Steering Committee

09.–10.01.2003

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Die Rolle Deutschlands in der EU“

16./17.01.2003

Edirne

University of Thrace/Zentrum für Europäische Intgegrationsforschung/ Network of European Studies in Southeastern Europe

Teilnahme am Workshop „The security in South Eastern Europe after the Prague summit“

28./29.01.2003

Mailand

Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

Gastprofessur mit Seminar „Constituting Europe.The EU on its way to a constitution“

30.01.2003

Rom

Botschaften Deutschlands und Frankreichs beim Heiligen Stuhl

Vortrag „40 Jahre deutschfranzösische Beziehungen und die Zukunft Europas“ bei der Festveranstaltung zum 40. Jahrestag des Élysée-Vertrages

03.02.2003

Berlin

Wertekommission der CDU Deutschlands

Teilnahme an der Sitzung

05.02.2003

Brüssel

European Policy Institutes Network on the Future of Europe Debate

Teilnahme an der Fachtagung „The Future of Europe Convention: The Debate Moves Forward“

19.02.2003

Teilnahme an dem Workshop Washington D.C. The Johns Hopkins University/Center for „Rethinking the Transatlantic Transatlantic Relations/ Agenda“ Paul H. Nitze School of Advanced International Studies

27.02.2003

Bonn

Deutsche Atlantische Gesellschaft

Vortrag „Die Entwicklung einer europäischen Verfassung“

1220

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

28.02.2003

Paris

Université Sorbonne Nouvelle

Prüfungsbeisitz bei einer Cotutelle der Universitäten Sorbonne und Bonn

06.03.2003

Vilnius

Außenministerium von Vortrag beim Seminar Litauen „Institutional Reform of the European Union: French, German and Lithuanian Approaches“

10.03.2003

Berlin

Wertekommission der CDU Deutschlands

Teilnahme an der Sitzung

19.03.2003

Köln

CDU-Bezirksverband Mittelrhein

Vortrag „Die Entwicklung einer europäischen Verfassung“

01.–03.04.2003

Malta

Vortrag „The Second University of Malta, Founding of Europe“ Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC)

04.04.2003

Berlin

Vortrag „Der Irak-Krieg: Deutsche BischofsEuropas Abschied aus der konferenz, Beratergruppe für europäische Weltpolitik?“ Fragen

10.–11.04.2003

Trier

Europäische Rechtsakademie (ERA)/ Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vortrag „Neuverfassung der EU“ zum Auftakt einer Fachkonferenz

24.–25.04.2003

Straßburg

Europarat

Teilnahme an dem Kolloquium „New global challenges for human rights and democracy“

05.05.2003

Innsbruck

Leopold-FranzensUniversität/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vortrag auf der Konferenz zum Verfassungsvergleich Europa-USA

12.05.2003

Berlin

Wertekommission der CDU Deutschlands

Teilnahme an der Sitzung

15.05.2003

Berlin

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Sitzung des „Arbeitskreises USA“

15.–17.05.2003

Berlin

„KönigswinterKonferenz“

Teilnahme an der Konferenz

Anhang

1221

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

21.05.2003

Berlin

Deutscher Bundestag/Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Stellungnahme bei einer öffentlichen Anhörung zum Thema „Stand der Arbeit des EU-Verfassungskonvents“

11.06.2003

Asunción

Universidad Nacional de Asunción, Facultad de Derecho

Vortrag „El Desarrollo actual de la Union Europea“

13.06.2003

Rio de Janeiro

Centro Brasilero de Relaciones Internacionales

Vortrag „Tendencías actuales dentro de la Integración Europea“

24.06.2003

Washington D.C. The German Marshall Fund of the US

Teilnahme am Workshop über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen

26.–28.06.2003

Berlin

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Beitrag zum Thema „America’s Changing Role in the World“ bei einer internationalen Konfenz

30.06.2003

Trabzon

Vortrag zum Thema „Turkey Karadeniz Technical and EU after the Iraq war“ University, Faculty of Economics and Administrative Sciences/Department of International Relations

09.07.2003

Köln

Arbeitgeberverband der Vortrag „Wieder FreundMetall- und Elektroschaft nach dem Krieg? industrie Reflexionen über das deutsch-amerikanische Verhältnis“

10.07.2003

Brüssel

Konrad-AdenauerStiftung/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Einführung und Vorsitz der Konferenz „The Security Implications for the Greater Middle East in the Aftermath of the Iraq War“

16.07.2003

Brühl

Bundeszentrale für Politische Bildung – Ost-West Kolleg

Vortrag „Der europäische Verfassungsprozess“

18.–26.07.2003

Kuwait, Bahrain, Oman

26.08.2003

Stockholm

Studienreise Swedish Institute for International Affairs

Vortrag „Contrasting Atlantic experiences: The EU and the US in need of revitalizing their partnership“

1222

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

08.09.2003

Dubrovnik

International Center of Croatian Universities/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vortrag „The Current Agenda of the EU – Towards a European Constitution“ bei einer Summer Academy

09.09.2003

Sarajevo

Außenministerium von Vortrag „Die südostBosnien-Herzegowina europäischen Perspektiven“

 12.–13.09.2003

El Escorial

European Ideas Network Summer University, European People’s Party

30.09.2003

Havanna

Centro de los Estudios Vortrag „La integración Europeos europea y la globalización. Implicaciones para la Teoría Política y la Historia de las Ideas“ bei der Internationalen Konferenz

17.–18.10.2003

Münstertal

10. Bonner Europakolloquium

29.10.2003

Oppeln

Schlesische Universität Vortrag „Entwicklung der europäischen Integration nach der Osterweiterung“

06.11.2003

Frankfurt

Hessische Landesregierung

Teilnahme an der Podiumsdiskussion „Die Europäische Union als weltpolitischer Ordnungsfaktor?“ beim Kongress in der Paulskirche

13.11.2003

Bonn

Bonner Juristisches Forum

Vortrag „Stand des europäischen Verfassungsprojektes“

17.11.2003

Hannover

Konrad-AdenauerStiftung

Teilnahme an der Podiumsdiskussion beim Kongress „Europa – Mut zur Vision“

19.11.2003

Kopenhagen

Universität Kopenhagen, Institute of Political Science

Vortrag „EU reform policy of the bigger powers“

20.11.2003

Nuuk

Universität von Grönland

Vortrag „Globalization and the Future of the European Union“

26.11.2003

Bonn

Katholisches Bildungs- Vortrag „Pax americana oder werk Wege zum Weltfrieden“

Teilnahme

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

Anhang

1223

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

13.–14.12.2003

Damaskus

Damaskus University/ Konrad- AdenauerStiftung/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Einführungsvortrag beim Workshop „Challenges and Options for Human Development in the Arab World“

12.01.2004

Paris

European Institute for Security Studies

Teilnahme am High-LevelWorkshop „Flexibility for ESDP: what is desirable, what feasible, what acceptable?“

15./16.01.2004

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Die Rolle Deutschlands innerhalb der Europäischen Union“

20.01.2004

Bonn

Bundesanstalt für Arbeit

Vortrag „Zentrum für Europäische Integrationsforschung – Aufgaben und Masterstudiengang European Studies“

26.01.2004

Ljubljana

Slovenian Association for International Relations

Vortrag „The failures of leadership and the future of the European Union. The EU after the disastrous summit of Bruxelles in December 2003“

29./30.01.2004

Ruse

Bulgarian-Romanian Interuniversity Europe Center (BRIE)

Eröffnungsvortrag „The EU Constitution“ bei der Conference on European Studies in Southeastern Europe

09.–11.02.2004

Mailand

Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

Gastprofessur mit Seminar „Global Region-Building“ und Vortrag im Rahmen des „Leading Scholars Program“: „Culture, Values and European Integration“

13.02.2004

Rom

Accademia di Ungheria Vortrag „Rafforzare la cultura europea della memoria“

14.02.2004

Vatikan

Nationale Pilgergruppe Audienz bei Papst Johannes der Slowakei Paul II.

23.02.2004

Riga

Sozialwissenschaftliche Vortrag „The EU and the Fakultät der Universität Future of Transatlantic Riga Relations“

1224

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

25.02.2004

Warschau

Katholische Kardinal Wyszinski-Universität

Vortrag „Europa nach der Osterweiterung: In welcher Verfassung ist die Europäische Union?“

25.02.2004

Warschau

Center for International Vortrag „Nach dem Fiasko: Relations Die EU nach dem Scheitern des Verfassungsgipfels“

01.03.2004

Quito

Casa Humboldt

Vortrag „La Unión Europea y la ampliación a los 10 países del Este de Europa como nuevos Estados Miembros de la Unión Europea a partir de mayo de 2004“

01.03.2004

Quito

Instituto de Altos Estudios Nacionales

Vortrag „Globalización y la Integración Europea. Implicaciones en la Teoría Politíca y la Historia del Pensamiento“

03.03.2004

Lima

Pontificia Universidad Católica del Peru – Instituto de Estudios Europeos

Vortrag „La Unión Europea, el proceso de globalización y America Latina“

03.03.2004

Lima

Deutsch-Peruanisches Kultur- Netzwerk/ Goethe Institut

Vortrag „Globalización y la Integración Europea“

05.03.2004

La Paz

Universidad Católica Boliviana

Vortrag „Globalización y la Integración Europea. Implicaciones en la Teoría Politíca y la Historia del Pensarniento“

18.03.2004

Brüssel

Konrad-AdenauerStiftung/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Chair bei der gemeinsamen Konferenz „Iraq in the Aftermath of Conflict -International and European Co-operation“

23.03.–15.06.2004

Palo Alto, Ca.

Stanford University, Institute for International Studies

Gastprofessur mit Seminar „European Identity“

10.05.2004

Palo Alto, Ca.

Stanford University, European Forum

Vortrag „Europe now“

14.05.2004

Washington D.C. American Institute for Vortrag „German-American Contemporary German Relations and the Iraq Crisis“ Studies

Anhang

1225

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

29.06.2004

Tirana

Tirana University, School of European Studies

Vortrag „The EU and its Constitution“

30.06.2004

Skopje

Euro-Atlantic Forum

Vortrag „The EU and its Constitution“

12./13.07.2004

Amman

Konrad-AdenauerStiftung/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Konferenz und Vortrag „Europe and the Middle East“

30.07.–06.08.2004

Jemen, Ägypten

24./25.08.2004

Neuhardenberg

Atlantik-Brücke

Moderation des Abschlusspanels bei der Young Leaders Conference

17.09.–31.12.2004

Seoul

Seoul National University

Gastprofessur mit Seminar „European Integration“

25.10.2004

Seoul

South Korean Vortrag „The European Presidential Committee Experience with Culture in on Northeast Asia Integration“ bei der Internationalen Konferenz

01.11.2004

Shanghai

Academy for Social Sciences, Centre for European Studies

Vortrag „The Rising China and Sino-EU Relations“

09.12.2004

Seoul

Sookmyung Women’s University

Vortrag „European integration, German unification and Korea“

14.12.2004

Seoul

Korea University

Vortrag „Germany and Europe – Korea: A Comparison“

10.01.2005

Antalya

Deutsch-Türkische Akademische Vereinigung

Vortrag zum Thema „EUTürkei-Beziehungen“

11./12.01.2005

Mersin, Kayseri

13.01.2005

Ankara

Middle East Technical University, Ankara

Vortrag zum Thema „Die Beziehungen der Türkei zur EU nach der Entscheidung des Europäischen Rates 2004“

27.–29.01.2005

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Deutschlands Rolle in der EU“

Studienreise

Fachgespräche zum Thema „EU-Türkei“

1226

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

03.–05.02.2005

Tbilissi

Georgian Foundation for Strategic and International Studies (GFSIS)

Teilnahme und Vorsitz des 4. Panels „Challenges of Democratic Transition“ bei der Internationalen Konferenz „The South Caucasus in the 21st Century: Challenges and Opportunities“

07.–09.02.2005

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola Di Economia E Relazioni „Turning Points in European Internazionali (ASERI) Integration History“ der Katholischen Universität

10.–12.02.2005

Vatikan

Päpstliche Kommission Fachgespräche für die Geschichtswissenschaften

17.02.–28.07.2005

Seoul

Seoul National University

Gastprofessor und Berater für Europafragen

30.03.2005

Tokyo

Tokyo University of Foreign Studies

Vortrag „ConstitutionBuilding in the European Union“

14.04.2005

Seoul

Vortrag „Europäische IdentiSeoul National University, Department of tätsbildung und die Rolle German Literature and Deutschlands“ Culture

15.–16.06.2005

Taipeh

Taiwan Institute for Foreign Policy/ taiwanesisches Außenministerium

Vorträge „Die aktuelle Verfassungskrise der EU“

27.06.2005

Hongkong

Hongkong Baptist University, European Studies Centre

Fachgespräche

28.06.2005

Manila

Ateneo University

Vortrag „EU Crisis as integration opportunity“

05.–12.08.2005

Iran

02.–03.09.2005

Münstertal

11. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

20.09.2005

Belmopan

University of Belize

Vortrag „European Integration Process“

22.09.2005

Managua

Universidad de Centro Vortrag „Proceso de la América (UCA) Integración Europea“

Studienreise

Anhang

1227

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

23.09.2005

Ciudad de Guatemala

Universidad del Valle

Vortrag „Efectos de una Constitución Europea para la Identidad Europea“

27.09.2005

San José

Universidad de Costa Rica

Vortrag „Efectos de una Constitución Europea para la Identidad Europea“

01.10.2005–22.07.2006 Oxford

St. Antony’s College

Gastprofessur (Stifterband Fellow) mit einem Seminar „Crises in European Integration“

21.10.2005

Singapore

Asia-Europe Foundation (ASEF)

Sitzung des Advisory Board for European Studies in Asia (Esia) der Europe-Asia Foundation zur Initiierung des langfristigen Forschungsprojektes „EU through the eyes of Asia“

05.11.2005

Oxford

St. Antony’s College

Vortrag und Podiumsdiskussion „EU and Turkey“

11.12.2005

Malta

Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC), Universität Malta

Vortrag „The EU Crisis and Implications for Euro-Med Cooperation“ beim XIX Euro-Med Workshop

20.01.2006

Oxford

St. Antony’s College

Vortrag „Challenge and Response in European Integration“

29.01.2006

Berlin

Atlantik-Brücke

Festveranstaltung zu Ehren von Walter Leisler Kiep

14.–15.02.2006

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Deutschlands Rolle in Europa“

10.03.2006

Oxford

„Europaeum“

Sitzung des Academic Committee

23.–24.03.2006

Oxford

„Koenigswinter Conference“

Chairman einer Arbeitsgruppe

31.03.2006

Berlin

Deutsche BischofsTeilnahme an der Sitzung konferenz, Beraterkreis für europäische Fragen

04.–06.04.1996

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Turning Points in European Internazionali (ASERI) Integation“ der Katholischen Universität

1228

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

05.04.2006

Mailand

Vortrag im Leading Scholars Alta Scuola di Economia e Relazioni Program „The global identity Internazionali (ASERI) of Europe“ der Katholischen Universität

28.04.2006

Oxford

St. Antony’s College

Podiumsdiskussion „The German Grand Coalition“

04.–06.05.2006

Stresa

Centro Nazionale di Prevenzione e Sociale

Vortrag „The German Welfare State“ bei einer internationalen Konferenz

30.–31.06.2006

Ankara

Turkish Foreign Policy Teilnahme und Vortrag „The Institute EU and the Turkish membership perspective“ bei einer internationalen Konferenz

14.–17.08.2006

Sevilla, Cordoba Fondación Tres Culturas

Fachgespräche

31.08.2006

Hamburg

Atlantik-Brücke

Moderation des Abschlusspanels der Young Leader’s Conference

12.09.2006

Bonn

Wilhelm-Böhler-Klub e. V.

Vortrag „Europa und der Nahe Osten“

20.–29.09.2006

Guyana, Surinam, Franz.-Guyana, Trinidad and Tobago, Grenada, St. Vincent and the Grenadines, St. Lucia, Barbados

25.09.2006

Paramaribo

Lim a Po Institute for Social Sciences

26.09.2006

Port of Spain

University of the West Vortrag „European Indies, Institute for Integration and the global International Relations presence of Europe“

11.11.2006

Wiesbaden

Pan-Europa-Jugend

Vortrag „Der europäische Verfassungsprozess“

14.11.2006

Düsseldorf

Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen

Beratungsrunde des Ministerpräsidenten zu Politikstrategien von NRW

29.11.2006

Düsseldorf

Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen

Beratungsgespräch mit dem Minister für Europaangelegenheiten

Beitrag

Feldforschungen zur Caribbean Community (CARICOM)

Vortrag „European Integration and the global presence of Europe“

Anhang

1229

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

06.12.2006

Berlin

Bundeskanzleramt

Beratungsrunde bei der Bundeskanzlerin zur Vorbereitung der deutschen EURatspräsidentschaft 2007

08.01.2007

Köln

Karl Rahner Akademie Vortrag „Die EU und die Türkei“

22.01.2007

Vatikan/Rom

Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl

Vortrag „Europäische Union: Die Chance der Krise“

29.01.2007

Bonn

Deutsche Bischofskonferenz

Vortrag „Katholische Kirche und die Zukunft Europas“ beim Symposium zu Ehren von Bischof Josef Homeyer

13.02.2007

Straßburg

Europäisches Parlament Ehrengast bei der Grundsatzrede des Präsidenten des Europäischen Parlaments

14.–16.02.2007

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Deutschland in der EU“

19.02.2007

Budapest

Andrassy-Universität

Vortrag „Identitäten und Mentalitäten im europäischen Einigungsprozess“

26.–28.02.2007

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Global Region-Building“ Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

06.–16.03.2007

Thailand, Burma, Bhutan, Indien

12.03.2007

Thimpu

Royal Bhutan University

14.03.2007

Kolkata

Maulana Abul Kalam Vortrag „Globalization, Azad Institute of Asian European Identity and Studies Worldwide Region-Building“

15.03.2007

New Delhi

Jawaharlal Nehru University, Centre for European Studies

26.–29.03.2007

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Global Region-Building“ Studies (MEDAC), Universität Malta

13.–14.03.2007

Münstertal

13. Bonner Europakolloquium

Feldforschung zu Fragen von ASEAN und SAARC Vortrag „The Age of Globalization and Identity: A European Perspective“

Vortrag „50 Years of the Treaty of Rome: European Union – The Second Founding“

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

1230

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

23.04.2007

Ljubljana

Slowenische GesellVortrag „The Second schaft für Außenpolitik Founding of Europe“

27.05.–30.05.2007

Israel, Palästinensische Autonomiegebiete

25.06.2007

Warschau

14.–17.08.2007

Estland

04.09.2007

Lagos

Nigerian Institute for International Affairs

04.–06.09.2007

Abuja

Economic Community Fachgespräche in den for Western Africa ECOWAS-Institutionen, (ECOWAS) Vorträge vor der ECOWASKommission und vor dem Generalsekretariat des ECOWAS-Parlaments

23.09.–07.10.2007

Indonesien, Neu-Kaledonien, Vanuatu, Solomon Islands, Papua Neuguinea, Australien, Osttimor

25.09.2007

Jakarta

University of Indonesia, Vortrag „The Current state of European Studies EU Integration“ Center

27.09.2007

Noumea

Université de Nouvelle Vortrag „L’etat actuel de Caledonie l’Union Europenne“

28.09.2007

Port Vila

Cultural Center of the Republic of Vanuatu

Vortrag „The merits of regional integration“

01.10.2007

Port Moresby

University of Papua New Guinea

Vortrag „The current state of European integration and the future of EU-ACP relations“

17.10.2007

Bonn

Universität Bonn, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie

Vortrag im Rahmen einer Ringvorlesung „Europäische Integration: Entwicklungsschübe und Paradigmenwechsel“

01.11.2007

Eichstätt

Katholische Universität Vortrag zur Zukunft der Katholischen Universität

Beitrag

Delegationsreise mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments Hans-Gert Pöttering Seijm der Republik Polen

Vortrag zur Verfassung Europas beim Workshop des Präsidenten des Sejim Studienreise Vortrag „The Current Situation in the European Union and the Future of ECOWAS“

Feldforschungen zur Regionalintegration in ASEAN und im PacificIslands-Forum

Anhang

1231

Datum

Ort

Veranstalter

21.–23.01.2008

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Comparative Global Internazionali (ASERI) Region-Building“ der Katholischen Universität

27.–29.02.2008

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur „Die Rolle Deutschlands in der Europäischen Union“

10.–14.03.2008

Addis Abeba

African Union

Feldforschungen zur Regionalintegration

26.03.2008

Brügge

United Nations University-Center for Regional Integration Studies (UNU-CRIS)

Fachgespräche

01.04.2008

Innsbruck

Leopold-Franzens-Uni- Vortrag „Ist die EU ein Imperium mostro simile?“ versität, Fakultät für Politische Wissenschaft und Soziologie

28.04.–02.05.2008

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Global Region-Building“ Studies (MEDAC), Universität Malta

09.06.2008

Berlin

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Jahrestagung

24.06.2008

Mailand

Istituto Regionale di Ricerca della Lombardia

Vortrag „Europe-Mission and Destiny“

19.–22.08.2008

Lettland

29.08.2008

Bonn

29.09.–11.10.2008

Mauretanien, Gambia, Sierra Leone, GuineaBissau, Guinea, Senegal, Kapverden

01.10.2008

Banjul

Ministry of Trade, Industry and Employment

Vortrag zur Regionalintegration in Westafrika

08.10.2008

Dakar

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag „EU als Modell für regionale Integration in Afrika?“ bei einer Table Ronde

Beitrag

Studienreise Evangelische Akademie Vortrag „Die EU nach dem Rheinland irischen Referendum“ Feldforschungen zur Regionalintegration in ECOWAS

1232

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

10.10.2008

Praia

National Assembly of Cape Verde

Vortrag zur regionalen Integration in Westafrika und in der Europäischen Union

28.10.2008

San Paulo

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag „Politische Integration: EUMERCOSUR im Vergleich“ beim Europa-Brazil-Forum

14.–16.11.2008

Malta

Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC), Universität Malta

Vortrag „EU Foreign Policy and the Lisbon Treaty – Implications for the Union for the Mediterranean“ bei der XV. Euro-Mediterranean Conference

02.12.2008

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag „Die Universalität der Menschenrechte“

16.12.2008

Paris

Co-Leitung des Workshops Institut français des relations internationales „Relance européenne“ (IFRI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

28.–29.01.2009

Brüssel

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Beratergruppe für europäische Fragen

05.02.2009

Bonn

Universität Bonn, Seminar für Politische Wissenschaft

Teilnahme an der Festveranstaltung zum 50. Geburtstag des Seminars im Haus der Geschichte

20.–24.02.2009

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Die Rolle Deutschlands in der EU“

02.–04.03.2009

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Global Region-Building“ Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

09.03.2009

Paris

Co-Leitung des Workshops Institut français des relations internationales „Relance européenne“ (IFRI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

12.03.2009

Frankfurt

Atlantik-Brücke

Teilnahme an der Sitzung des „Arbeitskreises USA“

Anhang

1233

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

02.04.2009

Brüssel

Botschaft der Afrikanischen Union

Round Table mit Repräsentanten des ECOWAS-Parlaments

08.04.2009

München

Katholisches Büro Bayern

Fachgespräche

17.–18.04.2009

Münstertal

13. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

22.04.2009

Eichstätt

Katholische Universität Vortrag „Katholische Universität als Lebensform“

27.–30.04.2009

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Global Region-Building“ Studies (MEDAC), Universität Malta

29.06.2009

München

Deutsche Journalisten- Festakt zum 60-jährigen schule Bestehen

30.06.2009

Berlin

Atlantik-Brücke

29.08.–01.09.2009

Zypern

Studienreise

20.09.–05.10.2009

Benin, Togo, Ghana, Liberia, Elfenbeinküste, Niger, Burkina Faso, Mali

Feldforschungen zur Regionalintegration in ECOWAS

24.09.2009

Monrovia

Kofi Annan Center for Peace Studies der National University of Liberia

Vortrag „Global RegionBuilding and the Future of West Africa“

02.10.2009

Bamako

ECOWAS-Parlament, Ad hoc Committee zur Vorbereitung von Direktwahlen

Vortrag „Direct Elections to the ECOWAS Parliament“

09.10.2009

Bonn

Europäische Junge Föderalisten

Diskussion zur Lage in der Europäischen Union

12.10.2009

Cadenabbia

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag „Die Europäische Union nach Direktwahlen und Referenden“ beim EUAsien-Thinktank-Meeting

13.10.2009

Mailand

Vortrag „African Regional Katholische Universität, Alta Scuola di Integration and the Role of Economia e Relazioni the European Union“ Internazionali (ASERI)

Teilnahme an der Jahrestagung

1234

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

14.10.2009

Brüssel

Europäisches Parlament Vortrag „The Meaning of 1989“ im Rahmen einer internationalen Konferenz

20.10.2009

Budapest

Europa-Club/Institut für Weltwirtschaft, Ungarische Akademie der Wissenschaft

Vortrag „Die Konsolidierung der europäischen Integration“

04.–05.12.2009

Malta

Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (M EDAC), Universität Malta

Einführung in ein Panel bei der Internationalen Konferenz „20 Years after the end oft he Cold War – From Yalta to Malta“

15.12.2009

Berlin

Auswärtiges Amt

Fachgespräche

15.01.2010

Brüssel

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Beratergruppe für europäische Fragen

22.01.2010

Braunschweig

Technische Universität, Vortrag „Erinnerungen Historisches Institut an die deutsch-deutsche Wissenschaftsbegegnung 1990–1992“

11.–16.02.2010

Wien

Diplomatische Akademie

01.–03.03.2010

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni zur weltweiten RegionalentInternazionali (ASERI) wicklung der Katholischen Universität

03.05.2010

Berlin

Humboldt Universität, Guardini-Lehrstuhl

Disputation zu Multikulturalismus und christlichem Menschenbild

07.05.2010

Berlin

Auswärtiges Amt

Workshop der europawissenschaftlichen Studiengänge in Deutschland

10.–14.05.2010

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic zur weltweiten Regionalentwicklung Studies (MEDAC), Universität Malta

23.–25.05.2010

Washington D.C. American Institute for Vortrag „The Borders of Contemporary German Europe“ beim Workshop Studies „The European after the Lisbon Treaty“

Beitrag

Gastprofessur mit Seminar zur weltweiten Regionalentwicklung

Anhang

1235

Datum

Ort

29.05.–02.06.2010

Sudan

Veranstalter

15.06.2010

Bonn

Stadt Bonn, Ausschuss Präsentation des ZEI für Internationales und Wissenschaft

22.06.2010

Berlin

Atlantik-Brücke

24.06.2010

Bonn

Universität Bonn, Fach- Vortrag „Europäische Union schaft des Instituts für und Türkei“ Politische Wissenschaft und Soziologie

22.07.2010

Bonn

Gustav-StresemannInstitut

Vortrag „The current situation of the European Union“

16./17.09.2010

London

„60. Koenigswinter Conference“

Teilnahme an der Konferenz

18.09.–06.10.2010

ÄquatorialGuinea, Kamerun, Republik Kongo, Demokratische Republik Kongo, Benin, Gabun, Angola, Sao Tome e Principe

21.09.2010

Douala

Université National du Vortrag „L’Integration Cameroun à Douala Regionale au Monde“

01.10.2010

Luanda

Katholische Universität Vortrag „Integration von Angola Regional“

18.10.2010

Brügge

United Nations University-Centre for Comparative Regional Integration

05.–08.12.2010

Seoul

Presidential Council on Vortrag „The Fair society and Nation Branding Global Leadership“

12.–14.12.2010

Praia

Teilnahme am gemeinsamen West Africa Institute Workshop (WAI)/Zentrum für Europäische Intgegrationsforschung

03.–06.01.2011

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic zum Thema „Global RegionBuilding“ Studies (MEDAC), Universität Malta

Beitrag Studienreise

Teilnahme an der Jahrestagung

Feldforschungen zum Verhältnis Europa-Afrika

Fachgespräche

1236

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

10.–12.01.2011

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar zum Thema „Global RegionBuilding“

14.01.2011

Bonn

Vortrag zum Thema „Naher Universität Bonn, Osten und Europa“ Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie/studentische Gruppe

24.–26.01.2011

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni zum Thema „Global RegionInternazionali (ASERI) Building“ der Katholischen Universität

03.02.2011

Berlin

Atlantik-Brücke

12.02.–27.06.2011

Washington D.C. Woodrow Wilson Gastforscher (Public Policy International Center for Scholar) Scholars

28.04.2011

Washington D.C. Woodrow Wilson Vortrag „Euro in Crisis – International Center for Implications for transatlantic Scholars trade relations“ beim Business Round Table

29.05.2011

Washington D.C. Woodrow Wilson Vortrag „Europe at the International Center for Crossroads“ beim Wilson Scholars Center Day

13.06.2011

Washington D.C. Woodrow Wilson Vortrag „The Scramble with International Center for the new Africa“ Scholars

10.–13.07.2011

Praia

25.–30.08.2011

Irak

09.09.2011

Bonn

Nordamerikaprogramm Diskussionsveranstaltung der Universität Bonn zum Wandel der Rolle der USA seit dem 11. September 2001

14.09.2011

Brüssel

Landesvertretung Nordrhein-Westfalen/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Gemeinsamer Workshop zur aktuellen Lage in der EU

20.–21.09.2011

Belgrad

Universität Belgrad

Beratung eines TEMPUSProjektes zur Hochschulerneuerung

West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Festakt

Teilnahme beim gemeinsamen Workshop

Studienreise

Anhang

1237

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

28.–29.09.2011

Dresden

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Gründungssitzung des Kuratoriums

06.–07.10.2011

Barcelona

Euro-Mediterranean Study Commission (Euromesco)

Jahrestagung

21.–22.10.2011

Münstertal

14. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

09.11.2011

Duisburg

Akademie Die Wolfsburg

Podiumsdiskussion zur europäischen Identität

12.–14.11.2011

Buenos Aires

Universidad Nacional Tres de Febrero

Vortrag zur Lage der Integration in der Europäischen Union

03.–07.12.2011

Ankara

Bilkent University

Vortrag zu den europäischtürkischen Beziehungen

19.–20.12.2011

Pristina

Universität des Kosovo Vortrag zur aktuellen Lage in der EU

04.–06.01.2012

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Global Region-Building“ Studies (MEDAC), Universität Malta

11.01.2012

Brüssel

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Beratergruppe für europäische Fragen

23.–25.01.2012

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Global Region-Building“ Internazionali (ASERI) der Katholischen Universität

16.–21.02.2012

Wien

Diplomatische Akademie

24.02.2012

Bonn

Vortrag zur Lage im Nahen Universität Bonn, Osten ein Jahr nach dem Institut für Politische Arab Spring Wissenschaft und Soziologie/studentische Exkursionsgruppe

18.–25.03.2012

Burundi, Ruanda, Uganda, Südsudan

05.04.2012

Brügge

Gastprofessur mit Seminar „Global Region-Building“

Feldforschungen zur regionalen Integration in Ostafrika und zum Verhältnis Europa-Afrika UNU-Center for Regional Integration Studies (CRIS)

Fachgespräche

1238

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

02.–05.05.2012

Addis Abeba

Fondazione per la Cooperazione fra i Popoli

Teilnahme an der Konferenz „54 Countries – One African Union“

14.05.2012

Bonn

Deutsche UNESCOKommission

Vortrag „Das West Africa Institute und die Kooperation mit dem ZEI“

30.5.–03.06.2012

Vatikan

06.06.2012

Brüssel

Friedrich-NaumannStiftung/Hessische Landesvertretung

Teilnahme an der Podiumsdiskussion zur Zukunft Europas

02.07.2012

Berlin

Atlantik-Brücke

Impulsreferat zum Stand der transatlantischen Beziehungen bei der Festveranstaltung

10.07.2012

Ulm

Universität Ulm, Studium Generale

Vortrag „Standortbestimmung der Europäischen Union“

30.08.2012

Bonn

Gustav Stresemann Institut

Key Note Speech zur aktuellen Lage der Europäischen Union bei der Sommerschule

13.–16.09.2012

Athen

Woodrow Wilson Diskussionsleitung eines International Center for Panels zur Schuldenkrise und Scholars der arabischen Sicht auf die EU bei der European Alumni Conference

28.09.2012

Mainz

Deutscher Historikertag Panel-Diskussion zur historisch-politischen Einordnung der EU

30.09.–03.10.2012

Praia

West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Mitwirkung am Studiengruppentreffen

07.–09.10.2012

Dresden

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Impulsreferat „Mitteleuropa und die europäische Einigung“

11.10.2012

Brüssel

Jahrestagung „Friends of Europe“

Diskussionsteilnahme

23.10.2012

Bonn

Böhler-Klub

Vortrag zur Standortbestimmung der EU

Fachgespräche zum interreligiösen und interkulturellen Dialog

Anhang

1239

Datum

Ort

27.10.–30.10.2012

Tschad

Veranstalter

29.10.2012

Ndjamena

30.10.– 01.11.2012

Zentralafrikanische Republik

11.–14.11.2012

Warschau

Warsaw Business School

Gastprofessur zum Stand der europäischen Integration

06.12.2012

Köln

Erzbistum Köln

Begegnung von Joachim Kardinal Meisner mit Professoren der Universitäten Köln und Bonn

06.–09.01.2013

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Comparative Global Region-Building“ Studies (MEDAC), Universität Malta

17.01.2013

Bonn

Universitätsclub

23.01.2013

Brüssel

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Beratergruppe für europäische Fragen

24.–25.01.2013

Lissabon

Fundação Calouste Panel-Diskussionsbeitrag Gulbenkian/Institut für zum Verhältnis EU-Afrika Europäische Politik beim I. PortugiesischDeutschen Forum

26.01.2013

Altenkirchen

Europa-Union Wester- Vortrag zur Lage in der EU wald

28.–30.01.2013

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Comparative Global Region-Building“

06.–08.02.2013

Mailand

Alta Scuola di Economia e Relazioni Internazionmali (ASERI) der Katholischen Universität

Gastprofessur mit Seminar „Comparative Global Region-Building“

25.02.–06.03.2013

Mosambik, Swasiland, Lesotho, Südafrika

Beitrag Feldforschungen zur regionalen Integration in Zentralafrika

Institut français

Vortrag „Cinquantenaire de l’amitie Franco-Allemand: l’integration en Europe et en Afrique“ Feldforschungen zur regionalen Integration in Zentralafrika

Vortrag zur Lage der EU

Feldforschungen zur regionalen Integration im südlichen Afrika

1240

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

01.03. 2013

Beira

Katholische Universität Vortrag zur Europäischen von Mosambik Union und zur Regionalentwicklung im südlichen Afrika (SADC)

05.03.2013

Pretoria

Institute for Security Studies (ISS)

16.–19.03.2013

Dakar

Goethe Institut/Institut Vortrag „50 Jahre ÉlyséeFrançais Vertrag – Die Zukunft Europa-Afrika“ beim internationalen Symposium

19.–24.04.2013

Accra

Economic Community Beratungen des ECOWASof West African States Parlaments und der übrigen (ECOWAS) ECOWAS-Organe zur künftigen Ausgestaltung des regionalen Parlaments

08.05.2013

Bonn

Stadt Bonn

12.06.2013

Berlin

American Council on Teilnahme am Symposium Contemporary German „30 Jahre AICGS – The Studies future of transatlantic relations“

24.06.2013

Bonn

Stadt Bonn/Vertretung der Europäischen Union

26.06.2013

Brüssel

Europäisches Parlament Präsentation des Hauses der Europäischen Geschichte

28.06.2013

Freiburg

Universität Freiburg

05.–13.07.2013

Mazar-e-Sharif, Kabul

EinsatzführungsFeldforschungen zur Lage in kommando der Bundes- Afghanistan wehr

05.09.2013

Königswinter

Konrad-AdenauerStiftung

12.–13.09.2013

Görlitz, Zgorzelec Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Sitzung des Kuratoriums

23.–26.09.2013

Asmara, Massawa

Feldforschungen in Eritrea

03.–04.10.2013

Paris

Euro-Mediterranean Study Commission (EuroMesCo)

Beitrag

Vortrag zur vergleichenden Regionalforschung

Vortrag zur Lage der EU

Podiumsdiskussion zum EUBeitritt von Kroatien

Akademische Gedenkfeier für Prof. Wilhelm Hennis

Vortrag zu den Grundlagen und Kontroversen der EU für Stipendiaten

Teilnahme an der Jahrestagung

Anhang

1241

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

18.–23.10.2013

Praia

West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Gemeinsames Studiengruppentreffen

28.10.2013

Berlin

Botschaft der USA

Einladung zu Ehren von Jane Hartman

01.–02.11.2013

Münstertal

15. Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

25.11.2013

Berlin

Aspen-Institut

Vortrag zur Lage im Nahen Osten und im Greater Middle East beim deutsch-israelischen strategischen Dialog

05.–08.01.2014

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Comparative RegionBuilding“ Studies (MEDAC), Universität Malta

27.–29.01.2014

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola die Economia e Relazioni „Comparative RegionInternazionali (ASERI) Building“ der Katholischen Universität

18.02.–01.03.2014

Madagaskar, Komoren, Mayotte, La Réunion, Mauritius

22.02.2014

Antananarivo

Deutsche Botschaft/ Friedrich-EbertStiftung

26.02.2014

Mamoudzou

Centre Universitaire de Vortrag bei einer Table Mayotte Ronde zu Fragen der Regionalentwicklung

27.02.2014

Saint Denis

Université de la Réunion

29.02.2014

Port Louis

Außenministerium von Vortrag „Regional integration Mauritius and EU-Africa relations“

09.–12.03.2014

Wien

Diplomatische Akademie

Feldforschungen zur Regionalintegration im Raum SADC und COMESA

Vortrag „Integration régionale et l’Union Européenne“

Vortrag bei einer Table Ronde zu Fragen der Regionalentwicklung

Gastprofessur mit Seminar „Comparative RegionBuilding“

1242

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

16.–18.03.2014

Berlin

Bundesministerium für Vortrag „Transformation Bildung und Forschung – vom Konzept zur Projektpraxis“ bei den „AfrikaTagen“

21.03.2014

Wesseling

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag zur aktuellen Lage in der Europäischen Union

26.–28.03.2014

Avignon

Universität Avignon, Juristische Abteilung/ West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Workshop-Leitung und Podiumsdiskussion: EUAfrika-Beziehungen vor dem 4. Gipfel

06.–07.05.2014

Breslau

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Teilnahme an einem Panel zum Stellenwert der Freiheit in Europa

08.–09.05.2014

Zakopane

Universität Krakau, Vortrag „Gibt es eine Institut für Philosophie politische Philosophie der EU?“ beim Symposium zu Ehren von Marek Siemek

10.05.2014

Bonn

Universität Bonn, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie

Vortrag „Wie viel Europa braucht Deutschland?“ beim Symposium zu Ehren von Hans-Peter Schwarz

13.05.2014

Bonn

Aktion Gemeinsinn e. V.

Diskussion zu den Europawahlen

19.05.2014

Bonn

Joseph-Höffner-Club

Moderation der Veranstaltung zu den Europawahlen

28.–29.05.2014

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

02.–03.06.2014

Gaborone

University of Botswana Vortrag „World War I – Lessons learned, lessons threatened“

11.–14.06.2014

Washington D.C. Woodrow Wilson Buchpräsentation „Africa International Center for Consensus“ Scholars

16.06.2014

Bonn

Katholische Studenten- Vortrag zur Lage in der EU gemeinde

05.–09.07.2014

Praia

West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Beitrag

Leitung des gemeinsamen Studiengruppentreffens

Anhang

1243

Datum

Ort

14.–15.07.2014

Hamburg

Veranstalter

08.–09.09.2014

Praia

West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Vortrag „World War I – Lessons learned, lessons threatened“ beim gemeinsamen Studiengruppentreffen

16.09.2014

Budapest

Europa-Club

Vortrag zur aktuellen Lage der EU

18.–19.09.2014

Budapest

Deutsch-Ungarisches Forum

Podiumsdiskussion zumThema Zivilgesellschaft und demokratische Partizipation

01.–03.10.2014

Barcelona

EuroMediterranean Study Commission (EuroMesCo)

Teilnahme an der Jahrestagung

09.–10.10.2014

Rom

Woodrow Wilson Podiumsdiskussion zu den International Center for Entwicklungen in RussScholars land beim European Alumni Meeting

12.11.2014

Berlin

Deutsch-Atlantische Gesellschaft e. V.

Paneldiskussion zur Zukunft der instabilen Nachbarschaft Europas

17.11.2014

Brüssel

Europäische Kommission

Fachgespräche

03.12.2014

Malta

Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC), Universität Malta

Paneldiskussion zur Zukunft der EU-Mittelmeerpolitik bei der Konferenz „25 Years MEDAC“

05.–07.01.2015

Malta

Mediterranean Gastprofessur mit Seminar Academy of Diplomatic „Comparative RegionStudies (MEDAC) Building“

19.–21.01.2015

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Comparative RegionInternazionali (ASERI), Building“ Katholische Universität

26.–28.01.2014

Brüssel

Europäische Kommission/NATO

Fachgespräche

09.–11.02. 2015

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Comparative RegionBuilding“

Beitrag Studientag Globalisierung, Deutschland und Europa

1244

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

11.02.2015

Berlin

Berliner Dom

Trauergottesdienst und Staatsakt für Richard von Weizsäcker

24.02.2015

Meckenheim

Literarischer Club Sabine Grusa

Vortrag zur europäischen Identität

26.–27.02.2015

Brüssel

Center for European Teilnahme an der JahresPolicy Studies (CEPS) tagung

02.–04.03.2015

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Vortrag zur Lage der EU

09.–10.03.2015

Straßburg

Europäisches Parlament/KonradAdenauer-Stiftung

Teilnahme am Gesprächskreis Wissenschaft und Politik

16.–17.03. 2015

Dresden

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Kuratoriumssitzung

25.–27.03.2015

Praia

WAI-ZEIStudiengruppentreffen

Teilnahme, Kooperationsgespräche Uni-CV

29.03.2015

Frankfurt

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board

10.–11.04.2015

Münstertal

16. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

21.04.2015

Brüssel

European Institute for Security Studies

Workshop zur europäischen Sicherheitsstrategie

27.04.2015

Balti

Alecu-RussoUniversität

Vortrag zur Europäischen Union in historischer Perspektive

28.04.2015

Comrat

Nationaluniversität der Vortrag zur europäischen Gagausen Identität

29.04.2015

Chisinau

Nationales Institut für Justiz

Vortrag zur EU als Rechtsgemeinschaft

09.05.2015

Solingen

Stadt Solingen

Vortrag zur europäischen Friedensordnung beim Festakt „70 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges“

10.–12.05.2015

Rom

Fondazione per la cooperazione tra i popoli

Referat „Africa consensus“ bei der intenrationalen Konferenz zur Armutsbekämpfung

13.–14.05.2015

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlsreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

Anhang

1245

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

21.05.2015

Berlin

Bundeminister des Inneren

Impulsbeitrag „Neue Herausforderungen weltweit für die deutsche Innenpolitik“ beim Gesprächskreis „Zukunftsfragen“ des Bundesinnenministers

23.05.–28.05.2015

Tokyo

International Christian Gastprofessur mit Vorträgen University und Seminaren zur Lage in der Europäischen Union und ihrer globalen Kontextualisierung

29.05.–03.06.2015

Marshall Islands, Federated States of Micronesia, Guam

15.06.2015

Paris

OECD Development Center

17.07.–17.10.2015

Christchurch

Canterbury University, Gastprofessur als Erskine National Centre for Fellow mit Vorlesungen zur Research on Europe Entwicklung und heutigen Situation der Europäischen Union

31.07.2015

Christchurch

Canterbury University, Vortrag „Comparative global National Centre for region-building“ Research on Europe

11.08.2015

Christchurch

Canterbury University, Vortrag „EU – the troubled National Centre for Southern Neighbourhood“ Research on Europe

20.08.–04.09.2015

Fidschi, Nauru, Kiribati, Samoa, AmerikanischSamoa, Tuvalu

31.08.2015

Suva

University of the South Vortrag und Round Pacific, Department of Table „The EU and the Political Studies Pacific“

29.09.2015

Auckland

University of Auckland, Vortrag „The Pacific, China Business School/New and Europe“ Zealand Asia Institute

30.09.–03.10.2015

Niue

Feldforschungen zum Klimaschutz und zur EU-AKPThematik Vortrag „Regional integration in a world of geopolitical trouble“

Feldforschungen zu den EU-AKP-Beziehungen im pazifischen Raum

Feldforschungen zu den EU-AKP-Beziehungen im pazifischen Raum

1246

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

08.10.2015

Wellington

Victoria University of Wellington, European Studies

Vortrag „The EU and Pacific Regionalism“

09.10.2015

Christchurch

Canterbury University, Vortrag „The EU and Pacific National Centre for Regionalism“ Research on Europe

10.–11.11.2015

Bonn

West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Leitung des gemeinsamen Studiengruppentreffens und Konstituierung der African Regional Integration Studies Association (ARISA)

13.11.2015

Berlin

Deutsch-Ungarisches Forum

Teilnahme an der Jahreskonferenz

20.11.2015

Bonn

Universität Bonn, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie

Vortrag zur Relationalität des Universalismusbegriffs beim Fachkolloquium

13.12.2015

Bonn

Katholische Studenten- Vortrag zur weltweiten verbindung Unitas Migrations- und Flüchtlingskrise

03.–06.01.2016

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Region-Building and World Order“ Studies (MEDAC), Universität Malta

18.–20.01.2016

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

21.–23.01.2016

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board

01.–03.02.2016

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

16.02.2016

Neuss

Augustinus-Forum

Podiumsdiskussion „Europa und die Flüchtlinge“

21.02.–18.03.2016

Shanghai

Tongji-Universität, Zentrum für Deutschlandstudien

Gastprofessur mit Vorlesung und Seminar „The European Union – Development and Current Challenges“

Anhang

1247

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

26.02.2016

Shanghai

Center for European Studies

Vortrag „The EU facing the world – current crises and the future of the EU“

02.03.2016

Shanghai

Tongji-Universität, Zentrum für Deutschlandstudien

Vortrag „Deutschland und die europäische Flüchtlingskrise“

08.03.2016

Shanghai

Fudan University, Center for European Studies

Vortrag „The EU refugee crisis in global perspective“

09.03.2016

Shanghai

Tongji-Universität, Zentrum für Deutschlandstudien

Vortrag „One Road, One Belt-Initiative und die chinesisch-europäischen Beziehungen“

10.03.2016

Shanghai

Center for European Studies

Round Table „The EU and a possible Brexit“

16.03.2016

ShanghaiSonjiang

Shanghai International Vortrag „Root causes of the Studies University global refugee crisis“ (SISU)

30.03.2016

Brüssel

ACP-Group of Countries

Vortrag „A new development paradigm“

07./08.04.2016

Berlin

Deutsch-Atlantische Gesellschaft

Panel-Leitung „New security challenges“

16.–20.04.2016

Praia

West Africa Institute (WAI)/Zentrum für Europäische Integrationsforschung

Leitung des gemeinsamen Studiengruppentreffens, Gründung der African Regional Integration Studies Association (ARISA)

29.04.2016

Bonn

Institut für Geschichte

Referat zum Universalismusproblem

03.05.2016

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

08.05.2016

Plötz

Europäisches Kulturzentrum

Vortrag „Europa – Idee in der Bewährung“

16.06.2016

St. Augustin

Deutsch-Ungarische Gesellschaft

Vortrag zur Lage der EU

18.06.2016

Brüssel

Botschaft der USA bei Fachgespräch zu den EUder EU US-Beziehungen

1248

Anhang

Datum

Ort

01.–18.09.2016

Martinique, Guadeloupe, Dominica, Antigua and Barbuda, St. Kitts and Nevis, Montserrat, St. Martin, St. Barthelemy, Anguilla, Eustatius, St. Saba, British Virgin Islands, US Virgin Islands, Puerto Rico

Veranstalter

08.09.2016

Basseterre

Ministry of InterVortrag vor den leitenden national Trade, St. Kitts Beamten zum Brexit and Nevis

22.09.2016

Budapest

Eötvös-LorantUniversität

23.09.2016

Budapest

Vortrag „Miteinander in Forum Mitteleuropa Europa“ beim Sächsischen Landtag im ungarischen Parlament

03.10.2016

Bonn

Konrad-AdenauerStiftung

05.10.2016

St. Augustin

Rhein-Sieg-Gymnasium Vortrag zur Lage in der EU

22.11.2016

Bonn

Universität Bonn, Center for Global Studies

24.11.2016

Bonn

Katholische Studenten- Vortrag zur Lage in der EU verbindung Arminia

07.12.2016

Bonn

Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP)

08.–11.01.2017

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Region-Building and World Order“ Studies (MEDAC), Universität Malta

Beitrag Feldforschung zu den EU-AKP-Beziehungen im Bereich CARICOM und OECS (Organization of Eastern Caribbean States)

Vortrag „Europa –Idee in der Bewährungsprobe“

Podiumsdiskussion zur deutschen Außenpolitik seit der Wiedervereinigung bei den „Wasserwerkgesprächen“ Round Table „Transatlantic security after the election of Trump“

Round Table Diskussion „Europa der Regionen“

Anhang

1249

Datum

Ort

Veranstalter

23.–24.01.2017

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola die Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

25.01.2017

Berlin

Bundeskanzleramt

Expertengespräch zu Afrika/ G-20-Gipfel auf Einladung der Bundeskanzlerin

05.–08.02.2017

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

14.02.2017

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola die Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

16.02.–26.02.2017

St. Pierre-etMiquelon, Turk and Caicos, Cayman Islands, Curacao, Bonaire, Aruba

01.–02.03.2017

Moritzburg

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Kuratoriumssitzung

09.03.2017

Bensberg

Deutsche Bischofskonferenz

Vortrag zur weltpolitischen Lage bei der Frühjahrsvollversammlung

13.–14.03.2017

Straßburg

Europäisches Parlament/KonradAdenauer-Stiftung

Teilnahme am Gesprächskreis Wissenschaft und Politik

23.–24.03.2017

Berlin

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

27.–28.03.2017

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board

03.04.2017

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

Teilnahme an der Sitzung des Beirats für Zeitgeschichte

21.–22.04.2017

Münstertal

17. Bonner Europakolloquium

Treffen der aktuellen und ehemaligen Doktoranden

Beitrag

Feldforschungen zu den Beziehungen der EU mit Overseas Countries and Territories (OCT’s)

1250

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

26.04.2017

Genf

United Nations Festvortrag zum weltweiten Economic Commission Regionalismusthema auf der for Europe (UNECE) 67. Generalversammlung zum 70. Jubiläum von UNECE

04.05.2017

Brüssel

Haus der Europäischen Festakt zur Eröffnung Geschichte

08.05.2017

Eupen

Deutschsprachige Podiumsdiskussion zur Gemeinschaft Belgiens Zukunft Europas

24.05.2017

Bonn

Arbeitsgemeinschaft Vortrag zur Demokratie in katholisch-sozialer Europa Bildungseinrichtungen

24.–25.05.2017

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

06.06.2017

Bonn

Universität Bonn/ Vortrag „Governance and Interdisciplinary Center Political Studies“ bei einem Herzliya Workshop

07.–09.06.2017

Lissabon

Konrad-AdenauerStiftung

Vortrag „The end of the West?“ bei einer internationalen Konferenz

21.06.2017

Berlin

Verein „Global Bridges“

Vortrag „Germany in the EU“

03.–04.07.2017

Hamburg

28.08.2017

Nittendorf

Cusanus-Werk

Vortrag „Krisenzeiten in Europa“ bei der Sommerakademie

07.–10.09.2017

Nafplio

Hellenic Foundation for European and International Studies (ELIAMEP)

Vortrag „Democracy in Europe“ beim Internationalen European Seminar

14.–15.09.2017

Cambridge, Mass Harvard University, Center for European Studies

19.–30.09.2017

Hongkong, Kashgar, Lanzhou, Shanghai

Beitrag

Studientag zu Globalisierung, Deutschland und Europa

Tongji-Universität, Zentrum für Deutschlandstudien

Workshop zum 50. Jubliäum des Center for European Studies Feldforschungen und Vortrag beim Chinesisch-Deutschen Forum über aktuelle europäische Entwicklungen

Anhang

1251

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

13.10.2017

Bonn

Universität Bonn

Akademische Gedenkfeier für die Professoren KarlDietrich Bracher, Hans-Adolf Jacobsen und Hans-Peter Schwarz

16.–17.10.2017

Bratislava

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Teilnahme an der Jahreskonferenz

19.–20.10.2017

Berlin

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

27.–29.10.2017

Vatikan

Europäische Bischofs- Teilnahme am Kongress konferenz (COMECE)/ „Rethinking Europe“ Staatssekretariat des Vatikan

08.11.2017

Wiesbaden

Hessischer Landtag

Anhörung zum Weißbuch der Europäischen Kommission zur Zukunft Europas

10.–11.11.2017

Paderborn

Katholische Sozialethiker-Tagung

Vortrag zur Demokratie in der EU

16.–18.11.2017

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board

23.–24.11.2017

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

Sitzung des Beirats für Zeitgeschichte

30.11.2017

Bonn

Verband Deutscher Studenten

Vortrag zur Situation in Afrika

08.–10.01.2018

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Region-Building and World Order“ Studies (MEDAC), Universität Malta

21.01.2018

Königswinter

Atlantik-Brücke

22.–24.01.2018

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

29.01.2018

Bonn

Johanniter Komtur Rheinland

Diskussion zu den transatlantischen Beziehungen bei der Young Leaders Reunion

Vortrag zur Lage in Afrika

1252

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

05.–07.02.2018

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

19.–20.02.2018

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board

21.02.–03.03.2018

Falkland Islands

Vortrag vor der Falkland Islands Fisheries Company Association zur OCTBrexit-Frage

Feldforschungen zu den EU-OCT-Beziehungen nach dem Brexit

07.02.2018

Budapest

Institute for International Politics and Foreign Trade

Podiumsdiskussion zur europäischen Identität

12.–13.03.2018

Brüssel

Europäische Fachgespräche Kommission/ Europäisches Parlament

14.–15.03.2018

Luxembourg

Europäischer Gerichts- Fachgespräche hof

15.–16.03.2018

Berlin

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

20.03.2018

Brüssel

Europäische Parlament, Key Note Address zur Ausschuss für EntZukunft der EU-AKPwicklungsfragen Beziehungen

11.04.2018

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

09.–10.05.2018

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlpreisFestakt

14.05.2018

Bonn

Universität Bonn

Podiumsdiskussion und Präsentation der „Bonner Enzyklopädie der Globalität“ im Rahmen des 200-jährigen Universitätsjubiläums

28.–31.05.2018

Kopenhagen

University of Copenhagen, Department of Political Science

Fachgespräche

30.05.2018

Torshavn

University of Färöer, Fachgespräche Department of History

Teilnahme an der Sitzung des Beirats für Zeitgeschichte

Anhang

1253

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

03.–05.06.2018

Korinth

University of the Peloponnese/New Zealand National Centre for the Study of Europe

Key Note Address zur aktuellen Lage in der Europäischen Union bei der Internationalen Konferenz zur Zukunft des Balkan

25.–26.06.2018

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board

30.08.–11.09.2018

Saint Helena

15.–16.09.2018

Oxford

St. Antony’s College

Alumni Reunion

19.–24.09.2018

Shanghai

Tongji-Universität, Zentrum für Deutschlandstudien

Vorträge „EU perspectives today“ und „Die maritime Dimension der EU“ beim Chinesisch-Deutschen Forum

28.09.2018

Bonn

Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP)

Vortrag „Strategische Diplomatie – Die EU als Akteur in der Weltpolitik?“

11.10.2018

Brüssel

Joint EU-ACP Parliamentary Assembly – Committee for Political Affairs

Key Note Address „The Strategic Significance and dimension of the ACP-EU Partnership“

22.10.2018

Bonn

Universität Bonn

Vortrag und Präsentation des ZEI „Governance and Regulation in the EU“ im Rahmen des 200-jährigen Universitätsjubiläums

30.10.2018

Tallinn

Tallinn University of Technology

Vortrag „The EU today“

30.10.2018

Tallinn

Rotary Club Tallinn

Vortrag „Learning from history“

15.–16.11.2018

Berlin

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

16.11.2018

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

19.11.2018

Podgorica

Pan-European Vortrag „The current Movement Montenegro situation in the European Union“

Feldforschung und Vortrag vor dem Legislative Council von St. Helena zu den EUOCT-Beziehungen nach dem Brexit

Sitzung des Beirats für Zeitgeschichte

1254

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

04.12.2018

Budapest

Antall Jozsef Knowledge Center

Vortrag „European security in a changed geopolitical environment“

07.–09.01.2019

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Region-Building and World Order“ Studies (MEDAC), Universität Malta

14.01.2019

Bonn

Institut français

Diskussionsrunde „Emmanuel Macron et l’Europe“

21.–22.01.2019

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board

26.01.2019

Hagen

Stadt Hagen/Kirchen der Stadt Hagen

Vortrag zur Identität Europas beim Ökumenischen Neujahrsempfang

28.–30.01.2019

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

01.02.2019

Bonn

Universität Bonn, Vortrag „Politisches Denken Philosophische Fakultät der Europäischen Union“ bei der Forschungskonferenz

11.–12.02.2019

Straßburg

Europäisches Parlament/KonradAdenauer-Stiftung

Teilnahme am Gesprächskreis Wissenschaft und Politik

25.–28.02.2019

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

26.03.2019

Baden-Baden

Baden-Badener Unter- Vortrag „Ist Europa weltnehmergespräche fähig?“

11.–12.04.2019

Berlin

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

25.–26.04.2019

Münstertal

18. Bonner Europakolloquium

07.05.2019

Rheine

Gesellschaft für Sicher- Vortrag „Europas heitspolitik strategische Rolle in der Welt“

08.05.2019

Bonn

Studienstiftung des Deutschen Volkes

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

Vortrag „Vor den Wahlen zum Europäischen Parlament“

Anhang

1255

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

09.–11.05.2019

Dresden

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag

Teilnahme an der Jahreskonferenz und an der Sitzung des Kuratoriums

21.05.2019

Bonn

Lions Club Bonn

Vortrag zur Identität Europas

24.05.2019

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

Teilnahme an der Sitzung des Beirats für Zeitgeschichte

29.–30.05.2019

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

10.–11.06.2019

Vilnius

European Humanities University (EHU)

17.–22.06.2019

Spitzbergen

Feldforschungen zur Entwicklung der Arktis

24.06.2019

Hildesheim

Universität, Seminar für Vortrag „Der europäische Geschichte Archipel“

04.07.2019

Köln

Katholische Studenten- Vortrag zur aktuellen Lage verbindung Rheinstein der EU

13.–23.07.2019

Wallis et Futuna, Noumea

06.–08.09.2019

Nijmegen, Den Haag, Leiden, Amsterdam

20.–29.09.2019

Xian, Dunhuang, Tongji-Universität, Shanghai Zentrum für Deutschlandstudien

17.–18.10.2019

Berlin

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

11.–12.11.2019

Vilnius

European Humanities University (EHU)

Sitzung des Governing Board und Vortrag „30 Years after the Fall of the Berlin Wall“

14.11.2019

Bonn

„Pulse of Europe“

Diskussionsabend

18.11.2019

Berlin

Konrad-AdenauerStiftung

Teilnahme an der Sitzung des Beirats für Zeitgeschichte

Sitzung des Governing Board

Feldforschung zur Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und den überseeischen Gebieten und Territorien (OCT) Universität Bonn, Rektorat

Sondierungsreise zu Universitäten in den Niederlanden Feldforschungen zur Seidenstraße und Vortrag beim Chinesisch-Deutschen Forum zur geopolitischen Orientierung der EU

1256

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

02.12.2019

Bonn

Universität Bonn, Ernst Vortrag „Wechselwirkungen Robert Curtius Zentrum und Zukunftsaussichten der EU“

06.–08.01.2020

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Region-Building and World Order“ Studies (MEDAC), Universität Malta

20.–22.01.2020

Wien

Diplomatische Akademie

27.–29.01.2020

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

01.02.–20.03.2020

Florianópolis

Universidad Federal de Gastprofessur Santa Catalina

24.–25.09.2020

Bonn

Tagung Strategische VorausUniversität Bonn, schau Center for Advanced Strategic, Security and Integration Studies (CASSIS)

08.–09.10.2020

Siegburg

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz/Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

09.11.2020

München (Zoom) Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Beitrag

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

Vortrag „Eine ‚geopolitische‘ EU-Kommission“

04.01.2021/11.01.2021 Malta (Zoom) 18.01.2021

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Region-Building and World Order“ Studies (MEDAC), Universität Malta

11.01.2021

Bonn (Zoom)

Institut français

25.–27.01.2021

Mailand (Zoom)

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

Vortrag und Paneldiskussion  „Geopolitique et dispositives outre-mers“

Anhang

1257

Datum

Ort

Veranstalter

11.03.2021

Berlin (Zoom)

Teilnahme an der Sitzung Deutsche Bischofskonferenz/Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen

08.–09.04.2021

Münstertal (Zoom)

19. Bonner Europakolloquium

Seminar mit aktuellen und ehemaligen Doktoranden

24.–28.05.2021

Wien (Zoom)

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

02.06.2021

Budapest/Brüssel Antall Jószef (Zoom) Knowledge Center

Paneldiskussion „The global role of the EU and the Vishegrad countries“

22.06.2021

Bonn (Zoom)

Universität Bonn, Center for Advanced Strategic, Security and Integration Studies (CASSIS)

Paneldiskussion „The UK, Europe and Northrhine Westfalia in an uncertain world“

01./02.10.2021

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

11.–13.11.2021

Wien

Podiumsdiskussion zu den Forum Mitteleuropa Folgen der Corona-Pandemie beim Sächsischen Landtag im österreichischen Nationalrat

11.–13.01.2022

Malta

Gastprofessur mit Seminar Mediterranean Academy of Diplomatic „Region-Building and World Order“ Studies (MEDAC), Universität Malta

16.01.2022

Bonn

Aloisiuskolleg

18.01.2022

Brüssel (Zoom)

Haus der Europäischen Moderation der Veranstaltung Geschichte „Envisioning Europe“

24.–26.01.2022

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

12.–13.05.2022

Vilnius

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag im litauischen Seimas

17.05.2022

Brüssel (Zoom)

Haus der Europäischen Moderation der Veranstaltung Geschichte „Envisioning Europe“

Beitrag

Podiumsdiskussion „Mehr Europa wagen?“

Internationale Konferenz – Schlussansprache „Freiheit und Entschlossenheit in Europa“

1258

Anhang

Datum

Ort

Veranstalter

25./26.05.2022

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

07.–09.06.2022

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

05.–06.09.2022

Menaggio

Villa Vigoni

Key Note Address und Impulsvortrag bei einer italienisch-deutschen Sommerschule

21.11.2022

München

Gesellschaft für Außenpolitiik

Vortrag zum politischen Denken der Europäischen Union

01.-02.12.2022

Budapes

Andrassy Universitaet

Vortrag zur strategischen Lage in Europa auf einer internationalen Konferenz

09.–11.01. 2023

Malta

Mediterranean Gastprofessur mit Seminar Academy of Diplomatic „Region-Building and World Studies (MEDAC) Order“

17.01.2023

Bonn

Haus der Geschichte/ Centre Ernst Robert Curtius

27.02.–03.03.2023

Mailand

Gastprofessur mit Seminar Alta Scuola di Economia e Relazioni „Region-Building and World Internazionali (ASERI) Order“ der Katholischen Universität

21.03.2023

Bonn

Stadt Bonn, Europaempfang

13.–14.04.2023

Münstertal

20. Bonner EuropaSeminar mit aktuellen und kolloquium/Freiburger ehemaligen Doktoranden Politikdialog

13.-14.05.2023

Aachen

Stiftung Internationaler Teilnahme am KarlspreisKarlspreis Forum und am KarlspreisFestakt

22.-23.05.2023

Prag

Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag/Senat der Tschechischen Republik

Beitrag

Mitwirkung an der Podiumsdiskussion zum 60.Jahrestag des Elysée-Vertrages

Vortrag zu den Folgen des russischen Krieges in der Ukraine auf Europa

Teilnahme an der Konferenz „Wirtschaftliche und soziale Stabilität in Mitteleuropa“; Sitzung des Kuratoriums „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“

Anhang

1259

Datum

Ort

Veranstalter

Beitrag

30.05.–02.06.2023

Wien

Diplomatische Akademie

Gastprofessur mit Seminar „Region-Building and World Order“

16.06.2023

Bonn

Centre Ernst Robert Curtius

Vortrag zum politischen Denken der Europäischen Union

25.06.2023

Köszeg

Institute of Advanced Studies, Summer Academy

Key Note Address zu den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine

20.07.2023

Eichstätt (Zoom) Katholische Universität Grusswort bei der Eichstätt Abschiedsvorlesung von Prof. Walter Schweidler

30.08.2023

Palo Alto, Ca (Zoom).

Stanford University

Vortrag auf der internationalen Konferenz „(Mis-) managing differences“ über die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine für Europa

Namensverzeichnis

A Aaron, David, 536 Abbas Mela, Maham, 556 Abdullah II., König, 587, 924, 988 Abdulle, Ahmed Suleiman, 71 Abratzky, Constanze, 914 Acclasato, Denis, 655 Acheson, Dean, 243 Adami, Edward Fenech, 890 Adamkus, Valdas, 451, 452, 1006, 1014, 1015 Adams, Julie, 905 Adam-Schwaetzer, Irmgard, 363, 370 Ade, Meinhard, 240 Ademola, Abass, 654 Adenauer, Konrad, 9, 40, 54, 124, 191, 234, 324, 328, 361, 401, 404, 596, 726, 798, 1082, 1087 Adenauer, Paul, 726 Adesida, Olugbenga, 660 Adolph, Thomas, 279 Agbodji, Damien, 655 Agudelo Blandon, Luisa Fernanda, 1078 Ahadzi-Nonou, Koffi, 653 Ahmadinejad, Mahmoud, 161 Ahrens, Geert-Hinrich, 429, 559 Aidara, Bouréhima Ould, 633 Aitmatov, Tschingis, 232 Aitzhanova, Zhanar, 643 Ajayi, Tolulase Olumfunmilayo, 654 Akinsanya, Olugesun, 686 Akoutou, Benjamin, 655 Alaton, Ishak, 533 Alberg, Jeremiah, 159 Albert, Mechthild, 752, 755 Albrecht, Clemens, 195, 754, 755, 1002 Albrecht, Ernst, 222, 474

Albright, Madeleine, 572 Al-Husri, Sati, 168 Alkuin, 24 Allen, George, 534 Allison, Graham, 524 Almond, Gabriel, 530 Alt, Franz, 40 Altenburg, Wolfgang, 416 Althaus, Dieter, 868 Althusius, Johannes, 382 Altmaier, Peter, 468, 472, 919 Altwegg, Jürg, 1052 Amani, Salhatou, 633 Amar, Shlomo, 436 Ambler, Eric, 1021 Amin, Idi, 610 Ammon, Peter, 449 Amoah Awuah, Michael, 712, 1065 Amoako, Kingsley Y., 683 Anastasiadis, Mario, 747 Anastasiakis, Othon, 905 Andersch, Alfred, 727 Anderson, Jeff, 550 Andorka, Rudolf, 399, 401 Andreatta, Nino, 446 Andrianopoulos, Andreas, 559 Andriessen, Franz, 446 Angelova, Penka, 429 Angenendt, Steffen, 338 Antall, György, 399, 400 Antall, József, 368, 369, 399, 401, 808, 880 Antola, Esko, 446 Antony, Tagelöhner, 88 Antweiler, Christoph, 752, 753, 755, 804 Aquin, Thomas von, 292, 998 Aranibar, Antonio, 619

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 L. Kühnhardt, Impulsgeber zwischen Wissenschaft, Politik und Publizistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40175-7

1261

1262 Arendt, Hannah, 283, 386, 502, 947, 1045, 1048 Aretz, Jürgen, 370 Argyros, Stelios, 446 Arias Sanchez, Oscar, 460, 785 Arim, Reşat, 885 Aristoteles, 4, 185, 219, 285, 302, 308, 309, 379, 998, 1046–1048, 1067 Armstrong, Louis, 494 Arndt, Adolf, 182 Arnold, Hans, 439 Arnórsson, Audunn, 280 Aron, Raymond, 866 Aronson, Shlomo, 311 Arora, G.K., 169 Arrieta, Jon, 905 Arrignon, Jean-Pierre, 861 Arvad, Laszlo, 369 Asanbajew, Yerik, 416 Ashdown, Paddy, 367 Ashoka, Kaiser, 168 Ashton, Catherine, 397 Asmus, Erik, 567 Asmus, Ronald D. ‚Ron‘, 403, 524, 567–569, 571–575, 584 Assani, Mouhamed, 633 Assoua, Kocra, 655, 664 Atatürk, Kemal, eigentlich Mustafa Kemal, 241 Attina, Fulvio, 446 Auguste Viktoria, Kaiserin, 56 Augustinus, Aurelius, 39, 1045, 1048, 1049, 1088 Augustus, Kaiser, 864 Ayrault, Pierre, 244 Azededo Heyvaert, Isabel Cristina de, 686

B Baah-Boateng, William, 663, 664 Babu, Joseph, 4 Bach, Christian Friis, 643 Bach, Johann Sebastian, 198 Bach, Thomas, 898 Bacon, Francis, 329, 877 Bader, Günter, 752, 755 Badinger, Harald, 978 Baerbock, Annalena, 959, 1021 Bagci, Hüseyin, 141, 152, 188, 197, 241, 312, 385, 457, 533, 534, 828, 883, 884, 1085

Namensverzeichnis Bahners, Patrick, 145, 180 Bahr, Egon, 32, 218, 286, 509 Baier-Allen, Susanne, 307, 981, 1065 Bailes, Alyson, 402 Bainbridge, Timothy, 369 Bajada, Simon, 646 Baker, James, 890 Bakotin, Jerko, 929 Balatoni, Mónika, 967 Baldwin, Alec, 376 Balestri, Sara, 979 Ballestrem, Karl Graf, 162 Balletbò, Anna, 557, 559 Balthasar, Hans Urs von, 38 Bamba, Lambert Ngaladjo, 654 Banchoff, Anja, 583 Banchoff, Thomas, 159, 453, 583 Bangemann, Martin, 401 Banse, Rainer, 752, 755 Barbato, Melody, 406 Baring, Arnulf, 363, 394 Bark, Dennis L., 554 Barlach, Ernst, 250 Barley, Katharina, 937 Barr, Catherine, 518 Barraclough, Geoffrey, 866 Barre, Siad, 610 Barrington Greenidge, Carl, 712 Barroso, José Manuel Durão, 476, 477, 581, 918 Bartels, Andreas, 754, 755 Barth, Achim, 151 Barth, Hermann, 287 Bartoszewski, Wladislaw, 462, 473, 985 Barzel, Rainer, 31, 211, 214 Bas, Céline, 659 Bastert, Paul-Gerhard, 35 Bauer, Eva-Maria, 468 Bauer, Thomas, 338 Baues, Patrick, 1065 Baumann, Uwe, 752, 755 Baumgartner, Hans Michael, 144 Bayero, Ado, 666 Beatrix, Königin, 244 Beauducel, André, 752, 755 Beaufort, Viviane de, 446 Becher, Matthias, 754, 755 Beck, Kurt, 328 Beck, Ulrich, 311

Namensverzeichnis Beckel, Albrecht, 215 Becker, Peter, 809, 1009 Becker, Thomas, 187 Beckurts, Karl Heinz, 542 Beda, Pater, eigentlich Linus Vickermann, 3, 218 Bedenko, Yuri, 409 Bedford-Strohm, Heinrich, 244 Beebe-Center, Horton, 1015 Beemelmans, Stephane, 338 Beethoven, Ludwig van, 314, 863, 1026 Begin, Menachem, 777 Beierwaltes, Andreas, 14, 275, 307, 312, 861, 981, 1063 Beine, August, 90 Belafi (geb. Jouan), Nathalie, 1064, 1065 Belafi, Matthias, 1064, 1065 Belafonte, Harry, 220 Belovari, Tomislav, 974 Belton, Catherine, 414 Benda, Ernst, 73, 153, 264 Bendix, Reinhard, 154, 515 Benedetti, Carlo de, 324 Benedikt XVI., Papst Joseph Ratzinger, 27, 471, 788, 789, 878, 884 Berenter, Doug, 553 Beretta, Simona, 406, 646, 840, 979 Berg, Alban, 335 Berg, Eva Maria, 141 Berge, Mirte van den, 663 Berger, Elke, 394 Berghahn, Marion, 906 Bergius, Michael, 188 Bergmann-Pohl, Sabine, 296 Bergner, Hans-Peter, 94 Bergsdorf, Wolfgang, 198, 226, 840 Bergstraesser, Arnold, 182, 268, 293 Berlin, Isaiah, 161 Bermann, George A., 536, 737 Bernacki, Wlodzimierz, 946 Bernhardt, Steffen, 285 Bernsen, Michael, 753, 755 Bersheda, Yevhen, 425–427 Bertram, Christoph, 278, 451, 1059, 1060, 1063 Bertrand, Mathieu, 1074 Besch, Werner, 116 Bessmertnych, Alexander, 890 Beste, Ralf, 959

1263 Bethmann-Hollweg, Theodor von, 951 Betts, Alexander, 632 Bettzüge, Reinhard, 367 Beverungen, Johannes, 280, 994, 1063 Beyme, Klaus von, 150 Bèze, Théodore de, 642 Bhattarai, Krishna Prasad, 131 Bhavsar, B.K., 88 Bibó, István, 973 Bickham, Edward, 378 Biden, Joe, 553, 599 Biedenkopf, Kurt, 214, 260, 524 Biedenkopf, Susanne, 260 Bielefeldt, Heiner, 155 Bierbrauer, Christoph, 994 Biermann, Rafael, 428, 429, 994, 1064 Biffen, John, 363 Bilal, Sanoussi, 655 Bildt, Carl, 246, 402, 446 Bilecen, Basak, 595 Bindenagel, JD, 804 Birkavs, Valdis, 408, 450, 454 Birtsch, Günther, 156 Bischof, Günter, 472 Bismarck, Gottfried von, 394 Bismarck, Otto von, 9, 56, 267, 268, 366 Bitterlich, Joachim, 403, 450 Björk, Anders, 402 Blacker, Coit, 554 Blackwill, Bob, 453, 534 Blair, Tony, 396, 1084 Blaker, Peter, 363 Blanchard, Olivier, 460, 785 Blasius, Jörg, 195, 753, 755, 804 Blaž, Ivanc, 946 Blech, Klaus, 230, 232, 236, 240 Bleicken, Jochen, 260 Blickle, Gerhard, 744, 753, 755 Blondel, Brice, 1010 Blum, Eberhard, 542 Blüm, Norbert, 323 Blumenfeld, Erik, 506, 514, 539 Blyden, Edward Wilmot, 169 Boch, Dr., 260 Bock, Marianne, 73 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, 264, 295, 382 Böckle, Franz, 4, 69, 219, 772 Bocklet, Paul, 370 Bod, Peter Akos, 368, 369

1264 Bode, Christian, 981 Bodin, Jean, 172, 1003 Bodrožić, Zlatko, 979 Boethius, 291 Bogdanov, Bogdan, 462 Bohl, Friedrich, 383 Bohm, Hark, 153 Böhm, Wilfried, 409 Böhme, Helmut, 260 Böhme, Rolf, 264, 304 Böhmer, Maria, 318 Böhr, Christoph, 299, 318, 325–332, 759, 839 Boidevaix, Serge, 372 Bolkestein, Frits, 446 Böll, Heinrich, 232 Bonnet, Anne-Marie, 754, 755 Bonus, Holger, 227 Bonvicini, Gianni, 446 Borchard, Klaus, 449, 450, 983 Borell, Josep, 1001 Borg, Isabelle, 890 Borg, Joe, 840, 890, 1075 Borges, Jorge, 652 Börne, Ludwig, 80 Boroznjak, Aleksandr, 423 Borries, Hans Karl von, 506 Boschki, Reinhold, 752, 756 Bouffier, Volker, 244 Bourguignon, Roswitha, 239 Boutros-Ghali, Boutros, 420 Bozo, Frédéric, 577, 841 Braach, Regina, 307, 312 Bracher, Christian, 188, 197 Bracher (geb. Schleicher), Dorothee, 188, 197, 1042 Bracher, Karl Dietrich, 4, 13, 68, 75, 96, 113, 114, 116, 117, 119, 121, 122, 129, 137, 139–141, 143, 145, 150, 179–190, 192, 193, 196–200, 210, 220, 228, 234, 260, 271, 283, 380, 384, 385, 388, 423, 502, 601, 789, 815, 864, 877, 882, 904, 982, 997, 1042, 1051, 1084, 1086, 1090 Brackmann, Lisa-Marie, VIII, 994, 1065, 1074 Brague, Rémi, 1002 Brambilla, Roberto, 406, 646 Brammer, Sally, 976, 992, 1074 Brands, Maarten, 389 Brandstädter, Philipp, 927

Namensverzeichnis Brandt, Willy, 12, 31, 182, 196, 211, 212, 214, 216, 245, 361, 499, 798 Braudel, Fernand, 809, 887, 1099 Braun, Jens-Daniel, 469, 1076 Braun, Joachim von, 752, 757, 785, 984 Braun, Sigismund von, 1047 Braun, Wernher von, 1047 Bräunig, Klaus, 369 Bräutigam, Hans Otto, 396 Braybrooke, Marcus, 379 Brendel, Elke, 752, 756 Bressand, Albert, 446 Breuel, Birgit, 524 Breuer, Rolf, 534 Bridgety, Reuben, 686, 688 Brinley, Joe, 683, 685 Brito, Aksana, 656 Brito, Jorge, 650 Brito, José, 650–653, 657, 661, 665 Brittan, Sir Leon, 367, 395, 396, 536 Brix, Emil, 468, 646, 1024 Broder, Henryk M., 276 Brok, Elmar, 325, 367, 394, 402 Broschk, Florian, 747 Broucker, Jose de, 39 Brown, Carroll, 524 Brown Wells, Sherrill, 557 Brüderle, Rainer, 397 Brugger, Winfried, 152 Bruncken, Wolfgang, 981, 1058 Brunn, Anke, 14, 95, 981 Brunner, Yul, 494 Brunswick, Josephine, 314 Brzezinski, Zbiegniew, 553 Bucerius, Gerd, 542 Buchan, Alastair, 365 Buchheim, Hans, 182 Bukowski, Charles, 80 Bulatovic, Marina, 974 Bullard, Julian, XX, 265 Bülow, Christoph von, 214 Bünger, Klaus, 469 Burckhardt, Carl Jacob, 730 Burckhardt, Jacob, 65, 297, 300, 379, 865 Burda, Hubert, 324 Burgess, John, 521 Burt, Richard, 509, 534 Burwell, Frances, 550, 561, 586 Busch, Andreas, 595

Namensverzeichnis Busch, Eckhart, 94 Busek, Erhard, 429, 953, 954, 956 Bush, Barbara, 496 Bush, George H. W., 226, 496, 523, 538, 541, 543, 551, 552, 554, 560, 791, 890 Bútora, Martin, 890 Buzek, Jerzy, 450 Byrt, Andrzej, 981

C Cable, Vince, 397 Cabral, Iva, 652 Cai, Jin-Yong, 688 Cailliau, Robert, 324 Calamia, Pietro, 446 Calleo, David P., 522 Calleya, Stephen, 646, 794, 887, 889–893, 978 Calvin, Jean, 642 Camara, Dom Helder, 39, 40 Cameron, David, 930, 933 Campbell, Menzies, 394 Camroux, David, 627 Capito, Ralf, 469 Caplan, Jane, 905, 906 Capus, Alex, 955 Caputo, Livio, 446 Carlsen, Per, 1008, 1018 Carneiro, Robert L., 781 Carr, Jonathan, 363, 981 Carr, Rod, 1070 Carson, Johnnie, 685 Carstens, Karl, 73, 234 Carter, Jimmy, 39, 96, 494, 495, 554, 777 Casper, Gerhard, 554 Cassar, Audrey, 646 Castries, Henri de, 920 Catherman, Terry, 512 Catilina, Lucius Sergius, 1093 Cavazza, Fabio Luca, 278, 405, 509 Celenk, Ayse Aslihan, 1078 Cetin, Hikmet, 533 Chaabane, Sadok, 156 Chafer, Tony, 657 Chalker, Linda, 396 Chambas, Mohamed Ibn, 628, 647, 648 Charlton, Michael, 264 Chen, Zuangjing, 804 Chenaux-Repond, Agathe, 724, 726, 727

1265 Chenaux-Repond, Anya, 727 Chenaux-Repond, Dieter, 311, 341, 370, 724–727, 729, 730, 733, 735, 736, 773, 1063 Chenaux-Repond, Lorenz, 726 Chiarandon, Genny, 468, 646 Chirac, Jacques, 476, 477, 543, 973 Christ, Peter, 1063 Chruschtschow, Nikita, 9, 425 Chubin, Shahram, 559 Churchill, Winston, 368, 376, 377, 394, 818, 908, 909 Cicero, Marcus Tullius, 297, 815, 1093 Çiller, Tansu, 457 Ciorra, Ernesto, 688 Cistac, Gilles, 662 Citron, Klaus Jürgen, 370 Clark, John F., 684 Clausewitz, Carl von, 419 Clay, Cassius, 79 Clement, Wolfgang, 453, 983, 985 Clinton, Bill, 256, 458, 523, 539, 572 Clinton, Hillary, 536, 569, 588 Cobanli, Hasan, 74 Cochrane, Win, 614 Coelho, Pedro Passos, 593 Coetzee, J.M., 161 Cohn-Bendit, Daniel, 463 Colao, Vittorio, 688 Collier, Paul, 692, 697 Coloumbis, Theodore, 553 Conermann, Stephan, 632, 744, 748, 755, 756 Cooney, Jim, 501, 511 Cooper, Robert, 363, 552 Cordwells, Alan, 378 Correia e Silva, Antonio, 650, 662 Corsepius, Uwe, 918 Corterier, Peter, 367 Cousin, Ertharin, 690 Cox, Pat, 552 Craig, Gordon, 515, 531 Cramer, Ernst, 535 Creperio, Elisa, 406 Cresson, Edith, 700 Cristina, Dolores, 452 Crocker, Chester, 668 Crowe, Richard, 978 Crum, Ben, 933 Csaky, Pal, 464

1266 Cui, Hongjian, 808 Cullen, Michael, 468 Currie of Marylebone, David, 446 Curtius, Ernst Robert, 809 Czukor, József, 966, 981

D Dahlman, Tomas, 542 Dahlmann, Dittmar, 752, 753, 756 Dahrendorf, Ralf, 167, 300, 365, 374, 375, 391, 394, 1084 Dainov, Evgenii, 945 D’Alembert, eigentlich Jean-Baptiste le Rond, 758 Dam, Kenneth, 524 Danchev, Alex, 558 Dansoko, Cheik Abdel Kader, 633 Darboven, Arthur Ernesto, 798 Darii, Lilian, 644 Daskalov, Stanislav, 456 Dassù, Marta, 585 Davies, Norman, 809 Davies, Quentin, 378 Davis, David, 378 Dean, Andrew, 1070 Debié, Franck, 1009 Decker, Frank, 190, 194, 754, 756 Deffner, George, 74 Defois, Gérard, 403 Degutiene, Irena, 949 Dehousse, Renaud, 933 Delors, Jacques, 226, 403, 404, 462, 985 Demesmay, Claire, 1064 Demmelhuber, Thomas, 994 Deng, Tsiao Ping, 694 Deniau, Jean-François, 1001 Dennison, Andrew, 1063 Depenheuer, Otto, 918 Dettling, Warnfried, 95 Deubner, Christian, 446 De Waele, Henri, 978 Dewald, Josef, 45 Diakite, Mohammed, 629, 630 Diallo, Alpha Yaya, 633 Diallo, Ousseine, 653 Diamond, Larry, 526, 529, 554 Dick, Georg, 463 Dicke, Klaus, 152

Namensverzeichnis Diderot, Denis, 758 Dieckmann, Bärbel, 875, 981, 985 Diedrichs, Udo, 909 Dieng, Amadou, 659 Diepgen, Eberhard, 452, 524 Dieser, Helmut, 932, 936, 1024 Dietze, Gottfried, 521 Dieye, Cheikh Tidiane, 654 Dijn, Rosine de, 463 Đinđić, Zoran, 156, 364, 428, 430, 431, 450 Dinger, Valeriya, 994 Dlamini-Zuma, Nkosazana, 663 Dodoo, Nana Antwiwaa, 633 Doetz, Jürgen, 898 Dohnanyi, Bärbel von, 1047 Dohnanyi, Hans von, 1047 Dohnanyi, Klaus von, 196, 1047 Dole, Elizabeth, 496 Domagalski, Kazimierz, 152 Dombrovskis, Valdis, 929 Dondelinger, Jean, 446 Donfried, Karen, 552, 570 Donfried, Karl, 570 Dönhoff, Marion von, 31, 367, 506, 509, 539, 542 Donnelly, Aiveen, 976, 992 Donnelly, Brendan, 369, 378 Donnelly, Chris, 456 Döring, Ole, 159 Dormann, Franz, 188 Dormann, Jürgen, 524 Dornberger, Utz, 287 Dörr, Mechthild, 213 Dorr, Noel, 446 Dosmuchamedow, Erlan, 416 Dossmann, Dr., 31 Dostojewski, Fjodor, 820 Douglas, Roger, 1070 Douglass, Linda, 586 Drabek, Zdenek, 446 Drabkin, Jakov, 423 Draghi, Mario, 937 Dreier, Zsusza, 917 Drescher, Wiebke, 744, 1074 Driever, Klaus, 1063, 1065 Driss, Ahmed, 664, 886 Droste-Hülshoff, Annette von, 26 Duarte, Abilio, 651 Dubcek, Alexander, 1089

Namensverzeichnis Duchač, Josef, 254, 272 Duchardt, Heinz, 861 Ducke, Karl-Heinz, 271, 286 Dülffer, Jost, 861 Dumas, Roland, 985 Dumciuviene, Daiva, 979 Dunk, Hermann von der, 798 Durovic, Gordana, 966 Dussey, Robert, 713 Dutkiewicz, Rafał, 957, 958 Duwe, Freimut, 278 Dzurinda, Mikuláš, 452

E Ebadi, Shirin, 161 Ebeid, Mona Makram, 156 Eberhard, Winfried, 861 Eberle, Sir James, 362, 394 Ebert, Hans-Georg, 176 Eckert, Rainer, 282 Eco, Umberto, 161 Edingshaus, Anne-Lydia, 145 Edison, Thomas Alva, 145 Edward, Herzog von Kent, 396 Eekelen, Wim van, 403 Eggoh, Jude, 664 Ehlers, Christoph, 301, 513, 1063 Ehreiser, Sebastian, 566 Eibach, Ulrich, 752, 756 Eickhoff, Ekkehard, 533 Einstein, Albert, 1043 Eisel, Stephan, 141, 188, 225, 232, 279, 369, 518 Eisenmann, Susanne, 321 Eising, Rainer, 655 Ekiert, Grzegorz, 594 Ekwedemaru, Ike, 630 Eling, Ludger, 366, 368, 378 Elisabeth II., Königin, 396, 464, 1096 Ellenberg, Frau, 265 Ellis, Joseph J., 556, 896, 897 Elm, Ludwig, 254, 271 Elm, Ralf, 994 Elvert, Jürgen, 446, 909 Eman, Mike, 716 Emerson, John B., 581 Emerson, Kimberley, 581 Emrich, Pascal, 280

1267 Enders, Thomas, 363, 369, 534 Engel, Frank, 709 Engel, Hans-Ulrich, 536 Engelhard, Günther, 66 Engels, Frank, 710 Engels, Friedrich, 585 Engert, Jürgen, 399 Engström, Johanna, 979 Eralp, Attila, 533 Erdmann, Karl-Heinz, 753, 756 Erdödy Csorba, Csilla, 390, 964, 967 Erdödy, Gábor, 311, 368, 393, 471, 474, 475, 953, 954, 964, 967, 970 Erdoğan, Recep Tayyip, 687, 883 Erhardt, Karin, 994 Erler, Gernot, 264, 311 Erler, Petra, 278 Ermacora, Felix, 150 Ernst, Lukas, 979 Ersboll, Niels, 446 Erzgräber, Willi, 264, 314, 315 Eschenburg, Theodor, 182 Eschke, Nina, 1074 Eser, Albin, 264 Eshel, Amir, 554 Espada, Joao Carlos, 446 Espt, Georges Vander, 372 Eßbach, Wolfgang, 264 Essien, Essien Abel, 633, 657, 664 Ettinger, Ulrich, 752, 756 Eucken, Walter, 56 Evangelista, Matthew, 916 Everling, Ulrich, 162 Ewen, Christian, 747 Eyal, Jonathan, 369 Eyskens, Mark, 446 Ezekwesili, Obiageli, 685, 712

F Fägersten, Björn, 933 Fajmon, Hynek, 945 Fall, Daouda, 633 Fantinati, Davide, 406 Farah Diba, Kaiserin, 156 Farel, Guillaume, 642 Farkas, Peter, 368 Faulenbach, Bernd, 423 Federico, Renato, 656

1268 Fehrs, Kirsten, 798 Feit, Mario, 280 Felipe VI., König, 774, 922, 923, 938, 1010 Felipe von Asturien, Prinz (König Felipe VI.), 452, 463 Fels, Enrico, 804 Fenske, Hans, 264, 389 Fermor, Patrick Leigh, 776 Fernandez, Haizam Amirah, 886 Ferraris, Graf Luigi Vittorio, 271 Ferrero-Waldner, Benita, 626 Fest, Joachim, 188, 296, 441, 736, 1083 Fichte, Johann Gottlieb, 277 Fickel, Ulrich, 255 Figel, Jan, 452, 455, 456, 557, 983 Filadero, Mario, 615 Filbinger, Hans, 62 Fisch, Jörg, 148, 149, 154 Fischer, Alexander, 15, 284 Fischer, Erik, 754, 756 Fischer, Hans-Peter, 294, 1093 Fischer, Helmut, 244 Fischer, Joschka, 463, 470, 472, 552, 553, 557 Fischer, Leni, 450 Fischer, Martina, 75 Fischler, Franz, 890 Fitzgerald, Michael, 471 Flaubert, Gustave, 79 Fleischhauer, Kurt, 187 Flick, Friedrich Karl, 542 Flores Pachón, Alfredo, 188 Floyd, George, 598 Föhrenbach, Gerd, 1063 Fonseca, Jorge Carlos, 662 Fontaine, Antoine, 926 Foremny, Dirk, 994 Forrai, Istvan, 369 Forster, Michael N., 752, 756 Forstner, Martin, 155 Fortes, Fatima, 656, 660 Fortes, Paulina, 657 Foucher, M., 463 Fowler, Jenny, 394 Frank, Christel, 287 Franke, Harald, 280, 1061 Frankenberg, Günter, 152 Frankenreiter, Hariolf, 1063 Frantz, Constantin, 951 Frantzioch, Marion, 121

Namensverzeichnis Franziskus, Papst Jorge Mario Bergoglio, 245, 934, 971, 1024 Franz Joseph I., Kaiser, 100 Freeman, James, 633 Frei, Norbert, 595 Freiberger, Thomas, 754, 757 Frenz, Barbara, 1058 Friedman, Milton, 497 Friedrich, Carl Joachim, 182, 1004 Friedrich, Hans-Peter, 970 Friedrich Wilhelm III., König, 741 Frings, Josef, 789 Frisch, Dieter, 709 Frisch, Max, 727 Fritsch-Bournazel, Renata, 471, 781 Fritz, Gernot, 240, 981 Fröhlich, Manuel, 421, 431 Fröhlich, Stefan, 774, 775, 978, 994, 1063, 1074 Frohner, Jürgen, 73 Froment-Meurice, François, 446 Frühwald, Wolfgang, 322 Fuchs, Edith, 140 Fuchs, Jürgen, 260 Fuest, Clemens, 1009 Fukuyama, Francis, 164, 506, 507 Fuller, Graham E., 533 Funke, Manfred, 282, 298, 421 Fürst, Ansgar, 264, 276 Fürst, Gebhard, 771 Fürstenberg, Friedrich, 753, 756 Furtado Mendonça, Marcio, 656

G Gaal, Taja Vovk van, 445 Gabriel, Johannes, 660 Gabriel, Markus, 744, 748, 752, 756 Gabriel, Sigmar, 337, 691 Gaddafi, Muammar al, 658 Gaius Petronius, 989 Galen, Clemens August von, 233 Gall, Dorothee, 752, 756 Galvin, John, 534 Gandhi, Mahatma, 39, 89, 96, 161, 168, 169 Ganguly, A.S., 169 Gansel, Norbert, 278, 524 Gänzle, Stefan, 1078 Garcia, Maria, 650

Namensverzeichnis Gärditz, Klaus Ferdinand, 754, 756 Gardner, Alejandra, 588 Gardner, Anthony ‚Tony‘ Luzzatto, 256, 257, 501, 536, 587–589, 598 Gardner Feldman, Lily, 550 Gardner, John S., 522 Gardner, Richard, 256, 536 Garff, Joakim, 9 Garmer, Paul-Georg, 280 Garten, Jeffrey, 542 Garton Ash, Danuta, 932 Garton Ash, Timothy, 155, 161, 259, 269, 363, 365, 387, 397, 740, 809, 866, 900, 905, 906, 931, 938 Gasteyger, Curt, 725 Gauck, Joachim, 245, 246, 535 Gaulle, Charles de, 9, 404, 915, 1086 Gbechoevi, Alohoutadé Alexandre, 657 Gebi, Aliyu Ibrahim, 631 Gebru, Solomon Gebreyohans, 663, 664 Gee, Alexander, 978 Gehlen, Boris, 747 Gehler, Michael, 390, 472, 724, 904, 909, 941, 942, 1007 Gehrke, Germano, 842 Gehrke, Hans-Joachim, 264 Gehrmeyer, Maximilian, 1074 Geiger, Michaela, 524 Geinitz, Christian, 957 Geiss, Peter, 754, 756 Geißler, Erich, 143, 144 Geißler, Heiner, 40, 95, 311, 318, 323 Genscher, Barbara, 875, 987 Genscher, Hans-Dietrich, 246, 258, 360, 419, 437, 450, 454, 462, 473, 476, 514, 542, 875, 977, 985–988, 1085 Gentiloni, Paulo, 688 Georg III., König, 863 Gephart, Werner, 195 Geppert, Dominik, 754, 756 Gerhardt, Volker, 162, 861 Gesling, Jürgen, 280 Geulen, Eva, 744 Geyer, Paul, 753 Gharibaschwili, Irakli, 922 Ghaussy, Benazir, 795 Ghaussy, Saadollah, 794, 795 Gibbon, Edward, 822 Gienow-Hecht, Jessica, 595

1269 Gierek, Edward, 216 Gill, David, 311, 582 Gil-Robles, José Maria, 453 Girgensohn, Jürgen, 215 Giscard d’Estaing, Valéry, 468, 897 Glaser, Leopold, 267, 268, 276 Gloannec, Anne-Marie le, 277, 585 Gloger, Katja, 519, 520 Glos, Michael, 897, 898 Gödde (geb. Kühnhardt), Felizitas, 103 Goebbels, Joseph, 226 Goerens, Charles, 712 Goertz, Hajo, 440 Goethe, Johann Wolfgang von, 188, 226, 232, 263, 557, 863, 869, 1089 Göhner, Reinhard, 299, 318 Goldman, Guido, 137, 500, 510, 511, 524, 595, 596 Goldman, Nahum, 511, 596 Goldwater, Barry, 496 Göller, Thomas, 159 Gollwitzer, Helmut, 40 Gomes, Patrick Ignatius, 706, 713 Gönner, Tanja, 330, 338 Gonschor, Marcus, 379 Gorbacioviene, Lina, 1008, 1016 Gorbatschow, Michail, 56, 221, 226, 229, 232, 361, 380, 413, 431, 460, 497, 517, 791, 890 Gore, Al, 538 Göring, Hermann, 507 Görtemaker, Manfred, 909 Gotbaum, Joshua, 534 Götsch, Paul, 264 Gotto, Klaus, 225, 860 Gottschalk, Maren, 372 Gottwald, Herbert, 251–253, 255, 261, 263, 269, 275, 276, 285, 286, 311 Goudappel, Flora, 716 Goulard, Sylvie, 245, 918 Govindarajan, Vijay, 690 Grahl-Madsen, Atle, 116 Gramsci, Antonio, 933 Granasztoi, György, 368 Granic, Mate, 465 Grass, Günter, 334 Graubard, Stephen, 277, 279 Graulich, Markus, 471 Grech, Omar, 646

1270 Greenberg, Douglas, 586 Greenwood, Lee, 496 Greiner, Christian, 307 Greiner, Ulrich, 264 Gremni, Belkassem, 115 Griffiths, Brian, 375, 376 Grima, Charmaine, 646 Grima, Nicholas, 646 Groeben, Hans von der, 465, 466, 474 Groeben, Ilse von der, 466 Gröhe, Hermann, 330 Grombez, Christopher, 554 Groot, Gerhard de, 264 Grosser, Alfred, 287, 898 Grosser, Astrid, 214 Grosser, Volker, 214 Grossmann, Marc, 552, 553 Großmann, Ulf, 957 Groten, Manfred, 753, 756 Grubmair, Herbert, 372 Gruden, Matjaž, 920 Gruša, Jiří, 277, 279, 371, 393, 468, 861, 924, 953, 954 Gruša, Sabine, 924 Grybauskaitė, Dalia, 1014, 1020 Gschwend, Thomas, 307 Gu, Xuewu, 194, 307, 312, 744, 748, 755, 756, 800, 801, 804, 807, 919, 994, 1063, 1064 Guardini, Romano, 27, 286, 292, 790, 866, 878, 881, 1069 Gubaidullina, Mara, 312, 415, 616 Gucht, Karel de, 446 Guehenno, Jean-Marie, 446 Guillaume, Günther, 211 Gülalp, Haldun, 559 Güldenhöven, Thomas, 34 Gulyás, Gergely, 959 Gumbrecht, Hans Ulrich, 1009 Gundlach, Gustav, 57 Gündüz, Sühal, 885 Guntram, Ulrich, 94, 301, 839, 1063 Gutteres, António, 938 Gymnich, Marion, 744, 748, 755, 756 Györkös, Péter, 970

H Haack, Stefan, 754, 756 Haber, Emily, 338, 341 Habermas, Jürgen, 161, 335

Namensverzeichnis Habsburg, Otto von, 434 Hacke, Christian, 190, 194, 529, 531, 754, 756, 789 Hackert, Johann Heinrich, 240 Hadi, Mahdi Abdul, 876 Haeusler, Wilma, 280 Hagemann, Paul, 102 Hagen, Jürgen von, 450, 452, 785, 909, 983, 989 Hahn, Ottokar, 370 Hahn, Wilhelm, 67 Haibach, Marita, 506 Haile Selassie, Kaiser, 642 Hailey, Bill, 10 Hajdini, Ermir I., 975, 1076 Hajdu, Andras, 369 Hajoš, Boris, 1063 Haldenwang, Christian von, 177 Hall, Peter, 594 Hallensleben, Anna, 137, 501 Hallstein, Walter, 465, 474, 915, 1004 Halverson, Richard C., 376 Halzel, Michael, 169, 553 Ham, Peter van, 790, 979 Hamacher, Wolfgang, 299 Hamilton, Daniel, 509 Hamilton, Lee, 581 Hammer, Ludger, 985 Hančič, Damjan, 946 Händel, Georg Friedrich, 198, 258 Hanke, Gregor, 771 Hankiss, Elemer, 400 Hans-Friedrich von Ploetz, 363 Hanz, Christina, 567 Hanz, Martin, 378, 402, 567 Haran, Olexiy, 585 Haratsch, Andreas, 155, 469, 470, 994 Hardenberg, Karl August von, 557 Harder, Sandrine, 280 Hardouvelis, Gikas, 580 Harley, Charles Knickerbocker „Knick“, 905 Harman, Jane, 566, 567, 581 Harms-Hunold, Annette, 442 Harrington, Nicola, 641 Harris, Kamala, 599 Hartling, Poul, 116 Hartung, Fritz, 150 Harvard, John, 594 Hasler, John, 1078 Hassan bin Talal, Prinz, 841, 875, 876, 987

Namensverzeichnis Hassan, Sarvath el, 875 Hassassian, Manuel, 876 Hassner, Pierre, 559 Haub, Erivan, 524 Haupts, Leo, 300 Havel, Vaclav, 876 Havemann, Robert, 255 Hayo, Bernd, 994 Haziri, Lutfi, 975 He, Zheng, 805 Hebbar, M.N., 90 Heck, Bruno, 153 Heck, Thomas, 282 Heeger, Troels, 923 Heer, Friedrich, 77 Heereman, Isabella von, 215 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, 41, 219, 459, 659 Hegmann, Bettina, 979 Heidbrink, Christine, 804 Heidegger, Hermann, 295 Heidegger, Martin, 292, 293, 295, 305, 502, 740 Heilmann, Sebastian, 155 Heim, Erwin Bernhard, 3, 36, 37, 39 Heim, Margrith, 36, 37, 39 Heimsoeth, Hans-Jürgen, 240, 365, 399, 641 Heimsoeth, Lizabeth, 365 Heine, Heinrich, 802 Heinemann, Gustav, 40 Heinen, Armin, 842, 1007 Heinrich der Seefahrer, 788 Helfen, Thomas, 188 Heller, Agnes, 161 Hellmann, Gunther, 518 Hellwig, Renate, 318 Hemou, Jonas Dedou P., 633 Henard, Jacqueline, 369 Henke, Klaus-Dietmar, 423 Hennis, Haide, 264 Hennis, Wilhelm, 13, 73, 150, 182, 264, 265, 268, 269, 271, 346, 988, 1085 Henry, Patrick, 517 Hentig, Hartmut von, 244 Heper, Metin, 885 Herdegen, Matthias, 536, 737, 754, 756, 839, 981, 1008 Herf, Jeffrey, 159, 197, 311, 501–503, 631, 764, 840

1271 Hermann (geb. Kühnhardt), Andrea, 25, 61, 267 Hermann, Joachim, 151 Hermann, Philipp, 102, 661 Herndl, Kurt, 142 Herodes, König, 986 Herodot, 782 Herrhausen, Alfred, 542 Herrmann, Ludolf, 13, 46, 65–68, 71, 228 Hersch, Jeanne, 156 Herzog, Roman, 449, 450, 459, 523, 870 Hesseltine, Michael, 367 Heston, Charlton, 494 Heumann, Hans-Dieter, 713 Heusgen, Christoph, 450, 470, 691, 692, 874, 982 Heuss, Theodor, 183, 239, 449, 1090 Heyden, Christian, 642 Heyden, Laura, 642 Heydt, Peter von der, 394 Heynen, Klaus-Jörg, 978 Hildebrand, Klaus, 143, 144 Hilf, Meinhard, 162 Hillery, Patrick, 446 Hillgruber, Christian, 754, 756 Hilpert, Ulrich, 271, 276 Hilterhaus, Friedhelm, 981, 1058 Hilton, Isabel, 369 Hilz, Wolfram, 190, 194 Hingsen, Jürgen, 496 Hintze, Peter, 318, 321 Hirdt, Willi, 116, 144 Hirschman, Albert, 641 Hitler, Adolf, 79, 183, 188, 191, 210, 211, 224, 226, 293, 294, 296, 328, 366, 419, 502, 776, 818, 822, 1046, 1047 Hitti, Nassif, 874 Hoagland, Jim, 509, 524 Hobbes, Thomas, 1001, 1045, 1048, 1049 Hoch, Michael, 195, 759, 760, 991, 1077, 1081 Hodeige, Fritz, 301 Hodler, Ferdinand, 287 Hoeges, Dirk, 144 Hofer, Elisabeth, 468, 646 Hoffmann, Elisabeth, 11, 12 Hoffmann, Franz, 11, 1089 Hoffmann, Hubertus, 188, 197, 407, 409, 411, 518, 795 Hoffmann, Stanley, 500, 501, 595

1272 Höffner, Joseph, 27, 52 Hofstadter, Richard, 498 Hogrebe, Wolfram, 744, 748, 752, 756 Hohl, Alfred, 372 Hohlmeier, Monika, 238 Hohmann, Karl, 330 Hökmark, Gunnar, 402 Hölderlin, Friedrich, 863 Holland, François, 245 Holland, Martin, 627 Hollerbach, Alexander, 155 Hollerich, Jean-Claude, 934, 935 Hollis, Rosemary, 876, 885 Holloway, David, 554 Holmes, Stephen, 161, 278 Holm-Müller, Karin, 761 Holtz, Uwe, 87, 649, 842, 871 Holzherr, Georg, 38 Hombach, Bodo, 428 Homeyer, Josef, 403, 915 Honecker, Erich, 169, 226, 271, 289, 366, 462 Honnefelder, Ludger, 754, 756, 878, 1008 Hönnighausen, Lothar, 143 Hooghe, Liesbet, 637 Höpker, Wolfgang, 151 Höreth, Marcus, 280, 469, 994, 1063 Horn, Christoph, 752, 754–756, 997 Horvath, István, 389, 966 Horvath, Judit, 369 Höss, Friedrich, 311 Höver, Gerhard, 154, 754, 756, 868 Howe, Geoffrey, 378 Hoyer, Werner, 446, 524, 892 Hrbek, Rudolf, 14, 1063 Huang, Ying, 804 Hubatsch, Walther, 116, 129, 130 Huber, Maria, 402 Huber, Max, 14, 982 Huber-Rudolf, Barbara, 533 Huch, Ricarda, 263 Hughes, Robert, 378 Hüllen, Rudolf van, 188 Hulsman, John, 579 Humatoglu, Scheich ul Islam Pashazade Allahashakur, 835 Hundhammer, Alois, 64 Huntington, Samuel P., 158, 417, 497, 499, 500, 507, 595, 814, 815, 892 Hurd, Douglas, 367

Namensverzeichnis Hurshell, Jennifer, 518 Hurter, Barbara, 1074 Husi, Glori, 974 Hussain, Abid, 169 Hussein, König, 987 Hussein, Saddam, 544, 551, 552 Hutten, Ulrich von, 1042 Hutter, Manfred, 754, 756 Huxley, Aldous, 40

I Ibarretxe, Juan José, 456 Ibraschew, Sharas, 415 Ignatov, Sergei, 1008, 1016, 1017 Igué, John Ogunsola, 650, 651 Ihne, Hartmut, 649, 841, 981, 985 Illescas-Ortiz, Rafael, 446 Iloniemi, Jaakko, 446 Ilves, Toomas, 402, 454 Imboden, Max, 735 Ingenkamp, Heinz Gerd, 755, 756 Inotai, Andras, 446, 461, 462, 842, 916, 978 Inotai, Edith, 770 Inoue, Tatsuo, 159 Ioakimides, Panayotis, 446 Ipek, Kenan, 686, 687 Ipsen, Hans Peter, 1001 Ischinger, Barbara, 981 Ischinger, Wolfgang, 454, 455, 514 Isensee, Josef, 124, 155, 774, 840, 1086 Ishmael, Len, 705 Iskakov, 416 Ismay, Lord Hastings, 809 Issing, Otmar, 985 Ißler, Roland A., 753, 756 Iuta, Taomati, 841 Iwanow, Igor, 872

J Jackson, Bruce, 161, 432 Jackson, Robert, 394 Jacobsen (geb. Kaltheuner), Dorothea, 190 Jacobsen, Hans-Adolf, 139, 140, 143, 145, 185, 188–190, 197, 423, 1087 Jäger, Wolfgang, 264, 311, 595 Jahanbegloo, Ramin, 161 Jähnichen, Hannah, 104

Namensverzeichnis Jain, Rajendra, 623, 627 Janacek, Kamil, 446 Janes, Jackson, 425, 426, 457, 533, 534, 549, 550, 561, 581 Janneh, Abdoullie, 670, 685 Janning, Joseph, 451 Janowski, Cordula, 469, 1074 Janssen, Siebo M.H., 469 Janukonis, Marius, 1015 Janukowitsch, Viktor, 432, 1014 Januszka, Albinas, 402 Jareb, Mario, 946 Jaruselski, Wojciech, 223 Jauch, Günther, 74, 75 Jazenjuk, Arsenij, 922 Jefferson, Thomas, 518 Jelitto, Markus, 522 Jellinek, Georg, 150, 1003 Jelzin, Boris, 271, 410, 412, 413 Jelzina, Naina, 412, 413 Jenkins, Roy, 476 Jenninger, Philipp, 239 Jennings, Peter, 496 Jeslinkova, Eva, 476 Jeslinkova, Jaroslava, 476 Jesse, Eckhard, 282, 423, 840 Jesus Christus, 869, 881, 883, 1085 Jeszensky, Géza, 399, 840 Jiang, Feng, 803, 804, 807, 842 Jilka, Lucy, 565 Jinnah, Mohammed Ali, 168 Joas, Hans, 161 Jobert, Jerome, 657 Joetze, Günter, 533 Joffe, Josef, 542 Johannes XXIII., Papst Angelo Giuseppe Roncalli, 9, 149, 1081 Johannes der Täufer, 986 Johannis, Klaus, 1020 Johannes Paul II., Papst Karol Józef Wojtyła, 96, 223, 233, 461, 474, 475, 785, 986, 1083 John, Barbara, 464, 533 Johnson, Nevil, 375 Johnson, Samuel, 1088 Jokić, Nikola, 975, 1076 Jolluck, Katherine, 554 Jopp, Mathias, 451 Jopp, Matthias, 446, 909

1273 Jouan, Nathalie, 471 Joubert, Jerome, 659 Judt, Tony, 809 Juncker, Jean-Claude, 328, 341, 453, 724, 913, 919, 920, 935, 980, 983, 1079 Jung, Daniel René, 1065 Jung, Franz-Josef, 334 Junior, Guilherme, 662–664

K Kabaalioglu, Haluk, 533 Kadar, Janos, 369 Kafka, Franz, 34 Kainzbauer, Annemarie, 468 Kaiser, Deborah, 192 Kaiser, Karl, 185, 188, 190, 192, 193, 195, 416, 451, 595–597, 754, 756, 842 Kaiser, Wolfram, 910, 978 Kakigawa, Keiko, 61 Kalberg, Stephen, 501 Ka Lok, Chan, 627 Kamanda, Mourie, 630 Kämpchen, Martin, 843 Kampfer, Georg Kristian, 744 Kam Yogo, Emmanuel, 664, 667, 1078 Kant, Immanuel, 219, 240, 285, 293, 332, 419–421, 433, 529, 1001, 1049 Kanther, Manfred, 1046 Kanz, Roland, 753, 756 Kappiah, Mahama, 657 Karaosmanoglu, Ali, 533, 885 Karayalcin, Murat, 533 Kardas, Saban, 885 Karekin I., Katholikos, 867 Karl der Große, Kaiser, 24, 865 Karlström, Urban, 378 Karl V., Kaiser, 452, 463 Karwatzki, Irmgard, 95 Kasapolli, Gezim, 974 Käser, Udo, 752, 757 Kaslauskas, Mindaugas, 1008 Kasoulidis, Ioannis, 452 Kasper, Walter, 471 Kassabova, Kapka, 775 Kastrup, Dieter, 516 Katzenstein, Peter, 363 Kauffmann, Thomas, 159 Kaufmann, Arthur, 145

1274 Kautilya, Chanakya, 168 Kauz, Ralph, 753, 756 Kawakibi, Salam, 886 Kelam, Mari-Ann, 408, 945 Kelam, Tunne, 407–411, 452, 944–946 Keller, Ska, 919 Kemna, Friedrich, 542 Kemper, Max-Eugen, 471 Kempf, Udo, 264 Kennedy, Craig, 161, 552 Kennedy, John F., 34, 40, 494, 496 Kennedy, Michael, 1008 Kennedy, Paul, 497 Kennedy, Robert, 39, 210, 494, 1082 Kerr, John, 367, 396, 468 Kessler, Heinz, 254 Kesteris, Lajos, 450 Kettig, Silke, 994, 1064, 1065 Kewenig, Wilhelm, 278, 509 Khader, Bichara, 891 Khalifa, Azmy, 887 Khalilzad, Zalmay, 457 Khattab, Moushira, 580, 586 Kholin, Mareike, 753, 755 Khomeini, Ayatollah Ruhollah, 642 Khosravie, Jasmin, 752 Kielinger, Thomas, 72, 370, 394 Kielmannsegg, Johann Adolf von, 1047 Kielmannsegg, Peter von, 363, 1047 Kiely, Peter, 819 Kiep, Walther Leisler, 169, 290, 506, 507, 525, 542, 560, 593 Kierkegaard, Søren, 9 Kiesinger, Kurt Georg, 31 Kim, Cae One, 467 Kim, Heungchon, 627 Kim, Jong Un, 804 Kimminich, Otto, 383 Kindermann, Harald, 981 Kindhäuser, Urs, 754, 756 King, Charlotte, 660 King, Coretta Scott, 494 King, Martin Luther, 34, 39, 96, 494, 1082 Kinkel, Klaus, 422, 861 Kinkel, Tanja, 861 Kinzig, Wolfram, 744, 748, 755, 756 Kirchhof, Paul, 155, 459, 649 Kirkhope, Timothy, 378 Kirkpatrick, Jeanne, 496 Kirsteins, Alexander, 402

Namensverzeichnis Kissinger, Henry, 229, 397, 422, 464, 504, 509, 510, 861 Kissiov, Vladimir, 428, 456, 1063 Ki-Zerbo, Joseph, 665 Klaeden, Eckart von, 578 Klaiber, Klaus-Peter, 454 Klaus, Václav, 244 Klein, Brian, 518 Kleinfeld, Gerald, 505 Kleinknecht, Thomas, 122 Kleinschrodt, Alexander, 754, 756 Kleist, Heinrich von, 34 Klemenko, Yurii, 644 Klerk, Willem de, 876 Klimkeit, Hans-Joachim, 144, 145, 155 Klimt, Gustav, 1026 Klingholz, Rainer, 338 Klingst, Martin, 597 Kloc-Konkołowicz, Jakub, 995 Klose, Hans Ulrich, 561 Klostermann, Manfred, 213 Klotz, Robert, 978 Klüber, Franz, 46 Kluxen, Wolfgang, 143, 1084 Knabe, Hubertus, 289 Knelangen, Wilhelm, 905 Knoblauch, Konsul, 396 Knobloch, Charlotte, 898 Knott, Peter, 379 Knox, John, 642 Knütter, Hans-Helmuth, 143, 144, 197 Kobusch, Theo, 752, 754 Koch, Heiner, 771 Koch, Nicola, 643 Koch, Roland, 318, 325, 473, 839, 897 Köcher, Renate, 327, 338 Kocka, Jürgen, 278, 906 Koenig, Christian, 450, 452, 659, 754, 756, 775, 785, 969, 972, 976–978, 983, 990, 1072, 1081 Koeppen, Wolfgang, 234 Kohl, Hannelore, 413, 467, 1087 Kohl, Helmut, 169, 191, 211, 214, 216, 220, 223, 225–227, 232, 234, 240, 246, 252, 254, 277, 297, 317–319, 322, 324, 325, 327, 329, 330, 360, 364, 366–368, 388, 395, 412, 413, 419, 450, 452, 457, 458, 460, 466, 467, 470, 476, 504, 505, 520, 541, 784, 920, 1046, 1048, 1087 Kohl, Walter, 1087

Namensverzeichnis Köhler, Anja, 985 Köhler, Horst, 101, 245, 477, 659 Kohler-Koch, Beate, 446 Kojève, Alexander, 164 Kokil, Beejaye, 660 Koko Bebey, Modi, 667 Kokoshinsky, Oleg, 425, 426 Kolakowski, Leszek, 156, 161, 360 Kolesnikowa, Maria, 1020 Kolster, Michaela, 141, 451, 918 Komlos, John, 497 Konfuzius, 170, 806 Konrád, György, 360, 921 Kopelew, Lew, 231, 232 Kopernikus, Nikolaus, 386, 947 Köpf, Doris, 691 Kopka (geb. Kühnhardt), Dorothee, 25, 234 Koppel, Ted, 504, 513, 514 Köppler, Heinrich, 215 Kopulande, Sebastian, 712 Korcagina, Marianne, 423 Kornazheva, Mimi, 429 Kornblum, John, 425, 426, 509, 514, 518 Kornegay, Francis, 683 Kornprobst, Markus, 468, 646, 1009 Koroch, Stefan, 753, 757 Korten, Rainer, 883 Koschnik, Hans, 287 Kösler, Ariane, 632, 1056, 1065 Koslowski, Peter, 53, 227 Kötter, Theo, 753, 756 Kouassi, René N'Guettia, 663, 664 Kourie, Nour, 468 Kövér, László, 958 Kowalsky, Wolfgang, 441 Kraft, Hannelore, 985, 991 Kramer, Heinz, 457 Kramp-Karrenbauer, Annegret, 933 Krasner, Stephen, 554 Krastev, Ivan, 456, 1026 Krauel, Torsten, 518 Krause, Günther, 272 Kreiner, Josef, 143 Krejčíková, Jarmila, 957 Kremp, Werner, 512 Krenz, Egon, 289, 366 Kreß, Hartmut, 755, 756 Kretschmer, Susanne, 747 Kreuzberg, Hans, 121

1275 Krieger, Wolfgang, 595 Kriele, Martin, 67, 145, 152 Krogh, Bruce, 688 Król, Ryszard, 953, 954 Kroll-Schlüter, Hermann, 95 Kronenberg, Volker, 179, 194–196, 198, 754, 756, 989 Kruip, Gerhard, 790 Krumeich, Gerd, 264 Kruse, Martin, 244 Kübel, Klaus, 253, 263 Kubilius, Andrius, 960, 1018 Kubin, Wolfgang, 744, 748, 755, 756 Küchler, Uwe, 753, 756 Kuczyński, Paweł, 995 Kuenheim, Haug von, 542 Kühling, Jürgen, 994 Kühne, Winrich, 686 Kühnhardt, Andrea, 99, 145 Kühnhardt, Dorothee, 99 Kühnhardt (geb. Auer), Enikö, 62, 63, 80, 96, 139, 292, 312, 440, 461, 466, 475, 528, 537, 566, 726, 820, 832, 950, 958, 965, 1065, 1082, 1083, 1086, 1090, 1092–1094 Kühnhardt (geb. Hoffmann), Irmgard, 11, 96, 99, 104, 105, 1082, 1093, 1094 Kühnhardt (geb. Lemmermöhle), Marie, 65 Kühnhardt, Gerhard, 11, 96, 99, 115, 145, 267, 790, 1082, 1083, 1094 Kühnhardt (Kusznierz), Peter, 11 Kühnhardt, Markus, 25, 61, 65, 99, 102, 103, 1083 Kühnhardt, Stephan, 63, 100, 102, 103, 312, 555, 565, 641, 897, 934, 935, 1083, 1090, 1092, 1094 Kühnhardt, Victoria, 62, 63, 100, 102, 312, 462, 475, 537, 561, 565, 641, 726, 1046, 1083, 1088, 1090, 1094 Kujat, Harald, 557 Kukan, Eduard, 452 Kumm, Mattias, 422 Kummlin, Rita, 307 Küng, Hans, 27, 40 Kunig, Philipp, 153 Kunze, Reiner, 287 Kupchan, Charles, 453 Kurz, Sebastian, 802 Kurze, Kristina, 1078

1276 Kuss, Stephan, 330 Küsters, Hanns Jürgen, 198, 754, 756 Kusznierz, Theo, 82 Kuttler, Herr, 264 Kyaw, Dietrich von, 981 Kyrill, Patriarch, 1024

L Laar, Mart, 402, 450, 945 Laden, Osama bin, 550, 569 Ladenthin, Volker, 744, 748, 752, 756 LaFleur, William, 159 Lafontaine, Oskar, 366 Lahnstein-Kandel, Sonja, 506 Laidre, Margus, 450 Lake, Michael, 533 Lama, Alma, 975 Lamassoure, Alain, 446 Lambsdorff, Alexander von, 597, 632, 920, 922, 933 Lambsdorff, Hagen von, 408 Lambsdorff, Otto von, 400, 542 Lamers, Karl, 370, 981 Lammert, Norbert, 244, 262, 263, 330, 505 Lancaster, Burt, 1087 Landsbergis, Vytautas, 946, 948, 949, 1014 Langendörfer, Hans, 380, 771, 772, 878 Langewiesche, Dieter, 861 Langguth, Gerd, 95, 162 Lannon, Ewan, 886 Lantz, Petra, 652 Laporte, Geert, 705 Larrabee, Stephen, 457, 569 Laschet, Armin, 342, 343, 554 Lassal, Nicole, 280 Laudien, Kay, 280 Lauk, Kurt, 278, 367 Laumann, Karl-Josef, 213 Laumulin, Murat, 416 Laureys, Marc, 754–756 Laux, Hans-Dieter, 752, 756 Lađić, Teodora, 966, 975, 1076 Leancă, Iurie, 922 Lebsanft, Franz, 752, 756 Le DucTho, 504 Lee, Chan Boum, 138, 626, 1011 Lee, Kwan Yew, 781 Leersch, Hans-Jürgen, 214

Namensverzeichnis Legge, James, 806 Lehmann, Karl, 300, 301, 867, 878, 898 Leibbrand, Tabea, 982, 1074 Leibniz, Gottfried Wilhelm, 240 Leicht, Robert, 394, 534 Leigh, Michael, 550 Leinen, Irmgard, 504 Leistner, Matthias, 753, 756 Lemaitre, Philippe, 446 Lemke, Christiane, 595 Lendzian, Hans Jürgen, 390 Lengeler, Rainer, 141, 144 Lengemann, Jochen, 256 Lenin, Wladimir Iljitsch, 35, 265, 386, 585, 933 Lennmarker, Göran, 402 Lensing-Wolff, Pia, 145 Lenz, Gertrud, 188 Lenz, Siegfried, 236 Lenzian, Hans Jürgen, 399 Leonardy, Uwe, 469 Lepenies, Wolf, 399 Lessenich, Rolf, 144, 753–755, 757 Lesser, Ian, 457, 533, 561, 874 Lessing, Gotthold Ephraim, 35, 240, 869, 870 Leszak, Michael, 441 Letterman, David, 576 Leutenecker, Gerd, 280, 281 Leven, Benjamin, 934 Lever, Sir Paul, 464 Li, Keqiang, 803 Li, Peng, 799, 800 Lidington, David, 378, 398 Lieber, Franz (Francis), 507, 521 Lieberknecht, Christine, 287, 296, 298, 299, 311, 318, 842, 868 Liechtenstein, Hans-Adam II., Fürst von, 839 Liechtenstein, Nora von und zu, 376 Liechtenstein, Prinz Nikolaus von und zu, 122 Lier, Bernd, 1076, 1077, 1081 Liermann Traniello, Christiane, 839 Lima, Aristides, 649, 651, 657 Liminski, Nathanael, 1077, 1081 Lindemann, Beate, 169, 193, 506, 507, 513, 519, 524, 525, 593 Lindenlaub, Herbert, 300 Lindner, Christian, 841 Lindsay, Caryn, 141 Link, Franz, 294 Lippert, Barbara, 809

Namensverzeichnis Lippmann, Walter, 815 Lipset, Seymour Martin, 512 Lipton, Merle, 557 Liu, Guijin, 686, 687 Liu, Luna, 565, 566 Livingston, Gerald, 581 Löbe, Paul, 784 Lobkowicz, Nikolaus, 162 Lochbihler, Barbara, 164 Locke, John, 34, 143, 146, 219, 259, 285, 695, 1003 Löckenhoff, Birgit, 1074 Logan, Carola, 1065 Logli, Marcella Elvira, 688 Loibl, Gerhard, 468, 646 Lombaerde, Philippe de, 655, 657 Lombard, Didier, 688 Longato, Fulvio, 152 Lonsdale, Anne, 1016 Lopata, Raimundas, 1015 Lopes, Vanilde, 656 Lorenzo, Giovanni di, 898 Lorz, Ralph Alexander, 423 Löscsey, Gabriella, 369 Loth, Wilfried, 909 Löw, Konrad, 153 Löwenstein, Martin, 941, 1009 Löwisch, Manfred, 264 Löwisch, Sigrun, 264 Lubachivsky, Myroslav, 242 Lübbe, Hermann, 265, 296, 299, 861 Lubbers, Ruud, 403 Lübbe-Wolff, Gertrude, 1008 Lübke, Heinrich, 238 Lucas, Eva, 380 Lucas, Hans-Dieter, 197, 379–381, 586, 842, 988, 1010 Lucius, Robert von, 360, 840 Lucke, Doris, 195 Lucke, Doris Mathilde, 753, 754, 757 Lücking-Michel, Claudia, 330 Ludger (Liudger), Heiliger, 24, 26 Ludlow, Peter, 981 Ludwig, Karl-Heinz, 1063 Ludz, Peter Christian, 150 Luebkemeier, Eckhard, 446 Lugar, Richard, 513 Lüggert, Max, 978 Luhmann, Niklas, 813

1277 Luhulima, Cornelis, 627 Luik, Juri, 402 Lukaschenko, Alexander, 1013, 1016, 1018, 1020 Lüke, Ulrich, 442 Luong Dinh, Truc, 85, 102, 115 Luteru, Fatumanava III Pa'olelei, 705, 706 Luther, Martin, 252, 258, 386, 987 Lutterbeck, Derek, 646 Luttwak, Edward, 782 Lützeler, Paul Michael, 724

M MacAvan, Linda, 709 MacCalley, Gray, 518 MacDonald, Steve, 669 Machaczek, Bettina, 1093 Machado, Antonio, VIII, 1046 Machado, Juliano, 929 Machiavelli, Niccolò, 285, 1045, 1047–1049 Mackay of Clashfern, James, 376, 395 Macron, Brigitte, 936 Macron, Emmanuel, 328, 808, 935, 936, 940, 1003 Maduro, Miguel, 933 Maffey, Peter, 923 Magnago, Silvius, 458 Magris, Francesco, 664 Maguy, Marie-Jeanne, 703 Maier, Charles, 565, 594 Maier, Hans, 150, 155, 167, 285, 311 Maier, Robert, 423 Mainberger, Sabine, 752, 757 Mair, Christian, 264 Maischberger, Sandra, 74 Maizière, Thomas de, 330, 334, 337, 338, 341, 464, 897, 898 Majone, Giandomenico, 536 Major, John, 244, 376 Makovsky, Alan O., 533 Maldonado, Ingrid, VIII, 987, 994, 1074 Malick, Thomas, 1045 Malinvaud, Edmond, 403 Mallaby, Christopher, 372 Mallya Mardai, Bibiana, 661, 674 Mallya Mardai, Joseph, 611, 661, 674 Manalo, Rosario, 627 Mandela, Nelson, 178, 876

1278 Manglapus, Raul, 499 Maniokas, Klaudijus, 1014 Mann, Golo, 727, 736, 815 Mann, Heinrich, 259 Mann, Thomas, 270, 314, 736 Mansala, Arto, 1063 Mansfield, Harvey, 501, 507 Mansurow, Zulvikar, 312 Mao, Andrea, 804 Mao, Tse Tung, 808 Marchetti, Andreas, 469, 559, 747, 1064 Marco, Guido de, 888–890, 894 Maritain, Jacques, 150 Markl, Hubert, 322 Marks, Gary, 637 Marley, Bob, 69 Marquard, Odo, 256 Marramao, Giacomo, 739, 740 Marsh, David, 394, 920 Marshall, George, 243, 510, 512 Martikonis, Rytis, 1014, 1063 Martin, Bernd, 264 Martinelli, Alberto, 739 Marton, Imrich, 1063 Martonyi, János, 399, 809, 1011 Marx, Karl, 41, 257, 261, 262, 265, 272, 273, 459, 585, 987 Marx, Paul, 195 Marx, Reinhard, 403, 771, 840, 916, 934 Mary Rose, Schwester, 97 Masinde, Wanayama, 663, 664 Mastanduno, Michael, 916 Maste, Ernst, 46 Masterson, Patrick, 462, 985 Maszczyk, Piotr, 978 Mathias, Charles ‚Mac‘, 535, 539 Mathilde Lucke, 195 Mathiopoulos, Margarita, 234, 505 Matt, Volker, 280 Mattox, Gail, 561 Mattusek, Markus, 80 Matussek, Matthias, 75, 76, 78–80 Matussek, Thomas, 78 Matussek, Ulrike, 80 Matutes, Abel, 452 Matz, Ulrich, 260 Mau Pedersen, Anne, 378 Maurice, Antoine, 94, 724 May, Theresa, 378, 398, 592 Mayer, Hans, 231

Namensverzeichnis Mayer, Hans Joachim, 284 Mayer, Maximilian, 194, 195, 747 Mayer, Rupert, 53 Mayer, Tilman, 179, 190, 194, 196, 590, 744, 746, 748, 751, 755, 757, 758, 760, 762, 804, 840 Mayntz, Renate, 981 Mazowiecki, Tadeusz, 274, 364 Mazyek, Ayman, 938 Mbow, Penda, 654 McAllister, David, 1010 McCalley, Gray, 249, 250 McCloy, John, 507 McFaul, Michael, 554 McQuaide, Peter Craig, 705 Meadows, Dennis, 40, 212 Meckel, Markus, 450, 981 Medvedev, Roj, 423 Mehlhausen, Thomas, 446 Mehnert, Klaus, 34, 361 Meier, Gerhard, 1063 Meier-Walser, Reinhard C., 515 Meinhold, Gottfried, 253, 255, 260, 263, 271 Meisch, Adrien, 372 Meissner, Dirk, 693 Meissner, Joachim, 878 Melanchton, Philipp, 258 Melendugno, Carlotta, 406 Membe, Bernard, 685 Memminger, Gerhard, 463 Menasse, Robert, 1011 Mengisteab, Kidane, 684 Ménudier, Henri, 448, 453, 471, 781, 839, 1009 Meny, Yves, 446 Merkel, Angela, 74, 191, 244, 245, 287, 318, 325, 327, 330, 332–334, 337, 342, 345, 346, 348, 477, 478, 581, 587, 591, 592, 645, 690–692, 696–698, 710, 713, 897, 898, 918, 925, 927, 928, 936, 970, 982 Merkel, Wolfgang, 595 Mertens, Dieter, 264 Mertes, Alois, 365, 520, 521 Mertes, Klaus, 1083 Mertes, Ludwig, 520 Mertes, Michael, 225, 232, 277, 348, 365, 520, 763, 861 Merx, Volker, 985 Merz, Friedrich, 213, 214, 311, 318, 328, 333, 378, 409, 411, 597 Messner, Dirk, 692

Namensverzeichnis Metayer, Michel, 264 Metsola, Roberta, 1021 Metzger, Yona, 436 Meyer, Hans-Joachim, 318 Meyer, Harald, 752, 757 Meyer, Jürgen, 468, 472 Meyer, Peter, 898 Meyer, Ralf, 652, 985, 1074 Meyer-Blanck, Michael, 755, 757 Meyer-Landruth, Andreas, 240 Meyer-Landrut, Nikolaus, 468 Meysel, Inge, 33 Michálek, Slavomir, 946 Michalski, Krzysztof, 295 Michels, Georg, 469, 470 Mielke, Gerd, 542 Mikat, Paul, 146 Mikhailov, Anatoli, 1006, 1008, 1012, 1013, 1018 Milenković, Ksenija, 975, 1076 Miliopoulos, Lazaros, 591 Mill, John Stuart, 897 Miller, Gary, 375 Miller (Upton), Bhaady, 816, 819–821, 950 Milosevic, Slobodan, 431, 454, 455 Milta, Maksimas, 1016 Milward, Alan S., 904 Mimica, Neven, 716 Minega, Charles, 661 Minkus, Leon, 1024 Mintchev, Emil, 428 Miranda, Carla, 649, 651 Miszak, Konsul, 462 Mitchell, Patrick, 379 Mitchell, Sir David, 379 Mitterrand, François, 226, 458, 920 Mo, Ibrahim, 688 Möbius, Gerd, 258 Mock, Alois, 964 Modi, Vijay, 688, 689 Modrow, Hans, 366 Moersch, Karl, 152 Mogherini, Federica, 592, 931 Mohamed, Prophet, 789 Moissi, Dominic, 397 Möller, Alex, 511 Möller, Horst, 471 Mols, Manfred, 787 Moltke, Helmuth James Graf, 363 Monnet, Jean, 476, 557, 896

1279 Montbrial, Thierry de, 363, 593, 916 Montesquieu, Charles-Louis de, 219 Monti, Mara, 406 Monti, Mario, 918 Moon, Woosik, 626 Moquette, Marc, 155 Moravcsik, Andrew, 550 Moraw, Peter, 260 Morawiecki, Mateusz, 1025 Mordeck, Hubert, 264 Morenz, Ludwig, 752, 757 Morgan, Roger, 193, 394 Morgenthau, Hans J., 293 Mori, Ichiro, 159 Morillas, Pol, 886 Morimoto, Anri, 798 Moritz, Hans-Jürgen, 928 Mork, Andrea, 445 Moroff, Holger, 1078 Morschakowa, Tamara, 423 Morsey, Rudolf, 186 Mortier, Gerard, 739 Moscato, Nadia, 406 Mosdorf, Siegmar, 394 Moser, Christian, 753, 757 Moser, Georg, 61 Moser, Tilman, 276 Moses, Dirk, 311 Moussa, Salman, 168 Mowlam, Majorie, 367 Moya Becerra, Maria Javiera, 1078 Mozart, Wolfgang Amadeus, 198, 245 Much, Christian, 155 Müchler, Günter, 66, 981 Mues, Andreas Wilhelm, 753, 756 Mugabe, Robert, 167, 779 Muggele, Frau, 291, 294 Mukaruliza, Michelle, 701 Mukherji, Dilip, 169 Mullen, Mike, 563 Müller, Andreas, 279 Müller, Dorothea, 94 Müller, Edit, 898 Müller, Eva Maria, 994 Müller, Gerd, 691, 692, 697 Müller, Herbert, 188 Müller, Johann Baptist, 151 Müller, Johannes, 122 Müller, Max, 291–295, 761 Müller, Patrick, 468, 646

1280 Müller, Stefan, 280 Muller, Steven, 278, 279, 539 Müller, Ursel, 105 Müller-Armack, Alfred, 40 Mumuni, Alhaji Muhammad, 704, 705 Mundschenk, Susanne, 470 Münkler, Herfried, 861 Müntefering, Franz, 897 Müntzer, Thomas, 386 Münzer, Christoph, 1060, 1063 Mursi, Muhammad, 586 Mutter Teresa, Heilige, 69, 70, 96 Mwencha, Erastus, 686

N Nagorski, Andrew, 324, 981 Naimark, Norman, 528, 529, 554 Namavicius, Zenonas, 450 Narjes, Karl-Heinz, 169, 915 Nasarbajew, Nursultan, 415 Naschold, Frieder, 271 Nascimento, Judite, 656, 660, 662, 663 Naumann, Friedrich, 40, 360, 951 Naumann, Klaus, 396, 586, 781 Nazor, Ante, 946 Nebenzia, Vassily, 644 Nef, Robert, 400 Negroponte, Nicolas, 688 Nehru, Jawaharlal, 168, 169 Neitzel, Sönke, 840 Nel, Philipp, 312 Nell-Breuning, Oswald von, 4, 40, 46, 47, 49, 52–55, 58, 87, 116, 121, 149, 301, 998, 1090 Nenning, Günther, 861 Nerlich, Uwe, 524 Neubert, Erhart, 330 Neudeck, Hans-Peter, 646 Neudeck, Rupert, 684 Neudeck, Werner, 468, 646, 647 Neuhold, Christine, 979 Neuhold, Hans-Peter, 468 Neun, Oliver, 280 Neuss, Beate, 338, 953, 954 Neves, José Maria, 664, 665 Neville-Jones, Pauline, 367, 593 Newman, Paul, 494 Ney, Martin, 518

Namensverzeichnis Ngantcha, Francis, 115 Nicholls, Tony, 906 Nicholson, Harold, 377 Nicolaidis, Kalypso, 536, 905 Nie, Jing-Bao, 159 Nietzsche, Friedrich, 157, 865 Nikolaus von der Flüe (Bruder Klaus), 37, 38 Nimbdik, Gabriel, 700 Nimptsch, Jürgen, 1075 Nitsch, Volker, 655, 657, 660, 978 Nitschke, Peter, 1009 Nixon, Richard, 494 Njoume Ekango, Albert, 469 Noack, Karin, 753 Noack, Karoline, 752, 757 Nodia, Ghia, 432 Noelle, Gottfried, 1047 Noelle-Neumann, Elisabeth, 9, 10, 67, 81, 514 Nogales, Emma, 619 Nohlen, Dieter, 155 Nolte, Claudia, 296, 318 Nooke, Günter, 164, 330, 645, 692, 693, 696, 710 Noor, Königin, 987 Norris, Pippa, 594 Noske, Ernst, 254 Nossol, Alfons, 867, 868 Nothelle-Wildfeuer, Ursula, 330 Novak, Michael, 48 Nowak, Ewa, 995 Nsbimana, Salomon, 664 Nuber, Hans-Ulrich, 264 Nubukpo, Kako Kossivi, 657 Nugent, Neill, 978 Nurick, Robert C., 572 Nuscheler, Franz, 155 Nyerere, Julius, 40, 168 N’zue, Felix, 659

O O'Neill, Thomas „Tip“, 511 Obama, Barack, 242, 560, 580, 581, 587, 589, 740, 1084 Oberndörfer, Dieter, 13, 14, 264, 269, 311, 464, 516 Oberreuter, Heinrich, 167 Obert, Philippe, 659 Obländer, Manfred, 71

Namensverzeichnis Oddy, Christine, 379 Odevall, Michael, 372 Odor, Laszlo, 369 Oestreich, Gerhard, 150 Oetker, Arend, 538, 541, 542, 582 Oettinger, Günther, 321, 396, 1075 Offa, König, 865 Öger, Volkan, 464 Ogino, Hiroyuki, 159 Ohashi, Ryosuke, 159 Ohnesorge, Hendrik W., 433, 800, 804 Ojuland, Kristiina, 432 Okafor, Obiang, 630 Okwuosa, Ada C., 628 Olajos, Csaba, 369 Ölberg, Per Martin, 372 Ole, Mario, 795 Olechowski, Andrzej, 446 Olzog, Dagmar, 65 Olzog, Günter, 46, 58–62, 64, 146, 152 Olzog, Peter, 65 Olzog, Ruth, 60–62, 65 Omar, Roziah, 627 Omarjee, Younous, 716 Omeje, Kenneth, 657 Omisakin, Olusegun, 655 Ondracék, Gerhard, 287 Onscharnow, Nurlan, 415 Ophüls, Carl Friedrich, 1001 Opitz, Peter J., 122 Oplatka, Andreas, 400 Oppermann, Thomas, 519, 520 Oravecs, Imre, 368 Orbán, Viktor, 400, 967 Orda, Frau, 140 Oreja, Marcelino, 452 Orlov, Boris, 423 Orlowa-Kopelewa, Raissa, 232 Ornaghi, Lorenzo, 405, 406, 646, 842 Ortega, Katherine, 496 Ortet, Eva Verona Texeira, 649 Ortlieb, Heinz-Dietrich, 67 Osmani, Vjosa, 965, 975 Osten, Manfred, 981 Oster, Stefan, 770 Osterhammel, Jürgen, 809 Ostermann, Christian, 567, 669 Otorola, Alvaro Garcia, 1078 Ott, Hugo, 264, 294, 502, 726 Otto III., Kaiser, 864

1281 Ottmann, Henning, 151, 162 Otto, Michael, 542 Otto, Werner, 512 Ouattaa, Mama, 655 Oudenarden, John van, 550 Ousmane, Mahamane, 630 Overbeck, Franz-Josef, 770, 771, 840, 846, 934, 935, 971, 1011 Ovi, Alessandro, 687 Owusu, George, 655 Özdemir, Cem, 533

P Pace, Roderick, 886 Pain, Emil, 559 Palladio, Andrea, 518 Palmer, Robert R., 498 Panayotopoulos, Thomas, 931 Pandey, Shreya, 1078 Panjikaran, Pius, 3, 97 Papademos, Loukas, 580 Papaioannou, Vasiliki, 938 Papandreou, Giorgos, 552 Pape, Elisabeth, 705 Pape, Matthias, 280, 981, 1063 Pardo, Sharon, 886 Parsch, Gaby, 34 Parsi, Vittorio, 406, 646 Pas, Nikolaus van der, 452, 981 Pascal, Blaise, 866 Paterson, Willie, 363, 394 Paul VI., Papst Giovanni Montini, 76 Paulus, Apostel, 869, 1085 Pavicevic, Vladimir, 974, 1078 Pavilionis, Žygimantas, 960, 1014 Payette, Julie, 563, 565 Peeters, Marcel, 46 Pen, Marine le, 592 Penz, Hans, 957 Percy, Algernon, 379 Peres, Shimon, 876 Petchsiri, Apirat, 627 Peterle, Alojz, 452, 948, 949, 964 Petrosillo, Angelo, 688 Petrovic, Milenko, 842 Peyrat, Elvira, 468 Pezzini, Mario, 641 Pfeifer, Anton, 95, 296, 318 Pfetten-Arnbach, Berthold von, 240

1282 Pflüger, Friedbert, 95, 185, 187, 197, 228, 234–236, 239, 240, 244, 367, 409, 411, 465, 511, 512 Pfromm, René A., 978 Philipps, John, 586 Picaper, Jean-Paul, 1063 Picard, Walter, 537 Picasso, Pablo, 866 Picht, Robert, 441, 781 Pick, Hella, 367 Picken, Wolfgang, 1065 Pieper, Dr., 235 Pieper, Josef, 27, 251, 866 Pieroth, Elmar, 84 Piggott, Arnold, 617 Piranesi, Giovanni Battista, 1092 Pirang, Chantal, VIII, 981, 994 Pirazzini, Daniela, 753, 757 Pires, Antonio, 649 Pius XI., Papst Achille Ambrogio Damiano Ratti, 56 Platon, 268, 376, 998, 1043, 1085 Platzdasch, Günther, 288 Plenkovic, Andrej, 965 Plessner, Helmut, 338 Plettenberg, Antje Gräfin, 141 Plettenberg, Antje von, 965 Plettenberg, Gabriele von, 283 Plettenberg, Hubertus Graf, 141 Plettenberg, Hubertus von, 283, 965 Pleuger, Günther, 476 Plinius, 805 Ploetz, Hans-Friedrich von, 450, 452, 981, 982 Podbersič, Renato, 946 Pohl, Jürgen, 753, 757 Polenz, Ruprecht, 338, 402 Polo, Marco, 806 Pol Pot, 259 Poluektova, Tamara, 410 Pombeni, Paolo, 860 Pommerin, Reiner, 595 Ponga, Maurice, 716 Pontin, Jason, 688 Pontius Pilatus, 815 Popitz, Heinrich, 264, 628 Poppe, Eberhard, 153 Poppe, Stefan, 153 Popper, Karl, 40, 268, 317, 368, 764, 766, 767, 769, 770, 775, 847, 926

Namensverzeichnis Pörksen, Uwe, 264, 304 Poroschenko, Petro, 245, 1014 Portas, Paulo, 797 Porter, Roger B., 506 Pöttering, Hans-Gert, 370, 409, 411, 412, 433–435, 437–439, 442, 443, 445, 476, 548, 835, 860, 906, 909, 931, 1075 Pottgieser, Monika, 632 Poungoura, Vincente, 633 Poupard, Paul, 471 Pratasevich, Raman, 1018 Preshova, Denis, 975, 1076 Presley, Elvis, 494 Presova, Denis, 1078 Press, Volker, 260 Preuschoff, Beate, 307, 312 Preußen, Oskar Prinz von, 409, 518 Prevelakis, George, 641 Prill, Norbert, 225, 232 Primor, Avi, 313, 874 Priso-Essawe, Samuel, 657, 660 Prodi, Romano, 553, 685–688, 690, 712, 774 Pröhle, Gergely, 399, 470, 967 Pronk, Bartho, 378 Prosinger, Wolfgang, 276 Proust, Marcel, 1084 Pufendorf, Astrid von, 1047 Pufendorf, Samuel von, 1047 Puhle, Hans-Jürgen, 260, 271 Pujol, Jordi, 452 Pullicino, Lourdes, 646, 890 Pulzer, Peter, 363, 906 Punnamparambil, Jose, 155 Pürsten, Alfred, 215 Putin, Wladimir, 245, 476, 584–587, 698, 922, 969, 1021, 1024, 1050 Puttler, Adelheid, 1008 Pwol, Felix Y., 633 Pye, Lucian W., 499

Q Quadbeck, Ulrike, 179 Quin, Joyce, 394 Quince, Gary, 686

R Raab, Heike, 141

Namensverzeichnis Rabaud, Isabelle, 659 Rabbow, Michael, 692, 693 Rack, Reinhard, 446 Radičová, Iveta, 957 Radunski, Peter, 95 Radvan, Florian, 752, 757 Rafsanjani, Ali-Akbar Haschemi, 157 Ramovic, Indir, 311 Ransmayr, Christoph, 824 Rapacki, Ryszard, 969, 973, 978, 1009 Rathenau, Walther, 951 Rau, Heimo, 39 Rau, Johannes, 981 Rauch, Andreas, 159 Rauch, Frank, 307 Rauschning, Dietrich, 409 Rawe, Willi, 212 Rawls, John, 285, 500 Raz Shechter, Aviva, 644 Reagan, Nancy, 496 Reagan, Ronald, 229, 361, 496, 497, 504, 505, 512, 520, 524, 530, 555 Reckers, Hans, 214, 318 Redford, Robert, 494 Reding, Viviane, 464 Reed, Terence J., 287 Regenbrecht, Johannes, 48 Regmi, Koshal Raj, 60 Rehmer, Frau, 265 Reichelt, Klaus, 981 Reinhard, Wolfgang, 266, 760, 761, 1011 Reiter, Hannah, 440 Reiter, Janusz, 246, 311, 372, 397, 440, 448, 453, 593, 958 Renger, Annemarie, 33, 34 Repgen, Konrad, 68, 141, 143, 187 Repnik, Hans-Peter, 276, 321 Rerych, Babycka, 100 Rerych, Jan, 100, 962 Rerych, Michal, 100, 101, 962 Rerych, Oswald, 11, 84, 100 Rerych, Zdenek, 100, 101, 962 Resende Santos, Joao, 656 Revel, Jean-François, 882 Rice, Condoleezza, 554 Richardson, Ruth, 1070 Richter, Cornelia, 754, 757 Richter, Roland, 122 Richter, Stephan, 578, 827

1283 Richthofen, Ferdinand von, 805 Rielly, John, 509, 526 Riese, Jens, 692, 693 Rifkind, Malcolm, 395, 396 Rimscha, Robert von, 542 Ritter, Gerhard A., 906 Ritter, Klaus, 812 Rittmann, Rosemarie, 75 Robert, Catherine, 194 Roberto, Manuel, 656, 660 Roberts, Frank E., 394 Robertson, George, 395 Robertson, Patrick, 369 Robinson, Mark, 378 Robinson, Mary, 460, 785 Robles, Alfredo, 627 Rochtus, Dirk, 839, 978 Rödder, Andreas, 289, 918 Rodin, Auguste, 163 Roeck, Bernd, 861 Roellecke, Gerd, 282 Rogov, Igor, 416 Rohlfs, Angelo, 280 Röhlinger, Peter, 265 Röhr-Sendlmeier, Una Maria, 752, 757 Rolland, Romain, 169 Röller, Lars-Hendrik, 691, 692, 696 Rollwage, Christa, 4, 34, 96 Romanyshyn, Iulian, 453 Romero, Ximena, 1078 Rommel, Claudia, 652 Romoser (geb. von Tresckow), Mechthild, 293 Romoser, George, 291, 293, 311, 504 Rompuy, Herman van, 581, 918, 920, 922, 933 Rondeli, Alexander, 431 Ronge, Frank, 280–282, 300, 404, 461, 462, 861, 868, 981, 1063, 1064 Ronge, Raphael, 102 Röntsch, Hannelore, 318 Roosevelt, Franklin D., 896 Roper, John, 416 Ropp, Klaus Freiherr von der, 812, 981 Roquefeuil, Quentin de, 660 Rosa, Erszebet, 886 Rosa, Hartmut, 273 Rosenbaum, Rachel, 556 Rosenbaum, Wolf, 255, 271 Rosenkranz, Moritz, 759 Rosenthal, Klaus, 215

1284 Rosin, Philipp, 927 Rößler, Gerlind, 950, 958 Rößler, Matthias, 283, 534, 949, 950, 953, 954, 956, 958, 962 Roszik, Gabor, 376 Roth, Petra, 464 Roth, Wolfgang, 394 Rothley, Willi, 162 Röttgen, Norbert, 770 Rousseau, Jean-Jacques, 220, 252, 1003 Row, Thomas, 468, 646 Ruble, Blair, 585 Rudinger, Georg, 752, 757 Rühe, Volker, 318, 325, 395, 402, 422, 452, 572 Ruhfus, Jürgen, 394 Rühl, Lothar, 403, 815, 861, 885, 1063 Ruin, Olof, 446 Rumsfeld, Donald, 547, 551 Rupps, Martin, 275, 281, 307, 1060, 1065 Rüsen, Jörn, 155 Rushdie, Salman, 157, 168 Russell, Bertrand, 396 Russo, Cristina, 688 Rüttgers, Jürgen, 320, 322, 324, 326, 335, 470, 524, 919, 936, 981, 1011 Rutz, Michael, 72, 860–862 Rüütel, Arnold, 408

S Sacharow, Andrei, 232 Sachs, Jeffrey, 688 Sacksofsky, Ute, 519, 520 Sadat, Anwar al, 777 Sagan, Scott, 554 Sagurna, Michael, 94, 214 Saier, Oskar, 295, 298, 305 Saito, Shuji, 501, 842 Sakaschwili, Michael, 432 Sakellaris, Plutarchos, 686 Salomon, Dieter, 303 Salum Ali, Amina, 668, 685 Sandel, Michael, 501 Sane, Pierre, 654 Sanogo, Aminata Mallé, 629 Santer, Jacques, 244, 451, 934, 935 Sapega, Sophia, 1018 Saramago, José, 846 Sargeant, Herman, 702 Sarvath el Hassan, Prinzessin, 875, 987

Namensverzeichnis Saryus-Wolski, Jacek, 446 Sasao, Toshi, 798 Sasser, Jim, 519 Sattler, Florian, 46 Satzinger, Georg, 753, 757 Saudargas, Algirdas, 450, 1014, 1015 Sautter, Ursula, 1077, 1081 Savadogo, Kimseyinga, 653 Schächter, Markus, 898 Schadt, Daniela, 246 Schäfer-Wünsche, Elisabeth, 752, 757 Schall, Dörte, 920 Schapke, Richard, 542 Scharping, Rudolf, 185 Schäuble, Wolfgang, 245, 246, 320, 325, 327–329, 442, 470, 691, 692, 697, 812, 842 Schavan, Annette, 156, 325 Schawarib, Natascha, 891 Scheel, Mildred, 73 Scheel, Walter, 73, 81 Scheich, Manfred, 446 Schendelen, Rinus van, 446 Schenk, Ursula, 215 Schenk, Winfried, 753, 757 Schetter, Conrad, 753, 757 Scheuing, Dorothee, VIII, 306, 307 Schick, Ludwig, 771, 774, 839, 871 Schiemann, Marko, 961 Schierbaum, Clausjürgen, 188 Schiller, Friedrich, 251, 802 Schily, Konrad, 15, 151 Schily, Otto, 549 Schimmel, Annemarie, 287, 860 Schinas, Margaritis, 920 Schindler, Gerhard, 338 Schirano, William L.T., 579 Schirrmacher, Frank, 278 Schiwkow, Todor, 274 Schlauch, Rezzo, 1063 Schleyer, Hanns Martin, 283 Schlie, Ulrich, 195, 942, 981, 1077, 1081 Schlosser, Richard, 75 Schlotthaus, Jan, 280 Schlüter, Bettina, 753, 757 Schmale, Wolfgang, 155, 839, 1007 Schmidl, Franziska, 468 Schmidt, Christian, 378, 446, 561 Schmidt, Gerhard, 116 Schmidt, Günther, 272

Namensverzeichnis Schmidt, Helmut, 9, 73, 216, 221, 320, 462 Schmidt, Renate, 399 Schmidtchen, Gerhard, 95, 227 Schmidt-Haberkamp, Barbara, 754 Schmiegelow, Henrik, 449 Schmit, Nicolas, 1010 Schmitt, Carl, 382, 815, 843 Schmitt, Karl, 271, 276, 285 Schmitter, Philippe, 529 Schmitz, Thomas A., 753 Schmitz, Winfried, 753 Schmoeckel, Matthias, 754, 757 Schmücker, Kurt, 542 Schmutzer, Ernst, 253, 261 Schneider, Helmut J., 754, 757 Schneider, Klaus-Peter, 752, 757 Schnell, Carsten, 621 Schockenhoff, Andreas, 378, 533, 883, 884, 1085 Schockenhoff, Eberhard, 878, 1085 Schock-Werner, Barbara, 860 Schoenbaum, David, 311, 363 Schöllgen, Gregor, 422 Scholl-Latour, Peter, 68, 840 Scholtyseck, Joachim, 754, 757 Scholz, Olaf, 349, 1025 Schönfelder, Wilhelm, 550, 981 Schöpflin, György, 945 Schramm, Gottfried, 264 Schreiber, Kristina, 978 Schreiber, Wilfried, 54 Schreiweis, Thorsten Kim, 1064 Schreyer, Michaele, 982 Schröder, Conrad, 264 Schröder, Gerhard, 95, 324, 332, 395, 396, 458, 470, 473, 476, 541, 543, 556, 691 Schröder, Sven, 1048 Schröter, Jens, 753, 757 Schubert, Franz, 245 Schubert, Gerald, 959 Schubert, Hermann, 497 Schuknecht, Ludger, 330 Schüler, Andreas, 60, 63, 75, 76, 87, 141, 188, 197, 504 Schüler, Dorothee, 63 Schulin, Ernst, 264 Schulte, Frau, 140 Schulten, Gerd, 151, 372 Schulz, Günther, 744, 748, 752, 757, 1075

1285 Schulz, Martin, 919, 923, 929, 1075 Schulz, Michael, 754, 755 Schulze, Gabriele, 468, 646 Schulze, Hagen, 866 Schulze, Peter, 505 Schulze, Reinhard, 142 Schumacher, Ernst F., 75, 169 Schuman, Robert, 917 Schürmann, Martin, 213 Schurz, Carl, 495 Schuster, Rudolf, 475, 1083 Schütte, Georg, 651 Schutz, Roger, 41 Schwan, Gesine, 245 Schwania, Surab, 432 Schwanitz, Wolfgang G., 283 Schwartz, Tom, 501 Schwarz, Benno, 1087 Schwarz (geb. Keller), Annemie, 192 Schwarz, Hans-Peter, 14, 123, 150, 178, 185, 186, 188, 190–193, 197, 199, 220, 238, 260, 271, 281, 363, 370–372, 389, 392, 400, 754, 757, 758, 800, 861, 919, 982, 1021, 1087 Schwarz, Jürgen, 167 Schwarze, Jürgen, 264 Schwarzenberg, Karel, 876 Schwarz-Schilling, Christian, 54, 318 Schweidler, Walter, 155, 159, 162–164, 298, 300, 311, 861, 1049 Schweigler, Gebhard, 363 Schweitzer, Albert, 40, 1043, 1097 Schweizer, Alexandra, 280 Schwermann, Christian, 747 Schwieger, Peter, 753, 757 Schwimmer, Walter, 429, 872–874 Scotland of Ashtal, Baronin Patricia Janet, 464 Scott, Bruce, 506 Scott King, Coretta, 34, 494 Scott, Walter, 396 Scotto, Matteo, 1065 Secchi, Carlo, 739 Seelmann-Eggebert, Rolf, 394 Seibel, Ulrike, 979 Seibert, Steffen, 691, 692, 698 Seibt, Ferdinand, 861 Seidelmann, Reimund, 271, 276 Seidt, Hans-Ulrich, 841 Seitz, Konrad, 169, 509

1286 Selenskyj, Wolodymyr, 1025 Semedo, Gervasio, 654, 655, 657, 659, 663, 664 Seneca, Lucius Annaeus, 815, 1070 Senger, Harro von, 155, 464 Senghor, Jeggan, 654 Senghor, Leopold Sedar, 168 Serfaty, Simon, 911 Serksnys, Gediminas, 454 Seyhan, Azade, 533 Sezer, Duygu Bazoğlu, 885 Shaban, Omar, 887 Sharon, Ariel, 988 Sharoudi, Ayatollah Hashemi, 161 Sheehan, James, 554 Sher, Gilead, 876 Shewardnadse, Eduard, 254 Shipley, Jenny, 614, 615 Shiriaev, Boris, 616 Shlaes, Amity, 524 Shnitzer, Natalya, 556 Shpiro, Shlomo, 584 Shridaran, Ashok, 187 Shubert, Tira, 831 Siburg, Friedrich-Wilhelm, 264 Siebenmorgen, Peter, 188 Siebert, Burckhard, 438 Sieburger, Marina, 369 Siedschlag, Iulia, 994 Sielke, Sabine, 752, 757 Siemek, Marek, 14, 286, 287, 995, 1006, 1007 Siemek, Wirginia, 995 Silva, Belarmino Monteiro, 633 Silva, Maria Ressurreição Lopes da, 650, 651, 657 Silvestri, Stefano, 885 Simonis, Walter, 159 Simpson, John, 831 Sinatra, Frank, 494 Singh, Kharan, 460, 784, 785 Slaughter, Anne-Marie, 536 Slivkova, Eva, 456 Smith, Adam, 34, 396 Smith, Gary, 245 Smith, Gordon, 363 Smith, Tony, 499 Smith of Clifton, Lord Trevor Arthur, 446 Smyser, Dick, 114 Snow, Charles Percy, 845 Snoy, Bernard, 446

Namensverzeichnis Soares, Mario, 446 Soe, Christian, 505 Sohn, Rike, 633, 652 Solana, Xavier, 470 Solanum, Helen, 554 Sombda, Jean de Dieu, 628 Somda, Jean de Dieu, 628 Sommer, Theo, 169, 514, 542, 579 Song, Xinning, 627 Sonnenhol, Peter, 415 Sonntag-Wolgast, Cornelie, 464 Son Sann, 85 Sontheimer, Kurt, 67, 182 Sorsa, Kalevi, 446 Sougue, Kalifa, 633 Sousa, Teresa de, 797 Soyinka, Wole, 460, 784, 785 Spaemann, Robert, 153, 162, 866 Späth, Lothar, 265, 270, 272, 273, 286, 301 Speer, Albert, 342, 822 Spencer, Claire, 886 Spengler, Oswald, 577 Spinola, Sara, 656 Spiteri, William, 888, 889 Spranger, Eduard, 1086 Spreafico, Ambrogio, 471 Srijber, Eva, 1008 Staël, Germaine de, 278 Stalin, Josef, 265, 585 Standardwerk zum Thema, 151 Stangoni, Stefano, 688 Staudacher, Wilhelm, 318 Stauffenberg, Claus von, 1047 Stauffenberg, Franz Ludwig Schenk von, 296, 299 Stefan Uroš IV. Dušan, König, 431 Steffen, Christel, 239 Stegner, Ralf, 505 Stein, Hans, 141 Steinbach, Matthias, 252, 254, 256, 257, 287 Steinbach, Udo, 193 Steinbach-Hermann, Erika, 318 Steinbrück, Peer, 334 Steinel, Helmut, 981 Steiner, George, 822 Steiner, Ulrike, 469 Steininger, Rolf, 472 Steinmeier, Frank-Walter, 245, 691, 692, 696–698, 897, 898, 932 Stephan, Harry, 521, 830

Namensverzeichnis Stephens, John, 378 Stern, Klaus, 152 Sterzing, Christian, 533 Stetten, Wolfgang von, 450 Stichweh, Rudolf, 753, 757 Stöckle, Bernd, 264 Stöckmann, Ingo, 753, 757 Stolpe, Manfred, 523 Stoltenberg, Gerhard, 151 Stölzl, Christoph, 330 Stone, Shephard, 508, 509, 539 Stoph, Willi, 254, 255 Stoyan, Dietrich, 389 Stoyanov, Petar, 456 Straniak, Marianne und Hermann, 160 Straßenberger, Grit, 194 Straub, Johannes, 218 Strauch, Rolf, 994 Strauß, Franz-Josef, 216, 238 Strauss, Leo, 293, 740 Strauss, Richard, 820, 822 Streeck, Wolfgang, 363 Stuart, Gisela, 398 Stubbe, Heinrich, 66 Stübgen, Michael, 981 Stuessel, Kerstin, 757 Stuff, Eckhard, 506 Stuhlmann-Laeisz, Rainer, 753, 757 Sturma, Dieter, 754, 757 Stürmer, Michael, 399, 416, 509 Stüssel, Kerstin, 754 Stuth, Reinhard, 236, 239, 240, 244, 412, 436, 835, 1018, 1093 Stüwe, Robert, 931, 1065 Subramaniam, R.K., 169, 312 Sucharipa, Ernst, 467, 468 Suder, Henrik, 939 Suffys, Tristan, 979 Suhr, Heinz, 74 Suhrke, Astri, 500 Sulca, Iveta, 1063 Sultanov, Bulat, 312, 416, 643 Sun, Yat-Sen, 168 Sununu, John, 890 Suri, Jeremy, 554 Süssmuth, Rita, 62, 95, 323, 429, 898 Sutherland, Peter, 446 Svoboda, Ludvig, 1089 Swoboda, Wolfgang, 958 Syla, Flandra, 975, 1076

1287 Szabo, Stephen, 586 Szabo, Steve, 841 Szenz-Ivànyi, Istvàn, 446 Szlaijfer, Henryk, 403 Szöllösi-Janze, Margit, 906

T Taenzler, Dirk, 757 Tagore, Rabindranath, 232 Tajani, Antonio, 445, 931 Talmon, Jacob Leib, 220 Tamara, Nasir, 499 Tanaka, Masakazu, 159 Tanaka, Toshiro, 627 Tanner, Fred, 890 Tänzler, Dirk, 753, 755 Tarau, Virgil, 946 Tarschys, Daniel, 978, 1016 Tas, Jan van der, 372 Tashan, Seyfi, 885 Tata, Ratan N., 169 Taylor, Ian, 684 Teasdale, Anthony, 378 Teilhard de Chardin, Pierre, 27 Telkämper, Wilfried, 264, 311 Tellenbach, Gerd, 314 Tellenbach, Marie Luise, 314 Teller, Edward, 530, 833 Teltschik, Horst, 370 Tetteh, Hanna, 711 Teufel, Erwin, 13, 95, 264, 265, 393, 472, 919 Thadden, Gudrun von, 372, 1082 Thadden, Johannes von, 369, 370, 372, 933, 1082 Thadden, Philipp von, 1082 Thatcher, Margaret, 318, 367, 368, 375, 376, 379 Theoderich, König, 291 Thesing, Josef, 403 Thiel, Elke, 559 Thiemer, Gösta, 188 Thierse, Wolfgang, 158 Thimm, Caja, 752, 757 Thoben, Christa, 318 Thompson, Daley, 496 Thukydides, 180 Thuß, Holger, 256, 257, 262, 270 Tibi, Bassam, 155, 158, 1063 Tichanowskaja, Swetlana, 960, 961, 1020

1288 Tillich, Stanislaw, 953 Tindemans, Leo, 453, 979 Tocqueville, Alexis de, 81, 144, 265, 272, 285, 386, 387, 521, 535, 590, 932, 933, 1045, 1047, 1048 Tolentino Araujo, Jorge Homero, 649 Tolentino, Corsino, 649–652, 657, 661, 663 Tölgyessy, Peter, 399 Tolstoi, Leo, 169, 232 Tomasi di Lampedusa, Giuseppe, 576, 1087 Tomé de Vega, Emilio, 1010 Tomuschat, Christian, 142, 154 Tönnies, Ferdinand, 1001, 1002 Töpfer, Klaus, 318, 785 Tounkara, Bréhima, 654 Touré, Omorou, 657 Tovias, Albert, 886 Toynbee, Arnold, 787, 809, 865, 901, 904, 905, 907 Traguth, Thomas, 909 Traoré, Alfred, 657 Traoré, Djénéba, 655–657, 659–665 Traoré, Kassah Zouréhatou, 633 Traoré, Mamadou Kaba, 688 Traoré, Mélégué, 629, 630 Traut, Frau, 264 Trauzettel, Rolf, 144 Treanor, Noel, 403 Treverton, Gregory, 534 Trichet, Jean-Claude, 921 Triki, Fathi, 159 Trimble, Chris, 690 Troebst, Stefan, 953, 954 Trotha, Klaus von, 14, 1059, 1060, 1062 Trotzki, Leo, 585 Truman, Harry, 690 Trump, Donald, 497, 503, 576, 588, 589, 592, 593, 597, 691, 698, 804, 822, 936 Tschubarjan, Alexander, 423 Tsoukalis, Loukas, 933 Tuchman, Barbara, 389 Tugendhat, Christopher, 920 Tunick, Meredith, 566 Turkson, Peter, 688, 689 Turner, Adair, 394 Turner, Bernhard, 627 Tusk, Donald, 592, 932 Twenhöven, Jörg, 238 Tygesen, Knud Erik, 372 Tyll van Seeroskerken, Sammy van, 446

Namensverzeichnis Tymoschenko, Julia, 432 Tyrie, Andrew, 369 Tzadua, Paulos, 151 Tzipras, Alexis, 919

U Ude, Christian, 898 Ueta, Takako, 798 Ulatowski, Rafal, 194 Ungerer, Werner, 981 Upton, Simon, 775, 816, 818–822, 950, 1084 Urban, Sabine, 1063 Urbani, Giuliano, 296 Uri, Pierre, 466 Urpilainen, Jutta, 713, 717 Ur-Rehman Toor, Shamas, 688 U Thant, Sithu, 44

V Vaatz, Arnold, 283, 311, 325, 330 Valcarcel, Dario, 452 Vale de Almeida, João, 797 Valéry, Paul, 865, 866 Varshney, Ashutosh, 499, 501 Vasarhelyi, Miklos, 399 Vášáryová, Magdaléna, 953, 954, 956, 961 Vasconcelos, Alvaro, 886 Veismann, Aloys, 11, 33 Veiter, Theodor, 116 Velayati, Ali Akbar, 157 Vellanikaren, Mary Rose, 3 Verba, Sidney, 530 Verheugen, Günter, 450, 981 Verhofstadt, Guy, 476, 919 Vershbow, Alexander, 397, 454 Vervaeke, Koen, 670, 685 Verzichelli, Luca, 905 Vibert, Frank, 446 Vignon, Jérôme, 981 Vike-Freiberga, Vaira, 464 Vilà Costa, Blanca, 446 Vinci, Leonardo da, 866 Virsis, Martins, 408 Vitanova, Julia, 974 Vlek, Paul, 632, 785, 984 Vlieland, Maxine, 394 Vogel, Bernhard, 256, 289, 393, 919 Vogel, Hans-Josef, 214

Namensverzeichnis Vogl, Matthias, 632, 652, 1064 Vogt, Daniela, 1064, 1065 Voigt, Joseph, 1086 Voigt, Karsten, 363, 370, 538, 1063 Volkmann, Uwe, 1008 Vollmer, Antje, 245, 320, 399 Voltaire, eigentlich François-Marie Arouet, 168, 1052, 1087 Von der Leyen, Ursula, 938, 976, 1010, 1025 Vora, Neeru, 623 Vora, Rajiv, 623 Vorländer, Hans, 504, 595 Voskanyan, Ashot, 457 Voss, Rüdiger von, 318 Vosse, Wilhelm, 798 Voßkuhle, Andreas, 244 Vujacic, Marko, 974 Vysotska Guedes Vieira, Alena, 1078

W Waalkes, Otto, 98 Wabro, Gustav, 318 Wachholz, Meyen, 74 Wade, Robert, 559 Wagemann, Jutta, 280 Wagner, Richard, 822 Wagner, Ruth, 1063 Wahl, Jürgen, 317 Wałęsa, Danuta, 461, 462 Wałęsa, Lech, 96, 223, 246, 460–462, 784, 785 Walker, Bethany J., 753, 758 Wallace, Helen, 362 Wallace of Saltaire, William, 14, 312, 446 Walter, Gerd, 446 Walter, Norbert, 389, 534 Waltmann, Frank, 280, 281, 1064 Wandruszka, Adam, 188 Wang, An, 511 Warburg, Dorothea, 506, 524 Warburg, Eric, 506, 508, 524, 539 Warzecha, Margot, 984 Wassmund, Hans, 388 Watkins, Sally, 656, 660 Watson, Alan, 394 Weber, Martin, 287, 1063 Weber, Max, 150, 265, 267, 268, 433, 976 Wechsung, Gerd, 255, 263, 285 Wee, Hermann van der, 557

1289 Weede, Erich, 753, 754, 758 Wegener, Hans-Henning, 451 Weggel, Oskar, 1063 Weidenfeld, Lord George, 396 Weidenfeld, Werner, 94, 162, 198, 227, 839, 898, 995 Weigl, Michael, 995 Weihnacht, Paul-Ludwig, 384 Weilemann, Peter, 446 Weiler, Joseph H., 161 Weiner, Myron, 499 Weiss, Franz-Rudolf von, 726 Weiß, Konrad, 276 Weiss, Konrad, 399 Weisswange, Jan Philipp, 1064 Weizsäcker, Beatrice von, 244, 518 Weizsäcker, Ernst von, 1047 Weizsäcker, Fritz von, 230 Weizsäcker, Marianne von, 230, 242, 244 Weizsäcker, Richard von, 8, 55, 96, 148, 167, 175, 181, 187, 226, 228–231, 233–235, 238–247, 298, 319, 383, 393, 395, 398, 399, 421, 436, 464, 504, 509, 510, 541, 542, 812, 908, 909, 917, 920, 983, 1018, 1047, 1048, 1082–1084, 1090 Weizsäcker, Robert K. von, 244 Wellershoff, Dieter, 367 Wells, Samuel, 521, 557, 558 Wendland, Bernhard von, 978, 1009 Wendland, Heinz-Dietrich, 40 Wengst, Udo, 389 Wenig, Marcus, 456 Wentz, Siegfried, 496 Wenzler, Ludwig, 264 Wernecke, Jürgen, 34 Wernicke, Christian, 518 Werth, Nikolas, 423 Werz, Michael, 559 Wesle, Helga, 74 Wessels, David J., 120 Wessels, Wolfgang, 909 West, Benjamin, 1090 Westdickenberg, Gerd, 471 Westerwelle, Guido, 578, 797, 1086 Wetzel, Michael, 752, 753, 758 Wex, Helga, 95 Wiarda, Howard, 499 Wiberg, Matti, 841, 1009 Wichmann, Petra, 34, 213

1290 Wich-Reif, Claudia, 752, 758 Wieck, Jasper, 835 Wielkowieski, Andrzej, 403 Wiesmann, Martin, 141 Wilde, Oscar, 376, 523 Wilder, David, 518 Wilhelm II., Kaiser, 241, 254 Wilkinson, Barbara, 567, 569 Will, Wolfgang, 860 Willink, Herman Tjeerk, 446 Wilms, Heiner, 151 Wilson, Woodrow, 565, 566, 812 Wimmer, Andreas, 785, 984 Wimmer, Franz Martin, 159 Windau, Heinrich, 11 Winiger, Matthias, 632 Winkler, Hans, 468, 646 Winkler, Heinrich August, 278 Winkler, Rosemarie, 468, 646 Wintermantel, Margret, 898 Wirth, Josef, 294 Wise, Alex, 517, 518, 535 Wissen, Gerard van, 155 Wissmann, Matthias, 84, 85, 95, 113, 214, 217, 318, 325, 367, 440, 472, 496, 842 Witte, Barthold, 279 Wittenberg, Liska, 939, 1065, 1074 Wittig, Peter, 595 Wittke, Thomas, 188 Wittschorek, Peter, 307, 861, 981 Wittvogel, Karl, 779 Wohlfeld, Monika, 646, 889, 893 Wolf, Markus, 286 Wolfensohn, James, 324 Wolff, Guntram B., 994 Wolffsohn, Michael, 157, 328, 330 Wollstein, Günter, 388 Woolf, Virginia, 314 Woon, Walter, 1063 Worms, Bernhard, 95 Wörner, Manfred, 408, 542 Wright, Sir Oliver, 367, 394 Wu, Guobao, 688 Wulff, Christian, 95, 214, 318, 323, 325, 519, 520 Wünscher, Gerhard, 394 Würtenberger, Thomas, 264

Namensverzeichnis X Xi, Jinping, 805, 807 Xu, Mingqi, 806, 807

Y Yanes Alvarez, Elias, 403 Yang, Guang, 689 Yeats, William Butler, 802 Yeboah, Daniel, 656 Yeboah, John, 661 Yoshida, Shigeru, 798 Yu, Kam Por, 159 Yzer, Cornelia, 378

Z Zabel, Malte Tim, 1064 Zacek, Pavel, 948, 949 Zahir Schah, König, 794 Zahradil, Jan, 550 Zantop, Half, 538 Zantop, Susanne, 538 Zarjevski, Yefime, 116, 438 Zaun, Natascha, 979 Zayas, Alfred de, 115 Zenawi, Menes, 686 Zepkalo, Valery, 1020 Zepkalo, Veronika, 1020 Zervakis, Peter, 469, 470 Zhang, Haiping, 994 Zheng, Chunrong, 801, 807 Zhou, Enlai, 671 Zhou, Jizong, 994 Ziegelow, Antje, 141 Ziegler, J. Nicholas, 501 Zielonka, Jan, 789, 905 Ziercke, Jörg, 338 Zimmek, Martin, 632 Zimmermann, Felix, 1064 Zimmermann, Stephan, 747 Zintzen, Clemens, 860 Zivkovic, Nikola, 974 Zizek, Slavoj, 161 Zizioulas, Ioannis, 403 Znoykowicz-Wierzbicka, Malgorzata, 979 Zoboli, Roberto, 406, 646 Zoellick, Robert, 524 Zoepfel, Renate, 264

Namensverzeichnis Zöllner, Reinhard, 753, 758 Zorrilla, Francisco, 1078 Zotz, Thomas, 264 Zubok, Vladislav, 585 Zuckmayer, Carl, 40 Zulfugarov, Tofig, 452 Zunda, Antonijs, 945 Zunic, Bojan, 966

1291 Zunker, Albrecht, 812 Zurbuchen, Simone, 152 Zwätz, Dietrich, 67 Zweig, Stefan, 1070 Zwiefelhofer, Hans, 46 Zwiener, Ulrich, 249, 255, 260, 276, 285–288 Zydek, Franziska, 74 Zypries, Brigitte, 691, 692