Ideen erfolgreich managen: Neue Perspektiven, aktuelle Branchenbeispiele, wissenschaftliche Grundlagen und Erkenntnisse [1. Aufl. 2019] 978-3-658-26519-9, 978-3-658-26520-5

Das Praxishandbuch Ideen-Management stellt die neuesten Erkenntnisse zum Management von Ideen aus wissenschaftlicher Sic

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German Pages XXV, 316 [331] Year 2019

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Ideen erfolgreich managen: Neue Perspektiven, aktuelle Branchenbeispiele, wissenschaftliche Grundlagen und Erkenntnisse [1. Aufl. 2019]
 978-3-658-26519-9, 978-3-658-26520-5

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXV
Von der Idee zur ergonomischen Verbesserung – Ein Projekt bei Airbus (Johannes Brombach, Gerhard Kämpfer, Jonas Markfort)....Pages 1-8
Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zum integrierten Ideenmanagement – Ein- und Ausblicke aus zwei Forschergenerationen (Norbert Thom, Alexander Brem)....Pages 9-16
Diversity im Ideenmanagement (Swetlana Franken)....Pages 17-23
Scientific Management – Die zweite Welle (Thomas Mühlbradt)....Pages 25-31
Benchmarking und Kennzahlen (Hans-Dieter Schat)....Pages 33-50
Intrapreneurship durch Ideenmanagement (Till Suchsland, Martin Kloyer)....Pages 51-62
Flucht aus der Gleichmacherei – mit Unterschiedlichkeit zu besseren Ideen (Tobias S. Fastenrath)....Pages 63-71
Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick (Mikko Börkircher)....Pages 73-83
Ideenmanagement in Deutschland – ein partizipatives und ganzheitliches Erfolgsinstrument (Christoph Gutknecht, Klaus Heitmeyer)....Pages 85-97
Ideenmanagement in der Schweiz – Vergangenheit – Ist – Zukunft (Norbert Thom, Julia de Groote)....Pages 99-110
Ideenmanagement im internationalen Kontext (Hartmut Neckel)....Pages 111-122
Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern (Patricia Stock)....Pages 123-134
Gezieltes Marketing im Ideenmanagement (Michael Lange)....Pages 135-146
Der Ideenmanager – Potenzialentfalter mit Methode. Praxiseinblick Deutsche Bahn AG (Thorsten Gänsch, Pia Schädler)....Pages 147-153
Dialogformate für die Ideengenerierung (Evelyn Firydus, Justin Krampe, Markus Lehleiter)....Pages 155-166
Bedeutung und Einsatz von Kommunikation im Ideenmanagement der AVL List GmbH – warum Kommunikation uns weiterbringen kann (Claudia Damaska)....Pages 167-170
Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann (Olaf Melzer, Hans-Dieter Schat)....Pages 171-184
Die besten Unternehmensberater arbeiten im Reinraum – Ideenmanagement bei Infineon Austria (Thomas Reisinger)....Pages 185-191
Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft (Anja Rupprecht)....Pages 193-200
Ideenmanagement in Behörden (Gottfried Richenhagen, Hans-Dieter Schat)....Pages 201-210
Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht (Hans-Rüdiger Munzke)....Pages 211-221
Best Practice am Beispiel des Ideenmanagement der LBBW (Thomas Haumann)....Pages 223-228
Das Ideenmanagement in Zeiten des Wandels am Beispiel eines Automobil-Zulieferers (Christoph Hann von Weyhern)....Pages 229-234
Ideenmanagement in der chemischen Industrie: Ein persönlicher Erfahrungsbericht (Heribert Töns)....Pages 235-238
Der Neustart eines Ideenmanagement – oder: warum Sysiphos der Schutzpatron der Ideenmanager sein könnte (Wilfried Peters)....Pages 239-246
KVP und BVW wird Ideenmanagement (Bernd Geisel)....Pages 247-266
Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software (Nils Landmann)....Pages 267-278
Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse (Hans-Dieter Schat)....Pages 279-289
Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen und Lösungsansätze (Nils Landmann)....Pages 291-302
Professionalisierung der Ideengenerierung – Vom Geistesblitz zur guten Idee (Michael Leitl)....Pages 303-316

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Nils Landmann Hans-Dieter Schat Hrsg.

Ideen erfolgreich managen Neue Perspektiven, aktuelle Branchenbeispiele, wissenschaftliche Grundlagen und Erkenntnisse

Ideen erfolgreich managen

Nils Landmann  •  Hans-Dieter Schat Hrsg.

Ideen erfolgreich managen Neue Perspektiven, aktuelle Branchenbeispiele, wissenschaftliche Grundlagen und Erkenntnisse

Hrsg. Nils Landmann HLP Informationsmanagement GmbH Eschborn, Deutschland

Hans-Dieter Schat Institut für Public Management FOM Hochschule für Oekonomie & Management gGmbH Essen, Deutschland

ISBN 978-3-658-26519-9    ISBN 978-3-658-26520-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Geleitwort

Ideenmanagement klingt zunächst sehr einfach, entpuppt sich aber bei genauerem Hinsehen als sehr anspruchsvoll. Da ist zum einen die Idee selbst und ihre Entstehung. Der evolutionäre Ansatz besteht darin, vorhandene Lösungen mit Blick auf bestehende oder zu erwartende Anforderungen zu modifizieren. Ein dafür zugrunde zulegender Prozess ist vom Prinzip her definierbar. Je höher der angestrebte Sprung in der Entwicklung ist, umso unschärfer ist der Prozess zur Ideenfindung eindeutig klärbar. Prinzipien wie Partizipation und Szenarien sind hilfreich, aber nicht automatisch von Erfolg gekrönt. Richtig schwierig wird die Ideenfindung, wenn man sich auf unbekanntes Gebiet begeben will, bei dem sogar die Vorgabe einer Nachfrage nicht gegeben ist. Aber genau hier sind die wichtigsten Ideen zu Zukunftssicherung zu suchen. Erschwert wird die Ideenfindung durch das Nichtvorhandensein von entsprechenden, erforderlichen Technologien. Leonardo da Vinci war ein Meister in dieser Hinsicht: Er entwickelte Ideen, die weit über alle vorhandenen Möglichkeiten seiner Zeit hinausreichten. Fluggeräte aller Art, einschließlich eines Hubschraubers waren weit entfernt von den Gedanken der Zeitgenossen. Noch heute staunen wir über seine weitreichenden Ideen und seine Treffsicherheit technologischer Ansätze. Zwei andere Beispiele mögen die Hindernisse des Ideenmanagements verdeutlichen und zugleich als Grundlage für das Vorgehen mit Ideen dienen: Michael Faraday erfand die Möglichkeit, Elektrizität durch Induktion zu erzeugen. Es wird erzählt, dass ein Politiker ihn bei einem Besuch in seinem Labor nach der Anwendung der Idee fragte. Faraday soll geantwortet haben: „Das weiß ich auch nicht, aber Sie werden darauf Steuern erheben“. Zum einen hatte er natürlich Recht, zum anderen zeigt das Beispiel aber auch, dass die Anwendung nicht gleich am Anfang einer Idee stehen muss. Noch extremer ist die Arbeit von Albert Einstein, der in seiner Relativitätstheorie formulierte, dass Zeit von der Schwerkraft und von der Geschwindigkeit abhängt. Diese Aussagen waren über Jahrzehnte lediglich die Grundlage für weitere akademische Unter­ suchungen. Die heutige Satellitennavigation basiert ganz wesentlich auf der Relativitätstheorie, ohne deren Berücksichtigung der Fehler 500 m in einer Stunde betragen würde. V

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Geleitwort

Es kommt also tatsächlich zunächst darauf an, überhaupt eine Idee zu haben. Die Wege reichen von intensiver Auseinandersetzung mit einem Thema über systematische Evolution bis hin zur genialen Idee. Wie die Beispiele von Faraday und Einstein, aber auch von Leonardo da Vinci zeigen, ist es wichtig, dass Ideen, und seien sie noch so weit von der jeweiligen Realität entfernt, es verdient haben, nicht in Vergessenheit zu geraten. Das Schlüsselwort an dieser Stelle heißt Wissensmanagement. Ist die Idee zunächst „gespeichert“, geht es darum die weiteren Schritte bis hin zu einem Produkt zu definieren, Verbindungen zu verschiedenen Disziplinen herzustellen und natürlich auch die entsprechende rechtliche Absicherung zum Schutz der Idee zu gewährleisten. Den gesamten Vorgang von der grundlegenden Idee bis zum Produkt kann man am besten mit den Begriffen „Innovationskette“, bzw. unter Berücksichtigung verschiedener Disziplinen „Innovationsnetz“ beschreiben. Ausgangspunkt aller Prozesse muss jedoch die Akzeptanz von disruptiven Ideen sein. Das ist sicherlich die größte gesellschaftliche und kommerzielle Herausforderung.

Der Autor Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner ist seit 2015 Generaldirektor der ESA (European Space Agency). Zuvor war er von 2007–2015 als Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) tätig. Vor seinem Wechsel in die Luft-und Raumfahrt war Prof. Dr.-Ing. Wörner von 1995–2007 Präsident der TU Darmstadt, die er als solcher als eine der ersten Universitäten in die Autonomie führte. Er war Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft und außerdem Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Aufsichtsratsgremien, Beiräten und Kuratorien bspw. als Mitglied des Hochschulrates der École Centrale de Paris und der École Centrale de Lyon, der TU Berlin, des Instituto Superior Técnico der Universität Lissabon, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt sowie mehrerer anderer Aufsichtsgremien, wie etwa von Schenck, Röhm, Bilfinger & Berger sowie beim TÜV. Kontakt: [email protected]

Vorwort

Ideenmanagement hat eine lange Tradition. Als betriebliches Vorschlagswesen wird es auf ein General-Regulativ von Krupp aus dem Ende des 19. Jahrhunderts zurückgeführt. Als kontinuierlicher Verbesserungsprozess werden die Ursprünge in der japanischen Kultur vermutet, sind aber auch bei Benjamin Franklin nachzuweisen. Zum Teil funktioniert Ideenmanagement, weil die Beschäftigten1 die Abläufe kennen und im Entwickeln und Einreichen von Ideen eine gewisse Routine entwickeln. Ideenmanagement entwickelt sich weiter – es wäre ja auch absurd, wenn der kontinuierliche Verbesserungsprozess von der kontinuierlichen Verbesserung ausgenommen wäre. Die tagesaktuellen Entwicklungen werden in Blogs zum Ideenmanagement vorgestellt, beide Herausgeber sind hier regelmäßig aktiv (http://www.blog.hlp.de und http://www. IdeenmanagementBlog.de). Auch für die grundsätzlichen Ansätze liegen Publikationen vor, zuletzt „Erfolgreiches Ideenmanagement in der Praxis“ (Schat 2017) aus dem gleichen Verlag. Für die mittelfristigen Entwicklungen gab es bislang keine Informationsquelle. Diese Lücke soll mit dem vorliegenden Band geschlossen werden. Ein großer Wissenschaftler des Ideenmanagements ist während der Erstellung dieses Bandes verstorben. Wir haben dieses Buch Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Prof. h. c. Norbert Thom gewidmet, dessen Arbeiten die wissenschaftliche Diskussion nicht nur zum Ideenmanagement in den letzten Jahrzehnten geprägt haben und in den nächsten Jahrzehnten prägen werden. Ideenmanagement profitiert immer wieder auch vom Blick von außen, den für diesen Band Jan Wörner, Generaldirektor der ESA (European Space Agency), beisteuert. Der erste Teil dieses Bandes gibt einen Einblick in die wissenschaftliche Entwicklung. Den Auftakt machen Jonas Markfort, Gerhard Kämpfer und Johannes Brombach, die an einem konkreten Beispiel das Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis darstellen.

 In diesem Vorwort und in einigen weiteren Texten dieses Bandes wird das generische Geschlecht verwendet, auch wenn alle Geschlechter gemeint sind. Dies dient lediglich der sprachlichen Vereinfachung und soll keineswegs den Beitrag von Ideenmanagerinnen, Einreicherinnen, Gutachterinnen und Frauen in Führungspositionen gemindert werden. 1

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Vorwort

Die Entwicklung der wissenschaftlichen Entwicklung wird in einem Gespräch zwischen Norbert Thom und Alexander Brem nachgezeichnet – nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Form eines innovativen Beitrags. Gute Ideen kommen häufig zustande, wenn sich unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen zusammensetzen. Wie dieses systematisch gelingen kann stellt Swetlana Franken (FH Bielefeld) dar. Werden wir auch in Zukunft Ideenmanagement betreiben? Wie könnte dies aussehen? Diese Frage behandelt Thomas Mühlbradt indem er die Entwicklung von Ideenmanagement in die Entwicklung von Wirtschaften überhaupt stellt. Ideenmanager arbeiten häufig als Einzelkämpfer oder in kleineren Einheiten. Sie können sich also kaum mit Kollegen aus der gleichen Organisation vergleichen. Wie ein Vergleich über die Organisationsgrenzen mit guten Kennzahlen funktionieren kann stellt Hans-Dieter Schat dar. Stärker in die Umsetzung gehen Till Suchsland und Martin Kloyer, die den Gedanken der Intrapreneurship durch das Ideenmanagement gefördert sehen. Der zweite Teil dieses Bandes kommt aus der Perspektive von Verbänden, Vereinigungen, Beratern und Multiplikatoren, die sich mit dem Ideenmanagement beschäftigten. Aus dem Bereich der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie kommen zwei Beiträge: Tobias Fastenrath greift das Thema der Diversität als fördernde Bedingung von Kreativität auf, während Mikko Börkircher einen Überblick über Ideenmanagement in der Verbandsarbeit gibt. Christoph Gutknecht und Klaus Heitmeyer geben die Zeitschrift „Ideen- und Innovationsmanagement“ heraus und skizzieren aus ihrer Sicht die Entwicklung des Ideenmanagements in Deutschland. Für die Schweiz ist die Entwicklung im Beitrag von Norbert Thom und Julia de Groote nachgezeichnet. Der nächste Schritt ist dann das internationale Ideenmanagement, welches Hartmut Neckel vorstellt. Als Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Verbandswelt stellt Patricia Stock vom REFA-Institut die Sicht ihres Verbandes vor. Im abschließenden großen Teil dieses Bandes werden aktuelle, aber auch über den Tag hinaus lesenswerte Beiträge aus der Praxis des Ideenmanagements vorgestellt. Gezieltes Marketing ist einer der starken Erfolgsfaktoren für das Ideenmanagement und der Titel des Betrags von Michael Lange (Weidmüller). Organisationen, die vor den Herausforderungen einer Softwareauswahl stehen erhalten in dem Beitrag von Nils Landmann (HLP) ein an eigene Bedürfnisse anpassbares Vorgehensmodell. Dieses hilft dabei, Fehlentscheidungen in der Auswahl zu vermeiden und ermöglicht eine für alle Beteiligten transparente Entscheidung. Einen umfassenden Einblick in das Ideenmanagement der Deutschen Bahn geben Thorsten Gänsch und Pia Schädler, die zeigen, wie dynamisch Ideenmanagement sich entwickelt, wenn sich die Rahmenbedingungen deutlich ändern. Claudia Damaska (AVL List) zeigt in einem sehr praxisnahen Beitrag auf, welche Bedeutung eine gute Kommunikation im Ideenmanagement hat. Christoph Hann von Weyhern (Hirschvogel Automotive Group) gibt einen Einblick, wie das Ideenmanagement in Zeiten des Wandels, vor dessen Herausforderungen aktuell nicht nur Automobilhersteller und ihre Zulieferer stehen, hinterfragt und neu aufgestellt werden

Vorwort

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kann. Wie eine solche Entwicklung sich im Einzelnen, konkret im Einsatz von Dialogformaten für die Ideengenerierung niederschlagen, zeigen Evelyn Firydus, Justin Krampe und Markus Lehleiter (Union Investment), dem folgt ein Plädoyer für ganz altmodische Kommunikation von Claudia Damaska (AVP). Change beeinflusst das Ideenmanagement, Change Management kann aber auch erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen, wie Olaf Melzer (Deutsche Bahn) und Hans-Dieter Schat zeigen. Als beste Führungskraft für das Ideenmanagement ausgezeichnet wurde Thomas Reisinger, der einen Abriss über das Ideenmanagement bei Infineon Austria gibt. In vielen Branchen hat Ideenmanagement inzwischen Einzug gehalten, so auch in die Gesundheitswirtschaft und in die öffentliche Verwaltung. Zur Gesundheitswirtschaft gibt Anja Rupprecht (Ottobock) einen Einblick, zur öffentlichen Verwaltung Gottfried Richenhagen und Hans-Dieter Schat (ifpm der FOM). Auch im Handwerk würde nicht jedermann das Ideenmanagement vermuten, doch finden sich hier interessante Ansätze, über die Hans-Rüdiger Munzke (Ingenieurbüro IdeenNetz) berichtet. Ein Bericht aus der chemischen Industrie von Heribert Töns (BASF Coatings) schließt die Reihe der Branchenüberblicke ab. Eine besondere Situation im Ideenmanagement hat Wilfried Peters (DieboldNixdorf) vor Augen, wenn er über den Neustart eines Ideenmanagements schreibt. Das Ideenmanagement kommt immer häufiger auch mit anderen Prozessen und Methoden in Berührung, die einen Bezug zu Ideen, Innovationen und Verbesserungen haben und es gibt hier in der Praxis einige vielversprechende Ansätze. Bernd Geisel (Mehrwertstatt) zeigt auf Basis langjähriger Erfahrungen in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und Konzernen Best Practices für die Zusammenführung von KVP und BVW zu einem erfolgreichen Ideenmanagement auf. Thomas Haumann (LBBW Baden-Württemberg) skizziert ein Best Practice aus der Finanzdienstleistungsbranche, das mit einem integrativen Ansatz nachhaltig exzellente Ergebnisse liefert und bereits mehrfach ausgezeichnet worden ist. Nils Landmann (HLP) stellt in seinem Beitrag Herausforderungen und Lösungsansätze für integrative Modelle vor. Michael Leitl (Tools of Innovators) zeigt auf, dass eine zielgesteuerte Generierung von qualitativ hochwertigen Ideen mit entsprechend geeigneten Methoden kein Hexenwerk, sondern Ergebnis eines zielgenauen Methodeneinsatzes ist. Einen stärkeren Überblickscharakter hat der Beitrag von Hans-Dieter Schat über die Schlüsselergebnisse der Ideenmanagement Studie 2018, die er gemeinsam mit Nils Landmann (HLP) durchgeführt hat. Ein großes Projekt wie dieser Herausgeberband ist immer eine Teamleistung. Wir bedanken uns bei allen Autoren – und bei allen Ideenmanagern, die mit uns ihre Ideen diskutiert haben, aber aus verschiedenen Gründen im vorliegenden Band nicht vertreten sind. Von Seiten des Springer-Gabler Verlages hat Rolf-Günther Hobbeling dies Projekt in einer sehr professionellen und angenehmen Atmosphäre begleitet, auch hierfür herzlichen Dank.

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Vorwort

Literatur Schat, H-D. 2017. Erfolgreiches Ideenmanagement in der Praxis. Springer Gabler. Wiesbaden Eschborn, Deutschland Essen, Deutschland

Nils Landmann Hans-Dieter Schat

Nachruf auf Prof. em. Dr. Norbert Thom, Universität Bern

Norbert Thom: Ein Ideengeber des Ideenmanagements Norbert Thom hat das Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum als herausragender Wissenschaftler über die letzten Jahrzehnte geprägt. Am 21. April 2019 ist Professor Norbert Thom im Alter von 72 Jahren verstorben. Der in Bayern geborene Norbert Thom, Jahrgang 1946, studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln. Hier promovierte und habilitierte er auch. Nach einer Lehrstuhlvertretung an der Justus-Liebig-Universität in Gießen (1984/85) und der Gründung und Leitung des Seminars für Unternehmungsführung und Organisation der Universität Freiburg/ Schweiz (1985–91) wurde er 1991 an die Universität Bern berufen, um das Institut für Organisation und Personal zu gründen. Diesem blieb er bis zu seiner Emeritierung 2012 mit großer Überzeugung treu. Hier fand er die für ihn stets besonders wichtigen Voraussetzungen für die Entfaltung seines außergewöhnlichen Leistungspotentials, eine Universität mit hoher wissenschaftlicher Qualität und ein Umfeld menschlicher Integrität mit Wertschätzung für seine Leistung. Das hieraus erwachsene Ergebnis kann nur als außerordentlich bezeichnet werden. Norbert Thom publizierte über 1000 größere und kleinere Beiträge von kurzen Fachkommentaren hin zu Fachbüchern und peer-reviewed Journal-Artikeln mit mehr als 120 Koautoren. Seine Beiträge wurden in 27 Sprachen inklusive aller vier Landessprachen der Schweiz übersetzt. Er wirkte in verschiedenen Funktionen der universitären Selbstverwaltung „seiner“ Universität Bern ebenso mit, wie in betriebswirtschaftlichen ­Fachgesellschaften. Seitens des Bundesrates wurde er in den Schweizerischen Wissenschaftsrat berufen. Seine fachliche und persönliche Anerkennung spiegelt sich in einer großen Zahl von Auszeichnungen XI

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Nachruf auf Prof. em. Dr. Norbert Thom, Universität Bern

und Ehrungen wider. Noch in diesem Jahr wurde ihm auf Initiative von Alexander Brem die Ehrenmitgliedschaft des in Nürnberg ansässigen „quer.kraft – der Innovationsverein e.V.“ angetragen. Zusätzlich benannte der Verein den jährlich für herausragende Arbeiten an Hochschulabsolventen verliehenen Preis nach ihm („Norbert-­Thom – Innovationspreis“). Ideenmanagement war stets eines der Themen, die Norbert Thom mit Leidenschaft – in Forschung und Praxis – pflegte. Bereits in seiner Dissertation mit dem Titel „Zur Effizienz betrieblicher Innovationsprozesse“ mit der er 1976 an der Universität zu Köln promoviert wurde, beschäftigte er sich mit dem Thema. Sprach er von seiner Alma Mater, der Universität zu Köln, fiel immer ein Satz: „Uni Köln: Gute Ideen seit 1388“. Seine damaligen Erkenntnisse hat er über Jahrzehnte weiterentwickelt, so dass sie auch heute noch aktuell sind. Auch nach seiner Emeritierung war Norbert Thom äußerst produktiv in seiner Publikationstätigkeit. Allein im vorliegenden Buch wirkte er an zwei Kapiteln mit (gemeinsam mit Julia de Groote: Ideenmanagement in der Schweiz: „Vergangenheit – Ist – Zukunft“ mit Alexander Brem: Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zum integrierten Ideenmanagement – Ein- und Ausblicke aus zwei Forschergenerationen). In diesen Beiträgen zeigt sich nicht nur seine kontinuierliche Publikations- und Forschungsaktivität, sondern auch zwei weitere Dinge, die ihm immer wichtig waren: Zum einen die kontinuierliche Weiterentwicklung von Themen und Ideen, zum anderen die Förderung nachkommender Generationen von Forschenden. In einem nur wenige Tage vor seinem Tode mit einem der Herausgeber der Zeitschrift „Ideen- und Innovationsmanagement“ geführten Interview (Klaus Heitmeyer: Die eigentliche menschliche Superleistung bleibt die Kreativität) äußerte sich Norbert Thom sehr zufrieden darüber, dass mit Julia de Groote das Thema am IOP der Uni Bern rechtzeitig eine engagierte Fortführung gefunden hat. In seinem Beitrag mit Alexander Brem in diesem Buch tritt er in den Dialog zwischen Forschergenerationen. Während seiner Zeit als Hochschullehrer leistete er einen großen Beitrag zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hochschulen in der Schweiz und im Ausland. Er erfreute sich stets an den vielen guten Beziehungen, die er über Jahre hinweg mit seinem akademischen Nachwuchs pflegte und die ihm bis zu seinem Tod gemeinsame, erfüllende Publikationsvorhaben und persönlichen Austausch ermöglichten. Um die Wichtigkeit der Nachwuchsförderung sichtbar zu unterstreichen, gründete Norbert Thom im Oktober 2016 die „Stiftung Norbert Thom“. Mit ihr wird der Zweck verfolgt, wissenschaftliche Arbeiten auf dem Fachgebiet „Public and Private Management“ auszuzeichnen, die an Schweizerischen Universitäten verfasst wurden. Norbert Thom war jedoch keineswegs nur Theoretiker. Er pflegte vielmehr stets den Austausch mit der Praxis. Mandate als Beirat in deutschen und schweizerischen Gesellschaften sowie verschiedene Berufungen in Verwaltungsräte schweizerischer Unternehmungen belegen, dass sein Sachverstand auch in der Praxis gesucht wurde. Wir werden Norbert Thom als eindrückliche, charismatische und gleichzeitig bescheidene Persönlichkeit in Erinnerung behalten, die seinen Wegbegleitern und der Disziplin des Ideenmanagements ein reiches Erbe hinterlassen hat. Er wird fehlen. Im Mai 2019, Julia de Groote, Alexander Brem, Christoph Gutknecht, Klaus Heitmeyer, Hans-Dieter Schat.

Inhaltsverzeichnis

Von der Idee zur ergonomischen Verbesserung – Ein Projekt bei Airbus. . . . . . . .   1 Johannes Brombach, Gerhard Kämpfer und Jonas Markfort 1 Einbeziehung der Mitarbeiter bei ergonomischen Fragestellungen������������������������   2 2 Methode der ergonomischen Beurteilung und nachhaltigen Verbesserung ������������   3 3 Ergebnisse eines Beispiels für die Entwicklung einer Kniehilfe ����������������������������   5 4 Diskussion und Ausblick�����������������������������������������������������������������������������������������   7 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������   7 Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zum integrierten Ideenmanagement – Ein- und Ausblicke aus zwei Forschergenerationen. . . . . . . .   9 Norbert Thom und Alexander Brem Weiterführende Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������  14 Diversity im Ideenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  17 Swetlana Franken 1 Ideen brauchen Vielfalt��������������������������������������������������������������������������������������������  18 2 Heterogene Teams brauchen Management��������������������������������������������������������������  20 3 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  22 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  23 Scientific Management – Die zweite Welle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 Thomas Mühlbradt Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  30 Benchmarking und Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  33 Hans-Dieter Schat 1 Benchmarking����������������������������������������������������������������������������������������������������������  34 2 Vergleichsgruppen für ein Benchmarking���������������������������������������������������������������  36 3 Kennzahlen��������������������������������������������������������������������������������������������������������������  44 4 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  48 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  49

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Inhaltsverzeichnis

Intrapreneurship durch Ideenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  51 Till Suchsland und Martin Kloyer 1 Intrapreneurship ������������������������������������������������������������������������������������������������������  52 2 Reifegrad������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  53 3 Handlungsleitende Bedürfnisse ������������������������������������������������������������������������������  54 4 Art der Idee��������������������������������������������������������������������������������������������������������������  55 5 Schrittweise Förderung von Intrapreneurship����������������������������������������������������������  55 6 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  59 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  61 Flucht aus der Gleichmacherei – mit Unterschiedlichkeit zu besseren Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  63 Tobias S. Fastenrath 1 Hoffnung auf „Geistesblitz“������������������������������������������������������������������������������������  64 2 Innere und äußere Denkschranken – Stabilität und Instabilität ������������������������������  64 3 Kreativität in Möglichkeitsräumen��������������������������������������������������������������������������  65 4 Broker, Creator und Owner – Kreativitätssteigerungen durch heterogene Teams����������������������������������������������������������������������������������������������������  66 5 Anwendung in der Praxis����������������������������������������������������������������������������������������  69 6 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  70 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  70 Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick. . . . . . . .  73 Mikko Börkircher 1 Einleitung����������������������������������������������������������������������������������������������������������������  74 2 Erfolg durch Ideen – Voraussetzungen im Verband schaffen����������������������������������  74 3 Aktivitäten des Verbandes in Bezug auf Ideenmanagement������������������������������������  75 4 Ausblick ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  83 Ideenmanagement in Deutschland – ein partizipatives und ganzheitliches Erfolgsinstrument. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  85 Christoph Gutknecht und Klaus Heitmeyer 1 Vom Vorschlagswesen zum Ideenmanagement��������������������������������������������������������  86 2 Suche nach Zielsetzungen����������������������������������������������������������������������������������������  87 3 Ideenmanagement und Betriebsverfassungsgesetz��������������������������������������������������  88 4 Software bringt Trendwende������������������������������������������������������������������������������������  89 5 Ideenmanagement und betriebliche Sozialpartnerschaft ����������������������������������������  90 6 Volatilität im Ideenaufkommen��������������������������������������������������������������������������������  90 7 Wertschätzendes Führungsinstrument���������������������������������������������������������������������  94 8 Integratives Ideenmanagement��������������������������������������������������������������������������������  94 9 Agiles Ideenmanagement����������������������������������������������������������������������������������������  95 10 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  96 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  96

Inhaltsverzeichnis

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Ideenmanagement in der Schweiz – Vergangenheit – Ist – Zukunft . . . . . . . . . . . .  99 Norbert Thom und Julia de Groote 1 Ideenmanagement in der Schweiz �������������������������������������������������������������������������� 100 2 Von der Vergangenheit zum Status Quo������������������������������������������������������������������ 100 3 Wichtige Gestaltungsmerkmale ������������������������������������������������������������������������������ 102 4 Gegenwart���������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 106 5 Implikationen für die Zukunft���������������������������������������������������������������������������������� 108 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 109 Ideenmanagement im internationalen Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Hartmut Neckel 1 Grundlegende Aspekte und Rahmenbedingungen �������������������������������������������������� 112 2 Prämierung im internationalen Kontext ������������������������������������������������������������������ 116 3 Kommunikation und Kooperation im internationalen Kontext�������������������������������� 120 4 Ländertypische Unterscheidungen�������������������������������������������������������������������������� 121 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 122 Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern. . . . . . . . . . . . 123 Patricia Stock 1 Ideenmanagement als Baustein des Produktivitätsmanagements���������������������������� 124 2 Integration des Ideenmanagements in den Prozess der Arbeitssystemgestaltung������������������������������������������������������������������������������������������ 128 3 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 132 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 133 Gezieltes Marketing im Ideenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Michael Lange 1 Hintergrund�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 136 2 Worum es geht �������������������������������������������������������������������������������������������������������� 136 3 Wie erreicht die Botschaft die Mitarbeiter?������������������������������������������������������������ 137 4 Analyse zur gezielten Marketingaktion ������������������������������������������������������������������ 140 5 Die demografische Analyse�������������������������������������������������������������������������������������� 141 6 Die geschlechterspezifische Analyse ���������������������������������������������������������������������� 141 7 Definition der Zielgruppe���������������������������������������������������������������������������������������� 142 8 Taktische Vorgehensweise���������������������������������������������������������������������������������������� 142 9 Kreativ-Tipps zur Entwicklung von Marketingaktionen:���������������������������������������� 144 10 Der Kommunikationsmix���������������������������������������������������������������������������������������� 144 Der Ideenmanager – Potenzialentfalter mit Methode. Praxiseinblick Deutsche Bahn AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Thorsten Gänsch und Pia Schädler 1 Markt und Umfeld beeinflussen die Entwicklung des Ideenmanagements ������������ 148 2 Professionalität ist Voraussetzung für den Unternehmenserfolg ���������������������������� 149 3 Neue Aufgaben für Ideenmanager �������������������������������������������������������������������������� 152 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 153

XVI

Inhaltsverzeichnis

Dialogformate für die Ideengenerierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Evelyn Firydus, Justin Krampe und Markus Lehleiter 1 Hintergrund�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 156 2 Definition und Einordnung�������������������������������������������������������������������������������������� 157 3 Typen von Dialogformaten�������������������������������������������������������������������������������������� 157 4 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 165 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 165 Bedeutung und Einsatz von Kommunikation im Ideenmanagement der AVL List GmbH – warum Kommunikation uns weiterbringen kann. . . . . . . . 167 Claudia Damaska 1 Einleitung���������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 167 2 Kommunikation – die Seele des Ideenmanagements���������������������������������������������� 168 3 Tu Gutes und sprich darüber! – Ergänzende Kommunikationsmaßnahmen������������ 170 4 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 170 Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Olaf Melzer und Hans-Dieter Schat Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 183 Die besten Unternehmensberater arbeiten im Reinraum – Ideenmanagement bei Infineon Austria. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Thomas Reisinger 1 Ausgangslage ���������������������������������������������������������������������������������������������������������� 186 2 Ideenmanagement bei Infineon Austria ������������������������������������������������������������������ 186 3 Die Rolle des Vorstands im Ideenmanagement�������������������������������������������������������� 188 4 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 190 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 190 Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Anja Rupprecht 1 Gesundheitswirtschaft���������������������������������������������������������������������������������������������� 194 2 Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft ���������������������������������������������������� 196 3 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 199 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 200 Ideenmanagement in Behörden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Gottfried Richenhagen und Hans-Dieter Schat 1 Besondere Eigenschaft öffentlicher Verwaltungen�������������������������������������������������� 202 2 Aktuelle Herausforderungen öffentlicher Verwaltungen ���������������������������������������� 202 3 Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen���������������������������������������������������� 203 4 Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen kontrastiert zu Ideenmanagement in Dienstleistungsbetrieben�������������������������������������������������� 206 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 209

Inhaltsverzeichnis

XVII

Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Hans-Rüdiger Munzke 1 Ausgangssituation von 20 Jahren���������������������������������������������������������������������������� 212 2 Ideen – „Starkes Handwerk. Starke Qualität.“�������������������������������������������������������� 217 3 Das Ziel lautet „Qualität“ – Eine systematische und kontinuierliche Weiterentwicklung des Ideenmanagements ist dabei von großer Bedeutung; Denn Qualität ist kein Zufall: Committed to Idea Excellence – Verfahren, der Exzellenz im Ideenmanagement verpflichtet!���������������������������������������������������� 218 4 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 220 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 221 Best Practice am Beispiel des Ideenmanagement der LBBW. . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Thomas Haumann 1 Wie kann so ein Aufbau erfolgen?�������������������������������������������������������������������������� 223 2 Ziele, Aufbau des Ideenmanagements der Landesbank Baden-­Württemberg������������������������������������������������������������������������������������������������ 225 3 Verzahnung der Methoden �������������������������������������������������������������������������������������� 225 4 Bewertung der Ideen������������������������������������������������������������������������������������������������ 226 5 Zusammenfassung���������������������������������������������������������������������������������������������������� 227 Das Ideenmanagement in Zeiten des Wandels am Beispiel eines Automobil­ ulieferers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Z Christoph Hann von Weyhern 1 Die Hirschvogel Automotive Group und ihre Herausforderungen�������������������������� 230 2 Was verstehen wir unter Verschwendung?�������������������������������������������������������������� 230 3 Das Ideenmanagement wirksam einsetzen�������������������������������������������������������������� 231 4 Die Verknüpfung des Ideenmanagements mit den Verschwendungsarten�������������� 232 5 Das Ideenmanagement als effektives Führungstool nutzen ������������������������������������ 233 6 Das Zusammenwirken von Ideen- und Innovationsmanagement���������������������������� 233 Ideenmanagement in der chemischen Industrie: Ein persönlicher Erfahrungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Heribert Töns 1 Historie�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 235 2 Einführung Gruppenarbeit/Shopfloor-Management Kaizen und KVP�������������������� 237 3 Quo Vadis? �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 238 Der Neustart eines Ideenmanagement – oder: warum Sysiphos der Schutzpatron der Ideenmanager sein könnte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Wilfried Peters 1 Woran scheitert ein Ideenmanagement�������������������������������������������������������������������� 240 2 Das Projekt�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 240

XVIII

Inhaltsverzeichnis

3 Rahmenbedingungen – von der Firmenkultur über die Qualität des Ideenmanagers bis zur eingesetzten Software �������������������������������������������������� 243 4 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 246 KVP und BVW wird Ideenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Bernd Geisel 1 Hintergrund ������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 248 2 Definitionen und Grundlagen���������������������������������������������������������������������������������� 248 3 Einführung eines modernen Ideenmanagements in einem Unternehmen mit vorhandenem BVW und KVP��������������������������������������������������������������������������������� 250 4 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 265 Literatur ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 265 Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Nils Landmann 1 Ideenmanagement Software – Auswahl und Einführung���������������������������������������� 268 2 Vorgehensmodell für die Softwareauswahl�������������������������������������������������������������� 269 3 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 278 Literatur ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 278 Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Hans-Dieter Schat 1 Grundlegende Kennzahlen�������������������������������������������������������������������������������������� 280 2 Erfolgsfaktoren�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 282 3 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 288 Literatur ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 289 Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen und Lösungsansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Nils Landmann 1 Integration von Ideenmanagement und Innovationsmanagement – warum?���������� 292 2 Integratives Prozessmodell für Ideen- und Innovationsmanagement���������������������� 292 3 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 301 Literatur ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 302 Professionalisierung der Ideengenerierung – Vom Geistesblitz zur guten Idee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Michael Leitl 1 Einleitung���������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 303 2 Bedingungen für Kreativität������������������������������������������������������������������������������������ 304 3 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 315 Literatur ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 315

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1

Abb. 4

Einbeziehung der Mitarbeiter vor und nach dem Start der Produktion. (Quelle: Stowasser et al. 2011) ����������������������������������������������������������������������  2 Vorgehensweise angewandter arbeitswissenschaftlicher Feldforschung. (Quelle: Strasser 2003) ����������������������������������������������������������������������������������  4 Eingabemaske der Körperhaltung bei der EMMA Methode. (Quelle: eigene Darstellung)��������������������������������������������������������������������������  5 Kniehilfe als Prototyp. (Quelle: eigene Darstellung)�������������������������������������  7

Abb. 1

Prinzipdarstellung des Bezugsrahmen. (Quelle: eigene Darstellung)������������ 12

Abb. 1

Ein einfaches lineares Modell. (Quelle: eigene Darstellung) ������������������������ 28

Abb. 1

Growth-Share-Matrix: Die Boston-Consulting Matrix. (Quelle: Henderson 1984, S. 58)�������������������������������������������������������������������� 38 Aktivitäten/Erfolg Matrix. (Quelle: eigene Darstellung)�������������������������������� 39 Realisierungsquote nach Aktivitäten/Erfolg Feldern. (Quelle: eigene Darstellung, Daten nach Landmann und Schat 2018)������������������������ 40 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr und Größe der Organisation, nach Aktivitäten/Erfolg Feldern. (Quelle: eigene Darstellung, Daten nach Landmann und Schat 2018) �������������������������������������������������������� 40 Realisierungsquote in Abhängigkeit von der Anzahl Ideen pro Mitarbeiter und Jahr in verschiedenen Clustern. (Quelle: eigene Darstellung, Daten nach Landmann und Schat 2018)������������������������������������ 43

Abb. 2 Abb. 3

Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4

Abb. 5

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4

Intrapreneurship-Prozess. (Quelle: Schießl 2015, S. 27 angelehnt an Süssmuth Dyckerhoff 1995, S. 55)������������������������������������������������������������ 53 Bedürfnispyramide nach Maslow. (Quelle: Schreyögg und Koch 2010, 196)���������������������������������������������������������������������������������������������� 54 Maßnahmen während der Reifegradentwicklung. (Quelle: eigene Darstellung)�������������������������������������������������������������������������� 60 Reifegradabhängig zu erwartende Relation von arbeitsplatz- zu organisationsbezogenen Ideen. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������ 61

XIX

XX

Abb. 1 Abb. 2

Abbildungsverzeichnis

Broker, Owner, Creator. (Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung nach Kruse 2007))����������������������������������������������������������������������������������������  69 Broker, Owner, Creator. (Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung nach Kruse 2007))����������������������������������������������������������������������������������������  69

Abb. 1

Methodenkarte „5S“ – Ordnung und Sauberkeit sind die Grundlage für eine fehlerfreie und übersichtliche Fertigung. So verbessern wir in 5 Schritten systematisch komplette Arbeitssysteme und Abläufe. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������  81

Abb. 1

Bedeutung der Ziele und Zielerreichung. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 17)����������������������������������������������������������������  88 Art und Basis der Prämierung. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 11)��������������  91 Anteil der Prämie an den erwarteten/erzielten Einsparungen. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 12)����������������������������������������������������������������  91 Vorschlagsquote nach Unternehmensgröße. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 8)������������������������������������������������������������������  92 Beteiligungsquote nach Unternehmensgröße. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 9)������������������������������������������������������������������  92 Beteiligungsquote nach Branchen. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 7)����������  93

Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3

Bezugsrahmen zum IM-Erfolg. (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Piening 2008, S. 117; Thom und Piening 2009, S. 173)�������������������������� 101 Hemmnisse eines erfolgreichen Ideenmanagements in der Schweiz. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf de Groote und Schell 2018) �������� 107 Erfolgsfaktoren eines erfolgreichen Ideenmanagements in der Schweiz. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf de Groote und Schell 2018) �������� 108

Abb. 1

Aufbau eines internationalen Ideenmanagements. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 113

Abb. 1

Der REFA-Standard „Planungssystematik. (Quelle: REFA 2018) �������������� 129

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4

Regelbrüche (Foto: unsplash.com). (Quelle: s. o.) �������������������������������������� 137 Ein Fest für Ihre Ideen. (Quelle: Weidmüller)���������������������������������������������� 138 Preisübergabe. (Quelle: Weidmüller)������������������������������������������������������������ 140 Die Kennzahlen-Analyse (dunkle Fläche = Altersklassen; helle Fläche = Einsparungen). (Quelle: eigene Darstellung)������������������������ 141 Kinderleicht: Ideen für unsere Zukunft. (Quelle: Weidmüller)�������������������� 143 Ideenmanagement Vorort. (Quelle: Weidmüller)������������������������������������������ 145

Abb. 5 Abb. 6 Abb. 1 Abb. 2

Trendübersicht. (Quelle: Eigene Darstellung)���������������������������������������������� 159 Gewährte US-Patente stiegen mit Zunahme der Vernetzung. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Uspto United States Patent and Trademark Office 2019; Jd/AFP/dpa 2011; Landesbildungsserver Baden-Württemberg o. J.; Sager 2008)�������������������� 160

Abbildungsverzeichnis

Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5

XXI

Einladung zur Innovare Veranstaltung. (Quelle: GTEC 2018) �������������������� 161 WorldCafé Aufbau Raum und Brainstormingkarte. (Quelle: Eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 162 Der Faktor Zeit bei der Weiterentwicklung von Ideen beeinflusst die Kosten pro Fehler. (Quelle: Eigene Darstellung)������������������������������������ 163

Abb. 1

Changephasen. (Quelle: Streich 2006, S. 45 sowie Streich 2016, S. 24)�������� 176

Abb. 1

Programme des Ideenmanagements bei Infineon Austria. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 187

Abb. 1

Überblick über die Branchen der Gesundheitswirtschaft. (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 2016)�������������������������������������� 194 Tätigkeitsfelder der Ottobock SE & Co. KGaA. (Quelle: Ottobock)���������� 195 Globale Branchenthemen in der Gesundheitswirtschaft. (Quelle: PwC Health Research Institute Analysis 2018)������������������������������ 196

Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1

Abb. 2

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 1 Abb. 2

Kennzahlen des Ideenmanagements in der Bundesverwaltung 2004 bis 2007. (Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 16/12570 vom 06.04.2009, S. 5)������������������������������������������������������������������ 204 Anzahl der Verbesserungsvorschläge pro 100 Mitarbeiter in verschiedenen Bundesverwaltungen. (Quelle: Bericht des Bundesministeriums des Innern an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages zum Ideenmanagement in der Bundesverwaltung, S. 3) ������������������������������������������������������������������������������ 205 Studienergebnisse vom Institut für mittelstandsorientierte Betriebswirtschaft (IMB) und der IHK Nordwestfalen zur Durchdringung der Ideenmanagement-Instrument im KMU, Teil 1 Betriebliches Vorschlagswesen und Teil 2 Beschwerdemanagement. (Quelle: eigenes Foto)���������������������������������������� 213 LEAN-Ideen-Management von der alltäglichen Prozessoptimierung im KVP über strukturierte Produktverbesserungen (Inkl. Service- und Dienstleistungsangebote) bis systematischen Innovationsentwicklung der genialen Mitarbeiteridee. (Quelle: Ideenmanagement in der Lebensmittelwirtschaft (Seite 42), Behr’s Verlag Hamburg, 2013)�������������� 218 Megatrends Globalisierung, Demografischer Wandel und Digitalisierung sind im Handwerk angekommen, Teilhabe und Ideen lösen die Herausforderungen (Menschen bewegen. Zukunft gestalten., Jahresbericht 2018 der Bertelsmann Stiftung: https://www.bertelsmannstiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/Infomaterialien/ IN_Jahresbericht_2018_DE_2019_04.02.pdf) �������������������������������������������� 219 Das Ideenmanagement der LBBW �������������������������������������������������������������� 224 Der LBBW VerbesserungsProzess���������������������������������������������������������������� 225

XXII

Abbildungsverzeichnis

Abb. 3 Abb. 4

Prämienmodell der LBBW �������������������������������������������������������������������������� 227 Jahresentwicklung nach Veröffentlichung Geschäftsbericht������������������������ 228

Abb. 1

Wirkrichtungen eines guten Ideenmanagements. (Quelle: Eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 249 Vergleich von Ideenmanagement Systemen mit geringem und starkem Einsatz aktiver Elemente. (Quelle: Landmann und Schat 2018, Tab. 13, S. 89) ���������������������������������������������������������������������������������������������� 250 Unterstützung durch das Top Management. (Quelle: Landmann und Schat 2018, Tab. 15, S. 105) ������������������������������������������������������������������������ 254 Bedeutung von Zielen im Ideenmanagement. (Quelle: Landmann und Schat 2018, Tab. 3, S. 48) ���������������������������������������������������������������������������� 255 Aufbau einer Ideenmanagement-­Organisation im Unternehmen. (Quelle: Eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 261

Abb. 2

Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4

Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7

Abb. 1 Abb. 2

Vorgehensmodell für die Softwareauswahl. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 269 Make or Buy Entscheidungskriterien. (Quelle: eigene Darstellung)������������ 271 Gliederungsstruktur für Anforderungen. (Quelle: eigene Darstellung)�������� 274 Beispiel eines Anforderungskatalogs für die Softwareauswahl. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 275 Grundlegende Kennzahlen für das Ideenmanagement. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 25)�������������������������������������������������� 281 Fünf einflussreichste Erfolgsfaktoren für das Ideenmanagement. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 44)�������������������������������������������������� 283 Erfolge von Ideenmanagement mit und ohne Ziele. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 48)�������������������������������������������������� 284 Erfolge von Ideenmanagement mit und ohne einen Ideenmanager, der als Prozess- und Methodencoach agiert. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 65, Ausschnitt)���������������������������������������������������������������������� 285 Erfolge von Ideenmanagement mit und ohne flexiblen Prozessen. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 75, Ausschnitt)������������������������������ 286 Erfolge von Ideenmanagement mit mehr und mit weniger aktiven Elementen. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 89, Ausschnitt)������������ 287 Erfolge von Ideenmanagement ohne Profitcenter und Ideenmanagement mit mindestens einzelnen Elementen des Profitcenter-Konzeptes. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 99, Ausschnitt)������������������������������ 288 Statistische Auswertung zur Prozessflexibilisierung. (Quelle: Landmann und Schat (2018), Tab. 10 auf S. 73)������������������������������������������ 293 Integriertes Prozessmodell für Ideen- und Innovationsmanagement. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 294

Abbildungsverzeichnis

Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6

XXIII

Klassischer BVW-Prozess innerhalb des integrierten Prozessmodells. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 295 Mögliche Gate Besetzungen nach der Phase Generieren. (Quelle: eigene Darstellung)������������������������������������������������������������������������ 298 Modell der normierten Nutzenbewertung. (Quelle: eigene Darstellung)�������� 299 Statistische Auswertung zur Prozessflexibilisierung. (Quelle: Landmann und Schat (2018), Tab. 8 auf S. 65)�������������������������������������������� 301 Unterschiede zwischen Ideenmanagement/BVW und Innovationsmanagement. (Quelle: eigene Darstellung)�������������������������������� 302 Stakeholder Map. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)���������������������������������������������������������������������������������������� 309 Das Persona-Template. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)�������������������������������������������������������������������������� 310 Wie könnten wir … – Template. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)�������������������������������������������������������������������������� 311 Empathiekarten. (Quelle: Tools of Innovators GmbH)�������������������������������� 312 Triz-Karten Beispiele. (Quelle: Tools of Innovators GmbH) ���������������������� 313 Konzeptskizze. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)���������������������������������������������������������������������������������������� 314

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Probleme und Vorteile von heterogenen Teams (in Anlehnung an Ladwig 2014, S. 380)����������������������������������������������������������������������������������  20 Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4

Reifegrad Phase I (eigene Darstellung)������������������������������������������������������������  56 Reifegrad Phase II (eigene Darstellung)����������������������������������������������������������  57 Reifegrad Phase III (eigene Darstellung)���������������������������������������������������������  58 Reifegrad Phase IV (eigene Darstellung)���������������������������������������������������������  59

Tab. 1 Voraussetzungen für Ideenmanagement bei einem Arbeitgeberverband – Beispiel: METALL NRW���������������������������������������������  75 Tab. 2 Acht Verschwendungsarten in administrativen Prozessen�������������������������������  76 Tab. 1 Ergebnis der Aktion „kinderleicht“������������������������������������������������������������������ 144 Tab. 1 Input des Ideenmanagements mit geringen / hohen Change-Management-Aktivitäten�������������������������������������������������������������������� 180 Tab. 2 Output des Ideenmanagements mit geringen / hohen Change-Management-Aktivitäten�������������������������������������������������������������������� 181

XXV

Von der Idee zur ergonomischen Verbesserung – Ein Projekt bei Airbus Johannes Brombach, Gerhard Kämpfer und Jonas Markfort

Inhaltsverzeichnis 1  Einbeziehung der Mitarbeiter bei ergonomischen Fragestellungen  2  Methode der ergonomischen Beurteilung und nachhaltigen Verbesserung  3  Ergebnisse eines Beispiels für die Entwicklung einer Kniehilfe  4  Diskussion und Ausblick  Literatur 

 2  3  5  7  7

Zusammenfassung

Bei der Umsetzung einer ergonomischen Verbesserung entstehen nicht selten Herausforderungen. So kann eine kleine Veränderung im Kontext der Produktion eines komplexen Produkts starke Auswirkungen haben. Um unerwarteten Effekten vorzubeugen, wird ein ganzheitlicher Verbesserungsansatz gewählt und es werden alle beteiligten Mitarbeiter von Anfang an mit in den Entstehungsprozess der Verbesserung einbezogen. Mit Hilfe einer Airbus-spezifischen Screening-Software wird der ergonomische Ist-Zustand erfasst und zu verbessernde Arbeitsplätze werden im Detail analysiert. Ein Arbeitsplatz wird anschließend unter Berücksichtigung ergonomischer Erkenntnisse und unter Anwendung agiler Planungsmethoden nachhaltig verbessert, wobei insbesondere die Entwicklung einer Kniehilfe thematisiert wird. J. Brombach (*) · J. Markfort Hochschule München, Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen, Arbeitswissenschaft und angewandte Ergonomie, München, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] G. Kämpfer AIRBUS Helicopters Deutschland GmbH, Donauwörth, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_1

1

2

1

J. Brombach et al.

 inbeziehung der Mitarbeiter bei ergonomischen E Fragestellungen

In Wissenschaft und Praxis besteht Einigkeit darüber, dass die richtige Einbeziehung der Mitarbeiter über alle Positionen im Unternehmen hinweg eine wichtige Voraussetzung für die kontinuierliche Verbessrung darstellen. In Abb.  1 (vgl. Stowasser et  al. 2011) wird dargestellt, dass sich die Mitarbeiter sowohl in der vertikal dargestellten Ebene des Produktentstehungsprozesses als auch in dem horizontal versinnbildlichten Kernprozess einbringen können. Im Produktentstehungsprozess können vor dem Start der Produktion mit den Mitarbeitern bereits Simulationen durchgeführt werden. Es können entsprechende Tools zusammen mit Fertigungs- oder Montagespezialisten genutzt werden, um das Produkt besser zu gestalten oder die Prozesse können mit den Verantwortlichen spielerisch durchgeführt und überprüft werden (z. B. mit einem Produktionsplanspiel). Dabei werden die Mitarbeiter schon frühzeitig auf anstehende Veränderungen eingestimmt und können ihre eigenen Ideen und Vorstellungen einbringen, sodass eine evtl. vorhandene Voreingenommenheit gegenüber anstehenden Veränderungen nachhaltig begegnet werden kann. In diesem ­Zusammenhang ist es aus der Erfahrung heraus sehr wichtig, offen mit den Mitarbeitern über Möglichkeiten und Grenzen, bzw. den Zeitraum der möglichen Umsetzung ihrer Ideen zu sprechen. Änderungen am Produkt selber ziehen je nach der Art des Produkts oft sehr große Veränderungsmaßnahmen mit sich. Bei unterschiedlich langem Produktlebenszyklus können gute Ideen recht schnell und z. B. schon bei der nächsten Generation von Produkten umgesetzt werden. Es gibt aber auch Produkte, bei denen Änderungen über Jahre hinweg nicht vorgenommen werden können. Durch die sehr langen und aufwändi-

Abb. 1  Einbeziehung der Mitarbeiter vor und nach dem Start der Produktion. (Quelle: Stowasser et al. 2011)

Von der Idee zur ergonomischen Verbesserung – Ein Projekt bei Airbus

3

gen Zulassungsverfahren in der Luftfahrt lassen sich Änderungen am Produkt selber häufig nicht schnell und unkompliziert vornehmen. Änderungen nach dem Start der Produktion sind fast immer möglich und nicht selten auch nötig, um z. B. einen Prozess zu stabilisieren oder effektiver und effizienter zu gestalten. Hier können die Mitarbeiter unter verschiedenen Zielsetzungen eingesetzt werden und dazu beitragen letztlich ihre eigne Zukunft mitzugestalten. Ergonomische Verbesserungen der Arbeitsbedingungen sind für den Verbesserungsprozess ein besonderes Thema (vgl. Brombach und Leisgang 2017). Hier sind die Mitarbeiter selber aufgefordert Vorschläge zu machen, wie sich Ihre Arbeitssituation positiv verändern kann. Viele aktuelle Berichte beschäftigen sich mit der grundsätzlichen Organisation von Workshops und dem Gedanken des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) sowie dessen Institutionalisierung. Trotzdem treten teilweise Schwierigkeiten auf. Nicht selten werden nach erfolgreichen Workshops z. B. noch lange Zeit Listen geführt, die dann nicht weiterverfolgt werden. Für die Mitarbeiter sehr unzufrieden stellend ist es außerdem, wenn in manchen Fällen eine Produktionshilfe bestellt und bereitgestellt wird, die das eigentliche Problem nicht löst oder beim Einsatz dann andere Schwierigkeiten macht, an die zuvor nicht gedacht wurden. Aus Sicht der Autoren hängt die Art des Umgangs mit dem zu verbessernden Bereich letztlich von der Komplexität der Veränderungen ab. Können in einem Workshop z. B. mit den Mitarbeitern bereits Verbesserung mit geringem Aufwand umgesetzt werden, so schafft das bei Einhaltung der notwendigen Standards in Hinsicht auf Qualität und Arbeitssicherheit ohne Zweifel einen großen Nutzen. Betrachtet man vereinfachend zunächst nur die ergonomischen Bereiche Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsumgebung und Arbeitsorganisation und sind nur einzelne Bereiche betroffen und Interaktionen zwischen den Bereichen nicht zu erwarten, so kann evtl. ein Testversuch und eine gezielte Evaluation der neuen Bedingungen bereits Grundlage für eine erfolgreiche Veränderung sein. Beispielsweise wird ein neues Werkzeug (d. h. ein Arbeitsmittel) erfolgreich zum Einsatz gebracht und ersetzt ein aus ergonomischer Sicht evtl. weniger geeignetes Produkt. Leider sind in der Ergonomie aber monokausale Beziehungen eher die Ausnahme und scheinbar kleine Veränderungen können z. T. unerwartete Effekte hervorrufen. Die Menschen empfinden das Zusammenspiel der Arbeitsbedingungen also vielmehr ganzheitlich und können Veränderungen nicht selten auch erst nach Ablauf einer längeren Arbeitsdauer wirklich beurteilen.

2

 ethode der ergonomischen Beurteilung und nachhaltigen M Verbesserung

Bei ergonomischen Verbesserungen sind drei Ebenen der Betrachtung in Felduntersuchungen nach Strasser (2003) zu beachten. Dabei sind arbeitswissenschaftliche Grund­ lagen, die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und die betrieblichen Forderungen zu ­berücksichtigen (vgl. Abb.  2). Aufbauend auf arbeitswissenschaftlichen Analysen

4

J. Brombach et al.

Arbeitswissenschaftliche Analysen Arbeitswissenschaftliche Grundlagen

Arbeitsphysiologische und ergonomische Untersuchungen

Arbeitnehmerbedürfnisse

Sozialwissenschaftliche Befragungen

Betriebliche Forderungen

Technischorganisatorische Maßnahmen

e its Arb

Sollzustand der Arbeitsbedingungen

z plat

tel

smit Arbeit

Arbeitsablauf Arbeit Arb eits

sumge bung

inh alt

Überprüfung der Anpassung Arbeit Mensch

Abb. 2  Vorgehensweise angewandter arbeitswissenschaftlicher Feldforschung. (Quelle: Strasser 2003)

(z. B. Arbeitsphysiologische Untersuchungen und ggf. sozialwissenschaftliche Befragungen) wird ein bestmöglicher Sollzustand beschrieben und in Bezug auf den Arbeitsbedingungen (Arbeitsplatz, -mittel, -ablauf, -umgebungen und die Arbeitsinhalte) umgesetzt. Aus dem Vorgehen können nur Erkenntnisse gezogen werden, wenn dieser Sollzustand erneut analysiert und beurteilt wird. Um tief greifende Veränderungen zu gestalten oder eine lange bekannte und bisher nicht einfach lösbare Situation nachhaltig zu verändern, bietet es sich an, einen projektorganisatorischen Lösungsansatz zu wählen und agile Planungsmethoden zur Anwendung zu bringen. Um die ergonomischen Bedingungen zu bewerten, wird bei Airbus ein speziell für die Montage von Luftfahrzeugen entwickeltes Screeningverfahren eingesetzt. Dieses orientiert sich an den sog. Leitmerkmalmethoden (LMM) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (vgl. Caffier et al. 1999). Die Methode „Ergonomie Merkmal Methode Airbus“ (EMMA) wurde dabei u. a. um weitere Körperhaltungen ergänzt, die für den Flugzeugbau typisch sind. Außerdem ist eine exaktere Evaluation des Arbeitsplatzes durch eine detailliertere Auswahl der ergonomischen Parameter möglich (Abb.  3). So kann ­beispielsweise die Rumpfhaltung bei der EMMA Methode in eine von zehn Kategorien eingestuft werden, während bei der LMM nur vier Kategorien zur Verfügung stehen. Das Ergebnis eines Arbeitsplatzes wird wie in der LMM über eine Ampel visualisiert. Außerdem werden die Arbeitsplatzbewertungen für die Gefährdungsbeurteilung herangezogen und die Pflichten des ArbSchG, bzw. der LasthandhabV umgesetzt. Die von Airbus weiterentwickelte Methode wurde validiert, um sicher zu stellen, dass die Ergebnisse mit denen der LMM übereinstimmen. (vgl. Fuchs et al. 2016)

Von der Idee zur ergonomischen Verbesserung – Ein Projekt bei Airbus

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3: Körperhaltung

Rumpfhaltung Armhaltung Wirbelsäule Beugehaltung Wirbelsäule Torsion Lastenschwerpunkt

Abb. 3  Eingabemaske der Körperhaltung bei der EMMA Methode. (Quelle: eigene Darstellung)

Mit Hilfe der Ergebnisse können nun gezielt Arbeitsplätze zur Verbesserung ausgewählt werden. Der im nächsten Kapitel näher betrachtete Arbeitsplatz des Avionikeinbaus wird als „belastend“ klassifiziert und entspricht damit der höchsten Risikokategorie. Damit eine Überbeanspruchung des Mitarbeiters vermieden werden kann, muss dieser Arbeitsplatz umgestaltet werden.

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 rgebnisse eines Beispiels für die Entwicklung einer E Kniehilfe

In dem nun folgenden Beispiel sollen die bisherigen Ausführungen veranschaulicht werden. Es geht dabei um eine sog. Kniehilfe, die für einen Arbeitsplatz entwickelt wird, an dem die Avionik des Hubschraubers in das Cockpit eingebaut wird. Die einzubauenden Geräte umfassen u.  a. Instrumente für die Flugüberwachung, das Funkgerät sowie die Triebwerkschalteinheit. Diese Geräte müssen mit der Cockpitwanne verschraubt und an Signal- und Erdungskabeln angeschlossen werden. Damit die Kabel der Instrumente mit dem Kabelbaum des Hubschraubers verbunden werden kann, muss die Cockpitwanne bereits im Hubschrauber verbaut sein. Der Mitarbeiter befindet sich während des Prozesses im Fersensitz. Grundsätzlich ist die statische Muskelarbeit bzw. die Dauerkontraktion der Muskeln in einer schlechten Körperhaltung sehr ungünstig (vgl. Schlick et al. 2018). Weiterhin wird das Gewicht des Körpers über Knie und Füße in den Boden abgeleitet. Die sich hierbei ergebenden Kontaktflächen zwischen Bein und Boden sind klein und es resultiert ein hoher Druck in den Knie- und Fußgelenken. Durch den hohen Druck in den Gelenken und eine schlechte Durchblutung ist eine starke Beanspruchung zu befürchten. Physiologische Hintergründe und typische Erkrankungen werden in diesem Zusammenhang in der

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J. Brombach et al.

Literatur beschrieben (vgl. u. a. Ditchen 2012; Liebers und Caffier 2009). Das Anschließen der Avionik nimmt schließlich mit zwei bis drei Schichten einen erheblichen Zeitraum in Anspruch und wird von einem Mitarbeiter alleine ausgeführt. Änderungen an der Hubschrauberkonstruktion sind – wie oben bereits angesprochen – auf Grund der umfangreichen Zulassungsprozesse sehr aufwändig und benötigen eine lange Vorlaufzeit. Damit die Gesundheit der Mitarbeiter erhalten bleibt und sie dadurch ihren Aufgaben so lang wie möglich nachgehen können, sind sofortige korrektive Maßnahmen notwendig. Bei der folgenden Verbesserung handelt es sich deshalb um eine korrektive Maßnahme nach dem Produktionsstart (SOP). Zielsetzung für die geplante Verbesserung war es die Maßnahme zeitnah umgesetzt, die Mitarbeiter an den Arbeitsplätzen von Beginn an mit einzubeziehen und möglichst agil zu planen. Zu Beginn der Entwicklung bestand nur eine ungefähre Vorstellung über ein mögliches Hilfsmittel. Produkte, die es bereits auf dem Mark gab, konnten durch die besondere Situation bei der Hubschrauber-Montage (z. B. räumliche Enge und Qualitätsaspekte) nicht eingesetzt werden. Aufgrund der Komplexität und der möglichen Auswirkungen einer Veränderung begann das Projekt deshalb mit einem intensiven Gedankenaustausch mit den Beteiligten aus der Montagelinie und dem Werkzeugbau sowie der Arbeitsmedizin und den Lieferanten. Anschließend wurden verschiedene Konzepte einer Kniehilfe mit diversen Modulen nachgebildet. Die Konzepte wurde mit den Beteiligten evaluiert und verbessert. Dabei wurden die Randbedingungen, wie maximale/ minimale Höhe der Sitzfläche festgelegt. Bei der Auslegung stand stets der Mensch im Mittelpunkt, damit die Kniehilfe an seine individuellen Bedürfnisse angepasst wird und sich nicht der Nutzer an die Kniehilfe anpassen muss. Zudem wurde bei der Auslegung darauf geachtet, dass die Nutzbarkeit der Kniehilfe sowohl von kleinen als auch großen Mitarbeitern gewährleistet ist. Zur Erreichung dieses Ziels, wurde das weibliche 5. Perzentil als unterer Grenzwert und das männliche 95. Perzentil als oberer Grenzwert definiert. Dadurch sind ca. 95 % aller Nutzer miteinbegriffen. Mit Hilfe der Daten aus der DIN 33 402-2 konnten nun die genauen Abmessungen definiert werden. In einer anschließenden Simulation mit Hilfe des Catia-Moduls „Human Builder“ wurde die Nutzbarkeit des 5. und 95. Perzentils überprüft (siehe Abb. 4 (rechts)). In der Anwendung setzt sich der Nutzer mit seinem Gesäß auf die Sitzfläche, ähnlich eines Pferdesattels. Jedoch werden die Unterschenkel nicht hängengelassen, sondern auf die an der Seite befindlichen Keile gelegt (siehe Abb. 4 (links)). Sämtliche Flächen, mit denen der Nutzer Kontakt hat, sind anatomisch geformt und gepolstert. Dadurch werden punktuelle Druckmaxima vermieden und das Kissen passt sich den individuellen ­Abmessungen des Nutzers an. Die Sitzfläche fällt nach vorne hin ab, um den nach vorne gebeugten Mitarbeiter zu unterstützen. Durch die Benutzung der Kniehilfe vergrößert sich der ursprünglich spitze Winkel im Kniegelenk auf ca. 45°. Des Weiteren findet eine Entlastung der Fußgelenke durch das Eliminieren der überstreckten Winkel statt. Ein Großteil der Körpermasse wird nun über die Sitzfläche in den Boden geleitet und nicht mehr ausschließlich über die Knie und Füße. Zudem wird das nun verminderte Gewicht auf Knie und Füße auf eine größere Auflagefläche der Unterschenkel übertragen. Der daraus resultierende geringere Druck auf die Gelenkknorpel in Knie und Fuß vermindert das Risiko einer Überbelastung.

Von der Idee zur ergonomischen Verbesserung – Ein Projekt bei Airbus

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Abb. 4  Kniehilfe als Prototyp. (Quelle: eigene Darstellung)

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Diskussion und Ausblick

Der Einsatz der Prototypen wird vor Ort getestet und mit den Verantwortlichen (u. a. Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin, Engineering und Qualität) im Detail analysiert und besprochen. Im nächsten Schritt werden die Erfahrungen der Nutzer mit den Prototypen anhand einer strukturierten Befragung analysiert und nötigenfalls weitere Änderungen vorgenommen. Mit dieser Maßnahme können die ergonomischen Bedingungen in der Endmontage aus Sicht des Projektteams kurzfristig und effektiv verbessert werden. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. Über die Abteilungsgrenzen hinaus findet das Projekt großes Interesse und soll weiterverfolgt werden. Neben den guten Erfahrungen in Bezug auf die ergonomische Verbesserung durch die entstandene Kniehilfe war es dem Management besonders wichtig, dass sich die Mitarbeiter zu Beginn an einbringen konnten. Eine weitere methodische Vertiefung und inhaltliche Verstärkung ergonomischer Themen sind ­geplant.

Literatur Brombach, J. und M. Leisgang, Ergonomie in der Klein- und Serienfertigung In: Köther und Meier (Hrsg.): Lean Production für variantenreiche Kleinserienfertigung, Springer, Berlin, 2017. Caffier, G.; Steinberg, U.; Liebers, F.: Praxisorientiertes Methodeninventar zur Belastungs- und Beanspruchungsbeurteilung im Zusammenhang mit arbeitsbedingten Muskel-Skelett-­Erkrankungen. 1. Auflage. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1999. (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschungsbericht, Fb 850) Ditchen, D.: Erfassung arbeitsbedingter Kniebelastungen an ausgewählten Arbeitsplätzen (IFA Report 2/2012). Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2012. ISBN: 978-3-86423-033-2

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J. Brombach et al.

Fuchs, K.; Sonntag, N.; Schnalke, G. und A. Jacobsen, Die Produktionsergonomie im demografischen Wandel aus: Herbstkonferenz 2016, Hamburg: Fokus Mensch im Flugzeugbau Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., Dortmund (Hrsg.) – Beitrag A.2 Liebers, F., & Caffier, G. (2009). Berufsspezifische Arbeitsunfähigkeit durch Muskel-Skelett-­ Erkrankungen in Deutschland (No. Projekt F 1996) (S. 244). Dortmund, Berlin, Dresden: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Schlick, C., Bruder, R., & Luczak, H. (2018). Arbeitswissenschaft (4. Auflage). Berlin: Springer. Stowasser, S.; Brombach, J. und S. Rottinger: Mitarbeiterbeteiligung und Personalentwicklung in Produktionssystemen. In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (Hrsg.): Mensch, Technik, Organisation – Vernetzung im Produktentstehungs- und -herstellungsprozess. Bericht zum 57. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft vom 23.–25. März 2011. Dortmund Strasser, H.: Work Physiology and Ergonomics in Germany: From the Past to Future Challenges. Occupational Ergonomics 3 (1) 19–44 (2003)

Prof. Dr.-Ing. Johannes Brombach  hat besondere Arbeitsschwerpunkte in den Bereichen. Ergonomie, Industrial Engineering, Prozessoptimierung und Projektmanagement. Gerhard Kämpfer,  Senior Ergonomist bei Airbus Helicopters Jonas Markfort,  Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule München

Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zum integrierten Ideenmanagement – Ein- und Ausblicke aus zwei Forschergenerationen Norbert Thom und Alexander Brem

Inhaltsverzeichnis Weiterführende Literatur 

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Zusammenfassung

Das Ideenmanagement und dessen Vorläufer, das Betriebliche Vorschlagswesen, gelten mit Fug und Recht als eine Keimzelle der Betriebswirtschaftslehre, denn bereits im 19. Jahrhundert haben sich Bürger, Politiker und Unternehmer Gedanken gemacht, wie die Ideen der Mitarbeitenden in der sich beginnenden Industrialisierung bestmöglich genutzt werden können. Vor diesem Hintergrund haben wir uns als zwei Generationen von Forschern zu einem wissenschaftlichen Gespräch verabredet, um Ein- und Ausblicke auf das Ideenmanagement zu geben: Norbert Thom (NT), geboren 1946, und Alexander Brem (AB), geboren 1979.

Der 2019 verstorbene Prof. Dr. Dr. hc. mult. Norbert Thom war bis zu seiner Emeritierung 2012 Gründungsdirektor des Institut für Organisation und Personal der Universität Bern. N. Thom Institut für Organisation und Personal, Universität Bern, Bern, Schweiz A. Brem (*) Lehrstuhl für Technologiemanagement, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fürth, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_2

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N. Thom und A. Brem

NT: Es ist erfreulich, dass wir uns zu diesem Thema zusammengefunden haben. Das Ideenmanagement war zeitlebens Teil meiner wissenschaftlichen Karriere und auch meiner Leidenschaft. AB: Das geht mir genauso. Als ich mit meiner Promotion im Jahr 2004 begann, war das Ideenmanagement gerade dem Betrieblichen Vorschlagswesen entwachsen, so zumindest mein Eindruck. Verbindet man doch mit dem Betrieblichen Vorschlagswesen noch den klassischen Briefkasten im Unternehmen. NT: Das stimmt. Die neuen Technologien der letzten Jahrzehnte haben einiges verändert. AB: Das ist vielleicht auch schon ein erster wichtiger Punkt. Ein Briefkasten für das Betriebliche Vorschlagswesen muss auch im Jahr 2019 nicht falsch sein, es kommt eben auf den Kontext an. In einem Produktionsunternehmen macht es sicherlich wenig Sinn, an der Produktionslinie nur noch Computer oder Tablets aufzustellen, weder aus Kostensicht noch unter dem Aspekt der Benutzerfreundlichkeit. NT: Es gibt durchaus viele Unternehmensbereiche, in welchen sich das Betriebliche Vorschlagswesen dank der Technologie zum Ideenmanagement gewandelt hat. Die Demokratisierung der Technologie öffnet neue Wege der Partizipation und des Wissensmanagements. AB: In der Tat. Das Ideenmanagement unterscheidet sich insofern vom Betrieblichen Vorschlagswesen, dass es einerseits nicht nur um Ideen von Mitarbeitenden geht, die von intern kommen. Auch externe Gruppen wie Kunden oder Lieferanten können über moderne Ideenmanagementsysteme ihre Vorschläge an Unternehmen weitergeben. Zum anderen besteht sicherlich auch eine Abgrenzung durch die Berücksichtigung von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, was im Betrieblichen Vorschlagswesen klas­si­scherweise nicht berücksichtigt wird. NT: In diesem Zusammenhang hat die Internationalisierung große Auswirkungen gehabt. Früher war man an einen Standort gebunden. Heutzutage können sich Ideenmanager weltweit austauschen. Die Speicherung von Ideen und die Austauschmöglichkeiten kennen keine Grenzen mehr. Durch moderne IT-Systeme werden zeit- und geldverschwen­ derische Aktivitäten und Recherchen sowie Fehler tendenziell vermieden. AB: Anhand aktueller Entwicklungen zum Schlagwort Big Data kann man hier natürlich ganz andere Potenziale realisieren. Semantische Analysen können in Bruchteilen einer Sekunde Millionen von früheren, gespeicherten Ideen durchforsten. Das steigert die Effizienz enorm. Aber auch außerhalb des Unternehmens können neue Tools wie Crowdsourcing oder Crowdfunding ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. NT: Ja, die Digitalisierung ermöglicht es, das Ideenmanagement zu erweitern. Ich denke zum Beispiel an das Thema „Ideenbewertung“: suchte man früher in Bibliotheken und heute bei Google, so kann man vielleicht morgen schon bei der Eingabe der Idee sehen, ob irgendwo ein Ansatz oder eine Idee bereits vorhanden sind. Das wäre eine sehr positive Evolution. AB: Allerdings! Und natürlich könnte man auch eine der größten Herausforderungen des Ideenmanagements angehen: wie kann man Ideen schnell und fair bewerten? Das

Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zum integrierten Ideenmanagement – Ein- und …

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Vorgesetzten- und das Kommissionsmodell sind hier sicherlich noch vorwiegend im Einsatz. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die dort beteiligten Personen zum einen wenig Motivation haben und zum anderen oft nicht in der Lage sind, die Ideen fair und kompetent zu bewerten. Neuerdings höre ich auch vom Einsatz von sogenannten „Prediction Markets“ in Unternehmen, welche dieses Problem ein stückweit lösen sollen. Hierbei werden virtuelle Aktienmärkte gebildet, wobei die Teilnehmer (in diesem Fall die anderen Mitarbeitenden) Aktien kaufen und den Kurs der Idee beeinflussen können. Somit kann man von der demokratischen Ideenbewertung profitieren, welche gleichzeitig auch das Know-how der Mitarbeitenden wertschätzt. NT: Bei all der Technologie muss der Mensch im Mittelpunkt stehen. Das gilt sowohl für den Mitarbeitenden als Ideengeber, als auch für den Manager als Verantwortlichen für die Behandlung der Idee, denn das Ideenmanagement bedarf eines ständigen, konstruktiven Dialogs. Es ist wie mit vielen anderen Dingen im Leben: man muss immer im Dialog bleiben, um sich wirklich zu verstehen. AB: Das ist ein wichtiger Punkt, auch im Ideenmanagement „menschelt“ es. Hier möchte ich auch einen Punkt benennen, der in der öffentlichen Diskussion oft zu kurz kommt. Beauftragte für das Betriebliche Vorschlagswesen und Ideenmanager mussten in der Vergangenheit häufig mit dem Stigma umgehen, dass sie in diese Abteilung „abgeschoben“ oder „wegbefördert“ worden sind. Für einige Personen mag das sicherlich zugetroffen haben, doch für die große Mehrheit der Verantwortlichen ist das eine Beleidigung. Denn das haben so ziemlich alle Studien im Ideenmanagement gemein: die Person des Ideenmanagers spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Ideenmanagements. Nur wenn der Ideenmanager mit Hingabe, Engagement und Leidenschaft zu Werke geht, wird das Ideenmanagement weiter erfolgreich sein. Ich sage hierzu immer, dass das Ideenmanagement dann tot ist, wenn man meint, nun laufe es von selbst. Insofern muss das Ideenmanagement immer wieder mit Kampagnen im positivsten Sinne „getrieben“ werden. NT: Im Laufe meiner vielen Forschungsjahre haben wir etliche Ideenmanagementsysteme analysiert. Der Faktor Mensch, mit seinen Eigenschaften wie Kreativität und Innovationsbereitschaft, hat immer eine zentrale Rolle eingenommen. Die Erfolgskriterien haben wir in einem Bezugsrahmen zusammengefasst, dessen Grundidee wir im Folgenden kurz erläutern. Aber zunächst einmal die Ergebnisse zusammengefasst in Abb. 1. Vom Ergebnis her gesehen ist es klar, dass das Ideenmanagement effizient gestaltet sein muss. Dies lässt sich an verschiedenen Kennzahlen festmachen, wie z. B. den Einsparungen. Um diese Effizienz zu erreichen, müssen Ziele definiert werden, zu deren Erreichung verschiedene Aktionsparameter zur Verfügung stehen. Beispielsweise wird die Motivation der Mitarbeitenden durch materielle und immaterielle Anreize gesteuert. Diese spezifischen Ziele finden sich entsprechend im unternehmerischen Gesamtsystem wieder, wobei hier die Organisationsstruktur mit der Unternehmenskultur und dem Ziel- und Strategiesystem des Unternehmens zusammentreffen. Wie gut diese Aktionsparameter zusammenspielen, hängt maßgeblich von internen Faktoren wie den betrieblichen und personellen Bedingungsgrößen ab, z.  B. der Branche oder dem Qualifikationsniveau der

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N. Thom und A. Brem

Einfluss durch die Umwelt

Einfluss durch

Generelle Führungs-

Betriebsmerkmale

instrumente

(Ziele, Strategien, Organisationsstruktur, Unternehmenskultur)

Einfluss durch

Personenmerkmale

Instrumente des Ideenmanagements

z. B. Kommunikation, Organisation, Anreize, Kennzahlen

Effizienz Abb. 1  Prinzipdarstellung des Bezugsrahmen. (Quelle: eigene Darstellung)

Beschäftigten. Zu guter Letzt beeinflusst natürlich auch das Unternehmensumfeld ganz wesentlich alle Aktionsparameter, vor allem in unserer heutigen, schnelllebigen Zeit. AB: Das ist sicherlich sehr hilfreich, um die unternehmerische Perspektive zu erläutern. Wollen wir darauf basierend einmal in die Zukunft schauen und die wesentlichen Trends skizzieren. Folgende Trends haben wir zusammen identifiziert und diskutiert: 1. Trend: Nachhaltigkeit Umwelt- und Klimaschutz gewinnen noch mehr an Bedeutung. Schon heute lassen sich mit dem Ideenmanagement ökologische Ziele verfolgen. Ein weiterer Ausbau in dieser Richtung ist möglich und ratsam, da das Thema Nachhaltigkeit in immer breiteren Gesellschaftsschichten ankommt. 2. Trend: Effizienz Material- und Energieeffizienz werden (noch) wichtiger. Hier liegen hervorragende Chancen für berechenbare Verbesserungsvorschläge und somit auch für eine bessere Sichtbarkeit des Ideenmanagements. Wenn die Ideen gut kalkulierbar sind, erreichen sie leichter die Aufmerksamkeit des obersten Managements. 3. Trend: Demografie Wir werden mehr ältere und weniger jüngere Beschäftigte haben. Das Ideenmanagement muss darauf Rücksicht nehmen. Durch die veränderte Altersstruktur in den deutschsprachigen Ländern rücken Medizin- und Gesundheitsprodukte in den Fokus. Ältere

Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zum integrierten Ideenmanagement – Ein- und …

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­ itarbeitenden haben eine größere Affinität zu diesen Produkten. Wir wissen allerdings, M dass die Bereitschaft, Verbesserungsvorschläge einzureichen, mit zunehmendem Dienstalter abnimmt. Diese Mitarbeitergruppe muss also speziell angesprochen und motiviert werden. 4. Trend: Individualität Es wird einen Ausbau der kundenindividuellen Massenproduktion geben. In gewisser Weise ist dies bereits der Fall, wenn Konsumenten Einfluss auf den Produktionsprozess nehmen können. Man spricht deshalb auch von Prosumenten. Dies bedeutet letztlich, dass das Ideenmanagement noch stärker mit Open-Innovation-Konzepten verbunden werden muss. Auch bei dieser Art der Produktion bleibt viel Wissen Mitarbeitergebunden. Das implizite Wissen bei den Mitarbeitenden muss in explizites Wissen umgewandelt werden, also in konstruktive Verbesserungsvorschläge münden. 5. Trend: Kollaboration Es wird mehr Vernetzung über Unternehmens-, Markt- und Landesgrenzen hinweg geben. Deshalb sind flexible sowie virtuelle Organisationsformen im Vormarsch. Das Ideenmanagement muss mit anderen Innovationsinstrumenten kompatibel sein. Aber nicht nur das: die Zeiten des einen Ideenmanagementbeauftragten, der allein das Ideenmanagement treibt und verantwortet, werden vorbei sein. Sowohl unternehmensintern, als auch unternehmensextern muss viel mehr zusammengearbeitet werden. 6. Trend: Dienstleistungen Die Industrie wird mehr Verbünde mit wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen (z. B. Ingenieurbüros, Versicherungen, Banken, Softwareherstellern) eingehen. Bei Nutzung des dadurch erhöhten Ideenpotenzials kann sich die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Bei den Dienstleistungsunternehmen besteht die Chance, dass sie im Ideenmanagement industrielles Niveau erreichen. In der forschungsintensiven Industrie sind die Kennzahlen für ein Ideenmanagement immer noch am besten erfüllt. 7. Trend: Export Die Importanteile am Export der deutschen Industrie werden steigen. Ein Beispiel ist der Automobilbau, wo viele Teile im Ausland produziert und dann in Deutschland in das Endprodukt integriert werden. Das Ideenmanagement ist ein Vorzeigeinstrument der deutschen Industrie. In kaum einem anderen Land ist es so weit verbreitet. Es könnte bei den ausländischen Partnern weiter ausgebaut werden, um weitere Potenziale zu realisieren. Kulturelle Unterschiede müssen jedoch berücksichtigt werden. 8. Trend: Schutzrechte Die Sicherung des geistigen Eigentums wird in einer globalisierten Welt noch wichtiger, denn auch Entwicklungsländer legen immer mehr Wert auf Schutzrechte. Hier muss das

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N. Thom und A. Brem

Ideenmanagement eine Vorreiterrolle übernehmen. Falls keine klaren Regelungen getroffen werden, wird es leicht zum Streit kommen und Zukunftspotenziale werden verschenkt. 9. Trend: Start-Ups Die wirklich neuen, revolutionären Ideen kommen oft von Start-Ups. Das hat auch die Industrie erkannt. Die Kooperation von etablierten Großunternehmen mit Start-Ups ist eine neue Herausforderung, aber auch eine große Chance. Mit neuen Verbesserungsvorschlägen sollen die verschiedenen Kulturen miteinander verknüpft werden. Die Großunternehmen müssen schneller gute Ideen von den kleinen Partnern aufnehmen, also flexi­ bler reagieren. Hier liegen neue Möglichkeiten für das Ideenmanagement in der Zukunft. Auch kleine und mittlere Unternehmen haben gute Chancen und vor allem einen Vorteil: durch kurze Entscheidungswege können solche Kooperationen mit Start-ups viel schneller umgesetzt werden. 10. Trend: Digitalisierung Die Digitalisierung ist der wohl wichtigste Trend. Warum kommt dieser zum Schluss? Weil die Digitalisierung alle anderen Trends mit beeinflusst und steuert. Denn die „Industrie 4.0“ basiert auf einem großen Digitalisierungsschub sowie starken elektronischen Datennetzen. Maschinen kommunizieren miteinander und mit Menschen. Es kommt zum Einsatz sensitiver Robotersysteme, wodurch neue ethische Fragen aufkommen. Insofern bietet die Digitalisierung die Chance für das Ideenmanagement, effizienter zu werden. Gleichzeitig kann das Ideenmanagement aber auch zum Werkzeug werden, genau diese Digitalisierung im Unternehmen zu steuern und zu treiben. Unser Fazit: Das Ideenmanagement hat in Zukunft große Chancen, wenn es sich kontinuierlich weiterentwickelt. Der weiteren Forschung in diesem Themengebiet sind keine Grenzen gesetzt.

Weiterführende Literatur Brem, A., & Voigt, K. I. (2007). Betriebliches Vorschlagswesen, holistisches Ideenmanagement und die Rolle von Best Practice: Hintergrund, Konzept und Umsetzung in der Praxis. In Vorausschau Und Technologieplanung, 131–154, HNI-Verlagsschriftenreihe. Brem, A., & Voigt, K. I. (2007). Innovation Management in Emerging Technology Ventures – The Concept of an Integrated Idea Management. International Journal of Technology Policy and Management, 7(3), 304–321. Brem, A., & Voigt, K. I. (2007). Betriebliches Vorschlagswesen, holistisches Ideenmanagement und die Rolle von Best Practice: Hintergrund, Konzept und Umsetzung in der Praxis. In Vorausschau Und Technologieplanung (pp. 131–154). HNI-Verlagsschriftenreihe. Brem, A., & Voigt, K. I. (2009). Integration of market pull and technology push in the corporate front end and innovation management – Insights from the German software industry. Technovation, 29(5), 351–367.

Vom Betrieblichen Vorschlagswesen zum integrierten Ideenmanagement – Ein- und …

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Brem, A., & Ziegler, S. (2009). Implementierung eines Integrierten Ideenmanagements unter besonderer Berücksichtigung anreiz- und motivationstheoretischer Aspekte – Eine explorative Studie. Ideenmanagement, 35(2). Brem, A., Bilgram, V., & Marchuk, A. (2017). How crowdfunding platforms change the nature of user innovation – from problem solving to entrepreneurship. Technological Forecasting and Social Change. Gerlach, S., & Brem, A. (2018). Idea management revisited: A review of the literature and guide for implementation. International Journal of Innovation Studies, 1(2), 144–161. Horn, C. F., & Ivens, B. S. (2015). Corporate prediction markets for innovation management. In Adoption of Innovation (pp. 11–23). Springer, Cham. Lettau, R., Vollrath, O., & Brem, A. (2018). Integriertes Ideenmanagement in der Praxis – ­Generierung von neuen Service-, Produkt – und Geschäftsmodellinnovationen durch Kundenintegration am Beispiel von Krankenversicherungen. In Entrepreneurship im Gesundheitswesen II (pp. 237–265). Springer Gabler, Wiesbaden. Maier, M., Vollrath, O., & Brem, A. (2018). Der ldeengutachter. Zeitschrift für Ideen- und Innovationsmanagement, (2), 39–43. Männer, A. L., Bilgram, V., & Brem, A. (2012). Regulatory Push/Pull: Neue Impulse für das Innovationsmanagement. Ideenmanagement, 38(2), 64–67. Thom, N. (2010). Ideenmanagement ist Chefsache-Standpunkt. Zeitschrift Führung+ Organisation, 79(1), 35–37. Thom, N. (2014). Erkenntnisse und Perspektiven zum Ideenmanagement. Einsichten eines Managementforschers. Management des Wandels im Kontext der Innovation, hrsg. von Swetlana Franken, Aachen (Shaker Verlag), 80–102. Thom, N. (2015). Idea management in Switzerland and Germany: Past, present and future. Die Unternehmung, 69(3), 238–254. Thom, N. (2017). Ideenmanagement im Zeichen verschiedener Megatrends. Ideen & Management: Materialien für nachhaltige Unternehmensführung, (03–04), 4–7. Thom, N., & Etienne, M. (1997). Betriebliches Vorschlagswesen: Vom klassischen Modell zum modernen Ideen-Management. Wirtschaftsstudium WISU, 26(6), 564–570. Thom, N., & Piening, A. (2009). Vom Vorschlagswesen zum Ideen- und Verbesserungsmanagement. Kontinuierliche Weiterentwicklung eines Managementkonzepts, Bern. Thom, N., & Piening, A. (2012). Neueste Entwicklungstendenzen im Ideenmanagement (pp. 65–96). Haupt Verlag. Vollrath, O., Maier, M., & Brem, A. (2015). Der Ideengutachter: Aufgaben und Anforderungen im Ideenmanagementprozess. HR-Performance, 1(2015), 58–60. Voigt, K. I., & Brem, A. (2005). Integriertes Ideenmanagement als strategischer Erfolgsfaktor junger Technologieunternehmen. In Integriertes Ideenmanagement (pp. 175–200). Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden.

Prof. Dr. Norbert Thom,  Prof.h.c. et Dr.h.c.mult., erhielt seine wissenschaftlichen Qualifikationen an der Universität zu Köln. Norbert Thom war emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre und Ehrenprofessor. Bis zu seiner Pensionierung im Sommer 2012 lehrte er an der Universität Bern Betriebswirtschaftliche Organisationslehre und Personalwesen. Norbert Thom verfügt über einen Doktor- und drei Ehrendoktortitel. An der Uni Bern gründete er das Institut für Organisation und Personal, zudem war er Mitbegründer des Kompetenzzentrums für Public Management. In Verwaltungsräten von internationalen Industriebetrieben förderte Prof. Thom das Ideenmanagement.

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N. Thom und A. Brem

Prof. Dr. Alexander Brem  ist Inhaber des Lehrstuhls für Technologiemanagement an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Des Weiteren ist er Visiting Professor/ Associate Faculty an der EADA Business School (Barcelona, Spanien) und der Handelshochschule Leipzig sowie International Resarch Associate an der DeMontford University (Leicester, UK). Zum 1. Mai 2017 wurde er zum Honorarprofessor an der University of Southern Denmark (SDU) ernannt. Zu den Forschungsschwerpunkten von Professor Brem gehören neben dem klassischen Technologie- und Innovationsmanagement auch Kreativität sowie Entrepreneurship.

Diversity im Ideenmanagement Swetlana Franken

Inhaltsverzeichnis 1  Ideen brauchen Vielfalt  1.1  Die Vielfalt der Kunden erfordert vielfältige Ideen  1.2  Perspektivenvielfalt als Voraussetzung für Kreativität 2  Heterogene Teams brauchen Management  2.1  Einflussfaktoren auf die Innovationskraft von heterogenen Teams  2.2  Vielfaltgerechte und -fördernde Führung für mehr Ideen  3  Fazit  Literatur 

 18  18  19  20  21  21  22  23

Zusammenfassung

Empirische Studien und Publikationen belegen, dass Diversity in Teams zu mehr Kreativität und Innovation führen kann, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen, wie strukturelle (z. B. Gruppenzusammensetzung) und Prozessfaktoren (Kommunikation, Zielsetzung). Damit die Vielfalt ihre Vorteile im Ideenmanagement entfalten kann, brauchen heterogene Teams ein gezieltes Management und ein neues Führungsverständnis, vor allem einen transformationellen Führungsstil und Wertschätzung der Individualität.

S. Franken (*) Bereich Wirtschaft, Fachhochschule Bielefeld, Bielefeld, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_3

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S. Franken

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Hintergrund: Auswirkungen der Diversität auf Unternehmen Bedingt durch gesellschaftliche Veränderungen, wie Alterung der Gesellschaft, Einwanderung und zunehmendes Arbeitsengagement der Frauen, werden sowohl die Kunden als auch die Beschäftigten von Unternehmen zunehmend heterogen. Mit Diversity sind Unterschiede zwischen Personen gemeint, die sich auf demografische Variablen wie Alter, Geschlecht, kulturelle Herkunft, Persönlichkeitseigenschaften, Wertehaltungen oder auch den fachlichen Erfahrungshintergrund beziehen. Diese Unterschiede bringen ein größeres Spektrum an Erfahrungshintergründen und Betrachtungsperspektiven mit sich und stellen dadurch ein Potenzial für kreatives Denken und innovative Problemlösungen dar. Allerdings belegt empirische Forschung, dass Diversity nicht automatisch zu einer höheren Innovationskraft führt und dass unterschiedliche Diversity-Merkmale unterschiedliche Wirkungen haben (vgl. Kearney 2013). In der organisationswissenschaftlichen Forschung dominieren zwei theoretische Perspektiven, die widersprüchliche Vorhersagen zu den Effekten von Diversity zulassen: Die Informations- und Entscheidungs-Perspektive geht davon aus, dass der erweiterte kognitive Ressourcenpool in heterogenen Teams einen positiven Effekt auf die Leistung von Teams besitzt, die Perspektive der sozialen Kategorisierung hingegen fokussiert mögliche negative Effekte von Heterogenität in Teams durch die Bildung von Subgruppen (vgl. Boerner et al. 2017). In weiteren Ausführungen wird aufgezeigt, unter welchen Bedingungen sich die Kreativitäts- und Innovationspotenziale der Vielfalt für die Ideengenerierung erschließen lassen.

1

Ideen brauchen Vielfalt

1.1

D  ie Vielfalt der Kunden erfordert vielfältige Ideen

Die Märkte und Kunden von Unternehmen werden aufgrund von internationalen Aktivitäten, Globalisierung und Migrationsprozessen immer heterogener. Um ihre Bedürfnisse adäquat zu verstehen, braucht man vielfältige Perspektiven und multimodale Wahrnehmungen – die externe Diversität des Marktes muss in der internen Diversität der Belegschaft widergespiegelt werden. Spezifische Kompetenzen, Erfahrungen und Sichtweisen vielfältiger Beschäftigten in der Produktentwicklung, im Marketing und im Kundendienst helfen einem Unternehmen, wettbewerbsfähige Produkte in neuen Märkten anzubieten, wirksame Werbebotschaften zu formulieren und höhere Kundenzufriedenheit zu erreichen (vgl. ausführlicher Franken 2015). Beispiele

Henkel nutzt Vielfalt als Quelle für Innovation und Kreativität. Die Erfahrungen, das Wissen und die Kreativität der vielfältigen Beschäftigten sind die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Als globales Unternehmen beschäftigt Henkel Mitarbeiter aus 120 Nationen in mehr als 75 Ländern. Der Anteil von Frauen in Führungsposition beträgt 34,5 Prozent. Für Henkel basiert der Erfolg auf einem starken

Diversity im Ideenmanagement

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globalen Team und einer vielfältigen Belegschaft, die das Unternehmen nach vorne bringt. Vielfalt und eine wertschätzende Unternehmenskultur werden als zentrale Treiber für Kreativität, Innovationen und Erfindungen angesehen (vgl. Henkel 2018). Repräsentative Befragung zu den Vorteilen der Vielfalt Eine repräsentative Befragung von Führungs- und Fachkräften der deutschen Unternehmen zu den Vorteilen der Vielfalt in Unternehmen hat belegt, dass neben dem Kreativitätsargument und Rekrutierungsargument vor allem das Marketingargument eine wesentliche Rolle spielt – Vielfalt macht es einfacher, die Bedürfnisse verschiedener Kundengruppen zu verstehen (vgl. Bessing und Lukoschat 2013, S. 174). Insbesondere die global agierenden Großkonzerne betrachten Diversity als Wettbewerbsfaktor und nutzen die Vielfalt zur Steigerung ihrer Performance. Diese Unternehmen versuchen, mittels Diversity Management die Heterogenität der Mitarbeiterschaft wirtschaftlich zu nutzen, indem sie in wachsendem Maße vielfältige Mitarbeiterschaften auf internationalen Märkten agieren lassen. So können neue Marktsegmente gewonnen sowie Service, Kundenzufriedenheit und Unternehmensimage verbessert werden (vgl. Gutting 2012). Daimler Benz

Für Daimler ist Diversity ein Wettbewerbsfaktor. Mit mehr als 289 Tsd. Mitarbeitenden aus über 160 Ländern ist Daimler eine sehr lebendige und bunte Mischung aus Kulturen, Kompetenzen, Perspektiven und Lebensweisen. Die Vielfalt steigert das Innovationspotenzial und die Kreativität des Unternehmens, sie hilft einzelne Kundengruppen besser zu verstehen und zu erschließen (vgl. Porth 2018). Diversität dient als Quelle für mehr Kreativität und Innovation und sollt bei der Gestaltung des Ideenmanagements gezielt gefördert werden.

1.2

P  erspektivenvielfalt als Voraussetzung für Kreativität

Gemischte Teams verfügen über enorme Chancen und Potenziale für kreative Ideen, denn verschiedene Perspektiven, Hintergründe und Expertise-Bereiche liefern mehr Lösungsvorschläge für Probleme. Unterschiedliche Denkweisen, Erfahrungen und Problemlösungsansätze sorgen für kreativere Ideen, machen Lösungsansätze handfester, da sie sich im Vorfeld mit verschiedenen Argumenten auseinandersetzen müssen. Die Chance ­voneinander zu lernen steigt, Diskussionen werden lebhafter und ausgewogener (vgl. Grabmeier 2017). Der erweiterte kognitive Ressourcenpool in heterogenen Ideenteams übt einen positiven Effekt auf die Leistung von Teams aus. So bringen Mitglieder mit verschiedenen sozio-­demographischen Hintergründen, Ausbildungswegen und Persönlichkeiten unterschiedliches Wissen, unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven ins Team ein. Gemäß der Theorie von Teams als Informationsverarbeitungssystemen sollte die Neu- und

S. Franken

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Re-Kombination dieser informationellen Ressourcen ein synergistisches Potenzial freisetzen, das zu ausgewogeneren Entscheidungen, kreativeren Lösungen und letztlich einer höheren Performanz als in homogenen Teams führt (Boerner et al. 2017). Insbesondere bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen scheint Diversity eine wichtige Rolle zu spielen. Diese radikale Art der Innovation erfordert wie keine andere einen frischen Blick in Kombination mit Erfahrung, einen außerordentlichen Mut gepaart mit Bodenständigkeit und Vorsicht. Deswegen ist bei der Generierung von neuen Geschäftsmodellen eine Zusammenarbeit von jüngeren und älteren Beschäftigten, von Männern und Frauen, von Spezialisten mit technischem und nicht-technischem Hintergrund etc. notwendig. In einer Untersuchung wurden positive Auswirkungen von altersgemischten Gruppen auf die Geschäftsmodellinnovationen belegt: Für die Innovationsentwicklung in Unternehmen, von der Initiierungs- bis hin zur Umsetzungsphase, ist sowohl aktuelles Fachwissen jüngerer Mitarbeiter als auch Erfahrungswissen älterer Mitarbeiter relevant. Durch ein Öffnen von Innovationsprozessen im Zuge des Open Innovation Konzeptes können Unternehmen aktiv ältere und jüngere Mitarbeiter in Innovationsaktivitäten einbeziehen. Entscheidend ist es, dabei das Wissen und die Erfahrungen älterer und jüngerer Mitarbeiter gleichermaßen zu berücksichtigen (Ebel und Leimeister 2015). Allerdings sind Synergieeffekte der Diversität bei der Ideengenerierung kein Automatismus, man braucht einen bewussten Umgang mit der Vielfalt, um ihre Vorteile zu ­erschließen.

2

Heterogene Teams brauchen Management

Die Vielfalt in einem Team kann wegen verschiedener Einstellungen, Werte und Normen zu Missverständnissen, Kommunikationsproblemen und Konflikten zwischen einzelnen Beschäftigten oder Subgruppen führen. Wenn sich innerhalb von Arbeitsgruppen Subgruppen bilden, die wenig Kontakt zu einander haben oder gar in Konflikt geraten, leiden darunter Leistung und Arbeitszufriedenheit. Andererseits bringt die Vielfalt verschiedene Sichtweisen und Erfahrungen mit sich, die sich auf die Leistungen und Kreativität positiv auswirken können (vgl. Tab. 1). Es gibt einige Variablen, die den Zusammenhang zwischen Diversity und Innovation bestimmen, die entsprechend gestaltet werden sollen, damit die Vielfalt ihre Vorteile entfaltet. Tab. 1  Probleme und Vorteile von heterogenen Teams (in Anlehnung an Ladwig 2014, S. 380) Probleme Verringerung der Gruppenzusammengehörigkeit durch Misstrauen, Kommunikationsprobleme, Stress Folgen: fehlende Konsensfähigkeit, Probleme im Arbeitsablauf, unbrauchbare Ideen, geringe Fokussierung auf gemeinsames Ziel

Vorteile Erhöhung der Kreativität: vielfältige Betrachtungsperspektiven, mehr und bessere Ideen, weniger Gruppenuniformität Folgen: bessere Problemdefinition, mehr Alternativen, ausgewogenere Entscheidungen, bessere Kompromisse

Diversity im Ideenmanagement

2.1

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E  influssfaktoren auf die Innovationskraft von heterogenen Teams

Gruppen- bzw. Teamkreativität ist an bestimmte Ressourcen und Prozesse gebunden, insb. an personenbezogenen Ressourcen wie Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Fähigkeiten und Intelligenz, Alter der Gruppenmitglieder, Motivation, strukturellen Ressourcen wie Gruppenstruktur, Gruppengröße und Kontextfaktoren wie Art und Komplexität der Aufgabe, ausgewählte Merkmale der Organisation (Hubounig et al. 2013). Verschiedene Literaturquellen und empirische Studien legen nahe, dass sowohl die Gruppenzusammensetzung als auch die Prozessmerkmale von Teams eine bedeutsame Rolle für Kreativität und Innovation spielen. Menschen mit unterschiedlichen demografischen Merkmalen bringen verschiedene Werte, Perspektiven und Herangehensweisen mit, deren Kombination für Innovation notwendig ist, und die Führungskräfte sollten darauf achten, bei der Zusammensetzung von Teams alle Dimensionen der Diversität, wie demografische (Alter, Geschlecht) und funktionale (Ausbildungshintergrund, Funktion) zu berücksichtigen. In einem heterogenen Team darf keine Gruppe dominant hervortreten, ein ausgeglichenes Verhältnis ist wichtig. Die Aufgabenzuteilung durch die Führungskraft sollte nicht gemäß den gängigen Stereotypen erfolgen, man sollte stereotype Muster aufbrechen (Welpe et al. 2018, S. 71, 93). Zu den Prozessmerkmalen für die Innovationsfähigkeit von heterogenen Teams zählen insbesondere gute Kommunikationsstrukturen innerhalb und zwischen Gruppen, Unterstützung für Innovationsbestrebungen und das Vorhandensein einer Gruppenvision (Hülsheger et al. 2013). Deswegen sollten kreativitätsfördernde Faktoren Kommunikation und Zielsetzung gestaltet werden, was in erster Linie an dem Teamleiter liegt. Mit diesen Maßnahmen kann dem Gruppendenken und den Konflikten vorgebeugt werden, die die Arbeit in heterogenen Gruppen erschweren können (Hubounig et al. 2013). Eine intensive Kommunikation trägt dazu bei, dass verschiedene Meinungen ausdiskutiert werden. Ein ­proaktives Konfliktmanagement – anstatt Konflikte unter den Teppich zu kehren – ermöglicht konstruktive und sachliche Auseinandersetzungen. Diese Beispiele zeigen, dass heterogene Teams eine geeignete Führung benötigen, um ihre Potenziale bei der Ideengenerierung zu entfalten.

2.2

V  ielfaltgerechte und -fördernde Führung für mehr Ideen

Die Realisierung positiver Diversity-Effekte scheint hauptsächlich von den Rahmenbedingungen abhängig zu sein, wobei insbesondere Führungskräften in Teams eine zentrale Rolle zugeschrieben wird. Für die Erschließung von Potenzialen der Diversität spielt eine vielfaltgerechte und -fördernde Führung eine entscheidende Rolle. Nach Meinung von Grabmeier (2017) kristallisieren sich für die Praxis zusammengefasst vier Maßnahmen heraus, damit heterogene Teams gut funktionieren:

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• Gemeinsamkeiten betonen, Unterschiede überbrücken, indem man ein gemeinsames Ziel formuliert und immer wieder ins Gedächtnis ruft. • Vor allem überzeugte Mitarbeiter auswählen, denn die Diversitätsüberzeugung spielt eine wichtige Rolle für das Funktionieren des Teams. • Positive Erfahrungen fördern, indem man gemischte Teams bildet und für deren Erfolg sorgt. Intensive Kommunikation von Erfolgen im Unternehmen. • Als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen, eigene Diversitätsüberzeugungen reflektieren. Dabei helfen das kontinuierliche Feedback und der offene, transparente Dialog mit den Beschäftigten. Einige Studien belegen, dass die etablierten Führungsstile (transformationale Führung und beziehungsorientierte Führungsstile) zwar grundsätzlich zum Erfolg heterogener Teams beitragen können, allerdings dann besonders effektiv sind, wenn die Führungskräfte die einzelnen Teammitglieder zusätzlich als Individuen wahrnehmen und ihren Führungsstil speziell auf das jeweils kritische Diversity-Merkmal abstimmen (Boerner et al. 2017). Führungskräfte heterogener Teams stehen außerdem vor der Herausforderung, Tendenzen zur sozialen Kategorisierung zu minimieren und den Wissensaustausch zwischen den Teammitgliedern zu stimulieren. Dies kann nur gelingen, wenn Führungskräfte einen Zusammenhalt innerhalb des gesamten Teams schaffen, ohne dabei die Individualität der einzelnen Teammitglieder zu vernachlässigen. Für die Entfaltung von Kreativitätspotenzialen der Vielfalt ist eine wertschätzende Haltung einer Führungskraft ausschlaggebend, die jeden Menschen als potenziellen Ideengeber erkennt und fördernde Rahmenbedingungen für die gemeinsame Ideenarbeit gestaltet.

3

Fazit

Die zunehmende Vielfalt der Kunden, Märkte und Belegschaften erfordert eine gezielte Beschäftigung mit der Diversität im Ideenmanagement. Verschiedene Studien belegen, dass heterogene Teams zu mehr Kreativität und innovativen Ideen beitragen können, allerdings entstehen diese Vorteile nicht automatisch, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen wie optimale Gruppenzusammensetzung, klare Zielsetzung, Förderung der Kommunikation und des Wissensaustausches, transformationaler Führungsstil, Wertschätzung der Individualität. Unter diesen Bedingungen können vielfältige Gruppen ihre Vorteile bei der Generierung von neuen Ideen für vielfältige Kunden und Märkte entfalten, insbesondere für Geschäftsmodellinnovationen.

Diversity im Ideenmanagement

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Literatur Bessing, N.; Lukoschat, H. (Hrsg.) (2013). Innovation durch Perspektivenvielfalt: Impulse für die industrielle Praxis aus der Gender- und Diversity-Forschung. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich. Boerner, S.; Hüttermann, H.; Reinwald, M. (2017). Effektive Führung heterogener Teams. Wie kann das Erfolgspotential von Diversity genutzt werden? In: Gruppe. Interaktion. Organisation: Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO); 48 (2017), 1. – S. 41–51. Ebel, P.; Leimeister, J.M. (2015). Gemeinschaftliche Geschäftsmodellentwicklung – Wie in heterogenen Teams innovative Geschäftsmodelle geschaffen werden können. In: J. M. Leimeister et al. (Hrsg.), Innovieren im demografischen Wandel, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 97–123. Franken, S. (2015). Personal: Diversity Management. Studienwissen kompakt. Wiesbaden: Springer Gabler. Grabmeier, S. (2017). Heterogene Teams bilden und führen  – Diversity Faultline Ansatz. https:// grabmeier.kienbaum.com/2017/09/15/heterogene-teams-bilden-und-fuehren-diversity-faultline-ansatz/ Gutting, D. (2012). Diversity Management als Führungsaufgabe. In: Grote, S. Die Zukunft der Führung, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 119–129. Henkel (2018). Diversity & Inclusion. https://www.henkel.de/unternehmen/diversity-and-inclusion (19.10.2018) Hubounig, S.; Ingrassia, S.; Krause, D. E. (2013). Kreativitätsbarrieren in Gruppen und ihre Überwindung, In: Krause, D. E. (Hrsg.). Kreativität, Innovation, Entrepreneurship, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 93–112. Hülsheger, U.R.; Maier, G.W.; Anderson, N. (2013). Innovation in Gruppen und Teams, In: Krause, D. E. (Hrsg.). Kreativität, Innovation, Entrepreneurship, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 175–191. Kearney, E. (2013). Diversity und Innovation, in: Krause, D.  E. (Hrsg.). Kreativität, Innovation, Entrepreneurship, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 193–213. Ladwig, D. H. (2014). Team Diversity Management – Die Führung gemischter Teams. In: L. von Rosenstiel, E. Regnet, & M. E. Domsch (Hrsg.), Führung von Mitarbeitern (S. 379–390). Stuttgart: Schäffer Poeschel. Porth, W. (2018). Vielfalt steigert unser Innovationspotenzial. Interview für zfo 04/2018 (87 Jg.), S. 240–242. Welpe, I. M.; Brosi, P. & Schwarzmüller, T. (2018). Digital Work Design. Die Big Five für Arbeit, Führung und Organisation im digitalen Zeitalter. Frankfurt/New York: Campus.

Prof. Dr. Swetlana Franken  hat Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften studiert und über Innovationsmanagement promoviert. Seit 2008 ist sie als Professorin für BWL, insb. Personalmanagement an der FH Bielefeld tätig. Zu ihren Kernkompetenzen zählen Unternehmens- und Personalführung, Diversity Management und organisationales Lernen. Sie leitet mehrere Forschungsprojekte zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt und Management, darunter Fit für Industrie 4.0 und Women Ressource 4.0. Seit 2016 ist sie Leiterin der Denkfabrik Digitalisierte Arbeitswelt der FH Bielefeld.

Scientific Management – Die zweite Welle Thomas Mühlbradt

Inhaltsverzeichnis Literatur 

 30

Zusammenfassung

Im Jahr 1911 legte Frederick W. Taylor mit der Veröffentlichung seines Grundlagenwerkes „The principles of scientific management“ (dt: „Wissenschaftliche Betriebsführung“) die Basis für einen umfassenden und anhaltenden Wandel des Produktionsmanagements. Zentrale Idee Taylors war, dass die Prozesse eines Unternehmens mathematisch modelliert („berechnet“) werden können und es mittels wissenschaftlicher Methoden möglich ist, die optimale Ausführung eines Prozessschrittes zu bestimmen. Die weitere Geschichte des globalen Siegeszugs des Scientific Management in der produzierenden Industrie darf als bekannt vorausgesetzt werden. Neben der Wirkungsmacht der Idee selbst wurde er ermöglicht durch die in der Folgezeit entstehenden großen Industrial-Engineering-Vereinigungen. Diese waren und sind bis heute dafür verantwortlich, das erforderliche Methodenwissen in Schulungen umzusetzen und eine flächendeckende und qualitätsgesicherte Versorgung der Unternehmen mit Schulungsangeboten zu gewährleisten.

T. Mühlbradt (*) FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Aachen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_4

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T. Mühlbradt

Die derzeitige „Vierte Industrielle Revolution“ mit ihrer Betonung der Digitalisierung, dem Internet der Dinge und der Entwicklung von „Künstlicher Intelligenz“ stellt demgegenüber eine vermeintlich völlig andere Welt dar. In der Tat sind die geforderten Konzepte und Methoden andere als die klassischen Methoden aus der Zeit der Industrialisierung und der Massenfertigung. Doch auch hier geht es im Kern wieder um die weitere Verwissenschaftlichung der Wertschöpfung  – dieses Mal jedoch auch und gerade bezogen auf ­geistige Arbeit. Und noch viel stärker als damals geht es diesmal um eine umfassende und durchdringende Mathematisierung, die sich unter anderem im Datenhunger sowie in neuen Ansätzen für Assistenzsysteme und zur Automatisierung von Denkprozessen zeigt. Aktuelle Prognosen deuten darauf hin, dass zukünftig fast alle Tätigkeiten in den Unternehmen in der einen oder anderen Form von den damit einhergehenden Veränderungen berührt werden (z. B. Manyika et al. 2017; Wischmann und Hartmann 2018). In Bezug auf „Denken und Entscheiden“ erwartet das World Economic Forum (WEF 2018, S. 11) in den Jahren 2018–2022 einen Anstieg der maschinellen gegenüber den menschlichen Arbeitsstunden von 19 % auf 28 %. Damit dies Realität wird, sind zwei unabhängige Voraussetzungen erforderlich. Die technischen Voraussetzungen in Form von hinreichenden Datenmengen und hoher Datenverfügbarkeit, neuen oder verbesserten Algorithmen, Softwarelösungen, preiswerter und schneller Hardware, liegen entweder bereits vor oder müssen betrieblich geschaffen werden. Diese Voraussetzungen stellen die „Enabler“ dar. Darüber hinaus ist aber auch ein praktischer Bedarf eine notwendige Voraussetzung. Ein solcher Bedarf wäre dann nicht gegeben, wenn menschliches Denk- und Entscheidungsverhalten den Maschinen stets überlegen, oder der Aufwand zur Herstellung einer vergleichbaren oder sogar überlegenen maschinellen Lösung zur Erbringung geistiger Arbeit exorbitant hoch wäre. In Bezug auf das menschliche Denken, Urteilen und Entscheiden bestehen ganz eindeutig Grenzen in Form von verfügbaren Ressourcen, erreichbarer Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit. Für Aufmerksamkeit, Kapazität des Arbeitsgedächtnis und Handlungskon­ trolle liegen enge und nur sehr begrenzt erweiterbare Kapazitätsgrenzen vor. Wir können beispielsweise in der Regel nicht mehr als 4–5 Dinge gleichzeitig „im Kopf behalten“. Mit wachsender Ermüdung nimmt die Leistungsfähigkeit ab und die Fehlerzahl nimmt zu (Dembe et al. 2005, S. 593; Schlick et al. 2010, S. 200). Neben diesen Grenzen stellt die Geschwindigkeit der Denkprozesse eine Leistungsgrenze dar. Bereits der Einsatz eines Taschenrechners ist geeignet, das Ausführen längerer Berechnungen erheblich zu beschleunigen. Schließlich ist die Zuverlässigkeit menschlicher Urteils- und Entscheidungsprozesse ebenfalls begrenzt, wenn man sie mit mathematischen Modellen (Algorithmen) vergleicht.1

 Das maschinelle Entscheiden wird auch als „mechanical method“ bezeichnet. Da viele Studien dazu aus Psychologie und Medizin stammen, wird das menschliche Entscheiden als „clinical method“ bezeichnet. 1

Scientific Management – Die zweite Welle

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Zu dem dritten und sicherlich sensibelsten Aspekt liegen inzwischen empirische Befunde aus rund 60 Jahren Forschung vor, die ein eindeutiges Bild zeichnen. So schreiben Grove und Meehl (1996, S. 293): „Emprical comparisions of the accuracy of the two methods … show that the mechanical method is almost invariably equal to or superior to the clinical method.“ Und bei Hastie und Dawes (2010, S. 60) lautet das Fazit: „There is an enormous and almost unequivocal research literature that implies that expert judgements are rarely impressively accurate and virtually never better than a mechanical judgement rule.“ Diese Befunde können als derart gesichert gelten, dass sie Eingang in Lehrbücher der Psychologie gefunden haben. So bei Spering und Schmidt (2012, S. 110): „Die empirischen Befunde zu Aufgaben aus dem Bereich des deduktiven Schlussfolgerns belegen eindeutig, dass Menschen Schwierigkeiten im Umgang mit logischen Schlüssen haben …“ Und Bröder und Hilbig (2017, S. 639) schreiben: „Die Unterlegenheit von Expertenurteilen gegenüber statistischen Modellen kann nach 60 Jahren Diskussion als gesichertes Faktum gelten, das aber erstaunlich wenig Einfluss auf die gängige Praxis und die allgemeine Expertengläubigkeit hatte.“ Betrachtet man nun die Frage nach dem Aufwand, muss man sich klarmachen, dass längst nicht in allen Fällen ein komplexes, schwer zu trainierendes und intransparentes „künstliches neuronales Netzwerk“ oder andere, ähnlich komplexe Lösungen erforderlich sein werden. Vieles spricht dafür, dass häufig vergleichsweise einfache, dafür aber transparente, verstehbare Ansätze genügen. Eine solche Methode ist das „Lineare Modell“, eine Standard-Methodik des „Maschinellen Lernens“, dessen prinzipieller Ansatz nachfolgend beispielhaft vorgestellt wird. In unserem Beispiel verfügt ein Restaurant über 244 Datensätze seiner Kunden. Jeder Datensatz umfasst verschiedene Daten, darunter die „Rechnungshöhe“ und die „Trinkgeldhöhe“, jeweils in Dollar. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Trinkgeldhöhe als „abhängige Variable“. Gesucht wird ein Weg, den Wert dieser abhängigen Variable anhand der anderen Werte („Prädiktoren“) vorherzusagen. Im einfachsten Fall erfolgt die Vorhersage der abhängigen Variablen nur aufgrund eines einzigen Prädiktors. Dies führt zu einer Formel der Form y = a + b ∗ x. Dabei steht y für die abhängige Variable und x für den ­Prädiktor. Die Abb. 1 zeigt das Ergebnis dieser Vorgehensweise für das Beispiel. Die Vorhersage ist als lineare Funktion (rote Linie) in die Punktwolke der 244 Datensätze aus ­Rechnungshöhe und Trinkgeldhöhe eingeschrieben. Diese Linie stellt das Ergebnis eines maschinellen Lernprozesses dar: Gesucht und am Ende ausgewählt wurde anhand der verfügbaren Trainingsdaten die Linie, die am besten zur Punktwolke passt, das heißt, den kleinsten Fehler produziert (Abb. 1). Die Formel zur Linie ist oben links in der Grafik angegeben. Durch Hinzunahme weiterer Prädiktoren kann die Modellqualität noch verbessert werden, doch bereits jetzt wird deutlich: Über weite Wertebereiche beträgt das Trinkgeld ca. 10 % der Rechnungshöhe plus einem Zuschlag von knapp einem Dollar. Damit ist eine robuste und transparente modellbasierte Vorhersage möglich. Anhand des Modells wird darüber hinaus auch klar,

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Abb. 1  Ein einfaches lineares Modell. (Quelle: eigene Darstellung)

welches die ausschlaggebenden Einflussfaktoren sind. Im Gegensatz zu anderen Verfahren des maschinellen Lernens sind solche Modelle für den Menschen daher „lesbar“. Das ist sehr nützlich, beispielsweise für die Auswahl und Kommunikation von darauf aufbauenden Maßnahmen. Zahlreiche Studien zum Vergleich zwischen Menschen und Maschinen (bzw. mathematischen Modellen) beziehen sich übrigens auf Aufgabenstellungen, in denen lineare Modelle zum Einsatz kamen. Eine ausführliche Diskussion über die Gründe für die typische maschinelle Überlegenheit findet sich bei Hastie und Dawes (2010). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Gleichwertigkeit oder Überlegenheit maschineller Prozesse nicht verschwindet, wenn Experten untersucht werden. Dazu schreiben Hastie und Dawes (2010, S. 59, Hervorhebung im Original): „The only way to avoid this broad conclusion is to claim that training makes expertes superior to other people at integrating information … But there is no evidence that experts think differently from others.“ Zwar sind menschliche Experten Anfängern („Novizen“) überlegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht mehr den menschlichen Grenzen unterliegen würden. Gegenüber maschinellen Lösungen sind auch sie sehr häufig nur zweiter Sieger.2 Natürlich wird auch mit Widerständen gegen diese zweite Welle des Scientific Management zu rechnen sein. Der Glaube an die menschliche (oder: eigene) Überlegenheit gegenüber Maschinen sitzt tief. Zwar weiß man recht gut, dass man ihnen, was das reine Rechnen 2  Eine hochinteressante Studie, bei der Laien Experten überlegen sind, wenn sie reflexiv und methodisch vorgehen, findet sich bei Tetlock und Gardner (2015).

Scientific Management – Die zweite Welle

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(„number-crunching“) angeht, unterlegen ist. Man glaubt aber ebenfalls gerne, dass Erfahrung und Gefühl überlegene Entscheidungen garantieren. Diese „Romantik der Intuition“ ist, wie die Forschung zeigt, häufig genug jedoch nur eine Illusion. Dazu kommt möglicher Widerstand gegen eine notwendigerweise deutlich steigende Transparenz von Prozessen und Ergebnissen, welche gewohnte, vielleicht sogar liebgewonnene, Grauzonen ausleuchtet. Diesen Widerstand gilt es zu überwinden, denn die erzielbaren Wettbewerbsvorteile durch potenzierte Vorteile bei Ressourcen, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit sind beträchtlich. Sehr hilfreich sind dafür, neben Information und Führung, das schnelle Realisieren und Kommunizieren von praktischen Nutzeffekten im Unternehmen. In der Vierten ­Industriellen Revolution wird Ideenmanagement daher zukünftig in zunehmendem Maße darin bestehen, Chancen der mathematischen Modellierung zur Unterstützung von menschlichem Denken und Entscheiden im eigenen Unternehmen aufzuspüren, geeignete Modelle auszuwählen, zu erzeugen und in der Praxis auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen. Ansatzpunkte für interessante datenbasierte Entscheidungen können in allen Unternehmensbereichen gefunden werden. Die Spanne reicht von der Bewerberauswahl bis zur Diagnostik technischer Fehlerursachen. Dafür bedarf es vor allen Dingen einer entsprechenden Qualifizierung. Bedeutet das nun, dass jeder zunächst ein Experte, ein „Data Analyst“ werden muss? Wenn man in großem Maßstab in Themen wie „Big Data“ oder „Deep Learning“ einsteigen will, sind entsprechend qualifizierte (und teure) Fachleute unverzichtbar. Aber wie bereits gesagt: Es muss nicht immer die ganz große Lösung sein, um Vorteile zu realisieren. Das Aufspüren und Prüfen von Chancen an vielen Stellen des Unternehmens verlangt vielmehr eine entsprechende Qualifizierung einer größeren Zahl von Akteuren. Interessant sind daher für Unternehmen Weiterbildungskonzepte wie der „Citizen Data Analyst.“3 Hierunter werden Personen im Unternehmen verstanden, welche fortgeschrittene Fähigkeiten besitzen, aber keine IT-Spezialisten sind und in ihrer bisherigen Tätigkeit verbleiben. Für diese Zielgruppe stehen Kenntnisse und Fertigkeiten zur Gewinnung, Modellierung, Verarbeitung und Interpretation von Daten im Mittelpunkt. Dafür hat sich der Begriff „Data Literacy“ eingebürgert. Neben einem Grundverständnis für wissenschaftliches Vorgehen sind Kenntnisse der Versuchsplanung (Überprüfung!) sowie der angewandten Statistik für die Data Literacy wesentlich. Zur angewandten Statistik wiederum gehören als unverzichtbare Bestandteile die deskriptive, explorative und schließende Statistik. Dazu kommen praktische Fähigkeiten im Umgang mit einschlägiger Software zur Datenanalyse und Visualisierung. Technische Aspekte wie Datenbankmanagement, Transferprotokolle oder Sensortechnik bleiben als Kompetenzen bei den zuständigen Fachabteilungen.

 Gartner Group: https://www.thoughtspot.com/de/node/193.

3

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Der von Mühlbradt, Hartmann & Hacker (2018) konstatierte, allgemeine Mangel an wissenschaftlich fundierten Weiterbildungsangeboten zur Arbeitsgestaltung für die Digitalisierte Arbeitswelt ist derzeit auch noch für Weiterbildungsangebote im vorliegenden Bereich festzustellen. Aktuell wird eine kompetente Unterstützung für interessierte Unternehmen daher wohl am ehesten im Umfeld der universitären Industrie 4.0-­Kompetenzzentren 4 zu finden sein. So wie wir uns an maschinelle Unterstützung gewöhnt haben, wenn es um das Heben von Objekten, das Anbringen von Schrauben oder die Überwindung von Entfernungen geht, so werden wir zukünftig auf eine Vielzahl sogenannter „kognitiver Assistenzsysteme“ zurückgreifen, die uns die Arbeit erleichtern und den Kundennutzen erhöhen. Anfängliche Widerstände werden einer selbstverständlichen Nutzung Platz machen. ­Abschließend soll daher ein ermutigendes Beispiel aus einem Gebiet folgen, das für seine hochqualifizierten und selbstbewussten Experten bekannt ist. Durchläuft ein Patient eine Krebs-Vorsorgeuntersuchung und ist der Test „positiv“, so stellt der besorgte Patient dem Arzt vermutlich die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit er denn nun zum Beispiel an Prostatakrebs erkrankt sei. Untersuchungen haben gezeigt, dass Medizinern die richtige Antwort auf diese Frage häufig ähnlich schwer fällt wie ihren Patienten (Gigerenzer 2010). Der Grund dafür ist, dass die richtige Antwort die korrekte Anwendung statistischen Denkens über bedingte Wahrscheinlichkeiten voraussetzt. Die dazu erforderliche Formel liefert das Bayes-Theorem, welches nicht intuitiv ist. Vor diesem Hintergrund stellt die Philips-Universität Marburg einen frei nutzbaren „Bayes-­ Rechner“ ins Internet.5 Dieser berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass, unter der Bedingung eines „positiven“ Tests, tatsächlich eine Erkrankung vorliegt. Sind bestimmte Zahlen zur jeweiligen Teststärke etc. bekannt, kann der Mediziner diese Seite aufrufen, die Werte eingeben und der Bayes-Rechner zeigt die korrekte Antwort an. Solche Aufgaben an Maschinen zu delegieren ist vernünftig. Fähigkeiten wie Problemlösen durch Einsicht, Kreativität und soziale Kompetenz bleiben hingegen Domänen des Menschen. Der Mensch wird so durch Technik nicht überflüssig und ersetzbar, sondern produktiver (vgl. WEF 2018, S. 11; Buxmann und Schmidt 2019, S. 26). Zukünftige Ideenmanager können, entsprechend qualifiziert, selbst Ideen aufspüren oder andere Mitarbeiter dabei unterstützen, ihre Ideen zu modellieren, zu kommunizieren und zu testen.

Literatur Bröder, A. & Hilbig, B.: Urteilen und Entscheiden. In: J. Müsseler & M. Rieger (Hrsg.): Allgemeine Psychologie. Springer, 2017, S. 619–662. Buxmann, P. & Schmidt, H.: Ökonomische Effekte der Künstlichen Intelligenz. In: P. Buxmann & H. Schmidt (Hrsg.): Künstliche Intelligenz. Springer Gabler, 2019, S. 21–36.

 Siehe: https://www.mittelstand-digital.de/MD/Navigation/DE/Home/home.html.  Siehe: https://www.online.uni-marburg.de/bayes-rechner/bayes.html.

4 5

Scientific Management – Die zweite Welle

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Dembe, A. E., Erickson J. B., Delbos R. G., Banks S.M.: The impact of overtime and long work hours on occupational injuries and illnesses. Occup Environ Med. Sep; 62(9), S. 588–97, 2005. Gigerenzer, G.: Helping Doctors and Patients make Sense of Health Statistics. In: C. Reading (Ed.) Data and context in statistics education: Towards an evidence-based society. Proceedings of the Eighth International Conference on Teaching Statistics (ICOTS8), Ljubljana, Slovenia, 2010. Grove, W.  M., & Meehl, P.  E.: Comparative efficiency of informal (subjective, impressionistic) and formal (mechanical, algorithmic) prediction procedures: The clinical–statistical controversy. Psychology, Public Policy, and Law, 2(2), S. 293–323, 1996. Hastie, R., & Dawes, R. M.: Rational choice in an uncertain world: The psychology of judgment and decision making. Sage Publications, 2nd Edition, 2010. Manyika, J., Chui, M., Miremadi, M., Bughin, J., George, K., Willmot, P., & Dewhurst, M.: A Future that works: Automation, Employment, and Productivity, 2017. Retrieved from https:// www.google.be/search?q=mc+kinsey+45+%25+jobs+affected+by&oq=mc+kinsey+45+%25+jobs+affected+by&aqs=chrome..69i57.10399j0j4&sourceid=chrome&ie=UTF-8 Mühlbradt, T., Hartmann, E. A. & Hacker, W.: Arbeitsgestaltung für Industrie 4.0 – neue Herausforderungen für die Arbeitswissenschaft. Tagungsband zum Frühjahrskongress 2018 der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., Dortmund: ARBEIT(s).WISSEN.SCHAF(f)T - Grundlage für Management & Kompetenzentwicklung. 21.–23.02.2018, Frankfurt am Main, 2018. Sawyer, J.: Measurement and prediction, clinical and statistical. Psychological Bulletin, 66, S. 178–200, 1966. Schlick, C., Bruder, R. & Luczak, H.: Arbeitswissenschaft, 2010. Spering, M. & Schmidt, T.: Allgemeine Psychologie 1 kompakt: Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken, Sprache. Beltz, 2012. Tetlock, P. E. & Gardner, D.: Superforecasting: The Art and Science of Prediction. Crown Publishing Group, 2015. WEF World Economic Forum: The Future of Jobs Report 2018. Genf, 2018. Wischmann, S., & Hartmann, E.  A. (Hrsg.): Zukunft der Arbeit  – Eine praxisnahe Betrachtung. Springer Vieweg, 2018. Retrieved from https://doi.org/https://doi-org.ezproxy.fh-htwchur. ch/10.1007/978-3-662-49266-6

Thomas Mühlbradt  lehrt Arbeits- und Ingenieurpsychologie sowie Forschungsmethoden an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management am Hochschulstandort Aachen. Daneben forscht und publiziert er zur Digitalisierung der Arbeit und zum Lernen in der Arbeit. Aktueller Schwerpunkt in Forschung & Entwicklung ist der Aufbau des „Industrial Cognitive Engineering“ als moderne Methodenlehre der Arbeitsgestaltung in einer digitalisierten Arbeitswelt.

Benchmarking und Kennzahlen Hans-Dieter Schat

Inhaltsverzeichnis 1  Benchmarking  1.1  Geschichte und Definition  1.2  Ziele  1.3  Weitere Gliederung  2  Vergleichsgruppen für ein Benchmarking  2.1  Erster Ansatz: Branche und Größe  2.2  Zweiter Ansatz: Aktivität und Erfolg  2.3  Dritter Ansatz: Statistik  3  Kennzahlen  3.1  Vorbemerkung zu den Kennzahlen  3.2  Beteiligungsquote  3.3  Umsetzungs-/Realisierungsquote  3.4  Ideenquote oder Anzahl Ideen pro Mitarbeiter und Jahr  3.5  Bearbeitungsdauer/Durchlaufzeit  3.6  Nutzenquote  3.7  Berechenbarer Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr  4  Fazit  Literatur 

 34  34  35  35  36  36  37  41  44  44  45  46  46  46  48  48  48  49

Zusammenfassung

Benchmarking von Kennzahlen dient dazu

H.-D. Schat (*) Institut für Public Management, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Essen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_5

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34

H.-D. Schat

• die Entwicklungsmöglichkeiten des Ideenmanagements einer Organisation zu erkunden, • die Qualität des eigenen Ideenmanagements im Vergleich zu anderen Organisationen einzuschätzen • sowie Handlungen zur Veränderung/Verbesserung des eigenen Ideenmanagement aus den Erkenntnissen des Benchmarkings abzuleiten. Dies ist nur sinnvoll, wenn für das Benchmarking eine sinnvolle Vergleichsgruppe gebildet wird. Außerdem müssen die verwendeten Kennzahlen treffend und allgemein akzeptiert definiert sein. Für beides werden in diesem Beitrag Vorschläge vorgestellt.

1

Benchmarking

Das Ideenmanagement entstand als Betriebliches Vorschlagswesen am Ende des 19. Jahrhunderts (Koblank 2014). In der wissenschaftlichen Literatur wurde das Betriebliche Vorschlagswesen vor allem durch Erwin Grochla et  al. (1978) und Norbert Thom (2003, 2015) vertreten. Aktuell wird das Betriebliche Vorschlagswesen wissenschaftlich (Gerlach und Brem 2017; Schat 2017; Franken 2013; Brem und Ziegler 2009) und von Praktikern (Landmann und Schat 2018; Neckel 2018) bearbeitet. Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess fand durch die japanische Entwicklung des Kaizen (Imai 1997) neue Beachtung. Ideenmanagement ist die Zusammenfassung dieser beiden Ansätze (REFA 2016, S. 28). Insbesondere in den letzten Jahren wird das Ideenmanagement auch verstärkt im Kontext des Innovationsmanagements wieder neu entdeckt und mit den dortigen Prozessen und Zielen verzahnt bzw. integriert.

1.1

G  eschichte und Definition

„Benchmark“ lässt sich wörtlich übersetzen mit: • • • • • • • •

Bewertung Bezugspunkt Bezugswert Fixpunkt Höhenmarkte Maßstab Richtgröße Vergleichspunkt

Die Vorgehensweise des Benchmarkings wurde ab 1979 bei der Firma Xerox entwickelt. Dort hatte man den Eindruck, dass die Lagerung und der Versand von Ersatzteilen und ähnlichen Artikeln deutlich verbessert werden musste. Ziel des damaligen Benchmarking-­

Benchmarking und Kennzahlen

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Projektes war es, die „beste Praxis“ für diese Art Tätigkeit ausfindig zu machen und dann bei Xerox anzupassen, einzusetzen und fortzuentwickeln. Der erste Ansatz war also die Suche nach der wirklich „besten Praxis“ • innerhalb des eigenen Konzerns • innerhalb der eigenen Branche • außerhalb der eigenen Branche Fündig wurde Xerox beim Textil-Versandhaus L. L. Bean. Dieses Unternehmen stand in keinerlei Konkurrenzverhältnis und gab gerne Einblicke, beispielsweise in seinen Prozess der Warenbereitstellung. Die Mitarbeiter von Xerox konnten bei ihrem Besuch die für sie bedeutsamen Prozesse beobachten und die notwendigen Daten aufnehmen, um anschließend die Lagerung und der Versand von Ersatzteilen und ähnlichen Artikeln deutlich zu verbessern.

1.2

Z  iele

In der Praxis des Ideenmanagements wird Benchmarking mit zwei Zielsetzungen durchgeführt: 1. Vergleich mit den Besten vergleichbaren Organisationen, um zu erfahren, welche Entwicklungsmöglichkeiten das eigene Ideenmanagement noch bietet. Das Motto ist hier: Was eine Organisation im Ideenmanagement erreichen kann, das kann jede vergleichbare andere Organisation auch erreichen – sie muss nur lernen, wie. 2. Vergleich innerhalb der Vergleichsgruppe im Sinne eines Wettbewerbs mit dem Ziel, eine Auszeichnung für das Ideenmanagement zu erreichen. Das Deutsche Institut für Betriebswirtschaft dib hat mit seiner so genannten dib-­Statistik jahrelang beide Ziele verknüpft und einerseits die besten Organisationen einer Branche bzw. Größenklasse hervorgehoben, andererseits seine Auszeichnungen auf Basis dieser dib-Statistik vergeben. Schon bald gab es Gerüchte, wonach einige Organisationen ihre Zahlen möglicherweise etwas geschönt dargestellt hätten, um einen der begehrten Awards zu erhalten. Im Jahre 2017 hat sich das dib aus dem Ideenmanagement zurückgezogen und die dib-Statistik gibt es nicht mehr.

1.3

W  eitere Gliederung

Für ein sinnvolles Benchmarking muss 1) eine passende Vergleichsgruppe gefunden werden und 2) valide und zielführend definierte Kennzahlen verglichen werden. Das folgende Kapitel stellt zwei Vorschläge für Vergleichsgruppen vor. In Kapitel drei werden dann Kennzahlen dargestellt.

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2

Vergleichsgruppen für ein Benchmarking

2.1

E  rster Ansatz: Branche und Größe

Wenn zum ersten Mal nach einer Vergleichsgruppe für das Ideenmanagement gesucht wird, dann wird als ersten die Branche der Organisation als Vergleichskriterium gesucht. Doch arbeiten die Allianz Versicherung und mein Drei-Personen-Versicherungsmakler um die Ecke wirklich in der gleichen Branche? Der Wirtschaftsbereich „Transport und Verkehr“ umfasst die Deutsche Bahn, die Verkehrsbetriebe der Städte, kleine Kurier- und Auslieferungsbetriebe und dazu noch die Lufthansa. Das statistische Bundesamt unterscheidet acht Wirtschaftsbereiche: • • • • • • • •

Land- & Forstwirtschaft, Fischerei Industrie, verarbeitendes Gewerbe Energie Bauen Dienstleistungen Groß- und Einzelhandel Gastgewerbe, Tourismus Transport und Verkehr

Für ein Benchmarking sind diese Wirtschaftsbereiche allein viel zu grob geschnitten. Vor diesem Hintergrund wird dann gerne als zweites Kriterium für eine passende Vergleichsgruppe die Größe der Organisation gewählt. Die übliche Einteilung in kleine (bis 50 Beschäftigte), mittele (bis 250 oder bis 400 Beschäftigte) und größere Organisationen (mit mehr als 250 oder 400 Beschäftigten) wird gerne noch um eine oder zwei Einteilungen erweitert. Hinzu werden gerne räumliche Gliederungen genommen, zumindest Westdeutschland (mit der Tradition von betrieblichem Vorschlagswesen und kontinuierlichem Verbesserungsprozess) und Ostdeutschland (mit der Tradition des Neuererwesens). Ein weiteres Kriterium fragt, ob das Ideenmanagement in dieser Organisation neu eingeführt wurde oder bereits eine längere Tradition hat – die erwarteten Werte sind offensichtlich sehr verschieden. Nun ein kleines Rechenbeispiel: Wir haben acht Wirtschaftsbereiche, drei Größen-­ Kategorien, zwei räumliche Kategorien sowie die Unterscheidung von Ideenmanagement-­ Neulingen und eingespieltem Ideenmanagement. Das macht 8∗3∗2∗2= 96 mögliche Kombinationen. Die aktuell größte empirische Erhebung zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum enthält Daten von 261 Organisationen. Wenn diese über die möglichen Kombinationen gleichmäßig verteilt wären, dann könnte für jede der der dargestellten Kombinationen der Vergleich mit 2,7 Organisationen angeboten werden – offenkundig sind aber drei (oder weniger) Organisationen für ein Benchmarking viel zu wenig.

Benchmarking und Kennzahlen

37

Das bedeutet: Für den Vergleich sind Kategorien wie „Industrie/verarbeitendes Gewerbe“ oder „Dienstleistungen“ viel zu grob. Für die aktuell verfügbaren Daten sind diese Kategorien viel zu fein. Eine Anekdote soll diesen Gedankengang verdeutlichen (vgl. Schat 2019a): Benchmarking-Daten für eine Orgelpfeifen-Gießerei

Vor vielen Jahren wurde der Autor von einer Orgelpfeifen-Gießerei um Benchmarking-­ Daten gebeten. Ich hatte gute Daten über die Musikinstrumente-Industrie, doch wurde mir erklärt, dass es doch ein riesiger Unterschied sei, ob man mit wenigen Mitarbeitern Orgelpfeifen gieße, in Großserien Flöten und Mundharmonikas aus Plastik herstelle oder ob ein mittelständisches Unternehmen Klaviere baue. Hier gab es also für eine sehr spezielle Branche, die Musikinstrumente-Industrie, gute Daten – was ja nicht in jeder Erhebung der Fall ist. Und doch waren noch diese Daten zu allgemein. Daher: cc

Branche, Größe, Lage etc. sind als Kriterium für die Vergleichsgruppen nicht geeignet

In den folgenden beiden Unterkapiteln werden Alternativen für diese Kriterien vorgestellt. Diese sind als Versuche und Vorschläge zu verstehen, nicht als in Stein gemeißelte Wahrheiten. Die Diskussion um sinnvolle Vergleichsgruppen ist noch längst nicht zu Ende geführt.

2.2

Z  weiter Ansatz: Aktivität und Erfolg

Dieser Ansatz geht davon aus, dass eigentlich nicht die Organisationen vergleichbar sein sollen, sondern deren Ideenmanagement. Ein exzellentes Ideenmanagement eines Automobilzulieferers ist also mit einem exzellenten Ideenmanagement eines Verkehrsbetriebs oder einer Versicherung vergleichbar: Das Ideenmanagement ist ja das Vergleichsobjekt, nicht die Organisation, die dieses Ideenmanagement einsetzt. Betriebswirte lieben Vier-Felder-Matrizen. Man benötigt zwei Dimensionen, gliedert jede Dimension in „niedrig“ und „hoch“ und erhält vier Felder. Gerne wird eine Dimension gewählt, die die Organisation selbst beeinflussen kann, und als zweites eine Dimension gewählt, die außerhalb des Einflussbereiches der Organisation liegt. Als Beispiel kann die Growth-Share-Matrix von Bruce Henderson dienen, dem Gründer der Boston Consulting Group (Abb. 1). „Stars“ und „Cash Cows“ haben einen hohen Marktanteil, Fragezeichen und „Dogs“ einen geringen Marktanteil. Das Marktwachstum von „Stars“ und Fragezeichen ist hoch, das Marktwachstum für „Cash Cows“ und „Dogs“ ist gering. Den Marktanteil der eigenen Organisation kann diese beeinflussen, hierfür bietet das Marketing einen gut gefüllten

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?

high

Cash Use (Growth Rate) low

 low

high Relative Market Share (Cash Generation)

Abb. 1  Growth-Share-Matrix: Die Boston-Consulting Matrix. (Quelle: Henderson 1984, S. 58)

Werkzeugkasten. Das Marktwachstum liegt jedoch praktisch immer außerhalb des Einflusses der Organisation. Ähnlich der Growth-Share-Matrix wird auch für das Ideenmanagement eine Matrix vorgeschlagen, und ähnlich wie bei der Boston-Consulting-Matrix können für die vier Felder jeweils passen Empfehlungen für das Ideenmanagement gegeben werden. Als erste Dimension wird die Aktivität des Ideenmanagements vorgeschlagen. Konkret basieren diese Vorschläge auf den Daten der Ideenmanagement Studie 2018 (https://www. hlp.de/studie-2018). In dieser Erhebung wurden zu den Aktivitäten auch Fragen gestellt • • • •

zum Einsatz aktiver Elemente, zum Einsatz von Marketing für das Ideenmanagement, zum Einsatz von Konzepten des Changemanagements für das Ideenmanagement, zur Intensität, mit der Ideenmanager als Coach agieren.

Zu jedem dieser Bereiche waren zwischen 0 und 5 Punkte zu vergeben, die Summe dieser Punktwerte ergibt den Wert für die Aktivität. Der Median liegt bei 8,9 Punkten, hier wurde auch die Grenze zwischen passivem und aktivem Ideenmanagement gezogen. Als zweite Dimension wird der Erfolg des Ideenmanagements wird der Erfolg des Ideenmanagements gewählt. Die meisten Organisationen sehen den wirtschaftlichen Erfolg des Ideenmanagements als Hauptziel. Damit ist die Messgröße für den Erfolg des Ideenmanagements der berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr. Die Grenze zwischen erfolglosem und erfolgreichem Ideenmanagement liegt bei 218 € berechenbarem Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr. Leider haben nicht alle Befragten den berechenbaren Nutzen pro

Benchmarking und Kennzahlen

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Abb. 2 Aktivitäten/Erfolg Matrix. (Quelle: eigene Darstellung)

Mitarbeiter und Jahr angegeben. Dort, wo diese Angabe fehlte, wurde als Ersatz die Beteiligungsquote gewählt, mit einer Grenze bei 19,8 Prozent. Aus diesen beiden Dimensionen wird die Matrix aus Abb. 2 gebildet. Diese vier Felder bieten dann die Möglichkeit für einen fundierten Vergleich. Nehmen wir als Beispiel die Realisierungsquote (Abb. 3): Es ist offensichtlich ein großer Unterschied, ob ich mein Ideenmanagement als passiv erfolglos sehe: Dann ist der Median bei 60 Prozent und die besten Organisationen erreichen knapp 100 Prozent – wenn das Ideenmanagement kaum Aktivitäten entwickelt, dann werden sich vielleicht nur die hartgesottenen Einreicher beteiligen und wenige, aber dann auch umsetzbare Ideen einreichen. Oder ob ich das Ideenmanagement als aktiv erfolglos sehe: Wenn viele Aktivitäten durchgeführt werden, diese aber entweder schlecht umgesetzt oder strategisch falsch platziert sind, dann werden deutlich weniger Ideen umgesetzt: Im Median 30 Prozent und selbst die besten Organisationen in dieser Gruppe kommen nicht über 80 Prozent Realisierungsquote hinaus. Gelegentlich hört man von Ideenmanagern, dass es die großen Organisationen ja guthätten: Dort könnte man richtig arbeiten, für das Ideenmanagement werben und damit viel mehr Ideen einwerben, als dies in kleineren Organisationen der Fall ist. Stimmt dies? Abb. 4 Für drei der vier Felder ist ein Zusammenhang ersichtlich – wenn auch in der umgekehrten Richtung: Je kleiner die Organisation ist, desto mehr Ideen pro Mitarbeiter und Jahr sind zu erwarten. Dabei erhalten erfolgreiche Organisationen mehr Ideen als erfolglose. Zumindest dieser Zusammenhang war zu erwarten. Bei den passiv erfolglosen Organisationen ist (praktisch) kein Zusammenhang zu erkennen: Wenn das Ideenmanagement nicht funktioniert, dann ist die Größe der Organisation auch gleichgültig. In diesem Unterkapitel wurden Vergleichsgruppen für das Benchmarking vorgeschlagen, die durch konzeptionelle Überlegungen entstanden sind. Ob diese Überlegungen tragen, wird die praktische Anwendung zeigen. Die Orientierung an Konzepten ist nicht die einzige Möglichkeit für die Bildung von Vergleichsgruppen. Eine Alternative wird im nächsten Unterkapitel vorgestellt.

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Abb. 3  Realisierungsquote nach Aktivitäten/Erfolg Feldern. (Quelle: eigene Darstellung, Daten nach Landmann und Schat 2018)

Abb. 4  Ideen pro Mitarbeiter und Jahr und Größe der Organisation, nach Aktivitäten/Erfolg Feldern. (Quelle: eigene Darstellung, Daten nach Landmann und Schat 2018)

Benchmarking und Kennzahlen

2.3

41

D  ritter Ansatz: Statistik

In diesem Unterkapitel stelle ich einen rein mathematischen Ansatz vor. Die Frage, welche Organisationen bezüglich ihres Ideenmanagements ähnlich sind, kann auch als Frage an die Statistik verstanden werden. Hier wird dem Algorithmus vorgegeben, in wie viele Gruppen die Organisationen eingeteilt werden sollen. Dann ordnet der Computer die Organisationen so, dass sie sich innerhalb der Gruppen möglichst ähnlich sind und die Unterschiede zwischen den Gruppen möglichst groß sind. Der hier am Häufigsten eingesetzte Algorithmus ist der „k-means Algorithmus“, der zur schwachen künstlichen Intelligenz gezählt wird. Eine ausführlichere Darstellung findet sich in Schat 2019. Für den Algorithmus habe ich 24 Variablen ausgewählt, zu den Organisationen (Anzahl Beschäftigte, Anteil Blue-Collar-Arbeiter), den Aktivitäten im Ideenmanagement, den eingesetzten Modellen und den Ergebnissen des Ideenmanagements ein. Dies führte zu folgenden Clustern. Wenige Aktivitäten führen zu schlechten Ergebnissen: Kümmerlich Die Organisationen in diesem Cluster betreiben nach den gängigen Kennzahlen am erfolglosesten Ideenmanagement: Der berechenbare Nutzen beträgt mit durchschnittlich 310 € pro Mitarbeiter und Jahr weniger als die Hälfte des Nutzens, den Organisationen im erfolgreichsten Cluster erwirtschaften. Die Beteiligungsquote beträgt im Durchschnitt 19 Prozent. Der Median des ROI beträgt sogar nur 1:1. Nur die Hälfte der Organisationen in diesem Cluster erreicht also durch das Ideenmanagement zumindest einen so hohen Nutzen, dass die Kosten des Ideenmanagements gedeckt sind. Das Ideenmanagement erhält im Durchschnitt 0,2 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr. Die Realisierungsquote beträgt 39 Prozent und liegt damit im mittleren Bereich. Das ­Ideenmanagement wird auf niedrigem Niveau betrieben, für viele Aktivitäten werden niedrige Werte, meistens die niedrigsten Werte aller vier Cluster, genannt. Unter allen Clustern findet sich hier am häufigsten das Modell des zentralen BVWs wieder. Innovationsmanagement wird kaum eingesetzt. In diesem Cluster finden sich eher kleinere Organisationen (5676 Beschäftigte) mit einem geringen Anteil an Blue-Collar-Mitarbeitern (40 Prozent). Viele Aktivitäten, hohe Beteiligung, wenig berechenbarer Nutzen: Kulturorientiert Organisationen in diesem Cluster erwirtschaften nur einen geringen berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter (339 €), haben jedoch mit 45 Prozent eine hohe Beteiligungsquote. Die Organisationen erhalten viele Ideen von ihren Beschäftigten: 0,5 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr. Davon werden 36 Prozent umgesetzt. Bis zur Entscheidung über eine Idee vergehen 30 Tage, von der Einreichung bis zur Umsetzung sind es 54 Tage. Das sind die geringsten Durchlaufzeiten aller Cluster. Unter den Aktivitäten erhalten die höchsten Werte „Einsatz aktiver Elemente“, „Die Bearbeitung einer Idee folgt einem vorgegebenen Prozess“ und „Wertschätzung gegenüber den Prozessbeteiligten“. Innovationsmanagement wird praktisch gar nicht eingesetzt. In diesem

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Cluster finden sich tendenziell große Organisationen (25.105 Beschäftigte) mit einem geringen Anteil an Blue-Collar-Beschäftigten (40 Prozent). Hoher Nutzen bei geringer Beteiligung: Spezialisten Die Organisationen des Cluster 3 erreichen einen hohen berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter (551 €) bei einer geringen Beteiligungsquote (18 Prozent) und nur 0,16 Ideen pro Mitarbeiter. Die Durchlaufzeit einer Idee vom Einreichen bis zur Entscheidung beträgt im Durchschnitt 103 Tage, von der Einreichung bis zur Umsetzung dauert es 136 Tage. Das sind die längsten Durchlaufzeiten aller Cluster. In diesem Cluster finden sich die höchsten Prämien für Ideen mit und für Ideen ohne berechenbaren Nutzen, aber auch die niedrigsten Anerkennungsprämien. Das betriebliche Vorschlagswesen im Mischmodell wird in keinem anderen Cluster so häufig eingesetzt. In diesem Cluster finden sich tendenziell größere Unternehmen (21.551 Beschäftigte) mit einem hohen Anteil an Blue-Collar-Beschäftigten (48 Prozent). Viele Aktivitäten, hohe Beteiligung, hoher Nutzen: Exzellent Das Ideenmanagement in diesem Cluster ist hoch erfolgreich: Der mit Abstand höchste durchschnittliche berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter (888  €) bei einer Beteiligungsquote von 50 Prozent. Der Median des ROI ist mit 3 recht hoch: Die Hälfte der Organisationen in diesem Cluster erhalten für jeden Euro, den sie für das Ideenmanagement ausgeben, mindestens 3 Euro zurück. Die Realisierungsquote liegt mit 58 Prozent ebenfalls weit vor den Werten der anderen Cluster und zeigt, dass in diesem Cluster das Ideenmanagement effektiv arbeitet. Die Organisationen in diesem Cluster erhalten die meisten Ideen pro Beschäftigten und Jahr und setzen mit großem Abstand die meisten Ideen pro Beschäftigtem um. Dabei zahlen die Organisationen hohe Prämien für Ideen mit und ohne berechenbarem Nutzen, aber nur niedrige Anerkennungsprämien. Organisationen in diesem Cluster erreichen hohe und höchsten Werte für verschiedene Aktivitäten im Ideenmanagement und für die Verwendung von Zielvereinbarungsprozessen und SMARTen Zielen. Rund die Hälfte dieser Organisationen betreibt Innovationsmanagement. Dieser Cluster hat mit Abstand höchste Werte für Modell KVP, rund die Hälfte setzt ein Vorschlagswesen im Mischmodell ein. In diesem Cluster finden sich eher kleinere Unternehmen mit einem hohen Anteil an Mitarbeitern, die direkt in der Produktion oder in der Erstellung von Dienstleistungen arbeiten (Blue-Collar-Beschäftigte). Anwendung: Führen mehr Ideen zu einer höheren Realisierungsquote? Wenn Mitarbeiter mehr Ideen entwickeln: Kommen die Kollegen dann in die Übung, sammeln mehr Erfahrungen in der Problemlösung und finden so bessere Ideen? Oder werden einfach nur mehr „schöner Wohnen“-Ideen eingereicht („Stellt mir einen Gummibaum ins Büro, dann werde ich zufriedener, motiviert und viel produktiver.“)? Diese Frage hat Ca-

Benchmarking und Kennzahlen

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Abb. 5  Realisierungsquote in Abhängigkeit von der Anzahl Ideen pro Mitarbeiter und Jahr in verschiedenen Clustern. (Quelle: eigene Darstellung, Daten nach Landmann und Schat 2018)

rola Läge (2002) systematisch empirisch erforscht und kam zu dem Ergebnis, dass es ein „Ertragsgesetz des Ideenmanagements“ gibt, der Zusammenhang von Realisierungsquote und Anzahl der eingereichten Ideen also ein S-förmiger ist. Eine eigene Untersuchung (Schat 2018) kam zum gegenteiligen Ergebnis: Mehr Ideen führen tendenziell auch zu mehr guten Ideen (Abb. 5). Die Verhältnisse stellen sich nach Cluster differenziert dar. In den beiden Clustern mit eher geringer Beteiligung („Spezialisten“ und „Kümmerlich“) gibt es einen klaren Zusammenhang: Je mehr Ideen, desto höher der Anteil der umgesetzten Ideen. Im Cluster „Kulturorientiert“ haben viele Organisationen keine Angaben zur Anzahl der Ideen pro Mitarbeiter und Jahr oder zur Realisierungsquote angegeben, aus fünf Datenpunkten lässt sich kein Zusammenhang ableiten. Dies unterstreicht, dass es sich bei der vorliegenden Auswertung um eine explorative Arbeit handelt. Im Cluster der Organisationen mit exzellentem Ideenmanagement besteht kein linearer Zusammenhang. Der hier vorgestellte Zusammenhang ist von großem Interesse für die Praxis: Die Bearbeitung, Verwaltung, Begutachtung und Diskussion von Ideen, die dann doch nicht umgesetzt werden, ist wirtschaftliche Blindleistung und führt zu Frustrationen bei allen Beteiligten. Daher wird eine hohe Realisierungsquote angestrebt. Für Organisationen in den Clustern „Spezialisten“ und „Kümmerlich“ können hierzu alle Maßnahmen empfohlen werden, die generell zu mehr Ideen führen, beispielsweise besseres Marketing für das Ideenmanagement oder Kampagnen zu bestimmten Themen. Damit wird sich in diesen Clustern auch die Realisierungsquote erhöhen.

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Für Organisationen mit bereits exzellentem Ideenmanagement wäre dieser Ansatz wirkungslos. Hier müssen gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Ideen eingesetzt werden, etwa Coaching oder Schulungen zu Kreativitäts- und Problemlösetechniken.

3

Kennzahlen

3.1

V  orbemerkung zu den Kennzahlen

Controlling hat ein Problem: Was wirklich interessiert, das kann man nicht leicht messen. Was man leicht messen kann, interessiert oft nicht wirklich. Wodurch kommt die Beteiligungsquote zustande?

Uns interessiert, wie gut das Ideenmanagement unter den Beschäftigten angenommen wird. Das können wir nicht direkt messen. Wir können die Beteiligungsquote messen. Aber wodurch kommt die Beteiligungsquote zustande? Vielleicht haben wir eine Zielvereinbarung mit den operativen Führungskräften. Dann können diese Führungskräfte ihre Mitarbeiter zum Einreichen von Ideen ermutigen, oder sie können sogar selbst Ideen entwickeln und die Mitarbeiter einreichen lassen. Das führt zu hoher Beteiligungsquote, ohne dass das Ideenmanagement unter den Beschäftigten große Akzeptanz finden. Umgekehrt kann in einer Organisation eine „can do“ Kultur herrschen, die meisten Ideen werden kurz mit den Zuständigen besprochen und dann umgesetzt, ohne dass dies zwangsläufig dokumentiert wird. Dann wird das Ideenmanagement von den Beschäftigten gelebt, bei kleiner dokumentierter Beteiligungsquote. Dieses Beispiel zeigt, dass die Kennzahlen eines Ideenmanagements selbst dann mit Vorsicht und gesundem Menschenverstand zu interpretieren sind, wenn die Ideenmanager ehrlich ein korrektes Bild ihres Ideenmanagements geben wollen. Ein weiteres Problem ist die Vergleichbarkeit: Wenn drei Organisationen den berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr, die Realisierungsquote und die Durchlaufzeiten messen – messen sie dann alle das Gleiche? Hier helfen nur präzisen Definitionen. Das Zentrum Ideenmanagement hat fünf zentrale Kennzahlen definiert (https://www. zentrum-ideenmanagement.de/mediafile/zentrum-ideenmanagement_benchmark-kennzahlendefinition.pdf), man spricht auch von den „big five“. Diese fünf Kennzahlen sollen als erstes dargestellt werden. Die Definitionen des Zentrum Ideenmanagement sind grundsätzlich sinnvoll, auch wenn im Detail Fragen offenbleiben.

Benchmarking und Kennzahlen

3.2

45

B  eteiligungsquote

cc Beteiligungsquote: Die Beteiligungsquote ist die Anzahl der Einreicher, dividiert durch die Anzahl der möglichen Einreicher. Einreicher ist jede Person, die im Berichtsjahr mindestens eine Idee eingereicht hat, ­einerlei, ob als Verbesserungsvorschlag, als Idee im kontinuierlichen Verbesserungsprozess, einem Qualitäts- oder Gesundheitszirkel oder dergleichen oder als Teil einer Einreichergruppe, die einen Gruppenvorschlag eingereicht hat. Die Anzahl der Einreicher ist typischerweise klar zu bestimmen. Die Anzahl der möglichen Einreicher ist häufig die Anzahl der Beschäftigten in der Organisation. Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte, Werkstudenten, Auszubildende, Ferienaushilfen etc. zählen als ganze Personen, sofern sie Ideen einreichen können. In manchen Organisationen dürfen sich leitende Angestellte, Entwicklungsingenieure oder ähnliche Beschäftigte nicht am Ideenmanagement beteiligen. Wenn überhaupt, dann handelt es sich hier um einen kleinen Personenkreis, deren Anzahl dann von der Anzahl der Beschäftigten abgezogen wird, um die Anzahl der möglichen Einreicher zu erhalten. In einigen Organisationen dürfen auch Mitarbeiter von Fremdfirmen Ideen einreichen. Doch welche Organisation dokumentiert exakt, wie viele Monteure, Zeit- oder Leiharbeitnehmer, Berater, Wirtschaftsprüfer, technische Aufsichtspersonen, Verkäufer von Lieferanten etc. sich im Laufe des Jahres in ihrer Organisation aufgehalten haben? Kunden können in einigen Organisationen ebenfalls Vorschläge einreichen, einige Organisationen gehen sogar so weit, das Beschwerdemanagement in das Ideenmanagement zu integrieren. Bei Organisationen, die an Endkunden liefern, kommt so eine hohe Anzahl möglicher Einreicher zusammen. Die Anzahl möglicher Einreicher steigt noch einmal bei Organisationen, für die auch unbeteiligte Dritte Vorschläge einreichen können. Diese Organisationen haben dann knapp 8 Milliarden mögliche Einreicher. Das ist offensichtlich für die Berechnung der Beteiligungsquote ein unsinniger Ansatz. In der Praxis rechnen Organisationen häufig mit der Anzahl der regulär Beschäftigten, da Kunden, Monteure von Fremdfirmen, Zeit- oder Leiharbeiter und Ferienaushilfen sich ohnehin nur selten am Ideenmanagement beteiligen. Für die Darstellung der Entwicklung der Beteiligungsquote in einer Organisation ist das ein sinnvoller Ansatz. Für den Vergleich der Beteiligungsquote zwischen verschiedenen Organisationen kann es so zu Unschärfen kommen. Schließlich ist so auch eine Beteiligungsquote über 100 Prozent möglich, was zumindest erklärungsbedürftig ist. In unserer Studie (Landmann und Schat 2018, S. 25) hat die Hälfte der Organisationen eine Beteiligungsquote von 20 Prozent oder mehr angegeben. Neckel (2018, S. 11) sieht eine Beteiligungsquote von 20 bis 30 Prozent als Voraussetzung für eine „Beteiligungskultur“, besonders erfolgreiche Unternehmen sollen 60 bis 80 Prozent Beteiligung erreichen.

46

3.3

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U  msetzungs-/Realisierungsquote

cc Umsetzungsquote: Die Umsetzungsquote wird auch Realisierungsquote genannt und ist die Anzahl der in einem Jahr umgesetzten Ideen dividiert durch die Anzahl der in diesem Jahr abgeschlossenen Ideen. Kriterium ist das Jahr, in dem eine Idee abschließend bearbeitet wurde, dies gilt sowohl für die umgesetzten als auch für die nicht umgesetzten Ideen. Einige Organisationen bieten vor der Einreichung mehr oder weniger freiwillig eine Beratung durch den Ideenmanager an. Diese Beratung soll dafür sorgen, dass nur Ideen mit einer hohen Umsetzungs-Chance eingereicht werden. Ideen mit geringer Umsetzungs-­ Chance werden gar nicht erst erfasst. Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass sich Ideenmanager, Gutachter und Führungskräfte möglichst wenig mit Ideen befassen müssen, die ohnehin kaum eine Chance auf Umsetzung haben. Zugleich geben diese Organisationen eine hohe Realisierungsquote an, was beim Vergleich zwischen verschiedenen Organisationen zu berücksichtigen ist. Pfeffer gibt als gute Werte für die Realisierungsquote 60 bis 70 Prozent für die Produktion und 40 bis 60 Prozent für Dienstleister an. Die Hälfte der Beteiligten an unserer Befragung berichteten von einer Realisierungsquote zwischen 21 und 59 Prozent.

3.4

I deenquote oder Anzahl Ideen pro Mitarbeiter und Jahr

Das Zentrum Ideenmanagement hat als dritte der „big five“ die Ideenquote, definiert als Anzahl der Ideen dividiert durch das „Teilnehmerpotential“. Dies „Teilnehmerpotential“ ist nicht immer sinnvoll zu definieren, wie oben bei der Definition der Beteiligungsquote (Abschn. 3.2) gezeigt. In meinen eigenen Untersuchungen verwende ich daher lieber die Kennzahl „Ideen pro Mitarbeiter und Jahr“. Die Anzahl der eingereichten Ideen dividiert durch die durchschnittliche Anzahl an Beschäftigten in diesem Jahr ist auf jeden Fall eindeutig definiert. Die Hälfte der Organisationen aus unserer Befragung berichten von 0,05 und 0,6 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr, Pfeffer zu folge sollen Organisationen danach streben, eine Ideenquote größer eins zu erreichen. Neckel (2018, S. 11 f.) sieht die Anzahl der Ideen pro Jahr in Abhängigkeit von der Beteiligungsquote: „Bei einer Beteiligungsquote von 30 % werden üblicherweise 1–2 VV/MA verzeichnet, bei Beteiligungsquoten über 60 % liegt die Vorschlagsquote (z. T. wie) über 3–4 VV/MA.“

3.5

B  earbeitungsdauer/Durchlaufzeit

cc Bearbeitungsdauer: Die Bearbeitungsdauer beginnt mit dem Einreichen der Idee. Die Bearbeitungsdauer wird in Kalendertagen und nicht in Arbeitstagen gemessen, soweit besteht Einigkeit. In der Praxis werden „Bearbeitungsdauer“ und „Durchlaufzeit“ synonym verwendet

Benchmarking und Kennzahlen

47

Das Zentrum Ideenmanagement misst die Bearbeitungsdauer bis zum „Abschluss der Vorschläge“. Bei umgesetzten Ideen heißt das: Die Bearbeitungsdauer läuft von der Einreichung bis zur Realisierung. Anders definiert Pfeffer (2018, S. 11) die Bearbeitungsdauer als die Zeit „bis die Entscheidung über die Idee kommuniziert wird.“ Beide Definitionen haben ihr Recht. Viele Beschäftigte reichen Ideen ein, weil sie etwas verändern wollen. Wenn eine Idee umgesetzt wurde, dann ist die Prämie ehrlich verdient. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Bearbeitungsdauer bis zur Umsetzung die relevante Größe. Unter motivationspsychologischem Aspekt ist die Entscheidung das Wichtigste. Eine positive Entscheidung ist der Erfolg, der Beschäftigte dazu bringt, weitere Ideen zu entwickeln und einzureichen. In unseren Erhebungen fragen wir daher nach der Bearbeitungsdauer bis zur Entscheidung und nach der Bearbeitungsdauer bis zur Umsetzung. Organisationen sollen, Pfeffer zu folge, eine Bearbeitungsdauer bis zur Entscheidung unter 90 Kalendertagen anstreben. In unserer Erhebung erreicht die Hälfte der Organisationen eine Bearbeitungsdauer bis zur Entscheidung von 60 Kalendertagen oder weniger. Die Bearbeitungszeit bis zur Umsetzung beträgt für die Hälfte der Organisationen 90 Tage oder weniger. Die Bearbeitungsdauer ist nicht ganz eindeutig zu interpretieren. Kleine Ideen mit geringem Nutzen können häufig deutlich schneller entschieden und umgesetzt werden. Manche Ideen werden zwar schnell entschieden, können aber nur zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.  B.  Werksferien, Einsatz eines neuen Software-Release, Wartungszyklen etc.) umgesetzt werden. Radikal neue und einschneidende Ideen mit hohem Nutzen benötigen regelmäßig eine längere Entscheidungs- und Realisierungsdauer. Wichtig ist hier vor allem Transparenz: Einreicher verstehen, wenn zur Entscheidung oder Realisierung noch Vorbereitungen notwendig sind, sie sollten sich jedoch über den Bearbeitungsstand ihrer Ideen informieren können. Umgekehrt: Organisationen mit geringen Bearbeitungsdauern sind manchmal Organisationen mit vielen trivialen Ideen. Manchmal sind es auch Organisationen mit einer geringen Realisierungsquote: Ideen kann man schneller ablehnen als umsetzen. Offen bleibt beispielsweise diese Ereignisse in die Statistik eingehen: • Einsprüche gegen die Ablehnung, • Wiederaufnahme einer Idee unter veränderten Rahmenbedingungen, • irrtümliches Abschließen einer Idee und neue Bearbeitung Monate später (vgl. Koblank 2018, S. 4). Wenn eine Organisation ihre Entwicklung bewerten will, dann genügt es, wenn hier in jedem Jahr auf die gleiche Weise verfahren wird. Der Vergleich der Durchlaufzeiten zwischen verschiedenen Organisationen ist jedoch nur sehr vorsichtig möglich.

48

3.6

H.-D. Schat

N  utzenquote

cc Nutzenquote: Die Nutzenquote dividiert den berechenbaren Nutzen aller Ideen durch die Anzahl der umgesetzten Ideen. Auch hier finden sich im Einzelnen unterschiedliche Herangehensweisen. Das Zentrum Ideenmanagement geht vom berechenbaren Bruttonutzen aus, also vom Nutzen ohne Abzug der Kosten, die durch die Umsetzung der Idee entstehen. Dieser Nutzen wird „dividiert durch die Anzahl der im aktuellen Berichtsjahr umgesetzten Vorschläge“, vermutlich also unabhängig davon, ob diese umgesetzten Vorschläge einen berechenbaren Nutzen aufweisen oder ob sie mit einem nicht berechenbaren Nutzen umgesetzt wurden. Pfeffer bezieht die Nutzenquote auf den berechenbaren Nettonutzen, also den Nutzen nach Abzug der Kosten für die Umsetzung der Idee. Dabei gelten Werte von über 1000 € als gut. In unserer Erhebung berichtet die Hälfte der Befragten von einem berechenbaren Nutzen pro realisierter Idee zwischen 321 € und 3750 €.

3.7

B  erechenbarer Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr

Der berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr ist die zentrale Kennzahl für Organisationen, die das Ideenmanagement mit dem Ziel betreiben, wirtschaftlichen Nutzen zu generieren. Die Hälfte unserer Befragten berichtet von einem berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr zwischen 61 € und 695 €. Diese Spanne zeigt, welche Möglichkeiten im Ideenmanagement von vielen Organisationen noch schlummern. Neckel nennt 500 € bis 1000 € als untere Grenze für den Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr, damit ein Ideenmanagement wirtschaftlich interessant wird.

4

Fazit

Benchmarking von Kennzahlen dient dazu • die Entwicklungsmöglichkeiten des Ideenmanagements einer Organisation zu erkunden • die Qualität des eigenen Ideenmanagements im Vergleich zu anderen Organisationen einzuschätzen. Hierzu werden Kennzahlen verwendet, die sechs am häufigsten ausgewerteten sind • Beteiligungsquote • Umsetzungs-/Realisierungsquote

Benchmarking und Kennzahlen

• • • •

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Ideenquote oder Anzahl Ideen pro Mitarbeiter und Jahr Bearbeitungsdauer/Durchlaufzeit Nutzenquote Berechenbarer Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr

Die verwendeten Definitionen unterscheiden sich im Detail teilweise beträchtlich, dies ist beim Vergleich zwischen Organisationen zu berücksichtigen. Wenn der Vergleich zwischen Organisationen zugleich dazu dient, Auszeichnungen, Preise und Awards zu vergeben, dann werden Anreize gesetzt, die Kennzahlen geschönt anzugeben. Daher sollten Kennzahlenerhebungen und Benchmarking einerseits und die Vergabe von Auszeichnungen andererseits streng getrennt bleiben.

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Prof. Dr. Hans-Dieter Schat  war bei u. a. Daimler, und Fraunhofer als Einreicher, Gutachter, Führungskraft und Ideenmanager beschäftigt. Nun ist er Professor für Personalwesen an der FOM Hochschule und arbeitet als Wissenschaftler, Autor und Blogger für das Ideenmanagement. Aktuelles findet sich auf www.IdeenmanagementBlog.de

Intrapreneurship durch Ideenmanagement Till Suchsland und Martin Kloyer

Inhaltsverzeichnis 1  Intrapreneurship  2  Reifegrad  3  Handlungsleitende Bedürfnisse  4  Art der Idee  5  Schrittweise Förderung von Intrapreneurship  6  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

Der Nutzen von Ideenmanagementsystemen bleibt häufig hinter den Erwartungen der Unternehmensleitung zurück. Um dem entgegenzuwirken, können sie unserer Auffassung nach als Instrumente der Personalentwicklung betrachtet werden. Dazu kann als Einstieg die ansonsten häufig ausgeschlossene Generierung von arbeitsplatzbezogenen Ideen dienen. Dementsprechend würde ein um Personalentwicklungsmaßnahmen ergänztes Ideenmanagement höhere Bedürfnisebenen aktivieren sowie Fähigkeiten und Motivation derart steigern, dass Organisationsmitglieder schließlich zu Intrapreneuren werden. Als Intrapreneure würden die Organisationsmitglieder dann nicht mehr nur arbeitsplatzbezogen, sondern auch unternehmensbezogen wertvolle Ideen entwickeln und äußern. Der Beitrag will erste konzeptionelle Überlegungen hierzu vorstellen.

T. Suchsland (*) · M. Kloyer Lehrstuhl für ABWL sowie Organisation, Personalwirtschaft und Innovationsmanagement, Universität Greifswald, Greifswald, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_6

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1  Intrapreneurship cc Intrapreneurship: „Intrapreneurship ist die zunächst aus eigeninitiierten und selbst-­ organisatorischen Prozessen hervorgehende Entwicklung und Umsetzung von (Produkt-) Innovationen innerhalb einer bestehenden Unternehmung auf Basis unternehmerischen Verhaltens von Mitarbeitern jeglicher Hierarchieebene“ (Draeger-Ernst 2003, S. 45). Der von Giffort Pinchot geprägte Begriff Intrapreneur bezeichnet Organisationsmitglieder, die • unternehmerisch und proaktiv denken • ihre Ideen nicht zur Gründung einer eigenen Organisation nutzen, sondern diese ihrem Arbeitgeber zur Verfügung stellen • gezielt nach Verbesserungspotential innerhalb der Organisation suchen • ihre Ideen auch gegen Widerstände durchzusetzen versuchen (vgl. hierzu und zum Folgenden Pinchot 1988, S.  55–58; Scholz 2014, S.  1182–1184; Draeger-Ernst 2003, S. 22–23). Eine anspruchsvollere Rollendefinition würde über die oben genannten Punkte hinausgehend von einem Intrapreneur zusätzlich die eigenständige Durchsetzung seiner Innovation verlangen. Intrapreneure sind mithin Mitarbeiter/innen, die ihr Ideenpotential auch ohne die Motivation durch extrinsische Anreize  – bspw. im Rahmen eines klassischen Betrieblichen Vorschlagswesens – aktivieren. Qualitativ-empirische Einblicke lassen nun die Vermutung zu, dass Ideenmanagement unter bestimmten Voraussetzungen geeignet ist, Bedürfnisse der Mitarbeiter/innen zu wecken, sich zu einem Intrapreneur hin zu entwickeln. Ideenmanagement wäre damit ein Instrument der Personalentwicklung, das Mitarbeiter/innen dazu bringt, nicht mehr nur schwach ausgearbeitete oder wenig nutzen­ stiftende, sondern gesamtunternehmensbezogen wertvolle Ideen zu entwickeln und weiterzugeben. Ideenmanagement würde also unter anfänglicher Nutzung der aus Unternehmenssicht weniger attraktiven arbeitsplatzbezogenen Ideen betrieben, jedoch mit der Absicht, Organisationsmitglieder zu Intrapreneuren weiterzuentwickeln, die dann intrinsisch motiviert Ideen aus einer unternehmerischen Sichtweise heraus entwickeln und äußern. Anders ausgedrückt: • Das Ziel ist es, Intrapreneurship innerhalb der Organisation zu etablieren. • Die Methode ist ein darauf hinführendes Ideenmanagement. • Der Nutzen ist die Steigerung des Anteils gesamtorganisationsbezogener, potentiell wertvollerer Ideen, der aus der Verbreitung unternehmerischen Denkens unter den Beschäftigten resultiert. Die Vorstellung ist, dass die Beschäftigten aus eigenem Antrieb nach wertvollen Verbesserungsmöglichkeiten innerhalb der Organisation suchen und dazu auch in der Lage sind.

Intrapreneurship durch Ideenmanagement

53

Im Rahmen der Personalführung spricht man von Empowering Leadership, wenn Intrapreneurship gefördert werden soll (vgl. hierzu und zum Folgenden Furtner 2017, S. 1–8). Bei dieser Art der Führung wird den Beschäftigen ein hoher Entscheidungs- und Handlungsspielraum gewährt. Dies ermöglicht ein gesteigertes Gefühl von Autonomie und fördert Kreativität, sowie durch die Weckung von Selbstverwirklichungsbedürfnissen eine hohe aufgabenbezogene intrinsische Motivation. Nun stellt sich die Frage, welche Anforderungen an ein Ideenmanagement gestellt werden, das dieses Ziel erreichen soll. Zwei Voraussetzungen erscheinen uns wesentlich. Intrapreneurship erfordert erstens einen entsprechenden Reifegrad des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin – wir stellen diesbezüglich knapp das bekannte Führungsmodell von Hersey/ Blanchard (Hersey et al. 2015) vor. Zweitens müssen höhere Bedürfnisebenen aktiviert werden, damit Mitarbeiter/innen motiviert sind, Intrapreneur-Verhalten zu zeigen  – wir stellen hierzu knapp das ebenfalls verbreitete Modell von Maslow (Maslow 1943) vor.

2  Reifegrad Im Reifegradmodell von Hersey/Blanchard (Hersey et al. 2015) wird vereinfacht davon ausgegangen, dass Personen aufgabenbezogen unterschiedliche Reifegrade aufweisen können. Der Reifegrad gibt darüber Auskunft, inwiefern die Aufgabe eigenständig erledigt werden wird. Er setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Die Funktionsreife drückt aus, ob die Person die Aufgabe eigenständig erfüllen kann, also ob sie die Fähigkeiten dazu besitzt. Die zweite Komponente ist die psychologische Reife. Mit ihr wird angegeben, ob die Person die Aufgabe erfüllen möchte, also ob sie motiviert dazu ist. Übertragen auf den Intrapreneurship-Prozess bedeutet dies, dass sowohl Wollen als auch Können vorhanden sein müssen, um innerhalb der Organisation unternehmerisch tätig zu werden (s. Abb. 1). Der Reifegrad bezieht sich in unserer Betrachtung also auf das Beschäftigen mit organisationsförderlichen Ideen. Die heute verfolgten Ziele des Ideenmanagements sind damit weitgehend in Einklang zu bringen. Man könnte also sagen, dass Ideenmanagement dazu genutzt werden kann, Intrapreneurship in der Organisation zu etablieren und zu fördern. Als Erfolgsfaktoren für die Implementierung von Intrapreneurship im Unternehmen gelten sowohl die Bereitstellung interner Ressourcen (Zeit, Geld, beratende Unterstützung) als auch die Gestaltung eines darauf abgestimmten Anreizsystems (vgl. Draeger-Ernst 2003, S. 27, 35–37). Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, die oben aufgeführten Merkmale von Intrapreneuren

Möglichkeit wahrnehmen

Wille und Bereitschaft diese zu ergreifen

Vorhandensein von Fähigkeiten und Ressourcen

Umsetzung der Möglichkeit

Abb. 1  Intrapreneurship-Prozess. (Quelle: Schießl 2015, S. 27 angelehnt an Süssmuth Dyckerhoff 1995, S. 55)

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T. Suchsland und M. Kloyer

gezielt zu fördern, sofern sie nicht bereits vorhanden sind. Durch das Ideenmanagement können gezielt Maßnahmen ergriffen werden, die dem jeweiligen Reifegrad der Organisationsmitglieder entsprechen. Dabei müssen die Maßnahmen gleichzeitig der für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin aktuell vorrangigen Bedürfnisebene entsprechen. Welche Bedürfnisse bei den Organisationsmitgliedern grundsätzlich handlungsleitend sein können, stellen wir im Folgenden knapp dar.

3  Handlungsleitende Bedürfnisse Eines der bekanntesten Modelle im Zusammenhang mit Motivation ist die Bedürfnispyramide von Maslow (Maslow 1943, S. 372–382; s. Abb. 2). Auch, wenn dieses Modell sich einiger berechtigter Kritik stellen muss, ist doch der Grundgedanke nachvollziehbar, dass „höher gelagerte“ Bedürfnisse der Pyramide erst dann motivierend (handlungsleitend) werden, wenn die unteren Bedürfnisebenen befriedigt sind. Allgemein wird davon ­ausgegangen, dass in Deutschland diese unteren Ebenen bei einem Großteil der Menschen bereits erfüllt sind und daher allenfalls noch als schwache Quelle für Motivation dienen. Wenn die elementaren physiologischen und sicherheitsbezogenen Bedürfnisse der Menschen weitgehend befriedigt sind, werden monetäre Anreize, die die unteren Bedürfnis­ ebenen ansprechen, nicht mehr in dem Maße zu Motivation führen, wie sie es zuvor taten. Diese Ebenen werden dann nur noch in Ausnahmesituationen handlungsbestimmend  – bspw. durch das Auftreten von Unfallrisiken am Arbeitsplatz.

Wachstums-Bedürfnisse

Selbstverwirklichung

Defizit-Bedürfnisse

Abb. 2  Bedürfnispyramide nach Maslow. (Quelle: Schreyögg und Koch 2010, 196)

Intrapreneurship durch Ideenmanagement

55

Als Folge dieser Entwicklung gewinnen soziale, wertschätzungs- und selbstverwirklichungsbezogene Bedürfnisse an Bedeutung. Während die beiden ersteren in Grenzen auch durch weitere materielle Vorteile (z. B. Sozialstatus durch große Büros, hohe Boni, teure Reisen oder hochwertige Firmenwagen) befriedigt werden können, wird dies bei dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zunehmend schwierig. Gleichzeitig wird aber der Anteil der Beschäftigten, die auch im Beruf nach Erfüllung streben, größer. Damit geht eine stärkere Gewichtung der intrinsischen Motivation einher, was Personalabteilungen vor ein Problem stellt, weil intrinsische Motivation schwer gezielt zu erzeugen ist. Hinzu kommt für Organisationen das Problem, dass diese Motivation möglichst dazu führen soll, dass die Beschäftigten im Sinne der Organisationsziele handeln.

4  Art der Idee Wie oben erwähnt, soll Intrapreneurship Mitarbeiter/innen dazu veranlassen, aus eigenem Antrieb gesamtunternehmens(organisations-)bezogene Ideen zu entwickeln und zu äußern. Solche Ideen gehen über den Rahmen des individuellen Arbeitsplatzes hinaus. Wir definieren: cc Arbeitsplatz- und organisationsbezogene bezogene Ideen: Als Arbeitsplatzbezogene Idee wird in diesem Beitrag eine Idee bezeichnet, die sich lediglich auf die Verbesserung/Vereinfachung der eigenen Arbeit bezieht oder die soweit skalierbar ist, dass sie auch auf Arbeitsplätze mit gleichem Aufbau/Inhalt anwendbar ist, darüber hinaus aber keinen Einfluss auf die Arbeit und die Prozesse der Organisation hat. cc Als organisationsbezogene Ideen werden sämtliche Ideen bezeichnet, die in ihrem Umfang oder nach ihrer Art über die Definition einer arbeitsplatzbezogenen Idee hinausgehen.

5  Schrittweise Förderung von Intrapreneurship Phase I Ideen zur Verbesserung der eigenen, alltäglichen Arbeit zu generieren, erfordert den in diesem Kapitel niedrigsten behandelten Reifegrad. Die psychologische Reife, also der Wille, die eigene Arbeit zu vereinfachen/verbessern, liegt häufig in der Person selbst. Sie muss dafür keinen äußeren Anreizen ausgesetzt werden. Die Fähigkeit, diese Ideen zu entwickeln, besitzt sie ebenfalls, da sie selbst Spezialist im Bereich ihrer täglichen Arbeit ist. Es wird davon ausgegangen, dass dieser Reifegrad bei Organisationsmitgliedern besteht, die noch keine negativen Erfahrungen mit geäußerten Vorschlägen gemacht haben. Hierin liegt auch der Grund, weshalb arbeitsplatzbezogene Ideen eher eingereicht werden als Ideen, die über den eigenen Arbeitsplatz hinausgehen (s. Tab. 1). Die Einreicher sind intrinsisch motiviert, ihre eigene Arbeit zu verbessern und reichen diesbezügliche Vorschläge teilweise sogar gegen den Widerstand von Vorgesetzten oder trotz negativer

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T. Suchsland und M. Kloyer

Tab. 1  Reifegrad Phase I (eigene Darstellung)

Reifegrad

Arbeitsplatzbezogen

Organisationsbezogen

Funktionsreife/Können

+

-

Psychologische Reife/Wollen

+

-

Erfahrung mit den Rahmenbedingungen des Ideenmanagements ein, weil sie direkt von den Vorteilen der Umsetzung profitieren. Die Wahrscheinlichkeit für die Einreichung eines Vorschlags steigt noch weiter, wenn durch die Umsetzung arbeitsplatzspezifische Risiken abgewendet werden können, die Vorschläge also auf die Ebene der Sicherheitsbedürfnisse einwirken sollen. Stellt die angestrebte Verbesserung zusätzlich auch eine Erleichterung der Arbeit von Kollegen z. B. mit ähnlichen Arbeitsplätzen dar, werden auch altruistische und Anerkennungsbedürfnisse handlungsleitend. Dieser Effekt ist wichtig und sollte gezielt gefördert werden, da er den Schritt zur Motivation bedeutet, sich auch über Verbesserungspotential jenseits des eigenen Arbeitsplatzes oder der täglichen Arbeit Gedanken zu machen – sich also auch mit organisationsbezogenen Ideen auseinanderzusetzen. Maßnahmen des Ideenmanagements in dieser Phase sollten sich darauf konzentrieren, die Vorschläge zügig und transparent bearbeitbar zu machen, um ein Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Ideenmanagements zu erreichen. Die Vorschläge sollten auch bei geringem Gesamtnutzen für die Organisation umgesetzt werden, sofern es keine schwerwiegenden Gründe gibt, sie abzulehnen. Dies fördert das Gefühl der Anerkennung jedes Einzelnen. Die Gewährung kleiner Prämien, wie z. B. Tankgutscheine, können als Anreiz wirken, sich das erste Mal mit dem Ideenmanagement auseinanderzusetzen und die Erfahrung bewirken, dass die eigenen Beiträge honoriert werden. Phase II Die zweite Phase der Reifegradentwicklung setzt ein, sobald in Phase I erste subjektive Erfolgserlebnisse eintreten und grundsätzliche Zufriedenheit mit dem vorhandenen System des Ideenmanagements entstanden ist. Die Mitarbeiter/innen entwickeln eine Motivation, einen Blick über die eigene Umgebung hinaus zu wagen und sich bspw. mit Schnittstellenproblemen zwischen dem eigenen Arbeitsplatz und vor- oder nachgelagerten Aufgaben auseinanderzusetzen (s. Tab. 2). Dies erfordert nur eine geringfügige

Intrapreneurship durch Ideenmanagement

57

Tab. 2  Reifegrad Phase II (eigene Darstellung)

Reifegrad

Arbeitsplatzbezogen

Organisationsbezogen

Funktionsreife/Können

+

-

Psychologische Reife/Wollen

+

+/-

Beschäftigung mit den Aufgaben anderer Organisationsmitglieder und hat weiterhin einen Bezug zur eigenen Arbeit. Dieser Schritt ist für die Förderung von Intrapreneurship wichtig, um durch Interaktion mit Kollegen, z.  B. durch gemeinsam erarbeitete Vorschläge, die Bedürfnis­ ebene zu wechseln, welche zur Motivation führt, sich am Ideenmanagement über den eigenen Arbeitsplatz hinaus zu beteiligen. An die Stelle von Sicherheitsbedürfnissen und (eher egoistischem) Streben nach der Verbesserung der eigenen Arbeit treten nun soziale- und Anerkennungsbedürfnisse. Sofern das Ideenmanagement ein nutzenbezogenes Prämiensystem anbietet, wird es außerdem  – abhängig von der individuellen Motivationsstruktur – interessanter, sich mit der Erarbeitung von Vorschlägen zu beschäftigen, die einen hohen Nutzen für das Unternehmen aufweisen, da die Prämie dafür einen spürbaren Gehaltssprung bedeuten kann und durch die bereits geförderte Kompetenz, im arbeitsplatzbezogenen Rahmen lösungsorientiert zu denken, auch die eigene Zuversicht steigt, in der Lage zu sein, wertvolle Beiträge für die Organisation zu erarbeiten. Zusätzlich zu den Anforderungen an das Ideenmanagement aus Phase I ist es nun wichtig, bspw. auch die Meldung von erkannten Problemen zu fördern und anschließend in Verbindung mit KVP (Kontinuierliche Verbesserungsprozesse)-Workshops unter Einbezug des „Problemmelders“ Lösungen zu erarbeiten. Dies stärkt das Vertrauen in das System Ideenmanagement, zeigt Wertschätzung und stellt gleichzeitig einen ersten Schritt zur Förderung des organisationsbezogenen Problemlösungsverhaltens dar. Beschäftigte ­können hier – je nach Zusammensetzung der Gruppe – Sichtweisen und Kriterien anderer Abteilungen und aus unternehmerischer Sicht kennenlernen, um diese später in ihre Vorschläge mit einbeziehen zu können. Das Ergebnis dieser Phase ist eine weiter gesteigerte Motivation sowie möglicherweise bereits die beginnende Fähigkeit zur eigenständigen Entwicklung organisationsbezogener Ideen.

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T. Suchsland und M. Kloyer

Phase III Die in der vorigen Phase angestoßene Förderung der Motivation zu organisationsbezogenen Ideen wird nun weiter fortgesetzt. Ziel ist es, dass die Bedürfnisebene auf die höchste Stufe, nämlich den Wunsch nach Selbstverwirklichung, gehoben wird. Durch die bislang positiven Erfahrungen mit dem Ideenmanagement wird die Erkenntnis ermöglicht werden, dass die Organisation tatsächliches, authentisches Interesse an den Beiträgen ihrer Mitglieder hat und dass eine offene und kreative Denkweise befriedigend wirken kann. Ist dies erreicht, kann Spaß an der Auseinandersetzung mit neuen Ideen entstehen, ohne dass negative Konsequenzen befürchtet werden müssen. Diese Entwicklung muss innerhalb der Person vollzogen werden und kann vom Ideenmanagement nur durch die Gestaltung möglichst positiver Rahmenbedingungen unterstützt werden. Das Ideenmanagement kann in dieser Phase seine Aktivitäten auf die Förderung des Könnens ausrichten, also in diesem Fall des lösungsorientierten Beschäftigens mit über den Arbeitsplatz hinausgehenden Problemen in der Organisation. Maßnahmen des Ideenmanagements können sich in dieser Phase auf Unterstützung bei der Ausarbeitung von  – möglicherweise noch nicht hinreichend ausgearbeiteten  – Vorschlägen beziehen. Das Erarbeiten von umsetzungsreifen Plänen, die nur teilweise oder gar nicht mehr mit dem eigenen Arbeitsplatz in Zusammenhang stehen und sich daher auch nicht ausschließlich auf das Spezialistenwissen einzelner beziehen, ist ein Lernprozess, der zunächst Hilfe von außen benötigt. Vorschläge, die nicht direkt umsetzbar sind, sollten daher nicht direkt abgelehnt, sondern durch Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter/ innen des Ideenmanagements gemeinsam mit dem Ideengeber verbessert und umsetzbar gemacht werden. In dieser Phase ist eines der wichtigsten Ziele die Förderung der Fähigkeit, Probleme eigenständig zu erkennen und an diesen lösungsorientiert zu arbeiten. Die Ausprägung der Reifegraddimensionen nach erfolgreich durchlaufener Phase 3 fasst Tab. 3 zusammen.

Tab. 3  Reifegrad Phase III (eigene Darstellung)

Reifegrad

Arbeitsplatzbezogen

Organisationsbezogen

Funktionsreife/Können

+

+/-

Psychologische Reife/Wollen

+

+

Intrapreneurship durch Ideenmanagement

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Tab. 4  Reifegrad Phase IV (eigene Darstellung)

Reifegrad

Arbeitsplatzbezogen

Organisationsbezogen

Funktionsreife/Können

+

+

Psychologische Reife/Wollen

+/-

+

Phase IV Der vierte Reifegrad repräsentiert eine/-n vollständig, stark intrinsisch motivierte/n Mitarbeiter/in, der/die aus eigenem Antrieb und eigenständig in der Lage ist, hochwertige Ideen innerhalb der Organisation zu entwickeln und auch gegen Widerstände zu vertreten (s. Tab. 4). Es ist denkbar, dass damit eine eingeschränkte Motivation einhergeht, sich mit arbeitsplatzbezogenen Verbesserungen zu beschäftigen, theoretisch sogar eine nachlassende Freude an der täglichen Arbeit. Personen, die diesen hohen Reifegrad erreichen und infolge dessen weniger Begeisterung für ihre operative Arbeit zeigen, kommen grundsätzlich für Positionen mit deutlich erweitertem Handlungs- und Entscheidungsspielraum innerhalb und außerhalb des Ideenmanagements in Frage. Sie eignen sich sehr gut als Unterstützer von Kollegen in Reifegrad II und III, falls entsprechende Personalführungsqualitäten vorhanden sind. Sowohl die Unterstützung von Kollegen/-innen als auch die Übertragung von Verantwortung z. B. bei Entscheidungsprozessen innerhalb des Ideenmanagements können die höheren Bedürfnisebenen befriedigen und somit Personen mit dem vierten Reifegrad kontinuierlich auf einem hohen Motivationsniveau halten. Um die Funktionsreife auch bezüglich weitreichender Ideen zu steigern bzw. die dafür benötigte Plattform zu schaffen, können z. B. organisationsinterne Communities eingerichtet werden, die Personen mit ähnlichen Inte­ ressen und an unterschiedlichen Standorten miteinander vernetzen.

6  Fazit Während des Verlaufs der Reifegradentwicklung wird die Fähigkeit und Motivation der Beteiligten zur Erarbeitung organisationsbezogener Ideen hergestellt und weiter gefördert. Dies soll zu einer Abnahme der arbeitsplatzbezogenen Ideen und einer Zunahme organisationsbezogener Ideen führen und das unternehmerische Denken Einzelner, also die Intrapreneurship, stärken (s. Abb. 3.)

T. Suchsland und M. Kloyer

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Erfolg

Reifegrad I Förderung durch:

Ab

Ob

FR

+

-

PR

+

-

• Umsetzung vieler Ideen • Zügige Bearbeitung • Akzeptanz • Transparenz

Erfolg

Reifegrad II Förderung durch:

Ab

Ob

FR

+

-

PR

+

+/-

• Sammlung von Problemen auch ohne Lösungen • Herstellung von Kontakten zu vorund nachgelagerten Schnittstellen • Einbringen von Sichtweisen und Kriterien aus unternehmerischer Sicht

Erfolg

Reifegrad III Förderung durch:

Ab

Ob

FR

+

+/-

PR

+

+

• Unterstützung bei der Ausarbeitung von organisationsbezogenen Vorschlägen

Reifegrad IV Förderung durch:

Ab

Ob

FR

+

+

PR

+/-

+

• Ausweitung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums

Abb. 3  Maßnahmen während der Reifegradentwicklung. (Quelle: eigene Darstellung)

Da Organisationsmitglieder mit ihren unterschiedlichen Reifegraden unterschiedliche Anfangsvoraussetzungen für ihre Entwicklung zu Intrapreneuren mitbringen, ist die Bewertung dieses Reifegrads eine erste zentrale Managementaufgabe. Nur auf diese Weise kann eine individuelle Personalentwicklung gelingen, die verhindert, dass ungeeignete Maßnahmen das Vertrauen in die Funktionalität und Verlässlichkeit des gesamten Ideenmanagements erschüttern. So würde beispielsweise eine dem Reifegrad 4 entsprechende Ausweitung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums einer/m auf Reifegrad 1 stehende/n Mitarbeiter/in nur Misserfolgserlebnisse verschaffen und damit Misstrauen gegenüber dem System des Ideenmanagements bewirken. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Großzahl der Mitarbeiter/innen den hier beschriebenen höchsten Reifegrad erreichen, da es sich um einen idealtypischen Verlauf der Reifegradentwicklung handelt. Dieser lässt sich nur realisieren, wenn keine negativen Einflussfaktoren wie bspw. Enttäuschung über abgelehnte Vorschläge, unkooperatives Verhalten von Vorgesetzten oder Neideffekte zwischen den Beschäftigten wirken. Außerdem wird nicht jede/r Mitarbeiter/in über die für einen Intrapreneur nötigen Fähigkeits- und Motivationspotentiale verfügen. Darüber hinaus müssen eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen angelegt und entwickelbar sein, die teilweise denen erfolgreicher Gründer entsprechen (z.  B.  Extraversion und emotionale Stabilität; vgl. Schmitt-Rodermund 2004, S. 506–512; Brandstätter 1997, S. 168–170). Gelingt es, einen großen Teil der Beschäftigten bis zu einem mittleren Reifegrad zu fördern, steigen die Wahrscheinlichkeit, die Relation von organisationsbezogenen zu arbeitsplatzbezogenen Ideen zu erhöhen und damit den Erfolg des Ideenmanagements zu steigern (s. Abb. 4), sowie die Chance, einzelne Organisationsmitglieder zu echtem Intrapreneurship zu befähigen.

Relation arbeits- zu organisationsbezogenen Ideen

Intrapreneurship durch Ideenmanagement

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arbeitsbezogene Ideen

organisaonsbezogene Ideen

I

II

III Reifegrad I – IV

IV

Abb. 4  Reifegradabhängig zu erwartende Relation von arbeitsplatz- zu organisationsbezogenen Ideen. (Quelle: eigene Darstellung)

Literatur Brandstätter, Hermann (1997): Becoming an entrepreneur – A question of personality structure? In: Journal of Economic Psychology 18 (2–3), S. 157–177. Draeger-Ernst, Anne (2003): Vitalisierendes Intrapreneurship. Gestaltungskonzept und Fallstudie. München. Furtner, Marco (2017): Empowering Leadership. Wiesbaden. Hersey, Paul; Blanchard, Kenneth H.; Johnson, Dewey E. (2015): Management of organizational behavior. Leading human resources. 10. Auflage. Neu Delhi. Maslow, A. H. (1943): A Theory of Human Motivation. In: Psychological Review 50 (4), S. 370–396. Pinchot, Gifford (1988): Intrapreneuring. Mitarbeiter als Unternehmer. Wiesbaden. Schießl, Nina (2015): Intrapreneurship-Potenziale bei Mitarbeitern. Wiesbaden. Schmitt-Rodermund, Eva (2004): Pathways to successful entrepreneurship: Parenting, personality, early entrepreneurial competence, and interests. In: Journal of Vocational Behavior 65 (3), S. 498–518. Scholz, Christian (2014): Personalmanagement. Informationsorientierte und verhaltenstheoretische Grundlagen. 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München. Schreyögg, Georg; Koch, Jochen (2010): Grundlagen des Managements. Basiswissen für Studium und Praxis. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden. Süssmuth Dyckerhoff, Claudia (1995): Intrapreneuring: ein Ansatz zur Vitalisierung reifer Gross-Unternehmen. Diss. Hochsch. für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwiss., St. Gallen.

Till Suchsland  ist seit 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für ABWL sowie Organisation, Personalwirtschaft und Innovationsmanagement an der Universität Greifswald. In seiner Promotion beschäftigt er sich mit der Gestaltung von Rahmenbedingungen des Ideenmanagements.

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Martin Kloyer  ist seit 2012 Inhaber des Lehrstuhls für ABWL sowie Organisation, Personalwirtschaft und Innovationsmanagement an der Universität Greifswald. Zuvor war er zwei Jahre Associate Professor in der Research Group Innovation Management an der Universität Aarhus in Dänemark. Nach der Promotion an der Freien Universität Berlin und zweijähriger Tätigkeit als Unternehmensberater wurde er an der Universität Jena habilitiert. Seine Forschungs- und Lehrgebiete liegen insbesondere auf den Feldern des Innovationsmanagements sowie der Neuen Institutionenökonomie.

Flucht aus der Gleichmacherei – mit Unterschiedlichkeit zu besseren Ideen Tobias S. Fastenrath

Inhaltsverzeichnis 1  2  3  4 

 offnung auf „Geistesblitz“  H Innere und äußere Denkschranken – Stabilität und Instabilität  Kreativität in Möglichkeitsräumen  Broker, Creator und Owner – Kreativitätssteigerungen durch heterogene Teams  4.1  Der Broker  4.2  Der Creator  4.3  Der Owner  5  Anwendung in der Praxis  6  Fazit  Literatur 

 64  64  65  66  66  67  68  69  70  70

Zusammenfassung

Kreativitätstechniken sind vielfältig und für viele Problemlösungen das Mittel der Wahl. Diese Methoden bleiben jedoch hinter den Möglichkeiten zurück, sofern nicht auch der Fokus auf die Rahmenbedingungen gesetzt wird, in denen Kreativität erscheint. Meist tauschen sich Experten zu einem Thema aus und es werden hochgradig inspirierende und innovative Lösungsmöglichkeiten erwartet. Wenn diese ausbleiben, wird oft an den Symptomen gearbeitet. Diese äußern sich mitunter in „wilden“ Konzepten wie bunte Sessel und Malen von farbigen Bildern, um der Inspiration „nachzuhelfen“. Probieren Sie es aus. Werden Sie kreativer, wenn Sie auf einem bunten Stuhl sitzen?

T. S. Fastenrath (*) Düsseldorf, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_7

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T. S. Fastenrath

Die Ausführungen tragen dazu bei, dass neben den Kreativitätsmethoden das Augenmerk auf die Zusammensetzung des Teams gelegt wird, um künftig bessere Ideen zu entwickeln.

1

Hoffnung auf „Geistesblitz“

Häufig hoffen Unternehmen bei einem Ideenmanagement auf die individuelle Intelligenz, auf den „Geistesblitz“ eines Mitarbeiters. Idealerweise mit einer revolutionären Idee, die ein neues disruptives Produkt oder eine Dienstleistung hervorbringt, die die Welt verändert. Dass diese Hoffnung nur selten erfüllt wird, weiß jeder Vorgesetzte schon intuitiv. Meist wird der Fokus weniger auf „gesunde“ Rahmenbedingungen gelegt, sondern auf Kreativitätstechniken – in dem Glauben, dass diese Methoden und Techniken im Handumdrehen alle kreativ machen. Das jedoch ist ein Irrglaube: Kreativitätstechniken bieten eine Denkstütze, die es ermöglicht, Wissen und Wissenselemente zu strukturieren und neu miteinander zu verknüpfen (Meyer 2010). Dafür muss aber erst Wissen „zusammenkommen“ und das in möglichst heterogener Form. (Herr 2017): „Zukunftsdiskussionen erfordern die Aufnahme von möglichst unterschiedlichen Perspektiven zum gleichen Betrachtungsobjekt. Daher ist die Heterogenität eines Teams für neue Erkenntnisse wichtiger als der alleinige Expertenaustausch.“

Es gilt also die alte Weisheit, dass sich Wissen nur dann vermehrt, wenn man es teilt. Kreativitätstechniken bleiben hinter den Möglichkeiten zurück, auch wenn man in Workshops häufig neue Ideen generiert. Bunte Stühle und Malen mit farbigen Stiften erfüllen fast nie die erwünschte Erwartung.

2

I nnere und äußere Denkschranken – Stabilität und Instabilität

Wir alle kennen die „Denkschranken“ in unserem Kopf, die uns einen gewissen Teil der alltäglichen Arbeit abnehmen und uns damit das Leben erleichtern. Diese Schranken haben sich in der Entwicklung des menschlichen Gehirns herausgebildet, um für Stabilität in unserem Kopf zu sorgen, ohne die wir nicht überlebensfähig wären. Autofahren, Schuhe binden, der Weg zur Arbeit, Einkaufen, ein Handwerk – all das sind Tätigkeiten und Prozesse, die so erlernt wurden, dass sie zur Gewohnheit bzw. Routine geworden sind. Neuropsychologisch betrachtet handelt es sich – vereinfacht dargestellt – um Verknüpfungen im Gehirn, die Ordnungsmuster bilden und automatisierte Abläufe sichern. Überspitzt lässt sich zusammenfassen: Das Gehirn kommt auch ganz gut ohne Sie zurecht (Meyer 2010).

Flucht aus der Gleichmacherei – mit Unterschiedlichkeit zu besseren Ideen

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Stabilität ist im Zusammenhang mit Kreativität allerdings hinderlich, da ein Ausstieg aus der stark verknüpften Ordnung erforderlich wird. Der Ausstieg aus stabilen Mustern fällt häufig umso schwerer, wenn sich diese zusätzlich in Richtlinien, Gesetzen und Verordnungen wiederfinden, wie Jürgen Rüttgers (Ministerpräsident a.D.) treffend erklärte: „Bill Gates wäre in Deutschland allein deshalb gescheitert, weil nach der Baunutzungsordnung in einer Garage keine Fenster drin sein dürfen.“ Jürgen Rüttgers (Ministerpräsident a.D.)

Die in der deutschen Gesetzgebung verankerte Pflicht einer Sichtverbindung über ein Fenster nach außen in Arbeitsstätten hemmt den erforderlichen ungezwungenen Rahmen für Innovation und Gründertum. Diese und ähnliche Vorgaben können ihrerseits natürlich wieder die Kreativität ankurbeln: So könnte zumindest überlegt werden das Garagentor offen zu lassen, um der gesetzlichen Pflicht einer Sichtverbindung nach außen gerecht zu werden … Die Geschichte zeigt, dass die Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung nach einiger Zeit und anfänglichen Widerständen der Neuerung in Form von neuen Gesetzen Rechnung trägt (Herr 2017). So hat sich beispielsweise das Start-Up „DeinBus“ gegen die „Deutsche Bahn“ gerichtlich durchgesetzt und damit den Fernverkehr in Deutschland revolutioniert. Mittlerweile sind Busverbindungen innerhalb von Deutschland und anderen europäischen Ländern gang und gebe.

3

Kreativität in Möglichkeitsräumen

Es lohnt danach zu schauen, wie Instabilität zunächst im Kopf erzeugt werden kann. Dazu muss man sich anschauen, wie Lernen im Kopf funktioniert. Um etwas Neues zu generieren, ist es entscheidend, dass stabile Muster – also bereits bestehende neuronale Verknüpfungen im Gehirn – entweder neu geschaffen oder bereits bestehende Muster aufgelöst werden. Der Übergang von einem stabilen Muster zum nächsten stabilen Muster, wird als „Instabilität“ bezeichnet (Kruse 2007). Erst der Übergang bzw. das Wechselspiel von Stabilität und Instabilität ist das entscheidende Kriterium für Kreativität und Ideen. Der Weg zur Kreativität besteht also darin, aus den gegebenen Handlungs- und Ordnungsmustern auszusteigen und bewusst eine „instabile Phase“ zu erzeugen. Dabei gilt es das „Sei kreativ“-Paradoxon zu vermeiden. Inspiration kann nicht verordnet werden. Instabilität sollte stets auf natürlichem und spielerischem Wege herbeigeführt werden. Ein fundiertes Ideenmanagement sollte daher immer Raum für Ideen und Potenzial für kreative Teams schaffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass innovative Gruppen zu mehr qualitativen Ideen kommen, ist sogar höher einzuschätzen als der zufällige „Geistesblitz“. Deshalb soll nun im Folgenden ein Konzept vorgestellt werden, um solche kreativen Teams zusammenzustellen. Dabei kann die richtige Zusammensetzung des Teams in Verbindung mit Kreativitätstechniken den Ideenreichtum voll ausschöpfen.

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Kruse (2007) geht bei seinen Überlegungen davon aus, dass man die Lernprinzipien des Gehirns auf die Teambildung überträgt. Denn hierdurch werden instabile Phasen erzeugt, die das anzutreffende Phänomen, dass sich die Teammitglieder in ihrer Expertise angleichen, immer wieder aufgelöst. Hierbei gilt es einige Prinzipien zu beachten, um der Tendenz zur „Einheit“ vorzubeugen. Das Gehirn benötigt drei wesentliche Elemente, um kreativ zu werden: Erregung, Bewertung und Problemlösung. Die Erregung kann als eine Art „Teaser“ betrachtet werden, z. B. eine Situation, die sich als betriebliches Problem darstellt. Dieses Problem wird nun durch das innovative Team bewertet und gelöst – ob dabei eine radikal neue Idee oder eine gängige Lösung entsteht, ist dabei zunächst unerheblich. Um ein kreatives Team zusammen zu stellen, sollten sich nach Kruse (2007) mindestens drei Charaktere in einer Gruppe wiederfinden: der Broker (Vermittler), der Owner (Wissenseigner) und der Creator (Kreativer). Die Einschätzung, welcher Mitarbeiter welchen Typ darstellt, ist durch Kruse (2007) nicht näher spezifiziert (z. B. in einer Checkliste). Kruse geht aber davon aus, dass man bereits nach kurzer Zeit merke, welcher Mitarbeiter sich einem Typen zuordnen lässt, sodass die intuitive Einschätzung des Teambuilders entscheidend sein dürfte. Man kann sich an den Ausführungen von Meyer (2010) orientieren, der diese Charaktere in seinem Buch „Kreativ trotz Krawatte“ (Meyer 2010) – wenn auch mit anderen Begriffen – beschreibt.

4

 roker, Creator und Owner – Kreativitätssteigerungen durch B heterogene Teams

Die einzelnen Charaktere sollen vorab kurz erläutert werden:

4.1

D  er Broker

Der Broker vermittelt zwischen den beiden anderen Charakteren. Er kann daher auch als „Vermittler“ oder „Vernetzer“ bezeichnet werden. Er ist zugleich ein Bewerter, denn er muss abschätzen können, ob und inwieweit sein Wissen ausreicht, um einen Beitrag zur Ideen- und Lösungsgenerierung herbeiführen zu können. Sofern sein Wissen nicht oder nur unzureichend vorhanden ist, kennt der Broker meist Personen, die zu diesem Problem einen entsprechenden Beitrag leisten. Broker können zum Beispiel Führungskräfte sein, die im Unternehmen schon mehrere Positionen bekleidet haben, somit gut vernetzt sind und viele Kollegen kennen. Wie identifiziert man eine solche Person? Hierzu bietet sich folgende Einschätzung (nach Meyer) an:

Flucht aus der Gleichmacherei – mit Unterschiedlichkeit zu besseren Ideen

Eigenschaften Wenn man dem Mitarbeiter eine Idee präsentiert, überlegt er sofort, auf wie vielen verschiedenen Wegen man ihr zum Erfolg verhelfen könnte. Der Mitarbeiter erkennt schnell, was noch fehlt, damit eine Idee Erfolg hat. Seine Kritik trifft oft den Kern. Der Mitarbeiter ist ein klassischer Denker, der das Know-How aus vielen Abteilungen anzapft und stützt. Der Mitarbeiter sagt beispielsweise: „Lass uns die Idee doch noch einmal in einem anderen Umfeld ausprobieren.“ Wenn das Konzept auf Hindernisse stößt, sagt der Mitarbeiter: „Na, dann müssen wir eben neue Wege finden.“

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Eher Eher ja Ja Nein nein (2 (3 (4 (1 Punkt) Punkte) Punkte) Punkte)

Je höher der Punktegesamtwert, desto eher handelt es sich um einen Broker, der das „große Ganze“ sieht und Details außen vorlässt. Dieser Person sollte man keine Detailarbeit übertragen.

4.2

D  er Creator

Der Creator ist der Kreative oder – nach Kruse (2007) – der „Spinner“. Diese Personen haben meist keine tiefen Kenntnisse oder Erfahrungen, sind aber zumeist sehr kreativ in der Gruppe und sprudeln geradezu vor Ideen. Sie sind letztlich diejenigen, die wesentlich für die Instabilität im Team, also das Auflösen eines stabilen Zustandes sorgen, das die Ideengenerierung erschwert. Es ist geradezu nützlich, wenn diese Person eben keine tiefen Kenntnisse in einem Gebiet hat, sondern diese Rolle dem Owner überlässt. Daher wäre grundsätzlich zu überlegen, ob ein Fachfremder in bestimmten Kontexten den Part des Creators übernehmen kann. ­ heckliste: Wie identifiziert man eine solche Person? Auch hierzu bietet Meyer (2010) eine C

Eigenschaften Der Mitarbeiter sprudelt geradezu vor Ideen, man muss ihn fast stoppen Der Mitarbeiter greift häufig Gedanken auf, die im Raum herumfliegen, und formuliert daraus konkrete Ideen. Der Mitarbeiter hat viele Ideen, die andere als spinnerhaft oder verrückt bezeichnen. Manchmal sind es halb fertige Gedanken oder Satzfragmente, die ich von meinem Mitarbeiter bekomme. Der Mitarbeiter hat sichtlich Spaß daran, neue Ideen zu generieren.

Eher Eher ja Ja Nein nein (2 (3 (4 (1 Punkt) Punkte) Punkte) Punkte)

T. S. Fastenrath

68

4.3

D  er Owner

Der Owner ist der Wissenseigner oder Wissens-an-eigner. Diese Personen wissen auf einem Gebiet sehr viel. Sie tüfteln gerne und beherrschen ihr Handwerk. Sie haben sich in einem (oder mehreren verwandten) Themen so viel Wissen angeeignet, dass ihnen „niemand mehr etwas vor macht“. Es dürfte am leichtesten fallen, diese Personen zu identifizieren. Häufig werden diese Personen immer wieder zu einem bestimmten Thema befragt oder herbeigeholt, wenn mal wieder in einer Maschine oder Anlage „der Wurm drin ist“. Meyer schlägt folgendes Schema vor, um dieses Potenzial zu identifizieren:

Eigenschaften Wenn jemand sagt: „Das ist unmöglich“, kommt von diesem Mitarbeiter sofort die Gegenfrage: „Warum, wer sagt das?“ und „Kann man es nicht trotzdem probieren?“ Dieser Mitarbeiter kann sich so richtig in eine Sache vertiefen und feilen und feilen, bis das Optimum erreicht ist. Bei der Entwicklung von Konzepten geht der Mitarbeiter oft ungewöhnliche Denkwege und holt sich Anregungen von anderen oder von außen, um die Lösung voranzutreiben. Der Mitarbeiter verfügt über eine hohe Frustrationstoleranz. Es muss schon sehr viel passieren, um ihn aus der Ruhe zu bringen. Wenn es darum geht, eine harte Nuss zu knacken, legt der Mitarbeiter einen großen Ehrgeiz an den Tag.

Eher nein Eher ja Ja Nein (2 (3 (4 (1 Punkt) Punkte) Punkte) Punkte)

Insbesondere bei der Konzeptentwicklung ist dieser Mitarbeiter sehr viel wert. Allerdings beißen sich diese Personen häufig an einem Problem oder Projekt fest, welches man längst aufgeben müsste. Für jedes betriebliche Problem sollte das Team und seine Mitglieder überdacht und möglicherweise neu zusammengestellt werden. Hieraus ergibt sich nun folgende Gruppenkonstellation, welche die drei Ordnungsmuster des Gehirns abbildet (Abb. 1): Aus der Zusammenstellung dieser Charaktere entstehen die drei vorbeschriebenen Prinzipien des Gehirns (Kruse 2007): Wenn Broker und Owner zusammenkommen, erhält man den bewertenden Teil. Beide Charaktere müssen beurteilen, ob das Wissen ausreicht. Wenn nicht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Broker vernetzen wird. Wenn Creator und Owner in den Dialog treten, entstehen Ideen und Lösungen bzw. Lösungsansätze. Denn aus Wissen (Owner) und Instabilität (Creator) entsteht ein Ideenpool. Das dritte Prinzip wird gewahrt, wenn Broker und der Creator aufeinandertreffen, denn es entsteht die Erregung oder ein „Trig-

Flucht aus der Gleichmacherei – mit Unterschiedlichkeit zu besseren Ideen Abb. 1  Broker, Owner, Creator. (Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung nach Kruse 2007))

Broker

Owner

Abb. 2  Broker, Owner, Creator. (Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung nach Kruse 2007))

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Creator

Broker

Bewertung

Owner

Erregung

Creator Ideenpool/ Lösungsbildung

ger“. Denn beide bringen Störung in das System. Alle drei zusammen, sorgen für das Prinzip im Gehirn, das sich wie folgt darstellen lässt (Abb. 2):

5

Anwendung in der Praxis

Die FGW – Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe e.V. in Remscheid praktiziert diese Vorgehensweise, die Herr (2017) zur Heterogenität von Teams zusammengefasst hat, mit Erfolg. Die FGW wurde 1952 als Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe e.V. von der deutschen Werkzeugindustrie als neutraler Dienstleister für Forschung und Entwicklung gegründet. Sie arbeitet im Auftrag von Unternehmen zu verschiedensten technischen Anwendungsmöglichkeiten und treibt die Weiterentwicklung von Produkten  – hauptsächlich von (Hand-) Werkzeugen – voran. Seit der Gründung wurden mehr als 250 öffentlich geförderte Vorhaben durchgeführt und innovative Ideen umgesetzt. Das Institut hat sich entschieden auf Unterschiedlichkeit zu setzen: Es werden künftig nicht nur Ingenieure und Naturwissenschaftler, sondern auch gezielt Qualifikationen und Erfahrungen aus anderen Bereichen eingestellt. So beschäftigt das Institut mittlerweile

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T. S. Fastenrath

Politikwissenschaftler und Betriebswirtschaftler, Bauingenieure und Ingenieure für nachhaltige Energiewirtschaft. Diese Personen werden bei bestimmten Fragestellungen eingebunden. Es gibt zum Beispiel regelmäßige Forschertreffen, die sich mit der Ideengenerierung und Geschäftsfeldentwicklung auseinandersetzen. In diesen Treffen, so berichtet Geschäftsführer Dr. Peter Dültgen, werden häufig „offensichtliche“ technische Gegebenheiten – insbesondere durch Nicht-Techniker – in Frage gestellt. Es kam beispielsweise die Frage auf, weshalb eine Kreissäge nur einen graden Schnittkanal erzeugen kann und nicht einen gebogenen. Dieser Gedanke war für die Teammitglieder der Beginn „um die Ecke zu denken“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Team kam die Idee auf, ein Smartphone, das heutzutage nahezu jede Person besitzt, industriell einzusetzen. Hierfür soll eine App entwickelt werden, die aus Vibrationen von Maschinen nützliche Informationen sammelt und auswertet, um somit Störungen und Bearbeitungsfehler rechtzeitig vorhersehen zu können. Die Vibrationsdaten werden per Bluetooth oder WLAN zur Auswertung an den betriebseignen Server übermittelt. Dabei wurde zunächst von der bekannten Tatsache ausgegangen, dass viele Personen ein Smartphone besitzen und bei sich tragen. Das Handy wird damit zum tragbaren Diagnoseinstrument, da es viele Sensoren enthält, die für die Vibrationsmessung genutzt werden können. Dr. Peter Dültgen bestätigt, dass eine solche Idee in einem homogenen Team nicht zustande gekommen wäre. Wer von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Typen Creator, Broker und Owner verkörpert, ist bislang nicht bekannt. Die Unterschiedlichkeit im Team aber beweist, dass hierdurch die innovative Idee einer App entstand, deren Entwicklung nun in einem Forschungsprojekt weiter verfolgt wird.

6

Fazit

Auf die heterogene Zusammensetzung von Teams zu achten erhöht die Wahrscheinlichkeit von Ideen und Lösungsbildung erheblich. Denn nach Kruse (2007) sind „harmonische Systeme dumme Systeme“. Natürlich können und sollen innovative Teams Kreativitätstechniken zusätzlich nutzen, um das volle Potenzial auszuschöpfen. Ein Team zusammenzustellen, das die Diversität vernachlässigt, führt aber dazu, dass die Gruppe wahrscheinlich hinter dem Potenzial zurückbleibt.

Literatur Herr, Gunther (Hg.), Die Unlogik der Innovation – Wie Sie durch Widersprüche Leadership meistern, 1. Auflage 2017, Frankfurter Allgemeine Buch Kruse, Peter (2007) , Prof. Peter über Kreativität, URL: https://www.youtube.com/watch?v=oyo_ oGUEH-I (abgerufen am 13. Februar 2019) Meyer, Jens-Uwe, Kreativ trotz Krawatte – Vom Manager zum Katalysator – Wie Sie eine Innovationskultur aufbauen, 1. Auflage, 2010

Flucht aus der Gleichmacherei – mit Unterschiedlichkeit zu besseren Ideen

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Tobias S.  Fastenrath  interessiert sich seit Langem für die Themen Innovation, Inspiration und Ideen, weswegen er sich am Managementzentrum Mittelrhein zum Innovationsmanager ausbilden ließ. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur arbeitet seit vielen Jahren als Arbeitswissenschaftler, Fachtrainer und Sicherheitsingenieur im industriellen und beratenden Umfeld. Sein besonderes Interesse liegt in der Ideen- und Innovationsentwicklung und deren effiziente Umsetzung in den Unternehmen.

Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick Mikko Börkircher

Inhaltsverzeichnis 1  E  inleitung  2  E  rfolg durch Ideen – Voraussetzungen im Verband schaffen  3  Aktivitäten des Verbandes in Bezug auf Ideenmanagement  3.1  Interne Strategiesitzungen mit Fokus Standortbestimmung  3.2  Interner Ideenaustausch und Wissenstransfer  3.3  Internes verbandliches Vorschlagswesen  3.4  Externe Arbeitskreise und Workshops  3.5  Beratung von und Unterstützung für Mitgliedsunternehmen  3.6  Kreativitätstechniken und Ideengenerierung  4  Ausblick 

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Zusammenfassung

Etablierte Strukturen, Geschäftsmodelle und Kundenbedürfnisse verändern sich im Takt des digitalen Fortschritts, neue Geschäftsfelder und Chancen tun sich am Horizont unserer heutigen Arbeitswelt auf. Letztere muss man erkennen – und für sich ergreifen. Routine allein reicht hierfür nicht mehr aus. In Zeiten des demografischen Wandels, eines härteren Wettbewerbs sowie des immer schneller erforderlichen Wissenserwerbs kann man sich immer weniger auf Standardlösungen verlassen. Wer künftig erfolgreich sein will, muss, neben der Bereitschaft lebenslang zu lernen, Neugier und Offenheit, u. a. auch auf das kreative Potenzial seiner Beschäftigten setzen; dies gilt für Unternehmen genauso wie für Arbeitgeberverbände.

M. Börkircher (*) METALL NRW, Düsseldorf, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_8

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M. Börkircher

1  Einleitung Es ist häufig nicht möglich, Probleme von heute mit den Lösungen von gestern in den Griff zu bekommen. Ideenmanagement ist dann gefragt, sei es im Rahmen von spontanen Ideenfindungen unter Zuhilfenahme von Kreativitätstechniken oder im Rahmen des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Diese Aussagen treffen nicht nur auf Unternehmen, sondern auch auf Arbeitgeberverbände zu. Deshalb lohnt es sich, auch einen Blick in Arbeitgeberverbände zu werfen, um zu schauen wie dort Ideenmanagement gelebt wird. Der nachfolgende Beitrag zeigt – neben allgemeinen Voraussetzungen für Ideenmanagement  – auch konkrete Beispiele der Arbeit des Verbandes der Metall- und Elektro-­Industrie Nordrhein-Westfalen e.V. (METALL NRW) auf. Die Beispiele beleuchten, wie sowohl zum KVP des Verbandes selbst als auch zu dem von Mitgliedsunternehmen der Regionalverbände beigetragen wird.

2  Erfolg durch Ideen – Voraussetzungen im Verband schaffen Das, was als Gold in den Köpfen von Beschäftigten in Form von Ideen, Verbesserungsvorschlägen usw. „schlummert“, muss ans Tageslicht befördert werden. Die Ziele sind hierbei klar definiert: • • • •

Die Kreativität von Beschäftigten für den KVP nutzen. Vorhandene Ressourcen effizient einsetzen. Alle Möglichkeiten zur Prozess- und Ergebnisverbesserung ausschöpfen. Chancen zur Kostensenkung wahrnehmen.

Doch bevor Arbeitgeberverbände generell „Ideenmanagement starten“ können, sind u. a. nachfolgende Voraussetzungen zu schaffen; beispielhaft aufgezeigt am Beispiel METALL NRW (vgl. Tab. 1): Ideenmanagement funktioniert im Allgemeinen von Seiten des Arbeitgebers meist nur unter gewissen Rahmenbedingungen, wie z. B.: • Beschäftigten Vertrauen schenken. • Beschäftigten Zeit zur Verfügung stellen. • Beschäftigten Freiheitsräume gewähren und hierbei als Arbeitgeber gewisse Unsicherheiten akzeptieren. • Für eine Atmosphäre sorgen, in der sich Ideenvielfalt und Kreativität entfalten können. • Beschäftigte in den Fokus stellen, also von Veränderungsprozessen Betroffene zu Beteiligten machen: Veränderungen, Prozessoptimierungen usw. sollten direkt am Arbeitsplatz der Beschäftigten stattfinden und von ihnen initiiert werden. Sie wissen zumeist genau, wo es bei ihnen nicht optimal läuft und welche Verbesserungen ihnen in ihrem Arbeitsalltag helfen würden.

Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick

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Tab. 1  Voraussetzungen für Ideenmanagement bei einem Arbeitgeberverband – Beispiel: METALL NRW Bei METALL NRW findet eine intensive Vernetzung der Akteure statt, sei es zwischen Verbandsmitarbeitern und Vertretern von Mitgliedsunternehmen, Verbandsmitarbeitern und Vertretern von Institutionen aus den Bereichen Politik, Normung, Behörden usw. Fort- und Weiterbildung sowie Qualifikation wird bei METALL NRW großgeschrieben. Durch Fachvorträge, Workshops, Schulungsmaßnahmen usw. werden neue Inputs, neue Sichtweisen auf Aufgabenstellungen usw. generiert und stehen damit sowohl interner als auch externer Verwendung zur Verfügung. Die Information des Bedarfs an und Erfolgs von Prozessoptimierung, KVP und Co. findet bei METALL NRW beispielsweise durch Rundschreiben, Broschüren, Newsletter usw. statt. Hervorzuheben ist hierbei u. a. das Trendbarometer des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). Dieses gibt regelmäßig das Ergebnis der Einschätzung u. a. von Arbeitgeberverbänden zur Bedeutung und Bedeutungsentwicklung von bestimmten Themen aus Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation wieder. Bei Kommunikation geht es allgemein darum, Situationen zu schaffen, wo Menschen miteinander sprechen können, nach dem Motto: „Was können wir anders machen, vor allem mit Blick auf unsere Anspruchsgruppen?“ Ideenreichtum und Kreativität entstehen bei METALL NRW nicht nur durch Gespräche der Verbandsmitarbeiter untereinander, sondern auch indem Zeit und Raum für Dialoge auf Arbeitskreisen und Workshops mit Vertretern von Mitgliedsunternehmen, externen Experten, Beratern, Behördenvertretern usw. gegeben wird. Darüber hinaus ist es hierbei wichtig, dass die Kommunikation über alle Hierarchieebenen stattfinden kann. Die Kooperation von METALL NRW als Impulsgeber und Value Partner mit Forschungsinstitutionen, wie z. B. dem ifaa, dem Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (LIA.nrw) und weiteren Hochschulen im Rahmen von Forschungsprojekten, schafft neues Wissen. Dieses kann direkt gewinnbringend und praxisnah für viele Anspruchsgruppen des Verbandes eingesetzt werden.

• Beschäftigte mit verschiedenen beruflichen Werdegängen, z. B. im Hinblick auf Ausbildung, Interessen, Branchenerfahrung o. Ä. einstellen, um durch personelle Diversifikation verschiedene Ideen, Problemlösungsmethoden o. Ä. unter dem Dach des Arbeitgebers zu vereinen.

3  Aktivitäten des Verbandes in Bezug auf Ideenmanagement Ideenmanagement bzw. KVP ist allgemein von der Suche nach Verschwendung getrieben. Der Antrieb hierfür ist, die aufgedeckten Verschwendungen zu minimieren bzw. zu eliminieren. Dabei sind Verschwendungen vielfältig und umfassend zu sehen. Nachfolgend ein paar Beispiele, die in die klassische Unterscheidung nach den acht Verschwendungsarten, bezogen auf administrative Prozesse, eingeteilt sind (vgl. Tab. 2): Die Aktivitäten von METALL NRW im Hinblick auf Ideenmanagement lassen sich in interne und externe aufteilen. Wesentliche Inhalte sind die nachfolgenden; diese basieren auf der Erfahrung des Autors und müssen nicht mit Aktivitäten anderer Arbeitgeberverbände übereinstimmen.

M. Börkircher

76 Tab. 2  Acht Verschwendungsarten in administrativen Prozessen Art der Verschwendung Informationsüberfluss

Unnötiger Informationstransport / Überadministration

Unnötige Wege

Wartezeiten, Liegezeiten, Suchzeiten Nutzlose Tätigkeiten / überflüssige Arbeiten

Unnötige Bestände

Fehler (Nacharbeit, Ausschuss)

Ungenutzte Mitarbeiterkreativität und Potenziale der Mitarbeiter

3.1

Beispiele für Verschwendungen • zu umfangreicher Verteiler, insbesondere beim E-Mail-­ Versand • 100 %ig ausgearbeitete Lösungen, obwohl ein Konzept ausreicht • Protokolle, Reports und Projektberichte über alles und für jeden • überflüssiges Bewegen von Unterlagen von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz (Hauspost) • Übertragung von Informationen von einem Format in ein anderes • nicht erforderliche Aktenablagen • weite Laufwege von Mitarbeitern zu Bürogeräten • schlechte Arbeitsplatzgestaltung • Papier statt IT benutzen • verwirrende Netzwerkablage, die zum Suchen verleitet • Unpünktlichkeit bei Meetings o. Ä. • Rechner hochfahren, Antwortzeiten des Rechners o. Ä. • Berichte, Statistiken und Protokolle, die niemand liest, erstellen • nicht zielgerichtete Meetings, Arbeitskreise usw. • Doppelarbeiten durch schlecht abgestimmte Prozesse: Daten, Vorgänge usw. werden mehrfach angepackt oder aufgenommen • Überbestellung von Büromaterial • mehrfach abgelegte Daten an unterschiedlichen Stellen mit der Folge von Datenfriedhöfen in der EDV • ungenutzte Arbeitsmittel und Datenbestände • Medienbrüche in Datenformaten • unlesbare Faxe und Notizen • unklare Zuständigkeiten • keine Teamarbeit • Routinetätigkeiten • kein gemeinsames Unternehmensverständnis (Silo-­ Mentalität)

I nterne Strategiesitzungen mit Fokus Standortbestimmung

Jedes Produktionsunternehmen ist darauf angewiesen, regelmäßig eine Bewertung seiner gegenwärtigen Stärken und Schwächen durchzuführen sowie seine Risiken zu kennen und Chancen zu erkennen. Nur so lassen sich tragfähige Entscheidungen für die Zukunft fällen, die auf einer gesicherten Informationsgrundlage basieren. Die SWOT-Analyse ist hierfür ein effizientes Werkzeug. Auch in einem Arbeitgeberverband kann das Tool zur Untersuchung und Standortbestimmung einzelner Fachbereiche, deren Teams, Dienstleis-

Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick

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tungen, Beratungs- und Schulungsangeboten eingesetzt werden. Damit kann bei METALL NRW von Zeit zu Zeit ein Bild der gegenwärtigen Situation aus 4 verschiedenen Blickwinkeln entworfen werden. Mit einer SWOT-Analyse können somit relevante Problemzonen aufgezeigt werden. Es ist möglich, rechtzeitig Informationen darüber zu erhalten, ob der Verband sich z. B. an ein geändertes Umfeld o. Ä. anpassen muss. Die SWOT-Analyse ist damit eine gute Vorarbeit für einen Verbesserungs-Workshop. Im Rahmen dessen kann ein zukunftsfestes Konzept sowohl für bestehende als auch neue Aspekte der verbandlichen Arbeit erarbeitet werden. In Kleingruppenarbeit und unter Einsatz der Methode Brainstorming können anhand von Problem- bzw. Fragestellungen wie beispielsweise „Wie wollen wir zukünftig intern und extern kommunizieren?“ und „Welche veränderten und/oder zusätzlichen Leistungen wollen wir zukünftig erbringen?“, Lösungsideen abgeleitet und Maßnahmen eingeleitet werden. Damit lassen sich von Verbandsseite aus Chancen erhöhen, Risiken minimieren, Stärken ausbauen und Schwächen beheben.

3.2

I nterner Ideenaustausch und Wissenstransfer

Generell ist es wichtig, in Organisationen verschiedene Plattformen anzubieten, die es allen Beteiligten ermöglichen, Prozessabläufe, Handlungen und Verhaltensweisen im Rahmen eines Ideenaustausches infrage zu stellen und somit zum Nachdenken anzuregen. Neben dem täglichen persönlichen Austausch der Beschäftigten untereinander, finden bei METALL NRW z. B. fachbereichsübergreifende Ideensitzungen statt. Auf diesen präsentieren die einzelnen Fachbereiche den Ist-Stand ihrer fachbezogenen Projekte, Aufgaben o. Ä. und tauschen mit anderen Fachbereichen innovative Lösungsansätze usw. aus. Die Arbeit von Fachbereichen für aktuell anstehende Projekte usw. wird dadurch mit- und weitergedacht. Beispielsweise werden Qualifizierungskonzepte und digitale Lehrangebote neu- bzw. weiterentwickelt. Auch nutzt man externe Referenten, die als Impulsgeber für neue Ideen, Themen usw. dienen.

3.3

I nternes verbandliches Vorschlagswesen

Systeme des betrieblichen Vorschlagswesens sind in vielen Unternehmen eingeführt. In Arbeitgeberverbänden sind förmliche Vereinbarungen zur Erfassung von Verbesserungsvorschlägen im Allgemeinen zwar noch nicht an der Tagesordnung, aber dennoch nicht unüblich. Denn auch in Arbeitgeberverbänden gibt es mannigfaltige Optimierungschancen, siehe z. B. die bereits oben angesprochenen administrativen Verschwendungen. Ziel des bei METALL NRW eingesetzten Vorschlagswesens ist es, Mitarbeitern einerseits Anreize zu schaffen, Verschwendung zu erkennen und Lösungen zu erarbeiten, und andererseits auch Arbeitsabläufe und Prozesse positiv zu beeinflussen und so die Durchsetzungsfähigkeit des Verbandes zu erhöhen, weil Ressourcen für die Hauptarbeit

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M. Börkircher

freigemacht werden können. Das Vorschlagswesen soll hierbei möglichst unbürokratisch gehandhabt werden und fußt auf folgenden  – ausschnittsweise wiedergegebenen – Regeln: 1. Am verbandlichen Vorschlagswesen können alle Beschäftigten des Verbandes teilnehmen. 2. Verbesserungsvorschläge sollen möglichst schriftlich beim Beauftragten für das Vorschlagswesen eingereicht werden; hierfür ist das Blankoformular für „Vorschläge, Ideen und Anregungen“ zu benutzen. 3. Über die Annahme von Verbesserungsvorschlägen durch den Verband entscheidet eine Bewertungskommission […]. 4. Bei Verbesserungsvorschlägen, die zu einer unmittelbaren Kosteneinsparung nach Annahme und nachfolgender Umsetzung führen, beträgt die Prämie X % der Einsparung eines Jahres, höchstens jedoch Y […]. Gleichzeitig eingehende, im wesentlichen gleichlautende Verbesserungsvorschläge führen zur Prämienteilung. Das gleiche gilt für gemeinsam von mehreren Beschäftigten eingereichte Verbesserungsvorschläge.

3.4

E  xterne Arbeitskreise und Workshops

Die Arbeitsweise in Unternehmen, z. B. die von Projektteams hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Projektteams werden vermehrt nach außen geöffnet, um Zugang zu spezifischem Wissen in der Breite zu erhalten; dies wird häufig unter dem Begriff Crowdworking zusammengefasst. Dieser Entwicklung können und dürfen sich auch Arbeitgeberverbände nicht verschließen. Im Rahmen von Arbeitskreisen und Workshops werden deshalb u. a. von Verbandsseite aus, diverse Erfahrungsaustausche zu aktuellen Themen wie z.  B.  Ganzheitliche Produktionssysteme, Agilität usw. organisiert. Bei letzterem lernen Teilnehmer sowohl aus Mitgliedsunternehmen als auch Regionalverbänden, Prinzipien neuer Arbeitsweisen kennen, z. B. agile Methoden wie Design Thinking und SCRUM und wie diese in die Praxis übertragen werden können.

3.5

B  eratung von und Unterstützung für Mitgliedsunternehmen

Mitarbeitern (und auch Führungskräften) ist der Begriff „Verschwendung“ zwar häufig geläufig, aber bei vielen Tätigkeiten erkennen sie diese nicht als solche. Der Grund liegt oft darin, dass Prozessabläufe „ja schon immer so durchgeführt wurden“. Dieses Dogma aufzubrechen, ist in den eigenen Reihen erfahrungsgemäß sehr schwer. Hierzu kommen von Verbandseite aus so genannte Verbandsingenieure ins Spiel. Sie sensibilisieren u.a. Vertreter von Mitgliedsunternehmen im Zuge anstehender Prozessverbesserungen dahingehend und schulen ihren Blick für Verschwendung.

Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick

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Aufgaben eines Verbandsingenieurs

Im Mittelpunkt der arbeitswirtschaftlichen Aufgaben eines Verbandsingenieurs stehen Themenstellungen, die sich unmittelbar aus der Tarifautonomie ergeben und innerhalb der verbandlichen Strukturen (Mitgliedsverbände/Mitgliedsunternehmen) bearbeitet und platziert werden. Hierbei handelt es sich überwiegend um Entgeltgestaltung (Eingruppierung, Leistungsentgelt) und Arbeitszeitgestaltung. Verbandsingenieure haben zumeist langjährige Berufserfahrung, u. a. in leitenden Positionen oder als Projektingenieure, in Industrieunternehmen sammeln können. Sie besitzen, auch was das Thema Ideenmanagement tangiert, tiefergehende Kenntnisse in Fragen der Arbeitsgestaltung und Betriebsorganisation, in der Methodenlehre des Arbeitsstudiums, in der Zeitwirtschaft, in Themen des Produktivitätsmanagements, in der Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsprozessen, im Lean Management und beim KVP. Durch die Kenntnis betrieblicher Aufgaben- und Problemstellungen sind Verbandsingenieure Ansprechpartner für Betriebspraktiker, mit denen zusammen sie zum Teil auch innovative und pragmatische Lösungen erarbeiten. Bei ihrer Tätigkeit setzen Verbandsingenieure verschiedene Instrumentarien ein, u. a. initiieren und begleiten sie Erfahrungs- und Arbeitskreise und wirken bei Verbesserungsprojekten sowie Schulungs- und Unterstützungsangeboten für Mitarbeiter und Führungskräfte von Mitgliedsunternehmen mit. Verbandsaktivitäten, die mitunter von Verbandsingenieuren durchgeführt werden, schaffen ein nachhaltiges Bewusstsein für Verbesserungen und Ideenimpulse.

Um Verschwendung überall und einfach zu identifizieren, werden von den Verbandsingenieuren überwiegend einfache, leicht zu erlernende und anzuwendende Optimierungsmethoden zur Problemanalyse und Lösungssuche aus dem KVP-Werkzeugkasten eingesetzt. Die Methoden lassen sich in folgende 3 Kategorien einteilen, nämlich • Methoden zur Analyse: 5W-Fragetechnik, Waste Walk und Ishikawa-Diagramm • Methode zur Ordnung und Sauberkeit: 5S • Methode zur Themen- und Ideenfindung: Vorschlagswesen bzw. Ideenmanagement (wird hier nicht weiter betrachtet)

5W-Fragetechnik Maßnahmen zur Behebung von Problemen sind umso wirksamer, je besser Beschäftigte die ihnen zugrunde liegenden Ursachen ausschalten. Durch den Ansatz der 5W-­ Fragetechnik, so lange „Warum?“ zu fragen, bis keine Antwort mehr auf diese Frage gegeben werden kann, kann man den Entstehungsort eines Problems, die so genannte „Root Cause“, identifizieren. Faustregel: Indem man „5-mal“ in Folge nach dem „Warum?“

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M. Börkircher

fragt, ist man in der Lage, tief genug in einen Fehler (Problem) einzutauchen, um die eigentliche Ursache zu verstehen. Waste Walk Im Rahmen von regelmäßigen „betrieblichen Spaziergängen“ bzw. „Waste Walks“ durch Führungskräfte, aber auch bei Betriebsbesichtigungen mit Verbandsingenieuren, kann Verschwendung identifiziert werden, indem Prozessabläufe bzw. Teilprozesse genauer unter die Lupe genommen werden. Ergänzend zum Waste Walk kann auch die Wertschöpfungsanalyse eingesetzt werden. Hierbei werden wertschöpfende, unterstützende und nicht wertschöpfende Prozessschritte sowie deren Zeitanteile aufgenommen. Anschließend wird im betrieblichen KVP-Team visualisiert, welche Prozessschritte und deren Zeitanteile vermieden bzw. reduziert werden müssen. Der sogenannte Waste Walk ebnet also den Weg, verbesserte Soll-Prozesse zu gestalten. Ishikawa-Diagramm Das Ishikawa-Diagramm ist eine gezielte Visualisierung der in einem KVP-Team stattfindenden Diskussion zur Ursachensuche. Mit ihm sammeln Beschäftigte mögliche Ursachen, die sich überwiegend den „6M“ – Methode, Maschine, Mensch, Messtechnik, Mitwelt und Material  – zuordnen lassen. Ziel ist es, die Ursachen zu ermitteln, die einen direkten Einfluss auf das tatsächliche Problem haben. 5S-Methode Ordnung und Sauberkeit werden oft belächelt. Da kann einem sehr schnell das Lachen vergehen, wenn man bedenkt, dass 5 % Suchzeiten im Unternehmen bedeuten, dass jeder 20. Arbeitnehmer nur zum Suchen beschäftigt ist. Hier setzt die 5S-Methode an. Sie hilft bei der Verbesserung von Arbeitsplätzen und -bereichen mit dem Fokus auf Ordnung, Sauberkeit und Standardisierung systematisch und nachhaltig vorzugehen. Obwohl 5S eine der effektivsten Methoden ist, wenn es um Kosten-Nutzen-Vergleiche geht, gibt es immer noch zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen, die 5S nicht implementiert haben oder die Methode nur rudimentär anwenden. Aus diesem Grund ist für Verbandsingenieure die 5S-Methode immer noch ein kleiner, aber wichtiger Baustein in der Beratung von Mitgliedsunternehmen. Um Verschwendung, nicht eingehaltene Standards und Verbesserungsbedarf in betrieblichen Prozessen für jeden Beschäftigten sichtbar und nachvollziehbar zu illustrieren, setzen Verbandsingenieure auch Methodenkarten ein. Damit soll Unternehmen ein Hilfsmittel an die Hand gegeben werden, um bei ihrer Belegschaft das Interesse für Lean-, Verschwendungs- und Verbesserungsthemen „hands-on“ zu wecken; ein Beispiel (Abb. 1): Moderation von KVP-Maßnahmen In vielen Beratungsfällen hat es sich bewährt, wenn z. B. Verbandsingenieure zu Beginn von KVP-Projekten als externe Berater fungieren, also eine Art Moderatorenrolle übernehmen und gleichzeitig interne Moderatoren ausbilden – für die Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen sind die Führungskräfte des jeweiligen Unternehmens verantwortlich.

Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick

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5. Selbstdisziplin 4. Standardisiere

3. Säubere 2. Stelle hin 1. Sortiere aus

Erläuterungen zu den einzelnen 5 Schritten: Wir führen „Selektier-Aktionen“ mindestens 2-mal pro Jahr durch. Wir bestimmen alle unnötigen, beschädigten Werkzeuge, Ersatzteile und Hilfsmittel und kennzeichnen diese. Für jeden Gegenstand fragen wir: „Wird er gebraucht, wie oft, in welcher Menge bzw. ist er an der richtigen Stelle?“ Wir visualisieren die Situation (Fotodokumentation: vorher – nachher). Wir platzieren Betriebsmittel an ergonomisch sinnvollen Orten. Wir 2. Wir stellen hin! beachten hierbei Anwendungsfrequenz, Gebrauchsreihenfolge und Menge. Wir kennzeichnen Ablageflächen, z. B. Schattenbild, Stellplätze, Fahrwege mit Bodenlinien o. Ä. Wir führen eine regelmäßige Reinigung in definierten Zeitabständen 3. Wir säubern! durch. Wir gehen kritische Bereiche zuerst an und berücksichtigen hierbei Sicherheit, Qualität, Zuverlässigkeit, Aussehen usw. Wir legen die Säuberung von Gegenständen, Anlagen und Maschinen bei gleichzeitiger Funktionsüberprüfung usw. fest. Wir kennzeichnen wiederkehrende Verschmutzung und stellen sie ab. 4. Wir standardisieren! Wir benennen hierzu verantwortliche Personen. Wir gewährleisten Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit nachhaltig. Wir bewerten kontinuierlich den Ist-Zustand, z. B. mittels Audits und 5. Wir üben Vor-Ort-Begehungen, und visualisieren Ergebnisse (vorher/nachher). Selbstdisziplin! Wir sprechen Verbesserungen an, fördern Selbstdisziplin und vereinbaren Ziele mit Verantwort lichen. 1. Wir sortieren aus!

Abb. 1  Methodenkarte „5S“ – Ordnung und Sauberkeit sind die Grundlage für eine fehlerfreie und übersichtliche Fertigung. So verbessern wir in 5 Schritten systematisch komplette Arbeitssysteme und Abläufe. (Quelle: eigene Darstellung)

Bei Bedarf werden Verbandsingenieure dazu gezogen, zusammen mit der jeweiligen Führungskraft anhand von Soll/Ist-Abgleichen die Zielerreichung zu überprüfen. Es empfiehlt sich hierbei immer, die so genannten „low hanging fruits“ zu ernten bzw. zu nutzen, um Beschäftigte anhand erster Erfolge zu begeistern und damit für die komplexeren KVP-­ Aufgaben zu motivieren.

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3.6

M. Börkircher

K  reativitätstechniken und Ideengenerierung

Alle vorab aufgezeigten internen und externen Aktivitäten von METALL NRW stellen Beispiele dar, wie man u. a. in Teams an gute Ideen gelangen kann. Wichtig hierbei ist, dass die Ideengenerierung durch einen Moderator begleitet wird, um zum einen methodisch begleitet effiziente Ideen zu sammeln. Zum anderen ist durch vom Moderator aufgestellte und überwachte Spielregeln sicherzustellen, dass alle Ideen zuerst wertfrei von den Teilnehmern behandelt werden. Generell gilt: Seminare zu Kreativitätstechniken bieten die Möglichkeit, sich gezielt Inspiration ins Unternehmen zu holen bzw. sich durch Teilnehmer unterschiedlicher Branchen und Funktionen auf neue Ideen bringen zu lassen. Deshalb werden zusätzlich über das dem Verband angegliederte Bildungswerk der Nordrhein-Westfälischen Wirtschaft, Seminare zum Thema Kreativitätstechniken angeboten; zum einen Inhouse-Seminare und zum anderen Seminare für generell am Thema Interessierte. Dabei wird, bei beiden Schulungsvarianten, aus der Erfahrung heraus wie folgt vorgegangen: • Kennenlernen und Anwenden einiger wichtiger Kreativitätsmethoden, welche die Ideen- und Lösungssuche erleichtern und unterstützen; nach dem Motto: „Weniger ist mehr: Nicht so viele Methoden, dafür aber Fokus auf der Anwendung der Methoden an Unternehmens- und Verbandsbeispielen.“ Hierbei werden technische und organisatorische Problemstellungen behandelt sowie zusätzliche Einblicke durch die Anwendung von Kreativitätstechniken auf bereits erledigte, aber interessante Themen gegeben. • Erlangen der Kompetenz, die für eine Aufgaben- und Problemstellung geeignete Methode auszuwählen und alleine oder im Team anzuwenden. • Sicherstellen eines Follow-ups im Anschluss an ein Seminar; nach dem Motto: „Erfolg durch Kontinuität!“ Folgende beiden Beispiele dienen exemplarisch dazu, die erfolgreiche Anwendung von Kreativitätstechniken in Seminaren aufzuzeigen: • Ein Unternehmen aus der Metallverarbeitung wollte sich im Zuge von Industrie 4.0 proaktiv positionieren und suchte nach Möglichkeiten, den schon jetzt spürbaren Mangel an IT-Fachleuten einzudämmen und für den dringend benötigten Nachwuchs zu sorgen. Ein Team mit Vertretern aus den Abteilungen Personal, Produktion und Instandhaltung wurde von der Geschäftsführung beauftragt, sich dieser Fragestellung anzunehmen. Die Teilnehmer setzen hierfür die Walt Disney-Methode ein. • Ein Unternehmen aus dem Bereich der Herstellung von elektronischen Ausrüstungen stellte sich die Frage, ob durch die Verwendung von Datenbrillen eine bessere Produktivität und eine Steigerung der Qualitätsrate erreicht werden könnte. In diesem Falle wurde die Methode der 6 Denkhüte eingesetzt; sie ermöglichte es den Teilnehmern in kürzester Zeit, systematisch unterschiedliche Positionen zur Ausgangsfrage einzunehmen. Dadurch wurde bei den Teilnehmern kreatives Denken gefördert und so mehrere Ideen zur Ausgangsfrage gefunden, die anschließend intern weiterbearbeitet wurden.

Ideenmanagement in der Verbandsarbeit – ein beispielhafter Überblick

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Abschließend sei noch erwähnt, dass eine Methode, die von Seminarteilnehmern immer wieder sehr gerne zur Ideengenerierung herangezogen wurde, die Kopfstandtechnik war. Die gewohnte Denkweise umzukehren, also mit dem negativen, pessimistischen und schwarzmalerischen Potenzial im Rahmen von Kreativitätssitzungen spielerisch umzugehen und dieses zur Problemlösung einzusetzen, fiel vielen Teilnehmer oft leichter als positive Aspekte eines Themas zu finden.

4  Ausblick Heutzutage sind kreative Einfälle nahezu überall gefragt – denkt man z. B. neben Design, Konstruktion oder Produktentwicklung auch an Industrie 4.0 mit neuen Geschäftsmodellen und Dienstleistungsangeboten. Man wird sich Problemen vermehrt aus einer neuen, auf den ersten Blick vielleicht sogar ungewohnten Perspektive nähern müssen. Oft müssen hierzu eingefahrene Denkschienen verlassen werden; man wird sich auch davon „befreien“ müssen, wie die Dinge normaler- und logischerweise sind bzw. sein sollten. ­Spannende Aussichten nicht nur für Menschen, die Ideenmanagement leben und Kreativitätstechniken im beruflichen Alltag einsetzen.

Dr. Mikko Börkircher  ist Verbandsingenieur bei METALL NRW, dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V., Düsseldorf. Er ist für die Mitgliedsunternehmen und die Verbandsingenieure in den einzelnen Regionen Nordrhein-­Westfalens Ansprechpartner u. a. zu Fragen der Entgeltgestaltung, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der Arbeitszeitgestaltung und Industrie 4.0. Börkircher studierte und promovierte im Bereich Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und absolvierte das Zweitstudium Wirtschaftsingenieurwesen an der FernUniversität Hagen. Anschließend arbeitete er 8 Jahre in leitenden Funktionen in den Branchen Bau, Rohstoff und Chemie. Er verfügt über langjährige Forschungs-, Lehr- und Beratererfahrung im Lean-, Produktions- und Qualitätsmanagement.

Ideenmanagement in Deutschland – ein partizipatives und ganzheitliches Erfolgsinstrument Christoph Gutknecht und Klaus Heitmeyer

Inhaltsverzeichnis 1  Vom Vorschlagswesen zum Ideenmanagement  2  Suche nach Zielsetzungen  3  Ideenmanagement und Betriebsverfassungsgesetz  4  Software bringt Trendwende  5  Ideenmanagement und betriebliche Sozialpartnerschaft  6  Volatilität im Ideenaufkommen  7  Wertschätzendes Führungsinstrument  8  Integratives Ideenmanagement  9  Agiles Ideenmanagement  10  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

Die Kreativität und den Ideenreichtum der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Nutzen einer Unternehmung und zur Motivation der Arbeitnehmer/Innen zu aktivieren, kann auch in Deutschland auf eine lange Historie zurückblicken. Unternehmerpersönlichkeiten mit Weitblick, Innovationsbereitschaft und der Überzeugung, dass motivierte

C. Gutknecht (*) DEKRA SE, Stuttgart, Deutschland E-Mail: [email protected] K. Heitmeyer München, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_9

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C. Gutknecht und K. Heitmeyer

Mitarbeiter, die sich voll und ganz mit ihrem Betrieb identifizieren, einen überaus wertvollen Beitrag zum Erfolg einer Unternehmung leisten können und werden, haben das Vorschlagswesen auch in Deutschland ins Leben gerufen.

1  Vom Vorschlagswesen zum Ideenmanagement Bereits 1888 durch Alfred Krupp in seinem Werk in Essen ins Leben gerufen, folgte im Jahr 1895 die Heinrich Lanz AG in Mannheim. Weitere frühe Anwender waren bekannte Unternehmungen wie AEG (1901), Borsig (1902), Zeiss (1904), Bayer (1909) und Siemens-­Schuckert (1910). Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gehörte Robert Bosch (1924) (Robert Bosch GmbH 2014) zu den Unternehmern, die die Vorteile einer breit gestreuten Ideenfindung rasch wieder aufgriffen. Nur wenige Jahre später folgten OSRAM (1928) und die Deutsche Reichsbahn (1929) (Deutsches Institut für Betriebswirtschaft 1993, S. 17; Thom 1985, S. 23). Doch erst mit dem Entstehen der Bundesrepublik Deutschland und einem Abstand zum Ende des Zweiten Weltkrieges begann eine systematische Förderung des Themas. Bis dahin war die Gestaltung eines Betrieblichen Vorschlagswesens (BVW) weitestgehend der Initiative fortschrittlicher Unternehmer in ihren jeweiligen Betrieben überlassen. Im Jahr 1951 fand erstmalig nach Kriegsende wieder eine Tagung zum BVW in Detmold statt. Das Thema gewann wieder an Beachtung und Bedeutung und nur drei Jahre später kristallisierte sich ein Dachverband für das BVW heraus: das „DIB“ (Deutsches Institut für Betriebswirtschaft e.V.) in Frankfurt/Main (Hanewinkel et  al. 2013, S. 19). In den 60er-Jahren trug insbesondere der damalige DIB Geschäftsführer, Günther Höckel, als Antreiber und Förderer zur Entwicklung des BVW wesentlich bei. In diversen Publikationen machte er regelmäßig auf das Instrument aufmerksam und sorgte u. a. mit prägnanten Slogans wie „Keiner ist so klug wie alle“ (Höckel 1964) oder „Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) – Eine gute Idee“ (Höckel 1977) für einen hohen Wiedererkennungswert. Seit dem Jahre 1975 gab das DIB die Zeitschrift Betriebliches Vorschlagswesen heraus (aktueller Titel: Ideen- und Innovationsmanagement, Erich Schmidt Verlag, Berlin). Die Zeitschrift entwickelte sich zum wohl wichtigsten Medium für den regelmäßigen Austausch zwischen Wissenschaft und betrieblicher Anwenderseite in Deutschland, Österreich und Schweiz und erscheint heute im 45. Jahrgang. Lässt man die ersten Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges außer Betracht, so verbleibt dennoch bis heute ein Zeitraum von rund 60 Jahren der Anwendung und Nutzung des BVW bzw. des heute in der Weiterentwicklung als Ideenmanagement (IM) bezeichneten Instrumentes. Welche Entwicklung hat dieses Instrument tatsächlich genommen und welche Fortschritte und Nutzen konnten mit seiner Hilfe erzielt werden?

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2  Suche nach Zielsetzungen Anlass für die Einführung des BVW gab sicherlich zunächst die Überlegung, Einsparungen im täglichen Produktionsprozess durch die Werker erkennen zu lassen und so auf möglichst effizientem Wege Kostenreduzierungen und Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Vor fast 40 Jahren ist Norbert Thom einer der ersten, die sich aus wissenschaftlichem Blickwinkel und systematischer Betrachtung mit dem Instrument BVW und seiner Anwendung befasst haben. In einer Befragung von zunächst 12 überdurchschnittlich erfolgreichen Großunternehmungen erhob er gemeinsam mit Herbert Post (Post und Thom 1980) die von diesen Anwendern verfolgten jeweiligen BVW Zielsetzungen. Folgende Rangfolge leitete sich hieraus ab: 1) Wirtschaftlichkeitsverbesserung 2) Produktivitätssteigerung 3) Instrument zur Personalführung 4) Schritthalten mit dem technischen Fortschritt 5) Verbesserung der Konkurrenzsituation 6) Instrument der Personalauslese 7) Möglichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung Als bemerkenswert kann dabei angesehen werden, dass das Thema Personalführung bereits auf Rangplatz 3 bewertet wurde. Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass es sich bei der Untersuchung um eine Positivauswahl der Anwender gehandelt hat. In den späteren Jahren führte das DIB regelmäßig jährlich eine Befragung von Unternehmungen zur Nutzung des BVW/IM durch. Im Rahmen dieser Befragungen wurden verschiedene Kriterien zur Beurteilung der Nutzung und des Erfolges dieses Instrumentes erhoben. Für das Jahr 2015 ergab sich dabei folgendes Ergebnis (Abb. 1): Es kann dabei nicht überraschen, dass auch aktuell das Ziel einer Kosteneinsparung weiterhin einen sehr hohen Stellenwert genießt. Das auf Rang 1 positionierte Ziel „Nutzung des Wissens und der Kreativität der Mitarbeiter“ stellt ein recht allgemeines Ziel dar, das die nachfolgenden Einzelziele implizit mit abbildet. Die DIB Befragung macht deutlich, dass die grundsätzliche Zielsetzung, die seitens der Unternehmungen mit dem Ideenmanagement verfolgt wird, auch heute weitgehend deckungsgleich mit den vor 40 oder 50 Jahren verfolgten Zielen ist. Die Zielbetrachtung fällt jedoch differenzierter und pointierter aus und eröffnet daher die Möglichkeit einer gezielteren Steuerung. Noch nicht Eingang in die Zielverfolgungsstatistik haben jüngere Entwicklungen gefunden, wie z. B. ökologische Ziele (Umweltschutz, Energieverbrauchsreduzierung, Abfallvermeidung), soziale Ziele (gesellschaftliche Akzeptanz, interkulturelle Kooperation, Gender-Thematiken). Derartige Themenfelder stehen derzeit eher in ausgewählten Unternehmungen in der Zielplanung; sie sind aber noch nicht Gegenstand in der Breite deutscher Unternehmungen.

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Abb. 1  Bedeutung der Ziele und Zielerreichung. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 17)

3  Ideenmanagement und Betriebsverfassungsgesetz Die grundlegende Zielsetzung, die bereits zum Zeitpunkt der Initiierung des BVW dominierte, hat sich also auch im Innovations-Management nicht geändert. Deutlichere Entwicklungsschritte zeigt die Anwendung dieses Instrumentes jedoch in seiner organisatorischen und prozessualen Umsetzung. Genügte in den Anfängen im Grunde eine Idee, ein Bogen Papier und ein Briefkasten zum Einwurf des Verbesserungsvorschlags, ergänzt durch einen Entscheider für Annahme und Prämierung, so entwickelte sich die organisatorische Gestaltung in rascher Folge. Bereits die Aufnahme im Jahr 1972 in das Betriebsverfassungsgesetz § 87 Abs. 1 Nr. 12

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„Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim betrieblichen Vorschlagswesen“ und die damit einhergehende Eingliederung in die betriebliche Mitbestimmung sorgten für eine nachhaltige Strukturierung in der Konstruktion und im Ablauf des Vorschlagswesens (Deutsches Institut für Betriebswirtschaft 2003, S. 170). Es entstand die Notwendigkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung und einer einvernehmlichen Formulierung der Organisationsstruktur und des Ablaufprozesses mit dem Betriebsrat (Däubler et al. 2018, S. 360). Gleichzeitig erfuhr das Instrument hierdurch eine Institutionalisierung und breite Basis, um die gesamte Mitarbeiterschaft zu erreichen. Ebenfalls beeinflusst durch die betriebliche Mitbestimmung wurden die Begutachtung der eingereichten Verbesserungsvorschläge und natürlich auch die Prämierung. Es entstanden Funktionen, wie die des BVW-Beauftragten und später die des Ideenmanagers, die für sachgemäße und transparente Verfahrensabläufe und Ordnungsmäßigkeit der Anwendung Sorge tragen. Sie stellen somit die Instanz dar, die die Interessen sowohl der Einreicher wie auch der Unternehmung zu wahren haben. Hinzu kommen die betrieblichen Gutachter als fachlich Zuständige für die Bewertung des Nutzens und der Umsetzbarkeit eines VV und die (bei mitbestimmten Unternehmen oftmals paritätisch besetzte) BVW-IM-Kommission, deren Aufgabe in Annahme, Entscheidung und Prämienfestsetzung liegt und zusätzlich eine Revisionsinstanz verkörpert, an die sich der Vorschlaggeber wenden kann, wenn er sich oder seinen VV nicht richtig behandelt sieht. Dieses generelle Verfahren hat sich über die Jahre weitgehend etabliert (Schwab 2005, S. 22).

4  Software bringt Trendwende Jüngere Entwicklungen entstanden zwangsläufig durch den fortschreitenden Einsatz IT-gestützter Verarbeitungs- und Kommunikationsprozesse. Die erste Software zur Verwaltung eingereichter Vorschläge schrieb Ottmar Kling  – damaliger Leiter BVW, Carl Zeiss-Werke  – und brachte das Programm im Jahr 1985 zum Einsatz (Wermelskirchen 1985). Die rasante Weiterentwicklung und Vermarktung der BVW/IM Software eröffnet und erleichtert vielen Mitarbeitern den Zugang zu relevanten Informationen ebenso wie den Zugriff auf bereits vorliegende Verbesserungsideen (Badura 2012). Zusätzlich werden die Bearbeitungs- und Entscheidungsprozesse transparenter und schneller kommunizierbar. Ebenso kann die Erstellung eines VV durch den Einsatz eines unterstützenden Programms leichter erfolgen, d. h. die Hürde zur Formulierung eines VV wurde hierdurch merklich abgesenkt. Wurde das BVW in seinen Anfängen als ein singuläres Instrument zur Generierung von VV gesehen, so hat es sich im Laufe der Jahre für eine Vielzahl von Unternehmungen zu einem festen Bestandteil der Entwicklungsaktivitäten gemausert, dessen Beitrag zum Unternehmungserfolg regelmäßig in die Ergebnisplanung einfließt. Hieraus leitet sich zwangsläufig ab, dass das heutige IM integraler Bestandteil im Steuerungsprozess einer Unternehmung ist und damit in die Planung ebenso eingewoben wird wie in die Unternehmungsorganisation und den Controlling Prozess. Die mit dem IM verfolgten Ziele

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leiten sich folgerichtig möglichst aus der Gesamt-Zielsetzung der Unternehmung ab und bleiben nicht ausschließlich dem Zufall und der individuellen Kreativität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überlassen (Heitmeyer 2019, S. 19).

5  Ideenmanagement und betriebliche Sozialpartnerschaft Auffällig ist, dass das BVW/IM in den letzten 50 Jahren in einzelnen Punkten eine recht gleichförmige Entwicklung, weitgehend unabhängig von Branchenzugehörigkeit oder Mitarbeiterzahl der Unternehmung, durchlaufen hat. In anderen Ausprägungen sind jedoch signifikante Abweichungen festzustellen. Dabei sind Einflussfaktoren zu berücksichtigen, wie etwa die Mitbestimmung, durch die aufgrund der Zusammenarbeit mit den Betriebsräten eine gewisse Homogenität erzeugt worden ist. Zu diesen Kriterien der gleichförmigen Entwicklung zählen z. B. die Art der Prämien­ ermittlung und die Höhe der Prämie. Es ist leicht nachvollziehbar, dass seitens der Betriebsräte darauf geachtet wurde und wird, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der eigenen Unternehmung nicht signifikant schlechter an dem Nutzen einer Verbesserung partizipieren, als dies bei einem Wettbewerber der Fall wäre. Auswertungen des DIB zeigen, dass mittlerweile in der weit überwiegenden Zahl von anwendenden Unternehmungen die erwartete Einsparung des ersten Jahres nach Umsetzung des Verbesserungsvorschlags (VV) die Basis für die Berechnung der Prämie darstellt (Neckel 2018, S. 119). Eine Besonderheit stellen die sogenannten Diensterfindungen und technischen Verbesserungsvorschläge von Arbeitnehmern (im privaten und öffentlichen) Dienst dar, die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (Koblank 2014). Sie werden seit 1957 geregelt im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG). Entsprechende Bewertungsverfahren und -maßstäbe sind im Gesetz hinterlegt (Bartenbach und Volz 2019) (Abb. 2). Der Anteil der Prämie an dem erwarteten Nutzen hat sich in der Vergangenheit ebenfalls in einer gewissen Bandbreite eingependelt, unabhängig von der Größe der Unternehmung und der relevanten Branche (Bechmann 2013, S.  18). Hier finden wir die größte Übereinstimmung bei einer Quote von 20–30 % an der erstjährig erwarteten Einsparung. Weitgehend unverändert bleibt auch die Art der Anerkennung. Geldprämien stehen im Vordergrund, wenngleich in den letzten Jahren eine Entwicklung auffällt, die ein Abschmelzen der rein pekuniären Prämien und das Ansteigen von Sachprämien erkennen lässt. Die Ursache hierfür ist noch nicht zuverlässig auszumachen. Möglicherweise kor­ respondiert dies mit der Zunahme von VV mit nicht rechenbarem Nutzen (Abb. 3).

6  Volatilität im Ideenaufkommen Signifikant ungleiche Entwicklungen finden wir demgegenüber in Abhängigkeit von der Größe der Unternehmung u. a. dann, wenn es um die Aktivierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Teilnahme am BVW/IM geht. I. d. R. gelingt es kleineren Unternehmungen besser die Potenziale in der Mitarbeiterschaft anzuregen. Allerdings bleibt zu

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Abb. 2  Art und Basis der Prämierung. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 11)

Abb. 3  Anteil der Prämie an den erwarteten/erzielten Einsparungen. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 12)

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berücksichtigen, dass auch heute noch die größte Anzahl von VV aus den Produktionsbereichen generiert wird. Da bei großen Unternehmungen der Anteil der Verwaltungs-, Steuerungs- und Querschnittsfunktionen zunimmt, wirkt sich dies häufig mindernd auf die Vorschlagsquote aus (Abb. 4 und 5). Gleichwohl ist nicht zu vernachlässigen, dass kleinere und mittlere Unternehmungen häufig eine höhere Identifikation ihrer Angestellten mit „ihrem Betrieb“ erwirken und somit die Motivationsgrundlage für eine aktive Teilnahme am BVW/IM gestärkt ist. Die

Abb. 4  Vorschlagsquote nach Unternehmensgröße. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 8) Abb. 5 Beteiligungsquote nach Unternehmensgröße. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 9)

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höhere Anonymität in einer größeren Betriebsstätte erfordert zusätzliche Aktivitäten, um die Beteiligungsquote/Vorschlagsquote positiv zu entwickeln. Neben der Größe einer Unternehmung wirkt sich auch die Zugehörigkeit zu einer Branche auf den Erfolg eines BVW/IM nachhaltig aus. Wie bereits weiter oben angesprochen, nehmen Branchen des produzierenden Bereiches weiterhin führende Plätze in der Wirksamkeit des BVW/IM ein. Ein Trend, der bereits aus den Anfängen dieses Instrumentes erkennbar ist. Neben der Tatsache, dass in produzierenden Unternehmungen das Erkennen von Ansätzen zu Verbesserungen möglicherweise leichter fällt, liefert u. a. Thom eine weiterführende Erklärung. Er verweist aufgrund von ihm durchgeführter Untersuchungen darauf, dass Branchen, die sich im schnellen technologischen Wandel befinden ebenso wie Branchen, die einem hohen Wettbewerbsdruck unterliegen, i. d. R. signifikant bessere Erfolgsquoten im BVW/IM erzielen als solche, bei denen dies nicht der Fall ist (Thom 2015). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen an dieser Stelle die Befragungsergebnisse des DIB, das regelmäßig bestimmte Branchen als besonders erfolgreich oder wenig erfolgreich tituliert (Abb. 6).

Abb. 6  Beteiligungsquote nach Branchen. (Quelle: DIB-Report 2016, S. 7)

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Unabhängig von derartigen signifikanten Unterschieden unter den anwendenden Unternehmungen bleibt festzuhalten, dass das BVW/IM in Deutschland ein außergewöhnlich erfolgreiches Instrument zur Nutzung der Kreativität und Lösungskompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darstellt. Allein der rein betriebswirtschaftliche Nutzen nimmt Jahr für Jahr eine Größenordnung an, die keinesfalls vernachlässigt werden kann. So weist das DIB für die an der jeweiligen jährlichen Befragung teilnehmenden Unternehmungen einen realisierten Gesamtnutzen im Bereich von rund 1 Mrd. Euro p.a. aus. Langjährig erfolgreiche Anwender, wie Bosch, VW oder andere Häuser benennen ihre Nutzengrößen p.a. in 2- bis 3-stelligen Millionengrößen. Es kann somit keinen Zweifel geben, dass das heutige IM bereits aus rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung ein unverzichtbares In­ strument der Unternehmungsentwicklung ist.

7  Wertschätzendes Führungsinstrument Einen Einflussfaktor mit konstant hoher Relevanz für die Frage des Erfolges dieses Instrumentes stellt auch nach über 100-jähriger Existenz weiterhin die Rolle der Führungskräfte bis hin zur Unternehmungsleitung dar. Nicht nur, dass die seinerzeitige Initialzündung von vorausschauenden Unternehmern wie Alfred Krupp und Robert Bosch ausging. Auch während all der Jahre der Entwicklung waren sich Betrachter aus Wissenschaft und Praxis stets einig, dass der Gruppe der Entscheidungsträger eine ganz wesentliche Rolle für den Erfolg oder Misserfolg des BVW/IM zukommt. So formulierte Reißinger: „Da das BVW unabhängig von organisatorischen Zuordnungen auf alle Bereiche des Unternehmens wirkt, sollte es möglichst der Unternehmensleitung unterstellt werden oder wenigstens ein Vortragsrecht erhalten.“ Und weiter: „Wo eine direkte Unterstellung zur Unternehmensleitung erfolgt ist, wird jedem Mitarbeiter d­ eutlich gemacht, welchen hohen Stellenwert das BVW … hat.“ (Reißinger 1980, Sp. 2363). Ähnliches gilt für die Rolle der Führungskräfte auf allen Ebenen einer Unternehmung. Bereits in einer seiner ersten Publikationen zum Thema BVW weist Thom im Jahre 1985 auf die Notwendigkeit hin, dass Vorgesetzte die Rolle eines Innovationspromotors einnehmen müssen (Thom 1985, S. 140). Er ergänzt dies mit folgender Feststellung: „Wenn die hier ausgeführten Voraussetzungen fehlen, so wird das Management im Zusammenhang mit der verstärkten Nutzung des Ideenpotenzials der Mitarbeiter – so erstaunlich dies auch klingen mag – weiterhin zu den am schwierigsten zu umgehenden Engpassfaktoren zählen.“ Auch heute gehört die Frage der Unterstützung oder Behinderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Entwicklung von VV zu den elementaren Problemstellungen des IM.

8  Integratives Ideenmanagement Soweit es die Ausrichtung des IM und der hiermit verfolgten Themen betrifft, hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Erweiterung herausgebildet. Zwar nehmen die Vorschläge mit Einsparungs- und Effizienzideen weiterhin großen Raum ein, neuere Themen-

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felder kommen jedoch hinzu. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang ökologische Fragestellungen wie Reduzierung des Energieverbrauchs oder die Wiederverwendung von Abwärme etc. Aber auch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, Serviceverbesserungen gegenüber den Kunden, Verbesserung der Integration der Unternehmung in das soziale Umfeld werden zum Gegenstand von VV. Hier existieren erhebliche Potenziale, die durch das IM gehoben werden können und die der Motivationsstruktur jüngerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend entsprechen. Eine weitere Thematik stellt die wachsende Heterogenität und Vielfalt der in heutigen Belegschaften vertretenen kulturellen Hintergründe dar. Aus vergleichenden Untersuchungen wissen wir, dass z. B. die Motivationsbedürfnisse durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein können, d. h. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter differierender Kulturen mit individuellen Motivationsanreizen angesprochen werden müssen. Hierauf ist bei der Gestaltung des IM zu achten. Gleichzeitig stellt das IM ein entsprechend zugeschnittenes Instrument dar, um die Integration und Zusammenarbeit von und zwischen Mitarbeitern mit unterschiedlichem Migrationshintergrund zu erleichtern bzw. zu fördern: ein Einsatzfeld, das besonders in jüngerer Zeit und zukünftig für Unternehmungen in Deutschland von besonderem Inte­ resse sein dürfte.

9  Agiles Ideenmanagement Eine letzte, besonders nennenswerte Veränderung hat das BVW/IM im Laufe der Jahre im Prozess der Erarbeitung eines VV erfahren. Waren in den Anfängen fast ausschließlich kreative Einzelpersonen Motor dieser Erfolgsgeschichte, so finden wir heute zunehmend Teamleistungen. Hierdurch wurde die Qualität der VV signifikant verändert und weiterentwickelt. Es werden zunehmend ganze Prozesse betrachtet und verändert. Hierfür ist zwangsläufig die Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter/Betroffener erforderlich. Die Unternehmungen reagieren hierauf bereits u. a. durch teamfördernde Personalentwicklungs-­ Maßnahmen sowie durch deutliche Anhebungen der Höchstgrenze für erfolgreiche VV (Volkswagen Medieninformation 2019). Das BVW/IM hat zweifelsohne in seiner mehr als 100-jährigen Existenz in deutschen Unternehmungen eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Bemerkenswert ist aber in ganz besonderer Weise, dass dieses Instrument auch heute eine ungebrochene Aktualität besitzt und auch für den Bedarf der Zukunft weiterhin einen hohen Nutzen stiften kann (Gutknecht 2018). Entwicklungen, wie die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz können in den nächsten Jahren weitere deutliche Entwicklungsimpulse liefern (Landmann et al. 2018, S. 220). Gleichzeitig schreitet die Verknüpfung des IM mit anderen und zunehmend präferierten Instrumenten der Innovationsförderung weiter voran (van Aerssen und Buchholz 2018, S. 65). Im Unternehmungsalltag findet regelmäßig die parallele oder gemeinsame Nutzung derartiger partizipativer Instrumente wie Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP), Six Sigma, Kaizen, Total Quality Management, Qualitätszirkel oder Lean Management statt (Landmann et al. 2018, S. 164).

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10  Fazit Im Rückblick auf eine mehr als 130-jährige Existenz des BVW/IM bleibt zweifelsfrei festzuhalten, dass es sich um ein Erfolgsinstrument mit ungebrochener Attraktivität handelt. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Entwicklung bis heute überwiegend auf technische und prozessuale Aspekte fokussiert wurde. Vor dem Hintergrund der äußerst kompetitiven Situation, in der sich deutsche Unternehmungen behaupten müssen sowie unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren, wie dem Fachkräftemangel, veränderter Erwartungen der nachwachsenden Generationen an einen Arbeitsplatz und den dazugehörigen Arbeitgeber und last not least der gewachsenen kulturellen Heterogenität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darf das Potenzial des IM als Führungsinstrument nicht länger vernachlässigt werden. Hier bietet sich dem IM eine ganz erhebliche Chance und Herausforderung zur Weiterentwicklung. Personalentwicklung und aktiv betriebene, partizipative Führungskultur stellen wichtige, zukunftsorientierte Bestandteile einer erfolgreichen Unternehmungsführung dar. Das IM kann hierfür ein äußerst wertvoller Baustein sein.

Literatur van Aerssen, Benno/Buchholz, Christian (Hrsg.): Das große Handbuch Innovation, München 2018 Badura, Andrea: Ideenmanagement 2.0. In: Ideenmanagement, 38. Jg. 2012, S. 25–27 Bartenbach, Kurt/Volz, Franz-Eugen: Arbeitnehmererfindungsgesetz, 6. Aufl., Köln 2019 Bechmann, Reinhard: Trendbericht: Prämiensysteme für Verbesserungsvorschläge mit rechenbarem Nutzen, hrsg. Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2013 Däubler, Wolfgang/Kittner, Michael/Klebe, Thomas/Wedde, Peter (Hrsg.): BetrVG Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar, 16. Aufl., Frankfurt 2018 Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (Hrsg.): Führungsinstrument Vorschlagswesen, Aufbau-­ Funktion-­Wirtschaftlichkeit, 3. Aufl., Berlin 1993 Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (Hrsg.): Erfolgsfaktor Ideenmanagement, Kreativität im Vorschlagswesen, 4. Aufl., Berlin 2003 Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (Hrsg.): DIB-Report 2016, Benchmarking im Ideenmanagement, Frankfurt 2016 Gutknecht, Christoph: Ratio digitalis – auch in 2019 Schrittmacher Ideenmanagement. In: Ideenund Innovationsmanagement, 44. Jg. 2018, S. 105 Hanewinkel, Christian/Kersting, Christiane/Munzke, Hans-Rüdiger/Schat, Hans-Dieter: Ideenmanagement in der Lebensmittelindustrie, Hamburg 2013 Heitmeyer, Klaus: KPI – Controllingtools für erfolgreiches Ideenmanagement. In: Ideen- und Innovationsmanagement, 45. Jg. 2019, S. 16–21 Höckel, Günther: Keiner ist so klug wie alle, Düsseldorf 1964 Höckel, Günther: Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) – eine gute Idee. In: Betriebliches Vorschlagswesen, 3. Jg. 1977, S. 1–4 Koblank, Peter: Kleine Geschichte des Ideenmanagements, hrsg. EUREKA e.V., Aalen 2014 Landmann, Nils/Schat, Hans-Dieter/Sieben, Thomas: Ideenmanagement Studie 2018, hrsg. v. HLP Informationsmanagement GmbH, Eschborn 2018

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Neckel, Hartmut: Toolbox Ideenmanagement, Stuttgart 2018 Post, Herbert/Thom, Norbert: Verbesserungen und Ausbau des Betrieblichen Vorschlagswesens. Erkenntnisse einer Befragungsaktion. In: Betriebliches Vorschlagswesen (BVW), 6.  Jg. 1980, S. 114–136 Reißinger, Lieselotte: Vorschlagswesen, betriebliches. In: Handwörterbuch der Organisation (HWO), Hrsg. Erwin Grochla, 2. Aufl., Stuttgart 1980, Sp. 2360–2368 Robert Bosch GmbH: 90 Jahre Betriebliches Vorschlagswesen in Deutschland, Presseinformation 24.11.2014 Schwab, Brent: Neuestes Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Vorschlagswesen – Eine Analyse der Entscheidung vom 20.1.2004. In: Ideenmanagement, 31. Jg. 2005, S. 22–26 Thom, Norbert: Betriebliches Vorschlagswesen. Ein Instrument der Betriebsführung und des Verbesserungsmanagements, 2. Aufl., Bern, Berlin u. a. 1985 Thom, Norbert: Idea Management in Switzerland and Germany: Past, Present and Future. In: Die Unternehmung. Swiss Journal of Business Research and Practice, 3/2015, St. Gallen 2015, S. 218–254 Volkswagen Medieninformation: Volkswagen Ideenmanagement hebt Höchstprämie für Verbesserungsideen auf 75.000 Euro an, veröffentlicht 6. Februar 2019 Wermelskirchen, Thea: Zeiss-Brille gegen Betriebsblindheit – IBM-PC verwaltet Betriebliches Vorschlagswesen. In: PC-Magazin, Jg. 1985, S. 58–60

Dipl.-Kfm. Dr. Christoph Gutknecht  promovierte im Fach Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und war seit 2010 Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft (DIB) in Frankfurt. Er leitete von 2013 bis 2017 dort auch das DIB-Forum „Ideen- und Innovationsmanagement“. Das Institut war eine 100 % Tochtergesellschaft der DEKRA Akademie GmbH, Stuttgart. Zuvor war Dr. Gutknecht langjährig für die BMW AG, München, in Leitungsfunktionen im Vertrieb und in den werkseigenen Niederlassungen an verschiedenen Standorten tätig. Heute koordiniert er das Ideenmanagement in den deutschen Konzerntochtergesellschaften der DEKRA SE, Stuttgart. Mitherausgeber der Zeitschrift Ideen- und Innovationsmanagement. Dr. Klaus Heitmeyer,  Studium der Betriebswirtschaftslehre (Dipl.-Kfm.) und Promotion an der Universität zu Köln. Befasste sich bereits während dieser Zeit mit Fragen der Personalorganisation und Personalentwicklung. Langjährige Tätigkeit im Finanzdienstleistungssektor als Geschäftsführer und Vorstand von mittelständischen und großen Unternehmungen. Heute u.  a. als Personal- und Unternehmensberater tätig. Mitherausgeber der Zeitschrift Ideen- und Innovationsmanagement.

Ideenmanagement in der Schweiz – Vergangenheit – Ist – Zukunft Norbert Thom und Julia de Groote

Inhaltsverzeichnis 1  Ideenmanagement in der Schweiz  2  Von der Vergangenheit zum Status Quo  3  Wichtige Gestaltungsmerkmale  4  Gegenwart  5  Implikationen für die Zukunft  Literatur 

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Zusammenfassung

Die Schweiz als Innovationsweltmeister steht spezifischen Herausforderungen auch in Bezug auf das Ideenmanagement gegenüber. Der vorliegende Beitrag fasst die aktuelle Situation sowie Forschungsbefunde der letzten Jahrzehnte, die dem Schweizer Kontext entspringen, zusammen. Er bietet dabei auch einen Überblick über empirische Erkenntnisse zur Gestaltung eines erfolgreichen Ideenmanagements. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf zukünftige Herausforderungen und Entwicklungen des Ideenmanagements in der Schweiz gegeben, die sicherlich für weitere Länder, vor allem im europäi­ schen Kontext ihre Gültigkeit besitzen.

Der 2019 verstorbene Prof. Dr. Dr. hc. mult. Norbert Thom war bis zu seiner Emeritierung 2012 Gründungsdirektor des Institut für Organisation und Personal der Universität Bern. N. Thom · J. de Groote (*) Institut für Organisation und Personal, Universität Bern, Bern, Schweiz E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_10

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Ideenmanagement in der Schweiz

Die Schweiz wird häufig als Innovationsweltmeister beschrieben. Im Global Innovation Index belegt die Schweiz den ersten Platz, vor Schweden, den Niederlanden, den USA und dem Vereinigten Königreich. Deutschland landet auf Platz 9. Der Global Innovation Index stellt eine Rangliste der Innovationsfähigkeit verschiedener Länder auf, die sich aus verschiedenen Kriterien zusammensetzt. Er wird jährlich von einem Zusammenschluss verschiedener internationaler Business Schools und der Weltorganisation für geistiges Eigentum der Vereinten Nationen (WIPO) herausgegeben. Besonders gut schneidet die Schweiz in den Kategorien „Knowledge & Technology Outputs“ und „Creative Outputs“ ab. Auch im Innnovationsanzeiger, der vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellt wird, belegt die Schweiz den ersten Platz, Deutschland zum Beispiel erreicht den fünften Platz. Es zeigt sich jedoch auch, dass obwohl die Schweiz insgesamt der klare Sieger in Bezug auf die Innovationskraft ist, in einigen Bereichen die Bedingungen nicht optimal sind (z. B. das institutionelle Umfeld) oder die Schweiz schlicht hinterherhinkt (z. B. bei der Digitalisierung). Um ihre Position als Innovationsweltmeister zu halten, ist die Schweiz auf die Generierung und Umsetzung von Ideen angewiesen. Dabei spielt das Ideenmanagement in Unternehmen eine entscheidende Rolle. Im Folgenden wird die Vergangenheit und Gegenwart des Ideenmanagements in der Schweiz dargestellt. Abschließend werden sich daraus ergebende Implikationen für die Zukunft des Schweizer Ideenmanagements präsentiert. Dabei sind die Erkenntnisse nicht nur wertvoll für das Ideenmanagement in der Schweiz, sondern lassen sich auch auf den Kontext anderer Länder (insbesondere Deutschland), aber auch auf Aspekte des Innovationsmanagements übertragen. In unseren Ausführungen beziehen wir uns dabei im Folgenden hauptsächlich auf empirische Ergebnisse aus Studien, die an der Universität Bern durchgeführt wurden.

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Von der Vergangenheit zum Status Quo

Das Ideenmanagement sowie die darauf bezogenen Forschungsergebnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten ständig weiterentwickelt. Dennoch lässt sich – insbesondere für den Kontext der Schweiz- eine Konstanz in Themen und Zusammenhängen erkennen (siehe hierzu z.  B.  Bumann 1989, 1991; Vonlanthen 1995; Thom 2015). Abb.  1 zeigt einen Bezugsrahmen des Ideenmanagements der von Thom und Kollegen stetig weiterentwickelt wurde (siehe hierzu auch Post und Thom 1980; Thom 1980, 1990; Habegger 2002; Piening 2008; Thom und Piening 2009). Ein erster Bezugsrahmen wurde von Losse und Thom (1977) erarbeitet (vgl. Abb. 1). Der Bezugsrahmen wurde zunächst im deutschen Kontext entwickelt und über dreissig Jahre hinweg mit Erkennt-

Ideenmanagement in der Schweiz – Vergangenheit – Ist – Zukunft

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AUSSERBETRIEBLICHE BEDINGUNGSGRÖSSEN Umweltdynamik (+), Konkurrenzintensität (++), Gesellschaftlicher Wertewandel (0), Technologischer Fortschritt (+++), Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien (++), Gesetzliche und politische Vorgaben (0)

BETRIEBLICHE BEDINGUNGSGRÖSSEN

MITTELBARE AKTIONSPARAMETER

Führungsgrundsätze und -richtlinien (++)

Ziel- und Strategiesystem (++)

Unternehmensgrösse (+)

PERSONELLE BEDINGUNGSGRÖSSEN Einstellung zum IM/ Akzeptanz des Managements (+++)

Branche (++)

Qualifikationsstand der Belegschaft (+)

Produkt- und Dienstleistungsangebot (+)

Wissen und Fähigkeiten (+)

Verfügbare finanzielle Mittel (+)

Organisationskultur (++)

Unternehmenskultur (+++)

ZIELE DES IM (AUSWAHL) Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsverbesserung (+++), Motivation der Mitarbeitenden (++)

UNMITTELBARE AKTIONSPARAMETER DES IM Werbung durch verschiedene Medien (+++), Materielle Anreize (+++), Immaterielle Anreize (+++), Vorgesetztenmodell (+++), Kombination von Einzel- und Gruppenvorschlägen (+++), Schnelle und transparente Bewertung (+++), Ideendatenbanken (+++), Aktives Abholen der Ideen (+++), Weiterentwicklung zum KVP (+++), Integration in andere Managementkonzepte (0), Unternehmensexterne Ideeneinreicher (0)

EFFIZIENZ DES IDEENMANAGEMENTS Beteiligungsquote, Umsetzungsquote, Gesamteinsparungs-/Nutzenverhältnis, Prämien, Bearbeitungs-/Durchlaufzeit u.a.

Legende:

0 = kein Einfluss + bis +++ = zunehmende Stärke des Einflusses

Abb. 1  Bezugsrahmen zum IM-Erfolg. (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Piening 2008, S. 117; Thom und Piening 2009, S. 173)

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nissen aus dem Schweizer Umfeld überarbeitet und ergänzt. Allgemeine Gültigkeit ist daher nur für Deutschland und die Schweiz bis etwa 2010 gegeben. Aktuelle Entwicklungen werden voraussichtlich zu Veränderungen und neuen relevanten Wirkungsbeziehungen führen. Eine empirische Untersuchung zu dem gezeigten Bezugsrahmen von Thom & Pienung stammt aus dem Jahr 2009 und wird stellvertretend für weitere empirische Untersuchung der letzten Jahrzehnte vorgestellt. In der Studie wurden 57 Unternehmen in der Schweiz, die über ein Ideenmanagement verfügen, befragt. Davon gehörten 70 % dem verarbeitenden Gewerbe und 30 % dem Dienstleistungssektor an. Die Antworten aller 57 Unternehmen stammen von ihren Ideenmanagern. Sechs der antwortenden Unternehmen bewerteten die Qualität ihres Ideenmanagements als ausgezeichnet. Diese sechs Unternehmen wurden als „Top-Scorer“ qualifiziert und ihre Antworten als Vergleichsmaßstab für den Abgleich mit den übrigen 51 Unternehmen verwendet, um Unterschiede in der Vorgehensweise zwischen mehr und weniger erfolgreichen Ideenmanagementsystemen herauszuarbeiten. Befragt nach den drei wichtigsten Gestaltungsmerkmalen eines Ideenmanagements, gaben die Unternehmen eine schnelle und transparente Bewertung der eingereichten Ideen, effektive Werbung zur Förderung der Ideeneinreichung, und die Einführung des Decision-Making-Chain-Modells (Vorgesetztenmodell, s. hierzu Etienne 1997 und Thom 2015) an. Im Folgenden werden diese Gestaltungsmerkmale und ihre Auswirkungen näher erläutert.

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Wichtige Gestaltungsmerkmale

Eine organisatorische Herausforderung steht an erster Stelle: Gefordert ist ein interner Prozess, der die Zeit zwischen der Einreichung der Idee und ihrer Bewertung auf der Grundlage von klaren Kriterien minimiert. Die Einsender wollen zeitnah wissen, warum ihre Ideen weiterverfolgt oder abgelehnt werden und ob sie eine Prämierung erhalten werden. Alle Mitarbeitenden, die zur Teilnahme berechtigt sind, müssen durch Werbemaßnahmen angesprochen werden. Diese haben zum Zweck, Mitarbeitende zu überzeugen, Ideen nicht nur zu generieren, sondern diese auch aktiv einzubringen. Um dies zu erreichen, müssen Innovationsmanager die Mentalität ihrer Mitarbeitenden verstehen und Werbemaßnahmen und -kanäle entsprechend wählen. Die Maßnahmen müssen dabei die Mitarbeitenden dazu veranlassen, ihre eigene Idee als wertvoll und gewünscht wahrzunehmen, was dann dazu führt, dass sie diese auch schlussendlich einreichen. In diesem Zusammenhang sind interne Kommunikationsprozesse von zentraler Bedeutung. Das proaktive Sammeln von Ideen aus der Belegschaft kann den Ideenfluss weiter unterstützen. Traditionell warten Manager darauf, dass Mitarbeitende mit einem Vorschlag zur Verbesserung auf sie zukommen. Es zeigt sich jedoch, dass immer mehr Unternehmen versuchen, aktiv Vorschläge ihrer Mitarbeitenden zu sammeln, und auch schon durch diesen aktiven Prozess,

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die Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden auf das vorhandene Ideenmanagement zu lenken. Dieser Ansatz ist deutlich weiter verbreitet unter den Unternehmen, die in der Studie als „Top-Scorer“ eingestuft wurden, als bei den weniger erfolgreichen Unternehmen innerhalb der Studie. Der aktive Prozess reduziert typische Hindernisse, die andernfalls die Einreichung von Verbesserungsvorschlägen behindern, wenn nicht sogar verhindern, könnten (vgl. Thom und Piening 2009, S. 33 ff.); darüber hinaus sendet es ein klares Signal aus, dass das Einbringen von Ideen ein Teil der täglichen Unternehmenskultur ist. Aus der Studie ergibt sich, dass die Einführung eines Decision-Making-Chain-Modells dringend empfohlen werden kann. Im klassischen betrieblichen Vorschlagswesen werden Einreichende gebeten, sich an einen Administrator des Vorschlagswesens zu wenden und damit ihren direkten Vorgesetzten zu „umgehen“. Erfolgreiche Ideenmanager merkten jedoch an, dass die Effektivität des Ideenmanagements höher ist, wenn die Einreichenden ihre unmittelbaren Vorgesetzten kontaktieren. Eine solche Implementierung betrifft nicht nur rein organisatorische Veränderungen, sondern bringt auch die Notwendigkeit einer Veränderung der Unternehmenskultur mit sich. Vorgesetzte müssen offen sein für Ideen, die von untergebenen Personen vorgeschlagen werden. Die Führungspersonen wiederum benötigen die Kompetenz zu entscheiden, ob eine Einreichung akzeptiert und implementiert werden soll oder nicht. Wenn ein Decision-Making-Chain-Modell eingeführt wird, bei dem die Führungspersonen miteinbezogen werden, werden nur noch Ideen, die über das Fachgebiet des direkten Vorgesetzten hinausgehen und/oder Auswirkungen auf andere Abteilungen haben, an den Ideenmanager weitergeleitet. Eine solche Einschränkung der Verantwortung des Ideenmanagers hilft, Engpässe zu vermeiden. Der Umgang mit Verbesserungsvorschlägen von Mitarbeitenden muss Teil der üblichen Aufgaben eines Vorgesetzten werden. Dies wird wahrscheinlich die Teilnahme- und Akzeptanzquoten am Ideenmanagement erhöhen. Dies kann auch die Implementierung erleichtern, da es keine zunächst umgangenen Vorgesetzten gibt, die doch noch überzeugt werden müssen. Die Grenzen des Decision-­ Making-­Chain-Modells werden von Etienne (1997) diskutiert. Beispielsweise zeigt sich, dass die Einstellungen und Werte, mit denen einzelne Vorgesetzte die Leistungen von ihren Mitarbeitenden bewerten, ein zentraler Einflussfaktor in diesem Modell sind. Die Studie beleuchtet auch die einflussreichsten externen Faktoren. Die befragten Ideenmanager nannten hier vornehmlich den technologischen Fortschritt und den starken Wettbewerb als die stärksten Treiber für ein erfolgreiches Ideenmanagement. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass sich das Ideenmanagement in wettbewerbsintensiven Branchen eher erfolgreich entwickeln wird, jedoch auch von zentraler Notwendigkeit ist. Der Automobilzuliefersektor ist hier ein gutes Beispiel, während die öffentliche Verwaltung und andere Monopolbereiche tendenziell in ihrer Innovationskraft zurückbleiben. Technologischer Fortschritt ist eine Frage von Innovationen und Innovationen wiederum basieren auf erfolgreich umgesetzten Ideen. Jeder große Innovationsschritt schafft Möglichkeiten für einen Folgeprozess der kontinuierlichen Verbesserung. Hinsichtlich der wesentlichen internen Faktoren nannten die Ideenmanager ein geeignetes Management von Ideenmanagementsystemen. Grundsätze und Richtlinien sind

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besonders wichtig. Am förderlichsten für ein effektives und effizientes Ideenmanagement ist ein kooperativer und wertschätzender Führungsstil, bei dem die Mitarbeitenden nicht als Untergebene, sondern als Partner betrachtet werden. Das oben erwähnte Decision-­ Making-­Chain-Modell oben beachtet solche Führungsprinzipien. Die Grundsätze sollten schriftlich fixiert, vermittelt und im täglichen Betrieb angewendet werden. Bezüglich personeller Faktoren, erscheinen Einstellungen und uneingeschränkte Akzeptanz des Ideenmanagements von Seiten der Entscheidungsträger (der leitenden Angestellten) als unerlässlich. Nur wenn Manager auf allen Ebenen, bis an die Spitze, das Ideenmanagement unterstützen und es als integralen Bestandteil des zeitgemäßen ­Managements betrachten, hat das Ideenmanagement eine Chance, sich so zu entwickeln, wie es sollte. Sogar eine beiläufige herablassende Bemerkung kann das Ideenmanagement in der Praxis sabotieren. Bloße Toleranz reicht nicht aus – was zählt, ist aktive Unterstützung. Die „Top-Scorer“ in der Studie haben bereits diese Art von Politik fest im Unternehmen verankert. Ziele und Strategien sowie Organisationsstruktur und Unternehmenskultur sind wichtige Rahmenbedingungen bzw. Managementinstrumente, die sich indirekt auf die Entwicklung des Ideenmanagements auswirken. Alle diese Faktoren sind wichtig, aber derjenige mit der größten Wirkung ist die Unternehmenskultur, denn diese betrifft verschiedene Wertdimensionen. HR-bezogene Werte wurden bereits erwähnt (z.  B.  Führungsgrundsätze). Ein weiterer wichtiger Impulsgeber kann von der Innovationsorientierung ausgehen, was bedeutet, dass innovatives Denken und Handeln auf allen Organisationebenen hochgeschätzt und belohnt wird. Kostenbewusstsein ist sicherlich auch wichtig für ein funktionales Ideenmanagement: Die Mitarbeitenden müssen zu einem kostenbewussten Verhalten ermutigt werden, um Ressourcen zu sparen. Schließlich sollte das Prinzip der Kundenorientierung auch einen sehr hohen Stellenwert haben. Eine solche Kundenorientierung kann positive Impulse für das Ideenmanagement liefern, daher sollten Mitarbeitende dafür sensibilisiert werden, dass ihr Handeln immer der Zufriedenheit interner sowie externer Kunden dienen muss. Grundsätzlich verfolgt das Ideenmanagement verschiedene Ziele. Die Abläufe und Operationen des Unternehmens anzupassen, um höhere Qualitätsansprüche zu erfüllen, hat sicherlich einen hohen Stellenwert. Die Qualitätsziele betreffen hierbei nicht nur die Produktqualität, sondern auch die Arbeitsprozesse und Arbeitsumgebungen. Die Ideenmanager der 57 antwortenden Schweizer Unternehmen massen allerdings der Steigerung der Profitabilität eine noch größere Bedeutung zu. Zu den obersten Zielen des Ideenmanagements gehört darüber hinaus das Ziel, die Mitarbeitenden zu motivieren, ihren konstruktiven Beitrag zu leisten. Die Anreizgestaltung stellt einen wichtigen Stellhebel dar, um die Ziele des Ideenmanagements zu erreichen. Zunächst spielen materielle Anreize eine wichtige Rolle. Einsender von Vorschlägen, die angenommen und umgesetzt wurden, sollten einen Anteil (z. B. 15 % oder mehr) an den berechenbaren jährlichen Einsparungen, die sich aus dem Vorschlag (nach Abzug der Implementierungskosten) ergeben, erhalten. Eine Zusatzprä-

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mie basierend auf den tatsächlichen Einsparungen (über das erste Jahr hinaus) ist ebenfalls eine Option. Höhere Incentive-Prämien (bis zu 50 %) verbessern die Beteiligung nicht unbedingt proportional; ebenso wichtig sind die Transparenz der Incentive-Regelungen (vgl. Thom und Piening 2009, S. 50 ff.). Neben den materiellen Anreizen dürfen immaterielle Anreize nicht außer Acht gelassen werden, wie zum Beispiel die Anerkennung der Beiträge durch Vorgesetzte, Ideenmanager, Mitglieder des Ideenmanagement-­ Ausschusses und – bei herausragenden Ideen – der Geschäftsleitung. Weitgehend eigenmotivierte Einsender werden sich durch die einfache Tatsache bestätigt fühlen, dass ihre Idee so schnell wie möglich umgesetzt wird. Manager von bezüglich des Ideenmanagements besonders produktiven Einheiten sowie gewissenhaft, fair und schnell arbeitende Evaluatoren von komplexen Ideen sollten auch entsprechende Rückmeldung und Anerkennung erhalten. Die Ermöglichung einer Kombination von Einzel- und Gruppenvorschlägen ist eine weitere Option in der Gestaltung des Ideenmanagements. Traditionell kamen Verbesserungsvorschläge vor allem von einzelnen Einreichern, obwohl es auch informelle Gruppen gibt. Solche Gruppen bestehen aus mindestens zwei Personen, die den Vorschlag gemeinsam als Team entwickeln und einreichen. In den 1980er-Jahren wurde das Konzept des Qualitätszirkels aus Japan nach Europa eingeführt. Zusammen mit den üblichen informellen Gruppen von Ideeneinreichern können Qualitätszirkel ein nützliches Instrument sein, um das kreative Potenzial einer Belegschaft zu nutzen (vgl. Thom und Piening 2009, S. 112 ff.). Seit den ersten Entwicklungen des Ideenmanagements über klassische Vorschlagsboxen hat es viele technologische Sprünge gegeben. So sind immer mehr ausgefeilte digitale Tools für das Ideenmanagement verfügbar. Solche Tools helfen die Gesamtbearbeitungszeit von der Einreichung bis zur Implementierung zu reduzieren. Sie stellen sicher, dass keine Einreichungen verloren gehen und ermöglichen es, objektiv festzustellen, wer zuerst eine Idee eingereicht hat. Die Verarbeitungskapazität des Ideenmanagers kann durch solche Technologien deutlich erhöht werden. Letztendlich kann ein gelebtes Ideenmanagement in einem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess münden. Eine grundlegende Annahme, die dem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess zugrunde liegt, ist, dass großen Innovationsschritten immer kleine Schritte der kontinuierlichen Verbesserung nachfolgen. In einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess werden in der Regel Vorschläge in Gruppen entwickelt und kommen nicht von einzelnen Einreichern. Diese Gruppen sollten geführt sein von Mitarbeitenden, die speziell in den entsprechenden Fähigkeiten geschult sind. Die Ideen, die dabei entstanden sind, beziehen sich in der Regel auf ihr spezifisches Kompetenzfeld und eng verwandte Bereiche. Ein effizientes Ideenmanagement muss sich auch messen lassen. Die befragten Ideenmanager nannten unter anderem Beteiligungsquote, Umsetzungsrate, Gesamteinsparungen durch Ideen, Kosten-Nutzen-Verhältnis des Ideenmanagements, Prämien und Gesamtbearbeitungszeit der Ideen als mögliche Kennzahlen. Eine Herausforderung ergibt

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sich daraus, diese Kennzahlen auf einzelne Unternehmen gezielt anzuwenden. Es wird empfohlen, dass jedes Unternehmen für sich individuell geeignete Kennzahlen und Zielwerte formuliert, die zu den aktuellen Herausforderungen und Möglichkeiten passen. Neben den als positiv bewerteten Maßnahmen zeigten die befragten Ideenmanager auch Vorbehalte gegenüber bestimmten Maßnahmen auf. Zum einen sahen sie die Einbeziehung des Ideenmanagements in andere Management Bereiche (z. B. Qualitäts-, Innovations-, Wissensmanagement) eher kritisch. Zum anderen wurde der Einbezug externer Ideengeber, wie z. B. Kunden oder Lieferanten eher ablehnend betrachtet – Ideenmanagement sollte sich primär an Mitarbeitende richten.

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Gegenwart

Ende 2017 wurde an der Universität Bern eine umfangreiche Studie zum Innovationsverhalten Schweizer Familienunternehmen durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchung, an der 256 Personen aus mehr als 120 Unternehmen teilnahmen, wurden auch aktuelle Daten zum Stand des Ideenmanagements in der Schweiz erhoben (s. hierzu de Groote und Schell 2018). Die Datenerhebung erfolgte in Kooperation mit der IDEE-SUISSE, der Schweizerischen Gesellschaft für Ideenmanagement, die eine der zentralen Institutionen im Schweizer Ideenmanagement ist. Die IDEE-SUISSE hat über die vergangenen Jahrzehnte hinweg immer wieder Befragungen zum Stand des Ideenmanagements in der Schweiz durchgeführt und hierfür entsprechende Fragen entwickelt. Diese Fragen wurden auch in dieser Untersuchung eingesetzt, um Bezüge zu vorangegangen Ergebnissen herzustellen. Von den insgesamt 256 Teilnehmenden gaben 66 Teilnehmende aus 56 Unternehmen an, dass das Unternehmen, für das sie arbeiten, über ein Ideenmanagementsystem verfügt. Es lagen für mehrere Unternehmen Antworten von mehr als einer Person vor. Da einige Aussagen auch auf einer subjektiven Einschätzung basierten und um die Unternehmen gleichwertig zu gewichten, wurde um Verzerrungen zu vermeiden nur eine Antwort pro Unternehmen in die Auswertung aufgenommen. Von den teilnehmenden Unternehmen gaben 53,6 % an, dass es bei ihnen einen Mitarbeitenden gibt, der explizit für das Ideenmanagement zuständig ist. Diese explizite Verankerung des Ideenmanagements kann als ein Schritt zur Professionalisierung gewertet werden. Die Angaben zu verschiedenen Kennzahlen des Ideenmanagements in den Unternehmen zeigt eine sehr große Spannbreite. Während mehrere Unternehmen angaben, dass bei ihnen bisher keine einzige Idee eingereicht wurde, geben andere Unternehmen an, bereits über 1500 Ideen bearbeitet zu haben. Der Durchschnittswert liegt in der Studie bei 115. Auch die Anzahl der umgesetzten Ideen schwankt stark, zwischen 0 und 400. Ebenso unterscheiden sich die genutzten Prämiensysteme stark. Einige Unternehmen zahlen sehr hohe Prämien, während andere gänzlich auf finanzielle Anreize und Prämien verzichten. Durchschnittlich beträgt die Höhe der Prämien, die in den antwortenden Unternehmen

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ausgezahlt werden, mehrere tausend Schweizer Franken. Auch das Verhältnis zwischen Ausgaben für Verbesserungsprozesse und den daraus resultierenden Gewinnen und Einsparungen zeigt eine große Varianz. Alle Unternehmen berichten insgesamt jedoch über eine positive Bilanz. Die so wichtige Bearbeitungszeit – von der Einreichung der Idee bis zu deren Umsetzung – beträgt im Schnitt ca. 60 Arbeitstage. Neben den deskriptiven geschlossenen Fragen wurden auch offene Fragen zum Ideenmanagement gestellt und ausgewertet. Die Auswertung dieser Angaben diente in erster Linie der Identifikation von Erfolgsfaktoren und Hemmnissen für ein erfolgreiches Ideenmanagement. Abb. 2 zeigt eine Illustration dieser Auswertung. Einige Themen (in der Abbildung größer dargestellt) kehren immer wieder und scheinen viele Ideenmanager bzw. Unternehmer umzutreiben. Hemmnisse (vgl. Abb.  2) sind insbesondere der Mangel an Ressourcen. Hier werden verschiedene Typen von Ressourcen genannt, zum Beispiel finanzielle, aber auch personelle und zeitliche. Widerstände und hinderliche Strukturen innerhalb des Unternehmens sind weitere wichtige Hemmnisse, die von Unternehmen angegangen werden sollten, um ein erfolgreiches Ideenmanagement aufzubauen. Bei den Erfolgsfaktoren (vgl. Abb. 3) ist insbesondere das Einbeziehen verschiedener Personengruppen innerhalb des Unternehmens (Mitarbeitende) aber auch externer Partner wie z.  B.  Hochschulen und Universitäten sowie Kunden hervorzuheben. Als weiterer wichtiger Erfolgsfaktor wird das schnelle Treffen von Entscheidungen genannt. Damit liegen unsere Befunde weitgehend im Einklang mit früheren Forschungsarbeiten zum Ideenmanagement in der Schweiz (vgl. zum Beispiel Thom 2015; Thom und Piening 2009). Der größte Unterschied zeigt sich in der Öffnung für Ideen, die von außerhalb der Unternehmung stammen.

Mangelnde Ressourcen

(z. B. Zeit und Kosten)

Interne Kommunikation und Priorisierung

Betriebsblindheit

Normative und rechtliche Rahmenbedingungen

Schwelle Ideen einzubringen zu hoch

Ideen zu speziell

Zu viele Meinungen

Technische Machbarkeit

Zurückhaltung oder Desinteresse der Mitarbeiter

Abb. 2  Hemmnisse eines erfolgreichen Ideenmanagements in der Schweiz. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf de Groote und Schell 2018)

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Engagement und Motivation der Mitarbeitenden

Priorisierung, schnelle und pragmatische Entscheide

Investitionsbereitschaft

Persönlicher Kundenkontakt und Kundeneinbindung

Innovationsund Unternehmenskultur

Abteilungen mit Entscheidungskompetenz

Offene, kritische und konstruktive Kommunikationskultur

Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen

Ideenentwicklung im Team

Bonus- und Prämiensystem

Abb. 3  Erfolgsfaktoren eines erfolgreichen Ideenmanagements in der Schweiz. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf de Groote und Schell 2018)

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Implikationen für die Zukunft

Ebenso wie das gesamtwirtschaftliche Umfeld der Schweiz unterliegt das Ideenmanagement verschiedenen Megatrends, die seine Zukunft entscheidend beeinflussen werden. Wie eingangs bereits dargestellt, ist die Schweiz im globalen Vergleich eine der stärksten Innovationsnationen. Um diesen Platz halten zu können, muss aktuellen Megatrends aktiv begegnet werden und auch das Ideenmanagement muss sich entsprechend anpassen. Gleich mehrere Megatrends, wie eine nach wie vor zunehmende Globalisierung der Märkte sowie die Digitalisierung verstärken die Dynamik des Unternehmensumfelds und damit den Druck innovativer zu werden. Ein erfolgreiches Ideenmanagement eignet sich in vielen Unternehmensformen insbesondere für die Umsetzung von Prozessinnovationen. Solche Prozessinnovationen sind auch von besonderer Bedeutung, um der stetig steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Gerade in größeren Unternehmen können kleine Veränderungen, die z. B. den Verbrauch von Druckerpapier reduzieren, einerseits zu einer besseren Nachhaltigkeit aber gleichzeitig auch zu Kosteneinsparungen führen. Solche potenziellen Effizienzsteigerungen sind für ein Hochlohnland wie die Schweiz von besonderer Bedeutung. Wenn nicht zunehmend Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden sollen muss die Produktivität des Standorts Schweiz weiter gestärkt werden. Da­ rüber hinaus kann das Ideenmanagement Möglichkeiten schaffen, die der Schweizer Kommunikationskultur entgegenkommen. Sich „in den Vordergrund zu spielen“ auch wenn es

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durch eine wirklich gute Idee ist, liegt vielen Schweizerinnen und Schweizern fern. Ein Ideenmanagementsystem, das die Möglichkeit bietet, sich auf vorgegebenen Wegen und schriftlich einzubringen kann helfen, hier Hürden zu überwinden (s. hierzu Ausführungen zu Gestaltungsmerkmalen des Ideenmanagements). Auch die explizite Aufforderung zur Einreichung oder Ideen, oder die Verankerung der Erwünschtheit von Vorschlägen in Job-Beschreibungen und der Unternehmenskultur kann hier unterstützend wirken. Um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen müssen sich nicht nur die Mitarbeitenden öffnen, sondern auch die Unternehmen als Ganzes. Der zunehmende Trend zu Open Innovation hat auch in der Schweiz und hier auch zunehmend in KMUs Einzug gehalten. Der stetige Wandel und die fortschreitende Technologisierung lässt sich kaum noch mit rein unternehmensinternen Ressourcen meistern. In unseren aktuellen Forschungsprojekten sehen wir zunehmend, dass auch Unternehmer, die den Begriff Open Innovation nie gehört haben, inzwischen intuitiv ihre Innovationsprozesse öffnen. Bezogen auf das Ideenmanagement bedeutet dies, dass auch hier zunehmend nicht nur Mitarbeitende des eigenen Unternehmens, sondern auch vermehrt externe Ideen von beispielsweise Kunden oder Lieferanten einbezogen werden sollten. Denkbar wären auch „Hybrid-Systeme“, in denen beispielsweise Ideen von Kunden durch Mitarbeitende weiterentwickelt werden. Die Digitalisierung – vielleicht das Buzzword unserer Zeit – wirkt sich auf verschiedene Weise auf das Ideenmanagement in der Schweiz aus. Sie befeuert nicht nur die Dynamik von Märkten und setzt dadurch Unternehmen zunehmend unter Innovationsdruck, sie bietet auch neue Möglichkeiten. Zum einen können Unternehmen ihre eigenen Produkte und Prozesse digitalisieren und hierzu Vorschläge aus dem Ideenmanagement verwenden. Zum anderen bieten neue digitale Produkte eine Welt neuer Möglichkeiten, um das Ideenmanagement selbst zu gestalten. Auch wenn wir beobachten, dass erstaunlich viele Unternehmen nach wie vor bewusst auf nicht-digitale Lösungen setzen, werden digitale Entwicklungen in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen.

Literatur Bumann, A. (1989): Der Stellenwert des Vorschlagswesens im Unternehmen  – Ergebnisse einer schriftlichen Umfrage in der Schweiz, in: Betriebliches Vorschlagswesen (BVW), 15, 1989, pp. 170–177. Bumann, A. (1991): Das Vorschlagswesen als Instrument innovationsorientierter Unternehmensführung. Ein integrativer Gestaltungsansatz, dargestellt am Beispiel der Schweizerischen PTT-­ Betriebe, Fribourg. de Groote, J.K. & Schell, S. (2018): Innovation in Schweizer Familienunternehmen. In: Arbeitsberichte des Instituts für Organisation & Personal, Abteilung Personal, der Universität Bern. Ausgabe 2018-1. Bern Open Publishing. Etienne, M. (1997): Grenzen und Chancen des Vorgesetztenmodells im Betrieblichen Vorschlagswesen, Bern. Habegger, A. (2002): Betriebliches Vorschlagswesen im Wandel. Stand der Diskussion und Umsetzung in der Praxis, IOP-Arbeitsbericht Nr. 61, Bern.

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Losse, K. H. & Thom, N. (1977): Das Betriebliche Vorschlagswesen als Innovationsinstrument. Eine empirisch-explorative Überprüfung seiner Effizienzdeterminanten, Frankfurt am Main/Bern. Piening, A. (2008): Entwicklungstendenzen im Ideenmanagement. Untersuchungen zu einem Managementkonzept der Qualitätsverbesserung und Personalförderung, IOP-Arbeitsbericht Nr. 89, Bern. Post, H. & Thom, N. (1980): Verbesserung und Ausbau des Betrieblichen Vorschlagswesens. Erkenntnisse einer Befragungsaktion, in: Betriebliches Vorschlagswesen (BVW), 6, 114–136. Thom, N. (1980): Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanagements, 2. Aufl., Königstein im Taunus. Thom, N. (1990): Employee suggestion schemes, in: Grochla, E. et al. (ed.): Handbook of German Business Management, Berlin/Heidelberg, 785–796. Thom, N. & Piening, A. (2009): Vom Vorschlagswesen zum Ideen- und Verbesserungsmanagement. Kontinuierliche Weiterentwicklung eines Managementkonzepts, Bern. Thom, N. (2015). Idea management in Switzerland and Germany: Past, present and future. Die Unternehmung, 69(3), 238–254. Vonlanthen, J.-M. (1995): Innovationsmanagement in Schweizer Unternehmen. Ausgewählte organisatorische und personalwirtschaftliche Betrachtungen. Konzeptionelle Grundlagen. Drei Explorativstudien, Bern.

Norbert Thom  Seit Mitte der 70er-Jahre forschte Norbert Thom u. a. auf den Gebieten des Innovations- und Ideenmanagements. Er hat mit Koautoren zahlreiche empirische Studien durchgeführt. Es wurden Doktor- und Masterarbeiten betreut und ein enger Kontakt zur Praxis in Deutschland und in der Schweiz gesucht. In mehreren Unternehmen war Prof. Norbert Thom Mitglied des Verwaltungsrates (Board of Directors). Dort hat er die Effizienz des Ideenmanagements gefördert. Seine Forschung fand internationale Beachtung und Anerkennung. Julia de Groote  ist Assistenzprofessorin für das Management von Familienunternehmen an der Universität Bern. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Innovationsmanagement, dem Management von Familienunternehmen und Führung. Ihr besonderes Interesse gilt den frühen Phasen des Innovationsprozesses und strategischem Innovationsmanagement. Ihre Forschungsarbeiten publiziert sie auf internationalem Niveau und erreicht damit sowohl Wissenschaftler als auch Praktiker.

Ideenmanagement im internationalen Kontext Hartmut Neckel

Inhaltsverzeichnis 1  G  rundlegende Aspekte und Rahmenbedingungen  1.1  Einheitlicher Rahmen, internationale Regelungen  1.2  Rechtliche Rahmenbedingungen in anderen Ländern  1.3  Sprachen  1.4  Serviceleistungen der Zentralen  1.5  Kennzahlen, Reporting, Benchmarking  1.6  Länderübergreifende Mehrfachnutzung  2  Prämierung im internationalen Kontext  2.1  Prämierung innerhalb der jeweiligen Länder  2.2  Prämierung mit „Grenzverkehr“  2.3  Berücksichtigung von Kaufkraftunterschieden  3  Kommunikation und Kooperation im internationalen Kontext  3.1  Persönliche Treffen und Workshops  3.2  Telefon- und Video-Konferenzen  3.3  Foren, Instant-Messages, Social Media  4  Ländertypische Unterscheidungen  Literatur 

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Teile dieses Beitrags wurden zuvor im „Bericht des Arbeitskreise für Internationales Ideenmanagement“ (https://docplayer.org/6431920-Internationales-ideenmanagement.html – zuletzt zugegriffen am 02.08.2019) veröffentlicht.

H. Neckel (*) Unternehmensberatung Dr. Neckel, Bonn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_11

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Zusammenfassung

Länderübergreifende Bezüge und Aktivitäten machen den Unterschied eines „Internationalen Ideenmanagements“ zu einer Ansammlung verschiedener „nationaler Ideenmanagements“ aus. In diesem Sinne haben sich viele international aufgestellte Un­ ternehmen in den letzten Jahren damit auseinandergesetzt, auch das Thema Ideenmanagement in einem internationalen Zusammenhang aktiv zu gestalten. Für die dabei zu bewältigenden grundlegenden Herausforderungen ist es unerheblich, ob Unternehmen nur in wenigen Ländern vertreten sind, oder ob es sich um „Global Player“ handelt.

1  Grundlegende Aspekte und Rahmenbedingungen 1.1

E  inheitlicher Rahmen, internationale Regelungen

Ein „Internationales Ideenmanagement“ erfordert einen Rahmen, der für alle betroffenen Länder klärt, was unter einem Ideenmanagement zu verstehen ist. Neben der Schaffung einer gemeinsamen Verständigungsbasis hat der Rahmen auch die Funktion, den verschiedenen Standorten als Orientierung und Unterstützung bei der jeweils landesspezifischen Ausgestaltung zu dienen. Dabei sollte der Rahmen möglichst große Freiräume bieten, etwa zur Regelung von Rollen und Zuständigkeiten. Da Führungskulturen auch innerhalb desselben Unternehmens in verschiedenen Ländern oft sehr unterschiedlich sind, kann es sinnvoll sein, Vorschläge in einigen Ländern nach dem Vorgesetztenmodell, in anderen Ländern ausschließlich vom jeweiligen Standortleiter zu bearbeiten. Ein weiterer Regelungsbedarf auf Landesebene besteht in der Ausgestaltung von Werbe- und Anreizinstrumenten. Eine Honorierung kann je nach Landeskultur auch über andere Arten als Prämien erfolgen (z. B. Awards, Ehrungen, Parkplatz-Erlaubnis). Dabei könnte durchaus zentral vorgegeben werden, dass sich jeweils alle Standorte eines Landes auf ein einheitliches Prämiensystem einigen müssen. In der Praxis hat es sich bewährt, internationale Regelungen von der Zentrale eher als „Angebote“ und weniger als „Vorschriften“ vorzubringen. Inhalte grundsätzlich gemeinsam zu erarbeiten, schließt dabei nicht aus, dass einzelne Aspekte nicht doch von der Zentrale verbindlich vorgegeben werden. Das Schaubild (s. Abb. 1) zeigt den prinzipiellen Aufbau eines internationalen Ideenmanagements.

1.2  Rechtliche Rahmenbedingungen in anderen Ländern Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die in einem anderen Land zur Anwendung kommenden Regelungen mit den dort geltenden Gesetzen nicht im Widerspruch sein dürfen. Insofern werden die lokalen Partner in der Pflicht gesehen, Regelungen zum Ideenma-

Ideenmanagement im internationalen Kontext

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Internationales Ideenmanagement Rahmenvorgaben der Zentrale • Grundverständnis und Definition • Zielvorstellungen und Erfolgskriterien • Grundlegende Strukturen und Prozesse

• Prinzipien für die Honorierung von Ideen • Berichtswege und Reporting, Kennzahlen

Serviceleistungen der Zentrale • Angebot von Beratung und Betreuung (insbesondere bei der Implementierung) • Bereitstellung von Software, Social Media, Ideen-Apps • Bereitstellung von Muster-Vorlagen (z. B. für Prozeßbeschreibung, Information, Marketing, Schulung, Arbeitshilfen) • Länderübergreifende Meetings und Telcos für Vernetzung und Erfahrungsaustausch • Länderübergreifende Kampagnen, Wettbewerbe, Awards • Förderung der Übertragung und Mehrfachnutzung • Orientierung durch Benchmarking und Kennzahlenvergleiche Landes- und kulturspezifische Ausgestaltung vor Ort • Konkretisierung von Workflow, Rollen und Zuständigkeiten im Detail • Ausgestaltung von Werbe- und Anreizinstrumenten (inkl. Anpassung von Prämienwerten und -arten gemäß Kaufkraft und Kultur des Landes) • Lokale Aktionen, Kampagnen und Wettbewerbe

Abb. 1  Aufbau eines internationalen Ideenmanagements. (Quelle: eigene Darstellung)

nagement bei Bedarf so anzupassen, dass sie dem jeweiligen nationalen Rechtssystem genügen (insbesondere den Steuergesetzen im Hinblick auf Prämiensysteme). Auch bei der Handhabung im Einzelfall (z. B. bzgl. der Weitergabe von Informationen oder Zahlungen) sollte die „Hoheit“ hinsichtlich rechtlicher Fragen jeweils im Land des Einreichers belassen werden. Eine entsprechende Vertrautheit mit den jeweils relevanten Gesetzen wird vom lokalen Management erwartet.

1.3  Sprachen In den meisten Unternehmen wird das Ideenmanagement in den jeweiligen Landessprachen betrieben. Argumente hierfür sind: • Vermeidung von „Sprach-Hürden“ beim Einreichen, Erhöhung der Akzeptanz bei „normalen“ Mitarbeitern. • Die meisten Ideen sind lokal begrenzt. Sie können und sollen (auch aus Motivationsgründen) vor Ort im jeweiligen Land bearbeitet und entschieden werden. Bei Nutzung einer Software für das Ideenmanagement bedeutet dies, dass dort verwendete Bezeichnungen (z. B. für Schalt- und Anzeigenflächen) übersetzt werden müssen.

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Sofern eine einheitliche Konzernsprache vorgeschrieben ist, soll diese natürlich auch für Ideen genutzt werden. Vorteile, die sich daraus ergeben, sind: • Die Bearbeitung von länderübergreifenden Ideen und von Ideen, bei denen die zuständigen Experten in anderen Ländern sitzen, wird erleichtert. • Die Übertragung und Mehrfachnutzung von Ideen wird erleichtert.

1.4  Serviceleistungen der Zentralen Das Ideenmanagement soll zwar in den einzelnen Ländern möglichst eigenständig funktionieren. Dennoch ist es sinnvoll – und wird auch von Niederlassungen und Töchtern in gewissem Umfang erwartet – vonseiten der Zentrale Serviceleistungen anzubieten. Ein wichtiger Servicebestandteil besteht in der Betreuung der für das Ideenmanagement zuständigen Ansprechpartner in den ausländischen Standorten. Damit eng verbunden ist die Organisation und Förderung der Kommunikation und des Austauschs zwischen den Standorten und Ländern. Üblich sind zudem die Bereitstellung und Pflege von Infrastruktur (Software), sowie regelmäßige Kennzahlen-Erhebungen und -Auswertungen. Nicht zuletzt geht es auch um die Unterstützung für Marketing- und Schulungsmaßnahmen vor Ort. Die folgenden Beispiele sind als Anregungen gedacht, die an die spezifischen Anforderungen und Möglichkeiten des eigenen Unternehmens angepasst werden müssen. • Empfehlungen und Beratung für die Einführung und Pflege eines Ideenmanagements (Standardprozess mit Variationsmöglichkeiten). • Persönliche Betreuung vor Ort (soweit trotz Sparzwängen bei Reisetätigkeiten möglich). • Bereitstellung von Trainings- und Marketingmaterial. Bereitstellung von Webbausteinen und Prämierungsbausteinen. • Bereitstellung einer global nutzbaren Software-Plattform, ggf. mit folgenden Funktionen: Bedienung in jeweiliger Landessprache und -schrift; Integration eines Tools zur Nutzenermittlung (Datenabfrage zum gelösten Problem); Integration von Prämienshops; Anforderung von Übersetzungen; Länderspezifische Routinen zum Import von Personalstammdaten. • Bereitstellung von Kommunikationsmedien und -plattformen, z.  B. firmeninterne Social Media. • Bereitstellung von „Ideen-Apps“. • Regelmäßige Durchführung von globalen oder Regionalkonferenzen für Ideenmanager. • Regelmäßige Durchführungen von Telefon oder Videokonferenzen mit allen Ideenmanagern. • Organisation und Unterstützung für Marketingmaßnahmen (z. B. Wettbewerbe, Verleihung von Awards, Kampagnen).

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• Kennzahlenerhebungen und -auswertungen, z. B. quartalsweise Datenabfrage und Verteilung der Ergebnisse (inkl. Ranking) an die Werksleitungen und an den Vorstand. • Abfrage von dezentral formulierten Zielen und Visualisierung des Zielerreichungsgrads. • Befragungen zu Organisationsformen und Einschätzungen bzgl. Ideenmanagement. • Bereitstellung von Werkzeugen bzw. Durchführung von Projekten zur Unterstützung der Mehrfachnutzung von Vorschlägen. • Information über positive Ergebnisse von Sonderaktionen, die in einzelnen Ländern bzw. Standorten zur Stimulierung von Vorschlägen durchgeführt wurden (Best Practice Sharing). • Bereitstellung eines zentralen Budgets für länderübergreifend oder global umgesetzte Ideen.

1.5  Kennzahlen, Reporting, Benchmarking Reporting und Benchmarking im internationalen Kontext sollten anhand von Kennzahlen erfolgen, die folgenden Anforderungen genügen: • Sie müssen Aussagekraft über den Erfolg im Hinblick auf den in der grundsätzlichen Positionierung formulierten Zweck des Ideenmanagements geben. Nur so können sie auch im Sinne einer Steuerungsfunktion verwendet werden. • Sie müssen in allen Ländern mit wenig Aufwand ermittelt werden können. Im Interesse der Aufwandsminimierung sollten nur so viele Kennzahlen wie nötig und so wenig wie möglich zentral erhoben und verfolgt werden. In den meisten Unternehmen fließen in das internationale Reporting bzw. in internationale Rankings maximal 5 Kennzahlen ein. Falls eine Konfrontation mit einer schlechten Position im Ranking vermieden werden soll (z. B. in Kulturen, in denen Gesichtswahrung wichtig ist), können statt allen Positionen nur die Top 10 veröffentlicht werden. Bisherige Erfahrungen aus Unternehmen mit länderübergreifenden Kennzahlenvergleichen deuten darauf hin, dass die Länder weniger relevant für erreichte Kenngrößen sind als die jeweilige Branche oder die spezifische Unternehmenskultur in den einzelnen Sparten.

1.6  Länderübergreifende Mehrfachnutzung Sowohl für die Erkennung/Identifizierung von Übertragungspotenzial als auch für den Übertragungsprozess an sich gilt es, den Workflow möglichst einfach zu halten und zu große Komplexität zu vermeiden. Dies kann durch Anlehnung an bereits etablierte Verfahren für den Wissenstransfer oder für die Übertragung/Standardisierung von Best Practice erreicht werden.

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Für die Erkennung/Identifizierung von Übertragungspotenzial bieten sich folgende Möglichkeiten: • Technische Tools, wie etwa ein „Pattern Matching“ sowie Such- und Abo-Funktionen (z. B. analog RSS-Feed) in einer global implementierten Ideen-Software können die Suche nach Ideen mit Mehrfachnutzungspotenzial erheblich erleichtern. • Über einen entsprechenden Button in der Software (bzw. ankreuzbare Kästchen bei Papiereingabe) können Ideen mit Transferpotenzial markiert werden. Allerdings besteht das Risiko, dass Einreicher dazu neigen, ihre Idee grundsätzlich global für einsetzbar zu halten. Um dies zu vermeiden, könnte die Berechtigung zur Nutzung des Buttons auf Vorgesetzte oder Gutachter eingeschränkt oder an ein Vier-Augen-Prinzip gekoppelt werden. • Persönliches Engagement und die Benennung von Zuständigkeiten für die Stimulierung von Mehrfachnutzungen bleiben jedoch unerlässlich. Eine Möglichkeit besteht darin, die lokalen Ideenkoordinatoren dazu zu bewegen („sanfter Druck“), Vorschläge mit Transferpotenzial auszuwählen, ggf. in Englisch zu übersetzen, und an die Zentrale bzw. potenziell interessierte Länder zu versenden. Regelungen könnten zudem vorsehen, dass Vorschläge nach bestimmten Kriterien stets auf ihr Transferpotenzial überprüft werden (z. B. ab einer Mindest-Einsparung oder nach inhaltlichen Kategorien wie etwa Sicherheit). Bei der Durchführung der Übertragung an sich hat sich gezeigt, dass die Nutzung vorhandener personeller (auch informeller) Netzwerke für eine funktionierende Übertragung meist wichtiger als eine detaillierte Regelung des Workflows ist. In Frage kommen aber auch die Abwicklung über eine zentrale Stelle (als Drehscheibe) oder der Transfer über einen SharePoint-Server. Letzterer existiert häufig auch unabhängig von einem Ideenmanagement-­System.

2  Prämierung im internationalen Kontext Der Anspruch, eine weltweit gerechte, attraktive und für jeden denkbaren Fall geeignete Prämienregelung zu finden, führt schnell zu einem nicht mehr beherrschbaren Übermaß an Komplexität und Regelungsdichte. Daher gilt es, nicht über das Ziel hinauszuschießen. Eine Vielfalt lokaler Regelungen ist der einen globalen Lösung vorzuziehen. Aus Sicht deutscher Zentralen sind bei Überlegungen zu länderübergreifenden Prämienregelungen zunächst folgende Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: • Die ausländischen Standorte sind meist rechtlich eigenständige Einheiten. Ob sie sich einer Prämienregelung anschließen, ist eine Frage der lokalen Einstellung und der Überzeugungsarbeit von Seiten der Zentrale.

Ideenmanagement im internationalen Kontext

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• Zum Abschluss von Regelungen analog den hiesigen Betriebsvereinbarungen fehlen an ausländischen Standorten oft die Ansprechpartner, da es in vielen Ländern keine Betriebsräte gibt. Dennoch spielen Gewerkschaften in einigen Ländern eine erhebliche Rolle, die es zu berücksichtigen gilt. Insgesamt lassen sich Fragestellungen zum Thema „Prämierung“ folgenden zwei Blöcken zuordnen: • Prämierung innerhalb der jeweiligen Länder, • Prämierung mit „Grenzverkehr“ (Idee und/oder Prämie überschreitet Grenze).

2.1  Prämierung innerhalb der jeweiligen Länder Für Zentralen stellt sich die Frage, welche Empfehlungen sie einzelnen Ländern für die Gestaltung des lokalen Prämiensystems geben sollen. Ein „Export“ der in Deutschland praktizierten Systeme zur Abgrenzung von der Arbeitsaufgabe ist meist nicht sinnvoll, da das Verständnis der Arbeitsaufgabe stark kulturabhängig ist. Generell gilt daher, dass der Spielraum für länderspezifische Variationen möglichst groß sein soll, um kulturbedingte Unterschiede im Ausdruck von Wertschätzung und Anerkennung berücksichtigen zu können. Beispiele für alternative Wertschätzungsmodelle sind etwa der Brief des CEO an Erst-Einreicher oder privilegierte Parkplätze für Einreicher. Eine weitere Frage betrifft die Bemessung der absoluten Höhe von Prämienzahlungen (Prozentwert bei rechenbaren Einsparungen). Diese sollte sich am Lohnniveau oder am Lebenshaltungsindex des jeweiligen Landes orientieren. Da bei geringerem Lohnniveau auch die Einsparwerte häufig geringer ausfallen (als in Deutschland), könnte der gleiche Prozentsatz wie in Deutschland empfohlen werden. Falls aber die absolute Höhe der Einsparung ebenso hoch ist wie in Deutschland, könnte ein gleicher Prozentsatz in einem anderen Land zu einer Prämie führen, die in keinem angemessenen Verhältnis zum dortigen Lohnniveau steht. Auswege zur Berücksichtigung von Kaufkraftunterschieden sind weiter unten ausgeführt.

2.2  Prämierung mit „Grenzverkehr“ Bereits innerhalb Deutschlands ist die Prämierung bei Mehrfach- oder Nachnutzung von Vorschlägen nicht einfach. Bei einer Internationalisierung können zusätzlich folgende Fragen entstehen: • Mitarbeiter kommen von einer Reise zurück und möchten an ihrem Heimatstandort eine Idee für das bereiste Land einreichen: Wo und wie reichen sie ein, nach welcher Prämienregelung wird prämiert, wer zahlt die Prämie?

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• Ideen entstehen in einem Land – die damit verbesserten Werkzeuge, Anlagen oder Produkte werden aber vor Ablauf des Erstjahres in ein anderes Land verlagert: Wer zahlt die Prämie für den Restzeitraum nach der Verlagerung? • Mitarbeiter aus einem Land ohne eigenes (lokales) Ideenmanagement reichen eine Idee im globalen Ideenmanagement ein: Sind sie prämienberechtigt, wer zahlt ggf. die Prämie? • Ideen, die in einem Land eingereicht wurden, werden auch in anderen Ländern genutzt. Wie (nach der Regelung welchen Landes) wird der Nutzen, der in den anderen Ländern entsteht prämiert, wer zahlt die Prämie? Eine Regelung nach dem Motto „Wer den Nutzen hat, zahlt die Prämie jeweils nach seiner eigenen Regelung“ erscheint zunächst naheliegend. Sie ist jedoch selten durchgängig zu realisieren, unter anderem aufgrund der rechtlichen Eigenständigkeit ausländischer Standorte und der kulturellen Unterschiede in den grundsätzlichen Einstellungen zu Prämien. Dennoch ist ein Einverständnis über prinzipielle Fragen wünschenswert, um nicht bei jedem Einzelfall erneut Grundsatzdiskussionen führen zu müssen. Im Hinblick auf die Prämierung bei Mehrfach- bzw. Nachnutzung in anderen Ländern sind etwa folgende Möglichkeiten denkbar: • Keine Prämierung des Nutzens in anderen Ländern (Idee überschreitet Grenze, Prämienfluss endet an der Grenze). • Das Land mit der Nachnutzung zahlt eine gemäß international verbindlichen Regeln am Nutzen orientierte Prämie. • Das Land mit der Nachnutzung zahlt eine Prämie (besser: „honoriert“) nach eigenem Ermessen bzw. nach seinen eigenen Regelungen. • Für Ideen mit einer Nachnutzung in einem anderen Land wird eine Pauschalprämie gezahlt (wahlweise aus dem Land mit der Nachnutzung oder aus einem zentralen Budget). • Prämien für den Nutzen der Nachnutzung zahlt zunächst der Standort des Einreichers. Jährlich werden diese Prämien aus einem zentralen Budget erstattet. • Prämierung aus einem zentralen Budget  – wahlweise für alle grenzüberschreitenden Vorschläge oder nur für pragmatische Lösungen bei etwaigen dennoch auftretenden Konflikten in Einzelfällen. • Prämierung wird stets im Einzelfall geregelt. Der Aufwand für einen Geldtransfer von einem Land zum anderen sollte allerdings in einem angemessenen Verhältnis zur Prämienhöhe stehen. Auf internationaler Ebene wäre daher zu regeln, dass kleinere Beträge vom Standort des Einreichers aufgebracht werden, auch wenn der Nutzen in einem anderen Standort bzw. Land anfällt. Die Entscheidung muss jedes Unternehmen gemäß seiner spezifischen Politik und Kultur fällen – ein allgemeingültiges Ideal lässt sich nicht aufstellen. In den meisten Unternehmen werden Vorschläge allerdings nur im Ursprungsland prämiert (nach dem dort be-

Ideenmanagement im internationalen Kontext

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wirkten Nutzen, zu den dort geltenden Regelungen). Bei einer Nachnutzung in anderen Ländern erfolgt in der Regel keine zusätzliche Prämierung. Fazit: Ideen überschreiten Grenzen (von Ländern bzw. von rechtlich selbstständigen Einheiten innerhalb der Konzernstruktur; für Nach-/Mehrfachnutzungen); Geld-/Prämienflüsse bleiben innerhalb der Grenzen. Dies entspricht zudem der weit verbreiteten Auffassung des Prämienanspruchs: Da eine Nachnutzung meist nicht durch den Einreicher vorgeschlagen wird, sondern auf vom Unternehmen erbrachten Aufwand (für die Prüfung auf Nachnutzungspotenziale) zurückgeht, kann vom Einreicher auch kein Anspruch auf Prämie erhoben werden.

2.3  Berücksichtigung von Kaufkraftunterschieden Die meisten Prämiensysteme berücksichtigen die Unterschiede in der Kaufkraft bzw. im Lohnniveau in verschiedenen Ländern. Falls Vorschläge gemeinsam von Beschäftigten aus unterschiedlichen Ländern (und damit unterschiedlichen Kaufkraftzonen) einreicht werden, würde die Anwendung der jeweils im Herkunftsland der Einreicher gültigen Prämienregel dazu führen, dass für die gleiche Idee unterschiedliche Geldbeträge gezahlt werden. • Ein vollständig transparentes System und eine unsensible Berichterstattung mit Darstellungen von Prämien in internationalen Vorschlägen könnten Begehrlichkeiten wecken, zu Neid führen und die Akzeptanz mindern. • Während sich das Gehaltsniveau von Managern auf höheren Hierarchieebenen weltweit angeglichen hat, bestehen bei den Mitarbeitern verschiedener Länder erhebliche Unterschiede. Wenn man akzeptiert, dass in unterschiedlichen Ländern für die gleiche Arbeit unterschiedliche Löhne gezahlt werden (etwa, weil dies durch Kaufkraftunterschiede z. T. kompensiert wird), dann kann man auch akzeptieren, dass der „Lohn“ (die Prämie) für die gleiche Idee entsprechend unterschiedlich ausfällt (oder auch: „Das Ideenmanagement kann nicht gerechter sein als der Rest der Welt“). • Eine Prämierung nach der Regel des Landes, in dem der Vorschlag wirksam wird, liefert keine Lösung, da dann beteiligte Einreicher aus einem Niedriglohnland eine für dortige Verhältnisse gigantische Prämie erhalten könnten. Zudem würde dieser Ansatz auch nicht mehr greifen, sobald die Idee in mehreren Ländern zur Anwendung käme. Als Ansatzpunkt empfiehlt sich, Prämien grundsätzlich in Punkten oder einer globalen „Hilfswährung“ („Tool-$“) auszudrücken, die jeweils der Kaufkraft entsprechend in lokale Währungen umgerechnet werden. • Eine Variante hiervon sind (ggf. landesspezifische) Prämienshops auf Punktebasis. • Als Orientierung bietet sich der Preis eines guten Essens für zwei Personen (Essen in einem erstklassigen Hotel) an. In vielen Ländern kostet dies etwa 100 Einheiten der

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lokalen Währung. Ein pragmatischer Ansatzpunkt ist häufig auch der sog. „Big-Mac-­ Index“. • Zu klären bleibt, wie auf ein Punktsystem bzw. auf eine internationale „Hilfswährung“ umgestellt werden kann, wenn bereits ein lokales, transparentes und auf der Heimatwährung basierendes System vorhanden ist.

3  Kommunikation und Kooperation im internationalen Kontext Nach den „ersten Schritten“ in einem Land gilt es, die Kontakte zu halten und zu einer internationalen „Ideenmanagement Community“ auszubauen. Wie bereits erwähnt, ist es ein wichtiger Bestandteil der Serviceleistungen der Zentralen, diese Aktivitäten zu gestalten.

3.1  Persönliche Treffen und Workshops Veranstaltungen, zu denen Ideenmanager aus verschiedenen Ländern und Standorten zusammenkommen, werden als sehr wirksam für Motivation und Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses (bzgl. Ideenmanagement) bewertet. Wichtig ist auch das Rahmenprogramm zur Förderung des persönlichen Kennenlernens. • Sich persönlich zu kennen, erleichtert die spätere Kommunikation und Zusammenarbeit per Telefon, E-Mail, usw. Allerdings besteht in einigen Ländern und Regionen das Risiko, dass Ansprechpartner aufgrund der dort hohen Fluktuation schnell wechseln. • Der Aufwand für Vorbereitung und Durchführung ist allerdings meist hoch. Für Planung und Organisation wird ein Vorlauf von bis zu einem Jahr benötigt. Zur Rechtfertigung des Aufwands werden entweder starke „Bündnispartner“ benötigt (z. B. mitwirkender/interessierter Vorstand, Verantwortliche für Arbeitssicherheit/Umweltschutz als interessierte Partei), oder die Aussicht auf sinnvolle Ergebnisse. Beispiele für mögliche Ergebnisse sind die Erarbeitung von Konzepten und Vorgaben (z. B. für Vorgehensweisen, Apps, Scorecards), oder die Harmonisierungen von Prozessen durch Austausch von Best Practice.

3.2  Telefon- und Video-Konferenzen In vielen Unternehmen sind regelmäßige Telefon- und Video-Konferenzen der Ideenmanager üblich. • Videokonferenzen haben gegenüber dem Telefon den Vorteil, dass man eher erkennen kann, ob Gesprächspartner verstanden haben, worum es geht.

Ideenmanagement im internationalen Kontext

121

• Sofern Telekonferenzen über WebEx oder als Live Meetings über Outlook durchgeführt werden, kann das Einblenden der Bilder der Gesprächspartner (zumindest des Moderators) den zwischenmenschlichen Kontakt fördern. • In jedem Fall profitieren Telefon- und Video-Konferenzen davon, wenn sich die Teilnehmer vorher bereits persönlich kennengelernt haben (s. o.). • Für die Vorbereitung von Telekonferenzen empfiehlt sich, Beiträge von Teilnehmer bereits vorab abzustimmen bzw. anzufordern. Damit vermeidet man, dass während der Durchführung von den anderen Teilnehmern zu wenig gesagt wird (und der Moderator Gefahr läuft, Monologe zu halten). • Häufig ist es hilfreich, auch längere Schweigephasen aushalten zu können. Pausen ergeben sich durch den Bedarf vieler Teilnehmer, das Gesagte für sich erst gedanklich bzw. sprachlich übersetzen zu müssen (v. a. im Fall von Nicht-Muttersprachlern). • Telcos werden mit bis zu 10 bis 20 Teilnehmern durchgeführt. Der Rhythmus ist meist monatlich. Die Dauer sollte auf 1 Stunde begrenzt werden (da anstrengend).

3.3  Foren, Instant-Messages, Social Media Neben den synchronen Kommunikationswegen findet ein großer Teil der Kommunikation und des Austauschs mit Ansprechpartnern in anderen Ländern auch über die Foren im Intranet des Konzerns oder über Instant-Messages u. ä. statt.

4  Ländertypische Unterscheidungen Auch auf die Gefahr einer schematischen Typisierung („Schubladendenken“) hin, ist es dennoch hilfreich, kulturspezifische Besonderheiten im Hinblick auf gewisse Gesichtspunkte einzuschätzen (frei nach Hofstede (2011) um daraus Orientierung für die Ausgestaltung des Ideenmanagements zu gewinnen – insbesondere im Hinblick auf Anreizsysteme und Marketingmaßnahmen: • Bedeutung und Akzeptanz von Hierarchien, Status, Machtunterschieden – im Vergleich zu Kollegialität, Partizipation, Kooperation. • Bedeutung von Individualität – im Vergleich zu sozialem Miteinander und zur Bedeutung eines Kollektivs (z. B. Familie, Gruppe, Belegschaft). • Bereitschaft zu Risiken – im Vergleich zur Unsicherheitsvermeidung. • Bedeutung von Leistung und materiellen Werten  – im Vergleich zu ideellen Werten (inkl. Lebensqualität und Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen). • Bereitschaft zu Konflikten und Konkurrenz – im Vergleich zu Harmoniestreben und der Bedeutung von Gesichtswahrung. • Bedeutung von langfristigen Orientierungen und Traditionen – im Vergleich zur Bedeutung kurzfristiger Erfolge und gegenwartsbezogener Konsumneigung.

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Neben kulturellen Aspekten gilt es, auch die wirtschaftlichen Lebensbedingungen im jeweiligen Land zu beachten, und Anreizsysteme sowie Marketingmaßnahmen am individuellen Wohlstands- bzw. Einkommensniveau auszurichten. In manchen international aufgestellten Unternehmen ist die spezifische Unternehmenskultur ein stärkerer Wirkfaktor als die in den einzelnen Ländern vorhandenen Landeskulturen. Das Wertesystem und die Leitlinien des Unternehmens haben dann die der lokalen Kultur („eigentlich“) entsprechenden Handlungsmaximen überformt oder ersetzt. Danksagung  Die Inhalte dieses Beitrags sind Ergebnis des Expertenkreises „Internationales Ideenmanagement“. Mein herzlicher Dank dafür gilt den mitwirkenden Ideenmanagerinnen und Ideenmanagern aus den Unternehmen (Continental AG, Deutsche Post DHL, Deutsche Telekom AG, GEA Group AG, Infineon Technologies AG, K+S Aktiengesellschaft, KIRCHHOFF Automotive GmbH, SAP AG, Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Siemens AG, SOLVAY GmbH, TAKATA AG, ThyssenKrupp Materials International GmbH, Viessmann Werke GmbH & Co. KG, Wacker Chemie AG). Der Expertenkreis wird (mittlerweile mit dem Namen „Globales Ideenmanagement“) von der Unternehmensberatung Dr. Neckel, Bonn, durchgeführt.

Literatur Hofstede und Hofstede, Lokales Denken, globales Handeln: Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management, 5. Aufl., Dt. Taschenbuch-Verlag, München (2011) Leppler, D.  A., Gestaltung internationaler Ideenmanagement-Systeme, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken (2010) Neckel, H., Modelle des Ideenmanagements, Klett-Cotta, Stuttgart (2004) Neckel, H. (Hrsg.): Internationales Ideenmanagement, [online] http://www.hartmut-neckel.de/ images/Leitfaden_Internationales-Ideenmanagement.pdf [14.12.2018] (2014)

Dr. Hartmut Neckel  Jahrgang 1959, ist Gründer und Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Neckel in Bonn. Er ist Experte für Organisations- und Personalentwicklung und gilt als einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse.

Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern Patricia Stock

Inhaltsverzeichnis 1  I deenmanagement als Baustein des Produktivitätsmanagements  1.1  Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als Erfolgsfaktor in der sich wandelnden Arbeitswelt  1.2  Notwendigkeit eines Humanorientierten Produktivitätsmanagements  1.3  Ideenmanagement als Element eines Humanorientierten Produktivitätsmanagements  2  Integration des Ideenmanagements in den Prozess der Arbeitssystemgestaltung  3  Fazit  Literatur 

 124  124  125  126  128  132  133

Zusammenfassung

In der sich wandelnden Arbeitswelt werden die Einbeziehung der Mitarbeiter und die Berücksichtigung von deren Wünschen und Bedürfnissen zu einem immer wichtigeren Erfolgsfaktor für die Unternehmen. Darüber hinaus hat sich durch den Wertewandel auch die Einstellung der Mitarbeiter zur Arbeit verändert, sodass diese nun zunehmend eine herausfordernde und gleichzeitig mit dem Privatleben gut zu vereinbarende Tätigkeit wünschen. Durch ein Humanorientiertes Produktivitätsmanagement kann dies realisiert werden. Das Ideenmanagement ist ein wichtiger Bestandteil eines Humanorientierten Produktivitätsmanagements, da hierdurch einerseits persönlichkeitsförderliche Arbeit umgesetzt und andererseits Produktivitätspotenziale der Unternehmen erkannt und ausgeschöpft werden können. Um das Ideenmanagement ganzheitlich und nachhaltig im Unternehmen zu verankern, sollte dies bereits in den Prozess der Gestaltung P. Stock (*) REFA-Institut e.V., Dortmund, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_12

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von Arbeitssystemen integriert werden und nicht erst nachträglich aufgesetzt werden. Die REFA-Planungssystematik unterstützt dies.

1  Ideenmanagement als Baustein des Produktivitätsmanagements 1.1  F  lexibilität und Anpassungsfähigkeit als Erfolgsfaktor in der sich wandelnden Arbeitswelt Die Arbeits- und Betriebswelt erfährt aktuell einen grundlegenden Wandel, der durch verschiedene Megatrends initiiert wurde. Demografischer Wandel, Digitalisierung und Globalisierung sind die Hauptfaktoren, mit denen die Betriebe umgehen müssen (zur Vertiefung z. B. Rump und Walter 2013; REFA-Institut 2016). Wandlungsfähigkeit1 ist eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Bewältigung des aktuellen Wandels, da insbesondere der erfolgreiche Umgang mit volatilen und globalisierten Märkten diese erfordert. Auf größere Änderungen der tatsächlichen oder erwarteten Nachfrage zu einem Produkt oder einer Dienstleistung müssen Unternehmen wandlungsfähig reagieren können, zum Beispiel durch Modifikation ihres Produktportfolios, Anpassung der Produktionskapazitäten sowie die Erschließung und Entwicklung neuer Märkte. Beispiele aus der Vergangenheit belegen, dass ehemals erfolgreiche Unternehmen aufgrund mangelnder Wandlungsfähigkeit oder Wandlungsresistenz heute nicht mehr bestehen (REFA-Institut 2016). Als ein Beispiel sei hier die Olympia Werke AG genannt, die Ende der 1960er-Jahre mit mehr als 20.000 Beschäftigten in Wilhelmshaven Büromaschinen produzierte und den Schritt zur Digitalisierung Büroindustrie verpasste (zur Vertiefung Rossa 2014; zitiert bei REFA-Institut 2016). Neben Wandlungsfähigkeit benötigen Unternehmen aber auch Flexibilität, also die Fähigkeit, Organisation, Prozesse und Mitarbeiter mithilfe vordefinierter Lösungen rasch und konfliktfrei an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen. Flexibilität umfasst verschiedene Dimensionen, die ganzheitlich verstanden und etabliert werden müssen und teilweise voneinander abhängig sind. Unternehmen müssen flexibel sein hinsichtlich (REFA-­Institut 2016) • der Produkte und Dienstleistungen, die sie anbieten (Produktflexibilität), • Schwankungen der vom Kunden nachgefragten Mengen (Mengenflexibilität), • der Produktionsverfahren und -mittel, die sie einsetzen (Produktions- oder Betriebsmittelflexibilität),

 Wandlungsfähigkeit besteht in dem Vermögen, auch über vorgehaltene Korridore hinaus Veränderungen in Organisation oder Technologie umsetzen zu können, ohne bestimmte, durch die Konzeption des Produktionssystems bereits fest vorgegebene Machbarkeitsgrenzen beachten zu müssen (Nyhuis 2009). 1

Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern

125

• der Einsatzfähigkeit ihrer Mitarbeiter (Einsatzflexibilität) und • der Bedürfnisse der Mitarbeiter. Wandlungsfähigkeit und Flexibilität werden maßgeblich sowohl durch die Arbeits- und Prozessorganisation als auch durch die Beschäftigten selbst bestimmt. Vielfach erkennen die Beschäftigten die Notwendigkeit für Veränderungen als Erste und haben häufig eine Vielzahl an Ideen, wie die Veränderungen und Probleme erfolgreich angegangen werden können. Daher ist das Ideenmanagement ein wichtiges Element für die Gewährleistung von Wandlungsfähigkeit und Flexibilität und damit letztendlich auch für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Schließlich haben sich auch die Beschäftigten selbst in den letzten Jahren verändert und sind immer weniger bereit, sich äußeren Bedingungen von Unternehmen anzupassen, die nicht ihren Vorstellungen, Wünschen und Bedürfnissen entsprechen (z. B. Zukunftsinstitut 2011). Vor diesem Hintergrund ist es geboten, die Beschäftigten und ihre Ideen nicht nur zu hören, sondern auch die Möglichkeit zu schaffen, diese aktiv ins Unternehmen einzubringen. Damit kann die Mitarbeiterbindung an das Unternehmen gestärkt und die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber gesteigert werden. Als Fazit lässt sich somit festhalten, dass Unternehmen in der sich wandelnden Arbeitswelt nicht nur die Wirtschaftlichkeit in den Fokus stellen können, sondern auch humanorientiert agieren müssen. Insbesondere sollte den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben werden, ihre Ideen in die betrieblichen Abläufe einzubringen. Die Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen wird damit zu einem wichtigen Erfolgskriterium, das sich positiv auf die Produktivität auswirken kann. Hierfür bedarf es allerdings eines Humanorientierten Produktivitätsmanagements, welches das Ideenmanagement als eines seiner Elemente im Unternehmen fest verankert.

1.2

N  otwendigkeit eines Humanorientierten Produktivitätsmanagements

Das Produktivitätsmanagement verfolgt das Ziel, die Produktivität eines Unternehmens zu steigern. Unter Produktivität wird im Allgemeinen das Verhältnis von Output zu Input verstanden (Gabler Wirtschaftslexikon 2019). Hierbei lassen sich verschiedene Einflussfaktoren identifizieren, die auf den Output (Umsatz oder Wertschöpfung), den Input (Arbeitskräfte, Betriebsmittel, Werkstoffe) und den Throughput (dispositive Faktoren; z. B. Prozessorganisation, Qualitätsfähigkeit) wirken (nach Nebl und Dikow 2004; REFA-­ Institut 2016). Diese Einflussfaktoren können als Hebel zur Produktivitätssteigerung genutzt werden, wobei es stets Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Einflussfaktoren gibt. Daher ist es nicht möglich, alle Produktivitätsfaktoren gleichzeitig zu verbessern. Das Produktivitätsmanagement konzentriert sich i.  d.  R. auf diejenigen ­Einflussfaktoren, welche die Verfolgung der betrieblichen Ziele am besten unterstützen können. Grundsätzlich ist ein methodisches und systematisches Vorgehen zu empfehlen,

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das Maßnahmen zur Planung, Steuerung, Umsetzung und Kontrolle beinhaltet (nach Dorner 2014). Mittels REFA-Methoden können hier insbesondere die Inputfaktoren Arbeitskräfte (Leistungsfähigkeit und deren Erhalt, Ausnutzung des Kapazitätsangebots und Arbeitsorganisation), Betriebsmittel (Kapazitätsangebot und dessen Ausnutzung) sowie Werkstoffe (Materialfluss und Durchlaufzeit) beeinflusst werden (zur Vertiefung siehe REFA-Institut 2016). Die Arbeitsproduktivität wird als einer der zentralen Indikatoren zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens angesehen (Dorner 2014). Bei der Gestaltung der Arbeitsproduktivität spielt neben der Wirtschaftlichkeit auch die Humanorientierung eine wesentliche Rolle. Dies ist grundsätzlich keine neue Erkenntnis: Bereits in den 1970er-­ Jahren wurden in Deutschland in einem staatlich geförderten Forschungsprogramm zur „Humanisierung des Arbeitslebens“ Arbeitsbedingungen verbessert (zur Vertiefung Nullmeier 2011). Bei der Humanorientierung wird die Arbeit entsprechend der physischen, psychischen und sozialen Anforderungen des Menschen gestaltet. Nach Hacker (1986) existieren dabei vier hierarchisch strukturierte Beurteilungsebenen für die Arbeitsgestaltung, nämlich Ausführbarkeit, Erträglichkeit, Beeinträchtigungsfreiheit und Persönlichkeitsförderlichkeit. Die humanorientierte Arbeitsgestaltung hat sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf das Leistungsangebot des Menschen. Gerade das Leistungsangebot und das damit eng verknüpfte eigenverantwortliche Handeln der Mitarbeiter können sehr weitreichend und intensiv auf die Einflussfaktoren der Produktivität wirken und diese direkt oder indirekt beeinflussen (REFA-Institut 2016). Alle Produktivitätsfaktoren sind prinzipiell von leistungsbereiten und eigenverantwortlich handelnden Mitarbeitern beeinflussbar. Wie stark der jeweilige Einfluss ist, hängt von den unternehmensspezifischen Bedingungen ab. Für den langfristigen Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in der digitalisierten Arbeits- und Betriebswelt ist es entscheidend, Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortlichkeit, Kompetenz und Kreativität der Mitarbeiter zu fördern und zu sichern. Nur so können bei weltweiter Verfügbarkeit gleicher technologischer Ausstattung in Deutschland Produktivitäts- und Innovationsvorteile dauerhaft erhalten und ausgebaut werden (REFA-Institut 2016).

1.3

I deenmanagement als Element eines Humanorientierten Produktivitätsmanagements

Ideenmanagement umfasst die Generierung, Sammlung, Auswahl und Umsetzung von Ideen zur Verbesserung und Neuerung von Prozessen und Produkten. Nach neuerem Verständnis gehören zum Ideenmanagement das „Betriebliche Vorschlagswesen“ (BVW) und der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) (REFA-Institut 2016): • Das Betriebliche Vorschlagswesen ermöglicht jedem Mitarbeiter, Vorschläge zur Verbesserung von Prozessen und Produkten einzureichen, über die nach einem definierten

Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern

127

Vorgehen entschieden wird. Die eingereichten Vorschläge werden nicht systematisch entwickelt, sondern entstehen spontan, zum Teil auch außerhalb des Betriebs. Häufig wirkt sich ein gelebtes Betriebliches Vorschlagswesen positiv auf den Unternehmenserfolg aus, auch wenn dies nur schwer über Kennzahlen erhoben werden kann (zur Vertiefung REFA-Institut 2016). Zudem werden die Mitarbeiter motiviert mitzudenken und kreativ zu werden – nicht nur durch Prämien (IW 2011). Dennoch ist das Betriebliche Vorschlagswesen in mittelständischen Unternehmen noch nicht so weit verbreitet und eingesetzt (REFA-Institut 2016). Gemäß §  87 1 (12) Betriebsverfassungsgesetz sind die „Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen“ mitbestimmungspflichtig. • Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist die ständige Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen sowie der zugehörigen Entwicklungs- und Herstellungsprozesse durch die Mitarbeiter. Dies kann zu festgelegten Themen beispielsweise in strukturierten Workshops, nach der PDCA-Methode2 oder in freier Form erfolgen. Die schnelle Umsetzung durch die Mitarbeiter selbst ist wichtiger Teil des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und wirkt auf viele Akteure motivierend. (REFA-Institut 2016) In der DIN EN ISO 9001:2015 ist die kontinuierliche Verbesserung3 einer von acht Grundsätzen für das Qualitätsmanagement. Dort heißt es: „Die Organisation muss Chancen zur Verbesserung bestimmen und auswählen und jegliche notwendigen Maßnahmen einleiten, um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.“ (DIN EN ISO 9001:2015)

Damit müssen sich alle Unternehmen, die eine Zertifizierung nach der DIN EN ISO 9001 anstreben, mit dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess und dessen Umsetzung im Unternehmen auseinandersetzen. In der Frühjahrsauswertung 2018 des ifaa-Trendbarometers nahm der kontinuierliche Verbesserungsprozess den dritten Platz (hinter Prozessorganisation und Fachkräftesicherung) der relevanten Themen für Unternehmen ein (ifaa 2019). Der Einsatz des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses im Unternehmen ist abhängig von Betriebsgröße, Fertigungsart und Erzeugniskomplexität (Schat 2017a). Diese beiden Elemente des Ideenmanagements können bei Bedarf um weitere Methoden wie z.  B.  Innovationsmanagement, Qualitäts- oder Gesundheitszirkel ergänzt werden (Schat 2017b). Dabei lässt sich tendenziell der Trend feststellen, dass große Ideen (sog. „Sprung-Innovationen) meist aus dem Innovationsmanagement entstehen, während das Ideenmanagement meist viele kleine Ideen generiert (Schat 2017b). Durch ein gelebtes

2  PDCA steht hierbei für „Plan – Do – Check – Act“ bzw. im Deutschen „Planen – Durchführen – Ergebniskontrolle – Agieren/Bewerten“ (zur Vertiefung z. B. VDI-Richtlinie 2870, Blatt 2, 2013). 3  Der Begriff „continual improvement“ wurde in der DIN EN ISO 9001:2015 mit „fortlaufende Verbesserung“ übersetzt.

128

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Ideenmanagement wird somit die Prozessqualität kontinuierlich verbessert (Schat 2017b), was sich in der Regel positiv auf die Produktivität auswirkt. Im Rahmen des Humanorientierten Produktivitätsmanagement kann das Ideenmanagement eine Schlüsselfunktion einnehmen: Die oberste Gestaltungsebene der humanorientierten Arbeitsgestaltung ist die Persönlichkeitsförderlichkeit im Modell nach Hacker (1986). Arbeit ist dann persönlichkeitsfördernd, wenn die Mitarbeiter Einfluss auf alle Phasen ihres Handelns haben oder diese selbst gestalten (zur Vertiefung REFA-Institut 2016). Damit sind die Mitarbeiter insbesondere auch in die Gestaltung und Verbesserung von Arbeitsaufgaben, Arbeitsabläufen und Arbeitssystemen einzubeziehen – hier setzt das Ideenmanagement an. Durch ein gelebtes Ideenmanagement kann damit eine persönlichkeitsförderliche Arbeit realisiert werden, was sich wiederum positiv auf die Arbeitskräfteproduktivität auswirkt.

2  I ntegration des Ideenmanagements in den Prozess der Arbeitssystemgestaltung Es lassen sich grundsätzlich verschiedene Modelle für die erfolgreiche Organisation des Ideenmanagements im Unternehmen finden. Schat (2017b) beschreibt als wesentliche Modelle hierfür das zentrale Ideenmanagement, das dezentrale Ideenmanagement, das Vorgesetztenmodell, communitybasierte Modelle, Teammodelle sowie die Integration in andere Prozesse. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen in Deutschland zur Mitbestimmung wurde das Ideenmanagement häufig als eigenständige Organisationseinheit eingerichtet. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass das Ideenmanagement isoliert umgesetzt und nicht wirklich gelebt wird. Dies kann durch die Integration des Ideenmanagements in andere Prozesse vermieden werden (zur Vertiefung Schat 2017b). Hierbei ist es sinnvoll, einerseits die spätere Umsetzung des Ideenmanagements bereits bei der Gestaltung eines Arbeitssystems bzw. Arbeitsprozesses zu planen und andererseits auch in den Gestaltungsprozess selbst das Ideenmanagement mit einfließen zu lassen. Dies ist z. B. mit der REFA-Planungssystematik möglich. Die REFA-Planungssystematik (vgl. Abb. 1; zur Vertiefung REFA 2018), die auch als 6-Stufen-Methode bekannt ist, beschreibt in systematischer Weise das zweckmäßige Vorgehen bei der Gestaltung von Arbeitssystemen. Hierbei wird eine ganzheitliche Systembetrachtung unter Einbeziehung von Mensch, Technik, Organisation und Information durchgeführt. Dabei werden die folgenden sechs Planungsstufen durchlaufen: • Stufe 1: Ausgangssituation klären Es wird eine Situationsanalyse des IST-Zustandes durchgeführt, welche die Stärken und Schwächen des zu untersuchenden Bereichs aufzeigt. Zur Durchführung einer ­Situationsanalyse steht eine Vielzahl geeigneter Hilfsmittel zur Verfügung, z. B. Checklisten, Erhebungsbögen, Selbstaufschreibungen und Befragungen.

Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern

1

Gegenstand der Analyse bestimmen Ist-Zustand grob analysieren Ist-Zustand bewerten und kritisch beurteilen …

Input

Ausgangssituation klären

ß ß ß ß

2

4

Vorzugslösung detaillieren

5

Vorzugslösung realisieren

6

Arbeitssituation konsolidieren

Input ß ß ß ß

ß ß ß ß

ß ß ß ß

Konkrete Ziele und Anforderungen, einzusetzende Methoden, Zeitplan und Verantwortliche…

Arbeitssystem, Abläufe und Aufgaben auslegen Qualifikationsanforderungen bestimmen Kapazitätsbedarf ermitteln … Lösungsentwürfe für Arbeitsmethoden, Ausführungsbedingungen, Funktionalität…

Aufgaben und Abläufe festlegen Betriebsmittel und Personal planen Lösung bewerten und Kennzahlen ermitteln …

Input

Groblösung entwerfen

ß ß ß ß

Realisierbare Lösung inkl. Layout, Beschaffungsbedarf, Kosten, Dokumenten…

Alle Beteiligten informieren Qualifizierungsmaßnahmen durchführen Lösung umsetzen, ggf. verbessern und abnehmen …

Input

3

Überblick über Ist-Zustand, mögliche Ziele und Datenlage …

Anforderungen an die Gestaltungslösung bestimmen Verbesserungspotenziale gegenüber Ist-Zustand klären Voraussetzungen möglicher Lösungen abschätzen …

Input

Ziele festlegen

ß ß ß ß

129

Freigegebene und einsatzbereite Lösung samt aller relevanten Dokumente

Ergebnisse dokumentieren, ggf. KVP-Maßnahmen ableiten Erfolgskontrolle durchführen Ergebnisqualität sichern (z. B. Lessons Learned) …

Abb. 1  Der REFA-Standard „Planungssystematik. (Quelle: REFA 2018)

Bereits in dieser ersten Planungsstufe sollten die vorliegenden Erkenntnisse aus dem Ideenmanagement einbezogen werden, da diese wertvolle Hinweise auf die Stärken und Schwächen des Arbeitssystems liefern können. Hierbei ist allerdings davon abzusehen, bereits erste Lösungen aus dem Ideenmanagement aufzugreifen

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und zu planen, da diese Stufe ausschließlich zur (neutralen) Sondierung der Ausgangssituation dient. • Stufe 2: Ziele festlegen Ausgehend von den Ergebnissen der Situationsanalyse aus Planungsstufe 1 lassen sich die zu erfüllenden Anforderungen und Ziele an die Gestaltungslösung ableiten. Die Ziele sollten nach der SMART-Regel4 (Doran 1981) formuliert werden, um einheitliche und verbindliche Vorstellungen im Planungsteam zu schaffen, so dass es bei der späteren Bewertung der Lösungen keinen Interpretationsspielraum gibt. • Stufe 3: Groblösung entwerfen In der dritten Planungsstufe werden mögliche Groblösungen für die Gestaltungsaufgabe entworfen. Die in dieser Planungsstufe entwickelten Lösungen werden nur grob entworfen, sodass sie untereinander vergleichbar sind und ihre Stärken und Schwächen deutlich werden. Dabei sind die relevanten räumlichen, zeitlichen und organisatorischen Aspekte des Arbeitssystems zu berücksichtigen. Zudem müssen auch Schnittstellen mit angrenzenden Arbeitssystemen beachtet werden. Nicht jede erarbeitete Groblösung kann die gesetzten Ziele optimal erfüllen. Zur Auswahl der besten Lösung werden die erarbeiteten Varianten anhand des in Stufe 2 entwickelten Zielkatalogs bewertet und verglichen. Die Auswahl erfolgt i. d. R. nicht vom Planungsteam, sondern von den zuständigen Entscheidungsträgern. Insbesondere in dieser Planungsstufe sollte das Ideenmanagement aktiv in den Prozess eingebunden werden, um so verschiedene Groblösungen zu entwickeln. Die Beschäftigten kennen ihr Arbeitssystem häufig am besten und haben sich vielfach schon Gedanken diesbezüglich gemacht. Diese gilt es nun durch das Ideenmanagement aufzugreifen und in die Planung der Groblösungen mit einfließen zu lassen. So können insbesondere auch nicht offensichtliche Lösungen gefunden werden. • Stufe 4: Vorzugslösung detaillieren Nach der Entscheidung über die Vorzugslösung durch die Entscheidungsträger kann das Planungsteam zur Detaillierung übergehen. Dies beinhaltet u.  a. die Funktion der Mitarbeiter, die Auswahl von Betriebsmitteln sowie die Festlegung von Ar­ beitsbedingungen. Auch in dieser Planungsstufe ist da Ideenmanagement gefragt. Auf der vorherigen Planungsstufe wurden die Lösungen nur grob skizziert, um diese zur Entscheidung bringen zu können. Nun müssen alle Details des Arbeitssystems ausgearbeitet werden, welche für die Realisierung erforderlich sind. Insbesondere bei der Gestaltung ihres eigenen Arbeitsplatzes sowie den Schnittstellen zu anderen Arbeitssystemen können  Die SMART-Regel von Doran (1981) besagt, dass Ziele wie folgt formuliert werden sollen:

4

• • • • •

Spezifisch auf die Problemstellung bezogen; Messbar, möglichst in Zahlen, Daten und Fakten (Z-D-F) ausgedrückt; Aussagekräftig, verständlich, abgestimmt und attraktiv; Realistisch, anspruchsvoll, aber erfüllbar; Terminiert, d. h. zeitlich definiert sein.

Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern

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die Mitarbeiter und deren Ideen einbezogen werden. Die Einbeziehung der Mitarbeiter kann so zu einer ergonomischen und belastungsarmen Gestaltung der Arbeitsplätze, einer effizienten Gestaltung der betrieblichen Abläufe sowie der Realisierung einer persönlichkeitsförderlichen Arbeit führen. • Stufe 5: Vorzugslösung realisieren Nach Freigabe der entwickelten Vorzugslösung wird diese in Planungsstufe 5 umgesetzt. Dies beinhaltet, z. B. die Beschaffung und Inbetriebnahme von Betriebsmitteln, die Einstellung neuer Mitarbeiter, die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen und Einarbeitung der Mitarbeiter, die Installation und Abnahme des Arbeitssystems sowie bei Bedarf die Durchführung von Anpassungsmaßnahmen. Auch hierbei sollten die Mitarbeiter einbezogen und insbesondere Erkenntnisse aus dem Projektmanagement zu früheren Realisierungsprojekten berücksichtigt werden, damit das laufende Realisierungsprojekt bestmöglich umgesetzt werden kann. Die Erfahrungen aus der Realisierung bezogen auf das Projektmanagement sollten wiederum über das Ideenmanagement gesammelt werden, damit auch diesbezüglich ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess stattfinden kann. • Stufe 6: Arbeitssituation konsolidieren Nach erfolgreicher Realisierung der Vorzugslösung und Übergabe an den Betreiber beginnt die Nutzungsphase des Arbeitssystems. Zum Abschluss des Planungsvorhabens werden die Ergebnisse des Planungsprojekts dokumentiert, um bei nachfolgenden ähnlich gelagerten Planungsvorhaben auf bereits vorhandene Ergebnisse zurückgreifen zu können. Hierbei sollten nicht nur positive Ergebnisse dokumentiert werden, auch negative Ergebnisse oder ausgeschlossene Lösungen sollten erläutert werden, damit diese zukünftig direkt ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus ist eine systematische Erfolgskontrolle durchzuführen. Bei Abweichungen von den gesetzten Zielen sind die Ursachen aufzudecken und ggf. zu beheben. Zudem sind geeignete Maßnahmen für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu bestimmen, damit die anfängliche Qualität des Arbeitssystems auch langfristig gehalten und verbessert werden kann. Somit wird in dieser Planungsphase für das betroffene Arbeitssystem das Ideenmanagement für diesen Bereich nachhaltig verankert. Für jede Planungsstufe stehen verschiedene Hilfsmittel und Planungsinstrumente zur Verfügung, z.  B. allgemeine Kreativitätstechniken, Bewertungsmethoden oder Visualisierungstechniken sowie spezielle REFA-Methoden. Die Auswahl der Hilfsmittel und ­Planungsinstrumente hängt vom konkreten Planungsfall, den zu realisierenden Zielen sowie von existierenden betrieblichen Regelungen ab. Bei jeder der Planungsstufen ist es wichtig, alle Betroffenen (z. B. Management, Mitarbeiter, Betriebsrat) in die Planung einzubinden, um einerseits eine ganzheitliche Gestaltung zu realisieren und andererseits Widerständen frühzeitig entgegen zu wirken. Darüber hinaus müssen stets die geltenden rechtlichen Regelungen (z. B. Mitbestimmung, Daten-

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schutz, Arbeitssicherheit, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Berufsgenossenschaftliche Vorschriften) beachtet werden. Auf Grundlage der Ergebnisse der verschiedenen Analyse- und Konzeptionsschritte wird nach Abschluss jeder Planungsphase eine Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen. Grundsätzlich sind dabei auch Rücksprünge zu allen vorhergehenden Planungsstufen möglich, wenn sich grundlegend neue Erkenntnisse im Rahmen der Planungsstufe ergeben haben, z. B. durch Impulse aus dem Ideenmanagement. Die Integration des Ideenmanagements in den Prozess der Arbeitsgestaltung kann somit dabei helfen, die Produktivität des Unternehmens nachhaltig zu verbessern. Während der verschiedenen Planungsphasen werden sowohl die bereits vorliegenden Erkenntnisse des Ideenmanagements genutzt als auch neue Inputs durch das Ideenmanagement generiert. In der letzten Planungsphase wird schließlich das Ideenmanagement nachhaltig für das zu gestaltende Arbeitssystem verankert. Bei einer konsequenten Anwendung dieses methodischen Vorgehens kann so ein ganzheitliches Ideenmanagement im Unternehmen eingeführt und nachhaltig betrieben werden.

3  Fazit Die Arbeits- und Betriebswelt verändert sich stetig durch verschiedene Megatrends wie z. B. die Globalisierung oder die Digitalisierung. Hierdurch verändern sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen erheblich und stellt diese vor neue Anforderungen. Insbesondere müssen Unternehmen wandlungsfähig und flexibel sein, um so auf Forderungen der Kunden und der Mitarbeiter reagieren zu können. Wandlungsfähigkeit und Flexibilität werden maßgeblich sowohl durch die Arbeits- und Prozessorganisation als auch durch die Beschäftigten selbst bestimmt. Das Ideenmanagement nimmt hier eine wichtige Rolle im Unternehmen ein, da hierdurch die Notwendigkeit für Veränderungen frühzeitig aufgezeigt werden kann und Lösungen für den Umgang mit diesen Veränderungen generiert werden können. Somit trägt ein gelebtes Ideenmanagement maßgeblich zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit bei. Für den langfristigen Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in der digitalisierten Arbeitsund Betriebswelt ist es entscheidend, Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortlichkeit, Kompetenz und Kreativität der Mitarbeiter zu fördern und zu sichern. Dies kann im Rahmen eines Humanorientierten Produktivitätsmanagements realisiert werden, in dem das Ideenmanagement ein wichtiges Element ist. Durch das Ideenmanagement können die Mitarbeiter in die Gestaltung und Verbesserung von Arbeitsaufgaben, Arbeitsabläufen und Arbeitssystemen einbezogen werden, was sich i. d. R. positiv auf die Arbeitskräfteproduktivität auswirkt. Um das Ideenmanagement ganzheitlich und nachhaltig im Unternehmen zu verankern, sollte dies bereits in den Prozess der Gestaltung von Arbeitssystemen integriert werden und nicht erst nachträglich eingesetzt werden. Die REFA-Planungssystematik unterstützt dies.

Mit Ideenmanagement die Produktivität im Unternehmen steigern

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Literatur Doran, G. T. (1981). There’s a S.M.A.R.T. way to write management’s goals and objectives. Management Review, 70, 35–36. Dorner, M. (2014). Das Produktivitätsmanagement des Industrial Engineering unter besonderer Betrachtung der Arbeitsproduktivität und der indirekten Bereiche. Karlsruhe: Institut für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation des Karlsruher Instituts für Technologie. http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:swb:90-404079. Zugegriffen: 8. Januar 2019. Gabler Wirtschaftslexikon (2019). Stichwort: Produktivität. Heidelberg u. a.: Springer Gabler Verlag. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/produktivitaet-46151/version-269437. Zugegriffen: 8. Januar 2019. Hacker, W. (1986). Arbeitspsychologie: Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten. Stuttgart: Huber Verlag. ifaa  – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (2019). ifaa-Trendbarometer, Frühjahrsauswertung 2018. https://www.arbeitswissenschaft.net/fileadmin/user_upload/Auswertung_Fru__ hjahr_2018.pdf. Zugegriffen: 8. Januar 2019. IW – Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. (2011). Betriebliches Vorschlagwesen – Gewinn für Firmen und Mitarbeiter. Argumente zu Unternehmerfragen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft, Nr. 9. Köln: IW-Medien. Nebl, T., & Dikow, A. (2004). Produktivitätsmanagement – Theoretische Grundlagen, methodische Instrumentarien, Analyseergebnisse und Praxiserfahrungen zur Produktivitätssteigerung in produzierenden Unternehmen. München: Carl Hanser Verlag. Nullmeier, E. (2011). Arbeitswissenschaft – Einführung und Geschichte. Brandenburg: Hochschulverbund Distance Learning. (Studienbrief 2-050-2301.) Nyhuis, P. u. a. (2009). Wandlungsfähige Produktionssysteme: Heute die Industrie von morgen gestalten, Abschlussbericht Bundesministerium für Bildung und Forschung, Vorstudie „Wandlungsfähige Produktionssysteme“. http://www.ifa.uni-hannover.de/fileadmin/IFA/02_Forschung/ WPS/Buch_WPS.pdf. Zugegriffen: 8. Januar 2019. REFA (2018). Grundausbildung 2.0. Modul „Arbeitsdatenmanagement I – Grundlagen, Methoden, Ablauf- und Zeitarten“. Darmstadt: REFA Bundesverband. REFA-Institut (2016). Arbeitsorganisation erfolgreicher Unternehmen – Wandel in der Arbeitswelt. München: Carl Hanser Verlag. Rossa, H. (2014). Die Geschichte der Olympia Werke AG, http://suite101.de/article/olympiawerke-ag-a46918#.VHXt98mDpjc. Zugegriffen: 26. November 2014. Rump, J., & Walter, N. (Hrsg) (2013). Arbeitswelt 2030: Trends, Prognosen, Gestaltungsmöglichkeiten. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Schat, H.-D. (2017a). Erfolgsfaktoren im Ideenmanagement  – Eine Zusammenfassung Binärer Bäume verschiedener empirischer Erhebungen. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 71, 179–188. Schat, H.-D. (2017b). Erfolgreiches Ideenmanagement in der Praxis – Betriebliches Vorschlagswesen und Kontinuierlichen Verbesserungsprozess implementieren, reaktivieren und stetig optimieren. Wiesbaden: Springer Gabler. (FOM-Edition). Zukunftsinstitut (Hrsg) (2011). Heidelberger Leben Trendmonitor 2011. http://www.eaf-bund.de/ documents/Paare_Navipunkte/Studie_Heidelberger_Leben.Trendmonito_2011_final.pdf. Zugegriffen: 8. Januar 2019.

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Patricia Stock.  Die Leitung des REFA-Instituts liegt seit 2015 bei Frau Dr.-Ing. Patricia Stock. Sie ist Wissenschaftlerin und Expertin für moderne Arbeitsgestaltung. Unter ihrer Leitung liefert das REFA-Institut praxisorientierte Lösungen für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und ist somit kompetenter Ansprechpartner für Wirtschaft und Wissenschaft zur Entwicklung von Knowhow für die Prozessorganisation. Zuvor war sie als Oberingenieurin am Institut für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) tätig. Im Rahmen von zahlreichen Forschungs- und Transferprojekten mit Industriebeteiligung hat sie sich insbesondere mit der Gestaltung von Arbeitssystemen, der Arbeitszeitgestaltung, der Gestaltung von Entscheidungssystemen, der Fertigungssteuerung sowie der Industrie 4.0 befasst. Sie ist in zahlreichen nationalen Gremien der Arbeitsforschung und Normung tätig.

Gezieltes Marketing im Ideenmanagement Michael Lange

Inhaltsverzeichnis 1  Hintergrund  2  Worum es geht  3  Wie erreicht die Botschaft die Mitarbeiter?  4  Analyse zur gezielten Marketingaktion  5  Die demografische Analyse  6  Die geschlechterspezifische Analyse  7  Definition der Zielgruppe  8  Taktische Vorgehensweise  9  Kreativ-Tipps zur Entwicklung von Marketingaktionen:  10  Der Kommunikationsmix 

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Zusammenfassung

Marketing für das Ideenmanagement ist ein umfangreiches Thema, es hilft dabei den Prozess der Ideenbearbeitung durch Broschüren oder Handzettel zu beschreiben oder mit Giveaways die Mitarbeiter zu belohnen und damit Aufmerksamkeit zu bekommen. Marketing ist auch, lohnenswerte Artikel über besondere Leistungen aus dem Ideenmanagement zu veröffentlichen. Will man aber gezielte Mitarbeitergruppen erreichen, weil Sie für bestimmte Themen besonders geeignet sind oder sich wenig mit Ideen beteiligen, ist bei der Kreation von Sonderaktionen und Postern hilfreich, sich der bekannten Marketingwerkzeuge zu bedienen.

M. Lange (*) Referent Ideenmanagement, Weidmüller Interface GmbH & Co. KG, Detmold, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_13

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Professionelle Unterstützung in Form von Mediengestaltern sollte immer in Betracht gezogen werden. Die Mediengestalter arbeiten aber meistens nur nach Vorlage und deshalb ist es wichtig, vorab eine gute Vorlage bereit zu stellen, so dass die Sonderaktion auch die richtigen Ergebnisse liefern kann.

1  Hintergrund Als ich 2009 das Ideenmanagement bei Weidmüller übernommen hatte, kamen viele neue Aufgaben auf mich zu, mit denen ich noch nie etwas zu tun hatte. Eine davon war es, eine Sonderaktion zur Weihnachtzeit zu konzipieren. Hierbei stellte ich schnell fest, dass es gar nicht so einfach ist, so ein Plakat zu kreieren. Es stellten sich für mich viele Fragen, wer sind die Mitarbeiter,1 welche Themen könnte diese interessieren, wie erlange ich deren Aufmerksamkeit und noch weitere Fragen mehr. Darum habe ich angefangen ein System zu entwickeln, das mir einige kreative Hilfsmittel für gezieltes Marketing zur Verfügung stellt. Davon möchte ich im Folgenden berichten. Das Ideenmanagement muss sich immer wieder neu erfinden und kreative Ideen entwickeln, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Dabei muss es sich gegen viele andere Systeme in der „Zuvielisation“ (Wie z. B. Kaizen, KVP, Six Sigma, TQM, TPM, Lean Management etc.) durchsetzen, um bei den Mitarbeitern∗ vertrauen, Akzeptanz und Aufmerksamkeit zu erlangen. In der Wirtschaft werden täglich weltweit Milliarden Euro in das Marketing investiert, um ihre Waren, Produkte und Dienstleistungen zu bewerben und so erfolgreicher zu verkaufen. Dabei wird stets darauf geachtet, ob das Budget optimal eingesetzt wird. Hierzu werden die Verkaufszahlen und die Reaktion der Medien beobachtet. Das sollte ein Ansporn sein, dass Ideenmanagement in vergleichbarer Weise mit Marketingaktionen zu vermarkten.

2  Worum es geht cc

„Wer außergewöhnliche Aufmerksamkeit gewinnen möchte, muss auch zu außergewöhnlichen Mitteln greifen.“

Es kommt dabei auf die richtige Strategie an! Eine Möglichkeit sich von den anderen Systemen abzusetzen, ist gezieltes und zielgruppenspezifisches Marketing für das Ideenmanagement durchzuführen. Richtig angewendet regt Marketing die Mitarbeiter an, kreative Ideen zu entwickeln und im Ideenmanagement einzureichen.

1  Zur besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet, Frauen sind aber ebenso angesprochen.

Gezieltes Marketing im Ideenmanagement

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Marketing – das können zielgerichtete Kampagnen zu Kosteneinsparungen, Prozessverbesserungen oder auch Arbeitssicherheit sein. Unter Berücksichtigung der Prämien und der visuellen Erscheinung werden Kampagnen mehr die weiblichen oder die männlichen Mitarbeiter zur Beteiligung ansprechen. Dazu gilt es im Vorfeld seine Ist- Position mit Hilfe einiger Kennzahlen zu bestimmen. Diese Kennzahlen sind unter anderem: Wie sind meine Ideenquote, Einsparung und Beteiligungsquote? Erweiternd dazu kann sich die Betrachtung lohnen, wie sich die männliche und die weibliche Belegschaft prozentual mit ihren Ideen beteiligt.

3  Wie erreicht die Botschaft die Mitarbeiter? Dazu setze ich gerne das „AIDA- Modell“ ein: • • • •

Aufmerksamkeit erzeugen Interesse wecken Die Mitarbeiter berühren Aktion auslösen

Sehen wir uns diese vier Punkte im Einzelnen an: Aufmerksamkeit erzeugen Außergewöhnliche Aufmerksamkeit gewinnen Sie durch Regelbruch, emotionale und visuelle Ansprache und Penetranz. Seien Sie mit dem Erstellen von Postern und Aushängen mutig, machen sie es anderes als alle anderen in der Gestaltung ihrer Poster (vgl. Abb. 1 und 2).

Abb. 1  Regelbrüche (Foto: unsplash.com). (Quelle: s. o.)

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Abb. 2  Ein Fest für Ihre Ideen. (Quelle: Weidmüller)

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Gezieltes Marketing im Ideenmanagement

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Interesse wecken Verdeutlichen Sie in der Botschaft für die Mitarbeiter den Mehrwert und Nutzen am Mitmachen. Stellen Sie sich mal die Frage, warum Sie sich beispielsweise ein Auto kaufen (Wiederverkaufswert, Status, Unterhaltskosten …) und versetzten Sie sich dann in die Rolle eines Ideeneinreichers. Warum soll er sich mit seiner Idee im Ideenmanagement beteiligen? Wegen einer tollen Prämie oder Wertschätzung beziehungsweise Anerkennung der Führungskraft bekommen oder einfach mit einem guten Gefühl die Firma etwas besser gemacht zu haben? Es könnte ja vermeintlich besser sein die Idee für sich zu behalten, oder in andere Prozesse einfließen zu lassen (s. o.). Durch Wiederholung des immer Gleichen, werden diese Botschaften im Semantischen Gedächtnis dauerhaft abgelegt. Sind in der Botschaft aber interessante oder überraschende Erlebnisse enthalten, werden diese im episodischen Gedächtnis gespeichert. Das ist die Grundlage, um die Emotionen für unsere Botschaften zu wecken. Gestalten Sie für Ihr Ideenmanagement ein interessantes Logo und verwenden Sie es wann immer es möglich ist. Und kreieren Sie ein Slogan, Beispielsweise: „Mitmachen lohnt sich!“ Wenn zur Weihnachtszeit eine Sonderaktion geplant ist, können Sie zur Ex­ traprämie als Beispiel, „Aktion Menschlose“ anbieten und damit eine interessante karitative Botschaft verknüpfen. Beispiele von stetiger Wiederholung in der Werbung gibt es von Carglass, hier wird seit Jahren immer wieder der Slogan „Carglass repariert, Carglass tauscht aus“ durch die Medien getrieben. Werbe-Ideen, die durch einzigartige oder inte­ ressanten Geschichten erzählt werden, gibt es von Sixt Autovermietung, die oft doppeldeutig und witzig ist. Die Mitarbeiter berühren Zusammenfassend heißt das, der Erinnerungswert wird durch stete Wiederholungen von Botschaften und überraschende, einzigartige Erlebnisse und Geschichten gesteigert. Wir müssen also den Mitarbeiter berühren und die Begehrlichkeiten wecken: Schaffen Sie Begehrlichkeit durch exklusive Events und Sonderpreise, Ideenclubs oder eine feierliche Prämienübergabe im Beisein der Führungskräfte und Betriebsrat. Gestalten Sie Sonderprämien und Gewinne interessant für die Zielgruppe und machen Sie die Übergabe an die Gewinner in einem besonderen Rahmen, so dass der Gewinn zu etwas ganz Besonderem wird. Wie hier vor allen Mitarbeitern und Führungskräfte während einer Mitarbeiterversammlung (vgl. Abb. 3). Mit einem attraktiven Prämiensystem schaffen Sie Begehrlichkeiten, diese helfen dabei, sich zu überwinden eine Idee nieder zu schreiben und im Ideenmanagement einzureichen. cc

Denken Sie immer daran, der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!

Aktion: Wenn Sie nun alle Faktoren berücksichtigt haben, sollten alle angesprochenen und motivierte Mitarbeiter in Aktion treten und ihre Ideen einreichen. Dieses können Sie

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Abb. 3  Preisübergabe. (Quelle: Weidmüller)

im Ideenmanagement- System am Arbeitsplatz oder per Mail von überall machen, sowie per Hauspost in Papierform zusenden.

4  Analyse zur gezielten Marketingaktion Die „Ist- Analyse“ ist der Grundbaustein zur Wahl der richtigen Vorgehensweise. Es gibt in allen Bereichen Mitarbeiter, die keine Ideen einreichen. Genau betrachtet sind dies: • Mitarbeiter die nicht wollen • Mitarbeiter die nicht können • Mitarbeiter die nicht wissen wo, wie und warum sie Ideen einreichen Diese Mitarbeiter sind die Zielgruppen in Marketingaktionen. Ein paar Beispiele, wie die Zielgruppen mit Hilfe von Informationen und Kennzahlen bestimmt oder erkannt werden, werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Die klassischen Kennzahlen wie Ideenquote, Beteiligungsquote, Einsprung pro Mitarbeiter etc., sind eine erste Hilfe sich zu orientieren und um festzulegen in welche Richtung die Aktion gehen könnte. Sollen in der Aktion hauptsächlich viele Ideen eingereicht und Neueinreicher gewonnen werden, sollten die Prämien für möglichst vieler Mitarbeiter attraktiv sein.

Gezieltes Marketing im Ideenmanagement

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5  Die demografische Analyse Die Altersstrukturanalyse kann gezielte Aktionen zu bestimmten Altersklassen initiieren, z. B. gezielte Anreizsteuerung (vgl. Abb. 4). Erkennbar ist, dass bei den jüngeren Mitarbeitern und den Mitvierzigern eine überdurchschnittliche Einsparung erzielt wurde. In einer Sonderaktion zur Kosteneinsparung, wurde eine Städtereise als Sonderpreis ausgelobt. Mit ICE Anreise, Musical, Dinner im Restaurant von Herrn Rach und Übernachtung im 5 Sterne Hotel.

6  Die geschlechterspezifische Analyse Die Analyse der Belegschaft unterteilt sich maßgeblich zwischen männlicher und weiblicher Beteiligung.

Abb. 4  Die Kennzahlen-Analyse (dunkle Fläche = Altersklassen; helle Fläche = Einsparungen). (Quelle: eigene Darstellung)

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Im Vergleich der Geschlechter wurde deutlich, dass sich die weibliche Belegschaft geringer beteiligt. Auch die prozentuale Auswertung zeigte, dass die männliche Beteiligung deutlich stärker ist. Nach einer Sonderaktion muss deren Wirksamkeit ermittelt werden. Bei der unten aufgeführten Sonderaktion konnte die Beteiligung der Mitarbeiterinnen deutlich gesteigert werden, was in der anschließenden Auswertung sichtbar wurde. Die Auswahl des Fotos mit abgebildeten Kindern auf dem Poster/Aushang und die gewählte Prämie sorgte für Aufmerksamkeit der Zielgruppe (Abb. 5). Die aufwendige Verteilung über Email, Portal, ausgehängten Poster, Tischauflage in der Kantine, Flyer-Beilage in der Abrechnung und persönlicher Einladungen sorgte für die notwendige Penetranz und Durchdringung der Information an alle Mitarbeiter (vgl. Tab. 1). Diese Aktion hat also insgesamt viele interessante Ideen ergeben. Die Beteiligung der Frauen konnte deutlich gesteigert werden.

7  Definition der Zielgruppe Als Definition der Zielgruppe, die bevorzugt erreicht werden soll, werden gerne folgende Mitarbeitergruppen benannt: • • • • •

Ersteinreicher Wiedereinreicher, die schon lange keine Idee mehr eingereicht haben Gruppen Einreicher Weibliche Einreicher Männliche Einreicher

Bei Aktionen für Arbeitssicherheit oder Kosteneinsparung müssen alle Zielgruppen angesprochen werden, dann ist eine Veränderung einiger Kennzahlen zum Ideenmanagement nicht zwingend zu erwarten.

8  Taktische Vorgehensweise Bei der Planung einer Aktion ist es hilfreich, vorher in das kommende Jahr zu schauen und sich vielleicht mögliche Sportevents zu Nutze zu machen. Die Klassiker unter Marketingaktionen sind die Frühjahrsaktionen und die Weihnachtsaktionen, bei denen man die saisonale Werbeflut in den Medien gut nutzen kann. Vorsicht ist bei der Frühjahrsaktion geboten, denn wenn der Frühling erst nach der Aktion anfängt oder bei der Frühjahrsaktion schon vorbei ist, dann bekommt die Aktion weniger Aufmerksamkeit.

Gezieltes Marketing im Ideenmanagement

Abb. 5  Kinderleicht: Ideen für unsere Zukunft. (Quelle: Weidmüller)

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144 Tab. 1  Ergebnis der Aktion „kinderleicht“ Eingereichte Ideen in der Sonderaktion Mitarbeiterbeteiligung

Einzelideen Gruppenideen

302 577  - Davon männlich 477 (82,7 %) – entspricht 39,0 % aller beschäftigten Männer im Unternehmen  - Davon weiblich 100 (17,3 %) – entspricht 22,9 % aller beschäftigten Frauen im Unternehmen 159 (von 159 Personen eingereicht) 417 (von 417 in den Gruppen beteiligten Personen eingereicht)

9  Kreativ-Tipps zur Entwicklung von Marketingaktionen: 1. Der 360°- Blick: Von anderen Branchen und Unternehmen lernen. –– –– –– ––

Aktuelle Werbekampagnen Einsatz von Marketinginstrumenten Werbesports Werbeanzeigen

2. Aktuelle „Talk about“ -Themen –– –– –– ––

Worüber spricht die Welt? Worüber schreiben die Zeitungen, berichten die TV-Sender? Sportliche Events, wie Fußball WM oder EM Kinofilme

10  Der Kommunikationsmix Eine Marketingaktion lebt davon, dass möglichst viele Mitarbeiter davon erfahren. Damit die Information tatsächlich ankommt, gibt es viele Möglichkeiten: • • • • • • • •

Hauspost Info-Terminals Schwarzes Brett Intranet/Email Business TV Unternehmens-Blogs Gehaltsbeileger Lautsprecherdurchsagen

Gezieltes Marketing im Ideenmanagement

• • • • • • • • • •

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Aushang im WC Flyer Plakate Mitarbeiterzeitung Kantine Eingänge Werksgelände Pausenräume Mitarbeitergespräche Abteilungsrunden Promotiontour

Zusammenfassend: wenn Sie eine Marketingaktion vorhaben, planen Sie diese sorgfältig und machen Sie eine Nachbereitung. So haben Sie die Möglichkeit, aus ihren Erfahrungen zu lernen. Seien Sie kreativ und wagen Sie in der Gestaltung Neues, wenn es ihre Corporate Identity es zulässt. Heben Sie sich von anderen Bereichen ab und geben Sie ihrem Ideenmanagement ein eigenes Gesicht, so wird es zur Marke. Streuen Sie die Informationen soweit und oft wie es geht, wiederholen Sie die Botschaften in der K ­ ommunikation, die persönliche Nähe zu Mitarbeitern und Führungskräfte ist dabei besonders wichtig (Abb. 6). Im persönlichen Gespräch können Sie die Vorteile und Nutzen für die Firma und die Mitarbeiter noch mal vermitteln.

Abb. 6  Ideenmanagement Vorort. (Quelle: Weidmüller)

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M. Lange

Michael Lange  Seit Anfang 2009 ist der Autor verantwortlich für das Ideenmanagement bei Weidmüller. Seine Aufgaben sind das Ideenmanagement zu leiten und den Gegebenheiten neu anzupassen. Dazu gehört auch, die Mitarbeiter sowie die Führungskräfte zu schulen und bei Bedarf zu unterstützen. Mehrmals im Jahr werden von ihm Sonderaktionen zu verschiedenen Themen geplant und gestaltet. Hier legt er großen Wert auf die richtige Gestaltung der Poster zur Marketingstrategie.

Der Ideenmanager – Potenzialentfalter mit Methode. Praxiseinblick Deutsche Bahn AG Thorsten Gänsch und Pia Schädler

Inhaltsverzeichnis 1  M  arkt und Umfeld beeinflussen die Entwicklung des Ideenmanagements  2  Professionalität ist Voraussetzung für den Unternehmenserfolg  2.1  Auswirkungen moderner Führungsverständnisse auf Ideenmanagement und die Ideenmanager  2.2  Das neue Kompetenzprofil für Ideenmanager  2.3  Qualifizierungsprogramm für Ideenmanager  3  Neue Aufgaben für Ideenmanager  Literatur 

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Zusammenfassung

Markt, Umfeld und moderne Führung wirken auf Ideenmanagement. Damit Ideenmanagement im digitalen Zeitalter und Zeiten des dynamischen Wandels der Märkte weiterhin erfolgreich sein kann, braucht es mehr Professionalität, insbesondere bei den ideenbegleitenden Ideenmanagern. Welche Schlüsselkompetenzen sind perspektivisch notwendig und zu welchen Inhalten sollten Ideenmanager qualifiziert und trainiert werden? Das Praxisbeispiel der Deutschen Bahn zeigt Einsichten und gibt Überblick über ein Qualifizierungsprogramm für Ideenmanager.

T. Gänsch (*) DB Training, Deutsche Bahn AG, Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] P. Schädler Development and Operations, Deutsche Bahn AG, Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_14

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T. Gänsch und P. Schädler

 arkt und Umfeld beeinflussen die Entwicklung des M Ideenmanagements

Der strategische Anspruch der Deutschen Bahn ist, Fortschritt und Zukunft zu gestalten, von operativer Exzellenz und Kundenorientierung bis zu innovativen Lösungen im Kern- und Neugeschäft. Dieser Anspruch an sich ist alles andere als trivial in einem Unternehmen mit weltweit 310.000 Mitarbeitern, welches täglich 12 Millionen Personen in seinen Zügen und Bussen befördert und jährlich im europäischen Netzwerk rund 300 Millionen Tonnen Güter auf der Schiene sowie rund 100 Millionen Sendungen auf der Straße transportiert. Mitten im Zeitalter der Digitalisierung und Industrie 4.0 muss sich nicht nur die Deutsche Bahn AG, sondern auch unsere Gesellschaft den Herausforderungen einer volatilen, veränderungsstarken und mehrdeutigen VUCA Welt und der sich ständig wandelnden Dynamik des Marktes stellen. Das Optimum von gestern ist der Standard von heute. Hierzu ein kurzer Exkurs, was VUCA meint: • V = Volatility (volatil/sprunghaft). Die Dynamik des Wandels entfaltet enorme Kräfte und ist Katalysator für radikale Veränderungen. • U = Uncertainty (ungewiss). Der Mangel an Berechenbarkeit und Kontrolle für Themen und Ereignisse sorgen für Ungewissheit. • C = Complexity (komplex). Die Dynamik unserer Systeme multipliziert sich und sorgt für gleichzeitige Multioptionen und Multikomplexität der Vernetzung in unserer Gesellschaft. • A = Ambiguity (mehrdeutig). Es gibt keine einfachen Ursache-­ Wirkungs­ zusammenhänge mehr. Die Realität ist verwirrend, oft unverständlich und in keiner Weise mehr ist Zukunft planbar. Haben bisher eher klassische Managementmethoden zur Entwicklung beigetragen, so sind Unternehmen immer mehr gezwungen nach individuelleren Lösungen für das Bestehen am Markt zu suchen. Experimentierfreudigkeit und Innovationskraft werden so zur Basis für dynamische Entwicklung. Ein erfolgreiches Ideenmanagement muss sich an dieser Entwicklung ausrichten und neue, passgerechte Wege zur Wirksamkeit in Unternehmen entwickeln. Die Zeit, in der Ideenmanagement als ein rein institutionalisiertes Belohnungssystem verstanden wurde, ist vorbei. Im Ökosystems des Unternehmens richtig eingebunden und umgesetzt, kann es im Einklang mit modernen Managementansätzen die operative Exzellenz und genauso die Innovationskraft stärken.

Der Ideenmanager – Potenzialentfalter mit Methode. Praxiseinblick Deutsche Bahn AG

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 rofessionalität ist Voraussetzung für den P Unternehmenserfolg

Langfristig erfolgsorientierte Unternehmen setzen auf ein professionell ausgerichtetes Ideen- und Innovationsmanagement. Neben der intelligenten Gestaltung von Prozessen und Spielregeln sind notwendige Persönlichkeits- sowie Fach- und Methodenkompetenz bei Ideenmanagern vorauszusetzende Kriterien für die erfolgreiche Umsetzung von Verbesserungs- und Innovationsprogrammen. Insofern besteht die steigende Notwendigkeit in einer VUCA Welt, die Professionalisierung von Ideenmanagern voranzutreiben, um, unabhängig von Organisationsformen und Strukturen der jeweiligen Ideenmanagementsysteme in den Unternehmen, den wachsenden Kunden- und Marktanforderungen Rechnung tragen zu können und weiter am Markt erfolgreich zu agieren.

2.1

A  uswirkungen moderner Führungsverständnisse auf Ideenmanagement und die Ideenmanager

Folgerichtig muss auch der Blick auf das Organisationsmodell Ideenmanagement gelenkt und die Frage nach richtiger Einordnung in das Unternehmen beantwortet werden. Sind doch die aktuellen Abläufe und Strukturen aus einer Zeit heraus erwachsen, die noch sehr unter dem Einfluss von „Führung über Ziele und Zahlen“ stand. In dem Kontext moderner Führungsverständnisse wird Führung erlebbarer werden. Beidhändige Führung ist hierbei eine Schlüsselkompetenz um Kreativität zu fördern und Mitarbeiter zu außergewöhnlichen Leistungen zu befähigen. Durch transformationale Führung werden Wissenstransfer und Vernetzung als Basis für Fortschritt ermöglicht. Führungskräfte werden ihre Mitarbeiter mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen stärker in die Gestaltung der täglichen Abläufe einbinden. Mit diesem neuen Führungsverständnis geht einher, dass Führungskräfte selbstverständlich die Ideen ihrer Mitarbeiter honorieren und wertschätzen, diese vorantreiben und sich für die Umsetzung stark machen. Ideenmanagement wird als unmittelbare Führungsaufgabe wahrgenommen, jedoch nicht in dem Sinne eines institutionalisierten Ideenmanagements, in dem Ideen nach in Betriebsvereinbarungen festgelegten Abläufen bearbeitet und nach Umsetzung mit dort definierten Geldprämien honoriert werden. Es bedarf weniger Formalismen und Standards, sondern mehr Flexibilität um alle Mitarbeiter in Optimierungs- und Innovationsprozesse einzubeziehen und diese zu gestalten. Prämien als Anreiz für Ideen werden weniger wichtig als die Tatsache, sich für die Unternehmung einbringen zu können. Dazu kommt die Erkenntnis einer immer mehr eta­ blierten Wissensgesellschaft. Entscheidend für Fortschritt ist nicht mehr die Quelle nur weniger guter Ideen einer übersichtlichen Anzahl von Mitarbeitern, sondern das Vernetzen und Teilen des gesamten Wissens im Unternehmen, um daraus unter Beteiligung möglichst vieler Mitarbeiter die Lösungen alltäglicher Herausforderungen zu gestalten. Ergo: Förderung von Ideenmanagement mit kollaborativem Kern statt

T. Gänsch und P. Schädler

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Systemen mit kompetitivem Charakter. Daraus resultierend stellt sich die Frage, welche Rolle Ideenmanager künftig einnehmen und welche Schwerpunkte ihr Wirken haben soll.

2.2

D  as neue Kompetenzprofil für Ideenmanager

„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“ (Henry Ford, 1863–1947)

In der heutigen Arbeitswelt, bei der Innovation einen höheren Stellenwert einnimmt als Kostensenkung/-kontrolle, müssen Ideenmanager als strategischer Partner und methodischer Unterstützer von Führungskräften mit Know-how für die Themen Change-­ Management, Unternehmenskultur, Innovation und operative Exzellenz wahrgenommen werden, anstatt in der Rolle der Administrationen von Verbesserungsvorschlägen. Ausgehend von der Frage „Wie können wir Ideenmanagement neu denken?“ hat die Deutschen Bahn gemeinsam mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) mittels eines nutzerzentrierten Ansatzes herausgefunden, wie sich die Mitarbeiter des Unternehmens, also die potenziellen Ideengeber, die Rolle der künftigen Ideenmanager vorstellen: Ideenmanager sollen Wegbereiter, Navigator, Coach, Treiber und Dialogpartner zugleich sein. Dabei inspirieren und moderieren Ideenmanager im Lösungsfindungsprozess, den sie methodisch unterstützen. Lösungen für andere Bereiche werden von ihnen verifiziert und daraus mögliche Best Practices angestoßen. Ideenmanager sind Dialogpartner für Mitarbeiter, um Tipps und Ratschläge für das Konkretisieren innovativer Ideen zu geben. Sie begleiten aktiv den Umsetzungsprozess innovativer Ideen bis zur Etablierung in der Linienfunktion. Die Erkenntnisse aus der Feldforschung beim HPI und der dort generierten Prototypen sind in die Weiterentwicklung des Ideenmanagements der Deutschen Bahn eingeflossen. Im Folgenden werden – auszugsweise – die Methoden- und Fachkompetenzen von Ideenmanagern abgebildet, die für eine erfolgreiche Umsetzung eines Ideen- und Innovationsmanagements in der heutigen Arbeitswelt essenziell sind. Fach- und Methodenkompetenz Digitale Kompetenz und Agilität Neue Geschäftsmodelle & Unternehmertum Kooperation und Schnittstellenmanagement Umgang mit Komplexität

Beschreibung Ideenmanager agiert als „Digital Native“ und besitzt Kenntnis digitaler Trends & Tools und bringt agile Methoden ein Ideenmanager versteht neue digitale Geschäftsmodelle inkl. typischer Chancen, Risiken, Erfolgsfaktoren und handelt unternehmerisch Ideenmanager arbeitet lösungsorientiert und teamorientiert mit unterschiedlichen Partnern (intern/extern) zusammen und baut tragfähige Beziehungen auf Ideenmanager kann komplexe Sachverhalte auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus zielführend darstellen und bearbeiten, löst Problemstellungen zielführend, handelt ergebnisorientiert in komplexen Zusammenhängen.

Der Ideenmanager – Potenzialentfalter mit Methode. Praxiseinblick Deutsche Bahn AG

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Die steigende Notwendigkeit unternehmerisch zu denken, um inkrementelle Geschäftsmodelle professionell identifizieren und bewerten zu können, bedarf auch eines neuen Profils an unternehmerischen Eigenschaften für Ideenmanager. Künftig werden Kernfähigkeiten wie z.  B.  Proaktivität, Zielstrebigkeit und Leistungsorientierung, Problemlösungsorientierung und Geduld, Risikobereitschaft und Netzwerkfähigkeit einen immer bedeutsameren Stellenwert für Unternehmen haben (Pinchot 1985).

2.3

Q  ualifizierungsprogramm für Ideenmanager

Für die Neuausrichtung seines Ideenmanagements hat die Deutsche Bahn ein Qualifizierungsprogramm für Ideenmanager entwickelt, das den neuen Anforderungen Rechnung trägt. Es ist darauf ausgelegt, wie eine Brücke – für die berufserfahrenen und im Bestandssystem arbeitenden Mitarbeiter, gleichermaßen auch für Neueinsteiger  – Richtung Zukunft zu sein. Dieses Programm ist der Motor für die Professionalisierung der Ideenmanager und gibt Antriebskraft für die darüber hinaus gehende individuelle persönliche Entwicklung. Mit diesem Programm werden Handlungskompetenz, Leidenschaft und Begeisterung sowie Kreativität auf ein höheres Niveau gesteigert. Es baut auf Basiskompetenzen, die Ideenmanager bereits mitbringen und auf weiterführenden Kompetenzen, die individuell in der Organisation erworben wurden, auf. Das unternehmerische Handeln im Unternehmen wird durch die Förderung der fachlichen Kompetenzen (Wissen und Fertigkeiten) und personalen Kompetenzen (Sozialkompetenzen und Selbstständigkeit) weiter gestärkt. Nachstehend ein Überblick über die Module dieses Qualifizierungsprogramms, dass Voraussetzung für die Mitarbeit im neuen Ideen- und betrieblichen Innovationsmanagement der Deutschen Bahn ist. Modul 1 – Verhalten erkennen und Selbststeuerung ermöglichen Ziele des Moduls: Verhandlungsführung und Selbststeuerung im Beratungskontext. Umgang mit kritischen/schwierigen Situationen und unterschiedlichen Menschentypen in der Rolle als Ideenmanager. Beratungsgespräche besser steuern können. Menschentypen kennenlernen und mit erlebnisorientierten Übungen Erfahrungen sammeln. Modul 2 – Strategien verstehen und Potenziale erschließen Ziele des Moduls: Die Ideenmanager erarbeiten sich in diesem Modul theoretisches und praktisches Wissen zur Unternehmensführung. Dieses Wissen sensibilisiert im Erkennen und Nutzen von bereichsübergreifenden Trends und Potenzialen. Es stimuliert aber auch die Erarbeitung von Strategien, sowie die intensivere Auseinandersetzung mit Kreativität & Führung, Möglichkeiten der Potenzialentfaltung, sowie psychologischen Wirkungsgrößen, die unmittelbar auf die Organisation und den Konzern wirken. Modul 3 – Bewahren oder Veränderungen nachhaltig gestalten? Ziele des Moduls: Die Ideenmanager erarbeiten sich in diesem Modul ein Vorgehen, dass sie bei der Gestaltung und Umsetzung umfassender, bereichsübergreifender und inhaltlich

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T. Gänsch und P. Schädler

weitreichender Veränderungen inspiriert. Sie wirken in der Organisation auf die Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse und Verhaltensweisen. Modul 4 – Selbstbewusst und wertvoll im Unternehmen wirken Ziele des Moduls: Die erfolgreiche Umsetzung der DB-Strategie erfordert ein neues Herangehen der Mitarbeiter des Ideenmanagements an ihre Aufgaben. Die Ideenmanager reflektieren ihre derzeitigen Verhaltensmuster und Arbeitsweisen. Durch die Auseinandersetzung mit ihrer zukünftigen Rolle wird bei den Ideenmanagern die Begeisterung für ihren Job geweckt und sie werden zu Veränderungen in ihrer Haltung inspiriert. Modul 5 – Agiles Mindset: Für mehr Kundennutzen und unsere Zukunft Ziele des Moduls: Unser Umfeld ist von exponentieller Entwicklung geprägt. Kundenwünsche und Wettbewerbsbedingungen ändern sich oftmals rasant. Die Ideenmanager leiten für sich ab, wie sie mit Sprunghaftigkeiten, Unsicherheiten, Mehrdeutigkeiten und Kompliziertheit umgehen können. Sie erarbeiten sich ein Set an Methoden (Kanban, Scrum, DesignThinking), welches die Agilität in der eigenen Zusammenarbeit fördert und gleichermaßen in den zu begleitenden Projekten angewandt werden kann.

3

Neue Aufgaben für Ideenmanager

Die Professionalisierung der Ideenmanager ist eine Riesenherausforderung, denn tradierte Ideenmanagement-Systeme mit ihren Akteuren lassen sich nicht über Nacht neu ausrichten. Der Change vom Ideenmanager im engeren Sinne als Administrator von Verbesserungsvorschlägen hin zu einem Ideenmanager mit agilem Mindset und unternehmerischem Engagement ist langwierig und anstrengend, die Investition aber lohnenswert! Perspektivisch klettern Ideenmanager aus ihrer vormals sehr engen Fach­ sparte heraus, stellen sich breiter auf und machen sich anschlussfähig für vielerlei weitere Aufgaben in Beratung, Coaching, Training – und natürlich der Begleitung im Innovationsmanagement. Dieser grundlegende Change wird dazu führen, dass die Ideenmanager mit einer viel bewussteren Haltung hinsichtlich Kundenzentriertheit, Methodik und Unternehmertum ihren Beruf professioneller und effizienter ausüben werden. Sie erzielen viel mehr positive Wirkung auf Führungskräfte und Mitarbeiter in den Projekten gleichermaßen. Damit legen sie den Grundstein für das, worauf modernes Ideenmanagement einzahlt. Denn das Potenzial der Rollenveränderung der Ideenmanager steckt vor allem in seinem ­Wirkungskreis – nämlich dem gesamten Unternehmen und all seinen Mitarbeitern. Damit wäre die Bezeichnung Potenzialentfalter für Ideenmanager dann Programm.

Der Ideenmanager – Potenzialentfalter mit Methode. Praxiseinblick Deutsche Bahn AG

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Literatur Pinchot, G. (1985), Intrapreneuring, Seiten 67–74, Gabler Verlag. Wiesbaden

Thorsten Gänsch  ist Leiter des Ideen- und betrieblichen Innovationsmanagements der Deutschen Bahn AG. Mit seinen rund 30 Mitarbeitern setzt er ein neues kundenzentriertes Leistungsportfolio zur Förderung betriebsnaher Innovationen um. Im Fokus stehen dabei die Kompetenzentwicklung seiner eigenen Mitarbeiter sowie die Etablierung eines agilen Mindsets. Intuitive digitale Workflows auf einer neuen Plattform dienen der Vernetzung und Steuerung von Verbesserungs- und Innovationsthemen; methodische Begleitung bringt die Ideen in den Geschäftsfeldern der Deutschen Bahn zur Umsetzung. Pia Schädler  verantwortet seit Anfang 2018 das Programmmanagement des digitalen Traineeprogramms im Team New Digital Business der Deutschen Bahn AG. Sie hat ihre Karriere als Junior-Beraterin im Ideenmanagement gestartet, wo Sie proaktiv die Neuausrichtung des Ideen- und Innovationsmanagements der DB AG im Rahmen eines Change Prozesses begleitete. Sie engagierte sich in unterschiedlichen konzernübergreifenden Initiativen, wie u. a. Arbeitswelten 4.0, Zukunft Bahn und etablierte gemeinsam mit anderen Konzerneinheiten ein Pool an Experten für das Thema Meeting Effizienz. In der Rolle als Intrapreneurin entwickelte Sie 2017 im Rahmen des Gründungsprogramms der DB AG „DB Intrapreneurs“ ein eigenes digitales Geschäftsmodell.

Dialogformate für die Ideengenerierung Evelyn Firydus, Justin Krampe und Markus Lehleiter

Inhaltsverzeichnis 1  H  intergrund  2  D  efinition und Einordnung  3  Typen von Dialogformaten  3.1  Dialogformate zur Inspiration  3.2  Dialogformate zur Vernetzung  3.3  Dialogformate zur Ideengenerierung  3.4  Dialogformat zur Weiterentwicklung von Ideen  3.5  Dialogformate zur Wertschätzung  4  Fazit  Literatur 

 156  157  157  157  158  160  162  164  165  165

Zusammenfassung

Dialogformate sind ein Erfolgsfaktor, um langfristiges Ideenmanagement in Unternehmen zu implementieren. Sie fördern zusätzlich eine offene Unternehmenskultur. Der Finanzdienstleister Union Investment setzt bei diesen Formaten auf fünf unterschiedliche Schwerpunkte: Dialogformate zur Inspiration der Mitarbeiter, zur Vernetzung, zur Ideengenerierung, zur Weiterentwicklung und als Anerkennung von Leistung. Mit diesen Formaten werden die wichtigsten Teilnehmer im Ideenprozess adressiert – die Ideengeber, Entscheider und Umsetzer  – und die Kommunikation sowie der Austausch zwischen diesen Gruppen gefördert.

E. Firydus (*) · J. Krampe · M. Lehleiter Union Investment GmbH, Frankfurt am Main, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_15

155

156

1

E. Firydus et al.

Hintergrund

Die Union Investment Gruppe ist der Experte für Fondsvermögensverwaltung in der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Seit über 60 Jahren entwickelt Union Investment Anlagelösungen für private und institutionelle Investoren. 3074 Mitarbeiter betreuen ein verwaltetes Vermögen von rund 338,4 Milliarden Euro in 1239 verschiedenen Fonds. Insgesamt vertrauen Union Investment über 4,4 Millionen Kunden ihr Geld an. (Stand: 30. September 2018) Das Fördern von Innovation und Ideen ist als Teil des Leitbildes von Union Investment eine wichtige Säule für den Unternehmenserfolg. Das Innovationsmanagement, das dieses Ziel unterstützt, ist in der Konzernentwicklung von Union Investment verankert und wird von uns, den Autoren aus der zuständigen Abteilung, vorangetrieben. 2013 implementierten wir die Ideen- und Innovationsplattform namens UInnovation. Damit schufen wir eine zentrale Plattform, die es allen Mitarbeitern ermöglicht, Ideen auszutauschen, unternehmensweit bekannt zu machen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Außerdem war es uns wichtig Transparenz zu schaffen: Transparenz über die Idee, das Feedback der Kollegen und nicht zuletzt über den Bearbeitungsstand einer Idee. Unterstützt durch das Top-­Management konnten wir die Prozesse einfach halten, eine anonyme Eingabe von Ideen als Option anbieten und eine immer offenere Kommunikation ermöglichen. Die Plattform ist heute etabliert und hat einen sehr hohen Bekanntheitsgrad im Unternehmen. Die Anzahl der Ideen, Kommentare und Bewertungen steigt kontinuierlich. Dies ist nicht selbstverständlich. Die Praxis zeigt: Ideenplattformen gibt es viele, ein nicht unerheblicher Anteil davon ist jedoch nach zwei bis drei Jahren inaktiv. Warum es uns gelingt, die Plattform am Laufen zu halten, hat vielfältige Gründe. Technisch ist sie immer besser geworden: visuelle Darstellungen, eine gesteigerte Usability, neue Informationsfunktionen, verbesserte Reportings und viele andere Features sind nach und nach hinzugekommen. Auch operativ konnten wir uns verbessern: Die Qualität der Feedbacks zu den Ideen stieg kontinuierlich, die Bearbeiter wurden immer professioneller und schneller. All das sind relevante Erfolgsfaktoren, die für den Fortbestand einer Plattform immens wichtig sind. Eine weitere Komponente, die nicht direkt quantifizierbar ist, erscheint uns aber besonders wichtig: Die vielfältigen Dialogformate, die ergänzend zur Ideenplattform entstanden sind. Unmittelbar nach dem Start der Plattform war uns klar, dass wir mehr brauchen als nur eine Austauschplattform für Ideen und Informationen. Langfristig konnten wir Kollegen nur begeistern, wenn wir Kontaktpunkte und Formate schaffen, die die berühmten Aha-Erlebnisse schaffen. Wir haben viele Dialogformate ergänzend zur Plattform ausprobiert. Einiges ging schief, erstaunlich viel hat aber gut funktioniert und wurde angenommen. Im Folgenden berichten wir über die Formate, die besonders gut funktioniert haben.

Dialogformate für die Ideengenerierung

2

157

Definition und Einordnung

Der Dialog ist eine der wertvollsten Methoden, die ein Unternehmen hat, um neue Geschäftsideen zu entwickeln. In einer Studie nennen Vorreiterunternehmen aus deutschen KMU-Unternehmen den Dialog mit Mitarbeitern und Kunden sowie die Wettbewerbsbeobachtung/Marktanalyse als wichtigste Quellen, um neue Ideen zu finden (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2017). Dabei ist die Nutzung der Schwarmintelligenz, also der Ideen von Vielen, nichts Neues. Das britische Parlament schrieb beispielsweise bereits 1714 einen Wettbewerb aus, mit dem Ziel eine Methode zu finden, um den Längengrad möglichst praktikabel zu bestimmen (vgl. Gassmann 2013, S. 4). Laut Definition ist der Dialog ein Gespräch, das zwischen zwei oder mehreren Personen oder Interessengruppen beziehungsweise Stakeholdern und Stakeholdergruppen geführt wird „mit dem Zweck des Kennenlernens der gegenseitigen Standpunkte“ (Duden 2018). Dieser Austausch kann auf unterschiedliche Art und Weise gestaltet werden. Entscheidend hierfür sind das Ziel des Formats und die damit verbundene Setzung von Schwerpunkten. Im Ideengenerierungsprozess kann ein Ziel oder Zwischenziel, etwa die Umfeldanalyse und Problemerkenntnis, die Ideengenerierung mit Suchfeldbestimmung oder die Ideenrealisierung umfassen (vgl. Verworn und Herstatt 2000, S. 11). Im Folgenden stellen wir unterschiedliche Dialogformate vor, die die Ideengenerierung unterstützen. Der Begriff „Dialogformate“ bezieht sich in diesem Beitrag auf Austauschformate zwischen Stakeholdern von Ideen, die offline stattfinden.

3

Typen von Dialogformaten

Für das Innovationsmanagement von Union Investment wurden Dialogformate mit fünf unterschiedlichen Zielen entwickelt. Diese sind nicht komplett trennscharf voneinander abzugrenzen, haben jedoch klar definierte Schwerpunkte, die wir in diesem Kapitel detaillierter erläutern.

3.1

D  ialogformate zur Inspiration

Manch eine gute Idee musste einen frühen Tod durch eine Killerphrase sterben: „Das geht nicht.“, „Das werden unsere Kunden nicht mögen.“ oder „Dafür ist der Markt noch nicht reif.“ (vgl. Horton 2016). Daher ist es wichtig, Formate zu schaffen, die inspirieren und aufzeigen, was bereits möglich ist. Impulse von außen können Ansatzpunkte für neue Ideen liefern und helfen, Widerstände zu brechen. Denn die Betriebsblindheit kann dazu führen, dass interne Ideen verworfen werden und erst durch einen Impuls von außen als

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E. Firydus et al.

mögliche Lösung gesehen werden (vgl. Gassmann 2013, S. 17 ff.). Wichtig ist, neben dem Aufzeigen der Chancen neuer Entwicklungen, die Risiken nicht zu verschweigen. Bei Union Investment haben wir zwei Dialogformate zur Inspiration etabliert: Veranstaltungsreihe Innovation & Digitalisierung Auf regelmäßiger Basis laden wir externe Referenten ein, die einen Impulsvortrag zu einem Thema aus dem Bereich Innovation oder Digitalisierung halten. Im Anschluss findet eine Austauschrunde mit Diskussion der Inhalte statt. Ziel dieser Veranstaltung ist es, Impulse zu setzen und aufzuzeigen, was technisch bereits möglich ist. Bei den Referenten kann es sich um Start-ups, Wettbewerber, Redner aus der Wissenschaft und branchenfremde Vorträge handeln, die zu Themen wie Künstliche Intelligenz, Blockchain oder Nachhaltigkeit referieren. Die Impulse aus den Vorträgen, beispielsweise identifizierte Chancen und Risiken, können die Teilnehmer für die Generierung von eigenen Ideen nutzen. Trendworkshop Im Gegensatz zur Veranstaltungsreihe Innovation & Digitalisierung verschafft der Trendworkshop einen allgemeinen Überblick über Zukunftstrends, die Experten in den nächsten fünf bis sieben Jahren erwarten. Dies beinhaltet politische, ökonomische, soziale, technologische, regulatorische und ökologische Trends, die sowohl positive als auch negative Implikationen auf das Geschäftsmodell haben können (vgl. Abb. 1). Teilnehmer können anschließend den Status Quo besser einschätzen und Potenziale für Veränderung ableiten.

3.2

D  ialogformate zur Vernetzung

Austausch und Vernetzung sind ein entscheidender Punkt bei der Ideengenerierung. Dies zeigt beispielsweise die Anzahl der gewährten Patente in der USA, die mit zunehmender Urbanisierung und Vernetzung der Bürger anstieg (vgl. Abb. 2). Der Austausch mit anderen hilft, neue Perspektiven kennenzulernen und einzunehmen sowie die Bedürfnisse und Probleme anderer Stakeholder zu verstehen. Auf allen Ebenen, insbesondere an Schnittstellen in Unternehmen, lohnt es sich den Austausch zu fördern. Dafür haben wir zwei Dialogformate etabliert – die Mittagslotterie fördert den internen Austausch, Innovare den externen. Mittagslotterie Alle Mitarbeiter können sich bei der Unternehmenskommunikation zur Mittagslotterie anmelden. Diese lost alle zwei Monate jeweils drei Kollegen aus, die sich zum Mittagessen treffen. Bei der Lotterie sind Mitarbeiter aus allen Hierarchieebenen und Bereichen vertreten. Dadurch werden Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen zusammengebracht und erhalten so einen übergreifenden Blick auf das Geschäftsumfeld. So

Robotik PSD2

FinTech / Digitalisierung

5. EU-Geldwäscherichtlinie

Nachhaltigkeit EU Aktionsplan CLOUD-Act

Vertriebsstruktur / Honorarberatung

EU-Verordnung zu Verbriefungen

EU Corporate Governance Framework

Uploadfilter

MiFID-Review

Bedingungsloses Grundeinkommen

Bankensterben

Regulatorisch

Financial Transaction Taxation DSGVO

China 2025

Startup Boom

Ökonomisch

Target 2 Salden

Afrika

Sterben Autoindustrie

GAFA werden nicht besteuert

Abb. 1  Trendübersicht. (Quelle: Eigene Darstellung)

Gen Editing / Prognose

3D-Druck

Big Data

Blockchain

Clean Meat

Social Networks

Technologisch

Mind Control

Autarke Gesellschaften

Militarisierung

Europäische Integration

Handelskriege

Stammzellen Injektionen

AI

VR / AR

Ersatz Politik durch KI

Digitale Gemeingüter

Politisch

Re-Lokalisierung

Gesteuerte Gesellschaft

Nationalismus

Analogisierung

Ressourcenknappheit

Cleanup-Movement

Zero Waste

Ökologisch CircularMovement

Aggressiv ggü. Techniken

Gerontokratie

Geo-Engineering

Neue Staatkonzepte

Renaturierung

CO2 als Rohstoff

Alternative Mobilitätskonzepte

Fake Reality

Gender Shift

Gamification

Open Source / Genossenschaft

Algorithmisierung

Resonanz

Sozial

Technik als emotionaler Partner

Slow-Bewegung

Migration

Fractional Property Ownership / Sharing

Resilienz

Dialogformate für die Ideengenerierung 159

160

E. Firydus et al.

700,000 600,000 500,000 400,000 300,000

Einführung des Internets

200,000

Ausbau des Eisenbahnnetzes

2. Weltkrieg

Ford Model T

100,000 0

1820

1840

1860

1880

1900

1920

1940

1960

1980

2000

2020

2040

Abb. 2  Gewährte US-Patente stiegen mit Zunahme der Vernetzung. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Uspto United States Patent and Trademark Office 2019; Jd/AFP/dpa 2011; Landesbildungsserver Baden-Württemberg o. J.; Sager 2008)

können Kollegen beispielsweise gemeinsame Interessen identifizieren, Lösungen austauschen und erhalten Ansprechpartner für Fragen und Ideen. Innovare Innovare ist eine Meetup-Serie, die Ideen- und Innovationsinteressierte, Start-ups und Manager vernetzen soll. Es gibt jeweils ein Thema des Abends, beispielsweise digitale Ökosysteme oder die Stadt der Zukunft. Zu diesem Thema gibt es kurze Impulsvorträge und anschließende Diskussionsrunden, um Standpunkte und Wissen auszutauschen und gemeinsam erste Ideen zu sammeln. Während des Networkings im Anschluss können die Teilnehmer Kontakte knüpfen und gemeinsam Ideen diskutiert (Abb. 3).

3.3

D  ialogformate zur Ideengenerierung

Fragestellungen aus den Fachbereichen durch intelligente Dialogformate zu unterstützen ist hier der Anspruch. Dabei helfen ein passender Teilnehmerkreis sowie ein Format und ein Umfeld, das neue Assoziationsmuster begünstigt. Um Ideen zu generieren, eignen sich beispielsweise die Formate WorldCafé und Lego Serious Play.

Dialogformate für die Ideengenerierung

161

Abb. 3  Einladung zur Innovare Veranstaltung. (Quelle: GTEC 2018)

WorldCafé Beim Format WorldCafé generieren die Teilnehmer in Kleingruppen Ideen zu unterschiedliche Fragestellungen. Nach einem vorher definierten Zeitraum, beispielsweise 30 Minuten, wechseln die Teilnehmer den Tisch und bearbeiten so in verschiedenen Gruppen in kurzer Zeit unterschiedliche Themen. Pro Runde vertiefen die Teilnehmer die Ergebnisse an den Tischen weiter. Ziel ist es, möglichst viele Ideen zu sammeln. Das Format eignet sich besonders für eine frühe Phase der Ideenfindung und für ergebnisoffene Diskussionen. Erfahrungsgemäß sind die Ergebnisse am besten, wenn die Gruppen möglichst heterogen sind und die Teilnehmer zumindest über ein Basiswissen zu den vorgestellten Themen verfügen. Wichtig ist, die Ideen möglichst konkret auszuarbeiten, um im Nachgang zu wissen, was gemeint war (Abb. 4). Lego Serious Play Lego Serious Play ist eine Kreativitäts- und Strategieentwicklungsmethode, die LEGO mit dem IMD Lausanne gemeinsam entwickelt hat. Jeder Teilnehmer baut seine Ideen und Denkmodelle zur definierten Fragestellung als Prototyp und erläutert diesen. Dadurch wird Komplexes greifbar gemacht und kann durch das Erzählen am Modell von der Gruppe besser nachvollzogen werden. Während des Prozesses entsteht ein gemeinsames Verständnis der Teilnehmer und diese können so Visionen, Werte und Leitprinzipien gemeinsam entwickeln (vgl. Executive discovery and the LEGO Group 2002). Die Methode ist insbesondere für komplexe Themen gedacht, wenn sich beispielsweise durch eine neue Kundengruppe die Rahmenbedingungen ändern.

E. Firydus et al.

162

Fragestellung 1

Fragestellung 3

Fragestellung 4

Fragestellung 2

Kurztitel

Titel der Idee Beschreibung der Idee

Schema/ Grafik

Abb. 4  WorldCafé Aufbau Raum und Brainstormingkarte. (Quelle: Eigene Darstellung)

3.4

D  ialogformat zur Weiterentwicklung von Ideen

Mit diesen Formaten entwickeln wir Ideen gezielt weiter. Mithilfe von modernen Tools aus der Start-up-Welt machen Teilnehmer ihre Ideen greifbar. Etwa durch das Visualisieren in einem Storyboard oder durch die schnelle Entwicklung eines ersten einfachen Prototyps. Der Ideengeber oder die Umsetzer können diesen Prototyp nutzen, um das Feedback von potenziellen Kunden schnell und gezielt einzuholen und zur Produktverbesserung

Dialogformate für die Ideengenerierung

163

zu nutzen. Je früher das Feedback der Kunden eingeholt wird, desto günstiger kann sie auch scheitern oder ggf. durch einen iterativen Prozess an die Erwartungen des Kunden angepasst werden (Abb. 5).

Kosten pro Fehler

UInno-Box Mit der UInno-Box haben wir einen eigenen Intrapreneurship-Ansatz geschaffen, um Ideen und Innovationen zu fördern. Das Programm hilft, Ideen schnell und kostengünstig zur Entscheidungsreife zu bringen und bietet einen Prozess und Unterstützung für Innovatoren, damit diese ihre Idee weiterentwickeln können. Angelehnt ist die UInno-Box an ein bewährtes Programm von Adobe (vgl. Adobe Systems Incorporated 2019), das bereits mehr als 1000 erfolgreiche Tests hinter sich hat. Mit diesem Programm wollen wir die hohe Motivation der Initiatoren neuer Ideen nutzen, um Ideen schnell, unbürokratisch und günstig zu testen sowie die Initiatoren bei der Weiterentwicklung ihrer Ideen unterstützen. Während eines dreitägigen Workshops bearbeiten die Teilnehmer gemeinsam mit anderen ihre Idee und entwickeln einen ersten Prototyp. Dabei lernen sie hocheffektive Methoden und Tools kennen, erhalten fachübergreifendes Feedback und Kontakte zu Experten. Am Ende der drei Workshop-Tage pitchen sie vor einer Jury ausgewählter Führungskräfte, die hilfreiches Feedback geben. Die Teilnehmer entscheiden im Anschluss selbst, ob sie weitermachen möchten. Die Teilnehmer, die weitermachen, erhalten die UInno-Box, eine edle blaue Box mit einer Kreditkarte über 1000 EUR, ein Ideenbuch zum Stöbern, ein Handbuch zum Prozess und den wichtigsten Methoden, sowie Nützliches zur Ideenfindung. In den nächsten sechs Wochen verfeinern die Teilnehmer ihre Idee, befragen ihre Zielgruppe, rechnen einen

Planung

Entwicklung

Fertigung

Prüfung

Abb. 5  Der Faktor Zeit bei der Weiterentwicklung von Ideen beeinflusst die Kosten pro Fehler. (Quelle: Eigene Darstellung)

164

E. Firydus et al.

groben Business Case und verfeinern ihren Prototyp. Nach den sechs Wochen präsentieren die Teilnehmer ihre Idee vor dem Top-Management. Dieses kann die Idee mit entsprechendem Budget für die weitere Umsetzung ausstatten. Dadurch ergibt sich eine Schnellspur für besonders innovative Ideen.

3.5

D  ialogformate zur Wertschätzung

Die Wertschätzung von Mitarbeitern ist ein Erfolgsfaktor für innovative Unternehmen. Dies wird besonders deutlich, wenn Mitarbeiter die Möglichkeit und das Vertrauen erhalten, sich und ihre Ideen zum ganzheitlichen Unternehmenserfolg einbringen zu können (vgl. Cernavin 2007, S. 59). Die Wertschätzung der Beiträge und Beitragenden im Ideenmanagement setzt daher ein klares positives Signal im Unternehmen. Austauschformate zur Anerkennung helfen nicht nur die Beteiligten zur Ideengenerierung zu inspirieren, sondern haben eine Strahlkraft in das gesamte Unternehmen und tragen zu einer offenen Ideen- und Innovationskultur bei. Die Anerkennung durch das Top-Management wird als besonders wertvoll empfunden. Die Bedeutung von ausgesprochener Wertschätzung durch Führungskräfte für den Mitarbeiter belegen diverse Studien (vgl. ManpowerGroup Deutschland 2017; Monday Makers und Von Rundstedt 2018). Idee im Vorstand Als wertschätzendes Format haben wir die Idee im Vorstand etabliert. Hierfür wählen wir jährlich die besten Ideen aus dem Vorjahr aus. Die Wahl dieser Ideen durch das mittlere Management steigert die Akzeptanz der Veranstaltung. Die Ideeneinreicher dürfen ihre ausgewählten Ideen vor dem Vorstand präsentieren. Die Mitarbeiter nehmen dieses Format als hohe Wertschätzung wahr und es entstehen spannende Diskussionen zwischen Mitarbeitern und dem Vorstand. Als Dankeschön erhalten die Teilnehmer im Anschluss ein Zertifikat und dürfen an der jährlich stattfinden Weiterbildungstour nach Berlin teilnehmen. Jährliche Reise nach Berlin Der Vorstand lädt die Top Innovatoren, das heißt Mitarbeiter mit besonders guten Ideen oder außergewöhnlich engagierte Mitarbeiter zur Weiterbildungstour ein. Auf dieser dreitägigen Tour knüpfen die Teilnehmer neue Netzwerke, sichten Start-ups und ergründen Berlins Highlights. Berlin ist das pulsierende Start-up-Zentrum Europas und der ideale Standort für Start-ups. Dort sind die Lebenshaltungskosten nach wie vor niedriger als in vielen anderen europäischen Metropolen. Berlin zieht internationale Investoren an und hat kulturell einiges zu bieten.

Dialogformate für die Ideengenerierung

4

165

Fazit

Dialogformate sind ein wichtiges Instrument im Ideen- und Innovationsmanagement. Sie machen Innovation erlebbar, fördern Kommunikation und schaffen im Idealfall gemeinsame Erfolgserlebnisse. Das stärkt die Bindung zu den wichtigsten Kunden des Ideenmanagers: den Ideengebern, den Entscheidern und den Umsetzern.

Literatur Adobe Systems Incorporated (2019): Adobe Kickbox. What is Kickbox, https://kickbox.adobe.com/ [30.01.2019] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017): Digitale Geschäftsmodelle, Themenheft Mittelstand-Digital, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Mittelstand/mittelstand-digital-digitale-geschaeftsmodelle.pdf?__blob=publicationFile&v=7. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Cernavin, O. (2007): Wertschätzung als Produktivitätsfaktor, in: Streich, D. & Wahl, D. (Hrsg.), Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt, Personalentwicklung  – Organisationsentwicklung – Kompetenzentwicklung, Campus Verlag, Frankfurt/New York Duden, 2018, Dialog, in: duden.de, https://www.duden.de/rechtschreibung/Dialog [30.01.2019] Executive discovery and the LEGO Group (2002): The Science of LEGO® SERIOUS PLAY™, https://thinkjarcollective.com/wp-content/uploads/2014/09/the-science-of-lego-serious-play.pdf. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Gassmann, O. (2013): Crowdsourcing. Innovationsmanagement mit Schwarmintelligenz, Carl Hanser Verlag, 2. Auflage, München, 2013 GTEC (2018): Innovare – The Exclusive Innovation Meet-Up, in: Eventbrite, https://www.eventbrite.com/e/innovare-the-exclusive-innovation-meet-up-tickets-52479281945. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Horton, G. (2016): Killerphrasen-Bingo schützt die Kreativität, in: Zephram, http://www.zephram. de/blog/workshop/killerphrasen-bingo-kreativitaet/. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Jd/AFP/dpa (2011): Das World Wide Web wird eröffnet, in: Focus online, https://www.focus.de/digital/internet/internetgeschichte/vor-20-jahren-das-world-wide-web-wird-eroeffnet_aid_652877. html. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Landesbildungsserver Baden-Württemberg (o.J.): Die Rolle der Eisenbahn, http://www.schule-bw. de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/geschichte/unterrichtsmaterialien/sekundarstufe-II/19jahrhundert/usa/industrialisierung-usa/eisenbahn.html. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 ManpowerGroup Deutschland (2017): Bevölkerungsbefragung Jobzufriedenheit 2017, https:// www.manpowergroup.de/fileadmin/manpowergroup.de/ManpowerGroup_Studie_JobzufriedenJobz_2017.pdf. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Monday Makers/Von Rundstedt (2018): Fast jeder Zweite hat den Montagsblues, in: Statista, https:// de.statista.com/infografik/14345/gruende-warum-befragte-nicht-gern-zur-arbeit-gehen/. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Sager, G. (2008): Erfindung des Ford Modell T.  Der kleine Schwarze, in: Spiegel Online, http:// www.spiegel.de/einestages/100-jahre-ford-modell-t-a-947930.html. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019

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E. Firydus et al.

Uspto United States Patent and Trademark Office (2019): U.S. Patent Activity Calendar Years 1790 to the Present, https://www.uspto.gov/web/offices/ac/ido/oeip/taf/h_counts.htm. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019 Verworn, B./ Herstatt, C. (2000): Modelle des Innovationsprozesses, Working Paper, No. 6, Hamburg University of Technology (TUHH), Institute for Technology and Innovation Management (TIM), Hamburg, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:830-opus-1607. zuletzt zugegriffen am 30.01.2019

Evelyn Firydus  treibt gemeinsam mit den Co-Autoren das übergreifende Innovationsmanagement von Union Investment voran. Ihre Schwerpunktthemen Dienstleistungsmarketing und International Management, sowie ihre Erfahrung aus der Eventorganisation und Kommunikation, setzt sie für die Weiterentwicklung des Innovationsmanagements ein. Besonders relevant ist für sie die Intensivierung einer zielgruppenspezifischen und innovativen Kommunikation. Als Moderatorin und Referentin leitet sie regelmäßig durch Veranstaltungen von Union Investment und ist in der Methode Lego Serious Play ausgebildet. Justin Krampe  leitet das Business Development innerhalb der Konzernentwicklung von Union Investment. Zusammen mit den Co-Autoren ist er für das übergreifende Innovationsmanagement bei Union Investment verantwortlich. Seit mehr als 10 Jahren hat er in verschiedenen Rollen strategische Wachstums- und Veränderungsprojekte vorangetrieben. Vor seiner derzeitigen Rolle war er vier Jahre als Projektleiter in einer führenden Managementberatung tätig. Begonnen hat er seine Karriere in der Konzernstrategie einer der großen Finanzinstitute in Deutschland. Seine Begeisterung für Innovation, Wachstumsinitiativen und nutzerfreundliche Lösungen treibt ihn weiter an. Markus Lehleiter  hat das Innovationsmanagement bei Union Investment aufgebaut und verfügt über 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Innovation, Strategie und Produktentwicklung. Neben der Förderung von Ideencommunities und dem Coaching diverser Intrapreneurship-­Initiativen liegt sein Fokus auf datengetriebenen Geschäftsmodellen. Als Wirtschaftsmathematiker und Finanzanalyst (CFA) hat er eine hohe Affinität zur Data Science-Bewegung und beschäftigt sich mit Machine Learning Anwendungsfällen.

Bedeutung und Einsatz von Kommunikation im Ideenmanagement der AVL List GmbH – warum Kommunikation uns weiterbringen kann Claudia Damaska

Inhaltsverzeichnis 1  2  3  4 

Einleitung  Kommunikation – die Seele des Ideenmanagements  Tu Gutes und sprich darüber! – Ergänzende Kommunikationsmaßnahmen  Fazit 

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Zusammenfassung

Der persönliche Dialog ist ein wichtiger Baustein für ein erfolgreiches Ideenmanagement und setzt einen offenen, authentischen und wertschätzenden Umgang mit Ideen und miteinander voraus. Das Ideenmanagement der AVL List GmbH berücksichtigt das in besonderer Weise. In diesem Beitrag aus der Praxis wird dargestellt, an welchen Stellen und in welcher Form Kommunikation eingesetzt wird.

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Einleitung

Der Mitarbeiter sitzt am Weg zur Arbeit im Zug. Bei der nächsten Station steigt ein Kollege aus der Firma ein und setzt sich auf den freien Platz gegenüber und fängt ein Gespräch, mit folgenden Worten an: „Wie läuft’s denn so?“ Der andere beginnt von einer Idee zu erzählen, die ihn gerade beschäftigt. Eine alltägliche Situation, die wir auch auf viele Situationen im Unternehmen übertragen können, sei es in der Kaffeeküche, im Lift, in der Kantine usw. An allen diesen Orten C. Damaska (*) AVL List GmbH, Graz, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_16

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können Ideen entstehen und diskutiert werden, unabhängig von formalen Prozessen und Systemen. Die Frage stellt sich wodurch auch immer, wir es schaffen, diese Ideen aufzugreifen und zu entwickeln? Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit, seine Idee aufzuschreiben und einzureichen, allein oder als Gruppe – egal von welcher Größe. Das ist aber nicht Kern des Ideenmanagements. Sozusagen die Seele unseres Ideenmanagements ist die Kommunikation miteinander und über diese Ideen. Im Folgenden betrachten wir daher, an welchen Stellen im Prozess wir in welcher Form Kommunikation im Ideenmanagement einsetzen.

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Kommunikation – die Seele des Ideenmanagements

Jede eingereichte Idee von einem Mitarbeiter oder in der Gruppe wird vom zuständigen Führungsverantwortlichen als Gutachter behandelt. Dafür führt er zunächst mit dem Ersteller der Idee – Einreicher – ein Gespräch, am besten persönlich durchaus auch am Telefon. Es ist für uns essentiell, dass es zu einer aktiven Kommunikation über die Ideen kommt und zwar immer! Die Zeiten wandeln sich – die Flut an E-Mails und Text Nachrichten ist noch immer am Steigen. Die Termine werden allerdings nicht weniger. Selbst dort reagieren wir dann noch auf Nachrichten auf „WhatsApp“ und Chats. Die Verdichtung der Arbeit steigt stetig an und wird durch neue und andere Formen digitaler Kommunikation und allzeitiger Verfügbarkeit und Erreichbarkeit verstärkt. Hinter jeder Idee steht allerdings nach unserem Verständnis ein Mensch, der verstanden werden will, der für seine Ideen brennt und sich letzten Endes auch darüber mit anderen Menschen im persönlichen Dialog austauschen will. Wissen wir doch, dass Kommunikation zum größten Teil aus non verbaler Kommunikation besteht, fragt man sich, warum wir nur noch viel schreiben und weniger miteinander reden? Nachfolgendend schauen wir uns an, in welchen Prozessschritten wir versuchen, miteinander über die jeweiligen Ideen zu kommunizieren: Idee wird umgesetzt Wird eine Idee weiterverfolgt, ist durch die Kommunikation gewährleistet, dass alle vom selben sprechen. Der Mitarbeiter bekommt die Gelegenheit, seine Idee auch noch weiter zu erklären. Der Gutachter hat die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sogar gemeinsam die Idee noch weiter zu entwickeln. Idee bereits geplant Wenn es eine Idee ist, die der Gutachter schon selbst in der Planung hat, wollen wir damit sicherstellen, dass sich der Einreicher auch in der geplanten Lösung wiederfindet.

Bedeutung und Einsatz von Kommunikation im Ideenmanagement der AVL List …

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Idee bereits vorhanden Bei einer Idee, für die es bereits eine etablierte Lösung der Idee im Unternehmen gibt, kann das Gespräch dazu genutzt werden, den Mitarbeiter nachhaltig zu informieren. Jede Information, die ich erhalte, wenn mich ein Problem gerade beschäftigt und zwar sogar so nachhaltig, dass ich mir einen Lösungsansatz dazu überlegt habe, merke ich mir sicher viel intensiver, wie diese etablierte Lösung funktioniert und dass vermutlich sogar für immer. Der Austausch über eine abgelehnte Idee, die bereits im Unternehmen etabliert ist, ist ein aktiver Beitrag zum Wissensmanagement im Unternehmen. Idee abgelehnt Essential für das Ideenmanagement sehen wir das Gespräch bei den Ideen, die wir nicht umsetzen. Jedem Menschen liegt seine eigene Idee sehr am Herzen. Umso mehr, wenn er sich dazu entschlossen hat, diese mit dem Unternehmen zu teilen. Wenn seine Idee nun nicht in die Strategie des Unternehmens passt, dient das persönliche Gespräch dazu, dass der • Mitarbeiter die Entscheidung besser akzeptieren kann, • Mitarbeiter sich wertgeschätzt fühlt, dass der Gutachter sich die Zeit nimmt, seine Idee zu verstehen, • Mitarbeiter motiviert bleibt. Ein weiterer Vorteil für die AVL entsteht dadurch, dass wir die Idee so zwar nicht umsetzen, sie gibt uns allerdings den Anstoß, dass wir • weiter darüber nachdenken, • unsere eigenen Muster und Arbeitsweisen erneut reflektieren, • u. U. eine andere Lösung erarbeitet haben.

Geschäftsführung – jede Idee besprochen Die Botschaft der Geschäftsführung ist eindeutig, dass eine Idee niemals für sich alleine steht. Bei der Durchsicht der Idee durch das Top-Management, werden neue Verknüpfungen injiziert. D. h. bereichsübergreifend wird zuerst das Management in die Verantwortung gebracht, die Idee aus anderen Blickwinkeln zu überprüfen. Von dort werden dann Teams in die Realisierung der Ideen eingebunden. D. h. werden durch die Vorgaben der Geschäftsführung folgende Aktivitäten gefordert/angestoßen: • • • •

Weiteres Gutachten Weitere Diskussionen Meetings zu der Idee Einbindung der nächsten Ebene

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Dadurch wird zwar oftmals die Ursprungsidee in der eingereichten Form verworfen. Aus der Abstimmung und dem Diskutieren der ursprünglichen Idee entwickelt sich dann oft eine neue Idee, die besser in das Gesamtportfolio passt und deren Umsetzung dann auch noch viel zügiger von statten geht, da eine größere Überzeugung für die Idee vorhanden ist.

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 u Gutes und sprich darüber! – Ergänzende T Kommunikationsmaßnahmen

Unter dem Motto „Tu Gutes und sprich darüber!“ stellen wir jeden Monat eine Idee im Internet bzw. in der Firmenzeitung vor. Darüber hinaus geben wir im Rahmen der Mitarbeiter Informationsveranstaltungen fünf Einreichern pro Jahr die Möglichkeit, ihre Ideen vor der gesamten Führungsebene inkl. dem Eigentümer und der Belegschaft vorzustellen und zu diskutieren. Auch aus diesen Diskussionen ergeben sich regelmäßig weitere Ideen und Synergien.

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Fazit

Für die AVL List GmbH ist die Kommunikation aller Beteiligten im Ideenmanagement ein wesentlicher Erfolgsfaktor und dies wird sowohl im Prozess in besonderer Weise beachtet und berücksichtigt als auch in der täglichen Praxis gelebt. Claudia Damaska  ist seit 24 Jahren bei AVL List GmbH Teil des IMS-Teams und seit 15 Jahren für das globale Ideenmanagement verantwortlich. Unter anderem ist sie auch als interne Moderatorin Rund um die Themen Innovation, Industrialisierung, Ideenmanagement tätig und betreut globale IMS Tagungen.

Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann Olaf Melzer und Hans-Dieter Schat

Inhaltsverzeichnis Literatur 

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Zusammenfassung

Change-Management-Ansätze sind in vielen Unternehmen weithin bekannt, werden aber bislang wenig und kaum systematisch auf Veränderungen angewendet, die im Rahmen eines funktionierenden Ideenmanagements auftauchen. Hier liegen ungenutzte Potenziale, die empirisch nachgewiesen sind und mit einigen Vorschlägen aus Theorie und Praxis gehoben werden können. Über den Zuschnitt eines Change-­Management-­ Begriffs, die Berücksichtigung von Changephasen und der vorgängigen Klarheit über bestimmte Rollen bei den geplanten Veränderungen kann das Ideenmanagement in Wirkung und Nutzen profitieren. Unternehmen, Märkte und Führungskräfte sind mittlerweile dauerhaft mit Veränderungen in steigenden Dynamiken konfrontiert. Gründe dafür sind vielfältig und liegen u. a. in den Anforderungen und Änderungen der VUCA-Welt, der digitalen, demografischen und weiteren Transformationen. Der Begriff der VUCA-Welt, der volatilen, unsicheren, komplexen O. Melzer (*) ES.P/B.E.A.T Team, DB AG, Frankfurt, Deutschland E-Mail: [email protected] H.-D. Schat Institut für Public Management, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Essen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_17

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und mehrdeutigen (ambigious) kommt aus dem politisch-militärischen Sprachgebrauch und bezeichnet die Welt der mehrfach veränderten Rahmenbedingungen der letzten 20 Jahre in Politik und Wirtschaft, die gewohnte Planungsansätze und Change-­Management-­ Ansätze als nicht mehr ausreichend deklassiert. Als Transformationen bezeichnen wir langkettige und multi-dimensionale Veränderungen z. B. innerhalb eines Unternehmens, die Auswirkungen auf Strategie, Struktur, Kultur und Kunden haben. Doch Unternehmen haben immer schon bewährte Mechanismen entwickelt, auf Veränderungen rasch und situationsgerecht zu reagieren. Schrieb John P Kotter 1996 noch von den verschärften Herausforderungen der sich wandelnden Anforderungen an Unternehmen und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit von Change-Management-Ansätzen, liegen 20 Jahre später aktuelle Forschungsergebnisse vor, die die Bedeutung von Change und Innovation unterstreichen (EFI 2019; Gergs 2016). Das bedeutet, dass Change-­ Management-­Ansätze, -Methoden und -Instrumente nicht mehr nur zu bestimmten Zeiten bei definierten größeren top down geplanten Veränderungsprojekten professionell geplant und eingesetzt werden muss, sondern dass Anforderungen an professionelles Veränderungsmanagement in allen Unternehmensbereichen bereits etabliert sein muss, um weiterhin erfolgreich am Markt zu bestehen. Anzeichen für die gewachsenen und weite Verbreitung von Change-Management-­ Ansätzen in den letzten knapp 20 Jahren in Unternehmen sind vielfältig, u. a. weil Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter in Bezug auf Steuerung in dynamischen Märkten und damit auch an Change Kompetenzen allgemein steigen (mutaree 2019). Das belegen einige übergreifend von Praktikern und Wissenschaftler durchgeführten Studien. „Change Management ist in Unternehmen keine Projektaufgabe mehr, sondern als Handwerk = Können und Profession institutionalisiert. Wandel wird professionell und mit hoher Methodenkompetenz gesteuert.“ (mutaree 2016). Damit ist freilich noch keine positive Aussage über die gestiegene und für erfolgreiche Change-Vorhaben notwendige allgemeine Change-Kompetenz oder Change-Prozesssteuerungskompetenz bei Führungskräften und Mitarbeitern getroffen (ebenda, mutaree 2019). Ein weiterer Beleg für die allgemeine Verbreitung von Change Management kommt auch aus aktuellen Studien zum Ideenmanagement. Ideenmanagement beinhaltet in sich bereits immer Change-Management-Aktivitäten und kann ideengeschichtlich als ein Vorläufer moderner Change-Management-Ansätze gesehen werden. Aktuelle quantitative Studien belegen, dass Change Management ein etabliertes Ideenmanagement in Unternehmen > 5000 Mitarbeitern positiv unterstützt. (Landmann und Schat 2018). Change Management ist in den befragten Unternehmen dieser Größe bekannt und etabliert, wird aber bisher nur selten gezielt für den Nutzen des Ideenmanagements eingesetzt. Hier liegen noch ungenutzte Potenziale, Wirkungsgrade des Ideenmanagement, messbar in be­ rechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter pro Jahr und Anzahl der Verbesserungsvorschläge pro Mitarbeiter pro Jahr zu erhöhen. Die generelle Unterstützung und Stärkung von Ideenmanagement durch Ansätze und Methoden des Change Management sind sinnvoll, weil der Nutzen von Ideenmanagement für Unternehmen durch Berücksichtigung von jeweils auf die Idee und daraus resultierende

Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann

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Veränderungen passenden begleitenden Change-Management-Aktivitäten zusätzlich erhöht werden kann. (siehe Datensatz Landmann und Schat 2018b Schat). Anwendung von Change-Management-Ansätzen und Methoden auf Ideenmanagement können für mehrere Anwendungsdimensionen nützlich sein: a) Change Management als Unterstützung bei der Einführung/Gründung/Ausbau des Ideenmanagements, um Ideenmanagement von Beginn an zu stärken; hier ist die Kommunikation des Nutzens von Ideenmanagement und der ggf. wahrgenommene Erfolg der Partizipationserweiterung für Mitarbeiter ein Erfolgsfaktor. b) Change Management als Unterstützung bei der Ideenumsetzung/Implementierung von Ideen aus dem Ideenmanagement im Unternehmen. Ziel ist hier, die durch die neue zu implementierende Idee generierten Veränderungen erfolgreich zu gestalten, die Umsetzung zu erleichtern und dadurch die Akzeptanz der Idee (z. B. geänderter Arbeitsprozess) zu erhöhen und das Einüben neuer Prozesse zu beschleunigen, um dadurch „Rüstzeiten“ oder Lernzeiten zu sparen und die Produktivität insgesamt nicht zu gefährden. c) zugleich den messbaren Nutzen des Ideenmanagements zu stärken, in dem z. B. die Durchlaufzeit von Ideen bis zur Umsetzung verkürzt werden. Auch wenn gegenwärtige Herausforderungen der gleichzeitigen Transformationen in digitaler, demografischer und vielerorts erkennbarer gesellschaftlich-politischer Hinsicht Führungskräften in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft drohen, dass ebendiese Änderungen nicht planbar und besser oder ausschließlich mit agilen Vorgehen bewältigbar seien, sind doch die Mehrheit der betrieblichen Ideenmanagementvorhaben an internen Prozess- oder Produktverbesserungen oder Nutzenoptimierung für die Kunden ausgerichtet, so dass spürbarer Nutzen auf Mikro-, Meso- und ggf. auch Makrolevel mit einem funktionierenden Ideenmanagement erzielt werden kann. Diesen Nutzen zu erhöhen, zeigt unternehmerischer Sinn und ist in Unternehmen mit z.  B. funktionierenden KVP-Systematik oder etablierten Ideenmanagementsystemen bereits geübte Praxis; Zudem sind ideengeschichtlich die Anfänge des Toyota-­ Produktionssystems und des späteren daraus abgeleiteten Lean Managements ebenfalls Formen des Wandels, der zum Nutzen der Produktivität und des Kunden auch die Mitarbeiter (den Shopfloor) und Führungskräfte in den Blick nahm. Auch dieser Wandel zeitigte bereits Methoden der Beteiligung und direkten Einbeziehung der Beteiligten, „der Profis der Prozesse“ mit Methoden des Change Management in einen erfolgreicheren Umsetzungsprozess von i. d. R. von Mitarbeitern generierten Ideen einzubinden. Betrachten wir die beiden sich gegenseitig sinnvoll ergänzenden Ansätze von Ideenmanagement und Change Management; vorab zwei Definitionen. Ideenmanagement kann als eine Kombination von Betrieblichen Vorschlagswesen und Qualitätsmanagement/TQM bzw. aus einem kontinuierlichen Verbesserungsprozessen mit Wurzeln im Toyota Management System gesehen werden und ist in Indus­ trie, Banken und Dienstleistungssektoren weit verbreitet. (siehe Schat 2016, 2018). Es dient der Identifikation, Prüfung und Umsetzung von Verbesserungsideen aus allen

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Bereichen eines Unternehmens mit dem Ziel Verbesserungen in Bezug auf Prozesse, Produkte oder allgemeinen Kundennutzen zu erwirken. Innovationen können dabei, müssen aber nicht Ziel eines Ideenmanagements sein. Ideenmanagement ermöglicht es den Beschäftigten, sich durch die Mitarbeit in Arbeitsgruppen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses oder mit Verbesserungsvorschlägen im Rahmen des Vorschlagswesens am betrieblichen Geschehen zu beteiligen. So kann das Ideenmanagement auch als Führungsinstrument betrachtet werden und hat einen deutlichen Einfluss auch die Unternehmenskultur. „Change Management ist die zielgerichtete Analyse, Planung, Realisierung, Evaluierung und laufende Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen“ (Vahs 2009).

Change-Management-Ansätze aus betriebswirtschaftlicher Perspektive fokussieren vor allem auf eine stärkere Prozess-, Kunden und Kompetenzorientierung interner und externer Stakeholder und verfolgen die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Strukturen und Prozesse. (Vahs 2015, S. 269.) Andere, eher interdisziplinär und sozialwissenschaftlich angereicherte Perspektiven sehen Change Management als kurz- bis mittelfristig angelegte Ansätze und als umgangssprachlichen Sammelbegriff für alles, was an Veränderungen in Organisationen praktiziert wird (Doppler und Lauterburg, 2008, S.  100). Change-­Management-Ansätze versammeln heute dabei multiperspektivisch und interdisziplinär Methoden und Instrumente aus Betriebswirtschaftslehre, Psychologie, Sozialwissenschaften und Technik bzw. Ingenieurwesen – und Beratungen aller Couleur. Das bietet den Vorteil, dass sie Spielraum lassen, passende Ansätze, Vorgehensweisen und Instrumente für die jeweilige Art und Größe eines Veränderungsvorhabens auszuwählen und dabei Unternehmensgröße- und Kultur, Branche und Reifegrad der Organisation und der beteiligten Menschen zu berücksichtigen. In dieser Allgemeinheit sind Change-­ Management-­Ansätze bzw. ausgewählte Elemente daraus daher auch für den Auf- und Ausbau eines Ideenmanagements oder die Begleitung zur Implementierung von neuen und erfolgreich bewerteten Ideen im Rahmen eines im Unternehmen etablierten Ideenmanagements anwendbar. Wir beschränken uns im Folgenden auf eine kurze Auswahl von einfach anwendbaren und bekannten Elementen des Change Managements, die m. E. rasch auf etablierte Ideenmanagementmodelle in Unternehmen angewendet werden können. a) Den Change-Management-Begriff zugeschnitten auf eine im Rahmen einer bereits im Bewertungsverfahren/Stage Gate Prozesses erfolgreich bewerteten Idee, b) Die Berücksichtigung der Changephasen bei der Bewertung der Idee im Rahmen des Ideenmanagements und ihrer prospektiven Implementierung nach erfolgreicher Bewertung, c) Wesentliche Rollen im Changeprozess bei der Umsetzung und Implementierung einer Idee aus dem im Unternehmen bereits etablierten Ideenmanagement.

Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann

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Zugeschnittener Changebegriff Im Rahmen von Change-Management-Unterstützung für ein bereits etabliertes Ideenmanagement scheint ein prozessualer Change-Begriff passend. Hier bietet sich die Definition von Change-Prozessmanagement an, das die „permanente Initiierung, Planung, Steuerung und Kontrolle von innovativen Vorhaben unter Berücksichtigung der persönlichen Sichtweisen von Beteiligten und Betroffenen“ im Blick hat. (Streich 2006, S. 34). Die Steuerung eines solchen Change-Prozesses z. B. zur Umsetzung einer Prozessverbesserungsidee muss somit inhaltliche Aspekte zur Idee und zum Prozess, Verfahrensaspekte zur Umsetzung sowie Verhaltensaspekte von den beteiligten Mitarbeitern berücksichtigen. Dabei ist zunächst unwesentlich, ob es sich um eine Idee aus einem Verfahren des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses handelt, in dem die Mitarbeiter in gemeinsamen Zirkeln auf Basis eigener Steuerung oder Verfahren die Idee eingebracht haben oder ob sie aus einem zufälligen, ungesteuerten Verfahren aus dem betrieblichen Vorschlagswesen entstanden ist. Beides sind Bestandteile von etablierten Ideenmanagementsystemen in Unternehmen. Wesentlich ist allerdings die Reichweite der aus der Idee resultierenden Veränderungen. Handelt es sich um Routineprozesse und geringfügige Änderungen von geringem oder mittlerem Ausmaß, reichen in der Regel Routineverfahren und -verhalten aus, um die Idee zu erklären, den Nutzen zu vermitteln und ein Vorgehen mit den Beteiligten zu entwickeln, wie die Implementierung mit den Beteiligten vorgenommen werden kann. Im Falle von herausfordernden und neuartigen oder weitreichenden Veränderungen sind aber eventuell innovative Verfahrensweisen und innovatives Verhalten notwendig. (Streich 2016, S. 25) In diesem Falle sind weitreichendere Change-Management Methoden in die Changeprozessteuerung zu integrieren. Mindestens muss Zeit gegeben werden, beides, innovative Verfahrens- und Verhaltensweisen einzuüben. Professionelle Change Manager und Prozessberater planen das ein. Berücksichtigung von Changephasen im Ideenmanagementprozess In der Regel haben Ideen, die aus dem etablierten System und Bewertungsverfahren eines Ideenmanagementsystems hervorgehen einige große Vorteile. Es sind meistens Ideen von Mitarbeitern und haben oftmals einen Vorschussbonus für die Akzeptanz. Zudem sind sie damit bereits „professionell“ auf das Unternehmen, die Prozess oder die Märkte bezogen. Schließlich sind Ziel, Zweck und Nutzen der Idee nach dem Bewertungsprozess stets klar formuliert (Grundsatz eines Ideenmanagementsystems). Damit unterscheiden sie Ideen im Rahmen eines etablierten Ideenmanagementsystems von vielen Changevorhaben, die top down von der Unternehmensleitung oder „der IT“ vorgegeben werden. Dennoch verursacht fast jede erfolgreich bewertete Idee, die zur Umsetzung kommt, bei ihrer Implementierung Veränderungen – bei Mitarbeitern, bei Kunden, im Umfeld, im Prozess, etc. Hier sind vor allem zwei bekannte Change-Management-Elemente zur Unterstützung des Ideenmanagements zu übertragen. Ein bekanntes Instrument im Change Management, im Projektmanagement und auch in systemischen Beratungsansätzen, um Veränderungen

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vorgängig einschätzen zu können, sind vorgängige multi-perspektivische Folgeabschätzungen, bekannt als Change-Impact Analyse, Projektumfeldanalyse oder Risikoanalyse (Pfleeger und Atlee 2006). Je nach Bedeutung und Reichweite der Idee und ihrer Folgen für Mitarbeiter, Kunden und Umfeld ist der Veränderungsumfang für alle Beteiligten abzuschätzen und auf den jeweiligen inhaltlichen, prozessualen und persönlichen Ebenen der Beteiligten vorzudenken. Für den Fall, dass die Idee und ihre Umsetzung weitreichende Veränderungen bei einer Anzahl von Stakeholdern zur Folge hat, ist zu überlegen, ob Changeunterstützung von internen oder externen Profis für die Implementierung der Idee genutzt werden kann. Weiterhin ist bei der Einführung neuer Ideen in einem Bereich eine grundsätzliche Orientierung an einem Modell der bekannten Changephasen hilfreich (Abb. 1). Auch wenn andere (Kurt Lewin, 3-Phasen, W. Krüger, 5 Phasen) theoretisch fundierte und empirisch nachgewiesene Phasenmodelle von Veränderungsprozessen zugrunde gelegt werden, durchläuft jede Veränderung in der Regel diese Phasen in unterschiedlicher Intensität in Abhängigkeit von der subjektiv wahrgenommenen Veränderungsintensität. In der Phase 2, Verneinung und der Phase 5, Ausprobieren ist jeweils intensive Interventionsarbeit durch die Change Manager zu leisten. (Siehe dazu näher: Streich 2016, S. 29 zu den einzelnen Phasen). Bei der Einführung neuer Ideen in einem Bereich ist eine grundsätzliche Orientierung an den bekannten Changephasen dieses oder einen ähnlichen Modells hilfreich. Je nach Intensitäts- und Auswirkungsgrad der Veränderungen, die die neue zu implementierende Idee mit sich bringt, können die Reaktionen der Beteiligten in den 7 Phasen unterschied-

Abb. 1  Changephasen. (Quelle: Streich 2006, S. 45 sowie Streich 2016, S. 24)

Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann

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lich intensiv ausfallen. Daher ist eine frühzeitige und institutionalisierte Berücksichtigung der Change-Phasen bei der grundsätzlichen Planung der Ideen-Implementierung sinnvoll. So kann auch ein etabliertes Ideenmanagement deutlich an Wirksamkeit gewinnen, wenn im Rahmen des Ideenmanagements bereits Verfahren und Aktivitäten eingeplant werden, die die etwaigen Auswirkungen in der Schockphase, der Phase 1, verringern, etwaige Widerstände („not invented here syndrom“) in Phase 2 rasch überwinden und zu Einsicht – Phase 3 – und Akzeptanz führen in Phase 4. Erfahrungsgemäß kann keine Phase „übersprungen“ werden, sondern der Tiefpunkt in Phase 4 ist notwendig für die aktive und selbstgesteuerte Hinwendung der Beteiligten zu neuen Verfahrens- oder Verhaltensweisen, damit diese in Phase 5 ausprobiert werden. Durch die Versuche in Phase 5 wachsen das Vertrauen und das Anwendungswissen der Beteiligten in Phase 6, so dass die neuen Prozesse, Verfahren und Verhaltensweisen in Phase 7 erfolgreich in den Arbeitsalltag inte­ griert werden können. „Je öfter solche Change-Prozesse durchlaufen werden, desto professioneller erfolgt die Bewältigung“ (Streich 2016. S. 28) und es entsteht eine Lernkurve für alle Beteiligten, in der sich Change-Erfahrung, Change-Fähigkeiten und somit auch eine gewisse Change-­ Professionalität aufbauen. Ein willkommener Nebeneffekt sowohl für Ideenmanagement als auch für die generelle Change-Kompetenz aller Beteiligten ist der zuletzt genannte. Durch die regelmäßige Anwendung und professionelle Bewältigung von (kleineren) Change-­Prozessen bauen sich Change-Mentalität und Professionalität auf, so dass auch in weiteren, ggf. weitreichenderen Veränderungsprozessen auf Erlerntes und positive Wandelerfahrungen verwiesen und gesetzt werden kann. Kurz sei auf die beiden kritischen Phasen 2 und 5 im genannten Modell verwiesen. Auf der persönlichen Ebene kann in Phase 2 die größte Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild auftreten, wenn die Veränderung, die die neue Idee mit sich bringt, als unterlegen wahrgenommen wird. Hier sind oftmals wichtige Informationen aus Phase 1, Kenntnisse über die gegenwärtige Situation, Umfeld- oder Wettbewerbsanalysen, Ergebnisse von Benchmarkings oder schlicht die Vorteile der neuen Idee noch nicht verstanden worden. Eine Verdeutlichung dieser Informationen und der genauen Zielorientierung, der Herausstellung des Nutzens für die Beteiligten kann auf der Sachebene sinnvoll sein. Auf der emotionalen Ebene sind eher Promotorenmodelle sinnvoll, indem z.  B. auf bereits erfolgreich erfolgte Ideen/Änderungen verwiesen wird oder bereits vom Nutzen überzeugte Kollegen den Dialog suchen. (Streich 2016, S. 29) In der Phase 5 hingegen sind andere Interventionen mit einem Fokus auf offene Diskussion und Herstellung von Transparenz sinnvoll. Hier bestehen Chancen, die Fehlerkultur im Unternehmen zu verbessern, indem in Fehlermeetings oder Reviews gemeinsame Learnings herausgearbeitet werden. Ziel ist hier, über Transparenz am Prozess/am Umsetzungsstand der Idee zu lernen und Prozessbewertungen des neuen Verfahrens/der neuen Idee durchzuführen. Wichtig ist hier, dass die von der Idee bzw. am Prozess beteiligten Stakeholder beteiligt sind.

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Berücksichtigung von Change-Rollen im Ideenmanagement Neben der grundsätzlichen Berücksichtigung von Change-Phasen ist die Berücksichtigung von Change-Rollen im Ideenmanagement relevant, wenn Planung und Implementierung von Veränderungen durch eine Idee anstehen. Etablierte Ideenmanagementsysteme sehen in der Regel bereits Beteiligungs- und Bewertungsverfahren vor, in die Führungskräfte und Fachabteilungen eingebunden sind, um Umsetzbarkeit, Nutzen und Aufwandsabschätzungen im Rahmen der Ideenbewertung vorzunehmen. Durch diese fachliche und disziplinarische Beteiligung werden i.  d.  R. bereits erste Hürden einer potenziellen Umsetzung erkannt und über Feedback-, Kommentierungsoder Rückverweisungsverfahren bereits nivelliert. Solche Qualitäts-Checks sind in der Produktentwicklung als Stage-­Gate-­Verfahren etabliert. Dennoch kann für die erfolgreiche Implementierung bereits geprüfter Ideen, die zu Prozess- oder Produktänderungen führen, die Vorstellung der Idee und ihrer Implikationen sowie die Umsetzung der Änderungen und die spätere Implementierung die Rolle von Change-Agents sehr nützlich sein. Im Rückgriff auf eine etablierte Einteilung von Change Agents sind verschiedene Promotorenrollen zu vergeben. Im Change-Prozessmanagement können idealtypisch vier Rollen unterschieden werden. Machtpromotoren, Prozesspromotoren, Fachpromotoren und Prozessopponenten. (Streich 2006, S. 37), sowie leicht verändertes Modell der Promotorenrollen bei Kora Kristof (2010, 2013). Machtpromotoren sind Unternehmensleitung oder hochrangige Führungskräfte, die im Change Management ihre persönliche fachliche oder motivationale Macht zur Verfügung stellen und das Changevorhaben sachlich, persönlich und mit ihrem Einfluss unterstützen. Im Rahmen eines etablierten Ideenmanagementsystems erfolgt das z. B. durch die regelmäßige Würdigung von Erfolgen aus dem Ideenmanagement, durch die Dokumentation des erzielten Nutzens (materiell und immateriell) oder durch Prämierungen ausgewählter erfolgreich umgesetzter Ideen. Die Fachpromotoren sind in einem etablierten Ideenmanagement i. d. R. im Rahmen des Bewertungsprozesses der Idee bereits involviert und haben Gutachten/Beurteilungen zur Idee abgegeben. Im Idealfall stehen sie der Idee entweder positiv gegenüber, sind vom Nutzen und der Umsetzbarkeit überzeugt – oder haben unterschiedliche Verbesserungen an der eingereichten Idee bereits mit den Fachabteilungen vorgenommen. Alternativ besteht ein Querschnitts- oder Überprüfungsprozess, in dem diese Verbesserungen noch vorgenommen werden können. In Changeprozessen sind nicht erst bei der Implementierungsplanung von Changevorhaben die Prozesspromotoren wichtig. Prozesspromotoren im Ideenmanagement können für die Implementierung und spätere Nutzung (des Veränderungsvorhabens) der Idee – eine neue Arbeitsweise, eine geänderte Transparenz, geänderte Rollen, geänderten Prozess, etc. – in verschiedener Hinsicht hilfreich sein. Erstens schaffen sie die Verbindung zwischen Mitarbeitern, Führungskräften und dem Ideenmanagement und moderieren im besten Fall einen Verständigungsprozess zwischen den einzelnen Stakeholdern. Zweitens kön-

Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann

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nen sie den gesamten Ideenimplementierungsprozess steuern, eine Stakeholderanalyse bereits im Rahmen der Ideenprüfung erstellen und daraus eine passende Kommunikationsplanung auf inhaltlicher, prozessualer und ggf. emotionaler und Verhaltensebene ableiten. Prozesspromotoren tragen nicht nur in Changevorhaben, sondern könnten auch im Ideenmanagement eine entscheidende Rolle innehaben, wenn sie die Changeprozess-­ Steuerung für die Implementierungsplanung der Ideen übernehmen. Sie sorgen bei Bedarf für eine klare Problemdefinition (wer hat ein Problem mit der Idee? Welche Probleme genau sind das? Sind Probleme bzw. Widerstände vorhanden?). Grundvo­ raussetzung dafür ist die vorherige Identifikation etwaiger Prozessopponenten (s. o.) und die gelingende Kommunikation mit ihnen. Prozesspromotoren sorgen für die Prozessgestaltung zur Problemlösung genau dieser identifizierten Probleme und für die Beteiligung der notwendigen Stakeholder und für die gelingende Kommunikation im Rahmen dieser Prozesse. Changeprozesssteuerung bei Change-Vorhaben erfordert hohe und für den Erfolg des Wandels notwendige Changekompetenzen in der Kombination von hoher Fach-, Methoden- sowie Sozialkompetenz. Mit diesen hohen Anforderungen sind viele Führungskräfte und Mitarbeiter oft überfordert, weil dieses spezielle Kompetenzset weder durch Ausbildungen und Studiengänge allein, sondern nur durch Erfahrung, betriebliche Changepraxis und die routinierte Anwendung der genannten Fach- und Methodenkenntnisse erlernt werden kann. Übertragen auf das Ideenmanagement wäre eine solche Rolle auf einen der Ideenmanager zu zuschneiden. Hier ist es wahrscheinlich, dass in dieser Rolle ein Sensibilisierungsprozess und ggf. ein Kompetenzaufbau bei Führungskräften und Mitarbeitern im Ideenmanagement notwendig werden kann. Zusätzlich, nicht alternativ, kann auf bestehende etablierte Change-Management-Einheiten im Unternehmen zugegriffen werden, die das Ideenmanagement speziell mit diesen Kompetenzen unterstützen. Ergänzend kommen in verschiedenen Modellen des Change Managements noch die Rolle der Beziehungspromotoren hinzu (Vortrag Kora Kristof 2013). Diese unterstützen die Prozesspromotoren bei Interaktionen mit allen Beteiligten, besonders aber im Umgang, Kommunikation und Vorgehen mit Prozessopponenten. Schließlich sind Prozessopponenten bei Changeprozessen zu identifizieren und, wichtiger noch, zu verstehen, welche Player in welcher Form welche Arten Widerstände zeigen (offen/verdeckt, laut, über Bande, etc). Hier sind die Ideenmanager mit der Rolle der Prozess- oder Beziehungspromotoren gefragt genau diese möglichen Probleme oder Wi­ derstände zu identifizieren, ggf. Konflikte friedlich zu verregeln. Widerstände mit ­Prozessopponenten können allgemein sachliche, prozessuale, politische, persönliche oder andere Gründe haben, die sie ausdrücken. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Unterstützung des Ideenmanagements mit Change-Management-Ansätzen ist auch hier, dass Change Kompetenzen und der phasenübergreifende Ansatz des Change Management frühzeitig in die Verfahren des Ideenmanagements eingebunden wird und nicht adhoc oder zu spät greift, wenn Probleme bei der Ideenimplementierung auftauchen.

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Empirische Überprüfung Wenn diese Überlegungen den tatsächlichen Zusammenhängen entsprechen, dann wäre zu erwarten, dass Organisationen, die intensiv Change-Management-Ansätze zur Unterstützung des Ideenmanagements nutzen, deutlich bessere Ergebnisse hervorbringen. Um dies zu überprüfen haben wir die Daten der Ideenmanagement Studie 2018 (Landmann und Schat 2018) ausgewertet. Für diese Studie haben wir Ideenmanager gefragt, wie intensiv sie Change-Management-Ansätze zur Unterstützung des Ideenmanagements verwenden. Die Ideenmanager konnten ihre Einschätzung auf einer Skala von 0 Punkten (ganz und gar nicht) bis 5 Punkte (maximal) eintragen. Ein Viertel der Befragten gab eine glatte Null an – in diesen Organisationen werden keine Ansätze aus dem Change Management eingesetzt, um das Ideenmanagement zu unterstützen. Offenkundig ist Change Management unter den Ideenmanagern noch nicht flächendeckend bekannt – oder Change Management wird als nur schwer umzusetzen bewertet. Ein weiteres Viertel der Befragten gab drei, vier oder fünf Punkte an. Hier gilt also: Offenkundig gibt es Ideenmanager, die um die Chancen von Change-Management-­ Ansätzen wissen und diese auch umsetzen. Diese beiden Gruppen stellen wir im Folgenden einander gegenüber, wir bezeichnen sie als Organisationen mit geringen und mit hohen Change-Management-Aktivitäten. In beiden Gruppen befinden sich etwa 50 Organisationen. Damit ist zwar keine repräsentative, aber doch eine fundierte explorative Auswertung möglich. Zunächst stellt sich die Frage, ob es Strukturmerkmale gibt, die den Einsatz von Change-­Management-Ansätzen fördern oder hemmen. Die Größe der Organisationen wird es nicht sein: Organisationen mit geringen Change-­ Management-­Aktivitäten beschäftigen im Durchschnitt 9442 Menschen, bei den Organisationen mit hohen Change-Management-Aktivitäten sind es 11.627 Menschen. Anders sieht es beim Anteil der Blue-Collar-Beschäftigten aus, also jener Mitarbeiter, die in den Prozessen in Produktion oder Dienstleistung direkt mit den Kunden arbeiten. Dieser Anteil beträgt bei geringem Change Management 51 %, bei hohem Change Management sind es 46 %. Führen mehr Change-Management-Aktivitäten zu einem höheren Eingang an Ideen? Die beiden Kennzahlen, die hier zu vergleichen sind, sind: • Die Anzahl der Ideen pro Mitarbeiter und Jahr und

Tab. 1  Input des Ideenmanagements mit geringen / hohen Change-Management-Aktivitäten

Ideen pro Mitarbeiter und Jahr Beteiligungsquote

Organisationen mit geringen Change-Management-Aktivitäten 0,3

Organisationen mit hohen Change-Management-Aktivitäten 1

25 %

39 %

Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann

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• die Beteiligungsquote, also der Anteil der Mitarbeiter, die sich innerhalb eines Jahres mit mindestens einer Idee am Ideenmanagement beteiligen, und sei es, als Teilnehmer an einem Gruppenvorschlag. Der Vergleich findet sich in Tab. 1 (vgl. Tab. 1). Die Zahlen sprechen für sich: Mehr und intensivere Change-Management-Aktivitäten führen zu mehr Ideen und höherer Beteiligung. Mehr Ideen und höhere Beteiligung sprechen zwar für die Akzeptanz von Ideenmanagement als Führungsinstrument, helfen den Organisationen jedoch nur indirekt weiter. Es stellt sich die Frage, ob es auch mehr gute Ideen sind. Es könnte die Gefahr bestehen, dass Change Management einen gewissen Druck auf die Beschäftigten ausübt, Ideen einzureichen, und diese dann irgendwelche, aber keine umsetzbaren und schon gar keine wirtschaftlich interessanten Ideen einreichen. Dann wäre eine höhere Anzahl an Ideen sogar kritisch zu betrachten. Auch hier bieten sich zwei Kennzahlen an: • Die Realisierungsquote ist der Anteil der umgesetzten Ideen an allen eingereichten Ideen. Diese Kennzahl ist kritisch für das Ideenmanagement: Ideen, die eingereicht, verwaltet, begutachtet, entschieden, dokumentiert, aber nicht umgesetzt werden, verursachen Kosten sowie Frustration bei Einreichern, Gutachtern und Ideenmanagern. Eine hohe Realisierungsquote ist also für ein erfolgreiches Ideenmanagement unbedingt anzustreben. • Der berechenbare Nutzen pro umgesetzter Idee stellt direkt den wirtschaftlichen Nutzen einer realisierten Idee dar. Die Kennzahlen für die Qualität der Ideen finden sich in Tab. 2 (vgl. Tab. 2): Die höhere Anzahl von Ideen durch mehr Change-Management-Aktivitäten führt also nicht zu einer geringeren Qualität. Die Realisierungsquote ist in Organisationen mit hohen Change-Management-Aktivitäten geringfügig höher, der berechenbare Nutzen ist um über ein Drittel höher als in Organisationen mit geringen Change-Management-Aktivitäten. Als letzte und häufig entscheidende Kennzahl bleibt der wirtschaftliche Nutzen auszuwerten. Um die unterschiedliche Größe von Organisationen zu berücksichtigen, wird hier in der Regel der berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr angegeben. Dieser Nutzen beträgt in Organisationen mit geringen Change-Management-Aktivitäten im Durchschnitt Tab. 2  Output des Ideenmanagements mit geringen / hohen Change-Management-Aktivitäten

Realisierungsquote berechenbare Nutzen pro umgesetzter Idee

Organisationen mit geringen Change-Management-Aktivitäten 42 % 13.898 €

Organisationen mit hohen Change-Management-­ Aktivitäten 46 % 18.805 €

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O. Melzer und H.-D. Schat

344 €. Organisationen mit hohen Change-Management-Aktivitäten erreichen im Durchschnitt einen mehr als doppelt so hohen Nutzen: 870 € pro Mitarbeiter und Jahr. Vermutlich ist der so deutlich höhere Nutzen pro Mitarbeiter nicht nur auf Change-­ Management-­ Aktivitäten zurückzuführen. Ideenmanager, die Change-Management-­ Ansätze aufgreifen, werden auch ansonsten im Ideenmanagement einiges richtig machen. Dennoch zeigt sich eindrücklich, dass sich Change Management zur Unterstützung des Ideenmanagements lohnt. Fazit Tatsächlich hängt es sehr stark vom Unternehmen, den Rahmenbedingungen, dem Wissensstand der Beteiligten sowie vom Reifegrad des Unternehmens, der Beteiligten und der Unternehmenskultur ab, ob und welche Methoden und Instrumente in Changeprojekten bereits angewendet werden. Die Unternehmensgröße spielt hier eine geringere Rolle, größer scheint der Einfluss der Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft; der Anteil der Blue-Collar-Beschäftigten hat einen größeren Einfluss darauf, dass Change-­Management-­ Ansätze systematisch geplant und eingesetzt werden als die reine Unternehmensgröße. Dennoch ist zu bedenken, dass ein funktionierendes Ideenmanagement in größeren Unternehmen Ideen unterschiedlicher Reichweite produziert, bei deren Implementierung in den unterschiedlichen Funktionsbereichen stets individuell passendes Change-­ Management-­Vorgehen und -Instrumentenauswahl erfolgen muss. Im Rahmen von Ideenmanagement kann auf ggf. bestehende Einheiten im Unternehmen zurückgegriffen werden. Je nach Größe und Organisationsform sind die Change-­ Experte in einer Strategie- oder Stabsabteilung oder zumeist im HR-Bereich als Unterstützungsfunktionen für das Management verortet. Als pragmatischer Ansatz empfiehlt es sich, Methoden und Instrumente zur Planung, Begleitung und Umsetzung von Veränderungsvorhaben je nach Größe und Art der Vorhaben als multi-disziplinäre Methoden und Instrumente zum Einsatz zu bringen, die bereits in Unternehmen weit verbreitet und bekannt sind. Eine einfache Liste möglicher Maßnahmen ist wie folgt denkbar: Unabhängig von der Frage, ob es sich um Prozess- oder Produktveränderungen auf Basis einer erfolgreich bewerteten Idee aus dem Ideenmanagement handelt, können folgende oftmals bekannte In­ strumente eingesetzt werden. 1) Einsatz von Projektmanagementansätzen wie z. B. PMI, die auch für kleine Projekte in reduzierter Anwendung gute Möglichkeiten bieten, erfolgreich bewertete Ideen aus dem Ideenmanagement als „Small-Scale-Projects“ von angehenden/in Ausbildung befindlichen Projektleitern umsetzen zu lassen. 2) Eine der bekannten Changekurven (Richard K. Streich, Kurt Lewin, John P. Kotter, W. Krüger) als grundlegende Information zur Verdeutlichung für Ideenmanager und Führungskräfte, was in Veränderungsprozessen bei den Beteiligten ablaufen kann.

Wie Change Management ein erfolgreiches Ideenmanagement unterstützen kann

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3) Eine Change-Impact-Analyse in die Ideenbewertung in den Stage-Gate-Prozess einbauen, um zu evaluieren, welche Auswirkungen die Idee und die daraus folgenden Veränderungen bei den Beteiligten haben. 4) Eine Stakeholder-Analyse durchführen, um zu erfassen, wer von den Veränderungen betroffen ist. Dies kann in Kombination mit einer Kraftfeldanalyse erfolgen. 5) Eine Kraftfeldanalyse machen, in der die Ideen der möglichen Befürworter, Gegner oder neutral Eingestellten erfasst werden. 6) Eine Konzipierung zum Vorgehen, in der die Befunde aus den vorgenannten Tools einfließen. 7) Auf jeden Fall müssen die Change-Rollenmodelle definiert werden. 8) Je nach Befunden aus den Schritten 1 bis 4 kann eine gesonderte Widerstandsanalyse sinnvoll sein. 9) Je nach Umfang und Bedeutung der Veränderung bzw. der Idee können hier weitere Methoden wie eine Change-Architektur, ein Change- und Kommunikationsplan oder ein einfacher Maßnahmenplan ergänzt werden. Partizipative Methoden wie Workshops zur Beteiligung und Meinungsfindung spielen hier nur in Ausnahmefällen eine Rolle, da das Ideenmanagement bereits eine qualitative, prozessuale und ökonomische Prüfung beinhaltet. 10) Kommunikation des Nutzens der Idee für Kunde, Beteiligte und Unternehmen he­ rausstellen, um eine Identifikation mit der Veränderung herzustellen. Ob in dieser vorgeschlagenen Form oder anders: Je bekannter Change-­Management-­ Ansätze in den Unternehmen mit etablierten Ideenmanagementsystemen sind, desto eher werden auch Change Ansätze zur Unterstützung des Ideenmanagements eingesetzt (H.D: Schat 2018). Ebenso gilt, dass Unternehmen mit Ideenmanagementsystemen, die Change Management begleitend einsetzen einen deutlich höheren Nutzen pro umgesetzter Idee vorweisen können.

Literatur Doppler, Klaus / Lauterburg, Christoph, (2008): Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten, Frankfurt, Campus EFI – Expertenkommission Forschung und Entwicklung (2019) Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands. Berlin: Geschäftsstelle der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). Gergs, Hans Joachim, (2016): Neue Herausforderungen an das Change Management. Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung von Unternehmen, in: O.  Geramanis/K.  Herrmann (Hrsg.): Führen in ungewissen Zeiten, Wiesbaden, Springer, S.180 – 203. https://www.mutaree.com/content/change-management-2018-herausforderungen-und-chancen, 30.03.2019 https://www.mutaree.com/downloads/Change-Fitness-Studie%202016%20Infogramm.pdf Kotter, John P. (1996): Leading Change. Boston, Massachusetts: Harvard Business Review Press.

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O. Melzer und H.-D. Schat

Kristof, Kora (2010): Models of Change. Einführung und Verbreitung sozialer Innovationen und gesellschaftlicher Veränderungen in transdisziplinärer Perspektive, Zürich, vdf Hochschulverlag. Kristof, Kora (2013): Wege des Wandels, zuletzt https://www.youtube.com/watch?v=oTbmbbjnQzY Landmann, Nils / Schat, Hans-Dieter (2018): Ideenmanagementstudie, Eschborn, HLP. Pfleeger, S.L. and J.M.  Atlee (2006). Software Engineering: Theory and Practice. Upper Saddle River, New Jersey, USA, Prentice Hall. Schat, Hans-Dieter (2016): Neuorientierung im Ideenmanagement einer Bank, in. M. Seidel (Hrsg.): Banking & Innovation, Essen, FOM Edition, S. 115 – 130. Schat, Hans-Dieter (2018a): Ideenmanagement im Change Management, HR Performance 5/2018, S. 42 – 44. Schat, Hans-Dieter (2018b):, Ideenmanagement: Was ist der Stand? Was bringt die Zukunft? Beitrag auf der interact conference, TU Chemnitz, Streich, R.K.(2006): Führungskräfte als Change-Manager. In Hofmann, L.M., Linneweh, K., Streich R.K (Hrsg.) Erfolgsfaktor Persönlichkeit, S. 34–50. Deutscher Taschenbuch Verlag, München Streich, Richard K. (2016): Fit for Leadership, Führungserfolg durch Führungspersönlichkeit, 2. Auflage, Springer, Wiesbaden Vahs, Dietmar (2009): Organisation. Ein Lehr- und Managementhandbuch, Schaeffer Poeschl, Stuttgart Vahs, Dietmar (2015): Organisation. Ein Lehr- und Managementhandbuch, Schaeffer Poeschl, Stuttgart

Olaf Melzer  ist Leiter „OPEX Fähigkeitenaufbau“ im Programm „OPEX@DBC Cargo“ und Mitglied des B.E.A.T. Teams in der Konzernleitung (Business Excellence And Transformation). In Stationen in Beratungen, Logistik und Medien (Asendia SAS, Swiss Post AG, Handelsblatt Gruppe) erlebte und gestaltete er zahlreiche Changeprozesse in Produktion, Marketing und Personal. Von 2014–2017 leitete er den Bereich IMS – Integrierte Management Systeme für die DB Cargo AG in Mainz. Seit 2004 gibt er Lehraufträge an Hochschulen, seit 2017 durchgehend für die FOM Hochschule in Mannheim in den Themenbereichen Organisation und Personal. Hans-Dieter Schat  war bei u. a. Daimler, und Fraunhofer als Einreicher, Gutachter, Führungskraft und Ideenmanager beschäftigt. Nun ist er Professor für Personalwesen an der FOM Hochschule und arbeitet als Wissenschaftler, Autor und Blogger für das Ideenmanagement. Aktuelles findet sich auf www.IdeenmanagementBlog.de

Die besten Unternehmensberater arbeiten im Reinraum – Ideenmanagement bei Infineon Austria Thomas Reisinger

Inhaltsverzeichnis 1  Ausgangslage  2  Ideenmanagement bei Infineon Austria  3  Die Rolle des Vorstands im Ideenmanagement  4  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

Da Ideenmanagement im Kern nichts Anderes als Prozessoptimierung unter Einbeziehung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen ist, kann und muss das Top Management diesem Bereich ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit schenken, wenn es nachhaltig Nutzen stiften soll. Erfolgreiches Ideenmanagement lebt aber gleichzeitig auch von flachen Hierarchien und wenig Bürokratie. Im folgenden Kapitel wird erklärt, wann und wo Top Manager im Ideenmanagement ihrer Unternehmen involviert sein sollten, und wann nicht. Dabei wird auf theoretische Herleitungen und Erklärungen weitgehend verzichtet. Vielmehr soll das Ideenmanagement aus der Per­ spektive eines Praktikers dargestellt werden. Dafür wird zuerst die grundlegende ­Struktur des Ideenmanagements von Infineon Austria präsentiert und anschließend die Rolle des Top Managements in diesem Bereich näher betrachtet.

T. Reisinger (*) Infineon Technologies Austria AG, Vorstand für Operations, Villach, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_18

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T. Reisinger

1  Ausgangslage Die Arbeit im Top Management eines großen Unternehmens ist gekennzeichnet durch vielfältige Aufgabenbereiche und hohes Verantwortungsbewusstsein. Zudem erhält man auch einen hervorragenden Überblick über alle Aktivitäten im Unternehmen. Mit der Verantwortung kommt jedoch auch ein besonders großes Maß täglichen Anfragen und möglichen Problematiken auf das Top Management zu. Die Priorisierung der einzelnen Themen und Aufgaben gehört daher zu den wichtigsten Tätigkeiten jeder Führungskraft (Drucker-­ Godard 2010, S. 505). Die allererste Frage, die man sich bei der Betrachtung der Rolle von Führungskräften im Ideenmanagement deshalb stellen muss, ist folgende: Gehört das Ideenmanagement überhaupt zum Aufgabenbereich eines Top Managers? Schon vor über 25 Jahren definierte Christiane Urban das Ideenmanagement als zen­ trale Management- und Führungsaufgabe (Urban 1993, S. 110). Bei näherer Betrachtung könnte man jedoch zum Schluss kommen, dass Vorstandsmitglieder eigentlich keinen Platz im Ideenmanagement haben. Schließlich ist die Kernfunktion des Ideenmanagements „die Ideen der Mitarbeiter zu nutzen, um so Verbesserungspotenzial zu erkennen“ (Läge 2002, S. 2). Der Kontakt mit weiten Teilen der Belegschaft ist bei den meisten Top Managerinnen und Managern allerdings nicht gegeben (Porter und Nohria 2018). Grund dafür sind vorwiegend hierarchische Strukturen und lange Wege von der Vorstandsriege bis hin zur einzelnen Mitarbeiterin und Mitarbeiter. Eine Beteiligung von Top Führungskräften im Ideenmanagement scheint dadurch weniger sinnvoll und effizient zu sein. Dem Top Management kommt jedoch eine äußerst wichtige Funktion zu, die auch für erfolgreiches Ideenmanagement unverzichtbar ist: Das Schaffen einer Unternehmenskultur (Bartlett und Ghoshal 1994, S. 88), die Ideenaustausch fordert und fördert. Darum hat sich in Forschung und Praxis die Ansicht etabliert, dass Top Managerinnen und Manager zwar operativ nicht direkt in die Prozesse des Ideenmanagements eingebunden sein sollten, ihnen jedoch trotzdem eine wichtige Rolle zukommt, indem sie das entsprechende Umfeld für den Ideenprozess erst schaffen. Auf höchster Ebene kann für ein Unternehmensklima gesorgt werden, bei dem alle Teile der Belegschaft ihre Ideen einbringen wollen und können, und in dem Vorgesetzte solche Ideen nicht nur annehmen, sondern auch belohnen (Schat 2017, S 21). Wie diese Unternehmenskultur gelebt und erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigt das Ideenmanagement bei Infineon Austria.

2  Ideenmanagement bei Infineon Austria Neue Ideen und neue Lösungen sind eine wesentliche Erfolgsgrundlage für Infineon und für den Technologiestandort Österreich. Seit Jahren verfolgt Infineon eine Strategie, die exzellentes Ideenmanagement in den Mittelpunkt stellt. Es braucht eine lebendige und kompetitive Ideenkultur, die alle Bereiche und Ebenen gleichermaßen einbezieht. Als weltweit führender Anbieter von Halbleiterlösungen bewegt sich Infineon in einer sehr

Die besten Unternehmensberater arbeiten im Reinraum – Ideenmanagement bei …

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schnelllebigen Branche. Daher ist es besonders wichtig, unsere Produkte laufend zu optimieren und die Entwicklung neuer Lösungen voranzutreiben. Mit dem Programm „Your Idea Pays“ (YIP) wurden bestehende Formen des innerbetrieblichen Vorschlagswesens bereits vor 15 Jahren konzernweit vereinheitlicht. In diesem Rahmen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innovative Ideen einreichen, die dem Unternehmen Geld sparen oder Arbeitserleichterungen darstellen. Jeder dieser Ansätze landet bei einer fachlich kompetenten Entscheiderin oder einem Entscheider, die oder der diese Idee schließlich beurteilt. Dabei geht es nicht nur um das fachliche Know-­ how, sondern vor allem um Kreativität rund um Arbeitsprozesse und deren Optimierungsmöglichkeiten. Für umgesetzte Ideen, die im Unternehmen zu Verbesserungen führen, erhalten die einreichenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Prämie. Im Geschäftsjahr 2018 wurden bei Infineon Austria insgesamt 1774 Verbesserungsvorschläge realisiert. YIP unterstützt Führungskräfte dabei, Ideen zur Lösung von Problemen zu finden und erfolgreich umzusetzen. Das Ideenmanagement bei Infineon ist ein Prozess, der klar definierten Regeln folgt. Die eingereichten Ideen müssen spezifischen Anforderungen erfüllen, um in weiterer Folge bearbeitet zu werden. Ein wichtiges Merkmal dabei ist, dass mit der Idee ein Mehrwert für das Unternehmen generiert wird. Einzelpersonen und Teams können ihre Innovationen schriftlich über ein konzernweit einheitliches Tool einreichen. An jedem Infineon-Standort gibt es ein YIP-Team, das die eingehenden Ideen prüft und an die zuständigen Stellen im Unternehmen weiterleitet. Dort wird dann die Entscheidung gefällt, ob eine Idee realisiert wird. Diese Form der Einreichung ist jedoch gerade bei kleineren Ideen, die schnell umgesetzt werden können, nicht zwingend notwendig. Für solche Ideen gibt es die Möglichkeit, einen Vorschlag direkt bei der zuständigen Führungskraft einzureichen. In beiden Fällen werden erfolgreich umgesetzte Ideen mit Sachoder Geldprämien gewürdigt. Diese klassische Form des Ideenmanagements hat sich in den letzten Jahren durchaus bewährt. Seit dem Jahr 2010 konnten bei Infineon Austria im Durchschnitt knapp 1200 Vorschläge pro Jahr umgesetzt werden, die dem Unternehmen einen Nutzen im Wert von jährlich mehr als zehn Millionen Euro bescherten. Nachdem bei YIP nur sehr konkrete Verbesserungsvorschläge berücksichtigt werden, haben wir den Ideenmanagement-­ Prozess bei Infineon Austria um weitere Programme erweitert: Mit den Initiativen „KVP“ (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und „ComMIT“, fördert das Unternehmen auch noch nicht ganz ausgereifte Ideen und unterstützt dabei, die eingereichten Vorschläge weiter zu entwickeln (Abb. 1). Damit vermeiden wir, dass Chancen für zukünftige Verbesserungen oder Vorschläge zur Kostenoptimierung ungenutzt bleiben. Abb. 1  Programme des Ideenmanagements bei Infineon Austria. (Quelle: eigene Darstellung)

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T. Reisinger

KVP bietet bewusst Platz für Vorschläge, die erst kürzlich aufgetretene Fehler und Mängel im Arbeitsablauf oder am eigenen Arbeitsplatz betreffen. Zudem bietet KVP die Möglichkeit, dass auch bereits bekannte Lösungen in anderen Bereichen erneut angewendet werden können oder aber komplett neue Umsetzungsstrategien erarbeitet werden. Außerdem soll in diesem Rahmen ein Freiraum für Kommunikation zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Vorgesetzten entstehen, was wiederum zu kreativem Austausch und einer schnelleren Umsetzung von Vorschlägen führt. Um dieses Ziel zu erreichen wurden die Schichtdialoge ins Leben gerufen, eine Plattform zur wechselseitigen Kommunikation und Diskussion von Verbesserungsvorschlägen direkt am Arbeitsplatz. ComMIT ist die unternehmensinterne Ideen-Bühne. Hier können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitreichende Ideen und Vorschläge dem Management Team in einem fünfminütigen Vortrag präsentieren. Der Fokus des Programms liegt auf dem Sichtbarmachen der Ideen, dem Herbeiführen von Entscheidungen durch das Management und der aktiven Unterstützung in der Umsetzung durch einen Ideen-Paten. Zusammen mit den neuen Initiativen KVP und ComMIT bildet das bereits etablierte YIP-Programm das neue und umfassende Ideenmanagement von Infineon Austria. Um die Durchlässigkeit zwischen den Programmen zu gewährleisten und Doppelgleisigkeiten auszuschließen, soll die Funktion eines Ideenmanagers oder Ideenmanagerin geschaffen werden, die oder der alle drei Bereiche gemeinsam verantwortet. Damit soll auch sichergestellt werden, dass die drei Teilbereiche des Ideenmanagements „kommunizierende Gefäße“ darstellen, dass also Ideen, die irrtümlich im falschen Gefäß gelandet sind ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergereicht werden. Der Erfolg aller genannten Maßnahmen ist mittlerweile auch messbar. Die Umsetzungsrate der eingereichten Vorschläge konnte innerhalb von zwei Jahren von 42 % auf 57 % Prozent erhöht werden. Größter Einflussfaktor in diesem Bereich ist der Bürokratieabbau und die verstärkte Kommunikation zwischen verantwortlicher Führungskraft und einreichenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Schichtdialogen. Dort eingebrachte Vorschläge konnten sogar zu 65 % umgesetzt werden. Von den 120 über ComMIT präsentierten Vorschlägen wurden mehr als 70 % realisiert. Durch die neue Organisation des Ideenmanagement-Prozesses wurde auch die Durchlaufzeit der Vorschläge um ca. 20 % verringert. Damit stellt sich nur noch die Frage, wie man als Top Manager solche Erfolge herbeiführen kann.

3  Die Rolle des Vorstands im Ideenmanagement Das erfolgreiche Ideenmanagement bei Infineon Austria ist zuallererst der Verdienst unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das betrifft sowohl das hervorragende Team im Bereich Ideenmanagement als auch die vielen hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit ihrer Kreativität und ihrem Know-how an neuen Ideen und Lösungen

Die besten Unternehmensberater arbeiten im Reinraum – Ideenmanagement bei …

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arbeiten. Der Anstoß für funktionierendes Ideenmanagement muss jedoch von oberster Stelle im Unternehmen kommen. Für die Etablierung eines neuen Ideenmanagement-­ Systems oder neuer Teilkomponenten ist daher das Top Management unverzichtbar. Denn nur so ist gewährleistet, dass die geplanten Initiativen möglichst nahe an den bestehenden Unternehmenszielen ausgerichtet werden. Wie schon auf zu Beginn beschrieben, ist auch ein unter Umständen notwendiger Wandel in der Unternehmenskultur ausschließlich unter Einbindung des Top Managements möglich. Je näher die konkrete Umsetzung neuer Prozesse und Strukturen im Ideenmanagement rückt, desto mehr Freiraum sollte das Top Management den verantwortlichen Expertinnen und Experten überlassen. Das bedeutet natürlich nicht, dass man Ideenmanagement völlig aus dem Blick verliert. Vielmehr sollten klare Indikatoren definiert, erhoben und regelmäßig evaluiert werden, anhand derer die Performance im Ideenmanagement bewertet werden kann. Die Mitglieder des Unternehmensvorstands haben jedoch keine operative Rolle im Ideenmanagement inne, sondern fungieren als eine Art Markenbotschafter. Kurzfristig kann dadurch das Einreichen eigener Ideen für einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiver werden. Mit der Anerkennung und Wertschätzung der eingereichten Ideen durch die Unternehmensführung steigt auch die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neue Ideen zu entwickeln. Langfristig entsteht dadurch ein Umfeld, in dem die Belegschaft aktiv nach Verbesserungspotenzial sucht und somit regelmäßig Vorschläge einreicht. Außerdem kann sich eine ständige Präsenz als Testimonial im Ideenmanagement auch auf die Führungsebenen unter dem Top Management auswirken. Dafür reicht es jedoch nicht nur aus, ideenreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre verdiente Belohnung und Anerkennung zukommen zu lassen. Auch Führungskräften, die ihren Teams die Möglichkeit geben, Ideen zu entwickeln und umzusetzen, müssen gefördert und bestärkt werden, um eine nachhaltige Veränderung und Festigung einer für Ideen aufgeschlossenen Unternehmenskultur zu bewirken. Im Fall von Infineon Austria zeigt sich die Anerkennung der Arbeit des Ideenmanagement-­ Teams sowie der kreativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die persönliche Anwesenheit der Vorstandsmitglieder in allen Phasen der Ideenfindung und Ideenumsetzung. Das beinhaltet in erster Linie die Anwesenheit bei der Präsentation von Ideen während den ComMIT-Sessions, die Übergabe von Auszeichnungen und Prämien im Rahmen von Preisverleihungen sowie Verfügbarkeit als Markenbotschafter für interne Marketingkampagnen. Der weitaus zeitintensivere aber auch wichtigere Part ist der persönliche informelle Austausch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Ideen einreichen. Das beinhaltet detaillierte Feedback-Runden nach ComMIT-Präsentationen und persönliche Anwesenheit in den Schichtdialogen, aber auch Business Brunchs, Abendessen und sonstige persönliche Meetings mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den verschiedenen Ideenmanagement-Projekten. Mit dem Einsatz des Top Managements, die Ideenmanagement-­Programme gezielt zu bewerben und zu fördern, wird auch der Mehraufwand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewürdigt, den diese bei der Entwicklung neuer Ideenneben ihrer täglichen Arbeit auf sich nehmen.

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T. Reisinger

4  Fazit Schon Victor Hugo wusste, dass „nichts stärker [ist] als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ (nach Liesegang 1999, S. 1). Aus diesem Grund muss die Kraft der Ideen immer auch von Menschen auf Bahnen gelenkt werden, in denen sie ihr volles Potenzial zum Nutzen des Unternehmens ausschöpfen können. Genau diese Rolle kommt im Ideenmanagement gerade nicht dem Top Management zu, sondern den zuständigen Ideenmanagerinnen und Ideenmanagern. Trotzdem übernehmen Führungskräfte eine wichtige Funktion im Aufbau und Erhalt eines unternehmensinternen Ideenmanagements. Während Ideenmanagerinnen und Ideenmanager die Wegbegleiter sind, muss das Top Management dafür sorgen, dass auf den Wegen keine Hindernisse liegen. Sie ebnen den Weg für erfolgreiche, operative Entscheidungen. Konkret sind die Kernaufgaben der Unternehmensführung im Ideenmanagement folgende: Erstens muss der Anstoß für neue Prozesse und Strukturen im Ideenmanagement immer von der Unternehmensspitze ausgehen. Umsetzung und Erhaltung obliegt jedoch den zuständigen Expertinnen und Experten. Gleichzeitig muss die Unternehmensführung dem Ideenmanagement trotzdem kontinuierlich Zeit und Aufmerksamkeit widmen. Einerseits muss in den unteren Führungsebenen die Umsetzung von Ideen ständig gefordert und gefördert werden. Andererseits muss der Belegschaft die Wertschätzung ihres Inputs glaubhaft vermittelt werden. Das funktioniert nur durch ständige Präsenz des Top Managements in allen Bereichen von der Ideenentwicklung über die Umsetzung bis hin zur Würdigung besonders erfolgreicher Projekte. Erst in solch einem Umfeld werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zeit finden, sich Gedanken über Verbesserungen zu machen, und die Vorgesetzte den nötigen Willen für eine schnelle Umsetzung aufbringen.

Literatur Bartlett, Christopher A., Ghoshal, Sumantra (1994). Changing the role of top management: Beyond strategy to purpose. Harvard Business Review, 6, 79–88. Bounois, Frank, Duval-Hamel, Jérôme, Roussillon, Sylvie, Scaringella, Jean-Louis (Hrsg.). (2010). Handbook of Top Management Teams. London: Palgrave Macmillan. Drucker-Godard, Carole. (2010). Everyday Management of Top Executives´ Priorities. In Bounois et al. (Hrsg.), Handbook of Top Management Teams (505–512). London: Palgrave Macmillan. Läge, Karola. (2002). Ideenmanagement: Grundlagen, optimale Steuerung und Controlling. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag. Liesegang, Dietfried G. (1999). Integrierte Managementsysteme für Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit. Berlin: Springer-Verlag. Porter, Michael E., Nohria, Nitin (2018). How CEOs manage time. Harvard Business Review, 4, 42–51. Schat, Hans-Dieter. (2017). Erfolgreiches Ideenmanagement in der Praxis. Wiesbaden: Springer Gabler. Urban, Christiane. (1993). Das Vorschlagswesen und seine Weiterentwicklung zum europäischen KAIZEN. Konstanz: Hartung-Gorre.

Die besten Unternehmensberater arbeiten im Reinraum – Ideenmanagement bei …

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Dr. Thomas Reisinger  ist seit 2014 Vorstand für Operations der Infineon Technologies Austria AG, einem Tochterunternehmen der Infineon Technologies AG. Bereits zuvor zeichnete er mehr als 10 Jahre für die Fertigung einzelner Standorte oder Produktionsbereiche von führenden Unternehmen der Mikroelektronik-Industrie verantwortlich. Für die erfolgreiche und nachhaltige Umgestaltung des Ideenmanagements von Infineon Austria wurde er vom Österreichischen Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitszentrum zur besten Führungskraft 2018 gewählt.

Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft Anja Rupprecht

Inhaltsverzeichnis 1  Gesundheitswirtschaft  1.1  Der Markt  1.2  Die Medizintechnik  1.3  Zwischen Medizintechnik und Versorgung: das Unternehmen Ottobock  2  Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft  2.1  Trends und Herausforderungen  2.2  Ideenmanagement bei Ottobock  3  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

In einem weltweit sehr heterogenen Gesundheitsmarkt wird ein Drittel des Umsatzes mit Produkten erzielt, die weniger als drei Jahre alt sind. Anforderungen steigen durch ein zunehmendes Gesundheitsbewusstsein und veränderte demografische B ­ edingungen. Wie kann es gelingen, das Ideenpotenzial der Belegschaft optimal zu nutzen und einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit zu liefern? Bei eingehender Betrachtung aktueller Trends der Branche wird schnell deutlich, wie sich das Ideenmanagement weiterentwickeln muss, um sich als nachhaltiger und strategisch wichtiger Managementprozess zu positionieren.

A. Rupprecht (*) Ottobock SE & CO KG aA, Duderstadt, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_19

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194

A. Rupprecht

1  Gesundheitswirtschaft 1.1

D  er Markt

Erweiterter Bereich der Gesundheitswirtschaft

Kernbereich der Gesundheitswirtschaft

In Deutschland spielt die Gesundheitswirtschaft eine erhebliche ökonomische Rolle. Etwa jeder siebte Erwerbstätige arbeitet in dieser Branche, die insgesamt 12 % des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet. Neben der persönlichen Versorgung von Patienten durch Ärzte, Pfleger und Therapeuten umfasst das auch die Herstellung aller dazu benötigten Gerätschaften (z. B. Ultraschall- und Röntgengeräte) sowie Produkte (Medikamente, Verbände, Hilfsmittel). Auch Wellness-Dienstleistungen werden diesem Bereich zugerechnet (vgl. Abb. 1). Aufgrund der demografischen Entwicklung und einem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein kommt es dabei seit Jahren zu einer weiter steigenden Nachfrage sowohl an Dienstleistungen als auch an Produkten im Gesundheitsmarkt. Dieser äußerst heterogene Markt ist einerseits sehr personalintensiv und entwickelt sich andererseits mehr und mehr zu einer Hightech-Branche. Insbesondere in den Bereichen Biotechnologie, Telemedizin und Medizintechnik werden weltweit erhebliche Summen in die Forschung und Entwicklung investiert.

Humanarzneiwaren Medizintechnische Produkte Einzelhandelsleistungen des Kernbereichs Krankenversicherungen Dienstleistungen stationärer Einrichtungen Dienstleistungen von nicht-stationären Einrichtungen Großhandelsleistungen des Kernbereichs

Waren zur eigenständigen Gesundheitsversorgung Sport-, Wellness- und Tourismusdienstleistungen Sonstige Dienstleistungen der Gesundheitswirtschaft Investitionen E-Health

Abb. 1  Überblick über die Branchen der Gesundheitswirtschaft. (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 2016)

Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft

1.2

195

D  ie Medizintechnik

Innerhalb der sogenannten industriellen Gesundheitswirtschaft gehört die Medizintechnik neben der Pharmaindustrie zu den größten Teilbereichen. Hier werden technische Erkenntnisse auf das Gebiet der Medizin übertragen. Ergebnis sind Produkte und Verfahren, die physikalisch bei der Heilung helfen oder die Lebensqualität der Menschen verbessern. Nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums gibt es aktuell ca. 400.000 verschiedene Produkte. Deutschland ist weltweit der drittgrößte Markt und Produktionsstandort.

1.3

Z  wischen Medizintechnik und Versorgung: das Unternehmen Ottobock

Die Ottobock SE & Co. KGaA aus Duderstadt ist mit ihren 7000 Mitarbeitern (davon 1800  in Deutschland) Weltmarktführer in der Technischen Orthopädie. Das Ziel, Menschen mit Handicap Mobilität zurückzugeben und erhaltene Funktionen zu schützen, steht hinter der gesamten Produktwelt des Unternehmens. Die Überzeugung, dass die Lebensqualität von Menschen eng verbunden ist mit einem Maximum an individueller Freiheit und Selbstständigkeit, ist ein Leitgedanke, der die 100-jährige Firmengeschichte maßgebend prägt. Mit den Tätigkeitsfeldern Prothetik, Orthetik, Human Mobility (manuelle und elektrische Rollstühle sowie Reha-Produkte), Ottobock Industrials und dem Clinical Services Network ist das Unternehmen in der Lage, seinen Kunden eine nahezu unvergleichbar breite Produktpalette, perfekt aufeinander abgestimmter Lösungen und umfangreiche Dienstleistungen anzubieten (vgl. Abb. 2).

What we do: our fields of work From prostheses to industrial applications Products

Services

Industrials

Prosthetics

Human Mobility

Orthotics

Patient Care

Exoskeletons

Künstlicher Ersatz eines fehlenden Körperteils

Manuelle und elektrische Rollstühle und Reha-Produkte

Hilfsmittel zur Stabilisierung / Korrektur eines Körperteils

Maßgeschneiderte orthopädische Behandlungs- und Reha-Lösungen

Hilfsmittel für ergonomische Überkopf- und Überschulterarbeit

Mobility for people

Abb. 2  Tätigkeitsfelder der Ottobock SE & Co. KGaA. (Quelle: Ottobock)

| © Ottobock

196

A. Rupprecht

2  Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft 2.1

T  rends und Herausforderungen

Etwa ein Drittel des Umsatzes im Gesundheitsmarkt wird mit Produkten erzielt, die weniger als drei Jahre alt sind. Entsprechend hoch ist der Bedarf an ständig neuen Innovationen oder Verbesserungen bestehender Produkte. Viele gute Ideen sind hier die Basis sowohl für das Innovations- als auch für das Ideenmanagement. Im Ideenmanagement ging es in der Vergangenheit meist um Kosteneinsparungen und Ressourcenschonung. Schwerpunkt waren oft einzelne fertigungsnahe Arbeitsgänge, betrachtet wurden Arbeitszeiten und -materialien. Dieser Ansatz hat auch nach wie vor seine Berechtigung. Um das Ideenmanagement im Unternehmen jedoch als nachhaltigen und strategisch wichtigen Managementprozess zu positionieren, gilt es, die Ziele an die gesamte Unternehmensstrategie anzulehnen und Ideen aus der isolierten Betrachtung zu holen. Das PwC Health Research Institute beschreibt dazu die aktuellen Trends für die Gesundheitswirtschaft (vgl. Abb. 3). Abhängig vom konkreten Wirtschaftszweig in dem heterogenen Gesundheitsmarkt werden die Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt. Für die meisten aber gilt: • Digitale Lösungen sind (nicht nur) aus Sicht des Ideenmanagements im Gesundheitsmarkt noch ein recht junges Thema. Hier geht es um eine Automatisierung von Prozessen – wobei die Chance darin liegt, Brücken zu schlagen zwischen fertigungsnahen und administrativen Prozessen innerhalb des Unternehmens – aber auch zwischen internen und externen Prozessen mit Kunden und Lieferanten. Die Digitalisierung wird eine These themes are evident in healthcare and across other industries

Human & Robot 1. Working smarter with artificial intelligence 2. Mapping a clear direction for virtual health

The consumer’s changing nature

Business model transformation

3. Putting patient experience first

5. Using technology to create virtual capacity and lower costs

4. Transforming the next generation of clinical trials

6. Providing value beyond the medical devive

Trust 7. Securing the internet of things and cybersecurity 8. Looking beyond the hospital to the social determinants of health

Abb. 3  Globale Branchenthemen in der Gesundheitswirtschaft. (Quelle: PwC Health Research Institute Analysis 2018)

Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft

197

Rolle spielen bei der Geschäftsprozessoptimierung, aber auch bei der Entwicklung medizinischer Produkte und bei der Kommunikation mit Patienten und Anwendern. • Der Mensch als Nutzer der Produkte und Dienstleistungen spielt ebenfalls eine immer größere Rolle. Frei nach dem Motto „patient experience first“ geht der Trend zu einer individuelleren Behandlung von Anwendern und Patienten, die nicht nur deren Gesundheitshistorie, sondern zunehmend auch persönliche Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigen muss. Kundenorientierung war schon immer wichtig. Durch den wachsenden Anbietermarkt steigt deren Bedeutung jedoch weiter. Das führt dazu, dass selten ein Produkt allein verkauft wird, sondern durch eine umfassende Dienstleistung ergänzt wird. Im Gegenzug kann der Anbieter von den Kunden lernen und die Erkenntnisse in weitere Verbesserungen und Neuerungen einfließen lassen. „We interact with people as a set of transactions, but people are on journeys. We need to understand the journey the patient is on, where he or she is on that journey, and how we can help him or her.“ John Glaser, Senior Vice President für Bevölkerungsgesundheit, Cerner, in einem Interview mit HRI.64

Neben diesen Trends spielt aber gerade in der Gesundheitsbranche die Sicherheit eine zentrale Rolle. Die Gesundheit des Menschen muss mit höchster Priorität geschützt werden. Die Sicherheit, Eignung und Leistung von Medizinprodukten sowie der Schutz der Patienten und Anwender werden daher auch staatlich reguliert. In Deutschland regelt das Medizinproduktegesetz die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten. Werden Produkte exportiert, gelten zusätzlich weitere ­Regularien. So müssen die Produkte in den USA beispielsweise von der FDA (Food & Drug Administration) zugelassen werden.

2.2

I deenmanagement bei Ottobock

Das Ideenmanagement bei Ottobock ist seit mehr als 50 Jahren ein wichtiger Bestandteil des Unternehmenserfolges. So können die annähernd 2000 Mitarbeiter der deutschen Standorte auch über ihre Aufgaben hinaus dazu beitragen, unsere Produkte und Dienstleistungen, aber auch unsere interne Zusammenarbeit stetig zu verbessern, zu erweitern und zu ergänzen. Was zunächst als klassisches Betriebliches Vorschlagswesen (BVV) begann, wurde 2011 durch die Schaffung einer eigenen Stelle für das Ideenmanagement aufgewertet und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Das Ideenmanagement besteht dabei aus den beiden Säulen „spontanes und systematisches Ideenmanagement“. Spontanes Ideenmanagement – die IdeenBörse Der größte Teil der Mitarbeiterideen entsteht spontan und ohne Auftrag. Ideen werden in der sogenannten IdeenBörse (eine SharePoint-basierte Eigenentwicklung von Ottobock) ausgewählten Gutachtern vorgestellt. Um eine hohe Qualität der Ideen zu sichern, berät

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A. Rupprecht

das Ideenmanagement die Mitarbeiter, die eine Idee einreichen möchten. Gleichzeitig unterstützt das Ideenmanagement auch die Gutachter, um den Aufwand für Bewertung und Umsetzung von Ideen gering zu halten. Als zentrales Element hat sich dabei (neben der Bereitstellung von Templates und Workflows) die Vernetzung aller Beteiligten herausgestellt. Dazu gehört auch die gemeinsame Betrachtung von Ideen in sogenannten Ideenkreisen. Diese ersetzen zunehmend die Bearbeitung von Einzelideen. Hier kommen Einreicher und Gutachter zu thematisch ähnlichen Ideen in direkten Kontakt. Bearbeitungszeiten können so reduziert und Synergien genutzt werden. Vor allem ermöglicht der direkte Kontakt aber auch, Barrieren abzubauen, unterschiedliche Perspektiven besser zu verstehen und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern. Das Verständnis für unterschiedliche Perspektiven ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen im Gesundheitsmarkt besonders wichtig. Einerseits benötigen wir viele gute Ideen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits unterliegen unsere Produkte strengen Qualitäts- und Sicherheitskriterien. Klassischerweise geht es bei vielen Verbesserungsvorschlägen um eine vereinfachte Herstellung und/oder Montage von Einzelteilen. Aber auch, wenn nur einzelne Arbeitsschritte verändert oder scheinbar funktionsgleiche Materialien ersetzt werden, muss grundsätzlich geprüft werden, ob dadurch die Funktionalität des Endproduktes verändert wird. Ist das der Fall, so sind umfangreiche Testverfahren erforderlich, bevor über eine Umsetzung entschieden werden kann. Allein der mit einem Test verbundene administrative und regulatorische Aufwand ist dabei i. d. R. extrem hoch. Dazu kommt, dass selbst bei Ottobock als Weltmarktführer in der Technischen Orthopädie im Vergleich zur Automobilindustrie nur in relativ kleinen Serien gefertigt wird. Einsparungen – so sinnvoll sie auch sein mögen – liegen daher nur selten bei mehr als 1500 Euro pro Idee und Jahr. In den vergangenen beiden Jahren lag der Anteil bei unter 20 %. Es gilt also, gründlich abzuwägen, ob der Nutzen in der Fertigung hoch genug ist, um die Kosten durch ein umfangreiches Testverfahren zu rechtfertigen. In diesem Spannungsfeld von erwünschten Ideen und erschwerten Prüfungen, von Nutzen in der Fertigung und Kosten in der Entwicklung, können wir unsere Einreicher nur dann langfristig zur Beteiligung motivieren, wenn wir sie immer wieder in die laufenden Diskussionen einbeziehen. Persönliche Gespräche (z.  B. im Rahmen des Ideenkreises) helfen aber auch den Entscheidern, über Abteilungsgrenzen hinweg zu erkennen, woran es aktuell hakt und wie groß der Bedarf an Verbesserungen konkret ist. Gemeinsam können dann ggf. auch Alternativen gefunden werden. So lohnt es sich manchmal, mehrere Ideen zusammenzufassen oder in geplante Projekte zu integrieren. Die Ideen werden dann im Rahmen von ohnehin vorgesehenen Tests quasi nebenbei mit geprüft. Allerdings werden Projekte dieser Art mit einiger Vorlaufzeit geplant, so dass sich die Bearbeitungszeiten für solche Ideen oft verlängern. Systematisches Ideenmanagement – Abgleich mit der Unternehmensstrategie Die zweite Säule des Ideenmanagements bei Ottobock bildet die systematische Ideengenerierung. Hier sollen zum einen Mitarbeiter strukturiert befähigt werden, Ideen selbst zu generieren. Zum anderen werden gezielt Ideen zu vorgegebenen Themen abgerufen. An

Ideenmanagement in der Gesundheitswirtschaft

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dieser Stelle kann und muss sich das Ideenmanagement an Unternehmensstrategie und Trends anpassen. Es geht nicht darum, eine beliebige Kampagne zur Arbeitssicherheit zu machen oder Ideen um der Ideen willen zu generieren. Gesucht werden Lösungen, die das Unternehmen wirklich braucht. Je mehr es gelingt, Ideen entsprechend zu lenken, desto höher sind die Chancen, dass die eingereichten Ideen auch umgesetzt werden können. Das wiederum steigert die Motivation der Mitarbeiter, sich auch zukünftig zu engagieren. Nicht jedes strategisch relevante Thema ist dabei für das Ideenmanagement geeignet. Wir müssen uns immer die Frage stellen, ob wirklich die breite Belegschaft eingebunden werden kann und soll, oder ob man ggf. nur eine bestimmte Zielgruppe ansprechen möchte. Entsprechend bieten wir unterschiedliche Formate wie Kampagnen, Workshops oder Ideen-­Dates an. Beispiele für die Einbindung aller Mitarbeiter sind die Themen Digitalisierung, Lean arbeiten oder Kundenorientierung. Hier kann das Ideenmanagement nicht nur zu entsprechenden Vorschlägen aufrufen, sondern die Kanäle des Ideenmanagements können auch genutzt werden, um über die Strategie zu informieren und das Bewusstsein dafür in der Belegschaft zu schärfen. Durch den Dreiklang von „Dürfen“, „Können“ und „Wollen“ schaffen wir einen optimalen Rahmen für viele neue Ideen: • Eine Fachabteilung arbeitet mit dem Ideenmanagement zusammen und ruft auf, Ideen einzureichen. Die Mitarbeiter DÜRFEN gern ihre Vorschläge äußern. • Global Learning & Development als Teil von Human Resources unterstützt die Fachabteilung bei der Kommunikation der Themen. Der Aufruf wird begleitet von Lernhäppchen, die den Mitarbeitern das Thema näherbringen. Die Mitarbeiter KÖNNEN nun selbst Ideen entwickeln, weil sie wissen, worum es geht. • Das Ideenmanagement sorgt für einen Rahmen, in dem die Mitarbeiter auch Lust haben, Ideen einzureichen, die sich gern beteiligen WOLLEN. Hier muss sich das Ideenmanagement auch selbst den aktuellen Trends (Digitalisierung, Lean und Kundenorientierung) öffnen. Wir prüfen unsere Prozesse von der Ideeneinreichung bis zur -umsetzung daher regelmäßig und wollen auch noch mehr Möglichkeiten zur Kollaboration bereitstellen, um persönlich oder virtuell gemeinsam an Ideen zu arbeiten.

3  Fazit Die Aufgaben des Ideenmanagements sind vielfältig. In der Gesundheitsbranche mag es dabei besondere Herausforderungen geben – die grundsätzliche Arbeitsweise unterscheidet sich jedoch vermutlich nicht vom Ideenmanagement in anderen Branchen. Damit das Unternehmen einen möglichst hohen Nutzen aus Ideen ziehen kann, ist ein Abgleich mit den strategisch wichtigen Themen der Branche erforderlich. Je stärker wir Ideen lenken können, desto höher ist auch für die Einreicher die Chance auf Umsetzung. Das Ideenmanagement ist aber kein Einbahn-System. Bevor wir Ideen generieren (lassen), müssen wir die Belegschaft zur Mitarbeit befähigen. Dabei können wir unsere Kanäle auch nutzen, um über einzelne Themen erst einmal zu informieren. Nur durch die Zusammenarbeit mit den

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entsprechenden Experten können wir das DÜRFEN und KÖNNEN in unsere Prozesse integrieren. Und erst, wenn die Mitarbeiter dürfen und können, können wir uns um das WOLLEN kümmern.

Literatur „Bedeutung der Gesundheitswirtschaft“. In: Bundesgesundheitsministerium.de, abgerufen Dezember 2018 „Gesundheitswirtschaft. Fakten und Zahlen 2016“. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2017 „Gesundheitswirtschaft. Fakten und Zahlen 2016. Sonderthema Medizinprodukte und Medizintechnik“: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2017 „Gesundheitswirtschaft als Jobmotor“. In: Bundegesundheitsministerium.de, abgerufen Dezember 2018 „Global Top Health Industry Issues“. PwC Health Research Institute 2018, www.pwc.com/hri MPG (Gesetz über Medizinprodukte), Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Stand 2017 „Was sind Medizinprodukte“. In: Bundesgesundheitsministerium.de, abgerufen Dezember 2018

Anja Rupprecht  Die Autorin begleitet und unterstützt Arbeitnehmer und Führungskräfte als Wirtschaftspädagogin seit mehr als 15 Jahren in verschiedenen Positionen. Nach Stationen in der Unternehmens- und Changemanagement-Beratung verantwortet sie seit 2011 das Ideenmanagement der Ottobock SE & Co. KGaA. 2017 erhielt sie für ihre Arbeit die europäische Auszeichnung „Best Idea Management in Health Care“.

Ideenmanagement in Behörden Gottfried Richenhagen und Hans-Dieter Schat

Inhaltsverzeichnis 1  2  3  4 

 esondere Eigenschaft öffentlicher Verwaltungen  B Aktuelle Herausforderungen öffentlicher Verwaltungen  Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen  Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen kontrastiert zu Ideenmanagement in Dienstleistungsbetrieben   iteratur  L

 202  202  203  206  209

Zusammenfassung

Öffentliche Verwaltungen arbeiten in besonderen Rahmenbedingungen, die auch das Ideenmanagement in diesen Verwaltungen bestimmen. Diese Rahmenbedingungen ändern sich zusehends: Von Behörden wird vermehrt Kundennähe, eine agile Anpassung an neue Gegebenheiten gefordert. Zu erwarten ist, dass in dieser Situation das Ideenmanagement angepasst wird, und genau dies ist auch zu beobachten. Damit stellt sich auch die Frage: Ist Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen immer noch anders aufgestellt, als das Ideenmanagement bei anderen Dienstleistern? Hierzu werden Daten der Ideenmanagement Studie 2018 ausgewertet.

G. Richenhagen (*) · H.-D. Schat Institut für Public Management, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Essen, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_20

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G. Richenhagen und H.-D. Schat

Besondere Eigenschaft öffentlicher Verwaltungen

Öffentliche Verwaltungen werden in Deutschland immer noch sehr oft nach den Prinzipien organisiert und vor allem geführt, die einst Max Weber (1864 – 1920) entwickelt hat. Es wäre falsch zu behaupten, dass diese Prinzipien in der Gegenwart außer Kraft gesetzt werden müssen, es ist aber darauf hinzuweisen, dass ihre uneingeschränkte Gültigkeit zu Beschränkungen führt, die heute nicht mehr akzeptabel sind. Darauf hat schon der jüngst verstorbene Innovationsforscher Nobert Thom (1946  – 2019) hingewiesen, wenn er in seinem mit Adrian Ritz verfassten Standardwerk Public Management schreibt: „Die bürokratische Organisation gewährleistet unter bestimmten konstanten Bedingungen (z. B. konstante Umwelt) eine effiziente Aufgabenerfüllung, behindert aber den Wandel einer Institution“ (Thom und Ritz 2017, S. 7).

Die „konstanten Bedingungen“, die Thom und Ritz hier ansprechen, sind heute mehr denn je nicht mehr gegeben. Sie werden ersetzt durch Situationen, ja durch eine Welt, die von Unübersichtlichkeit, Komplexität, dynamischem Wandel, Vernetzung, Multikausalität u. a. gekennzeichnet ist (a. a. O.). Bennet und Lemoine (2014) fassen dies mit den Begriffen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität zusammen und sprechen – die Anfangsbuchstaben zu einem Akronym zusammenfassend – von einer „VUCA-Welt“. Ein Beispiel für die gestiegene Unsicherheit sind die „in verschiedenen Ländern festzustellenden Veränderungen hin zum autoritären Regieren und Regimen“ (Richenhagen 2018, S. 3) oder zu einem nationalistischen Populismus (Richenhagen 2019). Die gestiegene Volatilität zeigt sich etwa in der Unbeständigkeit von Parteipräferenzen der Wählerinnen und Wähler und daraus folgenden unstabilen Mehrheitsverhältnissen in den Parlamenten. Herausforderungen und Krisensituationen, die öffentliche Unternehmen bewältigen müssen, sind weiterhin Globalisierung, Migrationsprozesse, Urbanisierung oder auch Umweltereignisse wie Flutkatastrophen (vgl. z. B. Hill 2016). Die Weber’sche Verwaltung kommt also an ihre Grenzen (vgl. z. B. Schedler und Proeller 2011, S. 18 f.). Sie funktioniert, wenn allein Effektivität und Effizienz im Vordergrund stehen, sie ist aber im Hinblick auf Innovation und Flexibilität nicht sehr leistungsfähig, sie degeneriert zuweilen zu „Bürokratiepathologien“ (a. a. O.), die z. B. Joris-Karl Huysmans (1848 – 1907) in seiner 1888 verfassten Erzählung „Monsieur Bougran in Pension“ so wunderbar literarisch beschrieben hat (Huysmans 2013).

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Aktuelle Herausforderungen öffentlicher Verwaltungen

Es wird daher von Wissenschaft und Praxis vermehrt die Forderung nach Agilität für die öffentliche Verwaltung erhoben (vgl. z. B. Hill 2018). Das Wort „agil“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie flink, wendig und beweglich (Dudenredaktion 2017). Synonyme für diesen Begriff sind betriebsam, beweglich, energiegeladen,

Ideenmanagement in Behörden

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­ eschäftig, geschickt, gewandt, lebhaft, quecksilbrig, rege, rührig, temperamentvoll, unrug hig, vital, wendig und regsam (https://www.duden.de/rechtschreibung/agil, heruntergeladen am 28.05.2019). Es hat sich noch keine allgemein akzeptierte Definition von Agilität als Organisationsoder Managementprinzip in der Wissenschaft herausgebildet und erst recht noch keine allgemein akzeptierte Definition davon, was eine Agile Verwaltung sein soll. Wernham versteht darunter eine Verwaltung, die fähig ist … „to change direction quickly due to unforseen or unforseeable circumstances. This reduces risks of failure. Just as an athlete may fall attempting to jump over a hurdle that is too high, in an agile world we set hurdles at a comfortable height and at regular intervalls. Agility, then, correspondents to setting short, realistic targets and reacting fast to changing circumstances“(Wernham 2012, S. xxviiif).

Hill sieht in der Agilität einen Leitbegriff, der im Rahmen eines neuen Paradigmas das betriebswirtschaftliche Denken in Theorie und Praxis bestimmen könnte (Hill 2015, S.  402) und legt dar, wie Agiles Verwaltungshandeln im Rechtsstaat möglich ist (Hill 2018). Agilität erfordert aber noch mehr als die Weber’sche Verwaltung eine verstärkte Innovationstätigkeit, eine Überwindung der Innovationsträgheit (Thom und Ritz 2017, S. 124 ff.), die im öffentlichen Sektor festzustellen ist. Bei agilen Organisationsformen müssen nämlich Innovation und Flexibilität sehr viel stärker ausgeprägt sein als Effektivität und Effizienz, die bei der Weber’schen Verwaltung im Vordergrund stehen. Aus diesem Grunde erscheint es lohnenswert, das Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen zu untersuchen, da es ganz erheblich zur Steigerung der Innovation beitragen kann.

3

Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen

Ideenmanagement oder Vorschlagswesen ist keine neue Entwicklung in öffentlichen Verwaltungen: Das angeblich erste Vorschlagswesen sei in Venedig eingeführt worden, wo die Bewohner dem Dogen anonym Verbesserungsvorschläge unterbreiten konnten. Über dieses halb legendäre Vorschlagswesen sind keine Kennzahlen überliefert. Für Nutzung von Ideenmanagement und Vorschlagswesen in deutschen Verwaltungen liegen keine systematischen Erhebungen vor, dies gilt insbesondere für kommunale Verwaltungen, für Landesverwaltungen und für Bereiche, die zwar keine Behörden im engsten Sinne sind, dennoch weitgehend nach den Regeln für öffentliche Verwaltungen arbeiten  – Sparkassen, Kirchen, die Fraunhofer-Gesellschaft wären Beispiele hierfür. Best-Practice-Beispiele aus diesem Bereich liegen von der Deutschen Bahn (vgl. Kap. „Der Ideenmanager – Potenzialentfalter mit Methode. Praxiseinblick Deutsche Bahn AG“, Beitrag Gänsch in diesem Band), den Stadtwerken Düsseldorf und der Verwaltungs-­ Berufsgenossenschaft VBG Hamburg vor.

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Öffentlich verfügbar sind Daten zum Ideenmanagement in der Bundesverwaltung. So in einer Antwort auf eine kleine Anfrage an die Bundesregierung von 2009 (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/12570 vom 06.04.2009). Hier findet sich die in Abb. 1 dargestellte Übersicht. Auf den ersten Blick irriteriert die Unterscheidung von prämierten und umgesetzten Verbesserungsvorschlägen. Wenn Vorschläge prämiert, dann aber nicht umgesetzt werden, hat dies möglicherweise zwei Konsequenzen: • Der Einreicher, der tatsächlich etwas verbessern wollte, wird mit einer Prämie abgespeist und beginnt an der Rationalität von Verwaltungshandeln zu zweifeln: Wenn der Verbesserungsvorschlag gut war, warum wird er dann umgesetzt? Wenn der Verbesserungsvorschlag nicht gut war, warum wird er dann prämiert? • Kollegen werden ermutigt, ebenfalls prämierungsfähige, wenn möglicherweise auch unpraktische, also nicht umsetzbare, Verbesserungsvorschläge einzureichen. Zudem fällt die im Branchenvergleich niedrige, über die Jahre hinweg in der gleichen Größenordnung von etwa zehn Prozent sich bewegende Umsetzungsquote auf. Noch geringer ist der Anteil der Beschäftigten in der Bundesverwaltung, die in einem Jahr mindestens einen Vorschlag eingereicht oder sich an einem Gruppenvorschlag beteiligt haben: „In den Jahren 2006 und 2007 lag die durchschnittliche Beteiligungsquote bei 1,5 Prozent.“ (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/12570 vom 06.04.2009, S. 6) Aktueller ist der „Bericht an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO zum Ideenmanagement der Bundesverwaltung und zum Kontinuierlichen Verbesserungsprogramm der Bundeswehr“. Das

Abb. 1  Kennzahlen des Ideenmanagements in der Bundesverwaltung 2004 bis 2007. (Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 16/12570 vom 06.04.2009, S. 5)

Ideenmanagement in Behörden

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Kontinuierliche Verbesserungsprogramm der Bundeswehr wird im Folgenden nicht angesprochen, die Verhältnisse in der Bundeswehr sind auf viele öffentliche Verwaltungen nicht übertragbar. Als Kennzahlen nennt dieser Bericht: • Durchschnittlich 4 Ideen pro 100 Beschäftigte und Jahr, Rückgang von 2011 bis 2014, • durchschnittlich 25  % der eingereichten Ideen werden angenommen, die Realisierungsquote ist noch geringer. Einige Behörden melden Ablehungsquoten von über 90 %. • durchschnittliche Durchlaufzeiten zwischen 70 und 294 Kalendertagen, je nach Behörde. Die unseres Wissens nach aktuellsten amtlichen Zahlen stammen aus dem „Bericht des Bundesministeriums des Innern an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages zum Ideenmanagement in der Bundesverwaltung“ vom 19. Dezember 2017. Dieser vermeldet „durchschnittlich 0,8 Verbesserungsvorschlägen pro 100 Beschäftigten der Bundesverwaltung“ (a.  a.  O.  S.  2), wobei die Quote sich in den Verwaltungen deutlich unterscheiden (Abb. 2) Insgesamt wurden 7260 Verbesserungsvorschläge eingereicht und 858 Vorschläge umgesetzt  – die Umsetzungsquote liegt also mit rund zwölf Prozent in der gleichen

Quote der Verbesserungsvorschläge (Anzahl der Verbesserungsvorschläge pro 100 Mitarbeiter)

4,0

3,7

3,6 3,5 3,0

2,7

2,6

2,5

2,2

2,0

1,8

1,0

1,3

1,3 1,2

1,5 0,8 0,7

1,4

1,3

1,2

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1,0

0,7 0,4

0,5

1,5

1,0

0,7 0,4 0,2 0,1

1,1

0,8 0,7 0,8 0,5 0,6 0,5

0,7 0,7

0,8 0,8

0,8 0,6

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2014

2015

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Abb. 2  Anzahl der Verbesserungsvorschläge pro 100 Mitarbeiter in verschiedenen Bundesverwaltungen. (Quelle: Bericht des Bundesministeriums des Innern an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages zum Ideenmanagement in der Bundesverwaltung, S. 3)

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­ rößenordnung wie bereits in der Antwort auf eine kleine Anfrage an die BundesregieG rung von 2009. Der Bericht endet mit dem Fazit: „Das klassische Ideenmanagement in den Behörden der Bundesverwaltung wird sehr unterschiedlich gelebt und ist nur bedingt geeignet, das Ideenpotential der Beschäftigten zu wecken. […] Nun aber ist es an der Zeit einen neuen, zeitgemäßen Ansatz zu finden, um das Erreichte weiterzuentwickeln. Die Bundesverwaltung befasst sich bereits im Rahmen ihres Dialogprozesses ‚Arbeiten 4.0‘ mit wichtigen Aspekten bei der zukünftigen Gestaltung von Arbeit. Die Frage nach wirksamen Methoden zur Nutzbarmachung kreativer Mitarbeiterideen muss sich sinnvollerweise an diesem Prozess orientieren.“ (Bericht des Bundesministeriums des Innern an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages zum Ideenmanagement in der Bundesverwaltung, S. 8). Aktuelle Informationen über den Stand dieses Dialogprozesses und über die Neugestaltung des Ideenmanagements in diesem Kontext konnten nicht gefunden werden. Die Autoren dieses Aufsatzes haben in den letzten Jahren Seminare zu Ideenmanagement und Vorschlagswesen in der öffentlichen Verwaltung durchgeführt. Einzelne Verwaltungen sind nachdrücklich bestrebt, das Ideenmanagement neu zu gestalten und für den Erfolg der Verwaltungen zu nutzen – sowohl im Sinne der Verbesserung des Verwaltungshandelns als auch zur Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität. Der von einem der Autoren betriebene IdeenmanagementBlog.de verzeichnet für Beiträge zum Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen besonders hohe Zugriffszahlen. Aktuell ist das Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen also gekennzeichnet von einer Stagnation auf der obersten, offiziellen, Richtlinien setzenden Ebene einerseits und steigendem Interesse und Aktivitäten in einzelnen Verwaltungen andererseits.

4

Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen kontrastiert zu Ideenmanagement in Dienstleistungsbetrieben

Ideenmanagement stammt aus den Betrieben der Hochindustrialisierung. Industriebetriebe sind mit der öffentlichen Verwaltung kaum vergleichbar. Anders sieht es mit Dienstleistungsbetrieben aus. Hier hielt das Ideenmanagement, ähnlich wie in der öffentlichen Verwaltung, erst spät Einzug. In der öffentlichen Verwaltung fehlen, ebenso wie in Dienstleistungsunternehmen, zentrale „Stellschrauben“ des Ideenmanagements: Die Optimierung von Fertigungsprozessen, der Austausch eines Materials gegen ein günstigeres oder die Feinjustierung einer Maschine, um Energie zu sparen – alles dies sind keine Verbesserungsvorschläge für eine öffentliche Verwaltung, und auch keine Verbesserungsvorschläge für ein Dienstleistungsunternehmen. Als sinnvolle Vergleichsgruppe für das Ideenmanagement in öffentlichen Verwaltungen dienen daher nicht private Unternehmen insgesamt, sondern Dienstleistungsunternehmen.

Ideenmanagement in Behörden

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Die Daten für die folgende Auswertung kommen aus der Ideenmanagement Studie 2018 (https://www.hlp.de/studie-2018, Landmann und Schat 2018). In dieser zum aktuellen Zeitpunkt größten empirischen Erhebung zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum. An dieser Befragung haben 37 Organisationen aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltungen im weitesten Sinne teilgenommen, zudem 54 Organisationen aus dem Dienstleistungsbereich, die nicht zu den öffentlichen Verwaltungen gezählt werden können. Mit dieser Teilnehmerzahl ist keine repräsentative, wohl aber eine fundierte explorative Auswertung möglich. An einer Befragung wie der vorliegenden beteiligen sich erfahrungsgemäß nur Organisationen, die über ein gut funktionierendes Ideenmanagement verfügen und entsprechend gerne darüber berichten. In diesem Datensatz sind also Organisationen mit einem gut funktionierenden Ideenmanagement deutlich überrepräsentiert. Demnach sind die folgenden Auszählungen weniger als „so sind die Verhältnisse in der öffentlichen Verwaltung“ zu lesen. Angemessen ist die Interpretation als „dies ist in der öffentlichen Verwaltung möglich“. Der Bias zugunsten von Organisationen mit gut funktionierendem Ideenmanagement zeigt sich auch im Vergleich der Kennzahlen aus unserer Erhebung mit den Kennzahlen, die oben (Kap. „Diversity im Ideenmanagement“ dieses Aufsatzes) aus offiziellen Quellen zitiert wurden. Zunächst wird überprüft, in wie weit die beiden Gruppen vergleichbar sind (Tab. 1). Öffentliche Verwaltungen beschäftigen im Durchschnitt drei Mal so viele Menschen wie die sonstigen Dienstleister. Dies kann sich positiv oder negativ auf das Ideenmanagement auswirken: Positiv, da ein Verbesserungsvorschlag in einer großen Organisation oft häufiger angewendet werden kann und damit einen höheren Nutzen bringt. Negativ, da in kleineren Organisationen die Beschäftigten besser direkt angesprochen und zur Beteiligung am Ideenmanagement motiviert werden können. Der Anteil der Beschäftigten, die direkt in den Prozessen Arbeiten und sich „die Hände schmutzig machen“ (Blue-Collar-Beschäftigte) liegt in beiden Gruppen etwa gleich und erwartungsgemäß deutlich unter dem durchschnittlichen Anteil der Blue-Collar-­ Beschäftigten bei allen Befragten (46 %). Im zweiten Schritt vergleichen wir die internen Daten des Ideenmanagements: Werden mehr Ideen generiert? Beteiligen sich mehr Beschäftigte am Ideenmanagement? Unterscheiden sich die Durchlaufzeiten? Die Kennzahlen finden sich in Tab. 2. Die nicht-öffentlichen Dienstleistungsunternehmen erhalten im Durchschnitt deutlich mehr Ideen pro Mitarbeiter und Jahr als die öffentliche Verwaltung. Dies liegt daran, dass einige sonstige Dienstleistungsunternehmen sehr, sehr viele Ideen pro Beschäftigten melden, das Maximum sind 183 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr. Um die Zahlen etwas besser Tab. 1  Unterschiede in den Rahmenbedingungen öffentlicher Verwaltung und sonstiger Dienstleister Beschäftigte Anteil Blue-Collar-Beschäftigte

öffentliche Verwaltungen 26.400 32 %

sonstige Dienstleister 8360 30 %

G. Richenhagen und H.-D. Schat

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Tab. 2  Unterschiede in den Basiskennzahlen des Ideenmanagements in öffentlicher Verwaltung und sonstigen Dienstleistungen Ideen pro Mitarbeiter und Jahr (Durchschnitt) Ideen pro Mitarbeiter und Jahr (Median) Durchlaufzeit bis zur Entscheidung Durchlaufzeit bis zur Umsetzung Realisierungsquote

öffentliche Verwaltungen 0,1

sonstige Dienstleister 6

0,07 77 Kalendertage 119 Kalendertage 34 %

0,07 82 Kalendertage 107 Kalendertage 37 %

Tab. 3  Unterschiede in den Ergebniskennzahlen des Ideenmanagements in öffentlicher Verwaltung und sonstigen Dienstleistungen

Beteiligungsquote Berechenbarer Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr (Durchschnitt) Berechenbarer Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr (Median)

öffentliche Verwaltungen 16 % 469 €

sonstige Dienstleister 28 % 268 €

47 €

96 €

vergleichbar zu machen, wird in diesem Fall zusätzlich der Median ausgegeben. Ein Median von 0,07 sagt: Mindestens die Hälfte der Organisationen erhält 0,07 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr oder weniger Ideen und mindestens die Hälfte der Organisationen erhält 0,07 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr oder mehr Ideen. Der Median wird nicht so stark von extremen Werten beeinflusst wie der Durchschnitt. Im Median ist die Anzahl der Ideen pro Mitarbeiter und Jahr bei beiden Gruppen gleich. Auch die durchschnittlichen Durchlaufzeiten bis zur Entscheidung und bis zur Umsetzung unterscheiden sich in beiden Gruppen kaum. Ebenso setzen beide Gruppen in etwa dem gleichen Anteil Ideen um: Rund ein Drittel der eingereichten Verbesserungsvorschläge wird realisiert. Damit liegen die öffentlichen wie auch die privaten Dienstleister unter der durchschnittlichen Realisierungsquote aller Befragten (43 %). Zum Abschluss des Kennzahlenvergleichs werden die Ergebnisse des Ideenmanagements gegenübergestellt (Tab. 3). Die Beteiligungsquote ist besonders wichtig, wenn Ideenmanagement als Führungsinstrument eingesetzt werden soll (Schat 2016). Hier liegen auch in unserer Befragung die öffentlichen Verwaltungen gegenüber den privaten Dienstleistern zurück – und doch weit über den oben vorgestellten offiziellen Angaben von 1,5 % oder weniger. „Kann eine öffentliche Verwaltung die gleiche Beteiligungsquote erreichen, wie ein vergleichbares privatwirtschaftliches Unternehmen?“ – diese Frage mag man unterschiedlich beantworten. „Kann die durchschnittliche öffentliche Verwaltung ihre Beteiligungsquote deutlich steigern?“ – diese Frage kann man mit den hier vorgestellten Zahlen nur bejahen.

Ideenmanagement in Behörden

209

Der durchschnittliche berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr liegt in öffentlichen Verwaltungen sogar deutlich über dem Durchschnitt der sonstigen Dienstleister. Auch hier könnten Extremwerte die Durchschnitte verzerrt haben, daher wird auch hier der Median mit angegeben. Im Median erreichen die privaten Dienstleister einen höheren Nutzen pro Mitarbeiter. In beiden Fällen ist jedoch festzustellen: Öffentliche Verwaltung und private Dienstleister erhalten einen berechenbaren Nutzen in der gleichen Größenordnung, sie können auf Augenhöhe die Ergebnisse vergleichen. Fassen wir zusammen: An unserer Befragung haben Organisationen der öffentlichen Verwaltung teilgenommen, die über drastisch bessere Kennzahlen berichten, als dies die offiziell veröffentlichten Ergebnisse vermuten lassen. Ideenmanagement kann in öffentlichen Verwaltungen funktionieren und mit guten Ergebnissen eingesetzt werden. Die Kennzahlen des Ideenmanagements in öffentlichen Verwaltungen und in privatwirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen unterscheiden sich nicht wesentlich. Auch dies zeigt: Gutes Ideenmanagement ist auch in öffentlichen Verwaltungen möglich.

Literatur Bennet, N, Lemoine, J (2014). What VUCA Really Means for You. In: Harvard Business Re-view 92, S. 27–28. Bericht an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO zum Ideenmanagement der Bundesverwaltung und zum Kontinuierlichen Verbesserungsprogramm der Bundeswehr. Gz.: IV 5 – 2015 – 0465 / VII 4 – 2016 – 0974, verfügbar unter www.bundesrechnungshof.de. Bericht des Bundesministeriums des Innern an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages zum Ideenmanagement in der Bundesverwaltung“ vom 19. Dezember 2017. Ohne Aktenzeichen veröffentlicht. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/12570 vom 06.04.2009: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Gisela Piltz, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP. Dudenredaktion (Hrsg) (2017) Die deutsche Rechtschreibung – Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der amtlichen Regeln (27. Auflage). Berlin: Dudenverlag. Hill, H (2018) Agiles Verwaltungshandeln im Rechtsstaat. In: Die öffentliche Verwaltung, 71 (13). S. 497–504. Hill, H (2016) Innovationslabs. Neue Wege zu Innovation im öffentlichen Sektor. In: Die öffentliche Verwaltung, 69 (12). S. 493–501. Hill, H (2015) Wirksam verwalten  – Agilität als Paradigma der Veränderung. In: Verwaltungs-­ Archiv, 106 (4). S. 397–416. Huysmans, J-K (2013) Monsieur Bougran in Pension. Berlin: Friedenauer Presse. Landmann N, Schat HD (2018) Ideenmanagement Studie 2018. Eschborn: HLP. Richenhagen, G (2019) „Der Mensch ist lernfähig, aber nicht belehrbar“. In: Gesellschaft -Wirtschaft – Politik (GWP). 68. (1). S. 109–114. Richenhagen, G (2018) Teamfähigkeit und andere Kompetenzen in agilen Organisationen. In: A. Ghadiri, T. Vilgis & T. Bosbach, T. (Hrsg.), Wissen schmeckt – Die Magie der Wissenschaften beim Kochen erklärt – mit 17 Rezepten. Wiesbaden: Springer Fachmedien. S. 319–334.

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G. Richenhagen und H.-D. Schat

Schat HD (2016) Ideenmanagement als Kulturarbeit. In: Buchenau P et al. (Hrsg.), Chefsache Nachhaltigkeit. Wiesbaden: Springer Fachmedien. S. 299–314. Schedler, K, Proeller, I (2011) New Public Management (5. Auflage). Bern: Haupt Verlag. Thom, N, Ritz, A (2017) Public Management – Innovative Konzepte zur Führung im öffentlichen Sektor. Wiesbaden: Springer Fachmedien. Wernham, B (2012) Agile Project Management for Government. London: Maitland&Strong

Prof. Dr. Gottfried Richenhagen  Prof. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Personalmanagement lehrt und forscht an der FOM-Hochschule für Oekonomie und Management, gGmbH in Essen. Nach einer wissenschaftlichen Tätigkeit war er als Technologieberater bei der Technologieberatungsstelle in Oberhausen tätig. Dort übte er verschiedene leitende Funktionen aus. Von 1999 bis Anfang 2011 war Gottfried Richenhagen Referatsleiter „Arbeit und Gesundheit“ und stellvertretender Gruppenleiter der Gruppe „Beschäftigungsfähigkeit und Berufliche Bildung“ im nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium. Er war dort insbesondere mit Fragen des demografischen Wandels in der Arbeitswelt sowie mit der Neuausrichtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in NRW befasst. Zum 1. März 2011 wurde er auf eine Professur an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management gGmbH berufen. Er ist Direktor des Institutes für Public Management (ifpm) der FOM Hochschule (fom-ifpm.de). Prof. Dr. Richenhagen hat zahlreiche Veröffentlichungen verfasst, er erhält regelmäßig Vortragseinladungen und führt zahlreiche Seminare und Beratungen zu verschiedenen Themen des Personalmanagements und des strategischen Managements durch. Mit r|c – richenhagen|consult berät er Unternehmen und Verwaltungen in diesen Themen. Hans-Dieter Schat  war bei u. a. Daimler, und Fraunhofer als Einreicher, Gutachter, Führungskraft und Ideenmanager beschäftigt. Nun ist er Professor für Personalwesen an der FOM Hochschule und arbeitet als Wissenschaftler, Autor und Blogger für das Ideenmanagement. Aktuelles findet sich auf www.IdeenmanagementBlog.de

Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht Hans-Rüdiger Munzke

Inhaltsverzeichnis 1  A  usgangssituation von 20 Jahren  1.1  Neue Arbeitskreise, Informationsveranstaltungen und Workshop-Angebote sowie Verbundprojekte Ideenmanagement  1.2  OWL-Initiative Ideen machen Zukunft, KrIDe und Meisterteam  2  Ideen – „Starkes Handwerk. Starke Qualität.“  3  Das Ziel lautet „Qualität“ – Eine systematische und kontinuierliche Weiterentwicklung des Ideenmanagements ist dabei von großer Bedeutung; Denn Qualität ist kein Zufall: Committed to Idea Excellence – Verfahren, der Exzellenz im Ideenmanagement verpflichtet!  4  Fazit  Literatur 

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 218  220  221

Zusammenfassung

Bereits Ende der 1990er wurde nach den Methoden-Erweiterungen durch KAIZEN und KVP im Ideenmanagement durch das Bundeswirtschaftsministerium (seinerzeit Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) die Attraktivität der Ideenmanagements für KMU durch vielfältige Impulse verdeutlicht. Nach inzwischen rund 20 Jahren Praxiserfahrungen ist das Ideenmanagement tatsächlich in KMU und der Wirtschaftsmacht von nebenan, dem Handwerk angekommen. Dieser Beitrag verdeutlicht anhand einiger Beispiele guter Praxis den langen Weg des Ideenmanagements von Großunternehmen und KMU und zeigt Wegweiser zum nachhaltig erfolgreichen Handwerk Ideenmanagement. H.-R. Munzke (*) Ingenieurbüro IdeenNetz, Lengerich, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_21

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1

H.-R. Munzke

Ausgangssituation von 20 Jahren

Einer der häufigsten Wege zum Ideenmanagement (IDM) beschreibt das betriebliche Vorschlagswesen (BVW) als Ausgangspunkt in den ganzheitlichen Führungsinstrumenten IDM. Vor diesen Hintergründen haben Studien des Wuppertaler Kreises im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft (BMWi) den Leitgedanken „Mehr Innovation durch kreativere Mitarbeiter“ geprägt und am Institut für mittelstandsorientierte Betriebswirtschaft (IMB) einen signifikanten Entwicklungsbedarf für KMU im IDM ausgemacht. Einerseits gingen hieraus der Leitfaden Ideenmanagement für mittelständische Unternehmen1 sowie die BMWi-Fachtagung Innovationen strategisch sichern  – Erfolg durch Ideenmanagement2 hervor und anderseits wurden die Studienergebnisse vom Institut für mittelstandsorientierte Betriebswirtschaft (IMB) durch die IHK Nordwestfalen veröffentlicht und in einer Transferveranstaltung 2000 vorgestellt. Gemeinsame Erkenntnisse waren, dass die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens grundsätzlich von den Mitwirkenden ist und damit mit seinen Mitarbeitenden steht und fällt. Wie gelingt es nun, den kreativen Köpfen Ideen und Problemlösungen zu entlocken, die im Einklang mit der Unternehmensstrategie und Handwerksbetrieben stehen?

1.1

N  eue Arbeitskreise, Informationsveranstaltungen und Workshop-Angebote sowie Verbundprojekte Ideenmanagement

Zunächst haben sich vor dem Hintergrund der Studienergebnisse sowie der Informationsveranstaltungen und Veröffentlichungen nach dem Vorbild bereits bestehender IDM-­ Arbeitskreise in Regionalgruppen im Raum Stuttgart, Frankfurt am Main, Düsseldorf und Ostwestfalen-Lippe (OWL Mitarbeiterideen) ergänzende Arbeitskreise z. B. im Ruhrgebiet/Münsterland und einer Erfahrungsaustauschgruppe ERFA Nordwestfalen gebildet, die gemeinsam, betriebsübergreifend nach dem Vorbild von OWL Mitarbeiterideen und den Düsseldorfer Ideentreff und BVW-Arbeitskreis ihre jeweiligen Verbesserungsinitiativen im BVW, KVP, KAIZEN u. a. im Ideenmanagement abgeglichen und weiterentwickelt hatten (Abb. 1). Das Besondere und Neuartige war z.  B. auch eine Interessengemeinschaft der IHK Nordwestfalen, die die Studie des IMB unterstützt hatte, und der HWK Münster, an der zu der Zeit ein Projekt Personalentwicklung im Handwerk bearbeitete. Hierzu passten dann

 Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (dib), Wuppertaler Kreis e.V. Deutsche Vereinigung zur Förderung der Weiterbildung von Führungskräften und Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). 2  Dokumentation Nr.  487, Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (dib), Wuppertaler Kreis e.V. Deutsche Vereinigung zur Förderung der Weiterbildung von Führungskräften und Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) am 21.11.2000 in Bonn. 1

Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht

213

Abb. 1  Studienergebnisse vom Institut für mittelstandsorientierte Betriebswirtschaft (IMB) und der IHK Nordwestfalen zur Durchdringung der Ideenmanagement-Instrument im KMU, Teil 1 Betriebliches Vorschlagswesen und Teil 2 Beschwerdemanagement. (Quelle: eigenes Foto)

auch die Netzwerkarbeiten der ERFA Nordwestfalen, so dass die Regionalgruppe von beiden Wirtschaftskammern gleichermaßen unterstützt wurde. Hieraus wurden dann auch die ersten StarterWorkshop-Formate mit Praktikern aus dem Ideenmanagement und dem Ingenieurbüro IdeenNetz entwickelt,3 die später auch im dib ergänzend zum dib-Diplom als regionsübergreifendes Weiterbildungsangebot übernommen wurden. Diese Pionierarbeiten wurden darüber hinaus gerade in Westfalen zu einem vielgelobten und intensiv genutzten festen Bestandteil in den kontinuierlich verbesserten Netzwerkangeboten im Ideen- und Innovationsmanagement für KMU und Handwerksbetrieben. So wurden diese auch in einer IDM-Fachgruppe Öffentlichkeitsarbeit & Kompetenzentwicklung 2013 mit der langjährig bewährten IHK-Fachkraft Prozessoptimierung 3  IHK unterstützt Innovationen für die Zukunft, Wirtschaftsspiegel 2/2004 (Seite 16) der IHK Nordwestfalen.

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H.-R. Munzke

als Element der Ideen-Fachkraft Prozessoptimierung4 vereint. Grundsätzlich sind die Angebote förderfähig und modular aufgebaut, so dass sie 1. passgenau für das Handwerk Ideenmanagement, aber gleichwohl auch für KMU i.a. und größere Unternehmen branchenunabhängig eingesetzt werden, 2. auch mit Zertifikat oder auch mit Zertifizierung im offenen Format, im Handwerkerverbund oder als in-house-Angebot eingesetzt werden können, und 3. die wesentlichen Neuerungen in den Revisionen der Normen5 im Inte­ grierte Managementsystem (IMS) erfüllt. Gerade im Handwerk gilt „Gemeinsam sind wir stark“ und so kamen auch Verbundprojekte zum Ideenmanagement mit Beteiligung von Handwerksbetrieben zum Einsatz. Diese sind grundsätzlich beteiligungsorientiert und mit Elementen des überbetrieblichen Erfahrungsaustausches und der kollegialen Beratung angelegt und haben bereits der Vorgehensmodelle der Lern- und Experimentierräume im Förderprogramm unternehmensWert:Mensch plus (uWM plus)6 sehr geähnelt. Damit sind die Förderprogramm neben der Potenzialberatung u. a. ideale Unterstützungsmöglichkeiten, um das Kapital in den Köpfen – durch das IDM systematisch auch im Handwerk nachhaltig und beständig zu erschließen. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steckten ihre Ideen zu Prozessverbesserungen und neuen Produkten einfach in eine Zettelbox“, so war das Vorgehen im guten alten BVW beschrieben. Im Handwerk Ideenmanagement waren die Wege offener und einfacher, indem die Mitarbeitenden ihre Verbesserungsideen kurzerhand auf einer IdeenListe am Flipchart im Meisterbüro oder Pausenraum oder in eine Exceldatei notierten und mit dem Meister und Kollegen diskutierten. Natürlich laufen die Verbesserungs- und Innovationsprozesse auch heute bereits Intranet- oder auch Web-basiert, aber nie ohne das persönliche Entscheidungsgespräch und die persönliche Beteiligung bei der Ideenrealisierung. So LEAN eingesetzt ist das Handwerk Ideenmanagement gleichermaßen ein Mittel zur Innovationsförderung, Kostenersparnis und Motivation der Mitarbeitenden. Das IdeenNetz und die TechnologieBeratungsStelle Münster (TBS) waren die Initiatoren eines Verbundprojekts „Vom Ideenmanagement zu lebendigen Innovationsprozessen für kleine und mittelständische Betriebe – Lösungswege mit kreativen betrieblichen Methoden für die Zukunftsfähigkeit“. In der Zusammenarbeit zwischen dem beteiligten Handwerksbetrieb DK-Kälteanlagen sowie mit KMU FRIMO und Bütfering, entwickelte sich bereits in den ersten Monaten das Vorschlagswesen in den Einzelbetrieben und 4  Die Stärken stärken, auf dem Weg zur Business Excellence, IdeenNetz-Presselounge, 25. Okt. 2016  – http://news.ideennetz.com/infocenter/news/die-st-rken-st-rken-auf-dem-weg-zur-businessexcellence. 5  Mit dem Führungsinstrument Ideenmanagement (IDM) von der Pflicht zur Kür in der ISO 9001:2015, mynewsdesk, 06. Jan. 2016  – http://www.mynewsdesk.com/de/news/iso-9001-2015idm-und-die-wichtigsten-aenderungen-144869. 6  „Starkes Handwerk. Starke Qualität. Wie Fördermittel auf dem Weg zum digitalisierten Handwerksbetrieb genutzt werden“, IdeenNetz-Presselounge, 11. Feb. 2018 – http://news.ideennetz.com/infocenter/ pressemitteilung/starkes-handwerk-starke-qualit-t-wie-f-rdermittel-auf-dem-weg-zum-digitalisierten-handwerksbetrieb-genutzt-werden.

Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht

215

-­ Unternehmen zu attraktiven Ideenmanagement-Systemen mit den beschriebenen Vorgehensweisen. Die raschen Erfolge in Einzelfällen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das gesamte für ein nachhaltig erfolgreiches Ideenmanagement sich auch weit über die Dauer eines geförderten Verbundprojektes hinaus erstreckt. Projektablauf: • Standortbestimmung der Einzelunternehmen • Handlungspläne für die Projektbeteiligten sowie eine gemeinsame Umsetzplanung • Alle wesentlichen Schulungs- und Informationsveranstaltungen sollten im ersten Jahr stattfinden • Nach definierten Zwischenschritten ist jeweils Bilanz zu ziehen • Maßnahmen zur Vertiefung der Lernprozesse sind festzulegen • Dann beginnt ein Zyklus in Eigenverantwortung der Projektbeteiligten, so dass auch nach dem Verbundprojekt das Ideenmanagement in aller Regel als Teil der Unternehmenskultur zum Selbstläufer wird. Vorteilhaft in dem beschriebenen Verbundprojekt und in Handwerkerkooperationen sind die unterschiedlichen Geschäftsfelder, die ein direktes Konkurrenzdenken gar nicht erst aufkommen lassen. Dadurch konnte bald festgestellt werden, dass jede Firma für sich auf beachtliche Einzelerfolge im Verbundprojekt aufbauen konnte. Die Zusammenarbeit der Unternehmen – insbesondere hinsichtlich gemeinsamer Workshops für die Mitarbeitenden sowie der Austausch von Ideen, Impulsen, Ratschlägen und Feedback von Seiten der anderen Verbundpartner und der Berater wirken oft als Ansporn, den eigenen Verbesserungskreislauf im KVP fortzusetzen und gegenseitige Verpflichtung zum Handeln einzuhalten, so dass zwischendurch auftretende innerbetriebliche Probleme leichter überwunden werden. Zwischenfazit: Schon die Tatsache, dass sich ein Handwerksbetrieb oder Unternehmen aus Produktion, Handel, Logistik oder IT an einem Ideenmanagement-Prozess beteiligt, ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Sich öffentlichen und aufgeschlossen über neue Wege nachzudenken, ist bereits eine Form der Innovation. Im Ideenmanagement kommen damit zunehmend innovative Produkte und Prozesse in Unternehmen zielfördernd  – unter Beteiligung aller betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  – zur Anwendung. Natürlich bleiben dabei Vorgaben und Wünsche von Kunden die wichtigsten Ursachen für Innovationen. Es folgen die allgemeinen technischen Entwicklungen und die Beobachtung der Konkurrenz. Nach diesen maßgeblichen Orientierungsfeldern sind auch die Mitarbeiterinitiativen im Handwerk Ideenmanagement auszurichten.

1.2

O  WL-Initiative Ideen machen Zukunft, KrIDe und Meisterteam

Auf Basis der beschriebenen Ausgangssituationen gab es in der Folge auch erweiterte Netzwerkaktivitäten zu Förderung der mitarbeiterbeteiligten Verbesserungs- und

216

H.-R. Munzke

I­ nnovationsprozesse im Handwerk, wie z. B. im Technologie-Transfer-Ring Handwerk Nordrhein-­Westfalen (TTH-NRW), ein Netzwerk von Beratern bei Handwerkskammern, Fachverbänden und anderen handwerklichen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Es hat die Handwerksbetriebe in Nordrhein-Westfalen für innovative Schlüsseltechnologien sensibilisieren, ihre Verbesserungs- und Innovationsfähigkeit erhöhen und die Durchsetzung von Innovationen im Handwerk fördern. Entsprechend wurden auch Ideenmanagement-­Impulsbeiträge in einer Roadshow der Handwerkskammern in Niedersachsen sowie später auch in der Verbundgruppe Meisterteam LGF bundesweit organisiert. Daraufhin wurden die Themen Ideen- und Innovationsmanagement inzwischen auf feste Bestandteile in Handwerker-Netzwerkveranstaltungen, wie z.  B. der Treffpunkt Tischler NRW oder die Jahrestagungen im Meisterteam. Auffällig ist dabei, dass eine Vielzahl von Handwerksbetrieben die Methoden und Werkzeuge aus dem IDM bereits eifrig nutzen, Verbesserungspotenziale einfach nutzbar machen, aber es nicht als Innovations- oder Ideenmanagement bezeichnen. So hatten beispielsweise 2004 bei einer Auszeichnung von Handwerksbetrieben für gute Arbeit in ihrer Personalentwicklung (PE) alle drei „ausgezeichneten Sieger“ im PE-Wettbewerb zumindest Elemente eines IDM, denn als der Sieger gefragt wurde, was er mit der Siegprämie machen würde, holte er einen Zettel aus der Tasche und antwortete sinngemäß: „Ich habe meine Mitarbeiter gefragt und die haben mir folgende Ideen genannt: 1 . muss der Sanitärbereich dringend renoviert werden, 2. sollte der Durchlauf in der Schmiede optimiert werden und die Schmiede dafür etwas umgebaut werden (einige Detailangaben folgten), und 3. wäre eine Sause in der Düsseldorfer Altstadt anlässlich der Siegerehrung, an der übrigens die gesamte Belegschaft teilgenommen hatte, nicht schlecht. Alle drei Ideen werden jetzt mit dem Preisgeld umgesetzt, und wenn das nicht für eine Feier in der Altstadt ausreicht, dann muss der Chef das Preisgeld aufstocken.“ Und kein Sterbenswörtchen zur Selbstverständlichkeit wie das Handwerk Ideenmanagement lebt. Nun könnte man meinen, dass mit den Krisenjahren 2008/2009 es düster wurde im IDM, aber gerade im Handwerk Ideenmanagement und in überwiegend inhabergeführten Unternehmen bis 1000 Mitarbeitende sah es ganz anders aus. So wurde z. B. mit dem OWL Maschinenbau, den Arbeitgeber- und Unternehmerverbände zu OWL und dem IdeenNetz die Regional-Initiative „Ideen machen Zukunft“ mit Impulsveranstaltungen entwickelt, die mit Beispielen guter Praxis die Quick-Win-Effekte sowie die nachhaltig erfolgreichen Faktoren im IDM verdeutlicht. Ähnlich wie in der Ausgangssituation beschrieben, hat das dazu geführt, dass sich die Impulsveranstaltungen relativ fest etabliert hatte und durch die beschrieben StarterWorkshop-Reihen, neuen PraktikerWorkshop-Reihen und Vertiefungsmodulen aus dem LEAN-Ideen-Management ergänzt wurden. Mit der erweiterten Anwendung der IHK-Fachkraft Prozessoptimierung, z. B.

Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht

217

in einem ­Handwerksbetrieb im Kreis Warendorf, konnten bis 2010 sogar Betrieb bis 1000 Mitarbeitende mit dem Slogan „Mit IDM-Qualifizierung gestärkt aus der Krise“ gefördert werden. Und nicht zuletzt durch das Verbundprojekt „Kreativität und Innovation im Demografischen Wandel“ (KrIDe.de) sind mit den 24 Transfer- und Anwendungspartnern, darunter auch die bereits zitierten Arbeitgeber- und Unternehmerverbände, OWL Maschinenbau und FRIMO, wurde der erfolgreiche Weg im Innovations- und Ideenmanagement für gefestigt und weiterentwickelt. Das gilt insbesondere auch im Handwerk Ideenmanagement, das beispielsweise mit bis heute währende Initiativen beteiligt ist, die aus dem KrIDe-­ Verbundprojekt hervorgegangen sind: IdeenWettbewerb „Internationaler Tag der Idee“, regelmäßig auch mit Beiträgen aus dem Handwerk unterschiedlichster Gewerke. . Erste Siegerehrung im IdeenWettbewerb 2011 im HWK-Bildungszentrum Hansemann. 1 2. Eine Vielfalt siegreicher Wettbewerbsbeiträge aus dem Handwerk, z.  B.  Sieger 2018/2019  – Umwelt- und Klimaschutz. Handwerker handeln schon heute für morgen.7 3. https://tag-der-idee.trideo-software.de/#/idea/edit/141 4. Tag für Fach- und Führungskräfte im Ideen- und Innovationsmanagement jeweils am letzten Messetag auf der HANNOVER MESSE im Forum tech transfer, seit acht Jahren mit wachsender Beteiligung aus dem Handwerk Ideenmanagement, z. B. am 05. April 2019 mit dem Thema „Erfahrungsaustausch gibt Anstoß für Innovationen“.8

2

Ideen – „Starkes Handwerk. Starke Qualität.“

Auf der HANNOVER MESSE, aber auch seit Mai 2014 auf den OWL Kamingesprächen, spielen die Herausforderungen im Themenkomplex „Digitalisierung verändert die Berufsund Lebenswelten“ ein wachsendes Interesse in der Wissenschaft und den Wirtschaftsbereichen Produktion, Handel und Logistik. Das gilt vor allem auch für das Handwerk Ideenmanagement das sich den Herausforderungen in Fachgruppen Innovation und/oder Digitalisierung stellt (Abb. 2 und 3).

  IdeenWettbewerb: Auszeichnung 2019 für Engagement im Umweltschutz, IdeenNetz-Presselounge, 11. April 2019  – http://news.ideennetz.com/infocenter/pressemitteilung/ideenwettbewerb-auszeichnung-2019-f-r-engagement-im-umweltschutz. 8  Erfahrungsaustausch gibt Anstoß für Innovationen, IdeenNetz-Presselounge, 09. April 2019  – http://news.ideennetz.com/infocenter/pressemitteilung/erfahrungsaustausch-gibt-ansto-f-r-innovationen. 7

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Abb. 2  LEAN-Ideen-Management von der alltäglichen Prozessoptimierung im KVP über strukturierte Produktverbesserungen (Inkl. Service- und Dienstleistungsangebote) bis systematischen Innovationsentwicklung der genialen Mitarbeiteridee. (Quelle: Ideenmanagement in der Lebensmittelwirtschaft (Seite 42), Behr’s Verlag Hamburg, 2013)

3

 as Ziel lautet „Qualität“ – Eine systematische und D kontinuierliche Weiterentwicklung des Ideenmanagements ist dabei von großer Bedeutung; Denn Qualität ist kein Zufall: Committed to Idea Excellence – Verfahren, der Exzellenz im Ideenmanagement verpflichtet!

Um das anspruchsvolle Ziel Qualität und Excellence-Model Ideenmanagement auch im Handwerk sicher und zielgerichtet zu erreichen, eignet sich die von der European Foundation for Quality Management entwickelte EFQM-Methode. Sie wird auch genutzt, um Verbesserungsprojekte strukturiert umzusetzen und nachweisliche Verbesserungen zu erzielen, womit eine organisationsübergreifende Leistungssteigerung erreicht werden soll. Mit dem neu entwickelten Committed to Idea Excellence (C2IE) – Verfahren werden mit großer Beteiligungsorientierung Entwicklungspotenziale in der Unternehmens- und Personalentwicklung auf Grundlage der EFQM-Methodik erschlossen. Es wird genutzt, um Verbesserungsprojekte im Ideenmanagement strukturiert umzusetzen und nachweisliche Verbesserungen zu erzielen, womit eine organisationsübergreifende Leistungssteigerung grundsätzlich erreicht wird.

Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht

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Abb. 3  Megatrends Globalisierung, Demografischer Wandel und Digitalisierung sind im Handwerk angekommen, Teilhabe und Ideen lösen die Herausforderungen (Menschen bewegen. Zukunft gestalten., Jahresbericht 2018 der Bertelsmann Stiftung: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/Infomaterialien/IN_Jahresbericht_2018_DE_2019_04.02.pdf)

In 2018 hat Diebold Nixdorf als Pilotunternehmen in Deutschland im Ideenmanagement die EFQM-Methode erfolgreich umgesetzt, aber mit dem Meisterteam grundsätzlich so strukturiert, dass es vom Handwerk genutzt werden kann. Es wurden in der ersten Praxisanwendung wesentliche Verbesserungen zum Committed to Idea-Management Excellence erreicht! „Indem wir in unserer Organisation die gegenwärtige Leistungsfähigkeit analysierten und uns Prioritäten für Verbesserungen in unserem beteiligungsorientierten Ideenmanagement setzten, ermöglichte uns das C2IE-Verfahren einen praxisbezogenen Einstieg in die systematische Arbeit am Prozess und damit an der Excellence-Präsenz“, sagte Wilfried Peters, Leiter des Ideenmanagements bei Diebold Nixdorf (DN).

220

H.-R. Munzke

„Dieses Vorgehensweise bietet gleichzeitig eine Handlungsorientierung für nachhaltig wirkungsvolle Kontinuierliche Verbesserungsprozesse im und mit dem Ideenmanagementprozess“, betonte der Validator Herr Prof. Dr. Schat. Und das schöne dabei ist, dass das Verfahren sich für Unternehmen jeder Größe eignet. „Ideenmanagement, einfach machen“ war ein Leitgedanke, so dass das C2IE-Verfahren somit auch in KMU und Handwerksbetrieben erstes Anwenderinteresse findet!

4

Fazit

Die Bedeutung HandwerkMensch steht vor HandwerkTechnik! Vom IDM profitieren alle im Handwerk Ideenmanagement: • Die Mitarbeitenden erhalten Anerkennung und Wertschätzung. • Die Meister und Führungskräfte erreichen besser ihre Ziele und haben ein zusätzliches Führungsinstrument. • Die Handwerksbetriebe sowie kleine und mittlere Unternehmen haben einen klaren, wirtschaftlich messbaren Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsposition und gewinnen zudem an Arbeitgeberattraktivität. Wie kommt das Handwerk zu einem guten IDM und was können KMU und Großunternehmen i.a. daraus lernen? 1. „IDM, einfach machen“ ist z. B. eine Empfehlung und Leitgedanke, den wir in Westfalen und in unseren EinführungsWorkshop-Reihen für Starter und Praktiker im IDM entwickelt haben und die sich inzwischen vielfach bewährt haben. 2. „Betrachte jede Idee, als wäre sie deine Eigene“ bringt mehr Objektivität in die Ideenbewertung. Und damit ist ausdrücklich noch nicht die Vergütung oder Prämierung der Mitarbeitenden im IDM gemeint, sondern die Bewertung der Verbesserungsideen oder Innovationsideen im Vergleich zur IST-Situation und/oder zu Alternativideen. 3. Beachte die Reihenfolge der Managementaufgaben von Ideen: a. Zuerst Lösungsideen für Herausforderungen entwickelt oder/und einfordern. b. Dann folgt, losgelöst von der Ideenfindungsphase, die Bewertung unter Nutzungsaspekten. c. Anschließend geht es in an die Realisierung der ausgewählten Ideen. d. Und nach der Ideenannahme und Realisierung können die Vergütungsfragen (gerne auch als Prämierung oder fälschlicher Weise Bewertung bezeichnet) beantwortet werden. Der umgekehrte Weg ist weder der Kürzere noch für die Organisationen noch für deren Mitwirkenden sinnvoll. 4. Arbeite Beteiligungsorientiert auf Grundlagen der Wertepärchen,

Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht

221

Wertschätzung & Wertschöpfung sowie Vertrauen & Verlässlichkeit, und das IDM wird nicht nur gelingen, sondern es kehrt auch eine nachhaltig erfolgreiche Mitmachkultur ein, die Förderlich ist für eine zukunftssichere Unternehmens- und Personalentwicklung.

Literatur „Starkes Handwerk. Starke Qualität. Wie Fördermittel auf dem Weg zum digitalisierten Handwerksbetrieb genutzt werden“, IdeenNetz-Presselounge, 11. Feb. 2018  – http://news.ideennetz.com/infocenter/pressemitteilung/starkes-handwerk-starke-qualit-t-wie-f-rdermittel-auf-dem-weg-zum-digitalisierten-handwerksbetrieb-genutzt-werden Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (dib), Wuppertaler Kreis e.V.  Deutsche Vereinigung zur Förderung der Weiterbildung von Führungskräften und Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Die Stärken stärken, auf dem Weg zur Business Excellence, IdeenNetz-Presselounge, 25. Okt. 2016  – http://news.ideennetz.com/infocenter/news/die-st-rken-st-rken-auf-dem-weg-zur-business-excellence Dokumentation Nr. 487, Deutsches Institut für Betriebswirtschaft (dib), Wuppertaler Kreis e.V. Deutsche Vereinigung zur Förderung der Weiterbildung von Führungskräften und Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) am 21.11.2000 in Bonn Erfahrungsaustausch gibt Anstoß für Innovationen, IdeenNetz-Presselounge, 09. April 2019 – http:// news.ideennetz.com/infocenter/pressemitteilung/erfahrungsaustausch-gibt-ansto-f-r-innovationen IdeenWettbewerb: Auszeichnung 2019 für Engagement im Umweltschutz, IdeenNetz-Presselounge, 11. April 2019  – http://news.ideennetz.com/infocenter/pressemitteilung/ideenwettbewerb-auszeichnung-2019-f-r-engagement-im-umweltschutz IHK unterstützt Innovationen für die Zukunft, Wirtschaftsspiegel 2 / 2004 (Seite 16) der IHK Nordwestfalen Menschen bewegen. Zukunft gestalten., Jahresbericht 2018 der Bertelsmann Stiftung: https:// www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/Infomaterialien/IN_Jahresbericht_2018_DE_2019_04.02.pdf Mit dem Führungsinstrument Ideenmanagement (IDM) von der Pflicht zur Kür in der ISO 9001:2015, mynewsdesk, 06. Jan. 2016  – http://www.mynewsdesk.com/de/news/iso-9001-2015-idm-unddie-wichtigsten-aenderungen-144869

Dipl.-Ing. Hans-Rüdiger Munzke  ist mit dem Ingenieurbüro IdeenNetz im Ideen- und Innovationsmanagement seit 2002 aktiv und bereits gut in Arbeitsgemeinschaften sowie Handwerksverbundgruppen und -Kooperationen fachlich sowie regional vernetzt, wie z. B. in der Fachgruppen Digitalisierung und Handwerk der INQA  – Offensive Mittelstand. Die Tätigkeitsschwerpunkte liegen im beteiligungsorientierten Exzellenz-Modell Ideenmanagement auf Grundlage der integrierten Managementsysteme im ganzheitlichen Ideenmanagement, von der Idee bis zur Innovation. Mit seinem Prozess-Baukasten werden branchenunabhängig passgenaue Ideenmanagement-Konzepte nachhaltig erfolgreich und dauerhaft wirkungsvoll im Umfeld der sich wandelnden Arbeitswelten etabliert. Der Leitgedanke „Ideenmanagement, einfach machen“ hilft, die Chancen der Digitalisierung für systematische, mitarbeiterbeteiligte Verbesserungs- und Innovationsprozesse auch in KMU und im Handwerk zu nutzten.

Best Practice am Beispiel des Ideenmanagement der LBBW Thomas Haumann

Inhaltsverzeichnis 1  2  3  4  5 

 ie kann so ein Aufbau erfolgen?  W Ziele, Aufbau des Ideenmanagements der Landesbank Baden-Württemberg  Verzahnung der Methoden  Bewertung der Ideen  Zusammenfassung 

 223  225  225  226  227

Zusammenfassung

Am Anfang steht die Idee. Zahlreiche Unternehmen in der Industrie wie in der Finanzbranche sind aktuell von den mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen befasst. Die Notwendigkeit des sich ständigen Weiterentwickelns ist allgegenwärtig. Natürlich war dies auch schon früher der Fall  – die Geschwindigkeit hat jedoch eindeutig zugenommen. Unternehmen verändern sich inkrementell und/oder radikal. Innovationen sind das Schlagwort – aber als Basis aller Innovationen gingen Ideen voraus. Insofern ist das Ideenmanagement heute auch ein idealer Zulieferer für ein ­Innovationsmanagement.

1  Wie kann so ein Aufbau erfolgen? Zu Beginn soll ein grafischer Überblick stehen (Abb. 1).

T. Haumann (*) LBBW, Stuttgart, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_22

223

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T. Haumann

BVW - Betriebliches Vorschlagswesen

KVP - Ko

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Lean - Value St

Workshops

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Innovationsman

LBBW VerbesserungsProzess Abb. 1  Das Ideenmanagement der LBBW

Basis aller Theoriemodelle zu Innovationsprozessen ist die Ideengenerierung oder Ideenentdeckung. Hierbei gibt es vielerlei Ansätze an die Ideen zu gelangen. Die Sammlung der Ideen bildet sich über die zwei Eingangskanäle „interne“ und „externe“ Ideengenerierung. Beim internen Kanal sind wir neben den Think Tanks, den Forschungsund Entwicklungseinheiten und anderen spezialisierten Abteilungen schnell beim Ideenmanagement. Vorteil dieses Instruments ist es, dass es meist schon lange in den Unternehmen etabliert ist und bei den Mitarbeitern als angenommener Weg wahrgenommen wird, Ideen ins Unternehmen einzubringen. So können gleichzeitig alle Organisationseinheiten, alle Mitarbeiter und über alle Stellenebenen hinweg gleichzeitig angesprochen werden. In der Landesbank Baden-Württemberg hat das Ideenmanagement eine lange Tradition. So waren es doch auch die Banken, deren Prozesse schon früh digitalen Charakters waren, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass ein Ideenmanagement hier sehr erfolgreich sein kann.

Best Practice am Beispiel des Ideenmanagement der LBBW

225

Steuerungs- und Controllingprozess Forschung und Entwicklung

Ideenmanagement

Denkfabriken/Think Tanks

(Technologie-)Trends

IdeenPipeline

Stage 1

Stage 2

Stage 3

Realisierung

Markt/ Produktion/ Ablauf

Kundengespräche

Wettbewerb

Kontinuierlicher Weiterentwicklungsprozess der Produkte, Arbeitsabläufe und Dienstleistungen

Abb. 2  Der LBBW VerbesserungsProzess

2  Z  iele, Aufbau des Ideenmanagements der Landesbank BadenWürttemberg Der LBBW VerbesserungsProzess wird in der folgenden Abb. 2 dargestellt. Beim Aufbau des Ideenmanagements und der weiteren Fortführung galt und gilt es darauf zu achten, dass die Eingangskanäle, welche Ideen von Mitarbeitern generieren, in der Erhebung und Bewertung berücksichtigt werden. Der Kerngedanke dieser Aufstellung ist es, dass die Ideen der Mitarbeiter, welche über die verschiedenen Methoden wie Lean, Qualitätsmanagement, Ideenworkshops, Agilitätsaktionen generiert werden, alle in der weiteren Prüfung und Umsetzung einer einheitlichen Bewertung unterliegen.

3  Verzahnung der Methoden Am Anfang steht die Idee! Wie wir in der Abb. 1 gesehen haben ist es wichtig, dass die unterschiedlichen Ideengenerierungsmethoden von außen und von innen miteinander verzahnt werden. Dabei müssen diese Organisationseinheiten, welche sich um diese Themen im Besonderen kümmern, nicht organisatorisch zusammengelegt werden, wesentlich ist, dass diese miteinander kommunizieren. Es muss eine Möglichkeit geschaffen werden, wie die Idee innerhalb der jeweiligen Realisierungskanäle weiterverfolgt werden kann. In der Landesbank Baden-Württemberg können daher Ideen, die über das Ideenmanagement eingebracht werden, im Innovationsmanagement weiterbehandelt werden und ebenso umgekehrt. Dies stellt beim Mitarbeiter sicher, dass egal über welchen Weg er

226

T. Haumann

seine Idee einbringt, diese Idee gleich bewertet wird. So können die Mitarbeiter Ideen für die Optimierung von Produkten und Prozesse, aber auch für ganz neue Geschäftsmodelle einreichen. Damit wird sichergestellt, dass die in der Theorie zwar einfache Abgrenzung von Ideen- und Innovationsmanagement in der Praxis jedoch häufig mit Zuordnungsschwierigkeiten verbundenen Fragestellungen überwunden werden. Die Verbindung von betrieblichem Vorschlagswesen (BVW) und kontinuierlichem Verbesserungsprozess (KVP) einerseits sowie der Generierung von Innovationen andererseits ist notwendig: Vorschläge zur Prozessoptimierung könnten sich bei genauer Begutachtung als erfolgsversprechende Produktinnovationen erweisen, umgekehrt könnten Vorschläge für neue Produkte zwar nicht direkt umgesetzt, aber doch zu verbesserten Prozessen genutzt werden. Innovationen können systematisch entwickelt werden, aber auch zufällig entstehen. Insofern besteht bei der Landesbank Baden-Württemberg im Ideenmanagement eine gute Zusammenarbeit der Methoden wie dem Innovationsmanagement, Qualitätsmanagement, Lean Management und auch Agilitätsmanagement. Weiterer Vorteil liegt darin, dass die Führungskräfte so die Möglichkeit haben, verschiedene methodische Ansätze aufzunehmen, um Ideen bei ihren Mitarbeitern für zu lösende Herausforderungen einzusetzen. Hinzu kommt, dass sich damit die verschiedenen Methoden auch immer wieder gegenseitig befruchten und so dazu führen, dass die kontinuierliche Weiterentwicklung ein stets präsentes Thema bei den Mitarbeitern bleibt.

4  Bewertung der Ideen Beteiligen können sich grundsätzlich alle Mitarbeiter, fach- und hierarchieübergreifend. State-of-the-art ist heute insbesondere auch das eigene Arbeitsumfeld. Wird das eigene Arbeitsumfeld heute zwar immer wieder diskutiert, erzielt man jedoch in der Regel schnell Einigung darüber, dass Erfolge anerkannt und auch belohnt werden müssen. Gerade in seinem Arbeitsumfeld ist der Mitarbeiter der Experte in den hierin tangierten Prozessen. Wer außer ihm, kann hier schnell Ideen entwickeln, ohne diese vorher einer gewissen Arbeitsuntersuchung zu unterziehen. Ideen können so auf allen Ebenen viel schneller auf den Weg gebracht werden. Quick-Wins schnell erzielen und Arbeitsprozesse vereinfachen sowie die Kostenstruktur verbessern. Gibt man dieses eigene Arbeitsumfeld im Ideenmanagement frei, so hat dies den Vorteil, dass hiermit die gesamte Unternehmung bei der Fortentwicklung einbezogen werden kann. Um den Aspekt der Arbeitsnähe dennoch zu berücksichtigen, wurde ein mehrstufiges Prämienmodell aufgelegt, in welchem dieser Aspekt sowie die inhaltliche Aufbereitung der Idee berücksichtigt werden (vgl. Abb. 3). Die Mitarbeiter haben damit ein transparentes und für alle zugängliches Bewertungsmodell. Die unterschiedlichen Methoden wie insbesondere Lean-/KVP und Ideenmanage-

Best Practice am Beispiel des Ideenmanagement der LBBW Jahresnettonutzen

Nutzenermittlung + sachkosten N u t z e n

Prämienermittlung

+ Mehrerlöse + Reduzierte Operationelle Risiken + Reduzierte Prozesszeiten1 + sonstige Erträge

Bruttonutzen - Investitionen K o s t e n

227

- Ifd. Aufwände - Personalaufwand zur Umsetzung - sonstige Aufwände

Jahresnettonutzen

BVN bis zu 50 % des Jahresnettonutzen max. TEUR 50

KVP generell Dienstnähe 5 % max. TEUR 5

Aufgabengebiet: Ausschüttung zu % wenn VV außerhalb ... 100 % großteils außerhalb 75 % teilweise außerhalb ... 50 % geringfügig außerhalb ... 25 % nahe ... 10 % (=5% Prämie) ...der Arbeitsaufgabe* ggf.abzgl. Lösungsweg: Ausschüttung wenn dieser ausgereift ist 100 % teilweise vorhanden ist 75 % umfangreich angepasst wird 50 % nicht vorhanden ist 25 %

= Prämie

Abb. 3  Prämienmodell der LBBW

ment können über ein Modell bewertet und honoriert werden und fördert damit die Zusammenarbeit der Methoden untereinander.

5  Zusammenfassung Die Landesbank Baden-Württemberg wurde in der Finanzdienstleistungsbranche mehrfach für ihr Ideenmanagement ausgezeichnet. Mit dieser Ausrichtung des Ideenmanagements konnte in den letzten Jahren eine kontinuierliche Steigerung der Mitarbeiterbeteiligung und des generierten Nutzens erzielt werden. Mit dieser immer höheren Wahrnehmung des Ideenmanagements geht immer auch eine höhere Annahmequote einher. Die Qualität der Vorschläge nimmt stetig zu, die Begutachtungen greifen immer mehr den möglichen Lösungsansatz und die Problemstellung auf und der damit generierte Nutzen unterstützt die Ziel in den einzelnen Organisationseinheiten (vgl. Abb. 4). Eine gezielte Aufstellung des Ideenmanagements und der Berücksichtigung der Erfolgsfaktoren führt somit auch zur Lösung der im Ideenmanagement immer wieder aufkommenden Herausforderungen bei der Generierung bzw. Begutachtung von Verbesserungsvorschlägen. Mit der wesentlichste Faktor bleibt jedoch das Mindset der beteiligten Personen, sei es bei den Führungskräften, den Mitarbeitern oder den handelnden Ideenmanagern.

228

T. Haumann

Entwicklung VP 6,000

37.0 €

40.0 € 35.0 €

5,000

30.0 € 27.4 €

4,000 20.7 €

3,000

20.0 €

18.0 €

15.0 €

14.0 €

2,000

10.0 €

9.1 €

1,000 0

25.0 €

5.0 € 2013

2014

2015

VV- Eingang

2016

2017

2018

- €

Nutzen in Mio

• Vorschlagseingänge in den letzten 5 Jahren um 35 % gesteigert • Nutzen um 285 % gesteigert – Qualität der Ideen zugenommen • Erfolgreichstes Ideenmanagement in der Bankenbranche • Hohe Identifikation der Mitarbeiter • Etabliertes Weiterentwicklungsinstrument – Kultureller Change Abb. 4  Jahresentwicklung nach Veröffentlichung Geschäftsbericht

Thomas Haumann  Bankkaufmann, zuständig für das Ideenmanagement der Landesbank Baden-Württemberg, begleitet seit mehr als 15 Jahren dieses Thema bei der LBBW. Er ist Ideenmanager mit Leidenschaft, der die Prozessoptimierungsmethoden vom Mitarbeiter ausgehend aktiv fördert. Ideenmanagement wird nie langweilig, da die Ideen immer aktuell und ihrer Zeit voraus sind. Als Innovationsmanager, Prozessberater und Agilitätsbotschafter ist die Umsetzung von Ideen sein tägliches Doing. Die Landesbank Baden-Württemberg ist führend im Bereich Ideenmanagement bei Banken und ­Versicherungen.

Das Ideenmanagement in Zeiten des Wandels am Beispiel eines Automobil-­Zulief erers Christoph Hann von Weyhern

Inhaltsverzeichnis 1  2  3  4  5  6 

 ie Hirschvogel Automotive Group und ihre Herausforderungen D Was verstehen wir unter Verschwendung? Das Ideenmanagement wirksam einsetzen Die Verknüpfung des Ideenmanagements mit den Verschwendungsarten Das Ideenmanagement als effektives Führungstool nutzen Das Zusammenwirken von Ideen- und Innovationsmanagement

 230  230  231  232  233  233

Zusammenfassung

Automobilhersteller und ihre Zulieferer stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Zum einen befindet man sich in einem immer schärfer werdenden globalen Wettbewerb mit Konkurrenten aus vielen Ländern und Regionen, zum anderen haben sich die Markt- bzw. Kundenbedürfnisse in relativ kurzer Zeit stark gewandelt. Was bedeutet dies für das Ideenmanagement in dieser Branche? Wird es überhaupt noch gebraucht oder kann das in die Jahre gekommene BVW getrost ad acta gelegt werden, da wir in dieser Zeit eher agile, flexible Systeme und Methoden brauchen, um die Herausforderungen der Zeit zu meistern?

Christoph. Hann. von Weyhern (*) Hirschvogel Automotive Group, Denklingen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_23

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1

C. H. von Weyhern

 ie Hirschvogel Automotive Group und ihre D Herausforderungen

Hirschvogel ist einer der vielen deutschen Zulieferunternehmen, die in der Wertschöpfungskette zur Herstellung von Automobilen stehen. Die Hirschvogel-Produkte sind massiv-­umgeformte, also industriell geschmiedete, und weiterveredelte Bauteile aus Stahl und Aluminium, die in Fahrzeugen in der Diesel-/Benzineinspritzung, dem Motor, dem E-Antrieb, dem Getriebe, dem Antriebsstrang und dem Fahrwerk zu finden sind. Die Herausforderung ist, neue Produkte zu entwickeln und zu verkaufen, die bei gleichbleibender Qualität und Stabilität immer leichter werden. Ebenso soll im Produktportfolio der Anteil der Bauteile, die unabhängig vom Verbrennungsmotor im Auto verbaut werden, anwachsen. Neben der Veränderung des Marktes steht Hirschvogel auch einem stärker werdenden Kostendruck gegenüber. Neben Kosten, die kaum oder sehr wenig beeinflussbar sind (z. B. Tarifanpassungen, steigende Preise für Rohmaterial, Hilfs- und Betriebsstoffe), gibt es aber auch Kosten, die von Mitarbeitern auf allen Ebenen direkt reduziert bzw. vermieden werden können. Diese Kosten entstehen durch Verschwendung, die durch unser tägliches Handeln (bewusst oder unbewusst) verursacht wird. Und genau hier setzt das Ideenmanagement an. Es ist ein Werkzeug im Kampf gegen die Verschwendung.

2

Was verstehen wir unter Verschwendung?

Bevor das Ideenmanagement überhaupt zu einem wirksamen und nützlichen Werkzeug werden kann, muss ein ausgeprägtes Verschwendungsbewusstsein auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Unternehmens etabliert sein. Hirschvogel unterscheidet zwischen neun Verschwendungsarten: • • • • • • • • •

Suchen und Warten Transport und Bewegung Ausschuss und Nacharbeit Überproduktion Bestände Flächen Ineffizient genutzte Ressourcen Unnötige Arbeitsschritte Komplexe Prozesse

Diese Verschwendungen bedingen sich oft gegenseitig und verursachen zusätzliche Kosten ohne den Wert der Produkte zu erhöhen. Diesen Verschwendungen begleiten die tägliche Arbeit – in der Produktion genauso wie in der Administration. Dabei ist es insbesondere im oft hektischen Tagesgeschäft nicht immer leicht, die Augen nach Verschwendung

Das Ideenmanagement in Zeiten des Wandels am Beispiel eines Automobil-Zulieferers

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offen zu halten, sie zu erkennen und dann auch noch nachhaltige Lösungen zu finden, sie zu reduzieren oder am besten komplett zu vermeiden.

3

Das Ideenmanagement wirksam einsetzen

Ist es erst einmal gelungen, das Verschwendungsbewusstsein und die Notwendigkeit, gegen Verschwendungen vorzugehen, zu etablieren, kann das Ideenmanagement im Kampf gegen Verschwendung sehr nützlich werden. Neben weiteren klassischen Lean- und Verbesserungsmethoden, wie Kaizen-Workshops, Wertstromdesign, 5S, TPM etc. zeichnet sich das Ideenmanagement vor allem durch sein hohes Teilnehmerpotenzial aus. Jeder Mitarbeiter, egal welche Position er im Unternehmen bekleidet, darf mitmachen. Der Mitarbeiter kann mit Hilfe des Ideenmanagements zum Mitgestalter von Arbeitsplätzen und Prozessen im Unternehmen werden. Eine hohe Beteiligung am Ideenmanagement ist aber nur zu erreichen, wenn es als wirksames Werkzeug angesehen wird. An einem nicht wirksamen Werkzeug verliert man schnell die Lust und lässt es links liegen. Ebenso erfahren neue Kollegen durch Mundpropaganda recht schnell, dass es sich erst gar nicht lohnt, eine Idee einzureichen. Wie schaffen wir es also, das Ideenmanagement zu einem wirksamen Tool zu gestalten? Bei Hirschvogel gibt es hierzu vier Grundsätze, die das System erfüllen muss: Transparenz, Wertschätzung, Schnelligkeit und Glaubwürdigkeit. Ein transparentes Ideenmanagement ist das Gegenteil einer sogenannten „Black Box“, bei der kaum jemand so genau weiß, wie das System funktioniert und wie effektiv es ist. Damit das Ideenmanagement keine Black Box ist, muss für jeden Einreicher zu jeder Zeit erkennbar sein, in welchem Bearbeitungsstand sich seine eingereichte Idee befindet. Ansonsten weiß er nicht, ob die Idee für gut befunden wurde, ob sie überhaupt umgesetzt werden soll und an welcher Stelle sie sich gerade zur Bearbeitung befindet. Wenn diese Informationen nur über den Ideenmanager zu erfahren sind, kann dies bereits als umständlich und unangenehm empfunden werden. Ebenso sollte es bei den Ideeninhalten, also dem beschriebenen Problem bzw. Potenzial, der vorgeschlagenen Lösung und dem Ergebnis der Ideenprüfung, keine Geheimnisse geben. Das heißt konkret, dass auch die Ideen der anderen Kollegen für alle potenziellen Einreicher einsehbar sind. Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass Gerüchte und Unwahrheiten (teilweise bewusst) verbreitet werden, die dann wiederum der Akzeptanz des gesamten Systems schaden. Beispiele hierfür können Aussagen sein wie diese: „Im Ideenmanagement werden sowieso nur Ideen eingereicht, die dem Unternehmen nichts bringen.“ oder „Ideen, die aus unserem Bereich stammen, werden grundsätzlich abgelehnt.“ Es ist wenig überraschend, wenn solche Äußerungen dem gesamten Ideenmanagement-System schaden. Neben der Transparenz ist es wichtig, dem Ideeneinreicher die Wertschätzung entgegenzubringen, die notwendig ist, um auch in der Zukunft weiterhin Ideen einzureichen. Bei Hirschvogel durchläuft jede neue Führungskraft ein Training zum richtigen Umgang mit Mitarbeiter-Ideen. In diesem Training wird vermittelt, die Ideen der Mitarbeiter nicht als selbstverständlich oder sogar lästig zu betrachten. Führungskräfte müssen eine einge-

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C. H. von Weyhern

reichte Idee als Geschenk ihres Mitarbeiters sehen – auch wenn noch gar nicht absehbar ist, wie gut und wirksam diese Idee sein wird. Es ist wie bei einem Geschenk, das noch verpackt ist. Was sagt die beschenkte Person, wenn das Geschenk übergeben wird? „Danke!“. Genau das sollte die Führungskraft auch bei eingereichten Mitarbeiterideen machen – sich bedanken. Das tut niemandem weh, symbolisiert aber eine Wertschätzung für eine nicht selbstverständliche Leistung des Mitarbeiters. Darüber hinaus ist aber auch eine respektvolle Bearbeitung der Idee zwingend erforderlich. Das heißt, auch im Falle einer Ablehnung bzw. Nicht-Umsetzung muss der Grund dem Mitarbeiter verständlich und wertschätzend mitgeteilt werden. Ein kurzes, womöglich nicht nachvollziehbares Statement, wie z. B. „Machen wir nicht.“ oder „Idee wird abgelehnt“, reicht nicht aus. Ein populäres Ideenmanagement zeichnet sich durch einen schnellen und unkomplizierten Ablauf aus. Kaum etwas ist für einen Ideeneinreicher demotivierender als ein gefühlt ewig langer Prüf- und Bearbeitungsprozess bis das Resultat feststeht bzw. seine Idee endlich umgesetzt ist. Leider passiert dies aber nur allzu oft, da die Bearbeitung (Begutachtung, Umsetzung etc.) von Ideen doch eher herunter priorisiert wird und neben den „normalen“ Arbeitsaufträgen eher als „Nice to have“ angesehen wird. Dies gilt insbesondere, wenn der Auftrag zur Bearbeitung „nur“ von der Stabsstelle „Ideenmanagement“ kommt, die keinerlei disziplinarische Weisungsbefugnis besitzt. Dieses Dilemma ist zu lösen, wenn der Ideenmanagement-Prozess so dezentral wie möglich organisiert ist. Bei einem dezentralen Prozess sind die Führungskräfte intensiv eingebunden. Entweder erfolgt die Ideenbearbeitung direkt durch sie selbst oder sie delegieren die Bearbeitung der Ideen an Mitarbeiter, denen sie disziplinarisch weisungsbefugt sind. Ebenso ist wichtig, für jeden Bearbeitungsschritt Erledigungsfristen zu vergeben. Im Falle von Fristüberschreitungen oder unzureichender Bearbeitung müssen sich die Bearbeiter dann vor ihrer Führungskraft verantworten und nicht vor einer Stelle, die ihnen gar nichts zu sagen hat und noch dazu oft fachfremd ist. Dadurch, dass der Auftrag „vom Chef“ kommt, steigt automatisch die Priorisierung zur fristgerechten Erledigung dieses Arbeitsauftrags. Zudem ist auch eine glaubwürdige Top-Down-Vertretung des Ideenmanagements wichtig. Die Beschäftigten müssen von allen Führungsebenen eingeladen sein, sich mit ihren Ideen an der kontinuierlichen Verbesserung des Unternehmens zu beteiligen. Dies allein nützt aber wenig, wenn den großen Worten keine Taten folgen. Das heißt, die eingereichten Ideen müssen dann auch auf allen Führungsebenen zeitnah und nachhaltig bearbeitet werden. Nur dann wird der Appell der Unternehmensführung für glaubwürdig erachtet und das Ideenmanagement als wichtiges Thema angesehen.

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 ie Verknüpfung des Ideenmanagements mit den D Verschwendungsarten

Wenn die oben erwähnten Grundsätze erfüllt sind, muss dem System noch ein Ziel gegeben werden. Fehlt das Ziel, werden Ideen zu beliebigen Themen eingereicht, mal nützlich – mal weniger nützlich. Um echte Verschwendung zu beseitigen, müssen die Ideen

Das Ideenmanagement in Zeiten des Wandels am Beispiel eines Automobil-Zulieferers

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gewisse Qualitätskriterien erfüllen. Bei Hirschvogel sind dies zwei Regeln – die Idee muss eine nachhaltige Lösung beschreiben und sie muss für das Unternehmen nützlich sein, d. h. Verschwendung abbauen. Eine nachhaltige Lösung bedeutet, dass der alte Zustand nicht mehr eintreten kann und mit der Umsetzung der Idee eine wirkliche Verbesserung erzielt wird. Eine einfache Reparatur bzw. Wiederherstellung ist somit keine Idee, die von den Führungskräften angenommen werden darf. Neben diesen beiden Grundregeln muss das beschriebene Potenzial auch einer der 9 Verschwendungsarten zugeordnet werden können. Ist dies nicht der Fall, entstehen oft sogenannte „Schöner Wohnen“-Ideen, die dem Unternehmen keinen größeren Mehrwert bieten und manchmal sogar zusätzliche Kosten verursachen, denen kein signifikanter Nutzen für das Unternehmen gegenübersteht. Selbstverständlich sind aber Ideen zu so wichtigen Themen wie Arbeitssicherheit und Ergonomie sehr willkommen!

5

Das Ideenmanagement als effektives Führungstool nutzen

Die Führungskräfte spielen im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess eine entscheidende Rolle. Sie sind es, die Mitarbeiter motivieren müssen, einen kritischen Verschwendungs-­ Blick auf die tägliche Arbeit zu bewahren, mitzudenken und somit das Wissen und die Erfahrung der gesamten Belegschaft zum Wohl des Unternehmens einzubringen. Die Mitarbeiter wiederum haben ein Ideenmanagement-System, das transparent, wertschätzend, schnell und glaubwürdig ist. Dieses System kann auch sehr gut mit anderen Führungsinstrumenten kombiniert werden. So trägt z. B. eine Integration in das Shopfloor Management zu einer weiteren Steigerung der Präsenz und Wichtigkeit des Ideenmanagements bei. In der Regelkommunikation des Shopfloor Managements kann die Führungskraft ihre Mitarbeiter auf wichtige bereichsspezifische Probleme hinweisen, zu deren Verbesserung sie mit ihren Ideen beitragen sollen. Somit wird der Fokus der Mitarbeiter noch mehr geschärft, Ideen zu nützlichen Themen einzureichen.

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 as Zusammenwirken von Ideen- und D Innovationsmanagement

Nachdem nun ausführlich auf die Nützlichkeit des Ideenmanagements zum Abbau von Verschwendung und somit der Reduzierung interner Kosten eingegangen wurde, stellt sich die Frage, wie das Ideenmanagement-System bei den in der Einleitung beschriebenen weiteren Herausforderungen der Automobilzulieferindustrie helfen kann. Bei Hirschvogel agieren das Ideen- und Innovationsmanagement gemeinsam in einem System. Traditionell konzentriert sich das Innovationsmanagement im Gegensatz zum Ideenmanagement auf die Nachverfolgung von Ideen aus einem begrenzten Einreicherfeld, meistens von Mitarbeitern, die gemäß ihrer Position direkt dem Entwicklungsprozess von Produkten und Fertigungsprozessen angehören. Diese Grenze wurde bei Hirschvogel vor

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C. H. von Weyhern

einiger Zeit abgeschafft. Die Vorteile des etablierten Ideenmanagement-Systems sollen nun auch für das Innovationsmanagement genutzt werden. Dies heißt konkret, dass jeder Mitarbeiter im Unternehmen mit seinen Ideen Innovationsprojekte anstoßen kann. Diese Ideen, die über das Verbessern bereits existierender Lösungen hinausgehen, können auf derselben Ideen-Plattform eingereicht werden. Auch sie verlaufen einen definierten Prüfprozess und der Einreicher kann jederzeit sehen, in welchem Status der Prüfung sich seine Idee befindet und wie letztendlich das Ergebnis der Ideenprüfung lautet. Bei positiver Prüfung wird ein Innovationsprojekt angestoßen, in dem die Lösung von Experten weiter ausgearbeitet wird. Fazit Das Ideenmanagement spielt auch in der heutigen Zeit eine wichtige Rolle, den nachhaltigen Unternehmenserfolg zu sichern. Es ist aber sehr wichtig, dass es nicht als ein von der Unternehmensrealität losgelöstes Tool angesehen wird. Dieser Eindruck wird vermieden, indem das Ideenmanagement in seiner Aufgabenstellung möglichst nah mit den Themen verknüpft ist, die für das Unternehmen wichtig sind. Ebenso ist die Rolle der Führungskräfte entscheidend  – ein Ideenmanagement, das nicht als Führungsaufgabe angesehen wird, läuft Gefahr als nicht nützlich angesehen zu werden. Die Folge ist dann oft, dass es stiefmütterlich als Nebenthema behandelt wird und nur mehr aufgrund einer bestehenden Betriebsvereinbarung existent ist – mit wenig Nutzen für das Unternehmen. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine niedrige Beteiligung, da niemand gern ein nicht nützliches Werkzeug verwendet.

Christoph Hann von Weyhern  Dipl.-Betriebswirt (FH), ist bei der Hirschvogel Automotive Group, einem Zulieferer der Automobilindustrie, als Lean Consultant tätig. Er ist Ideenmanager in der Zentralfunktion und somit Ansprechpartner und Koordinator der Ideenmanagement-Beauftragten der deutschen und internationalen Hirschvogel-Werke. Darüber hinaus ist er bei Hirschvogel zentraler Ansprechpartner für das Shopfloor Management und 5S. Hirschvogel wurde im Jahr 2017 vom Zentrum Ideenmanagement mit dem 1. Platz in der Kategorie „Bestes Ideenmanagement“ ausgezeichnet.

Ideenmanagement in der chemischen Industrie: Ein persönlicher Erfahrungsbericht Heribert Töns

Inhaltsverzeichnis 1  H  istorie  2  E  inführung Gruppenarbeit/Shopfloor-Management Kaizen und KVP  3  Quo Vadis? 

 235  237  238

Zusammenfassung

Dieser Text beruht auf fast drei Jahrzehnten Berufspraxis als Ideenmanager. Für einen Beitrag zum Ideenmanagement in der chemischen Industrie kann ich nur meine Eindrücke und Erfahrungen zu unserem Ideenmanagement (IDM) bei der BASF Coatings Deutschland liefern. Ob dies allgemein für die chemische Industrie gilt kann ich leider nicht beurteilen. Durch die gewachsenen Kontakte zu anderen Ideenmanagern und durch meine Tätigkeit als Referent auf Fortbildungsveranstaltungen für Ideenmanager habe ich aber den Eindruck gewonnen, dass doch die eine oder andere Erfahrung auch auf andere Betriebe übertragbar ist.

1

Historie

Ich bin seit 1990 mit dem Thema Ideenmanagement unterwegs und habe die Entwicklung vom klassischen Betriebliches Vorschlagswesen in Richtung Ideenmanagement begleitet und auch mitgestaltet.

H. Töns (*) Beauftragter Ideenmanagement, BASF Coatings GmbH, Münster, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_24

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H. Töns

Bei BASF Coatings Deutschland wurde das Betriebliches Vorschlagewesen (BVW) 1956 eingeführt. Zu dieser Zeit gab es noch keine PC und Handys. Das BVW war sehr bürokratisch aufgestellt und es wurde sehr viel Wert auf eine anonyme Bearbeitung der Ideen gelegt. Mit der anonymen Bearbeitung der Ideen wollte man vermeiden, dass die Ideen mit Vorbehalten gegen die Person des Einreichers bewertet wurden. Die Arbeitnehmervertreter prägten den Begriff „Nasenfaktor“. Hier steckt die Vermutung dahinter, dass Verbesserungsvorschläge personenbezogen bewertet und Prämien nach Gutsherrenart vergeben werden. Die Bewertungsausschüsse waren mit je fünf Arbeitnehmer und fünf Arbeitgebervertreter besetzt. Diese große Gruppe arbeitete sehr schwerfällig und bürokratisch. In den Sitzungen wurden alle offenen Ideen besprochen. Die meisten Teilnehmer kamen unvorbereitet in die Sitzungen. Somit mussten alle Teilnehmer sich erst einmal einlesen, um die Ideen zu verstehen. Bei komplexen Ideen fehlte oft der Sachverstand, somit wurden diese Ideen meistens von einem Arbeitgebervertreter monetär bewertet oder abgelehnt. Da die Ideen anonym bearbeitet wurdne, wurde das Geheimnis des Einreichers erst in der Sitzung gelüftet. Dann gab es oft hitzige Diskussionen ob der Vorschlag nun prämienberechtigt ist, oder auch nicht. Denn: Kollegen durften keine Vorschläge aus dem eigenen Arbeitsbereich einreichen. Auch Verbesserungsvorschläge von Führungskräften oder von Kollegen aus der Forschung und Entwicklung wurden kritisch gesehen: Gehören Verbesserungen nicht zu deren Aufgabe, für die sie ohnehin bezahlt werden? Hier entstand oft der Eindruck des Nasenfaktors, den man eigentlich vermeiden wollte. Klare Regeln oder Fragen zum Aufgabenbereich des Ideengebers gab es nicht. Arbeitsbereich und Aufgabenbereich wurden oft miteinander vermischt oder deren Umfang gar nicht verstanden. Bei lapidaren Ideen konnte jeder mitreden, so dass diese oft zerredet wurden. Nach längeren Diskussionen wurde dann spontane Abstimmungen zur Bewertung durchgeführt; oft gegen den Einreicher. Die Kommunikation zwischen den Sitzungen fand telefonisch und in Papierform statt. Die BVW-Kommission tagte nach Bedarf und alle offenen Vorschläge lagen in gedruckter Form den Mitgliedern vor. Dieses Model der Ideenbearbeitung war zähflüssig und bürokratisch. Die Beteiligungsquote betrug maximal 10 %. D. h. der überwiegende Teil der Belegschaft beteiligte sich nicht an diesem Model. Die Bearbeitungszeit vom Eingang der Idee bis zur Bewertung betrug im Durchschnitt drei Monate. Die Erwartungen des Einreichers, der ja anonym war und sich nicht am Prozess beteiligte, waren nach einer langen Wartezeit hoch, weil er dachte, dass wenn seine Idee abgelehnt werden würde, diese Entscheidung schnell getroffen würde. Bei den Vorgesetzen kamen die Ideen der Einreicher oft nicht gut an, da die Ideen Versäumnisse ihrerseits dokumentierten. Bei feierlich inszenierten Prämienübergaben ließen sich gerne auch Bedenkenträger auf Fotos ablichten, um in der Werkzeitung zu erscheinen. Als Fazit konnte man sagen: „Das Ideenmanagement dümpelt vor sich hin“. Durch gezielte Sonderaktionen wurde die Beteiligungsquote erhöht und der Eingang der Ideen stieg deutlich. Die Kommission war nun nicht mehr in der Lage, alle Vorschläge in den Sitzungen zu behandeln und man war gezwungen den Prozess umzustellen. 1990 gab es den ersten PC und die zuvor karteikartenmäßig erfassten Ideen wurden nun elek-

Ideenmanagement in der chemischen Industrie: Ein persönlicher Erfahrungsbericht

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tronisch erfasst. Es entstand eine „kleine Kommission“. Diese war mit einem Betriebsratsmitglied und dem BVW-Beauftragten besetzt. Bei den wöchentlichen Treffen wurden abgelehnte Idee betrachtet und final bewertet. Dies verkürzte die Bearbeitungszeit und die Entscheide konnten eher verschickt werden. Nach einigen Monaten konnte dieser Prozess kontinuierlich in kleinen Schritten optimiert werden. Letztendlich wurden dann die Ablehnungen sofort nach Bewertung des Nutzers verschickt. Dies machte auch nach Einsicht des Betriebsrates Sinn, da ja die Möglichkeit des Einreichers bestand, einen Einspruch gegen Entscheidungen einzulegen.

2

 inführung Gruppenarbeit/Shopfloor-Management Kaizen E und KVP

1996 wurde aufgrund von Änderungen in der Arbeitsorganisation die Gruppenarbeit eingeführt. Ziel der Umstellung war es, die Durchlaufzeiten drastisch zu senken, um Kundenwünsche schneller zu erfüllen und freie Kapazitäten zu schaffen. Heute ist der Begriff Shopfloor-Management geläufiger. Inhaltlich sind diese Label identisch. Mit der Arbeitsorganisation Gruppenarbeit sollte erreicht werden, dass die Teams eigenverantwortlich ihre Prozesse steuern. Als monetärer Anreiz wurden SMARTE Gruppenziele vereinbart, um die Mitarbeiter zu motivieren, ihre Arbeitszeit flexibel auf die Belange des Betriebes auszurichten. Die Ziele wurden • • • • • •

Spezifisch Messbar Angemessen Realistisch und mit einem Termin hinterlegt und Erreichbar.

Auf die Qualifizierung der Mitarbeiter wurden besonders geachtet, da die Gruppe nun für einen Fertigungsprozess in eine Linie verantwortlich war und innerhalb der Gruppe alle Funktionen erfüllt werden mussten. Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) und die Kaizen-Version zog ein. Zu diesem Zeitpunkt wurde überlegt, wie das BVW und der KVP zusammenpassen. Sollten Ideen aus diesen Teams prämienberechtigt sein? Wenn während der Arbeitszeit durch Qualitäts- oder KVP Teams Verbesserungen ausgearbeitet und nachhaltig umgesetzt wurden, liegt dann ein Verbesserungsvorschlag vor? Kreativität kann ja nicht erzwungen werden, aber diese kann gefördert werden. Schließlich entschied man sich bei der BASF Coatings KVP und BVW zusammenzuführen. Der Fokus sollte nun nicht mehr bei der Bewertung des Aufgabengebietes (Prämie ja oder nein) liegen. Die Gruppen sollten nun systematisch den KVP anwenden und die Ideen nachhaltig umsetzen. Der Schlüssel zum Erfolg lag und liegt bei der schnellen Umsetzung von Ideen und die Sicherstellung der Nachhaltigkeit. Dies kann gelingen, wenn die Ideengeber aktiv bei der Umsetzung mitmachen und den Prozess steuern.

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H. Töns

Die Erfolgsstory begann. Durch Trainingsmaßnahem und Unterstützung der Führungskräfte – diese haben das Brems- und Gaspedal in ihrer Verantwortung – wurde und wird der KVP gelebt und bringt wirtschaftliche Nutzen. Dies ist eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

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Quo Vadis?

Zukunftsprognosen sind sicherlich schwierig. Stehen wir vor einer Meilensteinveränderung wie in den 90ern? Ich denke ja. In vielen Unternehmen wird strategisch überlegt, Prozesse zu optimieren und nicht zufällig auf Ideen zu warten, die über das IDM eingereicht werden könnten. Der LEAN-­ Gedanke, besser die Vision, hält Einzug. Analog zur Vision „0 Unfälle“ sollen durch lean-­ perfekte Abläufe und Prozesse entstehen; ohne Verschwendung. Dies macht sicherlich auch unter dem Aspekt des demografischen Wandels Sinn, wenn Talente schwer zu bekommen und zu halten sind. Aber wie sieht es mit „4.0“ aus? Brauchen wir dann Prozesse, die LEAN sind? Werden zukünftig Roboter eingesetzt, die Tätigkeiten standardmäßig rund um die Uhr kopieren? Ich meine, beides macht Sinn. Bei Ressourcen, Anlagen und Abläufen, die nicht voll ausgelastet sind, werden LEAN-Maßnahmen nicht zwingend erforderlich, da „4.0“ rund um die Uhr läuft. Die Umsetzung von LEAN-Aktivitäten benötigt ja auch Geld und Manpower. Wie lange es dauert, bis „4.0“ flächendeckend umgesetzt wird, hängt sicherlich vom Kosten-Nutzenverhältnis ab. Aber was wird denn nun aus dem Ideenmanagement? Ich denke, es wird an Bedeutung verlieren, wenn es uns nicht gelingt, dieses an die neuen Methoden mit einzubinden. Nutzen wir diese Chance!

Heribert Töns  ist Industriemeister Chemie und seit 23 Jahren Beauftragter Ideenmanagement der BASF Coatings AG. Er gibt seine Erfahrungen in Workshops für neue und erfahrene Ideenmanager weiter.

Der Neustart eines Ideenmanagement – oder: warum Sysiphos der Schutzpatron der Ideenmanager sein könnte Wilfried Peters

Inhaltsverzeichnis 1  W  oran scheitert ein Ideenmanagement   240 2  Das Projekt   240 3  Rahmenbedingungen – von der Firmenkultur über die Qualität des Ideenmanagers bis zur eingesetzten Software   243 4  Fazit   246

Zusammenfassung

Die Gründe, warum ein Ideenmanagement scheitert, können vielfältig sein. Ebenso vielfältig können die Ansätze aussehen, um dem Ideenmanagement wieder Leben einzuhauchen. Hierzu bedarf es dem Willen und dem Können der handelnden Personen. Ob wir uns in einem KMU oder einem globalen Konzern bewegen, ist dabei nicht das ausschlaggebende Kriterium für die bevorstehende Aufgabe. Hierdurch wird lediglich das Volumen der Aufgabe größer, aber nur bedingt die zu überwindenden Hürden. Die Aufgabe besteht immer wieder darin, die sich mit der Zeit absetzende bleierne Staubschicht von dem Ideenmanagement zu pusten.

In der Folge wird bei der Nennung der Rolle keine geschlechterspezifische Präferenz vorgenommen

W. Peters (*) Diebold Nixdorf Systems GmbH, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_25

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W. Peters

Woran scheitert ein Ideenmanagement

Wie eingangs erwähnt können unterschiedliche Gründe und/oder deren zusammentreffen, auch ein gut aufgestelltes Ideenmanagement scheitern lassen. Im Einzelnen kann es sich um die folgenden Ereignisse handeln: • • • • • • • •

Wechsel der Geschäftsleitung Der Ideenmanager ist ein reiner Verwalter Keine Systematik im Prozess Intransparenz bei der Bearbeitung/Bewertung der Ideen Lange Bearbeitungszeiten Viel Bürokratie Hohe Zugangsbarrieren zum Verfahren …

Leider kann diese Aufzählung wohl nie den Anspruch der Vollständigkeit erlangen, da es immer wieder zu neuen Konstellationen kommen kann, die uns aufhalten.

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Das Projekt

In der Regel wird eine einzelne Maßnahme nicht zum Erfolg führen. Vielmehr ist ein Maßnahmenkatalog abzustimmen und zu beplanen. Hierzu bedarf es einer gründlichen Analyse der Ausgangssituation und der handelnden Personen/Rollen, sowie eines abgestimmten Handlungsplans. Bedarfssituationen Um erfolgreich sein zu können, muss ich wissen, für wen ich eigentlich was bereitzustellen habe. Also wer sind die Stakeholder und was sind deren Erwartungen an das Ideenmanagement. Allen gemeinsam ist die Forderung nach einem einfachen, selbsterklärenden und unbürokratischen Verfahren. • Mitarbeiter: Der Mitarbeiter ist von seiner Idee überzeugt. Er erwartet, dass seine Idee zum Wohle des Unternehmens auch umgesetzt wird. Was aber leider nicht immer möglich sein wird. Doch kann er zu mindestens Anerkennung und Wertschätzung für seine Initiativen erwarten. Wir sollten ihm daher Unterstützung bei der Formulierung einer Idee anbieten und auf eine umgehende und zügige Bearbeitung bestehen. Hierzu trägt sicherlich die notwendige Transparenz bei der Bearbeitung und Bewertung seiner Idee bei. Auch kann es sein, dass der Mitarbeiter bei der Realisierung seiner Idee beteiligt werden möchte. Diese kann von großem Nutzen sein, da er verständlicher Weise ein Interesse an einer erfolgreichen Umsetzung hat. Und letztendlich erwartet er einen angemessenen Anteil am Erfolg seiner Idee.

Der Neustart eines Ideenmanagement – oder: warum Sysiphos der Schutzpatron der …









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Ob dieses in Form eine Geld- oder Sachprämie, oder aber durch Lob und Anerkennung erfolgt, hängt im Wesentlichen von der Mitarbeiterstruktur und den etablierten Gegebenheiten des Unternehmens ab. Vorgesetzte: Zunächst einmal wünscht sich der Vorgesetzte eine funktionierende und erfolgreiche Mannschaft. Hierauf können Verbesserungen des Wirkungsgrades des Teams durch die Ideen der Mitarbeiter einzahlen. Echte Problemlösungen durch die Mitarbeiter, die ja direkt mit den Alltagsproblemen konfrontiert sind, bringen mitunter den Mehrwert, der den Erfolg ausmacht. Und damit auch Erfolg für die Führungskraft. Durch entsprechende Programme kann die Führungskraft den Mitarbeiter zu einer intrinsischen Motivation führen, die bewirkt, dass nun alle an einem Strick ziehen und damit die Führungskraft wiederum von Alltagsaufgaben entlastet. Daher ist das Ideenmanagement ein zentrales Führungsinstrument. Gutachter: Gutachten zu erstellen ist immer auch eine Zusatzaufgabe zum normalen Arbeitspensum. Daher ist es wichtig, hierfür die nötige Anerkennung nicht zu verwehren. Eine intuitive Bedienbarkeit der Software, auch bei seltener Nutzung des Verfahrens, ist ebenso unabdingbar wie die punktuelle Unterstützung bei der Erstellung eines Gutachtens. Das abarbeiten der Tasks muss in Summe einfacher sein, als das nicht bearbeiten der Ideen. Und eine kleine Aufmerksamkeit, z. B. zum Jahreswechsel kann auch nicht schaden. Wer mehrere Gutachten in time abgeliefert hat, der wird sich über ein kleines Geschenk freuen. Und vielleicht beim nächsten Mal noch weniger ungehalten auf die Bitte um ein Gutachten reagieren. Eine feste Beteiligung am Ideenerfolg lehne ich hingegen strikt ab. Dieses ist schon aus Compliance – Gründen nicht statthaft. Zentrale IT: Gerade bei der Auswahl der Software sollte diesem Bereich eine entscheidende Rolle zugebilligt werden. Eine tolle Lösung, die aber nicht mit dem Rest der IT harmoniert, dient niemanden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei üblicherweise auf die Maintenierbarkeit und IT-Sicherheit der Lösung gelegt. Das meint, dass sich die Lösung hinsichtlich seiner Systemanforderungen, des Betriebssystems, sowie der erforderlichen Umgebung in die bestehende Softwarelandschaft einpasst und es zu keinen Systembrüchen kommt. Auch die Komplexität des Einbringens von Erweiterungen muss beherrschbar bleiben. Nur erwähnt sei hier, dass Datensicherung und Daten-/Zugangssicherheit ebenfalls von zentraler Bedeutung sind und dieses noch an Bedeutung gewinnen wird. Die Nichtberücksichtigung dieser Randbedingungen führt zu erheblichen Mehraufwänden hinsichtlich der Aufgaben und der Ausbildung des IT-PersonalsRealisierer: Er benötigt eine umsetzungsreife Beschreibung des Lösungsansatzes aus dem klar hervorgeht, was zu ändern oder neu zu gestalten ist. Ebenso ist eine verbindliche Regelung bezüglich des erforderlichen Budgets von Nöten. Sollte sich kein Budget finden lassen kann es vorkommen, dass auch eine gute Idee dann doch nicht realisiert werden. Diese ist zu bedauern aber nicht immer zu ändern.

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W. Peters

• Geschäftsleitung/Vorstände: Hier interessiert immer noch in erster Linie eine Verbesserung des erzielten Nutzens und damit einhergehend eine Kostenreduzierung der Prozesse und Produkte. Aber immer mehr greift die Einsicht um sich, dass die Motivation/Wertschätzung der Belegschaft das heben des Mitarbeiterpotentials bezüglich der kontinuierlichen Verbesserungen befördert. Durch das Reporting der passenden Kennzahlen kann diese Einsicht gefördert werden. • Betriebsrat: Der Betriebsrat sollte einer der Förderer des Ideenmanagements sein. Denn hier können die Kollegen direkt eine zusätzliche Motivation/Anerkennung erhalten und gleichzeitig zum Erhalt des Unternehmens beitragen. Was der Betriebsrat braucht, sind neben transparenten Verfahren verbindliche und einheitliche Bemessungsregelungen für die Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg der Idee. Des Weiteren sollte der Betriebsrat als Mitgestalter des Verfahrens eine Mitsprache bei der Auswahl eines geeigneten Tools und der Prozesse haben. • Personalwesen: Das Ideenmanagement kann als ein Indikator zur Identifikation und Potentialanalysen von förderungswürdigen Mitarbeitern dienen. Hiervon wird aber noch nicht in dem wünschenswerten Umfang Gebrauch gemacht. • Marketing/Presse: Das Ideenmanagement ist ein regelmäßiger Inputgeber für firmeninterne Periodika aller Art. Dabei liefert das Verfahren in der Regel Input mit positivem Grundmuster, die die Mitarbeiter direkt ansprechen und daher von allseitigem Interesse sind. Des Weiteren ist das Marketing bei der Vorbereitung von Aktionsmaterial beteiligt und bei der Konzeptionierung von Aktion frühzeitig einzubinden. • Ideenmanager: Auch der Ideenmanager sollte nicht vergessen werden. Er möchte neben dem Erfolg des Verfahrens eine Entlastung von bürokratischen und nicht zielorientierten Alltagsaufgaben durch ein stabiles und funktionierendes Verfahren. Planungen Es erscheint unerlässlich, schon zu einem frühen Zeitpunkt alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Hier gilt nicht, das viele Köche den Brei verderben, sondern viel mehr der Umstand, dass Änderungen des Konzeptes umso mehr schmerzen, je später diese benannt werden. Das gilt dann auch für die Phase des Testes und der Einführung. Nur wenn hier alle an einem Strick ziehen, kann das Werk gelingen. Umsetzungen „Einfach machen“. Das hört sich so verführerisch einfach an. Doch oft funktioniert es genauso. Für das Ziel des funktionierenden Ideenmanagements müssen ausgetretene Pfade verlassen werden. Dazu gehört es auch auszuloten, wieweit die Handlungsgrenzen jeweils zu fassen sind.

Der Neustart eines Ideenmanagement – oder: warum Sysiphos der Schutzpatron der …

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 ahmenbedingungen – von der Firmenkultur über die R Qualität des Ideenmanagers bis zur eingesetzten Software

Qualifikationen des Ideenmanagers In diesem Kontext kommt dem Ideenmanager naturgemäß eine herausgegebene Rolle zu. Daher muss der Ideenmanager zuvorderst die eigenen Fähigkeiten beurteilen und ggf. gezielt Weiterbildungsmaßnahmen angehen. Ansonsten kann es leider passieren, dass gut gemeinte Maßnahmen verpuffen. Die zentrale Kompetenz für den Ideenmanager ist die Fähigkeit auch in schwierigen Situationen weiter zu kommunizieren und auf Menschen zuzugehen. Er ist Coach und Mentor, Schlichter und Moderator im Prozess. Hilfreich ist hierbei auch, wenn der Ideenmanager im Betrieb bekannt ist und er den Betrieb kennt. Um das zu erreichen muss er dem Ideenmanagement ein Gesicht geben. Man darf sich nicht scheuen, öffentlich aufzutreten. Eine „Rampensau“ zu sein ist allerdings keine Vo­ raussetzung für einen guten Ideenmanager. Aber wenn ein verstaubtes Verfahren reanimiert werden muss, kann das helfen. Nur darf das nicht zur Selbstdarstellung ausarten, sondern muss immer auch auf die Ziele des Ideenmanagements einzahlen. Introvertierte Eigenbrötler sollten einen anderen Karrierepfad beschreiten. Ein guter Ideenmanager versteht sich als Dienstleister. Er dient den am Verfahren Beteiligten, damit diese gute und ertragreiche Ideen entwickeln und umsetzen können. Aber: ohne den Rückhalt in der Geschäftsleitung kann der beste Ideenmanager nichts erreichen. Firmenkultur Eine Binsenweisheit ist, dass Ideenmanagement nur funktioniert, wenn es top-down getragen und gefördert wird. Dazu ist es nicht ausreichend, wenn die Geschäftsleitung den Ideenmanager nur machen lässt. Es bedarf der Unterstützung. Oft langt bereits das eine oder andere öffentliche Statement zum Ideenmanagement und der erklärte Wille das Ideenmanagement erfolgreich zu gestalten. Nachgeordnete Führungsschichten werden hierdurch motiviert, es der Unternehmensführung gleich zu tun. Oder zu mindestens nicht offen dagegen zu rebellieren, was mitunter auch schon ein Erfolg ist. Wertschätzung Ideenmanagement ist ein hervorragendes Instrument um dem Mitarbeiter zu zeigen, dass er dem Unternehmen wichtig ist. Fühlt er sich, unabhängig von seiner Position im Unternehmen, ernst genommen, wird er mit offenen Augen durch das Unternehmen gehen und für sich und seine Kollegen nach weiteren Verbesserungen Ausschau halten. Seine Motivation kann dann im besten Fall Ansporn für weitere Kollegen sein, sich ebenfalls einzubringen. Wir fördern so nach und nach die Motivation und die Identifikation mit dem Unternehmen. Und das ganz ohne teure Team Building Aktionen.

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Reaktions-/Bearbeitungszeiten Wer von uns hätte noch Spaß an der Sache, wenn er Monate auf jedwede Reaktion warten müsste? Eine direkte Eingangsbestätigung für alle Einreicher sollte selbstverständlich sein. Aber dann? Wie kann ich die nachgeordneten Prozesse beflügeln? Folgende Maßnahmen haben sich in der Praxis bewährt: • Absolute Transparenz: Jeder Kommentar, jedes Gutachten ist für die Einreicher, Gutachter und Vorgesetzte sichtbar. Das erhöht nicht nur die Güte der Gutachten signifikant. Es motiviert auch die Gutachter, ihren Job zu machen. • Firmenkultur: Wenn es so ist, das Ideenmanagement allgemein akzeptiert ist, dann wird es auch selbstverständlich, die Ideen zu bearbeiten statt sie liegen und schimmeln zu lassen. • Persönliche Gespräche: Ein leider in Vergessenheit geratenes Mittel ist es, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. In der Regel dauert so ein Termin 10 Minuten (reale Durchschnittszeit!). Anschließend ziehen alle Beteiligten mit der gleichen Sicht und einer akzeptierten Lösung ihres Weges. • Erinnerungswesen: Und ja. Auch automatische Erinnerungen/Mahnungen helfen. Auch wenn das recht unbeliebt ist. Aber gerade das macht den Erfolg aus. Diese Erinnerungen sollten aber mit einer Konsequenz verbunden sein. Sonst landen sie eh im Mülleimer. Also nach der dritten Erinnerung die nächste Hierarchiestufe, bis hin zur Geschäftsleitung einzubinden, bringt eine deutlich bessere Bearbeitungsmoral. Mit derartigen Maßnahmen ist eine Halbierung der Bearbeitungszeiten absolut realistisch. Wettbewerbe Wettbewerb belebt das Geschäft. Eine simple und doch richtige Weisheit. Hier gibt es viele Möglichkeiten, den Einsatz der Kollegen anzuspornen, z. B.: • Sonderaktionen: Neben der Möglichkeit, gezielte Verbesserungen einzufordern können attraktive Preise oder Incentives die Mitarbeiter dazu anspornen, sich ins Zeug zu legen • Wanderpokale: Hier haben wir mit einfachen Mitteln einen Wettbewerb geschaffen, bei dem sich quartalsweise Bereiche der Fertigung oder einzelne MA miteinander messen. Regelmäßig vergibt eine Juri Pokale an die erfolgreichsten Teilnehmer des Prozesses. Am Ende des Geschäftsjahres darf den der Beste den Pokal behalten. Hier wird mit kleinem Einsatz an Ressourcen eine außerordentliche Wirkung erreicht. Ranking Der Vergleich mit anderen spornt uns alle an. Sei es im Sport oder auf dem Laufsteg. Und so kann auch ein qualifiziertes Ranking den Wettbewerb unter den Organisationseinheiten ankurbeln. Darüber hinaus kann ich mit der Wahl der Kriterien auch noch steuernd auf das Ideenmanagement einwirken.

Der Neustart eines Ideenmanagement – oder: warum Sysiphos der Schutzpatron der …

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Bewährt hat es sich, hier nicht nur auf eine Kennzahl allein zurück zu greifen, sondern verschieden in einer Formel zu verbinden. Hier sollte man seinen Gestaltungsraum nutzen und die Formel so aufbauen, dass sie gezielt die Kennzahlen unterstützt, die uns helfen. Haben Sie bereits ein Ranking im Einsatz? Dann schaffen Sie es ab! Nach einigen Jahren wird möglicherweise niemand mehr das Ranking wahrnehmen. Wenn es plötzlich weg ist und sich niemand bei Ihnen meldet, wissen Sie, dass Sie lange umsonst gearbeitet haben. Gibt es aber einen Aufschrei, dann ist alles gut und sie können mit den Kollegen gemeinsam ein neues Ranking erfinden. Qualität der Bewertungen Lapidare, nichtssagende oder gar abqualifizierende Aussagen zu einer Idee töten jedwede Motivation des Einreichers. Der Mitarbeiter hat sich alle Mühe bei der Formulierung der Idee gegeben. Nun gut. Manchmal ist das Ergebnis dieser Bemühungen auch nicht gerade toll. Aber hier greifen wieder die Wertschätzung im Unternehmen und die Rolle des Ideenmanagers als Dienstleister. Durch die „eins-zu-eins“ Weitergabe der Beurteilungen an die Einreicher konnten die Gutachten deutlich verbessert werden. Auch oder gerade wegen des Streites, den es anfangs darüber gab. Dieses gilt es aber auszuhalten. Der Erfolg wird sich einstellen. Software Die Software ist und bleibt ein Hilfsmittel. Sie bestimmt nicht das Ideenmanagement und die dahinterliegenden Prozesse. Die ausgewählte Software muss die bestehenden oder gewollten Prozesse abbilden. Ist eine Anpassung der Prozesse erforderlich, weil die Software diese nicht abbilden kann, wurde die falsche Software ausgewählt. Aber die Software ist ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz des Prozesses. Daher ist eine zentrale Anforderung eine einfache und intuitiv erfassbare Bedienung mit möglichst niedrigen Einstiegshürden. Auch muss die Frage beantwortet werden, ob es ausschließlich Einreichungen in der Software geben soll, oder ob auch andere Wege (Formulare, handschriftliche Notizen, Video Botschaften etc.) erlaubt sein sollen. Zu guter letzte muss man sich genau überlegen, wie bei einem möglichen Wechsel der Software die Migration aussehen soll. Sollen alle Daten übernommen werden, oder nur selektive Daten, die ggf. auch von Hand erfassbar sind. Verrechnung der Prämien und des Nutzens Mitunter wird jeder Ertrag einer Idee detailliert auf die beteiligten Kostenstellen umgelegt und ist Budgetrelevant. Ebenso gehen dann die Prämien zu Lasten der nutznießenden Kostenstelle. Diese erscheint als recht aufwendig und stellt ein bürokratisches Hindernis dar. Die Motivation von Führungskräften Ideen zu fördern, die Ihnen später dann beim Budget angerechnet werden, wird sich in überschaubarem Rahmen bewegen. Bewährt hat sich dagegen ein unbürokratisches Umlageverfahren. Hierbei werden sämtliche Prämien und Kosten aus dem Ideenmanagement von einer Stelle getragen. Ausgenommen hiervon bleiben die Kosten für die Realisierung.

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Die Refinanzierung der Kostenstelle erfolgt über eine unternehmensweite Umlage, die auch von denen getragen wird, die nicht oder nur in geringem Masse am Ideenmanagement teilnehmen. Das wiederrum erhöht die Bereitschaft der Führungskräfte, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, Ideen einzureichen. Auf der einen Seite müssen sie alle Kosten mittragen. Auf der andren Seite können sie ihren Mitarbeitern durch das Ideenmanagement zu Prämien etc. verhelfen, ohne das eigen Budget zu belasten und ihren Beritt auch noch als Innovativ präsentieren. Betriebsvereinbarung In Deutschland erscheint eine Betriebsvereinbarung zum Ideenmanagement als unverzichtbar. Hier werden rechtlich verbindlich alle wesentlichen Aspekte des Verfahrens festgeschrieben. Aber halt nur die tatsächlich wesentlichen. Alles andere kann in ent­ sprechenden Anlagen geregelt werden. Weniger bedeutet auch hier mehr. Wenn Sie ein Inhaltsverzeichnis benötigen, um den Überblick nicht zu verlieren, haben Sie etwas falsch gemacht. Dann besteht die Gefahr, ein bürokratisches Monster zu schaffen. Ihre Aufgabe besteht darin die Beteiligten davon zu überzeugen, dass nicht wirklich jedes Detail in eine Betriebsvereinbarung geregelt werden kann. Vielmehr sollte hier der Rahmen genannt werden, in dem sich alle bewegen können.

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Fazit

Dieser Beitrag kann nicht den Anspruch erhaben, eine generelle Handlungsanweisung zu sein, die direkt zum Erfolg führen wird. Und das obwohl das hier beschriebene seinen Praxistest bereits bestanden hat. Auch wenn das Ideenmanagement dann wieder in neuem Glanze erstrahlt ist zu bedenken, dass die nächste Hürde schon auf uns wartet. Wenn es gelingt, diese Hürden bei der Nutzung des Verfahrens für Einreicher, Gutachter und Vorgesetzte so niedrig wie möglich zu halten, soll es wohl gelingen. Aber: wie Sysiphos ist es dem Ideenmanager bestimmt, immer und immer wieder aufs Neue das Ideenmanagement zu hinterfragen und attraktiver zu gestalten.

Wilfried Peters  ist seit 8 Jahren Leiter des Ideenmanagements bei Diebold Nixdorf und insgesamt bereits 33 Jahre in den unterschiedlichsten Positionen im Unternehmen aktiv. Sein spezielles Augenmerk liegt darauf, das Ideenmanagement fit und attraktiv für die Zukunft zu machen. Dafür ist er in verschiedenen Expertenkreisen und Ausbildungsprogrammen des Zentrum Ideenmanagement (ZI) (Das Zentrum Ideenmanagement (ZI) ist eine Interessengemeinschaft von Ideenmanagern aus dem deutschsprachigen Raum. Näheres hierzu siehe unter https://www.zentrum-ideenmanagement.de/) engagiert. Wichtig ist ihm dabei, den Bezug zwischen den theoretischen Ansätzen zu einer Neuausrichtung des Ideenmanagements und der betrieblichen Praxis nicht zu verlieren. Im Jahre 2014 wurden die umgesetzten Maßnahmen des Ideenmanagements mit dem ZI Award für den „Besten Neustart“ ausgezeichnet.

KVP und BVW wird Ideenmanagement Bernd Geisel

Inhaltsverzeichnis 1  H  intergrund  2  D  efinitionen und Grundlagen  3  Einführung eines modernen Ideenmanagements in einem Unternehmen mit vorhandenem BVW und KVP  3.1  Ausgangsbasis bei BVW und KVP – oder – Woran Sie Handlungsbedarf erkennen?  3.2  Die Entscheidung zum Wandel  3.3  Leitfaden zur erfolgreichen Zusammenführung von BVW und KVP  4  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

Generationswandel, Wettbewerbsdruck, Digitalisierung und vieles mehr machen effiziente und effektive Verbesserungsprozesse erforderlich. Es sollten aber nicht mehr Prozesse in den Unternehmen werden, da dies eher lähmt und verunsichert, als aktiviert und motiviert. Wir brauchen einfache Prozesse ohne Hürden, die die Mitarbeiter einladen ihre Ideen zur Ergebnisverbesserung ins Unternehmen einzubringen. Auf Basis langjähriger Erfahrungen in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und Konzernen werden Best Practices für die Zusammenführung von KVP und BVW zu einem erfolgreichen Ideenmanagement aufgezeigt.

B. Geisel (*) Haßfurt, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_26

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Hintergrund

Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) wurde erstmals 1872 in dem so genannten Generalregulativ von Alfred Krupp erwähnt. Darin wurde aufgefordert, Verbesserungsvorschläge seitens der Belegschaft stets dankbar entgegen zu nehmen. Aus diesem Ansatz entwickelten sich in manchen Unternehmen leider Regelwerke, die das Einbringen und vor allem die Annahme einer Idee zu einem größeren bürokratischen Verwaltungsakt machten. Zudem kamen im Laufe der Jahrzehnte weitere Begrifflichkeiten im Kontext „Vorschlagswesen“ dazu: KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess), Kaizen, Ideenmanagement, Lean, Agil. Dem Trend der Zeit folgend wurden diese Begriffe in der Praxis in Organisationen unterschiedlich verwendet. Beispiel mittelständisches Unternehmen

In einem mittelständischen Unternehmen konnten im „KVP-System“ ganz spezielle Ausprägungen beobachtet werden. Wenn es um Verbesserungen oder Ideen ging, sprachen Führungskräfte und Mitarbeiter nur über „KVP“, auch die Ideen selbst wurden als „KVP“ bezeichnet. Man reichte also einen KVP ins KVP und erhielt eine KVP-­ Prämie. Bei genauem Hinschauen wird schnell klar, dass man hier dem Trend folgend ein modernes Erscheinungsbild generieren wollte und dazu ein paar Jahre vorher, das etablierte BVW nur umbenannt hatte. Es dauerte einige Jahre, um daraus ein Ideenmanagement zu machen und damit auch Raum zu schaffen für echte KVP-Ansätze und Methoden.

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Definitionen und Grundlagen

Ideenmanagement ist ein Begriff, der oft synonym mit dem Betrieblichen Vorschlagswesen verwendet wird und schon auf eine modernere Ausrichtung weisen soll. „Der Begriff Ideenmanagement ist nicht eindeutig definiert und wird in Organisationen für unterschiedliche Systeme und Prozesse verwendet.“ (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 164). Im Weiteren werden die Begriffe Betriebliches Vorschlagswesen (BVW), Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) und Ideenmanagement (IDM) auf Basis folgender Definition genutzt: • Betriebliches Vorschlagswesen (BVW): BVW ist ein mitarbeitereinbeziehendes Verbesserungssystem, um das Ideenpotenzial aller Mitarbeiter in einer Organisation zu nutzen. Dies geschieht über spontane Ideenfindung und einem definierten Bearbeitungsprozess.

KVP und BVW wird Ideenmanagement

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• Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP): KVP ist ein zielgerichteter Ansatz mit gelenkter Ideenfindung in moderierten Gruppen, in dem strukturiert Kreativitätstechniken und Problemlösemethoden zum Einsatz kommen. • Ideenmanagement: Ideenmanagement ist der Ansatz, BVW und KVP als sich ergänzenden Systeme zu nutzen und zu integrieren. Ganzheitlich befasst man sich mit dem Prozess von Generierung, Sammlung und Auswahl geeigneter Ideen, bis hin zu deren wirtschaftlichen Bewertung und Incentivierung. Ziel ist die Aktivierung aller Ideen, die Qualität, Kosten und Liefertreue verbessern und so zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beitragen.

Motivation

Liefertreue

Kosten

Qualität

Richtig konzipiert und umgesetzt, ist das Ideenmanagement gleichermaßen ein Mittel zur Verbesserung der Unternehmenskennzahlen, zur Erzielung von Kostenersparnis und zur Erhöhung der Mitarbeitermotivation (Abb. 1). Wesentlich ist der Wandel vom klassischen, eher passiv abwartenden BVW, das auf die spontane Ideenfindung setzt, hin zu einem aktiven, vor allem mitarbeiteraktivierenden Prozess. „Das Ideenmanagement kann von dem verstärkten Einsatz zielgerichteter, aktiver Elemente … als Ergänzung der etablierten spontanen Eingabe von Ideen enorm profitieren.“ (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 79). In der Ideenmanagement Studie 2018 zeigen sich eindeutig bessere Ergebnisse vor allem bei der Einsparungshöhe und der Beteiligungsquote (Abb. 2). Um einerseits einen möglichst hohen Nutzen für das Unternehmen aus einem Verbesserungsprozess zu erhalten, und andererseits ein effizientes System zu haben, dass Mitarbeiter zum Mitmachen und Ideengeben einlädt, braucht es Fingerspitzengefühl. Weder radikaler Umbruch und Prozessänderung, noch an alten Zöpfen festhalten ist ergebnisfördernd. Sinnvolles Umgestalten nach einer fundierten Bedarfsanalyse ist der Weg, der im Folgenden aufgezeigt wird.

Abb. 1  Wirkrichtungen eines guten Ideenmanagements. (Quelle: Eigene Darstellung)

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Abb. 2  Vergleich von Ideenmanagement Systemen mit geringem und starkem Einsatz aktiver Elemente. (Quelle: Landmann und Schat 2018, Tab. 13, S. 89)

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 inführung eines modernen Ideenmanagements in einem E Unternehmen mit vorhandenem BVW und KVP

3.1

A  usgangsbasis bei BVW und KVP – oder – Woran Sie Handlungsbedarf erkennen?

In den 70ern wurde in vielen Unternehmen ein damals aktuelles, zentrales Betriebliches Vorschlagswesen eingeführt. Beispiel mittelständisches Unternehmen

In einem mittelständischen Unternehmen konnte folgender BVW-Prozess erlebt werden: Die Mitarbeiter dokumentierten ihre Vorschläge auf Formularen, die sie in die aufgestellten BVW-Briefkästen einwerfen konnten. Nach der regelmäßigen Leerung der

KVP und BVW wird Ideenmanagement

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BVW-Briefkästen durch den Betriebsrat oder den BVW-Beauftragten wurden die Verbesserungsvorschläge registriert. Er erstellte die Formulare für die Begutachtung, anonymisierte den Vorschlag und leitete die Unterlagen an die zuständige Führungskraft des betroffenen Bereichs weiter. Die Führungskraft traf die Entscheidung über die Umsetzbarkeit des Vorschlages. Daraufhin wurde das Gutachten mit der Bewertung oder einer ablehnenden Begründung erstellt. Das Gutachten diente der Prämienkommission als Basis für die Festlegung einer Prämie. Prämien für Verbesserungsvorschläge mit einer rechenbaren Einsparung für das Unternehmen wurden anhand einer degressiven Prämientabelle festgelegt. Der prozentuale Anteil des Mitarbeiters an der errechneten Jahreseinsparung war umso niedriger je höher die Einsparung war. Für Verbesserungsvorschläge mit einem nicht berechenbaren Nutzen legte die Prämienkommission individuell Prämien fest, also spontan passende zur spontanen Ideeneinreichung. Ebenso lag es im Ermessensspielraum der Prämienkommission Anerkennungsprämien für als gut empfundene, aber nicht umsetzbare Vorschläge zu gewähren. Nach dem Beschluss der Prämienkommission wurde der Mitarbeiter per Infoschreiben über das Ergebnis ihres Verbesserungsvorschlags informiert. Das ist ein Beispiel für einen prinzipiell einfach aufgebauten, aber in der Praxis leider wenig erfolgreichen BVW-Prozess. Geringe Beteiligungsquoten, niedrige Ideenquoten, oft in Verbindung mit hohen Ablehnungsquoten. Meist kristallisierten sich für den geringen Erfolg verschiedene Gründe heraus: • • • •

lange Bearbeitungszeiten fehlende Transparenz im Bearbeitungsprozess Anonymisierung der Vorschläge und fehlende Kommunikationsmöglichkeit Informationsdefizite zum BVW bei Mitarbeitern und Führungskräften

Lange Bearbeitungszeiten liegen an formalisierten Bearbeitungsverfahren und -wegen, die unter anderem durch das Verschicken von Formularen und Dokumenten in Papierform viel Zeit schon auf dem Postweg verlieren. Die Bearbeitung mittels Papierformularen erschwert es, sowohl dem BVW-Beauftragten als auch dem Mitarbeiter nachzuvollziehen, wer den Vorschlag aktuell bearbeitet, da eine Weitergabe des Vorschlags an eine Fachkraft zur Begutachtung ohne Rückmeldung an den BVW-Beauftragten durchaus üblich ist. Zum anderen fehlt auch ein automatisches Terminüberwachungssystem. Generell erschwert die nicht-dokumentierte Weitergabe der Verbesserungsvorschläge die gezielte Nachverfolgung und Anmahnung. Oft kommt es dann auch noch nach der erfolgreichen Mahnung zu Nachfragen bezüglich den Unterlagen, da diese mittlerweile verschwunden waren oder vergessen war, an wen der VV zur Bearbeitung gegeben wurde. Eine Anonymisierung der Verbesserungsvorschläge  – grundsätzlich zum Schutz der Einreicher gedacht – verhindert die direkte, unmittelbare Kommunikation zwischen Gutachter und Einreicher. Nachfragen zum Verbesserungsvorschlag müssen über den BVW-Beauftragten erfolgen. Wenn sich der Gutachter überhaupt die Mühe machte, so war dies ein

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zeitraubender Weg. Oft stellen sich Missverständnisse erst im Einspruchsverfahren nach einer Ablehnung heraus und müssen von der BVW-Kommission geklärt werden. Die KVP-Erweiterung In den 1990er-Jahren wurde bei vielen Unternehmen das Thema Kontinuierlicher Verbesserungsprozess vor allem in Produktionsbereichen aufgegriffen. Intern trugen meist die unzufriedenstellenden Ergebnisse des Betrieblichen Vorschlagswesens, die Einführung moderner Arbeitsprozesse und die technologische Entwicklung mit immer komplexeren Anlagen und Fertigungsabläufen dazu bei, sich mit neuen Formen von mitarbeitergetragenen Optimierungssystemen zu befassen. Und gerade zu dieser Zeit wurde KVP oft als Heilsbringer angesehen, wenn BVW keine Ergebnisse (mehr) brachte. Für Zulieferer in der Automobilindustrie kamen zudem von außen über Kunden und dem Regelwerk der Automobilindustrie (QS-9000, VDA, ISO/TS) Anforderungen und Anregungen für die Optimierung des Vorschlagswesens. Oft wurde in dieser Zeit der Kontinuierliche Verbesserungsprozess nur in der Produktion oder als Pilotprojekt in einzelnen Produktionsbereichen /Segmenten eingeführt. Ziel war es, dezentral, unbürokratisch und schnell Optimierungspotenziale im eigenen Arbeitsbereich aufzudecken, Lösungen zu finden und effizient umzusetzen. KVP-Teams wurden gebildet, meist schichtweise zusammengefasst und von einem Moderator betreut. Monatlich fanden Teamsitzungen statt, in denen Probleme erörtert und Lösungen vorgeschlagen wurden. Verantwortliche und Termine für die Umsetzung der Maßnahmen wurden in KVP-Protokollen erfasst und die erzielten Ergebnisse visualisiert. Problematisch werden allerdings schon Vorschläge, die nicht selbst im Team umgesetzt werden können, sondern Unterstützungen aus anderen Bereichen benötigten, denen der Kontinuierliche Verbesserungsprozess noch fremd ist oder die keinen Eigennutzen sehen. Der hohe zeitliche und personelle Aufwand für die Teamsitzungen, Prioritäten des Tagesgeschäfts und dringende Aufträge führten dann schon nach wenigen Monaten zu Verschiebungen der Sitzungstermine und im Weiteren zu immer häufigeren Absagen. Im Laufe der Zeit nahm die Kontinuität stetig ab; die KVP-Teams, die sich aus den Mitarbeitern einer ganzen Schicht zusammensetzten, trafen sich nicht mehr. Vereinzelt wurden KVP-Themen noch in Qualitäts- oder Führungskreisen behandelt. Bescheidene Ergebnisse Das passive BVW für spontane Verbesserungsvorschläge dümpelte dahin. Zumindest halten sich Aufwand und Nutzen die Waage. Es gibt den Prozess, der im Falle einer Idee deren Bearbeitung formal sicherstellt. Ein meist nebenamtlicher BVW-Beauftragte hat einerseits wenig damit zu tun, andererseits aber auch keine zeitlichen Ressourcen, um den Prozess aktiver und attraktiver zu gestalten. KVP wurde mit hohen Erwartungen gestartet. Viel – vielleicht sogar alles – wurde daraufgesetzt, dass KVP ein Selbstläufer ist. Denn dem Prozess wurde oft keine dedizierten Ressourcen zur Seite gestellt. Unterstützung der KVP-Teams bei Problemen, Optimierung des KV-Prozesses und Anpassung an die betriebliche Realität erfolgt nicht.

KVP und BVW wird Ideenmanagement

3.2

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D  ie Entscheidung zum Wandel

In verschiedenen Unternehmen setzte sich die Geschichte wie folgt fort: Ein paar Jahre nachdem BVW und KVP in ihren Dornröschenschlaf verfielen, wird das Thema „Verbesserungsprozesse“ erneut auf die Tagesordnung des Top-Managements gesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig: • • • • • • •

weiter zunehmender Wettbewerbsdruck und steigenden Kundenansprüche Wunsch nach effektiver Nutzung des Mitarbeiterpotenzials Expansion ins Ausland Positionierung als Systemlieferant zunehmende Komplexität der Anlagen und Produkte Prozesse und Produkte mussten ständig überprüft und optimiert ein Impulsgeber ist in Erscheinung getreten

Oder es passt einfach gerade in den Gesamtkontext der Unternehmensstrategie, in dem moderne Führungs- und Steuerungsinstrumente eingesetzt werden, ein Personalentwicklungskonzept gestartet wurde oder ein Kennzahlenmanagement zur Unternehmenssteuerung beschlossen wird. Manchmal liegen den Entscheidern auch Beispiele aus anderen Unternehmen vor, die zeigen, wie ein moderner Verbesserungsprozess die Mitarbeiter zum Mitwirken und Mitdenken aktiviert und dauerhaft motiviert und so zum Unternehmenserfolg beiträgt.

3.3

L  eitfaden zur erfolgreichen Zusammenführung von BVW und KVP

Im Folgenden wird ein Leitfaden zur erfolgreichen Zusammenführung von BVW und KVP zu einem modernen attraktiven Ideenmanagement beschrieben. Diese Best Practices basieren auf der langjährigen Erfahrung in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und Konzernen. Die Vorgehensweise ist in zehn Schritte gegliedert: 1. Erfolgsfaktor 1 – Management-Commitment 2. Erfolgsfaktor 2 – Vollzeit-Ideenmanager 3. Prozessanalyse bezogen auf BVW/KVP und Grobkonzept 4. Bildung des Projektteams und Auswahl von Prozessbegleitern 5. Konzepterarbeitung „Team-Modell“ 6. Betriebsvereinbarung 7. Erfolgsfaktor: Softwareauswahl und -implementierung 8. Auswahl und Schulung von Moderatoren 9. Begleitende Marketingmaßnahmen 10. Organisation von Kick-off-Veranstaltungen

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Erfolgsfaktor 1 – Management-Commitment Den wichtigsten Schritt hat man als Ideenmanager oder Projekt-/Prozessverantwortlicher dann genommen, sobald sich das Management für ein modernes, dezentrales, mitarbeitergetragenes Ideenmanagement entscheidet und die wichtigsten erfolgversprechenden Rahmenbedingungen festlegt, wie: • Gruppen- und Teamentwicklung aus KVP nutzen und fördern • Bereitstellung sowohl personeller als auch finanzieller Kapazitäten (u. a. hauptamtlichen Ideenmanagers, Schulungen, Informationsunterlagen, Software) • Verankerung des Ideenmanagements in den Unternehmenszielen Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren gemäß Ideenmanagement Studie 2018 ist somit gewährleistet: die Unterstützung durch das Top-Management (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 102 ff.). Die Auswertung zeigt, dass Unternehmen mit der hohen Unterstützung wesentlich bessere Ergebniskennzahlen im Ideenmanagement aufweisen (Abb. 3).

Abb. 3  Unterstützung durch das Top Management. (Quelle: Landmann und Schat 2018, Tab. 15, S. 105)

KVP und BVW wird Ideenmanagement

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Die Unterstützung durch das Top-Management ist generell für alle Verbesserungskonzepte – Ideenmanagement, BVW, KVP, Lean, 5S, KATA – und auch die neueren agilen Konzepte ein wesentlicher Erfolgsgarant. Zur Beruhigung der Manager: Es wird nicht unbedingt eine direkte Beteiligung erwartet, aber kontinuierliches Interesse und Engagement zum Beispiel in Form von Berichten bei Belegschaftsversammlungen oder Führungsmeetings, die dann auch authentisch vorgetragen werden müssen. All diese ­Maßnahmen helfen, die Aufmerksamkeit auf das Ideenmanagement hoch zu halten, genau wie die Verankerung in den Unternehmenszielen. Gerade in der Einführungsphase ist die über das Top-Management verbindlich bewirkte Verankerung des Ideenmanagements in den Unternehmenszielen äußerst hilfreich. Anfangs können es einfache Kennzahlen wie Beteiligung oder Ideenanzahl sein, um den Prozess zum Laufen zu bringen. Mit der Stabilisierung setzt man auf Qualitätskennzahlen wie Einsparung und Durchlaufzeiten. Führungskräfte und Mitarbeiter erkennen, dass es ernst gemeint ist und nicht nur ein Strohfeuer im Aktivitätenfeuerwerk (Abb. 4).

Abb. 4  Bedeutung von Zielen im Ideenmanagement. (Quelle: Landmann und Schat 2018, Tab. 3, S. 48)

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Auch die vom Management gesetzten Rahmenbedingungen lassen sich als Erfolgsfaktoren belegen, wenngleich die Erwartungen in eine Software oft zu hoch gesetzt werden. Denn nur im Zusammenspiel mit aktiven Elementen, einem guten Marketing und einem engagierten Ideenmanager lassen sich Höchstleistungen bewirken (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 143 ff.). Erfolgsfaktor 2 – Vollzeit-Ideenmanager Bewusst und konsequent muss sich das Management für einen „Ideen-Manager“ entscheiden. Denn die Aufgabe ist das aktive Managen des Ideenmanagement-Prozesses, nicht nur das Verwalten von ein paar Ideen. Zudem sollen aktive Elemente und Kreativitäts- und Problemlösemethoden ins Unternehmen getragen und moderiert werden. Hierbei wurden somit bereits die Weichen für eine Zusammenführung von BVW- und KVP-Elementen gesetzt. Die wesentlichen Aufgaben in der Einführungs- bzw. Integrationsphase sind: • Integration und aktive Beteiligung von Management, Führungskräften und Mitarbeitern. • Einbindung des Betriebsrats und Aufbau einer offenen Kommunikation und Zusammenarbeit für die Erstellung der notwendigen Betriebsvereinbarung. • Gewinnung von Multiplikatoren in allen Unternehmensbereichen. • Unternehmens- und Prozessanalyse bezogen auf BVW/KVP • Bildung eines Projektteams und Konzepterarbeitung • Softwareauswahl und -implementierung • Auswahl und Schulung von Moderatoren • Zusammenstellung von Ideen-Teams • Begleitende Marketingmaßnahmen • Organisation von Kick-off-Veranstaltungen Die ersten drei Punkte sind relativ einfach zu bewerkstelligen, benötigen jedoch viel Zeit. In Gesprächen, Interviews und Workshops mit Mitarbeitern, die als Einreicher oder Bearbeiter aktiv waren, sind schnell engagierte Repräsentanten aus der Belegschaft für eine Projektgruppe identifiziert; ebenso ergeben sich dabei Themen, die im neuen integrierten Konzept berücksichtigt werden sollten. Prozessanalyse bezogen auf BVW/KVP Durch die Analyse des BVW-Prozesses in Form von Auswertungen und Interviews mit Betroffenen werden bereits vermutete Unzulänglichkeiten bestätigt. In der Regel kommen folgende Punkte gehäuft auf: • Intransparenz, fehlende Kommunikation, falsche Zuordnung von Ideen zu Bearbeitern, umständliche Bearbeitung • lange Durchlaufzeit

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• Prämiensystem: intransparent, wenig Anreiz, teilweise willkürliche Prämienfestlegung • fehlendes Marketing und geringer Bekanntheitsgrad Eine Maßnahme ist hier besonders hervorzuheben. Sozusagen Ideenmanagement für Ideenmanagement. Nutzen Sie die Chance für Quick Wins. An einem bestehenden BVW oder KVP kann kurzfristig in der Regel nicht viel geändert werden. Finden Sie zu einem brisanten Kritikpunkt eine kleine Maßnahme, die kurzfristig ohne Aufwand umgesetzt werden kann. Aktivierungs-Aktion in einem Unternehmen mit starken Anonymitätsregeln

In einem Unternehmen mit äußerst restriktiven Anonymitätsregeln wurden auf dem Einreichformular nach kurzer Abstimmung mit dem Betriebsrat folgende Absätze eingefügt: „Ich bin mit der Weitergabe meiner persönlichen Daten an den Vorgesetzten/ Gutachter einverstanden, so dass dieser sich bei Rückfragen direkt an mich wenden kann. Wir weisen Sie darauf hin, dass die Anonymität damit aufgehoben wird. Ja/Nein“ „Zuständig für die Bearbeitung meines Vorschlages ist: ________________ (Wer kann Ihren Vorschlag am besten beurteilen? Wenn Sie es nicht wissen, lassen Sie das Feld einfach leer.)“ Wohl auch aufgrund der Aktivtäten rund um IDM/BVW/KVP wurden einige Mitarbeiter (wieder) zu Ideen angeregt, so dass mit Projektstart schon ein Anstieg der Einreichungen zu verzeichnen war. Die neue Option auf dem Formular wurde dabei von den meisten Einreichern genutzt, so dass der bestehende Bearbeitungsprozess optimiert werden konnte. Fazit: Testlauf bestanden und somit auch ein klares Argument für einen offenen Prozess im neuen Ideenmanagement. Finden auch Sie solche Überraschungseier, die mit einfachen Maßnahmen gleich drei Wünsche erfüllen: 1 . Eine kurzfristige Verbesserung des bestehenden Prozesses. 2. Ein positives Signal für das zukünftige Ideenmanagement und die Veränderungsbereitschaft des Unternehmens setzen. 3. Einen Testlauf durchführen! Liegt es wirklich an der vermuteten Unzulänglichkeit? Oder ist dies nur ein vorgeschobener Grund? Erfolgt eine Bestätigung, haben Sie schon eine konkrete und belegbare Maßnahme für das neue Ideenmanagement. Zum KVP wird von Führungskräften häufig die Kritik geübt, dass der zeitliche Aufwand für die Mitarbeiter vor allem in Form der Teamsitzungen zu hoch ist in Relation zum Nutzen für das Unternehmen. Dem Ideenmanager wird damit die Bitte mit auf dem Weg gegeben, in einem neuen Konzept dies zu berücksichtigen. Einfließen kann das bei regelmäßigen Aktivitäten in der Form, dass man z.  B. nur eine repräsentative Auswahl an Mitarbeiter und Experten einbindet.

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Nachdem ein umfassendes Bild über das Unternehmen, das vorhandenen Vorschlagswesen und die Erwartungen der im Unternehmen vertretenen Gruppen gewonnen war, kann dem Management ein Grobkonzept des zukünftigen Ideenmanagements vorgestellt werden. Dieses beinhaltet verschiedene Vorschläge und Handlungsalternativen zur Organisationsform, zur Integration der Mitarbeiter und zum Anreizsystem. Damit gilt es das finale Commitment des Top-Managements zum Ideenmanagement und die Freigabe eines Budgets einzuholen. Um zur Entscheidungsfindung ein möglichst klares und vollständiges Bild zu liefern, ist bei der Präsentation des Konzeptentwurfes auch der zu erwartende Aufwand für die Einführung aufzuzeigen. Zum einen ist dies der Aufwand für • • • •

die Implementierung einer Ideenmanagement-Software die Durchführung von Marketingmaßnahmen die Durchführung von Schulungsmaßnahmen die Erstellung von Schulungs- und Informationsunterlagen.

Dazu kommt der zeitliche Aufwand für • die Projektteammitglieder für die Konzepterarbeitung • Teamsitzungen, Ideen-Workshops • Teilnahme der Belegschaft an Kick-Off- und Schulungsveranstaltungen. Der Ideenmanager muss in dieser Phase durch regelmäßige Kommunikation und Präsenz mit Management, Betriebsrat und Belegschaft sich ein Netzwerk schaffen und schnell Vertrauen aufbauen. In kurzen Gesprächen zwischen den großen Abstimmungsrunden werden so die Schlüsselpersonen auf dem Laufenden gehalten und eingebunden, als wären sie aktiv in den Arbeitsgruppen beteiligt. Dies garantiert in den Abstimmungsrunden einen schnellen und tragfähigen Konsens. Nach der Genehmigung des Grobkonzeptes und des Budgets wird die Ausarbeitung des Feinkonzepts gestartet. Dazu sollte ein Projektteam mit Vertretern aus allen Unternehmensbereichen, der Geschäftsleitung und des Betriebsrates aufgebaut werden. Bildung des Projektteams und Auswahl von Prozessbegleitern Ausgestattet mit dem Mandat der Geschäftsleitung geht es im nächsten Schritt um die Zusammenstellung eines geeigneten Projektteams. Dabei ist beabsichtigt, dass die Vertreter aus den Unternehmensbereichen nicht nur bei der Erarbeitung und Einführung des Konzeptes mitwirken, sondern auch zukünftig langfristig als Prozessbegleiter das Ideenmanagement in ihren Bereichen fördern und die Führungskräfte, Bearbeiter und Mitarbeiter beraten, begleiten und unterstützen. So wird ohne großen Aufwand eine motivierte unternehmensdurchdringende Organisationsstruktur in Nebentätigkeit aufgebaut.

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Hintergrund ist eine möglichst enge Bindung der Projektteammitglieder an den Prozess, welche schon durch die Mitarbeit bei der Ausgestaltung und Umsetzung erreicht werden sollte. Im Projektteam haben sie von Anfang an die Möglichkeit ihre Vorstellungen und Erfahrungen einzubringen und zu verwirklichen. Gleichzeitig lernen sie aus erster Hand die Probleme und Widerstände kennen, die das Ideenmanagement mit sich bringen kann. Bei der Auswahl der Mitarbeiter wird darauf Wert gelegt, dass sie über ein Grundwissen über die Produkte und Prozesse des Unternehmens und über ein grundsätzliches Interesse am Verbesserungsprozess/Ideenmanagement verfügen. Begrüßt wird hier, wenn die Mitarbeiter bereits seit längerem im Unternehmen tätig und auch schon im Vorschlagswesen involviert waren. Das Mitwirken in einem solch innovativen Projekt macht es zudem unabdingbar, dass die Mitarbeiter freiwillig, engagiert und motiviert die Aufgabe übernehmen und nicht nur vom Bereich „abgestellt“ werden. Förderlich ist darüber hinaus, wenn sie kommunikationsfreudig und teamfähig sind und von Kollegen, Mitarbeitern und Führungskräften akzeptiert werden. Aufgrund ihrer Rolle als Vermittler zwischen Führungskräften und Mitarbeitern sollte zur Wahrung der Neutralität davon abgesehen werden, diese Funktionen mit Führungskräften zu besetzen, so dass von vorne herein Interessenkonflikte vermieden werden. Beispiel ausgewogenes Projektteam

Das Ergebnis der Bemühungen um ein geeignetes ausgewogenes Projektteam ist in der Praxis bereits ab dem ersten Meeting zu beobachten. Aus verschiedenen Unternehmensbereichen können sich sowohl langjährige als auch neue Mitarbeiter engagieren, die nicht nur über Erfahrungen im Vorschlagwesen des eigenen Unternehmens verfügten, sondern auch Systeme aus früheren Firmen kannten. So kann ein solches Team mit einer kompetenten Mischung aus Querdenkern, Analytikern, Methodikern und Erfahrungsträgern unter der Leitung des Ideenmanagers die Arbeit aufnehmen. Auch ein Betriebsrat hätte bereits als Mitglied der BVW-Kommission und im Rahmen des KVPs Erfahrungen gesammelt. Zudem wurde hiermit auch sichergestellt, dass die Arbeitnehmerinteressen und die Belange des Betriebsverfassungsgesetzes gewahrt wurden. Bei einem solchen Projekt ist zu berücksichtigen, dass das notwendige Fachwissen in der Regel bei den Mitarbeitern noch nicht in Gänze vorhanden ist. Ideenmanagement ist ein Unterstützungsprozess für deren Fachprozesse. Für eine effektive Projektarbeit ist es notwendig, die Mitglieder dafür zu qualifizieren. Die Qualifizierung der zukünftigen Ideenmanagement-Verantwortlichen sollte durch ein gemeinsames Seminar sichergestellt werden, das auch gleich noch den Teamspirit förderte. Inhalte sind: • historische Entwicklung von mitarbeitergetragenen Verbesserungsprozessen • Prozessmodelle im Ideenmanagement und deren Vor- und Nachteile

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• • • •

B. Geisel

Grundlagen eines Ideenmanagement-Systems Anreiz- und Prämiensysteme Überbetriebliches Benchmarking Moderations- und Kreativitätstechniken

Das Projektteam beurteilt dabei auch, ob bzw. welche Inhalte den Aufgaben und Eingangsvoraussetzungen zukünftiger Moderatoren gerecht werden. Im Feedbackprozess können Anpassungen der Inhalte und Verlagerungen der Schwerpunkte vorgenommen und ein Standardtraining für zukünftige Ideenmanagement-Moderatoren und -Prozessbegleiter definiert werden. Um sich auf die neuen Aufgaben vorzubereiten, ist es auch förderlich, ein anderes Unternehmen oder überbetriebliche Arbeitskreise zu besuchen, um bestehende Ideenmanagementmodelle in der Praxis kennenzulernen und Anregungen ins eigene Unternehmen zu tragen. Konzepterarbeitung „Team-Modell“ In einem solch ausgewählten und qualifizierten Projektteam kristallisiert sich zügig eine favorisierte Ideenmanagement-Organisation heraus. Es sollte ein dezentrales Ideenma­ nagement sein, ähnlich einem Führungskräfte- oder Koordinatorenmodells. Aufgrund praktischer Erfahrungen ist ein Teammodell, alternativ ein Führungskräftemodell, zu präferieren. Auch wenn diese in der Praxis noch nicht in der gewünschten Häufigkeit vorzufinden sind (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 164 ff.). Als Lehre aus der Vergangenheit von BVW und KVP sollte der Ideenmanager dahin steuern, dass eine schnelle Bearbeitung der Vorschläge dadurch sichergestellt wird, dass die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden und ähnlich wie in KVP-Modellen eine Bearbeitung in Teams erfolgt. Ein großer Vorteil liegt darin, dass die Bearbeitung nicht von einer einzelnen Person abhängt und z.  B. bei Urlaub, Krankheit oder anderen Prioritäten die Vorschläge nicht liegen bleiben. Eine abteilungsübergreifende interdisziplinäre Teamzusammensetzung gewährleistet, dass alle zur Bearbeitung notwendigen Informationen und Kompetenzen gebündelt vorliegen. Darüber hinaus erfolgt eine Begutachtung der Vorschläge aus verschiedenen Blickwinkeln, so dass keine übereilten Entscheidungen getroffen werden müssen. Gerade im Hinblick auf die Umsetzungsquote erzielt man dadurch eine Verbesserung, da im Team Vorschläge neutraler beurteilt und eventuell auch in abgewandelter bzw. angereicherter Form zur Umsetzung gebracht werden können. Denn das Problem oder Ereignis, das einen Vorschlag auslöst, besteht auch trotz einer vermeidlich „unrichtigen“ Lösung seitens des Einreichers weiterhin. Die Führungskräfte werden damit entlastet, jedoch nicht von ihren Aufgaben bezüglich der Vorschläge ihrer Mitarbeiter entbunden. Sie sind temporäres Mitglied im Team, damit ein Team entscheidungsfähig wird und müssen auch ihr Wissen und ihre Informationen bei der Bearbeitung einbringen.

KVP und BVW wird Ideenmanagement Abb. 5  Aufbau einer Ideenmanagement-­ Organisation im Unternehmen. (Quelle: Eigene Darstellung)

261

Unternehmensbereich Prozessbegleiter

Arbeitsbereich 1 Führungskraft Moderator

Team Mitarbeiter

(z. B. Produktion, Qualität, Arbeitsvorbereitung, Vertrieb)

Arbeitsbereich 2 34 Arbeitsbereich Arbeitsbereich Führungskraft Führungskräfte Führungskräfte Moderator

Team Kern-Team A3A4 Kern-Team M i tM aM ebiret ietre r irtbiateraibtre

Um eine möglichst effektive und effiziente Arbeitsweise des IDM-Teams sicherzustellen, wird es durch einen geschulten Ideen-Moderator betreut und geleitet. Die Zuständigkeit der Teams sollte einen klar abgrenzbaren Arbeitsbereich umfassen, der sich über relativ homogene Arbeitsprozesse, gleichartige Anlagen und/oder Aufgaben definiert und räumliche und personell begrenzt sind. So ergibt sich für einen Unternehmensbereich folgende Organisationsstruktur (Abb. 5): Im Weiteren arbeitet das Projektteam folgende Themen aus: • Ideen-Definition – kurz und prägnant! • Ideen-Prozess – transparent und verständlich! • Aufgabenbeschreibungen für Führungskräfte und Funktionen im Ideenmanagement – klar und nachvollziehbar! • Prämienkonzept – fair und vorhersehbar! Aufgrund der beschriebenen Zusammensetzung und Qualifizierung des Projektteams werden hier immer tragfähige Lösungen gefunden, die als Beschlussvorlagen von Management und Betriebsrat akzeptiert und genehmigt werden. Betriebsvereinbarung Dieser Punkt lässt sich hier ziemlich kurzhalten, wenn vorher alles richtiggemacht wurde. Der Betriebsrat ist von Anfang an im Projektteam nicht nur vertreten, sondern muss sich bereits bei der Erarbeitung des Gesamtkonzeptes inhaltlich einbringen. So können mit ihm wichtige Punkte und vor allem das Prämienkonzept konstruktiv diskutiert werden und gemeinsam im Projektteam Lösungen erarbeitet werden. Schließlich zeigt sich der Erfolg dieser Maßnahme am Ende der Konzepterarbeitung, wenn das gemeinsam erarbeitete Konzept innerhalb kurzer Zeit in eine Betriebsvereinbarung gefasst werden kann. Zeitraubende Verhandlungsschleifen werden so vermieden.

262

B. Geisel

Ein weiterer wichtiger Aspekt der frühzeitigen Einbindung des Betriebsrats ist sein Einfluss auf die Belegschaft. Als Partner, der das Konzept mit erarbeitet hat, kann er das neue Ideenmanagement positiv vertreten, mit dazu beitragen Vorbehalte auszuräumen und zur Beteiligung begeistern. Nicht zum Inhalt einer Betriebsvereinbarung zählen Formulare zur Ideenbearbeitung, Screenshots einer Ideenmanagement-Software oder Form und Inhalt des Berichtswesens. Diese Elemente unterliegen nach meinen Erfahrungen einem ständigen Wandel. So müssen auch trotz intensiver Testphase in Formularen und der Softwareoberfläche Begriffe und Texte hinsichtlich Verständlichkeit und Logik angepasst werden. Dies gilt ebenso für definierte Berichte, die doch erst in der Phase der eigentlichen Anwendung ihre Effektivität und Effizienz unter Beweis stellen. Langwierige Verhandlungen zur Änderung einer Betriebsvereinbarung verbieten sich hier, da grundsätzlich nichts am Prozess oder gar Prämien geändert wird, letztendlich die Nutzer verärgert werden und dauerhafte Abneigungen aufbauen können. Generell ist bei der Erstellung einer Betriebsvereinbarung darauf zu achten, dass wirklich nur essentielle Bestandteile des Konzeptes hinterlegt werden. Für den Prozess nebensächliche Themen, die wenig Regelungsbedarf und somit wenig Einfluss auf Belange von Belegschaft und Unternehmen haben, sollten aufgrund der erforderlichen Flexibilität aus der Betriebsvereinbarung ausgeklammert werden. Dies ermöglicht dem Ideenmanager kontinuierlich an der Verbesserung des Prozesses zu arbeiten, ohne dass dazu langwierige Verhandlungen notwendig sind. Natürlich ist es dabei selbstverständlich, dass auch weiterhin der Betriebsrat in alle Maßnahmen involviert ist. Deswegen gehört zu den essentiellen Aufgaben des Ideenmanagers der Vertrauensaufbau durch Netzwerken und regelmäßige Kommunikation. Erfolgsfaktor: Softwareauswahl und -implementierung Bereits mit der Entscheidung im Management sollte die Einführung einer Ideenma­ nagement-­Software beschlossen und budgetiert werden (vgl. Kap. 27 – Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software). Die Vorteile einer solchen Anwendung sind gerade im Vergleich zum „manuell“ betriebenen Betrieblichen Vorschlagswesen offensichtlich: weniger Papier, keine Zeitverluste auf dem Postweg, keine verlorenen Unterlagen und vor allem vollständige Transparenz bei allen Beteiligten. Unter Berücksichtigung der Unternehmensorganisation und der vorhandenen IT-­ Struktur sind die Anforderungen an eine Ideenmanagement-Software zu formulieren. Im Folgenden ein Auszug: • • • • • •

Einfaches und leicht verständliches Handling Papierlose Verwaltung mit aktivem Workflow Konfigurierbarkeit des Workflows entsprechend den Ergebnissen des Projektteams Rollenbasierte Benutzerführung und Berechtigungskonzept Abbildung des Prämienkonzeptes Bearbeitungscontrolling durch Monitoring mit Erinnerungs- und Mahnfunktion

KVP und BVW wird Ideenmanagement

263

• Transparenz für die Mitarbeiter während des Bearbeitungsprozesses und Nachvollziehbarkeit des Prüfungsprozesses • Überblick über Einsparpotenziale und Prämienbewertung • Bei Bedarf internationale Verwendbarkeit (verschiedene Sprachen und Währungen) • Integration in Backendsysteme (z. B. SAP R/3 HR) • Interne Administration • Unterstützung des Wissenstransfers im Unternehmen • Durchgängiges Reporting • Überschaubare und transparente Einführungs- und Folgekosten Softwareunterstützung ist heute ein „Must have“. In Zeiten von Digitalisierung, Smartphone und Generation Y geht ein gutes Ideenmanagement nicht ohne Software. Die Software ist aber nur Unterstützung, sie macht leider alleine kein gutes Ideenmanagement. (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 143 ff.) Da die Software in der Regel den definierten Ideen-Prozess und das Prämienkonzept abbildet, ist hier zuallererst auf einen schlanken Ansatz wert zu legen. Wie jeder andere Unternehmensprozess ist Verschwendung und Ballast in jeder Hinsicht zu eliminieren. Schleifen, exzessive Prüfungen, unnötige Schnittstellen und Dateneingaben sollte es im Hinblick auf die Vorbildfunktion in einem Verbesserungsprozess nicht geben. Dies macht dann eine Abbildung in einer Software umso einfacher. Und dann muss es auch nicht die bis ins kleinste konfigurierbare Individuallösung sein, sondern es macht mehr Sinn auf eine Standardlösung mit guter Beratung und kompetenter Unterstützung zu setzen. Auswahl und Schulung von Moderatoren Wie die Prozessbegleiter haben auch die Moderatoren eine bedeutende Rolle im Ideenmanagement auszufüllen. Sie stehen an vorderster Front und sind erster Ansprechpartner für die Mitarbeiter und Führungskräfte. Unsicherheiten bei neuen Aufgaben wie Moderation und Teamleitung muss entgegengewirkt werden. Die zur Vorbereitung durchzuführenden Qualifikationsmaßnahmen sind wie folgt definiert: • Grundlagen der Teamentwicklung • Moderation und Problemlösungs-/Kreativitätstechniken • Ideenmanagement-Konzept und Ideenmanagement-Software Zudem wird ein Ideenmanagement-Handbuch zur Verfügung gestellt, dass als Nachschlagewerk alle notwendigen Informationen (z.  B.  Anleitung Ideenmanagement-­Software), Vorlagen (z. B. Protokolle, Methoden) und Regelungen (z. B. Anweisungen, Betriebsvereinbarung) enthält. Begleitende Marketingmaßnahmen Die Begeisterung und das Engagement des Projektteams werden noch gesteigert, wenn es bei der Entwicklung eines Ideenmanagement-Logos mitwirkt, welches zur Identifikation der Belegschaft mit dem Ideenmanagement beiträgt.

264

B. Geisel

Thema und Motto können in einem Workshop vom Projektteam inhaltlich erarbeitet werden und von der Marketingabteilung (oder externen Grafikern) grafisch in ein Logo umgesetzt werden. Logo und Slogan werden dann auf allen Ideenmanagement-­ Dokumentationen, Aushängen und in der Software eingebunden. Zudem können Werbeartikel mit dem Logoaufdruck beschafft um mit der Verteilung bei den Mitarbeitern Inte­ resse und Verbundenheit zu wecken, und natürlich dienen diese als Möglichkeit der Incentivierung von Ideen. Um die Belegschaft immer auf dem Laufenden zu halten und Interesse und Akzeptanz für das neue Konzept von Beginn an zu schaffen, sind alle Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten des Unternehmens zu nutzen. In einer Mitarbeiterzeitung und/oder im Intranet wird bereits zu Beginn der Projektphase über die Absicht des Unternehmens, BVW und KVP in ein gemeinsames Konzept zusammenzuführen, berichtet. In weiteren Ausgaben wird das Projektteam, Moderatoren und die neusten Ergebnisse vorgestellt. Auch im Rahmen von Belegschafts- und Betriebsversammlungen wird über das neue Konzept seitens Betriebsrat und Geschäftsleitung berichtet. Selbst die Lohn- und Gehaltsabrechnungen können genutzt werden. In der Regel finden sich Felder, um dort Hinweistexte auf Einführungsveranstaltungen oder ähnliches zu platzieren. Auch Brötchentüten oder Servietten in der Kantine bieten eine gute Möglichkeit, um sie mit Werbung für Aktionen im Ideenmanagement zu versehen. Hier gilt: Präsenz, Präsenz, Präsenz … Lassen Sie keine Möglichkeit ungenutzt, um dafür zu sorgen, dass über Ideenmanagement geredet wird. Denn oft reichen kleine Impulse als Erinnerung, um zu Ideen anzuregen. Organisation von Kick-off – Veranstaltungen Zum Start des Ideenmanagements werden als Kick-off für alle Mitarbeiter Informationsveranstaltungen durchgeführt, damit jeder aus erster Hand über das neue Konzept informiert wird. Inhalt dieser Veranstaltungen ist die Zielsetzung des Ideenmanagements, der Bearbeitungsablauf, Ansprechpartner und die Erläuterung des Prämienkonzepts. Im Dialog können Unklarheiten und Vorbehalte beseitigt und Fragen beantwortet werden. Darüber hinaus bringt die Teilnahme der Geschäfts- und Bereichsleitung das Commitment des Managements und der Führungskräfte zum Ausdruck. Zugleich werden die v­ erantwortlichen Prozessbegleiter und Moderatoren für den Bereich vorgestellt. Vermeiden Sie Varianten wie Informationskaskaden über Führungskräfte oder gar den reinen Versand von Anschreiben und Informationsbroschüre. Erfahrungswerte, welche Aktionen die Beteiligung fördern

In einem Unternehmen wurden aufgrund fehlender Einigung alle drei Einführungsvarianten durchgeführt. In den Bereichen, in denen die Informationsveranstaltung durchgeführt wurde, war ein hoher Eingang an Ideen zu verzeichnen. Demgegenüber zeigten die schriftlich informierten Mitarbeiter kaum Interesse am Ideenmanagement und brachten somit auch keine Ideen ein. Man sollte hier auch hinterfragen, wer überhaupt das Interesse und die Zeit aufbringt, eine per Hauspost verschickte Infobroschüre zu lesen und zu verstehen.

KVP und BVW wird Ideenmanagement

265

Noch bedeutender war der fehlende Impuls durch die Führungskräfte, welcher ein wesentlicher Bestandteil der Informationsveranstaltung war. Hier zeigte sich, dass Präsenz und die Bereitschaft mit den Mitarbeitern zu diskutieren, um Zweifel zu beseitigen, die Motivation am stärksten erhöht. Dieser Motivationsschub ist nicht durch ein Anschreiben zu vermitteln.

4

Fazit

Zusammenfassend sind die ausschlaggebenden Erfolgsfaktoren für die Zusammenführung von BVW und KVP zu einem modernen und erfolgreichen Ideenmanagement wie folgt: Das Commitment des Managements ist unabdingbar, um den Prozess auf allen Ebenen die notwendige Gewichtung geben und die gesamte Belegschaft zur Beteiligung zu motivieren. Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat von der ersten Stunde an ermöglicht ein aktives und konstruktives Engagement an der Prozessgestaltung und eine positive Kommunikation in Richtung Belegschaft. Die kompetente Betreuung aller Bearbeiter, Gutachter und Entscheider muss ständig sichergestellt sein. Dann fühlen sie sich gestärkt und motiviert und haben eine hohe Bereitschaft, an Ideen zu arbeiten und das Konzept steht auf einer soliden Basis. Ein schlanker Ideenmanagement-Prozess und eine Ideenmanagement-Software, die auf die Bedürfnisse des Unternehmens und des Prozesses abgestimmt ist, verringern lästige und zeitaufwendige Verwaltungsarbeit, so dass die Verantwortlichen wie Ideenmanager und Prozessbegleiter mehr Zeit für aktive Verbesserungsarbeit aufbringen können. Und auch im Ideenmanagement gilt die alte Weisheit „Stillstand ist Rückschritt“. Nach dem erfolgreichen Start ist keine Zeit um sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Jetzt gilt es gut dosiert die aktiven Elemente zum Einsatz zu bringen und kontinuierlich die Aufmerksamkeit durch gute Marketingaktivitäten hoch zu halten.

Literatur Hurtz, A. und Flick, D.  – Verbesserungsmanagement. Was gute Unternehmen erfolgreich macht. Gabler Verlag. 14. August 2002. Landmann, N. und Schat, H.-D. – Erfolgsfaktoren im Ideenmanagement. Studie 2016. Eschborn. 2016. Landmann, N. und Schat, H.-D. – Ideenmanagement Studie 2018. Eschborn. 2018. Liker, J.  – Toyota Talent: Erfolgsfaktor Mitarbeiter  – Wie man das Potenzial seiner Angestellten entdeckt und fördert. FinanzBuch. 14. Dezember 2007. Rother, M. – Die Kata des Weltmarktführers: Toyotas Erfolgsmethoden. Campus Verlag. 15. Juli 2013. Schmid, B. u.  a..– Systemische Organisationsentwicklung: Change und Organisationskultur gemeinsam gestalten. Schäffer Poeschel. 10. März 2014.

266

B. Geisel

Steinbeck, H. – CIP-Kaizen-KVP. Verlag moderne industrie. 1994. Witt, J. und Witt, Th. – Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP): Konzept – System – Maßnahmen (Arbeitshefte Führungspsychologie). Feldhaus Verlag. 1. Juli 2015. Womack, J. u. a. – Lean Thinking: Ballast abwerfen, Unternehmensgewinn steigern. Campus Verlag. 9. März 2013.

Bernd Geisel  hat in über 25 Jahren praktischer Tätigkeit in verschiedenen Positionen als Führungskraft, Ideen- und Lean-Manager sowie als Autor seinen Beruf zur Berufung gemacht. Er ist Experte für ein gut geöltes Unternehmensgetriebe und Praxisexperte für Lean, Verbesserungsprozesse und Toyota Kata. Gemeinsam mit Unternehmern und Führungskräften spürt er den Sand im Unternehmensgetriebe auf und schafft ein ergebnisorientiertes Zusammenspiel von Management, Führungskräften, Mitarbeitern und Prozessen. Als Gründer der MEHRWERTSTATT steht er für die Verbesserung von Qualität, Effizienz und Kosten durch Prozess- und Arbeitsplatzoptimierung und für ergebnisorientiertes Coaching von Management, Führungskräften und Mitarbeitern. Der Mehrwert für seine Kunden ist die internationale Erfahrung im Führen und Entwickeln von Lean-Organisationen in globalen und mittelständischen Unternehmen und seine praktische Erfahrung in der nachhaltigen Einführung von Konzepten der mitarbeitergetragenen Verbesserungsarbeit/ BVW/Ideenmanagement inklusive Betriebsvereinbarung, Prämienmodellen und Software.

Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software Nils Landmann

Inhaltsverzeichnis 1  I deenmanagement Software – Auswahl und Einführung  2  Vorgehensmodell für die Softwareauswahl  2.1  Phase 1 – Vorbereitung des Auswahlprozesses  2.2  Phase 2 – Vorauswahl der möglichen Anbieter  2.3  Phase 3 – Anbieterauswahl  2.4  Phase 4 – Abschluss  3  Fazit  Literatur 

 268  269  269  276  277  277  278  278

Zusammenfassung

Die Einführung oder Ablösung einer Software gehört in der Regel nicht zum Tagesgeschäft im Ideenmanagement. Dabei gilt es eine Vielzahl von Faktoren zu beachten, um Fehlentscheidungen zu vermeiden und eine möglichst reibungslose Einführung zu gewährleisten. Dieser Beitrag stellt ein Vorgehensmodell für die Softwareauswahl vor, das an eigene Anforderungen anpassbar ist und ein transparentes Auswahlverfahren ermöglicht.

N. Landmann (*) HLP Informationsmanagement GmbH, Eschborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_27

267

268

1

N. Landmann

Ideenmanagement Software – Auswahl und Einführung

In der Praxis stellen wir immer wieder fest, dass Mittel und Zweck bei der Ablösung oder der Neueinführung einer Software für das Ideenmanagement miteinander verwechselt werden. Oftmals wird die Einführung oder Ablösung einer Software gleichgesetzt mit der Einführung oder dem Relaunch eines Ideenmanagements. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die Software eine Verbesserung im Ideenmanagements bringt. Dies ist grundlegend falsch und führt regelmäßig zu Enttäuschungen im Rahmen eines Software Einführungs- oder Ablösungsprojekts. Die Einführung einer Software ist in einer Organisation zwar eine wahrnehmbare Veränderung, weder die Software noch deren individuelle Ausprägungen tragen aber nachweislich wesentlich zum Erfolg eines Ideenmanagements bei. Sehr wohl aber kann Software ein Misserfolgsfaktor sein. Wenn das Ziel eine Verbesserung des Ideenmanagements generell im Sinne von höheren Beteiligungs- und Realisierungsquoten, kürzeren Durchlaufzeiten und einer Steigerung des Nutzens ist, dann wird dieses alleine mit der Einführung einer Software nicht zu erreichen sein. Vielmehr sind hierbei folgende andere Faktoren zur Zielerreichung relevant (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 16 ff.): • • • • • • •

Ziele für das Ideenmanagement und Integration in Zielvereinbarungen Ideenmanager Tätigkeit in Vollzeit Die Rolle des Ideenmanagers als Prozess- und Methodencoach Flexible Ausrichtung des Prozesses an der Idee Einsatz aktiver Elemente und Dialogformate Top Management Unterstützung Ausrichtung des Ideenmanagements als Profit Center

Software trägt – statistisch betrachtet – nur in klar definierten Szenarien wie etwa beim Einsatz von zielgerichteten Ideenkampagnen und weiteren aktiven Elementen (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 149) zum Erfolg eines Ideenmanagements bei. Auch die Freischaltung der Ideeneingabe über das Internet führt erfahrungsgemäß zu einer Steigerung der Ideenquote um 10–15 %. Dennoch ist insbesondere bei Organisationen mit einem hohen Ideenaufkommen eine Softwareunterstützung unabdingbar. Allerdings darf in Anbetracht der Auswirkungen auf den Erfolg eines Ideenmanagements die kritische Frage gestellt werden, warum Organisationen derart viel Zeit und Geld in Auswahl und Anpassungen von Software stecken. Da weder die Auswahl noch die Ablösung oder Einführung einer Ideenmanagement Software in der Regel zum Tagesgeschäft eines Ideenmanagers gehören, dient dieser Beitrag zur Unterstützung einer effizienten Vorgehensweise, so dass dem Ideenmanager im Tagesgeschäft mehr Zeit für die Arbeit im Bereich der wirklichen Erfolgsfaktoren (s. o.) bleibt.

Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software

2

269

Vorgehensmodell für die Softwareauswahl

Das Vorgehensmodell für die Softwareauswahl ist in vier Phasen aufgeteilt, die nachfolgend erläutert werden (Abb. 1).

2.1

P  hase 1 – Vorbereitung des Auswahlprozesses

Die Vorbereitung des Auswahlprozesses ist die wichtigste Phase. Hier gilt es zunächst, seine Hausaufgaben zu erledigen, bevor die eigentliche Softwareauswahl überhaupt erfolgen kann. In dieser Phase werden insbesondere die Weichen gestellt, um nach der Entscheidung für eine entsprechende Software diese dann auch reibungslos einführen zu können. Es ist äußerst empfehlenswert, in dieser Phase sauber zu arbeiten und den Zeitaufwand nicht zu unterschätzen. Die folgenden Aufgaben sind typischerweise zu erledigen bzw. Entscheidungen zu ­treffen: Stakeholder Analyse und Auswahl Gemäß Wikipedia (2019) wird als Stakeholder „eine Person oder Gruppe bezeichnet, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projektes hat.“ Die typischen Stakeholder im Ideenmanagement sind:

Phase 1

Vorbereitung • Stakeholder Analyse & Auswahl • Abstimmung der Vorgehensweise & Zeitplanung

Phase 2

Vorauswahl

Phase 3

Auswahl

Phase 4

Abschluss

• Long List Erstellung

• Produktpräsentaonen

• Verhandlungen

• Short List Erstellung

• Referenzbesuche

• Entscheidung

• Anforderungsdokumentaon

• Finale Bewertung

• Grundsatzentscheidungen • Herstellerabfrage • Grobe • Online Sessions mit Anforderungsspezifikaon Herstellern • Erstellung des Kriterienkatalogs

• Vorauswahl

• Anbieterrecherche

Abb. 1  Vorgehensmodell für die Softwareauswahl. (Quelle: eigene Darstellung)

270

N. Landmann

• • • • • • • •

Mitarbeiter Arbeitgeberseite Arbeitnehmerseite IT Einkauf Compliance Datenschutz Betroffene des Ideenmanagements (je nach Modell bspw. Führungskräfte, Gutachter und Experten, …) • sowie nicht zuletzt der Ideenmanager selbst. Im Rahmen der Vorbereitung des Auswahlprozesses empfiehlt es sich, sich mit allen Stakeholdern abzustimmen, ihre Anforderungen einholen sowie deren Beteiligung etwa an der Festlegung und Gewichtung der Kriterien und den Meetings zur der Anbieterpräsentationen zu klären. Abstimmung der Vorgehensweise & Zeitplanung Nachdem die an der Auswahl beteiligten Stakeholder erfolgt ist, sollte mit diesen die Vorgehensweise abgestimmt sowie ein Zeitplan für die Auswahl sowie ggf. sogar auch für die Einführung der Software erstellt werden. In diesen Zusammenhang gehört auch die Klärung eines groben Budgetrahmens, so dass auch nach Auswahl eine Investitionsentscheidung getroffen werden kann. Die Zeitplanung für die Einführung einer Software insbesondere, wenn diese auch mit der Übernahme von Alt Daten aus einem oder ggf. sogar mehreren Altsystemen verbunden ist, wird oftmals unterschätzt. Unserer Erfahrung nach sollten Sie je nach Komplexität Ihrer Anforderungen sowie der jeweiligen Unternehmenssituation mit mindestens drei Monaten für einfache Einführungsprojekte ohne viel Customizing rechnen bis hin zu 12–18 Monaten, wenn Sie bspw. eine Software selbst entwickeln oder sehr großes Unternehmen sind. Unabhängig ob Sie sich für den Kauf einer Standardsoftware oder für eine Eigenentwicklung entscheiden (s. u.), ist ein vernünftiges und solides Anforderungsmanagement mit einer professionell durchgeführten Auswahl unabdingbar. Sie schafft dabei Akzeptanz, frühzeitige Absicherung der Implementierung und Verbesserung der Unternehmensplanung. Akzeptanz dahingehend, da der Auswahlprozess strukturiert, nachvollziehbar und durch die Nutzung aussagekräftiger Kriterien für alle Beteiligten transparent gestaltet wird. Als Ansatz muss folglich der verfolgt werden, der es ermöglicht, die Softwareauswahl effizient zu gestalten und gleichzeitig wichtige Grundlagen für eine erfolgreiche IT-Implementierung zu legen. Grundsatzentscheidungen Im Rahmen des Auswahlprozesses sind zunächst einige wesentliche Grundsatzentscheidungen zu treffen, die erhebliche Auswirkungen auf die Auswahl sowie den Auswahlprozess an sich haben:

Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software

271

• Make or Buy: Zunächst muss geklärt werden, ob es sinnvoller ist eine Standard-­ Software ggf. auch mit Anpassungen einzuführen oder selbst eine Lösung zu entwickeln. Dies hängt in hohem Maße von der Komplexität der Anforderungen sowie auch dem Ideenvolumen ab. Ist beides eher gering – wie dies typischerweise bei kleineren oder mittelständischen Organisationen oder Organisationen mit einem sehr geringen Ideenvolumen der Fall ist – dann kann eine Eigenentwicklung mit Bordmitteln durchaus der sinnvollere Weg sein als die Einführung einer Standard-Software. Sind die Anforderungen und/oder Unternehmensgrößen derart komplex und individuell, dass man beim Einsatz einer Standard-Software und deren Anpassungen ohnehin ständig an Grenzen stößt, weil die eigenen Anforderungen schlicht und ergreifend nicht mit anderen Organisationen vergleichbar sind, dann kann dies ebenfalls für eine Eigenentwicklung sprechen. Eigenentwicklungen haben den Vorteil, dass sich mit ihnen die eigenen Anforderungen exakt abbilden lassen und diese keinen Restriktionen wie etwa bei Standardsoftware unterliegen. In allen anderen Fällen ist der Einsatz einer Standardsoftware mit oder ohne Anpassungen sicher der bessere Weg. Zumindest in den Produkten der jeweils marktführenden Anbieter stecken teilweise bereits Jahrzehnte an Erfahrung und Entwicklung, die im Detail nicht annähend über eine Eigenentwicklung abgebildet werden können. Ferner werden diese Produkte ständig weiterentwickelt und bilden auch Veränderungen im Ideenmanagement gut ab. Bei einer Eigenentwicklung koppelt man sich von Entwicklungen des Marktes vollständig ab und muss neue Funktionen entsprechend auch selbst neu entwickeln (Abb. 2).

Komplexität der Anforderungen

extrem

gering Standardsoftware mit Customizing

Standardsoftware ohne Customizing

Abb. 2  Make or Buy Entscheidungskriterien. (Quelle: eigene Darstellung)

Entwicklung eigener Software

272

N. Landmann

• Cloud oder On-Premise: Der Ausfall des Betriebsmodells hat wesentliche Auswirkungen auf den Softwareauswahlprozess, so dass Sie sich hier frühzeitig entscheiden sollten. Das Ideenmanagement ist in der Regel keine unternehmenskritische Anwendung, belastet aber im Betrieb die eigenen IT Ressourcen. In den letzten Jahren ist verstärkt eine Tendenz in Richtung der Auslagerung in die Cloud festzustellen. Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass bei einer Auslagerung des Ideenmanagement Systems in die Cloud speziell die Anforderungen des Datenschutzes im Sinne der DSGVO sowie auch der IT Security eine sehr hohe Bedeutung haben. Im Ideenmanagement werden in hohem Maße sensible personenbezogene Daten gespeichert und verarbeitet, so dass diese Anforderungen bei der Anbieterauswahl eine besondere Beachtung bedingen. Der Betrieb der Ideenmanagement Software im eigenen Haus (On-Premise) kann aber durch die IT-Strategie der Organisation vorgegeben sein. Gibt es hier keine Vorgaben, dann ist oftmals der Kostenfaktor ausschlaggebend. • Einführungsmethodik: Agil oder Klassisch Die Einführungsmethode wirkt sich auch auf die Kosten der Software Einführung aus, so dass hier auch zu Beginn des Auswahlprozesses eine Entscheidung getroffen werden sollte. In den letzten Jahren werden verstärkt sogenannte agile Methoden nicht nur für die Software Entwicklung, sondern auch für die Einführung eingesetzt. Bei klassischen Projektmethoden wie bspw. dem Wasserfall- oder dem Spiralmodell, dem Rational-­Unified-­Process (RUP) oder dem V-Modell besteht eine große zeitliche Differenz zwischen der Anforderungsanalyse und der Einführung. Feedback Schleifen der relevanten Stakeholder sind nur in geringem Maße während der Einführung vorgesehen. Diese Methoden setzen darauf, dass eine möglichst genaue Spezifikation der Anforderungen in Form eines Pflichtenhefts/Feinkonzepts die Umsetzung ermöglicht und sind daher eher für Einführungsprojekte mit geringeren Anpassungen/Individualisierungen geeignet. Agile Methoden wie beispielsweise SCRUM hingegen eignen sich besser für Eigenentwicklungen sowie für die Einführung von Standardsoftware mit einem hohen Anteil an Anpassungen und Individualisierungen. Bei diesen Methoden wird ein starker Fokus auf die Zusammenarbeit mit den von der Anwendung betroffenen Stakeholdern und deren Feedbacks während der Einführung gelegt. Die Einführung erfolgt in Iterationen, den sogenannten Sprints. Je Sprint wird ein genau definierter Teil der Anforderungen abgebildet und getestet. Zum Ende eines Sprints erfolgt im Rahmen eines Sprint Review Meetings eine kritische Begutachtung der erbrachten Leistungen und die Stakeholder haben die Möglichkeit, noch Änderungen und Anpassungen in den Folgesprint einzubringen. Der Einsatz agiler Methoden setzt auf der Kundenseite entsprechendes Know-how und Erfahrungen voraus und ist daher nicht für jeden Kunden geeignet. • Unterstützung durch externe Berater: Der Einsatz externer Berater macht nur dann Sinn, wenn sie Defizite in der eigenen Organisation aufgrund nachweislicher Erfahrungen ausgleichen oder wenn aus unternehmenspolitischen Gründen der Einsatz von Externen erforderlich ist. Problematisch wird der Einsatz von Beratern, wenn diese aufgrund ihres Geschäftsmodells Eigeninteressen verfolgen und somit die Kosten für den

Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software

273

Auswahlprozess deutlich steigen. Bestehen keine eigenen Erfahrungen des Beraters aus vergleichbaren Einführungsprojekten besteht die Gefahr, dass die Anforderungen und Prozesse derart individuell und komplex gestaltet werden und somit nachfolgend auch die Einführungskosten durch hohe Anpassungs- und Entwicklungsaufwände unnötig teuer werden. • Standard oder individuell angepasst: Bei der Einführung von Standardsoftware lassen sich zwei Paradigmen unterscheiden und es ist sinnvoll, dies vorab intern zu diskutieren und für den Auswahlprozess zumindest im Blick zu haben: Folgt eine Organisation den Vorgaben einer Software oder muss die Software den Vorgaben der Organisation folgen? In Anbetracht dessen, dass weder die Software noch ihre individuelle Ausprägung eine statistisch nachweisliche Auswirkung auf den Erfolg eines Ideenmanagements haben (s. o.) und jede Individualisierung zum Teil deutliche Folgekosten nach sich zieht, sollte man eigene zu spezielle individuelle Anforderungen und Prozesse im Auswahlverfahren deutlich hinterfragen und möglichst reduzieren.

Grobe Anforderungsspezifikation Bereits im Rahmen der Gespräche mit den unterschiedlichsten Stakeholdern können Sie Anforderungen und Kriterien für die Erstellung Ihres Kriterienkatalogs (s. u.) aufnehmen und ein Gespür für deren Gewichtung je nach Stakeholder Gruppe zu erhalten. Je nach gewählter Einführungsmethodik (s. o.) unterscheidet sich die Art und Weise, wie Anforderungen erfasst, dokumentiert und dann letzten Endes durch einen Anbieter im Rahmen der Einführung umgesetzt werden. Unabhängig von der gewählten Einführungsmethode empfiehlt es sich, die Anforderungen in dieser Phase des Auswahlprozesses so detailliert wie bereits möglich aber noch nicht final abschließend festzulegen. Im Rahmen der Anbieterrecherchen ergeben sich neue Möglichkeiten, durch bisher unbekannte Funktionsumfänge und Möglichkeiten der jeweiligen Softwareprodukte. Diese können dann in die eigene Anforderungsliste aufgenommen und bis zu der Phase drei der eigentlichen Anbieterauswahl ggf. auch noch verändert und angepasst werden. Erstellung des Kriterienkatalogs Der Erstellung und Gewichtung des Kriterienkatalogs auf Basis der Anforderungen kommt eine wesentliche Bedeutung für den Auswahlprozess zu. Es empfiehlt sich, die einzelnen Anforderungen zu strukturieren wobei hier unserer Erfahrung nach maximal bis zu drei Gliederungsebenen sinnvoll sind. Auf der letzten Ebene steht die konkrete Anforderung deren Erfüllungsgrad bewertet werden kann (z. B. auf einer Skala von 0–3 oder 0–6) sowie deren relative Gewichtung innerhalb des jeweiligen Kriterien Sets (z. B. einfach, doppelt oder dreifach). Der Erfüllungsgrad multipliziert mit der Gewichtung ergibt einen Punktwert je Anforderung. Diese lassen sich beispielsweise in MS Excel dann einfach aufsummieren und über eine Ranglistenfunktion ergibt sich dann automatisch eine Reihenfolge der bewerten Produkte. Ferner sollten KO-Kriterien bei den Anforderungen festgelegt

274

N. Landmann

Ranglistenbildung & Favorit

Hersteller …

Eingesetzte Software

Kriterium & Gewichtung

Gliederung Ebene 2

Gliederung Ebene 1

Hersteller 1

3

1

2

3

4



1

2

3

4



1

2

3

4



KO-Kriterien

Abb. 3  Gliederungsstruktur für Anforderungen. (Quelle: eigene Darstellung)

werden. Diese dienen in der nachfolgenden Anbieterrecherche sowie der Aufstellung einer sogenannten long list und short list für den Ausschluss von Anbietern (Abb. 3). Nachfolgend ein Beispiel wie eine Gliederungsstruktur konkret aufgebaut werden kann. In diesem Beispiel wurden drei Gliederungsebenen gewählt und die Bewertung eine einzelne Anforderung kann auf einer Skala von 0 (gar nicht erfüllt) bis 6 (vollumfänglich) erfolgen. Die Kriterien Sets für „Abbildung der Prämierung“ sowie „Subjektiver Eindruck“ sind beispielhaft bis auf die dritte Ebene der konkreten Anforderung dargestellt. Alle anderen Gliederungsebenen sind der Übersichtlichkeit halber auf die erste Gliederungsebene reduziert (Abb. 4). Die Gewichtung der einzelnen Anforderungen sollte zusammen mit allen beteiligten Stakeholdern erfolgen und nimmt erfahrungsgemäß die meiste Zeit bei der Erstellung und Abstimmung des Kriterienkatalogs in Anspruch. Anbieterrecherche Im Anschluss erfolgt die Anbieterrecherche, der in Frage kommenden Anbieter. Da der der vermeintliche Markt für Ideenmanagement Software auf den ersten Eindruck sehr umfangreich und unübersichtlich ist, eignen sich v. a. die KO-Kriterien bereits in der Recher-

Eindruck der Präsentation vor Ort Eindruck der Referenzinstallationen / Zufriedenheit anderer Unternehmen Grundeinstellung des Unternehmens Fachliche und IT Kompetenz im Vertriebsprozess / Zertifizierungen eingesetzter Mitarbeiter Awards / Auszeichnungen

2910 1830 660 1980 360

660 360 510

2610 480 360

4980

17,0% 10,7% 3,9% 11,6% 2,1%

13% 7% 10%

52% 10% 7%

29,1%

100%

20

5

5

10

20

3

5

3 6

4

5

2

20 60 200 160 220

4

75 20 75

3

2

6

25 20 100 120 235

5

10

485 305 110 330 60

6

10

50 100 50

5 1

6

600 10 220

1000

3

110 60 85

1735

Rang 1 Produkt 2 -> Name ergänzen Bewertung Kommentar [optional]

6

300 5 260

765

Produkt 1 -> Name ergänzen Bewertung Kommentar [optional]

1715

Rang 2

10 10

435 80 60

830

Gewichtung [in Punkten]

2850

Abb. 4  Beispiel eines Anforderungskatalogs für die Softwareauswahl. (Quelle: eigene Darstellung)

KANN

KANN

SOLL

SOLL

SOLL

IT- Anforderungen / Systemarchitektur Reporting und Revisionssicherheit Ideentransfer / Wissensmanagement Kosten / Aufwand / Anbieterbewertung Subjektiver Eindruck

Konfigurationsmöglichkeiten durch Fachabteilung Sonstige Flexibilität und Internationalisierung

MUSS Geldprämien MUSS Sachprämien Abbildung unterschiedlicher Prämienmodelle KANN unterschiedlicher Betriebsvereinbarungen in einem System Kontoführung für Mitarbeiter wahlweise mit MUSS oder ohne Ansparoption

Allgemeine Anforderungen Interaktion / Kommunikation Abbildung der Prämierung

Ideeenmanagement Anforderungen

Anforderungen

Maximale Punktzahl

17100

1060

0

0

0

5

0

10 20 50 40 100

150 80 25

0

0

1

6

500 15 70

840

Ist-Lösung Bewertung Kommentar [optional]

Rang 3

Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software 275

276

N. Landmann

che sehr gut, um einzelne Produkte bereits auszuschließen. Es gibt nur wenige Anbieter deren Kerngeschäft sich tatsächlich auf die Implementierung von Ideenmanagement Lösungen beläuft. Oftmals ist das Thema Ideenmanagement lediglich ein Teil des Portfolios und ergänzt bestehende Lösungen, deren Hauptfokus nicht Ideenmanagement ist. Sind derartige Produkte bereits in der Organisation im Einsatz und decken die Anforderungen ab, dann sind sie eine gute Wahl. Andernfalls empfiehlt sich eine Konzentration auf Produkte und Anbieter, deren Kerngeschäft das Thema Ideenmanagement ist. Neben dem Internet empfiehlt es sich bei der Anbieterrecherche vor allem, sich bei anderen Organisationen zu informieren. Mit Vorsicht sind Rankings auf Web-Seiten sowie Bachelor- und Masterarbeiten bei der Auswahl der Anbieter zu genießen, sofern die Rankings ohne direkte Interviews mit den Herstellern und Referenzen erfolgten.

2.2

P  hase 2 – Vorauswahl der möglichen Anbieter

In der Phase 2 geht es darum, die mögliche Zahl der Anbieter schrittweise auf drei Anbieter zu reduzieren. Long List und Short List In der Long List sind zunächst alle Produkte enthalten, die auf Basis der ersten Anbieterrecherche alle KO Kriterien erfüllen. In einem nächsten Schritt erfolgt dann eine Reduktion der Anbieter auf eine Short List. In der Short List sind alle Produkte enthalten, die in die Vorauswahl kommen und bei denen der jeweilige Hersteller kontaktiert wird. Eine Short List enthält typischerweise zwischen 4 und 8 Produkten. Anforderungsdokumentation Die in Phase 1 erstellte grobe Anforderungsdokumentation wird finalisiert, so dass jetzt alle Anforderungen für die Softwareauswahl sowie deren Gewichtung feststehen. Die Anforderungsdokumentation erfolgt  – je nach gewählter Einführungsmethodik  – in Form eines Lastenhefts bei klassischen Methoden oder bspw. Use Cases und User Stories bei agilen Methoden. Herstellerabfrage Die Hersteller der Produkte der Short List erhalten eine reduzierte Version des Kriterienkatalogs ohne die Gewichtung der Kriterien sowie ohne die anderen Anbieter. Sie werden gebeten, den Erfüllungsgrad der Anforderungen selbst zu bewerten sowie entsprechend zu kommentieren und können Rückfragen zu einzelnen Anforderungen stellen. Sofern eine bestehende Software abgelöst werden soll, ist zu empfehlen, für diese selbst eine Bewertung vorzunehmen. Dies ermöglicht eine Einschätzung, wie viel besser die anderen Produkte im Vergleich zu der abzulösenden Software sind und erleichtern die interne Argumentation für eine neue Software.

Auswahlverfahren für Ideenmanagement Software

277

Die zurückgelieferte Eigenbewertung der Hersteller wird in die Auswahlliste konsolidiert. Bei Unklarheiten sollten Sie mit den jeweiligen Herstellern Online Sessions zur Klärung dieser Fragen durchführen. Vorauswahl Auf Basis der konsolidierten Kriterienliste und kritisch hinterfragten sowie ggf. angepassten Eigenbewertungen der Hersteller erfolgt eine Vorauswahl der Produkte, die üblicherweise drei Produkte umfasst. Die Anzahl der Anbieter hängt in der Regel auch von den Vorgaben des Einkaufs ab.

2.3

P  hase 3 – Anbieterauswahl

Ziel dieser Phase ist die Auswahl eines Favoriten mit dem dann in Phase 4 der Abschluss erfolgen kann. Produktpräsentation Die ausgewählten Anbieter erhalten zusätzlich zu dem bereits übermittelten Kriterienkatalog jetzt die Anforderungsdokumentation und eine Einladung zu einer ausführlichen Produktpräsentation vor zusammen mit den relevanten Stakeholdern. Um eine Vergleichbarkeit der Anbieterpräsentationen herzustellen, empfiehlt es sich, allen Anbietern die gleiche Agenda sowie bspw. auch die Vorbereitung eines Demosystems mit vorgegebenen Szenarien für eine Live Demo vorzugeben. Ferner sollte der Zeitrahmen für alle Anbieter gleich sein. Im Nachgang einer Anbieterpräsentation erfolgt eine erneute Anpassung der Bewertung der Kriterienliste mit allen relevanten Stakeholdern. Referenzbesuche Je nach Bedarf sollten Besuche oder Gespräche mit Referenzkunden erfolgen, um die Herstelleraussagen in der Praxis zu evaluieren. Finale Bewertung Die finale Bewertung ergibt sich dann aus der Ranglistenbildung der Kriterienliste.

2.4

P  hase 4 – Abschluss

In Phase 4 erfolgen dann die finalen Verhandlungen, die je nach Einkaufsprozess mit einem oder mehreren gleichwertigen Anbietern geführt werden sowie die Entscheidung für einen Anbieter.

278

3

N. Landmann

Fazit

Die Auswahl einer für die eigene Organisation passenden Ideenmanagement Software will gut vorbereitet sein. Eine mehrstufige Selektion von in Frage kommenden Produkten auf der Basis einer gewichteten Kriterienliste hilft, die Spreu vom Weizen bei der Vielzahl der vermeintlichen in Frage kommenden Produkte zu trennen. Eine frühzeitige Einbindung der relevanten Stakeholder auf Basis eines transparenten und abgestimmten Verfahrens sorgt für eine belastungsfähige Entscheidung. Der erfahrungsgemäß hohe Aufwand bei der Erstellung und Konsolidierung der Anforderungen zahlt sich bei der nachfolgenden Einführung aus und hilft, Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Literatur Landmann, N./Schat, H.-D. (2018): Ideenmanagement Studie 2018 – Erfolgsfaktoren, Trends und Best Practices, HLP Informationsmanagement GmbH, Eschborn, ISBN 978-3-00-059582-0 Wikipedia (2019): Stakeholder, https://de.wikipedia.org/wiki/Stakeholder [29.03.2019]

Nils Landmann  ist Dipl. Wirtschafts-Informatiker und studierte an der TU Darmstadt sowie der INPG in Grenoble. Er ist Managing Director und Mitgründer der HLP Informationsmanagement GmbH und seit über 20 Jahren in der Beratung, Konzeption und Einführung von Ideen- und Innovationsmanagement Systemen aktiv. Darüber hinaus referiert er auf verschiedenen Veranstaltungen und leitet Managementforen, Arbeitskreise sowie Fachkongresse und ist Herausgeber der zweijährlich erscheinenden Ideenmanagement-Studie, der größten und umfangreichsten Studie zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum.

Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse Hans-Dieter Schat

Inhaltsverzeichnis 1  G  rundlegende Kennzahlen  2  E  rfolgsfaktoren  2.1  Ziele und Zielvereinbarungen  2.2  Ideenmanager als Prozess- und Methoden-Coach  2.3  Flexible Prozesse: Prozess folgt der Idee  2.4  Aktive Elemente  2.5  Ideenmanagement als Profitcenter  3  Fazit  Literatur 

 280  282  283  283  284  285  287  288  289

Zusammenfassung

Die Ideenmanagement-Studie 2018 (Landmann und Schat, Ideenmanagement Studie 2018. HLP, Eschborn, 2018, https://www.hlp.de/studie-2018) ist aktuell die ­umfangreichste empirische Erhebung zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum. Die Angaben von 261 Organisationen lassen zwar keine repräsentativen Auswertungen zu, können aber doch für fundierte Vermutungen verwendet werden. In diesem Aufsatz werden die Schlüsselergebnisse vorgestellt, gegliedert nach den Bereichen • Grundlegende Kennzahlen und • Erfolgsfaktoren

H.-D. Schat (*) Institut für Public Management, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Essen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_28

279

280

1

H.-D. Schat

Grundlegende Kennzahlen

Die grundlegenden Kennzahlen bilden den ersten Auswertungsblock. Hierzu vorab zwei Anmerkungen: Die Befragten unserer Studie wurden nicht repräsentativ ausgewertet. Wir haben auf verschiedenen Kanälen für die Befragung geworben und jeweils auf den Link zu der Befragung verwiesen. Daraufhin haben die Teilnehmer selbst die entsprechende Internetseite aufgerufen und den Fragebogen ausgefüllt. Es handelt sich also um eine Selbstselektion. Selbstselektionen führen dazu, dass überproportional viele Befragte teilnehmen, für die die Befragung erfreulich ist. Praktisch: Wir haben viele Teilnehmer mit gutem und mit sehr gutem Ideenmanagement in dieser Befragung, wir finden aber kaum Teilnehmer mit schlechtem Ideenmanagement. Schlimmer noch: Es gibt keine aktuellen verlässlichen Kennzahlen zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum. Wir können also aus eigener Praxiserfahrung vermuten, dass wir in der Befragung eine Bestenauswahl sehen, können diesen Effekt aber nicht korrigieren, da es keine belastbaren Referenzdaten gibt. Dies gilt für auch für die zweite Einschränkung: Vermutlich sind in dieser Erhebung große Organisationen überrepräsentiert. Es liegen Daten über die Anzahl an Unternehmen in den unterschiedlichen Größenklassen vor. Doch wird Ideenmanagement ja auch in öffentlichen Verwaltungen und in anderen Organisationen durchgeführt, die keine Unternehmen sind. Bereits für öffentliche Verwaltungen ist keine Übersicht über die Verteilung in den unterschiedlichen Größenklassen vor. Wir vermuten, dass in größeren Organisationen Ideenmanagement häufiger eingesetzt wird. Dies könnte erklären, dass wir überproportional viele große Organisationen in dieser Befragung finden. Andererseits finden sich auch Berichte über erfolgreiches Ideenmanagement bei kleinen Unternehmen (vgl. Kap. „Handwerk: Ideenmanagement einfach gemacht“ der Beitrag Rüdiger Munzke). Auch hier gilt also: Wir können zwar einen Effekt vermuten, ihn aber nicht korrigieren. Immerhin können wir hoffen, langfristig durch bessere Umfragen mit einer steigenden Teilnehmerzahl zu immer besseren Ergebnissen zu kommen. Die erhobenen Daten weisen an einigen Stellen ungewöhnlich hohe Werte aus. Häufig werden solche „Ausreißer“ in Befragungen gestrichen, die Daten also entsprechend ­bereinigt. Doch kommt es beispielsweise tatsächlich vor, dass in einem Jahr eine richtig gute Idee eingereicht wird und in einem kleinen Unternehmen den berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr in eine astronomische Höhe treibt. So sind in der folgenden Auswertung auch Ausreißer enthalten. Um deren Effekt zu begrenzen wurde neben dem Durchschnitt auch der Median angegeben: Der Median teilt die Befragten in zwei Hälften. Ein Median der Durchlaufzeit bis zur Entscheidung von 60 Kalendertagen sagt also: In der Hälfte der befragten Organisationen liegt die durchschnittliche Durchlaufzeit bis zur Entscheidung bei 60 Kalendertagen oder weniger. Die andere Hälfte der Organisationen meldet eine durchschnittliche Durchlaufzeit bis zur Entscheidung von 60 Kalendertagen oder mehr. Das Konzept des Medians ist zwar im Alltag nicht ganz so gebräuchlich wie das Konzept des Durchschnitts, führt aber häufig zu realistischeren Ergebnissen.

Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse

281

Die grundlegenden Kennzahlen finden sich in der Abb. 1 (vgl. Abb. 1). Die Durchlaufzeit bis zur Entscheidung ist wichtig für die Motivation der Einreicher. Die Motivationspsychologie lehrt, dass erwünschtes Verhalten wirksamer verstärkt wird, wenn die Belohnung schnell kommt. Eine positive Entscheidung über eine Idee ist auf jeden Fall eine Belohnung. Eine wertschätzende Ablehnung kann auch als Belohnung wirken. Die Durchlaufzeit bis zur Umsetzung ist wichtig für die wirtschaftliche Wirkung des Ideenmanagements. Nach diesen Zahlen wissen Organisationen rund 100 Tag um eine Verbesserungsmöglichkeit, bevor diese umgesetzt wird und die damit verbundene Einsparung realisiert wird. Die Organisation arbeitet also 100 Tage unwirtschaftlicher als sie könnte. Für beide Durchlaufzeiten gilt aber: Kurze Durchlaufzeiten lassen nicht automatisch auf ein gutes Ideenmanagement schließen. Man kann viele unwirtschaftliche Kleinstverbesserungen in kurzer Zeit entscheiden und umsetzen, ohne dass irgendjemand einen Nutzen davon hat. Umgekehrt: Wenn es um richtig große Verbesserungen geht, dann versteht jeder Einreicher, dass Entscheidung und Umsetzung eine angemessene Zeit beanspruchen. Die Beteiligungsquote hat zwei Bedeutungen. Zum einen ist eine hohe Beteiligungsquote wichtig, wenn das Ideenmanagement als Führungsinstrument oder als Arbeit an der Organisationskultur verstanden wird (Schat 2016). Nur Beschäftigte, die sich am Ideenmanagement beteiligen, können nachhaltig vom Ideenmanagement beeinflusst werden. Zum zweiten ist eine gewisse Beteiligungsquote nötig, um genügend und genügend gute Ideen zu generieren. Hier ist mehr nicht unbedingt besser: Optimaler wirtschaftlicher Nutzen entsteht bei Beteiligungsquoten zwischen 30 und 50 % (Schat 2019). Wenn die Hälfte

Abb. 1  Grundlegende Kennzahlen für das Ideenmanagement. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 25)

282

H.-D. Schat

der Befragten von einer Beteiligungsquote von 20 % und weniger berichtet, dann liegt hier noch viel Potential brach. Die berechenbare Einsparung pro Mitarbeiter und Jahr ist ein Beispiel, wie einige Extremwerte den Durchschnitt verzerren können. Die fünf höchsten Werte unserer Befragung sind 3600 €, 3792 €, 4190 €, 4340 € und 5600 €. Derart hohe Werte sind in einzelnen Jahren durchaus möglich, ziehen jedoch den Durchschnitt nach oben. Der Median von 219 € heißt aber auch: In einer Organisation mit 1000 Beschäftigten sind jährliche Einsparungen von über 200.000 € durch das Ideenmanagement vollkommen alltäglich. Noch stärker ist die Verzerrung durch einzelne hohe Werte bei der berechenbaren Einsparung pro realisierter Idee – hier liegen Durchschnitt und Median um eine Zehnerpotenz auseinander. Der Verwaltungsaufwand für Ideen mit hoher und mit geringer Einsparung ist immer der gleiche. Ein Ideenmanagement arbeitet wirtschaftlicher, wenn Ideen mit hohem Nutzen umgesetzt werden können. Die Prämie pro Idee mit berechenbarer Einsparung ist in Verhältnis zur berechenbaren Einsparung pro realisierter Idee zu sehen: Rund zehn bis zwanzig Prozent des berechenbaren Nutzens wird im Normalfall als Prämie vergeben. Die Anerkennungsprämie ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits werden damit Ideen „prämiert“, die zwar gut gemeint sind, aber nicht umgesetzt werden können. Das soll der weiteren Motivation der Einreicher dienen und ist so auch nachvollziehbar. Auf der anderen Seite kann eine Prämie für nicht umsetzbare Ideen natürlich auch dazu führen, dass nun vermehrt Ideen eingereicht werden, die nicht umsetzbar sind. Womöglich werden sogar Ideen entwickelt, nicht mit dem Ziel, diese Ideen umzusetzen, sondern nur mit dem Ziel, eine Anerkennungsprämie zu erhalten. Schließlich gibt der Return on Invest (ROI) an, wie viel Euro eine Organisation zurückbekommt, wenn sie einen Euro in das Ideenmanagement investiert. Ein ROI von 2,5 bis 3 heißt also, dass jeder Euro im Ideenmanagement normalerweise 2,5 € bis 3 € an Nutzen bildet. Damit ist das Ideenmanagement ohne Zweifel eine wirtschaftliche Einrichtung, wobei sich der Nutzen in der Größenordnung bewegt, der von Investitionen im betrieblichen Kontext erwartet wird.

2

Erfolgsfaktoren

Die hier präsentierten Erfolgsfaktoren sind ein Ergebnis der Statistik: Überzufällig häufig erscheinen hohe Ausprägungen dieser Erfolgsfaktoren gemeinsam mit guten Erfolgen im Ideenmanagement. Mit Nils Landmann und Thomas Sieben haben zwei erfahrene Ideenmanagement-­Berater diese Erfolgsfaktoren bestätigt. Dennoch kann man daraus nicht ableiten, dass in jedem Ideenmanagement und in jeder Situation exakt diese Erfolgsfaktoren zu einer deutlichen Verbesserung des Ideenmanagements führen. Wie in jedem Lebensbereich sollte auch im Ideenmanagement eine sorgfältige Diagnose der Therapie vorausgehen. Andererseits: Wenn eine Organisation Faktoren sucht, die das Ideenmanagement verbessern können, dann ist es sinnvoll, die hier dargestellten Erfolgsfaktoren näher ins Auge zu fassen.

Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse

283

Die fünf wichtigsten Erfolgsfaktoren lassen sich, auch in ihrem relativen Verhältnis zueinander, in der Grafik der Abbildung zwei zusammenfassen (vgl. Abb. 2).

2.1

Z  iele und Zielvereinbarungen

Der gesunde Menschenverstand verlangt, dass man Ideenmanagement nicht „einfach so“ durchführt, sondern damit bestimmte Ziele verfolgt. Wie sonst soll man wissen, in welche Richtung sich das Ideenmanagement entwickeln soll? Wie kann man ohne Ziele erkennen, ob ein Ideenmanagement erfolgreich ist? Dennoch zeigte eine frühere Befragung, dass 40  % der Ideenmanager angaben, keine Ziele im Ideenmanagement zu verfolgen (Schat 2015) – was den Anlass gab, hier weiter nachzufragen. In der Ideenmanagement-Studie 2018 machten zwei von drei I­ deenmanagern keine Angaben zu Zielen – wussten diese Ideenmanager wirklich nicht, ob sie Ziele hatten? Die Ideenmanager, die Ziele verfolgen, sind deutlich erfolgreicher als ihre „ziellosen“ Kollegen, wie Abbildung drei zeigt (vgl. Abb. 3). Diese Erfolge werden noch gesteigert, wenn die Ziele im Rahmen eines Zielvereinbarungsprozesses entwickelt werden. Beispielsweise die durchschnittliche berechenbare Einsparung pro Mitarbeiter steigt dann auf 867 € im Jahr.

2.2

I deenmanager als Prozess- und Methoden-Coach

Im Vorschlagswesen alter Prägung durften die Beschäftigten Verbesserungsvorschläge einreichen – wie sie zu diesen Ideen kamen, wurde nicht weiter thematisiert. Das konnte

Abb. 2  Fünf einflussreichste Erfolgsfaktoren für das Ideenmanagement. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 44)

284

H.-D. Schat

Abb. 3  Erfolge von Ideenmanagement mit und ohne Ziele. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 48)

Ende des 19. Jahrhunderts auch funktionieren, weil viele Industriearbeiter eine handwerkliche Ausbildung absolviert hatten und so im Lösen technischer Probleme geschult waren. Heute sind die Probleme oft komplexer und die Beschäftigten nicht immer gut geschult. In dieser Situation ist es notwendig, die Beschäftigten bei der Entwicklung von Ideen zu begleiten. In Konzepten wie dem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess oder der Ideen-Sprints sind Elemente des Coachings bereits vorgesehen. Aber auch ein klassischer Beauftragter für das Betriebliche Vorschlagswesen kann Beratungstermine oder Workshops für Kreativitäts- und Problemlösetechniken anbieten. In der Ideenmanagement-Studie 2018 wurden Organisationen ausgewählt, in denen der Ideenmanager sehr aktiv als Prozess- und Methoden-Coach agiert. Diesen wurden Organisationen gegenübergestellt, in denen der Ideenmanager praktisch gar nicht coacht. Die Resultate zeigt Abbildung vier (vgl. Abb. 4). Möglicherweise kann nicht jeder Ideenmanager ohne Weiteres seine Kollegen coachen. Doch lohnt es sich nicht nur für die Organisation, wenn ein Ideenmanager die Fähigkeiten für Prozess- und Methodencoaching mitbringt: Auch das durchschnittliche Gehalt eines solchen Ideenmanagers liegt höher.

2.3

F  lexible Prozesse: Prozess folgt der Idee

Im Vorschlagswesen Krupp’scher Prägung gab es einen „Prozess“: Ideen wurden eingereicht, die Geschäftsführung entschied und ließ umsetzen (oder auch nicht). Ebenso wurde für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess, insbesondere in der Variante des Kaizen, ein klarer Prozess für die Entwicklung, Entscheidung und Umsetzung von Ideen eingeführt. Das Innovationsmanagement orientiert sich gerne an Stage-Gate Prozessen. Was aber, wenn eine Idee sich im Laufe der Diskussion als so mächtig erweist, dass sie besser durch einen Stage-Gate-Prozess gehen sollte? Oder wenn umgekehrt ein Impuls aus dem Innovationsmanagement auf eine kleine Verbesserung im Produktionsprozess abzielt, den eine KVP-Gruppe wunderbar praxisreif weiterentwickeln und umsetzen könnte?

Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse

285

Abb. 4  Erfolge von Ideenmanagement mit und ohne einen Ideenmanager, der als Prozess- und Methodencoach agiert. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 65, Ausschnitt)

Oder: Wie flexibel kann eine Organisation reagieren, wenn es nur ein Vorschlagswesen gibt, die Mitarbeiter aber Ideen entwickeln, die auf anderen Wegen viel besser Nutzen stiften können? Die Kernfrage lautet hier: Gibt es einen Prozess, dem alle Ideen folgen müssen? Oder kann die Organisation flexibel entscheiden, welcher Prozess für eine bestimmte Idee der richtige ist? In der Praxis ist diese Flexibilität noch wenig verbreitet. Wir baten die Ideenmanager auf einer Skala von 0 Punkten (gar keine Flexibilität) bis 5 Punkten (maximale Flexibilität) ihre eigene Organisation einzuschätzen. Ganze 30 % der Befragten vergaben 0 Punkte: Ganz und gar keine Flexibilität, die Idee hat sich nach einem vorgegebenen Prozess zu richten. Nur elf Prozent der Befragten vergaben vier oder fünf Punkte. Für die folgende Auswertung wurden die Organisationen mit 0 Punkten (Idee gibt in geringem Maße den Bearbeitungsprozess vor) den Organisationen mit 3 und mehr Punkten (Idee gibt in hohem Maße den Bearbeitungsprozess vor) gegenübergestellt (vgl. Abb. 5). Wenn die Idee den Bearbeitungsprozess vorgibt, dann steigt der berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr auf fast das Doppelte (im Durchschnitt) oder das Dreifache (im Median). Doch diese Flexibilität bringt Kosten mit sich: Der ROI ändert sich kaum.

2.4

A  ktive Elemente

Passive Elemente im Ideenmanagement sind der Briefkasten des Vorschlagswesens und die E-Mail-Adresse, an die Ideen eingereicht werden können. Zu den passiven Elementen gehört ein „spontanes Ideenmanagement“, also ein Ideenmanagement, das auf Verbesserungsvorschläge wartet und nicht viel Weiteres unternimmt. Selbstverständlich ist das spontane Ideenmanagement (praktisch) immer ein Teil des Ideenmanagements: Wenn Mitarbeiter von sich aus Verbesserungsvorschläge entwickeln, dann muss es einen Weg geben, diese Vorschläge zur Umsetzung zu bringen.

286

H.-D. Schat

Abb. 5  Erfolge von Ideenmanagement mit und ohne flexiblen Prozessen. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 75, Ausschnitt)

Doch dies genügt nicht. Spontan entwickelte Vorschläge treffen oft nicht „ins Schwarze“. Mitarbeiter wissen nicht von alleine, wo die besonderen Verbesserungsbedarfe in der Organisation liegen. Ungeschult entwickeln Mitarbeiter nicht systematisch die optimale Lösung. Bestenfalls können solche Lösungen im Gespräch mit Ideenmanager und Gutachter verbessert werden – was aber Zeit und Ressourcen im Ideenmanagement kostet. Schlimmstenfalls wird eine Idee abgelehnt, nur, weil sie laienhaft entwickelt wurde. • Ein besonderes aktives Element wurde bereits als Erfolgsfaktor identifiziert: Der Ideenmanager als Prozess- und Methoden Coach. Weitere aktive Elemente können sein • Workshops für Mitarbeiter und/oder Führungskräfte, durchgeführt von Ideenmanagern, Führungskräften oder externen Beratern oder Wissenschaftlern, • World-Cafés, • Sprints, bei denen in kurzer Zeit (3 bis 5 Tage) eine Idee soweit konkretisiert wird, dass Vertreter der Zielgruppe eine qualifizierte Rückmeldung geben können, • Kampagnen, die Ideen von bestimmten Zielgruppen oder für bestimmte Problemfelder einwerben sollen, • Schulungen zu Problemlösungs- oder Kreativitätstechniken. Je nach Zielgruppe und Organisationskultur können die aktiven Elemente auch elektronisch unterstützt werden. E-Learning oder Blended-Learning, Community-Systeme mit oder ohne Voting-Funktionen, aber auch einfache Blackboards für Diskussionen können hier eingesetzt werden. Wir baten die Ideenmanager, selbst einzuschätzen, wie intensiv sie aktive Elemente in ihrem Ideenmanagement einsetzen. Die beiden geringsten und die beiden höchsten Punktwerte haben wir zusammengefasst als „Organisationen, die weniger aktive Elemente einsetzen“ bzw. „Organisationen, die mehr aktive Elemente einsetzen“. Diese beiden Gruppen erzielen unterschiedliche Ergebnisse, wie in Abbildung sechs ersichtlich (vgl. Abb. 6).

Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse

287

Aktive Elemente steigern den berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr – das war zu erwarten. Aktive Elemente verursachen Kosten, so könnte man vermuten, dass der ROI bei Organisationen, die mehr aktive Elemente einsetzen, eher sinkt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Offenkundig bringt der intensive Einsatz aktiver Elemente im Ideenmanagement einen deutlich höheren Nutzen und überkompensiert so die zusätzlichen Kosten. Diese statistische Auswertung kann ergänzt werden durch die immer wieder von Beratern gehörte Einschätzung, wonach aktive Elemente ein Schlüssel für den Erfolg von Ideenmanagement sind.

2.5

I deenmanagement als Profitcenter

Ein Profitcenter ist so etwas wie ein „Unternehmen im Unternehmen“: Juristisch ist ein Profitcenter Teil der Organisation. Doch werden die Kosten und die für die Organisation erbrachten Leistungen für das Profitcenter abgegrenzt. Das ermöglicht eine eigene „Gewinn- und Verlustrechnung“ für das Profitcenter. So kann am Jahresende ermittelt werden, ob das Profitcenter erfolgreich gewirtschaftet hat. Profitcenter setzen ein gut funktionierendes und entsprechend ausgebautes Rechnungswesen voraus und sind zumeist in größeren Organisationen zu finden – wenn überhaupt. In der Ideenmanagement-Studie 2018 antworteten 72 % der Befragten, das Ideenmanagement ganz und gar nicht als Profitcenter zu betreiben. Fünf Prozent setzen das Konzept des Profitcenters voll und ganz um, die restlichen nutzen einige Ansätze, ohne ein vollkommenes Profitcenter zu betreiben. Für einen Vergleich der Ergebnisse haben wir die Organisationen, die das Ideenmanagement ganz und gar nicht als Profitcenter betreiben, jenen gegenübergestellt, die zumindest Ansätze dieses Konzeptes nutzen (vgl. Abb. 7). Profitcenter bewirken keine Wunder: Die berechenbare Einsparung pro Mitarbeiter und Jahr ist im Durchschnitt geringer, im Median allerdings deutlich höher. Vor allem zeigt Ideenmanagement, das zumindest im Ansatz als Profitcenter aufgestellt ist, einen deutlich

Abb. 6  Erfolge von Ideenmanagement mit mehr und mit weniger aktiven Elementen. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 89, Ausschnitt)

288

H.-D. Schat

Abb. 7  Erfolge von Ideenmanagement ohne Profitcenter und Ideenmanagement mit mindestens einzelnen Elementen des Profitcenter-Konzeptes. (Quelle: Landmann und Schat 2018, S. 99, Ausschnitt)

höheren Return on Invest. Dies dürfte den hauptsächlichen Effekt des Profitcenterkonzepts verstärken: Ein Ideenmanagement, das als Profitcenter organisiert ist, kann die eigene Leistung deutlich darstellen. Damit ist es in Budgetverhandlungen und bei Reorganisationen besser geschützt.

3

Fazit

Ideenmanagement mit durchschnittlich 597 € berechenbarem Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr eine lohnende Investition: Für jeden Euro, den eine Organisation in das Ideenmanagement investiert, erhält sie 2,5 € bis 3 € zurück. Erfolgreiches Ideenmanagement kann durch folgende Ansätze erreicht werden: 1. Für das Ideenmanagement werden Ziele formuliert – besser noch: Mit dem Ideenmanagement werden Ziele vereinbart. 2. Ideenmanager unterstützen als Prozess- und Methodencoach ihre Kollegen und die Führungskräfte. 3. Für die Bearbeitung und die Umsetzung einer Idee werden verschiedene Prozesse bereitgehalten. Jede Idee kann so bearbeitet werden, wie es für diese Idee optimal ist. 4. Das Ideenmanagement setzt aktive Elemente zielgerichtet ein. 5. Das Ideenmanagement ist als Profitcenter organisiert.

Ideenmanagement-Studie 2018 – Schlüsselergebnisse

289

Diese Erkenntnisse aus der Ideenmanagement-Studie 2018 können einen Erfolgsfaktor nicht ersetzen: Einen Ideenmanager, der intelligent und tatkräftig sein Ideenmanagement voranbringt.

Literatur Landmann N, Schat HD (2018) Ideenmanagement Studie 2018. Eschborn: HLP. Schat HD (2015): Ideenmanagement im Unternehmen integriert. In: Christian Hanewinkel, Hans-Rüdiger Munzke, Gudrun Richter und Hans-Dieter Schat: Ideenmanagement aus der Lebensmittelwirtschaft. Hamburg: Behr’s Verlag. S. 67 ff. Schat HD (2016) Ideenmanagement als Kulturarbeit. In: Buchenau P et al. (Hrsg.), Chefsache Nachhaltigkeit. Wiesbaden: Springer Fachmedien. S. 299–314. Schat HD (2017) Erfolgreiches Ideenmanagement in der Praxis. Wiesbaden: Springer-Gabler. Schat HD (2019) Optimale Beteiligungsquote http://ideenmanagementblog.de/?p=473 abgerufen am 12. Juni 2019

Prof. Dr. Hans-Dieter Schat  war bei u. a. Daimler und Fraunhofer als Einreicher, Gutachter, Führungskraft und Ideenmanager beschäftigt. Nun ist er Professor für Personalwesen an der FOM Hochschule und arbeitet als Wissenschaftler, Autor und Blogger für das Ideenmanagement. Aktuelles findet sich auf www.IdeenmanagementBlog.de.

Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen und Lösungsansätze Nils Landmann

Inhaltsverzeichnis 1  I ntegration von Ideenmanagement und Innovationsmanagement – warum?  2  Integratives Prozessmodell für Ideen- und Innovationsmanagement  2.1  Prozess  2.2  Nutzenbewertung  2.3  Verändertes Rollenverständnis  3  Fazit  Literatur 

 292  292  294  297  299  301  302

Zusammenfassung

Aktuelle Veränderungen wie Digitalisierung, Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz etc. im Organisationsumfeld wirken sich auf Organisationen aus. Es steigt sowohl der Druck, bestehende Prozesse und Produkte zu verbessern als auch – je nach Branche in unterschiedlicher Intensität und Dringlichkeit – neue Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle erfolgreich auf den Markt zu bringen. Dies führt in der Praxis zur einer Annäherung bis hin zu einer Verschmelzung von Ideenmanagement und Innovationsmanagement. Dieser Beitrag stellt die Herausforderungen bei der Integration vor sowie Lösungsansätze für ein integriertes Ideen- und Innovationsmanagement zur Diskussion.

N. Landmann (*) HLP Informationsmanagement GmbH, Eschborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_29

291

292

N. Landmann

1  I ntegration von Ideenmanagement und Innovationsmanagement – warum? Das Zusammenspiel verschiedener technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen führt zu tiefgreifenden Veränderungen im Marktumfeld von Organisationen in der Art und Weise wie in Organisationen zusammengearbeitet wird. Einige Branchen wie beispielsweise Versicherungen, Banken und Energieversorger aber auch die Automobilbranche samt ihren Zulieferern sind bereits mitten im Wandel. Andere werden später und ggf. auch geringer davon betroffen sein. Je höher der Digitalisierungsgrad in der Wertschöpfungskette einer Organisation ausgeprägt ist oder ausgeprägt werden kann, desto schneller und intensiver ist mit einer Veränderung zu rechnen und desto unvorhersehbarer ist der Markeintritt vollkommener neuer Wettbewerber aus bisher gänzlich anderen Branchen. „Die Überlebensfähigkeit von Organisationen hängt in hohem Maße davon ab, wie schnell sie sich auf die aktuellen, tiefgreifenden Veränderungen einstellen und darauf reagieren können.“ (Landmann und Schat 2018). Allerdings ist die Gefahr auch groß, vor lauter Panikmache und German Angst, für die wir insbesondere in Deutschland sehr empfänglich sind, eine sachlich nüchterne Perspektive auf den Wandel einzunehmen. So stellt Franz Kühmayer in einem Blogbeitrag des Zukunftsinstituts fest: „Unter dem Eindruck enormer Informationsdichte sind wir verleitet, Innovationsdruck weniger als objektiven Faktor zu bewerten, als vielmehr der hektischen Wahrnehmung neuer Produkte zu folgen.“ (Kühmayer 2015). Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie so oft irgendwo in der Mitte. Nichtdestrotz stehen uns Veränderungen bevor und diese Veränderungen im Umfeld von Organisationen wirken sich mittelbar auch auf deren Innenleben und somit letzten Endes auch auf das Ideenmanagement aus. Immer öfter ist in der Praxis festzustellen, dass sich das Ideenmanagement und das Innovationsmanagement aufeinander zu bewegen, indem sie die eigenen Mitarbeiter als eine Quelle nicht nur für Verbesserungsvorschläge, sondern auch in zunehmenden Maße für Innovationsideen sehen und nutzen. Und spätestens an diesem Punkt greift dann in vollem Umfang die Mitbestimmung auch für das Innovationsmanagement. Darüber hi­ naus sind die beiden Welten sowohl von den Arbeitsweisen als auch den Prozessen und den handelnden Personen bis hin zum Image von Grund auf verschieden und werfen Konflikte auf, die es zu lösen gilt. Ferner orientieren sich moderne Ideenmanagement-Ansätze immer häufiger an den Prozessmodellen aus dem Innovationsmanagement und setzen in immer stärkerem Maße auf Methoden aus dem Innovationsmanagement.

2  I ntegratives Prozessmodell für Ideen- und Innovationsmanagement Abb. 2 zeigt ein Prozessmodell, das sich an einem Stage-Gate-Modell (vgl. Product Development Institute o. J.) orientiert und das sich für die Bearbeitung und Steuerung sowohl von Verbesserungsvorschlägen als auch Innovationen in einem gemeinsamen Prozessmodell eignet (vgl. Abb. 2).

Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen … 293

Dieses wird nachfolgend näher erläutert, so dass auf dessen Grundlage Herausforderungen und Lösungsansätze eines integrativen Ideen- und Innovationsmanagements diskutiert werden können. Im Kern orientiert sich in diesem Modell der Prozess flexibel an der jeweiligen inhaltlichen Ausprägung der Idee. Davon abhängig wird an dedizierten Entscheidungspunkten („Gates“) jeweils bestimmt, in welchen Folgeschritt im Prozess („Stage“) die jeweilige Idee weiterbearbeitet wird bzw. ob diese in einen Potentialspeicher für eine spätere Betrachtung überführt oder gänzlich aus dem Prozess ausscheidet. Gibt der Prozess die Bearbeitung von Ideen in geringem Maße vor, dann lassen sich im Ideenmanagement signifikant bessere Ergebnisse erzielen wie Landmann und Schat (2018) in der Ideenmanagement Studie 2018 nachweisen konnten und deren Ergebnisse in Abb. 1 dargestellt werden (vgl. Abb. 1). Der integrierte Prozess zeichnet sich dadurch aus, dass fortwährend die Frage „Was benötigt diese konkrete Idee jetzt, um möglichst schnell in einen entscheidungsfähigen Zustand zu gelangen bzw. nach einer positiven Entscheidung rasch umgesetzt werden zu können?“

gestellt wird.

Abb. 1  Statistische Auswertung zur Prozessflexibilisierung. (Quelle: Landmann und Schat (2018), Tab. 10 auf S. 73)

294

N. Landmann

Prozess

!

Kampagnen

Spontane Ideen

...

Weitere Formate zur Ideengenerierung

Gate

Gate

Gate Strategie / Ziele

Workshops

Methoden

Gate

!

Methoden

Methoden

Methoden

Transfer

!

Methoden

Gate

Prozess

Umsetzung

Prototyping

Methoden

Bewerten

Nutzen

Anreichern

Prozess

Generieren

Methoden

Entscheidung

Abb. 2  Integriertes Prozessmodell für Ideen- und Innovationsmanagement. (Quelle: eigene Darstellung)

Abhängig davon werden die jeweils geeigneten Methoden für die Bearbeitung einer Idee in einem konkreten Prozessschritt ausgewählt. Ideen finden in diesem Modell nur dann Eingang in den Prozess, wenn sie auf eine oder mehrere Nutzendimensionen einzahlt. Die Nutzendimensionen werden konsequent von den Unternehmenszielen bzw. der Unternehmensstrategie abgeleitet. Verbesserungsvorschläge können anhand der Nutzendimensionen genauso bewertet werden wie komplexe Innovationen, so dass eine gemeinsame Steuerung des Ideen- und Innovationsmanagements möglich ist (vgl. Abb. 2).

2.1

P  rozess

Im Bereich der Prozesse bestehen große Unterschiede zwischen klassischen Ideenmanagement Prozessen wie beispielsweise dem Vorgesetztenmodell, dem zentralen Modell, dem Teammodell und Mischmodellen (vgl. Landmann und Schat 2018, S. 165 ff.) und dem typischerweise im Innovationsmanagement eingesetzten Stage-Gate-Modell. In einem Stage-Gate-Modell ist die Komplexität des Prozesses mit einem mehr oder weniger linearen Prozess aus einzelnen klar umrissenen Phasen („Stages“) und jeweils definierten Entscheidungspunkten („Gates“) vergleichsweise gering. In einer jeweiligen Phase werden Ideen durch den Einsatz geeigneter Methoden in einen an dem nachfolgenden Gate entscheidungsfähigen Zustand gebracht. Sowohl die Methoden als auch die Besetzung der jeweiligen Gates sind typischerweise bereichsübergreifend. Die Kriterien an-

Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen … 295

hand derer entschieden wird, ob eine Idee in eine Folgephase weitergeleitet wird oder sie aus dem Innovationsprozess ausgeschlossen wird, sind je Gate klar umrissen. Die Komplexität liegt im Stage-Modell im Vergleich zum Ideenmanagement in der Festlegung der Such- bzw. Innovationsfelder, der Methodenauswahl und deren Beherrschung in den einzelnen Phasen sowie insbesondere in der Besetzung der Entscheidungsträger und der Definition der jeweiligen Entscheidungskriterien an einem Gate. Im Ideenmanagement ist Prozesskomplexität mit seinen verschiedenen recht detailliert vorgegebenen Prozessen für Ersteinreichung, Einspruchsverfahren, Nachkalkulationen bis hin zu Ideentransferprüfungen im Vergleich zu einem Stage-Gate-Modell vergleichsweise deutlich höher. Während hingegen im Stage-Gate-Modell die Komplexität der Suchfeld-/Innovationsfeldbestimmung als Basis des Prozesses sowie die Komplexität der Entscheidungsfindung innerhalb der jeweiligen Gates vergleichsweise zum Ideenmanagement deutlich anspruchsvoller sind. Überträgt man ein Stage-Gate-Modell vereinfacht auf das Ideenmanagement, dann sind dort typischerweise nur zwei sehr klar umrissene Gates zu finden. Das erste Gate wird direkt nach dem Einreichen einer Idee als binäre Entscheidung aufgesetzt und dort wird anhand jeweils organisationsspezifischer Kriterien geprüft ob es sich um eine Idee gemäß Definition in der Betriebsvereinbarung handelt oder nicht. In einem zweiten Gate erfolgt typischerweise die auf der Basis einer Nutzenbewertung eine Entscheidung, ob die Idee umgesetzt wird oder nicht (vgl. Abb. 3). In den meisten Organisationen leitet sich aus der Nutzenbewertung auch eine Prämie pro Idee ab (s.u.). Die Nutzenbewertung erfolgt oftmals ausschließlich mit dem Fokus der Rationalisierung als einzige Nutzendimension.

Anreichern

Bewerten

Prozess

Prozess

Prototyping

Umsetzung

Transfer

Gate Realisierer

VG oder IDM bzw. Kommission

Gate VG oder IDM

Vorgesetze/r (VG) oder Gate Ideenmanager/in (IDM)

Methoden Expertengutachten

Methoden

Spontane Idee

Nutzen

Nutzenbewertung (rechenbar / nicht-berechenbar)

Prozess

Generieren

Entscheidung

Abb. 3  Klassischer BVW-Prozess innerhalb des integrierten Prozessmodells. (Quelle: eigene Darstellung)

296

N. Landmann

Diese wird meistens durch über Bewertungsmatrizen abgebildete Prämierungen für die sogenannten nicht-berechenbaren Vorschläge etwa im Bereich Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Qualität und Mitarbeitermotivation etc. ergänzt. Das integrative Modell abstrahiert Prozessphasen, die für beide Prozesse durchlaufen werden können aber nicht müssen. Die zentrale Frage, die bei der Bearbeitung von Ideen jeglicher Art, seien es typische Verbesserungsvorschläge mit geringem Nutzen oder auch vollkommene neue und ­komplexe Geschäftsmodell-Innovationen, die hierbei wie bereits oben erwähnt im Vordergrund steht ist folgende: „Was braucht diese konkrete Idee jetzt, um möglichst schnell in einen entscheidungsfähigen Zustand gebracht sowie rasch umgesetzt werden zu können?“

Welche Phasen durchlaufen werden (müssen) und welche Methoden in einer Phase zum Einsatz kommen, wird durch den Charakter der jeweiligen Idee jeweils im Einzelfall bestimmt. Der Prozess richtet sich also nach der Art und Komplexität einer Idee und nicht umgekehrt. Diese flexible Art der Ideenbearbeitung und -bewertung ist Innovationsmanagern in der Regel deutlich vertrauter als Ideenmanagern, die üblicherweise in einem relativ starren Prozess nach der Devise „one size fits all“ alle Ideen gleichermaßen bearbeiten. Nachfolgend sind die einzelnen möglichen Phasen kurz erläutert, die je nach Organisation auch in Bezug auf die Anzahl und der inhaltlichen Ausprägung unterschiedlich sein können: • Generieren: In dieser Phase kommen unterschiedliche Methoden zur Generierung von Ideen zur Anwendung wie bspw. verschiedene Arten von Workshops, Kampagnen mit spezifischen Fragestellungen sowie der spontanen Ideeneingabe. Die spontane Ideeneingabe ist im Betrieblichen Vorschlagswesen (BVW) die nach wie vor typische und am weitesten verbreitete Methode der Ideengenerierung. • Anreichern: In der Anreicherungsphase werden Ideen erweitert, ergänzt, verändert und konsolidiert, so dass sie nach dem Durchlaufen dieser Phase typischerweise nicht mehr mit der oder den ursprünglichen Ideen identisch sind. Ideen, die in dieser Phase bearbeitet werden sind oftmals mit Eintritt in diese Phase noch nicht ausgereift, beinhalten keine Lösungsansätze bzw. es sind keine Lösungsansätze für diese Idee bei ihrer Entstehung in ausreichendem Maße bekannt. Beispiele für Methoden in dieser Phase sind Kommentierungen/Ergänzungen von Ideen durch die Crowd (Stichwort „Schwarmintelligenz“) und Votings sowie Präsenzformate in denen Ideen mit unterschiedlichen Methoden diskutiert und konsolidiert werden können. • Bewerten: Ideen in dieser Phase werden hinsichtlich ihres Nutzenpotentials konkreter bewertet. Die aus dem Ideenmanagement bekannteste Methode ist das sogenannte Expertengutachten. Für Ideen mit einem stärker innovativen Charakter steht in dieser Phase beispielsweise oftmals die Erstellung eines Business Plans an.

Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen … 297

• Prototyping: Die Phase des Prototypings wird eher im Bereich der Innovationen durchlaufen, um die Innovationsidee zu erproben. Eine nicht nur für digitale Produkte und Prozesse in dieser Phase oft genutzte Methode ist die Erstellung eines sogenannten MVP („minimal viable product“). Ein MVP ist eine erste sehr einfache auf die Kernfunktionen reduzierte Version eines Produkts, das mit möglichst geringem Aufwand erstellt wird und mit dem schnell ein erstes Marktfeedback als Basis für weitere Produktiterationen eingeholt werden kann (Vgl. Ries 2011). Im Ideenmanagement ist das Durchlaufen dieser Phase bis dato eher untypisch und kommt, wenn überhaupt, typischerweise in produzierenden Unternehmen im Rahmen der Umsetzung von Ideen vor. • Umsetzung: In dieser Phase wird die jeweilige Idee realisiert. In Abhängigkeit vom Typ und Charakter der jeweiligen Idee können die Methoden von der Realisierung der Idee durch eine Person über die Einführung eines neuen Produkts mit den bestehenden Fachabteilungen einer Organisation bis hin zu der Ausgründung eines Startups beliebig komplex sein. • Transfer: Im Rahmen der Transferphase geht es sowohl um den Transfer von Ideen innerhalb einer Organisation als auch dem Transfer von Wissen, das im Rahmen des Bearbeitungsprozesses entstanden ist. Für beide Transferarten sind entsprechende Methoden vorzusehen. Für den Ideentransfer sind im Vergleich zum Wissenstransfer it-­ gestützte Methoden wie beispielsweise der Einsatz von Empfehlungssystemen aber auch ein prozessgestützter Ideentransfer in Abhängigkeit von konkreten Kriterien geeignet und verfügbar. In jeder Phase steht eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung. Aerssen von und Buchholz (2018) führen alleine 550 Methoden und Instrumente für das Innovationsmanagement auf und gruppieren diese nach den unterschiedlichsten Kriterien. Die Besetzung der Gates sowie der jeweiligen Entscheidungskriterien eines Gates ist abhängig von den eingesetzten Methoden in der vorigen Prozessphase sowie auch der Nutzenbewertung der jeweiligen Ideen und eine der komplexesten zu lösenden Aufgaben in der Konzeption eines integrierten Ideen- und Innovationsmanagement Modells. Abb. 4 zeigt exemplarisch die Besetzung des ersten Gates in Abhängigkeit von eingesetzten Methoden zur Ideengenerierung (vgl. Abb. 4): In späteren Phasen kann beispielsweise kann die Besetzung des Gates auch von dem Nutzen einer Idee oder deren Implementierungskosten abhängig sein.

2.2

N  utzenbewertung

Im Ideenmanagement werden typischerweise Ideen bewertet, die eine inkrementelle Verbesserung von etwas Bestehendem wie bspw. einem Produkt oder einem Prozess darstellen. Eine Nutzenbewertung kann hierbei auf der Basis von Erfahrungsund Vergleichswerten erfolgen. Der Nutzen wird üblicherweise in berechenbar und

298

N. Landmann Methode

Mögliche Besetzung des Gates

Workshop

-> Workshop Sponsor oder Moderator eines Workshops -> Direkte Führungskra im Vorgesetztenmodell -> Ideenmanager/in im zentralen Modell Spontane Ideeneingabe -> Team im Teammodell -> Ideenmanager/in oder direkte Führungskra im Mischmodell Kampagneneigner / Kampagnensponsor oder bei Kampagnen mit Kampagne Community-Elementen wie Kommentierung und Votings ein Kampagnenmoderator …



Abb. 4  Mögliche Gate Besetzungen nach der Phase Generieren. (Quelle: eigene Darstellung)

nicht-berechenbar unterteilt und bezieht sich gewöhnlich auf das Rationalisierungspotential der Idee. Aus dem Nutzen einer Idee wird normalerweise dann auch direkt die Prämie pro Idee abgeleitet. Im Innovationsmanagement werden üblicherweise Ideen betrachtet, die sich auf etwas Neues beziehen und deren Umsetzung eher eine disruptive Veränderung in oder für die jeweilige Organisation darstellen. Die Nutzenbewertung kann daher in der Regel nicht auf der Basis von Erfahrungs- und Vergleichswerten erfolgen. Das Rationalisierungspotential als Bewertungsdimension ist hierfür in der Regel ungeeignet und bzgl. des Nutzens besteht eine hohe Unsicherheit für sein Eintreten in der Zukunft. Will man nun Ideen und Innovationen gleichermaßen in einem Prozess bearbeiten sowie auch anhand von klaren Zielvorgaben steuern, dann ist ein geeignetes gemeinsames Bewertungsmodell erforderlich. Dieses muss die Voraussetzungen dafür erfüllen, dass sowohl Verbesserungen von etwas Bestehendem als auch ein Nutzenpotential in der Zukunft mit einem Bewertungsansatz evaluiert und auch miteinander verglichen werden können. Ferner müssen sich aus der Nutzenbewertung auch Prämien und/oder Anreizmodelle ableiten lassen, die auch für andere Arten der Incentivierung offen und anschlussfähig sind. Ein möglicher Lösungsansatz ist eine Normierung der Nutzenbewertung, der im Folgenden beschrieben wird: In diesem Modell wird eine eigene, abstrakte Nutzeneinheit für die Bewertung des Nutzens eingeführt. Diese kann beliebig benannt werden wie beispielsweise „Nutzenpunkte“, „Ideenpunkte“, „Inno-Points“ etc. Der Nutzen einer Idee kann in einer oder mehreren sogenannten Nutzendimensionen liegen, die idealerweise mit den Unternehmenszielen bzw. der Unternehmensstrategie kongruent sind und aus diesen abgeleitet werden sollten. Je Nutzendimension gibt es eine diskrete Anzahl an Feldern zur Bewertung, Als Abbildung eignet sich eine Matrix wie sie in Abb. 5 als Beispiel dargestellt ist (vgl. Abb. 5). Für jedes Feld der Matrix ist klar zu beschreiben, welche Voraussetzungen eine Idee erfüllen muss, um eines der Felder auszuwählen. Jedes Feld ist mit einem konkreten Wert der abstrakten Nutzeneinheit bewertet: Dieser Wert ist je Zeile über alle Nutzendimensionen hinweg identisch. Es empfiehlt sich, auf der x-Achse nicht mehr als sechs Nutzendi-

Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen … 299

!

Nutzen

Bezug zur Unternehmensstrategie, Zielen und Innovations-/Suchfeldern

Abb. 5  Modell der normierten Nutzenbewertung. (Quelle: eigene Darstellung)

mensionen sowie auf der y-Achse nicht mehr als vier Einstufungen (z. B. gering, mittel, hoch, überragend) zu hinterlegen, um die Komplexität für Anwender möglichst gering zu halten und auch eine Unterscheidbarkeit der Felder zu gewährleisten. Ferner sollten sich die Punktwerte an einer logarithmischen Skalierung orientieren (z.  B. gering  =  1, mittel = 5, hoch = 25, überragend = 100). Ergänzend kann noch ein subjektives Feld für die Nutzenbewertung hinzugefügt werden, das für besonders herausragende, pfiffige, beeindruckende, … Ideen unabhängig von ihrem Beitrag zu einer der Nutzendimensionen sowie der Umsetzung ausgewählt werden kann. Dieses dient zur Auszeichnung besonderer Ideen, die das Image des Ideen- und Innovationsmanagements positiv aufladen können und wird im Folgenden der Einfachheit halber als „WOW-Faktor“ beschrieben. Alle Arten von Ideen können jetzt durch die normierte Nutzenbewertung miteinander verglichen werden und die Summe des Nutzens einer Idee ist auf einen Maximalbetrag an Punkten begrenzt. Der Nutzenwert einer Idee kann darüber hinaus für die Steuerung innerhalb des Prozesses an den Gates sowie für die Abbildung in Zielvereinbarungsprozessen und die eigentliche Prozesssteuerung verwendet werden. Ferner kann die Nutzenbewertung als Basis für die Abbildung verschiedenster Prämien- und Anreizmodelle dienen, deren Erläuterung an dieser Stelle aber zu weit gingen.

2.3

V  erändertes Rollenverständnis

In einem integrierten Ideen- und Innovationsmanagement wandelt sich die Rolle des Ideenmanagers in einem noch viel stärkeren Maße als wir dies ohnehin schon aktuell im Ideenmanagement feststellen. Das Tätigkeitsfeld wird durch den stärkeren und flexibleren Methodeneinsatz viel stärker durch Prozess- und Methodenkompetenz geprägt, als dies viele Ideenmanager aktuell gewohnt sind.

300

N. Landmann

Eine fundierte methodische Unterstützung im Bereich der Kreativitätstechniken, Moderation sowie der Portfolio Bewertung und Analyse als Servicefunktion innerhalb der Organisation kommt eine wesentlich stärkere Bedeutung im Rollenprofil des Ideenmanagers zu als bisher üblich. Erfolgt die Integration des Ideenmanagements verstärkt aus dem Bereich Innovationsmanagement, dann ist die Lernkurve dort erfahrungsgemäß deutlich geringer. Der Einsatz verschiedenster Methoden ist in den Innovationsmanagement Prozessen im Anforderungsprofil und Tagesgeschäft eines Innovationsmanagers fest verankert und vorgesehen. Im umgekehrten Fall, in dem sich eine Organisation ausgehend vom Ideenmanagement bzw. dem Betrieblichen Vorschlagswesen an das Innovationsmanagement annähert, ist in allen Bereichen von den Prozessen, der Methodenkompetenz bis hin zum Grad der Wahrnehmung als Servicefunktion innerhalb der Organisation mit einer deutlich steileren Lernkurve sowie einem deutlich veränderten Anforderungsprofil des Ideenmanagers und seines Rollenverständnisses zu rechnen. Im Ideenmanagement ist dieser Wandel von einem eher administrierenden Ideenmanager hin zu einem Prozess- und Methodencoach bereits spürbar und zahlt sich darüber hinaus für die jeweiligen Organisationen durch deutlich bessere Ergebnisse aus. Landmann und Schat (2018) haben dies in ihrer Ideenmanagement Studie 2018 untersucht und herausgefunden, dass Organisationen mit eher „aktiven“ Ideenmanagern mehr als das Dreifache des berechenbaren Nutzens pro Mitarbeiter, einen höheren ROI und sowie höhere Beteiligungs- und Realisierungsquoten erzielen (vgl. Abb. 6). „Ein „aktiver“ Ideenmanager interpretiert seine Rolle im Ideenmanagement eher als Prozess- und Methodencoach. Er ist weniger administrativ in das Ideenmanagement eingebunden und investiert seine Zeit stärker in die Unterstützung aller Prozessbeteiligten mit Methoden, um bessere Ergebnisse sowie Veränderungen der Einstellungen und des Images des Ideenmanagements zu bewirken. Der „aktive“ Ideenmanager ist im Umgang mit den unterschiedlichsten Methoden für die Ideengenerierung, Moderation und Konfliktmanagement sowie Kreativitätstechniken geschult und wendet diese im Prozess an. Ein „passiver“ Ideenmanager interpretiert seine Rolle im Ideenmanagement eher als Administrator und Verwalter. Er ist sehr stark mit administrativen Aufgaben im Ideenmanagement beschäftigt und setzt neben der spontanen Ideeneingabe nicht oder nur in geringem Maße auf andere Wege zur Generierung von Ideen. Der passive Ideenmanager sieht sich eher nicht in der Rolle, das Ideenmanagement weiter zu entwickeln und zu verändern.“ Landmann und Schat (2018), S. 62 f.

Integration von Ideenmanagement und Innovationmanagement – Herausforderungen … 301

Abb. 6  Statistische Auswertung zur Prozessflexibilisierung. (Quelle: Landmann und Schat (2018), Tab. 8 auf S. 65)

3  Fazit In Abb. 7 ist zusammenfassend ein Vergleich von Ideenmanagement/BVW und dem Innovationsmanagement anhand einzelner Vergleichskriterien dargestellt (vgl. Abb. 7). Der Einsatz eines integrativen Modells, dass das Ideenmanagement/BVW und das Innovationsmanagement gleichermaßen umfasst ist aus prozessualer Sicht vergleichsweise einfach umzusetzen, indem man sich an einem flexiblen Prozessmodell auf Basis eines Stage-Gate-Prozesses orientiert und dort in den jeweiligen Prozessphasen die Methoden des Ideenmanagements für Verbesserungsvorschläge integriert. Die Herausforderungen für ein integratives Modell stellen sich vielmehr bei der einheitlichen Nutzenbewertung von Ideen und Innovationen. Das zur Diskussion vorgeschlagene Modell der normierten Nutzenbewertung bietet hierfür einen vielversprechenden Lösungsansatz. In Bezug auf das Rollenverständnis wurde festgestellt, dass sich die Rolle des Ideenmanagers in einem integrativen Modell noch viel stärker in Richtung eines Prozess- und Methodencoaches verändern wird, als dies bisher bereits der Fall ist.

302

N. Landmann Ideenmanagement/BVW höher geringer

Vergleichskriterium Prozesskomplexität Komplexität und Anzahl der Gates

I. d. R. zwei Gates: 1. Abgleich ob die Idee gemäß Betriebsvereinbarung eine Idee ist. 2. Umsetzungsentscheidung auf Basis eines Expertengutachtens

geringer bestehend gesamte Belegscha vergleichsweise hohes Volumen geringer geringer monetärer Art

Typischerweise mehrere Gates mit jeweils unterschiedlichen und komplexeren Kriterien an einem Gate.

Auswirkung einzelner Ideen auf die Unternehmensziele/-strategie

höher

Bezug einer Idee Beteiligungspotential Mengengerüste Auswirkung einzelner Ideen Methodeneneinsatz

neu Teile der Belegscha vergleichsweise geringeres Volumen höher höher

Prämierung/Incenvierung

(Prämie/Idee)

stärker extrinsisch gefördert

Innovaonsmanagement eher geringer höher

nicht-monetär (Challenges, Rankings, Auszeichnungen)

Movaon

geringer extrinsisch gefördert

Abb. 7  Unterschiede zwischen Ideenmanagement/BVW und Innovationsmanagement. (Quelle: eigene Darstellung)

Literatur Aerssen von, B., Buchholz, C. (2018): Das große Handbuch Innovation: 555 Methoden und Instrumente für mehr Kreativität und Innovation im Unternehmen Top oder Flop in der Produktentwicklung. Vahlen. XX Ort 2018 Kühmayer, F. (2015): Der gefühlte Innovationsdruck, https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/ der-gefuehlte-innovationsdruck [23.03.2019] Landmann, N, Schat, HD (2016): Erfolgsfaktoren im Ideenmanagement – Studie 2016. Eschborn: HLP. Nähere Informationen: https://www.hlp.de/studie-2016. ISBN 978-3-00-055320-2 Landmann N, Schat HD (2018): Ideenmanagement Studie 2018 – Erfolgsfaktoren, Trends und Best Practices. Eschborn: HLP. Nähere Informationen: https://www.hlp.de/studie-2018. ISBN 978-300-059582-0 Product Development Institute (o.J.): Stage-Gate Model. https://www.stage-gate.com/stage-gate-model [24.03.2019] Ries, E. (2011): The Lean Startup: How Today’s Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses. Penguin. London 2011

Nils Landmann  ist Dipl. Wirtschafts-Informatiker und studierte an der TU Darmstadt sowie der INPG in Grenoble. Er ist Managing Director und Mitgründer der HLP Informationsmanagement GmbH und seit über 20 Jahren in der Beratung, Konzeption und Einführung von Ideen- und Innovationsmanagement Systemen aktiv. Darüber hinaus referiert er auf verschiedenen Veranstaltungen und leitet Managementforen, Arbeitskreise sowie Fachkongresse und ist Herausgeber der zweijährlich erscheinenden Ideenmanagement Studie, der größten und umfangreichsten Studie zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum.

Professionalisierung der Ideengenerierung – Vom Geistesblitz zur guten Idee Michael Leitl

Inhaltsverzeichnis 1  E  inleitung  2  B  edingungen für Kreativität  2.1  Die Umgebung  2.2  Mindset  2.3  Integration in den Innovationsprozess  2.4  Methoden/Tools  3  Fazit  Literatur 

 303  304  304  305  306  307  315  315

Zusammenfassung

Der Mythos vom genialen Einfall, der die Welt verändert, hält sich hartnäckig. Ideen sind zwar schnell entwickelt, doch erst ein umfassender Prozess lässt Ideen zu wirklich guten Konzepten reifen. Voraussetzung dafür sind geschickt gewählte Rahmenbedingungen, um das für die Ideenentwicklung gute Klima zu fördern. Zusätzlich helfen Tools und eine strukturierte Vorgehensweise dabei, ein gutes Ergebnis zu fördern.

1

Einleitung

Wenn wir Löcher in die Luft starren, geistig abwesend wirken, formen sich oft Gedanken zu konkreten Ideen und Konzepten. Manchmal nimmt diese Entwicklung einen wunderlich wirkenden Verlauf. Der Physiker Gerd Binnig nahm beim Blick an die Raufasertapete M. Leitl (*) Tools of Innovators, Hamburg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Landmann, H.-D. Schat (Hrsg.), Ideen erfolgreich managen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26520-5_30

303

304

M. Leitl

seines Zimmers an der Stanford Universität plötzlich ein Muster in den kleinen Unebenheiten wahr. Es schien, als formierten sich die Strukturen zu einem Modell – die Form inspirierte ihn zum fehlenden Schlüssel für die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops. Später erhielt Binnig dafür den Nobelpreis für Physik (Kuhn und Leitl 2004). Kreativität ist ein ungezähmtes Biest. Sie entsteht an Orten, die sich nicht exakt vorhersehen lassen. Sie entsteht häufig immer dann, wenn wir nach einer konzentrierten Arbeitsphase lockerlassen, den Gedanken Raum zur Entfaltung geben.

2

Bedingungen für Kreativität

Vermutlich hat jeder das schon erlebt: Das berauschende Gefühl bei konzentrierter Arbeit, wenn es so richtig läuft. Alles stimmt. Volle Konzentration, die Umgebung verschwimmt, das Thema erscheint in all seinen Facetten greifbar im Raum – man muss nur noch zulangen, die Gedanken Stück für Stück zu einem Ganzen zusammenfügen. Diesen Zustand beschrieb 1975 der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi als Flow (Csikszentmihalyi 1996) Im Zusammenhang mit der Erforschung menschlicher Glücksgefühle fand er he­ raus, dass Personen bei intrinsisch motivierten Tätigkeiten charakteristische Emotionen durchleben. Diesen Flow beobachtete er sowohl bei Chirurgen als auch bei Sportlern. Heute wird dieses Phänomen auch auf geistige Tätigkeiten übertragen. Dieser Flow ist nur spürbar, wenn weder Über – noch Unterforderung eintritt. Letztlich schüttet das Gehirn in diesen Phasen einen ordentlichen Schuss körpereigener Drogen aus, vor allem Dopamin, das uns diesen ekstatischen Zustand beschert. Es passiert jedoch noch viel mehr. Kreativität betrachtet der Physiker Gerd Binnig als Prozess, der nach evolutionären Mechanismen funktioniert: Reproduktion, Mutation, Auslese, Isolation und Kooperation. Mutation zum Beispiel findet statt, wenn Informationen aus einem Gespräch mit Kollegen auf dem Flur, aus Filmen, Vorträgen oder Zeitschriften sich einige Tage später zu neuen Gedanken entwickeln. Das Gehirn hat in der Ruhephase eine Idee entwickelt. Sie hat die internen Filter, die für das Vergessen unnützer Informationen sorgen, überlebt – und hat nun die Chance zu reifen. Es ist wichtig zu verstehen, dass bei kreativer Arbeit Emotionen und die damit verbundenen Reaktionen von Gehirn und Psyche eine entscheidende Rolle spielen. Denn sie beeinflussen das Ergebnis entscheidend. Daher ist es bei der Ideenfindung sehr wichtig, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen.

2.1

D  ie Umgebung

Klassischer Arbeitsalltag. Um gemeinsam auf neue Ideen zu kommen, wird gern ein Meeting zum „Brainstorming“ einberufen. Im besten Fall erwischt die Gruppe einen einigermaßen angenehmen Konferenzraum. Im schlechtesten Fall eine der fensterlosen, kunst-

Professionalisierung der Ideengenerierung – Vom Geistesblitz zur guten Idee

305

lichtdurchfluteten Kasematten, wie sie in vielen älteren Gebäuden existieren, womöglich jeder verbarrikadiert hinter Computermonitoren. Doch Untersuchungen an der Universität Stanford zeigten, dass der Computerarbeitsplatz der allerschlechteste Ort ist, um auf neue Ideen zu kommen. Der beste Weg, die Kreativität anzukurbeln, ist dagegen Bewegung. Probanden sollten in einem Test überlegen, was sich mit einem Objekt wie einem Schalterknopf noch anderes anstellen ließe. Eine Gruppe diskutierte draußen beim Spaziergang, die Kontrollgruppe blieb im Raum zurück. Die Spaziergänger hatten ausnahmslos mehr und bessere Ideen – und der kreative Output hielt noch längere Zeit nach der Runde durch den Park an. Auch hier ist wieder der Botenstoff Dopamin für das bessere Ergebnis verantwortlich. Auch andere Orte führen daher zum kreativem High, und zwar überall dort, wo Entspannung und Zerstreuung im Vordergrund stehen, wie der Schweizer Psychiater Gottlieb Guntem zeigte. Aus diesem Grund sind Kreativräume heute häufig dem Ambiente von gemütlichen Cafés, Wohnzimmern oder anderen Freizeitumgebungen nachempfunden. Sie vermitteln all das, was dem Gehirn das Gefühl gibt: Hier kann ich loslassen, entspannen, ohne Angst meinen Gedanken nachhängen.

2.2

M  indset

Dieses entspannte Erleben fördert die Haltung, die für das Entwickeln von Ideen maßgebend ist. Die Harvard-Professorin Teresa Amabile untersuchte, auf welche Weise Menschen in Unternehmen die besten Ideen hervorbringen (Amabile und Kramer 2007). Dazu ließ sie 238 Wissensarbeiter aus 26 Projektteams für die Dauer ihrer Projekte ein Arbeitstagebuch führen. Aus den dabei entstandenen rund 12.000 Tagebucheinträgen ermittelte sie, was in den Köpfen der Mitarbeiter vorging, während sie ihre Probleme lösten. Das Ergebnis: Die Gefühls- und Gedankenwelt der Mitarbeiter definierte Amabile als das „dynamische Zusammenspiel der persönlichen Wahrnehmung (…), der Emotionen (…) und der Motivation … Zur Wahrnehmung gehört“ zum Beispiel, wie ein Projekt beginnt, wie der Projektstart vom Management vermittelt wird, wie die Unterstützung durch andere aussieht. Die Wahrnehmung beeinflusst unmittelbar die Emotionen. Als zum Beispiel ein Vorgesetzter Essen und Getränke vorbeibrachte, reagierte die Studienteilnehmerin Marsha regelrecht verzückt. Sie fühlt sich wohl – obwohl sie an einem Feiertag arbeiten muss. Positive Wahrnehmung und gute Emotionen heizen wiederum die Motivation an, sodass wiederum Marsha in ihrem Tagebuch schrieb, sie hätte 15 Stunden am Stück gearbeitet – aber es sei einer der besten Tage seit Monaten gewesen. Wie extrem das Zusammenspiel aus Wahrnehmung, Emotion und Motivation ist, zeigen die Ergebnisse: 80 Prozent der kreativen Denkleistung erfolgten laut Amabile nach Tagen, an denen Marshas Stimmung überdurchschnittlich war. „Die Wahrscheinlichkeit, kreative Ideen zu haben, ist an Tagen mit guter Laune um 50 Prozent höher.“

306

2.3

M. Leitl

I ntegration in den Innovationsprozess

Eine gute Idee trifft also niemanden wie ein Blitzschlag – es ist nur der Keim einer guten Idee, der spontan entsteht. Danach folgt ein meist sehr intensiver, mitunter schmerzhafter Prozess, in dem aus einer Idee eine gute Idee, Lösung oder ein Konzept entsteht. Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Kreativitätsforscher gehen inzwischen von fünf Phasen aus – ähnlich wie der Physiker Binnig, der sich am Modell der Evolution orientiert. Der Psychologie-Professor an der Universität Heidelberg Joachim Funke nennt darunter (Funke 2000): • Stufe 1 – Vorbereitung: Ohne fundiertes Wissen entstehen keine wirklich guten, neuen Ideen. Man muss sich schon intensiv mit dem zu erneuernden Gebiet befasst haben. • Stufe 2 – Inkubation: Ideen müssen reifen. Das heißt, die Ideenentwicklung benötigt Ruhephasen, in denen man gerade nicht darüber nachdenkt. Nach Binnigs Modell beginnen Ideen dann zu mutieren. Die Kreativitätsforscher erklären den Prozess so, dass sich im Gedächtnis assoziative Verbindungen zwischen Ideen und Vorstellungen mit der Zeit abschwächen. Sie werden durch neue Informationen überlagert – und es entstehen dynamisch neue Verbindungen. Dieser Prozess ist unbewusst und kann nicht gesteuert werden. • Stufe 3 – Einsicht: Damit ist der Aha-Effekt gemeint, das „Heureka“-Erlebnis. Es ist der Moment, an dem eine neue Assoziation aus dem Unbewussten die Schwelle zum Bewusstsein überschreitet. • Stufe 4  – Bewertung: Neue Ideen sind nicht per se gut. Sie müssen sich an unseren Vorstellungen, Normen und Werten messen lassen – oder, wenn man an Problemlösungen im Unternehmen denkt – an klaren Kennzahlen und Richtgrößen. • Stufe 5 – Ausarbeitung: James Dysons Heureka-Moment war die Einsicht, dass sich ein Industrie-Zyklon sehr gut als zentraler Bestandteil eines Staubsaugers eignen könnte. Doch bis zum fertigen Produkt benötigte er 15 Jahre und 5127 Iterationen seiner Prototypen. Ein extremes Beispiel – aber es illustriert anschaulich, dass ein Geistesblitz eben noch kein gutes Ideenkonzept ist. Neben dem Prozess, den Ideen durchlaufen müssen, ist noch ein weiterer Aspekt wichtig: die interdisziplinäre Auseinandersetzung. Was wir heute als cross-funktionales Arbeiten propagieren, war bis vor 30 Jahren noch ein Fremdwort. „Wissenschaftler haben Probleme in einzelne, leicht handhabbare Teile zerlegt, um sie zu vereinfachen und dann zu analysieren“, sagt der Physiker Binnig. Diese Arbeitsweise – heute immer noch in den sogenannten Silos im Unternehmen üblich – bezeichnet er als einskaliges Denken. Physiker haben sich mit Atomen beschäftigt, Biologen mit Zellen. Mehrskaliges Denken jedoch bringt ganz andere Ergebnisse hervor. Der Mathematiker Benoit Mandelbrot zum Beispiel verband natürliche Formen mit Mathematik. Seine These lautete: Die Natur ist voller Geometrie. Er konnte nachweisen, dass die Muster eines Küstenverlaufs aus Satellitenperspektive genauso aussehen, wie auf mikroskopischer Ebene.

Professionalisierung der Ideengenerierung – Vom Geistesblitz zur guten Idee

307

Das Verknüpfen von Disziplinen ist also wichtiger Aspekt, um auf wirklich neue Ideen zu kommen. Binnig hat bei seinen Arbeiten im Forschungslabor der IBM am Elektronenmikroskop Ende der 1970er-Jahre versucht, einzelne Atome zu betrachten. Bisher war es nicht möglich, durch elektronische Messungen diese Vergrößerungen zu erzeugen. Binnig und seine Kollegen stellten sich eines Tages vor, dass die Oberfläche eines Stoffes wie Silizium einfach Atom für Atom mit einer Spitze abgetastet würde – so entstand ein neuer Weg. Sie nahmen Anleihen bei der Mechanik – etwas, das bei Physikern eigentlich verpönt war – und waren letztlich mit diesem Ansatz erfolgreich. Für den Innovationsprozess ist es daher wichtig, zu verstehen, dass Ideenentwicklung sehr gute Vorbereitung und Zeit braucht  – und dass das Ergebnis nicht zu 100 Prozent steuerbar ist. Aber wir können viel dazu beitragen, die Bedingungen so optimal wie möglich zu gestalten. Wir teilen den Ideenentwicklungsprozess daher analog der wissenschaftlichen Erkenntnisse in drei Phasen ein: die Vorbereitung, die eigentliche Ideenfindung und die Bewertung bzw. Weiterentwicklung.

2.4

M  ethoden/Tools

2.4.1 Phase der Ideenvorbereitung Häufig neigen Gruppen dazu, sofort in die Ideenphase einzusteigen. Sie vernachlässigen jedoch häufig das eigentliche Problem. Der Grund: Jeder Mensch neigt dazu, sich zu sehr aus den eigenen Erfahrungen zu bedienen. Bevor Teams also mit der eigentlichen Entwicklung von Ideen beginnen, müssen sie verstehen, wo genau das Problem liegt. Sie müssen die unterschiedlichen Benutzergruppen identifizieren, ihre Bedürfnisse erfassen und herausarbeiten, für wen eine mögliche Lösung den größten Mehrwert darstellen würde. Die verschiedenen Blickwinkel der Gruppenmitglieder werden in dieser Phase zusammengetragen, so dass die Gruppe ein gemeinschaftliches Bild von der Problemstellung entwickeln kann. Zusätzlich werden in der Vorbereitungsphase auch externe Blickwinkel von Kunden oder anderen Interessengruppen (Stakeholder) aktiv einbezogen. Auf diese Weise gelingt ein holistischer Blick auf die Herausforderung und dann kann das Kernproblem definiert werden. Die folgende Auswahl zeigt Tools, die dabei helfen, die Ideenfindung vorzubereiten. Zoom In Die gemeinsame Übung Zoom-In ist ein wesentlicher Ausgangspunkt für den Weg durch den Ideenentwicklungsprozess. Auch wenn die zu lösende Herausforderung sehr offen, unklar oder undeutlich gehalten wird, hilft dieser Schritt, den Prozess auf den richtigen Weg zu bringen. Dabei wird der Gruppe die zu bearbeitende Herausforderung präsentiert und die Teilnehmer sammeln auf Post-its die verschiedenen Einflussfaktoren. Es sollen so viele Aspekte wie möglich gesammelt werden. In einem zweiten Schritt sollen zu den gesammelten

308

M. Leitl

Aspekten weitere Unterpunkte oder Details notiert werden. An einer Wand oder einem Flipchart werden die Aspekte und Unterpunkte gesammelt und gruppiert. Zur Weiterarbeit können zu den einzelnen Gruppen Sub-Teams gebildet werden. Im Wesentlichen sorgt das gemeinsame Erkunden des Kontextes beim Zoom-In bei allen Beteiligten für ein gemeinsames Verständnis. Jeder ist sich über das Gesamtziel der Herausforderung im Klaren. Jeder wird aktiv in die Herausforderung einbezogen und denkt intensiv über die Einflüsse auf das jeweilige Thema nach. So werden alle Teilnehmer des Workshops mit der Herausforderung besser vertraut und können mit den nächsten Schritten fortfahren, obwohl nicht jedes einzelne Detail untersucht wird. Am Ende der Übung sollten die Einschränkungen der Herausforderung für alle Teilnehmer deutlich sichtbar sein. Stakeholder Map Bei diesem Tool geht es darum, sich bewusst zu machen, welche Interessengruppen (Stakeholder) von der Herausforderung betroffen sind. Es werden verschiedene Lösungen für die Bedürfnisse der unterschiedlichen Gruppen entwickelt. Es gibt viele verschiedene Interessengruppen. Einige liegen näher am Projekt, andere sind nur entfernt betroffen. Dennoch müssen wir uns bewusstmachen, für wen wir Lösungen mit Potenzial entwickeln können, um das Gesamtziel der Herausforderungen zu erreichen. Die Interessengruppen werden entsprechend ihrer Beziehung zur Herausforderung auf dem Template angeordnet (Abb. 1). Meistens ist es auch nicht die offensichtlichste Benutzergruppe, die am meisten von einem Problem betroffen ist. Persona Mit Hilfe dieses Tools entwickeln die Teilnehmer einen fiktiven Charakter. Er basiert auf Personen, die im Rahmen der Vorbereitung interviewt werden. Dabei werden Aspekte und Merkmale zu einer Beschreibung der Nutzer zusammengeführt. Dieser fiktive Nutzer kann einer Person aus dem wirklichen Leben 1:1 ähneln, enthält normalerweise jedoch typische Eigenschaften, Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Wünsche mehrerer Nutzer. Durch das Erschaffen einer Persona kann das Team jederzeit überprüfen, ob sie wirklich noch in die richtige Richtung denken und ob die Lösung wirklich einen Mehrwert für die gewünschte Nutzergruppe bietet. Sie hilft dem Team und externen Stakeholdern den gleichen Standpunkt bezüglich der Bedürfnisse, Motivationen und Wünsche der Nutzer einzunehmen (Abb. 2). Wie könnten wir erweitert …? Um in der zweiten Phase der Ideenentwicklung effizient arbeiten zu können, ist eine konkrete Aufgabenbeschreibung notwendig. Sie enthält drei Informationselemente: das Gesamtziel der Herausforderung, die Nutzergruppe (Persona) und die damit verbundene zentrale Erkenntnis.

Professionalisierung der Ideengenerierung – Vom Geistesblitz zur guten Idee

309

Abb. 1  Stakeholder Map. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)

Die Frage wird so eindeutig formuliert, dass es jedem möglich ist, die zentralen Aspekte zu erfassen. Sie hilft den Teilnehmern, jederzeit während des Prozesses auf die zentralen Inhalte der Herausforderung zurückzugreifen (Abb. 3).

2.4.2 Phase der Ideenfindung Eine gute Ideenfindung besteht aus einer Vielzahl an unterschiedlichen Werkzeugen, mit denen neue Wege zur Problemlösung erkundet und unerfüllte Bedürfnisse des Nutzers erkannt werden können. Es ist wichtig, sich in dieser Phase nicht mir den erstbesten Ideen zufriedenzugeben. Es geht darum, eine breite Palette von Ideen zu entwickeln und sie nach und nach einzuschränken. Oftmals fällt es den Menschen schwer, aus ihren alltäglichen Erfahrungen und Gewohnheiten auszubrechen. Um diese Herausforderung leichter zu ­bewältigen, setzen wir Methoden ein, mit denen schnell und effektiv neue Ideen entwickelt werden können. Die Relevanz liegt darin, eine große Menge an Ideen zu entwickeln und diese zu sondieren. Ideen-Speedy Mit diesem Tool wird der Turbo gezündet: Die Teilnehmer einer Ideenfindungs-Session entwickeln im Stillen in extrem kurzer Zeit dutzende Ideen. Anschließend werden sie in der Gruppe diskutiert.

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Abb. 2  Das Persona-Template. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)

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Abb. 3  Wie könnten wir … – Template. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)

Diese schnelle Art der Ideenfindung hilft den Teilnehmern dabei, nicht zu viel nachzudenken, sondern die Ideen eher spontan und aus dem Bauch heraus zu entwickeln. Hierbei wird jeweils ein Blatt Papier mit Ideen an den Nachbarn weitergereicht, welcher dann selbst neue Ideen entwickelt. Da die Teilnehmer während des Speedy’s nicht miteinander sprechen dürfen, sind sie nicht nur bei der Entwicklung, sondern auch bei der Interpretation von Ideen kreativ. Mit dem Speedy entwickelt eine Gruppe von 4 Personen nach 12 Minuten (4 × 3 Minuten) insgesamt 48 Ideen. Diese Methode eignet sich hervorragend als Einstieg in die Ideengenerierung und bietet somit eine gute Grundlage für vertieftes Brainstorming. Ideenblume Die Ideenblume ist eine Kreativitätsmethode, um auf bereits entwickelten Ideen aufzubauen und neue Gedankengänge zu fördern. Bei diesem Vorgehen weiß man zu Beginn nicht, wo es einen hinführt. Es geht dabei nicht um die Suche nach der einzigen richtigen Antwort und es gibt auch keine falschen Aussagen. Es geht vielmehr darum, aus einer Idee verschiedene Alternativen zu erarbeiten. Jedes Team benötigt dafür eine bereits vorbereitete Idee, sie wird auf einem Whiteboard oder einem Flipchart in die Mitte gesetzt. Nun hat jedes Teammitglied die Möglichkeit,

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in einem vorgegebenen Zeitraum alternative, neue und ergänzende Ideen zu erarbeiten. Diese werden als Blütenblätter um die ursprüngliche Idee in der Mitte herum geklebt. Empathiekarten Die Empathiekarten zeigen Menschen in besonderen Situationen oder mit besonderen Eigenschaften. Ihr Einsatz erleichtert nicht nur die Entwicklung von Ideen und die Verknüpfung weiterführender Aspekte im Kontext einer konkreten Herausforderung. Mit ihrer Hilfe lässt sich auch die Fähigkeit der Empathie trainieren. Diese ist in kreativen Prozessen essentiell. Die Empathiekarten dienen also auch als Stimuli während der Ideenphase, um sich sowohl in die Person als auch in ihre Situation hineinzuversetzen (Abb. 4). Triz-Karten In den 1950er-Jahren hat der russische Ingenieur, Wissenschaftler und Science-­Fiction-­ Autor Genrich S. Altshuller systematisch Patentschriften und Innovationen recherchiert und kategorisiert. Das Ergebnis war eine Sammlung von 40 Innovationsprinzipien und die seitdem weit verbreitete Theorie zur Lösung erfinderischer Probleme. Wir haben daraus ein Kartenset zur Inspiration entwickelt. Die Karten dienen dazu, die einzelnen Prinzipien auf Problemstellungen im Innovationsalltag spontan anwenden zu können. Neben einer kurzen Erklärung des jeweiligen Prinzips zeigt ein Beispiel seine Wirkung (Abb. 5).

Abb. 4  Empathiekarten. (Quelle: Tools of Innovators GmbH)

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Abb. 5  Triz-Karten Beispiele. (Quelle: Tools of Innovators GmbH)

2.4.3 Phase Ideen bewerten, auswählen und zu Konzepten entwickeln Eine Vielzahl von Ideen ergibt noch lange kein gutes Konzept und erst recht kein neues Produkt oder einen relevanten Service. Die Bewertung von Ideen, die Überführung in Konzepte sowie die Präsentation vor Entscheidern sind daher elementare Bestandteile auf dem Weg zu Innovationen. In dieser Phase ist es wichtig, einen Überblick über die entwickelten Ideen zu gewinnen, die Ideen zu bewerten und Potenziale in den Ideen zu erkennen. Nachdem dies geschehen ist, werden verschiedene Ideen zu einem Gesamtkonzept zusammengetragen. Typischerweise werden zunächst mehrere Konzepte entwickelt, welche dann nach und nach in Produkte oder Dienstleistungen überführt werden. Dotvoting Wenn es darum geht, in einer Gruppe sehr schnell zu einer Abstimmung über Ideen zu kommen, eignet sich das Dotvoting. Eine oder mehrere Arbeitsgruppen können so innerhalb weniger Minuten die Favoriten aus einer Vielzahl von Ideen bestimmen. Alle Teilnehmer einer oder mehrerer Gruppen bekommen Klebepunkte. Die Teilnehmer einer Gruppe bewerten jeder für sich im Stillen die vorliegenden Ideen oder Konzepte. Grundlage der Methodik ist, dass jeder Teilnehmer gleichwertiges Stimmrecht hat (die Klebepunkte, die verteilt werden dürfen) und für sich alleine eine Entscheidung treffen

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Abb. 6  Konzeptskizze. (Quelle: Eigene Darstellung, Tools of Innovators GmbH)

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muss. Das Dotvoting ist dann besonders effektiv, wenn bis zu vier vorab ausgewählte Kriterien die Bewertung leiten (z. B. Innovativität, Umsetzbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Bauchgefühl, o. ä.). Jedes Kriterium wird durch eine Farbe dargestellt. Durch den demokratischen Ansatz sind alle Teilnehmer gleichwertig beteiligt und tragen das Ergebnis am Ende mit. Durch die individuelle Bewertung und ein klares Ergebnis werden lange Diskussionen vermieden. Konzeptskizze Mit Hilfe der Konzeptskizze lassen sich vielversprechende Ideen einheitlich beschreiben. Das erleichtert es anderen, die Ideen nachzuvollziehen. Ideen gehen so nicht mehr verloren und können leichter miteinander verglichen werden. Die Konzeptskizze ist eine strukturierte Dokumentation von Konzeptideen. Durch das Template werden die Teilnehmer systematisch bei der Ausarbeitung der Idee zu einem ganzheitlichen Konzept unterstützt. Dabei können auch mehrere Ideen miteinander kombiniert werden. Das strukturierte Formular gibt vor, welche Elemente beschrieben werden müssen und gibt den Teilnehmern somit klare Hinweise dafür, über welche Aspekte der Idee im Detail nachgedacht werden sollte. Die Skizze erhöht den Detailgrad und damit auch die Wertigkeit der Ideen (Abb. 6).

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Fazit

Ideenentwicklung kann mit Hilfe der Tools und einer sorgsamen Auswahl der Teilnehmer sehr effizient durchgeführt werden. Die Erfahrung aus Workshops zeigt, dass das strukturierte Vorgehen den Teilnehmern dabei hilft, ihre Kreativität jeweils auf einzelne Teile eines Problems zu konzentrieren. Werden die Rahmenbedingungen gut gesetzt, mit Pausen, Ortsveränderungen  – und guter Laune – ist die Wahrscheinlichkeit für ein sehr gutes Ergebnis hoch. Die entstandenen Konzepte können im nächsten Schritt zum Beispiel in Form von Prototypen weiter ausgearbeitet werden.

Literatur Amabile, T. M. und Kramer, S. J., Was Mitarbeiter wirklich denken, In: Harvard Business Manager, September 2007 (2007) Csikszentmihalyi M., Creativity: Flow and the psychology of discovery and invention, Harper Collins, New York (1996) Funke J., Psychologie der Kreativität. In: Holm-Hadulla R.M. (eds) Kreativität. Heidelberger Jahrbücher, vol 44. Springer, Berlin, Heidelberg (2000) Kuhn, L. und Leitl, M., Eine kurze Geschichte der Kreativität, in: Harvard Business Manager, Juni 2004 (2004)

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Michael Leitl  Director Strategy bei Tools of Innovators, Facilitator für Innovationsmethoden und Keynote-Speaker. 15 Jahre betreute er Wissenschaftler und Berater bei der Veröffentlichung von neuen Innovations-, HR- und Marketing-Beiträgen bei der deutschen Ausgabe der Harvard Business Review. Er unterstützte das Innovationsteam des SPIEGEL-­Verlags beim Aufbau des Innovationsmanagements und ist Mitgründer der Startups Pocketstory und Styled.by.