HRI I – Handbuch Restrukturierung vor der Insolvenz: Restrukturierung nach dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen 9783814558813

Das Werk knüpft konzeptionell an das „Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz“ an. Es gibt Insolvenzpraktikern, Berat

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HRI I – Handbuch Restrukturierung vor der Insolvenz: Restrukturierung nach dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen
 9783814558813

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Kübler/Bork/Prütting (Hrsg.) HRI I – Handbuch Restrukturierung vor der Insolvenz

HRI I Handbuch Restrukturierung vor der Insolvenz Restrukturierung nach dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen

1. Auflage

herausgegeben von Dr. Bruno M. Kübler Professor Dr. Reinhard Bork Professor Dr. Hanns Prütting

bearbeitet von Prof. Dr. Thomas Barnert, Dr. Susanne Berner, Prof. Dr. Reinhard Bork, Dr. Andrea Braun, Dr. Volker von Danckelmann, Stefan Denkhaus, Dr. Michael C. Frege, Daniel Friedemann Fritz, Prof. Dr. Markus Gehrlein, Arndt Geiwitz, Christian H. Gloeckner, Dr. Burkhard Göpfert, Marie-Luise Graf-Schlicker, Dr. Johannes Holzer, Matthias Kühne, Prof. Dr. Sebastian Mock, Prof. Dr. Matthias Nicht, Cornelius Nickert, Prof. Dr. Christian Pleister, Dr. Dorothee Prosteder, Dr. Wolfram Prusko, Prof. Dr. Hanns Prütting, Marlies Raschke, Prof. Dr. Dominik Skauradszun, Prof. Dr. Christoph Uhländer, Dr. Nikolai Warneke, Steffen Werner

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG ˜ Köln

Zitierempfehlung: Verfasser in: Kübler/Bork/Prütting, HRI I, § … Rz. …

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2023 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: CPI books GmbH, Leck

Vorwort Seit der im Jahr 2018 erschienenen 3. Auflage des „Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz – Eigenverwaltung und Insolvenzplan“ (HRI) hat sich die Sanierungslandschaft erheblich verändert. In Umsetzung der europäischen Richtlinie für Restrukturierung und Insolvenz (Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019) hat der deutsche Gesetzgeber am 22. Dezember 2020 als Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG, BGBl. I 2020, 3256) das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) verabschiedet, mit dem die vorinsolvenzliche Sanierung eine gesetzliche Regulierung erfahren hat. Neben die auf der Grundlage der InsO erfolgende Restrukturierung in der Insolvenz ist also die auf der Basis des StaRUG erfolgende Restrukturierung vor der Insolvenz getreten. Die Herausgeber der nunmehr 4. Auflage des HRI – zu dem bisherigen alleinigen Herausgeber Dr. Bruno M. Kübler sind als weitere Herausgeber Prof. Dr. Reinhard Bork und Prof. Dr. Hanns Prütting hinzugetreten – haben sich deshalb entschieden, das HRI künftig zweibändig anzulegen. Der bisherige (nun: zweite) Band zur Restrukturierung im Insolvenzverfahren wird um einen ersten Band ergänzt, der sich mit der vorinsolvenzlichen Sanierung nach dem StaRUG befasst. Hierzu wurden die allgemeinen, für beide Krisenstadien gültigen Kapitel (namentlich die bisherigen §§ 2 – 5 zu Chancen und Risiken von Restrukturierungsverfahren, zur Restrukturierungsfähigkeit, zu Finanzierungsoptionen sowie zu Kommunikation und Verhandlung) in den ersten Band vorgezogen. Im Übrigen sind die einzelnen Kapitel des ersten Bandes personell vollständig neu besetzt worden, während die meisten Autorinnen und Autoren des bisherigen Handbuchs ihre Arbeit im zweiten Band fortgesetzt haben. Es hat dabei einige wenige personelle Veränderungen gegeben, was die Herausgeber zum Anlass nehmen, sich bei den Ausgeschiedenen dafür zu bedanken, dass sie mit ihrer hervorragenden Arbeit zum Gelingen des Werks beigetragen haben. Unser ganz besonderer Dank gilt Markus Sauerwald, dem Verlagsleiter des RWS Verlags, für sein großes Engagement und seine bewundernswerte Geduld. Ebenso danken wir Iris Theves-Telyakar, die das HRI gewohnt professionell lektoriert und dadurch mit dazu beigetragen hat, dass es zum jetzigen Erscheinungstermin auf den Markt kommen konnte. Verlag, Herausgeber sowie Autorinnen und Autoren hoffen, dass die Leserschaft mit dem „HRI“ auch in seiner neuen Konzeption einen informativen und kompetenten Ratgeber findet. Wir ermuntern – zugleich im Namen aller Autorinnen und Autoren – zum Zweck der ständigen Weiterentwicklung des Handbuchs zu konstruktiver Kritik. Hamburg/Dresden/Köln, im März 2023

Bruno M. Kübler Reinhard Bork Hanns Prütting

V

Inhaltsübersicht Seite Vorwort .................................................................................................................................. V Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................ XI Autorenverzeichnis ....................................................................................................... XXIII Literaturverzeichnis ....................................................................................................... XXIX Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. XXXIX

1. Teil Allgemeines §1

Das Grundkonzept des StaRUG (Bork).......................................................................1

§2

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten (Kühne)..........19

§3

Finanzierung der Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen und im (vorläufigen) Insolvenzverfahren (Warneke/Braun) ....................................51

§4

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren (Frege/Nicht) ................................................................................................................87

2. Teil Krisenfrüherkennung §5

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen (Nickert).........136

§6

Frühwarnsysteme (Nickert) ......................................................................................176

3. Teil Verfahren §7

Anzeige des Schuldners (Holzer) ..............................................................................184

§8

Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze (Graf-Schlicker) ..............205

§9

Anordnungsvoraussetzungen (Holzer).....................................................................239

§ 10 Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners (Fritz)..............................................245 § 11 Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten (Fritz).............262 § 12 Gläubigerbeirat (Gloeckner)......................................................................................308 § 13 Aufhebung der Restrukturierungssache (Holzer)....................................................318 § 14 Grenzüberschreitende Restrukturierung (Skauradszun).........................................326

VII

Inhaltsübersicht

4. Teil Sanierungsmoderation § 15 Vermittlung einer Restrukturierungslösung (Frege/Nicht).....................................372

5. Teil Stabilisierungsanordnung § 16 Moratorium (Prütting)...............................................................................................412

6. Teil Restrukturierungsplan A. Planvorbereitung und Planinitiative § 17 Planvorbereitung (Berner/Werner) .............................................................................429 § 18 Planinitiativrecht (Berner/Werner) ...........................................................................449

B. Inhalt des Restrukturierungsplans § 19 Darstellender Teil des Restrukturierungsplans (Berner/Werner) ...........................455 § 20 Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans (Berner/Werner).............................474 § 21 Plananlagen (Nickert).................................................................................................501

C. Einzelaspekte des darstellenden und des gestaltenden Teils § 22 Gestaltbare Rechtsverhältnisse (Barnert) .................................................................510 § 23 Gruppenbildung (Barnert).........................................................................................536 § 24 Gesicherte Gläubiger (Mock).....................................................................................564 § 25 Anteilsinhaber (Mock) ...............................................................................................576 § 26 Neue Finanzierungen (Geiwitz/v. Danckelmann)...................................................597 § 27 Schuldner (Geiwitz/v. Danckelmann) ......................................................................606 § 28 Die Vergleichsrechnung im StaRUG (Pleister/Prosteder) .......................................622

D. Verfahrensablauf § 29 Planangebot und Planannahme (Barnert) .................................................................640 § 30 Vorprüfung durch das Insolvenzgericht (Graf-Schlicker) ......................................680 § 31 Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen (Graf-Schlicker) .........................................................................................................691 § 32 Planänderung (Barnert)..............................................................................................719 § 33 Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG (Denkhaus).......................738 VIII

Inhaltsübersicht § 34 Mehrheiten und Obstruktionsverbot (Graf-Schlicker)...........................................775 § 35 Planbestätigung (Gehrlein)........................................................................................806 § 36 Minderheitenschutz, Rechtsmittel (Prütting) ..........................................................829 § 37 Wirkungen des bestätigten Plans (Pleister/Raschke) ...............................................841 § 38 Planüberwachung und Planerfüllung (Pleister/Raschke).........................................878

E. Formulare § 39 Musterrestrukturierungsplan und Planrechnungen (Nickert).................................891

7. Teil Anfechtungsrecht § 40 Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen (Skauradszun) .................899

8. Teil Konzern § 41 Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG (Prusko)..........................................935 § 42 Internationale Konzernrestrukturierung (Prusko)...................................................966

9. Teil Arbeitsrecht § 43 Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen (Göpfert) ...............................................988

10. Teil Steuerrecht § 44 Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan (Uhländer)..........1017

Stichwortverzeichnis ..........................................................................................................1071

IX

Inhaltsverzeichnis*) Seite Vorwort.................................................................................................................................... V Inhaltsübersicht ....................................................................................................................VII Autorenverzeichnis ......................................................................................................... XXIII Literaturverzeichnis......................................................................................................... XXIX Abkürzungsverzeichnis................................................................................................ XXXIX

1. Teil Allgemeines §1

Das Grundkonzept des StaRUG .................................................................................1

I.

Einführung ......................................................................................................................1

II.

Das äußere System des StaRUG....................................................................................3

III.

Dispositionsmaxime .......................................................................................................3

IV.

Allgemeine Voraussetzungen ........................................................................................5

V.

Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens .......................7

VI.

Sonstige Regelungsbereiche .........................................................................................12

§2

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten....................19

I.

Vorbemerkung..............................................................................................................19

II.

Krise als Ausgangspunkt der Beurteilung ...................................................................20

III.

Definition der Sanierungs- bzw. Restrukturierungsfähigkeit ...................................23

IV.

Restrukturierung und Sanierung im Spannungsfeld zwischen Recht und Ökonomie .....................................................................................................................23

V.

Beurteilungsgrundlage im juristischen Umfeld ..........................................................24

VI.

Kernbestandteile von Sanierungskonzepten ...............................................................28

VII. Definition der Sanierungsfähigkeit..............................................................................29 VIII. Unternehmensanalyse ..................................................................................................30 IX.

Leitbild des sanierten Unternehmens..........................................................................34

X.

Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens..........................................................35

XI.

Planverprobungsrechnung ...........................................................................................38

XII. Prognose der Sanierungsfähigkeit ...............................................................................42 XIII. Referenzquote für die Beurteilung ..............................................................................46 XIV. Berichterstattung ..........................................................................................................49 ___________ *)

Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden sich zu Beginn eines jeden Paragraphen.

XI

Inhaltsverzeichnis §3

Finanzierung der Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen und im (vorläufigen) Insolvenzverfahren ................................................................51

I.

Einleitung ......................................................................................................................52

II.

Finanzierung im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ..............................53

III.

Finanzierung im vorläufigen und eröffneten Insolvenzverfahren .............................65

§4

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren...................87

I.

Einleitung ......................................................................................................................88

II.

Grundlagen der Unternehmenskommunikation ........................................................94

III.

Kommunikations- und Verhandlungssituationen im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG ..........................................................116

IV.

Zusammenfassung ......................................................................................................135

2. Teil Krisenfrüherkennung §5

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen .....................136

I.

Einleitung ....................................................................................................................137

II.

Ziele der Norm ...........................................................................................................137

III.

Entstehungsgeschichte ...............................................................................................139

IV.

Subjektiver Anwendungsbereich ...............................................................................141

V.

Beobachtungsobjekt ...................................................................................................142

VI.

Beobachtungssystem und bestandsgefährdende Entwicklungen.............................142

VII. Begriffsbestimmung bestandsgefährdende Entwicklungen .....................................143 VIII. Beobachtungshorizont ...............................................................................................147 IX.

Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Früherkennungssystems...........................148

X.

Weitere Analysepunkte ..............................................................................................170

XI.

Gegenmaßnahmen ......................................................................................................172

XII. Berichterstattung ........................................................................................................173 XIII. Vorteile der Simulation und eines Früherkennungssystems ....................................173 XIV. Rechtsfolgen ...............................................................................................................174 XV. Fazit .............................................................................................................................174 §6

Frühwarnsysteme ......................................................................................................176

I.

Einführung ..................................................................................................................176

II.

Vorbemerkung – Grundzüge der Beraterhaftung.....................................................177

III.

Subjektiver Anwendungsbereich ...............................................................................178

IV.

Objektiver Anwendungsbereich ................................................................................178

V.

Offenkundigkeit der Anhaltspunkte .........................................................................180

XII

Inhaltsverzeichnis VI.

Wann muss gewarnt werden? ....................................................................................181

VII. Wie muss gewarnt werden? (Beweislast) ..................................................................181 VIII. Musterschreiben .........................................................................................................182

3. Teil Verfahren §7

Anzeige des Schuldners ............................................................................................184

I.

Allgemeines.................................................................................................................185

II.

Struktur des Verfahrens .............................................................................................185

III.

Zweck der Anzeige .....................................................................................................188

IV.

Vorbereitung der Anzeige..........................................................................................188

V.

Anzeige .......................................................................................................................191

VI.

Anlagen zur Anzeige ..................................................................................................196

VII. Wirkungen der Anzeige .............................................................................................201 VIII. Verlust der Wirkungen der Anzeige..........................................................................203 §8

Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze.......................................205

I.

Gerichtliche Zuständigkeit ........................................................................................206

II.

Verfahrensgrundsätze.................................................................................................222

§9

Anordnungsvoraussetzungen ..................................................................................239

I.

Allgemeines.................................................................................................................239

II.

Materielle Voraussetzungen.......................................................................................240

III.

Formelle Voraussetzungen ........................................................................................243

IV.

Exkurs: Voraussetzungen für Instrumente des StaRUG .........................................244

§ 10 Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners.......................................................245 I.

Überblick ....................................................................................................................246

II.

Pflichten des Schuldners (§ 32 StaRUG)..................................................................246

III.

Ruhen der Insolvenzantragspflicht (§ 42 StaRUG) .................................................251

IV.

Pflichten und Haftung der Geschäftsleitung (§ 43 StaRUG) .................................255

§ 11 Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten ....................262 I.

Grundgedanke und Funktion ....................................................................................263

II.

Der notwendige Restrukturierungsbeauftragte ........................................................265

III.

Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte..........................................................290

IV.

Eignung als Restrukturierungsbeauftragter ..............................................................294

V.

Amtsträgerschaft in der Folgeinsolvenz ...................................................................298

XIII

Inhaltsverzeichnis VI.

Haftung des Restrukturierungsbeauftragten ............................................................299

VII. Kosten und Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten ....................................303 § 12 Gläubigerbeirat ..........................................................................................................308 I.

Vorbemerkungen ........................................................................................................308

II.

Einsetzung und Zusammensetzung des Gläubigerbeirats........................................309

III.

Mitbestimmungsrechte...............................................................................................312

IV.

Haftung des Gläubigerbeirats ....................................................................................315

V.

Vergütung....................................................................................................................316

VI.

Ausblick.......................................................................................................................317

§ 13 Aufhebung der Restrukturierungssache.................................................................318 I.

Allgemeines .................................................................................................................318

II.

Verfahren.....................................................................................................................319

III.

Voraussetzungen der Aufhebung ..............................................................................321

IV.

Unterbleiben der Aufhebung.....................................................................................325

V.

Rechtsmittel ................................................................................................................325

§ 14 Grenzüberschreitende Restrukturierung ...............................................................326 I.

Überblick.....................................................................................................................328

II.

Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie .............................................................329

III.

Öffentliche Restrukturierungssachen i. S. der §§ 84 ff. StaRUG ............................332

IV.

Vertrauliche Restrukturierungsverfahren ohne öffentliche Bekanntmachungen ..................................................................................................................355

V.

Grenzüberschreitende Restrukturierung mit Drittstaaten ......................................370

4. Teil Sanierungsmoderation § 15 Vermittlung einer Restrukturierungslösung .........................................................372 I.

Einleitung ....................................................................................................................373

II.

Einleitung des Verfahrens der Sanierungsmoderation..............................................375

III.

Aufgabenbereich und Befugnisse des Sanierungsmoderators (§§ 96, 97 StaRUG) ....................................................................................................387

IV.

Aufsicht des Restrukturierungsgerichts (§ 96 Abs. 5 StaRUG)..............................399

V.

Abschluss und Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG) ........402

VI.

Vergütung des Sanierungsmoderators (§ 98 StaRUG) ............................................409

VII. Übergang in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (§ 100 StaRUG) ..........................................................................................................411

XIV

Inhaltsverzeichnis

5. Teil Stabilisierungsanordnung § 16 Moratorium................................................................................................................412 I.

Übersicht.....................................................................................................................413

II.

Auslösetatbestand und Antrag ..................................................................................415

III.

Vollstreckungssperre..................................................................................................418

IV.

Verwertungssperre......................................................................................................420

V.

Materielle Rechtsfolgen der Stabilisierungsanordnung............................................421

VI.

Rechtsbehelfe sowie Aufhebung und Beendigung der Stabilisierungsanordnung ...................................................................................................................425

VII. Bewertung ...................................................................................................................428

6. Teil Restrukturierungsplan A. Planvorbereitung und Planinitiative § 17 Planvorbereitung.......................................................................................................429 I.

Der Restrukturierungsplan als Alternative zu anderen Sanierungsmitteln.............429

II.

Notwendige Voraussetzungen des Restrukturierungsvorhabens............................435

III.

Strategische Überlegungen im Vorfeld der Planerstellung ......................................441

§ 18 Planinitiativrecht ......................................................................................................449 I.

Überblick ....................................................................................................................449

II.

Unterschiede zum Insolvenzplanverfahren ..............................................................449

III.

Strategische Überlegungen ........................................................................................449

IV.

Praxisempfehlungen ...................................................................................................452

B. Inhalt des Restrukturierungsplans § 19 Darstellender Teil des Restrukturierungsplans.....................................................455 I.

Funktion des Restrukturierungsplans .......................................................................455

II.

Funktion des darstellenden Teils des Restrukturierungsplans ................................460

III.

Mindestanforderungen an den darstellenden Teil ....................................................462

§ 20 Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans ......................................................474 I.

Inhalt und Funktion des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans ...............474

II.

Mindestanforderungen nach Art. 8 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie bzw. § 5 Satz 2 i. V. m Anlage StaRUG ....................................................................476

III.

Planbetroffene ............................................................................................................476

XV

Inhaltsverzeichnis IV.

Auswahl der Planbetroffenen.....................................................................................479

V.

Gruppenbildung..........................................................................................................480

VI.

Gleichbehandlung der Planbetroffenen.....................................................................483

VII. Gestaltung der Rechtsstellung der Planbetroffenen.................................................484 VIII. Besondere Regelungen................................................................................................492 § 21 Plananlagen ................................................................................................................501 I.

Ziel der Regelungen in § 14 StaRUG.........................................................................501

II.

Begründete Erklärung (§ 14 Abs. 1 StaRUG)...........................................................502

III.

Vermögensübersicht und Planung (§ 14 Abs. 2 StaRUG).......................................504

IV.

Mustererklärung..........................................................................................................505

C. Einzelaspekte des darstellenden und des gestaltenden Teils § 22 Gestaltbare Rechtsverhältnisse ................................................................................510 I.

Funktion und gesetzliche Systematik des § 2 StaRUG ............................................511

II.

Gestaltbarkeit von Restrukturierungsforderungen ..................................................514

III.

Gestaltbarkeit von Absonderungsanwartschaften ....................................................521

IV.

Gestaltbarkeit von kollektiven Finanzierungsarrangements ...................................522

V.

Gestaltbarkeit von quasi-kollektiven Finanzierungsarrangements .........................526

VI.

Gestaltbarkeit von Sicherheitenpool- und Verwertungsvereinbarungen ................526

VII. Gestaltbarkeit von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten .........................................529 VIII. Gestaltbarkeit von gruppeninternen Drittsicherheiten............................................532 IX.

Gestaltbarkeit der persönlichen Gesellschafteraußenhaftung ................................534

X.

Gestaltbarkeit sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse................................................535

§ 23 Gruppenbildung ........................................................................................................536 I.

Überblick zur Systematik des StaRUG .....................................................................537

II.

Auswahl der Planbetroffenen als Grundlage der Gruppenbildung..........................539

III.

Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen..............................................................559

IV.

Gleichbehandlung der Planbetroffenen.....................................................................561

§ 24 Gesicherte Gläubiger ................................................................................................564 I.

Einleitung ....................................................................................................................564

II.

Keine Gestaltung von Aussonderungsrechten..........................................................565

III.

Gestaltung von Absonderungsanwartschaften .........................................................565

IV.

Gruppeninterne Drittsicherheiten; persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft .........................................................................................569

V.

Finanzsicherheiten......................................................................................................574

VI.

Grenzüberschreitende Restrukturierungen ..............................................................574

XVI

Inhaltsverzeichnis § 25 Anteilsinhaber ...........................................................................................................576 I.

Überblick ....................................................................................................................576

II.

Regelung in der Restrukturierungsrichtlinie ............................................................577

III.

Anwendungsbereich ...................................................................................................577

IV.

Begriff der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte .......................................................580

V.

Eingriffe in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ................................................585

VI.

(Keine) Erfassung von Anteils- oder Mitgliedschaftspflichten ...............................593

VII. Rechtfertigung von und Schranken bei Eingriffen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte .................................................................................................593 VIII. Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen durch das Registergericht .......596 § 26 Neue Finanzierungen ...............................................................................................597 I.

Allgemeine Ausführungen .........................................................................................597

II.

Anlass der Neufinanzierung ......................................................................................598

III.

Ausgestaltung der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan..............................601

IV.

Vorteile der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan ........................................602

V.

Neufinanzierung durch den Gesellschafter ..............................................................603

VI.

Die Neufinanzierung in einem späteren Insolvenzverfahren ..................................603

VII. Die Zwischenfinanzierung .........................................................................................603 VIII. Finanzierungen im Restrukturierungsplan ohne Anwendung des § 12 StaRUG?.......................................................................................................604 § 27 Schuldner ...................................................................................................................606 I.

Allgemeine Ausführungen .........................................................................................606

II.

Erarbeitung des Restrukturierungsplans, vorbereitende Maßnahmen ....................607

III.

Ausführungen zum Schuldner im darstellenden Teil ...............................................608

IV.

Regelungen zum Schuldner im gestaltenden Teil .....................................................618

§ 28 Die Vergleichsrechnung im StaRUG .....................................................................622 I.

Einführung, Telos der Vergleichsrechnung ..............................................................622

II.

Gesetzliche Regelung zur Vergleichsrechnung im StaRUG....................................623

III.

Formelle Anforderungen an die Vergleichsrechnung ..............................................627

IV.

Materielle Anforderungen an die Vergleichsrechnung.............................................628

V.

Überprüfung der Vergleichsrechnung.......................................................................635

D. Verfahrensablauf § 29 Planangebot und Planannahme ...............................................................................640 I.

Gesetzessystematik ....................................................................................................641

II.

Planangebot.................................................................................................................644

III.

Planannahme ...............................................................................................................669 XVII

Inhaltsverzeichnis § 30 Vorprüfung durch das Insolvenzgericht ................................................................680 I.

Einleitung ....................................................................................................................680

II.

Vorprüfung bei gerichtlichem Erörterungs- und Abstimmungstermin ..................681

III.

Vorprüfung bei einem privatautonomen Abstimmungsprozess..............................686

§ 31 Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen.............................................................................................691 I.

Erörterungs- und Abstimmungsmöglichkeiten beim Restrukturierungsplan ........692

II.

Versammlung Planbetroffener (§ 20 StaRUG).........................................................693

III.

Gerichtlicher Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 45 StaRUG) ...................711

§ 32 Planänderung .............................................................................................................719 I.

Begriff und Bedeutung der Planänderung .................................................................720

II.

Gerichtliches Planabstimmungsverfahren.................................................................720

III.

Außergerichtliche Planabstimmungsverfahren.........................................................729

§ 33 Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG .......................................738 I.

Gruppenbildung..........................................................................................................739

II.

Stimmrechte und ihre Festsetzung ............................................................................758

§ 34 Mehrheiten und Obstruktionsverbot......................................................................775 I.

Erforderliche Mehrheiten bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan.........................................................................................776

II.

Obstruktionsverbot (§ 26 StaRUG) .........................................................................786

§ 35 Planbestätigung .........................................................................................................806 I.

Grundlagen..................................................................................................................807

II.

Verfahrensmäßige Anforderungen an Planbestätigung............................................808

III.

Bestätigung..................................................................................................................814

IV.

Bekanntgabe der Entscheidung..................................................................................827

§ 36 Minderheitenschutz, Rechtsmittel ..........................................................................829 I.

Einführung ..................................................................................................................829

II.

Minderheitenschutz....................................................................................................831

III.

Rechtsmittel und Rechtsbehelf..................................................................................836

§ 37 Wirkungen des bestätigten Plans.............................................................................841 I.

Parallelität zu Regelungen der InsO..........................................................................842

II.

Erfasste Restrukturierungspläne................................................................................842

III.

Zeitpunkt des Eintritts der Wirkungen .....................................................................843

XVIII

Inhaltsverzeichnis IV.

Auslegung des Planes .................................................................................................846

V.

Formelle Wirkungen ..................................................................................................847

VI.

Materielle Wirkungen.................................................................................................852

VII. Personeller Wirkungsbereich .....................................................................................855 VIII. Drittsicherheiten ........................................................................................................862 IX.

Übererfüllung von Forderungen ...............................................................................864

X.

Ausschluss Differenzhaftung beim Debt Equity Swap............................................864

XI.

Wiederaufleben, Nichterfüllung des Plans................................................................865

XII. Behandlung von streitigen Forderungen und Ausfallforderungen..........................871 XIII. Vollstreckung aus dem Plan.......................................................................................874 § 38 Planüberwachung und Planerfüllung .....................................................................878 I.

Einleitung....................................................................................................................878

II.

Anordnung der Überwachung...................................................................................879

III.

Gegenstand der Überwachung ..................................................................................879

IV.

Person des Überwachers ............................................................................................880

V.

Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten................................881

VI.

Dauer der Überwachung ............................................................................................887

VII. Aufsicht des Restrukturierungsgerichtes..................................................................889

E. Formulare § 39 Musterrestrukturierungsplan und Planrechnungen .............................................891 I.

Allgemeine Hinweise..................................................................................................891

II.

Wesentliche Unterschiede .........................................................................................891

III.

Mustergliederung mit einzelnen Formulierungsvorschlägen...................................893

7. Teil Anfechtungsrecht § 40 Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen ......................................899 I.

Überblick, Genese und Zweck der Sondervorschriften ...........................................900

II.

Anfechtungs- und Haftungsbeschränkungen in der Phase der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (§ 89 StaRUG) ...............................906

III.

Anfechtungsschutz für Planfolgen und Planvollzug (§ 90 StaRUG) .....................919

IV.

Berechnung von Fristen (§ 91 StaRUG)...................................................................932

V.

Anfechtungsschutz für den gerichtlich bestätigten Sanierungsvergleich (§ 97 Abs. 3 StaRUG) ................................................................................................933

XIX

Inhaltsverzeichnis

8. Teil Konzern § 41 Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG ......................................................935 I.

Einführung ..................................................................................................................936

II.

Besonderheiten der Restrukturierung einer Unternehmensgruppe: .......................937

III.

StaRUG im Kontext der Instrumente zur Restrukturierung der Unternehmensgruppe ..........................................................................................944

IV.

Das Restrukturierungsverfahren im Konzern...........................................................953

V.

Der Restrukturierungsplan im Konzern ...................................................................956

VI.

Kritische Würdigung: Ungehobenes Potential bei der Gruppenrestrukturierung und Ansätze de lege ferenda.......................................................................................964

§ 42 Internationale Konzernrestrukturierung ...............................................................966 I.

Internationale Konzernrestrukturierung...................................................................967

II.

Vorbemerkung zur Internationalität der außerinsolvenzlichen Restrukturierung.........................................................................................................967

III.

Ausgangssituation der internationalen Konzernrestrukturierung...........................969

IV.

COMI in der internationalen Unternehmensgruppe ...............................................970

V.

Internationaler Wettbewerb über alternative Anknüpfungstatbestände ................971

VI.

Internationale Anerkennung des Restrukturierungsplans .......................................973

VII. Internationale Gestaltungswirkung des Restrukturierungsplans.............................981 VIII. Restrukturierungsplan im Zusammenspiel mit internationalen Restrukturierungsinstrumenten.................................................................................984

9. Teil Arbeitsrecht § 43 Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen .............................................................988 I.

Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen nach Einführung des StaRUG.................................................................................................................989

II.

Aufhebungsvertrag in der Krise: Freiwilligen- und Anspracheprogramme, Vorschaltevereinbarungen zur Kündigungsvermeidung ..........................................993

III.

Information, Konsultation und Massenentlassungsanzeigeverfahren...................1002

IV.

Beschäftigungssicherung nach § 92a BetrVG..........................................................1009

XX

Inhaltsverzeichnis

10. Teil Steuerrecht § 44 Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan ........................1017 I.

Verhältnis Restrukturierung – Steuerrecht .............................................................1019

II.

Restrukturierung – Steuerbefreiung von Sanierungserträgen ................................1066

Stichwortverzeichnis.........................................................................................................1071

XXI

Autorenverzeichnis Prof. Dr. Thomas Barnert, Rechtsanwalt, a.pl. Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg, ist Inhaber der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thomas Barnert in Augsburg und schwerpunktmäßig im Wirtschaftsprivatrecht und im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht tätig. Zudem ist er außerplanmäßige Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg und lehrt dort insbesondere Gesellschafts- und Insolvenzrecht. Dr. Susanne Berner, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Fachanwältin für Steuerrecht, Insolvenzverwalterin, ist Partnerin der bundesweit tätigen Kanzlei Dr. Berner & Partner Rechtsanwälte PartG mbB mit Hauptsitz in Berlin. Sie ist langjährige Vorsitzende der NIVD (Neue Insolvenzrechtsvereinigung Deutschlands e. V.), Vorsitzende des Fachanwaltsausschusses für Insolvenzrecht der Rechtsanwaltskammer Berlin, Mitglied des Fachausschusses Sanierung der Bundesrechtsanwaltskammer und durch zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge zu insolvenzrechtlichen Themen ausgewiesen. Prof. Dr. Reinhard Bork, Universitätsprofessor an der Universität Hamburg; Visiting Professor an der Radboud University Nijmegen/NL; Senior Research Fellow am Commercial Law Centre, Harris Manchester College, Oxford/UK. Dr. Andrea Braun ist als Rechtsanwältin bei der international tätigen Sozietät Noerr PartG mbB in Frankfurt am Main tätig. Sie ist im Insolvenzrecht spezialisiert und berät Gläubiger, Investoren und Unternehmen oder deren Organe in wirtschaftlichen Krisensituationen und Restrukturierungen. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind Überbrückungs- und Sanierungsfinanzierungen und Forderungsrestrukturierungen bei Konsortialkrediten oder Anleihen. Dr. Volker von Danckelmann, Rechtsanwalt, ist seit 2009 bei SGP Schneider Geiwitz Wirtschaftsprüfer Steuerberater am Standort Stuttgart. Er ist im Bereich der gerichtlichen und außergerichtlichen Sanierung und Restrukturierung tätig. Er flankiert die finanz- und ertragswirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen in den rechtlichen Themenkomplexen und begleitet operative Maßnahmen in Insolvenzverfahren. Gemeinsam mit WP Arndt Geiwitz ist er Mitautor mehrerer Fachbücher und Kommentare zur gerichtlichen und außergerichtlichen Sanierung. Stefan Denkhaus, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN mit Sitz in Hamburg. Er ist sowohl als Insolvenz- und Sachwalter als auch in der krisennahen Beratung tätig. Als Insolvenz- und Sachwalter wird er insbesondere in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern von verschiedenen Gerichten regelmäßig in Verfahren aller Branchen und Größenordnungen bestellt. Neben Distressed-M&A-Mandaten gehören auch Betriebsfortführungen, übertragende Sanierungen und Insolvenzplanverfahren sowie die Beratung des Managements in Eigenverwaltungsverfahren zu dem Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Er ist unter anderem Mitglied des Gravenbrucher Kreises, Beiratsmitglied im Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID), Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) sowie Mitglied im Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e. V. Er ist (Mit-)Autor zahlreicher Kommentare und Fachbücher, u. a. Mitherausgeber der RWS-Skripte „Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz“ und „Konzerninsolvenzrecht“ sowie Mitautor in allen Bänden des „Hamburger Kommentars“. XXIII

Autorenverzeichnis Dr. Michael C. Frege, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Insolvenzverwalter und Wirtschaftsmediator, ist Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle. Seinen beruflichen Schwerpunkt hat er in der Insolvenzverwaltung, insbesondere von international tätigen Konzernunternehmen und Kreditinstituten. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge und Fachbücher, u. a. Frege/Riedel, „Schlussbericht und Schlussrechnung“, Frege/Keller/Riedel, „HRP Handbuch der Rechtspraxis Insolvenzrecht“, Frege, „Verhandlungserfolg in Unternehmenskrise und Sanierung“ und Frege, „Der Sonderinsolvenzverwalter“. Daniel Friedemann Fritz, Rechtsanwalt, ist Partner bei Dentons Europe LLP im Frankfurter Büro. Er verfügt über ausgiebige Erfahrungen in der Insolvenzverwaltung und Vertretung von Unternehmen, Management und Gläubigern i. R. von Restrukturierungen, Eigenverwaltung und Regelinsolvenzverfahren sowie bei (Distressed) M&A-Transaktionen, wobei er hier beratend sowie auch persönlich (etwa als Generalhandlungsbevollmächtigter i. R. der Eigenverwaltung) tätig ist. Er ist zudem Private Expert der Europäischen Kommission für die Einführung eines präventiven Restrukturierungsrahmens und Sprecher der AG Europa der Arbeitsgemeinschaft für Insolvenzrecht und Sanierung im DAV. Er veröffentlicht und kommentiert regelmäßig zu Themen des deutschen und europäischen Insolvenz- und Restrukturierungsrechts. Arndt Geiwitz ist Geschäftsführender Gesellschafter des Kanzleiverbundes SGP Schneider Geiwitz. Er studierte an der Universität Passau, ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und seit mehr als 25 Jahren im Bereich der Restrukturierung tätig. Als Wirtschaftsprüfer berät er insbesondere mittelständische Unternehmen sowie börsennotierte Unternehmen und Konzerne in den Gebieten Risikomanagement, Strategie, Nachfolgeregelung und M&A. Er begleitet zahlreiche außergerichtliche Restrukturierungen und berät als Generalbevollmächtigter Gesellschaften in großen Insolvenzverfahren. Seit 2000 wird er als Insolvenzverwalter und seit 2012 als Sachwalter bestellt. Arndt Geiwitz ist (Mit-)Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Handbücher, Mitherausgeber des „Beck`schen Online Kommentars InsO“ und Autor im „WP-Handbuch“. Er ist u. a. Mitglied im Gravenbrucher Kreis und im Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID). Prof. Dr. Markus Gehrlein, Richter am Bundesgerichtshof a. D, Honorarprofessor der Universität Mannheim. Christian H. Gloeckner, Rechtsanwalt, ist Gründungspartner der Kanzlei Gloeckner. Fuhrmann.Nentwich.Bankel. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Transaktionsbegleitung in unternehmerischen Sondersituationen. Insbesondere bei Krise, Restrukturierung und Insolvenz und der kollektiven Interessenwahrnehmung von Schuldverschreibungen als gewählter gemeinsamer Vertreter nach dem Schuldverschreibungsgesetz. Daneben ist er als Richter am Bayerischen Anwaltsgerichtshof mit berufsrechtlichen Fragestellungen der Anwaltschaft befasst. Dr. Burkhard Göpfert, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist Partner der Sozietät KLIEMT.Arbeitsrecht in München. Dr. Burkard Göpfert berät vorwiegend in komplexen Transformations-, Integrations- und Umstrukturierungsprojekten sowie bei der Harmonisierung von Arbeitsbedingungen. Er ist Autor und (Mit)-Herausgeber zahlreicher Fachbücher zu den Themen Umstrukturierung und Arbeitsrecht sowie Lehrbeauftragter an der Universität Passau und leitet seit über zehn Jahren die Jahrestagung „Restrukturierung“ des Handelsblatts. Burkard Göpfert ist u. a. Mitherausgeber der „ZIP“. Marie-Luise Graf-Schlicker begann ihre berufliche Laufbahn als Richterin und wechselte sodann in das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, wo sie u. a. das Referat für Handels- und Wirtschaftsrecht sowie die Projektgruppe zur Umsetzung der Insolvenz-

XXIV

Autorenverzeichnis ordnung geleitet hat. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gruppenleiterin im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen für den gesamten zivilrechtlichen Bereich wirkte sie an umfassenden Reformen u. a. zur Zivilprozessordnung, zum Schuldrecht und zum gewerblichen Rechtsschutz mit. Im Jahre 2002 wurde sie zur Präsidentin des LG Bochum ernannt. Von 2007 bis 2018 leitete sie im BMJ in Berlin die Abteilung Rechtspflege, die für alle Prozessordnungen, das Insolvenzrecht, das Berufsrecht der juristischen Berufe (Rechtsanwälte, Notare, Richter, Rechtspfleger) sowie das Kostenrecht zuständig war. Außerdem war sie mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im BMJ befasst. Marie-Luise Graf-Schlicker ist Herausgeberin und Autorin des gleichnamigen „Kommentar zum Insolvenzrecht“. Sie veröffentlicht darüber hinaus regelmäßig Beiträge zum Insolvenzrecht, zur Zivilprozessordnung, zur Streitschlichtung, zum Berufsrecht der juristischen Berufe und zur Modernisierung innerhalb der Justiz. Dr. Johannes Holzer ist Regierungsdirektor und verfügt über langjährige Erfahrung im Insolvenzrecht, u. a. als Richter an Amts- und Landgerichten sowie im Referat für Insolvenzrecht des BMJ. Dr. Johannes Holzer hat eine Vielzahl von Publikationen zum Insolvenzrecht und zu allen Gebieten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verfasst und ist u. a. Mitautor in Handbüchern und dem von Kübler/Prütting/Bork herausgegebenen „Kommentar zur InsO“. Sein besonderes Interesse gilt dem Vergütungsrecht sowie der Überschneidung des Insolvenzrechts mit anderen Rechtsgebieten. Matthias Kühne, Rechtsanwalt, Betriebswirt (IWW), Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Wirtschaftsmediator (BStBK), CVA (Certified Valuation Analyst, www.eacva.de) ist Partner der Kanzlei DIE SCHRITTMACHER Rechtsanwälte & Steuerberater in Offenburg (vormals Kanzlei Nickert). Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Beratung von Organen und Unternehmen in der Krise und bei der Durchführung von außergerichtlichen und gerichtlichen Sanierungsverfahren, insbesondere Eigenverwaltungsverfahren und Schutzschirmverfahren. Ebenso berät Matthias Kühne Banken, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei einschlägigen Fragestellungen. Er referiert im Bereich der Krise, Sanierung und M&A und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichung sowie Mitherausgeber und Autor der Werke „Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung“ (3. Aufl., 2016), „Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz“ (2. Aufl., 2019), „Managemententscheidungen unter Risiko“ (2019). Prof. Dr. Sebastian Mock, LL.M. (NYU), Wirtschaftsuniversität Wien. Prof. Dr. Sebastian Mock ist Inhaber des Lehrstuhls für Zivil- und Unternehmensrecht am Institut für Zivilund Zivilverfahrensrecht (Abteilung Unternehmens- und Insolvenzrecht) am Department für Privatrecht der Wirtschaftsuniversität Wien. Er ist Mitherausgeber des „Kommentar zur Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung“ (6. Aufl., 2019, C.H.Beck), der „ZInsO“ und Autor zahlreicher Kommentare und Beiträge zum Unternehmens- und Insolvenzrecht. Prof. Dr. Matthias Nicht, Hochschullehrer, war er über mehrere Jahre als Rechtsanwalt bei der CMS Hasche Sigle Insolvenzberatung und -verwaltung tätig, zuletzt in der Position eines Counsel. Sein Arbeitsschwerpunkt lag in der Insolvenzverwaltung international tätiger Konzernunternehmen. Daneben war er mit der insolvenzspezifischen Beratung und Vertragsgestaltung befasst, insbesondere im Kontext von Finanzierungsverträgen. Seit 2016 ist er als Professor für Bürgerliches Recht, Vollstreckungs- und Insolvenzrecht, Registerrecht tätig. In diesem Rahmen ist er vornehmlich für die theoretische Ausbildung von Rechtspflegern für die Amtsgerichte zuständig. Er ist Autor u. a. im „Handbuch Konzerninsolvenzrecht“ (hrsg. von Wilhelm), „Handbuch Konzerninsolvenzrecht“ (hrsg. von Flöther), „Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts“ (hrsg. von Theiselmann). Er kommentiert Vorschriften der InsO im „Beck’schen Online-Kommentar zur InsO“ und im „Kölner Kom-

XXV

Autorenverzeichnis mentar zur InsO“ und Vorschriften des ZVG im bekannten Kommentar zum „Zwangsversteigerungsrecht“ von Stöber. Cornelius Nickert, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuer-, Insolvenz- und Sanierungsrecht, CVA Certified Valuation Analyst, Partner der CONSOCIUS Nickert & Nickert – Rechtsanwälte & Steuerberater PartG mbB, Offenburg, Beirat der RMA Risk Management & Rating Association e. V. Sein Arbeitsschwerpunkt lag in der Vergangenheit in der Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung. Seit 2022 hat er sich auf die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen, das Risikomanagement und die wertorientierte Unternehmenssteuerung spezialisiert. Er referiert regelmäßig zum Sanierungsund Insolvenzrecht und veröffentlicht als Fachautor u. a. in „ZInsO“, „KTS“, „SanB“, „GmbHR“, „NWB“, „ControllerMagazin“, „DStR“. Weiter ist er Mitherausgeber der Werke „Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung“ (3. Aufl., 2016), „Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz“ (2. Aufl., 2019), „Managemententscheidungen unter Risiko“ (2019). Prof. Dr. Christian Pleister, Rechtsanwalt, Partner bei Noerr PartG mbB in Berlin und Frankfurt am Main. Er leitet das Corporate Team von Noerr, zu dem auch die Beratung in Restrukturierung, Distressed M&A und Insolvenzrecht zählt. Er berät schwerpunktmäßig Gläubiger, Unternehmen, Insolvenzverwalter und Investoren im Gesellschafts- und Insolvenzrecht, insbesondere bei Restrukturierungen und Transaktionen. Prof. Dr. Christian Pleister war Sachverständiger bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags zum ESUG und ist regelmäßig Referent zum Gesellschafts- und Insolvenzrecht. Dr. Dorothee Prosteder, Rechtsanwältin, ist Partnerin der Noerr PartG mbB in München. Sie berät Unternehmen, Investoren, Insolvenzverwalter und Gläubiger zu Restrukturierungen, Distressed M&A-Transaktionen sowie zum Insolvenzrecht. Dr. Dorothee Prosteder ist Mitglied des Vorstands der TMA Deutschland sowie Mitglied im Führungsgremium der TMA Europe. Sie leitet die Special Interest Group Restructuring & Insolvency der Association of European Lawyers und kommentiert die §§ 39, 44a, 135 InsO im „Beck’schen Online-Kommentar InsO“. Dr. Wolfram Prusko, Rechtsanwalt, ist Partner der internationalen Sozietät Willkie Farr & Gallagher LLP und leitet den Praxisbereich Restrukturierung in Deutschland. Beratungsschwerpunkt sind finanzielle Restrukturierungen und Sondersituationen auf der Kapitalseite innerhalb und außerhalb der Insolvenz. Dr. Wolfram Prusko hat anerkannte Erfahrung mit multinationalen Finanzierungs- und Gesellschaftsstrukturen und Steuerung komplexer Restrukturierungen. Er promovierte zur „Gesellschafterstellung in der Insolvenz“ und wirkte an der Gesetzgebung zum Kreditreorganisationsgesetz mit. Er ist Autor u. a. im „Handbuch Unternehmensrestrukturierung” (hrsg. von Knecht/Hommel/Wohlenberg) und kommentiert Vorschriften des StaRUG im „Münchener Kommentar zum StaRUG“ des C.H.Beck-Verlages. Prof. Dr. Hanns Prütting ist seit 1986 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln und war Direktor des Instituts für Verfahrensrecht, des Instituts für Anwaltsrecht sowie des Instituts für Internationales und Europäisches Insolvenzrecht. Er ist Mitherausgeber und Autor zahlreicher Kommentare, Lehrbücher und sonstiger Publikationen, etwa des „Insolvenzrechtskommentars“ von Kübler/Prütting/Bork, ferner des „Kommentar zum BGB“ von Prütting/Wegen/Weinreich, des „ZPO-Kommentars“ von Prütting/Gehrlein, des Kommentars zum „FamFG“ von Prütting/Helms, des Kommentars zur „BRAO“ von Henssler/ Prütting sowie des Kommentars zum „Arbeitsgerichtsgesetz“ von Germelmann/Matthes/ Prütting. Er ist ferner Mitherausgeber der „ZIP“ sowie mehrerer Schriftenreihen. Prof. Dr. XXVI

Autorenverzeichnis Hanns Prütting ist Mitglied der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste sowie der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Marlies Raschke, Rechtsanwältin, ist Partnerin der Noerr PartG mbB. Sie berät Unternehmen, Investoren, Insolvenzverwalter und Gläubiger zu Restrukturierungen, Distressed M&ATransaktionen sowie zum Insolvenzrecht. Marlies Raschke ist Co-Leiterin der Praxisgruppe Restrukturierung & Insolvenz bei Noerr sowie Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung des Deutschen Anwaltsvereins (DAV). Prof. Dr. Dominik Skauradszun, LL.M. (Taxation), Professor für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht und Unternehmensrecht an der Hochschule Fulda, Privatdozent der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld sowie Visiting Professor of Insolvency Law der Law School der Nottingham Trent University, England. Er ist Mitherausgeber und Autor des „Beck’schen Online-Kommentars zum StaRUG“ (hrsg. von Skauradszun/ Fridgen) und kommentiert Teile des StaRUG im „Münchener Kommentar zum StaRUG“. Zum Restrukturierungs- und Insolvenzrecht veröffentlichte er ferner im Kübler/Prütting/ Bork, „InsO“, englischsprachig im Brinkmann, „EIR“, im Jaeger, „Großkommentar zur InsO“, im „Beck’schen Online-Kommentar zur InsO“, im „Handbuch zur Insolvenz“ von Kraemer/Vallender/Vogelsang sowie in zahlreichen Archiv- und Fachzeitschriften im Inund Ausland. Zur Restrukturierungsrichtlinie hielt er in den USA, Belgien, Dänemark, England, Finnland und Spanien Vorträge. Prof. Dr. Christoph Uhländer ist Professor an der Hochschule für Finanzen NRW (Schloss Nordkirchen). Zugleich ist er 1. Vorsitzender des Forums Steuerrecht Schloss Nordkirchen e. V. und Autor einer Vielzahl von Veröffentlichungen zum Insolvenzsteuerrecht (u. a. Mitherausgeber des Handbuchs von Waza/Uhländer/Schmittmann „Insolvenzen und Steuern“, 13. Aufl., 2021). Er trägt regelmäßig auf Fachtagungen zum Insolvenzsteuerrecht vor (Deutscher Insolvenzverwalterkongress, Deutscher Insolvenzrechtstag, Kammertage der Steuerberaterkammern, Steuerrechtliche Jahresarbeitstagung Unternehmen, Steueranwaltstag, Regionaltagung der DStJG etc.). Dr. Nikolai Warneke ist Rechtsanwalt und Partner der international tätigen Sozietät Noerr PartGmbB in Frankfurt am Main. Er ist Spezialist für Finanzierungstransaktionen und berät Kreditinstitute, Kreditfonds und Darlehensnehmer bei nationalen und internationalen Finanzierungen. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Restrukturierung von Finanzierungen sowie der Beratung in Sanierungssituationen. Steffen Werner, Rechtsanwalt, ist Partner der bundesweit tätigen Kanzlei Dr. Berner & Partner Rechtsanwälte PartG mbB mit Hauptsitz in Berlin und leitet die kanzleiinterne Rechts- und Prozessabteilung. Sein beruflicher Schwerpunkt liegt im Insolvenzanfechtungsund Gesellschaftsrecht, im Insolvenzarbeitsrecht sowie in der Begleitung von Unternehmenstransaktionen. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Insolvenzrecht und langjährig als Dozent, u. a. für den RWS-Verlag, tätig.

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Literaturverzeichnis*) Achsnick/Opp, Die doppelnützige Treuhand in der Sanierung, 3. Aufl., 2021 (zit.: Die doppelnützige Treuhand) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, Kommentar, 4. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR) Albert/Hu, Probability and Bayesian Modeling, 2020 Altmeppen, GmbHG, Kommentar, 10. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Altmeppen, GmbHG) Andres/Leithaus, InsO, Kommentar, 4. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter in: Andres/Leithaus, InsO) Armour/Eidenmüller, Negotiating Brexit, 2017 Avvento, Das Gebot der Vollwertigkeit im GmbH- und Aktienrecht, 2015 Baird/Gertner/Picker, Game Theory and the Law, 1998 Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, 6. Aufl., 2021 Basedow/Drobnig/Ellger/Hopt/Kötz/Kulms/Mestmäcker, Aufbruch nach Europa, 2001 Bauer, Die GmbH in der Krise, Rechts- und Haftungsfragen der Unternehmenssanierung, 6. Aufl., 2020 (zit.: Bauer, Die GmbH in der Krise) Bauer/Krieger/Günther, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, AGG/EntgTranspG, 5. Aufl., 2018 (zit.: Bauer/Krieger/Günther, AGG/EntgTranspG) Baumbach/Hopt siehe Hopt Baumbach/Hueck siehe Noack/Servatius/Haas Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, 3. Aufl., 2017 Becker, Kooperationspflichten in der Konzerninsolvenz, 2012 Beck’scher Online-Großkommentar Aktienrecht, hrsg. v. Spindler/Stilz, Stand: 10/2022 (zit.: Bearbeiter in: BeckOGK-AktG) Beck’scher Online-Großkommentar zum Zivilrecht, hrsg. v. Gsell/Krüger/Lorenz/ Reymann, Stand: 5.2016 (zit.: Bearbeiter in: BeckOGK-ZivilR) Beck’scher Online-Kommentar BGB, hrsg. v. Bamberger/Roth/Hau/Poseck, Stand: 62. Ed. 5/2022 (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-BGB) Beck’scher Online-Kommentar Insolvenzrecht, hrsg. v. Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Stand: 30. Ed. 15.1.2023 (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-InsR) Beck’scher Online-Kommentar Kostenrecht, hrsg. v. Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/ Diehn, Stand: 37. Ed. 7/2021 (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-KostenR) Beck’scher Online-Kommentar StaRUG, hrsg. v. Skauradszun/Fridgen, Stand: 7. Ed. 1/2023 (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-StaRUG) Beck’scher Online-Kommentar ZPO, hrsg. v. Vorwerk/Wolf, Stand: 41. Ed. 7/2021 (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-ZPO) ___________ *) Themenspezifische Literatur sowie Zeit- und Festschriftenbeiträge siehe die Literaturübersichten zu Beginn der einzelnen Paragraphen.

XXIX

Literaturverzeichnis Beck’sches Mandatshandbuch Arbeitsrecht, hrsg. v. Regh/Fanselow/Jakubowski/Kreplin, 3. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: Beck’sches Mandatshdb. ArbR) Beck’sches Steuerberater-Handbuch, hrsg. v. Pelka, 18. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Beck’sches Steuerberater Hdb.) Berner, Sicherheitenpools der Lieferanten und Banken im Insolvenzverfahren, KTS-Schriftenreihe, (Diss.) 2006 Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, 2021 Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 12. Aufl., 2018 Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 9. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft) Bönner, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Insolvenzverwalters im Vergleich, 2009 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 10. Aufl., 2020 Bork, Sanierungsrecht in Deutschland und England, 2011 Bork/van Zwieten, Commentary on the European Insolvency Regulation, 2016 (zit.: Bearbeiter in: Bork/van Zwieten, EIR) Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Stand: 161. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: Brandis/Heuermann, EStR) Braun, Die vorinsolvenzliche Sanierung von Unternehmen, 2015 Braun, InsO, Kommentar, 8. Aufl., 2020, 9. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: Braun, InsO) Braun, Insolvenzrecht und Unternehmenssanierung, Jahrbuch 2020 Braun, StaRUG, Kommentar, 1. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Braun, StaRUG) Brinkmann, European Insolvency Regulation, Kommentar, 2019 (zit.: Bearbeiter in: Brinkmann, EIR) Bruhn, Kommunikationspolitik – Systematischer Einsatz der Kommunikation für Unternehmen, 8. Aufl., 2015 Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan, 2. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan) Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle, Verhandlungsmanagement, 2. Aufl., 2017 Bunte/Zahrte, AGB-Banken/AGB-Sparkassen/Sonderbedingungen: AGB-Banken, 5. Aufl., 2019 Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Aufl., 2022 Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 6. Aufl., 2022 Creifelds, Rechtswörterbuch, hrsg. v. Weber, 24. Aufl., 2022 Crone/Werner, Handbuch modernes Sanierungsmanagement, 2007 (zit.: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement) Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, 6. Aufl., 2021 Damerius, Konfliktlösung bei der Sanierung von Unternehmen nach dem StaRUG, 2022 Denkhaus/Ziegenhagen, Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz, 4. Aufl., 2021 Desch, Das neue Restrukturierungsrecht – Praxisfragen des StaRUG, 1. Aufl., 2021

XXX

Literaturverzeichnis Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen, 6. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen) Deubert/Meyer/Bernhardt, Rechnungslegung in der Corona-Krise, 2020 Diem/Jahn, Akquisitionsfinanzierungen, 4. Aufl., 2019 Donovan/Mickey, Bayesian Statistics for Beginners, 2019 Duda/Schmittmann, Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz, 2. Aufl., 2021 Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, 3. Aufl., 2019 Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar, 6. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: Düwell, BetrVG) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Kommentar, 4. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB) Eckelt, Der präventive Restrukturierungsrahmen, Europäische Vorgabe und Umsetzungsspielräume für die EU-Mitgliedstaaten, 2020 (zit.: Der präventive Restrukturierungsrahmen) Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998 Ehrmann, Unternehmensplanung, 6. Aufl., 2013 Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, 1999 Eilers/Schwahn, Sanierungssteuerrecht, 2. Aufl., 2020 Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., 2022, 5. Aufl., 2017 (hrsg. v. Schimansky/Bunte/Lwowski) (zit.: Bearbeiter in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Hdb.) Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl., 2019 (zit.: Bearbeiter in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, hrsg. v. Müller-Glöge/Preis/Schmidt, 21. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: ErfK) Ernst/Häcker, Risikomanagement im Unternehmen, 2021 Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, 6. Aufl., 2018 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, Handkommentar, 30. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Fitting u. a., BetrVG) Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., 2019 Flöther, Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG), Kommentar, 1. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Flöther, StaRUG) Frege, Verhandlungserfolg in Unternehmenskrise und Sanierung, 2008 Frintrup, Die Selbstanzeige in der Insolvenz, 2019 Fritzsche, Die Juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag, 2017 Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl., 2021 Glasl, Konfliktmanagement, 2007 Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, 4. Aufl., 2022 Gleißner/Meier, Wertorientiertes Risikomanagement für Industrie und Handel, 2001

XXXI

Literaturverzeichnis Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb.) Graf-Schlicker, InsO, Kommentar, 6. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Graf-Schlicker, InsO) Grigoleit, Aktiengesetz, Kommentar, 2. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Grigoleit, AktG) Grüneberg, BGB, Kommentar, 81. Aufl., 2022, 80. Aufl., 2021 (hrsg. v. Palandt) (zit.: Bearbeiter in: Grüneberg, BGB) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), Kommentar, 6. Aufl., 2019 Hamburger Kommentar zum COVInsAG, hrsg. v. A. Schmidt, 2. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: HambKomm-COVInsAG) Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, hrsg. v. A. Schmidt, 9. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: HambKomm-InsO) Hamburger Kommentar zum Restrukturierungsrecht, hrsg. v. A. Schmidt, 3. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: HambKomm-RestruktR) Harmsen/Reumers, De WHOA: van wet naar recht, 2021 Hartley, Civil Jurisdiction and Judgments in Europe, 2017 Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Kommentar, 5. Aufl., 2021 (zit.: Henssler/Strohn, GesR) Hering/Schuppener, R./Schuppener, N., Kommunikation in der Krise, 2009 Hess, Insolvenzrecht, Großkommentar, 2. Aufl., 2012 f. (zit.: Hess-Bearbeiter, InsR) siehe auch Kölner Kommentar zur Insolvenzordnung Hess, Sanierungshandbuch, 6. Aufl., 2013 Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Hdb. GmbH & Co. KG) Heuer, Psychology of intelligence Analysis, 1999 Heyd/Kautenburger-Behr/Wind, Bilanzierung und Besteuerung in Krise und Insolvenz, 2021 Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters: Dogmatische Grundlagen, verfassungsrechtliche Defizite und rechtspolitische Vorschläge, 2001 (zit.: Die Bestellung des Insolvenzverwalters) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, 3. Aufl., 2022 Hölzle, Verstrickung durch Desinformation, 2012 Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, 2006 (zit.: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Hdb. Unternehmensrestrukturierung) Homuth, Wirksame Krisenkommunikation, 2000 Hopt, HGB, Kommentar, 41. Aufl., 2022, 40. Aufl., 2021 (hrsg. v. Baumbach/Hopt) (zit.: Bearbeiter in: Hopt, HGB) Hüffer/Koch siehe Koch Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, hrsg. v. Henckel/Gerhardt, 2004 ff. Jesch/Striegel/Boxberger, Rechtshandbuch Private Equity, 2. Aufl., 2020 Kahlert, Restrukturierungssteuerrecht, 2022 Kahlert/Kayser/Bornemann, Perspektiven für eine kohärente und praxisgerechte Verzahnung von Steuerrecht und Insolvenzrecht, 2020 XXXII

Literaturverzeichnis Kahneman/Sibony/Sunstein, Noise – Was unsere Entscheidungen verzerrt – und wie wir sie verbessern können, 2021 Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 10. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Kayser/Thole, HK-InsO) Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 5. Aufl., 2021 Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 10. Aufl., 2021 Kluth/Harder/Harig/Kunz, Das neue Restrukturierungsrecht, 2021 Knecht/Hommel/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung, 2. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter in: Knecht/Hommel/Wohlenberg, Hdb. Unternehmensrestrukturierung) Koch, AktG, Kommentar, 16. Aufl., 2022, 15. Aufl., 2021 (hrsg. v. Hüffer/Koch) Köhler, Krisen-PR im Internet, 2006 Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, Kommentar, 9. Aufl., 2019 (zit.: Bearbeiter in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB) Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen, 3. Aufl., 2009 (zit.: Bearbeiter in: Kölner Schrift) König, Charakter, Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung, 2004 Kraemer/Vallender/Vogelsang, Handbuch zur Insolvenz, Loseblatt, Stand: 102. EL 3/2022 (zit.: Bearbeiter in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz) Krystek, Unternehmungskrisen, 1987 Kübler/Prütting/Bork, InsO, Kommentar, Loseblatt, Stand: 95. EL 3/2023 (zit.: Bearbeiter in: KPB, InsO) Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl., 2020 Leipold/Heinze/Stürner/Uhlenbruck, Insolvenzrecht im Umbruch: Analysen und Alternativen, 1991 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl., 2020 Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl., 2017 Madaus, Der Insolvenzplan, 2011 Mai, Insolvenzplanverfahren, 2008 Mankowski/Müller/Schmidt, Jessica, EuInsVO 2015, Kommentar, 2016 Maslow, Motivation und Persönlichkeit, 12. Aufl., 2010 Mast, Unternehmenskommunikation, 8. Aufl., 2020 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 60. Aufl., 2020 (Bearbeiter in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG) Mock/Zoppel, ReO I, Restrukturierungsordnung. Kommentar, 2022 Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, 3. Aufl., 2016 (zit.: Bearbeiter in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz) Morgen, Präventive Restrukturierung, Kommentar, 2. Aufl., 2019 (zit.: Bearbeiter in: Morgen, Präventive Restrukturierung) Morgen, StaRUG, Kommentar, 2. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Morgen, StaRUG) Moss/Fletcher/Isaacs, The EU Regulation on Insolvency Proceedings, 3. Aufl., 2016 Moyer, Distressed Debt Analysis, 2005 XXXIII

Literaturverzeichnis Münch/Kunig, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Münch/Kunig, GG) Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, hrsg. v. Römermann, 4. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter in: MünchAHB GmbH-Recht) Münchener Kommentar zum AktG, hrsg. v. Goette/Habersack, 5. Aufl., 2019 ff. (zit.: Bearbeiter in: MünchKomm-AktG) Münchener Kommentar zum BGB, hrsg. v. Säcker/Rixecker, Bd. 1: 9. Aufl., 2021; Bd. 2 – 13: 8. Aufl., 2018 ff. (zit.: Bearbeiter in: MünchKomm-BGB) Münchener Kommentar zum GmbHG, hrsg. v. Fleischer/Goette, 4. Aufl., 2022, 3. Aufl., 2019 (zit.: Bearbeiter in: MünchKomm-GmbHG) Münchener Kommentar zum HGB, hrsg. v. K. Schmidt/Ebke, Bd. 1, 5: 5. Aufl., 2021, Bd. 2: 5. Aufl., 2022, Bd. 4, 6 – 7: 4. Aufl., 2016 ff. (zit.: Bearbeiter in: MünchKomm-HGB) Münchener Kommentar zum StaRUG, hrsg. v. Stürner/Eidenmüller/Schoppmeyer/ Madaus, 1. Aufl., 2023 (im Erscheinen) (zit.: Bearbeiter in: MünchKomm-StaRUG) Münchener Kommentar zur InsO, hrsg. v. Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, Bd. 1 – 4: 4. Aufl., 2019 ff. (zit.: Bearbeiter in: MünchKomm-InsO) Münchener Kommentar zur ZPO, hrsg. v. Krüger/Rauscher, 6. Aufl., 2020 f. (zit.: Bearbeiter in: MünchKomm-ZPO) Musielak/Voit, ZPO, Kommentar, 18. Aufl., 2021, 17. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Musielak/Voit, ZPO) Nerlich/Römermann, InsO, Kommentar, Loseblatt, Stand: 46. EL 11/2022 (zit.: Bearbeiter in: Nerlich/Römermann, InsO) Nicht, Konzernorganisation und Insolvenz, 2009 Nickert/Kühne, Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz, 2. Aufl., 2019 Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung im Insolvenzrecht, 3. Aufl., 2016 (zit.: Bearbeiter in: Nickert//Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung im Insolvenzrecht) Noack/Servatius/Haas, GmbHG, Kommentar, 23. Aufl., 2022, 22. Aufl., 2019 (hrsg. v. Baumbach/Hueck) (zit.: Bearbeiter in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG) Nomos Handkommentar BGB, Bürgerliches Gesetzbuch, hrsg. v. Schultze, 11. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: NK-BGB) Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl., 2016 Oldiges, Die Haftung des Insolvenzverwalters unter der Business Judgment Rule, 2011 Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 3. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishdb. GmbH-Geschäftsführung) Palandt siehe Grüneberg Palenker, Loan-to-own – Schuldenbasierte Übernahmen in Zeiten moderner Restrukturierungen und mangelnder Gläubigertransparenz, 2019 Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Kommentar, 1. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG)

XXXIV

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XXXV

Literaturverzeichnis Schmolke, Kapitalerhaltung in der GmbH nach dem MoMiG, 2009 Scholz, GmbHG, Kommentar, Bd. 1: 12. Aufl., 2018, Bd. 2 – 3: 12. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Scholz, GmbHG) Schranner, Teure Fehler, 4. Aufl., 2010 Schranner, Verhandeln im Grenzbereich, 8. Aufl., 2009 Schulz von Thun, Miteinander reden, 48. Aufl., 2010 Simon, Persönlichkeitsmodelle und Persönlichkeitstests, 2006 Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, 8. Aufl., 2020 Sölch/Ringleb, UStG, Kommentar, Loseblatt, Stand: 95. EL 6/2022 (zit.: Bearbeiter in: Sölch/Ringleb, UStG) Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl., 2022 Staub, Großkommentar zum HGB, 5. Aufl., 2009 ff. (zit.: Bearbeiter in: Staub, Großkomm-HGB) Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, EGBGB/IPR, 2018 (zit.: Bearbeiter in: Staudinger, BGB) Szyperski/Winand, Handwörterbuch der Planung, 1998 Tetlock/Gardner, Superforcasting, 2016 Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, 4. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht) Thierhoff/Müller, Unternehmenssanierung, 3. Aufl., 2021 Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt, Stand: 172. EL 10/2022 (zit.: Bearbeiter in: Tipke/Kruse, AO/FGO) Tschirk, Bayes-Statistik für Human- und Sozialwissenschaften, 2019 Uhlenbruck, InsO, Kommentar, hrsg. v. Uhlenbruck/Hirte/Vallender, 15. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Uhlenbruck, InsO) Vallender, EuInsVO, Kommentar, 2. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: Vallender, EuInsVO) Verhoeven, Die Konzerninsolvenz, 2011 Virgós/Schmit, Report on the Convention of Insolvency Proceedings, 1996 Wachs, Faktor V – Die fünf Phasen erfolgreichen Verhandelns, 2012 Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien, 12. Aufl., 2011 Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern - Krise, Sanierung und Restrukturierung, 13. Aufl., 2021 Weisbach/Sonne-Neubacher, Professionelle Gesprächsführung, 7. Aufl., 2008 Wicke, GmbHG, Kommentar, 4. Aufl., 2020 Wieczorek/Schütze, ZPO, Großkommentar, 4. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter in: Wieczorek/Schütze, ZPO) Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. II: Recht der Personengesellschaften, 2004 Wilhelm, Sachenrecht, 7. Aufl., 2021

XXXVI

Literaturverzeichnis Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Aufl., 2021 (zit.: Bearbeiter in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen) Wimmer, Frankfurter Kommentar zur InsO, 9. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter in: Wimmer, FK-InsO) Wimmer/Bornemann/Lienau, Die Neufassung der EuInsVO, 2016 Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 8. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter in: Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl, Hdb. FAInsR) Wolgast/Grauer, StaRUG.online, Kommentar, 2. Aufl., 2022 (zit.: Bearbeiter in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online)

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. abl. abw. AEAO AEntG AEUV a. F. AFG AFRG AG AGB-Bk AGG AGInsO AHB ähnl. AktG allg. Alt. AnfG Anh. Anm. AnwBl. AnwK AO AP ArbG ArbGG AuA ausf. Ausschuss R/V

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union ablehnend abweichend Anwendungserlass zur Abgabenordnung Arbeitnehmer-Entsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Arbeitsförderungs-Reformgesetz Aktiengesellschaft (auch Zeitschrift); Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Ausführungsgesetze der Länder zur InsO Anwaltshandbuch ähnlich Aktiengesetz allgemein Alternative Anfechtungsgesetz Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Anwaltskommentar Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeit und Arbeitsrecht ausführlich Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (des Deutschen Bundestages)

BA BaFin BAG BAGE BAKred BAnz BayObLG BB BBiG Begr. BetrAVG BetrVG BFH

Bundesanstalt für Arbeit; Bundesagentur für Arbeit Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz Begründung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof

XXXIX

Abkürzungsverzeichnis BFH/NV BFHE BFuP BG BGB BGBl. BGH BGHZ BilMoG BMF BNotO BörsG BRAO BR-Drucks. BSG BSHG bspw. BStBl. BT-Drucks. BUrlG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. CCZ COMI COREP COVAbmildG COVGesMG

COVInsAG

DAV DB DBW d. h. diff. DiskE DJT

XL

Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundesministerium der Finanzen Bundesnotarordnung Börsengesetz Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Corporate Compliance Zeitschrift centre of main interests Common Solvency Ratio Reporting Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG) Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Die Betriebswirtschaft das heißt differenzierend Diskussionsentwurf Deutscher Juristentag

Abkürzungsverzeichnis DNotZ DÖV DRiZ Drucks. DStR DStZ DZWIR DZWIR

Deutsche Notar-Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (seit 1.1999) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EFZG EG EGAktG EGBGB EGInsO EGV ErfK ErwG EStG ESUG

Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Erwägungsgrund/-gründe Einkommensteuergesetz Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen EU Europäische Union EuGVVO Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuInsVO Europäische Insolvenzverordnung (VO (EU) 2015/848) EuInsVO a. F./2000 Europäische Insolvenzverordnung (VO (EG) Nr. 1346/2000) EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWIV Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung EWR Europäischer Wirtschaftsraum EzA Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht f./ff. FA FG FGO FinDAG FMSA FMStBG

FMStErgG FMStFG FMStG Fn. FR FSB

folgende/folgenden Finanzausschuss (des Deutschen Bundestages) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau Financial Stability Board

XLI

Abkürzungsverzeichnis GBO GebrMG ggf. GenG GesO GewO GewStG GewStR GG GK GKG GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GrS GrStG GRUR GVG GWR

Grundbuchordnung Gebrauchsmustergesetz gegebenenfalls Genossenschaftsgesetz Gesamtvollstreckungsordnung Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz Gemeinschaftskommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz GmbH-Rundschau GmbH-Steuerberater Großer Senat Grundsteuergesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Hdb. HFR HGB HintO HK-InsO h. M. HRV HWK

Handbuch Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung Heidelberger Kommentar zur InsO herrschende Meinung Handelsregisterverfügung Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar

i. d. R. IDW IFG Insg-DA

InsVV InsVZ InVo IPRax i. F. d./v. i. H. i. R. i. S. i. Ü. i. V. m.

in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes Durchführungsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit zum Insolvenzgeld Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung Insolvenz und Vollstreckung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts in der Fassung des/vom in Höhe im Rahmen im Sinne im Übrigen in Verbindung mit

JBl. JMBlNW

Justizblatt/Juristische Blätter Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen

InsNetV

XLII

Abkürzungsverzeichnis JVEG JW JZ

Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KAGG KG KGaA KO KostO KPB KraftStG KredReorgG krit. KSchG KStG KStH KTS

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Konkursordnung Kostenordnung Kübler/Prütting/Bork, InsO-Kommentar Kraftfahrzeugsteuergesetz Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten kritisch Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Hinweise Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen, ab 1989: Zeitschrift für Insolvenzrecht Kreditwesengesetz

KWG LAG LAGE lit. LM LSG MaComp

MaIR MaRisk MDR MitbestG MoMiG MoPeG m. w. N. n. F. NJW n. rkr. n. v. NWB NZA NZA-RR NZG NZI NZM

Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte littera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, von: Lindenmaier/ Möhring Landessozialgericht Mindestanforderungen an Compliance und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Mindestanforderungen für die Interne Revision Mindestanforderungen an das Risikomanagement Monatszeitschrift für Deutsches Recht Mitbestimmungsgesetz Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz) mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift nicht rechtskräftig nicht veröffentlicht Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift zum Miet- und Wohnungsrecht XLIII

Abkürzungsverzeichnis oHG OLG OLGE OLGR OT OVG OWiG

Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte OLG-Report Ohne Tarifbindung Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz

PatG PfandBG PK-InsO PS PSVaG

Patentgesetz Pfandbriefgesetz PräsenzKommentar zur InsO Prüfungsstandard (IDW) Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit

RA Rechtsausschuss (des Deutschen Bundestages) RBerG Rechtsberatungsgesetz RdA Recht der Arbeit RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf Restrukturierungsrichtlinie Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 RFH Reichsfinanzhof RFHE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs RG Reichsgericht RGRK Reichsgerichtsräte-Kommentar RGSt Entscheidungen des Reichsgericht in Strafsachen RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft rkr. rechtskräftig RL Richtlinie Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger RPflG Rechtspflegergesetz Rspr. Rechtsprechung RStruktFG Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds RStruktG Restrukturierungsgesetz RVG Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Rz. Randzahl s./s. a. SanInsFoG SanInsKG SchKG SchVG SchwbG SGb SGB SGG

XLIV

siehe/siehe auch Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen Schweizerisches Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs Schuldverschreibungsgesetz Schwerbehindertengesetz Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz

Abkürzungsverzeichnis Slg.

StBerG Stbg StGB

Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Gerichts erster Instanz Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung so genannt Sozialplangesetz Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) Steuerberatungsgesetz Steuerberatung Strafgesetzbuch

TVG TzBfG

Tarifvertragsgesetz Teilzeitbefristungsgesetz

u. a. U.S.C. Ubg UG UmwG UNCITRAL u. U. UR UrhG UStAE UStG UWG

unter anderem United States Code Die Unternehmensbesteuerung Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Umwandlungsgesetz United Nations Commission in International Trade Law unter Umständen Umsatzsteuerrundschau Urheberrechtsgesetz Umsatzsteuer-Anwendungserlass Umsatzsteuergesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v. a. VAG VerbrKrG VersR VG VGH VglO VGR

vor allem Versicherungsaufsichtsgesetz Verbraucherkreditgesetz Versicherungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vergleichsordnung Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht e. V. Verordnung Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz

SoFFin sog. SozPlG StaRUG

VO VVG VwGO VwVfG WM WP WPg WpHG WPO WpÜG WuB

Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (vormals WertpapierMitteilungen) Wirtschaftsprüfer Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferordnung Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht

XLV

Abkürzungsverzeichnis z. B. ZBB ZfA ZfgK ZGR ZHR ZInsO ZIP ZKW ZPO zust. ZVG ZVI ZZP

XLVI

zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zivilprozessordnung zustimmend Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Zeitschrift für Zivilprozess

1. Teil Allgemeines §1 Das Grundkonzept des StaRUG Bork

I. II. III. IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. V.

Einführung .................................................. 1 Das äußere System des StaRUG................ 5 Dispositionsmaxime ................................... 8 Allgemeine Voraussetzungen.................. 15 Anzeige ....................................................... 16 Antrag ......................................................... 17 Zuständigkeit des Gerichts........................ 18 Restrukturierungsfähigkeit........................ 19 Drohende Zahlungsunfähigkeit ................ 20 Zur nachhaltigen Beseitigung .................... 21 Die Instrumente des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens.............. 22 1. Moratorium (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 (StaRUG) .... 23 2. Vorprüfung (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).... 32 3. Gerichtliche Planabstimmung (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG)...................... 33 4. Gerichtliche Planbestätigung (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG)...................... 37 VI. Sonstige Regelungsbereiche .................... 41

1.

2.

3. 4. 5. 6. 7.

Restrukturierungsplan (§§ 2 – 28 StaRUG) .................................... 42 1.1 Planinhalt (§§ 2 – 16 StaRUG)...... 43 1.2 Planabstimmung (§§ 17 – 28 StaRUG) ........................................ 47 Restrukturierungsbeauftragter (§§ 73 – 83 StaRUG) .................................. 50 2.1 Bestellung von Amts wegen (§§ 73 – 76 StaRUG)...................... 51 2.2 Bestellung auf Antrag (§§ 77 – 79 StaRUG)...................... 56 Beteiligte Gremien (§§ 92, 93 StaRUG)...................................................... 57 Öffentlichkeit (§§ 84 – 88 StaRUG) ......... 59 Anfechtungs- und Haftungsrecht (§§ 89 – 91 StaRUG) .................................. 62 Sanierungsmoderation (§§ 94 – 100 StaRUG) ................................ 65 Vertragsrecht .............................................. 67

Literatur: Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Bork, Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach § 29 StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 38; Bork, Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZIP 2010, 397; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) nach dem Regierungsentwurf aus Gläubigersicht, (Teil I) ZInsO 2020, 2561, (Teil II) ZInsO 2020, 2617; Deppenkemper, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1.1.2021!, ZIP 2020, 2432; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Frind, Überreguliert statt saniert? Zum RefE eines „StaRUG“, ZInsO 2020, 2241; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Haarmeyer/Lissner/Rombach, Neues Sanierungsrecht in Deutschland – Fortschritt oder vertane Chance?, ZInsO 2021, 368; Proske/Streit, Rettende Restrukturierung durch Rechtsrahmen? Lob und Kritik zum Regierungsentwurf des StaRUG, NZI 2020, 969; Riggert, Allgemeine Grundsätze der Stabilisierung nach dem StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 40; Schmidt K., Die Insolvenzrechtsreform nach dem 54. Deutschen Juristentag, KTS 1982, 613; Schmidt K., Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen durch Maßnahmen im Unternehmens-, Arbeits-, Sozial- und Insolvenzrecht, Gutachten D zum 54. DJT, 1982; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Thole, Stabilisierung und vertragsrechtliche Wirkungen des StaRUG, ZRI 2021, 231; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985.

I.

Einführung

Am 1.1.2021 ist das SanInsFoG1) in Kraft getreten, dessen Art. 1 das StaRUG2) enthält. 1 Dieses Gesetz, mit dem die europäische Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz ___________ 1) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 2) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

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§1

1. Teil Allgemeines

(Restrukturierungsrichtlinie)3) umgesetzt worden ist, wendet sich an Unternehmer, gleich ob es sich um eine natürliche Person oder einen Verband4) handelt (§ 30 Abs. 1 StaRUG); ausgenommen sind nur die Unternehmen der Finanzbranche (§ 30 Abs. 2 StaRUG) sowie die Verbraucher, § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG (siehe näher dazu Kühne, HRI I, § 2 Rz. 22 sowie Holzer, HRI I, § 7 Rz. 13). Es will einem drohend zahlungsunfähigen (§ 29 Abs. 1 StaRUG; siehe unten Rz. 4) Schuldner helfen, sein Unternehmen zu sanieren, vornehmlich dadurch, indem es ihm Unterstützung beim Zustandekommen eines Restrukturierungsplanes anbietet. 2 Das StaRUG enthält kein durchdekliniertes Verfahren, das mit einem Antrag beginnt, einen zwingend vorgegebenen Verlauf nimmt und mit einer gerichtlichen Entscheidung endet. Wie sich vor allem aus § 29 Abs. 3 StaRUG ergibt, stellt der Gesetzgeber dem sanierungswilligen Schuldner vielmehr einen Werkzeugkasten zur Verfügung, aus dem er sich die gerichtlichen Maßnahmen aussuchen kann, die er zur Förderung seines Restrukturierungsvorhabens benötigt. Es liegt also ganz beim Schuldner, ob er diese tool box überhaupt nutzt, welche der darin befindlichen Instrumente er in Anspruch nimmt und welche Gläubiger er bei der Anwendung der Instrumente mit einbezieht. Das gibt ihm größtmögliche Flexibilität und zugleich die Möglichkeit einer maßgeschneiderten gerichtlichen Unterstützung der Sanierung. 3 Die vier Hauptinstrumente sind in § 29 Abs. 2 StaRUG aufgelistet. Hier geht der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass der Schuldner mit seinen Gläubigern über eine einvernehmliche Sanierungslösung oder einen Restrukturierungsplan verhandelt und dabei gerichtliche Unterstützung gebrauchen kann. Der Schuldner kann dazu – alternativ oder kumulativ – ein Moratorium (§§ 4 ff. StaRUG), die Vorprüfung von für die Bestätigung eines Restrukturierungsplanes erheblichen Vorfragen (§§ 47 f. StaRUG), eine gerichtliche Planabstimmung (§§ 45 f. StaRUG) und die gerichtliche Planbestätigung (§§ 60 ff. StaRUG) beantragen. Daneben gibt es vorbereitende und flankierende gerichtliche Maßnahmen, insbesondere die Bestellung eines Sanierungsmoderators (§§ 94 ff. StaRUG) oder eines Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73 ff. StaRUG) oder die Einsetzung eines Gläubigerbeirats (§ 93 StaRUG). 4 Allerdings kann der Schuldner auf das Instrumentarium des StaRUG grundsätzlich nur dann zugreifen, wenn er drohend zahlungsunfähig ist, § 29 Abs. 1 StaRUG (siehe auch unten Rz. 20 sowie Holzer, HRI I, § 9). Befindet er sich in einer Krise, ohne schon drohend zahlungsunfähig zu sein, ist ihm der Weg über das StaRUG verschlossen; es bleibt dann nur der Versuch, mit den Gläubigern eine außergerichtliche Lösung zu erzielen. Umgekehrt darf der Schuldner aber auch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sein. Hat die Krise das Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit bereits verlassen, kann die Sanierung nur in einem Insolvenzverfahren versucht werden, das ggf. in Eigenverwaltung zu führen ist. Tritt die materielle Insolvenz während des StaRUG-Verfahrens ein, ist dies dem Restrukturierungsgericht anzuzeigen (§ 32 Abs. 3 StaRUG) und das StaRUG-Verfahren grundsätzlich aufzuheben (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG). Der Korridor, in dem die Restrukturierung unter dem StaRUG angegangen werden kann, ist daher – je nach Lage des Einzel___________ 3) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 4) § 30 Abs. 1 Satz 1 StaRUG spricht von den „insolvenzfähigen“ Schuldnern. Das umfasst neben den natürlichen Personen alle in §§ 11, 12 InsO genannten Verbände, also die juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO), auch die des öffentlichen Rechts (§ 12 InsO), ebenso wie die Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO).

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§1

Das Grundkonzept des StaRUG

falles – ziemlich eng. Das erfordert eine gute Vorbereitung und entschlossenes Handeln der Beteiligten, insbesondere des Schuldners und seiner Berater. II.

Das äußere System des StaRUG

Der Aufbau des Gesetzes ist nicht gerade übersichtlich.5) Insbesondere die „Zerstücke- 5 lung“6) der Vorschriften über den Restrukturierungsplan ist nicht gerade hilfreich. Auch die Sprache des StaRUG ist selbst für einen Fachjuristen kompliziert.7) Es ist daher nicht leicht, sich in diesem Gesetz zurechtzufinden. Nach dem äußeren System hat das StaRUG vier Teile. Es beginnt mit einem kurzen, nur 6 aus einem Paragraphen bestehenden Teil über Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement (§ 1 StaRUG), gefolgt von dem eigentlichen Hauptteil, der sich mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen befasst (§§ 2 – 93 StaRUG). Der dritte Teil ist der Sanierungsmoderation (§§ 94 – 100 StaRUG), der vierte den Frühwarnsystemen gewidmet (§§ 101, 102 StaRUG)8). Im Vordergrund steht der im zweiten Teil geregelte Stabilisierungs- und Restrukturie- 7 rungsrahmen. Dieser Teil ist in fünf Kapitel gegliedert. Das erste befasst sich mit dem Restrukturierungsplan (§§ 2 – 28 StaRUG) und enthält Abschnitte über die gestaltbaren Forderungen (§§ 2 – 4 StaRUG), den Inhalt des Plans (§§ 5 – 16 StaRUG) und die Abstimmung über den Plan (§§ 17 – 28 StaRUG). Das zweite Kapitel regelt die Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente (§§ 29 – 72 StaRUG), zunächst mit allgemeinen Bestimmungen (§§ 29 – 44 StaRUG), dann mit Vorschriften (erneut) über die (gerichtliche) Planabstimmung (§§ 45, 46 StaRUG), die Vorprüfung (§§ 47, 48 StaRUG), das „Stabilisierung“ genannte Moratorium (§§ 49 – 59) und die gerichtliche Planbestätigung (§§ 60 – 72 StaRUG). Im dritten Kapitel geht es um den Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73 – 83 StaRUG), im vierten um die Öffentlichkeit des Verfahrens (§§ 84 – 88 StaRUG), im fünften um das Anfechtungs- und Haftungsrecht bei Scheitern der Sanierung in einer Folgeinsolvenz (§§ 89 – 91) und im sechsten schließlich um die Arbeitnehmerbeteiligung und den Gläubigerbeirat (§§ 92, 93 StaRUG). III.

Dispositionsmaxime

Aus den einleitenden Ausführungen ergibt sich, dass das StaRUG ganz streng von der Dis- 8 positionsmaxime beherrscht wird. Ob und in welchem Ausmaß es in Anspruch genommen wird, liegt allein beim Schuldner.9) Das verlangt ihm verschiedene Entscheidungen ab. Die erste Entscheidung betrifft die Frage, ob überhaupt gerichtliche Hilfe in Anspruch 9 genommen werden soll. Es steht dem Schuldner jederzeit, auch im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit, frei, eine in jeder Hinsicht außergerichtliche Sanierung zu versuchen. Zu diesem Zweck kann er sich mit den wichtigsten Gläubigern, deren Mitwirkung er bei der Restrukturierung braucht, ins Benehmen setzen und versuchen, sie im Verhandlungswege dazu zu bewegen, die erforderlichen Sanierungsbeiträge wie etwa Stundungen, Forderungsverzichte, Erweiterung von Kreditlinien, den Verzicht auf oder den Austausch von Sicherheiten oder die Übernahme gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen zu akzeptieren. Wie ___________ 5) Kritik an der Systematik auch bei Frind, ZInsO 2020, 2241; Haarmeyer/Lissner/Rombach, ZInsO 2021, 368, 369 f. 6) Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2433. 7) Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2442. 8) Auf den ersten und vierten Teil wird im Folgenden nicht weiter eingegangen. S. dazu näher Nickert, HRI I, §§ 5, 6. 9) Vgl. Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2561, 2571 – das Verfahren sei „schuldnergetrieben“.

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§1

1. Teil Allgemeines

noch zu zeigen sein wird, können auch solche außergerichtlichen Restrukturierungsbemühungen mit den Maßnahmen des StaRUG unterstützt werden (siehe unten Rz. 21). Zwingend notwendig ist das aber nicht und es liegt ganz beim Schuldner, ob er diese Unterstützung in Anspruch nehmen will oder nicht. 10 Wenn sich der Schuldner für die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe entscheidet, dann muss er als nächstes überlegen, ob er sich aus dem Werkzeugkasten des StaRUG bedienen will oder ob die Einleitung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung vorzugswürdig ist.10) Für beide Wege kann es gute Gründe geben. Letztlich wird es vom Grad der Krise, der Erwartbarkeit des baldigen Eintritts von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, der notwendigen Einbeziehung von Arbeitnehmerforderungen, der Absicherung von Sanierungskrediten durch Rangprivilegien, der Inanspruchnahme von Insolvenzgeld oder der besonderen leistungswirtschaftlichen Instrumente der InsO, insbesondere der §§ 103 ff. InsO, abhängen, ob die Werkzeuge des StaRUG genügen oder ob die Sanierung in Eigenverwaltung vorzuziehen ist. Die Restrukturierung nach dem StaRUG kommt daher nur in Betracht, wenn der Schuldner das Restrukturierungsvorhaben dem Restrukturierungsgericht anzeigt (§ 31 StaRUG) und damit die Grundlage für die Anordnung einzelner Restrukturierungsmaßnahmen schafft. Ohne einen solchen Dispositionsakt des Schuldners findet ein StaRUG-Verfahren nicht statt. 11 Entscheidet sich der Schuldner für das StaRUG, ist als erstes zu überlegen, welche gerichtliche Unterstützung gebraucht wird. Denkbar ist, dass nur minimalinvasive Maßnahmen benötigt werden, etwa die Bestellung eines Sanierungsmoderators (§§ 94 ff. StaRUG), der nur die Gespräche des Schuldners mit den betroffenen Gläubigern moderieren und ggf. das Gericht bei späteren Entscheidungen, insbesondere über die Bestätigung eines im Zuge der moderierten Verhandlungen zustande gekommenen Restrukturierungsplanes, sachverständig unterstützen soll. Denkbar ist aber auch, dass schwerere Geschütze aufgefahren werden müssen, bis hin zur Anordnung eines umfassenden Moratoriums (§§ 49 ff. StaRUG) kombiniert mit einem gerichtlichen Restrukturierungsplanverfahren (§§ 23, 45 f., 60 ff. StaRUG). 12 Die angestrebte Sanierungslösung kann zwischen dem Schuldner und den beteiligten Gläubigern vertraglich vereinbart (§§ 17 ff. StaRUG)11) oder im Abstimmungswege getroffen (§§ 20 ff. StaRUG) und dann, wo erforderlich und gewünscht, vom Gericht bestätigt werden (§§ 29 Abs. 2 Nr. 4, 60 ff. StaRUG). Welches Mittel der Schuldner wählen muss, hängt von der konkreten Lage des Einzelfalles ab, insbesondere davon, welche Widerstände von Gläubigerseite zu erwarten sind. Jedenfalls entscheidet allein der Schuldner durch entsprechende Anträge (§§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 47 Satz 1, 49 Abs. 1, 60 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1, 84 Abs. 1 Satz 1, 94 Abs. 1 Satz 1 StaRUG), über welche Restrukturierungsmaßnahmen das Gericht entscheiden soll. 13 Außerdem muss sich der Schuldner überlegen, ob die Restrukturierungssache in dem Sinne öffentlich geführt werden soll, dass gerichtliche Maßnahmen öffentlich bekanntzumachen sind (§§ 84 – 88 StaRUG). Grundsätzlich ist für Sanierungsverhandlungen von Vorteil, wenn sie diskret, nur mit den betroffenen Gläubigern und ohne große öffentliche Aufmerksamkeit geführt werden. Dem trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass es die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens in das Ermessen des Schuldners stellt (§ 84 Abs. 1 StaRUG); siehe auch unten Rz. 52 ff. 14 Damit ist übergeleitet zur letzten notwendigen Entscheidung, nämlich hinsichtlich der Frage, welche Gläubiger von den beantragten Maßnahmen betroffen sein sollen. Es ist zwar ___________ 10) Ausführlich dazu Bork, ZRI 2021, 345, 360 f. 11) Näher dazu Desch, BB 2020, 2498, 2503 ff.

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§1

Das Grundkonzept des StaRUG

grundsätzlich möglich, das Moratorium (§ 49 Abs. 2 Satz 2 StaRUG) oder das Restrukturierungsverfahren (§ 8 StaRUG) im Verhältnis zu allen Gläubigern zu beantragen. Das Gesetz stellt es dem Schuldner aber auch frei, die Maßnahmen – nach Maßgabe der Erforderlichkeit12) – nur gegen einzelne Gläubiger oder bestimmte Gläubigergruppen zu beantragen. Gibt es bspw. nur einen Gläubiger, der sich im Besitz eines Vollstreckungstitels befindet und damit droht, die Sanierungsverhandlungen durch Zwangsvollstreckung zu torpedieren, dann genügt es, die Vollstreckungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG nur gegen diesen Gläubiger zu beantragen. Soll, um ein anderes Beispiel zu wählen, die Sanierung nur mit Hilfe der beteiligten Banken durchgeführt werden und sind bis auf eine Bank alle anderen bereit, die bisherigen Zinssätze zu senken, auf einen Teil der aufgelaufenen Zinsen zu verzichten und den Kredit i. Ü. für ein Jahr zu prolongieren, dann genügt es, einen Restrukturierungsplan mit den entsprechenden Maßnahmen zur Abstimmung zu stellen, der nur die Gruppe der Banken vorsieht, die dann die obstruierende Bank nach Maßgabe der §§ 25 ff. StaRUG überstimmen können. Daraus folgt, dass es sich bei einem Verfahren unter dem StaRUG – und anders als bei einem Insolvenzverfahren – nicht um ein Gesamt- oder Kollektivverfahren handelt, das alle Gläubiger betrifft.13) Es kann zwar in besonders gelagerten Konstellationen gesamtverfahrensähnliche Züge annehmen.14) Der Regelfall ist das aber nicht. IV.

Allgemeine Voraussetzungen

Aus den vorstehenden Überlegungen lassen sich die allgemeinen Voraussetzungen für ge- 15 richtliche Unterstützungsmaßnahmen ableiten. Sie sind in verdichteter Form vor allem in § 29 Abs. 1 StaRUG enthalten. Diese Norm bestimmt, dass der Schuldner „zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO“ die im zweiten Absatz näher bestimmten Verfahrensinstrumente in Anspruch nehmen kann. Das ist einerseits eine Programmvorschrift, aus der sich aber andererseits allgemeine Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Sanierungsinstrumente ablesen lassen, die sich auch in weiteren Normen des StaRUG wiederfinden. 1.

Anzeige

Aus dem Wort „kann“ ergibt sich bereits, dass die Sanierungsinstrumente des § 29 Abs. 2 16 StaRUG nur dann aktiviert werden können, wenn der Schuldner dies will. Die Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist, wie unter dem Stichwort „Dispositionsmaxime“ bereits erläutert (siehe oben Rz. 8 f.), freiwillig. Gläubiger haben also kein Initiativrecht. Das Gesetz formalisiert das in § 31 StaRUG mit der Voraussetzung einer allgemeinen Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Gericht (siehe näher dazu unten Holzer, HRI I, § 7). Diese begründet nach §§ 32, 42 f. StaRUG bestimmte Verpflichtungen des Schuldners bzw. seiner Organe, insbesondere die Pflicht zur rechtzeitigen Anzeige der Insolvenzreife beim Restrukturierungsgericht.

___________ 12) Vgl. vor allem §§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StaRUG. 13) Zutr. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 89, 90, ferner zu einzelnen Normen S. 139, 172 und öfter. 14) Die Begr. des RegE spricht an verschiedenen Stellen auch von einem „teilkollektiven“ Verfahren, womit gemeint ist, dass in aller Regel zwar nicht alle Gläubiger, aber eben auch nicht nur einzelne Gläubiger, sondern Gläubigergruppen betroffen sind; vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114, 117, 129 und öfter. Krit. zum „Spagat zwischen teilkollektiven Verfahren und Quasi-Gesamtverfahren“ und den dadurch verursachten Friktionen Skauradszun, KTS 2021, 1, 39 ff.

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§1 2.

1. Teil Allgemeines Antrag

17 Außerdem folgt aus der Freiwilligkeit, dass das konkret angestrebte Sanierungsinstrument beantragt werden muss. Diese Voraussetzung findet sich in §§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 47 Satz 1, 49 Abs. 1, 60 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1, 84 Abs. 1 Satz 1, 94 Abs. 1 Satz 1 StaRUG wieder. Wie nach § 308 ZPO gilt auch hier, dass das Gericht nichts anordnen kann, was der Schuldner nicht beantragt hat. 3.

Zuständigkeit des Gerichts

18 Die nach dem StaRUG möglichen Anträge sind beim zuständigen Restrukturierungsgericht zu stellen.15) Einzelheiten ergeben sich aus §§ 34 ff. StaRUG. Sachlich zuständig ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 StaRUG grundsätzlich das AG, in dessen Bezirk ein OLG seinen Sitz hat, für den Bezirk dieses OLG. Abweichungen können sich aus § 34 Abs. 1 Satz 2 StaRUG sowie nach Maßgabe von § 34 Abs. 2 StaRUG aus Rechtsverordnungen der Bundesländer ergeben. Für die örtliche Zuständigkeit bestimmt § 35 StaRUG die Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts, in dessen Bezirk der Schuldner den Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, hilfsweise seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Für Konzernsachverhalte sieht § 37 StaRUG einen Gruppengerichtsstand vor. 4.

Restrukturierungsfähigkeit

19 Einem Schuldnerantrag kann gemäß § 30 StaRUG nur stattgegeben werden, wenn der Schuldner restrukturierungsfähig ist. Damit ist nicht gemeint, dass die Restrukturierung möglich sein oder Aussicht auf Erfolg haben muss (siehe dazu unten Kühne, HRI I, § 2 Rz. 22 sowie Holzer, HRI I, § 7 Rz. 13). Vielmehr entspricht der Begriff der Restrukturierungsfähigkeit dem der Rechtsfähigkeit im Bürgerlichen Recht (§ 1 BGB), dem der Parteifähigkeit im Zivilprozessrecht (§ 50 ZPO) sowie dem der Insolvenzfähigkeit im Insolvenzrecht (§§ 11, 12 InsO). Es geht also um die Frage, wer als Schuldner Beteiligter in einem Restrukturierungsverfahren sein und damit Träger von den im StaRUG geregelten Rechten und Pflichten sein kann. Wie bereits dargelegt (siehe oben Rz. 1), sind nur Unternehmer gleich welcher Rechtsform restrukturierungsfähig. Anträge von Verbrauchern (sowie der in § 30 Abs. 2 StaRUG genannten Finanzdienstleister) sind folglich als unzulässig zurückzuweisen. 5.

Drohende Zahlungsunfähigkeit

20 Gerichtliche Hilfe bekommt der Schuldner sodann nur, wenn er i. S. von § 18 Abs. 2 InsO drohend zahlungsunfähig ist (siehe zu den Details Holzer, HRI I, § 9).16) Das ist der Fall, wenn er voraussichtlich – zugrunde zu legen ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten – nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Befindet er sich in einer Krise, ohne dass dieser Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt, bleibt nur die außergerichtliche Sanierung, die das Gesetz allerdings mit dem in §§ 4 ff. StaRUG geregelten Restrukturierungsplan unterstützt (siehe dazu unten Rz. 42 ff.). Ist er bereits überschuldet oder zahlungsunfähig, kann die Sanierung nur über das Insolvenzverfahren erfolgen (siehe dazu bereits oben Rz. 4). Tritt die materielle Insolvenz im Laufe des StaRUG-Verfahrens ein, ist dies dem Restrukturierungsgericht anzuzeigen (§ 32 Abs. 3 StaRUG) und das StaRUG-Verfahren grundsätzlich aufzuheben (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG); siehe oben Rz. 4 sowie unten Holzer, HRI I, § 13. ___________ 15) Näher zur Rolle des Restrukturierungsgerichts unter dem StaRUG s. unten Graf-Schlicker, HRI I, § 8. 16) Beispiel: AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378; dazu Thole, NZI 2021, 433, 436 f. (Urteilsanm.).

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§1

Das Grundkonzept des StaRUG 6.

Zur nachhaltigen Beseitigung

Erforderlich ist nach § 29 Abs. 1 StaRUG schließlich, dass die beantragte gerichtliche Un- 21 terstützung der nachhaltigen Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit dient. Dem Kriterium der „nachhaltigen Beseitigung“ kommt nur die Bedeutung einer Zielbestimmung ohne Rechtsfolge zu. Sie dient als Auslegungshilfe bei wertausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen wie der Schlüssigkeit der Restrukturierungsplanung oder einer Aussichtslosigkeit des Restrukturierungsvorhabens i. S. der §§ 63 Abs. 2, 51 Abs. 1 StaRUG, aber auch bei der Prüfung der Bestandsfähigkeitserklärung nach § 14 Abs. 1 StaRUG i. R. des § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG.17) Wann eine Beseitigung als nachhaltig anzusehen ist, sagt weder das Gesetz noch der Gesetzesentwurf. Insoweit liegt eine Orientierung an dem Drei-Jahre-Zeitraum des § 33 Abs. 2 Satz 2 StaRUG nahe.18) V.

Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

§ 29 Abs. 2 StaRUG listet die vier wichtigsten (Kern-)Instrumente des Stabilisierungs- und 22 Restrukturierungsrahmens auf. Aus dem Katalog kann der Schuldner nach Maßgabe der vorstehend beschriebenen allgemeinen Voraussetzungen auswählen und einzelne Maßnahmen unabhängig voneinander beantragen (§ 29 Abs. 3 StaRUG). Das hat u. a. zur Folge, dass der Schuldner nicht etwa zwingend ein gerichtliches Restrukturierungsplanverfahren durchführen muss. Er kann also z. B. mit den Gläubigern eine außergerichtliche Lösung anstreben, die letztlich in einen einvernehmlichen Restrukturierungsvertrag (§§ 17 ff. StaRUG) oder in eine außergerichtliche Planabstimmung (§§ 20 ff. StaRUG) mündet, zur Absicherung der Verhandlungen aber gleichwohl ein Moratorium (§§ 49 ff. StaRUG) beantragen. Denkbar ist auch, wie sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ohne weiteres ergibt, gemäß §§ 47 f. StaRUG eine für das Gläubigerverhalten wichtige Vorfrage gerichtlich klären zu lassen, etwa das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG), nach deren Klärung aber von weiterer gerichtlicher Unterstützung abzusehen, weil bisher opponierende Gläubiger ihren Widerstand aufgeben und sich jetzt eine einvernehmliche Lösung abzeichnet. Richtet man sich nicht nach der Reihenfolge des § 29 Abs. 2 StaRUG, sondern tastet man sich gleichsam chronologisch vor, dann kann zu den einzelnen Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in einem Überblick das Folgende ausgeführt werden.19) 1.

Moratorium (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG)

In der Regel wird der Schuldner, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, Vorge- 23 spräche geführt haben und es wird sich dabei schon herausgeschält haben, dass bestimmte Gläubiger an der Sanierungslösung nicht mitwirken wollen. Handelt es sich dabei um Gläubiger mit titulierten oder gesicherten Forderungen, kann die Durchsetzung der Gläubigerrechte die Restrukturierung gefährden. Dem trägt der Gesetzgeber in §§ 49 ff. StaRUG dadurch Rechnung, dass er es dem Schuldner ermöglicht, sich durch ein Moratorium befristeten Schutz gegen diese Rechtsdurchsetzung und damit eine Atempause für ungestörte Verhandlungen zu verschaffen20) (ausführlich unten Prütting, HRI I, § 16). Es handelt sich um ein für die Gläubiger besonders einschneidendes, aufgrund seiner zahlreich zu beachtenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen aber auch um ein besonders komplexes Instrument. ___________ 17) 18) 19) 20)

So zutreffend Thole, ZIP 2020, 1985, 1990 f. Vgl. aber Riggert, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 40, 41. So überzeugend Thole, ZIP 2020, 1985, 1991. Die folgenden Ausführungen finden sich auszugsweise auch bei Bork, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 38 ff. Beispiel: AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234.

Bork

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§1

1. Teil Allgemeines

Das Moratorium entspricht mutatis mutandis der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im vorläufigen Insolvenzverfahren nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 5 InsO. 24 Terminologisch vermeidet das Gesetz den Begriff „Moratorium“ und spricht stattdessen von einer „Stabilisierungsanordnung“, die in zwei – auch hier kumulativ oder alternativ möglichen – Erscheinungsformen geregelt ist.21) Nach § 49 Abs. 1 StaRUG kann das Gericht auf Antrag (§ 50 StaRUG) 

eine Vollstreckungssperre (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und/oder



eine Verwertungssperre für Aus- oder Absonderungsrechte für das bewegliche Vermögen anordnen (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 54 StaRUG),

sei es für einzelne, sei es für alle22) Gläubiger23). 25 Dem Antrag sind nach § 50 StaRUG in Anlehnung an die nunmehr für die Eigenverwaltung geltenden Regelungen24) ausführliche Unterlagen und Erklärungen beizufügen. Sie entfalten ihre Bedeutung i. R. der materiellen Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung (§ 51 StaRUG). Nach § 51 Abs. 2 StaRUG hängt von dem Erklärungsinhalt ab, ob das Gericht die Fähigkeit und Bereitschaft des Schuldners zu prüfen hat, seine Geschäftsführung am Interesse der Gläubigergesamtheit auszurichten. Nur dann vermag er nämlich in den Genuss einer Stabilisierungsanordnung zu gelangen, falls sich in dem Erklärungsinhalt einer der in § 50 Abs. 2 StaRUG genannten gläubigergefährdenden Aspekte manifestiert. 26 Im Übrigen muss die Restrukturierungsplanung schlüssig und vollständig sein (§ 51 Abs. 1 StaRUG). Dem Gericht soll hier wegen der regelmäßig anzunehmenden Eilbedürftigkeit nur eine Plausibilitätskontrolle zukommen.25) Das Gesetz geht angesichts der engen Versagungsvoraussetzungen damit grundsätzlich von einer Stattgabe aus.26) Beruht die Anordnung auf unzutreffenden Angaben, trifft die Organe des Schuldners, neben der ohnehin bestehenden Haftung nach § 43 StaRUG, die besondere Haftung aus § 57 StaRUG. 27 Bei den Rechtsfolgen einer solchen Stabilisierungsanordnung ist zunächst zu konstatieren, dass beide Anordnungsvarianten eine Anordnungsdauer von maximal drei Monaten gemeinsam haben (§ 53 Abs. 1 StaRUG).27) Es können aber Neu- und Folgeanordnungen nach §§ 53 Abs. 2 bis 4, 52 StaRUG beantragt werden, wodurch der Anordnungszeitraum auf bis zu acht Monate verlängert werden kann (§ 53 Abs. 3 StaRUG). 28 Das wird flankiert durch § 58 StaRUG, demzufolge Insolvenzanträge durch Gläubiger zwar zulässig bleiben,28) das Verfahren darüber aber für die Dauer des Moratoriums ausgesetzt wird. Allerdings können betroffene Gläubiger nach § 59 Abs. 2 StaRUG die Aufhebung der Anordnung beantragen, wenn sie einen der in § 59 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StaRUG niedergelegten Aufhebungsgründe glaubhaft machen können, insbesondere die Insolvenz___________ 21) Näher dazu Bork, ZRI 2021, 345, 350 m. Fn. 62. 22) Wenn alle Gläubiger erfasst werden sollen, wird im Regelfall von Amts wegen ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt (§ 73 Abs. 1 Nr. 2). 23) Gemeint sind die potentiell, nicht unbedingt konkret planbetroffenen Gläubiger (arg. §§ 49 Abs. 2, 57 Abs. 2 Satz 2). 24) Vgl. hierzu §§ 270a, 270f Abs. 1, 270b InsO n. F. Beachtung verdient insbesondere § 270b Abs. 2 Nr. 2 InsO, der zu einem Ausschluss des Eigenverwaltungsverfahren führen kann, wenn die Sanierung im Wege des StaRUG unter erfolgter Inanspruchnahme einer Stabilisierungsanordnung gescheitert ist. 25) Begr. RegE SanInsFoG z. § 58 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 26) So auch Desch, BB 2020, 2498, 2508. 27) Zur Ausnahme nach § 51 Abs. 1 Satz 3 siehe AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234, 235. 28) Auch der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wird durch die Vollstreckungssperre nicht gehindert; vgl. Thole, ZRI 2021, 231, 232.

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§1

Das Grundkonzept des StaRUG

reife des Schuldners. Im Übrigen ist aber zwischen Vollstreckungs- und Verwertungssperre zu unterscheiden. Im Gegensatz zu § 21 Abs. 1 Nr. 3 InsO bezieht sich die Vollstreckungssperre gemäß § 49 29 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG sowohl auf die Mobiliar- als auch auf die Immobiliarzwangsvollstreckung.29) Angeordnet wird sie in beiden Fällen vom Restrukturierungsgericht; umgesetzt wird sie aber von den Vollstreckungsorganen, im Falle der Immobiliarzwangsvollstreckung nach § 30g ZVG also durch das Vollstreckungsgericht. Die Anordnung hat zur Folge, dass bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungen einstweilen eingestellt werden. Neue Zwangsvollstreckungen sind „untersagt“. Entsprechende Vollstreckungsanträge sind also als unzulässig zurückzuweisen. Die in § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zugelassene Verwertungssperre bezieht sich sowohl auf 30 (künftige) Aussonderungs- als auch auf Absonderungsrechte. Sie kann aber nur für Mobilien angeordnet werden, so dass bspw. der Vermieter der Betriebsimmobilie nach Kündigung des Mietvertrages nicht gehindert werden kann, die Immobilie herauszuverlangen. In jedem Fall ist § 54 StaRUG zu beachten. Die Norm beruht auf dem Gedanken, dass der Schuldner nicht besser stehen soll als in einem vorläufigen Insolvenzverfahren.30) Nach § 54 Abs. 1 StaRUG ist der Schuldner daher ähnlich § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO dazu verpflichtet, dem Gläubiger geschuldete Zinsen zu zahlen sowie einen etwaigen Wertverlust auszugleichen, soweit mit einer Befriedigung zu rechnen wäre. Außerdem hat der Schuldner nach § 54 Abs. 2 StaRUG die Erlöse aus den Aus- oder Absonderungsrechten unterscheidbar zu verwahren oder auszukehren, es sei denn, er trifft eine anderweitige Vereinbarung mit dem jeweiligen Gläubiger.31) Daneben treten vertragsrechtliche Wirkungen (§ 55 StaRUG).32) Sie knüpfen allein an 31 den Erlass einer Stabilisierungsanordnung an, bedürfen also weder eines Antrages noch einer richterlichen Anordnung und sie treten sowohl bei einer Vollstreckungs- als auch bei einer Verwertungssperre ein. Nach § 55 Abs. 1 StaRUG ist es einem Gläubiger versagt, sich allein wegen einer rückständigen Leistung auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB (wegen § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG nicht aber nach § 320 BGB) oder ein Kündigungsrecht zu berufen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Schuldner – was zu vermuten ist – auf die Leistung angewiesen ist (§ 55 Abs. 2 StaRUG). Außerdem kann ein vorleistungspflichtiger Gläubiger nach § 55 Abs. 3 Satz 1 StaRUG Sicherheit für seine Vorleistung verlangen. Schließlich gestattet § 55 Abs. 3 Satz 2 StaRUG die Darlehenskündigung nach § 490 BGB. 2.

Vorprüfung (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG)

§§ 29 Abs. 2 Nr. 2, 47, 48 StaRUG ermöglichen dem Schuldner eine gerichtliche Vorprü- 32 fung für die spätere Planbestätigung wesentlicher Fragen (siehe näher dazu Graf-Schlicker, HRI I, § 30). Eine solche Vorprüfung kann gemäß § 46 StaRUG in ein gerichtliches Planabstimmungsverfahren eingebunden sein.33) Sie kann aber, wie sich aus der ausdrücklichen Anordnung in § 47 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ohne weiteres ergibt, auch ganz unabhängig davon beantragt werden, ob eine gerichtliche Planbestätigung beabsichtigt ist. Die Vorprüfung kann daher auch ein außergerichtliches Planabstimmungsverfahren nach §§ 19 ff. StaRUG begleiten und selbst dann beantragt werden, wenn es noch keine konkreten Vorstellungen ___________ 29) 30) 31) 32) 33)

Riggert in: Braun, StaRUG, § 49 Rz. 3. Begr. RegE SanInsFoG z. § 64 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 185. Die Regelung knüpft an BGH v. 24.1.2019 – IX ZR 110/17, BGHZ 221, 10 = NJW 2019, 1940 an. Dazu Thole, ZRI 2021, 231, 235 ff. Vgl. AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236, 237.

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§1

1. Teil Allgemeines

über ein solches Verfahren gibt. Wie sich aus § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG sowie indirekt auch aus § 48 Abs. 1 StaRUG ergibt, muss es aber immerhin schon den – der Anzeige nach § 31 StaRUG beizufügenden – Entwurf eines Restrukturierungsplanes geben, denn sonst können die Planbetroffenen, die nach dieser Vorschrift anzuhören sind, nicht ermittelt werden. Die daraufhin gemäß § 48 Abs. 2 StaRUG ergehenden Hinweisbeschlüsse34) erzeugen i. Ü., ebenso wie die in dem im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren möglichen Vorprüfungstermin erlassenen, keine Bindungswirkung.35) 3.

Gerichtliche Planabstimmung (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG)

33 Ein weiteres bedeutsames Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist die gerichtliche Planabstimmung nach §§ 45 f. StaRUG (siehe ausführlich unten HRI I, §§ 31 – 35). Die Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Schuldner die Planabstimmung nach §§ 19 ff. StaRUG auch selbst organisieren kann, sie also nicht einem gerichtlichen Verfahren anvertrauen muss. Das gilt auch dann, wenn der Plan später gerichtlich bestätigt werden soll. Umgekehrt kann die gerichtliche Planabstimmung auch dann beantragt werden, wenn eine spätere Planbestätigung des Abstimmungsergebnisses durch das Restrukturierungsgericht nicht beabsichtigt ist. 34 Auch wenn das in § 45 StaRUG nicht ausdrücklich gesagt wird, setzt das gerichtliche Abstimmungsverfahren einen Restrukturierungsplan voraus, der den Anforderungen der §§ 5 ff. StaRUG genügt (siehe dazu Rz. 42 ff.). Diese Vorschriften regeln, ganz vergleichbar den entsprechenden Regelungen in §§ 219 ff. InsO, im Wesentlichen die Gliederung des Restrukturierungsplans in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil, die Einteilung der Gläubiger in Gruppen36) und die dem Plan beizufügenden Unterlagen. 35 Ebenfalls ähnlich dem Insolvenzverfahren wird im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren auf Antrag vom Gericht ein Termin bestimmt, in dem der Restrukturierungsplan sowie das Stimmrecht der planbetroffenen Gläubiger erörtert werden und sodann eine Abstimmung erfolgt (§ 45 StaRUG). Die Planabstimmung erfolgt gemäß dem etwas unglücklich platzierten (siehe dazu Rz. 5 ff.) § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG nach den für die außergerichtliche Planabstimmung geltenden §§ 24 ff. StaRUG sowie den §§ 239 ff. InsO. Die im Plan gemäß § 9 StaRUG gebildeten Gläubigergruppen stimmen getrennt über den Plan ab (§ 20 Abs. 5 StaRUG). 36 Der Plan ist angenommen, wenn in jeder Gruppe eine Summenmehrheit von 75 % der betroffenen – und nicht etwa nur der erschienenen37) oder abstimmenden – Gläubiger erreicht ist (§ 25 Abs. 1 StaRUG). Diese relativ hohe, aber international nicht unübliche Mehrheit38) erübrigt das zusätzliche Erfordernis einer Kopfmehrheit, zwingt den Schuldner zu nachhaltiger Überzeugungsarbeit gegenüber seinen Gläubigern39) und entfaltet, wenn sie erreicht wird, zugleich eine beträchtliche Legitimationswirkung.40) Wird die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, kommt ein Obstruktionsverbot zum Zuge (§ 26 StaRUG), das im Wesentlichen die von § 245 InsO bekannten Voraussetzungen enthält. ___________ 34) Beispiel: AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378; dazu Thole, NZI 2021, 433, 436 f. (Urteilsanm.). 35) Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 und § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148, 149. 36) Dazu AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31, 32, dazu Skauradszun/Blum, NZI 2022, 32 ff. (Urteilsanm.). 37) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. § 27 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127. 38) Ein Überblick findet sich bei Bork, Corporate Insolvency Law, Cambridge/Antwerp/Chicago 2020 (Intersentia), Rz. 8.36. 39) Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2561, 2572. 40) Vgl. Bork, ZIP 2010, 397, 409.

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§1

Das Grundkonzept des StaRUG 4.

Gerichtliche Planbestätigung (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG)

Für den von den Gläubigern mit der erforderlichen Mehrheit beschlossenen Restrukturie- 37 rungsplan kann eine gerichtliche Planbestätigung beantragt werden (siehe dazu ausführlich Gehrlein, HRI I, § 35). Das gilt sowohl für den außergerichtlich41) als auch für den gerichtlich zur Abstimmung gestellten Plan. Notwendig ist die gerichtliche Bestätigung sowohl bei der außergerichtlichen als auch bei der gerichtlichen Abstimmung vor allem dann, wenn dissentierende Minderheiten eingebunden werden sollen (§§ 17 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).42) Sie hat aber auch sonst beträchtliche Vorteile, etwa 

der an die Verkündung (und nicht etwa die Rechtskraft)43) der Planbestätigungsentscheidung geknüpfte unmittelbare Eintritt von im Plan vorgesehenen Rechtsänderungen (§§ 67 Abs. 1, 68 StaRUG),



der Ausschluss einer weitergehenden persönlichen Gesellschafterhaftung und der Haftung des Schuldners gegenüber Regressberechtigten (§ 67 Abs. 2 und 3 StaRUG),



die eingeschränkte Fehlerempfindlichkeit (§ 67 Abs. 5 und 6 StaRUG) sowie das



Anfechtungsprivileg aus § 90 Abs. 1 StaRUG.

Die Voraussetzungen der Bestätigung folgen aus § 63 StaRUG. Es kommt darauf an, dass 38 der Schuldner tatsächlich drohend44) zahlungsunfähig ist, der Plan nicht unter unbehebbaren inhaltlichen oder Verfahrensfehlern leidet45) und dass der Schuldner die Ansprüche der Gläubiger voraussichtlich erfüllen kann. Im Fall einer neuen Finanzierung muss das dem Plan zugrunde gelegte Restrukturierungskonzept zudem schlüssig sein. Schließlich ist eine Bestätigung zu versagen, wenn die Annahme des Plans durch unlautere Mittel herbeigeführt wurde. Von besonderer Bedeutung ist der in § 64 StaRUG geregelte Minderheitenschutz. Hier 39 ist zu prüfen, ob ein Planbetroffener, der gegen den Restrukturierungsplan gestimmt hat, durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde (§ 64 Abs. 1 StaRUG). Voraussetzung ist allerdings, dass der Planbetroffene, der Minderheitenschutz beantragt, dem Plan bereits im Abstimmungsverfahren widersprochen und geltend gemacht hat, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde (§ 49 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). Im Übrigen kann der Gläubiger auch hier auf einen im Plan vorgesehenen Ausgleichsfonds verwiesen werden (§ 64 Abs. 3 StaRUG). Die Planbestätigungsentscheidung des Restrukturierungsgerichts ist mit der sofortigen 40 Beschwerde zum LG46) angreifbar (§ 66 StaRUG, der weitgehend § 253 InsO entspricht).47) Aufschiebende Wirkung hat die Beschwerde nur, wenn sie durch das Beschwerdegericht ausdrücklich angeordnet wird, weil der Vollzug des Restrukturierungsplans mit schwerwiegenden, insbesondere nicht rückgängig zu machenden Nachteilen für den Beschwerdeführer einherginge, die außer Verhältnis zu den Vorteilen des sofortigen Planvollzugs stehen (§ 38 StaRUG i. V. m. § 570 ZPO, § 66 Abs. 4 StaRUG). Umgekehrt kann das Beschwerde___________ 41) Beispiel: AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31, 32, dazu Skauradszun/Blum, NZI 2022, 32 ff. (Urteilsanm.). 42) Skauradszun, KTS 2021, 1, 33. 43) Begr. RegE SanInsFoG z. § 74 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 165. 44) Bei zwischenzeitlich eingetretener Zahlungsunfähigkeit kann der Plan nur bestätigt werden, wenn der Schuldner dies gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 angezeigt hat, AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, NZI 2021, 893, 895, zust. Grauer/Münzel, NZI 2021, 895 (Urteilsanm.); Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 11 m. w. N. 45) Vgl. etwa AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236, 237. 46) § 72 Abs. 1 Satz 1 GVG. Nach § 72a Abs. 1 Nr. 7 GVG müssen bei den Landgerichten Kammern mit Spezialzuständigkeiten für Insolvenz- und Restrukturierungssachen gebildet werden. 47) Beispiel: LG Dresden v. 1.7.2021 – 5 T 363/21, ZRI 2021, 868; dazu Skauradszun/Kümpel, ZRI 2021, 870 f. (Urteilsanm.).

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§1

1. Teil Allgemeines

gericht die Beschwerde auf Antrag des Schuldners auch unverzüglich zurückweisen, wenn kein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt und die alsbaldige Rechtskraft der Planbestätigung vorrangig erscheint, weil die Nachteile eines verzögerten Planvollzugs die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen (§ 66 Abs. 5 StaRUG). VI.

Sonstige Regelungsbereiche

41 Vorstehend sind die zentralen Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente dargestellt worden, Das Gesetz erschöpft sich aber nicht in den genannten Normen, sondern enthält weitere Regelungskomplexe, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll. 1.

Restrukturierungsplan (§§ 2 – 28 StaRUG)

42 Gleich zu Beginn des Gesetzes widmet sich der Gesetzgeber – etwas unvermittelt – dem Restrukturierungsplan. Es finden sich einerseits Normen über den Planinhalt (§§ 2 – 16) und andererseits Normen über die Planabstimmung (§§ 17 – 28 StaRUG). Sie folgen mehr oder weniger den Vorschriften für den Insolvenzplan, allerdings mit einigen nicht unerheblichen Abweichungen. 1.1

Planinhalt (§§ 2 – 16 StaRUG)

43 Ganz am Anfang des Abschnitts über den Planinhalt (siehe ausführlich Berner, HRI I, §§ 19, 20) finden sich in einem ersten Abschnitt (§§ 2 – 4 StaRUG) Aussagen zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen (siehe näher Barnert, HRI I, § 22). Der Kreis der gestaltbaren Forderungen ist relativ weit gezogen. Einer Regelung in einem Restrukturierungsplan zugänglich sind grundsätzlich alle Ansprüche gegen den Schuldner (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), auch bedingte und nicht fällige Forderungen (§ 3 Abs. 1 StaRUG),48) sofern sie bei Antragstellung bereits begründet waren (§ 2 Abs. 5 StaRUG), die aus gegenseitigen Verträgen allerdings nur, wenn der Vertragspartner die ihm obliegende Gegenleistung bereits an den Schuldner erbracht hat (§ 3 Abs. 2 StaRUG). Gestaltbar sind ferner mögliche Regressforderungen von konzerninternen Drittsicherheitsgebern (§ 2 Abs. 4 StaRUG).49) Ausgenommen sind lediglich Arbeitnehmerforderungen,50) Forderungen aus unerlaubten Handlungen und Geldstrafen, Zwangsgelder etc. (§ 4 StaRUG) sowie Forderungen aus gegenseitigen Verträgen, sofern der Gläubiger die Gegenleistung noch nicht erbracht hat (§ 3 Abs. 2 StaRUG). 44 Interessant ist § 2 Abs. 2 StaRUG, demzufolge bei mehrseitigen Rechtsverhältnissen auch Einzelbestimmungen geändert werden können, sofern sie mit einer zu gestaltenden Gläubigerforderung verknüpft sind. Das betrifft bspw. Konsortialkreditgeber51) und Anleihegläubiger,52) für die der Restrukturierungsplan Änderungen der Anleihebedingungen, insbesondere der Covenants, vorsehen kann. Außerdem kann der Restrukturierungsplan auch auf gesicherte Gläubiger erstreckt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG; siehe dazu Mock, ___________ 48) Künftige Forderungen können dagegen im Plan nicht geregelt werden. 49) Anders als noch in § 4 Abs. 4 RegE vorgesehen, erfasst § 2 Abs. 4 StaRUG jetzt nicht nur von Tochtergesellschaften gestellte Sicherheiten, sondern Sicherheiten aller konzernangehörigen Unternehmen. 50) D. h. aber natürlich nicht, dass nicht die allgemeinen Instrumente des Arbeitsrechts für die Restrukturierung eingesetzt werden dürften. – Krit. zu § 4 StaRUG Haarmeyer/Lissner/Rombach, ZInsO 2021, 368, 372 f. („verpasste Chance“). 51) Beispiel: AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378 f.; dazu Thole, NZI 2021, 433, 436 f. (Urteilsanm.). 52) Vgl. AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31, 32, dazu Skauradszun/Blum, NZI 2022, 32 ff. (Urteilsanm.).

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Bork

§1

Das Grundkonzept des StaRUG

HRI I, § 24) und die Gesellschafter (Anteilseigner) miteinbeziehen (§ 2 Abs. 3 StaRUG;53) siehe dazu Mock, HRI I, § 25). Der zweite Abschnitt dieses Kapitels befasst sich mit den inhaltlichen Anforderungen an 45 den Restrukturierungsplan (§§ 5 – 16). In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass die Regelungen des StaRUG im Wesentlichen denen über den Insolvenzplan folgen,54) was dadurch legitimiert wird, dass drohende Zahlungsunfähigkeit vorausgesetzt wird.55) Wie der Insolvenzplan muss der Restrukturierungsplan neben den in der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG genannten Pflichtangaben einen darstellenden und einen gestaltenden Teil enthalten (§§ 5 – 7 StaRUG). Er muss sich zu den Planbetroffenen äußern sowie dazu, unter welchen Kriterien es sachgerecht ist, bestimmte Gläubiger in den Plan einzubeziehen, ihnen also Opfer abzuverlangen, anderen aber nicht (§ 8 StaRUG).56) Im Plan können nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgebotes Gläubigergruppen gebildet werden (§§ 9, 10 StaRUG).57) Regelungsfähig sind ferner die Haftung des Schuldners (§ 11 StaRUG) und Sanierungsdarlehen, hier als „neue Finanzierungen“ bezeichnet, einschließlich deren Besicherung (§ 12 StaRUG; siehe dazu Geiwitz, HRI I, § 26). Für die Planumsetzung notwendige Willenserklärungen können in den Plan mit aufgenommen werden (§ 13 StaRUG) und gelten (nur) mit gerichtlicher Bestätigung des Plans als formgerecht abgegeben (§ 68 StaRUG; siehe ausführlich Pleister/Raschke, HRI I, § 38). Dem Restrukturierungsplan sind verschiedene Erklärungen und Anlagen beizufügen 46 (§§ 14, 15 StaRUG; siehe näher Nickert, HRI I, § 21). Zu nennen sind hier vor allem die Erklärung zu den Sanierungsaussichten (§ 14 Abs. 1 StaRUG) sowie die Vermögensübersicht und der Ergebnis- und Finanzplan (§ 14 Abs. 2 StaRUG). Nach § 15 StaRUG sind schließlich Erklärungen betroffener Dritter beizufügen. 1.2

Planabstimmung (§§ 17 – 28 StaRUG)

Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit der Planabstimmung (§§ 17 – 28 StaRUG). Dieser 47 Satz bedarf allerdings in verschiedener Hinsicht einer Relativierung. Zum einen geht das Gesetz in §§ 17 – 19 selbst davon aus, dass es gar nicht zu einer Abstimmung kommen muss. Der Schuldner macht nämlich den betroffenen Gläubigern durch Übersendung des Plans ein Angebot i. S. von § 145 BGB, sich mit den im Plan für sie vorgesehenen Rechtsfolgen einverstanden zu erklären. Nehmen die Gläubiger dieses Angebot an, erübrigt sich jede förmliche Abstimmung und der Plan ist beschlossen (siehe ausführlich Barnert, HRI I, § 29). Zum anderen regeln §§ 20 – 28 StaRUG zunächst einmal nur die außergerichtliche, also 48 vom Schuldner selbst organisierte und durchgeführte Planabstimmung. Für die oben (siehe Rz. 33 ff.) bereits behandelte gerichtliche Planabstimmung gelten, wie sich aus §§ 23, 45 Abs. 4 StaRUG ohne weiteres ergibt, nicht die §§ 17 – 22 StaRUG, sondern nur die durch §§ 45, 46 StaRUG ergänzten §§ 24 – 28 StaRUG. Die Details und Formalitäten der außergerichtlichen Planabstimmung finden sich zunächst in §§ 20 – 22 StaRUG. Sie findet gemäß § 20 StaRUG in einer vom Schuldner mit einer Ladungsfrist von 14 Tagen einzuberufenden und von ihm zu leitenden Versammlung (nur) der Planbetroffenen statt, in der ___________ 53) Beispiel: AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31, dazu Skauradszun/Blum, NZI 2022, 32 ff. (Urteilsanm.). 54) Instruktiv die Synopse bei Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2620. 55) Vgl. Bork, ZRI 2021, 345, 353. 56) Vgl. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473, 474; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 379; dazu Thole, NZI 2021, 433, 436 f. (Urteilsanm.). 57) Dazu AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 379 f.; dazu Thole, NZI 2021, 433, 436 f. (Urteilsanm.).

Bork

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§1

1. Teil Allgemeines

der Plan erörtert, ggf. geändert (siehe näher Barnert, HRI I, § 32) und schließlich zur Abstimmung gestellt werden kann. 49 Stimmrechte richten sich gemäß § 24 StaRUG nach dem Nennwert der betroffenen Forderung oder dem Wert des betroffenen Sicherungsgutes, bei betroffenen Anteilsinhabern nach dem Anteil am gezeichneten Kapital (Details siehe unten Denkhaus, HRI I, § 33). Zur Annahme des Restrukturierungsplans bedarf es gemäß § 25 StaRUG einer Summenmehrheit von 75% in jeder Gruppe sowie der Zustimmung aller Gruppen, wobei Letzteres nach Maßgabe der §§ 26 – 28 StaRUG mit einem Obstruktionsverbot überwunden werden kann (siehe ausführlich dazu Graf-Schlicker/Denkhaus, HRI I, § 34).58) 2.

Restrukturierungsbeauftragter (§§ 73 – 83 StaRUG)

50 Anders als im Insolvenzverfahren, wo das Gericht selbst im vorläufigen Eigenverwaltungsund im Schutzschirmverfahren regelmäßig einen (vorläufigen) Sachwalter einsetzt, der den eigenverwaltenden Schuldner überwachen und dem Gericht dazu Bericht erstatten soll, sieht das StaRUG die Einsetzung einer solchen Aufsichtsperson nur als Ausnahme vor. Eine Bestellung von Amts wegen kommt nur in den in § 73 StaRUG genannten Fällen in Betracht. Ansonsten ist die Bestellung nur auf Antrag nach Maßgabe des § 77 StaRUG möglich (zum Restrukturierungsbeauftragten siehe Fritz, HRI I, § 11). 2.1

Bestellung von Amts wegen (§§ 73 – 76 StaRUG)

51 Von Amts wegen bestellt das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 73 StaRUG nur in vier Fällen:59)  wenn die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen betroffen sind (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG),  wenn der Schuldner ein Moratorium beantragt hat, das sich gegen (im Wesentlichen) alle Gläubiger richten soll (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StaRUG),  wenn eine Überwachung der Planerfüllung vorgesehen ist (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG) oder  wenn absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen maßgeblicher Gläubiger erreichbar, also die Anwendung des Obstruktionsverbots wahrscheinlich ist (§ 73 Abs. 2 StaRUG). 52 Das entspricht den Vorgaben in Art. 5 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie.60) Das Gesetz beschränkt sich hier auf die wichtigsten Konstellationen, von denen angenommen wird, dass entweder ein besonderer Schutzbedarf besteht oder sich das StaRUG-Verfahren einem Gesamtverfahren annähert.61) 53 Die Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten sind vielschichtig. Primär hat er die Interessen der Gläubiger im Blick zu behalten. Einzelheiten regelt § 76 StaRUG, der eine weitreichende Annäherung an die Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters erlaubt. Der Restrukturierungsbeauftragte soll den Schuldner überwachen, sofern das Gericht das anordnet (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StaRUG),62) und Umstände, die eine Aufhebung der Restruk___________ 58) Vgl. AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, NZI 2021, 893, dazu Grauer/Münzel, NZI 2021, 895 ff. (Urteilsanm.); AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473, 474. 59) Unklar daher die Rechtsgrundlage in AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31, 32, dazu Skauradszun/Blum, NZI 2022, 32 ff. (Urteilsanm.). 60) Vgl. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 93. 61) Begr. RegE SanInsFoG z. § 80 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 170. Vgl. auch Begr. RegE SanInsFoG z. § 81 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 170 („Gepräge eines insolvenzähnlichen Quasi-Gesamtverfahrens“). 62) Das sollte der Regelfall sein, da sonst § 76 Abs. 1 StaRUG leerlaufen könnte.

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§1

Das Grundkonzept des StaRUG

turierungssache rechtfertigen würden, dem Gericht mitteilen (§ 76 Abs. 1 StaRUG). Außerdem ist er in die Überwachung eines Moratoriums (§ 76 Abs. 3 StaRUG) sowie in das Restrukturierungsplanverfahren eingebunden (§ 76 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 StaRUG). Da der Schuldner als debtor in possession grundsätzlich die volle Verfügungsmacht behält, sind Einschränkungen nur in engen Grenzen möglich. So kann das Gericht dem Restrukturierungsbeauftragten etwa das Inkasso übertragen (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b StaRUG) und flankierend einen Zustimmungsvorbehalt für Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs anordnen (§ 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG). Daneben kann er vom Gericht als Sachverständiger eingesetzt (§ 73 Abs. 3 StaRUG) und mit den gerichtlichen Zustellungen beauftragt werden (§ 76 Abs. 6 StaRUG). Bedeutsam ist die Frage der Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten. Grundsätzlich ist 54 dies Aufgabe des Gerichts (§§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 StaRUG), das dabei aber Vorschläge der Beteiligten (also auch der Gläubiger) zu berücksichtigen hat (§ 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). An einen Schuldnervorschlag ist es nur dann gebunden, wenn dieser die Bescheinigung eines Restrukturierungsfachmanns vorlegen kann, aus der sich ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Stabilisierungsanordnung vorliegen, insbesondere der Restrukturierungsplan auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht, vollständig, schlüssig, nicht ersichtlich aussichtslos und erforderlich und der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist (§ 74 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 51 Abs. 1 und 2 StaRUG). Liegt kein bindender Schuldnervorschlag vor, kommt auch die Bindung an Vorschläge einer qualifizierten Gläubigermehrheit in Betracht (§ 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Nach § 75 StaRUG steht der Restrukturierungsbeauftragte unter der Aufsicht des Gerichts. 55 Seine Amtsstellung ist insofern weitgehend der eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder Sachwalters vergleichbar. Seine Vergütung, die grundsätzlich auf der Basis von Stundensätzen erfolgt, ist in §§ 80 – 83 StaRUG näher geregelt. 2.2

Bestellung auf Antrag (§§ 77 – 79 StaRUG)

Liegen die Voraussetzungen für eine amtswegige Einsetzung nicht vor, kann der Schuldner 56 (§ 77 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) oder eine qualifizierte Gläubigermehrheit (§ 77 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) freiwillig die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten beantragen, der dann den Schuldner vor allem dabei unterstützen soll, die Sanierung zu verhandeln und umzusetzen (§ 79 StaRUG). Insoweit unterscheidet sich der fakultative Restrukturierungsbeauftragte nicht vom Sanierungsmoderator, § 94 StaRUG (siehe dazu Rz. 65 f.). Auch die Vergütung ist für beide gleich (§§ 80 ff., 98 Abs. 2 StaRUG). Interessant ist diese Option daher nur deshalb, weil der Restrukturierungsbeauftragte über die Verhandlungsunterstützung hinaus zusätzliche Kompetenzen bekommen kann (§ 77 Abs. 2 StaRUG), was vor allem dann in Betracht kommt, wenn er auf Antrag einer qualifizierten Gläubigermehrheit bestellt wird. Im Übrigen geht das Gesetz wohl davon aus (ohne dass dies ausdrücklich gesagt würde), dass ein Restrukturierungsbeauftragter nur bestellt werden kann, wenn eine Restrukturierungssache rechtshängig ist, während die Sanierungsmoderation ganz unabhängig von den Instrumenten des präventiven Rahmens möglich ist.63) 3.

Beteiligte Gremien (§§ 92, 93 StaRUG)

Noch zurückhaltender als bei der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten ist das 57 Gesetz bei der Gremienbeteiligung. Im Prinzip soll ja der Schuldner sein Unternehmen wie bisher weiterführen und besonderen Restriktionen nur dort unterliegen, wo das unbedingt erforderlich ist. Insofern ist es völlig konsequent, wenn § 92 StaRUG klarstellt, ___________ 63) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. vor § 100 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 183.

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§1

1. Teil Allgemeines

dass die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz unberührt bleiben. 58 Ganz anders verhält es sich mit dem Gläubigerbeirat, der in § 93 StaRUG geregelt ist. Er entspricht dem Gläubigerausschuss im Insolvenzverfahren und soll wie dieser den Schuldner unterstützen, aber auch überwachen. Er war im Regierungsentwurf noch nicht vorgesehen und ist erst in den Beratungen des Rechtsausschusses ins Gesetz gekommen.64) Der Gläubigerbeirat kann nur dort eingesetzt werden, wo die Restrukturierungssache alle Gläubiger betrifft und gesamtverfahrensähnliche Züge aufweist. Hier setzt sich also das Grundkonzept fort: Gläubigerschutz durch Verfahrensorgane nicht grundsätzlich, sondern nur dort, wo das Verfahren einem Gesamtverfahren nahekommt oder aus der Sicht des Gesetzgebers besonderer Schutzbedarf besteht. 4.

Öffentlichkeit (§§ 84 – 88 StaRUG)

59 Gemäß §§ 84 ff. StaRUG, die nach Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 SanInsFoG erst am 17.7.2022 in Kraft getreten sind, kann der Schuldner entscheiden, ob er das Restrukturierungsverfahren öffentlich bekannt machen will oder nicht. Nach einem bekannten Satz von Karsten Schmidt erfolgt die wirksamste Unternehmenssanierung „früh, schnell und still“.65) Dieser Erkenntnis entspricht das StaRUG jedenfalls insoweit, als es die öffentliche Bekanntmachung des Verfahrens für die mit keinerlei Zwangseingriffen versehene Bestellung eines Sanierungsmoderators ganz ausschließt (§ 95 Abs. 2 StaRUG) und i. Ü. an einen entsprechenden Antrag des Schuldners knüpft (§ 84 Abs. 1 StaRUG). Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, erfahren die betroffenen Gläubiger von einem Moratorium durch Zustellung (§ 51 Abs. 4 StaRUG), vom Planabstimmungsverfahren und der Vorprüfung spätestens durch Einberufung (§ 20 Abs. 1 StaRUG) oder Ladung (§§ 45 Abs. 1 und 3, 48 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Das gilt auch dann, wenn – begleitend zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens – ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt wird. Ladungsmängel führen als wesentliche Verfahrensfehler zur Versagung der Planbestätigung (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). 60 Relevant ist die Öffentlichkeit auch noch in grenzüberschreitenden Sachverhalten. Bedarf es nämlich der Anerkennung einer Restrukturierungsentscheidung (einschließlich der gerichtlichen Planbestätigung) nach Maßgabe der EuInsVO in einem anderen Mitgliedstaat der EU, dann ist gemäß Art. 1 Abs. 1 EuInsVO ein öffentliches Verfahren notwendig. 61 Auf einem anderen Blatt als die Verfahrensöffentlichkeit steht, dass auch diskrete Sanierungsverhandlungen schnell das Licht der Öffentlichkeit erblicken können,66) nicht nur durch Indiskretionen, sondern auch durch begleitende Gespräche mit dem Betriebsrat, wichtigen Kunden, Vermietern oder Lieferanten, denen gegenüber keine Rückstände bestehen, von denen man aber Preisreduktionen benötigt. 5.

Anfechtungs- und Haftungsrecht (§§ 89 – 91 StaRUG)

62 Die Restrukturierung eines kriselnden Unternehmens erfordert oft entschlossenes Handeln und neue Finanzmittel, die regelmäßig durch Kreditsicherheiten abgesichert werden sollen. Dabei besteht häufig die Sorge, dass die Sanierung scheitert und dass Gläubiger dann in einer Folgeinsolvenz Leistungen, die sie im Zuge der Sanierung erhalten haben (wie z. B. die Bestellung von Kreditsicherheiten für Sanierungskredite) im Wege der Insolvenzanfechtung zurückgeben müssen. Gleichzeitig müssen die Geschäftsleiter die Haftung aus ___________ 64) Vgl. Beschlussempfehlung d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25303, S. 86. 65) K. Schmidt, Gutachten D zum 54. DJT, S. D 133; K. Schmidt, KTS 1982, 613, 624. 66) Zutreffend Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2561, 2566 f.

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§1

Das Grundkonzept des StaRUG

§ 15b InsO fürchten. Vor beidem wollen §§ 89, 90 StaRUG schützen (siehe näher dazu Skauradszun. HRI I, § 40). Anfechtungsschutz gewähren §§ 89 Abs. 1 und 2 sowie § 90 StaRUG. § 89 Abs. 1 StaRUG 63 bestimmt in erster Linie, dass der für die Anfechtung nach § 133 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht allein aus der Kenntnis von der Anhängigkeit einer Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens abgeleitet werden kann. Dasselbe gilt gemäß § 89 Abs. 2 StaRUG für die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, wenn diese dem Gericht angezeigt worden sind, dieses das Restrukturierungsverfahren aber nicht beendet hat. Die Vereinbarung der in den Plan aufgenommenen Kredite und deren Besicherung sind in einer bei Scheitern der Sanierung notwendig werdenden Folgeinsolvenz nach Maßgabe von § 90 Abs. 1 StaRUG vor der Anfechtung geschützt. Das betrifft freilich nur die Begründung der Kredite,67) nicht aber ihre spätere Rückführung.68) Überbrückungskredite sind ebenfalls nicht erfasst.69) § 89 Abs. 3 StaRUG schützt außerdem die Geschäftsleiter vor einer Haftung nach § 15b 64 InsO,70) allerdings nur in einer sehr speziellen Situation: Die Norm privilegiert nur unaufschiebbare Zahlungen, und diese auch nur dann, wenn sie zwischen der Anzeige der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 32 Abs. 3 StaRUG und der Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG sowie im ordnungsgemäßen Geschäftsgang geleistet werden. Diese werden dann als sorgfaltskonform i. S. von § 15b Abs. 1 Satz 2 InsO fingiert und führen damit nicht zur Geschäftsleiterhaftung. 6.

Sanierungsmoderation (§§ 94 – 100 StaRUG)

Ganz unabhängig von den Instrumenten des präventiven Rahmens71) kann vom Schuldner 65 eine Sanierungsmoderation beantragt werden (siehe näher dazu Frege/Schildt, HRI I, § 15). Sie setzt weder die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus72) noch müssen die umfangreichen Unterlagen eingereicht werden, die der Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens beizufügen sind. Vielmehr bedarf es lediglich eines Antrags des Schuldners, in dem der Gegenstand des Unternehmens sowie die Art der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten anzugeben und dem ein Gläubigerverzeichnis und ein Vermögensverzeichnis beizufügen sind (§ 94 Abs. 2 StaRUG).73) Liegen die notwendigen Unterlagen vor, setzt das Gericht für einen Zeitraum von zunächst 66 bis zu drei Monaten einen Sanierungsmoderator ein, der gemäß § 96 StaRUG zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern vermitteln und versuchen soll, eine Einigung auf einen Sanierungsvergleich oder eine andere einvernehmliche Lösung zur Überwindung der Krise zu fördern. Gelingt das, kann ein Sanierungsvergleich nach Maßgabe des § 97 StaRUG vom Gericht bestätigt werden.

___________ 67) Nach der Gesetzesbegründung soll auch die Auszahlung des Darlehens erfasst sein (Begr. RegE SanInsFoG z. § 97 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182). Ausgezahlt wird das Darlehen aber vom Gläubiger, nicht vom Schuldner, so dass es schon an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt. 68) So ausdrücklich Begr. RegE SanInsFoG z. § 97 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 69) Vgl. zu den Einzelheiten Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 12 f. 70) Ausführlich dazu Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 42 ff. 71) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. vor § 100 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 183. 72) Allerdings darf der Schuldner auch nicht offensichtlich zahlungsunfähig oder überschuldet sein, § 94 Abs. 1 Satz 2 und 3 StaRUG. 73) Vgl. AG Düsseldorf v. 5.3.2021 – 601 SAN 1/21, ZInsO 2021, 1453.

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§1 7.

1. Teil Allgemeines Vertragsrecht

67 Auf die Einführung von den §§ 103 ff. InsO vergleichbaren Sonderregeln für gegenseitige Verträge hat der Gesetzgeber – entgegen den Vorschlägen im Referenten-74) und Regierungsentwurf75) – verzichtet. Gleichwohl gibt es auch unter dem StaRUG vertragsrechtliche Rechtsfolgen. 68 Zunächst versucht § 44 StaRUG, die Restrukturierungsbemühungen durch ein Verbot von Lösungsklauseln abzusichern, die an die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens anknüpfen (§ 44 StaRUG). Die Regelung gilt freilich erst ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache beim Gericht, schließt also nicht aus, dass die Lösungsklausel an Umstände geknüpft wird, die sich im Vorfeld der Inanspruchnahme des präventiven Rahmens ereignen. 69 Sodann hat die Anordnung eines Moratoriums vertragsrechtliche Wirkungen (§ 55 StaRUG). Sie sind oben (siehe Rz. 31) näher beschrieben worden und lassen sich hier dahingehend zusammenfassen, dass der Schuldner auch nach Erlass einer Stabilisierungsanordnung befähigt bleiben soll, sein Unternehmen im laufenden Geschäftsverkehr fortzuführen, ohne dass die Sanierungsverhandlungen durch die Ausübung von Zurückbehaltungs-, Kündigungs- oder Rücktrittsrechten zusätzlich erschwert werden. 70 Schließlich kann auch der Restrukturierungsplan Eingriffe in bestehende Vertragsgefüge vorsehen. Das ist jedenfalls für mehrseitige Rechtsverhältnisse in § 2 Abs. 2 StaRUG ausdrücklich festgelegt (siehe bereits Rz. 44). Bei zweiseitigen Verträgen ist das deutlich schwieriger. Gestaltbar sind hier nicht die Verträge, sondern nur die aus ihnen folgenden Forderungen, und auch diese nur dann, wenn es sich nicht um künftige Forderungen handelt und § 3 Abs. 2 StaRUG nicht entgegen steht (auch zu Letzterem siehe Rz. 43).

___________ 74) Begr. RefE SanInsFoG z. §§ 29 Abs. 2 Nr. 4, 49 ff. StaRUG, S. 24 und 33 ff., abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publi cationFile&v=6 (Abrufdatum: 16.1.2023). 75) Begr. RegE SanInsFoG z. §§ 31 Abs. 2 Nr. 1, 51 ff. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181.

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§2 Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten Kühne

I. Vorbemerkung ............................................ 1 II. Krise als Ausgangspunkt der Beurteilung ........................................... 2 1. Definition der Krise ..................................... 2 2. Krisenverlauf ................................................ 3 3. Definition und Ausprägung der einzelnen Krisenstadien......................... 7 3.1 Stakeholderkrise .............................. 8 3.2 Strategiekrise.................................. 11 3.3 Produkt- und Absatzkrise............. 15 3.4 Erfolgskrise .................................... 17 3.5 Liquiditätskrise .............................. 20 3.6 Insolvenzreife ................................ 21 III. Definition der Sanierungs- bzw. Restrukturierungsfähigkeit .................... 22 IV. Restrukturierung und Sanierung im Spannungsfeld zwischen Recht und Ökonomie .......................................... 24 V. Beurteilungsgrundlage im juristischen Umfeld ....................................................... 26 VI. Kernbestandteile von Sanierungskonzepten................................................... 27 VII. Definition der Sanierungsfähigkeit....... 28 1. Anforderungen des BGH an die Sanierungsfähigkeit ......................... 29 2. Definition der Sanierungsfähigkeit gemäß IDW S 6 .......................................... 30 VIII. Unternehmensanalyse ........................... 32 1. Externe Analyse ......................................... 33 1.1 Analyse der Marktsituation – Porters Five Forces ....................... 33 1.2 PESTL-Analyse ............................. 40

1.3 Branchenanalyse ............................ 43 1.4 SWOT-Analyse ............................. 44 1.5 Lebenszyklusanalyse ..................... 45 2. Interne Analyse .......................................... 46 IX. Leitbild des sanierten Unternehmens .... 53 X. Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens .................................... 57 1. Vermeidung der Insolvenz ........................ 62 2. Überwindung der Liquiditätskrise ............ 63 3. Überwindung der Erfolgskrise.................. 65 4. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise ................................................. 67 5. Überwindung der Strategiekrise................ 70 6. Überwindung der Stakeholderkrise .......... 72 XI. Planverprobungsrechnung ...................... 74 1. Darstellung der Problem- und Verlustbereiche........................................... 77 2. Darstellung der Maßnahmeneffekte ......... 78 3. Planerische Umsetzung in der Praxis ....... 80 3.1 Basisbilanz...................................... 80 3.2 Ertragsplanung............................... 82 3.3 Bilanzplanung ................................ 90 3.4 Liquiditätsplanung......................... 92 XII. Prognose der Sanierungsfähigkeit ......... 95 1. BGH............................................................ 96 2. IDW S 6 ...................................................... 98 3. Meinungsstand in der Literatur zur Ausgestaltung des Prognoseurteils... 105 3.1 Groß in KSI ................................. 105 3.2 Gleißner ....................................... 110 XIII. Referenzquote für die Beurteilung .... 119 XIV. Berichterstattung.................................. 132

Literatur: Evertz/Krystek, Unternehmen erfolgreich restrukturieren und sanieren: Herausforderungen und Lösungsansätze für den Turnaround, 2014; Gerig/Meller/Nientkewitz, Wiederherstellung des Eigenkapitals als Anforderung einer nachhaltigen Sanierung, ZIP 2017, 2029; Groß, Der Begriff der Sanierungsfähigkeit nach dem neu gefassten IDW S 6, KSI 2012, 241; Kühne/Nickert, Wann ist eine insolvenzrechtliche Prognose positiv?, ZInsO 2014, 2297

I.

Vorbemerkung

Die Frage der Sanierungs- und Restrukturierungsfähigkeit ist in erster Linie eine betriebs- 1 wirtschaftliche Fragestellung. Letztlich ist die Frage zu beantworten, ob ein Unternehmen durch gezielte Maßnahmen wie eine stabile Existenzbasis erlangen und zukünftig aus eigener Kraft erhalten kann. Da sich Unternehmenssanierung auch in einem rechtlich geprägten Umfeld vollziehen, sind bei der Umsetzung der Restrukturierung auch die rechtlichen Bedingungen einzuhalten. Hierfür gibt die Rechtsprechung und der Standard IDW S 6, Anforderungen an Sanierungskonzepte des Instituts für Wirtschaftsprüfer einen Rahmen.

Kühne

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§2

1. Teil Allgemeines

II.

Krise als Ausgangspunkt der Beurteilung

1.

Definition der Krise

2 Die Krise ist Ausgangspunkt einer jeden Unternehmenssanierung bzw. -restrukturierung. Eine Krise kann wie folgt definiert werden: „Unternehmenskrisen sind ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang. Sie sind in der Lage, den Fortbestand des gesamten Unternehmens substanziell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Dies geschieht durch die Beeinträchtigung dominanter Ziele, deren Gefährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer nachhaltigen Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des Unternehmens als selbstständig und aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmende Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen1)“. 2.

Krisenverlauf

3 Unternehmenskrisen verlaufen typischerweise in verschiedenen Stadien. Allerdings gibt es hier kein allgemeingültiges Muster. Allerdings ist in der Praxis zu beobachten, dass sich Krisenstadien durchaus aufbauend entwickeln. Die einzelnen Stadien können hierbei in der Intensität und Dauer unterschiedlich ausgeprägt sein. Teilweise können Stadien auch parallel verlaufen. 4 Die Krisenstadien wiederum bestimmen den Inhalt des Sanierungskonzepts. Sie bestimmen insbesondere die für die Bejahung der Sanierungsfähigkeit erforderlichen Maßnahmen. Die Krisenstadien gestalten sich in der zeitlichen Reihenfolge typischerweise wie folgt: Abb. 1: Krisenstadien

5

Stadien der Unternehmenskrisen

Insolvenzwahrscheinlichkeit Aufwand/Kosten Handlungsdruck, Komplexität

Stakeholderkrise

Strategiekrise

Produkt-/ Absatzkrise

Erfolgskrise

Liquiditätskrise

Insolvenz

Restrukturierungsbedürftigkeit

6 Mit dem Fortschreiten der Unternehmenskrise verengen sich die Handlungsspielräume für deren Beseitigung. Zum einen aufgrund der immer begrenzteren Finanzmittel und dem externen Druck der Vertrags- und Finanzierungspartner. Zum anderen aber auch aufgrund ___________ 1) Evertz/Krystek, Unternehmen erfolgreich restrukturieren und sanieren: Herausforderungen und Lösungsansätze für den Turnaround, S. 19, 21.

20

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

der Handlungspflichten der Geschäftsleitungsorgane zur rechtzeitigen Insolvenzantragstellung nach § 15a InsO. 3.

Definition und Ausprägung der einzelnen Krisenstadien

Gemäß dem dargestellten Krisenverlauf können die Ausprägungen der Einzelnen Krisen- 7 stadien wie folgt skizziert werden.2) 3.1

Stakeholderkrise

Krisen auf Ebene der Stakeholder (dies sind insbesondere Mitglieder der Unternehmens- 8 leitung und der Überwachungsorgane, Gesellschafter, Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, Kreditinstitute und andere Gläubiger) entstehen oft durch Konflikte zwischen diesen Gruppen und ihren Mitgliedern. Vor allem Konflikte der Corporate Governance strahlen auf das Unternehmen, insbesondere auf das Führungsverhalten, aus, führen zu erheblichen Reibungsverlusten oder Blockaden und verhindern notwendige Entscheidungen. Existenzbedrohende Barrieren sind häufig auch die Folge mangelnder Erkenntnis, Akzeptanz und Kommunikation von notwendigen Veränderungen (Neuausrichtung) des Unternehmens. Die Konsequenzen treten schleichend ein. Das für eine Neuausrichtung erforderliche 9 Wissen und Können geht zunehmend verloren. Das bisherige Leitbild ist wegen veränderter Rahmenbedingungen überholt oder wird in dem Unternehmen nicht mehr gelebt. Innerhalb der Leitungs- und Überwachungsebene bis in die Belegschaft hinein treten Blockaden und Polarisierungen auf. Häufig wird die Unternehmenskultur mitsamt der Leistungsbereitschaft der Belegschaft deformiert und Nachlässigkeit breitet sich aus. Dadurch wird das Aufkommen eines Umfelds begünstigt, das Täuschungen und Vermögensschädigungen ermöglicht, z. B., weil  Aktivitäten des Controllings und der internen Revision bewusst behindert werden,  falsche Bereichsergebnisse billigend in Kauf genommen werden,  Unstimmigkeiten in den Potenzialen u. a. dadurch eintreten, dass Schwächen in der Produktqualität durch erhöhte Marketingaktivitäten kompensiert werden sollen. Die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen schwindet. Zugleich kommen bei Stake- 10 holdern Zweifel auf, ob die Organe den auf sie zukommenden Aufgaben gewachsen sind. Insoweit beginnt mit der Stakeholderkrise oft auch eine Vertrauenskrise. 3.2

Strategiekrise

Strategiekrisen ergeben sich häufig als Folge einer Stakeholderkrise. Meist infolge unzurei- 11 chender Kundenorientierung und unsystematischer Beobachtung der Wettbewerbsentwicklungen erfolgen unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen, die zu strategischen Lücken (z. B. unzureichendes Produktprogramm) und strukturellen Defiziten (z. B. unangemessene Fertigungstiefe) führen. Schwächen im Personalmanagement können gleichermaßen Ursache wie auch Folge einer Strategiekrise sein. Zu erkennen ist die Strategiekrise vor allem am Verlust von Marktanteilen, der wiederum 12 einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit indiziert und damit grundlegende strategische Sanierungsmaßnahmen erforderlich macht. Mögliche Ursachen der Strategiekrise sind:  Unklare oder fehlende strategische Ausrichtung im Hinblick auf die angestrebten Wettbewerbspositionen oder Wettbewerbsvorteile,  nachhaltige Fehleinschätzungen der Wettbewerbssituation oder der Marktentwicklung. ___________ 2) Vgl. IDW, Fragen und Antworten: Zur Erstellung und Beurteilung von Sanierungskonzepten nach IDW S 6 (F & A z. IDW S 6), Stand: 16.5.2018, IDW Life 8/2018, S. 826 ff.

Kühne

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§2

1. Teil Allgemeines

13 Diese Entwicklungen können zu falscher Innovationspolitik hinsichtlich Produktportfolio und Verfahrenstechnik, Fehlinvestitionen, falsch angelegten Diversifikationen und Kooperationen sowie Fehlern in der Standortwahl führen. 14 Nicht zuletzt ist die Wettbewerbsfähigkeit von der jeweiligen Wettbewerbssituation des Unternehmens in seiner Branche abhängig. Diese lässt sich im Wesentlichen durch drei Haupteinflussgrößen beschreiben. Zunächst geht es um die Branchenstruktur, geprägt durch die Akteure, ihre Stärke, ihre Geschäftspraktiken und ihr Verhalten: vorhandene und potenzielle Wettbewerber, Anbieter von Ersatzprodukten, aktuelle und potenzielle Lieferanten, aktuelle und potenzielle Kunden. Das Wettbewerbsgeschehen wird auch durch die horizontale und vertikale Kooperation und Interaktion zwischen den Akteuren geprägt. Schließlich beeinflussen die Marktphasen die Wettbewerbssituation. So macht es einen erheblichen Unterschied, ob sich ein Markt in der Expansions- oder Stagnationsphase befindet. 3.3

Produkt- und Absatzkrise

15 In der Folge einer Strategiekrise kann sich eine Produkt- und Absatzkrise entwickeln. Sie liegt vor, wenn die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und -erfolgsträgern nicht nur vorübergehend stark zurückgeht. Aus dieser Entwicklung resultieren steigende Vorratsbestände und dadurch eine Zunahme der Kapitalbindung. Auch führen Unterauslastungen der Produktionskapazitäten zu Ergebnisrückgängen. 16 Eine solche Situation kann durch Umstände auf der Nachfrageseite oder auf der Unternehmensseite verursacht sein, wie z. B.: 

Qualitativ nicht ausreichendes Marketing- und Vertriebskonzept,



Sortimentsschwächen,



Qualitätsprobleme bei Produkten, Dienstleistungen, Service,



falsch eingeschätzte Preisentwicklung und Fehler in der Preispolitik,



Schwächen in der Liefertreue,



Fehler in der Vertriebssteuerung/falsche Anreizsysteme im Vertrieb.

3.4

Erfolgskrise

17 Ohne wirksames Gegensteuern in der Stakeholder- und Strategiekrise bzw. der Produktund Absatzkrise folgt zwangsläufig die Erfolgskrise. Ein Renditeverfall drückt sich darin aus, dass zunächst die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient werden. Sodann entstehen starke Gewinnrückgänge und schließlich Verluste bis hin zum vollständigen Verzehr des Eigenkapitals. Diese Entwicklung wird geprägt durch Nachfragerückgänge, Preisverfall und Kostensteigerungen je verkaufter Einheit. 18 Mit sinkender Eigenkapitalquote wird das Unternehmen zunehmend kreditunwürdig. Zugleich durchläuft das Unternehmen einen kritischen Punkt in der Krisenentwicklung: Die Zahlungsfähigkeit lässt sich durch geschickte Liquiditätspolitik zunächst zwar weiterhin aufrechterhalten; die zur nachhaltigen Sanierung erforderlichen Mittel (z. B. für Investitionen oder Sozialpläne) lassen sich jedoch unter den gegebenen Umständen nicht mehr beschaffen. Eine Sanierung lässt sich dann ohne Kapitalzuführung – ggf. auch unter Änderung der bisherigen Gesellschafterstruktur – nicht mehr erreichen. 19 Auch wenn eine Erfolgskrise kurzfristig durch ein singuläres Ereignis ausgelöst wird, kann dem eine tieferliegende Krise (Stakeholder-, Strategie- oder Produkt- und Absatzkrise) zugrunde liegen.

22

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten 3.5

§2

Liquiditätskrise

Mit Eintritt der Liquiditätskrise ist das Unternehmen in seiner Existenz erhöht gefährdet. 20 Eingetretene Liquiditätsschwierigkeiten indizieren ein Insolvenzrisiko, falls keine oder unzureichende Maßnahmen ergriffen werden. Häufig wird spätestens mit einer Liquiditätskrise auch eine krisenverschärfende Finanzierungsstruktur offensichtlich. Gründe hierfür können sein: 

Fehlende Übereinstimmung zwischen Geschäftsmodell und Eigenkapitalsituation,



komplexe Finanzierungsstruktur aufgrund einer Vielzahl bilateraler Beziehungen zu Finanzgebern mit heterogener Interessenlage,



unausgewogene Zusammensetzung der Finanzierung mit Eigenkapital, Fremdkapital und hybriden Finanzierungsformen,



mangelnde Fristenkongruenz zwischen Kapitalbindung und Kapitalbereitstellung,



Klumpenrisiken in der Fälligkeitsstruktur von Finanzierungen,



unzureichendes Working-Capital-Management.

3.6

Insolvenzreife

Eine sich zuspitzende Liquiditätskrise kann zu dem Insolvenzgrund der (drohenden) Zah- 21 lungsunfähigkeit führen. Wird eine Insolvenzreife festgestellt, muss diese mit geeigneten und schnell realisierbaren Maßnahmen beseitigt und eine positive Fortbestehensprognose geschaffen werden. III.

Definition der Sanierungs- bzw. Restrukturierungsfähigkeit

Eine gesetzliche Definition der Sanierungs- bzw. Restrukturierungsfähigkeit existiert nicht. 22 Eine Regelung ist lediglich in § 30 StaRUG enthalten. Gemäß § 30 StaRUG ist jeder insolvenzfähige Schuldner restrukturierungsfähig. Für natürliche Personen gilt dies nur, wenn diese unternehmerisch tätig sind. § 30 StaRUG gibt damit einen breiten Zugang für eine präventive Restrukturierung, die über einen Restrukturierungsplan umgesetzt werden kann. Welche Anforderungen an die Rahmenbedingungen für eine Restrukturierung zu stellen 23 sind, gibt das StaRUG allerdings nicht. Der Restrukturierungsplan bietet, ähnlich wie der Insolvenzplan, lediglich den juristischen Durchführungsweg für eine Restrukturierung. Die Frage der betriebswirtschaftlichen Restrukturierungsfähigkeit muss damit außerhalb der Regelungen des StaRUG beantwortet werden. IV.

Restrukturierung und Sanierung im Spannungsfeld zwischen Recht und Ökonomie

Die Restrukturierungsfähigkeit eines Unternehmens ist damit in erster Linie nach be- 24 triebswirtschaftlichen Kriterien zu prüfen. Allerdings erfolgen Restrukturierungen bzw. Unternehmenssanierungen immer auch innerhalb eines rechtlichen Rahmens, der durch die Beteiligten einzuhalten ist. Die Sanierungsfähigkeit ist von der Geschäftsführung unter Hinzuziehung eines objektiven 25 fachkundigen Dritten anhand des Sanierungskonzepts zu prüfen und festzustellen. Die Einschaltung eines rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Experten ist der Geschäftsführung dringend nahezulegen, um die inhaltliche Objektivität einer positiven Beurteilung der Sanierungsfähigkeit zu dokumentieren.

Kühne

23

§2 V.

1. Teil Allgemeines Beurteilungsgrundlage im juristischen Umfeld

26 Die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit im juristischen Umfeld ist vor allen Dingen geprägt durch die Rechtsprechung und die weiteren Konkretisierungen des IDW S 6. Einen Überblick über die Anforderungen der Rechtsprechung und die Ausformungen durch den IDW S 6 bieten die F & A zum IDW S 63): Betriebswirtschaftliche Konkretisierungen des IDW S 6zu den Anforderungen der Rechtsprechung

Anforderungen der Rechtsprechung an Sanierungskonzepte

Beurteilungsmaßstab Für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen (BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, Rz. 25, ZIP 1998, 248).

Anforderungen an die Qualität der Informationen. Der Fachmann muss sich auf Grundlage von Plausibilitätsbeurteilungen entscheiden, ob er die sich aus dem Finanz- und Rechnungswesen ergebenden Daten als Ausgangsinformationen für die Ist-Lage der Ableitung von Planzahlen zugrunde legen kann (F&A IDW S 6, Rz. 49 ff.).

Analyse der wirtschaftlichen Ausgangsage einschließlich der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage Die Prüfung muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners i. R. seiner Wirtschaftsbrancheanalysieren sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlageerfassen (BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, Rz. 25, ZIP 1998, 248). Ohne eine genaue Analyse der Vergangenheit ist das Sanierungskonzept mit einem hohen, nicht abschätzbaren Risiko behaftet (BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, ZIP 2002, 351). Erforderlich ist eine Analyse der Verluste und der Möglichkeit deren künftiger Vermeidung (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 18, NZI 2016, 636).

Basisinformationen über die Ausgangslage des Unternehmens sind unter Berücksichtigung ihrer Relevanz für das Sanierungskonzept in einer klaren und übersichtlichen Form darzustellen (F&A IDW S 6, Rz. 53 ff.). Analyse der Unternehmenslagedurch systematische Datenerhebung zu allen für die Sanierung des Unternehmens wesentlichen Bereichen (F&A IDW S 6, Rz. 56 f.). Im Vordergrund der Analyse des Umfelds steht die voraussichtliche Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (F&A IDW S 6, Rz. 56 ff.). Analyse der für das Unternehmen in seiner Branche charakteristischen Wettbewerbssituation und deren Entwicklung im Planungszeitraum (F&A IDW S 6, Rz. 56 ff.). Analyse der internen Unternehmensverhältnisse Erfassung der Ergebnis-, Finanz- und Vermögenslage des Unternehmens. (F&A IDW S 6, Rz. 56 ff.). Die Ursache einer drohenden Insolvenz ist darzulegen, auch ob diese lediglich aus Problemen auf der Finanzierungsseite resultiert, oder ob der Betrieb unwirtschaftlich, insbesondere nicht kostendeckend oder sonst mit Verlusten arbeitet (F&A IDW S 6, Rz. 61).

___________ 3) F & A z. IDW S 6, Stand: 16.5.2018, IDW Life 8/2018, S. 826 ff.

24

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

Betriebswirtschaftliche Konkretisierungen des IDW S 6zu den Anforderungen der Rechtsprechung

Anforderungen der Rechtsprechung an Sanierungskonzepte

Analyse von Krisenursachen und -stadium Die Prüfung muss die Krisenursachen erfassen (BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, Rz. 25, ZIP 1998, 248). Darlegung der Ursache der drohenden Insolvenz, insbesondere ob diese lediglich aus Problemen auf der Finanzierungsseite resultiert, oder ob der Betrieb unwirtschaftlich, insbesondere nicht kostendeckend oder sonst mit Verlusten arbeitet (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 35, NZI 2016, 636).

In der Entwicklung bis hin zur Insolvenz lassen sich die Stadien der Stakeholder-, Strategie-, Produkt- und Absatzkrise sowie der Erfolgsund Liquiditätskrise unterscheiden (F&A IDW S 6, Rz. 31). Nicht identifizierte und behobene Krisenursachen wirken weiter und führen dazu, dass z. B. die Erfolgs- und Liquiditätskrise nur vorübergehend überwunden wird, ohne dass eine nachhaltige Sanierung erreicht ist (F&A IDW S 6, Rz. 62).

Nachhaltigkeit der Sanierung Vorliegen objektiver Sanierungsfähigkeit und die für ihre Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen müssen zusammenobjektiv geeignet sein, die Gesellschaft in überschaubarer Zeitdurchgreifend zu sanieren (BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, LS, ZIP 2005, 281). Eine dauerhafte Sanierung ist erforderlich. Arbeitet das Unternehmen ständig mit Verlust, ist eine Sanierungsvereinbarung, mit der lediglich der gegenwärtige Schuldenstand reduziert wird, von vornherein nicht tragfähig, weil dann der erneute Anstieg der Schulden unausweichlich und der erneute Eintritt der Insolvenzreife absehbar ist (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 29, NZI 2016, 636). Es muss damit gerechnet werden können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 30, NZI 2016, 636). Nach Durchführung der Maßnahmen muss für das Unternehmen die Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit wiederhergestellt werden können (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 36, NZI 2016, 636).

Das Sanierungskonzept zeigt auf, dass das Unternehmen objektiv sanierungsfähig ist und die für seine Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen insgesamt objektiv geeignet sind, das Unternehmen in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren. (Muster für die Schlussbemerkung zur Zusammenfassung). Der Erstellung eines Sanierungskonzepts können nur objektive oder zumindest objektivierbare Kriterien zugrunde gelegt werden (F&A IDW S 6, Rz. 22). Nachhaltigkeit ist über eine zeitliche Komponente hinaus Grundlage für einen dauerhaften Sanierungserfolg (F&A IDW S 6, Rz. 20). Durch geeignete Maßnahmen ist nachhaltig Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen (F&A IDW S 6, Rz. 18). Wettbewerbsfähigkeit setzt Finanzierbarkeit am Markt voraus. Diese erfordert grundsätzlich eine angemessene Rendite sowie ein angemessenes Eigenkapital (F&A IDW S 6, Rz. 26). Neben einer positiven insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose wird eine durchgreifende Sanierung gefordert, d. h. die Wiederherstellung der Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit, als Voraussetzung, aus eigener Kraft im Wettbewerb bestehen zu können (F&A IDW S 6, Rz. 24).

Kühne

25

§2

1. Teil Allgemeines Betriebswirtschaftliche Konkretisierungen des IDW S 6zu den Anforderungen der Rechtsprechung

Anforderungen der Rechtsprechung an Sanierungskonzepte

Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise und Abwendung einer Insolvenzgefahr Sanierungskonzept muss mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt sein (BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276, 280). Umstrukturierungsmaßnahmen müssen in Angriff genommen werden, d. h. vom Fortführungswillen der Organe getragen sein (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 36, NZI 2016, 636). Die Reduzierung allein der Schulden durch (Teil-)Verzicht der Gläubiger ist für eine Sanierung in der Regel nicht erfolgversprechend, wenn dadurch die Ursachen der Krise nicht beseitigt werden und in der Zukunft unverändert fortwirken würden. Ihre Beseitigung ist die Grundlage jeder erfolgversprechenden Sanierung, sofern die Krise, wie ausgeführt, nicht ausnahmsweise lediglich auf einem Zahlungsausfall beruht (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 40, NZI 2016, 636 m. w. N.). Beschränkt sich ein Sanierungsversuch allein darauf, dass alle oder ein Teil der Gläubiger quotal auf ihre Forderungen verzichten, ist dies nur dann erfolgversprechend, wenn der Insolvenzgrund allein auf einem Finanzierungsproblem beruht, etwa dem Ausfall berechtigter Forderungen des Schuldners, das Schuldnerunternehmen aber grundsätzlich profitabel arbeitet. Kann in diesem Fall durch einen Schuldenschnitt die Zahlungsfähigkeit dauerhaft wiederhergestellt und die Überschuldung beseitigt werden, werden hierdurch andere auch künftige Gläubiger nicht benachteiligt (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 31, NZI 2016, 636). Die Maßnahmen müssen eine positive Fortführungsprognose begründen (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 36, NZI 2016, 636).

26

Im Sanierungskonzept ist anzugeben, ob das schlüssige Konzept mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist, und welche konkreten Maßnahmen hierfür bereits eingeleitet und mit welchem Grad diese bereits realisiert sind (F&A IDW S 6, Rz. 75). Dazu muss die Unternehmensleitung über den Willen, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten verfügen, mit den im Konzept ausgeführten Maßnahmen die Sanierungsfähigkeit zu erreichen (F&A IDW S 6, Rz. 25). Das jeweilige Krisenstadium bestimmt Inhalte und Maßnahmen des Sanierungskonzepts (F&A IDW S 6, Rz. 68) Das Sanierungskonzept beschreibt auf der Grundlage einer systematischen Lagebeurteilung die im Hinblick auf das Leitbild des sanierten Unternehmens zu ergreifenden Maßnahmen und quantifiziert deren Auswirkungen i. R. einer integrierten Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögensplanung (F&A IDW S 6, Rz. 5). In einer Vorstufe ist eine unverzügliche Beurteilung der Insolvenzantragsgründe in der Regel gemäß IDW S 11 erforderlich. Wird eine akute Illiquiditätslage festgestellt, müssen unverzüglich, d. h. innerhalb von längstens drei Wochen, Maßnahmen zu deren Beseitigung konkretisiert und umgesetzt werden (F&A IDW S 6, Rz. 13). Für eine positive Fortführungsfähigkeit muss im Planungszeitraum des Konzepts die Finanzierung des Unternehmens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sichergestellt werden (F&A IDW S 6, Rz. 17). Sanierungsfähig ist ein erwerbswirtschaftliches Unternehmen nur dann, wenn eine Durchfinanzierung i. S. einer positiven insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose im Prognosezeitraum des Konzepts vorliegt (Stufe 1) und darüber hinaus durch geeignete Maßnahmen auch nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangt werden kann (nachhaltige Fortführungsfähigkeit i. S. einer Sanierungsfähigkeit; Stufe 2) (F&A IDW S 6, Rz. 18). Nachhaltige Sanierung verlangt ein Konzept zur Stärkung bzw. Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit und kann sich nicht mit Kurzund Mittelfristmaßnahmen begnügen (F&A IDW S 6, Rz. 69).

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

Betriebswirtschaftliche Konkretisierungen des IDW S 6zu den Anforderungen der Rechtsprechung

Anforderungen der Rechtsprechung an Sanierungskonzepte

Nicht ausreichend für eine durchgreifende Sanierung i. S. der Rechtsprechung ist jedenfalls die bloße Abwendung von Insolvenzgründen […], wenn dadurch die Ursachen der Krise nicht beseitigt werden und in der Zukunft unverändert fortwirken würden (F&A IDW S 6, Rz. 30). Schlüssigkeit des Konzepts Das Sanierungskonzept muss schlüssig sein und von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen (BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276, 280). Das Konzept muss nachvollziehbar und vertretbar erscheinen (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 30, NZI 2016, 636).

Im Sanierungskonzept ist anzugeben, ob das schlüssige Konzept mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist (F&A IDW S 6, Rz. 75). Das Sanierungskonzept muss hinsichtlich der vorgesehenen Beiträge der betroffenen Interessengruppen (vor allem der Gesellschafter, der Kreditgeber, des Managements und der Arbeitnehmer) sowie bezüglich der Umsetzung der erforderlichen operativen und strategischen Restrukturierungsmaßnahmen realisierbar sein (F&A IDW S 6, Rz. 5). Die Erfassung aller wesentlichen Informationen sowie die Klarheit und Übersichtlichkeit der Darstellung der Ausgangssituation sind Grundvoraussetzungen für ein nachvollziehbares Sanierungskonzept (F&A IDW S 6, Rz. 46).

Prognose der Durchführbarkeit Für die Frage der Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen (BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, Rz. 25, ZIP 1998, 248). Das Sanierungskonzept mussernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigen (BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276, 280). Das Sanierungskonzept muss nicht ohne jegliches Risiko sein. Eine positive Prognose genügt, muss aber nachvollziehbar und vertretbar erscheinen. Es muss damit gerechnet werden können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt (BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276, 280).

Ausgehend von plausiblen Annahmen, die für die Sanierung wesentlich sind, muss für das Unternehmen aus Sicht des Erstellers zum Abschluss der Erstellung des Sanierungskonzepts eine positive Prognose vorliegen, d. h. es muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit saniert werden können. Bei objektiver Betrachtung muss somit mehr für als gegen die erfolgreiche Sanierung sprechen. Dies gilt auch für Maßnahmen, die der Mitwirkung Dritter bedürfen (F&A IDW S 6, Rz. 21). Die Berichterstattung enthält […] eine Einschätzung, ob das Unternehmen […] sanierungsfähig ist, d. h., dass auf Basis des Sanierungskonzepts bei objektiver Beurteilung ernsthafte und begründete Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung in einem überschaubaren Zeitraum bestehen (F&A IDW S 6, Rz. 91).

Kühne

27

§2

1. Teil Allgemeines Betriebswirtschaftliche Konkretisierungen des IDW S 6zu den Anforderungen der Rechtsprechung

Anforderungen der Rechtsprechung an Sanierungskonzepte

Integrierter Unternehmensplan Eine positive Prognose genügt, muss aber nachvollziehbar und vertretbar erscheinen. Es muss damit gerechnet werden können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 30, NZI 2016, 636). Ein Sanierungskonzept setzt im Wesentlichen eine Planverprobungsrechnung voraus (OLG Köln v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, WPg 2011, 442). Erforderlich sind die dazu gehörigen Liquiditätsplanungen, die Plan-GuV und die Planbilanz für einen längeren Prognosezeitraum (OLG Celle v. 8.10.2015 – 16 U 17/15, Rz. 23, BeckRS 2015, 19427).

Das Sanierungskonzept beschreibt auf der Grundlage einer systematischen Lagebeurteilung die im Hinblick auf das Leitbild des sanierten Unternehmens zu ergreifenden Maßnahmen und quantifiziert deren Auswirkungen i. R. einer integrierten Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögensplanung (F&A IDW S 6, Rz. 5). Der im Sanierungskonzept verankerte Sanierungsplan ist integriert als Ergebnis-, Finanz- und Vermögensplan zu erstellen. Dabei wird, ausgehend von den betrieblichen Teilplänen (Absatzplanung, Investitionsplanung, Personalplanung etc.) und unter Berücksichtigung der abgeleiteten Maßnahmen, eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung, eine Plan-Bilanz und darauf aufbauend ein Finanzplan entwickelt (F&A IDW S 6, Rz. 78).

Leitbild Ein Sanierungskonzept setzt im Wesentlichen ein Leitbild des sanierten Unternehmens voraus (OLG Köln v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, WPg 2011, 442).

VI.

Kernbestandteil eines Sanierungskonzepts ist das Leitbild des sanierten Unternehmens. Das Leitbild umschreibt die Konturen eines Unternehmens, das in wirtschaftlicher Hinsicht nachhaltig eine Wettbewerbsfähigkeit aufweist, mithin wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber (geworden) ist (F&A IDW S 6, Rz. 63). Das Leitbild schließt ein realisierbares, zukunftsfähiges Geschäftsmodell ein (F&A IDW S 6, Rz. 65).

Kernbestandteile von Sanierungskonzepten

27 Kernbestandteile eines Sanierungskonzepts i. S. der BGH-Rechtsprechung und des IDW S 6 sind demnach: 

Die Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang;4)



Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage;5)



die Analyse von Krisenstadium und -ursachen sowie Analyse, ob eine Insolvenzgefährdung vorliegt;6)

___________ 4) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 34 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 5) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 54 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 6) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 62 f., IDW Life 8/2018, S. 813 ff.

28

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2



Darstellung des Leitbilds7) mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens;



die Darstellung der Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenzgefahr und Bewältigung der Unternehmenskrise sowie zur Herstellung des Leitbilds des sanierten Unternehmens;8)



ein integrierter Unternehmensplan;9)



die zusammenfassende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit.

VII. Definition der Sanierungsfähigkeit Die Kernanforderungen an die Sanierungsfähigkeit können differenziert nach Rechtspre- 28 chung und dem IDW S 6 wie folgt zusammengefasst werden: 1.

Anforderungen des BGH an die Sanierungsfähigkeit



Vorliegen objektiver Sanierungsfähigkeit und die für ihre Sanierung konkret in Angriff 29 genommenen Maßnahmen müssen zusammen objektiv geeignet sein, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren.10)



Eine dauerhafte Sanierung ist erforderlich. Arbeitet das Unternehmen ständig mit Verlust, ist eine Sanierungsvereinbarung, mit der lediglich der gegenwärtige Schuldenstand reduziert wird, von vornherein nicht tragfähig, weil dann der erneute Anstieg der Schulden unausweichlich und der erneute Eintritt der Insolvenzreife absehbar ist.11)



Es muss damit gerechnet werden können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt.12)



Nach Durchführung der Maßnahmen muss für das Unternehmen die Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit wiederhergestellt werden können.13)

2.

Definition der Sanierungsfähigkeit gemäß IDW S 6

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird neben einer positiven insolvenzrecht- 30 lichen Fortbestehensprognose eine durchgreifende Sanierung gefordert, d. h. die Wiederherstellung der Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit, als Voraussetzung, aus eigener Kraft im Wettbewerb bestehen zu können (nachhaltige Fortführungsfähigkeit bzw. Wettbewerbsfähigkeit.

___________ 7) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 64 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 8) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 69 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 9) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 79 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 10) BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, LS, ZIP 2005, 281. 11) BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 29, NZI 2016, 636. 12) BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 30, NZI 2016, 636. 13) BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 36, NZI 2016, 636.

Kühne

29

§2

1. Teil Allgemeines Abb. 2: Sanierungsfähigkeit gemäß IDW S 6

31

Sanierungsfähigkeit

Stufe 1: Fortführungsfähigkeit

+

Stufe 2: Wettbewerbsfähigkeit

Geschäftsmodell/Leitbild Mitarbeiter

Management

Produkte/ Dienstleistungen

(digitale) Anpassungsfähigkeit

Etc.

Finanzierbarkeit am Markt Angemessenes EK

Angemessene Rendite

VIII. Unternehmensanalyse 32 Die Unternehmensanalyse ist Ausgangspunkt für die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit. Hier kann nach externer und interner Unternehmensanalyse differenziert werden. 1.

Externe Analyse

1.1

Analyse der Marktsituation – Porters Five Forces

33 Die fünf Marktkräfte (Porters Five Forces) sind eine geeignete und übliche Darstellungsform um das Unternehmen im Wettbewerb darzustellen. 34 Die Branchenstrukturanalyse nach dem Fünf-Kräfte-Modell (engl. five forces) ist im strategischen Management ein von Michael E. Porter entwickeltes Hilfsmittel zur Strategieanalyse in der unternehmerischen Planung.14) Die Ergebnisse dieser Analyse fließen oft als Umweltanalyse in eine SWOT-Analyse ein, wobei die Kräfte beschrieben werden, die von der externen Umwelt auf die Unternehmung einwirken. 35 Der Ursprung des Modells ist der industrieökonomische Ansatz. Der Grundgedanke ist, dass sich die Attraktivität des Marktes vor allem durch die Marktstruktur bestimmt. Die Marktstruktur wiederum beeinflusst das strategische Verhalten der Unternehmen, d. h. ihre Wettbewerbsstrategie, welche wiederum ihren Markterfolg bestimmt. So ist der Erfolg einer Unternehmung also zumindest indirekt von der Marktstruktur abhängig. 36 Das Modell basiert auf der Idee, dass die Attraktivität einer Branche durch die Ausprägung der fünf wesentlichen Wettbewerbskräfte bestimmt wird: 

Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern/brancheninterner Wettbewerb (zentrale Triebkraft) (Intensity of Competitive Rivalry bzw. Industry Rivalry);



Bedrohung durch neue Anbieter (Potential Entrants) (auch Zugangsbeschränkung (Barriers to Entry oder Threat of Entry);



Verhandlungsstärke der Lieferanten (Bargaining Power of Suppliers);

___________ 14) Porter, Wettbewerbsstrategie, S. 33 ff.

30

Kühne

§2

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten 

Verhandlungsstärke der Abnehmer (Bargaining Power of Buyers bzw. Bargaining Power of Customers);



Bedrohung durch Ersatzprodukte (Substitution) (Threat of Substitutes).

Je stärker die Bedrohung durch diese fünf Wettbewerbskräfte ist, desto unattraktiver ist 37 die betrachtete Branche und desto schwieriger ist es, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Unternehmen sollten daher versuchen, in einer Branche mit attraktiver Branchenstruktur tätig zu sein und eine verteidigungsfähige Position in ihrer Branche aufzubauen, also eine Position, in der die fünf Wettbewerbskräfte eine möglichst wenig bedrohliche Ausprägung aufweisen. Unternehmen können zudem auf die fünf Kräfte mithilfe entsprechender strategischer Aus- 38 richtung einwirken. Dies kann die Attraktivität einer Branche erhöhen. Wenn jedoch Unternehmen die Verteilung der Wettbewerbskräfte zum Vorteil der eigenen Wettbewerbsposition beeinflussen, ohne sich über die langfristigen Auswirkungen im Klaren zu sein oder diese bewusst in Kauf nehmen, kann dies Struktur und Rentabilität einer Branche ebenso zerstören. Abb. 3: Branchenstrukturanalyse

39

Potentielle Mitbewerber Bedrohung durch Markteintritt neuer Konkurrenten

Mitbewerber Zulieferer

Verhandlungsstärke

Verhandlungsstärke

Kunden

Rivalität

Bedrohung durch Ersatzprodukte

Ersatzprodukte

Quelle: Wikipedia, abrufbar unter https://de.wikipedia.org/wiki/Branchenstrukturanalyse, (Abrufdatum: 14.2.2023).

1.2

PESTL-Analyse

Mit der PESTL-Analyse wird das gesamte Unternehmensumfeld und bestehende oder 40 aufkommende Trends untersucht. Darunter versteht man:

41



Soziokulturelle Faktoren sind Werte, Lebensstil, demografische Einflüsse, Einkommensverteilung, Bildung, Bevölkerungswachstum, Sicherheit.



Technologische Faktoren umfassen Forschung, neue Produkte und Prozesse, Produktlebenszyklen, staatliche Forschungsausgaben. Kühne

31

§2

1. Teil Allgemeines



Ökonomische Faktoren sind Wirtschaftswachstum, Inflation, Zinsen, Wechselkurse, Besteuerung, Arbeitslosigkeit, Konjunkturzyklen, Verfügbarkeit von Ressourcen.



Politische Faktoren beinhalten Wettbewerbsaufsicht, Gesetzgebung, politische Stabilität, Steuerrichtlinien, Handelshemmnisse, Sicherheitsvorgaben und Subventionen.

42 Zwischen den einzelnen Faktoren gibt es wechselseitige Abhängigkeiten, d. h., dass eine Änderung in einem Gebiet auch zu Veränderungen in anderen Bereichen führen kann. So können z. B. technologische Veränderungen ökonomische Folgen haben oder politische Entscheidungen die ökonomische Entwicklung beeinflussen. Für jede der vier oben genannten Einflussfaktoren sollten bei der STEP-(PEST)-Analyse die folgenden Fragen gestellt werden, um die Veränderungen und die treibenden Kräfte zu identifizieren, die die Veränderung herbeiführen: 

Welche zukünftigen Trends könnten das Nachfrage- und Marktverhalten unserer Lieferanten/unserer Wettbewerber verändern?



Wann wird hierfür der Zeitpunkt sein?

1.3

Branchenanalyse

43 Grundlage für die Ableitung und Beurteilung eines strategischen Restrukturierungsplans sind die relevanten Faktoren und Entwicklungen der Branche. Dadurch ergeben sich nicht nur Anhaltspunkte dafür, wie profitabel die Branche in naher Zukunft sein wird, sondern auch dafür, wie das Unternehmen im Spannungsfeld der einzelnen Kräfte und ihrer Entwicklungen positioniert ist. Es gilt daher, die Einflussfaktoren zu identifizieren, die starken Bezug zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens haben und deswegen für die erfolgreiche Neustrukturierung wesentlich sind. Entscheidend sind dabei die Analyse der für das Unternehmen in seiner Branche charakteristischen Wettbewerbssituation und deren Entwicklung im Planungszeitraum. 1.4

SWOT-Analyse

44 Ebenfalls sollte das Unternehmen einer SWOT-Analyse unterzogen werden, die den internen Bereich mit dem externen Unternehmensumfeld verknüpft. Stärken (Strength)

Schwächen (Weaknesses)

Lage des Unternehmens Patente Kostenvorteile durch eigenes Know-how Marketingexpertise von Experten Exklusiver Zugang zu natürlichen Ressourcen Qualitätsprozesse und Verfahren Neues, innovatives Produkt oder Service Starke Marke oder Reputation Know-how der Mitarbeiter

Mangel an Marketingexpertise Lage der Firma Geringere Qualität der Waren oder Dienstleistungen Beschädigte Reputation Undifferenzierte Produkte oder Services (d. h. im Vergleich zu Ihren Konkurrenten) Konkurrenten haben besseren Zugang zu Vertriebskanälen

Möglichkeiten (Opportunities)

Bedrohungen (Threats)

Fusionen, Joint Ventures oder strategische Allianzen Sich entwickelnder Markt (China, das Internet) Neue Technologien Neuer internationaler Markt Neue attraktive Marktsegmente

Neue Regelungen Ein neuer Konkurrent im eigenen Binnenmarkt Preiskrieg Konkurrent hat ein neues, innovatives Ersatzprodukt oder Service Technologischer Fortschritt lässt den Markt für die eigenen Produkte verschwinden

32

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten 1.5

§2

Lebenszyklusanalyse

Im Zeitalter der Digitalisierung müsste unseres Erachtens auch eine Lebenszyklusanalyse 45 angestrengt werden. In vielen Fällen wird die Bewertung, auf welcher Entwicklungsstufe des Lebenszyklus das Unternehmen steht, eine wichtige Vorfrage für Beurteilung der Sanierungsfähigkeit sein. Dies betrifft sowohl die Analyse des Lebenszyklus des Unternehmens als auch der Branche an sich. Folglich hat es auch Auswirkung auf die Ertragspotentiale des Unternehmens und damit auf die Gesamtbeurteilung. 2.

Interne Analyse

In Wissenschaft und Praxis ist eine Vielzahl von Methoden und Techniken zur Analyse des 46 Unternehmens in seiner Gesamtheit und zu einzelnen Unternehmensbereichen entwickelt worden (z. B. Portfolio-Methoden, Szenario-Analysen, Stärken-Schwächen-Analysen, Kompetenzanalysen, Wertanalysen, Konkurrentenanalysen oder (quantitative) Risikoanalysen). Die Bestimmung des im Einzelfall anzuwendenden Verfahrens steht im pflichtgemäßen Ermessen des Konzepterstellers; seinen besonderen Kenntnissen und Erfahrungen kommt daher große Bedeutung zu. Bei der Unternehmensanalyse ist zunächst die Ergebnis-, Finanz- und Vermögenslage des 47 Unternehmens (einschließlich des bestehenden Geschäftsmodells) zu erfassen. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung der Umsätze, Kosten und Deckungsbeiträge der Produktgruppen und Geschäftsbereiche.15) Zum Beispiel durch Breakeven-Analysen lässt sich feststellen, welche Absatzveränderungen und Kostensenkungen erforderlich sind, um zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Zunächst richtet sich der Blick in die Vergangenheit. Hier gibt es Bilanz-, GuV-Positionen 48 und signifikante Kennzahlen, die über einen längeren Zeitraum ausgewertet werden können. Die zur Beurteilung der finanzwirtschaftlichen Lage maßgeblichen Kennzahlen sind: Liquiditätskennzahlen

Ertragskennzahlen

Vermögenskennzahlen

Liquiditätsgrade I bis III Cashflow in % vom Umsatz Schuldentilgungsdauer in Jahren Kapitaldienstdeckungsfähigkeit – Debt Service Coverage

Gesamtkapitalrentabilität Eigenkapitalrentabilität Umsatzrentabilität Material-/Fremdleistungsquote Personalaufwandsquote EBITDA in % vom Umsatz

Eigenmittelquote Verschuldungsgrad Anlagendeckung Working Capital Laufzeiten der Debitoren und Kreditoren in Tagen Vorratsreichweite in Tagen

49

Darüber hinaus sind die Chancen und Risiken, die sich aus der externen Analyse ergeben, 50 ebenso zu berücksichtigen wie alle weiteren Einflüsse, die für die Ergebnis-, Finanz- und Vermögensentwicklung von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere die Verhältnisse 

51

gesellschaftsrechtlicher Art (z. B. die von den Gesellschaftsstatuten bestimmten Rahmenbedingungen sowie Unternehmensverträge),

___________ 15) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 56 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff.

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§2

1. Teil Allgemeines



zivilrechtlicher Art (z. B. Eigentumsverhältnisse, wesentliche Verträge wie Miet- und Pachtverträge, Leasingverträge, Lizenzverträge, Verträge mit wesentlichen Lieferanten und Kunden),



steuerrechtlicher Art (z. B. Steuerrisiken, Bestandskraft der Veranlagungen, Verlustvorträge) sowie



arbeitsrechtlicher Art (z. B. vertragliche Vereinbarungen, insbesondere Sanierungstarifverträge, Vereinbarungen zur Abgeltung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und ggf. bereits abgeschlossene Sozialpläne und Vereinbarungen über einen Interessenausgleich).

52 Im Rahmen der Analyse der Unternehmenslage ist auch das bestehende Geschäftsmodell im Ausgangsleitbild kritisch zu würdigen. Dabei ist der Blick auf Faktoren wie den Kernauftrag bzw. die Kerngeschäfte und ihre Rentabilität, die Kernprodukte mit ihren Eigenschaften sowie die Kernfähigkeiten zu richten. Die Einschätzung dieser Faktoren erfolgt im Verhältnis zu den Kunden und den Wettbewerbern. Zudem sind auch die Interessen und Möglichkeiten weiterer am Unternehmensgeschehen Beteiligter (Stakeholder) zu berücksichtigen. IX.

Leitbild des sanierten Unternehmens

53 Kernbestandteil eines Sanierungskonzepts ist das Leitbild des sanierten Unternehmens. Das Leitbild umschreibt die Konturen eines Unternehmens, das in wirtschaftlicher Hinsicht nachhaltig eine Wettbewerbsfähigkeit aufweist, mithin wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber (geworden) ist. Das Leitbild umfasst damit ein realisierbares, zukunftsfähiges Geschäftsmodell. 54 Als zu beschreibende Eckdaten eines Geschäftsmodells kommen insbesondere in Betracht, die wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens mit 

ihren Produkt-/Marktkombinationen,



der zugehörigen Umsatz-/Kostenstruktur,



den hierfür erforderlichen Prozessen sowie Systemen und



die Ressourcen und Fähigkeiten, die es zu entwickeln und zu nutzen gilt.

55 Für das Leitbild kommen ergänzend hinzu die langfristigen Zielvorstellungen und Grundstrategien – soweit erforderlich einschließlich der digitalen Strategie des Unternehmens, die angestrebte Wettbewerbsposition bzw. die angestrebten Wettbewerbsvorteile für den Kunden und die zu beachtenden gemeinsamen Wertvorstellungen, Grundregeln und Verhaltensweisen, die in ihrer Gesamtheit den Kern der Unternehmenskultur bilden und das interne Miteinander sowie das Auftreten nach außen maßgeblich prägen. 56 Hierbei bestehen folgende Herausforderungen für Unternehmen und etablierte Geschäftsmodelle: 

die zunehmende Globalisierung,



die Polarisierung von Lebensstandards,



die Deregulierung von Marktbereichen,



die rasante Technologieentwicklung, -implementierung und -transformation,



die wirtschaftlichen Vernetzungen und die kürzeren Produktlebenszyklen und damit den schnelleren Innovationszyklen.

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Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten X.

§2

Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens

Das jeweilige Krisenstadium bestimmt Inhalte und Maßnahmen des Sanierungskonzepts. 57 Die Sanierungsmaßnahmen zielen entsprechend der Dringlichkeit zunächst auf 

die Beseitigung von Insolvenzgründen ([drohende] Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung), d. h. auf die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens (Liquiditätssicherungsprogramm) und auf die vermögensmäßige Schuldendeckung;



anschließend ist die Gewinnzone durch ein effizientes Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramm zu erreichen;



schließlich zielen die Sanierungsmaßnahmen auf die strategische (Neu-)Ausrichtung des Unternehmens, um zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Erfolgspotenziale und dadurch Wachstumspotenziale zu erschließen.

Die nachhaltige Sanierung verlangt ein Konzept zur Stärkung bzw. Wiedergewinnung der 58 Wettbewerbsfähigkeit sowie Renditefähigkeit und kann sich daher nicht mit Kurz- und Mittelfristmaßnahmen begnügen. Je weiter die festgestellte Unternehmenskrise fortgeschritten ist, umso wichtiger wird es, 59 auch Sanierungsstrategien i. R. eines möglichen Insolvenzverfahrens zu untersuchen und einer außergerichtlichen Sanierung gegenüberzustellen. Für den Sanierungserfolg ist die Einhaltung der zeitlichen und finanziellen Vorgaben von 60 entscheidender Bedeutung. Es sind daher im Sanierungskonzept für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen deren finanziellen Effekte, die zeitlichen und finanziellen Erfordernisse sowie die für die Umsetzung Verantwortlichen zu nennen. IDW S 6 fordert für eine nachhaltige Sanierung Maßnahmen für eine stadiengerechte Sa- 61 nierung: 1.

Vermeidung der Insolvenz

Mit Feststellung eines Insolvenzgrunds besteht bei Kapitalgesellschaften & Co. und ihnen 62 insoweit gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften noch eine Frist von höchstens drei Wochen bei Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit, bzw. sechs Wochen bei Überschuldung, um durch geeignete Sanierungsmaßnahmen die Einleitung des Insolvenzverfahrens abzuwenden. Die Sicherung der Zahlungsfähigkeit setzt voraus, dass das Unternehmen im Prognosezeitraum in die Lage versetzt wird, seine jeweils fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht zu begleichen, d. h. den Ausschluss der zwingenden Insolvenzgründe. Zur Abwendung einer Überschuldung muss entweder der Status eine Schuldendeckung aufweisen, z. B. durch Eigenmittelzufuhr oder rangrückgetretenen Darlehen, oder aber die Fortbestehensprognose muss aufgrund der Liquiditätsausstattung positiv sein. Neben Gesellschafterleistungen kommen auch Beiträge der Gläubiger und der Belegschaft in Betracht. 2.

Überwindung der Liquiditätskrise

Die insolvenzrechtliche Liquidität wird aus drei Bestandteilen abgeleitet: Den aktuell freien 63 Mitteln, den künftigen Einzahlungen und den künftigen Auszahlungen. Die Liquiditätskrise kann durch zwei Maßnahmen beseitigt werden: entweder werden frische liquide Mittel beigebracht (z. B. Erhöhung freier Mittel und/oder künftiger Einzahlungen durch Anforderung von A-conto-Zahlungen) oder es werden „Fälligkeiten beseitigt“ (z. B. Reduktion künftiger Auszahlungsverpflichtungen durch Ratenzahlungsvereinbarungen). Liquiditätspotenziale können z. B. gehoben werden durch 

Optimierung der Lagerhaltung,



Reduzierung der Forderungslaufzeiten, Kühne

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35

§2

1. Teil Allgemeines



Factoring von Forderungen,



Outsourcing von Randfunktionen/Randgeschäften sowie



Sale-and-Lease-back von Anlagegütern,



Forderungsverzicht mit Besserungsschein,



Gesellschafterdarlehen,



Zahlungen aus Patronatserklärungen.

3.

Überwindung der Erfolgskrise

65 Um nach einer Erfolgskrise mindestens eine nachhaltige, branchenübliche Rendite zu erreichen, bedarf es eines umfassenden Sanierungskonzepts. So können einzelne Geschäfte aufgegeben, andere gebündelt oder neu in das Portfolio aufgenommen werden; in der Regel ist es zudem vorteilhaft, das Leistungssortiment zu straffen und die Fertigungstiefe zu reduzieren. Überdies können geschäftsübergreifend Möglichkeiten der Bündelung von Funktionen/Prozessen sowie der Verwendung von Gleichteilen in der Fertigung genutzt werden. Eine Verbesserung der Kostenstruktur lässt sich z. B. durch Senkung der Bezugspreise, Optimierung der Verbrauchsmengen, Verminderung der Ausschussquote, Senkung der Lagerkosten und der Kapitalbindungskosten, Reduktion und Bereinigung der Artikelvielfalt, Veränderungen der Vergütungsstruktur im Personalbereich, Personalabbau, Senkung/ Flexibilisierung der Fixkosten sowie Abbau von Leerkosten/Senkung der Stückkosten durch bessere Kapazitätsauslastung erreichen. 66 Überdies sind in der Regel Maßnahmen zur Steigerung der Umsatzerlöse durchzuführen. Durch die Verbesserung der Wertschöpfungsprozesse und des Liefer- und Leistungsprogramms, eine stärkere Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse sowie eine Verbesserung von Marketing und Vertrieb lassen sich Mengen- und/oder Preiserhöhungen erzielen. 4.

Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

67 Ist eine Produkt- und Absatzkrise von nur vorübergehender Natur, kommt es lediglich darauf an, Maßnahmen zu identifizieren, um diese Schwächephase durchzustehen. Um das Belegschaftspotenzial mit seinen Qualifikationen zu erhalten, sind bestandswahrende Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, wie z. B. 

Einführung von Kurzarbeit,



Rücknahme von Leiharbeit,



Abbau von Zeitguthaben,



Verkürzung der Wochenarbeitszeit.

68 Um in der Übergangszeit die Ertragseinbußen möglichst gering zu halten bzw. zu kompensieren, sind solche Maßnahmen um ein striktes Kostenmanagement nebst entsprechenden Kontrollen in allen Unternehmensbereichen zu ergänzen. Stellt sich heraus, dass die Produktund Absatzkrise nicht durch kurzfristige Überbrückungsmaßnahmen beseitigt werden kann, sind die Kapazitäten im Leistungsbereich strukturell anzupassen. Dazu ist zuvor zu untersuchen, ob Produkte und Leistungen als marktfähig angesehen werden können und mit welchem Absatzvolumen zu rechnen ist. Einzubeziehen sind dabei auch Maßnahmen zur Beseitigung von Schwächen in Marketing und Vertrieb sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Absatzchancen, z. B. durch Sonderaktionen, Rabatte und zusätzliche Werbung. 69 Liegt die Problematik der Produkt- und Absatzkrise indes auf der Ebene der Leistungserbringung (z. B. Sortimentsschwächen, mangelnde Qualität der Produkte, unzureichende Liefertreue, falsche Preispolitik), müssen Maßnahmen definiert werden, mit denen sich in

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Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

den relevanten Funktionen und Prozessen Verbesserungen durchsetzen lassen. Dies erstreckt sich u. a. auf die Bereiche von Produktverbesserungen bzw. der von Neuprodukten, der Beseitigung von Qualitäts- und Belieferungsmängel sowie der Behebung von Ertragsnachteilen. Dabei ist auch abzuwägen, inwieweit vorübergehende Rendite- oder Gewinneinbußen in Kauf genommen werden können. Soweit – etwa infolge von Produktinnovationen oder Nachfrageverschiebungen – der Absatz nachhaltig gestört ist, sind die Möglichkeiten für eine grundsätzliche Neuausrichtung auszuloten. Ziel einer jeden Sanierung muss es daher sein, diesen Gewinnhebel zu maximieren und das Unternehmen zurück zu einer starken „Pricing-Power“ zu führen. Allgemein gilt: Generell ist es besser, einen Absatzals einen Preisrückgang zu akzeptieren. 5.

Überwindung der Strategiekrise

Grundlage der strategischen Neuausrichtung ist das Leitbild des rendite- und wettbe- 70 werbsfähigen Unternehmens. Ausgangspunkt der Strategiedefinition ist die Unternehmensanalyse. Diese hat Chancen und Schwächen aufgezeigt. Bei dieser Analyse sind die Wettbewerbskräfte und Trends miteingeflossen. Aus diesen wesentlichen Informationen ist in kreativer Arbeit eine Neuausrichtung vorzunehmen. Um seine Wettbewerbsfähigkeit auszubauen oder gar Wettbewerbsvorteile zu generieren, muss das Unternehmen unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen und der Vorgehensweisen der Konkurrenten seine Marktaktivitäten und Ressourcen optimal aufeinander abstimmen. Dies kann i. R. einer Unternehmensstrategie eigenständig, durch Allianzen mit Wettbewerbern oder durch Fusionen/Übernahmen erfolgen. Ziel der strategischen Unternehmensplanung ist die Begründung einer nachhaltig profitablen Unternehmensentwicklung durch Entwicklung geeigneter Produkt-Markt-Strategien (Strategien über das Produkt-Markt-Konzept) und RessourcenStrategien (Strategien zur Nutzung und Ausgestaltung der vorhandenen bzw. zu beschaffenden Ressourcen). Dabei gilt es, möglichst über die Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit hinaus Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Der Schwerpunkt der strategischen Neuausrichtung liegt im Bereich der Geschäftsfeld- 71 planung und der Ressourcenneuordnung sowie in der Formulierung der Unternehmensstrategie. Es ist daher festzulegen, wie die im – ggf. neu formulierten – Leitbild niedergelegten Ziele mittel- und langfristig erreicht werden sollen. Als Stoßrichtung des Maßnahmenpakets kommen folgende mittel- und längerfristig wirkende Optionen der Strategieplanung in Betracht: 





Stärkung des Kerngeschäfts, z. B. durch 

gezielte Profilierung der Marke oder des Produkts,



Definition des Marktsegments oder einer Nischenbelegung,



Profilierung durch Identifikation und Ausbau der Stärken und Eliminierung von Schwachstellen.

Ausweitung des Kerngeschäfts durch das Angebot 

komplementärer Produkte und Dienstleistungen sowie



integrierter Lösungen über die bisherigen Leistungen hinaus.

Transfer bisheriger Produkte, Marken, Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen auf neue Anwendungsbereiche wie z. B. 

neue Kunden,



neue Regionen,



neue Geschäftsfelder.

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37

§2 

6.

1. Teil Allgemeines Entwicklung neuer Erfolgspotenziale: 

Produkt- und Prozessinnovationen,



Aufbau von Kernkompetenzen,



Öffnung für Partnerschaften,



Einführung von Netzwerkstrukturen und strategischen Allianzen. Überwindung der Stakeholderkrise

72 Eine Stakeholderkrise, die sich negativ auf die Entwicklung des Unternehmens auswirkt, kann letztlich nur überwunden werden, wenn es der Unternehmensleitung oder dem Aufsichtsorgan gelingt, mit allen Interessengruppen wieder einen Konsens zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und zu einer gemeinsam getragenen und gelebten Unternehmens- und Zielstruktur zu finden. 73 Die Unternehmensführung muss in der Lage sein 

das Unternehmensleitbild entsprechend den (künftigen) Markt- und Wettbewerbsanforderungen zu präzisieren und weiterzuentwickeln,



angemessene Zielvorgaben abzuleiten und der Belegschaft vorzugeben,



durch Vorbild und Vorleben eine starke Unternehmenskultur zu prägen,



die ständigen Wandlungsanforderungen des Unternehmens zu bewältigen und



das erforderliche Vertrauen seiner internen und externen Stakeholder zu gewinnen.

XI.

Planverprobungsrechnung

74 Das Sanierungskonzept enthält in zusammengefasster Form eine zahlenmäßige Abbildung des Sanierungsablaufs. Durch diese Planverprobungsrechnung wird nachgewiesen, dass voraussichtlich keine Zahlungsunfähigkeit eintritt und zugleich die Finanzierbarkeit der geplanten Maßnahmen nachgewiesen. 75 Ausgehend von der Unternehmensanalyse und den identifizierten Schwachstellen sind die Maßnahmen zu quantifizieren (siehe Rz. 78) und in einem integrierten Unternehmensplan zusammenzuführen.16) 76 Die aus der Unternehmensanalyse gewonnenen Kennzahlen sind den Kennzahlen laut integrierter Planung gegenüberzustellen. Dies dient der Vorbereitung der Plausibilitätsbeurteilung. 1.

Darstellung der Problem- und Verlustbereiche

77 Der Scherpunkt der Arbeit und der Berichterstattung gilt den wesentlichen Schwachstellen und deren Überwindung. Diese ist sinnvollerweise nach Geschäftsfeldern, Produktbereichen, Produktionsstandorten, Absatzgebieten etc. zu gliedern. Zudem sind in zusammengefasster Form die Restrukturierungserfordernisse unter finanziellen Aspekten anzugeben (z. B. Kapitalbedarf und -zuführung, Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung). Der Schwerpunkt liegt in der Abschätzung der zukünftigen Entwicklung ohne Berücksichtigung der Sanierungsmaßnahmen („Was passiert, wenn nichts passiert?“). ___________ 16) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 72 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff.; F Stand: 16.5.2018, unter Ziff. 7, IDW Life 8/2018, S. 826 ff.; IDW Standard, Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11), Stand: 23.8.2021, Rz. 32, IDW Life 1/2022, S. 107 ff.

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Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten 2.

§2

Darstellung der Maßnahmeneffekte

Sodann ist darzulegen, welche Wirkungen die Maßnahmen auf die künftige Ergebnis-, 78 Finanz- und Vermögensentwicklung des Unternehmens voraussichtlich haben. Nach h. M. ist dies für das laufende und das folgende Planjahr zu quantifizieren. Hierzu sind die Maßnahmeneffekte möglichst monatlich zu beschreiben, während für die Folgejahre viertelbzw. halbjährliche Planangaben ausreichend sind. Wichtig ist es anzugeben, welche Maßnahmen bereits eingeleitet und mit welchem Grad 79 diese bereits realisiert sind. Für die Sicherung und Kontrolle der Umsetzung sollen die hierfür jeweils Verantwortlichen genannt werden. Nach dem IDW können beabsichtigte Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden: „Das Sanierungskonzept kann Maßnahmen umfassen, die von der Mitwirkung Dritter abhängen und bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung eine rechtlich bindende Verpflichtung noch aussteht.“17) 3.

Planerische Umsetzung in der Praxis

3.1

Basisbilanz

Eine Planungsrechnung erfolgt in aller Regel zu einem Planungsstichtag. Das heißt, auf 80 diesen Stichtag ist die Basisbilanz der Planung aufzustellen. Zur Abgrenzung der zum Stichtag zu berücksichtigenden Ereignisse hat die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung die sog. Wurzeltheorie entwickelt. Daher sind noch nicht verwurzelte Annahmen nicht in der Basisbilanz, sondern in der Planung in engerem Sinne zu berücksichtigen. In der Basisbilanz sind alle Aktiva und Passiva stichtagsgetreu mit ihren „Buchwerten“ aufzunehmen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass alle Verbindlichkeitenposten (nicht nur die fälligen Verbindlichkeiten) und vor allem auch in angemessenem Umfang Rückstellungen in der Basisbilanz aufgenommen werden. Selbstverständlich sind die Forderungen realistisch zu bewerten, weil andernfalls die Liquidität insbesondere im Kurzfristbereich fehlerhaft zu positiv dargestellt wird. Im Bereich der Forderungen und Verbindlichkeiten können im Einzelfall Saldenbestätigungen einzuholen sein. Nach dem Erstellen der Basisbilanz müssen Annahmen darüber getroffen werden, wie diese 81 Basisbilanz aufzulösen ist. Fehlerhaft wäre es, die Basisbilanz unverändert zu lassen und dauerhaft zu perpetuieren. Zur Auflösung müssen Annahmen über den Liquiditätsab- bzw. -zufluss aus den Rückstellungen und Debitoren- und Kreditorenlaufzeiten (und ggf. der Rückstellungen) getroffen werden. Die Forderungen sind mit ihren wahren Werten anzusetzen. 3.2

Ertragsplanung

In der Ertragsplanung sind die künftigen Erträge und Aufwendungen zu erfassen. Ist aus 82 unternehmensinternen Gründen eine individuelle Gliederung der Erfolgsplanung vorgesehen, so sollte zusätzlich eine dem gesetzlich vorgeschriebenen Gliederungsschema § 275 HGB entsprechende Auswertung der Erfolgsplanung erstellt werden. Die Planung erfolgt durch Übernahme der Werte aus den relevanten Teilplänen je Planungsposition. Sofern nicht bereits in sonstigen betrieblichen Erträgen oder Aufwendungen berücksichtigt, müssen weitere Aufwendungen oder Erträge („außerordentliche“) dargestellt werden. Insbesondere ist dies in manchen Unternehmenssituationen (z. B. Krise, Sanierungsfall, u. ä.) angezeigt. Die in der Unternehmensplanung abgebildeten Zahlen müssen im Abgleich mit der Ver___________ 17) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 76, IDW Life 8/2018, S. 813 ff.

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§2

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1. Teil Allgemeines

gangenheit, den getroffenen Maßnahmen zur Situationsverbesserung und im Vergleich zur Branche schlüssig sein. Deshalb sind Kennzahlenvergleiche sinnvoll; sie liefern wichtige Anhaltspunkte für Fragestellungen und Plausibilitätserwägungen. Die sicherlich herausragende Teil-Planung ist die Absatzplanung. Gerade in der Krise ist es besonders schwierig, die voraussichtlichen Absatzzahlen zu prognostizieren.  Die Gesamtleistung umfasst die Umsatzerlöse (inkl. gewährter Skonti, Boni und Rabatte), die Bestandsveränderungen und ggf. die aktivierten Eigenleistungen. Das heißt, es muss festgestellt werden, welche maximale Kapazität (100 % Auslastung) bei den zugrunde gelegten Ressourcen möglich ist.  Die Gesamtleistung ist transparent und nachvollziehbar zu ermitteln und zu dokumentieren. Typischerweise erfolgt dies durch ein betriebsspezifisches Mengen- und Wertgerüst. In diesem Zusammenhang sind Bestandsveränderungen und aktivierte Eigenleistung nachvollziehbar darzustellen und auf ihre Werthaltigkeit hin zu überprüfen. Das Mengen- und Wertgerüst orientiert sich sinnvollerweise an Markt- und/oder betrieblichen Gegebenheiten, wie z. B. Kunden, Produkte, Regionen, Sparten, Produktionslinien, Preisgruppen oder Ähnlichem. Der Materialaufwand stellt neben dem Personalaufwand die in der Regel bedeutendste Aufwandsposition dar und ist daher mit großer Sorgfalt zu planen.  Die Wareneinsätze bzw. Fremdleistungen (inkl. erhaltener Skonti, Boni und Rabatte) sind in analoger Systematik der Gesamtleistung (z. B. Produkte, Kunden etc.) darzustellen.  In der Regel wird der Materialaufwand relativ zum Absatz geplant. Es handelt sich um variable Kosten. Sinnvollerweise wird der Aufwand in Relation zur Absatzmenge und nicht zum Umsatz gesetzt, es sei denn die an die Kunden fakturierten Preise und die Einkaufspreise bleiben konstant. Sofern in der Unternehmensplanung Verbesserungen der Materialaufwandsquote enthalten sind, müssen die Gründe für diese hinterfragt und plausibilisiert werden.  Zur Ermittlung des Materialaufwandes und der Fremdleistungen (Herstellungs- oder Gestehungskosten) ist Folgendes zu berücksichtigen: Produktionsstrategie, Produktionsmethoden, Maschinen und Anlagen, Produktionspersonal, Produktionskapazität, Materialbeschaffung, Materiallagerung, Produktionsort(e) und Logistik. Sub-/Nachunternehmer. Energiekosten der Produktion, Zahlungs- und Bonivereinbarungen etc. Die Personalkosten sind entsprechend der betrieblichen Erfordernisse zu planen.  Es kann sich hier an der Aufbauorganisation, der Spartengliederung, der Kostenrechnung, dem DB-Schema usw. orientiert werden.  Selbstverständlich ist die Personalplanung vor dem Hintergrund der vorgenannten Pläne zu erstellen. Gegebenenfalls sind hier auch die strategischen Planungen/Ansätze und die Plausibilität zur Gesamtleistung zu beachten.  Gegebenenfalls sind die Personalkosten aufgrund der erwarteten Lohnkostensteigerung in der Branche zu schätzen. Sollte eine Reduktion bzw. eine geringere Steigerung als die der Branche zugrunde gelegt werden, sind die begründenden Maßnahmen zu hinterfragen und zu plausibilisieren.  Nicht unüblich ist es, die Personalkosten in Fixkosten für die Gehälter und in Produktivlöhne zu unterteilen und die Fixkosten über eine Steigerung zu planen, die Entwicklung der Produktivlöhne aber in % der Gesamtleistung bzw. der Umsatzerlöse abzuschätzen. Als Plausibilisierung dient die „Personalkapazität“: Können die Absatzmengen mit diesem geplanten Personalbestand realisiert werden? 40

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Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

Des Weiteren sind die sonstigen betrieblichen Erträge und sonstigen betrieblichen Auf- 87 wendungen zu planen. Sodann sind die Fixkosten mit ihren anzunehmenden Steigerungsraten bzw. geplanten 88 Reduktionen zu planen. Es ist ebenso erforderlich, die Ergebnisse auch in ihrer steuerlichen Auswirkung zu planen, 89 um die voraussichtliche Steuerbelastung abbilden zu können. Dazu gehören insbesondere auch Steuern auf Einmaleffekte, wie z. B. auf Buchgewinne aus Anlagenabgängen. Dasselbe gilt für die Nutzung etwaiger steuerlicher Verlustvorträge. Diese sind mit den Maßnahmen in Einklang zu bringen. 3.3

Bilanzplanung

Die Bilanzplanung ist erforderlich, um nicht ertragswirksame Veränderungen abzubilden, 90 sog pagatorische Korrekturen. Erst und nur dadurch lässt sich die Entwicklung der Liquidität darstellen. So sind z. B. Tilgungsleistungen, Darlehensaufnahmen, Entnahmen und Veränderungen im Working Capital nicht ertragswirksam, belasten aber die Liquidität. Gerade bei längerfristigen Fertigungszeiten ist die Working-Capital-Planung und die „Produktionsdauer“ von entscheidender Bedeutung für die Liquidität. Auch muss z. B. bei einem Lieferantenwechsel kalkuliert werden, ob sich an der Bezugsdauer oder an den Losgrößen etwas ändert und in der Folge die Ware früher oder später bezahlt werden muss. Bezüglich des Forderungseinzugs und der Forderungsverluste ist auf die tatsächlichen 91 Gegebenheiten abzustellen. Das heißt, die Analyse der Vergangenheit ist die Ausgangsbasis für die Planungsannahmen, die nur dann verändert werden, wenn entsprechende Maßnahmen geplant sind und diese hinreichend wahrscheinlich sind. Bezüglich der Verbindlichkeiten ist nicht auf die tatsächlichen, sondern auf die rechtlich geschuldeten Zahlungsziele abzustellen. Ein in der Vergangenheit eigenmächtig eingeräumter „Lieferantenkredit“ darf der Planung nicht unterstellt werden, würde er doch die rechtlich entstehende Zahlungsunfähigkeit ggf. verdecken. 3.4

Liquiditätsplanung

Sofern eine professionelle Software verwendet wird, ergibt sich die Liquidität als logische 92 Konsequenz der Fortentwicklung der Basisbilanz bzw. der aktuellen Finanzbuchführung durch die Ertrags- und Bilanzplanung. Wichtig sind aber noch Korrekturen, z. B. aus der Umsatzsteuer und aus dem Zahlungs- 93 verhalten der Kunden und den Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Lieferanten. Soweit die Steuern nicht im Aufwand erfasst werden und folglich bereits über die GuV- 94 Planung bearbeitet sind, müssen diese aus der Steuerplanung als Teilplanung in die Liquiditätsplanung einbezogen werden. Dies ist insbesondere für die Einkommensteuer bei Personengesellschaften von Bedeutung, wenn aufgrund von Sonderbetriebseinnahmen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG) trotz negativer Ergebnisse in der Gewinnermittlung der Gesamthand Steuerbelastungen auf die Gesellschafter zukommen, die aus der Gesellschaft entnommen werden müssen.

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§2

1. Teil Allgemeines

XII. Prognose der Sanierungsfähigkeit 95 Die Frage der Prognose der Sanierungsfähigkeit wird in Rechtsprechung und IDW S 6 wie folgt beantwortet: 1. BGH 96 Der BGH hat die Leitlinien der Beurteilung der Sanierungsfähigkeit wie folgt zusammengefasst:  Für die Frage der Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen.18)  Das Sanierungskonzept muss ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigen.19) Das Sanierungskonzept muss nicht ohne jegliches Risiko sein. Eine positive Prognose genügt, muss aber nachvollziehbar und vertretbar erscheinen. Es muss damit gerechnet werden können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt.20) 97 Weitere Konkretisierungen der Beurteilung der Sanierungsfähigkeit sind der Rechtsprechung des BGH kaum zu entnehmen 2. IDW S 6 98 Der IDW S 6 fasst die Beurteilung der Sanierungsprognose wie folgt zusammen: 99 Ausgehend von plausiblen Annahmen, die für die Sanierung wesentlich sind, muss das Unternehmen aus Sicht des Erstellers zum Zeitpunkt der Erstellung des Sanierungskonzepts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit saniert werden können.21) Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei objektiver Betrachtung gewichtigere Gründe für eine positive insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose bzw. Sanierung sprechen als dagegen; der Eintritt des Erfolgs muss also wahrscheinlicher sein als das Scheitern. 100 Das Sanierungskonzept hat hierbei die wesentlichen Annahmen und die für die Erlangung der Sanierungsfähigkeit notwendigen Maßnahmen zu beschreiben. 101 Der IDW S 6 stellt bei der Beurteilung der Sanierungsfähigkeit nicht auf die Würdigung einzelner Maßnahmen ab. Eine integrierte Sanierungsplanung kann nur dann hinreichend realisiert werden, wenn das Maßnahmenbündel in seiner Gesamtheit betrachtet wird. Statt einer isolierten Betrachtung einzelner Maßnahmen müssen somit alle wesentlichen Querbeziehungen innerhalb eines Maßnahmenbündels berücksichtigt werden. Denn im Regelfall ist die unternehmerische Krise gerade auf ein Zusammenwirken von unterschiedlichen Faktoren zurückzuführen. Somit ist die Stimmigkeit eine notwendige Bedingung für den Erfolg der Sanierung.22) 102 Das Sanierungskonzept kann Maßnahmen umfassen, die von der Mitwirkung Dritter abhängen und bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung eine rechtlich bindende Verpflichtung noch aussteht. 103 Die in die Sanierungsplanung eingeflossenen Maßnahmen sind bzgl. ihrer Erfolgsaussichten zu bewerten.23) Für eine positive Sanierungsaussage können nur die Maßnahmen berücksichtigt werden, die mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit realisiert werden. ___________ 18) 19) 20) 21) 22)

BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, Rz. 25, ZIP 1998, 248. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276, 280. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276, 280. Vgl. FAQ z. IDW S 6. IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 77, IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 23) BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, NZI 2016, 636.

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Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

Die Berichterstattung enthält die wesentlichen Annahmen, Feststellungen, Zwischener- 104 gebnisse und Schlussfolgerungen und als Schlussbemerkung zur Zusammenfassung eine Einschätzung, ob das Unternehmen – auch im Hinblick auf die Plausibilität der wesentlichen Annahmen – sanierungsfähig ist, d. h., dass auf Basis des Sanierungskonzepts bei objektiver Beurteilung ernsthafte und begründete Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung in einem überschaubaren Zeitraum bestehen.24) 3. 3.1

Meinungsstand in der Literatur zur Ausgestaltung des Prognoseurteils Groß in KSI 25)

Groß fasst die Frage der Sanierungsfähigkeit nicht als mathematisch fundiertes statisti- 105 sches Konzept, sondern als juristisches Beweismaß (§§ 286, 294 ZPO) i. S. einer komparativen, nicht quantifizierbaren Hypothesenwahrscheinlichkeit auf. Das komparative Urteil erfolgt auf der Grundlage eines paarweisen Vergleichs der Handlungsalternativen. Dabei gilt die Fortführung des Unternehmens dann als „überwiegend wahrscheinlich“, wenn stärkere bzw. bessere Argumente für die Fortführung sprechen. Denn die Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Sanierung auch mit den Kriterien der 106 nachhaltigen Fortführungsfähigkeit (Wettbewerbsfähigkeit und Renditefähigkeit) stellt nach Groß ein Prognoseurteil und damit angesichts der Ungewissheit über die künftige Entwicklung eine Wahrscheinlichkeitsaussage dar, die durch Schwächen in der Umsetzung, Unwägbarkeiten des Marktgeschehens und nachträglich bessere Erkenntnisse hinfällig werden kann. Die Erfolgsaussichten werden nach Überzeugung von Groß zudem maßgeblich durch die Überzeugungskraft des Sanierungskonzepts sowie die Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit der handelnden Personen bestimmt. Bei Abfassung des Prognoseurteils kommt dem Ersteller ein gewisser Beurteilungsspiel- 107 raum zu, wobei der Unschärfebereich für die Prognose gerade in Zeiten gesamtwirtschaftlicher Rückschläge einhergehend mit wachsender Verunsicherung über die konjunkturellen Wachstumsaussichten zunimmt. Denn in solchen Situationen greift bei den Stakeholdern (Banken, Lieferanten, Kunden, Arbeitnehmer etc.) zunehmend Vorsicht und Zurückhaltung um sich, sodass auch die Vorhersage von Stakeholderentscheidungen als solche immer schwieriger wird. Auch deshalb, so ist Groß überzeigt, sollte man sich keinesfalls dazu verleiten lassen, die dem 108 Sanierungskonzept zugrunde liegenden Annahmen mit konkreten Wahrscheinlichkeitszahlen zu versehen, zumal für den Informationsgehalt der Fortführungsprognose – neben quantitativen Größen wie die Liquiditätsentwicklung nach dem Unternehmenskonzept – üblicherweise vor allem qualitative Aussagen aus dem Durchsetzungs-, Umsetzungs- und Koordinationsmanagement das Prognoseergebnis bestimmend sind. Auch der BGH verlangt die Berücksichtigung solcher Aspekte. Wird bspw. das Umsetzungsmanagement in die Hände einer Person gelegt, die hinsichtlich der Sanierung keine positiven Referenzen aufweisen kann, so wird die positive Fortbestehensprognose vom BGH verneint.26) Qualifizierten Wirtschaftsprüfern und Beratern wird es regelmäßig gelingen, auf der Grund- 109 lage hervorragenden Erfahrungswissens (Best Practice) gepaart mit bewährten Urteilskriterien und Entscheidungsregeln Unternehmen in der Krise treffsicher zu beurteilen.

___________ 24) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 91, IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 25) Groß, KSI 2012, 241. 26) BGH v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, ZIP 1990, 659 – 662.

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§2 3.2

1. Teil Allgemeines Gleißner

110 Gleißner vertritt demgegenüber einen anderen Ansatz: Der Standard für Sanierungskonzepte – IDW S 6 – soll Grundlage für ökonomische Entscheidungen sein. Bei allen positiven Weiterentwicklungen in Struktur und Anwendung sind die im IDW S 6 formulierten (Mindest-)Anforderungen alleine nicht geeignet, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage für Kreditinstitute, Unternehmer und Investoren zu bieten. Betrachtet man die formulierten Mindestanforderungen, wird die starke Ausrichtung auf Anforderungen aus Rechtsprechung und Haftungsabsicherung erkennbar: Es geht letztlich um die (pauschale) Beurteilung, dass „Sanierungsfähigkeit“ gegeben ist. Auch wenn Methoden der quantitativen Risikoanalyse und Risikosimulation (Monte-Carlo-Simulation) als mögliche Instrumente genannt werden, wird insgesamt der Tatsache nicht adäquat Rechnung getragen, dass die Beurteilung eines Restrukturierungs- oder Sanierungskonzeptes letztlich eine „Hochrisikoentscheidung“ darstellt. 111 Aus ökonomischer Perspektive muss bei einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft Transparenz über den (aggregierten) Risikoumfang bzw. Umfang möglicher Planabweichungen im Mittelpunkt der Analyse und Beurteilung von Sanierungskonzepten liegen – ohne Risiken, bei einer sicher vorhersehbaren Zukunft, wäre die Beurteilung eines Sanierungskonzepts offensichtlich trivial. Es sind eben (im Wesentlichen nur) die Chancen und Gefahren (Risiken), die Planabweichungen auslösen können und die die Sanierungssituationen zu anspruchsvollen Entscheidungsproblemen machen. Entscheidungen beziehen sich auf eine nie sicher vorhersehbare Zukunft. Es sind die Chancen und Gefahren (Risiken), die Abweichungen von der erwarteten Zukunftsentwicklung (der erwartungstreuen Planung) auslösen können. Rational (risikoaverse) entscheidende Wirtschaftssubjekte werden den Umfang der Risiken bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Sogar ein risikoneutraler Entscheider muss sich Gedanken über die Eintrittswahrscheinlichkeit möglicher Zukunftsszenarien machen, um „erwartungstreue Planwerte“ – die im Mittel eintreten – zu erhalten. 112 Die den zukunftsbezogenen Entscheidungen zugrunde liegenden unsicheren Annahmen über die Zukunftsentwicklung sind nie völlig objektiv. Entsprechend sind risikoorientierte Entscheidungsmethodiken durchaus in der Lage, auch mit Unsicherheiten bezüglich des Risikos selbst und subjektiven Informationen adäquat umzugehen. Notwendig ist es jedoch, die Entscheidungsgrundlagen transparent, nachvollziehbar und diskutierbar darzustellen und Methodiken zu implementieren, um auf den getroffenen (oft unsicheren) Annahmen adäquate Entscheidungsvorlagen ableiten zu können. Dies ist eine Anforderung an die gewählte betriebswirtschaftliche Methodik. Der oft von Juristen formulierte Wunsch, absolut „sicherer Annahmen“ bezüglich der Zukunftsentwicklung (als Grundlage z. B. für eine gerichtliche Prüfung) ist nie erfüllbar, wenn es um die Zukunft geht. Und genau um diese geht es bei der Entscheidung über ein Sanierungskonzept. 113 Der Sanierungsprozess ist mit Unsicherheiten verbunden. Insbesondere die Umsetzung der (zukünftigen) Sanierungsmaßnahmen kann betreffend ihres Eintritts und Wirkung unsicher sein: Maßnahme

44

Beginn der Maßnahme

Kosten der Maßnahme

Zeitpunkt Wirkung der Zeitpunkt UmsetzungsKosten Maßnahme Wirkung wahrscheinlichkeit

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

Die Unsicherheit kann mittels Bandbreiten, Verteilungsfunktionen und weitere Parameter 114 abgeleitet werden. Diese wiederum können über eine Monte-Carlo-Funktion in eine Ergebnisprognose überführt werden, die nicht nur einen Erwartungswert („Mean“) erzeugt, sondern Aussagen zulässt, wie z. B. in welchem Korridor wird sich das Ergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit von z. B. 80 % bewegen. Bei der Monte-Carlo-Simulation handelt es sich um ein statistisches Zufallsverfahren, mithilfe dessen die voraussichtliche Entwicklung abgebildet werden kann. Abb. 4: Ergebnisprognose

115

Quelle: Eigene Darstellung.

Auch nach den GoP 3.0 (Grundsätze ordnungsgemäßen Unternehmensplanung) des Bundes 116 Deutscher Unternehmensberater sollte eine Planung dabei auf nachvollziehbare Erwartungswerte abstellen. Erwartungswerte sind im Mittel risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien realisierbar und damit unter Beachtung bestehender Chancen und Gefahren (Risiken) zu bestimmen. Der Ungewissheit künftiger Datenentwicklung oder erhöhter Prognoserisiken und -unsicherheit in Krisenzeiten kann auch durch die rollierende Planung, die Alternativplanung oder die flexible Planung begegnet werden in den Ausprägungen Worstcase, Normalcase, Bestcase. Auch finden Szenariotechniken und das Denken in anderen Dimensionen Anwendung. Bei allen Bemühungen, nur begrenzt Vorausschaubares in den Griff zu bekommen, müssen die den Planungsvorgaben zugrundeliegenden Wertgrößen realisierbar und damit realistisch bleiben. Da jede Planung zukunftsbezogen ist, sind Planungsabweichungen zu erwarten. Chancen 117 und Gefahren sowie mögliche Ursachen der Planabweichungen sind zu benennen und möglichst zu quantifizieren, um den Gesamtumfang möglicher Planabweichungen einschätzen zu können. Besonders zu betrachten sind dabei unsichere Planannahmen (Planungsprämissen), die grundsätzlich auf ein hier bestehendes Risiko verweisen.

Kühne

45

§2

1. Teil Allgemeines

118 Mithilfe solcher stochastischen Planungstechniken und Risikosimulation kann also gezeigt werden, 

in welcher Bandbreite sich Cashflow und Gewinn des Folgejahres bewegen werden (d. h. welche Planabweichungen – für ein vorgegebenes Konfidenzniveau – realistisch sind),



in welchem Umfang (risikobedingte) Verluste möglich sind (bzw. welcher Bedarf an Eigenkapital bzw. Liquidität als Risikodeckungspotenzial somit erforderlich ist),



welche Insolvenzwahrscheinlichkeit besteht,



welcher Sanierungsmehrwert geschaffen wird, um die Risiken entsprechend zu vergüten.

XIII. Referenzquote für die Beurteilung 119 Sanierungsfähig ist ein Unternehmen nach IDW S 6 dann, wenn es wettbewerbsfähig ist und damit dauerhaft fortgeführt werden kann bzw. eine Insolvenzgefahr dauerhaft beseitigt wird. Der BGH fordert in diesem Sinne eine durchgreifende Sanierung. Ein Unternehmen wird dauerhaft nur dann im Markt bestehen können, wenn es sich gegenüber seinen Wettbewerbern behaupten kann. 120 Die Wettbewerbsfähigkeit gründet sich neben dem Mitarbeiterpotenzial (Wissen, Fähigkeiten, Loyalität und Motivation des Managements und der Belegschaft, die es ermöglichen, für die Kunden Werte durch marktfähige Produkte und Leistungen zu schaffen) regelmäßig auch auf die Wandlungs- und Adaptionsfähigkeit des Unternehmens an externe Entwicklungen (z. B. im Zusammenhang mit den Herausforderungen der Digitalisierung). Dazu muss die Unternehmensleitung über den Willen, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten verfügen, mit den im Konzept ausgeführten Maßnahmen die Sanierungsfähigkeit zu erreichen. Die Wettbewerbsfähigkeit setzt Finanzierbarkeit am Markt voraus. Diese erfordert grundsätzlich eine angemessene positive Rendite sowie ein angemessenes positives Eigenkapital. 121 Insoweit stellt sich die Frage, wann konkret eine angemessene Rendite und ein angemessenes positives Eigenkapital vorliegt. Umsatzrenditen nach Branchen (2019) Intensives Verarbeitungsgewerbe (uE)

4,95 %

Sonstiges verarbeitendes Gewerbe

4,7 %

Bau

9,6 %

Wissensintensive Dienstleitungen

12,3 %

Sonstige Dienstleitungen

5,4 %

Mittelstand gesamt

7,5 %

Quelle: Statista.

Umsatzrenditen nach Unternehmensgröße Größe Weniger als 10 Mitarbeiter

2006

2013

2019

6,8 %

13,3 %

14,6 %

10 bis 49 Mitarbeiter

2,2 %

4,9 %

4,3 %

50 und mehr Mitarbeiter

2,9 %

4,2 %

4,3 %

Insgesamt

4,4 %

6,7 %

7,5 %

Quelle: Statista.

46

Kühne

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten

§2

Eigenkapitalquoten nach Branchen (2019) Intensives Verarbeitungsgewerbe (FuE)

34,6 %

Sonstiges verarbeitendes Gewerbe

41,1 %

Bau

24,3 %

Wissensintensive Dienstleitungen

28,2 %

Sonstige Dienstleitungen

32,8 %

Mittelstand gesamt

31,8 %

Quelle: Statista.

Eigenkapitalquoten nach Unternehmensgröße Größe

2006

2013

2019

Weniger als 10 Mitarbeiter

18,2 %

22,8 %

22,2 %

10 bis 49 Mitarbeiter

20,3 %

28,9 %

31,5 %

50 und mehr Mitarbeiter

27,5 %

31,6 %

37,0 %

Insgesamt

23,9 %

28,9 %

31,5 %

Quelle: Statista.

Es gibt erhebliche Unterschiede der Eigenkapitalquoten zwischen den Branchen, aber auch 122 zwischen den jeweiligen Unternehmensgrößen. Die Abgrenzung der Branchen durch neue Geschäftsmodelle wird immer schwieriger. Eine branchenübliche Eigenkapitalausstattung sowie Renditefähigkeit ist ein starkes – aber 123 nicht das einzige – Indiz für die Angemessenheit. Ist der Turnaround im Sanierungskonzept aufgezeigt, erscheint es bei einer Beurteilung der Angemessenheit anhand der Branchenkennziffern ausreichend, dass sich die Renditefähigkeit und die Eigenkapitalausstattung im letzten Planjahr am unteren Ende der branchenüblichen Bandbreite orientiert. Nach teilweise vertretener Auffassung soll als Referenzgröße auf die übliche Eigenkapi- 124 talquote eines vergleichbaren sanierten Unternehmens in entsprechendem wirtschaftlichen Umfeld abgestellt werden (u. a. geografische Lage, Branche, Unternehmensgröße – Peer Group)27). Befindet sich die ganze Branche in der Krise, ist trotzdem eine positive Rendite zu fordern. Ebenso ist fraglich, welche Positionen Eigenkapitalcharakter haben: 

Bilanzielles Eigenkapital



wirtschaftliches Eigenkapital 

Mezzanine-Kapital



Darlehen mit Rangrücktritt



Eigenkapitalvereinbarungen



Genussrechte

125

Der IDW S 6 enthält diesbezüglich keine weiteren Konkretisierungen. Grundsätzlich soll auf 126 bilanzielles Eigenkapital abgestellt werden. Nur in Ausnahmefällen soll das wirtschaftliche Eigenkapital mit einbezogen werden.28)

___________ 27) Gerig/Meller/Nientkewitz, ZIP 2017, 2029. 28) Vgl. FAQ z. IDW S 6.

Kühne

47

§2

1. Teil Allgemeines

127 Häufig fällt es dem Ersteller eines Sanierungskonzepts schwer, passende Wettbewerber zu identifizieren und an die entsprechenden Daten zu kommen. Soweit die Branchenüblichkeit im Ausnahmefall nicht festgestellt werden kann, kommen etwa ratingorientierte Verfahren (z. B. mit dem Ergebnis „Investment Grade“) oder alternative Kennzahlen (z. B. Verhältnis der Nettoverschuldung zum Plan-EBITDA oder Plan-EBIT) in Betracht.29) Abb. 5: Einjahres-Ausfallwahrscheinlichkeit

128 I

( 0,0 % – 0,18 %)

II (0,18 % – 0,59 %) 0,41 III (0,59 % – 2,92 %) 3,09

IV (2,92 % – 7,22 %)

V (7,22 % – 12,12 %)

VI (12,12 % – 100,00 %) 2022

Kennzahl

2021

Ratingnote

= Betriebsergebnis (ratingorientiert) / Fremdkapital

Bilanzsumme (ratingorientiert)

Fremdkapital

2,00 0,41

–3.886.460

3.058.924

–178,71

6.945.384

9.652.638

7.088.889

–26,56

–2.563.749

30,00

47,87

4.137.469

6.508.486

57,31

2.371.015

13.790.107

13.597.374

–1,40

–192.733

2,21

3,03

213.460

215.076

0,76

1.616

9.652.638

7.088.889

–26,56

–2.583.749

0,00

12,52

= Flüssige Mittel /

0

887.267



887.267

9.652.638

7.088.889

–26,56

–2.563.749

___________ 29) Hierzu auch Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.

48

absolut

43,16

Liquidität I. Grades erweitert Fremdkapital

Änderung

in %

3,09

Zinsaufwand zum Fremdkapital = Zinsaufwand /

Änderung

–40,26

Eigenkapitalquote = Eigenkapital (ratingorientiert) /

2022

4,00

Einjahres-Ausfallwahrscheinlichkeit Schuldendienstfähigkeit

2021

Kühne

§2

Restrukturierungsfähigkeit unter ökonomischen Gesichtspunkten Kennzahl

Return on Investment

2021

2022

Änderung

Änderung

in %

absolut

–33,06

18,01

= Ergebnis der gew. Geschäftstätigkeit /

–4.559.460

2.448.924

–163,71

7.008.384

Bilanzsumme (ratingorientiert)

13.790.107

13.597.374

–1,40

–192.733

Quote der flüssigen Mittel

0,00

6,53

0

887.267



887.267

13.790.107

13.597.374

–1,40

–192.733

= Flüssige Mittel (ratingorientiert) / Bilanzsumme (ratingorientiert) Quelle: Eigene Darstellung.

Demnach soll auch die Attraktivität des Unternehmens für Kapitalgeber zu Beurteilung 129 der Refinanzierbarkeit entscheidend sein. Auch bereits investierte Eigenkapitalgeber werden bei einem im Wettbewerb stehenden 130 Unternehmen keine marktunüblich niedrigen Renditen akzeptieren bzw. ihr Engagement langfristig aufgeben. Ein solches Unternehmen wird sich nicht dauerhaft im Markt halten können. Insofern lässt sich die Forderung des BGH nach einer rentablen Unternehmenstätigkeit auch ökonomisch gut begründen. Ein saniertes Unternehmen muss am Ende des Betrachtungszeitraums also ausreichende Erträge erwirtschaften, um den üblichen Kapitaldienst, die üblichen Investitionen sowie eine für die Eigenkapitalgeber angemessene bzw. risikoadäquate Rendite zu ermöglichen. Eine tatsächliche Ausschüttung ist jedoch nicht erforderlich. Es ist auf eine Gesamtbetrachtung des sanierten Unternehmens abzustellen und nicht auf eine einzelne Kennzahl, die ggf. durch Bilanzpolitik oder andere Maßnahmen beeinflussbar ist. Der BGH verlangt für eine positive Sanierungsaussage, dass das Unternehmen in über- 131 schaubarer Zeit durchgreifend saniert werden muss.30) In der Regel sind dies drei bis fünf Jahre, hängt aber letztlich von der Dauer des Sanierungszeitraumes ab. Der Sanierungszeitraum endet, wenn die Wettbewerbsfähigkeit wieder nachhaltig hergestellt ist. Gerade bei grundlegenden Geschäftsmodelländerungen kann dies einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. XIV. Berichterstattung Die Arbeitspapiere des Konzepterstellers zum Sanierungskonzept müssen es – soweit sich 132 dies nicht bereits aus der Berichterstattung ergibt – einem sachkundigen Dritten ermöglichen nachzuvollziehen, auf welche Dokumente, Fakten und Annahmen sich der Konzeptersteller gestützt hat. Der Konzeptersteller hat – unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wesentlichkeit und 133 Klarheit – im Sanierungskonzept über die Durchführung seines Auftrags in berufsüblicher Form schriftlich zu berichten. Hierbei sind die für die Ableitung und Begründung der Sanierungsfähigkeit relevanten Sachverhalte darzustellen. Gemäß IDW S 6 ist im Bericht Folgendes klarzustellen:31) 

134

Die dem Sanierungskonzept zugrunde liegende integrierte Planung basiert auf zukunftsorientierten Informationen, die notwendigerweise Unsicherheiten unterliegen. Die Er-

___________ 30) BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2005, 281. 31) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 89 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff.

Kühne

49

§2

1. Teil Allgemeines stellung von zukunftsorientierten Informationen verlangt zu einem großen Teil Schätzungen und die Berücksichtigung von Erfahrungswerten. Selbst wenn die der Planungsrechnung zugrunde liegenden Prämissen zu einem großen Teil eintreten, können die tatsächlichen Ergebnisse von der Planungsrechnung abweichen, da andere vorhergesehene Ereignisse häufig nicht wie erwartet eintreten oder andere nicht erwartete Ereignisse die Ergebnisse beeinflussen können.



Nicht Gegenstand des Auftrags ist es, die dem Sanierungskonzept zugrunde liegenden Ausgangsdaten und Informationen nach Art und Umfang einer betriebswirtschaftlichen Prüfung i. S. des § 2 Abs. 1 WPO zu prüfen.

135 Die Berichterstattung enthält die wesentlichen Annahmen, Feststellungen, Zwischenergebnisse und Schlussfolgerungen und als Schlussbemerkung zur Zusammenfassung eine Einschätzung, ob das Unternehmen – auch im Hinblick auf die Plausibilität der wesentlichen Annahmen – sanierungsfähig ist, d. h., dass auf Basis des Sanierungskonzepts bei objektiver Beurteilung ernsthafte und begründete Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung in einem überschaubaren Zeitraum bestehen. Spätestens bei Vorliegen einer Ertrags- oder Liquiditätskrise ist es erforderlich, auf die positive insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose gesondert einzugehen.32) 136 Sind nur einzelne Teilbereiche eines Sanierungskonzepts Gegenstand des Auftrags, folgt daraus eine entsprechende Beschränkung der Berichterstattung und der Zusammenfassung. Wird bspw. die Renditefähigkeit von den Stakeholdern nicht für erforderlich gehalten, kann ein sog. Fortführungskonzept ausreichend sein. In der Zusammenfassung ist dann kenntlich zu machen, dass es sich nicht um ein umfassendes Sanierungskonzept i. S. dieses IDWStandards handelt.33) 137 Die Berichterstattung verfolgt grundsätzlich das Ziel, den Empfänger in die Lage zu versetzen, die Ausgangssituation, die wesentlichen Annahmen und Maßnahmen, die Grundsatzüberlegungen und Schlussfolgerungen mit vertretbarem Aufwand nachzuvollziehen und aus seiner Sicht würdigen zu können, sodass er in die Lage versetzt wird, sich anhand des Berichts eine eigene Meinung bilden zu können. 138 Wenn das Sanierungskonzept für den Sanierungserfolg ausnahmsweise wesentliche Annahmen umfasst, die nicht beurteilt werden können, oder wesentliche Sanierungsmaßnahmen enthält, die rechtlich von der Mitwirkung Dritter abhängen und bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung des Konzepts eine rechtlich bindende Vereinbarung noch aussteht, ist im Bericht an geeigneter Stelle und in der Schlussbemerkung zur Zusammenfassung darauf hinzuweisen.

___________ 32) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 91, IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 33) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 92 – 94, IDW Life 8/2018, S. 813 ff.

50

Kühne

§3 Finanzierung der Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen und im (vorläufigen) Insolvenzverfahren Warneke/Braun

I. Einleitung .................................................... 1 II. Finanzierung im Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen ................. 3 1. Unterschiedliche Ausgangssituationen....... 3 2. Neue Finanzierungen im Restrukturierungsrahmen ................................ 5 2.1 Haftungs- und Anfechtungsfolgen bei neuen Finanzierungen vor Planbestätigung ......................... 6 2.1.1 Grundsätzlich bestehende Haftungs- und Anfechtungstatbestände ....................................... 6 2.1.2 Erleichterungen des § 89 StaRUG.................................. 11 2.1.2.1 Reichweite und Grenzen der Privilegierung .......................... 13 2.1.2.2 Zeitlicher Geltungsbereich der Privilegierung .......................... 19 2.1.2.3 Praxisfolgen ................................... 21 2.2 Haftungs- und Anfechtungsfolgen bei Finanzierungen im Restrukturierungsplan................... 22 2.2.1 Voraussetzungen der Privilegierung................................. 23 2.2.1.1 Regelungen im Plan und in Vollzug des Plans ...................... 24 2.2.1.2 Gesetzliche Ausnahmen................ 30 2.2.2 Rechtsfolgen der Privilegierung ... 32 2.3 Offene Fragen aus Sicht der Praxis .............................................. 36 3. Auswirkung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens auf bestehende Finanzierungen und Sicherheitenverträge .... 39 3.1 Auswirkung der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens......... 40 3.2 Voraussetzungen und Auswirkungen einer Stabilisierungsanordnung ...................................... 45 3.2.1 Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung............................. 45 3.2.2 Möglichkeiten der Gläubiger, gegen die Anordnung vorzugehen .. 47 3.2.3 Auswirkungen einer Stabilisierungsanordnung auf den Kreditvertrag ................................. 48 3.2.4 Auswirkungen einer Stabilisierungsanordnung auf die Sicherheitenverwertung .......................................... 50

3.2.4.1 Anordnung einer Vollstreckungsbzw. Verwertungssperre ................. 50 III. Finanzierung im vorläufigen und eröffneten Insolvenzverfahren................ 53 1. Reaktion von Kreditinstituten auf die Insolvenzantragstellung................. 53 2. Auswirkungen einer Kündigung durch die Kreditinstitute auf den Insolvenzschuldner .................................... 55 3. Motivation eines Kreditgebers zur weiteren Finanzierung ............................... 57 4. Begrifflichkeiten des unechten und echten Massekredits ................................... 61 5. Vertragsinhalte beim echten Massekredit................................................. 63 6. Rechtliche Einordnung und Vertragsinhalte beim unechten Massekredit .......... 64 6.1 Rechtliche Qualifikation des unechten Massekredits .................. 64 6.2 Rechtliche Mechanik des unechten Massekredits .................. 67 6.3 Vertragsinhalte............................... 74 6.3.1 Parteien .......................................... 75 6.3.2 Einräumung des unechten Massekredits .................................. 76 6.3.3 Wirksamkeitsvoraussetzungen ..... 84 6.3.4 Verwendungszweck des unechten Massekredits .................. 87 6.3.5 Sicherheiten.................................... 89 6.3.6 Informationspflichten und sonstige Pflichten des Darlehensnehmers ............................... 91 6.3.7 Laufzeit, Rückzahlung und Kündigungsgründe ........................ 93 6.3.8 Ausschluss der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters oder Sachwalters bzw. der Eigenverwaltung? .......................... 99 7. Absicherung des Kreditgebers................. 100 7.1 Rückzahlungspflicht als Masseverbindlichkeit................... 101 7.2 Besicherung.................................. 113 8. Zustimmungspflichten für den Abschluss eines Massekreditvertrags ........... 122 8.1 Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters................................... 123 8.2 Zustimmungspflicht des (vorläufigen) Gläubigerausschusses .. 131

Warneke/Braun

51

§3

1. Teil Allgemeines

Literatur: Batereau, Die Haftung der Bank bei fehlgeschlagener Sanierung, WM 1992, 1517; Bork, Die Regelungen zur Insolvenzanfechtung im StaRUG, ZInsO 2020, 2177; Desch, Der neue Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Eidenmüller, Reformperspektiven im Restrukturierungsrecht, ZIP 2010, 649; Ganter, Echte und unechte Massekredite, NZI 2020, 249; Frind, Probleme bei Bildung und Kompetenz des vorläufigen Gläubigerausschusses, BB 2013, 265; Ganter, Das personengebundene Massedarlehen, ZIP 2013, 597; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Huber, der Überbrückungskredit – ein Kredit für max. 3 Wochen?, NZI 2016, 521; Huber, Finanzierungsoptionen für ein Kreditinstitut im Insolvenzeröffnungsverfahren – unter besonderer Berücksichtigung der unechten Massekredite, NZI 2014, 439; Knof, Erfordert die Fortführungsfinanzierung (doch) einen Umverteilungstatbestand im Insolvenzrecht?, ZInsO 2010, 1999; Kuder, Insolvenzfestigkeit revolvierender Kreditsicherheiten, ZIP 2008, 289; Madaus, Die (begrenzte) Insolvenzfestigkeit des Restrukturierungsplans, der Planleistungen sowie unterstützender Rechtshandlungen während der Restrukturierungssache, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35; Madaus/Knauth, Die Wirkungsweise des Schutzes von Sanierungsfinanzierungen durch eine Restrukturierungsrichtlinie am Beispiel des unechten Massekredits, ZIP 2018, 149; Pape, Entwicklungstendenzen bei der Eigenverwaltung, ZIP 2013, 2285; Pape, Entwicklungstendenzen bei der Eigenverwaltung, ZIP 2013, 2285; Pape, Eigenverwaltungsverfahren im Spiegel der Rechtsprechung nach Inkrafttreten des ESUG, ZInsO 2013, 2129; Strotmann/Tetzlaff, Besicherung von Massekrediten aus Sicht des Kreditinstituts, ZInsO 2011, 559; Theewen, Haftungsrisiken der Kreditinstitute in der Krise ihrer Schuldner, BKR 2003, 141; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Trowski, Die „anderweitige Vereinbarung“ nach § 54 Abs. 2 StaRUG Braucht das StaRUG den „unechten“ Restrukturierungskredit?, NZI 2021, 297; Trowski, Der „unechte“ Massekredit in der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270a InsO aus Sicht der finanzierenden Bank, WM 2014, 1257; Warneke/Thienhaus, Strafrechtlicher Schutz und strafrechtliche Grenzen bei der Verhandlung von Finanzierungsverträgen, WM 2015, 1929; Wilkens, Der präventive Restrukturierungsrahmen – Eine Bestandsaufnahme aus Sicht der Finanzgläubiger, WM 2021, 573; Wuschek, Massekredite als Sanierungsbeitrag?, ZInsO 2012, 1294; Zuleger, Kreditsicherheiten nach dem StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43.

I.

Einleitung

1 Der Betrieb eines Unternehmens erfordert Liquidität, u. a. um die durch die laufende Geschäftstätigkeit verursachten Kosten zu decken und z. B. Warenbestellungen zu bezahlen.1) Die Verfügbarkeit von Krediten zur Sicherung der Liquidität zu dem Zeitpunkt, an dem sie benötigt wird, ist für Unternehmen allgemein essentiell. Für Unternehmen in der Krise ist die Verfügbarkeit von neuen Krediten im Wege der Fremdfinanzierung eine Existenzfrage, wenn der Geschäftsbetrieb (auch nur teilweise oder vorübergehend) weitergeführt werden soll. Denn Quellen für eine Selbst- bzw. Eigenfinanzierung stehen typischerweise nicht mehr zur Verfügung, und bestehende Fremdfinanzierungen werden durch die Finanzierer nicht verlängert. Gleichzeitig ist zusätzliche Liquidität erforderlich, denn durch den Vertrauensverlust, der durch eine möglicherweise öffentlich gewordene Krise ausgelöst wird, stellen Warenlieferanten die Belieferung auf Vorkasse um oder verkürzen Zahlungsziele. Im weiteren Verlauf sinken regelmäßig Marktanteile, Absatzzahlen und somit der Umsatz, qualifizierte Arbeitnehmer verlassen das Unternehmen und die Rentabilität sinkt. 2 Die Sanierung kriselnder Unternehmen ist volkswirtschaftlich jedoch dann sinnvoll, wenn der Liquidationswert geringer als der Sanierungswert ist, da die in einem Unternehmen gebundenen Ressourcen dort auch am effizientesten genutzt werden; die Gesellschaft ist dann sanierungsfähig.2) So zielen die Änderungen des deutschen Insolvenzrechts durch das ESUG3) und auch der Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG4) darauf ab, die ___________ 1) 2) 3) 4)

52

Die Vorfinanzierung des Insolvenzgelds für den Zeitraum des Eröffnungsverfahrens entlastet zwar die zukünftige Insolvenzmasse von Lohnkosten (s. unten Hofmann, HRI II, § 4 Rz. 216 ff.); die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes allein deckt jedoch üblicherweise nicht den Finanzierungsbedarf. Braun, Die vorinsolvenzliche Sanierung von Unternehmen, S. 18; Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 650. Zur Evaluation des ESUG s. die Zusammenfassung von Thole, HRI II, § 48. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

Warneke/Braun

§3

Finanzierung der Sanierung

Sanierungsmöglichkeiten zu verbessern. Das setzt u. a. voraus, dass der zu sanierenden Gesellschaft für die Dauer des Insolvenzverfahrens eine Finanzierungsquelle zur Verfügung steht. Die Finanzierung der Sanierung wird jedoch nur gelingen, wenn sie risikogemäß erfolgt. Mit anderen Worten: Kreditgeber werden einer (erneuten) Kreditvergabe nur dann zustimmen, wenn die durch die Krise ausgelösten zusätzlichen Risiken durch die Kreditvergabe verringert werden und der Kreditgeber in Bezug auf die Rückzahlung des Kredits bestmöglich abgesichert ist. II.

Finanzierung im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen

1.

Unterschiedliche Ausgangssituationen

Kreditinstitute oder sonstige Finanzierer sehen sich durch das neue Sanierungsinstrument 3 des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens einer Situation ausgesetzt, in der gegen ihren Willen Eingriffe in ihre bestehenden Forderungen vorgenommen werden könnten. Möglich sind hier bspw. die Änderung der Kreditforderungen durch Kürzungen („Hair Cut“), Laufzeitverlängerungen oder Anpassungen der Tilgungshöhe, eine Änderung von Einzelbestimmungen bestehender Verträge für die Zukunft oder ein Eingriff in ihre bestehenden Sicherungsrechte. Je nach Interessenlage kann der Kreditgeber dabei seinen Schuldner in dessen Verfahren unterstützen, insbesondere durch neue Finanzierungen, oder er wird seine Interessen durch eine Beendigung der bestehenden Finanzierung und Verwertung der gewährten Sicherungsrechte durchzusetzen versuchen. Diese Handlungsoptionen bergen unterschiedliche Haftungsrisiken und Risiken einer späteren Insolvenzanfechtung, sollte die Sanierung schlussendlich scheitern. Aus Sicht der das Verfahren durchlaufenden Gesellschaft stellt sich die Frage, ob die aktive 4 Unterstützung eines Kreditgebers erforderlich ist oder bereits der Erhalt einer bestehenden Finanzierung genügen würde, das Verfahren zu finanzieren. Im letzteren Fall ist entscheidend, ob eine Kündigung der bestehenden Finanzierung gegen den Willen des finanzierenden Kreditgebers verhindert werden kann. 2.

Neue Finanzierungen im Restrukturierungsrahmen

Die Beurteilung der Risiken neuer Finanzierungen richtet sich danach, ob diese in der 5 Phase zwischen Anzeige der Restrukturierungssache und Bestätigung des Plans gewährt werden (siehe dazu nachfolgend Rz. 6 ff.) oder ob die Finanzierung in einem Restrukturierungsplan enthalten ist und mit dessen Bestätigung in Kraft tritt (siehe dazu Rz. 22 ff.). 2.1

Haftungs- und Anfechtungsfolgen bei neuen Finanzierungen vor Planbestätigung

2.1.1 Grundsätzlich bestehende Haftungs- und Anfechtungstatbestände Kreditgebern droht bei einer neuen Finanzierung eines Unternehmens in der Krise eine 6 Haftung aus § 826 BGB wegen sittenwidriger Insolvenzverschleppung. Die Haftung setzt nach der einschlägigen Rechtsprechung zunächst voraus, dass der Kreditnehmer insolvenzreif ist.5) Das ist spätestens dann der Fall, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist und damit ein Insolvenzeröffnungsgrund besteht. Allerdings wird man eine Insolvenzreife in diesem Sinne nicht erst bei Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes, sondern bereits bei Eintritt der „Sanierungsbedürftigkeit“ anzunehmen haben.6) Ein Unternehmen muss dann als sanierungsbedürftig angesehen werden, wenn ohne finanzielle Stützungsmaßnahmen von außen die für eine erfolgreiche Weiterführung ___________ 5) 6)

BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657, 659; Wagner in: MünchKomm-BGB, § 826 Rz. 175. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 5.28; vgl. Batereau, WM 1992, 1517.

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des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden kann. Eine solche Lage setzt bereits dann ein, wenn abzusehen ist, dass – falls sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt – das Unternehmen in gewisser Zeit zahlungsunfähig oder überschuldet sein wird und wenn eine rechtzeitige und nachhaltige Änderung dieser Entwicklung nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Beteiligt sich ein Kreditgeber mit einer Finanzierung an der Sanierung eines in diesem Sinne sanierungsbedürftigen Unternehmens, droht die oben aufgezeigte Haftung, sofern diese Beteiligung als frisches Geld anzusehen ist. 7 Darüber hinaus ist ein sittenwidriges Handeln des Kreditgebers erforderlich. Die Abgrenzung zwischen sanktionsloser Sanierungsbeteiligung und sittenwidriger Insolvenzverschleppung ist rechtlich komplex und im Einzelfall genau zu überprüfen. Wesentliche Frage bei dieser Abgrenzung ist, ob das Kreditinstitut bei seiner Sanierungsbeteiligung eigen- oder uneigennützig handelt. Eigennutz und mithin eine sittenwidrige Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn das Kreditinstitut den Zusammenbruch seines Kunden durch Gewährung neuer, aber für eine erfolgreiche Sanierung nicht ausreichender Mittel und Maßnahmen nur hinausschieben will, um sich in diesem Zeitraum gegenüber den übrigen Gläubigern Vorteile zu verschaffen – etwa im Hinblick auf die Rückführung von Altkrediten – und dabei die Täuschung Dritter über die mangelnde Bonität des Schuldnerunternehmens billigend in Kauf nimmt.7) 8 Uneigennützigkeit liegt vor, wenn das Institut mit der Gewährung neuer Mittel tatsächlich die wirtschaftliche Gesundung seines Unternehmenskunden erreichen will, es zum Zeitpunkt der Kreditvergabe an das Krisenunternehmen keine (Alt-)Forderungen gegen dieses besitzt, sondern hierdurch erstmals neue begründet, wenn der Kreditnehmer den Neukredit nicht aus seinem Vermögen besichert oder das Institut alleine Zins und Tilgung als Vorteile der neuen Finanzierung erhält.8) 9 Neben der deliktischen Haftung droht dem Kreditgeber die Anfechtung von sämtlichen Zahlungen zur Rückführung des bestehenden Kredits oder die Anfechtung bestellter Sicherheiten, wenn der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat (§ 133 InsO). 10 Zum Nachweis, dass der Sanierungsversuch geeignet und aussichtsreich war, die Sanierungsbedürftigkeit zu überwinden und deshalb keine Eigennützigkeit bzw. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sowie dessen Kenntnis vorliegt, verlangen Kreditgeber in der Praxis typischerweise ein Sanierungsgutachten. Finanzierungen, die in dem Zeitraum bis zur Erstellung des Sanierungsgutachtens gewährt werden, können als privilegierte Überbrückungsfinanzierung unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls nicht zu einer Haftung führen.9) 2.1.2 Erleichterungen des § 89 StaRUG 11 In diesen Kontext ist § 89 StaRUG einzuordnen. Absatz 1 normiert, dass ein sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung oder Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht alleine deswegen angenommen werden kann, weil Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bestand oder der Schuldner Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nahm. Gleiches gilt nach Absatz 2 hinsichtlich der Kenntnis von einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, sofern das ___________ 7) 8) 9)

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BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630, 631; BGH 29.5.2001 – VI ZR 114/00, ZIP 2001, 1412; BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, ZIP 2004, 1464; Theewen, BKR 2003, 141, 143. Theewen, BKR 2003, 141, 143. Vgl. Huber, NZI 2016, 521 ff.

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Finanzierung der Sanierung

Restrukturierungsgericht im Anschluss an eine vom Schuldner angezeigte Insolvenzreife das Restrukturierungsverfahren nicht aufhebt, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens offensichtlich nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit liegen würde oder weil die Insolvenzreife aus der Fälligstellung einer Forderung resultiert, die im Restrukturierungsplan gestaltet wird und die Planerreichung überwiegend wahrscheinlich ist (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG). Grundlage der Regelungen sind Art. 17 und 18 der Restrukturierungsrichtlinie10), zu de- 12 ren Umsetzung das StaRUG erlassen wurde. Diese Regelungen sehen einen Schutz für neue Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und sonstige Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung vor. Der deutsche Gesetzgeber war dabei der Ansicht, dass das deutsche Recht den dort normierten Anforderungen genügt und erließ § 89 StaRUG nur zur Klarstellung.11) 2.1.2.1

Reichweite und Grenzen der Privilegierung

Die Privilegierung des § 89 StaRUG nimmt Bezug auf die Rechtshängigkeit der Restruk- 13 turierungssache und knüpft damit an deren Anzeige an, da diese nach § 31 Abs. 3 StaRUG die Rechtshängigkeit zur Folge hat. § 89 StaRUG soll verhindern, dass sich die Anzeige der Restrukturierungssache negativ auf Entscheidungen der Finanzierer des Schuldners auswirkt, weil diese Haftungs- oder Anfechtungsgefahren sehen.12) Dies versteht sich vor dem Hintergrund, dass das Verfahren lediglich bei drohender Zahlungsunfähigkeit genutzt werden kann (§ 29 Abs. 1 StaRUG). Die Kenntnis der Anzeige allein führt somit zwingend zur Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Allein hieran können für einen Kreditgeber u. U. schon negative haftungs- oder anfechtungsrechtliche Konsequenzen knüpfen. Die Anzeige darf nicht als Anknüpfungspunkt für eine Haftung nach § 826 BGB oder 14 zum Nachweis der subjektiven Elemente des § 133 InsO dienen. Bereits aus dem Wortlaut wird aber deutlich, dass andere Tatsachen, die typischerweise mit der Anzeige des Restrukturierungsrahmens einhergehen, als Indiz für die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Haftungsnormen herangezogen werden können.13) § 89 StaRUG führt mithin nicht zu einem vollständigen Haftungsausschluss oder Freibrief für jede Finanzierung ab Anzeige des Restrukturierungsvorhabens. Sofern eine Gesamtschau sonstiger Umstände die Eigennützigkeit des Kreditgebers (siehe hierzu oben Rz. 7) oder einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz begründen, kann trotz § 89 StaRUG eine Haftung des finanzierenden Kreditinstituts entstehen oder eine Anfechtung (auch nach § 133 InsO) begründet sein. Es ist jedoch schwer vorstellbar, welche sonstigen Umstände noch vorliegen können, die 15 neben der Anzeige noch zu einer Bösgläubigkeit i. S. des § 133 InsO führen würden. Denn die Anzeige selbst belegt bereits die drohende Zahlungsunfähigkeit. Als Beispiele für diese sonstigen Umstände werden zum Teil Betrug oder Bösgläubigkeit hinsichtlich der Sanierungsmöglichkeiten genannt, ohne dies jedoch näher zu konkretisieren.14) Hier wird die Anwendung durch die Rechtsprechung allerdings erst zeigen müssen, wie weit___________ 10) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 11) Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 181. 12) Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 181. 13) Gehrlein, BB 2021, 66, 78; Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178. 14) Tashiro in Braun, StaRUG, § 89 Rz. 10, 16.

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reichend § 89 Abs. 1 StaRUG eine Haftung ausschließt. Nimmt man die Grundsätze der Rechtsprechung zur Haftung wegen sittenwidriger Insolvenzverschleppung ernst, so kann eine Haftung eines Kreditgebers schon dadurch entstehen, dass die neu gewährten Finanzierungsmittel für eine nachhaltige Sanierung (vorhersehbar) nicht ausreichend sind, und dadurch die Insolvenz nur hinausgezögert wird. Diese Problematik wird durch die Privilegierung des § 89 StaRUG nicht beseitigt. Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt es eine Hoffnung, dass Gerichte bei einer Finanzierung i. R. eines Restrukturierungsrahmens nicht von einer Eigennützigkeit ausgehen und eine Haftung daher – abseits eindeutiger Betrugsfälle – ausgeschlossen ist. 16 Auch schließt § 89 StaRUG nicht per se die Deckungshaftung nach § 130 InsO aus. Die Rückzahlung von gewährten Krediten oder die Besicherung kann als kongruente Deckung angefochten werden, sofern sich später herausstellen sollte, dass der Schuldner bereits zahlungsunfähig war und der Kreditgeber die Zahlungsunfähigkeit (oder Umstände, die zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, § 130 Abs. 2 InsO) kannte. Sofern es sich bei der Finanzierung um Gesellschafterdarlehen handelt, gelten ebenfalls keine Erleichterungen, da hier gerade kein subjektives Element für die Anfechtung notwendig ist. Die Rückzahlung oder Besicherung von Gesellschafterdarlehen ist nach § 135 Abs. 1 InsO innerhalb von einem bzw. zehn Jahren anfechtbar. 17 Relevant in diesem Zusammenhang ist auch, dass § 91 StaRUG die Fristen für die Insolvenzanfechtung modifiziert. Die Zeit der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache wird bei der Fristberechnung nicht eingerechnet. Dem Schuldner soll keine „Flucht in die Restrukturierungssache“15) ermöglicht werden, um die Anfechtungen zu erschweren. Für Gläubiger bedeutet dies jedoch verlängerte Anfechtungsfristen. 18 Die in § 89 Abs. 1 StaRUG enthaltenen Privilegierungen sind nach Absatz 2 auch dann entsprechend anwendbar, wenn im Verfahren die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auftritt und das Gericht nicht in ein Insolvenzverfahren überleitet. Dann kann die Kenntnis eines Kreditgebers von der materiellen Insolvenz selbst nicht als Basis für eine Haftung nach § 826 BGB oder eine Anfechtung nach § 133 InsO dienen. 2.1.2.2

Zeitlicher Geltungsbereich der Privilegierung

19 Denknotwendig beginnt die Privilegierung des § 89 StaRUG zeitlich mit der Anzeige. Für den Zeitraum vor der Anzeige, bspw. bei einer Überbrückung der Finanzierung bis zu Beginn des StaRUG-Verfahrens, greift die Erleichterung des § 89 StaRUG nicht. Dies kann für solche Gesellschaften und deren Kreditgeber misslich sein, bei denen die Vorbereitung des StaRUG-Verfahrens einige Zeit dauert, die Liquidität für diese Zeit aber nicht gesichert ist. Hier greifen alleine die allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung für Überbrückungskredite, die jedoch die Erstellung eines Sanierungsgutachtens voraussetzen. Es bleibt offen, ob die Rechtsprechung statt der Erstellung eines Sanierungsgutachtens auch die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens und Erstellung eines Restrukturierungsplans als tauglichen Grund für einen Überbrückungskredit ansehen wird. 20 Fraglich ist das Ende der Privilegierung. Ein Restrukturierungsrahmen dient der nachhaltigen Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 29 Abs. 1 StaRUG). Mit Aufhebung der Restrukturierungssache nach bestätigtem Restrukturierungsplan kann mithin regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die zur Anzeige der Restrukturierung führende Krise (zumindest im engeren Sinne) überwunden, die drohende Zahlungsunfähigkeit also beseitigt ist. Die Kenntnis der Anzeige alleine führt mithin bereits aus diesem Grund nicht zur Bösgläubigkeit, sodass es der Privilegierung gar nicht mehr bedarf. Anders ist ___________ 15) Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 37.

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dies jedoch, wenn es zu einer Aufhebung kommt, weil das Gericht die Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG aufhebt. Dann muss die Privilegierung weiter gelten. Je nach Aufhebungsgrund werden dann aber möglicherweise andere Tatsachen entstehen, deren Kenntnis eine Haftung oder Anfechtung ermöglichen oder begünstigen. 2.1.2.3

Praxisfolgen

In der Praxis wird es vor diesem Hintergrund voraussichtlich weiterhin der Beauftragung 21 eines Sanierungsgutachtens bedürfen, um für die Kreditgeber einer in die Krise geratenen Gesellschaft die Risiken aus § 826 BGB und die Anfechtung von Zahlungen und Sicherheiten nach § 133 InsO weitestgehend zu vermeiden.16) Zur Überbrückung des Zeitraums bis zur Erstellung des Sanierungsgutachtens gelten weiterhin die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu Überbrückungskrediten. § 89 StaRUG verfehlt in diesen Fällen dann jedoch jegliche Wirkung. Das passt zu der Vorstellung des Gesetzgebers, dass § 89 StaRUG lediglich deklaratorisch ist. 2.2

Haftungs- und Anfechtungsfolgen bei Finanzierungen im Restrukturierungsplan

Weiter als § 89 StaRUG geht § 90 StaRUG für solche Finanzierungen, die im Restruktu- 22 rierungsplan selbst enthalten sind oder in dessen Umsetzung erfolgen. Hiernach sind Regelungen eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans und Rechtshandlungen, die in Vollzug eines solchen Planes erfolgen, bis zur nachhaltigen Restrukturierung nur anfechtbar, wenn die Planbestätigung durch unrichtige oder unvollständige Angaben herbeigeführt wurde und dies dem Anfechtungsgegner bekannt war. Bei solchen Maßnahmen sollen alle Beteiligten davon ausgehen können dürfen, dass sie Bestand haben.17) Das fördert die Akzeptanz des StaRUG-Verfahrens und gibt Planungssicherheit.18) Die Privilegierung gilt allerdings explizit nicht für Gesellschafterdarlehen oder diesen gleichgestellte Forderungen. 2.2.1 Voraussetzungen der Privilegierung Voraussetzung der insolvenzanfechtungsrechtlichen Privilegierung ist, dass die anfechtungs- 23 gefährdete Rechtshandlung entweder im (rechtskräftig bestätigten) Plan selbst enthalten ist oder in Vollzug des Plans erfolgt. 2.2.1.1

Regelungen im Plan und in Vollzug des Plans

Regelungen sind im Plan enthalten, wenn sie mit Bestätigung des Restrukturierungsplans 24 die in §§ 67 ff. StaRUG genannten Wirkungen entfalten. In Abgrenzungen zu Regelungen in Vollzug des Plans sind keine weiteren Akte dafür notwendig, dass die Wirkungen eintreten.19) Vollzugsakte selbst ermöglichen die Umsetzung des Plans.20) § 12 StaRUG sieht die Möglichkeit der neuen Finanzierung im Plan ausdrücklich vor. 25 Erfasst werden von § 12 StaRUG jede Form von Gelddarlehen und wohl auch Avalkredite. Der Avalkreditvertrag ist zwar kein Darlehensvertrag i. S. des § 488 BGB, sondern ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden.21) Für die Einbeziehung in § 12 StaRUG spricht aber, dass § 12 ___________ 16) 17) 18) 19) 20) 21)

So auch Desch, BB 2020, 2498, 2506. Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. Desch, BB 2020, 2498, 2506. Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35. Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. Steffek in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Vor §§ 488 ff. BGB Rz. 49.

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StaRUG – seinem Sinn und Zweck entsprechend – eine wirtschaftliche und keine ausschließlich rechtliche Betrachtung erfordert. Außerdem erfüllen auch Avalkredite die für § 488 BGB typische Kreditierungsfunktion, die hier zwar nicht durch die Überlassung von Kapital zu Tage tritt, sondern dadurch, dass die Bank durch die Ausstellung von Avalen an Dritte ihre Bonität zeitweise dem Kreditnehmer zur Verfügung stellt, wobei der Kreditnehmer eine Rückzahlungspflicht übernimmt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum § 12 StaRUG ausschließlich Darlehen gemäß § 488 BGB erfassen sollte und nicht die übrigen Formen der Bankgeschäfte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG, zu denen auch Avalkredite gehören (dort bezeichnet als sog. Garantiegeschäft, also die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere). 26 Offen bleibt, ob auch andere Darlehen (Warenkredite, Wertpapierdarlehen), sonstige Formen der Leistungserbringung auf Ziel22) oder auch Factoring erfasst sind. Für deren Berücksichtigung spricht, dass auch diese Instrumente eine Finanzierungsfunktion haben und damit zum Ziel des § 12 StaRUG beitragen, die Finanzierung der Restrukturierung durch den Plan zu erreichen. 27 Für neue Finanzierungen, die unmittelbar selbst im Restrukturierungsplan vorgesehen sind,23) greift daher vordergründig die Privilegierung aus § 90 StaRUG. Aber der Abschluss eines Darlehensvertrages selbst ist regelmäßig ohnehin (abseits einer unmittelbaren Benachteiligung nach § 132 InsO) nicht anfechtbar. Die Auszahlung des Darlehens ist nach der Gesetzesbegründung ebenfalls nicht anfechtbar, da sie eine Umsetzungsmaßnahme darstellt.24) Eine Privilegierung der Rückführung eines solchen Darlehens, dessen Gewährung im Plan vereinbart wurde, ist jedoch nach der Meinung des Gesetzgebers ausdrücklich nicht privilegiert.25) Für einen Darlehensvertrag bietet § 90 StaRUG daher keine Vorteile. Die eigentliche Privilegierung greift aber für die Besicherung, die gemäß § 12 Satz 2 StaRUG als Neufinanzierung gilt. Die Bestellung von Sicherheiten ist bei Anwendbarkeit der Norm nicht mehr anfechtbar.26) 28 Die fehlende Privilegierung der Rückführung wird zumindest dadurch abgefedert, dass die Sicherheiten in Umsetzung des Restrukturierungsplan anfechtungsfest bestellt werden können und somit bei der Rückführung des Darlehens i. H. des Sicherheitenwertes eine Anfechtung wegen fehlender Gläubigerbenachteiligung ausscheiden wird. Übersteigt die Valuta allerdings den Wert der Sicherheiten – wie oft der Fall – so ist die Rückführung anfechtungstechnisch nicht besser geschützt als in jeder anderen Sanierung. 29 Sieht der Plan eine Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder eines wesentlichen Teils davon vor, kann der Anfechtungsschutz außerdem nur gewährt werden, wenn eine vorrangige Befriedigungsmöglichkeit der nicht-planbetroffenen Gläubiger aus dem mit der Übertragung erzielten angemessenen Erlös gewährleistet ist (§ 90 Abs. 2 StaRUG). Insgesamt wird dies wohl dazu führen, dass Kreditgeber auch weiterhin ein Sanierungsgutachten fordern, bevor einem Unternehmen in der Krise Kredite gewährt werden.27)

___________ 22) ErwG 66 der Restrukturierungsrichtlinie (EU 2019/1023). Die § 12 StaRUG inhärente wirtschaftliche Betrachtungsweise und die auch bei diesen Darlehensformen bestehende Kreditierungsfunktion sprechen gleichwohl auch hier für eine Einbeziehung in den Anwendungsbereich. 23) Denkbar wäre dies bspw., wenn der neue Darlehensvertrag eine Anlage darstellt oder zumindest die grundlegende Verpflichtung zur Ausreichung eines Darlehens im Plan genannt ist. 24) Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 25) Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 26) Ob das auch für Dritten gestellte Sicherheiten gilt, wird bezweifelt, vgl. Wilkens, WM 2021, 573, 583. 27) Vgl. Wilkens, WM 2021, 573, 583; Zuleger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43, 45.

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Finanzierung der Sanierung 2.2.1.2

Gesetzliche Ausnahmen

Sofern die Bestätigung des Plans auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger 30 Angaben des Schuldners erfolgte und dem Anfechtungsgegner dies bekannt war, ist eine Privilegierung nicht möglich. Ob allerdings jede Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit ausreicht und sie gerade Bezug zu der anfechtungsrelevanten Rechtshandlung haben muss, ist nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung unklar. Richtigerweise muss die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit konkreten Bezug zur Anfechtung aufweisen und eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. An letztere sollten aber keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Nur in solchen Fällen greift die Intention des Gesetzgebers, zu verhindern, dass Anfechtungsgegner und Planvorlegende kollusiv zusammenwirken28). Anfechtungen nach § 135 InsO (und § 6 AnfG) sowie die Nachrangigkeit nach § 39 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO bleiben von der Privilegierung unberührt. Wenn das im Plan enthaltene Darlehen somit ein Gesellschafterdarlehen darstellt oder dafür Sicherheiten bestellt werden, so sind die Sicherheiten und auch Rückzahlungen des Darlehens – letztere im Unterschied zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG – gleichwohl anfechtbar. Dies soll im Einklang mit den Grundsätzen des Insolvenzverfahrens stehen, wonach Gesellschafter nur im Rang nach den übrigen Gläubigern stehen und die Finanzierung der Gesellschaft durch Eigenkapital sicherstellen sollen.29) Es sollte allerdings auch klargestellt werden, dass die Privilegien des § 39 Abs. 4, 5 InsO weiterhin gelten und somit Gesellschafterdarlehen nicht geschäftsführender Gesellschafter mit einer Beteiligungsquote von 10 % oder weniger am Haftkapital ausgenommen sind und Forderungen nicht nachrangig werden, sofern der Gläubiger Anteile zum Zweck der Sanierung der Gesellschaft übernimmt. 2.2.2 Rechtsfolgen der Privilegierung Sofern die Voraussetzungen der Privilegierung vorliegen, entfällt die Anfechtbarkeit der 32 Rechtshandlung. Ausdrücklich nicht von der Privilegierung umfasst ist eine Haftung eines Kreditgebers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB, siehe dazu oben Rz. 6 f.) bei späterer Insolvenz des Unternehmens. Die Privilegierung gilt zeitlich allerdings nur solange, bis eine nachhaltige Restrukturie- 33 rung erreicht wurde. Eine darüber hinausgehende Privilegierung sei Neugläubigern Gegenüber nach Ansicht des Gesetzgebers nicht zu rechtfertigen.30) Was unter „nachhaltiger Restrukturierung“ zu verstehen ist, regelt das Gesetz an dieser 34 Stelle nicht. Den Begriff der „nachhaltigen Sanierung“ nutzt der Gesetzgeber noch in § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO. Hierunter versteht man gemeinhin eine Beseitigung der Bestandsgefährdung des Unternehmens, insbesondere durch den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, mindestens für das laufende und für das gesamt folgende Geschäftsjahr.31) Das StaRUG selbst verwendet den Begriff der „nachhaltigen Sanierung“ in § 33 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Das Gesetz geht dort von einem Zeitraum von drei Jahren aus, nach dessen Ablauf regelmäßig von einer nachhaltigen Sanierung ausgegangen werden kann. Unklar bleibt, ob der Gesetzgeber in § 90 StaRUG dadurch, dass er statt Sanierung den Begriff Restrukturierung verwendet, einen unterschiedlichen Zeitrahmen setzen wollte. Davon ist allerdings nicht auszugehen, da gemeinhin das Wort Sanierung und Restrukturierung synonym verwendet wird. Im Übrigen ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb ___________ 28) 29) 30) 31)

Dazu Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35. Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35. Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rz. 67.

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für die Frage der nachhaltigen Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit § 33 Abs. 2 Satz 2 StaRUG und der Frage der Privilegierung von Finanzierungen ein unterschiedlicher Zeitraum gelten sollte. 35 Der Gesetzgeber stellt in § 33 Abs. 2 Satz 2 StaRUG mit der Drei-Jahres-Frist nur eine Regelvermutung auf, ab wann in aller Regel von einer nachhaltigen Sanierung auszugehen ist. Weitere Gesichtspunkte, welche für eine Verkürzung oder eine Verlängerung dieser Frist sprechen, spielen daher weiterhin eine Rolle. Entscheidend ist, wann die Gesellschaft aufgrund des abgeschlossenen Verfahrens nicht nur vorübergehend sämtliche Insolvenzgründe, insbesondere den der drohenden Zahlungsunfähigkeit, beseitigt hat, die bisherige Krise überwunden ist und keinerlei Indizien existieren, die für eine neue Krise sprechen. Die Tatsache, dass hier keine starre Frist gewählt wurde, ermöglicht, auch während des dreijährigen Zeitraums unvorhersehbare Ereignisse zu berücksichtigen. Andererseits kann auch nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist von einer Privilegierung ausgegangen werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass es sich auch nach diesem Zeitpunkt um dieselbe Krise handelt, die nicht behoben wurde, und den finanzierenden Gläubigern nicht zugemutet werden sollte, Anfechtungen hinzunehmen. 2.3

Offene Fragen aus Sicht der Praxis

36 § 12 StaRUG lässt offen, ob auch bestehende Kreditlinien, die aufgrund eines Vertragsverstoßes „gesperrt“ und damit für den Kreditnehmer nicht nutzbar sind, nach dem Verzicht auf das vertragliche Leistungsverweigerungsrecht durch die Kreditgeber als „neue Finanzierung“ gesehen werden können. Der Wortlaut schließt das mit dem Bezug auf die „Zusage von Darlehen oder sonstigen Krediten“ jedenfalls nicht von vorneherein aus. Auch der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 der Restrukturierungsrichtlinie steht dem nicht entgegen. Auch der Sinn und Zweck des § 12 StaRUG und die Stoßrichtung der Restrukturierungsrichtlinie sprechen dafür, dass eine Finanzierung, die durch den Plan zur Verfügung gestellt wird und zuvor aus rechtlichen Gründen nicht zur Verfügung stand, von § 12 StaRUG erfasst wird. Aufgrund der Gesetzeshistorie sind aber jedenfalls Prolongationen und Stundungen, die ursprünglich im Referentenentwurf als neue Finanzierung angesehen wurden, im Gesetzestext aber keine Erwähnung mehr finden, nicht von § 12 StaRUG umfasst.32) 37 Man wird richtigerweise wohl unterscheiden müssen, ob die Kreditgeber der nicht mehr zur Verfügung stehenden Linie dem Kreditnehmer ein Darlehen (wieder)einräumen, das diesem zusätzliche Liquidität bzw. im Falle von Avalkrediten neue Limite verschafft, um dadurch zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans aktiv beizutragen. Das ist dann der Fall, wenn ein Kreditgeber eine originär neue Kreditlinie einräumt oder – was wirtschaftlich und rechtlich gleichwertig ist – eine nicht vollständig ausgenutzte Kreditlinie, die dem Kreditnehmer zur Verfügung stand, aber z. B. wegen eines diesem anzulastenden Vertragsverstoßes nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, durch Verzicht auf das ihm zustehende Leistungsverweigerungsrecht wieder bereitstellt. Dieser Fall geht auch über die Prolongation und Stundung hinaus, die nach dem Willen des Gesetzgebers nicht von § 12 StaRUG erfasst sein sollen. Für die Differenzierung gibt es auch einen sachlichen Grund, denn bei der Prolongation/Stundung erfolgt ja schon keine „Zusage von Darlehen“, sondern es wird nur die Bereitschaft erklärt, das bereits gewährte Kapital erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuverlangen. Ist die gesperrte Linie somit schon voll gezogen und öffnet der Kreditgeber nun statt auf die Rückzahlung zu bestehen die Linie wieder, liegt nur eine Prolongation vor und mithin ___________ 32) Vgl. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 38.

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Finanzierung der Sanierung

keine neue Finanzierung i. S. des § 12 StaRUG. Für den Teil der noch nicht gezogenen (gesperrten) Linie ist dies anders und sie unterfällt richtigerweise § 12 StaRUG. Eine weitere Frage ist, ob bestehende Finanzierungen, deren Bedingungen unter dem 38 wirtschaftlichen Druck von Seiten Dritter angepasst oder die im Wege einer Planregelung geändert werden sollen, als „neue Finanzierung“ i. S. des § 12 StaRUG gesehen werden können. Richtigerweise wird man auch hier danach unterscheiden müssen, ob diese Finanzierungen durch den Plan zugesagt werden, also ohne den Plan nicht oder nicht mit dem für den Plan relevanten Inhalt zur Verfügung stünden. 3.

Auswirkung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens auf bestehende Finanzierungen und Sicherheitenverträge

Nicht selten wird es zur Situation kommen, dass die Gesellschaft, die für sich einen Stabi- 39 lisierungs- und Restrukturierungsrahmen in Anspruch nimmt, eine bestehende Finanzierung bereits hat. Sofern nun ein Kreditgeber die Sanierung nicht unterstützen will oder kann, stellt sich die Frage, ob und wie er seine bestehenden Rechte geltend machen kann und welche Auswirkungen das Verfahren auf seine Rechtsposition hat. 3.1

Auswirkung der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens

Nach § 44 Abs. 1 StaRUG ist die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder die 40 Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ohne weiteres kein Grund für die Beendigung von Vertragsverhältnissen oder die Fälligstellung von Leistungen. Es entsteht auf dieser Grundlage kein Recht des Vertragspartners, die diesem obliegende Leistung zu verweigern oder die Anpassung oder anderweitige Gestaltung des Vertrages zu verlangen. Die genannten Instrumente berühren ohne weiteres auch nicht die Wirksamkeit des Vertrages. Anderslautende Vereinbarungen sind unwirksam (§ 44 Abs. 2 StaRUG). § 44 StaRUG normiert ein Verbot von Lösungsklauseln, welches der Sache nach § 119 41 InsO entspricht. Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist für die Wirkung der Norm nach dem Wortlaut nicht relevant. Auch nach Rechtshängigkeit geschlossene Verträge wären betroffen. Bei neu geschlossenen Kreditverträgen würde sich dies bei Kenntnis des Kreditgebers auch aus allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen ergeben. Unklar bleibt jedoch das Verhältnis zur zivilrechtlichen Irrtumsanfechtung. Das betrifft vor allem § 123 BGB, wenn man davon ausgeht, dass die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache eine mitteilungspflichtige Tatsache ist, deren Verschweigen eine konkludente Täuschung darstellt.33) Die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ist auch als Bestandteil der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens für einen durchschnittlich vorsichtigen Kreditgeber bei der Entscheidung über das Kreditgeschäft relevant. Unrichtige oder unvollständige Angaben in diesem Zusammenhang können daher auch den Tatbestand des Kreditbetruges (§ 265b StGB) begründen.34) Im Hinblick auf § 44 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG kann die Kündigung des bestehenden Kredit- 42 vertrages nicht alleine auf die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache gestützt werden. Ausweislich des Wortlautes stehen dem Kreditgeber aber gesetzliche oder vertragliche Kündigungsrechte regulär zu35). In Betracht kommen z. B. ein Kündigungsgrund wegen ___________ 33) Dafür, dass § 44 StaRUG zumindest die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB ausschließt, Mock in: BeckOK-StaRUG, § 44 Rz. 5. 34) Vgl. zum strafrechtlichen Schutz bei der Verhandlung von Finanzierungsverträgen, Warneke/Thienhaus, WM 2015, 1929. 35) Vgl. Thole, ZIP 2020, 1985, 1994.

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§3

1. Teil Allgemeines

wesentlicher Vermögensverschlechterung (§ 490 BGB), nach Ziff. 19 AGB Banken oder aufgrund sonstiger vertraglicher Vereinbarungen, wie z. B. des Verstoßes gegen vereinbarte Finanzkennzahlen.36) Die Kündigung wegen Eintritts der drohenden Zahlungsunfähigkeit muss richtigerweise aber ausgeschlossen sein, da sonst die Intention des Gesetzgebers umgangen wird – setzt doch die Restrukturierungssache das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit voraus. 43 Sollte kein Kündigungsgrund bestehen, wird ein Kreditgeber mangels Vorliegen einer fälligen Forderung die ihm gestellten Sicherheiten auch nicht verwerten können. Steht dem Kreditgeber ein Kündigungsrecht zu, kann er die von ihm gestellte Finanzierung entweder kündigen oder – sozusagen als milderes Mittel – weitere Inanspruchnahmen zunächst ablehnen, z. B. um die Lage zu sondieren.37) Entschließt sich ein Kreditgeber zur Kündigung, wird er sinnvollerweise auch die Ermächtigung zum Einzug zedierter Forderungen bzw. zur Verfügung über sicherungsübereignete Gegenstände widerrufen, da diese weder Kraft der Kündigung noch mit Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens38) und damit auch nicht mit der Einleitung eines Sanierungsverfahrens gemäß StaRUG39) automatisch entfällt. 44 Die Rechte des am Umlaufvermögen besicherten Kreditgebers hängen in dieser Situation davon ab, ob das Restrukturierungsgericht eine Verwertungssperre gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG erlässt. Erlässt das Gericht keine Verwertungssperre, stellt sich für den Kreditgeber, der die Verfügungsbefugnis nicht widerruft, die Frage, ob zu seinen Gunsten künftig weiterhin anfechtungsfeste Sicherheiten am Umlaufvermögen entstehen. Das hängt davon ab, ob die Voraussetzungen des § 130 InsO oder § 133 InsO vorliegen. Widerruft der Kreditgeber die Verfügungsbefugnis, kann der Kreditnehmer diese – in Abwesenheit einer gerichtlichen Verwertungssperre – nicht mehr für die Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes nutzen. Dann liegt es nahe, dass Kreditgeber und Kreditnehmer eine Verwertungsvereinbarung in Bezug auf die Sicherheiten abschließen. Im Hinblick auf § 12 StaRUG stellt sich die Frage, ob die Verwertungsvereinbarung (unterstellt, dass diese wie üblich eine Finanzierungsfunktion hat), eine „neue Finanzierung“ darstellt und damit gemäß § 12 StaRUG privilegiert ist (siehe dazu oben Rz. 25 f.). 3.2

Voraussetzungen und Auswirkungen einer Stabilisierungsanordnung

3.2.1 Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung 45 Auf Antrag des Schuldners (§ 50 StaRUG) kann das Restrukturierungsgericht, soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, eine Stabilisierungsanordnung erlassen. Sie umfasst die Untersagung oder einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (sog. Vollstreckungssperre, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und das Verbot der Durchsetzung von Rechten an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die Ab- oder Aussonderungsrechte darstellen würden und die Erlaubnis, diese für die Fortführung des Unternehmens einzusetzen, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (Verwertungssperre, § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Die Anordnung ergeht, wenn die Restrukturierungsplanung vollständig, richtig und schlüssig ist. Einzelheiten regelt § 51 StaRUG. Die Stabilisierungsanordnung kann zunächst für eine Dauer von bis zu drei Monaten angeordnet werden und in Einzelfällen ___________ 36) Vgl. Trowski, NZI 2021, 297, 298. 37) Trowski, NZI 2021, 297, 298. 38) Vgl. BGH v. 24.1.2019 – IX ZR 110/17, NZI 2019, 274, 275, Bestätigung von BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192 = NZI 2000, 306. 39) Vgl. Trowski, NZI 2021, 297, 299.

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§3

Finanzierung der Sanierung

auf bis zu acht Monate verlängert werden (§ 53 StaRUG). Der Schuldner kann eine Bescheinigung eines in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrenen Experten vorlegen, um dem Gericht die Prüfung der Voraussetzungen zu erleichtern.40) Die Stabilisierungsanordnung ist allen betroffenen Gläubigern zuzustellen. In öffentlichen 46 Restrukturierungssachen nach § 84 StaRUG kann sie auch lediglich öffentlich bekannt gemacht werden, sofern sie sich gegen alle Gläubiger richtet (§ 51 Abs. 4 StaRUG). 3.2.2 Möglichkeiten der Gläubiger, gegen die Anordnung vorzugehen Nach § 58 StaRUG wird das Verfahren über den Antrag eines Gläubigers, das Insolvenz- 47 verfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, für die Dauer der Stabilisierungsanordnung ausgesetzt. Die Anordnung nimmt dem Gläubiger somit die Möglichkeit, das StaRUG-Verfahren durch einen Insolvenzantrag zu torpedieren. Nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens ruht die Antragspflicht der Geschäftsführung der Schuldnergesellschaft (§ 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Jedoch haben sowohl der Schuldner selbst als auch die Geschäftsführung die Pflicht, eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit dem Gericht anzuzeigen (§§ 42 Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 3 StaRUG). Dies ist für die Geschäftsführung strafbewehrt (§ 42 Abs. 3 StaRUG) und für die Schuldnergesellschaft selbst kann die Nichtanzeige durch die Aufhebung des Verfahrens sanktioniert werden (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StaRUG, wesentliche Pflichtverletzung). 3.2.3 Auswirkungen einer Stabilisierungsanordnung auf den Kreditvertrag Gemäß § 55 Abs. 1 StaRUG nimmt die Stabilisierungsanordnung einem Kreditgeber das Recht, allein wegen einer rückständigen Leistung des Kreditnehmers die ihm im Anordnungszeitpunkt obliegende Leistung zu verweigern oder Kündigungsrechte geltend zu machen.41) Kündigungsrechte, die dem Kreditgeber jedoch aus anderen Gründen zustehen, bleiben hiervon grundsätzlich unberührt (solange diese nicht entgegen § 44 StaRUG an die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache anknüpfen).42) Ob das auch für eine Kündigung wegen Vermögensverschlechterung gilt, ist fraglich. Denn § 55 Abs. 2 StaRUG nimmt nur die Kündigung wegen Vermögensverschlechterung vor Auszahlung vom Anwendungsbereich des § 55 Abs. 1 StaRUG aus. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass eine Kündigung wegen Vermögensverschlechterung nach Auszahlung wegen § 55 Abs. 1 StaRUG nicht möglich wäre.43) Immerhin kann der Kreditgeber die erstmalige Auszahlung noch nicht valutierter Kredite und konsequenterweise auch weitere Auszahlung von bereits teilvalutierten Krediten verweigern, wenn die Voraussetzungen des § 321 BGB oder § 490 Abs. 1 BGB vorliegen. Das muss dann auch für die „Teilsistierung“ von Kontokorrentlinien auf den zum Zeitpunkt der Stabilisierungsanordnung vom Kreditnehmer ausgenutzten Teil gelten.

___________ 40) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an die Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 StaRUG und Beurteilung der Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung (§ 51 StaRUG) (IDW ES 15), Stand: 9.2.2022, IDW Life 3/2022, S. 313 ff. 41) Wobei gemäß § 55 Abs. 2 StaRUG vorausgesetzt wird, dass der Schuldner für die Fortführung des Unternehmens nicht auf die dem Gläubiger obliegende Leistung angewiesen ist. 42) Vgl. Thole, ZIP 2020, 1985, 1994. 43) Dieser Punkt wird in der Begr. RefE SanInsFoG z. StaRUG (dort zu § 59 Abs. 3 auf S. 173, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blo b=publicationFile&v=6 [Abrufdatum: 16.1.2023]), und bei Thole, ZIP 2020, 1985, 1994, offengelassen. Wie hier Riggert in: Braun, StaRUG, § 55 Rz. 10.

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1. Teil Allgemeines

49 Sollte der Schuldner für die Fortführung des Unternehmens nicht auf die dem Gläubiger obliegende Leistung angewiesen sein, gilt die Leistungsverweigerungssperre nicht. Aufgrund der gesetzlichen Formulierung („dies gilt nicht“) trägt der Gläubiger, der eine Leistung verweigern will oder Vertragsbeendigungs- oder -abänderungsrechte geltend machen will, die Beweislast dafür, dass die Ausnahme vorliegt. Dies wird, außer in besonderen Fällen, schwerlich gelingen. Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Gerichte an die Abhängigkeit stellen. 3.2.4 Auswirkungen einer Stabilisierungsanordnung auf die Sicherheitenverwertung 3.2.4.1

Anordnung einer Vollstreckungs- bzw. Verwertungssperre

50 § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG erlaubt dem Restrukturierungsgericht, eine Vollstreckungssperre zu erlassen. Für Kreditgeber wird die Vorschrift in der Praxis im Kontext der hier behandelten Auswirkungen auf bestehende Finanzierungsverträge wenig Relevanz haben, da Kreditgebern bei drohender Zahlungsunfähigkeit wohl regelmäßig noch kein vollstreckbarer Titel zusteht44) bzw., für den Fall, dass diese die Zwangsvollstreckung betreiben, ansonsten wohl kein Interesse an der Fortsetzung einer Geschäftsbeziehung besteht. Relevanter ist dagegen der Fall der Verwertungssperre. Ordnet das Restrukturierungsgericht eine Verwertungssperre in Bezug auf Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens an (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), kann der Sicherungsnehmer (Kreditgeber) seine Sicherungsrechte (z. B. an zur Sicherheit zedierten Forderungen oder zur Sicherheit übereigneten Sachen) nicht durchsetzen. Relevant wird das vor allem für das betriebsnotwendige Anlage- und Umlaufvermögen, da dieses regelmäßig für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Unzulässig ist damit z. B. die Offenlegung der Zession gegenüber den Drittschuldnern. 51 Die Rechtsfolgen nach Erlass einer Verwertungssperre regelt § 54 StaRUG. Typischerweise ist der Schuldner aufgrund bestehender vertraglicher Abreden, die in Verträgen über die Bestellung von Sicherheiten am Umlaufvermögen aus kommerziell zwingenden Gründen standardmäßig vorgesehen sind, berechtigt, zur Sicherheit zedierte Forderungen einzuziehen und sicherungsübereignete Gegenstände zu verarbeiten. Aus § 54 Abs. 2 StaRUG folgt, dass diese an den Sicherungsnehmer auszukehren bzw. gesondert zu verwahren sind. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht, dass aufgrund der standardmäßig erteilten Ermächtigungen in den in der Vergangenheit abgeschlossenen Sicherheitenverträgen, § 54 Abs. 2 Halbs. 2 StaRUG immer vorliege und damit die Erlöse nicht abzuführen seien.45) Dagegen spricht zunächst der Wortlaut, der vom Treffen einer anderweitigen Vereinbarung im Präsens spricht (also nach Erlass der gerichtlichen Verwertungssperre). Aber auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers ist nicht zu entnehmen, dass am Umlaufvermögen eines Kreditnehmers besicherten Kreditgebern (im Unterschied zu § 54 Abs. 1 StaRUG) durch § 54 Abs. 2 StaRUG ein Sonderopfer auferlegt werden soll, durch das diese schlechter stünden als in der Insolvenz des Sicherungsgebers, in der dem Sicherungsnehmer die Verwertungserlöse nach Abzug von Kosten zufließen (§§ 170, 171 InsO).46)

___________ 44) Vgl. Zuleger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43, 44. 45) Vgl. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 54 Rz. 18. 46) So auch Begr. RefE SanInsFoG z. § 58 StaRUG (Verwertungssperre), S. 173, abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob= publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 16.1.2023).

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§3

Finanzierung der Sanierung

Fraglich ist im Zusammenhang mit § 54 Abs. 2 StaRUG, ob der Sicherungsnehmer eine 52 dem Unternehmen erteilte Einziehungsbefugnis für die zur Sicherheit zedierten Forderungen oder eine Verarbeitungsbefugnis für sicherungsübereignete Gegenstände widerrufen kann. Dagegen spricht, dass die Verwertungssperre gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG dem Schuldner erlaubt, die Vermögensgegenstände „zur Fortführung des Unternehmens einzusetzen“. Der insoweit zu § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO gleiche Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG spricht dafür, dass der Schuldner trotz eines dann unbeachtlichen Widerrufes dieser Befugnis durch den Sicherungsnehmer das zur Sicherheit übertragene Umlaufvermögens einsetzen, also Forderungen einziehen und Vorräte verarbeiten darf. Rechtsfolge ist gemäß § 54 Abs. 2 StaRUG, dass er die erzielten Erlöse an den Sicherungsnehmer abzuführen hat. Richtigerweise kann es dabei nicht darauf ankommen, ob er die Forderungen „nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Berechtigten“ einzieht.47) Denn dem Sicherungsnehmer soll die von § 54 StaRUG gewährte Entschädigung für den aus der Verwertungssperre resultierenden Eingriff in seine Sicherheitenposition entschädigen.48) Sollte der Schuldner die vertraglichen Vereinbarungen nicht einhalten, kann das nicht zulasten des Sicherungsnehmers gehen. III.

Finanzierung im vorläufigen und eröffneten Insolvenzverfahren

1.

Reaktion von Kreditinstituten auf die Insolvenzantragstellung

Die Stellung eines Insolvenzantrages stellt eine deutliche Verschärfung der Krise dar und 53 stellt Kreditinstitute auch im Vergleich zu einer Finanzierung im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen vor größere Herausforderungen. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat zunächst keine Auswirkungen auf bestehende Finanzierungsverträge. Der Antrag eröffnet Kreditgebern aber die Möglichkeit, Kreditverträge gemäß § 490 BGB aus wichtigem Grund außerordentlich bzw., wenn es sich bei dem Kreditgeber um eine Bank oder Sparkasse handelt, nach Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen fristlos zu kündigen.49) Durch die Kündigung verhindert der Kreditgeber, dass der insolvente Kreditnehmer auf nicht ausgenutzte Kreditlinien zugreift, und stellt bei besicherten Krediten die Verwertungsreife her. In der Regel erklärt der Kreditgeber auch den Widerruf der dem Schuldner eingeräumten 54 Veräußerungs- bzw. Einziehungsbefugnis in Bezug auf Sicherheiten am Umlaufvermögen. Das betrifft insbesondere eine erfolgte Sicherungsübereignung von Vorräten und eine Sicherungszession von Forderungen bzw. eine Verpfändung von Bankguthaben durch den Kreditgeber.50) Der Widerruf muss ausdrücklich erklärt werden. Die Ermächtigung erlischt ansonsten nicht automatisch durch den Insolvenzantrag, sondern erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.51) Durch den Widerruf sichert sich der Kreditgeber dagegen ab, dass die ihm am Umlaufvermögen bestellten Sicherheiten abschmelzen.52) Denn wäh___________ 47) Zumal diese Voraussetzung nach dem Wortlaut des § 54 Abs. 2 StaRUG nicht für die Veräußerung oder Verarbeitung gilt. 48) So ausdrücklich Begr. RefE SanInsFoG z. § 61 Abs. 2 StaRUG (Verwertungssperre), S. 174, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blo b=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 16.1.2023). 49) Vgl. Huber in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 32 Rz. 8; für den Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit, BGH v. 20.5.2003 – XI ZR 50/02, ZIP 2003, 1336, dazu EWiR 2003, 893 (Weber). 50) Kuder, ZIP 2008, 289, 293; Madaus/Knauth, ZIP 2018, 149, 150. 51) Vgl. BGH v. 24.1.2019 – IX ZR 110/17, BGHZ 221, 10 = ZIP 2019, 472, 475; dazu NZI 2019, 274, 279 (Ganter); BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192, 200 = ZIP 2000, 895, 897, dazu EWiR 2000, 643 (Eckardt). 52) Vgl. Huber, NZI 2014, 439, 442; Obermüller in: Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 6.358; vgl. Trowski, WM 2014, 1257, 1258.

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§3

1. Teil Allgemeines

rend der Bestand der alten Sicherheiten durch eine berechtigte Verfügung des Schuldners vernichtet wird, können neue (revolvierende) Sicherheiten nicht mehr anfechtungsfest bestellt werden. 2.

Auswirkungen einer Kündigung durch die Kreditinstitute auf den Insolvenzschuldner

55 Die Kündigung der Kreditverträge und der Widerruf der Einziehungsermächtigung haben häufig zur Folge, dass dem insolventen Unternehmen Finanzierungsmöglichkeiten genommen werden und es von Liquidität abgeschnitten wird. Ohne verfügbare Kredite im vorläufigen oder eröffneten Insolvenzverfahren gelingt eine Sanierung des Unternehmens in den seltensten Fällen. Das Unternehmen tut daher gut daran, mit den bereits engagierten Kreditinstituten oder anderweitigen Geldgebern möglicherweise bereits vor Insolvenzantrag, jedenfalls aber zeitnah nach der Antragstellung, weiteren Finanzierungsbedarf zu besprechen und Möglichkeiten einer weiteren Finanzierung auszuloten. 56 Die Notwendigkeit einer Finanzierungsquelle wird auch nicht durch eine Anordnung des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO obsolet. Denn selbst bei einer solchen Anordnung darf der Schuldner die Gegenstände, die der Anordnung unterfallen, nur zur Fortführung des Unternehmens einsetzen. Zwar beinhaltet dies ggf. auch eine Verwertung oder Verarbeitung, sofern es sich hierbei um eine zweckmäßige Nutzung im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb handelt.53) Das Sicherungsrecht des Gläubigers darf hierdurch aber nicht beeinträchtigt werden.54) Die Sache selbst muss erhalten bleiben und darf nicht verbraucht werden.55) Das schränkt die faktische Nutzung häufig stark ein. Für den Fall des Forderungseinzugs durch den vorläufigen Verwalter nach gerichtlicher Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO müssen die eingezogenen Gelder außerdem separiert werden und können nicht zur Unternehmensfinanzierung herangezogen werden.56) 3.

Motivation eines Kreditgebers zur weiteren Finanzierung

57 Als Finanzierungsquelle kommt neben den Gesellschaftern insbesondere die Vergabe eines unechten Massekredits durch die bereits engagierten Kreditinstitute und/oder Lieferanten (siehe unten Rz. 62) und – vorausgesetzt, dass freie Sicherheiten zur Verfügung stehen – ggf. auch die Ausreichung echter Massekredite durch bestehende oder neue Kreditgeber in Betracht (siehe unten Rz. 61). Je nach Perspektive der beteiligten Parteien dienen diese beiden Finanzierungsinstrumente verschiedenen Zwecken, wobei beide Instrumente auch kombiniert eingesetzt werden können. 58 Ob eine Finanzierung bereitgestellt wird, hängt entscheidend davon ab, dass der Finanzierer die Chancen der Fortführung des Geschäftsbetriebs bzw. Teilen davon als deutlich größer einschätzt als das Risiko eines Fehlschlags.57) Das gilt umso mehr, als zu beachten ist, dass die Beteiligung der Gläubiger an dem durch eine erfolgreiche Sanierung geschaffenen Mehrwert nicht mit den von ihnen bei der Sanierung übernommenen Risiken korrespondiert.

___________ Haarmeyer/Schildt in: MünchKomm-InsO, § 21 Rz. 99. Haarmeyer/Schildt in: MünchKomm-InsO, § 21 Rz. 99. Vallender in: Uhlenbruck, InsO, § 21 Rz. 38j. Haarmeyer/Schildt in: MünchKomm-InsO, § 21 Rz. 102; Trowski, WM 2014, 1257, 1258; Madaus/ Knauth, ZIP 2018, 149, 150; Ganter, NZI 2020, 249, 252. 57) Vgl. Knof, ZInsO 2010, 1999, 2000.

53) 54) 55) 56)

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§3

Finanzierung der Sanierung

Beim unechten Massekredit bietet sich für den Kreditnehmer der Vorteil, dass er auch 59 dann gewährt werden kann, wenn der Kreditnehmer über keine freien Sicherheiten mehr verfügt. Positiv für den Kreditgeber wiederum ist, dass das bestehende Engagement nicht erhöht wird, der Anspruch auf Rückzahlung des unechten Massekredits eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 InsO darstellt und eine Besicherung auch ohne freie bestehende Vermögenswerte möglich ist. Voraussetzung für die Vergabe eines unechten Massekredits ist allerdings, dass der Kreditgeber dem insolventen Unternehmen einen Kredit gewährt (oder im Fall eines Lieferanten Lieferungen erbracht) hat, der mit anfechtungsfesten Sicherheiten am Umlaufvermögen besichert ist. In dieser Situation ermöglicht der unechte Massekredit als Alternative zur Zerschlagung des Unternehmens dem Kreditgeber außerdem, eine unter den Gegebenheiten bestmögliche Verwertung der ihm bestellten Sicherheiten zu erreichen, z. B. indem unfertige Erzeugnisse zu Ende produziert werden und dadurch ein höherer Verkaufswert erreicht werden kann und bestehende Aufträge durch das Unternehmen abgearbeitet werden, wodurch die Neigung der Kunden sinkt, gegen den Forderungseinzug des Unternehmens Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen. Die Gewährung frischen Geldes in Form eines echten Massekredits ist dagegen ein höhe- 60 res Risiko, weil die Gefahr besteht, gutes Geld „verlorenem“ Geld hinterherzuwerfen. Da das Risiko eines Fehlschlags der Sanierung und deren Erfolgschancen für einen Fremdkapitalgeber, der (anders als der Gesellschafter) an einer Wertaufholung nur bis zur Befriedigung seiner Forderungen profitiert, häufig nicht in einem sinnvollen Verhältnis stehen, liegt die Motivation eines Fremdkapitalgebers regelmäßig nicht darin, das Unternehmen auf Dauer zu sanieren. Vielmehr beabsichtigt ein Fremdkapitalgeber durch Vergabe eines echten Massekredits oftmals, eine (teilweise) Geschäftsfortführung bis zum Eintritt eines Investors zu ermöglichen und dadurch die Erlöse aus sonstigen ihm bestellten Sicherheiten zu verbessern.58) 4.

Begrifflichkeiten des unechten und echten Massekredits

Unter einem echten Massekredit versteht man ein Darlehen, das an eine Gesellschaft im 61 vorläufigen oder eröffneten Insolvenzverfahren gewährt wird und zu einer Masseverbindlichkeit dieser Gesellschaft nach § 55 InsO führt. Die Gesellschaft erhält durch die Darlehensvaluta zusätzliche Liquidität59) durch frisches Geld entweder von einem bereits engagierten Darlehensgeber oder einem Darlehensgeber, der bislang noch keine Darlehensbeziehung mit der Gesellschaft unterhält. Bei einem unechten Massekreditvertrag hingegen besteht bereits ein Kreditverhältnis 62 zwischen der insolventen Gesellschaft und dem Kreditgeber. Zur Besicherung dieses Darlehens hat der Kreditnehmer dem Kreditgeber (anfechtungsfeste) Sicherheiten an seinem Umlaufvermögen bestellt. Dieser Kredit wird durch den Kreditgeber mit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigt und zugleich wird die bestehende Ermächtigung des Kreditnehmers, über die Sicherheiten im ordentlichen Geschäftsgang zu verfügen, widerrufen (wie regelmäßig der Fall, siehe oben Rz. 53 f.). Vereinbaren der Kreditgeber und das insolvente Unternehmen als Kreditnehmer einen unechten Massekredit, erlaubt der Kreditgeber die Verwendung und Verwertung der bestellten Sicherheiten und

___________ 58) Vgl. Mordhorst in: Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, § 6 Rz. 78; vgl. auch Wuschek, ZInsO 2012, 1294, 1295 f.; vgl. AG Hamburg v. 16.4.2019 – 67g IN 113/19, ZIP 2019, 882. 59) Denkbar sind z. B. auch Aval- oder Akkreditivkredite, Huber, NZI 2014, 439, 443.

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1. Teil Allgemeines

die Verwendung der daraus erzielten Erlöse für den Geschäftsbetrieb.60) Anders als beim echten Massekredit wird dem insolventen Unternehmen also kein frisches Geld zugeführt. 5.

Vertragsinhalte beim echten Massekredit

63 Besonderheiten des echten Massekreditvertrages ergeben sich gegenüber üblichen Kreditverträgen insbesondere in Bezug auf die folgenden Aspekte: 

Parteien: Parteien eines echten Massekreditvertrages61) sind Kreditgeber und eigenverwaltender Schuldner bzw. Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzerfahren und starker vorläufiger Insolvenzverwalter oder eigenverwaltender Schuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren.



Verwendungszweck: für den Kreditgeber ist essentiell, dass die vereinnahmte Liquidität nur für die Finanzierung der von den Parteien als fortsetzungswürdig befundenen geschäftlichen Aktivitäten verwendet wird. Es empfiehlt sich deshalb, den Verwendungszweck des echten Massekredits ausdrücklich positiv und negativ festzulegen und soweit wie möglich zu konkretisieren.



Auszahlungsvoraussetzungen: Vorlage einer Bestätigung des (vorläufigen) Sachwalters/ Insolvenzverwalters, dass die Insolvenzmasse nach einer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachwalters/Insolvenzverwalters durchgeführten Prüfung zur Bedienung dieses Kredits mit Hauptforderung, Zinsen, Entgelte und Kosten ausreichen wird und keine Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens mangels Masse droht (siehe dazu auch die empfohlene Wirksamkeitsvoraussetzung unter Rz. 84); Vorlage des Beschlusses des zuständigen Insolvenzgerichts über die Bestellung des (vorläufigen) Sachwalters/Insolvenzverwalters sowie dessen Ermächtigung zur Aufnahme des Kredits in konkret bezifferter Höhe und zur Bestellung der dafür vorgesehenen Sicherheiten.



Laufzeit: Die Laufzeit kann frei vereinbart werden. Üblicherweise wird vereinbart, dass sie mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet, es sei denn, dass Kreditgeber und Insolvenzverwalter die Verlängerung des Massekreditvertrages im eröffneten Verfahren beantragen. Folgt man dieser Vorgehensweise nicht, empfiehlt es sich, die Sicherheitenverträge für den Massekreditvertrag mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter oder eigenverwaltenden Schuldner bestätigen zu lassen und eine darauf gerichtete Verpflichtung in den im vorläufigen Verfahren abzuschließenden Massekreditvertrag aufzunehmen (§ 91 InsO). Außerdem muss die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschene Verfügungs- und Einziehungsbefugnis62) über die Vermögenswerte des Umlaufvermögens neu erteilt werden. Der Massekredit kann bei einem Insolvenzplanverfahren auch über das Ende des Insolvenzverfahrens hinaus laufen. Nach § 258 Abs. 2 InsO muss dann vor der Aufhebung entweder Sicherheit geleistet oder die Rückzahlung in einem Finanzplan nachgewiesen werden. Sollte eine Laufzeit des Massekredites über das Ende des Insolvenzverfahrens hinaus nicht gewünscht sein, so kann z. B. als Ende der Laufzeit der Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung eines angenommenen Insolvenzplans vorgesehen werden.

___________ 60) Vgl. insgesamt zum unechten Massekredit Trowski, WM 2014, 1257; Huber, NZI 2014, 439, 443; Ganter, NZI 2020, 249, 250. 61) In der einschlägigen Literatur finden sich Muster echter Massekreditverträge z. B. bei Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 23 Rz. 242; Tetzlaff in: Lwowski/Fischer/ Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, Anh. § 6; Strotmann/Tetzlaff, ZInsO 2011, 559, 560. 62) Vgl. BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192, 200 = ZIP 2000, 895, 897.

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Finanzierung der Sanierung 

Kündigungsrechte des Kreditgebers zusätzlich zum Eintritt eines wichtigen Grundes gemäß § 490 Abs. 1 BGB und den entsprechenden Regelungen in den AGB-Banken bzw. den AGB-Sparkassen: Drohen der Ablehnung der Eröffnung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, drohende Anzeige der Masseunzulänglichkeit; Ersetzung des (vorläufigen) Sachwalters/Insolvenzverwalters; Veräußerung des Vermögens der Kreditnehmerin im Ganzen oder in wesentlichen Teilen; sofern gewünscht die Verfahrensaufhebung.



Ausschluss der persönlichen Haftung des (vorläufigen) Sachwalters/Insolvenzverwalters und der (vorläufigen) Eigenverwaltung.

6.

Rechtliche Einordnung und Vertragsinhalte beim unechten Massekredit

6.1

Rechtliche Qualifikation des unechten Massekredits

Für den unechten Massekredit wird die Frage aufgeworfen, ob dieser als Gelddarlehens- 64 vertrag i. S. der §§ 488 ff. BGB oder als Sachdarlehensvertrag gemäß §§ 607 ff. BGB einzuordnen ist.63) Ein Sachdarlehen setzt voraus, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine vereinbarte, vertretbare Sache überlässt.64) Im Gegenzug ist der Darlehensnehmer verpflichtet, dem Darlehensgeber das vereinbarte Entgelt zu bezahlen und am Ende der Vertragslaufzeit Sachen gleicher Art, Güte und Menge zu erstatten.65) Das entspricht jedoch nicht dem von den Parteien beabsichtigen Zweck eines unechten Massekredits. Dieser soll typischerweise auch die Kreditierung der Erlöse aus zur Sicherheit abgetretenen Forderungen umfassen. Bei Forderungen handelt es sich aber nicht um bewegliche Sachen i. S. der §§ 90, 91 BGB, so dass diese als Gegenstand eines Sachdarlehens ausscheiden und damit nicht Gegenstand eines Massekredits sein könnten. Außerdem überlässt der Kreditgeber eines unechten Massedarlehens dem Kreditnehmer gerade nicht das Eigentum an den Gegenständen des Warenlagers bzw. den abgetretenen Forderungen, wie es ein Sachdarlehensvertrag verlangt.66) Denn Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung liegt – trotz ihres fiduziarischen Charakters – eine Vollrechtsübertragung auf den Sicherungsnehmer zugrunde.67) Inhalt eines unechten Massekredits ist vielmehr, dass die Erlöse aus der Verwertung des 65 Umlaufvermögens – an dessen Gegenständen kraft der geschlossenen und in Ansehung des unechten Massekredits zu bestätigenden Sicherheitenverträge dem Kreditgeber das Eigentum zusteht – dem Kreditnehmer im Wege eines Geldarlehens gemäß § 488 BGB überlassen werden.68) Rechtstechnisch kann das durch ein sog. Vereinbarungsdarlehen umgesetzt werden, also einer Abrede zwischen zwei Parteien, dass ein aus einem anderen Rechtsgrund geschuldeter Geldbetrag (das kann z. B. ein vereinbartes Auftragsverhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer in Bezug auf die Verwertung der Sicherheiten sein oder die Pflicht des Schuldners zur Auskehr von Sicherheitenerlösen nach Maßgabe des fiduziarischen Sicherungsvertrages) zukünftig als Darlehen geschuldet sein soll.69) ___________ Huber, NZI 2014, 439, 443. Berger in: MünchKomm-BGB, § 607 Rz. 21. Berger in: MünchKomm-BGB, § 607 Rz. 28. Berger in: MünchKomm-BGB, § 607 Rz. 22, unter Verweis auf Begr. RegE z. Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, v. 14.5.2001, BT-Drucks. 14/6040, S. 259. 67) Vgl. Ganter in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 95 Rz. 11 und § 96 Rz. 57. 68) Vgl. Trowski, WM 2014, 1257, 1260; Huber, NZI 2014, 439, 443; Madaus/Knauth, ZIP 2018, 149, 150; Ganter, NZI 2020, 249, 254. 69) So auch Huber, NZI 2014, 439, 443; vgl. zum Vereinbarungsdarlehen: Berger in: MünchKomm-BGB, § 488 Rz. 18. 63) 64) 65) 66)

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§3

1. Teil Allgemeines

66 Dem Vereinbarungsdarlehen steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Anspruch des Kreditgebers gegen den Kreditnehmer auf Auszahlung der Verwertungserlöse nur um eine künftig entstehende Verbindlichkeit handelt.70) Es empfiehlt sich jedoch, den Willen der Parteien zum Abschluss eines Vereinbarungsdarlehens in Bezug auf die Verwertungserlöse durch ausdrückliche Regelung zu dokumentieren, um die für den Kreditgeber inakzeptablen Rechtsfolgen (Verschaffung des Eigentums an den zu überlassenden Sachen) eines Sachdarlehens zu vermeiden. 6.2

Rechtliche Mechanik des unechten Massekredits

67 Im Einzelnen liegen dem unechten Massekredit damit folgende rechtliche Einzelschritte zugrunde: 68 Der Kreditgeber räumt die Einziehungsbefugnis bzw. Verfügungsbefugnis zugunsten des Kreditnehmers für die zur Sicherung an den Kreditgeber abgetretenen Forderungen bzw. übereigneten Gegenstände (wieder) ein. Der Eingang von Erlösen beim Kreditnehmer aus der Verwertung anfechtungsfest zugunsten des Kreditgebers bestellter Sicherheiten begründet dessen Pflicht gegenüber dem Kreditgeber zur Herausgabe des Erlangten (kraft Treuhandabrede im Zusammenhang mit der wieder erteilten Einziehungs- bzw. Verfügungsbefugnis bzw. aus vertraglicher bzw. gesetzlicher Reglung (§ 667 BGB) bei Abschluss einer Verwertungsvereinbarung)71). 69 Der aus dieser Zahlungspflicht des Kreditnehmers resultierende Anspruch des Kreditgebers auf Auszahlung der Verwertungserlöse wird im Wege des Vereinbarungsdarlehens in einen Darlehensrückzahlungsanspruch gewandelt. Hier sind grundsätzlich folgende Möglichkeiten denkbar:72) 

Einfacher Schuldabänderungsvertrag: Die Parteien beabsichtigen nur eine inhaltliche Abänderung der an sich bestehen bleibenden alten Schuld (Herausgabe der Verwertungserlöse) mit der Folge, dass die Schuld ab dem Zeitpunkt der Einigung dem Darlehensrecht unterstellt wird. Damit wird durch eine Verfügung auf den Inhalt der alten Schuld eingewirkt, ohne dass diese durch eine neue ersetzt würde. Das hat zur Folge, dass von der Abänderung nicht betroffene Einwendungen aus dem alten Schuldverhältnis dabei ebenso weitergelten wie die für die alte Schuld bestellten Sicherheiten.



Novation: Alternativ können die Parteien vereinbaren, dass die bestehende Schuld durch eine neue Darlehensverbindlichkeit ersetzt wird. Dies kann entweder dadurch passieren, dass die bestehende Schuld erlischt (kausale Schuldumschaffung). Das setzt voraus, dass die bestehende Schuld tatsächlich bestanden hat. Alternativ ersetzen die Parteien die bestehende Schuld durch eine neue, vom Bestand der bisherigen Schuld abstrakte Verbindlichkeit (abstrakte Schuldumschaffung). Deren Begründung setzt nicht den rechtlichen Bestand der alten Verbindlichkeit voraus, bedarf aber der Form der §§ 780, 781 BGB. In beiden Fällen erlöschen die bestehenden Einwendungen und die für die alte Schuld bestellten Sicherheiten.

70 Im Zweifel ist, insbesondere im Hinblick auf das Interesse des Kreditnehmers an der Fortgeltung der Einwendungen und das Interesse des Kreditgebers am Fortbestand der Sicherheiten sowie in Anlehnung an den in § 364 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz, von einer einfachen Schuldabänderung und nicht von einer kausalen oder abstrakten Schuldumschaffung auszugehen.73) Wichtig ist, dass nur neue Ansprüche Ge___________ 70) 71) 72) 73)

70

Vgl. Berger in: MünchKomm-BGB, § 488 Rz. 19. Vgl. Mordhorst in: Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, § 6 Rz. 78. Vgl. zum Folgenden: Berger in: MünchKomm-BGB, § 488 Rz. 20 ff. Vgl. Berger in: MünchKomm-BGB, § 488 Rz. 23.

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§3

Finanzierung der Sanierung

genstand des unechten Massedarlehens sein können. Bereits bestehende Ansprüche der Gläubiger können nicht nachträglich zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet werden, da eine rückwirkende Anordnung der Entstehung von Masseverbindlichkeiten nicht möglich ist.74) Entscheidend ist die weitere Frage, wie der Anspruch des Kreditgebers auf Rückzahlung 71 des von ihm dem Kreditnehmer vorinsolvenzlich gewährten Darlehens zu behandeln ist. Nach der hier vertretenen Auffassung erlischt dieser Anspruch durch Erfüllung, indem der Kreditgeber seinen Anspruch auf Zahlung der Verwertungserlöse mit dem aus dem Vereinbarungsdarlehen resultierenden Anspruch des Kreditnehmers auf Auszahlung der Valuta des unechten Massedarlehens verrechnet.75) Es empfiehlt sich, diesen Aspekt im Vertrag über den unechten Massekredit ausdrücklich zu regeln. Die Wandlung der Pflicht des Kreditnehmers zur Auskehr der Verwertungserlöse in einen 72 Darlehensrückzahlungsanspruch führt dazu, dass der im Wege des unechten Massekredits gewährte Darlehensbetrag über dessen Laufzeit portionsweise ansteigt. Wie hoch der Darlehensbetrag des unechten Massedarlehens anwächst, kann unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Verwertungserlöse frei zwischen den Parteien vereinbart werden, wobei maximal die Summe der Verwertungserlöse der bei Abschluss des Massekredits existierenden, dem Kreditgeber anfechtungsfest bestellten Sicherheiten am Umlaufvermögen angesetzt werden kann (siehe zu einzelnen zu berücksichtigenden Abzugsposten die Ausführungen unten Rz. 80). Gleichzeitig ist das Darlehen, das der Kreditgeber vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Kreditnehmer gewährt hat und für dessen Besicherung die Sicherheiten am Umlaufvermögen des Kreditnehmers dienten, i. H. der Valuta des unechten Massedarlehens getilgt worden. Sobald alle anfechtungsfest bestellten Sicherheiten verwertet wurden, unterscheidet 73 sich der unechte Massekredit rechtstechnisch nicht mehr von einem echten Massekredit, denn es handelt sich ab dann um einen bestimmten Geldbetrag, der dem Kreditnehmer vom Kreditgeber überlassen wurde und dessen Rückzahlung sich nach dem Darlehensvertrag und den §§ 488 ff. BGB richtet. 6.3

Vertragsinhalte

Ein Vertrag über einen unechten Massekredit sollte neben den allgemeinen Bestandteilen 74 eines Kreditvertrages und einer Präambel, in der der Stand des Verfahrens und die bisherigen vertraglichen Beziehungen, insbesondere bestehende Finanzierungsverträge und die dafür bestellten Sicherheiten, dargestellt werden, typischerweise die folgenden besonderen Bestandteile haben: 6.3.1 Parteien Parteien eines echten Massekreditvertrages76) sind Kreditgeber und der eigenverwaltende 75 Schuldner bzw. Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren und im vorläufigen Insolvenzverfahren der starke vorläufige Insolvenzverwalter oder der eigenverwaltende Schuldner. ___________ 74) AG Köln v. 12.10.2018 – 74 IN 196/18, ZIP 2018, 2234, 2235. 75) Alternativ denkbar ist auch, die Erlöse im Wege des abgekürzten Zahlungsweges dem Kreditnehmer zu überlassen, vgl. Trowski, WM 2014, 1257, 1259 f.; vgl. dazu insgesamt auch Ganter, NZI 2020, 249, 255. 76) In der einschlägigen Literatur finden sich Muster echter Massekreditverträge z. B. bei Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 23 Rz. 242; Tetzlaff in: Lwowski/Fischer/ Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, Anh. § 6; Strotmann/Tetzlaff, ZInsO 2011, 559, 560.

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71

§3

1. Teil Allgemeines

6.3.2 Einräumung des unechten Massekredits 76 Zunächst muss die eigentliche Einräumung des unechten Massekredits geregelt werden. Anders als bei einem sonstigen Kreditvertrag bzw. einem echten Massekreditvertrag kann beim unechten Massekreditvertrag die Kreditsumme häufig nicht betraglich festgelegt werden.77) Das hat z. B. die Konsequenz, dass für die Verzinsung nicht auf einen bestimmten prozentualen Wert abgestellt werden kann, sondern dieser als feststehende Summe ausgedrückt werden sollte. Der Kreditbetrag ergibt sich aus der Summe der Verwertungserlöse der dem Kreditgeber anfechtungsfest bestellten Sicherheiten bis maximal zu dem Betrag, der für die vollständige Rückführung aller Forderungen des Kreditgebers aus dem bestehenden Kreditvertrag erforderlich ist. 77 Dabei muss klar unterschieden werden zwischen solchen Erlösen, die die Valuta des Massekreditvertrages erhöhen, und solchen Erlösen, die aus dem Massekreditvertrag finanziert werden. Denn im Wege eines unechten Massekreditvertrages können nur Verwertungserlöse der Sicherheiten kreditiert werden, die zum Zeitpunkt der Gewährung des unechten Massekreditvertrages als anfechtungsfeste Sicherheit dem Kreditgeber bestellt wurden. Aus den hieraus erzielten Erlösen (also aus der Valuta des unechten Massekredits) neu beschaffte Waren oder neu begründete Forderungen können dem Kreditgeber als Sicherheit für Massekredite dienen, erhöhen aber nicht die Valuta eines unechten Massekredits. Diese Unterscheidung muss in der Buchhaltung des Kreditnehmers beachtet und durch den Kreditgeber anhand eines laufenden Reportings überwacht werden. 78 Es empfiehlt sich, die Bezugnahmen auf die bestehenden Sicherheiten durch Verweise auf entsprechende Auflistungen in den Anlagen zu spezifizieren bzw. eine Verpflichtung des Kreditnehmers vorzusehen, den Bestand der Sicherheiten zum Stichtag zu ermitteln und zu dokumentieren. Zu beachten ist dabei, dass die Summe der Verwertungserlöse nicht zwangsläufig identisch mit dem zu gewährenden unechten Massekredit sein muss, da z. B. berücksichtigt werden muss, dass:78) 

ggf. Kosten einer außergerichtlichen Beitreibung anfallen,



i. V. m. §§ 170, 171 InsO ein gesetzlicher Kostenbeitrag beansprucht werden kann.

79 Außerdem ist zu beachten, dass eingezogene Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aufgrund eines verlängerten bzw. erweiterten Eigentumsvorbehalts einem Warenlieferanten zustehen können und somit nur für einen unechten Massekredit dieser Lieferanten verwendet werden können. 80 Eine Formulierung könnte wie folgt lauten: „Der Darlehensgeber stellt dem Darlehensnehmer im Wege des Vereinbarungsdarlehens Kreditmittel in Höhe des Betrages zur Verfügung, der der Summe der Erlöse aus der Verwertung der dem Darlehensgeber vom Darlehensnehmer am [Datum des Widerrufs der Verfügungsbefugnis] gewährten Sicherheiten (Bestandsliste gemäß Anlage)79) entspricht, wobei (i) für die Veräußerung von Vorratsvermögen Kosten der Verwertung pauschal in Höhe von [5 %] der Anschaffungskosten, und (ii) beim Einzug von Forderungen Kosten der Verwertung pauschal in Höhe von [5 %] des realisierten Betrages von der Darlehenssumme abzuziehen sind. Ein Abzug von Verwertungskosten für Bankguthaben erfolgt nicht.“ ___________ 77) Vgl. Huber, NZI 2014, 439, 444. 78) Vgl. dazu Strotmann/Tetzlaff, ZInsO 2011, 559, 561; Trowski, WM 2014, 1257, 1260; Ganter, NZI 2020, 249, 255 f. 79) Alternativ für den Fall, dass die Bestandslisten (noch) nicht vorliegen: „Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, zum [Datum des Widerrufs der Verfügungsbefugnis] den Bestand des Vorratsvermögens, den Bestand seiner Forderungen und die Höhe seiner Bankguthaben zu ermitteln und gegenüber dem Darlehensgeber nachzuweisen.“

72

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§3

Finanzierung der Sanierung

Der Kreditgeber ermächtigt gleichzeitig den Kreditnehmer, über die für die bestehende 81 Finanzierung bestellten Sicherheiten zu verfügen. „Um die Verwertung zu ermöglichen, ermächtigt der Darlehensgeber den Darlehensnehmer, über die von diesem dem Darlehensgeber bei Abschluss dieses Vertrages sicherungsübereigneten Warenbestände, die zur Sicherung abgetretenen Forderungen sowie die verpfändeten Bankguthaben im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs und des Verwendungszwecks dieses Vertrages zu verfügen unter der Maßgabe, dass die beschafften Waren und begründeten Forderungen von den gemäß § […] dieses Vertrages zu gewährenden Sicherheiten erfasst sind und die Verpflichtungen gemäß § […] dieses Vertrages zu jedem Zeitpunkt beachtet werden.“ Auch für die Wiedereinräumung der Verfügungsbefugnis empfiehlt es sich, präzise auf 82 die bestehenden Sicherheiten zu verweisen. Entscheidend ist, dass der Darlehensnehmer die Verfügungsbefugnis nur im ordnungsgemäßen Geschäftsgang und die erzielte Liquidität nur für die Finanzierung der von den Parteien als fortsetzungswürdig befundenen geschäftlichen Aktivitäten verwendet. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass neu beschaffte Waren und neubegründete Forderungen von den für den unechten Massekredit neu zu bestellenden Sicherheitenverträgen erfasst werden. Die Verletzung dieser Verpflichtung muss den Darlehensgeber zu einer außerordentlichen Kündigung des unechten Massekredits berechtigen. Dies könnte wie folgt vereinbart werden: „Das Darlehen unter diesem Vertrag wird dadurch valutiert, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die Erlöse aus der Veräußerung gemäß vorstehendem § […] sowie die verpfändeten Kontoguthaben im Wege eines Vereinbarungsdarlehens als unechten Massekredit zur Verfügung stellt. Das geschieht, indem die Parteien vereinbaren, dass die Erlöse nicht für die Ablösung der Absonderungsrechte des Darlehensgebers unter dem bestehenden Kreditvertrag verwendet werden, sondern als Inanspruchnahme des unter diesem Vertrag gewährten Darlehens behandelt werden. Die derzeit unter dem bestehenden Kreditvertrag offenen Forderungen des Darlehensgebers verringern sich in dieser Höhe entsprechend.“ Es empfiehlt sich, den Willen der Parteien zum Abschluss eines Vereinbarungsdarlehens 83 in Bezug auf die Verwertungserlöse durch ausdrückliche Regelung zu dokumentieren, um die für den Kreditgeber inakzeptablen Rechtsfolgen (Verschaffung des Eigentums an den zu überlassenden Sachen) eines Sachdarlehens zu vermeiden (siehe oben Rz. 64). Außerdem sollte festgehalten werden, wie die Parteien des unechten Massedarlehens die Tilgung des Anspruchs des Kreditgebers auf Rückzahlung des von ihm dem Kreditnehmer vorinsolvenzlich gewährten Darlehens regeln (siehe oben Rz. 71). 6.3.3 Wirksamkeitsvoraussetzungen Die Wirksamkeit des unechten Massekreditvertrages sollte erst mit Eintritt der folgenden 84 Bedingungen eintreten und – für den Fall, dass zugleich ein echter Massekredit gewährt werden soll – an dessen wirksamen Abschluss und die Erfüllung der darin vorgesehenen Auszahlungsvoraussetzungen (siehe oben Rz. 63) geknüpft werden: –

„Ermächtigung des Darlehensnehmers zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Abschluss dieses Vertrages inklusive der Stellung der Sicherheiten gemäß § […] dieses Vertrages; (siehe oben Rz. 63);



Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses des Darlehensnehmers zum Abschluss dieses Vertrages sowie zu den Verträgen über die Sicherheiten gemäß § […] dieses Vertrages; (siehe unten Rz. 131 ff.);



Bestätigung des (vorläufigen) Sachwalters/Insolvenzverwalters, dass die Insolvenzmasse nach einer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachwalters/Insolvenzverwalters durchgeführten Prüfung zur Bedienung dieses Kredites mit Hauptforderung, Zinsen, Entgelte und

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§3

1. Teil Allgemeines Kosten ausreichen wird und keine Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens mangels Masse droht;



Vorlage einer aktuellen Liquiditätsplanung;



rechtswirksame Bestellung der gemäß § […] dieses Vertrages zu bestellenden Sicherheiten;



Bestätigung eines Versicherungsmaklers, dass die Versicherungsdeckung in Bezug auf Waren und Bargeld den üblichen Anforderungen des Marktes, an dem der Darlehensnehmer teilnimmt, genügt; und



Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes, der den Darlehensgeber zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrages berechtigen würde.“

85 Außerdem sollten, falls im Einzelfall relevant, als Wirksamkeitsvoraussetzungen vorgesehen werden: 

der Abschluss des Vertrags über den echten Massekredit,



Vorlage eines Nachweises über die Vorfinanzierung des Insolvenzgelds,



der rechtswirksame Abschluss eines unechten Massekreditvertrages mit einem etwaigen Lieferantenpool und/oder einer Abgrenzungsvereinbarung in Bezug auf Sicherheiten, die der Absonderung unterliegen.80)

86 Zweck dieser Regelung ist es, einen Zusammenhang mit der Gesamtfinanzierung herzustellen, um zu vermeiden, dass einzelne Finanzierungsbausteine in Kraft treten, ohne dass die Gesamtfinanzierung gesichert ist. 6.3.4 Verwendungszweck des unechten Massekredits 87 Für den Darlehensgeber ist essentiell, dass die vereinnahmte Liquidität nur für die Finanzierung der von den Parteien als fortsetzungswürdig befundenen geschäftlichen Aktivitäten verwendet wird. Es empfiehlt sich deshalb, den Verwendungszweck des unechten Massekredits ausdrücklich festzulegen und soweit wie möglich zu konkretisieren, z. B. durch Bezug auf die zu erstellende und regelmäßig zu aktualisierende Liquiditätsplanung. „Dieser Kredit dient als Betriebsmittelkredit ausschließlich der Finanzierung des Liquiditätsbedarfs des jeweiligen Darlehensnehmers und darf von dem Darlehensnehmer ausschließlich zur (i) Finanzierung der Fortsetzung seiner rentablen Geschäftsaktivitäten, (ii) für die Beschaffung von Waren für sich und Begründung von Forderungen durch ihn, die jeweils von den gemäß § […] dieses Vertrages zu gewährenden Sicherheiten erfasst sind, sowie (iii) zur Deckung seiner operativen Kosten, die in den Liquiditätsplänen budgetiert sind, verwendet werden. Die Rückführung von Finanzierungen bei Dritten und die Finanzierung von Verlusten, die zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen würden, sind ausdrücklich ausgeschlossen. Der Darlehensgeber ist nicht verpflichtet, die Verwendung der unter diesem Vertrag ausgeliehenen Gelder zu überwachen oder zu prüfen. Die Verbindlichkeiten, die unter diesem Vertrag entstehen, stellen Masseverbindlichkeiten dar.“ 88 Zur Reduzierung des Ausfallrisikos ist es für den Kreditgeber entscheidend, dass seine Forderungen im Zusammenhang mit dem Massedarlehen Masseverbindlichkeiten darstellen. Diese Eigenschaft lässt sich zwar nicht durch Einigung der Parteien begründen, aber es empfiehlt sich, das entsprechende Verständnis der Parteien festzuhalten.

___________ 80) Trowski, WM 2014, 1257, 1261.

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§3

Finanzierung der Sanierung 6.3.5 Sicherheiten

„Der Darlehensnehmer soll dem Darlehensgeber die folgenden Sicherheiten für die Ansprüche 89 des Darlehensgebers gegen den Darlehensnehmer aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag und den sonstigen Finanzierungsdokumenten bestellen: –

Sicherungsübereignung sämtlicher ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung neu erworbener Gegenstände des Anlagevermögens sowie der eingekauften Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie neu entstehender, fertiger oder unfertiger Erzeugnisse sowie Handelswaren; dies umfasst alle Gegenstände, die bereits durch Vereinbarung vom […] an den Kreditgeber zur Sicherheit übertragen wurden und die erst nach Stellung des Insolvenzantrages in das Sicherungsgebiet eingebracht wurden;



Sicherungszession sämtlicher ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Einziehungsermächtigung neu entstehender Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen; dies umfasst alle Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen, die bereits durch Vereinbarung vom […] an den Kreditgeber zur Sicherheit abgetreten wurden und die erst nach Stellung des Insolvenzantrages entstanden sind;



erstrangiges Pfandrecht an seinen Bankkonten.“



Falls relevant: „Sicherungszession sämtlicher Ansprüche aus Insolvenzanfechtung der Insolvenzmasse, die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen.“

Zum Sicherungszweck gelten die unten, siehe Rz. 115 f., genannten Besonderheiten.

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6.3.6 Informationspflichten und sonstige Pflichten des Darlehensnehmers Außerdem empfiehlt sich, folgende Informationspflichten festzulegen:

91

„Der Darlehensnehmer sowie der [vorläufige Sachwalter/Insolvenzverwalter] sind verpflichtet: –

den Darlehensgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn bei der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs kein positiver Deckungsbeitrag mehr erwirtschaftet wird und/oder Zweifel an der Durchführbarkeit der von der Darlehensnehmerin angestrebten Sanierung ihres Geschäftsbetriebs auftreten;



den Darlehensgeber unverzüglich über die Verwendung des Massedarlehens und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers zu informieren und dafür mindestens die folgenden Unterlagen vorzulegen: a) monatlich, unverzüglich nachdem verfügbar, spätestens bis zum […] des Folgemonats eine auf den letzten Tag des Monats bezogene Übersicht über die Entwicklung des Warenbestands, jeweils unterschieden für den Zeitraum bis zum Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung und den anschließenden Zeitraum, b) monatlich, unverzüglich nachdem verfügbar, spätestens bis zum […] des Folgemonats eine auf den letzten Tag des Monats bezogene Übersicht über die Entwicklung des Forderungsbestands, jeweils unterschieden für den Zeitraum bis zum Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung und den anschließenden Zeitraum, c) monatlich, unverzüglich nachdem verfügbar, spätestens bis zum […] des Folgemonats eine auf den letzten Tag des Monats bezogene Übersicht über die Entwicklung der Lieferantenverbindlichkeiten und der erhaltenen Anzahlungen (jeweils unterschieden für den Zeitraum bis zum Zeitpunkt des Widerrufs der Veräußerungsermächtigung und den anschließenden Zeitraum) sowie eine Übersicht über die Entwicklung des Auftragsbestands,

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§3

1. Teil Allgemeines d) monatlich, unverzüglich nachdem verfügbar, spätestens bis zum […] des Folgemonats einen auf den letzten Tag des Monats bezogenen Soll-Ist-Vergleich der jeweils gültigen Finanz- und Geschäftsplanung für die Schuldnerin mit Erläuterungen zu nicht unwesentlichen Planabweichungen, und e) wesentliche Änderungen des Liquiditätsplans;



dem Darlehensgeber unaufgefordert und unverzüglich nach Kenntniserlangung alle Informationen über Sachverhalte und Ereignisse, wo erforderlich mit Erläuterung der jeweiligen Auswirkungen auf den Darlehensnehmer, zuzuleiten, die wesentliche Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis haben können oder die für eine sachgerechte Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers erforderlich sein können, insbesondere über die Absicht, dem Insolvenzgericht Umstände anzuzeigen, die die Abweisung des Insolvenzantrags rechtfertigen können, die Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht oder den Eintritt von Umständen, die die Aufhebung rechtfertigen, oder eine drohende oder tatsächliche Änderung in der Person des vorläufigen Sachwalters;



dem Darlehensgeber spätestens am Ende der Laufzeit dieses Vertrages vollständig Rechnung über die verwerteten und über die noch vorhandenen Sicherheiten sowie die damit im Zusammenhang stehenden Steuerzahlungen und/oder steuerlichen Risiken zu legen; und



den Darlehensgeber unverzüglich über die Entstehung einer Kündigungsmöglichkeit und/oder über einen Umstand, der zu einer Kündigungsmöglichkeit führen könnte, schriftlich zu informieren.“

92 Dem Darlehensnehmer können zudem weitere Verhaltenspflichten auferlegt werden: „Der Darlehensnehmer soll sicherstellen, dass –

die von ihm erworbenen beweglichen Vermögensgegenstände an Dritte (einschließlich von Gesellschaften der Gruppe) nur unter Eigentumsvorbehalt geliefert werden oder nur im Wege der Kommission veräußert werden, wobei die Ware bis zur Veräußerung durch den Kommissionär im Eigentum des Darlehensnehmers bleibt; die Kommissionsverträge sind mit dem Darlehensgeber abzustimmen und müssen dessen Vorgaben genügen;



seine Forderungen ausschließlich über die zugunsten des Darlehensgebers verpfändeten Konten eingezogen werden;



für die Örtlichkeiten, an denen Umlaufvermögen und bewegliche Vermögensgegenstände gelagert werden, die Miete (für die Zeiträume nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) bei Fälligkeit und nach Maßgabe der vertraglichen Bestimmungen an den jeweiligen Vermieter bezahlt wird;



die Forderungen von Frachtführern und Spediteuren, die Umlaufvermögen transportieren (für die Zeiträume nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) bei Fälligkeit bezahlt werden;



Umlaufvermögen oder bewegliche Vermögenswerte, die Transaktionssicherheiten darstellen und sich nicht im Transit befinden, nicht an anderen Orten gelagert werden als denen, die auf den Karten, die dem Darlehensgeber nach Maßgabe der Verträge über die Transaktionssicherheiten übergeben wurden, ausgewiesen sind; und



auf seine Kosten unverzüglich alle Handlungen vorgenommen werden oder Dokumente unterzeichnet werden, die der Darlehensgeber vernünftigerweise vorgibt, um die Sicherheiten, die zugunsten des Darlehensgebers unter den Verträgen über die Transaktionssicherheiten entstehen oder entstehen sollen, rechtswirksam zu begründen.“

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§3

Finanzierung der Sanierung 6.3.7 Laufzeit, Rückzahlung und Kündigungsgründe

Die Laufzeit des unechten Massekreditvertrages kann frei vereinbart werden.81) So kann 93 z. B. eine Laufzeit bis zum Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung eines vorgesehenen Insolvenzplans gewählt, aber es kann auch eine zeitlich festgelegte Laufzeit vereinbart werden.82) Jedenfalls sollte die Laufzeit mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, mit der Ablehnung seiner Eröffnung oder der Aufhebung der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung enden. Für den Fall, dass – was regelmäßig der Fall ist – das unechte Massedarlehen auch im eröffneten Insolvenzverfahren benötigt wird, empfiehlt es sich, dass der Kreditgeber mit dem endgültigen Insolvenzverwalter bzw. dem Unternehmen in Eigenverwaltung für das eröffnete Verfahren einen neuen Massedarlehensvertrag abschließt oder den bestehenden Vertrag bestätigt. Inhalt einer solchen Vereinbarung ist, dass der Insolvenzverwalter bzw. das eigenverwaltende Unternehmen die Verpflichtungen aus dem im vorläufigen Verfahren abgeschlossenen Massedarlehensvertrag übernimmt. In diesem Fall sind auch die im vorläufigen Verfahren abgeschlossenen Sicherheitenverträge erneut abzuschließen. Ansonsten gibt es zur Laufzeit keine Besonderheiten und insbesondere kann der unechte Massekreditvertrag – vor allem wenn er sich rechtstechnisch nicht mehr von einem echten Massekreditvertrag unterscheidet, weil alle Sicherheitenerlöse kreditiert wurden – über die Verfahrensaufhebung hinaus laufen (beachte § 258 Abs. 2 InsO). Auch die Modalitäten der Rückzahlung können zwischen den Parteien frei bestimmt 94 werden, sollten aber mit der Liquiditätsplanung des Darlehensnehmers synchronisiert werden. Üblich ist eine Rückführung am Ende der Laufzeit (sog. bullet repayment) mit der Möglichkeit, während der Laufzeit vorzeitige Tilgungen zu leisten. Diese können entweder freiwillig erfolgen, oder es wird vereinbart, dass der Eintritt bestimmter Umstände (z. B. das Vorhandensein überschüssiger Liquidität, sog. excess cash) eine Pflicht zur vorzeitigen Tilgung begründet. Es empfiehlt sich aus Sicht des Darlehensnehmers zu regeln, dass vorzeitige Tilgungen jederzeit ohne Pflicht zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zulässig sind.83) Es bietet sich an, die folgenden Kündigungsgründe zu normieren:

95

„Zusätzlich zu den kraft Gesetzes einem Darlehensgeber zustehenden Kündigungsrechten für ein Darlehen stellt jedes der im Folgenden genannten Ereignisse bzw. Umstände einen Kündigungsgrund dar: –

der Darlehensnehmer zahlt einen von ihm unter den Finanzierungsdokumenten zahlbaren Betrag nicht innerhalb von [zehn] Geschäftstagen;



die von dem Darlehensnehmer unter dem Kredit in Anspruch genommenen Beträge werden entgegen dem Verwendungszweck dieses Vertrages verwendet;



der Darlehensnehmer verletzt eine wesentliche Bestimmung dieses Vertrages oder eines Sicherheitenvertrages;



der Darlehensnehmer kündigt, widerruft oder erkennt ein Finanzierungsdokument nicht an oder erklärt ein solches für unwirksam bzw. gibt vor, dass ein Finanzierungsdokument nicht anerkannt, gekündigt, widerrufen oder für unwirksam erklärt wird, oder zeigt die Absicht, ein Finanzierungsdokument oder einen Vertrag über Sicherheiten zu kündigen, zu widerrufen oder nicht anzuerkennen;



es droht eine Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers durch das Insolvenzgericht mangels Masse oder der Antrag des ___________ 81) Trowski, WM 2014, 1257, 1261. 82) Trowski, WM 2014, 1257, 1261. 83) Trowski, WM 2014, 1257, 1261.

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§3

1. Teil Allgemeines Darlehensnehmers auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird zurückgenommen oder abgelehnt;



es droht oder erfolgt die Überleitung des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens in ein Regelinsolvenzeröffnungsverfahren/Aufhebung des Schutzschirmverfahrens;



Herr RA […] wird als (vorläufiger) Sachwalter/Insolvenzverwalter ersetzt; oder



es wird ein Vertrag geschlossen, mit dem das Vermögen des Darlehensnehmers im Ganzen oder in Teilen auf einen Dritten übertragen wird.



Falls relevant: „Kündbarkeit des Vertrages über den echten Massekredit.



Falls gewünscht: Aufhebung des Insolvenz(plan)verfahrens.“

96 Die Aufnahme eines Kündigungsgrundes, der an die Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw. (vorläufigen) Sachwalters anknüpft, wird von namhafter Seite für bedenklich gehalten.84) Die Befürworter einer solchen Klausel argumentieren, dass Kreditinstitute oftmals lediglich aufgrund des Vertrauens in einen bestimmten vorläufigen Verwalter bzw. Sachwalter das Massedarlehen gewähren.85) Denn ein Kreditgeber werde einen Massekredit nur vergeben, soweit er davon ausgehen könne, dass der Kredit – trotz des von der Geschäftsführung des Kreditnehmers verursachten Vertrauensverlustes – zurückgezahlt werde. Aufgrund der besonderen Umstände des Schuldners habe das Kreditinstitut ein besonderes Interesse an der Vertrauenswürdigkeit sowie Verlässlichkeit der Person des vorläufigen Verwalters bzw. Sachwalters.86) Dem wird entgegengehalten, dass die Person des vorläufigen Verwalters gemäß §§ 56, 274 InsO eine unabhängige Person sein müsse. Unabhängigkeit liege vor, sofern der vorläufige Sachverwalter nicht abhängig von einem bestimmten Gläubiger sei und allein im Interesse der Gläubigergemeinschaft handele.87) 97 Sollte sich der vorläufige Sachverwalter dennoch in einer Interessenkollision befinden und daher nicht unabhängig sein, stünde das Insolvenzgericht vor dem Problem, durch die Bestellung des abhängigen Verwalters gegen seine Pflichten aus §§ 56, 274 InsO zu verstoßen oder die angestrebte Sanierung zu blockieren.88) Daher, so die Gegner eines solchen Kündigungsrechts, sei ein personengebundenes Massedarlehen, welches an einen dadurch abhängigen vorläufigen Verwalter gebunden sei, rechtsmissbräuchlich und nicht zulässig. 98 Den Gegnern eines personengebundenen Kündigungsgrunds ist zuzugeben, dass ein Kündigungsrecht nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden darf. Sofern der Verwalterwechsel dem Kreditgeber zumutbar ist, lässt sich ein Kündigungsgrund nicht damit begründen.89) Eine Kündigung wäre auch nicht im Interesse des Kreditgebers, wenn sichergestellt ist, dass der ernannte (neue) Verwalter/Sachwalter über die erforderliche Expertise verfügt. Tatsächlich wird es einem Kreditgeber wohl mehr auf die Qualifikation des Verwalters/Sachwalters für die Sanierung des Unternehmens ankommen als auf dessen Person. Vor allem in Bezug auf die Erfüllung der vertraglichen Informationspflichten (siehe oben Rz. 91) ist für den Kreditgeber die Qualifikation des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw. des (vorläufigen) Sachwalters wichtig. Denn die beizubringenden Angaben stellen besondere Anforderungen an das Rechnungswesen des Kreditnehmers in einer Zeit, ___________ 84) Vgl. Ganter, ZIP 2013, 597 ff.; Ganter, NZI 2020, 249, 257; Pape, ZInsO 2013, 2129, 2132, und Pape, ZIP 2013, 2285, 2287. 85) Vgl. Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 23 Rz. 195. 86) Ganter, ZIP 2013, 597, 598; Ganter, NZI 2020, 249, 257. 87) Blümle in: Braun, InsO, § 56 Rz. 44 f.; Delhaes/Römermann in: Nerlich/Römermann, InsO, § 56 Rz. 17. 88) Vgl. Ganter, ZIP 2013, 597, 600. 89) Ganter, ZIP 2013, 597, 604; Ganter, NZI 2020, 249, 257.

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§3

Finanzierung der Sanierung

in der sich das Unternehmen nicht in einem üblichen Betriebsmodus befindet, sondern ggf. Schlüsselpersonal den Betrieb verlassen hat. Für Kreditgeber ist es deshalb entscheidend, dass die auf Seiten des Kreditnehmers handelnden Personen die erforderliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit aufweisen. Die Aufnahme eines Kündigungsgrunds, der eingreift, wenn dieses Interesse des Kreditgebers nicht mehr gewahrt ist, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen. 6.3.8 Ausschluss der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters oder Sachwalters bzw. der Eigenverwaltung? Eine persönliche Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters oder Sachwalters oder der Ei- 99 genverwaltung (§ 276a Abs. 2, 3 InsO) unterliegt den Voraussetzungen von §§ 60, 61 InsO. Es ist jedoch üblich, die persönliche Haftung des Verwalters oder der Eigenverwaltung für die Rückzahlung der Kredite grundsätzlich auszuschließen, weil es für die Übernahme dieser Haftung gar keine wirtschaftliche bzw. rechtliche Motivation gibt bzw. eine solche Haftung unangemessen ist.90) „Jede persönliche Haftung des (vorläufigen) Sachwalters und der (vorläufigen) Eigenverwaltung/des (vorläufigen) Insolvenzverwalters aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder den damit im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäften, insbesondere aus §§ 60, 61 InsO sowie gemäß § 311 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss, ist – soweit gesetzlich zulässig – ausgeschlossen. Die Haftung für Vorsatz bleibt unberührt.“ 7.

Absicherung des Kreditgebers

Steht ein Kreditgeber zur Verfügung, der zur Finanzierung bereit ist, können dessen Risiken 100 für den Fall des Fehlschlagens der Sanierung und dadurch unterbleibende Rückführung durch geeignete Maßnahmen reduziert werden. 7.1

Rückzahlungspflicht als Masseverbindlichkeit

Eine Maßnahme der Risikoreduzierung, die den Krediten i. Ü. auch ihren Namen gibt, ist 101 die rechtliche Qualifikation der Rückzahlungsverpflichtung des Schuldners als Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 InsO. Dies hat zur Konsequenz, dass alle Ansprüche des Kreditgebers – nicht nur die Ver- 102 pflichtung des Schuldners zur Rückzahlung des Kredits – vollständig befriedigt werden müssen, bevor Insolvenzgläubiger eine Quote erhalten. Darüber hinaus haben Massegläubiger eine privilegierte Stellung im Insolvenzverfahren. Sie können im Gegensatz zu Insolvenzgläubigern bspw. mit ihren Forderungen unbeschränkt aufrechnen oder diese außerhalb des Insolvenzverfahrens vor den ordentlichen Gerichten geltend machen. Während Handlungen im Stadium der vorläufigen Eigenverwaltung nach den allgemeinen Grundsätzen der Anfechtung unterliegen,91) kann weder die Begründung von Masseverbindlichkeiten noch deren Erfüllung mit der Insolvenzanfechtung Rückgängig gemacht werden.92) Ob es sich bei Verbindlichkeiten aus den Massekreditverträgen um Masseverbindlichkei- 103 ten oder Insolvenzforderungen handelt, richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Situation, in der sich der Schuldner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befindet. ___________ 90) Vgl. Mordhorst in: Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, Anh. § 6 Rz. 4. 91) OLG Dresden v. 18.6.2014 – 13 U 106/14, ZIP 2014, 1294, dazu EWiR 2014, 525 (Rendels). 92) BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210, 214 = ZIP 2014, 584, 585.

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§3

1. Teil Allgemeines

104 Sofern der Massekredit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, stellen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Vertrag, insbesondere die Rückzahlungsverpflichtung in Bezug auf die Valuta, eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Dies ergibt sich für den Fall des Regelinsolvenzverfahrens unmittelbar aus der Norm. Für den Fall der Eigenverwaltung wird aus § 275 InsO die Kompetenz des eigenverwaltenden Schuldners abgeleitet, unmittelbar durch eigene Handlungen Masseverbindlichkeiten zu begründen.93) Auf eine etwaige Zustimmung des Sachwalters kommt es nicht an. Eine Ausnahme hierzu stellt lediglich § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO dar. Vertragspartner des Kreditgebers ist allein der eigenverwaltende Schuldner. 105 Im vorläufigen Insolvenzverfahren begründet der starke vorläufige Insolvenzverwalter nach § 55 Abs. 2 InsO Masseverbindlichkeiten, ein vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter nur nach gerichtlicher Ermächtigung. In einem vorläufigen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (inkl. Schutzschirmverfahren) ist ebenfalls eine gerichtliche Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erforderlich, damit Masseverbindlichkeiten begründet werden können. Nach der neuen Regelung des § 270c Abs. 4 Satz 1 InsO hat das Gericht auf Antrag des Schuldners anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet, sodass § 55 Abs. 2 InsO entsprechend gilt. Ermächtigt werden kann, sofern der Schuldner dies entsprechend begründet, auch zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, die nicht im Finanzplan berücksichtigt wurden (§ 270c Abs. 4 Satz 2 InsO). Gemeint ist mit dieser Regelung eine allumfassende Ermächtigung. Der Schuldner begründet nach dieser Anordnung durch alle Handlungen, und somit auch durch Abschluss der Massekreditverträge, Masseverbindlichkeiten. Möglich ist nach einhelliger Ansicht aber auch, dass lediglich für einzelne Handlungen, so z. B. nur für den Abschluss des Massekreditvertrags und damit im Zusammenhang stehende Sicherheitenverträge, eine Ermächtigung erlassen wird. 106 Lange Zeit war die Möglichkeit des Schuldners, Masseverbindlichkeiten nach der gerichtlichen Ermächtigung zu begründen, nur für den Fall des Schurzschirmverfahrens nach § 270b InsO a. F. (nun § 270d InsO) gesetzlich verankert. Im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO a. F. (nun § 270c InsO) war hingegen streitig, ob eine solche gerichtliche Einzelermächtigung überhaupt möglich ist und wer ihr Adressat ist. Während Instanzgerichte teilweise eine solche Ermächtigung generell für nicht zulässig hielten,94) gingen andere davon aus, dass der Schuldner automatisch Masseverbindlichkeiten begründet.95) Sofern eine Ermächtigung für möglich und erforderlich erachtet wurde, bestand auch bei der Frage Uneinigkeit, ob der Schuldner96) oder der vorläufige Sachwalter ermächtigt werden könnte. In der Literatur wurde überwiegend davon ausgegangen, dass der Schuldner im Verfahren nach § 270a InsO zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt werden kann, dass dies aber auch erforderlich ist97)(siehe hierzu auch Hofmann, HRI II, § 4 Rz. 161 ff.). 107 Der BGH lies die Frage zunächst offen.98). Schließlich schloss sich der BGH in seinem Urteil von 22.11.201899) der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen ___________ Kern in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 7; Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 270 Rz. 13. AG Fulda v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12, ZIP 2012, 1471. AG Montabaur v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12, ZIP 2013, 899, 900. AG München v. 14.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470, dazu EWiR 2012, 495 (Vallender); LG Duisburg v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453. 97) So z. B. Undritz in: K. Schmidt, InsO, § 270a Rz. 6; Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 270a Rz. 19; BGH v. 7.2.2013 – IX ZB 43/12, ZIP 2013, 525, Vallender, NZI 2013, 342, 343 (Urteilsanm.). 98) BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 157/14, ZIP 2016, 831, dazu EWiR 2016, 307 (Dimassi). 99) BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243 = NZI 2019, 236. 93) 94) 95) 96)

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Finanzierung der Sanierung

Ansicht an und entschied, dass das Gericht den Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO durch Beschluss ermächtigen kann, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Eine Ermächtigung könnte den folgenden Wortlaut haben:

108

„Die Schuldnerin wird gemäß § 21 Abs. 1 InsO ermächtigt, mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters durch den Abschluss eines Massekreditvertrags von bis zu […] € gegenüber [Name des Massekreditgebers] Masseverbindlichkeiten zu begründen. Diese Ermächtigung bezieht sich insbesondere auch auf die im Massekreditvertrag enthaltene Verpflichtung zur Bestellung vorrangiger Sicherungsrechte für den Kreditgeber, auch in rollierender Art.“ Die Begrenzung der Höhe der möglichen Masseverbindlichkeiten und die Nennung eines 109 speziellen Gläubigers ist vor allem aus der Sicht des Gerichts und des Schuldners bzw. vorläufigen Sachwalters selbst empfehlenswert. Er sollte sicherstellen, dass nur solche Masseverbindlichkeiten begründet werden, die voraussichtlich auch aus der vorhandenen Masse befriedigt werden können. Daher sollte die Ermächtigung so konkret wie möglich sein. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung nur konkrete Einzelfallermächtigungen erlaubt.100) Die Aufnahme der im Kreditvertrag enthaltenen Verpflichtung zur Bestellung von Si- 110 cherheiten erfolgt nur klarstellend. Auch ohne diesen Zusatz sind alle Verpflichtungen des Schuldners, die sich aus dem Kreditvertrag ergeben, Masseverbindlichkeiten. Dies hat zur Folge, dass die Bestellung der Sicherheiten später nicht der Insolvenzanfechtung unterliegt, da es sich hierbei um die Erfüllung einer Masseverbindlichkeit handelt. Die Klarstellung empfiehlt sich jedoch zur Vermeidung von Unstimmigkeiten, insbesondere bei einem unfreiwilligen Wechsel ins Regelinsolvenzverfahren und Bestellung eines von der Person des vorläufigen Sachwalters verschiedenen Insolvenzverwalters. Die Zustimmungspflicht in der Ermächtigung hat den Vorteil einer Haftung des Sach- 111 walters nach § 277 Abs. 1 Satz 3, § 61 InsO (siehe unten Rz. 129). Die Privilegierung von Massegläubigern reduziert die Risiken eines Kreditgebers erheb- 112 lich. Auch Masseverbindlichkeiten werden jedoch dann nicht vollständig befriedigt, wenn Masseunzulänglichkeit oder Massearmut vorliegt. Dieses Risiko kann durch eine dingliche Besicherung der Verbindlichkeiten aus den Massekreditverträgen reduziert werden. 7.2

Besicherung

Auch wenn der Anspruch auf Rückzahlung eines Massekredits, sei es kraft Gesetzes 113 (§§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 275 InsO) oder über den handelnden starken vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. einen zum Abschluss eines Massekreditvertrages gerichtlich ermächtigten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter, eine Masseverbindlichkeit ist, besteht das Risiko der Masseunzulänglichkeit und damit des vollständigen oder teilweisen Ausfalls des Massekreditgebers mit seiner Forderung. Denn wenn die Betriebsfortführung scheitert, wird der Insolvenzverwalter möglicherweise gezwungen sein, die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen.101) Das führt dazu, dass der Kreditgeber als Gläubiger der Altmasse mit seiner Forderung nur quotal befriedigt wird (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO).102)

___________ 100) BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, 367 = ZIP 2002, 1625, 1627, EWiR 2002, 919 (Spliedt); BGH v. 22.11.2018 – IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243 = NZI 2019, 236, 238; OLG Brandenburg v. 11.11.2020 – 7 U 87/18, NZI 2021, 134, 136. 101) Strotmann/Tetzlaff, ZInsO 2011, 559. 102) Strotmann/Tetzlaff, ZInsO 2011, 559.

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1. Teil Allgemeines

114 Diesem Risiko kann durch eine Besicherung des Massekredits begegnet werden (siehe auch oben Rz. 89). Steht dafür kein freies Vermögen des Kreditnehmers zur Verfügung, und ist auch kein Gesellschafter bereit, eine Drittsicherheit zu stellen, ist eine Besicherung durch Forderungen z. B. aus Lieferungen und Leistungen und an Waren möglich, die nach Anordnung des vorläufigen des Insolvenzverfahrens begründet bzw. angeschafft oder hergestellt worden sind.103) Diese Vermögenswerte stehen ungeachtet etwaiger revolvierender Sicherheitenverträge, die vor der Insolvenzantragstellung abgeschlossen wurden, als Sicherheit für einen Massekredit zur Verfügung, weil mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis des Schuldners zur Verfügung über Gegenstände der Insolvenzmasse entfällt (§§ 80, 81 Abs. 1 Satz 1 InsO) und der Erwerb von Rechten an Gegenständen der Insolvenzmasse unwirksam ist (§ 91 InsO) und nach Insolvenzantragstellung Sicherheiten der Anfechtung unterliegen. Denkbar ist auch die (ergänzende) Besicherung durch Abtretung von Ansprüchen aus Insolvenzanfechtung.104) 115 Für die neu abzuschließenden Verträge über die Bestellung von Sicherheiten an diesen Vermögenswerten sowie an den Bankkonten, auf denen diese Erlöse sich ansammeln, sind folgende Besonderheiten zu beachten. Der Sicherungszweck der neu abzuschließenden Sicherheitenverträge sollte neben den etwaigen Forderungen des Kreditgebers unter einem echten Massekreditvertrag und den Forderungen des Kreditgebers unter dem unechten Massekreditvertrag auch die Ansprüche des Kreditgebers aus dem ursprünglichen Kreditengagement erfassen. 116 Die alten Sicherheitenverträge in Bezug auf das Umlaufvermögen bleiben daneben bestehen, da sie nach wie vor die Ansprüche des Kreditgebers aus dem ursprünglichen Kreditengagement besichern (soweit diese noch bestehen und nicht vollständig durch die Valutierung des unechten Massedarlehens getilgt wurden). Es empfiehlt sich, den Sicherungszweck von bestehenden Sicherheitenverträgen über Rechte, die kein Umlaufvermögen darstellen (z. B. Grundstücke, Immaterialgüterrechte), zu ergänzen, um die Ansprüche des Kreditgebers aus einem echten bzw. unechten Massedarlehensvertrag zusätzlich zu sichern. Außerdem sollte vertraglich vereinbart werden, dass die Erlöse aus der Verwertung der Sicherheiten zugunsten des Kreditgebers auf einem ihm verpfändeten Sonderkonto oder einem Treuhandkonto des Insolvenzverwalters separiert werden.105) 117 Teilweise wird eine weitere Möglichkeit zur Absicherung des Kreditgebers darin gesehen, den vorläufigen Sachwalter oder vorläufigen Insolvenzverwalter um Abgabe einer Erklärung zu ersuchen, Sicherungsrechte, die durch die Fortführung des Geschäftsbetriebs ggf. anfechtbar entstanden sind, im eröffneten Verfahren nicht anzufechten.106) Das erscheint übervorsichtig, da alle Verpflichtungen des Schuldners, die sich aus dem Kreditvertrag ergeben, Masseverbindlichkeiten darstellen, so dass auch die Erfüllung der Verpflichtung zur Stellung von Sicherheiten durch Bestellung der Sicherheiten nicht der Insolvenzanfechtung unterliegt.107) 118 Empfehlenswert ist allerdings, die im vorläufigen Insolvenzverfahren abgeschlossenen Sicherheitenverträge für den Fall der Fortsetzung des Massekreditvertrages im eröffneten Verfahren mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter oder ___________ 103) Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 23 Rz. 208 ff.; Strotmann/ Tetzlaff, ZInsO 2011, 559, 560. 104) Vgl. Mordhorst in: Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, Anh. § 6 Rz. 7; Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 23 Rz. 225 ff. 105) Vgl. Mordhorst in: Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, Anh. § 6 Rz. 7. 106) Trowski, WM 2014, 1257, 1261; in Bezug auf einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter auch Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 23 Rz. 221 ff. 107) BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210, 214 = ZIP 2014, 584, 585.

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Finanzierung der Sanierung

eigenverwaltenden Schuldner bestätigen zu lassen und eine darauf gerichtete Verpflichtung in den im vorläufigen Verfahren abzuschließenden Massekreditvertrag aufzunehmen (§ 91 InsO). Bei Abschluss eines unechten Massekreditvertrages sind auch Risiken aus der steuerlichen 119 Behandlung des sog. Dreifachumsatzes zu berücksichtigen (siehe zu den Grundzügen der Besteuerung im Insolvenzverfahren unten Kahlert, HRI II, § 47 Rz. 20 ff.). Verwertet der Sicherungsgeber bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter bewegliches Sicherungsgut auf Rechnung des Sicherungsnehmers, ist die Lieferung des Sicherungsguts an den Erwerber umsatzsteuerlich dem Sicherungsgeber bzw. der Masse zuzurechnen. Infolgedessen kommt es zu einem Dreifachumsatz aus (1) der Lieferung des Sicherungsguts vom Sicherungsgeber bzw. der Masse an den Sicherungsnehmer, (2) der Rücklieferung des Sicherungsguts vom Sicherungsnehmer an den Sicherungsgeber bzw. die Masse nach Kommissionsgrundsätzen (§ 3 Abs. 3 UStG) und (3) der Lieferung des Sicherungsguts vom Sicherungsgeber bzw. der Masse an den Erwerber.108) Die Umsatzsteuerbarkeit der Lieferung des Sicherungsnehmers an den Sicherungsgeber 120 bzw. die Masse setzt indes voraus, dass der Sicherungsnehmer Unternehmer ist. Gegebenenfalls unterliegt zudem die Lieferung des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer, Schritt (1), außerhalb des Insolvenzverfahrens nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG dem ReverseCharge-Verfahren. Das Entgelt für die Lieferung des Sicherungsgebers bzw. der Masse an den Sicherungsnehmer in Schritt (1) bemisst sich nach dem Betrag, um den die Verbindlichkeiten des Sicherungsnehmers aus dem Veräußerungserlös reduziert werden. Das Entgelt für die Rücklieferung vom Sicherheitsnehmer an den Sicherheitsgeber bzw. die Masse in Schritt (2) entspricht dem (Teil-)Betrag des vom Erwerber gezahlten Veräußerungserlöses, den der Sicherungsnehmer erhält. Die Bemessungsgrundlage für die Lieferung an den Erwerber richtet sich nach dem vom Erwerber gezahlten Entgelt. In Bezug auf die Verwertung von Forderungen, die einer Globalzession zugunsten eines 121 Gläubigers unterliegen, ist außerdem § 13c UStG zu beachten.109) Die Vorschrift ordnet eine Haftung des Zessionars für die vom Insolvenzschuldner vereinnahmte Umsatzsteuer an, vorausgesetzt, dass der Zessionar die Forderung vereinnahmt. Für die Haftung des Zessionars nach § 13c UStG reicht die Sicherungsabtretung einer Forderung, deren Betrag Umsatzsteuer beinhaltet, aus. Voraussetzung für die Haftung ist allerdings, dass der Zessionar die Forderung vereinnahmt. Eine Vereinnahmung durch den Zessionar liegt auch dann vor, wenn der Zessionar dem Zedenten die Einziehung der Forderung überlässt und der Zedent den erhaltenen Betrag an den Zessionar weitergibt oder wenn im Fall der Einziehung durch den Zedenten dieser den Betrag auf ein beim Zessionar geführtes Konto zahlen lässt und der Zedent aufgrund der Überziehung des Kontos oder Kreditrahmens nicht mehr über den vereinnahmten Betrag verfügen kann. Es empfiehlt sich deshalb, den (vorläufigen) Insolvenzverwalter vertraglich zu verpflichten, die auf die eingezogenen Forderungen entfallende Umsatzsteuer an den Fiskus abzuführen.110)

___________ 108) Vgl. Umsatzsteuer-Anwendungserlass, UStAE 1.2 Abs. 1a und 4; BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 7100/07/10037, BStBl. I 2014, 816. 109) Vgl. BFH v. 6.9.2016 – V B 52/16, ZInsO 2016, 2449 m. w. N. 110) Vgl. Mordhorst in: Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, § 6 Rz. 80.

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§3 8.

1. Teil Allgemeines Zustimmungspflichten für den Abschluss eines Massekreditvertrags

122 Für den eigenverwaltenden Schuldner stellt sich die Frage, ob er den jeweiligen Massekreditvertrag nur nach vorheriger Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters oder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung abschließen darf. 8.1

Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters

123 Nach § 275 InsO soll der Schuldner Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Er soll sie gar nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht. Die Norm ist im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270c InsO aufgrund der ausdrücklichen Verweisung des § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO entsprechend anwendbar. Gleiches gilt aber auch im Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO.111) 124 Bei der Einholung der Zustimmung handelt es sich nicht um eine Pflicht des Schuldners, sondern lediglich um eine Obliegenheit. Geschäfte ohne oder gegen den Willen des (vorläufigen) Sachwalters sind gleichwohl wirksam,112) können aber dazu führen, dass der (vorläufige) Sachwalter nunmehr von Nachteilen für die Gläubiger ausgeht, die aus der Eigenverwaltung resultieren, und das Insolvenzgericht nach entsprechender verpflichtender Anzeige (§ 274 Abs. 3 InsO) und einem Antrag die Eigenverwaltung nach § 272 InsO aufhebt.113) 125 Zustimmung meint vorherige Einwilligung. Daher muss bei Verbindlichkeiten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs der (vorläufige) Sachwalter vorab befragt werden. Auch der Widerspruch, sofern er erfolgt, muss vor Vornahme des Geschäfts ausgesprochen werden.114) 126 Unklar und streitig ist, ob der (vorläufige) Sachwalter auch bei Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören und die mithin einen Widerspruch erfordern, ein Informationsrecht bzw. der Schuldner eine Informationspflicht hat.115) Sofern ein solches vorheriges Informationsrecht des (vorläufigen) Sachverwalters angenommen wird, sollten der (vorläufige) Sachwalter und die Eigenverwaltung jedoch in enger Abstimmung idealerweise vorab gattungsmäßig oder in sonstiger Weise festlegen, welche Verbindlichkeiten Informationspflichten auslösen und welche die Eigenverwaltung quasi selbstständig eingehen kann, damit der laufende Geschäftsbetrieb nicht durch die dauernde Abstimmung lahmgelegt wird. Unabhängig hiervon empfiehlt sich für die Praxis generell eine enge Abstimmung der (vorläufigen) Eigenverwaltung mit dem (vorläufigen) Sachwalter, dessen Zustimmung die Gläubiger ohnehin häufig fordern werden. 127 Ob eine Verbindlichkeit zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört, richtet sich nach Art und Umfang des Geschäfts.116) Für Massekreditverträge liegt regelmäßig schon aufgrund der Art des Geschäfts ein solches außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs vor, das eine Informations- und Zustimmungspflicht auslöst. Je nach Höhe der Valuta löst auch der Umfang des Geschäfts eine Pflicht des (vorläufigen) Sachwalters zur Zustimmung aus. ___________ 111) Trowski, WM 2014, 1257, 1261; Madaus/Knauth, ZIP 2018, 149, 154; vgl. AG Köln v. 12.10.2018 – 74 IN 196/18, ZIP 2018, 2234, 2235; Prütting in: KPB, InsO, § 270a Rz. 33. 112) Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 6; Riggert in: Nerlich/Römermann, InsO, § 275 Rz. 7. 113) Riggert in: Nerlich/Römermann, InsO, § 275 Rz. 8. 114) Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 4. 115) Für eine solche Pflicht Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 4. Dagegen Kern in: MünchKommInsO, § 275 Rz. 13. 116) Kern in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 10.

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§3

Finanzierung der Sanierung

Vor Abschluss der Verträge muss die Eigenverwaltung im vorläufigen und eröffneten 128 Verfahren somit intern im Regelfall die Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters einholen.117) Dies sollte aus Sicht der Eigenverwaltung auch dokumentiert werden. Aus der Sicht des Kreditgebers kann die Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters darüber 129 hinaus den Zweck erfüllen, diesen ggf. aus seiner Haftung nach §§ 60, 274 Abs. 1 InsO oder § 277 Abs. 1 Satz 3, § 61 InsO in Anspruch nehmen zu können, sofern die Ansprüche bei nachträglich eingetretener Masseunzulänglichkeit oder Massearmut nicht vollständig befriedigt werden (zur Haftung des Sachwalters allg. siehe Flöther, HRI II, § 15 Rz. 46 ff.). Ist die Zustimmungsbedürftigkeit bereits durch das Insolvenzgericht in der Ermächtigung angeordnet (Vorschlag für eine Ermächtigung siehe oben Rz. 108), so findet § 61 InsO aufgrund der Verweisung in § 277 Abs. 1 Satz 3 InsO Anwendung. Der (vorläufige)118) Sachwalter haftet hiernach für eine nicht erfüllte Masseverbindlichkeit, es sei denn, er konnte nicht erkennen, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Ist die eingegangene Verbindlichkeit nach der gerichtlichen Einzelermächtigung auch ohne Zustimmung eine Masseverbindlichkeit, ist § 61 InsO auf den (vorläufigen) Sachwalter mangels Verweisung in § 274 InsO hingegen nicht anwendbar. Eine Haftung des (vorläufigen) Sachwalters käme außerdem nach §§ 274, 60 InsO (für 130 den vorläufigen in Verbindung mit § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO) in Betracht. Nach § 274 Abs. 2, 3 InsO hat der Sachwalter die Pflicht, den Schuldner zu überwachen und mögliche Nachteile aus der Eigenverwaltung für Gläubiger dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Wenn der Schuldner nun deswegen Masseverbindlichkeiten begründen konnte, weil der Sachwalter schuldhaft seine Überwachungspflichten und Anzeigepflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllte und diese Verbindlichkeiten wegen Masseunzulänglichkeit nicht erfüllt werden können, so führte diese Pflichtverletzung des Sachwalters zu dem Nichterfüllungsschaden des Massegläubigers (siehe hierzu i. E. Flöther, HRI II, § 15 Rz. 58). Während dies teilweise wegen Umgehung des nicht anwendbaren § 61 InsO abgelehnt wird,119) befürworten andere die Haftung.120) Erkennt man die Möglichkeit einer solchen Haftung an, so besteht das Risiko, dass in einer Zustimmung des Sachwalters zur Begründung der Masseverbindlichkeit und der damit verbundenen Kenntnis auch eine Hinweis- bzw. Prüfungspflicht bejaht werden könnte, den Kreditgeber über die Gefahr der Masseunzulänglichkeit zu informieren. Eine solche Pflichtverletzung könnte dann im Falle der Masseunzulänglichkeit zu einer Haftung führen. 8.2

Zustimmungspflicht des (vorläufigen) Gläubigerausschusses

Der eigenverwaltende Schuldner muss die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder 131 der Gläubigerversammlung einholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind (§ 276 Satz 1 InsO). § 160 bzw. § 276 InsO sind im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht anwendbar, sodass ein vorläufiger Gläubigerausschuss seine Zustimmung nicht erteilen kann bzw. muss.121) Für Massekreditverträge regeln § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 276 Satz 2 InsO die Zustimmungs- 132 pflicht, wenn das Darlehen die Insolvenzmasse erheblich belasten würde. Wann von einer solchen Belastung auszugehen ist, ist einzelfallabhängig. Anhaltspunkte bieten die Höhe ___________ 117) So im Ergebnis auch Trowski, WM 2014, 1257, 1260; vgl. Plaßmeier/Ellers in: BeckOK-InsO, § 275 Rz. 10. 118) Zur Anwendbarkeit auch auf den vorläufigen Sachwalter Kern in: MünchKomm-InsO, § 270a Rz. 54. A. A. Trowski, WM 2014, 1257, 1263. 119) Kern in: MünchKomm-InsO, § 274 Rz. 76. 120) Foltis in: Wimmer, FK-InsO, § 274 Rz. 30 ff. 121) Jungmann in: K. Schmidt, InsO, § 160 Rz. 1. Für eine „Vorwirkung“ von § 160 InsO jedoch Frind, BB 2013, 265; Zustimmungspflicht Janssen in MünchKomm-InsO, § 160 Rz. 33.

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§3

1. Teil Allgemeines

der Valuta im Verhältnis zur vorhandenen Masse, die Dauer der Verträge, der Umfang der Besicherung oder die Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb.122) 133 Ist das gesamte Umlaufvermögen der Schuldnerin für den bestehenden Kredit als Sicherheit gestellt und soll nun i. R. des unechten Massekreditvertrags herangezogen werden, so muss von einer Zustimmungspflicht ausgegangen werden. 134 Wertgrenzen sind i. Ü. beim echten (wie auch unechten) Massekreditvertrag nicht zielführend. Ob eine Belastung der Insolvenzmasse vorliegt, die §§ 160, 276 Satz 2 InsO vorschreibt, kann nicht an absoluten oder relativen Zahlen gemessen werden. Das führt naturgemäß zu einer Unsicherheit bei der Eigenverwaltung, ob die Zustimmung notwendig ist. Die Regelung in § 160 Abs. 2 InsO suggeriert jedoch, dass der Gesetzgeber eher eine Zustimmungspflicht für Darlehen statuieren wollte, sodass im Zweifel von einer solchen Pflicht ausgegangen werden sollte. Für den eigenverwaltenden Schuldner bedeutet das, dass im Zweifel vor Abschluss der Verträge der Gläubigerausschuss informiert werden und gebeten werden muss, den neuen Verträgen zuzustimmen. Der Wortlaut der Norm spricht dabei eher für eine vorherige Zustimmung als für eine nachträgliche Genehmigung.123) Sofern die Zustimmung vor Abschluss nicht eingeholt werden kann, kann der Vertrag eine aufschiebende Bedingung enthalten, dass der Gläubigerausschuss seine Zustimmung erteilt.

___________ 122) Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 160 Rz. 26. 123) Kern in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 8. A. A. Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 276 Rz. 3.

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§4 Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren Frege/Nicht

I. Einleitung .................................................... 1 II. Grundlagen der Unternehmenskommunikation ........................................ 23 1. Einleitung ................................................... 23 2. Allgemeine Unternehmenskommunikation .......................................... 25 2.1 Anwendungsfeld der Unternehmenskommunikation .............. 25 2.2 Kommunikationskonzepte ........... 30 2.3 Zielgruppen der Unternehmenskommunikation .................... 37 2.3.1 Abgrenzung Anspruchsgruppen – Zielgruppen.................................... 37 2.3.2 Typischer Kommunikationsbedarf ..................................... 42 2.3.3 Mitarbeiterkommunikation .......... 43 2.3.4 Kundenkommunikation ................ 47 2.3.5 Kommunikation mit Gesellschaftern, Investoren etc............... 50 2.4 Bedeutung der Kommunikationspsychologie für die Unternehmenskommunikation.......... 52 2.4.1 Bedeutung der Nachrichtenstruktur .......................................... 52 2.4.2 Typisierung der Persönlichkeitsmerkmale................................ 57 3. Veränderungskommunikation................... 67 4. Krisenkommunikation ............................... 82 5. Soziale Medien in der Krise und Insolvenz .......................................... 105

6. Zusammenfassung.................................... 106 III. Kommunikations- und Verhandlungssituationen im Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG ........................................... 110 1. Einleitung ................................................. 110 2. Vorlage eines Restrukturierungsplans .... 119 3. Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente ..................................... 131 3.1 Überblick ..................................... 131 3.2 Gerichtliche Planabstimmung (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) ....... 137 3.3 Gerichtliche Vorprüfung (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) ....... 142 3.4 Stabilisierungsanordnung (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG) ....... 146 3.5 Planbestätigung (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG) ............................ 154 4. Restrukturierungsbeauftragter ................ 158 4.1 Bestellung von Amts wegen (§ 73 StaRUG)............................. 159 4.1.1 Bestellungsgründe (§ 73 Abs. 1 bis Abs. 3 StaRUG)..................... 159 4.1.2 Aufgaben und Befugnisse (§ 76 Abs. 1 bis Abs. 6 StaRUG) ......... 163 4.2 Bestellung auf Antrag (§ 77 StaRUG) ...................................... 166 5. Anordnung der Sanierungsmoderation (§§ 94 – 100 StaRUG) .............................. 174 IV. Zusammenfassung .................................. 195

Literatur: Arnold/Slawik, „La boîte à outils française“ und seine Einflüsse auf das StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 79; Berger/Frege, Business Judgment Rule bei Unternehmensfortführung in der Insolvenz – Haftungsprivileg für den Verwalter?, ZIP 2008, 204; Berger/Frege/Nicht, Unternehmerische Ermessensentscheidungen im Insolvenzverfahren – Entscheidungsfindung, Kontrolle und persönliche Haftung, NZI 2010, 321; Frege/Nicht, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Ermessensentscheidungen des Insolvenzverwalters, in: Festschrift für Jobst Wellensiek, 2011, S. 291; Hess, Vom Sanierungskonzept zum Insolvenzplan, WPg 2009, 299; Hoegen, Die Sanierungsmoderation, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59; Jungmann, Die Business Judgment Rule im Gesellschaftsinsolvenzrecht – Wider eine Haftungsprivilegierung im Regelinsolvenzverfahren und in der Eigenverwaltung, NZI 2009, 80; Kebekus/Zenker, Business Judgment Rule und Geschäftsleiterermessen – auch in Krise und Insolvenz?, in: Festschrift für Georg Maier-Reimer, 2010, S. 319; Paulus, Die Insolvenz als Sanierungschance – ein Plädoyer, ZGR 2005, 309; Paulus/Hörmann, Emotionale Kompetenz im Insolvenzverfahren, NZI 2013, 623; Schelo, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), WM 2021, 513; Uhlenbruck, Corporate Governance, Compliance and Insolvency Judgement Rule als Problem der Insolvenzverwalterhaftung, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1603.

Frege/Nicht

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§4 I.

1. Teil Allgemeines Einleitung

1 „Man kann nicht nicht kommunizieren“ lautet eine der Grundregeln der modernen Kommunikationswissenschaft.1) Auch wer nichts sagt, sich still verhält, sich zurückzieht, die öffentliche Wahrnehmung zu meiden versucht, der kommuniziert. Dies dürfte insbesondere dann gelten, wenn die Beteiligten von einer Person oder einem Unternehmen eine ausdrückliche Entscheidung, Information, Prognose oder Anleitung erwarten oder sogar ausdrücklich fordern. 2 Beispiel 1: Nachdem im Januar 2012 vor der italienischen Mittelmeerküste ein Kreuzfahrtschiff mit über 4.000 Passagieren aufgrund mutmaßlich leichtsinnigen Verhaltens des Schiffskapitäns auf einen Felsen aufgelaufen und innerhalb kurzer Zeit in den Abendstunden gekentert war, verließ der Kapitän das bereits sinkende Schiff und ließ sich zusammen mit Passagieren mit einem Rettungsboot an Land bringen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich viele Personen noch an Bord des Schiffes. Ein Kommandant des zuständigen Hafenamtes setzte sich daraufhin telefonisch mit dem Kapitän in Kontakt, ließ sich über den Zustand des Schiffes und die Ereignisse informieren, übernahm infolge der Untätigkeit des Kapitäns das Kommando und gab dem bereits in Sicherheit sich befindlichen Kapitän den Befehl, mittels einer Strickleiter auf das Schiff zurückzukehren und seiner Kapitänsaufgabe folgend die Rettung der verbliebenen Passagiere zu koordinieren und zu leiten und die Rettungskräfte über den Verlauf der Evakuierung zu informieren. Der Kapitän rief stattdessen ein Taxi und verließ die Unfallstelle. Er wurde kurze Zeit später in Untersuchungshaft genommen. 3 Wer in einem solchen Fall passiv bleibt und nicht die der Situation angemessenen – aktiven – Kommunikationsstrategien entwickelt und durchführt, kann im für ihn günstigen Fall nur seinen Einfluss auf die (wirtschaftlichen) Geschehnisse und Entwicklungen verlieren,2) im ungünstigen Fall kann er infolge seiner Zurückhaltung empfindlichen Schaden für seine Person oder sein Unternehmen verursachen, denn der Verlust an Vertrauen,3) Glaubwürdigkeit und Ansehen infolge mangelnder oder mangelhafter Handlungsbereitschaft und Kommunikation kann dazu führen, dass sich Mitarbeiter,4) Geschäftspartner und Investoren5) – insbesondere in der Krise und Restrukturierung – (endgültig) von der Person oder dem Unternehmen abwenden.6) 4 Im Beispiel 1 (siehe Rz. 2) verlor der Kapitän nach Bekanntwerden seines Verhaltens den Rückhalt bei seinem Arbeitgeber und auch in der Bevölkerung. Die Presseberichterstattung zeigte, dass dem Kapitän weder Achtung noch Respekt gegenüber gebracht wurden, während der pflichtbewusst, besonnen und verantwortungsvoll handelnde Kommandant des Hafenamtes öffentlich als Held gefeiert wurde. 5 In Krise, Restrukturierung und Insolvenz ist die Situation häufig gegeben, dass Mitarbeiter und Gewerkschaften, Geschäftspartner (Zulieferer und Kunden) sowie Investoren und Gläubiger eine aktive – auf hinreichende Transparenz, Information und Beteiligung gerichtete – Unternehmenskommunikation von der Geschäftsleitung erwarten.7) Das ___________ 1)

2) 3) 4)

5) 6) 7)

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S. umfassend Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien, S. 58 ff., 84 ff.; hierzu auch Mast, Unternehmenskommunikation, S. 3; Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 18, Rz. 38; Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 3. Vgl. Durst in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, S. 34 ff., 42. S. Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 39. S. zur Kommunikation i. R. der Mitarbeiterführung Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 39, 40; Breitsohl in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 13 Rz. 1; Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 34 ff. S. zur Reaktion von Banken Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 40. S. a. Jung/Weniger in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 303 f., 305, 306. Hess, Sanierungshandbuch, S. 438 f.; Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 39, 40.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Unternehmen und insbesondere seine externen Bezugsgruppen – Kreditinstitute, Lieferanten, Kunden, Bundesagentur für Arbeit, Steuer- und Finanzbehörden, politische Institutionen – stehen unter sehr hohem Zeit-, Handlungs- und nicht zuletzt Erfolgsdruck. Das Unternehmen befindet sich in einer wirtschaftlich ernst zu nehmenden, aber – dies ist dem Begriff der Unternehmenskrise immanent8) – nicht ausweglosen Lage und wird versuchen, durch geeignete Sanierungsmaßnahmen den Weg zurück in die Erfolgsspur zu finden. Hierzu reichen die unternehmensinterne Entwicklung eines Leitbildes für das sanierte Unternehmen und eines tauglichen Sanierungsplans9) durch die Geschäftsführung – ggf. unter Einschaltung eines externen Sanierungsberaters – im Regelfall allein nicht aus, denn das zu sanierende Unternehmen ist als einem wirtschaftlichen Zweck gewidmete Sach- und Personalgesamtheit in ein komplexes Beziehungsgeflecht mit unterschiedlichen internen Bezugsgruppen (Anteilseigner, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Belegschaft, Betriebsrat, verbundene Konzernunternehmen) und externen Bezugsgruppen (Kreditinstitute, Lieferanten, Kunden, Bundesagentur für Arbeit, Steuer- und Finanzbehörden, politische Institutionen) eingebunden. Beim Auftreten von Krisensymptomen kommt es hier in Abhängigkeit von der jeweiligen 6 wirtschaftlichen Betroffenheit und dem individuellen Näheverhältnis zum Krisenunternehmen zu unterschiedlichen (und teils irrationalen) Reaktionen. Verunsicherung und Zukunftssorgen können zu Abwanderungen führen, weil Beteiligte versuchen, sich dem Druck der Krise zu entziehen. Verschiedene Gläubiger können bestrebt sein, ihre wirtschaftlichen und persönlichen Interessen gegenüber der Unternehmensleitung durchzusetzen oder zumindest angemessen zu sichern. Diese materiellen und persönlichen Positionen können im Einzelfall gegensätzlich sein. Da manche Beteiligte zu opportunistischem Verhalten neigen, können Verteilungskämpfe die Folge sein. Kommt es hier zu einer Verhärtung von gegensätzlichen Positionen, kann dies den ohnehin schwierigen Sanierungsprozess empfindlich stören. Das kann grundsätzlich nicht im Interesse der Unternehmensleitung sein.10) Beispiel 2: Ein Industrieunternehmen fertigte Maschinen zum Druck von Presseartikeln. Auf- 7 grund neuer technologischer Entwicklungen, der generell abnehmenden Bedeutung von Printmedien, der allgemeinen Zurückhaltung von Banken bei Kreditvergaben in der Folge der Finanzund Staatsschuldenkrise und letztlich infolge des sich verändernden Marktumfeldes ging der Abs. zunehmend zurück mit der Folge, dass das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geriet und schließlich den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen musste. Das Unternehmen produzierte an mehreren Standorten mit mehr als 6.000 Beschäftigten. Im Markt waren Konkurrenzunternehmen etabliert, die vergleichbare Produkte absetzen konnten. In der Presse wurde berichtet, dass die strukturellen Probleme im Marktumfeld des Unternehmens mittelfristig eine Marktbereinigung zur Folge haben könnten, zumal der Konkurrenz- und Preisdruck als sehr hoch eingestuft wurde. Mit dem Bekanntwerden der Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stiegen die Marktbewertungen der Konkurrenzunternehmen. Auf Belegschaftsebene wurden öffentliche Kundgebungen und Demonstrationen organisiert. Fehlende oder mangelhafte Kommunikation kann in einer solchen Situation zur Folge haben, 8 dass die Krisenmeldungen eine verstärkende Kraft entfalten. Es besteht die Gefahr, dass die Leistungsträger das Unternehmen verlassen und die Niederlegung der Arbeit durch die Be___________ 8) Zum Krisenbegriff Wilden in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2 Rz. 1 ff., und Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 4 ff.; Moldenhauer in: Crone/ Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 131. 9) Zur Entwicklung eines Leitbildes des sanierten Unternehmens als Bestandteil des Insolvenzplans s. Frege/ Nicht in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 18 D. I. 6., Rz. 127 – 148, sowie Hess, WPg 2009, 299, 300, und Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 11 ff.; Crone in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 107 ff. 10) Vgl. auch Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 1 ff.

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§4

1. Teil Allgemeines

legschaft den Produktionsprozess behindert. Das öffentliche Bekanntwerden einer drohenden Insolvenz kann destruktive Wirkung entfalten und im Ergebnis dazu führen, dass die tatsächlich noch vorhandenen Restrukturierungspotenziale verfallen (deshalb versucht z. B. das StaRUG i. R. der Sanierungsmoderation das öffentliche Bekanntwerden der Anordnung der Sanierungsmoderation zu vermeiden, vgl. § 95 Abs. 2 StaRUG). 9 Beispiel 3: Nachdem am 15.8.2017 – inmitten der Hauptreisezeit in den Sommerferien – die Luftfahrtgesellschaft Air Berlin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Berlin Charlottenburg gestellt hatte, erfolgte die einstweilige Fortführung des Geschäftsbetriebs auf der Finanzierungsgrundlage eines KfW-Kredits, der durch eine Bürgschaft der Bundesrepublik Deutschland gesichert und ermöglicht worden war. Ziel der Insolvenzschuldnerin war es, Teile des Unternehmens auf potenzielle Erwerber aus dem Wettbewerbsumfeld zu übertragen. Die Mitarbeiter, allen voran die Piloten der Luftfahrtgesellschaft, hatten die Befürchtung, entweder nicht oder nur zu deutlich verschlechterten Konditionen übernommen zu werden. Am 12.9.2017 kam es (spontan) zu einer Anhäufung von etwa 200 Krankmeldungen der Piloten, woraufhin zahlreiche Flüge gestrichen werden mussten. In der Presse wurde dies als „Wilder Streik“ eingeordnet. Nach Presseberichten waren an dem Tag aufgrund unterschiedlicher Umstände 500 von insgesamt 1.500 Piloten ausgefallen, so dass nahezu die gesamte Flugzeugflotte der insolventen und nunmehr staatlich gestützten Gesellschaft am Boden bleiben musste. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs wurde als bedroht angesehen. Daraufhin kommunizierte das Management schriftlich mit den Beteiligten wie folgt: „Heute ist ein Tag, der die Existenz der Air Berlin bedroht. In einem schlechteren Licht kann ein Unternehmen gar nicht dastehen als die Air Berlin am heutigen Tage. Gerade in dieser angespannten Situation sind die heutigen Ereignisse pures Gift.“ 10 Es liegt nahe, dass potenzielle Kunden angesichts des drohenden Zusammenbruchs auf Konkurrenzprodukte und Konkurrenzdienstleistungen zurückgreifen bzw. Aufträge stornieren. Die Kündigung der Kreditversorgung durch die finanzierenden Banken würde den endgültigen Zusammenbruch und Werteverfall zur Folge haben. 11 Deshalb sollte die Unternehmensleitung im Blick haben, dass eine erfolgreiche Sanierung – innerhalb oder außerhalb eines Insolvenzverfahrens (insbesondere in der vorinsolvenzlichen Restrukturierung) – in aller Regel voraussetzt, dass sämtliche Interessenträger in den verschiedenen Bezugsgruppen inhaltlich und auch kommunikativ adäquat in den Sanierungsprozess eingebunden und ggf. auch geführt werden müssen.11) Hierzu sind besondere persönliche Fähigkeiten und Fertigkeiten der Handelnden12) im Bereich der Unternehmenskommunikation erforderlich, aber auch die Kenntnis der Methoden und Konzepte für Kommunikation und für Verhandlungsführung in schwierigen Situationen, die sofort eingesetzt werden müssen.13) „Unternehmenskrisen gehen oft mit Kommunikationskrisen einher.“ heißt es wohl nicht ganz zu Unrecht im Schrifttum.14) ___________ 11) Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 39 f.; Jung/Weniger in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 303 ff. 12) S. auch Stapper in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 16 Rz. 1 ff. 13) Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 2 Teil II, S. 79 ff.; Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 17 ff.; Homuth, Wirksame Krisenkommunikation, S. 18 ff.; Hering/Schuppener/ Schuppener, Kommunikation in der Krise, 3.3, S. 40 ff.; Salewski, Die Kunst des Verhandelns, S. 117 ff.; Saner, Verhandlungstechnik, S. 13 ff.; Schranner, Teure Fehler, S. 169 ff.; Schranner, Verhandeln im Grenzbereich, S. 99 ff.; Jung/Weniger in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 303 ff.; Stapper in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 16 Rz. 5 ff.; Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 82 ff.; Wachs, Faktor V – Die fünf Phasen erfolgreichen Verhandelns, 2012, S. 21 ff.; Weisbach/Sonne-Neubacher, Professionelle Gesprächsführung, S. 107 ff. 14) Hering/Schuppener/Schuppener, Kommunikation in der Krise, 3.4, S. 41.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Die Bedeutung der Kommunikation für die Bewältigung von Krise und Insolvenz zeigt 12 sich ferner, wenn von den Beteiligten schwierige Entscheidungen i. R. des Sanierungsprozesses erwartet werden, d. h., wenn es die Unternehmensleitung nicht selbst in der Hand hat, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen umzusetzen, weil z. B. Eigenkapitalzuführungen,15) Kreditgewährungen und Stundungen,16) Forderungsverzichte17) oder Vertragsanpassungen erforderlich werden. Denn hier orientieren sich Beteiligte häufig an einer wirtschaftsrechtlichen Grundregel, wonach unternehmerische Ermessensentscheidungen auf unsicherer Tatsachen- und Entscheidungsgrundlage – und um solche Sachverhalte und Entscheidungen wird es in der Unternehmenssanierung im leistungswirtschaftlichen und im finanzwirtschaftlichen Bereich gehen – von den Entscheidern nur auf der Grundlage angemessener Information getroffen werden dürfen (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG).18) Dies können sein:

13



Kreditvergabeentscheidungen von Banken und Lieferanten bzw. Entscheidungen über die Beendigung bzw. Nichtbeendigung von laufenden Krediten,19)



Entscheidungen über die Gewährung von Eigenkapital oder Darlehensverzicht durch die Gesellschafter des Unternehmens,



Entscheidungen über den Umtausch von Forderungen gegen Übernahme von Gesellschaftsanteilen (Debt Equity Swap),



Entscheidungen über den Weiterbezug oder die Weiterbelieferung durch Kunden und Lieferanten,20)



Entscheidungen über Forderungsverzichte durch sämtliche Forderungsinhaber,



Entscheidungen über öffentliche Zuwendungen durch Verwaltungsträger.21)

Beispiel 4: Am 15.8.2017 gab die amtierende Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, 14 Brigitte Zypries, i. R. einer Pressekonferenz folgende Entscheidung der Bundesregierung bekannt, die der insolventen Fluglinie Air Berlin die Möglichkeit zur einstweiligen Fortsetzung des Geschäftsbetriebs gab: „Die Bundesregierung ist von Air Berlin informiert worden, dass die von ihrem Partner Etihad gegenüber Air Berlin gemachten schriftlichen Zusagen hinsichtlich der kurz- und mittelfristigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit aufgekündigt worden sind. Air Berlin musste daher Insolvenzantrag stellen. Aufgrund der damit verbundenen insolvenzrechtlichen Regelungen wäre Air Berlin verpflichtet gewesen, den Flugbetrieb unmittelbar nach Einreichung des Insolvenzantrags einzustellen. Um die Flugtätigkeit von Air Berlin in dieser Situation aufrechterhalten zu können, hat die Bundesregierung entschieden, einen Übergangskredit i. H. von 150 Millionen Euro zu gewähren. Dieser Übergangskredit wird durch die KfW zur Verfügung gestellt und durch eine Bundesbürgschaft abgesichert. Der Flugbetrieb von Air Berlin ___________ Hierzu Crone/Kreide in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 247. Crone/Kreide in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 223 f. Crone/Kreide in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 248. Zur unternehmerischen Ermessensentscheidung im Insolvenzumfeld Kebekus/Zenker in: FS MaierReimer, 2010, S. 319 ff.; zu unternehmerischen Ermessensentscheidungen des Insolvenzverwalters Frege/ Berger, ZIP 2008, 204 ff., und Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321 ff.; Frege/Nicht in: FS Wellensiek, 2011, S. 291 ff.; Uhlenbruck in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1603 f.; Jungmann, NZI 2009, 80 ff.; monographisch Bönner, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Insolvenzverwalters im Vergleich, S. 104 ff.; Oldiges, Die Haftung des Insolvenzverwalters unter der Business Judgment Rule, S. 114 ff., 135 ff. 19) Zur Kommunikation mit Banken und Lieferanten s. a. Hess, Sanierungshandbuch, S. 423 f. 20) Zur Kommunikation mit Kunden s. a. Hess, Sanierungshandbuch, S. 443. 21) Zur Kommunikation mit Behörden u. a. s. a. Hess, Sanierungshandbuch, S. 444.

15) 16) 17) 18)

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§4

1. Teil Allgemeines

kann in vollem Umfang fortgeführt werden. Eine Einstellung des Flugbetriebs wird so vermieden. Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich mehrere Zehntausend Reisende sowie Urlauberinnen und Urlauber an verschiedenen internationalen Urlaubsorten und Destinationen aufhalten. Der Rückflug dieser Reisenden nach Deutschland mit Air Berlin wäre andernfalls nicht möglich gewesen. Kurzfristige Alternativen für einen Rückflug dieser Reisenden nach Deutschland waren nicht zu gewährleisten. Air Berlin befindet sich seit Längerem in Verhandlungen mit anderen Airlines. Die Verhandlungen von Air Berlin mit Lufthansa und einer weiteren Airline zur Veräußerung von Unternehmensteilen sind sehr weit fortgeschritten, so dass in den nächsten Wochen eine Entscheidung durch Lufthansa sowie eine weitere Airline finalisiert werden kann. Die Sicherstellung des Flugbetriebs und die positiv laufenden Vertragsverhandlungen mit weiteren Airlines zur Zusammenarbeit mit Air Berlin zur Fortführung des Flugverkehrs unter anderen Eigentümern waren für die Bundesregierung die maßgeblichen Gründe für die Entscheidung, einen Übergangskredit abgesichert durch eine Bundesbürgschaft zu gewähren.“ 15 Die angemessene Information der Entscheidungsträger setzt einen Kommunikationsprozess zwischen beiden Seiten – z. B. in Form der Erläuterung von Sanierungsplan und Finanzplan – voraus, der die Übermittlung von entscheidungserheblichen Inhalten zum Gegenstand hat. Hier wird die Unternehmensleitung regelmäßig bestrebt sein, den Entscheidungsvorgang bei der Gegenseite im Unternehmensinteresse bereits mitzugestalten, denn Kommunikation wird im Lichte einer vorgegebenen Zielsetzung ablaufen.22) 16 Dies vorausgesetzt sollte zwingend – und besonders im aufgeheizten Klima23) einer Unternehmenskrise – beachtet werden, dass Kommunikation nicht lediglich auf der sachlichen Ebene der objektiven Zahlen, Daten und Fakten (sog. „Sachebene“, die überwiegend mit sog. digitalen Informationen besetzt ist) stattfindet.24) Die konkrete Art und Weise der Informationserteilung, ihr Umfang und ihre sprachliche Ausgestaltung, die Form und Übermittlungsart und die zeitliche Einordnung lassen vielfältige Schlüsse auf die Persönlichkeit, die Struktur und Organisation des Absenders zu (sog. „Selbstoffenbarungsebene“),25) des Weiteren auf sein Verständnis von der personalen Beziehung zum Informationsempfänger (sog. „Beziehungsebene“)26) und schließlich auf seinen Erwartungshorizont im Hinblick auf das zukünftige Verhalten des Informationsempfängers und weiterer Beteiligter (sog. „Appellebene“).27) Kommunikation ist deshalb qualitativ weitaus mehr als der Transport von entscheidungserheblichen Daten und Fakten, weil besonders im personalen Bereich zahlreiche wichtige Inhalte auch auf den drei anderen Nachrichtenebenen übermittelt werden. 17 Beispiel 5: Ein vormaliger Ministerpräsident eines Bundeslandes und späteres Staatsorgan der Bundesrepublik Deutschland geriet in den Verdacht, in seiner Zeit als Ministerpräsident aus der Hand eines befreundeten Unternehmers einen Kredit zu besonders günstigen Konditionen erhalten zu haben. Auf eine entsprechende Anfrage im Landtag hin gab der Betroffene zunächst im Februar 2010 die Auskunft, er habe keine wirtschaftlichen Beziehungen zu dem entsprechenden Unternehmer, der auch als Teilnehmer von Auslandsreisen den Ministerprä___________ 22) S. die Definition bei Bruhn, Kommunikationspolitik, 1.1, S. 3: „Kommunikation bedeutet die Übermittlung von Informationen und Bedeutungsinhalten zum Zweck der Steuerung von Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen bestimmter Adressaten gemäß spezifischer Zielsetzungen.“ 23) Vgl. Stapper in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 16 Rz. 1 ff.; Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 83 ff. 24) Schulz v. Thun, Miteinander reden, Bd. 1, S. 44 ff., 47 f. 25) Hierzu i. E. Schulz v. Thun, Miteinander reden, Bd. 1, S. 44 ff., 54 f. 26) Hierzu i. E. Schulz v. Thun, Miteinander reden, Bd. 1, S. 44 ff., 51 f. 27) Hierzu i. E. Schulz v. Thun, Miteinander reden, Bd. 1, S. 44 ff., 58 f.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

sidenten zuvor begleitet hatte, in den vergangenen 10 Jahren unterhalten. Eine Tageszeitung informierte den Betroffenen im Dezember 2011 darüber, dass ein Beitrag unmittelbar zur Veröffentlichung vorgesehen sei, wonach der Betroffene im Landtag nicht die zutreffenden Tatsachen geschildert habe. Der Betroffene rief sowohl den Chefredakteur als auch den Vorstandsvorsitzenden des Verlagshauses persönlich auf deren Mobiltelefon an und bekundete in scharfem Ton seinen Unmut und Ärger über die geplante Veröffentlichung. Drei Tage später erklärte er im Anschluss an entsprechende Berichterstattung in der Presse, den Kredit zu marktgerechten Konditionen aus der Hand der Ehefrau des Unternehmers bekommen zu haben. Zudem sei das Darlehen zwischenzeitlich abgelöst worden durch ein Darlehen einer Tochtergesellschaft einer Landesbank, welches nunmehr in ein langfristiges Bankdarlehen „festgeschrieben“ worden sei. Sämtliche Details dieses Vorgangs wurden fortan unter dem Stichwort „Kredit- und Medienaffäre“ umfassend in den Medien kritisch erörtert. Die zögerliche, wichtige Informationen zurückhaltende, und auch sich in den Details teil- 18 weise widersprechende, Kommunikation des Betroffenen hat zu einem schweren Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlust des Betroffenen geführt, der auch durch ein späteres Fernsehinterview in den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF nicht kompensiert werden konnte. Insbesondere die Anrufe in der Redaktion und beim Vorstand des Verlagshauses haben in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer massiven Beschädigung des öffentlichen Ansehens des Amtsträgers geführt. Insbesondere der – auf der Mailbox aufgezeichnete – Anruf bei dem Chefredakteur der Tageszeitung wurde später nahezu ausschließlich auf der Selbstoffenbarungsebene, der Beziehungsebene und besonders auf der Appellebene wahrgenommen und medial und politisch ausgewertet. Hieraus wurde vielfach der Schluss auf die fehlende persönliche und fachliche Eignung für die Übernahme des Staatsamtes abgeleitet. Diese Gefahr droht für Unternehmensvorstände und Geschäftsführer gerade auch i. R. eines Restrukturierungsversuches oder einer Insolvenz in Eigenverwaltung in gleicher Art und Weise. In Krise und Insolvenz sind die Kommunikationsprozesse nicht auf Informationsertei- 19 lungen beschränkt, wenngleich die angemessene Information der Beteiligten eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Einbindung in den Sanierungsplan bilden dürfte.28) Die Planverwirklichung ist im Grundsatz nur im Konsens möglich.29) Neben der Informationserteilung ist die Unternehmensleitung damit befasst, Meinun- 20 gen, Einstellungen und Erwartungen d. h. Umstände, die einer objektiven Verifizierung nicht zugänglich sind und damit in hohem Maße der persönlichen subjektiven Wahrnehmung unterliegen zu beeinflussen und zu steuern, ferner verschiedene wirtschaftliche Entscheidungen – die mit sehr weitreichenden Zugeständnissen verbunden sein können – vorzubereiten, zu verhandeln, inhaltlich auszugestalten, umzusetzen und zu vermitteln. In diese Kategorie von wirtschaftlichen Entscheidungen fallen die originären geschäftlichen Entscheidungen der Unternehmensleitung (z. B. die Anpassung des Mitarbeiterstamms, die Vornahme gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen durch Übertragung von Geschäftsanteilen etc.), aber auch die Entscheidungen externer Beteiligter (z. B. Forderungsverzichte der Gläubiger i. R. eines Insolvenzplans etc.), die in das Kommunikationskonzept des Unternehmens integriert werden müssen. Die nachfolgenden Darstellungen geben dem Praktiker einen Überblick über Techniken 21 und Methoden zur Erstellung eines Kommunikationskonzepts in Krise, Restrukturierung ___________ 28) Zum Informationsumfang im darstellenden Teil des Insolvenzplans Frege/Nicht in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 18 D. I. 6., Rz. 127 ff.; Mai, Insolvenzplanverfahren, Teil 2 J., S. 187 ff.; Rendels/Zabel, Insolvenzplan, C. II., Rz. 121 ff. 29) Zu den Anforderungen an die Annahme eines Insolvenzplans Frege/Nicht in: Theiselmann, Praxishdb. Restrukturierungsrecht, Kap. 18 D. III., Rz. 230 ff.; Mai, Insolvenzplanverfahren, Teil 3 D. – N., S. 293 ff.

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§4

1. Teil Allgemeines

und Insolvenz. Hierbei werden Erkenntnisse aus den Fachbereichen Psychologie, Soziologie und Kommunikationswissenschaft zugrunde gelegt und mit den rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Maßgaben zur Krisenbewältigung zusammengeführt. Anhand der im Folgenden weiterzuentwickelnden Beispiele 1 bis 5 können Handlungsempfehlungen für die Krisenkommunikation im Allgemeinen aufbereitet und im Hinblick auf die Insolvenzsituation dargestellt werden. 22 In jüngerer Zeit hat sich gezeigt, dass auch Konzernunternehmen von der Insolvenz erfasst werden können. Da das deutsche Restrukturierungs- und Insolvenzrecht kein konsolidiertes Konzerninsolvenzverfahren kennt, ist die Eröffnung parallel verlaufender Insolvenzverfahren über die Vermögen der beteiligten Konzernunternehmen die regelmäßige Folge. Insoweit werden Teile eines Unternehmens in rechtlich eigenständigen Insolvenzverfahren verwaltet, was bei fehlender Koordination dieser Verfahren zu einem materiellen Wertverlust führen kann. Eine große Herausforderung besteht neben der verfahrensmäßigen und wirtschaftlichen Koordination30) in der Abstimmung der Unternehmenskommunikation, die im besten Fall über eine zentrale Konzerngesellschaft bzw. deren Insolvenzverwalter gesteuert werden sollte. II.

Grundlagen der Unternehmenskommunikation

1.

Einleitung

23 Die Kommunikation eines Unternehmens mit seinen verschiedenen Bezugsgruppen in Krise, Restrukturierung und Insolvenz kann nicht losgelöst von seiner allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet werden. Sowohl Krise als auch Insolvenz sind Stadien eines grundsätzlich entwicklungsoffenen wirtschaftlichen Zyklus, der mit der Aufnahme der Betriebstätigkeit beginnt und möglicherweise – aber nicht zwangsläufig – in der Insolvenz des Unternehmens endet (vgl. § 1 InsO).31) Die Beziehungen des Unternehmens zu Kommunikationspartnern wurden meist weit vor der Krise begonnen und über viele Entwicklungsstadien hinweg auf- und ausgebaut. Diese bestehende Vernetzung darf in Krise, Restrukturierung und Insolvenz nicht zerstört werden. Es ist erforderlich, das krisen- und insolvenzspezifische Kommunikationskonzept an das bereits vorliegende allgemeine Konzept der Unternehmenskommunikation anzubinden und entsprechend den stattfindenden Veränderungen fortzuentwickeln. 24 In dem Beispiel 2 (siehe Rz. 7) des insolventen Maschinenherstellers ist es erforderlich, umgehend Kontakt mit den Kunden des sich in der Krise befindlichen Unternehmens aufzunehmen.32) Wenn die Kunden erste Krisensignale wahrnehmen, werden sie üblicherweise Versorgungsalternativen in den Blick nehmen. Denn sie sind regelmäßig auf die rechtzeitige und richtige Belieferung angewiesen und wollen bzw. können hinsichtlich der zugesagten Lieferungen und Garantien nur in geringem Maße Kompromisse eingehen. Das noch vorhandene – langfristig aufgebaute – Vertrauen in die Geschäftsbeziehung mit dem nunmehr angeschlagenen Unternehmen muss gestützt und durch die Geschäftsleitung aktiv ausgebaut werden. Hierzu sind die bestehenden Kontakte zwischen den verschiedenen Abteilungen von großer Bedeutung. Die Unternehmensleitung muss sich unverzüglich einen Überblick über die Belieferungsmöglichkeiten verschaffen und nach interner Verarbeitung aller Daten mit der Marktgegenseite Gespräche aufnehmen. Hier kommt der Vertriebsleitung eine herausgehobene Rolle zu. ___________ 30) S. Becker, Kooperationspflichten in der Konzerninsolvenz, S. 184 ff.; Nicht, Konzernorganisation und Insolvenz, S. 137 ff.; Verhoeven, Die Konzerninsolvenz, S. 134 ff.; Rendels/Zabel, Insolvenzplan, F. V. – IX., Rz. 431 – 498. 31) S. Paulus, ZGR 2005, 309 ff. 32) S. auch Kraus in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 4 Rz. 39, 40.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren 2.

Allgemeine Unternehmenskommunikation

2.1

Anwendungsfeld der Unternehmenskommunikation

§4

Kommunikation wurde definiert als Übermittlungsvorgang im Hinblick auf Informationen und Bedeutungsinhalte, der dem Zweck dient, Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen bestimmter Adressaten gemäß spezifischer Zielsetzungen zu steuern.33) Insoweit beschreiben die Begriffe „Betriebliche Kommunikationspolitik“ und „Unternehmenskommunikation“ eine Ausrichtung der Kommunikationsvorgänge auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens.34) In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird Unternehmenskommunikation als eine Aufgabe der Unternehmensleitung beschrieben, nämlich als das Management von betriebsbezogenen Kommunikationsprozessen, die zwischen dem Unternehmen und seinen internen und externen Lebensbereichen ablaufen.35) Hierbei soll das Management die Werte und Interessen der jeweils beteiligten internen und externen Bezugsgruppen ermitteln, diese in das unternehmerische Handeln einbeziehen und die Kommunikationsprozesse entsprechend gestalten. Ziel ist es, durch den Einsatz der Kommunikation einen veränderten Erwartungshorizont sowie die oben beschriebenen Meinungs- und Verhaltensänderungen zu bewirken und hierdurch kommerzielle Effekte auszulösen (Absatz-, Umsatz-, Deckungsbeitrags- und Gewinnveränderungen).36) Die Ausgestaltung i. E. findet in den verschiedenen unternehmerischen Funktionsfeldern statt. Diesbezüglich werden in der Fachliteratur unterschiedliche Einteilungsvorschläge unterbreitet. Sinnvoll erscheint es, im Hinblick auf die Ausrichtung der Kommunikationspolitik zunächst nach internen und externen Dimensionen und schließlich nach der Art der Adressaten zu unterscheiden. Auf dieser Grundlage differenziert man grundsätzlich zwischen der Unternehmenskommunikation im engeren Sinne (Corporate Advertising, Corporate Sponsoring, Corporate Public Relations), die vornehmlich der Prägung des institutionellen Erscheinungsbilds des Unternehmens in der Öffentlichkeit dient, der Marketingkommunikation, die der Förderung des Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen dient, und der Dialogkommunikation, die den Aufbau und die Vertiefung von Kundenkontakten zum Gegenstand hat.37) Unter externer Unternehmenskommunikation wird die Marktkommunikation mit Lieferanten, Konsumenten und NonProfit-Organisationen verstanden, während die interne Unternehmenskommunikation auch unter dem Begriff der Mitarbeiterkommunikation erfasst wird.38) In der Krise, Restrukturierung und Insolvenz muss die Unternehmensleitung umgehend Kommunikationsprozesse in Gang bringen, um die Stellung des Unternehmens im Markt und dessen Substanz zu schützen. In dem Beispiel 1 (siehe Rz. 2) muss die Unternehmensleitung unverzüglich die Öffentlichkeit zutreffend und umfassend informieren, noch bevor die an Bord des Kreuzfahrtschiffes durch Smartphones aufgenommenen Bilder und Filme im Internet veröffentlicht sind und bevor Behörden und Politik die Kommunikationshoheit an sich ziehen. Dies gilt auch für die insolvente Luftfahrtgesellschaft in Beispiel 3 (siehe Rz. 9) und 4 (siehe Rz. 14) im Hinblick auf die Passagiere, welche sich in ihren Urlaubsorten befinden. Es sind die Grundregeln der Krisenkommunikation einzuhalten, wonach unverzüglich, sach___________ 33) 34) 35) 36) 37) 38)

Bruhn, Kommunikationspolitik, 1.1, S. 3. S. Mast, Unternehmenskommunikation, S. 6 ff. Mast, Unternehmenskommunikation, S. 6 ff., 17 ff. Bruhn, Kommunikationspolitik, 1.1, S. 5. Bruhn, Kommunikationspolitik, 1.1, S. 4. Bruhn, Kommunikationspolitik, 1.1, S. 6.

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§4

1. Teil Allgemeines

lich und faktenorientiert, neutral, präzise, umfassend und direkt zu kommunizieren ist. Auf emotionalisierende Elemente und persönliche Meinungen und Bewertungen ist zu verzichten. Der Informationsgehalt ist streng darauf auszurichten, was die Betroffenen in der akuten Situation zwingend wissen müssen. Es sind Orientierungspunkte zu liefern, an denen sich die Betroffenen ausrichten können (handlungsleitende Informationen). Ihnen muss eine Handlungshilfe angeboten werden. Es ist umgehend Verantwortung durch das Unternehmen zu übernehmen. Schuldzuschreibungen sind zu unterlassen. Es ist ferner unverzichtbar, sachlich und mit dem nötigen Respekt vor den Verletzten und den Angehörigen zu den Ursachen, den bereits eingetretenen und den prognostizierten Folgen aufrichtig Stellung zu nehmen, bevor Gerüchte und Unwahrheiten den Ruf und den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nachhaltig gefährden können. Angesichts der hohen medialen Verbreitungsgeschwindigkeit ist der Ermessens- und Handlungsspielraum der Geschäftsleitung extrem eingeschränkt. Die Kommunikation richtet sich ferner an potenzielle Kunden anderer Kreuzfahrtschiffe der betroffenen Gesellschaft. 2.2

Kommunikationskonzepte

30 Ziel der Unternehmenskommunikation ist es, situativ passende Kommunikationskonzepte zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen. Bei der Aufstellung eines Kommunikationskonzepts sollte sich die Unternehmensleitung an den Regeln des strategischen Managements orientieren, aus denen sich auch im Hinblick auf die Bewältigung von Kommunikationsaufgaben ein mehrstufiger Prozess ableiten lässt:  Definition von konkreten Aufgaben und Zuständigkeiten,  Festlegen von inhaltlichen Kernbereichen,  Identifizierung und Ausarbeitung von Zielgebieten,  Auswahl und Formulierung der Ziele,  Vorbereitung des Maßnahmenkatalogs,  Festlegen der Mechanismen für eine Erfolgskontrolle,  Konzept vorstellen,  Umsetzung.39) 31 Im Rahmen dieser Prozessplanung soll unter der Rubrik „Maßnahmenkatalog“ berücksichtigt werden, dass grundlegende Themenstrategien entwickelt wurden, mit denen das Kommunikationskonzept umgesetzt werden kann. Grundsätzlich empfehlen die Autoren eine offene, transparente und klare Kommunikation.40) Dies bedeutet, dass alle Umstände, die für die Beurteilung eines Sachverhalts notwendig, erforderlich und geeignet sind, offengelegt werden sollten. Dies gilt auch für nachteilige Umstände. Insofern sollten die Unternehmen kritisch mit sich selbst umgehen. Hierbei sind selbstverständlich die gesetzlichen Grenzen der Geheimhaltung und Vertraulichkeit zu berücksichtigen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Gefahr besteht, aus kommunikativen Gründen die im Schrifttum gezeigten Strategien bewusst manipulativ und zum Nachteil der Bezugsgruppen einzusetzen. Die in der Literatur untersuchten Strategien können eine Kommunikation im Grundsatz nur ergänzen. Sie sind in ihrer Tendenz jedoch oft manipulativ und werden insbesondere eingesetzt, um Beteiligte im Ungewissen zu lassen. Nachstehend werden einige Strategien benannt, welche die Beteiligten kennen sollten, um sie ggf. kritisch zu würdigen:  „Huckepack-Strategie“ = Versuch, das eigentliche Anliegen des Unternehmens hinter zustimmungsfähigen oder weniger streitanfälligen Themen zu verbergen,41) ___________ 39) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil II Kap. 4, S. 107 f. 40) Für die Insolvenz Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 85. 41) Mast, Unternehmenskommunikation, 6. Aufl. 2016, Teil II Kap. 4, 3.3, S. 136.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4



„Minen-Strategie“ = Versuch, ein sehr streitanfälliges, aber unwichtiges Thema vorzuschieben, um der Diskussion die Energie zu nehmen und dann bei abflauendem Widerstand das wichtige Thema nachzuschieben,42)



„Ablenkungs-Strategie“ = Versuch, die relevante Zielgruppe durch weitere Themen anzusprechen, bevor das wichtige Thema platziert wird,43)



„Testimonial-Strategie“ = Versuch, das Anliegen in der Bedeutung aufzuwerten, indem es durch einen besonders glaubwürdigen Absender präsentiert wird,44)



„Homöopathie-Strategie“ = Versuch, die negativ aufgeladene Information in kleine Einheiten zu zerlegen und innerhalb eines Gewöhnungsvorgangs an die Zielgruppe zu übermitteln.45)

Bei einer Katastrophe oder Havarie wie in Beispiel 1 (siehe Rz. 2) oder einem Unterneh- 32 menszusammenbruch mit sehr vielen Betroffenen wie in Beispiel 2 (siehe Rz. 7), Beispiel 3 (siehe Rz. 9) und 4 (siehe Rz. 14) sind diese Themenstrategien im Grundsatz nicht geeignet. Die überraschende, akute Krise mit sehr hohem Schadenspotenzial erfordert schnelles, sachliches, aufrichtiges, durchgreifendes und von Respekt, Durchsetzungswillen und Verantwortungsbewusstsein getragenes Handeln. In der Politik ist oft – wie Beispiel 4 (siehe Rz. 14) und 5 (siehe Rz. 16) verdeutlichen – 33 zu beobachten, dass die gezeigten Themenstrategien verwendet werden. Insbesondere die Zerlegung des Problems und stückweise Kommunikation wird häufig verwendet, um Zeit zu gewinnen und den Eindruck unzweckmäßigen oder unrechtmäßigen Handelns abzuschwächen. Im Hinblick auf Krise, Restrukturierung und Insolvenz sind dies aber keine tauglichen Mittel. Während in der Politik lediglich die Gefahr besteht, dass sich infolge des Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlustes Wählergruppen abwenden, kann bei einem Unternehmen fehlerhafte Kommunikation leicht zum Scheitern von Sanierungsbemühungen führen. Bei der Erstellung des Kommunikationskonzepts ist darauf zu achten, dass:

34



der Kommunikator als glaubwürdig empfunden wird, d. h. seine Kompetenz im Hinblick auf das zu vermittelnde Thema nicht in Frage steht,



das Kommunikationsprogramm sich in den inhaltlichen Kontext einfügt,



die übermittelte Nachricht für den Empfänger eine Bedeutung hat bzw. einen Nutzen bewirkt,



die übermittelte Nachricht einfach formuliert ist,



die übermittelte Nachricht in sich konsistent ist und dem bisherigen Verlauf des Kommunikationsprozesses nicht widerspricht,



die bereits angelegten und bekannten Kommunikationskanäle benutzt werden,



die Aufnahmefähigkeiten der Kommunikationsempfänger richtig eingeschätzt werden.46)

Im Beispiel 2 (siehe Rz. 7) der insolventen Maschinenfabrik sowie im Beispiel 3 (siehe Rz. 9) 35 und 4 (siehe Rz. 14) der insolventen Fluglinie besteht eine Schwierigkeit darin, einen geeigneten Kommunikator zu finden, denn in der subjektiven Wahrnehmung vieler Betei___________ 42) 43) 44) 45) 46)

Mast, Unternehmenskommunikation, 6. Aufl. 2016, Teil II Kap. 4, 3.3, S. 136. Mast, Unternehmenskommunikation, 6. Aufl. 2016, Teil II Kap. 4, 3.3, S. 137. Mast, Unternehmenskommunikation, 6. Aufl. 2016, Teil II Kap. 4, 3.3, S. 137. Mast, Unternehmenskommunikation, 6. Aufl. 2016, Teil II Kap. 4, 3.3, S. 137. Zu dem Vorstehenden s. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil II Kap. 4, 3.2, S. 126 f.

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1. Teil Allgemeines

ligten liegt es nahe, dem bisherigen Management nicht mehr zu vertrauen, weil es auf Marktentwicklungen möglicherweise langfristig nicht zutreffend reagiert hat. Anders als bei einer überraschenden Krise wie in Beispiel 1 (siehe Rz. 2) wird man hier dem Management oft nicht zutrauen, die Krise angemessen zu beherrschen und zu beantworten. Insoweit könnte die Einbeziehung eines unbefangenen und sachlich geschulten Kommunikators von Vorteil sein.47) Er ist nicht mit den negativen Entwicklungen im Vorfeld der Krise belastet und kann oft auch die Kommunikationsbedürfnisse der Beteiligten besser und rationaler einordnen.48) Politische Verantwortungsträger sind jedoch aufgrund der fehlenden Neutralität und Unvoreingenommenheit nicht geeignet. Zudem wird man ihnen die erforderlichen einschlägigen Sach- und Fachkenntnisse regelmäßig nicht zuschreiben. Für einen glaubhaften und glaubwürdigen Kommunikator ist ein vertieftes Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge jedoch von großer Bedeutung, da die Rezipienten der Kommunikation ihm Vertrauen gewähren sollen. 36 Schließlich wird im Unternehmen anhand des Kommunikationskonzepts eine konkrete Umsetzungsstrategie anhand folgender Fragen entwickelt: 

Welche Ziele sollen erreicht werden?



Mit welchen Inhalten sollen die Ziele erreicht werden?



Mit welchen Mitteln sollen die Ziele erreicht werden?



Wann sollen die Ziele erreicht werden?



Wer kommt als Kommunikator in Betracht?



Welche Zielgruppen sind hierbei relevant?49)

2.3

Zielgruppen der Unternehmenskommunikation

2.3.1 Abgrenzung Anspruchsgruppen – Zielgruppen 37 An dieser Stelle sind zunächst Zielgruppen der Unternehmenskommunikation begrifflich von Anspruchsgruppen des Unternehmens zu trennen, um so das Handlungspotenzial für ein Kommunikationskonzept zu ermitteln. Zu einer Anspruchsgruppe steht das Unternehmen meist in einem Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis, so dass man unter Anspruchsgruppen typischerweise Lieferanten, Investoren, Mitarbeiter und Kunden erfasst.50) 38 In einer Zielgruppe werden dagegen nur diejenigen Personen zusammengefasst, denen das gleiche Kernmotiv im Hinblick auf deren Handlungen zugeordnet wird und die durch eine bestimmte Kommunikationsmaßnahme gemeinsam angesprochen werden sollen.51) Es zeigt sich häufig, dass Anspruchs- und Zielgruppen (teil-)identisch sein können. 39 In dem Beispiel 1 (siehe Rz. 2) des havarierten Kreuzfahrtschiffes sind Anspruchsgruppen zunächst die Fahrgäste, die Mitarbeiter und ggf. die Rettungskräfte bzw. Behörden. Zielgruppen der Unternehmenskommunikation sind davon abweichend die sich in Gefahr befindlichen Personen an Bord des Schiffes und in den Rettungsboten, die Rettungsmannschaften, die Behörden, die Angehörigen, zukünftige Kunden, die bereits Reisen gebucht haben, das Kapitalmarktpublikum, die Ratingagenturen, die Versicherer. Die Schiffska___________ S. Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 20 ff. Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 24 ff. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil II Kap. 4, 3.2, S. 122 f. Bruhn, Kommunikationspolitik, 6.1, S. 203.; Mast, Unternehmenskommunikation, Teil II Kap. 4, 1.1, S. 107 ff. 51) Bruhn, Kommunikationspolitik, 6.1, S. 204.

47) 48) 49) 50)

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

tastrophe hat weitreichende Folgen für das Unternehmen. In den Zielgruppen der Unternehmenskommunikation sind auch Personen und Organisationen zu erfassen, die bislang nicht oder nur in losem Kontakt zum Unternehmen standen. Da betriebliche Kommunikationsmaßnahmen regelmäßig auf Zielgruppen zugeschnitten 40 werden, ist es in der Praxis von großer Bedeutung, die Zielgruppen möglichst genau zu identifizieren. Hierzu bedient man sich bestimmter Strukturierungskriterien:52) 

Homogenität im Hinblick auf das relevante Merkmal,



Verwendungsrelevanz im Hinblick auf angebotene Leistung,



Kommunikationsrelevanz der Empfänger,



zeitliche Stabilität der Kriterien,



Messbarkeit des Kommunikationserfolgs,



Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Kommunikationsempfänger.

Im Hinblick auf das relevante Merkmal, nach dem die Zielgruppen unterschieden werden 41 können, grenzt die Kommunikationswissenschaft allgemeine (strategische) Oberziele, die eher eine Richtung für das Handeln angeben, von speziellen (operativen) Unterzielen ab, die sich in der täglichen operativen Arbeit konkret auswirken.53) Dies können ökonomische und außerökonomische Ziele sein: 

Kognitiv-orientierte Kommunikationsziele (Wissen, Informationen, Kenntnisse),



affektiv-orientierte Kommunikationsziele (Gefühle, Interessen, Einstellungen),



konativ-orientierte Kommunikationsziele (Handlung, Verhalten),



sozial-orientierte Kommunikationsziele (Beziehung, Verständnis).54)

2.3.2 Typischer Kommunikationsbedarf Auf der Basis dieser Strukturierungsmerkmale wurden aufgrund statistischer Untersu- 42 chungen bestimmte Kernzielgruppen der Unternehmen ermittelt, bei denen jeweils ein typischer Kommunikationsbedarf gegeben ist:55) Zielgruppe/ Informationsbedarf

Kunden

Art

Massen- oder IndividualMassen- oder Massen- oder Massen- oder Individualkommunikation IndividualIndividualIndividualkommunikation kommunikation kommunikation kommunikation



Individualkommunikation



Massenkommunikation

Form 

Schriftlich



Persönlich



Mündlich



Online

Intensität Häufigkeit

Absatzmittler

Investoren

Öffentlichkeit

Mitarbeiter

Persönlich oder unpersönlich, mündlich

Persönlich, mündlich

Persönlich oder unpersönlich, schriftlich

Unpersönlich, schriftlich

Persönlich oder unpersönlich, mündlich und schriftlich

Selten, sporadisch

Sporadisch

Häufig

Sporadisch

Häufig

___________ 52) 53) 54) 55)

Bruhn, Kommunikationspolitik, 6.2, S. 206 ff. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil II Kap. 4, 3.1, S. 122. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil II Kap. 4, 3.1, S. 122. Bruhn, Kommunikationspolitik, 6.2, S. 213.

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§4

1. Teil Allgemeines

Zielgruppe/ Informationsbedarf

Kunden

Absatzmittler

Investoren

Öffentlichkeit

Mitarbeiter

Dauer Zeithorizont

Kurze Kontaktsequenz

Mittlere Kontaktsequenz

Mittlere Kontaktsequenz

Kurze Kontaktsequenz

Hohe Kontaktsequenz

Häufigkeit

Ereignisbezogen (z. B. Produkteinführung)

Ereignisbezogen (z. B. Produkteinführung)

Regelmäßig (z. B. quartalsweise) sowie ereignisbezogen (z. B. Kapitalerhöhung)

Regelmäßig sowie ereignisbezogen (z. B. Unternehmensevent)

Regelmäßig

Quelle: Bruhn, Kommunikationspolitik, 6.2, S. 214.

2.3.3 Mitarbeiterkommunikation 43 Aus unternehmerischer Sicht ist es wichtig, die interne Unternehmenskommunikation mit den Mitarbeitern optimal zu gestalten, da hiervon ganz wesentlich der unternehmerische Erfolg abhängt. Dies gilt in der Krise und Insolvenz eines Unternehmens in besonderem Maße, da aufgrund der meist ungewissen Zukunft die Motivation der Mitarbeiter in Frage gestellt sein kann bzw. bei den Leistungsträgern die Tendenz gegeben ist, das Unternehmen zu verlassen.56) 44 Regelmäßig beruht die interne Unternehmenskommunikation mit den Mitarbeitern auf den folgenden Zielvorstellungen:57) 

Durch die Übermittlung von Informationen soll die optimale Aufgabenerfüllung der Mitarbeiter ermöglicht werden.



Die Erfahrungen und Kenntnisse (Know-how) der Mitarbeiter sollen mobilisiert und das Engagement im Betrieb soll erhalten und weiter gefördert werden (Motivation/ Wissen/Veränderungsbereitschaft).



Die Zufriedenheit der Mitarbeiter und deren Identifikation mit dem Unternehmen sollen erhalten und gesteigert werden (Motivation/Integration/Identifikation).



Die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Mitarbeiter in das Unternehmen und seine Leitungsgremien sollen langfristig gesichert und nach Möglichkeit erhöht werden (Vertrauen/Glaubwürdigkeit/gutes Betriebsklima).



Die Arbeitsabläufe im Unternehmen sollen koordiniert und vernetzt werden.

45 Die Kommunikation mit den Mitarbeitern soll grundsätzlich nach folgender Themenstruktur stattfinden:58) 

Entstehung und Tradition des Unternehmens,



Ablauf der Geschäftsprozesse und Struktur des Unternehmens,



Aufgaben und Ziele der Mitarbeiter,



Entscheidungszuständigkeit und Verantwortlichkeit,



Zukunftsplanung und -sicherung,



Ordnung, Normen, Regelwerke,



Identität und Integration,

___________ 56) S. nochmals Hess, Sanierungshandbuch, S. 439 f. 57) Aufstellung nach Mast, Unternehmenskommunikation, Teil III Kap. 9, 2., S. 290 ff. 58) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil III Kap. 9, 2., S. 290 ff., 295.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren 

Problembewältigung und Fehleranalyse,



Legalität und Legitimität von Entscheidungen.

§4

In dem Beispiel 2 (siehe Rz. 7) des insolventen Industrieunternehmens sind besonders 46 die Problembewältigung und die Fehleranalyse in den Vordergrund zu stellen, da es hiervon abhängen wird, ob die Belegschaft zukünftig der Führungsfähigkeit des Managements vertrauen und sich an den Sanierungsbemühungen beteiligen wird. Die Verantwortlichkeit für den Zustand ist zwar intern zu ermitteln und festzustellen, sollte bei der Krisenkommunikation jedoch nicht im Vordergrund stehen. Das Kommunikationskonzept muss zukunftsgerichtet sein und die Lösungsmöglichkeiten vermitteln. Zudem wird es in der Belegschaft Mitarbeitergruppen geben, die dem Management nach wie vor vertrauen und durch Bloßstellungen und Schuldzuweisungen zu einem Abwehrverhalten animiert werden. Auch kann im Markt der Eindruck entstehen, dass das Unternehmen „zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist“. Infolgedessen könnten Kundenkontakte gefährdet sein. 2.3.4 Kundenkommunikation Für die langfristige Unternehmenskommunikation mit den Kunden wurden Schlüssel- 47 merkmale analysiert, die dem Unternehmen helfen sollen, in einem zunehmend schwieriger werdenden Marktumfeld das angemessene Kommunikationskonzept zu entwickeln.59) Danach ist die Kommunikation zu den Kunden geprägt durch: 

Interaktivität und Dialog,



Individualität, persönliche und emotionale Ansprache und Beziehungsmanagement,



Informativität durch Nutzwertmaximierung,



Langfristigkeit der Kundenbeziehung.60)

Diese besonderen Merkmale der Unternehmenskommunikation mit den Kunden sind in 48 den Stadien Krise, Restrukturierung und Insolvenz von besonderer Bedeutung, weil eine Sanierung des bedrohten Unternehmens im leistungswirtschaftlichen Bereich nur gelingen kann, wenn der Marktzugang zu den Abnehmern der produzierten Waren und Dienstleistungen stabil gehalten oder sogar ausgebaut werden kann.61) Der kritische Zustand des Unternehmens kann jedoch für viele Kunden einen Anreiz bieten, sich nach entsprechenden Alternativen umzusehen, da sie die Versorgungsstabilität des bisherigen Anbieters in Frage stellen. Das Vertrauen in die Lieferfähigkeit des Unternehmens ist häufig beeinträchtigt. Deshalb wird die Unternehmensleitung besonders auf der emotionalen Ebene darum bemüht sein müssen, dieses Vertrauen zu stärken oder wiederherzustellen. Im Beispiel 2 (siehe Rz. 7) muss die Unternehmensleitung umgehend die bestehenden 49 Kundenkontakte aktivieren und die Bedürfnisse der Kunden zunächst proaktiv abfragen, aufnehmen und reflektieren. Es ist davon abzusehen, zu beschwichtigen oder den Zustand in einem zu milden Licht zu schildern. Vielmehr sind die Planungen und die Befürchtungen der Kunden ernsthaft zu hinterfragen und zu beantworten. Hier muss die Unternehmensleitung die Techniken des aktiven Zuhörens und des analytischen Zuhörens anwenden. Dies gilt auch für die insolvente Luftfahrtgesellschaft in Beispiel 3 (siehe Rz. 9) und 4 (siehe Rz. 14), die ohne Zeitverzug den Buchungswilligen das klare und eindeutige Signal vermitteln muss, dass die gebuchten Flüge tatsächlich durchgeführt werden. ___________ 59) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil III Kap. 10, 1.1, S. 321 f. 60) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil III Kap. 10, 1.1, S. 321 f. 61) Hess, Sanierungshandbuch, S. 443.

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§4

1. Teil Allgemeines

2.3.5 Kommunikation mit Gesellschaftern, Investoren etc. 50 Für die Unternehmenskommunikation mit den Beteiligten, bei denen die Kapitalinteressen im Vordergrund stehen (Anteilsinhaber, Gläubiger des Unternehmens, Finanzanalysten) werden ebenfalls bestimmte typische kommunikationspolitische Ziele aus der Sicht des Unternehmens benannt:62) 

Der wahre Unternehmenswert soll aufgezeigt werden.



Vertrauen bei Gläubigern und Investoren soll erzeugt werden.



Der Bekanntheitsgrad des Unternehmens soll gesteigert werden.



Die Positionierung des Unternehmens in der Branche soll verbessert und gefestigt werden.



Der Informationsstand des Marktes soll im Hinblick auf das Unternehmen verbessert werden.



Das Bild des Unternehmens im Markt soll verbessert werden.



Die Anziehungskraft des Unternehmens für neue Mitarbeiter soll erhöht werden.

51 Im Beispiel 1 (siehe Rz. 2) wurde noch während der laufenden Rettungsarbeiten in der Presse berichtet, dass der Aktienkurs der Anteile des Kreuzfahrtkonzerns in den vier Tagen nach dem Unglück um 17 % gefallen sei. Offenbar war der Konzern aber sehr gut versichert und verfügte zudem über eine stabile Eigenkapitalgrundlage und einen sehr geringen Verschuldungsgrad. Infolgedessen gaben Analysten in der Wirtschaftspresse Kaufempfehlungen ab bzw. erteilten den Rat, bereits gehaltene Aktien nicht zu verkaufen. Es wurden lediglich Gewinneinbußen für die Folgesaison für möglich gehalten, weil das Unglück zeitlich in die Buchungsperiode für Kreuzfahrten fiel und eine negative Signalwirkung der Havarie nicht ausgeschlossen werden konnte. 2.4

Bedeutung der Kommunikationspsychologie für die Unternehmenskommunikation

2.4.1 Bedeutung der Nachrichtenstruktur 52 Die kommunikationswissenschaftlichen Modelle für die Ansprache, Information und für Verhandlungen mit den Zielgruppen des Unternehmens beruhen im Kern auf Erkenntnissen der modernen Kommunikationspsychologie und Kommunikationswissenschaft. Kommunikationsprozesse finden – den automatisierten Datenaustausch ausgenommen – zwischen Menschen (Einzelpersonen, Gruppen, Netzwerke) statt, so dass deren persönliche Eigenschaften und Wahrnehmungen den Prozess wesentlich beeinflussen.63) 53 Es ist mittlerweile bekannt, dass die Nachrichtenübermittlung i. R. eines Informationsaustauschprozesses nicht lediglich auf der Sachebene stattfindet, sondern immer auch – in unterschiedlicher Intensität – auf einer personalen Ebene, die durch Elemente der Selbstoffenbarung, des Beziehungsverständnisses und des Appells geprägt ist.64) Kommunikationsstörungen können entstehen, wenn die Nachricht vom Absender anhand dieser vier Nachrichtenebenen anders konstruiert war, als sie vom Empfänger wahrgenommen wird. Dessen Empfangsgewohnheiten sind von großer Bedeutung. Hört der Empfänger bspw. verstärkt auf dem „Beziehungs-Ohr“ und dem „Appell-Ohr“, fokussiert sich mithin auf ___________ 62) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil III Kap. 11, 2., S. 352 ff. 63) S. hierzu mit Blick auf das Insolvenzverfahren Paulus/Hörmann, NZI 2013, 623 ff. 64) Grundlegend Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien; Schulz v. Thun, Miteinander reden, Bd. 1 – 3; s. ferner Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 17 ff., Rz. 34 ff.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

seine personale Beziehung zum Absender und erwartet Handlungsanweisungen, kann dies z. B. zu einem Wahrnehmungsverlust auf der Sachebene führen mit der Folge, dass Sachentscheidungen nicht ordentlich vorbereitet und rational durchgeführt werden, weil die tatsächliche oder vermeintliche Nachrichtenübermittlung über die subjektiv gefärbten Nachrichtenkanäle den sachlichen Gehalt überlagert. In dem Beispiel 5 (siehe Rz. 16) kommunizierte der Betroffene im Wesentlichen über ei- 54 ne Anwaltskanzlei mit den Journalisten und mit der Öffentlichkeit. Diese Art der Stellvertretung wurde von vielen Journalisten auf der Beziehungsebene als unangemessen empfunden. Auf der Selbstoffenbarungsebene wurde hier „gehört“, dass der Betroffene Kritik gern „aussitzt“ und Verantwortung ablehnt. Er nutzte daraufhin ein Fernsehinterview für die Beantwortung kritischer Fragen durch Journalisten. Auch seine hier getroffenen Aussagen wurden – dies legt die Auswertung des Interviews in Presse, Rund- und Fernsehfunk nahe – beinahe ausschließlich und durchgängig negativ auf dem „Beziehungs-Ohr“ (fehlende Anerkennung der Öffentlichkeit als ernsthaften Gesprächspartner), dem „Selbstoffenbarungs-Ohr“ (Opportunismus, fehlendes Verantwortungsbewusstsein) und dem „Appell-Ohr“ (mangelnder Aufklärungswille) gehört. Die Sachebene stand beinahe durchgängig im Hintergrund. Es wurden kaum Zahlen, Da- 55 ten und Fakten (digitale Informationen) erörtert. Der Betroffene hatte durch seine Kommunikation bewirkt, dass sich die öffentliche Diskussion von dem Sachvorgang entfernt und sich beinahe ausschließlich der Persönlichkeit zugewendet hatte. In einer Unternehmenskrise wäre dies gefährlich, weil Lösungen nicht im Zentrum des Interesses stehen würden. Die Wahrnehmung muss durch die Unternehmensleitung deshalb weg von der Person hin zur Sache gelenkt werden. Weil i. R. der Nachrichtenübermittlung ein ganz erheblicher Informationstransfer auf der 56 personalen Ebene stattfinden und die Sachebene im Einzelfall verdrängen kann, ist die Kenntnis psychologischer und soziologischer Grundlagen im Hinblick auf die Persönlichkeitsstruktur, auf grundlegende persönliche Werte, Handlungsmotive, Denk- und Argumentationsmuster und Charaktereigenschaften von wesentlicher Bedeutung, denn die jeweilige Nachricht muss auf der Selbstoffenbarungs-, der Beziehungs- und der Appellebene entsprechend der Empfängerpersönlichkeit erstellt werden.65) Es ist Aufgabe des Absenders der Botschaft – im Fall der Unternehmenskommunikation Aufgabe der Unternehmensleitung –, die psychologische Konstitution der angesprochenen Empfänger zu antizipieren und das zu erstellende Kommunikationskonzept hierauf entsprechend auszurichten. Da sich Unternehmenskommunikation im Regelfall nicht an Einzelpersonen richtet, sondern eher an komplexe Zielgruppen, kommt es vorliegend weniger auf die Kenntnis der verschiedenen grundlegenden Persönlichkeitstypen an.66) Diese Kenntnis wird man in komplexen Verhandlungssituationen in Krise und Insolvenz, die sehr auf die handelnden Personen zugeschnitten sind, zur Verfügung haben müssen, um Einfluss auf den Gang der Verhandlung und das Ergebnis nehmen zu können.67)

___________ 65) Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 50 ff., Rz. 107 ff. 66) Eingehend Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 52 ff., Rz. 110 ff. 67) Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle, Verhandlungsmanagement, Teil 2 IV. und V., S. 97 ff.; Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 17 ff., Teil 2 B. und C., S. 180 ff.; Schranner, Verhandeln im Grenzbereich, S. 19 ff.; Schranner, Teure Fehler, S. 100 ff.

Frege/Nicht

103

§4

1. Teil Allgemeines

2.4.2 Typisierung der Persönlichkeitsmerkmale 57 Viele Erkenntnisse der psychologischen Forschung zu bestimmten typischen Eigenschaften und Verhaltensmodellen sind von großer Bedeutung, weil sie Hinweise auf die grundsätzlich mögliche Konstitution einer Empfängergruppe geben können. 58 Maßgebend sind fünf grundlegende Persönlichkeitsdimensionen, die unter dem Schlagwort „The Big Five“ zusammengefasst wurden68) wie folgt: Emotionale Stabilität

Offenheit (Soziabilität)

Kreativität/ Aktivität

Anpassung/ Verträglichkeit

Gewissenhaftigkeit

– – – – – – – –

– – – –

– – – – –

– – – –

– kompetent – selbstsicher – fähig – effizient

– – – – –

Besorgtheit Erregbarkeit Pessimismus Befangenheit Exzessivität Impulsivität Vulnerabilität Extrovertiertheit Durchsetzungsfähigkeit Risikofreude Abenteuerlust Erlebnishunger Heiterkeit

Phantasie Ästhetik Emotionalität Unternehmerschaft – Veränderungsbereitschaft – Intellektualismus – Liberalismus

– – – –

aktiv systematisch ordentlich ehrgeizig erfolgsorientiert bestrebt konzentriert unbeirrt nachhaltig

– – – – – – – – – –

Vertrauen Moral Altruismus die Position des Gegenübers erkennend egozentrisch auf eigene Ziele orientiert Entgegenkommen kooperativ anpassend antagonistisch aggressiv kompetitiv Bescheidenheit Mitgefühl

59 Diese Persönlichkeitsdimensionen geben in abstrakter Weise Auskunft darüber, wie ein Kommunikationsempfänger persönlich konstituiert sein und sich dementsprechend verhalten könnte. Für die zutreffende Ansprache, insbesondere in Krisen- und Insolvenzsituationen, ist auf dieser Grundlage herauszuarbeiten, welche Merkmale besonders „empfangsbereit“ sein könnten. Es ist zu berücksichtigen, welche grundlegenden Motivationen und Bedürfnisse,69) ferner welche grundlegenden Ängste70) bestehen können, denn diese steuern die menschliche Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und – in der Folge – das weitere Verhalten der Kommunikationsempfänger.71) Insbesondere sind diese Maßgaben bei der Krisenkommunikation zu beachten, die sich an einzelne Personen oder Personengruppen auf Betriebsversammlungen oder im persönlichen Gespräch richtet. 60 So wird in dem Beispiel 2 (siehe Rz. 7) die Unternehmensleitung zeitnah mit den Führungskräften des Unternehmens und mit der Belegschaft sprechen müssen.72) Hierbei müssen Strategien und notwendige Entscheidungen erörtert werden. Die Entscheidungen müssen konsequent und entschlossen durchgesetzt werden. Hierzu bedarf es der Überzeugung und der Mitwirkung der Beteiligten. Es versteht sich, dass die unterschiedlichen Persönlichkeiten im Unternehmen nicht in gleicher Weise angesprochen werden können. ___________ 68) Simon, Persönlichkeitsmodelle und Persönlichkeitstests, S. 113 ff.; Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 57 f., Rz. 120. 69) Grundlegend Maslow, Motivation und Persönlichkeit, S. 62 ff. 70) Grundlegend Riemann, Grundformen der Angst, S. 22 ff., 68 ff., 121 ff., 179 ff. 71) Zu den Auswirkungen auf die Charakterausbildung König, Charakter, Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung, S. 17 ff. 72) S. a. Hess, Sanierungshandbuch, S. 439 ff.

104

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Der Kommunikator muss vielmehr die Struktur der Persönlichkeiten und deren betriebliche und private Situation berücksichtigen und angemessen reagieren. Im Bereich der menschlichen Motivationen und Bedürfnisse ist eine Orientierung an den 61 Untersuchungen und Festlegungen von Maslow geboten,73) hinsichtlich der Beurteilung von Ängsten geben die grundlegenden Ausführungen von Riemann einen wichtigen Überblick.74) In Restrukturierungs-, Krisen- und Insolvenzsituationen kann es dazu kommen, dass die Beteiligten – insbesondere Mitarbeiter, Geschäftsführer, Unternehmenseigentümer – eine existenzielle Bedrohungslage im Hinblick auf grundlegende Bedürfnisse empfinden. Das Kommunikationskonzept des Unternehmens muss hierzu spiegelbildlich Antworten enthalten, um den Bedürfnissen entgegenzukommen und den Ängsten entgegenzuwirken. Ziel ist es, durch den Einsatz der kommunikationspsychologischen Kenntnisse mögliche Widerstände und Hindernisse (Reaktanzen) gegen die notwendigen Restrukturierungsprozesse abzubauen. In der Fachliteratur werden im Anschluss an Maslow bestimmte Bedürfniskategorien ge- 62 zeigt, die in einem Stufenverhältnis zueinander stehen. Hierbei handelt es sich um eine grobe, grundlegende Einteilung und Systematisierung menschlicher Bedürfnisse, die einer weiteren Differenzierung und Detailbetrachtung zugänglich sein könnte.75) Die Grundlage der Bedürfnispyramide bilden physiologische Bedürfnisse wie die Auf- 63 nahme von Nahrung und Flüssigkeit sowie das Bedürfnis nach Schlaf. Sodann ordnet sich das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz ein, gefolgt von dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nach Anerkenntnis und Status sowie schließlich nach Selbstverwirklichung i. S. einer vollständigen Entfaltung der Persönlichkeit.76) Insbesondere die fest im menschlichen Wesen verankerten Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Schutz, Geborgenheit, nach (sozialer) Gruppenzugehörigkeit und nach Anerkennung der eigenen Persönlichkeit und Würdigung der eigenen Leistungen spielen bereits bei der Unternehmenskommunikation im Allgemeinen eine sehr wichtige Rolle, wenngleich bei prosperierenden Unternehmen die Bedürfniskategorien an der Spitze der Bedürfnispyramide angesprochen werden können. Bei der Unternehmenskommunikation in Restrukturierung, Krise und Insolvenz treten hingegen die Grundbedürfnisse deutlicher hervor, denn angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – die von den Beteiligten je nach Nähebeziehung zum Unternehmen, Qualität und Quantität des Informationszugangs und persönlicher Betroffenheit in unterschiedlicher Intensität wahrgenommen werden – ist die Sicherstellung der Befriedigung der Grundbedürfnisse aus der subjektiven Wahrnehmungsperspektive einiger Beteiligter heraus nur unzureichend gewährleistet. Deshalb ist es bei der Erstellung des Kommunikationskonzepts unverzichtbar, die betroffenen Bedürfniskategorien zu analysieren und angemessen hierauf zu reagieren. Dies zeigen auch die Beispiele 1, 2 und 3 bzw. 4 (siehe Rz. 2, 7 und Rz. 9 bzw. 14). Im 64 Fall des havarierten Kreuzfahrtschiffes sind die existenziellen Bedürfnisse der Passagiere in großer Gefahr. Umso wichtiger ist es, dass in dieser Situation der Kapitän auf dem Schiff mit Mut und Entschlossenheit handelt und die Passagiere in dieser Weise auch anspricht. Dies gibt den Betroffenen ein Gefühl der Sicherheit und des Schutzes. Das kann erforderlich sein, um eine geordnete Rettung vorzunehmen und Chaos zu vermeiden. ___________ 73) Maslow, Motivation und Persönlichkeit, S. 62 ff. 74) Riemann, Grundformen der Angst, S. 22 ff., 68 ff., 121 ff., 179 ff. 75) Zur Bewertung der Kategorienbildung durch Maslow s. Frege, Verhandlungserfolg, Teil 1 B., S. 79 f., Rz. 135. 76) Maslow, Motivation und Persönlichkeit, S. 62 ff.

Frege/Nicht

105

§4

1. Teil Allgemeines

65 Auch im Fall des restrukturierungsbedürftigen oder insolventen Unternehmens können – insbesondere wenn sich das Unternehmen in einer strukturarmen Umgebung befindet und als wichtiger Arbeitgeber gilt – subjektiv existenzgefährdende Umstände gegeben sein, die bei den Betroffenen zu Panik und Verängstigung führen. Hierdurch kann der Sanierungserfolg gefährdet werden. Deshalb muss die Unternehmensleitung – ähnlich wie der Kapitän an Bord des Kreuzfahrtschiffes – durch eigenes Präsenz- und Problembewusstsein die Ängste der Betroffenen registrieren und in geeigneter Form beantworten. Durch die Kommunikation von Ruhe, Entschlossenheit, geordneter Struktur und Entscheidungskraft können Grundbedürfnisse angesprochen und Ängste genommen werden. Damit kann die Funktionsfähigkeit des Betriebs erhalten werden. 66 Im Fall der insolventen Luftfahrtgesellschaft war das Bedürfnis der Passagiere, die sich überwiegend an ihren Urlaubsorten befanden, nach Obhut, Schutz, Sicherheit, Vorhersehbarkeit besonders ausgeprägt. Nicht zuletzt aus diesem Grund richtete sich die Bundesregierung i. R. einer öffentlichen Pressekonferenz in Beispiel 4 (siehe Rz. 14) an die Kunden des Unternehmens und vermittelte diesen das Grundgefühl staatlicher Fürsorge. 3.

Veränderungskommunikation

67 Besondere Anforderungen an die Unternehmenskommunikation werden gestellt, wenn sich das Unternehmen (wie bei Restrukturierungen üblich) in einem wirtschaftlichen Veränderungsprozess befindet.77) Denn von den Beteiligten wird hier erwartet, dass sie an dem Wandel teilnehmen, mithin ihre Erwartungen, Einstellungen und häufig ihr Verhalten ändern. In einer derartigen Lage reagieren viele Bezugsgruppen des Unternehmens verunsichert und haben Zweifel an der Stabilität ihrer Positionen. Hierauf muss die Unternehmensleitung angemessen reagieren und besonders die kognitive und die emotionale Ebene der Unternehmenskommunikation bedienen.78) Die allgemeinen Erfahrungen, Analysen und Handlungsempfehlungen, die in der Kommunikationslehre zum Thema „Change Communication“ vorliegen, sind für den Bereich der Krise, Sanierung und Insolvenz von Bedeutung, da sowohl die Sanierung in- und außerhalb des Insolvenzverfahrens als auch die mögliche Liquidation mit grundlegenden Veränderungen für die Beteiligten verbunden sind. 68 Untersuchungen haben gezeigt, dass Veränderungsprozesse im Unternehmen durch eine hohe Intensität der Wandlungsaktivitäten gekennzeichnet sind: Häufig findet eine strategische Neuausrichtung statt, die mit einem innerbetrieblichen Strukturwandel verbunden sein kann.79) Die Beteiligten nehmen die Veränderung und insbesondere die hiermit verbundenen Risiken sehr intensiv wahr und richten ihr Verhalten hieran aus. 69 Für die Bewertung des Risikos sind folgende Kriterien maßgebend:80) 

Entscheidungsfreiheit: die freiwillige Übernahme von Risiken wird subjektiv als weniger belastend eingestuft als die obstruierte Risikoübernahme,



Einflussnahmemöglichkeit: kontrollierbare Risiken werden subjektiv als weniger belastend eingestuft als Risiken, auf die der Beteiligte keinen Einfluss nehmen kann,



Verantwortlichkeit: fremdverursachte Risiken werden subjektiv als weniger belastend eingestuft als Risiken, die der Beteiligte mit zu verantworten hat.

___________ 77) S. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, S. 425 ff.; Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 11 ff. 78) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, S. 425 ff. 79) Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 11. 80) Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 11.

106

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Aus der Risikobewertung können – wenn subjektiv eine Gefahr gesehen wird – Ängste 70 erwachsen, d. h. Erregungszustände, mit denen auf eine gegenwärtige oder vermutete Gefahr reagiert wird, von der der Beteiligte glaubt, sie könne seine Leistungsfähigkeit oder Persönlichkeit bedrohen. Solche Ängste können als Existenz-, Leistungs- oder soziale Ängste vorliegen und weitreichende Auswirkungen haben auf die Wahrnehmung, das Urteilsvermögen, das Erinnerungsvermögen und das Problembewältigungsvermögen von Beteiligten.81) In Krise und Insolvenz können vor allem soziale Ängste die Wahrnehmung beeinträchtigen, aber auch weitere Emotionen wie Überraschung, Kummer, Schmerz, Zorn, Wut, Verachtung etc. An die Erstellung eines Kommunikationskonzepts durch die Unternehmensleitung stellt diese emotionale Gemengelage besonders hohe Anforderungen. Kommunikationsstörungen resultieren regelmäßig aus der Nichtbeachtung der psychologischen Verfassung der Kommunikationsempfänger.82) Hieraus ist die Notwendigkeit abzuleiten, die verschiedenen Zielgruppen der Unternehmenskommunikation im Hinblick auf den Veränderungsprozess genau zu analysieren sowie ihre subjektiven Risikoeinschätzungen aufzugreifen und zu bewerten. Hierbei ist es erforderlich, den jeweiligen Empfängerhorizont der Kommunikation zu antizipieren. Das Kommunikationskonzept wird darauf gerichtet sein, Veränderungsbereitschaft herzustellen. Im Beispiel 2 (siehe Rz. 7) kann es erforderlich sein, bestimmte Fertigungsstrecken zu- 71 künftig einzustellen, weil der Markt die angebotenen Produkte nicht mehr nachfragt. Anstelle der bislang gefertigten Produkte können andere Produkte hergestellt werden, wobei dies mit einer Veränderung der Belegschaft oder der betrieblichen Umgebung verbunden sein kann. Gerade bei einer strukturellen Krise, die neben anderen Faktoren darauf zurückzuführen ist, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben (Online-Publikationen anstelle von Printmedien), ist Veränderungsbereitschaft bei allen Beteiligten erforderlich. In Bezug auf die Zielgruppe der Mitarbeiter und Führungskräfte stellen sich regelmäßig 72 folgende Fragen im Hinblick auf die berufliche Perspektive:83) Wie wirkt sich der Veränderungsprozess auf die beruflichen Entwicklungschancen aus?  Wie werden sich die Betriebsstrukturen und damit das eigene Arbeitsumfeld verändern?  Ist der eigene Standort und mit ihm der eigene Arbeitsplatz gefährdet?  Ist es bei Abwägung der Vor- und Nachteile lohnenswert, sich für die kommunizierten Unternehmensziele einzusetzen?  Ist es bei Abwägung der Vor- und Nachteile lohnenswert, sich während des laufenden Veränderungsprozesses umzuorientieren? In Bezug auf die Zielgruppe der Kunden und Lieferanten stellen sich regelmäßig folgen- 73 de Fragen im Hinblick auf die wirtschaftliche Perspektive:84) 

 

Ist davon auszugehen, dass das Unternehmen ein zuverlässiger Geschäftspartner bleibt/wird? Ist davon auszugehen, dass das Unternehmen die benötigten Leistungen in gleicher oder besserer Qualität anbieten wird?

___________ 81) 82) 83) 84)

Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, 1.1, S. 429 f. Grundlegend Schulz v. Thun, Miteinander reden, Bd. 1, Teil A, S. 23 ff. Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 12. Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 12.

Frege/Nicht

107

§4

1. Teil Allgemeines

Ist davon auszugehen, dass die Kundenprioritäten beibehalten werden oder erfolgt eine Ausrichtung auf andere/weitere Kunden- und Lieferantenkreise?  Ist davon auszugehen, dass sich die Betriebsstrukturen und hierdurch die operativen Abläufe verändern? Bringt dies Nachteile für die Kunden- und Lieferantenbeziehung?  Ist davon auszugehen, dass der Veränderungsprozess zu einer zeitweiligen Beeinträchtigung von Qualität und Service führt? 74 In Bezug auf die Zielgruppe der Gesellschafter, Investoren und Kreditgeber stellen sich regelmäßig folgende Fragen im Hinblick auf die wirtschaftliche Perspektive:85) 

Ist davon auszugehen, dass die kommunizierte Strategie zum Ziel führt? Ist davon auszugehen, dass das aktuelle Management die kommunizierte Strategie umsetzen kann?  Ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten die kommunizierte Strategie akzeptieren und unterstützen? Darüber hinaus sind Politik, Gewerkschaften und das öffentliche Umfeld zu analysieren.86) 75  

76 Ausgehend von diesen Risikobewertungen wird ein Kommunikationskonzept für den Veränderungsprozess zu entwickeln sein, welches die Veränderungsnotwendigkeit hervorhebt und versucht, Veränderungsbereitschaft aufzubauen. Hierbei soll sich der Konzeptersteller vorrangig – insbesondere im Hinblick auf die Mitarbeiter des Unternehmens – an den folgenden Faktoren orientieren:87) 

Konsistenz,



Glaubwürdigkeit und Vertrauen,



Orientierung,



Wertschätzung,



Entscheidungsfreiheit.

77 Denn besonders die Mitarbeiter des Unternehmens zeigen regelmäßig Abwehrverhalten gegenüber Veränderungsvorhaben, wenn sie:88) 

inkonsistente Entscheidungen der Unternehmensleitung wahrnehmen,



die kommunizierten Ziele und die Rechtfertigung von Veränderungsprozessen als nicht ehrlich enttarnen,



zwischen verschiedenen kurzfristigen Handlungen/Projekten keinen Zusammenhang erkennen können,



eine mangelnde Wertschätzung der eigenen Rolle im Unternehmen spüren,



ein Gefühl der Abhängigkeit und des Ausgeliefertseins entwickeln.

78 Ausgehend von den allgemeinen Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Kommunikationskonzepten wurden für die Veränderungskommunikation („Change Communication“) spezifische Vorgaben erarbeitet:89) 

Aktive und umfassende Kommunikation (Initiative und Integration): Fehlende und unzureichende Information und mangelnde Beteiligung der Zielgruppen oder sogar

___________ 85) 86) 87) 88) 89)

108

Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 12. Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 12 f. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, 1.2, S. 431. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, 1.2, S. 431. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, S. 445 ff.; Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 13 ff.

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

deren Ausgrenzung führen regelmäßig zu Widerständen gegen den Veränderungsprozess. 

Offene, klare, konkrete und konsistente Aussagen (Kongruenz und Konsistenz): Verschleierungen, Mehrdeutigkeiten, Widersprüchlichkeiten etc. können das Gefühl der Verunsicherung bei den Beteiligten verstärken und führen regelmäßig zu Widerständen gegen den Veränderungsprozess. Beschönigungen können im Verlauf des Prozesses aufgedeckt werden und beschädigen die Glaubwürdigkeit des Kommunikators.



Keine schrittweise Kommunikation schlechter Nachrichten (Glaubwürdigkeit): Das Aufspalten und Abschichten negativer Informationen kann zum Entstehen von Gerüchten führen; es kann auch im Fortgang des Prozesses das Gefühl der mangelnden Glaubwürdigkeit des Kommunikators und der unzureichenden Information der Beteiligten entstehen.



Hervorheben der Kontinuität (Historie und Sicherheit): Die erhebliche Betonung der Veränderungsnotwendigkeit kann zu einem Gefühl der Unsicherheit und fehlenden Orientierung bei den Beteiligten führen und auf diese Weise regelmäßig zu Widerständen gegen den Veränderungsprozess.



Austausch, Einbeziehung, Rückkopplung (Interaktion und Integration): Die Erläuterung der Motive und Zielvorstellungen verbreitert die Legitimationsbasis von Entscheidungen und schafft Wissen, Verständnis und Orientierung bei den Beteiligten.



Öffentliche Ergebniskontrolle (Transparenz und Reflektion): Es muss klar und eindeutig analysiert und benannt werden, welche Ziele erreicht worden sind und ggf. aus welchen Gründen Ziele nicht erreicht worden sind. Dies schafft – auch wenn zunächst Fehlschläge verzeichnet werden – ein Gefühl der Sicherheit und Orientierung bei den Beteiligten.

Hinsichtlich der Informationsdichte und Informationstiefe weist Pfannenberg darauf 79 hin, dass die Ersteller des Kommunikationskonzeptes nach den Methoden „Top-down“ und „Inside-out“ vorgehen, d. h. zunächst die inneren Führungskreise informieren sollten und hiervon ausgehend den Kreis der weiteren internen und externen Beteiligten.90) Die Geschäftsleitung muss demnach bei getroffenen Entscheidungen zunächst sämtliche 80 Mitglieder des zuständigen Geschäftsführungsorgans (Vorstand gemäß §§ 76 ff. AktG, Geschäftsführer gemäß §§ 35 ff., 43 ff. GmbHG) einbinden, sodann Aufsichtsräte und Beiräte (§§ 90, 95 ff. AktG), schließlich die Gesellschafter (§§ 118 ff. AktG, §§ 45 ff. GmbHG). Hiernach oder ggf. parallel dazu sind Belegschaftsversammlungen einzuberufen, auf denen sachlich und zutreffend die Belegschaft informiert werden muss. Durch korrektes und zielgerichtetes Auftreten muss versucht werden, ein Sanierungsklima herzustellen. Im Einzelfall kann es geboten sein, die entsprechenden Maßnahmen auch mit Presseerklärungen zu flankieren. Im Beispiel 2 (siehe Rz. 7) dürfte es kaum möglich sein, die parallel stattfindenden Be- 81 triebsversammlungen bei einem Unternehmen der gezeigten Größenordnung vor der Presseberichterstattung abzuschirmen. Deshalb ist es opportun, aktiv mit den Medien zusammenzuarbeiten91) und die geplanten Schritte – Information der Belegschaft, Gespräche mit Politik und Behörden, Verhandlungen mit Investoren – im zulässigen Rahmen zu veröffentlichen, bevor Gerüchte und Halbwahrheiten sich ihren Platz suchen. Von der ___________ 90) Pfannenberg in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, I. 1., S. 18. 91) Zur Pressearbeit vgl. Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 43 ff.

Frege/Nicht

109

§4

1. Teil Allgemeines

Unternehmensleitung wird erwartet, dass sie das Geschehen beherrscht und steuert. Sie darf sich nicht zum Getriebenen von Interessengruppen und Medien machen lassen. 4.

Krisenkommunikation

82 Einen Sonderfall des Veränderungsprozesses, der eine angemessene Behandlung durch die Unternehmenskommunikation erfordert, stellt die Krise dar. Nach einer allgemein geläufigen Definition versteht man unter einer Krise im Unternehmen einen ungeplanten und ungewollten Vorgang von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit und mit ambivalentem Ausgang, der in der Lage ist, den Fortbestand des Unternehmens substanziell und nachhaltig zu gefährden.92) Der Zustand der Krise enthält bereits per Definition die Möglichkeit zu einer positiven (Sanierung) oder einer negativen (Abwicklung) Veränderung. Die Krise läuft regelmäßig auf einen Entscheidungspunkt hinaus, in dem konsequent gehandelt werden muss. Das Unternehmen kann saniert aus der Krise hervorgehen oder – auch das liegt im Spektrum der natürlichen wirtschaftlichen Entwicklungen – mit seiner Konzeption endgültig scheitern und geordnet aus dem Markt austreten. 83 In der Literatur wurden verschiedene charakteristische Merkmale von Krisen analysiert, die für die Erstellung eines krisenspezifischen Kommunikationskonzepts von Bedeutung sind:93) Krisen treten überraschend und unvermutet auf und können hierdurch das Gefühl der Unsicherheit und fehlenden Orientierung auslösen,  Krisen zwingen zu schnellem Handeln, obwohl die hierfür erforderliche Informationsgrundlage häufig noch unvollständig ist,  Krisen sind durch hohe Entwicklungsgeschwindigkeiten geprägt und bergen deshalb die Gefahr der Eskalation in sich,  Krisen erzeugen regelmäßig eine große Aufmerksamkeit und Informationssensibilität,  Krisen bergen aufgrund der Überraschung und Entwicklungsgeschwindigkeit die Gefahr des Kontrollverlustes und der ungesteuerten Entwicklung in sich. 84 Im Beispiel 1 (siehe Rz. 2) kenterte das Kreuzfahrtschiff aufgrund der Kollision mit einem Felsen und neigte sich innerhalb weniger Stunden auf die Seite bzw. drohte zu sinken. Der Entscheidungskorridor betrug in diesem Fall weniger als eine Stunde. 

85 Im Beispiel 2 (siehe Rz. 7) sind über längere Zeitabläufe verschiedene Krisenstadien (strategische Krise, Erfolgskrise) durchlaufen worden, bis es zu einer akuten Krise des Unternehmens (Liquiditätskrise) kam. Mit zunehmender Entwicklung und Vertiefung der Krise sinken die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmensleitung. Zugleich steigen der Handlungsdruck und die Handlungsanforderungen. Prinzipiell enthält eine Krise immer Elemente der Chance (Konstruktion) und des Risikos (Destruktion). Je weiter die Krise voranschreitet, desto mehr treten die Elemente des Risikos in den Vordergrund. 86 In Beispiel 5 (siehe Rz. 16) erfolgte die Recherche über den Kredit des Ministerpräsidenten zunächst verborgen. Mit der Veröffentlichung und Bewertung der Fakten beginnt der Krisenmechanismus. Dem Betroffenen verbleibt ein enger Handlungskorridor, der entschlossen und verantwortungsvoll genutzt werden muss. Die Handlungsalternativen sind: 

vollständige und deutliche Zurückweisung der erhobenen Vorwürfe und schnelle, vollständige und zutreffende Aufklärung oder

Geständnis und aufrichtige Reue bei ebenfalls vollständiger und zutreffender Aufklärung. ___________ 

92) Grundlegend Krystek, Unternehmenskrisen, S. 6. 93) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 16, 1., S. 474 m. w. N.

110

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Beide Strategien müssen persönlich, aktiv und glaubwürdig betrieben werden. Wie in der 87 Wirtschaft kann auch hier in der Krise eine Chance gesehen werden. Bei unzweckmäßigem Krisenmanagement entfalten die destruktiven Elemente der Krise ihre Wirkung. Um die Substanz des Unternehmens bestmöglich zu schützen, ist ein Krisenmanage- 88 ment erforderlich, in das die professionelle Krisenkommunikation an zentraler Stelle eingebettet ist.94) Die Unternehmenskrise darf nicht mit einer Kommunikationskrise zusammenfallen. Denn der Eintritt der Krise hat zur Entstehung bzw. Verschärfung verschiedener Risiken bei den unterschiedlichen Anspruchsgruppen geführt, die von den Beteiligten zumeist subjektiv wahrgenommen und bewertet werden. Hieran richten sie regelmäßig ihr Handeln aus. Wenn sich die Unternehmensleitung in dieser Situation nicht fragt,

89



was ihre Anspruchs- und Zielgruppen bewegt,



wie man sich selbst auf der Gegenseite im Moment fühlen würde,



was man im Unternehmen tun könnte, um den Zielgruppen zu zeigen, dass man ihre Sorgen und Befürchtungen ernst nimmt,



wie man die Zielgruppen tatsächlich bei der Risikobeurteilung und -bewältigung unterstützen könnte,

entsteht die Gefahr, dass die Situation durch die Unternehmensleitung nicht mehr kontrolliert werden kann und sich die Beteiligten abwenden.95) Deshalb ist das genaue Zuhören, das Nachempfinden, das Beobachten der Körpersprache. in dieser Phase besonders wichtig, um den subjektiven Zustand der Beteiligten und ihre Motivationslage beurteilen und beeinflussen zu können. Hier sind die psychologischen und kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Unternehmenslenker und der Berater gefragt.96) Die Unternehmenslenker müssen ein Selbstbild des sich in der Krise befindlichen Unternehmens entwickeln und mit der Fremdwahrnehmung abgleichen, bevor sie aktiv und überzeugend auf die Zielgruppen zugehen. Im Beispiel 1 (siehe Rz. 2) besteht die Gefahr, dass der Kreuzfahrtkonzern als unzuver- 90 lässiger Anbieter wahrgenommen wird, der die ihm anvertrauten Passagiere fahrlässig in Lebensgefahr bringt. Demgegenüber steht das Selbstbild eines verantwortungsvollen Unternehmens, welches seine Schutz- und Fürsorgepflicht gegenüber den Fahrgästen jederzeit organisatorisch und in konkreten nautischen Maßnahmen wahrnimmt. Das Unternehmen muss in der Krise auf die negativen Empfindungen eingehen, indem es die Krisenursache zutreffend benennt und nachweist, dass und in welcher Art und Weise es Wiederholungen ausschließen wird. Im Beispiel 2 (siehe Rz. 7) besteht die Gefahr, dass das Management als ungeeignet zur 91 Erkennung von Marktveränderungen empfunden wird und dass man ihm die Sanierung des Unternehmens nicht zutraut. Hier kommen die Umgestaltung der betrieblichen Entscheidungsstrukturen und deren Kommunikation in Betracht. Daneben können exogene Krisenfaktoren erläutert und deren Einfluss dargestellt werden. Zum Beispiel kann der Einfluss der Finanz- und Staatsschuldenkrise, die zu einer Kreditunterversorgung auch potenzieller Kunden geführt hat, nachvollziehbar kommuniziert werden. Die Marktgegenseite befürchtet typischerweise, dass es das Unternehmen „nicht schaffen werde“. Dieser Erwartungshaltung muss die Unternehmensleitung konsequent entgegentreten. ___________ 94) Hering/Schuppener/Schuppener, Kommunikation in der Krise, 3.3, S. 40. 95) Hering/Schuppener/Schuppener, Kommunikation in der Krise, 3.3, S. 42. 96) Frege, Verhandlungserfolg, S. 17 ff.; Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle, Verhandlungsmanagement, S. 97 ff.; Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, S. 41 ff.; Schulz v. Thun, Miteinander reden, Bd. 1 – 3.

Frege/Nicht

111

§4

1. Teil Allgemeines

92 Im Beispiel 5 (siehe Rz. 16) besteht die Gefahr, dass der Betroffene als politischer Opportunist wahrgenommen wird, der „an seinem Stuhl klebt“ und Verantwortung ablehnt. Um die Krise abzuwenden, muss hier glaubhaft, konkret und nachvollziehbar (messbar) kommuniziert werden, wie der Betroffene seiner Verantwortung als Amtsträger bislang nachgekommen ist und zukünftig nachkommen wird. 93 Im Hinblick auf Restrukturierungsmaßnahmen, die oft in Krisensituationen erforderlich werden, wurden typische Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhaltensmuster erfasst, die vor der Entwicklung des Kommunikationskonzepts zu überprüfen sind.97) 94 Hiernach haben insbesondere Mitarbeiter typischerweise      

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Managements, den Eindruck, dass die Mitarbeiterinteressen zugunsten der Anteilseignerinteressen zurückgestellt werden, den Eindruck, dass die erbrachten Leistungen nicht anerkannt werden, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vermindertes Leistungsvermögen infolge ihrer Anteilnahme am Schicksal gekündigter Kollegen, vermindertes Leistungsvermögen infolge der eigenen Suche nach alternativer Beschäftigung.

95 In Beispiel 2 (siehe Rz. 7) muss die Unternehmensleitung des insolventen Unternehmens gegenüber den Mitarbeitern offenlegen, wie sie bislang die Märkte eingeschätzt hat und warum dies so geschehen ist. Die Unternehmensleitung muss die Sanierungsmöglichkeiten zutreffend ermitteln, die Rolle der Belegschaft hierbei hervorheben und auch die Perspektiven zutreffend und vollständig darlegen. Die Mitarbeiter müssen als zentrale Beteiligte ernst genommen und eingebunden werden. 96 Bei Führungskräften sind typischerweise folgende Erscheinungen anzutreffen:98) 

nachlassende Motivation infolge der Konkurrenz um Positionen,



die Tendenz der Leistungsträger, das Unternehmen zu verlassen,



die Tendenz, neue Führungsaufgaben nicht zu akzeptieren,



die Tendenz, Mitarbeiter als Kostenfaktoren einzuordnen und hierdurch Führungsmodelle abzuwerten, die auf Teilhabe und Mitverantwortung beruhen,



der Eindruck, dass dem Unternehmen Ressourcen verlorengehen.

97 In Beispiel 2 (siehe Rz. 7) ist der Umgang mit den Führungskräften besonders kompliziert, da bei der Nichtbeantwortung der vorangegangenen strategischen Krise und der Erfolgskrise durch das Unternehmen die leitenden Mitarbeiter involviert gewesen sind und ihre Mitverantwortung für das Scheitern des Unternehmens übernehmen müssen. Insoweit ist es hier von Bedeutung, die leitenden Mitarbeiter für die geänderte Zielstellung zu motivieren, gleichzeitig ihre Verantwortungsbeiträge nicht zu verkennen. 98 Besondere Bedeutung kommt der Überprüfung und Reaktion auf typische Einstellungen bei Kunden und Lieferanten zu:99) der Eindruck, dass das Unternehmen zunehmend mit der Binnenorganisation und dem Restrukturierungskonzept befasst ist und keine Kapazitäten für die Belange der Kunden und Lieferanten vorhalten kann, ___________



97) Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 142. 98) Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 142. 99) Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 142.

112

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4



die Befürchtung, dass der Restrukturierungsvorgang zu Einsparungen an „falscher Stelle“, nämlich bei den nachgefragten Leistungen und beim Service führt,



die Befürchtung, dass es zu Einschränkungen im operativen Bereich durch Abwanderung von Kontaktpersonen etc. kommt,



die Befürchtung, dass die finanzwirtschaftliche Sanierung nicht gelingen wird,



der Eindruck, dass Leistungen und Service aufgrund der Krise an Qualität verlieren (Imagetransfer).

In Beispiel 2 (siehe Rz. 7) ist dem Eindruck entgegenzuwirken, dass die vertiefte Krise 99 sich auf die Produktqualität und den Service durchschlagen wird. Gegenüber den Kunden ist zu erläutern, in welcher Weise das Unternehmen Verbesserungen in den genannten Bereichen leisten möchte; geeignet ist hier eine eher emotionale, interaktive und reflektierende Kommunikation. Bei Anteilsinhabern, Kreditgebern und Investoren sind folgende typischen Einstellun- 100 gen festgestellt worden:100) 

der Eindruck, dass die Unternehmensleitung versagt hat,



Zweifel, ob das Restrukturierungskonzept zur Wiederherstellung der Ertragskraft führen kann.

In Beispiel 2 (siehe Rz. 7) wird die Unternehmensleitung anhand von Sanierungsplänen 101 darzulegen haben, wie die Restrukturierung gelingen soll. Finanzinvestoren sind durch Zahlenwerke zu überzeugen. Emotionale und interaktive Kommunikation ist weniger geeignet. Vielmehr sind objektiv prüfbare digitale Informationen zu übermitteln, mit denen sich die Analysten zurückziehen können. Hinsichtlich der Politik und des öffentlichen Umfelds konnte ein typischer Vertrauens- 102 und Glaubwürdigkeitsverlust festgestellt werden, der häufig in öffentlicher Kritik verarbeitet wird.101) In Beispiel 2 (siehe Rz. 7) ist es geboten, insbesondere bei strukturschwachem Wirt- 103 schaftsumfeld die Unterstützung der lokalen Politik einzuholen. Gegenüber den Amtsträgern ist in erster Linie die emotionale Kommunikation unter Zuhilfenahme von Leitbildern und Symbolen zweckmäßig. Für die angemessene Unternehmenskommunikation in der Krise werden besondere Emp- 104 fehlungen bereitgehalten:102) 

Das Unternehmen muss sich korrekt verhalten, d. h. Krisensymptome und deren Ursachen sind zutreffend zu analysieren und zu benennen.103) Es sollen „ungeschminkte Wahrheiten“ kommuniziert werden.104)



Das Unternehmen darf das vorhandene Problem nicht leugnen, da hierdurch seine Glaubwürdigkeit nachhaltig zerstört werden kann.105) Ebenfalls soll auf Rechtfertigungen, Entschuldigungen, moralische und ethische Diskussionen verzichtet werden, weil hierdurch die potenziellen Zielgruppen ohnehin nicht erreicht würden.106)

___________ 100) Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 142. 101) Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 142. 102) Umfassend Hering/Schuppener/Schuppener, Kommunikation in der Krise, Kap. 5.3, S. 105 ff.; Hess, Sanierungshandbuch, S. 439 ff. 103) Hering/Schuppener/Schuppener, Kommunikation in der Krise, Kap. 5.3.1, S. 110 f. 104) Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 143. 105) Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 16, 1., S. 474. 106) Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 143.

Frege/Nicht

113

§4

1. Teil Allgemeines



Notwendige Einschnitte sollten gemeinsam mit attraktiven Zielen kommuniziert werden.107)



Das Unternehmen muss sich zugänglich, aktiv und reaktiv kommunizierend und reflektierend zeigen.108) Entscheidungen sollten zeitnah kommuniziert werden nach dem Modus „Top-down“ und „Inside-out“.109)



Das Unternehmen muss besonders glaubwürdig, kohärent, kompetent und transparent auftreten.110) Es darf sich nicht in Wert- und Zielkonflikte begeben.111) Die Unternehmensleitung sollte präsent und ansprechbar sein und auf diese Weise Orientierung gewährleisten.112)



Das Unternehmen soll die möglichen Perspektiven für Kunden und Lieferanten ohne Verzögerungen – und nach Möglichkeit in positiver Kommunikation – aufzeigen.113)

5.

Soziale Medien in der Krise und Insolvenz

105 Die Empfehlungen zur Krisenkommunikation beruhen auf grundlegenden Annahmen über den Ablauf von Kommunikationsprozessen, die nicht ohne Weiteres auf Vorgänge in den sozialen Netzwerken übertragen werden können. Dies könnte dadurch begründet sein, dass Kommunikation im virtuellen Raum erhebliche Unterschiede zu den klassischen Kommunikationsmethoden aufweisen kann. Hierbei ist insbesondere auf die interaktive, multimediale Online-Kommunikation hinzuweisen.114) Aufgrund dieser und weiterer zu berücksichtigender Eigenheiten scheinen soziale Netzwerke das Kommunikationsmanagement in der Unternehmenskrise zu verkomplizieren. Tatsächlich vereinfachen OnlineDienste wie Twitter oder Facebook den störungsfreien Ablauf von Krisenkommunikation,115) wodurch letztlich die reibungslose Durchsetzung eines Sanierungskonzepts gefördert werden kann. Berücksichtigt man zudem den Umstand, dass sich die Mehrheit der Unternehmen heute der Online-Kommunikation bedient116), hat dies zur Folge, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema beim Entwurf eines Kommunikationskonzepts angezeigt ist. 6.

Zusammenfassung

106 Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, dass in Restrukturierung, Krise und Insolvenz frühzeitig und aktiv mit der Entwicklung und Durchführung eines der Situation angemessenen Kommunikationskonzepts begonnen werden muss. Hierzu gehört die aktive und umfassende Einholung, Verarbeitung, Strukturierung und Weitergabe von Informationen. 107 Unter strategischen bzw. inhaltlichen Gesichtspunkten sollte die Unternehmensleitung hierzu ermitteln, ob 

das Sanierungspotenzial des Unternehmens ermittelt und formuliert wurde,

___________ 107) 108) 109) 110) 111) 112) 113) 114) 115) 116)

114

Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 143. Hering/Schuppener/Schuppener, Kommunikation in der Krise, Kap. 5.3.2, S. 116 f. Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 143. Hering/Schuppener/Schuppener, Kommunikation in der Krise, Kap. 5.3.3, S. 119 f. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, 1., S. 435. Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 144. Pfannenberg/Müller in: Pfannenberg, Veränderungskommunikation, II. 8., S. 144. Köhler, Krisen-PR im Internet, Teil I Kap. 5, 5.3, S. 139 ff. Köhler, Krisen-PR im Internet, Teil I Kap. 5, 5.3, S. 142. Voskuhl in: Mönning, Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, § 15 Rz. 61.

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4



das Leitbild des sanierten Unternehmens erstellt wurde,



das Geschäftsmodell des Unternehmens im Grundsatz noch tauglich ist,



die einzelnen Ziele formuliert und auf ihre Erreichbarkeit geprüft wurden,



einzelne Handlungsschritte zur Sanierung bereits definiert wurden,



Kapitalgeber in den Sanierungsprozess einbezogen werden müssen,



personelle Veränderungen im Unternehmen, insbesondere in der Geschäftsführung erforderlich sind,



Betriebsteile aufgegeben oder veräußert werden müssen,



bestehende Geschäftsverbindungen angepasst oder beendet werden müssen.

Im Anschluss an diese inhaltlichen Planungen sollte die Unternehmensleitung im Hin- 108 blick auf die Durchführung des Kommunikationskonzepts prüfen, ob und welche Kommunikationsbarrieren bestehen könnten, insbesondere 

ob und welche Informationsasymmetrien im Hinblick auf die verschiedenen Bezugsgruppen des Unternehmens bestehen und wie diese ggf. beseitigt werden können,



ob und welche subjektiven Veränderungshindernisse (psychologische Reaktanzen)117) bestehen aufgrund von empfundener Existenzangst, Ohnmacht, Mutlosigkeit, fehlender Anerkennung etc.,



ob und in welchem Umfang bei den Geschäftsführern und leitenden Mitarbeitern Frustrationen und Abwanderungsgedanken vorliegen,



ob und in welchem Umfang das Sanierungsvorhaben zu tatsächlichen persönlichen Auswirkungen führen wird, d. h. zum Eintritt negativer persönlicher Folgen.118)

Intern sind die Abläufe und Zuständigkeiten festzulegen, insbesondere

109



welche zeitlichen Besonderheiten – z. B. aufgrund von Rechtsnormen des Kapitalmarktrechts etc. – bei der Informationserteilung zu beachten sind,



welche Entscheidungsgremien einzubinden sind und ob hierdurch eine Öffentlichkeit hergestellt wird,



welche besonderen Fristen aufgrund rechtlicher und tatsächlicher Gegebenheiten einzuhalten sind,



ob und ggf. wann mit mündlichen und schriftlichen Kommunikationen begonnen wird,



welche Medien zur Kommunikation benutzt werden und welchen Verbreitungsgrad diese besitzen,



wer als Kommunikator benannt und entsprechend instruiert und mit Informationen versorgt wird,



wer dem Kommunikator in welcher Weise zuarbeitet,



wie und wann das Kommunikationskonzept konkret umgesetzt wird,



wie die Umsetzungskontrolle ausgestaltet wird,



wie und von wem Rückmeldungen aufgenommen, verarbeitet und weitergemeldet werden.119)

___________ 117) Vgl. Mast, Unternehmenskommunikation, Teil IV Kap. 14, 1.2, S. 430. 118) Vgl. Schulz in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 264, 267 ff. 119) Vgl. auch Schulz in: Crone/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, S. 264, 269 ff.

Frege/Nicht

115

§4

1. Teil Allgemeines

III.

Kommunikations- und Verhandlungssituationen im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG

1.

Einleitung

110 Das im Wesentlichen bekannte und erprobte Sanierungs-, Restrukturierungs- und Reorganisationsrecht auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften der InsO ist durch des SanInsFoG120) um einige sehr komplexe verfahrensrechtliche Instrumente und Mechanismen erweitert worden, die ihren Standort nun außerhalb der InsO in einem eigenständigen vorinsolvenzlichen Restrukturierungsrecht gefunden haben. Der Gesetzgeber hat zum Jahreswechsel 2020/2021121) in Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie122) mit dem StaRUG123) ein Regelwerk geschaffen, das dem in der Krise befindlichen Unternehmen eine vorinsolvenzliche (außerinsolvenzliche) Restrukturierung unter besonderen gesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichen soll.124) 111 Hinter dieser Erweiterung der Palette der möglichen Sanierungsinstrumente, die mit einer deutlichen zeitlichen Vorverlagerung gegenüber den bekannten insolvenzrechtlichen Rechtsinstrumenten (Schutzschirmverfahren, (vorläufige) Eigenverwaltung, Insolvenzplan, übertragende Sanierung) verbunden ist, steht auch die Erwartung des Gesetzgebers, dass eine Sanierung außerhalb von Insolvenzeröffnungsverfahren (einschließlich der vorläufigen Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens) und eröffnetem Insolvenzverfahren vom Stigma des wirtschaftlichen Scheiterns befreit sein dürfte und somit vor allem auf der Ebene der Wahrnehmung125) der Verfahrensbeteiligten die Voraussetzungen für einen Neustart geschaffen werden könnten. Insoweit zielt die Gesetzesnovelle ganz offenkundig auch auf die positive Wahrnehmung einer StaRUG-Sanierung im Markt ab, die geeignet sein dürfte, Sachkonflikte, Strategiekonflikte und Beziehungskonflikte zumindest abzumildern.126) 112 Es ist sicher nicht von der Hand zu weisen, im Hinblick auf die Erkenntnisse der Kommunikationspsychologie die Anwendung einer sog. Framing-Technik durch den Gesetzgeber zu erkennen, denn die (auch sprachliche) Entkoppelung der StaRUG-Sanierung vom Erfordernis eines Insolvenzantrags und vom Vorliegen von Insolvenzgründen dürfte zunächst zu einer positiven Wahrnehmungsveränderung im Markt dahingehend führen, dass es sich zwar um eine notwendige Restrukturierungsmaßnahme in der Krise des Un___________ 120) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 121) Das StaRUG ist zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Lediglich die §§ 84 – 88 sind später gemäß § 25 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG am 17.7.2022 in Kraft getreten. 122) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 123) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 124) Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/241181, S. 131. 125) Zur besonderen Rolle der Wahrnehmung vgl. Kahneman/Sibony/Sunstein, Noise – Was unsere Entscheidungen verzerrt - und wie wir sie verbessern können, 2021; zur Entstigmatisierung schon Paulus, ZGR 2005, 309 ff. 126) Zur Rolle der Wahrnehmung in der Konfliktlösung vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 2, S. 66, Kap. 5, S. 136 ff. und 148 ff., Kap. 6, S. 161 ff., Kap. 8, S. 199 ff. Grundlegend Glasl, Konfliktmanagement, Teil 1, S. 29 ff.; zu den Konfliktarten in der Restrukturierung Damerius, Konfliktlösung bei der Sanierung von Unternehmen nach dem StaRUG, S. 7, 8.

116

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

ternehmens handelt, die aber noch hinreichend weit von der eigentlichen Insolvenz (und der damit empfundenen akuten Bedrohung der Rechte der Beteiligten) entfernt stattfindet. Damit soll die Bereitschaft der an der Restrukturierung beteiligten Bezugsgruppen ge- 113 steigert werden, eine in die Zukunft gerichtete Sanierungslösung durch Sanierungsbeiträge zu unterstützen, vor allem aber: Diese nicht zu verhindern oder zu blockieren. Anders als beim bereits insolventen Unternehmer liegt die Argumentations- und Rechtfertigungslast der StaRUG-Antragstellerin weniger hoch, weil sie es (noch) nicht zur Insolvenz und damit noch nicht zur konkreten Gefährdung der Rechte der Gläubiger hat kommen lassen. Sowohl der Eingriffszeitpunkt als auch die vom Gesetz zur Verfügung gestellten technischen Handlungsformen sprechen für ein Konfliktbewältigungs- bzw. Konfliktvermeidungsinstrumentarium im Hinblick auf mögliche Auseinandersetzungen über Sachfragen und Handlungsstrategien. Das Instrumentarium des StaRUG ist zudem durch spezifisches Verfahrensrecht darauf ausgerichtet, Störungen im Beziehungsgeflecht bestmöglich zu vermeiden. Schließlich werden (unvermeidbare) Verteilungskonflikte durch eine sachgerechte Verfahrensgestaltung kanalisiert und einer Entscheidungsfindung zugeführt. Das StaRUG bietet der Antragstellerin verschiedene technische Handlungsmöglichkei- 114 ten (StaRUG-Instrumente) mit unterschiedlicher Eingriffstiefe und Eingriffsintensität zur Umsetzung eines Restrukturierungs- und Sanierungsversuchs an: 

Vorlage eines Restrukturierungsplans (§§ 2 – 27 StaRUG),



Inanspruchnahme von sog. Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumenten (§§ 29 – 72 StaRUG),



Durchführung eines Planbestätigungsverfahrens (§§ 45 – 72 StaRUG),



Einsatz eines Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73 – 82 StaRUG),



Sanierungsmoderation127) (§§ 94 – 100 StaRUG).

Diese StaRUG-Instrumente weisen im Hinblick auf die erforderliche Kommunikations- 115 leistung zahlreiche Besonderheiten auf. Grundsätzlich wird festzuhalten sein, dass der Kommunikationsaufwand im Bereich der Antragstellerin und ihrer Berater bereits deshalb höher anzusiedeln sein wird, weil die gesetzlichen Anwendungsfelder und die einzelnen Wirkungs- und Funktionsweisen der StaRUG-Instrumente in der Wirtschaftsordnung noch nicht flächendeckend bekannt und die Wirtschaftsteilnehmer damit noch nicht vertraut sind. Aus der Perspektive der hiesigen Rechtsordnung handelt es sich bei den StaRUGInstrumenten weitgehend um noch unbekanntes Terrain (auch wenn die gesetzlichen Instrumente überwiegend an bekannte Rechtsinstitute des Insolvenzrechts angelehnt worden sind). Hieraus ergibt sich grundsätzlich die Erklärungsbedürftigkeit gegenüber den Beteiligten der Restrukturierung. Der Einsatz von Rechtsinstrumenten, die sowohl hinsichtlich des verfahrensmäßigen Ablaufes als auch hinsichtlich ihrer Wirkungstiefe und gestalterischen Reichweite noch nicht abschließend bekannt sind und die zu einer Umgestaltung der Rechtsverhältnisse im Krisenunternehmen dienen können, kann erfahrungsgemäß ein nicht unerhebliches Misstrauen und den durchaus berechtigten Hang zur Vorsicht aktivieren. Die Verantwortlichen der StaRUG-Antragstellerin sind dahingehend gefordert, den Be- 116 teiligten der Restrukturierung den Inhalt und die Wirkungsweise der neuen StaRUGInstrumente umfassend zu erläutern. Die Verantwortlichen können sich hierbei an medizinisch indizierten Aufklärungs- und Beratungsgesprächen im Gesundheitswesen orien___________ 127) S. Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59.

Frege/Nicht

117

§4

1. Teil Allgemeines

tieren. Den Betroffenen sind Art, Umfang und Wirkungstiefe der Instrumente plastisch und nachvollziehbar zu erläutern. Auf eventuelle Alternativen ist hinzuweisen. Hierdurch sollen die Beteiligten „abgeholt und mitgenommen werden“. Es ist dabei auf das individuelle Maß der Betroffenheit zu achten. Es ergibt sich anhand der jeweils vorliegenden wirtschaftlichen Bedeutung. Je (nach Art und Umfang) intensiver der mögliche Eingriff in Rechte der Restrukturierungsbeteiligten ausfällt, umso ausführlicher und plastischer muss die Erläuterung ausfallen. Denn im Kern verfolgt das StaRUG den Ansatz der nichtstreitigen Konfliktlösung durch integrative und distributive Sanierungsverhandlung128) und hierzu gehört i. R. einer deeskalierenden Strategie die zeit- und sachgerechte, richtige und vollständige Information der Beteiligten mit dem anzustrebenden Ziel der inhaltlichen Überzeugung und Konsensbildung. Hierdurch wird zunächst erreicht, dass Beziehungskonflikte unterbunden oder ausgeräumt werden können. Dies eröffnet den Raum für die sachgerechte Befassung mit strategischen und operativen Restrukturierungsvorstellungen. 117 Soweit sich unter den StaRUG-Instrumenten auch solche Rechtstechniken finden, die zu einem Rechtsverlust der Planbetroffenen bzw. einer Rechtsumgestaltung führen können und eine Abstimmung der Beteiligten erfordern (z. B. im Restrukturierungsplan gemäß Kapitel 1 StaRUG) wird es zwingend erforderlich sein, die für den Restrukturierungsplan vorgesehenen Rechtsänderungen (z. B. Forderungsverzichte, Stundungen, Aufrechnungen, Ratenzahlungspläne, Sicherheitenanpassungen, Vermögensübertragungen) nachvollziehbar zu erläutern und mit den Planbeteiligten inhaltlich zu verhandeln. Denn an dieser Stelle stehen die als besonders eindringlich empfundenen Verteilungskonflikte im Raum. Hierbei können individuelle Verhandlungen z. B. über den Umfang des Forderungsverzichts oder die Laufzeit des Ratenzahlungsplans oder die Umgestaltung der Kreditsicherheiten geführt werden, soweit solche Einzelpositionen betroffen sind. Es können auch Gruppenverhandlungen geführt werden, soweit gleichartige Rechtsveränderungen stattfinden (z. B. Quotenzuordnungen und Zahlungsmodalitäten), zumal die Planbetroffenen (§ 8 StaRUG) im Restrukturierungsplan anhand ihrer Rechtsstellung in Gruppen eingeteilt werden müssen (§ 9 Abs. 1 StaRUG).129) 118 Im Interesse der anzustrebenden konsensualen Restrukturierungslösung sollte grundsätzlich davon Abstand genommen werden, die Planbetroffenen unvorbereitet mit einem Restrukturierungsplan zu konfrontieren. Denn regelmäßig werden dessen Regelungen in die Rechte der Planbetroffenen eingreifen und deshalb werden materielle Zugeständnisse der Planbetroffenen erforderlich werden. Das materielle Zugeständnis erfolgt durch verfahrensrechtliche Zustimmung zum Restrukturierungsplan entweder in der Versammlung der Planbetroffenen (§ 20 Abs. 1 StaRUG) oder im gerichtlichen Verfahren (§§ 23, 45, 46 StaRUG). Diese Zustimmung wird in der Regel von Gegenleistungen der Antragstellerin abhängig sein, die jedoch nicht durchweg materieller Natur sein müssen. Auch die faire und angemessene Behandlung der Planbetroffenen, die sachgerechte, inhaltlich richtige und im Umfang angemessene Information und Einbeziehung in das Verfahren sind mögliche Gegenleistungen der Antragstellerin, die geeignet sein können, die Mitwirkung und Unterstützung durch die Planbetroffenen zu aktivieren. Es dürfte insoweit an dem Grundsatz festzuhalten sein, dass auch der Beziehungsarbeit im Verhältnis der StaRUGAntragstellerin zu ihren Bezugsgruppen (gesicherte Gläubiger, ungesicherte Gläubiger, Arbeitsnehmer usw.) in angemessener Art und Weise Raum zu geben ist. Hierdurch werden ___________ 128) Vgl. insoweit Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 7, S. 177 ff. und Kap. 8, S. 199 ff. 129) Vgl. zur Auswahl der Planbetroffenen und zur Gruppenbildung AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236.

118

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Beziehungskonflikte ausgeräumt und der Weg zu einer angemessenen Sachlösung wird eröffnet.130) 2.

Vorlage eines Restrukturierungsplans

Zunächst sieht das Gesetz die Möglichkeit der Vorlage eines Restrukturierungsplanes 119 vor, mit dem die Rechtsverhältnisse der Antragstellerin zu ihren Vertragspartnern (Planbetroffene) inhaltlich umgestaltet werden können (§§ 2 – 4 StaRUG). Der sachliche Anwendungsbereich hinsichtlich der gestaltungsfähigen Rechte ist §§ 2 – 4 StaRUG zu entnehmen. Der persönliche Anwendungsbereich hinsichtlich der durch den Plan betroffenen Personen ergibt sich aus § 8 StaRUG. Hier ist besonders zu beachten, dass die StaRUG-Antragstellerin die Auswahlentscheidung über die Planbetroffenen selbst trifft, d. h. sie legt im Plan fest, welche Vertragsparteien und gesetzlichen Gläubiger mit ihren Forderungen in den Restrukturierungsplan einbezogen werden sollen. Eine solche Auswahlentscheidung trägt Konfliktpotenzial in sich, zumal sie von dem in der Krise befindlichen Unternehmen selbst getroffen wird. Es könnte sich beim betroffenen Gläubiger insoweit der Eindruck verfestigen, dass die (wirtschaftlich gescheiterte) Unternehmung zulasten bestimmter Beteiligter die Einbeziehungsentscheidung trifft. Deshalb sind die Auswahlkriterien zwingend transparent zu machen. Sie müssen inhaltlich überzeugend sein, d. h. frei von Willkür, angemessen, geeignet und im Einzelfall erforderlich. Das Restrukturierungsgericht überwacht diese Aspekte und darf ggf. rechtliche Hinweise hierzu erteilen.131) Der Restrukturierungsplan ist dem Insolvenzplan (§§ 217 – 269 InsO) hinsichtlich Art 120 und Inhalt strukturell vergleichbar. Auch das Verfahren hinsichtlich der Vorlage und Abstimmung über den Restrukturierungsplan hat Anleihen im Insolvenzplanrecht genommen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die gesetzlich erforderliche Auswahl der Planbetroffenen und die Gruppenbildung (§§ 8, 9 StaRUG).132) Sowohl im Insolvenzplanverfahren als auch im Restrukturierungsplanverfahren werden die Planbetroffenen aufgrund ihrer unterschiedlichen Rechtsbetroffenheit nach gerichtlich prüfbaren (verobjektivierten) Kriterien133) in Gruppen eingeteilt und stimmen sodann in diesen Gruppen über den Plan ab. Innerhalb der Gruppen müssen prinzipiell gleiche Rechte angeboten werden. Das Restrukturierungsgericht kann i. R. von § 38 Satz 1 StaRUG Mängel bei der Auswahl der Planbetroffenen und der Gruppenbildung aufzeigen, die bereits bei der Sichtung eines Entwurfs des Restrukturierungsplans erkennbar geworden sind oder sich i. R. von Vorgesprächen (analog § 10a InsO) gezeigt haben.134) Praktisch bedeutet dies für die Planentwickler, dass Gruppenbildung und Planinhalte mit 121 sämtlichen Planbetroffenen (und mit dem Restrukturierungsgericht) vorab erörtert und verhandelt werden sollten, bevor der Restrukturierungsplan im Wege des Planangebotes (§ 17 Abs. 1 StaRUG) schriftlich mit Anlagen vorgelegt oder zum gerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§§ 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 2 Nr. 1, 45 ff. StaRUG) eingereicht werden kann. Zumindest sollte der Entwurf des Restrukturierungsplans den Planbetrof___________ 130) Vgl. Damerius, Konfliktlösung bei der Sanierung von Unternehmen nach dem StaRUG, S. 17 ff. 131) AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236. 132) Vgl. AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236. 133) AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236. 134) AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236.

Frege/Nicht

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§4

1. Teil Allgemeines

fenen vorab hinreichend erläutert und die individuellen und kollektiven Vor- und Nachteile sollten nachvollziehbar beschrieben werden, auch wenn diese Vorbefassung der Beteiligten im Gesetz nicht vorgesehen ist. 122 Funktionell handelt es sich bei dem Restrukturierungsplan um ein zunächst außergerichtliches Schuldenbereinigungsangebot (§ 17 Abs. 1 StaRUG) mit der Maßgabe der inhaltlichen Anpassung der Rechte der Planbetroffenen, sofern diese dem Restrukturierungsplan zustimmen. Mit der Anpassung in diesem gesetzlichen Sinne wird in der Regel ein kurzfristig wirkender wirtschaftlicher Vorteil zugunsten der StaRUG-Antragstellerin gemeint sein, dem spiegelbildlich ein Rechtsnachteil auf der Seite des Planbetroffenen gegenübersteht (z. B. Stundung oder Kürzung einer bestehenden Forderung). Der Planbetroffene wird eine solche (nachteilige) Veränderung seiner Rechtsposition unter den gegebenen Umständen akzeptieren, wenn sich aus seiner subjektiven Sicht keine bessere Nichteinigungsalternative ergibt (z. B. weil ein Insolvenzverfahren beim Scheitern des StaRUG-Versuches zu einer weiteren Verschlechterung seiner Position führen würde) und wenn die Behandlung der anderen Verfahrensbeteiligten in Relation zur Behandlung des Planbeteiligten aus seiner Sicht fair und angemessen ist. 123 Das bedeutet in der Praxis, dass der vom Restrukturierungsplan betroffene Beteiligte eine inhaltliche Abwägung in zwei Richtungen durchführen wird, bevor er seine Stimme i. R. der Planerörterung abgibt: er wird die aus seiner subjektiven Sicht bestehenden Alternativen135) zu der Planverhandlungslösung beurteilen und bewerten (sog. Nichteinigungsalternativen) und er wird die mit dem Restrukturierungsplan vorgenommene Wertzuordnung und Wertverteilung aus seiner subjektiven Sicht beurteilen und bewerten.136) Hierauf muss das Planangebot inhaltlich und kommunikativ zugeschnitten sein. Denn dieses Angebot muss durch die in Gruppen eingeteilten Planbetroffenen angenommen werden. Wird es nicht nach §§ 17 Abs. 4, 19, 20 ff. StaRUG angenommen, gilt der Restrukturierungsplan als zurückgewiesen. 124 Wichtig ist beim außergerichtlichen Abstimmungsvorgang ebenso wie beim gerichtlichen Abstimmungstermin, dass es zum Überstimmen einzelner Planbetroffener kommen kann, denn die Planannahme erfolgt gemäß § 25 Abs. 1 StaRUG auf der Grundlage einer ¾-Mehrheit der Stimmrechte in jeder Gruppe mit der Option eines Obstruktionsverbotes gemäß § 26 StaRUG. Das bedeutet, der Planverfasser sollte sein Verhalten von vornherein darauf einrichten, möglichst die vollständige Zustimmung sämtlicher Planbetroffenen zu erlangen, kann jedoch bei Nichterreichen der nötigen Zustimmung den Versuch der Überregelung gemäß §§ 25, 26 StaRUG vornehmen. Es stehen im begrenzten Maße Eingriffsinstrumente zur Verfügung, mit denen ein Widerstand Planbetroffener juristisch überwunden werden kann. 125 Insoweit wird die Verhandlungsmacht auf Planverfasserseite erhöht und gesetzlich stabilisiert. Dennoch sollte die Strategie nicht von vornherein auf die Nutzung dieser Vorschriften ausgerichtet werden. Die StaRUG-Antragstellerin verfügt über begrenzte Machtinstrumente, um ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen gegenüber Opponenten durchsetzen zu können. Ungeachtet dessen sollte sie das außergerichtliche Restrukturierungsplanverfahren in der Variante der §§ 17 ff. StaRUG jedoch mediativ betreiben und die allseitige Verhandlungszustimmung suchen, denn sie kann ex ante keine absolute Sicherheit dahingehend erlangen, dass die Unbeachtlichkeit von Gegenstimmen tatsächlich festgestellt werden kann. ___________ 135) Vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 9, S. 219 ff. 136) Vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 8, S. 199 ff.

120

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Der Restrukturierungsplan kann auch in einem förmlichen gerichtlichen Abstimmungs- 126 prozess beim Restrukturierungsgericht behandelt werden (vgl. §§ 23, 45, 46 StaRUG). Die gerichtliche Abstimmung beim Restrukturierungsgericht erfolgt als ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG. Diese Variante weist zahlreiche Parallelen zur Insolvenzplanabstimmung im gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 InsO) auf. Sie wird vor allem gewählt, um das Verfahren der Planabstimmung noch rechtssicherer zu machen. Das wird insbesondere dann erforderlich sein, wenn die Planverfasserin mit Obstruktionen rechnet, z. B. weil solche Gegenmaßnahmen bereits im Vorfeld der Planvorlage angekündigt worden sind. Das gerichtliche Abstimmungsverfahren wird man sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit den §§ 26 – 28 StaRUG zu sehen haben. Das gerichtliche Abstimmungsverfahren setzt eine das Restrukturierungsplanverfahren einleitende Restrukturierungsanzeige (§ 31 StaRUG) voraus.137) Es dürfte feststehen, dass sich die Antragstellerin mit dem gerichtlichen Abstimmungsverfahren ein zusätzliches Machtinstrument verschafft, denn die gerichtliche Leitung des Abstimmungstermins gemäß § 45 StaRUG wird sich disziplinierend auswirken. Wichtige Kommunikationsbedürfnisse im Vorfeld des Planangebotes (§ 17 Abs. 1 Sta- 127 RUG) lassen sich beim Restrukturierungsplan wie folgt zusammenfassen: 

Mit den Planbetroffenen ist zu erörtern, wer von der StaRUG-Antragstellerin als Planbetroffener gemäß § 8 StaRUG ausgewählt wird und welche Kriterien hierbei zugrunde gelegt werden.



Mit den Planbetroffenen ist zu erörtern, welche Gruppen nach Maßgabe von § 9 StaRUG gebildet werden und welche Gruppenbildungskriterien hierbei angelegt werden.



Mit den Planbetroffenen ist zu erörtern, welche gestaltbaren Rechtsverhältnisse in den Restrukturierungsplan einbezogen werden (§ 2 StaRUG) und aus welchem Grund.



Mit den Planbetroffenen ist zu erörtern, welche Stimmrechte die Planbetroffenen im Hinblick auf die Abstimmung erhalten werden.



Mit den Planbetroffenen ist zu erörtern, welche inhaltlichen Umgestaltungen der Rechte erfolgen werden und wie die Haftung des Schuldners nach Planannahme gestaltet sein soll.



Mit den Planbetroffenen ist zu erörtern, wie die Erfüllung des Restrukturierungsplans abgesichert sein soll.

Im Hinblick auf die beizubringenden Unterlagen legt das StaRUG in § 14 Abs. 1 fest, 128 dass mit dem Restrukturierungsplan eine begründete Erklärung der Planvorlegenden beizubringen ist, wonach die drohende Zahlungsunfähigkeit durch den Plan (bzw. dessen Effekte) beseitigt wird. Außerdem muss erklärt und beschrieben werden, dass die Bestandsfähigkeit des in der Krise befindlichen Unternehmens sichergestellt oder wiederhergestellt wird. Diese Erklärungen werden vom Gesetzgeber offenbar als geeignet angesehen, ein Vertrauen der Planbetroffenen in die Notwendigkeit und Geeignetheit des Restrukturierungsplans zu schaffen. Zur Objektivierung muss die Planvorlegende nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 StaRUG Re- 129 chenwerke beibringen, die für die Entscheidungsfindung der Planbetroffenen unerlässlich sind. Hierzu gehört eine Vermögensübersicht, in der die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit den Werten gegenübergestellt werden, die sich bei Wirksamwerden ___________ 137) Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 27.

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1. Teil Allgemeines

des Restrukturierungsplans gegenüberstünden. Zudem müssen Aufwendungen und Erträge prognostiziert werden für die Zeitspanne der Befriedigung der Planbetroffenen. 130 Der Gesetzgeber erwartet, dass insoweit auch die Zahlungsfähigkeit nachgewiesen wird. Deshalb sind in die prognostische Beurteilung nicht lediglich die Forderungen der Planbetroffenen aufzunehmen, sondern auch die vom Restrukturierungsplan nicht berührten Rechte und die neu entstehenden Rechte. Der Gesetzgeber gibt mit den §§ 14, 15 StaRUG die Kommunikationsinhalte selbst verbindlich vor. 3.

Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente

3.1

Überblick

131 Das StaRUG sieht vor, dass zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit die in § 29 Abs. 2 StaRUG beschriebenen Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch genommen werden können. Dies sind: 

das gerichtliche Planabstimmungsverfahren (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 23, 45, 46 StaRUG),



die gerichtliche Vorprüfung des Restrukturierungsplans (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. §§ 46, 47, 48 StaRUG),



die gerichtliche Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. §§ 49 ff. StaRUG),



die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. §§ 60 ff. StaRUG).

132 Diese Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können durch die Antragstellerin unabhängig voneinander „in Anspruch genommen werden“ (§ 29 Abs. 3 StaRUG). Aus der Formulierung des Gesetzes ist zu schließen, dass es letztlich Sache der Antragstellerin selbst ist zu entscheiden, welche Maßnahmen aus ihrer Perspektive zweckmäßig sind und im Einzelfall zur Anwendung kommen sollen. Je nach Interessenlage lässt sich durch gezielte Auswahl, den Übergang von einem Instrument auf ein anderes oder durch die Hinzunahme weiterer Sanierungsinstrumente, Einfluss auf mögliche obstruierende Gläubiger nehmen.138) Die Zweckmäßigkeit der Anwendung der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist beim Restrukturierungsgericht vorzutragen und es müssen die gesetzlich geregelten Anordnungsvoraussetzungen im Einzelnen schlüssig dargelegt werden. Ein Vorgespräch analog § 10a InsO ist zulässig.139) Diese ergeben sich aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang der gewählten Einzelmaßnahme (vgl. §§ 45 ff., 47 ff., 50 ff., 60 ff. StaRUG). 133 Weil die Anwendung der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens mit (teilweise erheblichen) Grundrechtseingriffen in die geschützten Positionen der Planbetroffenen verbunden sein kann (z. B. bei der Untersagung oder einstweiligen Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder der Verwertungssperre hinsichtlich Aus- und Absonderungsgütern) sind hohe Anforderungen an das Schutzbedürfnis der Antragstellerin zu stellen. Diese hohen Anforderungen haben sich im Tatbestand der gesetzlichen Anordnungstatbestände bereits niedergeschlagen (siehe sogleich unter Rz. 137 ff. bis Rz. 154 ff.). 134 Grundlegende Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist zunächst die Anzeige des Restrukturierungs___________ 138) Schelo, WM 2021, 513, 514. 139) AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236.

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

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vorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht gemäß § 31 Abs. 1 StaRUG unter Beibringung der Unterlagen gemäß § 31 Abs. 2 StaRUG. Mit ihr wird die Restrukturierungssache rechtshängig. Ob danach weitere (zusätzliche) Anordnungsvoraussetzungen zu beachten sind, hängt von der Art der begehrten Maßnahme und der Intensität der mit ihr verbundenen Rechtseingriffe ab. Je gewichtiger die vom Restrukturierungsgericht vorgenommenen Interventionen sind, umso höher liegen die materiellen gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen und entsprechend erhöht sich auch die Vortragslast der Antragstellerin. Das StaRUG folgt einer Tendenz in der jüngeren Gesetzgebung im Insolvenz- und Sanie- 135 rungsrecht, wonach die Handlungsanforderungen im Hinblick auf Antragstellungen unmittelbar, ausführlich und präzise im Gesetz niedergelegt und beschrieben sind. Der moderne Gesetzgeber sagt den Antragstellerinnen konkret, welche Angaben, Aussagen, Handlungen, Dokumente und Nachweise er von ihnen im Detail erwartet. Hiermit strukturiert der Gesetzgeber selbst die Kommunikation zwischen Restrukturierungsgericht und Antragstellerin und vermeidet Unklarheiten und damit Rechtsunsicherheit. Das führt auf den ersten Blick zu sehr komplexen und umfangreichen gesetzlichen Vorschriften, die im Ergebnis jedoch zu einer effizienten Arbeitsweise führen können. Zeitverluste aufgrund von Mehrfachbefassungen (z. B. durch das Nachfordern zusätzlicher Dokumente) werden hierdurch vermieden. Das Restrukturierungsgericht kann i. R. von verfahrensleitenden Hinweisen reagieren.140) Aus den einzelnen Gesetzeskomplexen zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Re- 136 strukturierungsrahmens ergeben sich die kommunikativen Vorgaben im Rechtsverhältnis zwischen Antragstellerin und Restrukturierungsgericht. Es gelten die nachfolgenden Vorgaben: 3.2

Gerichtliche Planabstimmung (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG)

Im Hinblick auf die gerichtliche Planabstimmung (§§ 29 Abs. 2 Nr. 1, 45 StaRUG) 137 muss zuerst die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht erfolgen (§ 31 Abs. 1 StaRUG). Eine bestimmte Form sieht die Vorschrift nicht vor, aber es dürfte sich in der Praxis die Schriftform anbieten. Der Anzeige sind nach § 31 Abs. 2 StaRUG beizufügen: 

der Entwurf eines Restrukturierungsplans oder, sofern ein solcher nach dem Stand des angezeigten Vorhabens noch nicht ausgearbeitet und ausgehandelt werden konnte, ein Konzept für die Restrukturierung, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Restrukturierung (Restrukturierungsziel) sowie die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Restrukturierungsziels in Aussicht genommen werden;



eine Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, an dem Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen und



eine Darstellung der Vorkehrungen, welche der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, seine Pflichten nach diesem Gesetz zu erfüllen.

Der Schuldner hat nach § 31 Abs. 2 StaRUG bei der Anzeige zudem anzugeben, ob die 138 Rechte von Verbrauchern oder von mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen, insbesondere, weil deren Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch einen Restrukturierungsplan gestaltet oder die Durchsetzung dieser Forderungen durch eine Stabilisierungsanordnung vorübergehend gesperrt werden sollen. Anzugeben ___________ 140) AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236.

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ist auch, ob damit zu rechnen ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Widerstand einer nach Maßgabe des § 9 StaRUG zu bildenden Gruppe durchgesetzt werden kann. Des Weiteren sind frühere Restrukturierungssachen unter Angabe des befassten Gerichts und Aktenzeichens anzugeben. 139 Mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht kann der Antrag auf gerichtliche Planabstimmung verbunden werden. Gemäß § 45 Abs. 2 StaRUG ist dem Antrag der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen. Das Restrukturierungsgericht wird sodann die Planbetroffenen gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 StaRUG laden oder die Ladung der Antragstellerin aufgeben. 140 Aus dem Blickwinkel der Kommunikation in der Krise ist zu empfehlen, die entsprechenden Antragstellungen nach §§ 29, 31, 45 StaRUG durch persönliche Vorgespräche mit dem Restrukturierungsgericht vorzubereiten. Auch die Planbetroffenen sind parallel zu informieren. Es darf nicht verkannt werden, dass die Instrumente des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens sowohl für die Restrukturierungsgerichte als auch (und vor allem) für die Planbetroffenen noch wenig bekannt sind. Der Umgang mit kaum erprobten rechtlichen Konstruktionen und Verfahrensvarianten unter Zeitdruck und Handlungsdruck ist für alle Beteiligten problematisch und führt sehr wahrscheinlich zu einer gewissen Verunsicherung, die in Zurückhaltung und schlimmstenfalls Blockadeverhalten umschlagen könnte. Insoweit ist es zwar nicht rechtliche Pflicht, die Adressaten der Restrukturierungsmaßnahmen sachgerecht und zeitgerecht über geplante Maßnahmen und Schritte zu informieren. Aber erfahrungsgemäß gelingt es hierdurch wesentlich besser, eine geeignete Atmosphäre für eine Konsensfindung herzustellen. 141 Es empfiehlt sich, dass die Antragstellerin selbst durch ihre gesetzlichen Vertretungsorgane handelt, um das Restrukturierungsziel und die betriebswirtschaftliche Seite des Restrukturierungsplans glaubwürdig darzustellen und verantworten zu können. Gleichwohl dürfte die Hinzuziehung eines geeigneten Beratungsunternehmens, welches im Bereich des Insolvenz- und Sanierungsrechts fachlich einschlägig ausgewiesen ist, zweckmäßig und geboten sein. Denn die Beratungsgesellschaft kann zur rechtlichen Seite des Restrukturierungsplans Auskunft geben und insoweit die fachliche Expertise beisteuern. Zudem wird die Beratungsgesellschaft in der Regel als objektiv und unbefangen wahrgenommen und kann daher z. B. die Fähigkeit zur Erfüllung der Pflichten nach dem StaRUG beurteilen und insoweit eine Bestätigung abgeben. Es darf nicht verkannt werden, dass eine Restrukturierung nach dem StaRUG ein höchst komplexer rechtlicher und wirtschaftlicher Vorgang ist, den ein Schuldnerunternehmen aus eigener Kraft und mit eigenen Ressourcen nicht leisten können wird. 3.3

Gerichtliche Vorprüfung (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG)

142 Als Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens steht die gerichtliche Vorprüfung des Restrukturierungsplans zur Verfügung (§§ 46, 47 StaRUG). Sie soll nach der gesetzlichen Konzeption auf Antrag des Schuldners gemäß § 46 Abs. 1 StaRUG stattfinden (allerdings kann der Termin zumindest beim gerichtlichen Planabstimmungsverfahren auch von Amts wegen bestimmt werden, wenn das Restrukturierungsgericht das für zweckmäßig hält). Die gerichtliche Vorprüfung findet in einem Termin beim Restrukturierungsgericht statt, der vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin angesiedelt ist (§ 46 Abs. 1 StaRUG). Die Planbetroffenen sind analog § 45 Abs. 3 StaRUG zu laden. In dem Vorprüfungstermin kann jede Sach- und Rechtsfrage behandelt werden, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich ist. Das gilt gleichermaßen für den Restrukturierungsplan, der im gerichtlichen Planbestätigungsverfahren behandelt

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

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werden soll, und auch für den Restrukturierungsplan in der Versammlungsabstimmung gemäß §§ 20 ff. StaRUG. Auch hinsichtlich der gerichtlichen Vorprüfung gilt, dass die entsprechenden Antragstel- 143 lungen nach §§ 29, 31, 46, 47 StaRUG durch persönliche Vorgespräche mit dem Restrukturierungsgericht vorzubereiten sind.141) Auch die Planbetroffenen sind parallel zu informieren. Im Hinblick auf die Vorprüfung dürfte das Restrukturierungsgericht der primäre An- 144 sprechpartner sein, denn es wird von diesem eine juristische Einschätzung zum Restrukturierungsplan erwartet, die gemäß § 46 Abs. 2 StaRUG in einem „Hinweis“ des Gerichts zusammengefasst werden muss. Es gilt hier, dem Restrukturierungsgericht vorab vertraulich zu erläutern, aus welchen konkreten Gründen die Vorprüfung beantragt werden soll und welche Schwierigkeiten und ggf. Obstruktionen aus der Sicht der potenziellen Antragstellerin befürchtet werden. Die Antragstellerin ist gut beraten, im Vorfeld präzise zu analysieren, welche Hindernisse konkret zu erwarten sind und diese sollten in einem Vermerk niedergelegt werden. Diese Tatsachen sind dem Gericht in aufbereiteter Form vertraulich vorzulegen, um die Bearbeitung durch den Richter/die Richterin sachgerecht vorzubereiten und letztlich zu erleichtern. Auch wenn die Beurteilungskompetenz letztlich beim Restrukturierungsgericht liegt, ist es nach der Gesamtkonzeption des StaRUG Sache der Antragstellerin in eigenen Angelegenheiten das Verfahren zu gestalten und in die richtigen Bahnen zu lenken. Mit Blick auf die potenziellen Planbetroffenen ist die Empfehlung naheliegend, diese über 145 den geplanten Antrag auf gerichtliche Vorprüfung vorab zu informieren. Die Planbetroffenen werden durch die Ladung zum Vorprüfungstermin ohnehin von der Vorprüfung Kenntnis erlangen, so dass es zweckmäßig erscheint, ihnen diesen Vorgang anzukündigen. Diese Vorwegnahme schafft zunächst ein erforderliches Arbeitsvertrauen und kann dazu dienen, die (möglicherweise strapazierte) Beziehung zwischen der Antragstellerin und den potenziellen Planbetroffenen zu verbessern. Die Gründe für die Notwendigkeit der Vorprüfung sollten gegenüber den Planbetroffenen jedoch nicht offen artikuliert werden. Insoweit sind Form und Inhalt der Ansprache anders zu wählen als gegenüber dem Restrukturierungsgericht. Den Planbetroffenen sollte kommuniziert werden, „dass“ eine Vorprüfung durch das Restrukturierungsgericht angestrebt wird und dass diese Maßnahme im Ergebnis mehr Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Verlässlichkeit schaffen wird. Hierdurch wird der Restrukturierungsvorgang formalisiert. Es darf nicht verkannt werden, dass sich die Planbetroffenen i. R. der Restrukturierung regelmäßig in einer unsicheren Situation befinden, die sich typischerweise negativ auf das Verhalten auswirkt. Es ist umso mehr geboten, das Bedürfnis nach Klarheit, Berechenbarkeit, Vorhersagbarkeit, Absicherung zu erkennen und sachgerecht zu bedienen. 3.4

Stabilisierungsanordnung (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG)

Als Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens steht die gerichtliche 146 Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung zur Verfügung (sog. Stabilisierung). Hierzu ist gesetzlich die Stabilisierungsanordnung durch das Restrukturierungsgericht vorgesehen, die nach § 49 Abs. 1 StaRUG sowohl die Vollstreckungssperre (Abs. 1 Nr. 1) als auch die Verwertungssperre (Abs. 1 Nr. 2) enthalten kann. Der Gesetzgeber hat sich hierbei erkennbar an § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 5 InsO angelehnt. Die Stabilisierungsanordnung ergeht auf Antrag ___________ 141) Vgl. AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 234; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZRI 2022, 236.

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der Schuldnerin, soweit dies nach Ansicht des Restrukturierungsgerichts „zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist“. Der Wortlaut lässt den Schluss auf eine pflichtgebundene Ermessensentscheidung des Restrukturierungsgerichts zu. 147 Erforderlich ist zunächst ein Antrag des betroffenen Unternehmens, der in § 50 StaRUG im Detail geregelt ist. Hiernach muss der Schuldner die beantragte Stabilisierungsanordnung (Vollstreckungssperre und/oder Verwertungssperre) dem Inhalt und Adressatenkreis und der Dauer gemäß bezeichnen. Das bedeutet, der Antrag muss präzise ausführen, gegen welchen Planbetroffenen sich die Maßnahme mit welchem genauen Inhalt richten soll und für welchen Zeithorizont der gerichtliche Schutz angeordnet werden soll. 148 Dem Antrag muss die Restrukturierungsplanung beigefügt werden, die folgenden inhaltlichen Maßgaben zu entsprechen hat (§ 50 Abs. 2 StaRUG): 

einen auf den Tag der Antragstellung aktualisierten Entwurf des Restrukturierungsplans oder ein auf diesen Tag aktualisiertes Konzept für die Restrukturierung nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1,



einen Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten umfasst und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des Unternehmens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll; dabei bleiben Finanzierungsquellen außer Betracht, die sich mit dem Restrukturierungsziel nicht vereinbaren lassen.

149 Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die Antragstellerin zu erklären hat: 

ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern sie sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber den Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet,



ob und in welchen Verfahren zu ihren Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 5 der Insolvenzordnung angeordnet wurden und



ob sie für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre ihren Verpflichtungen aus den §§ 325 bis 328 oder aus § 339 HGB nachgekommen ist.

150 Damit beschreibt das StaRUG die aus der Sicht des Gesetzgebers erforderlichen Kommunikationsinhalte in der Rechtsbeziehung zwischen der Antragstellerin und dem Restrukturierungsgericht im Hinblick auf die begehrte Stabilisierungsanordnung. 151 Hierbei ist jedoch nicht zu verkennen, dass es sich dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 StaRUG zufolge um eine Ermessensentscheidung des Restrukturierungsgerichts handelt, denn das Gericht beurteilt, ob die begehrte Maßnahme zur Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist. Zudem legt § 51 StaRUG eine Vielzahl weiterer Entscheidungskriterien fest. Das Restrukturierungsgericht hat zu beurteilen, ob die Restrukturierungsplanung vollständig und schlüssig ist (§ 51 Abs. 1 StaRUG). Auch dürfen keine Umstände bekannt sein, aus denen sich ergibt, dass 

die Planungen und Erklärungen auf unzutreffenden Tatsachen beruhen,



die Restrukturierung aussichtslos ist,



drohende Zahlungsunfähigkeit noch nicht vorliegt,



die Anordnung nicht erforderlich ist, um das Restrukturierungsziel zu erreichen.

152 Zu diesen entscheidungserheblichen Aspekten muss die Antragstellerin substantiiert vortragen, auch wenn dies nicht in § 50 StaRUG ausdrücklich gefordert wird. Zwar soll

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

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das Restrukturierungsgericht anhand der vorgelegten Dokumente selbst entscheiden, aber es dürfte zweckmäßig sein, diese Entscheidung durch unterstützenden Sachvortrag in die richtige Richtung zu bringen. Zudem dürfte es sich auch hinsichtlich der Stabilisierungsanordnung anbieten, die Plan- 153 betroffenen über die beantragten Maßnahmen zu informieren und insoweit „mit offenen Karten“ zu spielen. Es ist nochmals zu betonen, dass das StaRUG-Verfahren als ein grundsätzlich konsensorientiertes Verfahren konzipiert worden ist. Die Vereinbarung einer Sanierungslösung beruht maßgeblich auf der Zustimmung der Planbetroffenen zum Restrukturierungsplan. Auch wenn einzelne „Störer“ mittels der speziellen Instrumente des StaRUG „in den Griff“ zu bekommen sind, ist es dennoch unerlässlich, sich die Mitwirkungsbereitschaft und die Unterstützung der großen Masse der Planbetroffenen zu erarbeiten. Dies gelingt nicht zuletzt dadurch, dass die Antragstellerin offensiv und transparent vorgeht und die Planbetroffenen angemessen informiert. 3.5

Planbestätigung (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG)

Als Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens steht die gerichtliche 154 Bestätigung des Restrukturierungsplans zur Verfügung (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. §§ 60 ff. StaRUG). Auf Antrag der Schuldnerin bestätigt das Restrukturierungsgericht den von den Planbe- 155 troffenen angenommenen Restrukturierungsplan durch einen Beschluss. Die Bestätigung ist gesetzlich sowohl für den im gerichtlichen Verfahren beschlossenen Restrukturierungsplan vorgesehen (§ 45 StaRUG) als auch für den Restrukturierungsplan, der in der Abstimmung nach §§ 20 ff. StaRUG zustande gekommen ist. An den Antrag sind keine besonderen formalen und materiellen Anforderungen im Gesetz 156 gestellt. Hinsichtlich der Begründetheit des Antrags ist auf die Versagungsgründe (§ 63 StaRUG) abzustellen. Zudem ist gemäß § 64 StaRUG Minderheitenschutz zu gewähren. Mit Blick auf die Planbetroffenen ist die Empfehlung geboten, diese über den Antrag auf 157 gerichtliche Bestätigung vorab zu informieren. Die Gründe für die Notwendigkeit der Bestätigung sollten gegenüber den Planbetroffenen offen artikuliert werden. Die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans durch Beschluss schafft Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. 4.

Restrukturierungsbeauftragter

Das StaRUG stellt in Kapitel 3 den Beteiligten der Restrukturierung eine Rechtsfigur als 158 institutionalisierten Ansprechpartner in Gestalt des sog. Restrukturierungsbeauftragten zur Verfügung. Die Regelungen hierzu finden sich in den §§ 73 – 83 StaRUG. In Abschnitt 1 des Kapitels 3 des StaRUG wird zunächst der von Amts wegen zu bestellende Restrukturierungsbeauftragte behandelt. In Abschnitt 2 des Kapitels 3 des StaRUG wird der auf Antrag zu bestellende Restrukturierungsbeauftragte behandelt. Beide Varianten unterscheiden sich deutlich im Hinblick auf die vom Gesetz übertragenen Aufgaben. Folglich sind auch die Anforderungen an Art und Umfang von Kommunikation und Verhandlungsführung verschieden. 4.1

Bestellung von Amts wegen (§ 73 StaRUG)

4.1.1 Bestellungsgründe (§ 73 Abs. 1 bis Abs. 3 StaRUG) Die Bestellung vom Amts wegen erfolgt gemäß § 73 Abs. 1 bis Abs. 3 StaRUG aufgrund 159 inhaltlich verschiedener Anlässe. Sie lassen sich nicht zu einer griffigen Formel zusammenfassen. Sondern der Gesetzgeber hat unterschiedliche Situationen vor Augen geFrege/Nicht

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habt, welche die amtswegige Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten rechtfertigen und erforderlich machen. Folglich sind auch die Aufgaben und Kompetenzen des amtswegigen Restrukturierungsbeauftragten sehr unterschiedlich in § 76 Abs. 1 bis Abs. 6 StaRUG ausgestaltet und damit ergeben sich selbstverständlich spezifische Maßgaben im Hinblick auf die erforderliche Kommunikation und ggf. Verhandlungsführung. 160 Das Gesetz führt zunächst in § 73 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StaRUG Tatbestände auf, die den Anlass zur amtswegigen Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten geben (Bestellungsgründe). Danach bestellt das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten, wenn:  i. R. der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen, weil deren Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden sollen oder die Durchsetzung solcher Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch eine Stabilisierungsanordnung gesperrt werden soll,  der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung beantragt, welche sich mit Ausnahme der nach § 4 StaRUG ausgenommenen Forderungen gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten soll,  der Restrukturierungsplan eine Überwachung der Erfüllung der den Gläubigern zustehenden Ansprüche vorsieht (§ 72 StaRUG). 161 Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 StaRUG erfolgt eine amtswegige Bestellung auch, wenn absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften erreichbar ist, ohne deren Zustimmung zum Restrukturierungsplan eine Planbestätigung allein unter den Voraussetzungen des § 26 StaRUG möglich ist. 162 Schließlich kann das Restrukturierungsgericht gemäß § 73 Abs. 3 StaRUG eine amtswegige Bestellung vornehmen, um Prüfungen als Sachverständiger vorzunehmen, insbesondere zu den Bestätigungsvoraussetzungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 64 Abs. 1 StaRUG oder zur Angemessenheit der Entschädigung bei einem Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten oder einer Beschränkung der Haftung von unbeschränkt haftenden Gesellschaftern. 4.1.2 Aufgaben und Befugnisse (§ 76 Abs. 1 bis Abs. 6 StaRUG) 163 Die im Hinblick auf die Verfahrenskommunikation zu stellenden Anforderungen bestimmen sich ganz maßgeblich nach den Aufgaben und Kompetenzen des Restrukturierungsbeauftragten. 164 Soweit dieser vorrangig als gerichtliches Aufsichts- und Überwachungsinstrument tätig wird (§ 76 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 4 StaRUG), kommt eine tendenziell eher förmliche und verfahrenstechnische Kommunikation in Betracht. Vor allem wird diesbezüglich die Gesprächsbeziehung zwischen dem Restrukturierungsgericht und dem Restrukturierungsbeauftragten eine zentrale Rolle spielen. Das bevorzugte Kommunikationsmittel wird der Zwischenbericht sein. Der Restrukturierungsbeauftragte ist in dieser Funktionalität einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zumindest teilweise vergleichbar. 165 Soweit der Restrukturierungsbeauftragte gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG die Planabstimmung leitet und Rechte der Beteiligten prüft, ist er einem Justizorgan oder einem Notar vergleichbar und übernimmt Leitungsverantwortung. Als Versammlungsleiter wird der Restrukturierungsbeauftragte vor allem in seiner funktionalen Rolle als unabhängiger und neutraler Verfahrensrechtsexperte wahrgenommen, der die Gewähr für den richtigen Ablauf der Versammlung und die zutreffende Beurteilung der geltend gemachten Rechte zu übernehmen hat. Er wird weniger als Berater oder Mediator gesehen werden. 128

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Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren 4.2

§4

Bestellung auf Antrag (§ 77 StaRUG)

Auf Antrag der Schuldnerin bestellt das Restrukturierungsgericht einen fakultativen Re- 166 strukturierungsbeauftragten mit dem Ziel der Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten. Zur Antragstellung sind auch Gläubiger berechtigt, soweit auf sie mehr als 25 % der Stimmrechte in einer Gruppe entfallen und wenn sie sich zur gesamtschuldnerischen Übernahme der Kosten der Beauftragung verpflichten. Die Antragstellung kann darauf abzielen, dem fakultativen Restrukturierungsbeauftragten 167 zusätzliche Aufgaben gemäß § 76 StaRUG zuzuweisen, die über das eigentliche Hauptziel der Förderung der Verhandlungen hinausgehen. Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte hat die gesetzliche Aufgabe, den Schuldner 168 und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung eines Restrukturierungskonzeptes und des auf ihm basierenden Restrukturierungsplans zu unterstützen (§ 79 StaRUG). Damit gibt der Gesetzgeber eine besondere Form der Allparteilichkeit vor, wie man diese sonst aus dem Bereich der Mediation kennt. Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte steht weder im Lager der Schuldnerin noch im Lager der Gläubiger. Er nimmt eine objektivierte und neutrale verfahrensrechtliche Rolle auf einer übergeordneten Betrachtungs- und Handlungsebene ein. Er wird die Steuerung der notwendigen Informationsflüsse übernehmen und zwischen den verschiedenen Beteiligten der Restrukturierung konstruktiv vermitteln. Er wird sein Augenmerk darauf zu legen haben, Verhärtungen und Spannungen zwischen den Beteiligten zu vermeiden und – soweit vorhanden – diese aufzulösen, um den Prozess der Entwicklung einer Sanierungslösung voranzubringen. Er ist nicht originär für den Inhalt des Restrukturierungskonzeptes und des Restrukturierungsplans persönlich verantwortlich; insoweit unterscheidet er sich z. B. von einem Insolvenzverwalter, der nach § 218 InsO einen Insolvenzplan aufgrund eines originären eigenen Planvorlagerechts entwickelt und einreicht. Die Verwendung des Tatbestandsmerkmals „zur Förderung der Verhandlungen zwischen 169 den Beteiligten“ in § 77 StaRUG weist eher in die Richtung einer mediativen Vermittlerrolle, von der wichtige Handlungsimpulse ausgehen können und die durch übergeordnete Lenkungsüberlegungen gekennzeichnet ist. Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte kann damit auch Taktgeber des Vorgangs und dessen Dirigent sein. Die dazu erforderlichen persönlichen und charakterlichen Eigenschaften und Fähigkei- 170 ten dürften vorrangig in den folgenden Bereichen anzusiedeln sein: 

im Bereich des Projektmanagements,



in der Verhandlungsführung und



in der Mediation.

Denn erwünscht ist eine Person, die im schwierigen Umfeld der Unternehmenskrise eine 171 Lenkungs- und Vermittlungsfunktion übernimmt, ohne dabei zugleich für das Ergebnis persönlich verantwortlich zu sein. Aus der Sicht der Beteiligten der Restrukturierung sind deshalb maßgebend: 

die persönliche Integrität,



die Unvoreingenommenheit,



die Neutralität dem Vorhaben und den Beteiligten gegenüber,



die Kommunikationsfähigkeit.142)

___________ 142) Zur Rolle des Mediators und seinen Schlüsselqualifikationen vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 3, S. 85 ff.

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§4

1. Teil Allgemeines

172 Es sollte nicht verkannt werden, dass in der Restrukturierungssituation in erheblichem Maße Verunsicherung und möglicherweise Misstrauen bei den Beteiligten herrschen können. Die Beteiligten des Sanierungsversuches befinden sich in einem potenziellen Verlustszenario, welches durch die verschiedenen Formen der Verlustangst gekennzeichnet ist. Damit sind nicht selten negative (fast immer irrationale) Entscheidungen verbunden. Es ist deshalb von besonderer Bedeutung, einen Restrukturierungsbeauftragten auszuwählen, der die vorhandenen Emotionen der Beteiligten143) und deren potenzielle Konfliktlagen zu verstehen in der Lage ist.144) Diese Persönlichkeit sollte aus eigener praktischer Erfahrung heraus die typischen Konfliktebenen einschätzen und Lösungsstrategien hierfür entwickeln können. 173 Die Verwendung des Tatbestandsmerkmals „unterstützt den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung“ in § 79 StaRUG weist eher in die Richtung einer fachlichen Beraterrolle, die durch technische Fachkenntnis im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts und im Bereich der Betriebswirtschaft gekennzeichnet ist. Hier wird es den Beteiligten der Restrukturierung in erster Linie auf das fachspezifische Know-how des Sanierungsexperten ankommen, welches er den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung zu stellen hat. Er muss demgemäß wissen, wie ein Restrukturierungskonzept zu erarbeiten und in einen Restrukturierungsplan zu überführen ist. Hier dürften vor allem erfahrene Insolvenzpraktiker berufen sein, denn die Beteiligten der Restrukturierung werden sich auf die einschlägige Expertise des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten verlassen wollen. 5.

Anordnung der Sanierungsmoderation (§§ 94 – 100 StaRUG)

174 Im Stadium der Unternehmenskrise kann beim Restrukturierungsgericht ein Antrag auf Bestellung eines Sanierungsmoderators gestellt werden. Der Antrag zielt darauf ab, die gerichtliche Anordnung einer Sanierungsmoderation zu erreichen. Die Sanierungsmoderation ist dem Restrukturierungsverfahren vorgelagert. Sie ist nicht öffentlich und dient dazu, eine Einigung zwischen dem noch nicht zahlungsunfähigen und noch nicht überschuldeten Schuldnerunternehmen und dessen Gläubigerschaft herbeizuführen. 175 Gemäß § 96 Abs. 1 StaRUG vermittelt der Sanierungsmoderator zwischen der StaRUGAntragstellerin und ihren Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten. Soweit ein Sanierungsvergleich zustande kommt und durch das Restrukturierungsgericht gemäß § 97 Abs. 1 StaRUG bestätigt werden soll, nimmt der Sanierungsmoderator schriftlich zur Schlüssigkeit des Sanierungskonzeptes und dessen Erfolgsaussichten gegenüber dem Restrukturierungsgericht Stellung. Die in Anlehnung an die französische Procédure de Conciliation konzipierte Sanierungsmoderation145) ist ein vom Ansatz her konsensuales Verfahren, sodass der Sanierungsvergleich der Zustimmung aller Beteiligten bedarf; Mehrheitsentscheidungen sind in diesem Stadium gesetzlich nicht vorgesehen und der Sanierungsvergleich wirkt auch nicht gegenüber Gläubigern, die an ihm vertraglich nicht beteiligt sind (mithin nicht zugestimmt haben). Um den Konsenswillen der Beteiligten zu fördern, sieht das Gesetz die Anfechtungsfestigkeit des Sanierungsvergleichs vor (§ 97 Abs. 3 StaRUG).

___________ 143) Zur Bedeutung der Emotionen für die Verhandlungsführung vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 5, S. 127 ff. 144) Zur Bedeutung der Konfliktdiagnose vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 4, S. 105 ff. 145) Arnold/Slawik, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 79, 80.

130

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Die Bestellung des Sanierungsmoderators wird nicht öffentlich bekannt gemacht. Es 176 handelt sich um ein vertrauliches und stilles Verfahren. Er untersteht aber der Aufsicht des Restrukturierungsgerichts und ist diesem gegenüber berichtspflichtig. Der Sanierungsmoderator ist in seiner Vermittlerrolle einem Mediator vergleichbar, denn 177 das Gesetz bedient sich vorliegend der technischen Methoden der Mediation.146) Er übernimmt im Verfahren der Sanierungsmoderation keine eigene Ergebnisverantwortung. Er übernimmt jedoch die Verantwortung für die Prozesssteuerung, mithin für die Durchführung eines mediativen Vorgangs, der auf einen schnellen Konsens ausgerichtet ist. Das Verfahren ist durch die Idee getragen, dass in einem relativ frühen Zeitpunkt in der Unternehmenskrise, in dem Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung noch nicht vorliegen, der latente Einigungswille aller Beteiligten grundsätzlich vorhanden und für eine einvernehmliche Lösung im Interesse der StaRUG-Antragstellerin nutzbar ist. Die latent vorhandenen Einigungspotenziale sollen durch den Einsatz des Sanierungsmoderators aktiviert und zueinander geführt werden. Hierfür wird es tatsächlich nicht ausreichend sein, wenn sich der Sanierungsmoderator auf eine Moderatorenrolle begrenzen lässt. Vielmehr wird er – in Anlehnung an einen evaluativen Mediationsstil – auch fachliche Bewertungen und Beurteilungen einfließen lassen.147) Er weist insoweit Parallelen zu einem Schiedsrichter oder Schiedsgutachter auf.148) Denn angesichts der bereits eingetretenen Krise im Unternehmen liegen Eilbedürftigkeit und Handlungsdruck vor. Hierdurch werden typischerweise sog. Stressoren aktiviert und die Situation kann (emo- 178 tional) instabil sein. In einer derartigen Ausgangslage haben die Beteiligten der Sanierungsmoderation regelmäßig weder die nötige Zeit noch die innere (mentale) Bereitschaft, die Ausarbeitung der Konfliktlösung vollkommen eigenverantwortlich zu übernehmen und sich lediglich im Hinblick auf den abstrakten Vorgang anleiten zu lassen. Vielmehr wird die Erwartungshaltung dahingehend formuliert sein, dass der Sanierungsmoderator den Vorgang fachlich (betriebswirtschaftlich und insolvenzrechtlich) durch sachverständige Analysen begleitet und zugleich die Moderation zwischen den verschiedenen involvierten Interessen vornimmt. Der Sanierungsmoderator weist in dieser Sicht eine hybride Verfahrensposition auf. Je nach vorliegender Sachverhaltskonstellation wird der Sanierungsmoderator seine vorhandenen Kompetenzen aussteuern müssen und dabei situativ entscheiden, wieviel fachliche Gutachtertätigkeit er im Einzelfall entfaltet. Der Sanierungsmoderator muss in jedem Verfahren darauf bedacht sein, den Prozess der 179 Sanierungsverhandlung personell, zeitlich und sachlich zu strukturieren. Hierbei kann der Sanierungsmoderator auf Erkenntnisse aus der Konflikt- und Mediationsforschung zurückgreifen.149) In Betracht kommen insbesondere Phasenmodelle, die aus der Mediationslehre bekannt sind150) und sich dort im Grundsatz bewährt haben. Diese Strukturmodelle können i. R. der Sanierungsmoderation sicherlich herangezogen werden, obgleich wegen der Krisendynamik und der Eilbedürftigkeit für echte mediative Verhandlungen nicht viel Raum gegeben ist. ___________ 146) Zur Methode der Mediation vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 3, S. 85 ff.; F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 75 ff. 147) Vgl. zum evaluativen Mediationsstil Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 3, S. 91. 148) Vgl. zur Parallele zum Schiedsrichtern Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 3, S. 91. 149) Vgl. Glasl, Konfliktmanagement, Teil 3, S. 337 ff. 150) Vgl. zu den Phasen Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II, S. 79; Glasl, Konfliktmanagement, Teil 3, S. 477 ff.; F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 95 ff.

Frege/Nicht

131

§4

1. Teil Allgemeines

180 Grundlegend können für die Bearbeitung von konsensorientierten (mediativen) Vorgängen verschiedene Phasen abgegrenzt werden,151) welche die Beteiligten gemeinsam durchlaufen sollen. Hieran kann sich die Sanierungsmoderation in Bezug auf einen Handlungsrahmen orientieren: 

Vorphase,



Einleitungs- oder Eröffnungsphase,



Darlegungsphase,



Vertiefungsphase,



Lösungsphase,



Übereinkunft,



Umsetzungsphase,



Nachbereitung bzw. Adjustierung.

181 In der sog. Vorphase (Pre-Mediation) wird der Sanierungsmoderator die allgemeinen Verhaltensregeln mit den Beteiligten erörtert, die im Verhandlungsprozess einzuhalten sind. Hierdurch wird ein formal-verbindlicher Rahmen geschaffen. Zu achten ist besonders auf die Geheimhaltungspflicht und Einhaltung der Vertraulichkeit. Der Sanierungsmoderator kann hier mögliche Kommunikationsstörungen aufgreifen und thematisieren und Vorschläge hinsichtlich der sachgerechten Kommunikation unterbreiten. Hierbei kann festgelegt werden, welcher Beteiligte wann wen mit welchen Informationen versorgt. In der Vorphase wird der Sanierungsmoderator keine inhaltlichen Problemlösungen anbieten, aber möglicherweise bestimmte Konsensbereiche und Differenzbereiche ansprechen, ohne jedoch eine Lösung vorzuhalten. Der Sanierungsmoderator ist als allparteiliche Rechtsfigur vorzustellen, die durch das Restrukturierungsgericht im Interesse aller Beteiligten eingesetzt ist und folglich keine Lagerzugehörigkeit kennt. Insoweit ist er auch (vertraulicher) Ansprechpartner für sämtliche Beteiligten. Auf den Prämissen der Objektivität, Neutralität, Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit beruht das Konzept der Sanierungsmoderation. Deshalb sind diese tragenden Grundsätze in besonderer Weise argumentativ hervorzuheben und zu untermauern. In der Konsequenz der Benennung und Erörterung der Grundsätze soll sich ein Vertrauen der Prozessbeteiligten in die Sachgerechtigkeit der Leitung des Vorgangs herausbilden, das im Ergebnis den Konsens tragen soll. 182 In der Vorphase152) sind die Beteiligten anzuhalten, sich den vorgeschlagenen allgemeinen Verhaltensregeln zu unterwerfen und hierdurch den formalen Rahmen anzuerkennen. Sie sind dazu anzuhalten, den Sanierungsmoderator nicht nur formal aufgrund seiner Bestellung, sondern auch tatsächlich hinsichtlich seiner Vermittlungsautorität zu akzeptieren oder – sofern Widerspruch gegeben ist – den Widerspruch ausdrücklich anzubringen. Die Beteiligten werden darüber informiert, dass sie im Verfahren der Sanierungsmoderation selbst die Ergebnisverantwortung tragen müssen, wenngleich sie fachliche Auskünfte und Beurteilungen vom Sanierungsmoderator erhalten können. Die Beteiligten sind anzuhalten, sich mit den vom Sanierungsmoderator aufgezeigten Konsensbereichen und Differenzbereichen auseinanderzusetzen und diese zu bestätigen oder sich hierzu zu erklären. 183 In der Eröffnungsphase153) wird der Sanierungsmoderator die bestehende Situation zunächst vorstellen, ohne diese und die möglichen Konflikte inhaltlich zu bewerten und zu ___________ 151) Die Anzahl und inhaltliche Ausgestaltung der Phasen kann im Einzelnen variieren; s. F. H. Schmidt/ Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 95 ff. 152) S. F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 3, S. 65 ff. 153) S. F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 97 – 99.

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Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

beurteilen. Es geht hierbei um die Sachverhaltsschilderung, die auf einer Sachverhaltsanalyse des Sanierungsmoderators beruht. Der Sanierungsmoderator ist hier gut beraten, sich auf möglichst nüchterne Daten und beweisbare (verobjektivierte) Fakten (Tatsachen) zu beschränken und (subjektive) Wertungen möglichst zu vermeiden. Auch Zuschreibungen von Verantwortlichkeiten usw. sind nach Möglichkeit zu unterlassen. Es muss in dieser frühen Phase zunächst darum gehen, einen konsensfähigen Sachverhalt vorzutragen, der von allen Beteiligten als verobjektivierte Tatsachengrundlage für die später zu treffenden Entscheidungen akzeptiert und bejaht werden kann. Wichtig ist es, an dieser Stelle auf mögliche Wahrnehmungsfehler und Verzerrungseffekte zu achten154) und diese ggf. zu benennen und zu korrigieren. Es ist wahrscheinlich, dass die Beteiligten des Sanierungsvorgangs eine unterschiedliche Ereigniswahrnehmung haben und folglich von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen können. Hierauf muss der Sanierungsmoderator gefasst sein und er muss zunächst mit den Beteiligten zu einer gemeinsamen Tatsachengrundlage finden. In der Darlegungsphase155) werden die möglichen Streitthemen der Beteiligten zusam- 184 mengetragen, d. h. die Beteiligten äußern sich zu den möglichen Sanierungshindernissen. Die Streitthemen müssen hiernach entsprechend ihrer Bedeutung für den Gesamtkomplex gewichtet und geordnet werden. Die persönlichen (subjektiven) Sichtweisen der Beteiligten werden aufgenommen und festgehalten. Der Sanierungsmoderator tritt in erster Linie als fragende und dokumentierende Instanz auf. Er ist bemüht, die von den Beteiligten geäußerten Bedenken und Kritikpunkte möglichst klar und präzise aufzunehmen. Sollten hierbei Mehrdeutigkeiten, Unklarheiten und Missverständnisse auftreten, werden diese ausgeräumt. Die Beteiligten werden ermuntert, zu einer möglichst klaren Bestandsaufnahme beizutragen, in der neben den objektiven Daten und Fakten auch die subjektiven Einwände und Friktionen berücksichtigt werden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden benannt. Soweit es auf prognostische Elemente ankommt, sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten zu erörtern. In der Vertiefungs- und Erhellungsphase156) wird der Sanierungsmoderator zunächst die 185 Komplexität der Verhandlungssituation einschätzen. Dazu sind verschiedene Parameter zu berücksichtigen. Der Komplexitätsgrad wird gesteigert, wenn viele Beteiligte unterschiedlicher Art (z. B. Finanzgläubiger, Lieferanten, Arbeitnehmer, öffentlich-rechtliche Gläubiger, gesicherte Gläubiger usw.) mit deutlich heterogenen Interessen in die Verhandlung einbezogen sind. Das ist bei Sanierungsverhandlungen typischerweise der Fall, weil die unterschiedlichen Beteiligten in der Regel aus dem materiellen Wirtschaftsrecht heraus unterschiedliche Positionen haben (z. B. dingliche Kreditsicherungsrechte). Hier kann und muss der Sanierungsmoderator ggf. die Kohorte der Beteiligten strukturieren und Beteiligte mit ähnlichen Rechtspositionen und Interessen bündeln. Denn diese Beteiligten können in vergleichbarer Weise angesprochen werden. Hierdurch wird eine Koordination bewirkt werden können. Einfluss auf die Komplexität nimmt ferner der Faktor Zeit. Kraft Gesetzes ist die Sanierungsmoderation zeitlich begrenzt (3 Monate mit Verlängerungsoption, § 95 Abs. 1 StaRUG). Hierdurch wird ein Zeitfenster für die Verständigungen vorgegeben. In der Vertiefungs- und Erhellungsphase wird der Sanierungsmoderator die Konfliktana- 186 lyse betreiben und hierbei die Eskalationsstufen zuordnen. Hierbei grenzt er interne von ___________ 154) Vgl. zur Rolle der Wahrnehmung Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 5, S. 148 ff. 155) S. F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 99 – 111. 156) Vgl. auch F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 111 ff.

Frege/Nicht

133

§4

1. Teil Allgemeines

externen Konflikten ab. Hinsichtlich der möglichen Eskalationsebene wird der Grad der Beherrschbarkeit des Konfliktes beurteilt. 187 Interne Konflikte können im Betrieb der StaRUG-Antragstellerin gegeben sein zwischen Geschäftsleitung, Gesellschaftern, Arbeitnehmern und ggf. Gewerkschaften. Diese internen Konflikte können einen wesentlichen Grund für die Unternehmenskrise darstellen. Wenn z. B. ein in der operativen (leistungswirtschaftlichen) Krise befindliches Unternehmen von der Gesellschafterin die Zusage eines Sanierungskredites erhält, diese Zusage aber unter die Bedingung des signifikanten Abbaus von Arbeitsplätzen unter Abfindungsverzicht gestellt wird und die Geschäftsleitung hierzu ein Modell verhandeln soll, dann kann eine solche Strategie zu massiven internen Konflikten und Verhärtungen führen, bis hin zur Selbstzerstörung der Schuldnerin. 188 Externe Konflikte können Verteilungskonflikte sein, insbesondere mit Blick auf eine drohende Insolvenzantragstellung zwischen ungesicherten und gesicherten Gläubigern. Insbesondere die umfangreich gesicherten Gläubiger mit vermeintlich anfechtungsfesten Kreditsicherheiten (Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Pfandrechte, Grundschulden, Hypotheken) sehen einer möglichen Insolvenzantragstellung in der Regel etwas gelassener entgegen als ungesicherte Insolvenzgläubiger mit einer niedrigen Quotenerwartung. Dies kann dazu führen, dass die gesicherten Gläubiger einem Sanierungskonzept mit angetragenen Rechtsbeschränkungen und Forderungsverzichten deutlich skeptischer und zurückhaltender gegenüberstehen. 189 Sowohl die internen als auch die externen Konflikte können von erheblichen Emotionen begleitet sein, die bei Restrukturierungsverhandlungen in der Regel negativ sein werden. Im Bereich der Antragstellerin wird vor allem der Aspekt des möglichen Macht- und Kontrollverlustes eine wichtige Rolle spielen. Auch die Sorge in Bezug auf haftungsrechtliche Konsequenzen (persönliche Verantwortung) kann zu Reaktanzen führen. In der Krise werden oftmals Leitungsfehler offenbar und die Geschäftsleitung ist mitunter bestrebt, diese Aspekte nicht zuzugestehen. Ablenkungsmanöver und Fehlinformationen können damit einhergehen. Hier können mitunter erhebliche Kollisionen auftreten mit den Verlustängsten und Existenzsorgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Bereich der externen Konflikte können affektive Erscheinungen auftreten wie Wut, Zorn, Neid. Die Gefahr möglicher wirtschaftlicher Ansteckungseffekte der Krise kann zu Verlustangst führen. Diese Affekte sind individuell-persönlicher Natur und der Sanierungsmoderator muss sich mit den (oftmals auch irrationalen) Regungen auseinandersetzen. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt hier auch der Faktor Stress. 190 Die Vertiefungs- und Erhellungsphase bietet sich an, um ggf. strukturierte Gruppengespräche oder sogar Einzelgespräche mit den Beteiligten der Sanierung zu führen. Um die Akzeptanz des Sanierungsmoderators als allparteilicher Prozessgestalter nicht zu gefährden, ist anzuraten, den Übergang zu Gruppen- und Einzelgesprächen klar und eindeutig zu kommunizieren und auch Gründe hierfür zu benennen. Es besteht die Gefahr, dass der Sanierungsmoderator nicht mehr als neutral und integer wahrgenommen und akzeptiert wird. Dieser Gefahr wird durch Offenheit und Transparenz begegnet. 191 In der Lösungsphase wird der Sanierungsmoderator eine in die Zukunft gerichtete Perspektive einnehmen. Auf der Grundlage der Beurteilung der beteiligten Interessen und Konflikte sind Lösungen zu entwickeln und zu bewerten. Besonderes Augenmerk ist in diesem Rahmen auf integrative Ansätze zu legen, die auf eine angemessene Wertschöpfung und Wertzuteilung ausgerichtet sein sollten; distributive Komponenten sind ebenfalls zu erfassen. Dazu werden die gemeinsamen Interessen der Prozessbeteiligten erfasst. Den divergierenden Interessen muss durch angemessene Zuteilungskonzepte Rechnung getragen werden. Der Sanierungsmoderator wird die im konkreten Fall wahrscheinlichen 134

Frege/Nicht

Kommunikation und Verhandlung im Restrukturierungsverfahren

§4

Einigungsoptionen und Nichteinigungsoptionen der Verhandlungspartner beurteilen und bewerten.157) Er wird in Bezug auf die Verhandlungspartner konkretisieren, welche Alternativen sich in Bezug auf den möglichen Konsens i. R. der Sanierungsmoderation ergeben (BATNA = Best Alternative To Negociated Agreement). Hierzu sind auch Prozessrisiken abzuwägen und Kosten-Nutzen-Analysen anzustellen. Das grundlegende Anliegen des Sanierungsmoderators besteht darin, die Einigungszonen 192 der am Prozess beteiligten Parteien auszuloten und durch Impulse zu einer Überschneidung zu bringen.158) Die Schnittmenge ist dabei als Einigungsbereich zu bezeichnen. Im Idealfall deckt sich der Einigungsbereich mit dem Sanierungskonzept der StaRUGAntragstellerin, so dass eine unveränderte Umsetzung beschlossen werden kann. Praktisch werden die Sachverhalte nicht selten so liegen, dass das vom Schuldner vorbereitete Sanierungskonzept dessen Maximalposition enthält und die Verhandlungspositionen der Verfahrensbeteiligten (ZOPA = Zone of Possible Agreement) im Ausgangspunkt hiervon abweichen. Insoweit ist es Aufgabe des Verfahrens der Sanierungsmoderation, die verschiedenen potenziellen Einigungskorridore auszuloten und nach Möglichkeit soweit zu verschieben, dass eine Überschneidung möglich wird. Abschließend ist eine gemeinsame Lösung festzustellen und umzusetzen.159) Das StaRUG 193 erfordert hier Einstimmigkeit ohne die Möglichkeit, abweichende Stimmen zu überregeln. Weil das Verfahren der Sanierungsmoderation mit einem vom Schuldner erstellten Sanie- 194 rungskonzept eingeleitet wird, ist die Lösungsfindung anhand des bereitgestellten Textes vorzunehmen. Die Parallele zur sog. Ein-Text-Mediation ist erkennbar.160) Das Verfahren hat den Vorteil, dass alle Beteiligten der Sanierungsmoderation an der Abfassung des finalen Textes in gleicher Weise beteiligt sind. Hieraus kann sich ein Grundgefühl der Gemeinsamkeit schöpfen lassen, welches geeignet sein kann, Initiative und Engagement zu stärken.161) Strukturell vergleichbar ist dieser methodische Ansatz mit der Insolvenzplanverhandlung,162) die sich allerdings mit der Besonderheit des Obstruktionsverbotes in einem entscheidenden Gesichtspunkt rechtlich abhebt. IV.

Zusammenfassung

Das Restrukturierungsrecht des StaRUG enthält in zahlreichen Vorschriften Verfahrens- 195 regeln, die eine Kommunikation zwischen den Beteiligten untereinander oder mit externen Dritten entweder gesetzlich anordnen oder unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit voraussetzen. Da es sich bei den Sanierungs- und Restrukturierungstechniken außerhalb der InsO um grundsätzlich konsensorientierte Instrumente auf der Grundlage der Beteiligtenautonomie handelt, ist der Kommunikationsaufwand angehoben worden, denn die Verfahren zielen letztlich auf das Herbeiführen einer Verhandlungslösung ab. Ein Verhandlungsergebnis mit dem Inhalt eines Sanierungsplans kann – wie i. R. von Mediationsvorgängen – grundsätzlich erreicht werden, wenn es gelingt, die Beteiligten i. R. integrativer und distributiver Verhandlungsführung zur Zustimmung zu führen. Hierzu ist es erforderlich, die jeweils bestehenden subjektiven Sichtweisen und Beurteilungsmaßstäbe der vom Sanierungsplan betroffenen Beteiligten zu erkennen, eventuelle Wahrnehmungsfehler zu beheben, zeitlich und sachlich angemessen zu informieren und gemeinsam mögliche Werte zu schöpfen und diese angemessen zu verteilen. ___________ 157) 158) 159) 160) 161) 162)

Vgl. hierzu Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 9, S. 219 ff. F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 112 ff. F. H. Schmidt/Lapp/May, Mediation in der Praxis des Anwalts, § 5, S. 116 ff. Vgl. dazu Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 10, S. 242 ff. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 10, S. 243. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 10, S. 243.

Frege/Nicht

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2. Teil Krisenfrüherkennung §5 Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen Nickert

I. II. III. IV. V. VI.

Einleitung .................................................... 1 Ziele der Norm............................................ 3 Entstehungsgeschichte............................. 10 Subjektiver Anwendungsbereich ............ 18 Beobachtungsobjekt ................................. 21 Beobachtungssystem und bestandsgefährdende Entwicklungen ................... 24 VII. Begriffsbestimmung bestandsgefährdende Entwicklungen ................... 29 VIII. Beobachtungshorizont .......................... 45 IX. Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Früherkennungssystems ................ 49 1. Kennzahlenanalysen................................... 54 2. Planungsrechnungen.................................. 61 3. Risikoregister und qualitative Analyse ..... 67 4. Risikomatrix ............................................... 74 5. Ermittlung der Erwartungswerte .............. 78

6. 7.

Stresstests und Szenarioanalysen .............. 81 Quantitative Analyse ................................. 84 7.1 Unternehmensanalyse................. 100 7.2 Risikoerfassung ........................... 109 7.3 Risikoaggregation........................ 112 7.4 Risikotragfähigkeit ...................... 122 7.5 Risikosteuerung........................... 131 X. Weitere Analysepunkte.......................... 134 1. Strategische Analyse, Phasenmethode.... 135 2. Absatz- und Erfolgskrise......................... 140 3. Liquiditätskrise und Insolvenzreife ........ 143 XI. Gegenmaßnahmen ................................. 147 XII. Berichterstattung................................... 149 XIII. Vorteile der Simulation und eines Früherkennungssystems ........................ 150 XIV. Rechtsfolgen ......................................... 155 XV. Fazit ......................................................... 156

Literatur: Ansoff, Managing Strategic Surprise by Response to Weak Signals, California Management Review, Vol. 18 No. 2/1975, S. 21; Bork, Pflichten der Geschäftsführung in Krise und Sanierung, ZIP 2011, 101; Brandes/Rabenau, Früherkennung und Bewältigung bestandsgefährdender Risiken im Unternehmen, ZIP 2021, 2374; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten & Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG, ZInsO 2021, 1; Drukarczyk/Schüler, Insolvenztatbestände, prognostische Elemente und ihre gesetzeskonforme Handhabung, WPg 2003, 56; Flath/Biederstedt/Herlitz, Mit Simulation Mehrwerte schaffen, Controlling & Management Review Sonderheft 1/2015, S. 82; Fleischer, Risikomanagement im Querschnitt der Disziplinen: Betriebswirtschaftslehre – Aktienrecht – Bankaufsichtsrecht – Lieferkettenrecht, AG 2022, 377; Fleischer, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG 2009, 801; Gleißner, Unternehmerische Entscheidungen, Controller Magazin Heft 1/2021, S. 16; Gleißner, Business Judgement Rule Adäquate Vorbereitung „unternehmerischer Entscheidungen“, CFOaktuell 2019, 225; Gleißner, Risikomanagement, KonTraG und IDW PS 340, WPg 2019, 158; Gleißner, Strategiebewertung: Bedeutung und methodische Herausforderung, BewP 2019, 12; Gleißner, Insolvenzrisiko: Top-Kennzahl für Controlling, Balanced Scorecard und Risikomanagement, Controller Magazin Heft 4/2018, S. 10; Gleißner, Was ist eine „bestandsgefährdende Entwicklung“ i. S. des § 91 Abs. 2 AktG (KonTraG)?, DB 2017, 2749; Gleißner, Die Sanierungserfolgswahrscheinlichkeit im IDW S 6 aus betriebswirtschaftlich-entscheidungsorientierter Perspektive, KSI 2013, 172; Gleißner, Bewertung nicht börsennotierter Unternehmen – Die Berücksichtigung von Insolvenzwahrscheinlichkeiten, BewP 2011, 16; Gleißner/Haarmeyer, Die „bestandsgefährdende Entwicklung“ (§ 91 AktG) als „Tor“ in ein präventives Restrukturierungsverfahren, ZInsO 2019, 2293; Gleißner/Ihlau, Anwendung von Unternehmensbewertungsmethoden bei der Strategiebeurteilung, BB 2017, 1387; Gleißer/Mahn, Sind die Ratings der Mittelstands-Anleihen aussagekräftig?, KRP 2016, 5; Gleißner/Romeike, StaRUG und FISG: Neue Aufgaben für den Aufsichtsrat, Der Aufsichtsrat 2022, 2; Gleißner/Romeike, Die größte anzunehmende Dummheit im Risikomanagement, RCA 2011, 21; Graewe, Sorgfaltspflichten und Haftung des Aufsichtsrats in der Unternehmenskrise, NZI 2021, 619; Groß, Der Begriff der Sanierungsfähigkeit nach dem neu gefassten IDW S 6, KSI 2012, 241; Groß/Amen, Die Erstellung der Fortbestehungsprognose, WPg 2002, 433; Groß/Amen, Die Fortbestehungsprognose – Rechtliche Anforderungen und ihre betriebswirtschaftlichen Grundlagen, WPg 2002, 225; Groß/Amen, Das Beweismaß der „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ im Rahmen der Glaubhaftmachung einer Fortbestehensprognose – zugleich Replik auf die Entgegnung von Drukarczyk/Schüler, WPG 2003, 56, WPg 2003, 67; Kühne/Lienhard, Ausgestaltung eine Risikofrüherkennungssystems gemäß § 1 StaRUG und die Haftungsfolgen für die Geschäftsleitung, SanB 2020, 144; Kühne/Nickert, Planungsanlässe, ZInsO 2014, 2297; Nickert, Die Berechnung des Sicherheitspuffers in der insolvenzrechtlichen Prognose, KTS 2021, 183; Nickert/Nickert, Frühwarnsystem: Bestandsgefährdende Fehlentwicklungen erkennen und managen, DStR 2021, 883; Nickert/Nickert, Früherkennungssys-

136

Nickert

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

tem als Instrument zur Krisenfrüherkennung nach dem StaRUG, GmbHR 2021, 401; Nickert/Nickert/ Kühne, Prognosen im Insolvenzrecht, KTS 2019, 29; Nickert/Schilling, Umgang mit Ungewissheit – Darstellung anhand des Verwalterberichts nach § 156 InsO, InsBüro 2017, 51 (Teil 1) und InsBüro 2017, 105 (Teil 2); Nickert/Wieczorek, Das Problem mit dem going concern bei Start-ups in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft (& Co. KG), DStR 2022, 791; Prahalad/Hamel, The Core Competence of the Corporation, Harvard Business Review, Vol. 68 No. 3/1990, S. 79; Prütting, Der neue IDW-Standard zur Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) in der rechtlichen Beurteilung, ZIP 2013, 203; Romeike/ Gleißner, Implikation des StaRUG: Risikomanagement-Software führt zu Haftungsrisiken, GRC aktuell 2021, 126; Scheffler/Flath/Oehlmann, Aktuelle regulatorische und unternehmerische Fragen zum Risikomanagement, Rethinking Finance Heft 1/2021, S. 15; Schülke, Überwindung der Krise: die Restrukturierung mit dem neuen StaRUG – ein Überblick, DStR 2021, 621; Skauradszun/Amort, Krisenfrüherkennung und -management, Organkompetenzen und die Frage nach der Restrukturierungsverschleppungshaftung, DB 2021, 1317; Weitzmann, Ein Frühwarnsystem muss früh warnen, ZInsO 2019, 1627.

I.

Einleitung

Jegliche Formen der Sanierung, ob die freie außergerichtliche Sanierung, die Restrukturie- 1 rung nach dem StaRUG oder die gerichtliche Sanierung nach der InsO sind umso erfolgsträchtiger, je früher die Fehlentwicklung erkannt und gegengesteuert wird. Dementsprechend wird eine Pflicht zur Früherkennung deklaratorisch in das Gesetz aufgenommen. Im Eigentlichen ist es also keine Frage der Restrukturierung, sondern die vorgelagerte 2 Verpflichtung, einen Überblick nicht nur bezüglich der Vergangenheit und der Gegenwart sicherzustellen (Rechnungswesen), sondern vor allem auch eine Verpflichtung, in die Zukunft zu schauen und Fehlentwicklungen unverzüglich und beherzt entgegenzutreten. II.

Ziele der Norm

Mit dem SanInsFoG hat der Gesetzgeber ein Gesetzespaket verabschiedet, in welchem die 3 Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie1) in Gestalt des StaRUG2) erfolgt. Der Gesetzgeber hat darin mit § 1 StaRUG in Konkretisierung des Art. 19 Restrukturierungsrichtlinie die Verpflichtung zur Einrichtung eines Früherkennungssystems für alle juristischen Personen und alle Personengesellschaften geregelt, bei denen keine natürliche Person Vollhafter ist. Im Regierungsentwurf zum SanInsFoG3) weist der Gesetzgeber zutreffend darauf hin, dass 4 eine entsprechende Verpflichtung des Vorstands der AG in § 91 Abs. 2 AktG bereits geregelt ist. Die Norm wurde durch das KonTraG4), in das AktG eingeführt. Im Regierungsentwurf zum KonTraG5) wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Norm Ausstrahlungswirkung auf andere (haftungsbeschränkte) Gesellschaften, insbesondere die GmbH hat.6) Insoweit geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Kodifizierung i. S. einer Rechtsklarheit einer positiven Regelung zuzuführen ist. ___________ 1)

2)

3) 4) 5) 6)

Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), v. 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712. Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15.

Nickert

137

§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

5 Weshalb aber braucht es diese Früherkennung? Es ist gemeinhin anerkannt, dass Sanierungsmaßnahmen wahrscheinlicher umzusetzen sind, je früher die Fehlentwicklung erkannt wird; „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ sagt schon der Volksmund. Aber auch die zeitliche Entwicklung verläuft nicht linear. Mit zunehmender Krise beschleunigt sich die Entwicklung dramatisch. Meist führt die Kündigung oder die Herabsetzung des Limits der Forderungsausfallversicherung bei den Lieferanten dann schlagartig zum sog. Sekundentod, weil damit die Lieferanten auf Vorauskasse umstellen. Dies führt in der Praxis dazu, dass in einem Monat die doppelten Lieferantenzahlungen als Liquiditätsbelastung entstehen. Stadien der Unternehmenskrisen

Handlungsspielraum, Sanierungswahrscheinlichkeit

Insolvenzwahrscheinlichkeit Aufwand/Kosten Handlungsdruck, Komplexität

Stakeholderkrise

Strategiekrise

Erkennungsschwierigkeit

Produkt-/ Absatzkrise

Erfolgskrise

Liquiditätskrise

Insolvenz

Rechnungswesen

Restrukturierungsbedürftigkeit

Geschwindigkeit

„Sekundentod“

6 Aber nicht nur das: Der Handlungsspielraum ist bei einer frühzeitigen Erkennung der Fehlentwicklung deutlich erhöht. Gleichzeitig ist die Insolvenzwahrscheinlichkeit reduziert. Auch fallen bei einer frühzeitigen Erkennung der Krise weniger Kosten zur Beseitigung an. Meist ist auch die Sanierung weniger komplex als bei fortgeschrittener Krise. Zudem wird bei den Stakeholdern Vertrauen verspielt, sofern die Krise nicht frühzeitig und beherzt angegangen wird. Wenn also der neue zur Verfügung gestellte Restrukturierungsrahmen Erfolg haben soll, muss die Krise frühzeitig erkannt werden. 7 Da aber die Krise meist erst erkannt wird, wenn sich diese im Rechnungswesen widerspiegelt, mithin zu einem Zeitpunkt, in welchem die Handlungsmöglichkeiten deutlich reduziert und gleichzeitig die Insolvenzwahrscheinlichkeit dramatisch erhöht ist, hat der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Einrichtung eines Früherkennungssystems gesetzlich geregelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zu Beginn der Krise, insbesondere im Stadium der Strategiekrise oder Stakeholderkrise, die Analyse der Lage schwierig ist. Insbesondere ist es schwer, zu erkennen, wohin das Unternehmen steuert. Auf Ebene der Strategie dominieren meist Trends und qualitative Argumente. Vor allem wenn es mehrere Argumente pro und contra für einen eingeschlagenen Weg gibt, ist die Beurteilung, ob eine Bestandsgefährdung vorliegt und wenn ja, in welchem Grad, besonders schwierig. 8 Daher wurden verschiedene Methoden entwickelt, die Gefährdungssituationen zu analysieren. Aus der Ökonomie ist bekannt, dass gerade auch die Unternehmensstrategie bewertet werden kann.7) Gelingen kann dies jedoch nur, wenn der Grad der Bestandsgefährdung nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ beschrieben wird. Andernfalls drohen ___________ 7)

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Gleißner, BewP 2019, 12 ff.; Gleißner/Ihlau, BB 2017, 1387 ff.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

bei qualitativen Beschreibungen Irrtümer und/oder Missverständnisse, weil die handelnden Personen regelmäßig unter den qualitativen Beschreibungen unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsgrade annehmen.8) Deshalb ist zur Lagebeurteilung ein System zu implementieren, damit die Krise frühzeitig erkannt wird und der Restrukturierungsrahmen nicht leerläuft. Um dies sicherzustellen, wurde rechtsformübergreifend für haftungsbeschränkte Gesellschaften die Implementierung eines Früherkennungssystems klarstellend gesetzlich geregelt. Anders als § 91 Abs. 2 AktG geht aber § 1 Abs. 1 StaRUG über die reine Pflicht zur Früh- 9 erkennung hinaus. In § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ist die Verpflichtung, „geeignete Gegenmaßnahmen“ einzuleiten und den Überwachungsorganen „Bericht“ zu erstatten, enthalten. Sofern „Beschlussfassungen“ erforderlich sind oder werden, haben die Organe darauf hinzuwirken. Damit führt § 1 StaRUG ein umfassendes Risikomanagement und Entscheidungssystem ein. Weshalb zugleich ein „Entscheidungssystem“? Weil eben geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen. Ob eine in Betracht gezogene Maßnahme „geeignet“ ist, kann wiederum aus dem Früherkennungssystem abgeleitet werden, indem dieses mit hypothetischer Maßnahme und ohne Durchführung der Maßnahme ausgewertet wird. III.

Entstehungsgeschichte

Wie bereits ausgeführt, geht das StaRUG und damit auch § 1 StaRUG auf die Restruktu- 10 rierungsrichtlinie zurück. Vorgelagert war aber das bereits in Deutschland durch das KonTraG eingeführte Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Risiken, welches laut Regierungsentwurf „Ausstrahlungswirkung“ auf anderen Gesellschaften hat, insbesondere die GmbH.9) Diese Ausstrahlungswirkung hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien aufgegriffen,10) sich zu eigen gemacht und die Regelung in § 1 StaRUG klarstellend kodifiziert. Dem wiederum vorauseilend existiert Literatur und Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Chancen und Risiken bei Entscheidungen von Organen. Der BGH11) äußerte sich in einem Beschluss zu Entscheidungen von Organen:

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„Danach hat der Geschäftsführer in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen (Goette, Festschrift 50 Jahre BGH, S. 123, 140 f. m. w. Nachw.). Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist Raum für die Zubilligung unternehmerischen Ermessens.“ Die Entscheidung hat der BGH später in einem Urteil12) bestätigt. Vor- und Nachteile 12 abzuwägen und die Risiken beachten ist aber ohne ein entsprechendes Bewertungssystem nicht möglich und ein solches muss und kann zugleich einen Grad der Bestandsgefährdung aufzeigen. Noch deutlicher urteilte das OLG Thüringen:13) „Ein erlaubtes Risiko geht er aber nicht schon dann ein, wenn zur Zeit der Vornahme des Geschäfts die bloße Wahrscheinlichkeit bestand, dass sich das Geschäft gewinnbringend auswirken würde (Hachenburg/Mertens, aaO). Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob der unwahrscheinliche, aber nicht auszuschließende negative Ausgang des beabsichtigten Geschäfts zu unangemessen hohen Risiken für den Bestand und die Entwicklung der Firma führen kann (Hachenburg/ ___________ 8) Tetlock/Gardner, Superforecasting, S. 56 ff.; Hillson, Wahrscheinlichkeiten beschreiben – Die Grenze der natürlichen Sprache, Konferenzbeitrag v. 25.5.2005; Heuer, Psychology of intelligence Analysis. 9) Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15. 10) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 103. 11) BGH v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675. 12) BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712. 13) OLG Thüringen v. 8.8.2000 – 8 U 1387/98, NZG 2001, 86 = GmbHR 2001, 86.

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2. Teil Krisenfrüherkennung

Mertens, aaO unter Hinweis auf BGHZ 69, 207, 213). Eine Sorgfaltspflichtverletzung ist zu bejahen, wenn die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung bestand (Kust, WM 1980, 758, 761, unter Hinweis auf BGH, VersR 1975, 812). Gewagte Geschäfte sind aber nicht stets als unangemessen anzusehen (Hachenburg/Mertens, aaO; Kust, WM 1980, 758, 760). Zu beachten ist hierbei der Geschäftszweck der Firma und der Wille der Gesellschafter. Die Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung gebieten ihm grundsätzlich, die im Rechts- und Geschäftsverkehr angemessenen und branchenüblichen Vorsichtsregeln einzuhalten. Dem widerspricht beispielsweise die leichtfertige Gewährung von Warenkrediten oder die Kreditgewährung ohne übliche Sicherheiten (Hachenburg/Mertens, aaO). Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rdn. 17 fassen zutreffend wie folgt zusammen: „Es muss im Regelfall wahrscheinlich sein, dass sich das in Frage stehende Verhalten als für die Gesellschaft vorteilhaft erweist (RGZ 129, 272, 275); Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn einem vergleichsweise geringfügigen Risiko eine besonders hohe Gewinnchance gegenübersteht. Aber auch bei Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts muss das Geschäft unterbleiben, wenn es im Falle eines Misslingens zu einer erheblichen Gefährdung des Unternehmens führen würde […].” (Hervorhebung durch d. Verf.). 13 Auch der BGH ist in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1995 davon ausgegangen, dass die Krisenfrüherkennung und das Krisenmanagement Teil der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ist14) und der Geschäftsführer folglich eine angemessene Organisationsstruktur vorhalten bzw. einrichten muss, welche ihm jederzeitigen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation ermöglicht.15) Ferner ist die Literatur16) bislang davon ausgegangen, dass das Ergreifen von Gegenmaßnahmen ureigenste Geschäftsleiterpflicht ist: „Insofern erscheint es folgerichtig, von einer Pflicht des Geschäftsführers zur unverzüglichen Einleitung der Sanierung und zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen, bezüglich derer er entscheidungsbefugt ist, auszugehen, wenn er infolge einer pflichtgemäßen Beobachtung Krisensignale erkennt oder diese für ihn bei pflichtgemäßer Beobachtung erkennbar sind.“17) „Dass bei unmittelbar drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei drohender Überschuldung schon im Hinblick auf § 15a InsO Sofortmaßnahmen zu ergreifen sind, sagt bereits das Gesetz.“18) 14 Insoweit führt § 1 StaRUG tatsächlich nur zu einer deklaratorischen Regelung der ohnehin geltenden Rahmenbedingungen für Geschäftsleiter. 15 Aufgrund der bisherigen Rechtslage und der Rechtsprechung19) bedeutet dies, dass in Konkretisierung der Neuregelung die Literatur, Praxis und Rechtsprechung insbesondere zu den §§ 91 Abs. 2, 93 AktG, § 43 GmbHG ergänzend zu berücksichtigen sind. Hervorzuheben ist, dass sich der Gesetzgeber bei der Regelung der Früherkennung unter expliziter Bezugnahme auf den RegE KonTraG20) an das AktG angelehnt hat und in § 1 Abs. 1 Satz 1 StaRUG und § 91 Abs. 2 AktG quasi inhaltsgleiche Regelungen getroffen hat. ___________ 14) BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560; Bork, ZIP 2011, 101, 102 ff. 15) BGH v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557. 16) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 8, unter Hinweis auf Bork, ZIP 2011, 101, 102 ff.; BGH v. 27.7.2021 – II ZR 164/20, ZIP 2021, 1856, der jedenfalls das Ergreifen von Maßnahmen nicht per se als unzulässig darstellt „Die Maßnahme war danach weder ungewöhnlich noch gänzlich unangemessen.“ 17) Bork, ZIP 2011, 101, 107. 18) Prütting, ZIP 2013, 203, 208. 19) Vgl. zur Entscheidung auch KG v. 29.4.2021 – 2 U 108/18, ZRI 2021, 502; Rev. eingelegt, Az. d. BGH: II ZR 103/21 – zum IKS, Risikomanagement- und Compliance System. 20) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118 f.; „Eine Pflicht zur Risikoüberwachung wird für den Vorstand einer Aktiengesellschaft in § 91 Absatz 2 AktG normiert. Infolge einer „Ausstrahlungswirkung“ dieser Vorschrift ist sie aber auch für die Geschäftsleitungsorgane von Unternehmensträgern anderer Rechtsform anzunehmen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, Bundestagsdrucksache 13/9712, S. 15). Insofern beschränkt sich die Vorschrift darauf, das geltende Recht im Interesse an Rechtsklarheit für die Rechtsanwender einer positiven Regelung zuzuführen.“; RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712.

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§5

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

Die permanente Risikoanalyse und die Berücksichtigung von Chancen und Risiken war so- 16 mit schon immer bei unternehmerischen Entscheidungen gesellschaftsrechtlich verpflichtend. Diese ohnehin bestehende Verpflichtung hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2022 für alle haftungsbeschränkten Rechtsformen deklaratorisch kodifiziert. § 1 Abs. 1 Satz 1 StaRUG

§ 91 Abs. 2 AktG

Fortlaufende Überwachung

Überwachungssystem

Entwicklungen mit möglicher Bestandsgefährdung

Bestandsgefährdende Entwicklungen

Krisenfrüherkennung*

Werden früh erkannt

Anm.

*amtl. Gesetzesüberschrift

Aus der Gegenüberstellung folgt zwingend, dass inhaltlich derselbe Regelungsbereich 17 umfasst ist. Lediglich mit der Verpflichtung in § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG „geeignete Gegenmaßnahmen“ zu ergreifen, geht der Gesetzgeber im StaRUG über die aktienrechtlichen Regelungen hinaus. Die Vorschriften sind ansonsten in der Praxis identisch und verfolgen die gleiche Zielrichtung. In der Konsequenz ist daher die Rechtsprechung und Literatur zu § 91 Abs. 2 AktG auf § 1 StaRUG uneingeschränkt anzuwenden. Insbesondere gilt damit der IDW PS 340 als Expertenverlautbarung und „State of the Art“ auch für § 1 StaRUG (zu der Risikoaggregation siehe unten Rz. 114 ff.).21) IV.

Subjektiver Anwendungsbereich

Verpflichtet sind nach der Norm die Geschäftsleiter einer juristischen Person, § 1 Abs. 1 18 StaRUG, und auch die Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Personengesellschaften ohne natürliche Person als Vollhafter, § 1 Abs. 2 StaRUG. Damit gilt die Norm für die Geschäftsführenden Organe insbesondere der AG, GmbH (UG) und GmbH & Co. KG, insbesondere auch für Genossenschaften, Stiftungen und Vereine. Für Unternehmen bei denen eine natürliche Person Vollhafter ist, besteht, anders als im Anwendungsbereich des § 102 StaRUG, keine gesetzliche Notwendigkeit, ein solches System einzuführen, da davon auszugehen ist, dass diese wegen der persönlichen Haftung schon im eigenen Interesse sorgfältig und vorausschauend agieren.22) Die Verpflichtung gilt auch für ein Organ einer ausländischen juristischen Person oder 19 haftungsbeschränkten Personengesellschaft, soweit sie in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält. Die aufsichtsführenden Organe, insbesondere der Aufsichtsrat der AG, sind nicht unmit- 20 telbar gemäß § 1 StaRUG verpflichtet. Jedoch besteht für den Aufsichtsrat eine Beratungs- und Überwachungspflicht, insbesondere auch bzgl. der bestandsgefährdenden Entwicklungen, § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG. Dabei genügt für die Berichtspflicht, dass schon die Möglichkeit einer potentiell erheblichen Auswirkung auf die Ertrags- oder Liquiditätslage gegeben ist.23) Selbstverständlich ist also der Aufsichtsrat gehalten die Einrichtung von ___________ 21) Fleischer, AG 2022, 377, 383, geht davon aus, dass der IDW PS 340 mit seinen ökonomischen Anforderungen über die rechtlichen Anforderungen hinausgeht. Jedoch formuliert er juristische Anforderungen (S. 388), insbesondere ein prozessförmiges Vorgehen, das sich aus den Phasen der Risikoidentifikation, Risikomessung und Risikoanalyse, Risikosteuerung sowie Risikoüberwachung zusammensetzt. Eben das sind auch die Anforderungen des IDW PS 340. Ferner wollte sicher der Gesetzgeber kein Früherkennungssystem implementieren, welches dem Ziel der Früherkennung nicht genügt. Ein Früherkennungssystem darf angemessen sein, es muss aber in jedem Fall wirksam sein. Folglich muss es sich an den ökonomischen Anforderungen, mithin dem IDW PS 340 messen lassen. 22) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 10 f. 23) Sailer-Cocciani in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rz. 26.

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2. Teil Krisenfrüherkennung

Kontroll- und Compliance-Systemen sicherzustellen.24) Ein wesentlicher Bestandteil eines solchen Kontroll- und Compliance-System ist gerade das Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen. Daher wird der Aufsichtsrat durch § 1 StaRUG mittelbar mitverpflichtet. Ob und in welchem Umfang ein (beratender) Beirat verpflichtet ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse des Beirats ab. V.

Beobachtungsobjekt

21 Die Norm bezweckt Insolvenzen zu vermeiden aber mindestens frühzeitig Sanierungsoder Restrukturierungsmaßnahmen einzuleiten. Damit ist das Beobachtungsobjekt der Schuldner, bezüglich § 1 StaRUG also das Organ der juristischen Person oder der haftungsbeschränkte Personengesellschaft. 22 Eine Betrachtung eines Konzerns oder einer Gruppe mag für ökonomische Steuerungszwecke sinnvoll sein, macht aber die Beurteilung der legalen Einheiten nicht entbehrlich. Eine Ausnahme könnte bestehen, wenn aufgrund von Unternehmensverträgen eine Ausgleichspflicht besteht, § 302 AktG. Dennoch verbleibt die „Restverpflichtung“ des Organs der abhängigen Gesellschaft zu beurteilen und zu überwachen, ob das herrschende Unternehmen seiner Ausgleichsverpflichtung nachkommen kann.25) Hier ist insbesondere nicht nur auf das Bilanzbild, sondern insbesondere auf die Liquidität zu achten. 23 Dessen ungeachtet besteht bei den Organen einer Obergesellschaft die Verpflichtung bei haftungsbeschränkten Untergesellschaften für „Compliance“ zu sorgen.26) Die Organe der Obergesellschaft müssen also Gesetzestreue bei der Untergesellschaft durchsetzen und damit auch die Installation eines Früherkennungssystems gemäß § 1 StaRUG. VI.

Beobachtungssystem und bestandsgefährdende Entwicklungen

24 Die Norm verpflichtet die Geschäftsleiter die VFE-Lage (Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) permanent zu beobachten und zusätzlich die künftigen Entwicklungen zu beobachten. Das heißt, das Ob eines Früherkennungssystems ist, auch für kleinste Gesellschaften, festgelegt. Uneinigkeit besteht nur in der Ausgestaltung, die „wie“. Teilweise wird vertreten, dass eine Beobachtungspflicht nur bezüglich etwaiger Insolvenzgründe besteht. Das ist jedoch nicht ausreichend. Eine Brandmeldeanlage, die erst Alarm schlägt, wenn die Flammen aus dem Dachstuhl schlagen, wäre kein Frühwarnsystem, es käme nicht früh, sondern schlicht zu spät. Außerdem besteht die permanente Selbstprüfungspflicht bereits schon aufgrund der gesetzlich verankerten Insolvenzantragspflicht, § 15a InsO.27) Die Verhältnisse müssen dem Organ schlicht „bekannt sein“: „Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (Bestätigung BGH, 20. Februar 1995, II ZR 9/94, ZIP 1995, 560).“28) 25 Für die jederzeitige Beurteilung der Insolvenzantragspflicht bedurfte es keines § 1 Abs. 1 StaRUG. ___________ 24) Graewe, NZI 2021, 619, 620 – unter Hinweis auf KG Berlin v. 29.4.2021 – 2 U 108/18, ZRI 2021, 502; Rev. eingelegt, Az. d. BGH: II ZR 103/21. 25) BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70. 26) Lutter/Krieger/Verse in: Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rz. 142 ff. 27) BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 = ZIP 1994, 1103; BGH v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557; Bork, ZIP 2011, 101, 102. 28) BGH v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

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Soweit auf die drohende Zahlungsunfähigkeit Bezug genommen wird, ist darauf hinzu- 26 weisen, dass jedenfalls eine Beobachtung nur der nächsten 24 Monate nicht ausreichend ist, s. u. Zu beobachten sind die künftigen Entwicklungen. Dies schließt semantisch alle zukünftigen Risiken ein. Systematisch spricht § 14 Abs. 1 StaRUG gegen ein Gleichsetzen der drohenden Zahlungsunfähigkeit mit der Bestandsgefährdung. Der Schuldner hat nämlich zum Plan eine begründete Erklärung abzugeben, wonach die drohende Zahlungsunfähigkeit durch den Plan beseitigt wird und die Bestandsfähigkeit sicher- bzw. wiederhergestellt ist. Wäre die Beseitigung der Bestandsgefährdung mit der Vermeidung der drohenden Zahlungsunfähigkeit deckungsgleich, wäre der zweite Teil der zu begründenden Erklärung bedeutungslos. Die Überwachung auf bestandsgefährdende Entwicklungen geht also weiter als die permanente Überprüfung der künftigen Zahlungsfähigkeit gemäß § 18 InsO. Im Rahmen der Früherkennung hat das Organ zu beurteilen, ob die Gefahr einer Insolvenz 27 droht. Die Beobachtung hat „fortlaufend“ zu erfolgen. Das bedeutet, die Intensität der Beobachtungspflicht hängt sowohl vom Geschäftsmodell als auch von der VFE-Lage der Gesellschaft ab. Dabei reicht es nicht aus, einzelne Entwicklungen oder Trends zu festgelegten Zeitpunkten zu erheben und qualitativ zu beurteilen. Je angespannter die Lage, desto umfangreicher muss die Beobachtung erfolgen und zudem müssen bei schlechter werdender Lage die Beobachtungsintervalle kurzfristiger werden. Aus der Verpflichtung fortlaufend zu überwachen folgt, dass ein System implementiert und dokumentiert werden muss.29) „Die Einrichtung eines solchen Systems fordert eine Organisation, die unmissverständliche Zuständigkeiten begründet, ein engmaschiges Berichtswesen aufbaut und entsprechend dokumentiert ist. Es ist sicherzustellen, dass vom verantwortlichen Sachbearbeiter über die jeweiligen Hierarchieebenen bis hin zur Unternehmensleitung sämtliche relevante Stellen von vorhandenen Risiken Kenntnis erlangen, um die entsprechenden Maßnahmen zur Beherrschung dieser Risiken einleiten zu können. Dieses Risikomanagementsystem muss dokumentiert werden, um es auch unternehmensintern zu kommunizieren. […] Damit gehört auch die Dokumentation des Früherkennungssystems zu den zentralen Aufgaben des Vorstands im Anwendungsbereich von § 91 II AktG und der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Bestandssicherungsverantwortung.“ Bei dem Früherkennungssystem handelt es sich nicht um ein Risikofrüherkennungssys- 28 tem, welches sich im Wesentlichen auf bestandsgefährdende Einzelrisiken beschränkt.30) Zum einen entstehen Schieflagen meist aus mehreren nicht notwendigerweise bestandsgefährdenden Einzelrisiken, die sich durch das Zusammentreffen erst zu einer Bestandsgefährdung heraufschaukeln. Zum anderen würde ein solches System Chancen ausblenden, dies es möglicherweise rechtfertigen, die Risiken einzugehen. Es handelst sich mit dem geforderten System also um ein umfassendes Steuerungssystem, welches gerade dem Wohle der Gesellschaft und vor allem der Vorbereitung von Entscheidungen dient. VII. Begriffsbestimmung bestandsgefährdende Entwicklungen Auch § 1 StaRUG geht auf die Restrukturierungsrichtlinie zurück.31) In deren ErwG 22 29 ist ausgeführt: ___________ 29) LG München v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, ZIP 2007, 1951. 30) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Rz. 3, 9, 11, IDW Life 7/2020, S. 631 ff.; Sailer-Coceani in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rz. 9; Gleißner, DB 2017, 2749, 2751. 31) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.

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2. Teil Krisenfrüherkennung

„Je früher ein Schuldner seine finanziellen Schwierigkeiten erkennen und geeignete Maßnahmen treffen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine wahrscheinliche Insolvenz abgewendet wird, beziehungsweise – im Falle eines Unternehmens mit dauerhaft verminderter Bestandsfähigkeit – desto geordneter und effizienter würde der Abwicklungsprozess sein.“ 30 Der nationale Gesetzgeber hat es bei der Umsetzung der bekannten Formulierung „wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können“ belassen, konkretisiert das Beobachtungsziel „bestandsgefährdende Entwicklungen“ also nicht. Es handelt sich mithin um eine Blankettvorschrift. Daher ist für das Beobachtungsziel auf die ökonomische Lehre und Praxis zurückzugreifen. 31 Brandes/Rabenau32) gehen davon aus, dass eine Krise i. S. des StaRUG eine Entwicklung ist, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden kann. In Auslegung dieses Begriffs gehen sie davon aus, dass die Stakeholder-Krise, die Strategie-Krise und die Produkt- und Absatz-Krise keine Krise i. S. des StaRUG darstellen, weil die Bewältigung der Krise in diesem frühen Stadium Aufgabe der Gesellschafter sei. Eine Beobachtungs- bzw. Meldepflicht bestehe folglich nicht für die Geschäftsleitung. Die Auffassung hat insbesondere auch Bedeutung für den Beobachtungshorizont. 32 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Gesellschafter eine so frühe Krise möglicherweise gar nicht feststellen können. Gemäß dem obigen Schaubild des Krisenverlaufs ist im frühen Krisenstadium die Erkennungsschwierigkeit am größten. Die Kenntnisnahmemöglichkeit setzt Insiderwissen voraus, welches nur der Geschäftsleitung zugänglich ist. Ferner ist das Entdecken und Aufspüren von fehlerhaften Strategien „von fundamentaler Bedeutung“.33) Nach Bork ist der Geschäftsführer „fraglos zur kontinuierlichen Kontrolle der finanziellen Lage der Gesellschaft und zur Beobachtung der Stellung des Unternehmens am Markt verpflichtet.“34) Die gilt selbst dann, wenn die konkrete Reaktion auf Meldungen Angelegenheit der Gesellschafter ist, was § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 StaRUG mit dem Berichterstatten und Hinwirken auf Beschlussfassung explizit vorsieht. Berücksichtigt man die untenstehenden Anforderungen an die Überwachungssysteme, sollte deutlich werden, dass nur die Geschäftsleitung auch die erforderlichen Risikoinformationen geben kann, von dieser also entsprechende Beschlussvorlagen auszuarbeiten sind. Schon aus diesem Grund muss die Geschäftsleitung die Gesellschafter bzw. die Aktionäre auf eine derartige Fehlentwicklung hinweisen, so dass sie ihre Gesellschafterrechte wahrnehmen und der Krise gegensteuern können. Besteht nun aber diese Beobachtungspflicht seitens der Geschäftsleitung, müssen diese Risiken selbstverständlich rechtzeitig erkannt und gemeldet werden. 33 Einen anderen, pragmatischen Weg zur Definition der Bestandsgefährdung ist der österreichische Gesetzgeber gegangen, der zusätzlich eine Vermutungsregelung für den Einstieg in das Restrukturierungsverfahren aufgenommen hat: Voraussetzungen für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens § 6. (1) Die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens setzt die wahrscheinliche Insolvenz des Schuldners voraus. (2) Wahrscheinliche Insolvenz liegt vor, wenn der Bestand des Unternehmens des Schuldners ohne Restrukturierung gefährdet wäre, insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit; sie wird vermutet, wenn die Eigenmittelquote 8 % unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt. ___________ 32) Brandes/Rabenau, ZIP 2021, 2374, 2375 f. 33) Wilden in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2 Rz. 45. 34) Bork, ZIP 2011, 101, 102.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

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Damit sind in Österreich neben der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Eigenkapital- 34 quote und der dynamische Verschuldungsgrad mitentscheidend. Der Gesetzgeber bemüht sich dabei einer ökonomischen Heuristik, welche auch für die Beurteilung in Deutschland herangezogen werden kann. Nun ist aber zu berücksichtigen, dass jedes Unternehmen in seinem Bestand gefährdet 35 ist, das eine mehr als das andere. Dies Aussage, ein Unternehmen unterliege keiner Bestandsgefährdung ist laut Gleißner „immer falsch“.35) Es gibt kein Unternehmen ohne eine gewisse Bestandsgefährdung. Die Frage ist daher, wann wird ein Grad der Bestandsgefährdung erreicht, der den Organen zum Gläubigerschutz besondere rechtliche Handlungsrahmen aufbürdet. Wann also wird eine Bestandsgefährdung rechtlich relevant? Rechtlich relevant wird ein Grad der Bestandsgefährdung, wenn die unveränderte Fort- 36 führung ein Spekulieren zulasten der Gläubiger wäre. Bei fortgeschrittener Krise sinkt der Unternehmenswert praktisch auf null ab. Die Gesellschafter haben nichts mehr zu verlieren, haben aber die betragsmäßig unbegrenzte Chance auf eine Wertsteigerung.36) Ein rechtlich unverantwortliches spekulieren zulasten der Gläubigergemeinschaft sieht Hölzle37) ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit im 24-Monats-Zeitraum. Ab dort soll § 1 StaRUG drittschützend i. S. des § 823 Abs. 2 BGB werden. Meines Erachtens ist dies jedoch noch nicht ausreichend, um dem Gläubigerschutzgedan- 37 ken Rechnung zu tragen: So zeigt die Studie von EulerHermes (EH)38) anhand von drei Kennzahlen bereits vier Jahre vorher schon die aufkommende Insolvenz und geht damit über den Regelrahmen von zwei Jahren hinaus. Bemerkenswerter Weise zeigt EH auf, dass Umsatzeinbrüche kein verlässlicher Indikator für eine Fehlentwicklung sind. Entscheidend sind die Profitabilität, die Eigenkapitalquote und die Zinsdeckung. Dies entspricht den synthetischen Ratings, die insbesondere auch Gleißner immer wieder ins Feld führt.39) Hierzu weiter unten mehr. Der Rechtsordnung steht es nicht zu, Mindestanforderungen an die Profitabilität der Un- 38 ternehmen zu diktieren. Jedoch ist es Aufgabe der Rechtsordnung, ein Gläubigerschutzkonzept auszuformen, welches haftungsbeschränkte Unternehmen erst möglich macht. Daher muss ein Früherkennungssystem so ausgestaltet sein, dass im Idealfall keine Insolvenzen entstehen. In jedem Fall muss ein Spekulieren auf Kosten und Risiko der Gläubiger vermieden werden. Um rechtzeitig die gesetzlich gebotenen „geeigneten Gegenmaßnahmen“ einzuleiten und das Überwachungsgremium formieren zu können, „benötigt man ein Messkonzept für die Bestandsgefährdung (eine Kennzahl).“40) Daher sind aus Gläubigerperspektive Finanzierungen an Unternehmen deren Einjahresaus- 39 fallwahrscheinlichkeit über 2 % beträgt „spekulativ“;41) ein Bankvorstand, der einem solchen Unternehmen einen gesicherten Kredit gäbe, würde sich dem Haftungsvorwurf ausgesetzt sehen.42) Ein Indikator für ein Früherkennungssystem könnte m. E. die Notenbankfähigkeit sein, d. h., dass die Einjahresausfallwahrscheinlichkeit unter 1,5 % betragen ___________ 35) 36) 37) 38)

39) 40) 41) 42)

Gleißner, WPg 2019, 158, 160. Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 45 ff., 56. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 12. EulerHermes, Studie: Diese drei Krisenindikatoren weisen frühzeitig auf eine mögliche Insolvenz hin, abrufbar unter https://www.allianz-trade.de/presse/pressemitteilungen/euler-hermes-studie-indikatorenweisen-auf-moegliche-insolvenz-hin.html (Abrufdatum: 16.1.2023). Gleißner/Mahn, KRP 2016, 5; Gleißner, BewP 2011, 16 f. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 73. Standard & Poor’s, Rating-Skala, abrufbar unter https://www.zinspilot.de/wissen/banken-ratings/ standard-and-poors-rating/ (Abrufdatum: 16.1.2023). OLG Thüringen v. 8.8.2000 – 8 U 1387/98, NZG 2001, 86 = GmbHR 2001, 86 ff.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

müsste.43) Spätestens unter einem BB- Rating (S&P) ist eine Finanzierung deutlich erschwert und ab B- (S&P) (Sparkassenrating 11 und höher, Volksbanken 3 b und schlechter) ist eine Kreditierung regelmäßig nicht mehr möglich. Dies bedeutet aber auch, dass die Forderungsausfallversicherer das Delkredere reduzieren oder sogar gänzlich ablehnen, so dass für Materialbeschaffungen auf Vorauskasse umgestellt werden muss. Übersicht verschiedener Ratings

40 S&P

Fitch

Moody's

Engl. Bezeichnung

AAA

AAA

Aaa

Prime

AA+

AA+

Aa1

High grade

AA

AA

Aa2

High grade

AA-

AA-

Aa3

High grade

A+

A+

A1

Upper medium grade

A

A

A2

Upper medium grade

A-

A-

A3

Upper medium grade

BBB+

BBB+

Baa1

Lower medium grade

BBB

BBB

Baa2

Lower medium grade

BBB-

BBB-

Baa3

Lower medium grade

BB+

BB+

Ba1

Non-Investment grade

BB

BB

Ba2

Non-Investment grade

BB-

BB-

Ba3

Non-Investment grade

B+

B+

B1

Highly speculative

B

B

B2

Highly speculative

B-

B-

B3

Highly speculative

CCC+

CCC

Caa1

Substantial risks

CCC

CC

Caa2

Extremely speculative

CCC-

C

Caa3

In default with little prospect for recovery

CC

RD

Ca

In default with little prospect for recovery

C

RD

Ca

In default with little prospect for recovery

D

D

C

In default

Quelle: Tagesschau.de;44)

41 Analog der Studie von EulerHermes könnten auch diese Kennzahlen an Stelle eines Ratings herangezogen werden. Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Gläubigeransprüche nicht gefährdet werden.45)

___________ 43) Vgl. Deutsche Bundesbank, Bonitätsanalyse, https://www.bundesbank.de/resource/blob/602050/ 66c9453d51d8827523d7514b314f9c9e/mL/bonitaetsanalyse-kurzuebersicht-data.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023). 44) ARD, Tagesschau, Ratingagenturen und ihre Bewertungen, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/ wirtschaft/rating102.html (Abrufdatum: 16.1.2023); vgl. auch Gleißner/Haarmeyer, ZInsO 2019, 2293, 2298; umfangreiche Darstellung s. Bundesverband freier Berater e. V., Vergleich der Notensysteme der Ratingverfahren der deutschen Kreditinstitute für Unternehmen, abrufbar unter https://www.kmuberater.de/wp-content/uploads/kmu-informationen_ratingverfahren_2021.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023). 45) Weitzmann, ZInsO 2019, 1627, 1631.

146

Nickert

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

Gleißner/Haarmeyer46) schlagen ein Ampelsystem vor:

42

(1) Situationen ohne signifikante Bestandsgefährdung (grüne Ampelstufe); (2) Situation einer (drohenden) bestandsgefährdenden Entwicklung (gelbe Ampelstufe); (3) Insolvenz, in der Regel also drohende Illiquidität (rote Ampelstufe). Auch darauf wird deutlich, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit die letzte Stufe eines 43 Frühwarnsystems sein kann. Sicher nicht ausreichend ist, wenn mangels liquider Mittel Steuern und Abgaben nicht mehr bezahlt werden können.47) Dann läge bereits eine Insolvenzantragspflicht wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit vor. Nach a. A. reicht es aus, wenn die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft gefährdet 44 wird. Jedoch ist entscheidend, ein künftiges Insolvenzrisiko zu vermeiden bzw. zu steigern.48) Das Insolvenzrisiko hängt aber unmittelbar mit dem (Finanz-)Rating zusammen. Das heißt, Anknüpfungspunkt für ein Früherkennungssystem muss mindestens die Vermeidung eines Ratings schlechter BB- (S&P) sein,49) was einer Ausfallwahrscheinlichkeit von rd. 2 % entspricht, sprich: Die Gefahr des Verlusts mindestens eines BB-/Ratings muss so rechtzeitig erkannt werden, dass noch ein erfolgreiches Gegensteuern möglich ist. VIII. Beobachtungshorizont Aus der Gesetzesformulierung des StaRUG und ErwG 22 der Restrukturierungsrichtlinie 45 folgt, dass eine mögliche Insolvenz, also nicht erst eine Insolvenz, vermieden werden soll. Das Frühwarnsystem ist also so einzurichten, dass eine substanzielle Insolvenzgefahr so rechtzeitig erkannt wird, dass gegengesteuert werden kann.50) Damit hängt der Beobachtungshorizont von der finanziellen Verfassung, vom Ge- 46 schäftsmodell einerseits und von der voraussichtlichen Dauer eines Gegenzusteuerns ab. Bei Geschäftsmodellen mit einer hohen Anlagenintensität kann dies einen längeren Zeitraum begründen. Ebenfalls kann ein Geschäft mit hohen Volumina aber geringen Margen ebenfalls einen kurzfristigen Turnaround erschweren. Zuletzt bedarf es bei strategischen Änderungen, insbesondere bei Änderungen des Geschäftsmodells, eines längeren Zeitraums und in der Folge eines deutlich erweiterten Beobachtungshorizonts. Für derart weitreichende Beobachtungszeiträume spricht auch die Wertung des Gesetzgebers beim Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung.51) Nach dieser Wertung soll ein unternehmerisches Strohfeuer zugunsten einer nachhaltigen Unternehmenssteuerung unterbleiben. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Liquidität für mindestens die nächsten drei 47 Jahre integriert, d. h. aus Plan-GuV, Plan-Bilanz und Plan-Liquidität dargestellt werden muss. Darüber hinaus sollte für mind. zwei weitere Fünf-Jahres-Zeiträume die Gewinnund Verlustrechnung weitergeführt werden. Für die strategische Planung reicht jedoch noch weiter: Hier sind auch Planungszeiträume von mehr als zehn Jahren nicht unüblich, wobei als Faustformel gilt: Es ist mindestens so lange weiterzuplanen, wie benötigt wird, um eine geplante Gegenmaßnahme umzusetzen oder alternativ das Unternehmen ordent___________ Gleißner/Haarmeyer, ZInsO 2019, 2293, 2294. So der ErwG 22 der Restrukturierungsrichtlinie. Sailer-Coceani in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rz. 9. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 231 „Für ein typisches mittelständisches Unternehmen mag dagegen die Risikotoleranz in Bezug auf die Schwelle des „BB-Rating“ geschätzt werden.“. 50) Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 15; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 27; SailerCoceani in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rz. 11. 51) Fleischer, NZG 2009, 801, 802 f.

46) 47) 48) 49)

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147

§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

lich zu liquidieren. Bei der strategischen Planung mit derart langen Planungszeiträumen ist es üblich, dass dann nur noch Kennzahlen als planerische, aber realistische Zielvorgaben abgebildet werden. Ein Anhaltspunkt für das Ende des Beobachtungszeitraums könnte das Erreichen eines eingeschwungenen Zustands i. S. der Rentenphase bei der Unternehmensbewertung sein.52) 48 Entgegen einigen Stimmen in der Literatur53) kann daher der Beobachtungshorizont nicht auf die kommenden 24 Monate, was de facto einer Planungspflicht für drei Jahre entspricht, beschränkt werden, § 18 InsO.54) Dafür gibt der Wortlaut der Norm keinen Anhaltspunkt. Systematisch spricht dagegen, dass in § 14 Abs. 1 StaRUG neben der Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch eine Erklärung zur Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit erforderlich ist. Damit muss diese denklogisch über den Zeitraum nach § 18 InsO hinausgehen. Zuletzt hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht,55) dass er die Regelungen des § 91 Abs. 2 AktG für sämtliche anderen haftungsbeschränkten juristischen Personen und Personengesellschaften kodifizieren wollte. In der Literatur und Praxis zu § 91 Abs. 2 AktG findet sich aber keine zeitliche Begrenzung auf den ZweiJahres-Zeitraum. IX.

Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Früherkennungssystems

49 Das Früherkennungssystem soll eine Bestandsgefährdung „früh aufzeigen“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es kein schwarz oder weiß gibt. Schon der Begriff der „Gefahr“ zeigt, dass sich nicht um eine abschließende Beurteilung handelt. Sobald Gewissheit besteht, ist es keine „Gefahr“ mehr. Für die Unternehmen mit bestandskräftiger Gewerbeuntersagungsverfügung bedarf es auch keines Früherkennungssystems; das System, wäre vorher erforderlich gewesen. So gibt es umgekehrt auch keine Unternehmen ohne eine Bestandsgefährdung. Gleißner drückt dies pointiert aus: Eine absolute Aussage sei „immer falsch“.56) Deutlich zu erkennen ist dies an den bereits oben angeführten Rating-Skalen, die auch Unternehmen mit einem AAA Rating eine, wenn auch geringe, Ausfallwahrscheinlichkeit beimessen. Eben diese Ausfallwahrscheinlichkeit zeigt aus Gläubigerperspektive den Grad der Bestandsgefährdung. Berücksichtigt man z. B. statt der Einjahresausfallwahrscheinlichkeit die fünfjährige, so wird die Bestandsgefährdung noch deutlicher.57) 50 Damit muss ein Früherkennungssystem einen „Grad der Bestandsgefährdung“, also ein probabilistisches Urteil ausweisen. Eine diskrete Einschätzung (besteht oder besteht nicht) verbietet sich. 51 Zur Früherkennung werden verschiedene Methoden vorgeschlagen: 

Kennzahlenanalysen,



Planungsrechnungen,



Risikoregister, qualitative Risikoanalysen,

___________ 52) IDW Standard, Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1), Stand: 4.7.2016, Rz 78, IDW Life 8/2016, S. 731; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, Rz. 5.53. 53) Kühne/Lienhard, SanB 2020, 144, 146 f.; Skauradzun/Amort, DB 2021, 1317, 1318 m. w. N. 54) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 7; Fleischer, NZG 2009, 801, 802 f. 55) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 103 f. 56) Gleißner, WPg 2019, 158, 160. 57) Z. B. S&P Global, 2020 Annual Global Corporate Default And Rating, Transition Study, abrufbar unter https://www.maalot.co.il/Publications/TS20210408160139.PDF (Abrufdatum: 16.1.2023).

148

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5



Risikomatrix,



Ermittlung der Erwartungswerte der Einzelrisiken (und Aufaddieren dieser Werte),



Stresstests und Szenarioanalysen,



quantitative Analysen, Simulationsrechnungen.

Um eine typisierende, aber vereinfachte Situation darzustellen, könnte man für ein Pro- 52 duktionsunternehmen annehmen, dass 

die Absatzmenge schwankt,



der Absatzpreis schwankt,



die Wareneinsatzkosten schwanken,



die Personalkosten schwanken,



die sonstigen Kosten schwanken und



das Risiko besteht, dass die Produktionshalle abbrennt und



das Risiko besteht, dass die Kernkompetenz von einem Wettbewerber erfolgreich angegriffen wird.

Es bestehen also sieben unsichere Bereiche, die in unterschiedlicher Ausprägung das Er- 53 gebnis beeinflussen können. Wie könnte man bei einem solchen Unternehmen vorgehen? 1.

Kennzahlenanalysen

Kennzahlenanalysen sind in der Ökonomie gang und gäbe.58) Das Problem bei den Kenn- 54 zahlen ist, dass diese meist rückblickend erhoben werden, insbesondere bei der Analyse der Jahresabschlüsse. Die Früherkennung ist aber eine prognostische Analyse. Die Vergangenheitskennzahlen können daher allenfalls eine Ausgangsbasis für die Analyse sein und auch nur dann, wenn die Vergangenheit repräsentativ für die Zukunft ist, sog. Zeitstabilitätshypothese. Aus der Ratingforschung ist bekannt, dass diese Kennzahlen zu „synthetischen Finanzra- 55 tings“ verdichtet werden können.59) So kann die Ausfallwahrscheinlichkeit p wie folgt aus den nachfolgenden Kennzahlen auf verschiedene Weise erhoben werden: p p

0,265 1 e

0,41  7,42 ˜ EKQ  11,2 ˜ ROCE

0,39 1 e

0,09  10,8 ˜ EKQ  7,6 ˜ EBITM

p

0,233 1  e0,88 ˜ ZDQ

EKQ – Eigenkapitalquote ROCE (return on capital employed) – Gesamtkapitalrentabilität EBITM – EBIT-Marge ZDQ – Zinsdeckungsquote = EBIT/Zinsaufwand

___________ 58) Fragen und Antworten zu IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Abschn. 7.4, IDW Life 8/2018, S. 813 ff.; vgl. die umfassende Darstellung bei Wilden in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2 Rz. 1 ff. 59) Gleißner/Mahn, KRP 2016, 5; Gleißner, BewP 2011, 16 f.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

56 Besonders hervorzuheben ist eine Studie von EulerHermes:60) „Welche Frühindikatoren könnten es uns ermöglichen, Unternehmenskrisen frühzeitig zu erkennen? In der Literatur wird häufig ein Umsatzrückgang als erstes Symptom identifiziert, unsere Analyse zeigt jedoch, dass die Umsatzentwicklung kein robuster Indikator für eine Unternehmensnotlage oder ein erhöhtes Kreditrisiko in Deutschland ist. Obwohl es in Frankreich, Spanien und Italien effektiver aussieht, ist es nicht ganz zuverlässig. Stattdessen finden wir drei Indikatoren, die drei bis vier Jahre vor einer Insolvenz auf eine Unternehmenskrise hinweisen können. Der erste und wichtigste Indikator ist die Rentabilität. Vier Jahre vor einer Insolvenz ist die durchschnittliche Kapitalrendite (ROCE) relativ schwach: etwa 7 % für deutsche KMU, 6 % für französische KMU und weniger als 4 % für spanische KMU. In Italien liegt der ROCE fast bei 0 %. Im Vergleich dazu liegt der durchschnittliche ROCE aller KMU & MidCaps in den vier Ländern zwischen 10 % und 14 %. Mit zunehmender Unternehmenskrise sinkt die Rentabilität der Unternehmen erheblich und fällt ein Jahr vor einer Insolvenz tief in den negativen Bereich. Der zweite Indikator ist die Kapitalisierung, die mit dem Rückgang der Erträge tendenziell abnimmt, wenn auch langsamer. Unternehmen weisen vier Jahre vor ihrer Insolvenz durchschnittliche Eigenkapitalquoten von 20,6 % (Deutschland), 23,2 % (Frankreich), 15,6 % (Italien) und 23,3 % (Spanien) auf. Im Vergleich dazu liegt die durchschnittliche Eigenkapitalquote aller KMU & MidCaps bei rund 30 %. Die Kapitalausstattung hat sich im letzten Jahr vor der Insolvenz deutlich verschlechtert, was zu einer Überschuldung in allen Ländern außer Deutschland führt. Da sich Erträge und Kapitalausstattung verschlechtern, wirken sich die daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf das Kreditrisiko eindeutig auch auf das Entschuldungspotenzial aus. Der dritte Indikator für Unternehmensnotlagen ist die Zinsdeckung. Bereits drei Rechnungsjahre vor einer Insolvenz ist die durchschnittliche EBIT-basierte Zinsdeckung der Unternehmen sehr schwach: zwischen 0,5x in Italien, 0,8x in Deutschland, 1,0x in Spanien und 1,1x in Frankreich. Im Vergleich dazu liegt die durchschnittliche Zinsdeckung aller KMU & MidCaps bei etwa 3x. Mit anderen Worten, das Betriebsergebnis ist in diesem frühen Stadium bereits oder fast nicht in der Lage, die Zinsaufwendungen zu decken.“ (Hervorhebungen durch d. Verf.). 57 Ebenfalls als Heuristik können die für die Regelvermutung nach § 6 ReO (Österreich) angeführten Kennzahlen herhalten (EK-Quote unter 8 % und dynamischer Verschuldungsgrad über 15). 58 Bemerkenswert ist, dass sich die Kennzahlengrundlage der Analyse von EulerHermes mit den synthetischen Ratings u. a. von Gleißner in der Kennzahlenauswahl deckt.61) Es ist daher in jedem Fall wichtig, diese Kennzahlen zu überwachen, da auch die Lieferanten und die Banken ihre Entscheidungen auf solchen Grundlagen fällen. Ausreichend ist das aber nicht. 59 Zum einen können je nach Stadium des Unternehmens die Vergangenheitszahlen wenig bis keine Aussagekraft für die Zukunft sein.62) Man denke bspw. an die Jahresabschlussanalyse von BioNTech per 31.12.2019. Ferner sind diese Kennzahlen derart verdichtet, dass sie eine Ursachenanalyse nicht zulassen. Es reicht für die meisten Unternehmen ___________ 60) Euler/Hermes, Three indicators can reveal SME insolvency risk up to four years in advance, v. 24.9.2019, abrufbar unter https://www.allianz-trade.com/en_global/news-insights/economic-insights/Threeindicators-can-reveal-SME-insolvency-risk-up-to-four-years-in-advance.html (Abrufdatum: 16.1.2023). 61) Zinsdeckungsquote (ZDG), Eigenkapitalquote, Gesamtkapitalrentabilität (ROCE) bzw. EBIT-Marge; vgl. auch Wilden in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, § 2 Rz. 24, 33. 62) Wilden in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2 Rz. 3, 17, 25, 37.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

nämlich nicht aus, aufzuzeigen, dass sie kein Geld verdienen. Um geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen ist es erforderlich aufzuzeigen, weshalb sie kein Geld verdienen. Zuletzt könnte auf ein solches Rating nur dann zurückgegriffen werden, wenn die Zeitstabilitätshypothese, also dass die Vergangenheit repräsentativ für die Zukunft ist, dargelegt und bewiesen werden könnte. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein. Daher müssen zu den vergangenheitsbasierten Erhebungen einzelfallbezogene Analysen63) 60 und vor allem Informationen mit Zukunftsbezug hinzukommen. Die Kennzahlenanalyse kann aber ein Startpunkt der Einzelfallbeurteilung sein. Insbesondere wäre die Analyse mit bayesianischer Statistik64) eine denkbare Weiterentwicklung bei welcher eine nach obigen Methoden ermittelte Ausfallwahrscheinlichkeit als Prior herangezogen werden könnte. Dieser mathematische Ansatz ist nicht Gegenstand dieses Handbuchs. Insoweit muss auf Spezialliteratur verwiesen werden.65) 2.

Planungsrechnungen

Daher wurde in der Vergangenheit versucht künftige Kennzahlen aus der integrierten 61 Planungsrechnung abzuleiten.66) Eine reine Ertragsplanung reicht dafür nicht aus, da insbesondere Bilanzkennzahlen zur Ermittlung der VFE-Lage und damit der entscheidenden Kennzahlen erforderlich sind. Aus der Planung könnten sich dann die künftigen Ratings bzw. Beurteilungen ergeben. 62 Zunächst müsste hierzu eine bestehende Planung erst in eine Prognose, einen Erwartungswert, umgeformt werden,67) denn eine Planung zeigt lediglich auf, was zu tun ist, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen. Sie zeigt hingegen nicht auf, was voraussichtlich, „im Mittel“, zu erwarten ist; das zeigt nur die Prognose bzw. der Erwartungswert.68) Die Umformung einer Planung in eine Prognose führt regelmäßig zu einer Verschlechte- 63 rung der VFE-Lage.69) Dies ist auch logisch: Aufgabe der Geschäftsleitung ist es, gute Ergebnisse zu erzielen. Hierzu erstellen Sie eine Planung, wie das gelingen kann. Diese ist meist optimistisch, um die Mitarbeiter zu motivieren. Übertragen auf den Sport würde ein Hochspringer auch nicht sagen: Im Mittel springe ich 1,90 m, daher plane ich heute, 1,90 m zu springen. Er wird vielmehr versuchen stets seine Bestleistung zu übertreffen. Darauf arbeitet er hin und plant seine Trainings- und Wettkampfaktivitäten. Aus diesem Grund wird die Geschäftsleitung auch versuchen z. B. die Kapazitäten der Produktion maximal auszuschöpfen. Das heißt, eine Steigerung der Ausbringungsmenge ist praktisch nicht oder nur geringfügig möglich, jedoch ist ein Kundenverlust möglich. Eine Produktionshalle kann abbrennen, jedoch nicht über Nacht, quasi von Zauberhand, entstehen. Ebenso wenig plant die Geschäftsleitung mit Störungen wie z. B. einer Cyberattacke. Das Gegenteil ist der Fall, die Geschäftsleitung plant, diese Störungen zu vermeiden. In einer Prognose müsste dieses Risiko jedoch berücksichtigt werden. Übertragen auf den Hoch___________ 63) Wilden in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2 Rz. 55. 64) Nickert/Wieczorek, DStR 2022, 791. 65) Albert/Hu, Probability and Bayesian Modeling; Donovan/Mickey, Baysian Statistics for Beginners; Tschirk, Bayes-Statistik für Human- und Sozialwissenschaften. 66) Nickert, KTS 2021, 183, 199. 67) Vgl. hierzu IDW Praxishinweis, Beurteilung einer Unternehmensplanung bei Bewertung, Restrukturierungen, Due Diligence und Fairness Opinion (IDW PS 2), Stand: 2.1.2017, IDW Life 3/2017, S. 343 ff. 68) Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 31; Reis in: Szyperski/Wienand, Handwörterbuch der Planung, S. 1627 ff. 69) Eine Ausnahme kann bei Startups oder Unternehmen in einer Transformationsphase gelten.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

springer plant dieser auch keine Sportverletzung ein. Mit anderen Worten: Es besteht regelmäßig ein Risikoüberhang über die Chancen.70) 64 Das Problem ist jedoch bei Umformung einer Planung in eine Prognose, dass die Kennzahlen aus einer deterministischen (einwertigen) Planung abgeleitet werden. Diese Planung ist meistens „ambitioniert“ und bleibt hinter dem Erwartungswert zurück. Diese ist auch nur ein Planwert von vielen, praktisch unendlich möglichen Werten. Plakativ kennt man die Thematik mit dem Zitat: „Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.“ Es ist die Kurzfassung eines Zitats von Helmuth von Moltke: „Kein Operationsplan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus.“71) 65 Aus dem Risikomanagement wissen wir, dass „Risiko“ die Möglichkeit von künftigen Planabweichungen ist.72) Eben das Risiko, die Ziele zu verfehlen, wird in der einwertigen Planung, aber auch in der einwertigen Prognose überhaupt nicht erfasst. Beispiel: Ein Unternehmen hat einen Anfangsbestand an Liquidität von 5 und plant einen Cashflow von 5. Die Planung zeigt einen Endbestand von 10. Nun könnte der Cashflow unsicher sein z. B. mit +/– 1, +/– 10 oder +/– 100. Das heißt, die drei Fälle wären in einem unterschiedlichen Ausmaß unsicher, würden aber auf Grundlage der Planung mit einem freien Endbestand von 10 ausgewiesen. 66 Daher ist entgegen einiger Stimmen in der Literatur73) die Unternehmensplanung, selbst bei vorhandenem Stresstest (siehe dazu unten Rz. 81 ff.) ungeeignet, den Grad der Bestandsgefährdung zu ermitteln. Sie ist für ein Früherkennungssystem notwendig, jedoch nicht hinreichend, auch nicht für KMU.74) Insbesondere gibt es weder eine gesetzliche Regelung analog den Bilanzierungsregelungen für KMU, mit welcher Erleichterungen geschaffen wurden. Ferner sind gerade KMU in besonderem Maße insolvenzgefährdet. auch ist eine etwaige Überforderung nicht geeignet, die Pflichten abzusenken, da in diesem Fall Berater hinzugezogen werden müssen.75) 3.

Risikoregister und qualitative Analyse

67 Risiken könnten auf Ebene des Unternehmens checklistenmäßig erhoben werden. So hat z. B. Gleißner76) Vorschläge unterbreitet.77) Die Ermittlung der Risiken, also allen Umständen, die zu Abweichungen von den späteren Ergebnissen von der Planung führen können, ist elementar und unvermeidbar. Ohne eine solche Analyse könnte schon die Prognose bzw. der Erwartungswert gar nicht ermittelt werden. Aber auch das reicht selbst dann nicht aus, wenn zudem eine integrierte Planung erstellt wurde. 68 Werden solche Risiken qualitativ erhoben und festgestellt, besteht das Problem, dass diese keine Aussage über den Grad einer Bestandsgefährdung zulassen. Der Grad einer Bestandsgefährdung ist immer ein Wahrscheinlichkeitsurteil. Ein solches Urteil ist eine Zahl. Also müssen die qualitativen Informationen in eine Zahl transformiert werden. ___________ 70) Ausnahmen können z. B. bei Startups oder bei Unternehmen in der Turnaround-Phase bestehen. 71) Oder auch: „Jede Strategie reicht bis zur ersten Feindberührung. Danach kommt nur noch ein System von Aushülfen.“. 72) Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 16 f.; Romeike/Hager, Erfolgsfaktor Risikomanagement 4.0, S. 58 ff. 73) Kühne/Lienhard, SanB 2020, 144, 146 f.; Brünkmans, ZInsO Fokus 2021, 1, 15; Schülke, DStR 2021, 621, 623. 74) Nickert/Nickert, DStR 2021, 883; Nickert/Nickert, GmbHR 2021, 401. 75) BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, NJW 2007, 2118 – für die Frage der Insolvenzreifeprüfung. 76) Gleißner in: Gleißner/Meier, Wertorientiertes Risikomanagement für Industrie und Handel, S. 253 ff. 77) Für die kleinen Unternehmen ist z. B. auf den INQA Unternehmenscheck zu verweisen.

152

Nickert

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

Teils wird befürwortet, dass die qualitativen Informationen (intuitiv) in eine ordinale Re- 69 levanzskala eingeordnet werden. Zum Beispiel wird vorgeschlagen, dass Relevanzbereiche definiert werden wie: 

Schaden bis 100.000 €



Schaden bis 500.000 €



Schaden bis 1.000.000 € und



Schaden über 1.000.000 €.

Der Nachteil daran ist, dass bei einem solchen Vorgehen der Maximalschaden berücksich- 70 tigt wird. Der Schaden kann aber auch geringer ausfallen. Auch ist zu berücksichtigen, dass eine solche Ermittlung nur die Einzelrisiken erfasst. Meist 71 geht eine Bestandsgefährdung aber nicht von einem großen bestandsgefährdenen Einzelrisiko aus. Auch das Zusammentreffen mehrerer kleinerer Risiken kann ein Unternehmen bedrohen. Das wusste schon Carl von Clausewitz (1780–1831), der von „Friktionen“ schrieb, kleinen Fehlern, kleinen unvorhersehbaren Abweichungen und Unsicherheiten, die irgendwann bei militärischen Operationen dazwischenkommen und in Summe jeden noch so guten Plan stören. „Es ist alles im Kriege sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig. Diese Schwierigkeiten häufen sich und bringen eine Friktion hervor, die sich niemand richtig vorstellt, der den Krieg nicht gesehen hat. Man denke sich einen Reisenden, der zwei Stationen am Ende seiner Tagereise noch gegen Abend zurückzulegen denkt, vier bis fünf Stunden mit Postpferden auf der Chaussee; es ist nichts. Nun kommt er auf der vorletzten Station an, findet keine oder schlechte Pferde, dann eine bergige Gegend, verdorbene Wege, es wird finstere Nacht, und er ist froh, die nächste Station nach vielen Mühseligkeiten erreicht zu haben und eine dürftige Unterkunft dort zu finden. So stimmt sich im Kriege durch den Einfluß unzähliger kleiner Umstände, die auf dem Papier nie gehörig in Betrachtung kommen können, alles herab, und man bleibt weit hinter dem Ziel.“78) (Hervorhebung durch d. Verf.) Entgegen einem Teil der (juristischen) Literatur79) dürfen also nicht „andere“ oder „nor- 72 male“ Risiken ausgeblendet werden, weil bestandsgefährdende Entwicklungen sämtliche Risiken, die allein oder im Zusammenwirken mit anderen Risiken dem Ziel der Unternehmensfortführung entgegenstehen, umfassen.80) Diese Entwicklungen sind so frühzeitig zu erkennen und an den Vorstand zu kommunizieren, dass noch geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens ergriffen werden können.81) „Bestandsgefährdende Entwicklungen können auch aus dem Zusammenwirken mehrerer Risiken resultieren, die bei isolierter Betrachtung an sich nicht bestandsgefährdend sind. Bei der Beurteilung, ob eine bestandsgefährdende Entwicklung vorliegt, ist daher eine Aggregation der Risiken vorzunehmen.“82) Man benötigt also eine Methode, die mit der Vielzahl von Einzelrisiken umgehen kann.

___________ 78) v. Clausewitz, Vom Kriege, S. 61 ff. 79) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 21 m. w. N. 80) Statt vieler: IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Rz. 3, 9, 11, IDW Life 7/2020, S. 631 ff. 81) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Rz. 3, 9, 11, IDW Life 7/2020, S. 631 ff. 82) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Rz. 3, 9, 11, IDW Life 7/2020, S. 631 ff.

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73

§5 4.

2. Teil Krisenfrüherkennung Risikomatrix

74 Um die Vielzahl der Risiken abzubilden wurden in der Vergangenheit zweidimensionale Kategorisierungen gebildet. Man hat die Risiken in Schadessausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit aufgespalten und das Ergebnis als „Erwartungswert“ dargestellt, meist in Form einer sog. Heat Map oder Risk Map. Diese hatte meist 3 x 3 oder 5 x 5 Felder, so dass das Schadensausmaß (Impact) und die Eintrittswahrscheinlichkeit (Probability) in je fünf Relevanzbereiche untergliedert wird, die zumeist noch farblich hinterlegt ist. Damit wurde versucht, die Risiken zu beschreiben. Die Heat Map gibt es als ordinale Ordnung, aber auch als kardinale Darstellung. Bei der ordinalen Ordnung werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadensausmaße meist als gering mittel und groß dargestellt, bei einer untergliederten Darstellung auch mit weiteren Abstufungen. Bei der kardinalen Ordnung werden die quantifizierten Risiken aufgezeigt. Hierzu ist eine genauere Bewertung der Einzelrisiken vorzunehmen. 75 Bei einer ordinalen Skala bedeutet dies, dass alle Risiken in einer Klasse gleichbehandelt werden. Zum Beispiel wird die Skala in 0 – 0,99, 1 – 3 und größer 3 unterteilt, so wird ein Risiko mit der Bewertung von 1,01 gleich dargestellt wir ein Risiko mit 2,99; Die Risiken mit 2,99 und 3,01 werden in unterschiedlichen Gruppen ausgewiesen, obwohl der Unterschied im letzteren Fall deutlich geringer ausfällt. Beispiel Heat Map

76

High

Risiko

c e

b a

Med

Probability

g

h i

d

Low

f

Low

Med

High

Impact

77 Aber auch die kardinale Skalierung hilft nicht weiter: Das Problem dieser Heat Map ist, dass sie keine Aussage zulässt, wie hoch der Grad der Bestandsgefährdung des Unternehmens ist. Bestandsgefährdungen entstehen meist nicht aus einzelnen singulären Ereignissen, sondern aus dem Zusammentreffen mehrerer für sich genommen nicht bestands-

154

Nickert

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

gefährdender Ereignisse.83) Das heißt, es ist die Gefahr des Zusammentreffens auch mehrerer nicht wesentliche Risiken zu betrachten. Des Weiteren berücksichtigt die Heat Map keine Wechselwirkungen, also insbesondere nicht, ob sich Risiken wechselseitig verstärken oder abschwächen. Zuletzt berücksichtigt die Heat Map keine Chancen, insbesondere auch keine Chancen, welche die Risiken (über-)kompensieren. Daher ist die Heat Map nicht geeignet, den Grad einer Bestandsgefährdung eines Unternehmens abzubilden und kann folglich nicht den Anforderungen des § 1 StaRUG genügen. Die Heat Map kann aber ein visuelles Hilfsmittel zur Darstellung der Einzelrisiken sein. Sinnvoller Weise wäre diese Darstellung dann um die Chancen anzureichern. 5.

Ermittlung der Erwartungswerte

Als Abhilfe wurde versucht, die Risiken als Erwartungswert auszudrücken, indem die 78 Schadenswahrscheinlichkeit und die Schadensauswirkung abgeschätzt und miteinander multipliziert wurden. Die aufsummierten Einzelerwartungswerte stellen dann den Gesamtrisikoumfang dar. Gleißner/Romeike beschreiben dies als die „größte anzunehmende Dummheit“ im Risi- 79 komanagement.84) „Die Summe der Schadenserwartungswerte (Risikoerwartungswerte) zeigt nur die mittlere Ergebnisbelastung resultierend aus den Risiken und informiert nicht darüber, welche realistische Maximalbelastung in denkbaren ungünstigen Zukunftsszenarien auf Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung des Unternehmens (dem Risikodeckungspotenzial) zukommen kann. Durch die damit einhergehende massive Unterschätzung des Gesamtrisikoumfangs ist es nicht möglich, die tatsächliche Bedrohung durch die Gesamtheit der Risiken einzuschätzen.“ (Hervorhebung durch d. Verf.). Würde bei einer solchen Betrachtung das Eigenkapital bzw. die Liquidität gerade noch 80 ausreichen, so wäre das Unternehmen gerade noch mit rd. 50 % + x solvent. In einer solchen Situation müsste man, zumindest nach ökonomischen Aspekten, von einer Insolvenzreife ausgehen.85) 6.

Stresstests und Szenarioanalysen

Die Szenarioplanung kommt aus dem Militär. Es geht dabei darum, sich auf unterschiedliche 81 Manöver des Feinds vorzubereiten. Man will also einen „Plan-B“ in der Tasche haben.86) Beim Stresstest werden die Auswirkungen einiger Risikofaktoren auf ein gesuchtes Ergebnis, z. B. das Eigenkapital oder die Liquidität, simuliert. Bei der Szenarioplanung und auch beim Stresstest handelt sich um eine Planung, jedoch 82 nicht um eine Prognose. Die Beurteilung des Grads der Bestandsgefährdung ist aber ein Wahrscheinlichkeitsurteile und damit eine Prognose. Das heißt, die Szenarioplanung ist daher schon methodisch ungeeignet, den Grad einer Bestandsgefährdung aufzuzeigen. Außerdem kommt die Methode recht schnell an ihre Grenzen. Wenn man z. B. unterstellt, ein Unternehmen wäre zehn Risiken ausgesetzt, dann könnten sich diese Risiken je einzeln, alle zehn Risiken gleichzeitig oder in verschiedenen Kombinationen ereignen. Mathematisch wird dies ausgedrückt durch die Fakultät: 10! Wenn man berücksichtigt, dass bei 5! bereits 120 Kombinationen und bei 10! schon 3.628.800 Kombinationen mög___________ 83) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Rz. 3, 11, 17, 18, IDW Life 7/2020, S. 631 ff.; s. oben auch das Zitat von v. Clausewitz. 84) Gleißner/Romeike, RCA 2011, 21, 23. 85) Bitter in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rz. 61; Nickert, KTS 2021, 183 ff. 86) Vgl. Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 48 f.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

lich sind, wird offenkundig, dass es willkürlich wäre aus diesem immensen Pool an Möglichkeiten ein oder zwei Szenarien herauszugreifen, um hieraus auf den Grad der Bestandsgefährdung zu schließen. Dabei sind die obigen Zahlen eine grobschlächtige Vereinfachung. Sie geht davon aus, dass sich jedes einzelne Risiko deterministisch, also durch eine Zahl, ausdrücken lässt. Wenn man, was immer noch einer groben Vereinfachung entspricht, jedes Risiko mit einem Worst Case, Real Case und Best Case beschreiben würde, dann wären wir bei fünf Risiken schon bei 3120 Szenarien.87) Woher und wie die Szenarien bzw. Stresstests für eine Prognose zu ermitteln sind, konnte bislang nicht überzeugend dargelegt werden. Insbesondere ein Umsatzeinbruch kann als Stresstest laut der oben angeführten Analyse von EulerHermes nicht herangezogen werden, da „die Umsatzentwicklung kein robuster Indikator für eine Unternehmensnotlage oder ein erhöhtes Kreditrisiko in Deutschland ist.“ 83 Stresstest und Szenarien sind gleichwohl hilfreich, z. B. um sich auf eine Cyberattacke vorzubereiten. Man macht einen Plan, wie man in diesem Fall vorgehen würde. Hierbei sprechen wir von Business Continuity Management, einem Plan aber nicht von der Ermittlung eines Grades der Bestandsgefährdung, was ein Wahrscheinlichkeitsurteil, eine Prognose darstellt. 7.

Quantitative Analyse

84 Damit bleibt nur noch übrig, den Gesamtrisikoumfang quantitativ zu beschreiben, um den Grad der Bestandsgefährdung zu ermitteln. „Bestandsgefährdend i. S. des § 91 Abs. 2 AktG ist eine Entwicklung, die sich in wesentlicher Weise nachteilig auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft auswirken kann. Hierzu gehören insb. solche Entwicklungen, die eine Insolvenz zur Folge haben können (Überschuldung, (drohende) Zahlungsunfähigkeit).“88) 85 Die bestandsgefährdenden Entwicklungen werden dann „rechtlich relevant“, wenn die Risikotragfähigkeit ein gewisses Maß überschreitet. Diese ist definiert, als maximales Risikoausmaß, welches das Unternehmen ohne Gefährdung seines Fortbestands tragen kann.89) Das IDW führt sogar Indizien auf, bei welchen eine Bestandsgefährdung vorliegen kann, z. B. 



strategische Risiken: 

Gefährdung des Geschäftsmodells, z. B. durch neue Technologien oder Umweltschutzvorschriften,



Verlust betriebsnotwendiger Lizenzen oder Konzessionen,



Fehlinvestitionen,



Markteintritt bislang nicht wahrgenommener Wettbewerber;

operative Risiken: 

Betriebsunterbrechungen, für die kein ausreichendes Business Continuity Management besteht;



Einsatz von spekulativen Finanzinstrumenten, die zur Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führen;

___________ 87) Als Zahl: 1.797.010.299.914.430.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000. 88) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Abschn. A. 4., IDW Life 7/2020, S. 631 ff. 89) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Abschn. A. 5., IDW Life 7/2020, S. 631 ff.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen 





§5

drohender Fremdkapitalentzug ohne Möglichkeit zur Aufnahme neuer Kredite (z. B. aufgrund einer Herabsetzung des Ratings des Unternehmens oder einer Verletzung von Kreditklauseln [Covenants]); ständig rückläufiger Absatz wegen mangelnder Marktanpassung;

 Makroökonomische Faktoren wie Zölle oder Kündigung von Handelsverträgen;  tiefgreifende Preisänderungen ohne Auffangmöglichkeiten;  Häufung von Liquiditätsengpässen mit kostspieligen Überbrückungsmaßnahmen. Risiken der Berichterstattung:  internes Berichtswesen ist unzureichend (z. B. im Financial Treasury [offene Finanzkontrakte]);  ist unzureichend, da es nur mit erheblichem zeitlichem Verzug bedrohliche Situationen aufdeckt;  Bilanzmanipulationen.

Compliance-Risiken:  Regelverstöße, die zu existenzbedrohenden Strafen führen;  Regelverstöße, die mit einem existenzbedrohenden Reputationsschaden verbunden sind. Da an die bestandsgefährdenden Entwicklungen rechtliche Pflichten geknüpft sind, z. B. 86 die Eigenschaft als Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB,90) muss der Eintritt der rechtlichen Verpflichtung objektivierter festgestellt werden können. Daher darf diese Grenze nicht durch die Risikotoleranz bestimmt werden, denn sonst hätten es die Anteilseigner in der Hand, die rechtlichen Grenzen zu verschieben. Die Risikotoleranz ist ein subjektives Sicherheitsniveau, welches schon vor Erreichen der Schwelle der bestandsgefährdenden Entwicklung erreicht ist. „Während sich die Risikotragfähigkeit damit auf eine bestandsgefährdende Entwicklung bezieht, stellt die Risikotoleranz auf ein vorsichtigeres, von der Unternehmensführung festgelegtes Sicherheitsziel ab.“91) Gleißner differenziert daher weiter, indem er zwischen der Wahrscheinlichkeit der Be- 87 standsgefährdung und der Wahrscheinlichkeit der Insolvenz unterscheidet.92) „Von einer „bestandsgefährdenden Entwicklung“ ist, wie bereits erläutert auszugehen, wenn  das Eigenkapital verzehrt wird (Überschuldung),  Kreditvereinbarungen (Covenants) verletzt werden, die eine Kündigung der Kredite zur Folge haben oder  für die Sicherstellung der Liquidität erforderlichen Mindestanforderungen an das Rating nicht mehr gewährleistet sind (Unterschreiten eines B-Ratings).“93) In diesen Fällen folgt noch nicht zwingend die Insolvenz. Bei bestehender Überschuldung 88 kann durch eine positive Fortbestehensprognose die insolvenzrechtliche Überschuldung ausgeschlossen werden. Der Bruch von Covenants gibt der Bank in der Regel das Recht, Kredite zu kündigen. Die Bank muss von dem Recht aber nicht Gebrauch machen. Entsprechendes gilt für den Verlust eines Mondes-Ratings. Diese kritische Vorstufe gilt es also zu ermitteln. 

___________ 90) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 12. 91) DIIR Revisionsstandard Nr. 2, Prüfung des Risikomanagementsystems durch die Interne Revision, Version 2.1, Rz 23, abrufbar unter https://www.diir.de/fileadmin/fachwissen/standards/downloads/ DIIR_Revisionsstandard_Nr._2_Version_2.0.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023). 92) Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 231. 93) Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 230.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

89 „Den „Grad der Bestandsgefährdung“, die Risikotragfähigkeitswahrscheinlichkeit, kann man durch zwei Kennzahlen messen: 

die Insolvenzwahrscheinlichkeit (p1 ) und/oder



die Gefährdungswahrscheinlichkeit (p2 ), d. h. die „Wahrscheinlichkeit einer bestandsgefährdenden Entwicklung“.94)

90 Die Aufgabenstellung soll nachfolgendes Beispiel verdeutlichen: Die Geschäftsleitung geht, unterstellt zu Recht, von folgender Planung und den dargestellten Risiken aus. Position

Management Case

Umsatzerlöse

2.500

Wareneinsatz

1.000

Personalkosten

600

Sonstige Kosten

300

EBIT

600

Zinsaufwand

100

Steuern

200

Überschuss

300

Verlust Kernkompetenz Cyberattacke Ausscheiden Wettbewerber aus Markt Besteht nun eine bestandsgefährdende Entwicklung? Das kann nicht beurteilt werden, weil zum einen die Planung deterministisch erstellt wurde und zudem die Risiken, die nicht in der Planung enthalten sind, ebenso wenig quantifiziert wurden, wie die Unsicherheit der Planungspositionen. Daher hat das Management den Grad der Unsicherheit bewertet: Position

Management Case

Risiko

Umsatzerlöse

2.500

–750 bis +200

Wareneinsatz

1.000

–50 bis +200

Personalkosten

600

–75 bis +250

Sonstige Kosten

300

–25 bis +250

EBIT

600

Zinsaufwand

100

Steuern

200

___________ 94) Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 230.

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§5

Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen Position Überschuss

Management Case

Risiko

300 –500 bis –1.500 auf EBIT (Wahrscheinlichkeit 3 – 8 %)

Verlust Kernkompetenz

–100 bis –800 auf EBIT (Wahrscheinlichkeit 1,5 – 4 %)

Cyberattacke

Wirkung auf EBIT +100 bis +750

Ausscheiden Wettbewerber aus Markt

Aber selbst nach dieser Quantifizierung kann die Frage nach einer Bestandsgefährdung 91 nicht beantwortet werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass wir Menschen nicht in der Lage sind, diese Informationen über die Unsicherheit zu verarbeiten. Wenn man weiter noch berücksichtigt, dass die Unsicherheitsfaktoren noch voneinander abhängen, wird offensichtlich, dass die Aufgabe „im Kopf“ nicht geleistet werden kann. So könnte z. B. das Umsatzrisiko und das Personalkostenrisiko beim Mittelständler unmittelbar mit dem Verlust von Kernkompetenzen, zusammenhängen, weil insbesondere die Mitarbeiter gerne bei Unternehmen mit guten und sichtbaren Kernkompetenzen arbeiten und die Kunden bei Verlust der Kernkompetenz auf andere Anbieter zurückgreifen. Schon aus diesem sehr einfachen Beispiel wird offensichtlich, dass eine solche Beurteilung 92 ohne eine Quantifizierung nicht möglich ist. Sie wäre als eine reine intuitive Bauchentscheidung ein reines Lotteriespiel. „Daher ist eine Quantifizierung der unsicheren Einflussgrößen unerlässlich.“95) Deutlicher:96) „(3) Nur mit einer solchen Risikoaggregation, die eine Risikoquantifizierung erfordert, sind Aussagen hinsichtlich der nötigen Bemessung von Eigenkapital (Eigenkapitalbedarf) oder Liquiditätsreserven möglich. Die Quantifizierung von Einzelrisiken ist damit die Grundlage für die Finanzierungspolitik, insbesondere also für die adäquate Dimensionierung des Risikodeckungspotenzials. (4) Die Quantifizierung und Aggregation der Risiken sind auch erforderlich, um risikoadäquate Kapitalkosten zu berechnen (siehe Kapitel 5.3). Solche risikoadäquaten Kapitalkosten sind wiederum erforderlich, um bei unternehmerischen Entscheidungen Ertrag und Risiko gegeneinander abwägen zu können (z. B. bei einer Investitionsbewertung).“ Romeike97) hat daher einen spektakulären Aufruf mit Auslobung eines Preises ausgebracht: „Wir rufen daher alle Praktiker und Wissenschaftler auf, uns einen für Industrie- und Handelsunternehmen nutzbar qualitativen Ansatz zur Früherkennung ‚bestandsgefährdender Entwicklungen‘ (§ 91 AktG/§ 1 StaRUG) zu präsentieren, mit dem –

eine Aggregation von unterschiedlichen Einzelrisiken zu einem Gesamtrisikoumfang möglich ist;



Kombinations- und Kumulationseffekte, d. h. auch Abhängigkeiten zwischen den Risiken, methodisch sauber berücksichtigt werden;



eine Aggregation über mehrere Jahre (im Sinne eines stochastischen Prozesses) möglich ist und schließlich;

___________ 95) Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 149. 96) Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 149. 97) RiskNet, Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen (§ 91 AktG und § 1 StaRUG), abrufbar unter https://www.risknet.de/themen/risknews/qualitative-risikoaggregation-und-risikotragfaehigkeit/ (Abrufdatum: 16.1.2023).

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung



mögliche Bestandsgefährdungen durch die Verletzung von Anforderungen an Rating und Covenants erfasst werden;



das durch die Unternehmensplanung ausgedrückte zukünftige Risikodeckungspotenzial adäquat berücksichtigt wird;



eine Bestandsgefährdung eines Unternehmens, etwa in Form einer Insolvenzwahrscheinlichkeit, berechnet werden kann.“

94 Bislang wurde auf den Aufruf kein einziger Vorschlag eingereicht.98) 95 Zur Quantifizierung der Bestandsgefährdung müssen folgende Schritte durchgeführt werden:99) Risikoidentifikation/ Die Gefahren durch bestandsgefährdende Entwicklungen müssen Risikoinventar unternehmensweit100) und ganzheitlich identifiziert werden.

Risikoidentifikation

(Künftige) Risiken (Achtung: als mögliche Planabweichungen sind Chancen auch Risiken) sind zu identifizieren und zu erfassen; das System muss darauf eingerichtet werden, die Risiken zeitnah zu identifizieren.

Risikobewertung I

Die Risiken sind zu bewerten (quantifizieren). Dabei geht es um probabilistische Bewertungen. Das heißt, die Risiken sind mathematisch zu beschreiben (z. B. Bandbreite, Normal- oder Dreiecksverteilung etc.)

Risikoaggregation

Die Risiken sind zu aggregieren, um den Grad der Bestandsgefährdung ableiten zu können. Bei der Aggregation sind Wechselbeziehungen (als Korrelationen) zu berücksichtigen.

Risikotragfähigkeit

Die Risikotragfähigkeit (wieviel Wasser habe ich unter dem Kiel) ist fortlaufend zu überwachen.

Risikobewertung II

Risikomigrierende und risikoreduzierende Gegenmaßnahmen sind zu berücksichtigen (Nettorisiko).

Risikosteuerung

Die Risiken sind aktiv zu steuern, indem Risiken bewusst akzeptiert, vermieden, übertragen oder reduziert werden.

Dokumentation

Das Früherkennungssystem ist zu dokumentieren, und zwar sowohl das System, als auch die eingeleiteten (Gegen-)Maßnahmen.

96 Es müssen also im Unternehmen Systeme verankert werden. Das heißt, es sind Verantwortliche zu definieren, die Risiken, aber auch Chancen zu beobachten haben und diese an eine koordinierende Stelle melden (Risikoidentifikation). In größeren Unternehmen wir es hierzu Risikomanager bzw. eine eigene Abteilung Risikomanagement geben. In mittelständischen Unternehmen wird dies regelmäßig dem Controlling übertragen. 97 Derartige Beobachtungspflichten können sich z. B. an der Struktur der Balanced Scorecard orientieren oder aber an einem System analog der ISO 9001.2015. Dabei ist darauf zu achten, dass sämtliche relevanten Bereiche abgedeckt werden. Was relevant ist, entscheidet wiederum eine vorangegangene Analyse des Unternehmens und dessen Umfelds. Selbstverständlich bestehen Beobachtungs- bzw. Meldepflichten nicht nur bei der erstmaligen ___________ 98) Telefonische Auskunft von 12/2021. 99) Darstellung in Anlehnung an Scheffler/Flatz/Oehlmann, Rethinking Finance Heft 1/2021, S. 15. 100) Ökonomisch wird gelegentlich auf den „Konzern“ abgestellt. Zu Steuerungszwecken mag dies sinnvoll sein. Rechtlich verpflichtend ist aber die Betrachtung insolvenzfähiger Einheiten (Entity), weshalb auf den haftungsbeschränkten Rechtsträger abzustellen ist.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

Entdeckung eines Risikos (oder einer Chance), sondern auch bei einer wesentlichen Veränderung eines bereits entdeckten Risikos.101) Da das System auch Bedrohungen der Strategie bzw. der Kernkompetenzen umfassen muss, 98 besteht gerade auch eine Beobachtungspflicht für den Bereich außerhalb des Unternehmens. Eine solche lässt sich mit den Tools von Google102) komfortabel und kostenfrei organisieren. Weitere Informationsquellen können Analysten- und Branchenberichte sein. Wesentlich sind aber auch Gespräche mit Kunden, Lieferanten und sonstigen Gesprächspartnern, die ebenso zum Handwerkszeug gehören, wie die Analyse der Jahresabschlüsse wesentlicher Kunden und Lieferanten. Auch hier gilt wieder, dass die Beobachtungsquellen unternehmensindividuell sind. In jedem Fall sollten neben den obigen Informationsquellen auch routinemäßig Befragungen der Mitarbeiter durch das Risikomanagement erfolgen. Das System der Beobachtung und das Meldewesen sind zu dokumentieren.

99

„Damit aber gehört auch die Dokumentation des Früherkennungssystems zu den zentralen Aufgaben des Vorstandes im Anwendungsbereich von § 91 Abs. 2 AktG und der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Bestandssicherungsverantwortung.“103) 7.1

Unternehmensanalyse

Die Unternehmensanalyse beinhaltet sowohl den externen als auch den internen Bereich des 100 Unternehmens. Ausgehend von den Kapitalgebern sind die operativen Werttreiber zu analysieren. Diese werden geprägt durch die Gesamtwirtschaft. Diese wiederum lässt sich durch eine sog. Pestel Analyse104) darstellen, in welcher die politischen, ökonomischen, soziokulturellen, rechtlichen Gegebenheiten dargestellt werden, die auf das Unternehmen einwirken. Beispiel für eine Unternehmensanalyse

101

___________ 101) 102) 103) 104)

Für die Prozessrisikoanalyse BGH v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19, NJW 2021, 3324 = DB 2021, 2484. Google Alerts und Google Trends. LG München v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, ZIP 2007, 1951. Wikipedia, STEP-Analyse, abrufbar unter https://de.wikipedia.org/wiki/STEP-Analyse (Abrufdatum: 16.1.2023).

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

102 Der Wettbewerb wird üblicherweise mittels einer Analyse der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter105) dargestellt und darüber hinaus in einer SWOT-Analyse erläutert. 103 Die operativen Werttreiber lassen sich kategorisieren nach dem Bereich Kunden, Markt, Technologie und Regulierung. 104 Ferner gehört hierzu, was gelegentlich unterbleibt, die Analyse der Kernkompetenzen,106) der Pricing Power und ggf. auch des Lebenszyklus, wobei sich dieser auf das Unternehmen als solches, aber auch auf einzelne wesentliche Produkte erstrecken kann. 105 Die operativen Werttreiber treiben dann die finanzielle Performance. Diese wiederum ist ebenfalls getrieben, durch die Branche. Die Branchenanalyse kann ebenfalls über die Analyse der Wettbewerbskräfte nach Porter und über eine SWOT-Analyse dargestellt werden. Hinzukommt als wesentlicher Treiber die politischen bzw. gesellschaftlichen Veränderungen, welche sich über eine Pestel-Analyse visualisieren lassen. Die finanzielle Performance lässt sich an Kennzahlen wie dem Cashflow, Umsatz, EBIT und dem Wachstum darstellen. Das IDW schlägt in den F&A zu S 6 vor, diese (und weitere) Kennzahlen auch für die Planung zu erheben.107) 106 Für die künftige Analyse ist jedoch zu berücksichtigen, dass eben diese Kennzahlen alle unsicher und damit möglicherweise schwankend sind. Sie blenden schlicht die Möglichkeit einer Planunter- oder Planübererreichung aus. Entscheidungstheoretisch suggerieren sie eine Entscheidung unter Sicherheit, wo aber Unsicherheit vorliegt. Daher bietet es sich an, Risikokennzahlen hinzuzuziehen, wie z. B. den RORAC (Return on Risk Adjusted Capital),108) den RAC (Risk Adjusted Capital)109), den CCFaR (Conditional Cashflow at Risk) oder CVaR (Conditional Value at Risk),110) aber auch den Expected Shortfall.111) 107 Parallel zu diesem Analyseschema sind die aktuellen Kundenwünsche und die künftigen Kundenwünsche zu berücksichtigen, zeigen Sie doch die mögliche Veränderung, die wieder auf die operativen Vertreiber und die finanzielle Performance einwirken. Entsprechendes gilt für die oben genannten Analysen, denn auch diese stehen in einer permanenten Veränderung. 108 Zum Schluss kann auf Grundlage dieser Analyse auf das Risiko, den Unternehmenswert, das Rating oder sogar zur Beurteilung der Fortführungsprognose geschlossen werden. 7.2

Risikoerfassung

109 Diese Risiken sind dann von einer zuständigen Stelle in ein Risikoregister/Risikoinventar aufzunehmen und zu bewerten (Risikobewertung I).112) Für den Risikoeintrag in das Risikoregister empfiehlt sich ein standardisierter Meldebogen.113) ___________ 105) Wikipedia, Porter's five forces analysis, abrufbar unter https://en.wikipedia.org/wiki/Porter%27s_ five_forces_analysis (Abrufdatum: 16.1.2023). 106) Prahalad/Hamel, The Core Competence of the Corporation, Harvard Business Review, Vol. 68 No. 3/1990, S. 79. 107) IDW, Fragen und Antworten zur Erstellung und Beurteilung von Sanierungskonzepten nach IDW S 6, Stand: 16.5.2018, Kap. 7.4., IDW Life 8/2018, S. 826 ff. 108) RORAC: Return on Risk Adjusted Capital: Das Verhältnis von Über-Ertrag (abzgl. risikoloser Verzinsung) zu Eigenkapitalbedarf bzw. Risikokapital. 109) Das entspricht dem risikobedingten Eigenkapitalbedarf, Romeike/Hager, Erfolgsfaktor Riskikomanagement 4.0, S. 113. 110) Romeike/Hager, Erfolgsfaktor Riskikomanagement 4.0, S. 113, 120, 179, 188, 191; Gleißner, Grundlagen des Riskmanagements, S. 94; s. a. Nickert/Schilling, InsBüro 2017, 51 ff. und 105 ff. 111) Nickert, KTS 2021, 183, 214 ff. 112) Vgl. zur Organisation: RMA e. V., Praxisleitfaden Risikomanagement im Mittelstand, S. 28, und zur Risikoquantifizierung RMA e. V., Risikoquantifizierung, S. 29 ff. 113) Hier aus RIF Institut für Forschung und Transfer e. V., MyRiskGov App.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

Allgemeine Angaben Berichtszeitpunkt

TT.MM.JJJJ

Berichtende Einheit

Ressort Ansprechpartner

Risikoidentifikation Kurzbeschreibung Risikofeld Risikobeschreibung Risikobeurteilung (brutto) Ergebniseffekt

Image-Radius

Eintrittswahrscheinlichkeit

Image-Stärke

Erläuterungen Risikosteuerung (Maßnahmen, Instrumente, Projekte, Systeme) Präventive Maßnahmen Reaktive Maßnahmen Geplante Maßnahmen Risikobeurteilung (Nettobetrachtung) Ergebniseffekt

Image-Radius

Eintrittswahrscheinlichkeit

Image-Stärke

Erläuterungen Kommentarfeld, Erläuterungen […]

Bei der Bewertung der Risiken und Chancen wird üblicherweise zwischen Planungs- 110 schwankungen und Events unterschieden.114) Planungsschwankungen sind die üblichen, zu erwartenden Schwankungen. Events sind die anlassgetriebenen Chancen und Risiken, mit denen meist nicht jährlich wiederkehrend zu rechnen ist. Sinnvollerweise sollten diese beiden Bereiche im Risikoinventar gesondert gekennzeichnet werden. Eine nicht zu unterschätzende Aufgabenstellung ist die Quantifizierung. Die Vergangenheit ist hierzu nur begrenzt aussagekräftig, weil in den Vergangenheitszahlen einschließlich Soll/Ist-Analysen sowohl Planungsschwankungen als auch Events enthalten sind. Dies kann sowohl dazu führen, dass sich Risiken verstärken, als auch ausgleichen. Einen bespielhaften Eintrag für ein „Event“ entnehmen Sie nach der nachfolgenden Gra- 111 fik.115)

___________ 114) Flath/Biederstedt/Herlitz, Controlling & Management Review Sonderheft 1/2015, S. 82, 83. 115) FutureValue, Software Strategienavigator – mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Werner Gleißner.

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§5

7.3

2. Teil Krisenfrüherkennung

Risikoaggregation

112 Die Chancen und Risiken sind sodann zu aggregieren. Risiken werden definiert als mögliche Abweichungen von der Unternehmensplanung.116) Daher ist eine integrierte Unternehmensplanung bestehend aus Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanzplanung und daraus abgeleiteter Liquiditätsplanung erforderlich. Insbesondere ist eine Bilanzplanung unerlässlich, zeigt diese doch Eigen- bzw. Fremdkapitalaufnahme oder Rückführung/Ausschüt___________ 116) Schülke, DStR 2021, 621, 623; Nickert/Nickert, GmbHR 2021, 401, 405; Nickert/Nickert, DStR 2021, 883; Kühne/Lienhard, SanB 2020, 144, 148; Brünkmans, ZInsO 2021, 1, 2.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

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tung, aber auch die Working Capital Planung. Beide haben direkte und meist erhebliche Auswirkung auf die Liquidität. Die Planung der drei Bereiche ist auch wichtig, um kritische Kennzahlen zu überwachen, insbesondere Financial Covenants oder ratingkritische Kennzahlen. Simulationen werden üblicherweise auf Jahresbasis erstellt. Gerade bei zyklischem Ge- 113 schäft und/oder in der fortgeschrittenen Krise ist die Liquidität aber in kürzeren Intervallen zu analysieren. Hier bieten sich zwei Vorgehensweisen an: Erstens könnte auch der unterjährige Zyklus simuliert werden, was aber einen hohen Aufwand bereitet. Zweitens könnte aus der Vergangenheit die unterjährige Ertrags- und Liquiditätsschwankung ermittelt werden und der Saldo zwischen Planungsendwert und dem geringsten Liquiditätsbestand als weitere Liquiditätsbedarf behandelt werden, um den unterjährigen Zyklus abzubilden. Soweit das Unternehmen in der Krise wächst, müsste dieser Betrag um das geplante Wachstum angepasst werden. Sodann sind die Chancen und Risiken als mögliche Planabweichungen in die Planung zu 114 aggregieren. Das IDW schlägt hierzu vier Möglichkeiten vor: „Bei der Risikobewertung und Risikoaggregation können unterschiedliche anerkannte quantitative und qualitative Verfahren zur Anwendung kommen. In Abhängigkeit der individuellen Unternehmenssituation können z. B. Expertenschätzungen oder Heuristiken bis hin zu Szenarioanalysen oder IT-gestützten Simulationsverfahren angemessen sein.“117) (Hervorhebung durch d. Verf.) Dabei ist zu beachten, dass es Expertenschätzungen nur für einzelne Risiken gibt, z. B. 115 für Wechselkursrisiken, jedoch keine Expertenschätzungen für den Gesamtrisikoumfang eines Unternehmens; Entsprechendes gilt für Heuristiken. Die Szenarioanalysen können einen sehr wertvollen Ansatz für die Planung geben. Für die Prognose sind sie wegen der enormen Menge an möglichen Szenarien schlicht untauglich. Damit verbleibt nur die stochastische (Monte-Carlo)-Simulation. Die Anforderungen sind (derzeit) nur durch eine Simulation118) zu leisten. Diese zeigt in 116 der Regel das gesuchte Ergebnis, z. B. das EBIT oder auch die Endliquidität als Wahrscheinlichkeitsverteilung in einem Histogramm.119)

___________ 117) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Abschn. A. 18., IDW Life 7/2020, S. 631 ff. 118) Romeike/Hager, Erfolgsfaktor Risikomanagement 4.0, S. 448 ff.; Gleißner, Grundlagen des Riskomanagements, S. 251 ff.; RMA e. V., Praxisleitfaden Risikomanagement im Mittelstand, S. 63 ff. 119) Hier erstellt mit MS Excel® und dem Add-in von www.MCFLOsim.ch.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

Quelle: Eigene Darstellung mit MCFLO.

117 Die Simulation aggregiert alle möglichen Szenarien zu einer Wahrscheinlichkeitsverteilung. Hierzu verwendet sie die in dem Prognosemodell zum Ansatz gebrachten mathematischen Verteilungen für die einzelnen Planungsschwankungen und Events. Zudem können und müssen Korrelationen berücksichtigt werden, als Wechselbeziehungen der Risiken untereinander. 118 Hieraus können weitere Informationen, z. B. der Erwartungswert, die mittlere Schwankung (Standardabweichung) ein Minimal- und ein Maximalwert etc. abgelesen werden. Für eine solche Simulation ist noch nicht einmal ein Add-in für Microsoft erforderlich. Eine Simulation kann direkt in Excel® erstellt werden.120) Mit den heute üblichen Add-ins121) ist das Arbeiten aber deutlich einfacher. 119 Soweit dann die Endliquidität in einem Histogramm analysiert wird, kann direkt auf die liquiditätsbedingte Insolvenzwahrscheinlichkeit geschlossen werden. 120 Einen alternativen, aber ähnlichen Ansatz geht Gleißner in seinem kostenlosen Risikosimulator.122) Er ermittelt auf ein der persönlichen Risikotoleranz (z. B. 95 % Wahrscheinlichkeit) die Wahrscheinlichkeit des Unterschreitens dieser Grenze als „Gefährdungswahrscheinlichkeit“.123) Diese Gefährdungswahrscheinlichkeit ist höher als die Insolvenzwahrscheinlichkeit und kann aber in die Insolvenzwahrscheinlichkeit umgerechnet werden.124)

___________ 120) 121) 122) 123) 124)

166

Vgl. das Kursbuch Ernst/Häcker, Risikomanagement im Unternehmen. Hier einige dem Verf. bekannten Anbieter: @Risk; Crystal Ball; RiskKit, MCFLOsim. Abrufbar unter http://strategienavigator.net/software. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 37. Gleißner, Controller Magazin Heft 4/2018, S. 10.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

Sicherlich ist dieser Ansatz sehr gut brauchbar, zeigt er doch nochmals vor Überschreiten 121 der Insolvenzwahrscheinlichkeit nochmals eine Vorwarnstufe, sozusagen die gelbe Karte. Für Steuerungszwecke ist dies ein sehr guter Ansatz. Für rein regulatorische Zwecke ist die Konzentration auf die Insolvenzwahrscheinlichkeit ausreichend. 7.4

Risikotragfähigkeit

Sodann ist ein Risikomaß (Risikoeinheit) und eine Risikomenge für die Risikotragfähig- 122 keit festzulegen. Diese ist definiert als, das maximale Risikoausmaß, welches das Unternehmen ohne Gefährdung seines Fortbestands tragen kann.125) In Bezug auf § 1 StaRUG drängt sich auf, eine insolvenzrechtliche Risikotragfähigkeit zu 123 ermittelt. Dementsprechend wäre das Risikomaß die Endliquidität zur jeweiligen Planungsperiode in einem zu bestimmenden %-Perzentil.

Quelle: Eigene Darstellung mit MCFLO.

___________ 125) IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340 n. F.), Stand: 27.5.2020, Rz. 8, IDW Life 7/2020, S. 631 ff.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

124 Im vorliegenden Beispiel wurde die Endliquidität gesucht (x = 0,00). In diesem Fall ist diese in 38.3 % der Fälle kleiner gleich null. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit der Illiquidität beträgt rd. 38,3 %. Verlangen z. B. die Gesellschafter vom Geschäftsführer eine Überlebenswahrscheinlichkeit von mind. 10 %, bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass rd. 317.000 €126) erforderlich wären. Im Hinblick auf den planerischen Endbestand von rd. 40.000 €127) würden also rd. 275.000 € an Liquidität fehlen, die entweder als Fremd- oder als Eigenkapital eingeworben werden müssten. Die Risikomenge wäre hier (ohne Berücksichtigung einer Kontokorrentlinie) rd. ./. 275.000 €.

Quelle: Eigene Darstellung mit MCFLO.

125 Selbstverständlich lässt sich die Simulation auch auf das Eigenkapital, die Kapitalkosten bzw. den Unternehmenswert oder auf eine Ratingnote analysieren. Für die Zwecke des § 1 StaRUG empfiehlt sich die Analyse der Liquidität bzw. der Ratingnote. Die Ermittlung eines Überschuldungsstatus wäre technisch auch möglich. Jedoch verlangt § 19 Abs. 2 InsO die Betrachtung von Liquidationswerten, während die integrierte Planungsrechnung auf Fortführungswerten aufbaut. In einem integrierten Modell stünde der Erkenntnisgewinn in keinem Verhältnis zu dem zu betreibenden Aufwand. Daher ist es sinnvoller, den Status in einer getrennten Simulationsrechnung zu analysieren. 126 Daneben können weitere ökonomische Steuerungsgrößen, wie der RORAC, RAC CCfaR oder der CVaR erhoben und zur Festlegung der geplanten individuellen Risikotragfähigkeit definiert werden. 127 So ist es m. E. angezeigt, den RAC (Risk Adjusted Capital) als Eigenkapitalbedarf zu ermitteln und davon das buchhalterische Eigenkapital abzuziehen. Die positive Differenz ist das überschüssige Kapital, welches als Sicherheitspuffer vorgehalten werden kann, investiert werden oder ausgeschüttet werden kann. Bei einem Fehlbetrag wäre das der Betrag, der über Thesaurierungen, Kapitalzufuhr oder Umwidmung von Fremd- in Eigenkapital zu generieren wäre. Damit würde auch den heutigen Bestrebungen nach finanzieller Resilienz Rechnung getragen. ___________ 126) S. nachfolgende Grafik „x=316.899,78“. 127) S. rechts der Grafik „Mittelwert“.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

Für die Liquidität bietet sich die Analyse des Liquiditätsbestands am Ende des (jeweili- 128 gen) Planungszeitraums (erwartungswertgetreue Planwerte) mit dem Expected Shortfall auf das Quantil der Insolvenzwahrscheinlichkeit an. Dieser Betrag ist Liquiditätsbestand in ebenso in Abzug zu bringen, wie die üblichen zu erwartenden unterjährigen Planungsschwankungen. Bleibt die Liquidität, unter Berücksichtigung freier Kontokorrentlinien, dann noch positiv, ist das Unternehmen gerüstet. Als Heuristik kann aus den obigen Rating-Tabellen abgelesen werden, dass eine Finanz- 129 rating bestehen muss, welches eine Einjahresausfallwahrscheinlichkeit von unter 2 % aufweist. Für ein Startup wird das in der Anfangsphase unmöglich sein, weil den Kosten noch keine einnahmen gegenüberstehen. Daher ist beim Startup auf die Liquiditätsplanung und den Expected Shortfall auf das Quantil der Insolvenzwahrscheinlichkeit abzustellen.128) Den Gesellschaftern steht es frei, gemäß ihrer subjektiven Risikoneigung weitere Anfor- 130 derungen an die Kapital- bzw. Liquiditätsbevorratung zu stellen. Allerdings wird die subjektive Risikoneigung von einer objektivierten Betrachtungsweise verdrängt, sobald der Gläubigerschutz eingreift. Das ist nach Hölzle129)ab dem Zeitpunkt der Fall, ab welchem die Zahlungsunfähigkeit droht, § 18 InsO. 7.5

Risikosteuerung

Da im oben stehenden Beispiel also zu wenig liquide Mittel vorhanden sind, wären diese 131 einzuwerben oder z. B. durch andere Maßnahmen, wie z. B. Factoring oder Sale-andLease-Back beizubringen. Soweit die Maßnahmenumsetzung wiederum unsicher ist, würde diese mit ihren Unsicherheiten in das Modell integriert, um zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sich die Risikotragfähigkeit verbessert (Risikobewertung II). Sinnvoller Weise ist daher das Risikoinventar zusätzlich zu den Planungsschwankungen und Events um eine Kategorie Maßnahmen zu erweitern. „Nach § 14 StaRUG ist die Wirksamkeit der (Gegen-)Maßnahmen, auch aus Perspektive der Gläubiger, im Hinblick auf die Verbesserung der Bestandssicherheit des Unternehmens zu belegen. Um den ‚Grad der Bestandsgefährdung‘ zu messen, werden geeignete Kennzahlen benötigt, wie die Insolvenz- oder Gefährdungswahrscheinlichkeit, und einen Schwellenwert, ab dem die Gegenmaßnahmen initiiert werden. Von einer kritischen Gefährdung ist spätestens dann auszugehen, wenn die Insolvenzwahrscheinlichkeit ein Niveau erreicht, bei dem die Finanzierung nicht mehr gewährleistet ist (also nicht einmal mehr ein B-Rating erreicht werden kann). […] Nach § 1 StaRUG muss die Geschäftsleitung eines Unternehmens ‚geeignete Gegenmaßnahmen‘ initiieren, wenn sich aus den bekannten – in der Risikomanagementsoftware erfassten – Risiken ein kritischer „Grad der Bestandsgefährdung“ ableiten lässt. Geschieht dies nicht, ist eine Sorgfaltspflichtverletzung festzuhalten – und möglicherweise sind sogar persönliche Schadensersatzansprüche zu befürchten (siehe dazu auch § 43 sowie § 93 GmbH-Gesetz).“130) Daher sind Prognosen für die Beurteilung der Bestandsgefährdungen zwingend erforder- 132 lich und die Unsicherheit der Prognose ist bei der Beurteilung eines Sanierungsplans, aus Perspektive der Gläubiger, zu würdigen, weshalb eine Analogie zu den Ratingnoten naheliegt. Kurzum: Bevor man eine Gegenmaßnahme ergreift, kann man diese Maßnahme als Maßnahmenplanung mit Ihren Unsicherheiten in das Modell integrieren, um zu überprüfen ob durch diese Maßnahme(n) der Grade der Bestandsgefährdung in akzeptabler Weise reduziert wird. Damit erfüllt man zugleich die Anforderung der Rechtsprechung an die Organentscheidungen. ___________ 128) Nach Nickert/Wieczorek, DStR 2022, 791, kann mit der Methode von Bayes gerade bei Startups auf die Insolvenzwahrscheinlichkeit geschlossen werden. 129) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 12. 130) Romeike/Gleißner, GRCaktuell 2021, 126, 128.

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2. Teil Krisenfrüherkennung

133 Für den operativen Betrieb kann und muss hieraus ein Steuerungssystem entwickelt werden, um bei Entscheidungen zu überprüfen, ob bei dieser die Risikomenge im Bereich der Risikotoleranz bzw. Risikotragfähigkeit gehalten werden kann. Sinnvollerweise können und müssen angemessene Nichtaufgriffsgrenzen festgelegt werden, weil ein derartiges vorgehen nur bei gewichtigen Entscheidungen angezeigt ist. Selbstverständlich ist der gesamte Prozess in Textform zu dokumentieren. X.

Weitere Analysepunkte

134 Das Ziel eines Früherkennungssystems ist es eben, Fehlentwicklungen „früh“ zu erkennen. Zu Beginn der Krise sind strategische Fehlentwicklungen schwer zu erkennen, da sie sich in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung meist noch nicht zeigen. Das Gegenteil ist der Fall: Wettbewerber investieren z. B. in eine neue Technologie und belasten damit ihre Ergebnisse und Cashflows. Das eigene Unternehmen steht im Vergleich dazu „gut da“. 1.

Strategische Analyse, Phasenmethode

135 Auf dieser Ebene geht es darum die durch Ansoff131) berühmt gewordenen „Weak Signals“ zu entdecken. Um diese Weak Signals zu entdecken, empfiehlt Ansoff eine ChancenRisiko-Analyse. Gefährlich sind eben nicht nur die Risiken, sondern vor allem auch die verpassten Chancen. Ebenso empfiehlt er strategische Antworten auf verschiedene Veränderungen und damit eine flexible Unternehmensstrategie. Derartige „was wäre wenn Planungen“ sind als Szenarioplanung sehr nützlich und hilfreich. Damit kann sich ein Unternehmen auf Veränderungen der Umwelt vorbereiten. Weiter kann ein ChancenVerwundbarkeits-Profil erstellt werden. Letztlich benötigt ein jedes Unternehmen einen strategischen Planungsprozess. 136 In der Praxis geben zahlreiche verfügbare Branchenberichte Anhaltspunkte für derartige Veränderungen. Es sollte zum Rüstzeug eines jeden Geschäftsleiters gehören, diese in einem strategischen Bericht durchzusehen und auszuwerten. Für besonders kritische Entwicklungen bietet sich die Einrichtung eines Überwachungssystems an, mit welchem permanent das Internet durchsucht wird. So kann z. B. der kostenlose Dienst von Google „Alerts“ für die Überwachung von Entwicklungen genutzt werden. 137 Da die strategischen Beobachtungszeiträume deutlich länger sind, als die operativen Zeiträume bietet es sich analog der Unternehmensbewertung an, die Planung in einen Detailplanungszeitraum und in einen Zeitraum des „eingeschwungenen Zustands“ einzuteilen.132) Das heißt, für einen noch überschaubaren Zeitraum von in der Regel drei bis fünf Jahren schließt sich entweder eine Phase des eingeschwungenen Zustands an (Zwei-PhasenModell) oder man plant nach Ende des Detailplanungszeitraums einen eingeschwungenen Zustand in weiterer Zukunft, z. B. zehn Jahre, um dann die Lücke zwischen diesen beiden Planungen durch eine sog. Konvergenzphase zu schließen (Drei-Phasen-Modell). 138 Entscheidend ist in jedem Fall, dass auch die strategische Analyse quantifiziert wird. Nur so wird es möglich sein, frühzeitig die Weichen zu stellen und aus den vielen Handlungsoptionen diejenigen mit dem besten Rendite-Risiko-Profil auszuwählen.

___________ 131) Ansoff, California Management Review 1975, Vol. 18 Nr. 2, S. 21, S. 22. 132) IDW Standard, Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1), Stand: 4.7.2016, Rz 78, IDW Life 8/2016, S. 731; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, Rz. 5.53.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

Sinnvoll kann es sein, einen externen Berater einzuschalten,133) der regelmäßig als Außen- 139 stehender die richtigen und kritischen Fragen stellt: „Was lässt sie nachts unruhig schlafen?“ Etc. Ebenso ist die Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) regelmäßig ein Fundus für die richtigen und wichtigen Fragestellungen. Aber auch für die Quantifizierung der Antworten kann ein externer Berater hilfreich, bei den kleineren Mittelständlern ohne ausreichendes mathematisches Wissen sogar geboten sein.134) 2.

Absatz- und Erfolgskrise

Die Absatz- und/oder Erfolgskrise ist deutlich einfacher festzustellen. Die Vorjahresver- 140 gleiche zeigen den Trend auf. Verglichen mit den Zahlen der Wettbewerber oder mit Branchenkennzahlen zeigt die Entwicklung die Richtung und den Grad der Abweichung auf. Auch sind Soll-Ist-Vergleiche zu den Planungsrechnungen aussagekräftig. Dabei sind aus Sicht der Unternehmensführung insbesondere auch die positiven Planabweichungen als unterschätzte Chancen von enormer Bedeutung. Schwierig sind nur „Mischunternehmen“, also Unternehmen, die sich nicht (mehr) einer 141 Branche zuordnen lassen. Dasselbe gilt für gänzlich neue Geschäftsmodelle. Beispielsweise lässt sich AirBnB schlecht mit Hilton vergleichen. Bei den Mischunternehmen sollte man versuchen die zuordenbaren Geschäftsbereiche mit den jeweiligen Wettbewerbern oder Branchenberichten zu vergleichen. Bei den neuen Geschäftsmodellen müsste u. U. ein Vergleich mit anderen digitalen Geschäftsmodellen herhalten. Wann aber ist ein Unternehmen in der Erfolgskrise? Jedenfalls nicht erst, wenn es Ver- 142 lust erwirtschaftet. Die Krise beginnt viel früher. Ein Unternehmen ist dann in der Krise, wenn es nachhaltig Renditen unterhalb der Branche erzielt; nicht umsonst verlangt das IDW im S 6, dass am Ende der Sanierung wieder eine branchenübliche Rendite erwirtschaftet wird.135) Meines Erachtens liegt eine Ertragskrise aber schon dann vor, wenn ein Unternehmen seine Kapitalkosten nicht verdient, also keinen ökonomischen Übergewinn erzielt, denn dann ist es naheliegend, dass die Eigenkapitalgeber ihr Kapital abziehen und in andere Unternehmen investieren.136) Daher sollte eine überschlägige Abschätzung der Eigenkapitalkosten ebenfalls in den Methodenkoffer des Früherkennungssystems gehören, wobei als Folge der obigen Ausführungen mindestens zusätzlich die Risiko-RenditeKennzahl RORAC zu analysieren wäre. 3.

Liquiditätskrise und Insolvenzreife

Die letzten beiden Stufen der Krise sind recht leicht zu analysieren. Die schwindende Li- 143 quidität zeigt sich an den rückläufigen Skontoerlösen, den zunehmenden Mahnungen, der steigenden Kreditorenumschlagsdauer und dem passivischen Net Working Capital. Zuletzt können sämtliche Indizien aufgrund derer man auf die Zahlungseinstellung als Vermutung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 InsO zurückgreifen. Das Gefährliche daran ist, dass bei haftungsbeschränkten Gesellschaften praktisch immer 144 schon zuvor die Überschuldung eingetreten ist. Die Überschuldung lässt sich aber aus dem handelsrechtlichen Rechnungswesen direkt nicht ableiten. Es bedarf vielmehr einer Überleitungsrechnung, in welcher die wahren Werte an Stelle der Buchwerte aus der Aktiv-, insbesondere aber auch auf der Passivseite des Status eingesetzt werden. Ebenfalls ___________ 133) Wilden in: Buth/Hermanns Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2 Rz. 55. 134) BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/026, GmbHR 2007, 757 = DB 2007, 1455. 135) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, Rz. 26 ff., IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 136) Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 312.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

schwieriger ist die Fortbestehensprognose zu beurteilen. Eindeutig ist, dass diese nicht gegeben ist, wenn keine quantifizierte Abschätzung vorliegt. Allerdings könnte eine solche ausnahmsweise auch gegeben sein, wenn hinreichend starke Indizien für das Going Concern sprechen. 145 Wenigstens die Existenz einer integrierten Unternehmensplanung muss seit dem 1.1.2021, genauso wie die Buchhaltung oder die Bilanz, zur ökonomischen Grundausstattung einer jeden haftungsbeschränkten Gesellschaft gehören, setzt ein Frühwarnsystem eine solche zwingend voraus.137) Ob und inwieweit nämlich die Risiken zu einer Bestandsgefährdung führen, zeigt erst die Analyse des Gesamtrisikoumfangs im Kontext der Planung. 146 Nach meiner Auffassung genügt aber alleine eine Unternehmensplanung den Anforderungen an die Fortbestehensprognose noch nicht. Eine Planung ist nämlich zunächst einmal in eine Prognose, einen Erwartungswert, zu überführen,138) ansonsten könnte man sich jede Insolvenzreife mit dem Großauftrag aus Fernost „wegplanen“.139) Eine solche erwartungswertgetreue Planung ist aber auch nur dann positiv, wenn diese korrigiert um einen dem innewohnenden Risiko entsprechenden Sicherheitspuffer die Durchfinanzierung aufzeigt,140) denn die Durchfinanzierung in der Planung ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für eine positive Fortbestehensprognose. XI.

Gegenmaßnahmen

147 Der Gesetzgeber verlangt nicht nur die Einrichtung eines Früherkennungssystems, sondern er verpflichtet das Organ „geeignete Gegenmaßnahmen“ einzuleiten. Insoweit geht die Regelung des § 1 StaRUG über den Wortlaut der Regelung des § 91 Abs. 2 AktG hinaus.141) Damit ergibt sich eine Handlungspflicht des Organs, die Erfolgsaussichten einer Sanierung zu prüfen142) und auf dieser Grundlage Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Die Sanierungspflicht besteht gegenüber den Gesellschaftern und erst bei Vorliegen eines, nicht notwendiger Weise, pflichtigen Insolvenzgrunds auch gegenüber außenstehenden Gläubigern.143) Ein Verstoß des handelnden Organs ist eine Pflichtverletzung und kann zur Haftung führen.144) 148 Ob Gegenmaßnahmen „geeignet“ sind, lässt sich nur beurteilen, wenn man diese vor der Entscheidung in das Früherkennungssystem hineinmodelliert und anschließend deren Wirkungsweise analysiert. So kann z. B. der ROI (Return on Investment) vor und nach Gegenmaßnahme analysiert werden, aber auch die Liquidität. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Werte wiederum unsicher sind, so dass auch hier wieder eine Simulation und die Analyse des Risikos vor und nach einer Gegenmaßnahme zu vergleichen sind. Im Er___________ 137) Schülke, DStR 2021, 621, 623; Nickert/Nickert, GmbHR 2021, 401, 405; Nickert/Nickert, DStR 2021, 883; Kühne/Lienhard, SanB 2020, 144, 148; Brünkmans, ZInsO 2021, 1, 2. 138) Vgl. IDW Praxishinweis, Beurteilung einer Unternehmensplanung bei Bewertung, Restrukturierungen, Due Diligence und Fairness Opinion (IDW PS 2), Stand: 2.1.2017, IDW Life 3/2017, S. 343 ff.; ferner Nickert, KTS 2021, 183, 204; Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2299 ff.; sehr str. vgl. Drukarczyk/ Schüler, WPg 2003, 56; Drukarczyk/Schüler in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 2000, S. 129 ff.; Groß/Amen, WPg 2002, 225; Groß/Amen, WPg 2002, 433; Groß/Amen, WPg 2003, 67; Groß, KSI 2012, 241 – mit Erwiderung von Gleißner, KSI 2013, 172 ff. 139) Worst Case: keinerlei Aufträge mehr; Management Case: ein Großauftrag aus Fernost; Best Case: fünf Großaufträge aus Fernost; insgesamt krit. zu den Szenarien: Nickert, KTS 2021, 183, 192 ff.; Nickert/ Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 47 ff. 140) Nickert, KTS 2021, 183, 192 ff.; Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29 ff. 141) Vgl. zur Frage, ob § 91 Abs. 2 AktG eine Handlungspflicht beinhaltet Bork, ZIP 2011, 101, 106 ff. 142) Bork, ZIP 2011, 101, 106 m. w. N. in Fn. 113. 143) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 8, 12. 144) Bork, ZIP 2011, 101, 109; Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 8, 12.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

gebnis könnte sich dann ergeben, dass der ROI bzw. die Liquidität schlechter werden, jedoch der aggregierte Gesamtrisikoumfang sinkt. Eine solche Konstellation findet sich z. B. beim Abschluss einer Versicherung wieder. Ob eine solche Maßnahme Akzeptanz findet, ist eine Frage der subjektiven Risikoneigung der Gesellschafter. Anders hingegen bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. bei der Ermittlung der Fortbestehensprognose. Hier muss m. E. zum Gläubigerschutz ein Sicherheitspuffer berechnet werden, der sich aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit multipliziert mit dem Expected Shortfall bezogen auf das Quantil der Insolvenzwahrscheinlichkeit errechnet. Das Ergebnis zeigt eine hypothetische Versicherungsprämie, die ein Unternehmen zu bezahlen hätte, um seine Gläubiger gegen die eigene Insolvenz zu versichern.145) Wenn eine solche Versicherungsprämie aus der frei verfügbaren Liquidität bezahlt werden könnte, ist das Unternehmen robust genug, um weiterhin im Markt tätig sein zu dürfen. XII. Berichterstattung Das Gesetz verlangt vom Geschäftsleiter die Berichterstattung an die Überwachungsor- 149 gane. Aufgrund der semantischen Analyse könnte man meinen, die Geschäftsleiter müssten zuerst die Gegenmaßnahmen einleiten und dann die Aufsichtsorgane informieren.146) Das ist bei erforderlichen Eilmaßnahmen der Fall, „zuerst die Feuerwehr und dann die Gesellschafter anrufen“. Soweit aber die Kompetenz für die Gegensteuerung bei den Gesellschaftern/Aktionären liegt, wird die Reihenfolge umgekehrt sein. Das wird üblicher weise in den Stadien der Stakeholder-, Strategie- und Absatzkrise gesehen.147) XIII. Vorteile der Simulation und eines Früherkennungssystems Die Risikofrüherkennung erfolgt aus dem ureigenen Interesse des Unternehmens und 150 dessen Gesellschafter/Aktionäre. Deren Interesse ist es, dass das Unternehmen floriert, wächst und gedeiht, in jedem Fall aber, dass es überlebt (Bestandssicherung). Hierzu ist es elementar, die Qualität der Entscheidungen zu verbessern. Hierzu bietet das Früherkennungssystem eine wertvolle Grundlage und zugleich „angemessene Informationen“ i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG.148) Eine Entscheidung, die sich allein am geplanten ROI (Return on Investment) orientiert, 151 ist eine Entscheidung auf falscher Entscheidungsgrundlage. Die Orientierung allein am ROI geht nämlich implizit von einer Entscheidung unter Sicherheit aus. Tatsächlich liegt aber immer eine Entscheidung unter Unsicherheit vor, sonst gäbe es keine „Entscheidungssituation“. Damit aber vernachlässigt die Orientierung allein an der Planung eine, vielleicht sogar die wichtigste Dimension der Entscheidung und liefert bestenfalls eine unvollständige, schlechtesten Falls eine falsche Entscheidungsgrundlage. Ferner zeigt die Simulation die Inputparameter (Treiber)für den Erfolg und/oder Miss- 152 erfolg und gibt damit der Geschäftsleitung den Fokus, diejenigen Tätigkeiten zu verrichten, die am meisten auf das Ergebnis einzahlen. Damit ermöglicht es die Simulation der Geschäftsleitung, sich um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern.

___________ 145) 146) 147) 148)

Nickert, KTS 2021, 183 ff. Skauradzun/Amort, DB 2021, 1317, 1318 f. m. w. N. Brandes/Rabenau, ZIP 2021, 2374, 2375 f. Gleißner, Controller Magazin Heft 1/2021, S. 16 ff.; Gleißner, CFOaktuell 2019, 225; Gleißner/Romeike, Der Aufsichtsrat 2022, 2 ff.; Nickert/Nickert, GmbHR 2021, 401, 411; Nickert/Nickert, DStR 2021, 883 ff., 884.

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§5

2. Teil Krisenfrüherkennung

Quelle: Eigene Darstellung mit MCFLO.

153 Letztlich kann dies zu einem Steuerungssystem weiterentwickelt werden, welches nicht nur „compliant“ ist, sondern auch den Fokus auf die wesentlichen Dinge lenkt. Selbstverständlich können die aktuellen ESG- bzw. CSR-Themen in das Modell einfließen und letztlich auch Kapitalkosten ermittelt werden, was das Früherkennungssystem zu einem wertorientierten Steuerungssystem macht. 154 Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass ein Restrukturierungsplan ohne ein solches System nicht gelingen kann, weil schon die begründete (probabilistische)149) Erklärung zur Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des Schuldners gemäß § 14 Abs. 1 StaRUG nicht erbracht werden kann. XIV. Rechtsfolgen 155 Einig ist man sich, dass § 1 StaRUG Geschäftsleiterpflichten begründet, die bei Verletzung eine Binnenhaftung begründen. Dritten können aus einer Verletzung von § 1 StaRUG keine eigenen Ansprüche gegen die Geschäftsleiter geltend machen. Erst ab dem Zeitpunkt, ab welchem die Zahlungsunfähigkeit droht, § 18 InsO, soll § 1 StaRUG Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB sein.150) XV. Fazit 156 Die Geschäftsleiter haben ein Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen einzurichten. Das System ist so einzurichten, dass auch solche Bestandsgefährdungen entdeckt werden, die nicht nur aus bestandsgefährdenden Einzelrisiken bestehen, sondern auch Gefährdungen aus der Kumulation von weniger schweren Risiken. Derzeit führt an der Monte-Carlo-Simulation kein Weg vorbei. Das System ist so einzurichten, dass noch rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Das bedeutet, dass bei strategischen Risiken ein über den Zeitraum von § 18 InsO hinausgehender Zeitraum zu beachten ist. In der Folge muss das System alarmieren, wenn die Einjahresausfallwahrscheinlichkeit

___________ 149) Gleißner, WPg 2019, 158, 160. 150) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 12.

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Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Entwicklungen

§5

mehr als 2 % beträgt. Die permanente Krisenfrüherkennung ist eine Hauptpflicht der Geschäftsleitung.151) Das System ist zu dokumentieren. Soweit die Geschäftsleitung entgegen der Pflicht untätig bleibt, begründet dies eine Bin- 157 nenhaftung, die ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch zur deliktischen Außenhaftung wird.

___________ 151) Skauradzun/Amort, DB 2021, 1317, 1318.

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§6 Frühwarnsysteme Nickert

I. Einführung .................................................. 1 II. Vorbemerkung – Grundzüge der Beraterhaftung ............................................ 4 III. Subjektiver Anwendungsbereich .............. 8 IV. Objektiver Anwendungsbereich ............. 10 1. Erstellung des Jahresabschlusses............... 10 2. Exkurs: Buchführung und betriebswirtschaftliche Auswertung ...................... 13 3. Insolvenzgründe......................................... 14

4. Möglichkeit des Insolvenzgrundes ........... 15 V. Offenkundigkeit der Anhaltspunkte ..... 18 VI. Wann muss gewarnt werden.................... 20 VII. Wie muss gewarnt werden, Beweislast................................................... 21 VIII. Musterschreiben ..................................... 23 1. Warnhinweis............................................... 23 2. Zusatz: Vorschuss/Bearbeitungsdauer ..... 24

Literatur: Graewe, Sorgfaltspflichten und Haftung des Aufsichtsrats in der Unternehmenskrise, NZI 2021, 619.

I.

Einführung

1 § 102 StaRUG geht auf das Urteil des BGH aus dem Jahr 2017 zurück.1) Im entschiedenen Fall hat der BGH in Änderung seiner bisherigen Rechtsauffassung entschieden, dass Steuerberater bei offenkundigen Solvenzproblemen Warn- und Hinweispflichten im Zusammenhang mit der Bilanzierung haben, soweit sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die Probleme nicht bekannt sind. Inhaltlich ging es um die Frage der Beraterhaftung wegen der fehlerhaften Annahme der Fortführungsprämisse gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB sowie um möglicherweise unterlassene Warn- und Hinweispflichten. Kaum ein Fall wurde in den letzten Jahren so kontrovers diskutiert, wie diese Entscheidung.2) Mit dem § 102 StaRUG3), der eigentlich in den Bilanzierungsregelungen des HGB zu verorten ist, ist nun gesetzliche Klarheit für die Warn- und Hinweispflichten entstanden. Als Teil eins externen Frühwarnsystems hat die EU in der Restrukturierungsrichtlinie4) in ErwG 17 und 22 beabsichtigt, dass Frühwarnsysteme eingerichtet werden, die den Schuldner warnen. Insoweit setzt die Norm auch die Anforderungen der Richtlinie um. 2 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere die Warnung nach § 102 StaRUG regelmäßig spät, meist zu spät erfolgen wird. Insoweit handelt es sich gerade nicht um ein Frühwarnsystem, sondern, so die BStBK, lediglich um ein „Spätwarnsystem“.5) Der Fairness halber muss man aber erwähnen, dass die in der Restrukturierungsrichtlinie aufgeführten Sachverhalte (Nichtabführen von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen) nicht früher warnen würden. ___________ 1) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427. 2) Allein die nicht vollständige Bibliografie bei Juris umfasst zwei DIN A4 Seiten. 3) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 4) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 5) BStBK, Stellungnahme zum SanInsFoG, v. 20.11.2020, abrufbar unter https://www.bstbk.de/downloads/ bstbk/steuerrecht-und-rechnungslegung/fachinfos/BStBK-Stellungnahme_Regierungsentwurf_Insovlenzrecht.pdf (Abrufdatum: 14.2.2023).

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§6

Frühwarnsysteme

§ 102 StaRUG regelt nicht, ob noch unter der Annahme der Unternehmensfortführung 3 bilanziert werden darf. Diesbezüglich ist auf die handelsrechtliche Literatur zu verweisen. II.

Vorbemerkung – Grundzüge der Beraterhaftung

Die Norm konkretisiert die allgemeinen Beraterpflichten, an deren Missachtung Haftungs- 4 folgen geknüpft sind. Nach diesen hat der Berater seinen Mandanten vor Schaden zu bewahren.6) Der Berater ist verpflichtet, den Mandanten zu belehren, wenn erkennbar rechtliche oder wirtschaftliche Risiken drohen.7) Dies gilt selbst dann, wenn der Schaden außerhalb seines Auftrags liegt und er erkennen muss, dass der Mandant schlecht bzw. nicht richtig informiert ist.8) So hat der BGH entschieden, dass Steuerberater über Vorgänge, die ihm lediglich bei Gelegenheit des erteilten Auftrags bekannt geworden sind, belehren muss (Regel), es sei denn (Ausnahme) sie stehen in keiner unmittelbaren Beziehung zu der von ihm übernommenen Aufgabe. Bei Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit besteht eine vertragliche Pflicht zur 5 Warnung des Mandanten ausnahmsweise auch außerhalb des Auftrags, wenn besondere Gefahren dem Berater bekannt oder für ihn offenkundig sind und er annehmen muss, dass der Mandant die Gefahr nicht kennt.9) Diese Verpflichtung besteht, wenn konkrete Umstände erkennbar sind, nach denen dem Mandanten eine rechtliche oder tatsächliche Situation nicht bewusst ist und daraus ein Vermögensschaden droht. Ausgehend von dieser haftungsrechtlichen Rechtsprechung muss der Berater also die Haftungsgefahren für seinen Mandanten (Vorstand, Geschäftsführer, Aufsichtsrat10) etc.) kennen, um nicht selbst in den Haftungsfokus zu gelangen. Der Berater ist bei schuldhaften Pflichtverletzungen nicht nur seinem Vertragspartner er- 6 satzpflichtig, sondern auch Dritten, soweit diese in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen wurden. Auch über die vertragliche Hauptpflicht können den mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragten Steuerberater Hinweis- und Warnpflichten treffen.11) Dies ist allerdings nach dem OLG Köln12) nur der Fall, wenn die Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrages bereits bei Übernahme des Mandates erkennbar ist. Die vorstehenden Grundsätze galten schon zu § 280 BGB, so dass § 102 StaRUG als 7 Konkretisierung der allgemeinen Regelungen anzusehen ist. Ausweislich des Regierungsentwurfs zum SanInsFoG13) resultiert diese Norm, in Konkretisierung der Art. 3 Abs. 1 und 2 lit. c der Restrukturierungsrichtlinie, aus der Rechtsprechung des BGH, so dass sich hieraus keine neuen Pflichten und Haftungstatbestände ergeben. ___________ 6) BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 43/08, ZIP 2009, 1427 = DStR 2009, 1767; BGH v. 19.11.2009 – IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 = DStR 2010, 612, BGH v. 18.12.1997 – IX ZR 153/96, ZIP 1998, 648 = DB 1998, 669. 7) BGH v. 18.12.1997 – IX ZR 153/96, ZIP 1998, 648 = DB 1998, 669. 8) BGH v. 7.5.1991 – IX ZR 188/90, DB 1991, 2029; BGH v. 26.1.1995 – IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358 = DB 1995, 624. 9) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427; BGH v. 21.7.2005 – IX ZR 6/02, DStR 2006, 160 = DB 2005, 2406. 10) Graewe, NZI 2021, 619, 620 – unter Hinweis auf KG Berlin v. 29.4.2021 – 2 U 108/18, ZRI 2021, 502, n. rkr., Az. d. BGH: II ZR 103/21. 11) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427; m. Anm. Meixner/Schröder, DStR 2017, 956. 12) OLG Köln v. 12.8.2021 – 18 U 197/20, DStR 2022, 61 m. Anm. Meixner/Schröder, und dem Hinweis, dass die Annahme der Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags bei der Verletzung von nur Nebenpflichten noch klärungsbedürftig durch den BGH sei. 13) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 188.

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§6 III.

2. Teil Krisenfrüherkennung Subjektiver Anwendungsbereich

8 Das Gesetz enthält eine explizite Aufzählung der relevanten Berufsträger, also der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer und Rechtsanwälten. Selbstverständlich sind damit auch die entsprechenden Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungs- und Rechtsanwaltsgesellschaften angesprochen, soweit diese Vertragspartner des Mandanten sind. Ebenso sind die entsprechenden Berufskollegen aus dem EU-Ausland angesprochen, welche Bilanzierungsleistungen im Inland verrichten. 9 Fraglich könnte sein, ob die selbständigen Bilanzbuchhalter,14) Unternehmens-, Finanzierungs- und Sanierungsberater ebenfalls warn- und hinweispflichtig sind. Explizit sind sie von der Norm nicht umfasst. Die Aufzählung ist auch nicht offen („insbesondere“), also abschließend. Die für Berater geltenden Haftungsregelungen entstammen jedoch dem § 280 BGB, also dem allgemeinen Teil des Schuldrechts. In Ermangelung spezialrechtlicher Vorschriften, gelten diese auch für die weiteren Berater. Insbesondere wollte der Gesetzgeber mit § 102 StaRUG die übrigen Berater in Haftungsfragen nicht gegenüber dem steuerberatenden Berufsstand privilegieren. Folglich gelten die Grundsätze und auch die nachfolgenden Ausführungen auch für diese nicht explizit aufgeführten Berater. IV.

Objektiver Anwendungsbereich

1.

Erstellung des Jahresabschlusses

10 Bei der Erstellung des Jahresabschlusses begehen die Berater eine Pflichtverletzung, wenn sie bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht warnen. Unter Erstellung ist dabei jede Mitwirkung an der Erstellung zu verstehen. Das heißt, auch derjenige muss warnen, der nur Teilbereiche der Jahresabschlusserstellung übernimmt. § 102 StaRUG konkretisiert nur die Pflichten. Eine Ausnahme dürfte dann gelten, wenn ein (weiterer) Berater als Spezialist, z. B. für die Beurteilung der Fortführungsannahme, hinzugezogen wird. Der Steuerberater muss „den Mandanten vor der Verwirklichung des Konzepts nur warnen, wenn er erkennt, daß dieses an einem Mangel leidet, der für den Mandanten eine Gefahrenlage begründet, und annehmen muß, daß der Mandant diese Gefahr nicht kennt.“15) 11 Ob die Verpflichtung aus § 102 StaRUG disponibel ist oder nicht, ist noch nicht letztlich geklärt. Nach dem OLG Frankfurt am Main ist es allein Aufgabe der Vertragsparteien, den Vertragsinhalt festzulegen.16) Die nicht rechtskräftige Entscheidung ist über die Hauptpflichten des Vertrags ergangen. Ob und inwieweit dies auf die Nebenpflichten übertragbar ist und wie in diesem Kontext § 102 StaRUG zu würdigen ist, bleibt abzuwarten. Im Hinblick auf den bindenden Auftrag der Restrukturierungsrichtlinie an den nationalen Gesetzgeber dürfte wenigstens § 102 StaRUG unabdingbar sein. Meines Erachtens würde ein Ausschluss der Verantwortlichkeit in AGB gegen §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB verstoßen. 12 Aufgrund der handelsrechtlichen Begrifflichkeit „Jahresabschluss“ ist zu schließen, dass die Steuerpflichtigen, die nach § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 3 EStG den Gewinn ermitteln nicht vom Anwendungsbereich des § 102 StaRUG umfasst sind. Allerdings geht § 102 StaRUG über den Anwendungsbereich des § 1 StaRUG insoweit hinaus, als auch der Einzelkaufmann, die oHG und die KG und nicht nur haftungsbeschränkte Gesellschaften gewarnt werden müssen. Selbstverständlich besteht bei diesen Gesellschaften die Warn- und Hinweis___________ 14) Der handelsrechtliche Jahresabschluss ist keine Vorbehaltstätigkeit der Steuerberater gemäß § 33 StBerG. 15) BGH v. 4.5.2000 – IX ZR 142/99, DStR 2000, 1525 – unter Hinweis auf BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1394; BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247 – jeweils zur Anwaltshaftung; BGH v. 21.7.2005 – IX ZR 6/02, DStR 2006, 160 = DB 2005, 2406. 16) OLG Frankfurt/M. v. 17.1.2018 – 4 U 4/17, ZIP 2018, 488, n. rkr., Az. d. BGH: IX ZR 46/18.

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§6

Frühwarnsysteme

pflicht nur wegen der §§ 17, 18 InsO, da ja die Überschuldung bei diesen grundsätzlich kein tauglicher Insolvenzgrund ist. 2.

Exkurs: Buchführung und betriebswirtschaftliche Auswertung

Die Hinweispflicht erstreckt sich auf die Erstellung des Jahresabschlusses, aber nicht auf 13 die unterjährige Buchführung. Im Hinblick auf die oben skizzierten allgemeinen Pflichten dürfte eine unterjährige Warn- und Hinweispflicht aber auch bei Erstellung der Finanzbuchführung bestehen. Allerdings ist das kaufmännische Unternehmen nicht ohne weiteres dazu verpflichtet, unterjährige Abgrenzungsbuchungen zu erfassen und betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) zu erstellen, was die unterjährige Analyse der VFE-Lage (Vermögens-/Finanz-/Ertragslage) erschwert und u. U. sogar unmöglich macht. Aus diesem Grund gehören solche Zusatzleistung ohne Auftragserweiterungen nicht zum Inhalt des Steuerberatungsvertrags. Soweit aber BWA erstellt werden, müssen diese vollständig und richtig sein, insbesondere alle Geschäftsvorfälle, notfalls durch sachgerechte Schätzung, umfassen.17) Soweit derartige betriebswirtschaftlichen Leistungen erbracht werden, was üblicherweise auch Unternehmensberater erledigen, resultiert die Warnpflicht nicht aus § 102 StaRUG, sondern aus § 280 BGB. 3.

Insolvenzgründe

Bei den Insolvenzgründen ist auf die insolvenzspezifischen Kommentierungen zu verweisen. 14 Zu beachten ist lediglich, dass explizit auch dann ein Hinweis geschuldet ist, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht, § 18 InsO. Dies wird vor allem dann für die bilanzierenden Berater relevant werden, wenn bei den KfW-Finanzierungen ihrer Mandanten anlässlich der Corona-Krise die tilgungsfreie Anlaufzeit endet und die Darlehen getilgt werden müssen, obwohl sich die Finanzverfassung des Unternehmens noch nicht wieder (gänzlich) erholt hat. 4.

Möglichkeit des Insolvenzgrundes

Der Insolvenzgrund muss „möglich“ sein. Möglich ist er dann, wenn ein Insolvenzgrund 15 nicht sicher zu verneinen ist. Problematisch wird es dann, wenn die sog. implizite Fortführungsprämisse nicht mehr gegeben ist. Dabei kann von der Unternehmensfortführung grundsätzlich ausgehen, wenn 

in der Vergangenheit nachhaltig Gewinne erzielt worden sind,



leicht auf finanzielle Mittel zurückgegriffen werden kann und



keine bilanzielle Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt oder droht.18)

Soweit diese drei Voraussetzungen einzeln oder kumulativ nicht mehr vorliegen, besteht 16 keine implizite Fortführungsprognose mehr, so dass die ersten krisenhaften Entwicklungen auch in der handelsrechtlichen Rechnungslegung sichtbar werden. Folglich beginnt ab hier der „verminte Bereich“ und der Berater sollte zur eigenen Haftungsabsicherung die ___________ 17) OLG Oldenburg v. 8.11.2012 – 14 U 8/12, rkr. durch BGH v. 20.3.2014 – IX ZR 293/12. 18) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427; BStBK, Hinweise zur Verlautbarung der BStBK zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen, beschlossen vom Präsidium der BStBK am 7.9.2021, abrufbar unter https://www.berufsrecht-handbuch.de/ii-berufsrechtlicher-teil/3facharbeit-im-rechnungswesen/32-hinweise-der-bundessteuerberaterkammer/321hinweise-zur-verlautbarung-der-bundessteuerberaterkammer-zu-den (Abrufdatum: 14.2.2023); IDW Standard, Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 270 n. F.), Stand: 11.7.2018, IDW Life 8/2018, S. 752.

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§6

2. Teil Krisenfrüherkennung

entsprechenden Warnhinweise erteilen. Bestärkt wird dies, wenn Gegebenheiten bzw. Indizien gegen die Fortführung sprechen, wie z. B.19) bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten 

(drohenden) Zahlungsunfähigkeit,



erhebliche/nachhaltige Verluste,



knappe Eigenkapitaldecke, Verlust des hälftigen Eigenkapitals,



beengte Liquiditätslage, negatives Net Working Capital, Kapitaldienst höher als Cashflow, sinkende Skontoerträge, permanente Ausschöpfung der Kontokorrentlinie,



schlechte Auslastung,



ungünstige Zukunftserwartungen;

und/oder rechtlichen Gegebenheiten wie 

Zahlungseinstellung,



Überschuldung (bei Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i. S. des § 264a Abs. 1 HGB),



bereits erfolgter Eröffnung des Insolvenzverfahrens,



das Auslaufen von wesentlichen Verträgen sowie



Produktionseinschränkungen und behördliche Auflagen.

17 Zwar können diese Indizien und Gegebenheiten auch durch betriebswirtschaftlich organisatorische Maßnahmen und sachverhaltsgestaltende Maßnahmen entlastet werden.20) Jedoch müsste der Berater schon zum eigenen Schutz im Zweifelsfall warnen. Daher ist dem Berater nur dann von einer Warnung abzuraten, wenn er mit sehr hoher Gewissheit einen Insolvenzgrund verneinen kann, was regelmäßig aufgrund des Aufgabenbereiches gar nicht möglich sein wird. Der bilanzierende Berater ist nämlich im Wesentlichen mit der Aufbereitung der Vergangenheit beschäftigt, während die Insolvenzgründe in hohem Maße durch prognostische Elemente geprägt sind. V.

Offenkundigkeit der Anhaltspunkte

18 In jedem Fall werden Anhaltspunkte offenkundig, wenn sie sich unmittelbar aus dem Rechnungswesen ableiten lassen. Hierzu gehört z. B. für Zweifel an der Zahlungsfähigkeit das negative Net Working Capital, die Indizien, die nach der Rechtsprechung des BGH als Indizien für die Zahlungseinstellung gelten,21) aber auch schon das Ende der tilgungsfreien Anlaufzeit bei Finanzierungen bei gleichzeitig unzureichendem Cashflow oder in absehbarer Zeit liquiditätswirksam werdende Pensionsverpflichtungen ohne kompensatorisch angesparte Mittel bei angespannter Finanzlage. Bei der Überschuldung sind zunehmender Kapitalabbau, Verlust der Hälfte des Stamm-/Grundkapitals oder der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag zu nennen. ___________ 19) In Anlehnung an die BStBK, Hinweise zur Verlautbarung der BStBK zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen, beschlossen vom Präsidium der BStBK am 7.9.2021, abrufbar unter https:// www.berufsrecht-handbuch.de/ii-berufsrechtlicher-teil/3-facharbeit-im-rechnungswesen/32-hinweiseder-bundessteuerberaterkammer/321hinweise-zur-verlautbarung-der-bundessteuerberaterkammer-zu-den (Abrufdatum: 14.2.2023). 20) BStBK, Hinweise zur Verlautbarung der BStBK zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen, Beschlossen vom Präsidium der BStBK am 7.9.2021, abrufbar unter https://www.berufsrecht-handbuch.de/ ii-berufsrechtlicher-teil/3-facharbeit-im-rechnungswesen/32-hinweise-der-bundessteuerberaterkammer/ 321hinweise-zur-verlautbarung-der-bundessteuerberaterkammer-zu-den (Abrufdatum: 14.2.2023). 21) IDW Standard, Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11), Stand: 23.8.2021, Rz. 20, IDW Life 1/2022, S. 107 ff.

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§6

Frühwarnsysteme

Als Heuristik kann auch das Finanzrating aus dem Jahresabschluss herhalten. Zum Bei- 19 spiel enthält das Programm „Rechenwesen“ der DATEV e. G. ein Modul zur Ermittlung eines synthetischen Finanzratings. Liegt dies noch im „grünen Bereich“ ist dies ein Indiz für die Fortführungsannahme und spricht gegen eine Warnpflicht. Alternativ kann ein solches Finanzrating oder auch die Studie von Euler Hermes22) herangezogen werden (siehe dazu auch Nickert, HRI I, § 5 Rz. 37 ff.). VI.

Wann muss gewarnt werden?

Gewarnt werden muss, sobald sich Anhaltspunkte für einen möglichen Insolvenzgrund 20 geben. Zum einen beeinflusst dies die Hauptleistung des Beraters, die Erstellung des Jahresabschlusses. Einerseits wird die Fortführungsannahme fraglich, zum anderen werden in der Krise die Bilanzierungsfristen auf in der Regel zwei bis drei Monate verkürzt.23) Andererseits müsste bei Vorliegen eines Insolvenzgrunds, jedenfalls bei haftungsbeschränkten Gesellschaften, unverzüglich der Insolvenzantrag gestellt werden (§ 15a InsO). Aber selbst bei Anhaltpunkten für die drohende Zahlungsunfähigkeit muss unverzüglich gewarnt werden, weil dies zum Shift of Duties und zu möglichen Haftungsgefahren für den Geschäftsführer kommt. Dieser ist nach der Entscheidung des BGH in den Schutzbereich des Beratungsvertrags eingebunden.24) Zuletzt würde bei verspäteter Warnung wertvolle Zeit für Reorganisationsmaßnahmen verlorengehen. Daher ist unverzüglich zu warnen. VII. Wie muss gewarnt werden? (Beweislast) Der BGH hat in seiner viel beachteten Entscheidung, die dem § 102 StaRUG zugrunde 21 liegt, nicht nur die Warn- und Hinweispflicht herausgearbeitet. Er hat auch entschieden, dass hinreichend konkret gewarnt werden muss. Reine Musterschreiben ohne Sachverhaltsbezug reichen dafür nicht aus: „Die – vom Steuerberater zu beweisenden – Hinweise müssen sowohl die bestehenden Zweifel an der Fortführungsprognose als auch die notwendige Überprüfung genau und im Einzelfall aufzeigen.“25) Der allgemeine Hinweis, dass eine handelsrechtliche Überschuldung vorliege, reicht nicht aus.26) „Erforderlich ist aber, dass der Steuerberater die maßgeblichen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Einzelnen bezeichnet und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben.“27) Der BGH hat explizit darauf hingewiesen, dass der Berater die Darlegungs- und Beweis- 22 last für seine erteilten Hinweise hat. Daher sollten die Warnhinweise schriftlich oder in Textform erfolgen oder, soweit sie mündlich erteilt wurden, sind diese im Nachgang schriftlich festzuhalten und dem Mandanten zuzusenden.

___________ 22) Euler Hermes, Studie: Diese drei Krisenindikatoren weisen frühzeitig auf eine mögliche Insolvenz hin, abrufbar unter https://www.allianz-trade.de/presse/pressemitteilungen/euler-hermes-studie-indikatorenweisen-auf-moegliche-insolvenz-hin.html (Abrufdatum: 14.2.2023). 23) BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; BGH v. 19.4.1956 – 4 StR 409/55, BB 1957, 274; BGH v. 31.1.1961 – 1 StR 463/60, juris; OLG Düsseldorf v. 27.9.1979 – 5 Ss 391-410/79 I, NJW 1980, 1292. 24) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427. 25) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, Rz. 38, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427. 26) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, Rz. 39, 49, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427. 27) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, Rz. 49, BGHZ 213, 374 = ZIP 2017, 427.

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§6

2. Teil Krisenfrüherkennung

VIII. Musterschreiben 1.

Warnhinweis

23 Sehr geehrter Mandant, bei Durchsicht der Unterlagen im Rahmen der Erstellung Ihres Jahresabschlusses per 31.12.2021 ist mir aufgefallen, dass –

die Liquiditätslage angespannt ist. Ausweislich der Finanzbuchführung valutiert zum Stichtag die Summe Ihrer Bankkonten bei […] €. Unterer Berücksichtigung der Ihnen eingeräumten Kontokorrentkreditlinien in Höhe von […] € verbleibt eine freie Liquidität unter Einbeziehung des Kassenbestands in Höhe von […] €. Aus der OPOS Buchhaltung entnehmen wir, dass […] € Verbindlichkeiten […] € an Forderungen gegenüberstehen, mithin der Saldo die freie Liquidität übersteigt. Ich füge Ihnen zur Dokumentation die summen- und Saldenliste, nebst OPOS-Liste bei und habe die entsprechenden Positionen farblich markiert. Von meiner Seite kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bei Ihnen Zahlungsunfähigkeit besteht. Ich rate Ihnen, sich diesbezüglich von einem Experten (Fachanwalt für Insolvenzrecht, Sanierungs- bzw. Restrukturierungsberater beraten zu lassen), da im Falle einer Zahlungsunfähigkeit straf- und zivilrechtliche Konsequenzen auch für den Geschäftsführer drohen.



Im Quartal III/2022 die tilgungsfreie Anlaufzeit Ihrer KfW Schnellkredite ausläuft und Sie ab dem [TT.MM.JJJJ] neben den Zinszahlungen Tilgungsleistungen i. H. von […] € zu bezahlen haben. Ausweislich des bisherigen Stands der Jahresabschlussarbeiten ist nicht hinreichend sicher zu erkennen, dass diese Tilgungen aus dem freien, verfügbaren Cashflow (siehe Anlage) bezahlt werden können. Mithin kann ich nicht ausschließen, dass die Zahlungsunfähigkeit droht.



Die Bilanz, auf Grundlage der Arbeiten zum jetzigen Zeitpunkt und unter der Fortführungsannahme, ein Aktivkapital ausweist, Anlage. Bei einer Bilanzsumme von […] € stehen den Verbindlichkeiten nur […] € an Aktivwerten gegenüber, so dass sich hieraus eine Unterdeckung von […] € ergibt. Dies ist ein Indikator die insolvenzrechtliche Überschuldung detailliert zu prüfen. Bei der Beurteilung einer möglichen Überschuldung sind an Stelle der handelsrechtlichen Buchwerte die Liquidationswerte anzusetzen, die meist geringer ausfallen als die Buchwerte. Diese Werte liegen mir jedoch nicht vor und erschließen sich mir auch nicht. Ferner müsste, soweit der Status unter Liquidationsgesichtspunkten unterdeckt ist, eine Fortbestehensprognose erarbeite und dokumentiert werden.

[Alternative §§ 17, 19 InsO] Im Fall eines Insolvenzgrunds gemäß §§ 17, 19 InsO wären Sie verpflichtet, unverzüglich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Ich rate Ihnen daher, sich diesbezüglich und unverzüglich von einem Experten (Fachanwalt für Insolvenzrecht, Sanierungs- bzw. Restrukturierungsberater) beraten zu lassen, da im Falle einer Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung strafund zivilrechtliche Konsequenzen auch für den Geschäftsführer drohen. [Alternative § 18 InsO] Ich rate Ihnen, sich diesbezüglich und unverzüglich von einem Experten (Fachanwalt für Insolvenzrecht, Sanierungs- bzw. Restrukturierungsberater) beraten zu lassen, da im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die Fortbestehensprognose i. S. des Überschuldungstatbestands zu prüfen ist. Selbst wenn eine Überschuldung nicht bestehen sollte, könnten sich immer noch zivilrechtliche Haftungsfolgen für den Geschäftsführer ergeben.

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§6

Frühwarnsysteme

Bitte beachten Sie, dass wir die fachkundige Stellungnahme auch für die Fertigstellung des Jahresabschlusses benötigen, da bei Vorliegen von Insolvenzgründen, die wir jetzt noch nicht ausschließen können, die Fortführungsannahme gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nur ausnahmsweise angenommen werden kann. Dies muss intensiv geprüft und beurteilt werden. Für die Dokumentation, dass keine Insolvenzgründe vorliegen, sind Sie als Geschäftsführer verantwortlich. Im Hinblick auf die in der Krise verkürzten Fristen (in der Regel zwei bis drei Monate nach Bilanzstichtag, auch für Einzelkaufleute, oHG und KG) für die Aufstellung der Bilanz ist meines Erachtens unverzügliches Handeln angezeigt. Auch die verspätete Bilanzierung kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen 2.

Zusatz: Vorschuss/Bearbeitungsdauer

Sehr geehrter Herr […],

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Sie hatten mich beauftragt, Ihren Jahresabschluss per 31.12.2021 zu erstellen. Auf meine Vorschussanforderung vom 15.1.2022 ist bis heute keine Zahlung eingegangen. Wir können aber mit den Arbeiten erst nach Zahlungseingang beginnen [alternativ: die Arbeiten fertigstellen]. Die gesetzliche Frist zur Erstellung des Jahresabschlusses beträgt bei einer kleinen Kapitalgesellschaft sechs Monate nach Bilanzstichtag. Bei Krisenunternehmen wird diese Frist auf zwei bis drei Monate verkürzt. Bitte beachten Sie, dass wir für die Erstellung des Abschlusses ca. zwei Wochen benötigen. Aus diesen Gründen muss ich nochmals dringend um Zahlung des Vorschusses anhalten. Eine Kopie meiner Vorschussanforderung habe ich in der Anlage beigefügt. Mit freundlichen Grüßen

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3. Teil Verfahren §7 Anzeige des Schuldners Holzer

I. Allgemeines................................................. 1 II. Struktur des Verfahrens............................. 2 1. Anzeige des Restrukturierungsvorhabens...................................................... 2 2. Rechtsnatur der Anzeige ............................. 3 2.1 Verfahren ......................................... 3 2.2 Verfahrenseinleitende Erklärung ..... 6 2.3 Materiell-rechtliche Erklärung ....... 8 2.4 Verfahrenseinleitung und -begründung .................................... 9 III. Zweck der Anzeige ................................... 10 IV. Vorbereitung der Anzeige ....................... 11 1. Allgemeines ................................................ 11 2. Vorüberlegungen........................................ 13 3. Vorbereitung der Anlagen......................... 15 4. Zuständiges Gericht und Forum Shopping..................................................... 17 V. Anzeige ...................................................... 22 1. Form ........................................................... 22 2. Inhalt........................................................... 23 3. Berechtigung zur Anzeige ......................... 25 4. Adressat ...................................................... 27 4.1 Amtsgericht als Restrukturierungsgericht ................................... 27 4.2 Sachliche Zuständigkeit ................ 28 4.3 Örtliche Zuständigkeit ................. 32 4.4 Besonderheiten bei Unternehmensgruppen ........................... 37 4.5 Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit................................. 39

VI. Anlagen zur Anzeige................................ 41 1. Allgemeines ................................................ 41 2. Zusammenhang von Anlagen und Anzeige....................................................... 43 3. Die Anlagen im Einzelnen......................... 44 3.1 Restrukturierungsplan .................. 44 3.2 Konzept für die Restrukturierung ........................................ 46 3.3 Stand der Verhandlungen.............. 50 3.4 Vorkehrungen zur Sicherstellung der Erfüllung der Pflichten .................................. 52 4. Weitere Anforderungen............................. 53 4.1 Allgemeines ................................... 53 4.2 Rechte von Verbrauchern und KMU .............................................. 54 4.3 Widerstand einer Gruppe.............. 55 4.4 Angabe früherer Restrukturierungssachen ........................... 56 VII. Wirkungen der Anzeige.......................... 58 1. Rechtshängigkeit........................................ 58 2. Zuständigkeit ............................................. 62 3. Anzeigepflicht............................................ 63 4. Bedeutung der Anlagen ............................. 64 VIII. Verlust der Wirkungen der Anzeige.... 65 1. Allgemeines ................................................ 65 2. Rücknahme der Anzeige............................ 66 3. Planbestätigung .......................................... 67 4. Aufhebung.................................................. 68 5. Zeitablauf.................................................... 69

Literatur: Balthasar, Allgemeine Zugangsvoraussetzungen zu den Restrukturierungselementen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, 18; Bogumil, Das „große“ Insolvenzgericht beim Landgericht, Vorschlag für eine Reform der Gerichtsorganisation im Insolvenzrecht, NZI 2018, 774; Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) nach dem Regierungsentwurf aus Gläubigersicht (Teil 2), ZInsO 2020, 2617; Fiebig, StaRUG – eine Auswertung der ersten praktischen Fälle, ZRI 2021, 561; Frind, Das „plötzliche“ StaRUG-Verfahren – Probleme und Verwendungsgrenzen, ZInsO 2021, 1093; Frind, Nutzen und Grenzen der Stabilisierungsanordnung im StaRUG-Verfahren aus gerichtlicher Sicht, ZRI 2021, 697; Frind, Probleme bei der Bestellung und Verwendung des Restrukturierungsbeauftragten aus gerichtlicher Sicht, ZRI 2021, 397; Frind, Keine Grenzen für Case Placer, Anmerkung zu LG Bremen, Beschl. v. 5.10.2020 – 6 T 370/20, INDat Report 10/2020, S. 62; Frind, Plädoyer für eine europarechtskonforme nationale Beschränkung insolvenzbezogener Zuständigkeitsmanipulation, NZI 2019, 697; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Holzer, „Echte“ Streitverfahren in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, NotBZ 2020, 451; Holzer, Die registerrechtlichen Regelungen des „Mauracher Entwurfs für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, ZNotP 2020, 239; Holzer, Gegen Kleinstaaterei und für mehr Internationalität, Vorschläge zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte, INDat Report 3/2019, S. 13; Holzer, Die Identifizie-

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Holzer

§7

Anzeige des Schuldners

rung des Schuldners im Grundbuch und in anderen gerichtlich geführten Registern, ZfIR 2008, 129; Hölzle/Jacoby, Nationales Forum Shopping im Insolvenzrecht, Ein Beitrag zur Zulässigkeit strategischer Insolvenzplanung, ZIP 2021, 337; Kollbach, Wie Verwalterbestellungen organisiert werden, INDat Report 10/2020, S. 52; Riggert, Allgemeine Grundsätze der Stabilisierung nach dem StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 40; Schäfer, Insolvenzrechtliche Implikationen des neuen Personengesellschaftsrechts nach dem Mauracher Entwurf, ZRI 2020, 333; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Vallender, Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), Neue Sanierungsoptionen für Unternehmen in der Krise, MDR 2021, 201; Vallender, Die Amtsermittlungspflicht nach dem StaRUG, ZRI 2021, 165; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Teil 1), ZInsO 2020, 2579, (Teil 2), ZInsO 2020, 2677.

I.

Allgemeines

Die Art. 1 bis 19 der Restrukturierungsrichtlinie1) geben den Mitgliedstaaten der EU den 1 Inhalt eines präventiven Restrukturierungsrahmens vor, bei dessen Ausgestaltung die nationalen Gesetzgeber weite Spielräume haben.2) Der von dem deutschen Gesetzgeber im StaRUG3) gewählte Weg soll einen Kompromiss zwischen den „streng verfahrensgebundenen“ Sanierungsmöglichkeiten der InsO und einer freien, aber konsensgebundenen Sanierung darstellen. Dabei soll der bisher geltende und durch die InsO bestimmte Rechtsrahmen fortentwickelt und ergänzt, nicht jedoch neu ausgerichtet werden.4) Das StaRUG enthält daher kein „integriertes“ (Einheits-)Verfahren wie das nach der InsO, sondern bietet einen „modularen“ Verfahrensrahmen an, dessen Elemente der sanierungswillige Schuldner auch einzeln in Anspruch nehmen kann, wenn er dies als zweckmäßig ansieht.5) Die Regelungen, wie und unter welchen Voraussetzungen der „modulare“ Verfahrensrahmen zur Anwendung kommt, müssen sich nach dem Zweck der Restrukturierung richten.6) Das StaRUG sieht deshalb andere Zugangsvoraussetzungen als das Insolvenzverfahren vor.7) II.

Struktur des Verfahrens

1.

Anzeige des Restrukturierungsvorhabens

Das Insolvenzverfahren hat die Verfahrenseröffnung (§ 34 InsO) oder die Abweisung des 2 Eröffnungsantrags mangels Masse (§ 26 InsO) zum Ziel. Nach Antragstellung sind daher – bei Gläubigeranträgen unter Vorschaltung eines quasi-streitigen Parteiverfahrens8) – die Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung zu prüfen. Bei den i. R. des § 29 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 StaRUG angebotenen „modularen“ Bausteinen für die Durchführung einer Restrukturierung muss dies anders sein. Da es nach dem StaRUG im Gegensatz zum Insolvenzverfahren kein „integriertes“ (Einheits-)Verfahren und keine Eröffnungsentscheidung gibt, ___________ 1) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 2) Morgen in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Einl. Rz. 4 ff.; Eckelt, Der präventive Restrukturierungsrahmen, S. 130 ff. 3) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 4) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 86. 5) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 89. 6) Eckelt, Der präventive Restrukturierungsrahmen, S. 391 m. w. N. 7) Zu diesem Holzer in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 3 Rz. 66 ff. 8) Holzer in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 3 Rz. 132 ff.

Holzer

185

§7

3. Teil Verfahren

sind die Voraussetzungen für eine Einleitung des Verfahrens geringer. An die Stelle des Insolvenzantrags tritt die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem dafür zuständigen Restrukturierungsgericht (§ 31 Abs. 1 StaRUG),9) die nur mit niedrigschwelligen Zugangsvoraussetzungen verbunden ist (siehe dazu Holzer, HRI I, § 9 Rz. 2 ff.) Aus der das StaRUG beherrschenden Dispositionsmaxime folgt, dass diese Anzeige wie auch die gesamte Restrukturierung nach dem StaRUG freiwillig ist (siehe Bork, HRI I, § 1 Rz. 8 ff., 15, 16 f.). 2.

Rechtsnatur der Anzeige

2.1

Verfahren

3 Bevor Aussagen zur Rechtsnatur der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG gemacht werden können, muss geklärt werden, ob es sich bei den von dem Schuldner gewählten „modularen“ Bausteinen des StaRUG überhaupt um eines oder mehrere Verfahren handelt. In der Literatur wird die Existenz eines „gerichtsförmigen“ Verfahrens10) in der Tat bezweifelt. Dem ist entgegenzuhalten, dass § 29 Abs. 1 StaRUG als gerichtliche Verfahrenshilfe konzipiert ist, aus dem der Schuldner die nach seiner Meinung für eine Restrukturierung am besten geeigneten Instrumente herausgreifen kann. Bereits aus der Konzeption des Angebots von „modularen“ Bausteinen, die durch das Restrukturierungsgericht in einem zumindest in groben Zügen vorbestimmten Procedere bearbeitet werden, folgt die Existenz eines Verfahrens.11) Dieses besteht aus mehreren Elementen, die in ein Gesamtverfahren integriert sind und nach der Konzeption des Gesetzgebers ausdrücklich von dem „integrierten“ (Einheits-)Verfahren nach der InsO zu unterscheiden sind (siehe dazu oben Rz. 1). 4 Andernfalls würde § 31 Abs. 3 StaRUG keinen Sinn machen, nach dem die Anzeige die Wirkungen der Rechtshängigkeit auslöst (siehe dazu unten Rz. 56).12) Die Anzeige fasst die durch den Schuldner als bestmögliche Restrukturierungsoption gewählten Instrumente zu einer einheitlichen Restrukturierungssache zusammen.13) Damit ist klar, dass es sich nicht nur um einen Verbund einzelner bei einem Restrukturierungsgericht geführter Verfahren,14) sondern um ein einheitliches Verfahren handelt, das im Wesentlichen aus kollektiven und gesamtverfahrensähnlichen Elementen besteht, die allerdings im Vergleich zum (Einheits-) Verfahren nach der InsO schwächer ausgeprägt sind.15) 5 Das Vorliegen eines Verfahrens wird besonders deutlich an dem durch § 38 Satz 1 StaRUG geregelten generellen Rückgriff auf die ZPO und die Notwendigkeit der mit der Beschwerde (§ 33 Abs. 4 StaRUG) angreifbaren Entscheidung über die Aufhebung (§ 33 Abs. 3 StaRUG), die einheitlich für das gesamte Restrukturierungsverfahren erfolgt. Würde es sich lediglich um einzelne, rechtlich nicht mit einander verbundene Verfahren handeln, so wären diese jeweils einzeln und nicht in ihrer Gesamtheit aufzuheben. Das sieht das Gesetz gerade nicht vor.

___________ 9) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 89; Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 133. 10) Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18. 11) Bork, ZRI 2021, 345, 346; Skauradszun, KTS 2021, 1, 33. 12) Skauradszun, KTS 2021, 1, 33. 13) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 133. 14) Gehrlein, BB 2021, 66, 72. 15) Skauradszun, KTS 2021, 1, 35, 39.

186

Holzer

§7

Anzeige des Schuldners 2.2

Verfahrenseinleitende Erklärung

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Schuldner mit der Anzeige nach § 31 Abs. 1 6 StaRUG erklärt, die „modularen“ Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nehmen zu wollen. Bei der Anzeige soll es sich mithin nicht um einen Antrag, sondern um eine einseitige Verfahrenshandlung handeln, die durch das Gericht nicht zu bescheiden ist.16) Diese Begründung passt nicht zur Struktur des Verfahrens: Da es sich bei der gerichtlichen Inanspruchnahme der „modularen“ Instrumente des StaRUG wie festgestellt (siehe oben Rz. 3 ff.) um ein einheitliches Verfahren handelt, muss dieses wegen der das Verfahren beherrschenden Dispositionsmaxime durch eine verfahrensrechtliche Erklärung des Schuldners eingeleitet werden. Im Zivilprozess erfolgt dies durch Klageerhebung. Der dafür maßgebende § 253 ZPO passt für das Restrukturierungsverfahren trotz des Generalverweises auf die ZPO (§ 38 Satz 1 StaRUG) strukturell nicht, weil es sich nicht um ein streitiges Parteiverfahren, sondern um ein nichtstreitiges multipolares Verfahren mit gesamtverfahrensähnlichen Elementen handelt. Wegen seiner nichtstreitigen Rechtsnatur steht das Verfahren nach dem StaRUG den nichtstreitigen Kernverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wesentlich näher als dem streitigen Verfahren nach der ZPO. Bei den nichtstreitigen Kernverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt das Gericht 7 in bestimmten Fällen – ebenso wie nach dem StaRUG – als Helfer der Beteiligten auf und unterstützt sie dabei, bestimmte Rechtsverhältnisse zu klären.17) Beispiele sind die freiwillige Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die Ernennung eines Sachverständigen, die Bestimmung eines Verwahrers (§ 410 Nr. 1 bis 3 FamFG) und die Bestellung eines Dispacheurs (§ 403 Abs. 1 FamFG). Wegen der strukturellen Ähnlichkeit mit den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG als verfahrenseinleitende Erklärung zu verstehen. Wie die „echten“ Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zeigen,18) sind solche Erklärungen auch in von der ZPO dominierten Verfahren möglich. Gleichwohl wäre es wegen der dogmatisch angreifbaren Verweise auf die ZPO vorzugswürdiger gewesen, das Verfahren nach dem StaRUG dem Regime der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu unterstellen. 2.3

Materiell-rechtliche Erklärung

Die Vorschriften über den Restrukturierungsplan (§§ 2 bis 22 StaRUG) enthalten Vor- 8 schriften mit materiell-rechtlichem Gehalt. Zwar können die §§ 2 bis 22 StaRUG auch ohne Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG zur Anwendung kommen.19) Wird jedoch der Weg über die Anzeige gewählt, so kann diese im Laufe des Verfahrens materiell-rechtliche Wirkungen auslösen. Der Anzeige sind deshalb Unterlagen wie der Restrukturierungsplan nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG beizufügen. Der Schuldner ist mit Stellung der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG und der Wahl der „modularen“ Bausteine damit einverstanden, dass die mit den gewählten Instrumenten der Restrukturierung verbundenen materiell-rechtlichen Wirkungen eintreten. Die Anzeige ist damit – anders als der Generalverweis auf die ZPO in § 38 Satz 1 StaRUG vermuten lässt – einigen Erklärungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie der Einigung des Grundbuchrechts (§ 20 GBO) und der Anmeldung zum Handelsregister (§ 382 Abs. 1 Satz 1 FamFG)20) vergleichbar, die neben verfahrenseinleitenden Elementen auch materiell-rechtliche Erklärungen enthalten. ___________ 16) 17) 18) 19) 20)

Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 134. Holzer in: Prütting/Helms, FamFG, Vor § 410 Rz. 1. Zu diesen Holzer, NotBZ 2020, 451, 454. Skauradszun, KTS 2021, 1, 31. Holzer in: Prütting/Helms, FamFG, § 382 Rz. 2.

Holzer

187

§7 2.4

3. Teil Verfahren Verfahrenseinleitung und -begründung

9 Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass die Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG eine verfahrenseinleitende Erklärung mit materiell-rechtlichen Elementen darstellt. Sie unterscheidet sich darin von der Klageerhebung des Zivilprozesses nach § 253 ZPO, die ausschließlich Prozesshandlung ist.21) III.

Zweck der Anzeige

10 Die Anzeige leitet das Verfahren ein (siehe dazu oben Rz. 6). Damit ist auch die Funktion verbunden, das zuständige Gericht über die in Aussicht genommene Restrukturierung zu informieren und ihm Gelegenheit zu geben, sich auf die Restrukturierungssache vorzubereiten. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil Restrukturierungssachen in aller Regel sehr eilbedürftig sind und mögliche Entscheidungen rasch getroffen werden müssen. Der Anzeige sind deshalb diverse Anlagen nach § 31 Abs. 2 StaRUG (siehe dazu unten Rz. 41) beizufügen und vom Schuldner i. R. seiner allgemeinen Auskunftspflicht nach § 39 Abs. 2 StaRUG ggf. zu erläutern. Der Gesetzgeber möchte mit der Anzeige auch sicherstellen, dass das Restrukturierungsvorhaben ernsthaft betrieben wird und die „modularen“ Elemente des StaRUG sorgfältig und gewissenhaft genutzt werden. Der Antrag soll daher nicht nur das Verfahren einleiten, sondern ein planmäßiges und nachvollziehbares Vorgehen des Schuldners aufzeigen und dies dem Gericht in transparenter Weise darstellen.22) An einer solchen Darstellung kann es bspw. fehlen, wenn die Einteilung der Gruppen nach § 9 StaRUG nicht sachgerecht ist.23) IV.

Vorbereitung der Anzeige

1.

Allgemeines

11 Wie Anträge im Insolvenzverfahren sind auch Anträge nach § 31 Abs. 1 StaRUG eilbedürftig. Der Gesetzgeber möchte dieser Eilbedürftigkeit dadurch Rechnung tragen, dass die Anzeige mit den in § 31 Abs. 2 StaRUG genannten Angaben vorgelegt wird (siehe dazu unten Rz. 41). Dies ist sinnvoll, weil damit dem Restrukturierungsgericht ein aufbereiteter Sachverhalt präsentiert und ihm die Möglichkeit gegeben wird, die erforderlichen Entscheidungen rasch und ohne zeitraubende Rückfragen zu treffen.24) 12 Wie die Erfahrungen aus dem Insolvenzverfahren zeigen, ist die „überraschende“ Anzeige25) auch mit vollständigen Anlagen insbesondere für die Restrukturierung größerer Verfahren nicht immer sinnvoll. Dem Schuldner ist in solchen Fällen zu raten, Vorüberlegungen anzustellen, vorbereitende Maßnahmen zu ergreifen und diese mit dem örtlich zuständigen Restrukturierungsgericht zu besprechen (zum Insolvenzrecht siehe Neußner, HRI II, § 3 Rz. 5 f.). 2.

Vorüberlegungen

13 Den Beginn der Vorüberlegungen bildet die Frage, ob der Schuldner die „modularen“ Bausteine des Restrukturierungsrahmens überhaupt in Anspruch nehmen kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn er restrukturierungsfähig ist (§ 30 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Wie aus § 1 Abs. 1 und 2 und § 4 Satz 2 StaRUG hervorgeht, sind restrukturierungsfähig natür___________ 21) 22) 23) 24) 25)

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Jaspersen in: BeckOK-ZPO, § 249 Rz. 13. Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 134. Dazu AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 379 = NZI 2021, 433. Zu verschiedenen Möglichkeiten der Verfahrensführung Fiebig, ZRI 2021, 561, 563. Dazu Frind, ZRI 2021, 697.

Holzer

§7

Anzeige des Schuldners

liche Personen (außer Verbrauchern, § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG), juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Nach der Umsetzung des sog. „Mauracher Entwurfs“26) durch das MoPeG27) ist die nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH rechtsfähige Außen-GbR unabhängig davon restrukturierungsfähig,28) ob sie in das Gesellschaftsregister eingetragen ist oder nicht.29) Der Gesetzgeber hat die Regelung in § 1 Abs. 1 und 2 und § 4 Satz 2 StaRUG ersichtlich dem bisherigen § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO nachgebildet, wobei neben der rechtsfähigen Außen-GbR auch eine nicht rechtsfähige Innen-GbR vorgesehen ist. Wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, sind restrukturierungsfähig nur solche Gesellschaften ohne Rechtsfähigkeit, für deren Verbindlichkeiten keine natürliche Person mittelbar oder unmittelbar haftet.30) Das ist bei einer Innen-GbR nicht der Fall. Nichts anderes gilt für die stille Gesellschaft nach § 230 HGB. Im Rahmen einer Vorüberlegung ist auch zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des 14 StaRUG nicht wegen des Vorliegens von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) ausgeschlossen ist und ob lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 InsO vorliegt (§§ 14 Abs. 1, 29 Abs. 1 StaRUG). Hierzu wird auf die Ausführungen zu den Voraussetzungen der Anordnung verwiesen (siehe dazu Holzer, HRI I, § 9 Rz. 1 ff.). 3.

Vorbereitung der Anlagen

Nach der Konzeption des Gesetzes ist es erforderlich, dass sich der Schuldner vor einer 15 Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG darüber im Klaren wird, welche der vom StaRUG angebotenen „modularen“ Elemente er für eine Restrukturierung nutzen und der Anzeige nach § 31 Abs. 2 StaRUG beifügen will. Der große Vorteil der Anzeige nach dem StaRUG ist, dass es sich gerade nicht um die Einleitung eines (Einheits-)Verfahrens handelt, bei dem auf den Verfahrensgang nur geringer Einfluss ausgeübt werden kann. Vielmehr ist der Schuldner im Verfahren nach dem StaRUG aufgrund der geltenden Dispositionsmaxime tatsächlich „Herr des Verfahrens“, der – in der Regel nach entsprechender Beratung – die Instrumente nutzen kann, die für sein Vorhaben am besten geeignet sind. Damit ist es ihm möglich, das eingeleitete Verfahren in wesentlich weiterem Umfang zu steuern wie ein Insolvenzverfahren. Die optimale Nutzung der durch das StaRUG angebotenen Möglichkeiten setzt allerdings 16 eine durchdachte Strategie voraus, die in aller Regel nicht von dem Schuldner selbst, sondern nur mit Hilfe von Spezialisten wie Insolvenzverwaltern und Restrukturierungsberatern entwickelt und umgesetzt werden kann. Nur diese auf die Restrukturierung spezialisierten Personen haben die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, Restrukturierungssachen zum Erfolg zu führen. In aller Regel kann auch nur die Vertretung durch diese Personen sicherstellen, dass es sich bei der in Aussicht genommenen Anzeige um das von dem Gesetzgeber geforderte „ernsthaft betriebene“ Verfahren handelt, das mit der im jeweiligen Einzelfall gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vorbereitet und umgesetzt wird. Dazu gehört das durch den Schuldner selbst kaum leistbare planmäßige und nachvollziehbare Vorgehen, das dem Restrukturierungsgericht transparent die Notwendigkeit der begehrten Verfahrenshilfen aufzeigen soll.31) Dass den Beratern bei der strategischen ___________ 26) Dazu RegE MoPeG, BT-Drucks. 19/27635. 27) Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 10.8.2021, BGB. I 2021, 3436. 28) Ebenso zu deren Insolvenzfähigkeit Schäfer, ZRI 2020, 333. 29) Zum Eintragungsverfahren Holzer, ZNotP 2020, 239, 240 ff. 30) Begr. RegE SanInsFoG z. § 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 104. 31) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 133.

Holzer

189

§7

3. Teil Verfahren

Planung und Durchführung der Restrukturierung auch Grenzen gesetzt sind, zeigt das sogleich darzustellende Problem des sog. Forum Shoppings. 4.

Zuständiges Gericht und Forum Shopping

17 Die Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG erfolgt bei dem örtlich zuständigen Restrukturierungsgericht. Alle durch das StaRUG angebotenen Möglichkeiten können indes nur dann sinnvoll genutzt werden, wenn an dem zuständigen Gericht engagierte, erfahrene und fachlich versierte Richter tätig sind, die den Möglichkeiten einer Restrukturierung positiv gegenüberstehen. Im Insolvenzverfahren musste leider festgestellt werden, dass dies insbesondere bei kleineren Insolvenzgerichten nicht der Fall war und durch fehlerhafte oder zu späte Entscheidungen nicht nur die Sanierung von Unternehmen nicht möglich war, sondern auch die Gläubiger geschädigt wurden.32) Die Folge waren vor Einführung der InsO Sitzverlegungen innerhalb der Teilrechtsgebiete, danach unter das Regime vermeintlich sanierungsfreundlicherer Rechtsordnungen.33) Entsprechende Versuche eines systematischen Forum Shoppings hat es in jüngster Zeit im Bereich des Insolvenzrechts gegeben;34) der Gesetzgeber sollte das alsbald durch geeignete Regelungen unterbinden. 18 Dieses Problem stellt sich bei Restrukturierungssachen nicht in derselben Schärfe wie bei Insolvenzsachen, weil hierfür innerhalb eines OLG-Bezirks nur ein Amtsgericht zuständig ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Dennoch sollten für das Insolvenzverfahren geschaffene Regelungen auf das Restrukturierungsverfahren übertragbar sein; darüber hinaus ist die Gefahr nicht ganz von der Hand zu weisen, dass der anzeigewillige Schuldner auch auf Restrukturierungsrichter stößt, die nicht hinreichend engagiert sind und sich insbesondere mit dem Gedanken der Restrukturierung nicht anfreunden können, weil sie nach wie vor in dem Gedankengut des weniger sanierungsfreundlichen Insolvenzrechts verfangen sind. 19 Im Rahmen der Vorüberlegungen ist daher mit Hilfe erfahrener Berater zu klären, ob das örtlich zuständige Restrukturierungsgericht überhaupt für die Bearbeitung der Anzeige geeignet ist. Dabei ist auch auf die interne Zuständigkeit zu achten, denn es ist zu erwarten, dass nicht jeder Richter in gleicher Weise für die Bearbeitung der Anzeige in Betracht kommt. Dies kann durch einen Blick in den entweder auf der Homepage des Gerichts einsehbaren oder von der Justizverwaltung erhältlichen Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts oder dessen für Restrukturierung zuständigen Abteilung geklärt werden, wenn die interne Zuständigkeit nach Buchstaben bestimmt wird. Ist dies nicht der Fall und die Endziffer maßgebend, hilft in der Regel nur ein Vorgespräch mit dem dafür zuständigen Richter bzw. Abteilungsleiter.35) Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es sich um die Restrukturierung einer Gruppe handelt und nach § 37 Abs. 1 StaRUG ein Gruppen-Gerichtsstand besteht. 20 Ergeben die Vorüberlegungen, dass das örtlich zuständige Restrukturierungsgericht bzw. der zuständige Richter für die Bearbeitung der Anzeige aus den verschiedensten Gründen nicht geeignet ist, sollte überlegt werden, ob von dem Vorhaben insgesamt Abstand genommen wird und es stattdessen vorzugswürdig ist, bei dem Vorliegen entsprechender Voraussetzungen einen Insolvenz- bzw. Schutzschirmantrag zu stellen, für den ein geeigneterer Richter bzw. ein geeigneteres Gericht zur Verfügung steht. 21 Dringend abzuraten ist hingegen von Versuchen, eine vermeintlich günstigere gerichtliche Zuständigkeit im Wege des Forum Shoppings zu erlangen. Reaktionen der Rechtspre___________ 32) 33) 34) 35)

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Holzer, INDat Report 3/2019, S. 13, 14 f. Holzer in: Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl, Hdb. FAInsR, 12. Kap. Rz. 48. Kollbach, INDat Report 10/2020, S. 52. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2582 f.

Holzer

§7

Anzeige des Schuldners

chung36) und der Literatur37) haben deutlich gezeigt, dass diese aus Beratersicht auf den ersten Blick bestechende Möglichkeit keineswegs „gerichtsfest“ ist. Erklärt sich das angerufene Gericht nämlich für örtlich unzuständig, weil es die i. R. des Forum Shopping“ vorgenommene Sitzverlegung nicht für rechtmäßig hält oder wird gar ein Beschwerdeverfahren angestrengt, wird kostbare Zeit verlorengehen und die Chancen auf eine erfolgreiche Restrukturierung möglicherweise vertan. Dabei sollte auch bedacht werden, dass Versuche, das „forum shopping“ durch den Begriff der „strategischen Insolvenzplanung“ zulasten der Gläubiger schönzureden,38) keine tragfähige Grundlage zur Begründung von Gerichtsständen darstellen, die die gesetzliche Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 1 StaRUG unterlaufen. V.

Anzeige

1.

Form

§ 31 Abs. 1 StaRUG enthält keine Vorgaben dazu, in welcher Form die Anzeige bei Ge- 22 richt zu stellen ist. Aus dem Generalverweis des § 38 Satz 1 StaRUG auf die ZPO folgt jedoch, dass § 253 Abs. 1 ZPO sinngemäß anwendbar ist. Aus diesem ergibt sich, dass der Antrag schriftlich bei dem Restrukturierungsgericht einzureichen ist. Eine Einreichung per Fax ist wie bei Klageschriften zulässig und ggf. wegen der Eilbedürftigkeit der Anzeige auch geboten. Hier sollte jedoch zur Vermeidung von Rückfragen darauf geachtet werden, dass auch die Anlagen übermittelt werden. Sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ist eine elektronische Einreichung des Antrags möglich (§ 130 Abs. 2 ZPO), ferner eine Einreichung zu Protokoll der Geschäftsstelle nach § 129a ZPO.39) Letzteres ist wegen der Gefahr von Fehlern und Missverständnissen tunlichst zu vermeiden und dürfte in der Praxis den seltenen Ausnahmefall darstellen, weil der Schuldner selbst in aller Regel keine Erfolg versprechende Anzeige erstellen kann, sondern von Spezialisten vertreten werden muss, die dem Restrukturierungsgericht eine fundiert erstellte Anzeige mit allen erforderlichen Anlagen zur Verfügung stellen. Anwaltliche Vertreter müssen seit 1.1.2022 den elektronischen Rechtsverkehrs („beA“) nutzen, wie aus § 130d ZPO hervorgeht. 2.

Inhalt

Aus dem über § 38 Satz 1 StaRUG anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO folgt, dass die 23 Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG die Bezeichnung der „Parteien“ enthalten muss. Wie ausgeführt (siehe oben Rz. 6 ff.) handelt es sich um ein nichtstreitiges Verfahren, das denen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nahesteht. Es gibt deshalb keine im entgegengesetzten Interesse agierenden „Parteien“ wie im Zivilprozess, sondern lediglich „Beteiligte“ innerhalb eines rechtsvorsorgenden Verfahrens mit gesamtverfahrensähnlichen Elementen. Als solche kommen in späteren Stadien des Verfahrens auch die Gläubiger in Betracht. Dies gilt jedoch nicht für die Anzeige, in der lediglich der Schuldner zu bezeichnen ist. Selbstverständlich sind zur Person des Schuldners – soweit möglich – nähere Angaben zu machen. Hierzu gehört insbesondere die unverwechselbare Bezeichnung des Schuldners, die aus der vollständigen Firma laut Eintragung im (Handels-)Register40) mit Angabe der zugehörigen Registernummer sowie einer ladungsfähigen Anschrift der vertretungsberechtigten Personen bestehen muss. ___________ 36) 37) 38) 39) 40)

LG Bremen v. 5.10.2020 – 6 T 370/20, ZRI 2021, 52, 53 f. Frind, INDat Report 10/2020, S. 62, 63; Frind, NZI 2019, 697, 701. Hölzle/Jacoby, ZIP 2021, 337, 340. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2582. Zu Problemen bei der Bezeichnung des Schuldners in öffentlichen Registern Holzer, ZfIR 2008, 129, 130 ff.

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§7

3. Teil Verfahren

24 Zur Erleichterung der gerichtlichen Prüfung und Demonstration der vom Gesetzgeber geforderten Transparenz bei Stellung des Antrags41) sollten diesem weitere den Schuldner kennzeichnende Angaben – insbesondere ein aktueller Registerauszug – beigefügt werden. Ist der Schuldner in die Struktur einer Unternehmensgruppe eingebunden, empfiehlt sich weiterhin, der Anzeige eine Aufstellung der gruppenangehörigen Gesellschaften beizufügen, im Idealfall verbunden mit einer schematischen Darstellung der Konzernstruktur. Dies sollte mit Angaben zur Bedeutung des Schuldners innerhalb der Unternehmensgruppe verbunden sein und ermöglicht es dem Gericht, frühzeitig die Notwendigkeit eines GruppenGerichtsstands nach § 37 Abs. 1 StaRUG zu erkennen. Um dem Restrukturierungsgericht eine angemessene Einarbeitungszeit zu ermöglichen, kann es angezeigt sein, dass der Schuldner in der Anzeige noch keine Anträge zur Inanspruchnahme konkreter Maßnahmen stellt.42) 3.

Berechtigung zur Anzeige

25 § 31 Abs. 1 StaRUG legt nicht fest, wer zur Stellung der Anzeige berechtigt ist. In den meisten Fällen wird dies unproblematisch sein: Ist der Schuldner eine natürliche Person, ist nur er bzw. bei Geschäftsunfähigkeit sein gesetzlicher Vertreter anzeigeberechtigt. Steht der Schuldner unter Betreuung, ist der Betreuer anzeigeberechtigt, wenn zu seinen Aufgaben die Vermögenssorge und die gerichtliche Vertretung gehören.43) Der Schuldner muss jedoch Unternehmer sein; Anträge von Verbrauchern sind als unzulässig zurückzuweisen (siehe Bork, HRI I, § 1 Rz. 19). 26 Bei juristischen Personen sind ist jedes Mitglied des Vertretungsorgans alleine anzeigeberechtigt, auch wenn es nach der Eintragung im Handelsregister nur zusammen mit anderen Personen zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist. Darüber hinaus ist jeder Abwickler und jeder persönlich haftende Gesellschafter zur Stellung der Anzeige berechtigt. Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person (z. B. bei einer GmbH & Co. KG), so ist für die Berechtigung zur Stellung einer Anzeige auf § 15 Abs. 3 InsO zurückzugreifen. Falls die schuldnerische Gesellschaft führungslos ist (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO), so ist auch jeder Gesellschafter und – bei AktG und KGaA – jedes Mitglied des Aufsichtsrats anzeigeberechtigt.44) Dies gilt auch für den Prokuristen und den sog. „faktischen Geschäftsführer“. 4.

Adressat

4.1

Amtsgericht als Restrukturierungsgericht

27 Adressat der Anzeige ist das Restrukturierungsgericht. Im Gegensatz zu Vorschlägen in der Literatur45) hat sich der Gesetzgeber nicht für eine sachliche Zuständigkeit der Landgerichte, sondern der Amtsgerichte entschlossen, weil eine funktionale und inhaltliche Ähnlichkeit von Restrukturierungs- und Insolvenzsachen besteht.46) In der Tat erfordern beide Angelegenheiten rasches, gezieltes und entschlossenes Handeln durch erfahrene, für Restrukturierungssachen offene und fachlich geschulte Richter. Dies ist nur bei Amtsgerichten gegeben, deren Richter eine Vielzahl von Fällen als Einzelrichter rasch und zutreffend entscheiden können. Bei Land- und Oberlandesgerichten ist das trotz des teilweise bereits gelockerten, die Funktionsweise dieser Gerichte aber noch beherrschenden Kollegialprinzips ___________ 41) 42) 43) 44) 45) 46)

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Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 133. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2584. Heilmaier in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 3 Rz. 63. Heilmaier in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 3 Rz. 64. So nur Bogumil, NZI 2018, 774, 777. Begr. RegE SanInsFoG z. § 36 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 141; Vallender, MDR 2021, 201, 204.

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§7

Anzeige des Schuldners

nicht der Fall, das die Entscheidung weniger, aber größerer und komplexerer Verfahren begünstigt. Hier ist nicht so sehr eine rasche Entscheidung, sondern wissenschaftlich vertieftes Arbeiten mit Beratungen innerhalb des Spruchkörpers gefragt, das bei Restrukturierungssachen nicht notwendig und sogar kontraproduktiv ist.47) 4.2

Sachliche Zuständigkeit

Sachlich zuständig als Restrukturierungsgericht ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein 28 Oberlandesgericht seinen Sitz hat (§ 34 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Diese Zuständigkeit ist ausschließlich und gilt für den gesamten OLG-Bezirk. Am Sitz des Oberlandesgerichts befindet sich zwar nicht immer ein Landgericht (z. B. in Jena), wohl aber ein Amtsgericht. Falls dieses Amtsgericht nicht für Regelinsolvenzsachen zuständig ist (z. B. das AG Jena), so ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 StaRUG das Amtsgericht zuständig, das für Regelinsolvenzsachen am Sitz des Oberlandesgerichts zuständig ist (z. B. im OLG-Bezirk Jena das AG Gera). Die Länder können von dieser Regel zur sachdienlichen Förderung und schnelleren Erle- 29 digung von Restrukturierungssachen abweichen. Dies ist grundsätzlich kritisch zu sehen, weil in der Vergangenheit für die Begründung entsprechende Zuständigkeiten der Insolvenzgerichte nicht nur sachliche, sondern in manchen Ländern auch politische Gesichtspunkte (Stichwort: „Standortsicherung“ bzw. „bürgernahe Justiz“, siehe Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 8 ff.) maßgeblich waren.48) Die erste Möglichkeit besteht darin, innerhalb des OLGBezirks die Zuständigkeit eines anderen Amtsgerichts zu bestimmen, das ebenfalls für Regelinsolvenzsachen zuständig sein muss (§ 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG). So hätte bspw. in Thüringen die Möglichkeit bestanden, das Restrukturierungsgericht bei den für Regelinsolvenzsachen zuständigen Amtsgerichten Erfurt, Meiningen oder Mühlhausen zu bestimmen. Der Landesgesetzgeber hat die gesetzliche Zuständigkeitsregel jedoch nicht geändert, so dass es in Thüringen bei der Zuständigkeit des AG Gera verbleibt (siehe dazu Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 7). Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StaRUG haben die Länder auch die Möglichkeit, die Zu- 30 ständigkeit eines Restrukturierungsgerichts innerhalb eines Landes zusätzlich auf den Bezirk eines oder mehrerer Oberlandesgerichte zu erstrecken. Dies erscheint besonders wünschenswert, weil nur eine möglichst weitgehende Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeiten die Gewähr dafür bietet, dass mit Restrukturierungssachen erfahrene Richter befasst sind und die sachliche Ausstattung der Gerichte den Anforderungen entspricht, die für die Bearbeitung der Angelegenheiten erforderlich sind.49) Dies gilt auch für die in Restrukturierungssachen notwendige50) Führung der Vorauswahlliste,51) die als Justizverwaltungssache nach § 23 EGGVG bei größeren Gerichten zielführender organisiert und einfacher bewältigt werden kann. Die Länder haben ferner nach § 34 Abs. 2 Satz 2 StaRUG die Möglichkeit, die Ermächti- 31 gung nach § 34 Abs. 2 Satz 2 StaRUG die in Satz 1 enthaltene Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen zu übertragen. Mehrere Länder können ferner durch Staatsvertrag die Zuständigkeit eines Restrukturierungsgerichts über die Landesgrenzen hinweg vereinbaren (§ 34 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Die Regelung folgt damit Vorbildern in anderen Gesetzen wie § 376 FamFG (Zuständigkeit der Registergerichte).52) ___________ 47) 48) 49) 50) 51) 52)

Holzer, INDat Report 3/2019, S. 13, 14 f. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2580. Holzer, INDat Report 3/2019, S. 13, 16. A. A. Frind, ZRI 2021, 397, 401 f. Zum Begriff grundlegend Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 3 ff. Dazu Holzer in: Prütting/Helms, FamFG, § 376 Rz. 4.

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§7 4.3

3. Teil Verfahren Örtliche Zuständigkeit

32 Nach § 35 Satz 1 StaRUG ist örtlich zuständig das Restrukturierungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Auch die örtliche Zuständigkeit ist ausschließlich und hat sein Vorbild in der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO.53) Wie dieser stellt § 35 Satz 1 StaRUG auf den allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners ab, der sich direkt aus den §§ 12 ff. ZPO ergibt, ohne dass auf den Generalverweis des § 38 StaRUG zurückgegriffen werden muss. 33 Aus § 12 ZPO lässt sich für die Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts nichts entnehmen, da diese Norm lediglich den Begriff des allgemeinen Gerichtsstands definiert. Dieser wird bei natürlichen Personen nach § 13 ZPO durch ihren inländischen Wohnsitz i. S. der § 7 ff. BGB bestimmt.54) In Restrukturierungssachen wird für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit weder § 15 ZPO (allgemeiner Gerichtsstand für exterritoriale Deutsche) noch § 16 ZPO (allgemeiner Gerichtsstand für wohnsitzlose Personen) in Betracht kommen, so dass auf diese nicht weiter einzugehen ist. 34 Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand juristischer Personen durch ihren Sitz bestimmt. Als solcher gilt der Sitz der Verwaltung (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO), also nicht der Ort, an dem die operativen Geschäfte ausgeführt werden. Der Ort der Verwaltung bestimmt sich bei juristischen Personen danach, wo sich der Sitz der Geschäftsführung und der Vertretungsorgane der Gesellschaft befindet, mithin dort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.55) Außer Betracht bleiben deshalb Orte, die von vornherein nur kurzfristig für die vorgenannten Zwecke genutzt werden, bspw. bei einer vorübergehenden Auslagerung der Büroräume. Bei Mitgliedern einer Unternehmensgruppe ist nicht auf den Sitz der Muttergesellschaft, sondern auf den Sitz der von der Restrukturierung betroffenen Gesellschaft abzustellen.56) 35 Eine Ausnahme zu der in § 35 Satz 1 StaRUG genannten Regel ist nach § 35 Satz 2 StaRUG dann vorgesehen, wenn sich der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort als dem des allgemeinen Gerichtsstands befindet. In diesem Fall ist eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts gegeben, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. Die Regelung übernimmt wörtlich die des § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO. Wie sich aus § 35 Satz 2 StaRUG ergibt, ist dieser Gerichtsstand gegenüber dem allgemeinen Gerichtsstand nach § 35 Satz 1 StaRUG vorrangig; er ist jedoch nur dann maßgebend, wenn er nach den tatsächlichen Gegebenheiten bestimmt werden kann. Ein bloßer Rechtsschein kann daher nicht zur Begründung dieses Gerichtsstands führen. Nicht erforderlich dafür ist ferner, ob an dem Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit Gewinn erzielt wird; vielmehr reicht die Absicht der Gewinnerzielung aus. 36 Die Begründung eines von dem allgemeinen Gerichtsstand abweichenden Gerichtsstands nach § 35 Satz 2 StaRUG kann dann Vorteile bringen, wenn dort auch wesentliche Entscheidungen für das Unternehmen getroffen werden und dies die Durchführung der Restrukturierung erleichtert. In der Praxis wird dies meist der Fall sein,57) so dass der Gerichtsstand nach § 35 Satz 2 StaRUG eher die Regel denn die Ausnahme darstellen dürfte. Der Schuldner kann durch den Vortrag von für die Zuständigkeit nach § 35 Satz 2 StaRUG sprechenden Kriterien innerhalb enger Grenzen die örtliche Zuständigkeit des Restruktu___________ 53) 54) 55) 56) 57)

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Begr. RegE SanInsFoG z. § 37 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 141. Wern in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 13 Rz. 3. Wern in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 17 Rz. 9. Dazu Prütting in: KPB, InsO, § 3e Rz. 5. Frind, ZRI 2021, 397, 399.

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§7

Anzeige des Schuldners

rierungsgerichts steuern. Dies ist legitim und nicht mit dem kritisch zu sehenden „forum shopping“ vergleichbar. 4.4

Besonderheiten bei Unternehmensgruppen

Gehört ein Schuldner einer Unternehmensgruppe i. S. des § 3e InsO an (sog. „gruppen- 37 angehöriger Schuldner“), kann aus der Anzeige nach § 37 Abs. 1 StaRUG eine örtliche Zuständigkeit für die Restrukturierungssachen anderer gruppenangehöriger Schuldner (sog. Gruppen-Folgeverfahren) resultieren. Voraussetzung dafür ist, dass der Schuldner mit der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG auch einen Antrag auf Begründung eines GruppenGerichtsstands gestellt hat und er nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe ist. Falls diese Voraussetzungen vorliegen, erklärt sich das angerufene Restrukturierungsgericht für die Restrukturierungssachen anderer gruppenangehöriger Schuldner (sog. Gruppen-Folgeverfahren) für zuständig. Wie aus § 37 Abs. 2 StaRUG entnommen werden kann, ist die Regelung den §§ 3a ff. InsO 38 nachgebildet. Das StaRUG hat demnach auch den Begriff der (Unternehmens-)Gruppe aus § 3a InsO übernommen. Zweck der Regelung ist es, die Sanierungskonzepte der gruppenangehörigen Unternehmen aufeinander abzustimmen. Die Chancen hierfür sowie allgemein für eine erfolgreiche Restrukturierung werden nach der zutreffenden Einschätzung des Gesetzgebers durch die Zuständigkeit desselben Restrukturierungsgerichts für alle gruppenangehörigen Unternehmen entscheidend verbessert.58) 4.5

Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG hat das Restrukturierungsgericht von Amts wegen alle 39 Umstände zu ermitteln, die für das Verfahren von Bedeutung sind, soweit das StaRUG nichts anderes bestimmt. Für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit sind derartige Ausnahmen nicht vorgesehen, so dass – ebenso wie im Insolvenzverfahren nach § 5 InsO – auch die örtliche Zuständigkeit von Amts wegen zu ermitteln ist.59) Auch wenn es sich bei Restrukturierungssachen durchweg um Eilverfahren handelt, bei denen solche Ermittlungen im Vergleich zu anderen gerichtlichen Verfahren sehr rasch erfolgen, geht durch sie doch wertvolle Zeit verloren, die den Erfolg der Restrukturierung gefährden kann. Soll eine von dem allgemeinen Gerichtsstand des § 35 Satz 1 StaRUG abweichende örtliche Zuständigkeit nach § 35 Satz 2 StaRUG begründet werden, empfiehlt es sich daher, dies durch entsprechenden Vortrag und Belege nachzuweisen, so dass zeitraubende und die Anzeige möglicherweise gefährdende Nachfragen des Restrukturierungsgerichts entbehrlich sind. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der örtlichen Zuständigkeit durch das 40 Restrukturierungsgericht soll nach der Intention des Gesetzgebers nicht zwingend bereits nach der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens nach § 31 Abs. 1 StaRUG, sondern „spätestens“ dann vorzunehmen sein, wenn der Schuldner einen der „modularen Bausteine“ des StaRUG in Anspruch nimmt.60) Diese Sichtweise berücksichtigt nicht die hohe Eilbedürftigkeit der Restrukturierungssachen, die der Gesetzgeber an anderer Stelle – bspw. bei der sachlichen Zuständigkeit der Restrukturierungsgerichte (siehe oben Rz. 27 ff.) – betont hat. Eine zu späte Prüfung der örtlichen Zuständigkeit mit einer anschließenden Verweisung an ein anderes Restrukturierungsgericht kann die Durchführung der Restrukturierung ernsthaft gefährden, weil hierdurch mehrere Wochen verloren gehen können. Es ist deshalb dringend notwendig, die örtliche Zuständigkeit entgegen den nicht praxisgerech___________ 58) Begr. RegE SanInsFoG z. § 37 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. 59) Frind, ZRI 2021, 397, 399; Vallender, ZRI 2021, 165, 166. 60) Begr. RegE SanInsFoG z. § 39 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142.

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§7

3. Teil Verfahren

ten Vorstellungen des Gesetzgebers unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) nach Eingang der Anzeige bei dem Restrukturierungsgericht zu prüfen.61) Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass der Anzeige sämtliche Informationen beigefügt werden, die aus Sicht des Schuldners für die in Anspruch genommene Zuständigkeit sprechen. VI.

Anlagen zur Anzeige

1.

Allgemeines

41 Nach § 31 Abs. 2 StaRUG sind dem Restrukturierungsvorhaben diverse Unterlagen beizufügen und ergänzend dazu Angaben zu machen. Das hat einen einleuchtenden Grund: Der Gesetzgeber hat das Verfahren nach dem StaRUG als Eilverfahren konzipiert, in dem rasch Entscheidungen zu treffen sind.62) Auch wenn diese Konzeption noch nicht von allen Restrukturierungsgerichten erkannt oder akzeptiert wird,63) kommt dies in der Ausgestaltung der Anzeige zum Ausdruck, in der der Schuldner den Sachverhalt und die wesentlichen Ziele der angestrebten Restrukturierung darzulegen hat (siehe dazu unten Rz. 43 ff.). Diese Darlegungen können den raschen Ablauf des Verfahrens nur dann fördern, wenn sie durch Unterlagen unterstützt werden, die dem Restrukturierungsgericht mit der Anzeige vorgelegt werden. Der Gesetzgeber hält darüber hinaus – jedenfalls im Hinblick auf den Restrukturierungsplan, § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG – die Vorlage von Unterlagen deshalb für erforderlich, weil sich die Ernsthaftigkeit und die Aussichten eines Restrukturierungsvorhabens nur auf der Grundlage eines konkreten Plans, zumindest aber auf der Grundlage eines hinreichend konkreten Grobkonzepts nachvollziehen lassen. Mit anderen Worten soll der Schuldner die im StaRUG enthaltenen Hilfen nur dann erhalten, wenn er sein Vorhaben auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen transparent macht und mit der Anzeige bei dem Restrukturierungsgericht einreicht.64) 42 Diese Forderung nach der „Ernsthaftigkeit“ der Anzeige ist der aus § 17 VglO bekannten „Würdigkeit“ des Schuldners ähnlich, die allerdings bereits dem Gesetzgeber der InsO nicht mehr zeitgemäß erschien und deshalb nicht mehr in das geltende Insolvenzrecht übernommen wurde. Die Besorgnis, dass der Gesetzgeber auf die „Würdigkeit“ des früheren Vergleichsrechts im StaRUG in anderer Form zurückgegriffen hätte, besteht indes nicht: Im Gegensatz zum früheren Recht entfallen die mit der Anwendung des Gesetzes verbundenen Vorteile nicht bereits dann, wenn sich der Schuldner vor Stellung der Anzeige in einer vom Gesetz missbilligen Weise verhalten hat. Der Gesetzgeber stellt in seiner Begründung zu § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG vielmehr auf eine Missbilligung des mit der Anzeige selbst verbundenen auch fahrlässigen Verhaltens ab – nämlich der fehlenden oder unzureichenden Vorlage von Unterlagen, die die gerichtliche Prüfung erschweren und das Konzept einer raschen Durchführung des Verfahrens stören oder behindern. Dies ist zweifellos bei dem Fehlen von Unterlagen der Fall, die im Falle einer Nachreichung eine zeitliche Verzögerung von mindestens zwei Wochen bedeuten würde. Dieser Aspekt belegt abermals, wie wichtig ein unter der Mitwirkung von Experten erstelltes und tragfähiges Restrukturierungskonzept ist, das mit der Anzeige eingereicht werden kann. 2.

Zusammenhang von Anlagen und Anzeige

43 Bereits aus der systematischen Stellung von Anzeige und Anlagen in den ersten beiden Absätzen des § 31 StaRUG wird deutlich, dass beide Erfordernisse in einem systematischen ___________ 61) 62) 63) 64)

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Frind, ZRI 2021, 397, 399; Vallender, ZRI 2021, 165, 166. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 93. Dazu Fiebig, ZRI 2021, 561, 564. Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135.

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Anzeige des Schuldners

Zusammenhang stehen. Fehlende oder ungenügend ausgestaltete Anlagen führen jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Anzeige. Dies wird aus § 31 Abs. 3 StaRUG deutlich, der die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache alleine an die erfolgte Anzeige und nicht an die Beifügung geeigneter Unterlagen knüpft. Das bedeutet, dass auch mit der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache verbundenen Rechtsfolgen wie die Umwandlung der Insolvenzantragspflicht in eine Insolvenzanzeigepflicht (§ 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) nicht davon abhängen, dass der Entwurf des Restrukturierungsplans oder das alternativ vorgelegte Konzept einer sachlichen Prüfung des Restrukturierungsgerichts65) standhält. Inhaltliche Schwächen der vorgelegten Unterlagen können allerdings im Laufe des Verfahrens negative Auswirkungen entfalten, sofern sie nicht auf gerichtlichen Hinweis behoben werden.66) 3.

Die Anlagen im Einzelnen

3.1

Restrukturierungsplan

Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG ist der Anzeige der Entwurf eines Restrukturierungs- 44 plans beizufügen. Die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass die Vorlage eines ausgearbeiteten Entwurfs des Restrukturierungsplans den Idealfall darstellt. Um diesem nahezukommen, sollte der Entwurf die Vorgaben des §§ 5 StaRUG beachten und aus einem darstellenden (§ 6 StaRUG)67) und einem gestaltenden Teil (§ 7 StaRUG) bestehen. In dem darstellenden Teil sind die Grundlagen und Auswirkungen des Restrukturierungsplans zu beschreiben.68) Dabei ist von besonderer Wichtigkeit, dass die Ursachen für die eingetretene Krise und die zu ihrer Beseitigung geplanten Maßnahmen dargestellt werden (§ 6 Abs. 1 StaRUG). Der darstellende Teil enthält ferner eine Vergleichsrechnung, der die Auswirkungen des Restrukturierungsplans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen darstellt (§ 6 Abs. 2 StaRUG). Dabei ist auch die Auswahl der Planbetroffenen zu erläutern (§ 8 StaRUG), die in Gruppen einzuteilen (§ 9 StaRUG) und innerhalb der Gruppen gleich zu behandeln sind (§ 10 Abs. 1 StaRUG). Zur raschen Umsetzung des Plans sollte auch die Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse aufgenommen werden (§ 13 StaRUG).69) In dem gestaltenden Teil ist insbesondere darzulegen, in welcher Weise der Restrukturie- 45 rungsplan in die Rechtsstellung der Planbetroffenen eingreift (§ 7 Abs. 1 StaRUG).70) Dem Restrukturierungsplan sind nach § 15 StaRUG diverse Erklärungen als Anlage beizufügen; insoweit handelt es sich um Anlagen zur Anlage nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG. Bei der Ausarbeitung des Entwurfs des Restrukturierungsplans sollte eine etwa vorhandene Checkliste des BMJV nach § 16 StaRUG geprüft werden. Bei der Vorlage eines Restrukturierungsplans ist ferner zu beachten, dass sich der Schuldner nicht auf eine gerichtliche Vorprüfung hinsichtlich bestimmter inhaltlicher und formaler Anforderungen verlassen darf. Diese gibt es im Gegensatz zum Planverfahren nach der InsO nicht (vgl. § 231 InsO), weil § 46 StaRUG einen gerichtlichen Vorprüfungstermin nicht zwingend vorsieht.71) Bei der Erstellung der Anlage ist deshalb noch größere Sorgfalt erforderlich als im Insolvenzverfahren.

___________ 65) Zu dieser AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544. 66) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. 67) Zur Darstellung der Restrukturierungsmaßnahmen Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 6 Rz. 23 ff. 68) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. 69) Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2619; Gehrlein, BB 2021, 66, 68. 70) Dazu Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 7 Rz. 9 f. 71) Fiebig, ZRI 2021, 561, 563.

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§7 3.2

3. Teil Verfahren Konzept für die Restrukturierung

46 Der Gesetzgeber war sich vollkommen im Klaren darüber, dass der Idealfall der Vorlage eines entworfenen Restrukturierungsplans nicht in allen Fällen erreicht werden kann. Ihm genügt daher die Vorlage eines zumindest „hinreichend konkreten Konzepts“, aus dem sich die Ernsthaftigkeit und die Aussichten eines Restrukturierungsvorhabens nachvollziehen lassen. Der Gesetzgeber lässt sich dabei durch die zutreffende Erkenntnis leiten, dass Sanierungsbemühungen in der Praxis zunächst von einem Grobkonzept ausgehen, das im Zuge der vorbereitenden Prüfung immer detaillierter wird und schließlich in einem konzeptionell ausgefeilten Konzept mündet, das die Basis für den Restrukturierungsplan darstellt.72) Innerhalb des Gesetzes bestehen jedoch Ungereimtheiten, weil das Grobkonzept für die Anzeige nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG ausreichend ist, der Erlass einer Stabilisierungsanordnung aber nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StaRUG eine vollständige und schlüssige Restrukturierungsplanung voraussetzt, die nur durch einen ausgearbeiteten Restrukturierungsplan möglich ist und bei einem raschen Vorgehen des Restrukturierungsgerichts73) innerhalb einer von diesem gesetzten kurzen Frist möglicherweise nicht nachgeholt werden kann. In der Literatur wird daher zu Recht bezweifelt, ob die Vorlage eines Grobkonzepts überhaupt sinnvoll ist.74) 47 Der Gesetzgeber hat nicht exakt vorgegeben, in welchem Stadium sich das „hinreichend konkrete Konzept“ befinden muss, damit es als Anlage der Anzeige nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG geeignet ist. Aus der Gesetzesbegründung75) und dem Gesetzestext ergibt sich aber, dass das Grobkonzept zumindest die wesentlichen Eckpunkte des späteren Restrukturierungsplans enthalten muss. Dabei handelt es sich um die Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise sowie die Angabe des Ziels der Restrukturierung. In dem Grobkonzept sind ferner die Maßnahmen darzustellen, die zur Erreichung des Restrukturierungsziels dienen sollen. 48 Es versteht sich von selbst, dass das als Alternative zur Vorlage des Restrukturierungsplans gedachte Grobkonzept seine Aufgabe umso besser erfüllen kann, je stärker es dem endgültigen Insolvenzplan angenähert ist. Bei den Vorüberlegungen zur Anzeige des Restrukturierungsvorhabens wird anhand der Ausgestaltung des Grobkonzepts im Einzelfall der ideale Zeitpunkt für die Einreichung der Anzeige bei dem Restrukturierungsgericht bestimmt werden müssen. Tendenziell sollte dabei nicht zu lange zugewartet werden; denn es nützt dem Schuldner wenig, wenn er zwar einen perfekt ausgearbeiteten Restrukturierungsplan vorlegen kann, dafür aber den richtigen Zeitpunkt für seine Einreichung verpasst. Ob dieser Zeitpunkt bereits dann gegeben ist, wenn das Grobkonzept die gesetzlichen Anforderungen des „hinreichend konkreten Konzepts“ erfüllt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht allgemein beantwortet werden kann. 49 Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, dass die Vorlage eines Grobkonzepts, das nur die Mindestanforderungen eines „hinreichend konkreten Konzepts“ erfüllt, den Restrukturierungsrichter möglicherweise nicht in allen Fällen von der Tragfähigkeit des Konzepts für eine Restrukturierung überzeugen kann. Dies kann zu einer Auflage des Restrukturierungsgerichts führen, in der die Vorlage eines Restrukturierungsplans gefordert wird.76) Ist die Frist nur kurz, kann der Gläubiger möglicherweise einen Restrukturierungsplan nicht mehr erstellen und vorlegen, so dass das gesamte Vorhaben scheitert. Falls sich der Schuldner ange___________ 72) 73) 74) 75) 76)

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Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. Dazu Fiebig, ZRI 2021, 561, 563 f. Frind, ZRI 2021, 697. Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. Frind, ZRI 2021, 697.

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§7

Anzeige des Schuldners

sichts der dargestellten Gefahren überhaupt zur Vorlage eines Grobkonzepts entschließt, sollte dieses einem Restrukturierungsplan deutlich angenähert sein. 3.3

Stand der Verhandlungen

Der Anzeige ist ferner nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StaRUG eine Darstellung des Stands 50 der Verhandlungen mit den Gläubigern und Dritten zu den beabsichtigten Maßnahmen beizufügen. Handelt es sich bei der Schuldnerin um eine juristische Person, um eine Handelsgesellschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (siehe dazu oben Rz. 13), sind auch die an der schuldnerischen Gesellschaft beteiligten Personen zu nennen. Anzugeben sind nur die mit den künftig am Restrukturierungsverfahren beteiligten Personen geführten Verhandlungen,77) also nicht die in der Zukunft beabsichtigten Verhandlungen. In welcher Weise der Stand der Verhandlungen aufzuführen ist, gibt das Gesetz nicht vor. Denkbar ist die Erstellung einer Tabelle mit zugehörigen Erläuterungen, aber auch die Abfassung eines Berichts über den Stand der Verhandlungen. Wie bei den an das Insolvenzgericht adressierten Berichten – bspw. dem Schlussbericht – ist es nicht erforderlich, die Verhandlungen in allen Details darzulegen. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr eine überblicksartige Darstellung, die rasch Auskunft über die Durchführung und den Stand der Verhandlungen gibt. Auch das vorgenannte Erfordernis soll dem Restrukturierungsgericht eine Einschätzung 51 ermöglichen, welchen Rückhalt die Anzeige bei den künftigen Beteiligen haben kann und ob möglicherweise mit Widerständen zu rechnen ist, die außerhalb des Restrukturierungsverfahrens geklärt werden müssen.78) Die Kenntnis über den Stand der Verhandlungen und möglicher Probleme bei der Abstimmung kann auch ein Hinweis darauf sein, das Verfahren nach den §§ 47 ff. StaRUG durchzuführen.79) Auch darin wird deutlich, dass die Anzeige erst dann Sinn macht, wenn Vorgespräche zumindest mit den wichtigsten Gläubigern geführt worden sind. Falls es keine Verhandlungen gegeben hat, ist dies ebenfalls mitzuteilen; jedoch dürfte in diesem Fall dem Zweck des Gesetzes nicht Genüge getan sein, weil das Restrukturierungsgericht überhaupt nicht einschätzen kann, wie die Gläubiger zu dem vorgelegten oder zumindest in Grundzügen mitgeteilten Restrukturierungsplan stehen. Auch ein noch zu bestellender Restrukturierungsbeauftragter kann keine Verhandlungen fördern, die es nicht gegeben hat (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 StaRUG).80) Das Restrukturierungsgericht sollte den Schuldner daher bei dem Fehlen von Verhandlungen auffordern, diese nachzuholen und entsprechende Nachweise vorzulegen. 3.4

Vorkehrungen zur Sicherstellung der Erfüllung der Pflichten

In § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StaRUG ist ferner vorgeschrieben, dass der Anzeige des Restruk- 52 turierungsvorhabens eine Darstellung der Vorkehrungen beizufügen ist, die der Schuldner zur Sicherstellung der Erfüllung seiner Pflichten nach dem StaRUG getroffen hat. Auch die Beifügung dieser Anlage soll die an dem Restrukturierungsverfahren beteiligten Gläubiger schützen; es ist daher bspw. darzulegen, dass und von welchen Beratern der Schuldner betroffen ist.81) Falls sich das nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG zumindest vorliegende Grobkonzept bereits in einem Stadium befindet, in dem bereits die Sicherstellung der für die einzelnen Gläubiger(gruppen) angedachten Zahlungen geklärt ist, kann i. R. des § 31 ___________ 77) 78) 79) 80) 81)

Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 134. Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2678. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1094. Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135.

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3. Teil Verfahren

Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StaRUG bspw. ein Finanzierungskonzept oder die anderweitige Sicherstellung der Zahlungen (z. B. durch Eintragung von Grundpfandrechten in das Grundbuch) vorgelegt werden. Wurde bereits ein Insolvenzplan erstellt, ergibt sich dies aus seinem Entwurf, so dass weitere Darlegungen nicht erforderlich erscheinen. 4.

Weitere Anforderungen

4.1

Allgemeines

53 Nach § 31 Abs. 2 Satz 2 StaRUG ist in den Anlagen zur Anzeige auch anzugeben, ob durch die beabsichtigte Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder von mittleren, kleinen und kleinsten Unternehmen (KMU) tangiert werden können. Wie die systematische Stellung von § 31 Abs. 2 Satz 2 StaRUG zeigt, gilt dies für alle in § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StaRUG genannten Anlagen. 4.2

Rechte von Verbrauchern und KMU

54 Die Rechte von Verbrauchern oder KMU können bspw. dann tangiert sein, wenn deren Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch den in Aussicht genommenen Restrukturierungsplan gestaltet werden sollen oder wenn die Durchsetzung ihrer Forderungen durch eine Stabilisierungsanordnung82) vorübergehend „gesperrt“, d. h. im Rechtssinne gehemmt werden soll. Hierbei handelt es sich eine vorwiegend politisch motivierte Anforderung im Hinblick auf den Verbraucherschutz, die für die Durchführung des Verfahrens ohne wesentliche Bedeutung ist. Die Eigenschaft von Beteiligten als Verbraucher kann allenfalls bei der Gruppenbildung von Bedeutung sein, weil Art und Höhe ihrer Forderungen Ähnlichkeiten aufweisen können (bspw. durch Anwendbarkeit der für Verbraucher geltenden Regelungen des BGB). 4.3

Widerstand einer Gruppe

55 Nach § 31 Abs. 2 Satz 3 StaRUG ist den Anlagen zur Anzeige auch anzugeben, ob damit zu rechnen ist, dass das Ziel der Restrukturierung nur gegen den Widerstand einer nach § 9 StaRUG zu bildenden Gruppe möglich ist. Diese Information ist für das Restrukturierungsgericht von weit höherer Bedeutung als die vorstehend genannte Eigenschaft von Beteiligten als Verbraucher, weil hier ggf. ein Vorprüfungstermin (§ 48 StaRUG) durchzuführen ist, in dem die opponierenden Gläubiger angehört werden müssen (§ 49 StaRUG). Der zu erwartende Widerstand einer Gläubigergruppe kann auch Einfluss auf den zeitlichen Ablauf des Verfahrens haben, da zur Überzeugung der opponierende(n) Gruppe(n) ein erhöhter Zeitaufwand erforderlich sein kann. Durch eine entsprechend weiträumige Terminierung kann es das Restrukturierungsgericht vermeiden, dass sich die bereits ohnehin kritisch eingestellten Gläubiger durch das Restrukturierungsvorhaben „überfahren“ fühlen.83) In der Anzeige sollte explizit auf diesen Umstand hingewiesen und aufgezeigt werden, welches Vorgehen des Gerichts in diesem Fall angeregt wird. 4.4

Angabe früherer Restrukturierungssachen

56 Im Rahmen des § 31 Abs. 2 Satz 4 StaRUG sind schließlich frühere Restrukturierungssachen unter Angabe des befassten Gerichts und des Aktenzeichens anzugeben. Wie eingangs erwähnt (siehe oben Rz. 1 ff.), stehen die durch das StaRUG bereit gestellten Hilfen und Angebote nur für ernsthafte und gewissenhafte Restrukturierungsanzeigen zur Verfü___________ 82) Zu deren Inhalt Riggert, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 40. 83) Fiebig, ZRI 2021, 561, 564.

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§7

Anzeige des Schuldners

gung.84) Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann das Restrukturierungsgericht auch anhand früherer Verfahren erkennen. Wurden Anzeigen aus formalen oder inhaltlichen Gründen zurückgewiesen, kann das Restrukturierungsgericht diese mit der gestellten Anzeige und ihren Anlagen vergleichen und deren Erfolgsaussicht abschätzen. Durch Einsicht in frühere Verfahren ist es auch möglich, eventuelle Missbräuche im Wege des Forum Shopping zu erkennen – bspw. die erneute Einreichung einer erfolglosen Anzeige bei einem anderen Gericht nach Umfirmierung und Sitzverlegung. Der Gesetzgeber ist dabei allerdings etwas blauäugig vorgegangen, weil er die Abläufe der 57 personell und sachlich schlecht ausgestatteten und daher in aller Regel überlasteten Restrukturierungsgerichte unzutreffend eingeschätzt hat. Will sich das Restrukturierungsgericht nach Kenntnis der Aktenzeichen und Restrukturierungsgerichte mit früheren Anzeigen vertraut machen, muss es die Akten anfordern. Selbst wenn diese bereits in elektronischer Form geführt werden sollten, dauern Anfragen bei anderen Gerichten – auch im Wege der Amtshilfe – in aller Regel mehrere Wochen. Das ist eindeutig zu lange, um die angeforderten Akten in dem laufenden Restrukturierungsverfahren sinnvoll verwerten zu können. § 31 Abs. 2 Satz 4 StaRUG sollte deshalb dahingehend geändert werden, dass der Anzeige auch die in den angegebenen Verfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und vorgelegten Restrukturierungspläne beizufügen sind. VII. Wirkungen der Anzeige 1.

Rechtshängigkeit

Nach § 31 Abs. 3 StaRUG wird die Restrukturierungssache mit der Anzeige „rechtshän- 58 gig“. Der Gesetzgeber versucht damit vor dem Hintergrund eines einheitlichen Verfahrensgegenstands für die mit der Anzeige begehrten Hilfen aus dem „Baukastensystem“ des StaRUG die Sicherstellung der Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts und der dort zuständigen Abteilung für die angezeigte Restrukturierungssache zu begründen. Diese Wirkung tritt ohne gerichtliche Entscheidung unmittelbar durch die Anzeige an den Schuldner ein.85) Der Gesetzgeber hat sich allerdings sowohl bei der Wahl der Begrifflichkeit („Rechtshän- 59 gigkeit“) als auch bei der angedachten Anwendbarkeit von § 261 ZPO86) vergriffen, weil er die Verfahrensstruktur des StaRUG nicht beachtet hat. Wie ausgeführt (siehe oben Rz. 6) handelt es sich bei dem Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG der Sache nach um ein nichtstreitiges multipolares Verfahren mit gesamtverfahrensähnlichen Elementen87) mit einer Vielzahl von Beteiligten. Der aus dem Zivilprozess stammende Begriff der „Rechtshängigkeit“ ist für dieses nicht geeignet, sondern nur in Verfahren wie dem Zivilprozess sinnvoll, in denen sich eine oder mehrere Parteien kontradiktorisch gegenüberstehen und in dem an die Einreichung der Klageschrift und deren Zustellung bestimmte Wirkungen geknüpft sind, die sich von denen anderer Verfahrensstadien unterscheiden. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit treten deshalb im Zivilprozess erst mit der Zustellung der Klageschrift ein, nicht aber bereits mit der Einreichung der Klage, durch die das Verfahren nur anhängig wird.88) ___________ 84) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. 85) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135 f.; Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2583. 86) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 136. 87) Ähnlich Skauradszun, KTS 2021, 1, 39 – „teilkollektives“ Verfahren. 88) Geisler in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 261 Rz. 3.

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3. Teil Verfahren

60 Der Gesetzgeber will die Wirkungen der Anzeige im Gegensatz zu § 261 Abs. 1 ZPO bereits mit ihrem Eingang bei dem Restrukturierungsgericht eintreten lassen. Das ist zwar wegen der auf einen raschen Verfahrensablauf gerichteten Struktur des StaRUG, der Notwendigkeit der Begründung einer unveränderbaren Zuständigkeit und der oben (siehe Rz. 44 ff.) dargestellten Ausgestaltung der Anzeige richtig, kann aber durch Bezugnahme auf den Begriff der „Rechtshängigkeit“ in § 261 Abs. 1 ZPO nicht erreicht werden, der für nichtstreitige Verfahren nicht passend erscheint. Die Gesetzesbegründung hat deshalb Schwierigkeiten, die Anwendbarkeit des § 261 ZPO auszuschließen.89) Durch die Abkehr von diesem wesentlichen Element des § 261 ZPO verbleibt lediglich dessen Absatz 3 Nr. 2, nach dem die Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände – bspw. eine im Wege des Forum Shopping vorgenommene Sitzverlegung oder dem Wegzug einer natürlichen Person – nicht berührt wird und es für den Eintritt der Rechtshängigkeit zunächst ohne Bedeutung ist, ob die Anzeige vor einem örtlich nicht zuständigen Restrukturierungsgericht gestellt wurde.90) 61 Da die übrigen Regelungen des § 261 ZPO – Geltendmachung von Ansprüchen in der mündlichen Verhandlung nach Abs. 2 und anderweitige Rechtshängigkeit nach Abs. 3 Nr. 1 – in Restrukturierungssachen nicht anwendbar sind, hätte statt des Generalverweises auf § 261 ZPO eine Regelung ausgereicht, nach der die einmal begründete Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts unabänderlich ist. Durch die Bezugnahme auf eine Verfahrensordnung für nichtstreitige Angelegenheiten wie das FamFG wäre zudem von vornherein klar gewesen, dass die Wirkungen der Anzeige mit ihrem Eingang bei dem Restrukturierungsgericht eintreten. Die Wirkungen im Einzelnen: 2.

Zuständigkeit

62 Wie bereits erwähnt, verbleibt von dem Verweis des § 31 Abs. 3 StaRUG auf den Begriff der „Rechtshängigkeit“ alleine der Regelungsgehalt des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, nach dem die einmal begründete Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts unveränderlich ist und durch nachfolgende Sitzverlegungen bzw. Umzüge natürlicher Personen nicht mehr beeinflusst werden kann. Das ist zur Verhinderung eines die Gläubiger schädigenden Forum Shoppings zwar mangelhaft geregelt, in der Sache aber sinnvoll und gibt dem Restrukturierungsvorhaben die für seine Durchführung notwendige Rechtssicherheit. Zudem wird hierdurch wertvolle Zeit gespart, die durch einen Streit über die Zuständigkeit verloren ginge. Die Regelung ist allerdings ungenügend, da sie Sitzverlegungen im Vorfeld einer Anzeige nicht ausschließt. Der Gesetzgeber sollte dies bei der nächsten Überarbeitung des StaRUG nachjustieren und statt des Verweises auf den unpassenden Begriff der Rechtshängigkeit eine dem nichtstreitigen Verfahren des StaRUG angemessene Regelung für die Begründung der Zuständigkeit schaffen. Die Stellung des Antrags bei einem örtlich unzuständigen Restrukturierungsgericht entfaltet bis zu ihrer Aufhebung (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) volle Wirksamkeit.91) 3.

Anzeigepflicht

63 Als weitere wichtige Wirkung der Anzeige ist die Umwandlung der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO in eine gegenüber dem Restrukturierungsgericht bestehende Anzeigepflicht zu nennen (§ 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Trotz Ruhens der Insolvenzantragspflicht ist dem Restrukturierungsgericht der Eintritt der etwa eintretenden Zahlungsun___________ 89) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135 f. 90) Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18, 20. 91) Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18, 20.

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Anzeige des Schuldners

fähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) oder Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) anzuzeigen, § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG.92) 4.

Bedeutung der Anlagen

Für den Eintritt der Wirkungen der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG ist es ohne Bedeu- 64 tung, ob die nach § 31 Abs. 2 StaRUG beizufügenden Anlagen – insbesondere der nach Abs. 2 Nr. 1 beizufügende Restrukturierungsplan bzw. dessen Grobkonzept – den gesetzlichen Anforderungen genügen.93) Das macht wegen der durch die Anzeige begründeten Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts Sinn und schafft in einen wesentlichem Eckpunkt des Verfahrens Rechtssicherheit. Auch wenn inhaltlich ungenügende Anlagen oder deren gänzliches Fehlen die Wirkungen des § 31 Abs. 3 StaRUG nicht ausschließen, werden diese durch das Restrukturierungsgericht mit Fristsetzung angefordert. Die damit verbundene zeitliche Verzögerung kann den Erfolg des Verfahrens gefährden, so dass mit der Anzeige möglichst vollständige Anlagen nach § 31 Abs. 2 StaRUG eingereicht werden sollten. VIII. Verlust der Wirkungen der Anzeige 1.

Allgemeines

Nach § 31 Abs. 4 StaRUG verliert die Anzeige bei dem Eintritt bestimmter Umstände ihre 65 Wirkung. Damit entfallen auch die Wirkungen der Rechtshängigkeit nach § 31 Abs. 3 StaRUG.94) Der Gesetzgeber will mit der Regelung in § 31 Abs. 4 StaRUG klarstellen, dass Schuldner, deren Anzeigen keine Aussicht auf Erfolg haben, die Annehmlichkeiten des StaRUG nicht weiter in Anspruch nehmen können.95) Die Regelung dient der Rechtsklarheit; sie kann diese Funktion nur dann erfüllen, wenn das Restrukturierungsgericht den Wirkungsverlust der Anzeige durch (deklaratorischen) Beschluss feststellt. Dies ermöglicht es dem Schuldner auch, zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG zu stellen, ohne durch den Rechtsschein einer fortbestehenden Anzeige gehindert zu sein. 2.

Rücknahme der Anzeige

Nach § 31 Abs. 4 Nr. 1 StaRUG verliert die nach § 31 Abs. 1 StaRUG gestellte Anzeige 66 ihre Wirkung, wenn sie der Schuldner zurücknimmt. Wie im Zivilprozess unterliegt die Stellung der Anzeige und die darauf gestützte Durchführung des Verfahrens der Disposition des Schuldners, so dass in jedem Stadium des Verfahrens eine Rücknahme möglich ist (ebenso § 269 Abs. 1 ZPO). 3.

Planbestätigung

Die Anzeige verliert nach § 31 Abs. 4 Nr. 2 StaRUG auch dann ihre Wirkung, wenn die 67 Entscheidung über die Bestätigung des Restrukturierungsplans (§ 65 Abs. 1 StaRUG) rechtskräftig wird. Dies ist sinnvoll, weil die Anzeige durch die Planbestätigung prozessual überholt und für das weitere Verfahren nutzlos ist. Die ihr beigefügten Anlagen sind durch den Fortgang des Verfahrens ohnehin nicht mehr verwertbar, so dass es aus Gründen der Rechtsklarheit zwar nicht zwingend notwendig, aber auch nicht falsch erscheint, die Wirkungslosigkeit der Anzeige gesetzlich festzuschreiben. Dass das Restrukturierungsge___________ 92) 93) 94) 95)

Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2583. Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 136. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2587. Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 Abs. 4 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138.

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§7

3. Teil Verfahren

richt eine etwa angeordnete Planüberwachung nach § 72 Abs. 4 StaRUG aufhebt, ist damit vereinbar, weil die Überwachung im Restrukturierungsplan enthalten ist und seine Rechtfertigung in der Zustimmung der Gläubiger sowie in der Bestätigung des Restrukturierungsgerichts (§ 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) findet, nicht aber in der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG, die durch den Fortgang des Verfahrens längst gegenstandslos geworden ist. 4.

Aufhebung

68 Ein Wirkungsverlust der Anzeige tritt nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 StaRUG auch dann ein, wenn das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG aufhebt (siehe dazu Holzer, HRI I, § 13 Rz. 1 ff.). Auch hier handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit, bei der die Notwendigkeit ihrer gesetzlichen Regelung fraglich erscheint. Immerhin sorgt die Regelung für Rechtsklarheit. 5.

Zeitablauf

69 Nach § 31 Abs. 4 Nr. 4 StaRUG tritt auch dann ein Wirkungsverlust ein, wenn „seit der Anzeige“ sechs Monate bzw. nach deren Erneuerung zwölf Monate vergangen sind. Die Formulierung des Gesetzes ist unklar; nach dem Sinn der Vorschrift kann es nicht auf die Abfassung der Anzeige, sondern ausschließlich auf ihren Eingang bei dem Restrukturierungsgericht ankommen. Der Gesetzgeber sollte dies bei der nächsten Überarbeitung des StaRUG nachjustieren.

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§8 Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze Graf-Schlicker

I. 1. 2.

Gerichtliche Zuständigkeit........................ 1 Einführung.................................................... 1 Gerichtliche Zuständigkeit für Restrukturierungssachen ....................... 4 2.1 Sachliche Zuständigkeit (§ 34 StaRUG)................................. 4 2.1.1 AGe auf der Ebene der OLG.......... 4 2.1.2 Konzentrationsnotwendigkeit........ 8 2.2 Örtliche Zuständigkeit.................. 15 2.2.1 Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit ........................................ 20 2.2.2 Allgemeiner Gerichtsstand ........... 26 2.2.3 Missbräuchliches „Forum Shopping“....................................... 28 2.2.4 Zuständigkeitsverknüpfung mit dem Insolvenzverfahren ......... 32 2.3 Funktionelle Zuständigkeit........... 34 2.4 Einheitliche Spruchkörperzuständigkeit.................................. 36 3. Gerichtliche Zuständigkeit für gruppenverbundene Unternehmen......................... 42 3.1 Gruppenbegriff .............................. 43 3.2 Antrag auf Begründung eines einheitlichen Gruppengerichtsstands ............................... 47 3.2.1 Antragsbefugnis............................. 48 3.2.2 Formelle und materiellrechtliche Antragserfordernisse .................................. 52 3.2.2.1 Antrag auf Begründung des Gruppengerichtsstands........... 52 3.2.2.2 Antrag auf Inanspruchnahme der Instrumente nach § 29 StaRUG ......................................... 54 3.2.2.3 Mehrere Anträge............................ 58 3.3 Anordnungshindernis ................... 60 3.4 Rechtsfolgen nachträglicher Änderungen in der Restrukturierungssache .............................. 61 3.5 Gruppen-Gerichtsstand als Wahlgerichtsstand.................... 62 3.6 Kontinuität bei der gerichtlichen Bearbeitung ........................ 66 3.7 Zuständigkeitsverknüpfung bei Restrukturierungen und Insolvenzen innerhalb einer Unternehmensgruppe .......... 68 II. Verfahrensgrundsätze............................... 74 1. Der Amtsermittlungsgrundsatz ................ 75 1.1 Amtsermittlung in der InsO (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO) ............... 75

1.2

2.

Amtsermittlung im StaRUG (§ 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) ........ 77 1.2.1 Anzeige des Restrukturierungsvorhabens ....................................... 77 1.2.1.1 Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts.................................. 81 1.2.1.2 Beizufügende Unterlagen und Erklärungen ................................... 86 1.2.2 Instrumente des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens .... 88 1.2.2.1 Gerichtliche Planabstimmung ...... 92 1.2.2.2 Vorprüfungstermin ....................... 93 1.2.2.3 Stabilisierungsmaßnahmen ........... 96 1.2.2.3.1 Vollständige und schlüssige Restrukturierungsplanung ........ 98 1.2.2.3.2 Kenntnis des Gerichts von negativen Umständen ....... 99 1.2.2.3.3 Aufhebung ............................... 103 1.2.2.4 Bestätigung eines Restrukturierungsplans................................ 105 1.2.2.4.1 Drohende Zahlungsunfähigkeit ............................... 106 1.2.2.4.2 Inhalt, verfahrensmäßige Behandlung und Annahme des Plans................................... 107 1.2.3 Aufhebung der Restrukturierungssache ............................... 115 1.2.3.1 Aufhebungsgründe nach § 33 Abs. 1 StaRUG ............................ 115 1.2.3.1.1 Insolvenzantrag des Schuldners oder Insolvenzeröffnung ....116 1.2.3.1.2 Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts ................... 117 1.2.3.1.3 Schwerwiegende Verletzungen der Mitwirkungs- und Auskunftserteilungspflichten........ 118 1.2.3.2 Aufhebungsgründe nach § 33 Abs. 2 StaRUG ............................ 119 1.2.3.2.1 Insolvenzreife .......................... 120 1.2.3.2.2 Aussichtslosigkeit des Restrukturierungsvorhabens....... 123 1.2.3.2.3 Schwerwiegende Pflichtverletzungen nach § 32 StaRUG ....124 1.2.3.2.4 Sperrwirkung durch frühere Restrukturierungssache ......... 125 Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung und anderer Verfahrensvorschriften ....... 127 2.1 Entsprechende Anwendung der ZPO ....................................... 130 2.2 Entsprechende Anwendung des GVG ...................................... 132

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§8

3. Teil Verfahren

Literatur: Balthasar, Allgemeine Zugangsvoraussetzungen zu den Restrukturierungsinstrumenten, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18; Blankenburg, Forum Shopping zur Einflussnahme auf die Bestimmung des Insolvenzverwalters?, ZInsO 2020, 2523; Bork, Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach § 29 StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 38; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG, ZInsO 2021, 1; Fiebig, StaRUG – eine Auswertung der ersten praktischen Fälle, ZRI 2021, 561; Frind, Überreguliert statt saniert?, ZInsO 2020, 2241; Deppenkemper, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1.1.2021!, ZIP 2020, 2432; Deppenkemper, Heute an morgen denken – der Restrukturierungsbeauftragte kommt!, ZIP 2020, 1041; Doebert/Krüger, Die strategische Gestaltung von Restrukturierungsplänen, NZI 2021, 614; Frind, Nutzen und Grenzen der gerichtlichen Vorprüfung im StaRUG-Verfahren, NZI 2021, 609; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Göb/Nebel, Aktuelle gesellschaftsrechtliche Fragen in Krise und Insolvenz, NZI 2020, 774; Graf-Schlicker, Weitere Konzentration der Insolvenzgerichte – „mission impossible“?, INDat Report 7/2022, S. 11; Haarmeyer/Lissner/Rombach, Neues Sanierungsrecht in Deutschland – Fortschritt oder vertane Chance?, ZInsO 2021, 368; Hölzle/Jacoby, Nationales Forum Shopping im Insolvenzrecht – Ein Beitrag zur Zulässigkeit strategischer Insolvenzplanung, ZIP 2021, 337; Jungmann, Gerichtliche Bestätigung von Restrukturierungsplänen mit neuen Finanzierungen – „Echt bedingte“ Restrukturierungspläne und das ungeschriebene Verbot „unlauterer neuer Finanzierungen“ WM 2022, 353; Jungmann/Zündel, Die voraussichtliche Schlechterstellung überstimmter Minderheiten durch einen Restrukturierungsplan, ZRI 2022, 89; Mock, Das neue Konzerninsolvenzrecht nach dem Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, DB 2017, 951; Müller, Die Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, ZIP 2020, 2253; Riggert, Allgemeine Grundsätze der Stabilisierung nach dem StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 40; Röper/ Denkhaus, Finanzierungsoptionen im Restrukturierungsverfahren, ZRI 2021, 1043; Schlöder/Parzinger/ Knebel, Der Restrukturierungsplan nach dem StaRUG im Lichte grenzüberschreitender Restrukturierungen – praxistaugliches Anerkennungsregime oder ein Fall für die obersten Gerichte?, ZIP 2021, 1041; Seibt/Bulgrin, Entwurf zum Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) – Kritische Analyse aus gesellschaftsrechtlicher Sicht, DB 2020, 2226; Skauradszun, Neuralgische Punkte der Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, ZRI 2020, 625; Skauradszun, Ein Umsetzungskonzept für den präventiven Restrukturierungsrahmen, KTS 2019, 161; Smid, Honi soit qui mal y pense, ZInsO 2021, 981; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Thole, Das neue Konzerninsolvenzrecht in Deutschland und Europa, KTS 2014, 351; Vallender, Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) – Neue Sanierungsoptionen für Unternehmen in der Krise, MDR 2021, 201; Vallender, Die Amtsermittlungspflicht nach dem StaRUG, ZRI 2021, 165; Vallender, Die Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 30; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, ZInsO 2020, 2579 (Teil 1) und ZInsO 2020, 2677 (Teil 2).

I.

Gerichtliche Zuständigkeit

1.

Einführung

1 Mit dem StaRUG1) wird die Restrukturierungsrichtlinie2) umgesetzt. Diese Richtlinie sieht u. a. vor, dass die Mitgliedstaaten der EU für Unternehmen einen präventiven Restrukturierungsrahmen zur Verfügung zu stellen haben, in den Justiz- oder Verwaltungsbehörden nur eingebunden werden sollen, wenn dies zur Verwirklichung der Ziele eines Restrukturierungsprozesses sowie zum Schutz der Beteiligten erforderlich und angemessen ist.3) 2 Die in der Restrukturierungsrichtlinie vorgesehene alternative Einbindung von Verwaltungs- bzw. Justizbehörden in die Aufgabenerfüllung ist darauf zurückzuführen, dass die ___________ 1)

2)

3)

206

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. ErwG 29 der Restrukturierungsrichtlinie.

Graf-Schlicker

Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

§8

Restrukturierungsmöglichkeiten in der EU vor der Verabschiedung der Richtlinie sehr unterschiedlich ausgestaltet waren. Um die Restrukturierungsrichtlinie überhaupt verabschieden zu können, war es notwendig, den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, ihre Grundstrukturen im Verwaltungsaufbau so weit wie möglich beizubehalten. Entsprechend der deutschen Rechtstradition hat das StaRUG die Entscheidungskompe- 3 tenzen i. R. des Sanierungs- und restrukturierungsprozesses nicht Verwaltungsbehörden, sondern den Gerichten eingeräumt. 2.

Gerichtliche Zuständigkeit für Restrukturierungssachen

2.1

Sachliche Zuständigkeit (§ 34 StaRUG)

2.1.1 AGe auf der Ebene der OLG Das Gesetz weist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 StaRUG die sachliche Zuständigkeit für Ent- 4 scheidungen in Restrukturierungssachen den AGe am Sitz der OLGe4) zu, sofern diese für Regelinsolvenzsachen zuständig sind. Grund für die Zuweisung an diese AGe sind die funktionalen und inhaltlichen Ähnlichkeiten von Restrukturierungs- und Regelinsolvenzsachen.5) Forderungen aus der Literatur, die Restrukturierungssachen bei einer Spezialkammer des LG anzusiedeln, um eine klare Abgrenzung zwischen Restrukturierungs- und Insolvenzsachen vorzunehmen,6) ist der Gesetzgeber somit nicht gefolgt. Vielmehr hat er – entsprechend der Regelung für Insolvenzverfahren (§ 2 InsO) – auch für Restrukturierungssachen die AGe als zuständige Gerichte bestimmt.7) Ist das AG am Sitz des OLG nicht für Regelinsolvenzverfahren zuständig, tritt an dessen 5 Stelle das für diesen Bezirk zuständige Insolvenzgericht (§ 34 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).8) Die ausdrückliche Erwähnung der Regelinsolvenzverfahren in § 34 Abs. 1 StaRUG – im Gegensatz zu § 2 InsO, der die sachliche Zuständigkeit für alle Arten von Insolvenzverfahren regelt – dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass der Regierungsentwurf zum StaRUG eine Konzentration der Regelinsolvenzverfahren auf die AGe am Sitz der LG vorsah und die Dekonzentrationsmöglichkeit der Länder auf die Verbraucher-, und Nachlassinsolvenzverfahren sowie auf Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft und über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft beschränkte.9) Damit sollte eine Empfehlung aus dem Forschungsbericht zur Eva___________ 4)

5) 6)

7) 8)

9)

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 24 OLG, und zwar: zwei in Baden-Württemberg: OLG Stuttgart und OLG Karlsruhe; drei in Bayern: OLG Bamberg, OLG Nürnberg, OLG München; in Berlin KG Berlin; in Brandenburg OLG Brandenburg; in Bremen das OLG Bremen; in Hamburg OLG Hamburg; in Hessen Frankfurt am Main; in Mecklenburg-Vorpommern OLG Rostock; drei in NordrheinWestfalen: OLG Düsseldorf, OLG Hamm, OLG Köln; drei in Niedersachsen: OLG Braunschweig, OLG Celle, OLG Oldenburg; zwei in Rheinland-Pfalz: OLG Koblenz, OLG Zweibrücken; in Sachsen OLG Dresden; in Sachsen-Anhalt OLG Naumburg; im Saarland OLG Saarbrücken; in SchleswigHolstein OLG Schleswig-Holstein; in Thüringen OLG Jena. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 141. Madaus, Restrukturierung als Aufgabe des Zivilrechts – eine Diskussionsgrundlage für die Umsetzung des Restrukturierungsrahmen, Working Paper 8/2019, S. 9, abrufbar unter https://stephanmadaus.de/wpcontent/uploads/2019/08/Madaus-Zivilrechtliche-Umsetzung-der-Restrukturierungsrichtlinie-eine-Diskussionsgrundlage-WP-2019-08.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023); Madaus, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) sowie zum diesbezüglichen Antrag der Fraktion der FDP v. 12.11.2020, S. 2, abrufbar unter https://www.bundestag.de/ resource/blob/806302/5235168ddc676b9436c8540322e53865/madaus-data.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023). Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 141. Diese Regelung wirkt sich in folgenden OLG-Bezirken aus: im OLG-Bezirk Brandenburg ist das AG Potsdam zuständig; im OLG Bezirk Hamm wäre an sich das AG Dortmund zuständig, Restrukturierungsgericht ist aber das AG Essen (s. aber Rz. 6); im OLG Naumburg ist das AG Halle (Saale) zuständig, im Bezirk des OLG Schleswig-Holstein das AG Flensburg und im Bezirk des OLG Jena das AG Gera. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 56.

Graf-Schlicker

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§8

3. Teil Verfahren

luierung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)10) zum erhöhten Kompetenzaufbau bei der Bearbeitung von Unternehmensinsolvenzverfahren aufgegriffen werden.11) Aufgrund einer entsprechenden Forderung des Bundesrates hat der Gesetzgeber diese Regelung jedoch nicht übernommen.12) Im § 34 StaRUG ist diese Änderung sodann aber nicht nachvollzogen worden. 6 Innerhalb eines OLG-Bezirks können die Länder gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung die Bearbeitung der Restrukturierungssachen einem AG übertragen, das nicht für die (Regel)Insolvenzsachen am Sitz des OLG zuständig ist. Von dieser Regelung haben Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Gebrauch gemacht. Im Bezirk des OLG Hamm ist das AG Dortmund das für Insolvenzsachen zuständige AG der Stadt Hamm, weil diese nicht über ein LG verfügt.13) NordrheinWestfalen hat aber das AG Essen als zuständiges Restrukturierungsgericht für den OLGBezirk Hamm bestimmt.14) In Niedersachsen wäre nach der Grundregel im OLG-Bezirk Celle das AG Celle zuständiges Restrukturierungsgericht gewesen. Die Landesregierung hat jedoch dem AG Hannover die Zuständigkeit für Restrukturierungssachen übertragen.15) 7 Darüber hinaus gibt das Gesetz (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) den Ländern mit mehreren OLGe die Möglichkeit, über den Bezirk eines OLG hinaus die Restrukturierungssachen zu konzentrieren. Außerdem können mehrere Länder nach § 34 Abs. 2 Satz 3 StaRUG die Zuständigkeit eines Restrukturierungsgerichts über die Landesgrenzen hinaus vereinbaren und ein gemeinsames, länderübergreifend tätiges Restrukturierungsgericht schaffen. Diese Regelung, die in Anlehnung an § 3 Abs. 2 VwGO, § 3 Abs. 2 FGO geschaffen wurde, entspricht einem ausdrücklichen Wunsch des Bundesrates.16) Davon ist bisher noch nicht Gebrauch gemacht worden, so dass es bei einem Restrukturierungsgericht im jeweiligen OLG-Bezirk verbleibt.17) 2.1.2 Konzentrationsnotwendigkeit 8 Mit § 34 StaRUG ist es in Sanierungssachen erstmals gelungen, eine starke Konzentration der sachlichen Zuständigkeit zu erreichen. Im Insolvenzrecht sind solche Bündelungen der Zuständigkeit bisher am Widerstand des Bundesrates, der Vertretung der Länder, gescheitert. Vielfach wurde zur Begründung darauf hingewiesen, die AGe müssten in der ___________ 10) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582. 11) RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181; Jacoby/Madaus/Sack/H. Schmidt/Thole, Evaluierung: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, S. 239, abrufbar unter https://www.bmjv.de/ SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/101018_Gesamtbericht_Evaluierung_ESUG.html (Abrufdatum: 16.1.2023). 12) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 11; Empfehlungen der Ausschüsse z. RegE SanInsFoG, BR-Drucks. 619/1/20, S. 20. 13) In NRW sind gemäß § 2 Abs. 1 InsO die AGe am Sitz der LGe für Insolvenzverfahren zuständig. 14) Verordnung über die Bestimmung des zuständigen Amtsgerichts in Restrukturierungssachen für den Bezirk des OLG Hamm v. 7.1.2021, GV. NRW. 2021, 29. 15) Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (§ 8a ZustVO-Justiz i. d. F. v. 12.1.2021, Nds. GVBl. 2021 S. 12). 16) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 8; Empfehlungen der Ausschüsse z. RegE SanInsFoG, BR-Drucks. 619/1/20, S. 10. 17) In der Bundesrepublik Deutschland gibt es danach folgende Restrukturierungsgerichte Baden-Württemberg: AG Stuttgart, AG Karlsruhe; Bayern: AG Bamberg, AG Nürnberg, AG München; Berlin: AG Berlin-Charlottenburg; Brandenburg: AG Potsdam; Bremen: AG Bremen; Hamburg: AG Hamburg; Hessen: AG Frankfurt/M.; Mecklenburg-Vorpommern: AG Rostock; Niedersachsen: AG Braunschweig, AG Hannover, AG Oldenburg; Nordrhein-Westfalen: AG Düsseldorf, AG Essen, AG Köln; Rheinland-Pfalz: AG Koblenz, AG Zweibrücken; Sachsen: AG Dresden; Sachsen-Anhalt: AG Halle; Saarland: AG Saarbrücken; Schleswig-Holstein: AG Flensburg; Thüringen: AG Gera.

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Fläche bleiben, nur so könne die Justiz bürgernah sein. Es sei nicht Aufgabe des Bundes, Strukturen für die Justiz in den Ländern zu schaffen, vielmehr müsse dies ihnen selbst überlassen bleiben.18) Auch zur sachlichen Zuständigkeit für Restrukturierungssachen hat der Bundesrat empfoh- 9 len, andere oder zusätzliche für Insolvenzsachen zuständige AGe zu Restrukturierungsgerichten bestimmen und die Bezirke der Restrukturierungsgerichte abweichend festlegen zu können.19) Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass ansonsten angesichts der möglichen Verschiebungen zwischen Restrukturierungs- und Insolvenzsachen ein flexibler Personaleinsatz bei den Abteilungen der AGe nicht möglich sei. Da Restrukturierungs- und Insolvenzsachen funktionale und inhaltliche Ähnlichkeiten aufwiesen, seien Synergieeffekte zu erwarten, insbesondere dann, wenn eine Restrukturierungssache aufgrund einer Insolvenz aufgehoben werde. Außerdem gebe es in einem OLG-Bezirk häufig mehrere örtlich getrennte Wirtschaftsschwerpunkte. Deshalb müssten die strukturpolitischen Überlegungen wie die Standortauswahl, Zugriffsmöglichkeiten auf qualifiziertes Personal, Sachmittelund Gebäudeversorgung, justizielle Erreichbarkeit sowie Bürgernähe den Ländern überlassen bleiben.20) Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zwar zugesagt, den Vorschlag zu prüfen, 10 jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeitskonzentration in Restrukturierungssachen zu einer Entlastung der Gerichte führe, wenn ausreichende Fallzahlen erreicht würden, denn nur auf diese Weise könnten auch die nötigen Erfahrungen gesammelt werden. Typischerweise seien die fachlichen Anforderungen bei der Bearbeitung von Restrukturierungssachen höher als bei durchschnittlichen Unternehmensinsolvenzverfahren.21) Der Bundestag ist dieser Empfehlung des Bundesrates zu Recht nicht gefolgt. Die Re- 11 strukturierungsrichtlinie22) bestimmt in Art. 25, dass die Mitgliedstaaten für eine angemessene Ausbildung und die erforderliche Sachkunde der mit Restrukturierungs-, Insolvenzund Entschuldungsverfahren befassten Personen Sorge zu tragen haben. Die erforderliche Sachkunde kann nur durch eine profunde Ausbildung in diesen Sachgebieten sowie durch eine sich ständig wiederholende Befassung mit den Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erzielt werden. Nach Auffassung des europäischen Gesetzgebers ist die Bündelung der Zuständigkeit bei einer begrenzten Anzahl von Gerichten ein effizientes Mittel, um eine fachkompetente und zügige Bearbeitung von Restrukturierungssachen zu erreichen.23) Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber zur Sicherstellung der notwendigen Fach- 12 kompetenz der Restrukturierungsrichter in § 22 Abs. 6 GVG bestimmt, dass ein Richter auf Probe im ersten Jahr nach seiner Ernennung keine Restrukturierungssachen bearbeiten darf. Außerdem sollen Richter, die mit Restrukturierungssachen befasst werden, über belegbare Kenntnisse auf den Gebieten des Restrukturierungsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das Restrukturierungsverfahren not___________ 18) Dazu Graf-Schlicker, INDat Report 7/2022, S. 11 ff. 19) Empfehlungen der Ausschüsse z. RegE SanInsFoG zu Art. 1 (§ 36 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 – neu – StaRUG), BR-Drucks. 619/1/20, S. 7. 20) Empfehlungen der Ausschüsse z. RegE SanInsFoG zu Art. 1 (§ 36 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 – neu – StaRUG), BR-Drucks. 619/1/20, S. 7, 8. 21) Stellungnahme d. BRat und Gegenäußerung d. BReg z. RegE SanInsFoG, v. 2.12.2020, BT-Drucks. 19/ 24903, S. 31. 22) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 23) ErwG 87 der Restrukturierungsrichtlinie.

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wendigen Teile des Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts und des Rechnungswesens verfügen. Einem Richter, dessen Kenntnisse auf diesen Gebieten nicht belegt sind, dürfen Restrukturierungssachen nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb dieser Kenntnisse alsbald zu erwarten ist. § 22 Abs. 6 GVG enthält somit eine gesetzliche Einschränkung bei der Bestimmung der Geschäftsverteilung durch das Präsidium (§ 21e GVG).24) 13 Das Präsidium des Gerichts hat aber bei der Zuweisung der Aufgaben an die Richter nicht nur die Qualitätsanforderungen zu berücksichtigen, sondern auch den weiteren Sinn und Zweck der Konzentration, also den Erwerb von Erfahrungen durch die Bearbeitung einer Vielzahl von Fällen. Die richterlichen Arbeitspensen sind daher innerhalb eines Gerichts ausreichend groß zu bemessen.25) 14 Konzentriert worden sind zum Zwecke der Kompetenzsteigerung auch Klagen, die sich auf Restrukturierungssachen nach dem StaRUG beziehen, also z. B. auf Ansprüche gegen Verfahrensbeteiligte (Schuldner, Mitglieder der Geschäftsleitung, Organe des Schuldners oder Restrukturierungsbeauftragte).26) Für solche Klagen sind gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 6 GVG unabhängig vom Streitwert die LGe sachlich zuständig. Ausschließlich örtlich zuständig ist gemäß § 19b ZPO das LG, in dessen Bezirk das für die Restrukturierungssache zuständige Restrukturierungsgericht seinen Sitz hat. Die Länder können die Zuständigkeit für diese Klagen durch Rechtsverordnung gemäß § 19b Abs. 2 ZPO auch einem LG für die Bezirke mehrerer OLG übertragen. 2.2

Örtliche Zuständigkeit

15 Angelehnt an § 3 Abs. 1 InsO,27) regelt § 35 StaRUG die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts. 16 Inhalt der Regelung sind – wie in § 3 Abs. 1 InsO – zwei ausschließliche Zuständigkeitsbestimmungen, abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen sind daher gemäß § 38 StaRUG, § 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.28) 17 § 35 Satz 1 StaRUG stellt auf den allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners ab, während nach Satz 2 der Mittelpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners maßgeblich ist. Dieser ist – wie der Wortlaut des § 35 StaRUG verdeutlicht – vorrangig zu prüfen. 18 Das Gericht hat gemäß § 39 Abs. 1 StaRUG die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit von Amts wegen vorzunehmen. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen ist die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens gemäß § 31 StaRUG (siehe dazu auch Rz. 81 ff.).29) Mit dieser Anzeige wird die Restrukturierungssache rechtshängig (§ 35 Abs. 3 StaRUG). Die Rechtshängigkeit hat gemäß § 38 StaRUG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zur Folge, dass die Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird.30) ___________ 24) Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, § 21e Rz. 87, 88. 25) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 34 Rz. 4. 26) Vgl. dazu Begr. RegE SanInsFoG z. ZPO, BT-Drucks. 19/24181, S. 190; Toussaint in: BeckOK-ZPO, § 19b Rz. 1. 27) § 35 Satz 2 StaRUG entspricht nicht dem Vorbild des § 3 Abs. 1 Satz 2, vielmehr fehlt die Anknüpfung an eine „selbständige Tätigkeit“. 28) Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1047; Baumert in: Braun, StaRUG, § 35 Rz. 2; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 35 Rz 3; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 35 Rz. 14; Denkhaus/v. KaltenbornStachau in: HambKomm RestruktR, § 35 Rz. 3. 29) Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2581; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 35 Rz. 4; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 35 Rz. 3; Denkhaus/v. Kaltenborn-Stachau in: HambKomm RestruktR, § 35 Rz. 3. 30) Vgl. dazu auch Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 136.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

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Ist das angerufene Restrukturierungsgericht örtlich unzuständig, hat es die Restrukturie- 19 rungssache auf Antrag des Schuldners gemäß § 38 Satz 1 StaRUG, § 281 Abs. 1 ZPO an das zuständige Gericht zu verweisen. 2.2.1 Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit Der nach § 35 Satz 2 StaRUG vorrangig zu prüfende „Mittelpunkt der wirtschaftlichen 20 Tätigkeit“ ist im StaRUG – anders als in Art. 3 EuInsVO – gesetzlich nicht definiert. Zu der Frage, was darunter zu verstehen ist, können die zu § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Dort werden unterschiedliche Auffassungen vertreten, wie der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit festzulegen ist. Teilweise wird angenommen, er sei dort zu verorten, wo der wesentliche Teil der Geschäfte getätigt werde; entscheidend sei – losgelöst von inneren Abhängigkeiten – das operative Geschäft, das nach außen sichtbar werde.31) Nach a. A. kommt es entscheidend auf den Ort an, wo die wesentlichen unternehmensleitenden Entscheidungen getroffen werden, unerheblich sei, wo diese Entscheidungen umgesetzt würden.32) Nach Sinn und Zweck der Norm soll die Restrukturierungssache dort behandelt werden, 21 wo der Schuldner für Dritte erkennbar33) den Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit entfaltet. Maßgebend ist daher der Ort, an dem die unternehmerischen Entscheidungen getroffen und in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.34) Für die Beurteilung dieser Frage kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an.35) Kriterien für die Bestimmung des wirtschaftlichen Mittelpunkts können etwa 

die Geschäftsadresse auf Firmenschreiben und der Internetseite des Unternehmens,



der Annahme- und Bearbeitungsort der Post,



das Büro des Geschäftsführers,



die Lage der Geschäftsbücher und Unterlagen,



die Verortung des Rechnungswesens, des Controllings, des Ein -und Verkaufs, des Personalwesens sowie



das zuständige Finanzamt sein.36)

Rechtliche Anknüpfungspunkte wie Gewerbe- und Registereintragungen sowie satzungs- 22 mäßige Sitzbestimmungen sind daher nicht zuständigkeitsbegründend, sondern allenfalls als Anhaltspunkte bei der Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse heranzuziehen.37) Sie ___________ 31) OLG Brandenburg v. 19.6.2002 – 1 AR 27/02, Rz. 8, ZIP 2002, 1590, 1591; Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 3 Rz. 9. 32) Gerhardt in: Jaeger, InsO, § 3 Rz. 16. 33) Madaus in: BeckOK-InsO, § 3 Rz. 14; so wohl auch AG Hannover v. 24.9.2018 – 903 IN 540/18, ZIP 2018, 2285, 2286. 34) Baumert in: Braun, StaRUG, § 35 Rz. 5; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 35 Rz. 3; Madaus in: BeckOKInsO, § 3 Rz. 14; Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 3 Rz. 7; Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 3 Rz. 7; Pape in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rz. 4a; a. A. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10, die das Erfordernis der Außenwirkung verneinen, jedoch für die interne Entscheidung fordern, dass sie organisatorisch verfestigt sein muss. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2581, der außerdem darauf abstellt, wo sich die Vermögenswerte und die Gläubiger überwiegend befinden. 35) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 35 Rz. 18; Denkhaus/v. Kaltenborn-Stachau in: HambKomm-RestruktR, § 35 Rz. 6. 36) Zu weiteren Indizien Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10 – unter Bezugnahme auf das Gutachten zur Zuständigkeitsfrage des Gerichts in den Insolvenzverfahren betreffend das Vermögen der Quelle GmbH, ZInsO 2009, 2188; Madaus in: BeckOK-InsO, § 3 Rz. 14 – unter Bezugnahme auf die Entscheidung des AG Hannover v. 24.9.2018 – 903 IN 540/18, ZIP 2018, 2285, 2286. 37) OLG Brandenburg v. 19.6.2002 – 1 AR 27/02, Rz. 8, ZIP 2002, 1590, 1591; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10a, sprechen von „einem Fingerzeig“ auf die tatsächlichen Verhältnisse.

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3. Teil Verfahren

stellen auch keine widerlegbare Vermutung dar.38) Eine solche Vermutungsregelung wäre mit dem Grundsatz der Darlegungslast des Schuldners für die Zuständigkeit und der sich anschließenden Amtsermittlungspflicht des Gerichts nicht vereinbar.39) 23 Hat das schuldnerische Unternehmen mehrere Niederlassungen, ist der Ort der Hauptniederlassung zuständigkeitsbegründend.40) Sind Produktionsstätte und Verwaltungssitz an unterschiedlichen Standorten, ist der tatsächliche Verwaltungssitz maßgebend. 24 Der wirtschaftliche Mittelpunkt einer Personenhandelsgesellschaft ist nicht zwingend identisch mit demjenigen der persönlich haftenden Gesellschafter. Für letztere gilt der Gerichtsstand der Gesellschaft nur, wenn sie ihre organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse auch aktiv ausüben und diese Tätigkeit nicht lediglich untergeordnete Bedeutung hat.41) 25 Bei konzernverbundenen Unternehmen ist der Gerichtsstand für jedes konzernangehörige Unternehmen gesondert zu bestimmen.42) 2.2.2 Allgemeiner Gerichtsstand 26 Liegen die Voraussetzungen des § 35 Satz 2 StaRUG nicht vor, ist gemäß § 35 Satz 1 StaRUG das Restrukturierungsgericht örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Schuldner i. S. des StaRUG ist gemäß § 30 StaRUG zunächst jeder, der insolvenzfähig ist, also über dessen Vermögen nach § 11 InsO ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Im Kern sind dies alle natürlichen und juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO), nicht rechtsfähige Vereine (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO) sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Natürliche Personen fallen jedoch nur unter das StaRUG, soweit sie unternehmerisch tätig sind (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). 27 Der allgemeine Gerichtsstand eines unter das StaRUG fallenden Schuldners richtet sich gemäß § 38 Satz 1 StaRUG nach §§ 13 – 19a ZPO. In erster Linie dürften die Vorschriften der §§ 13 und 17 Abs. 1 ZPO einschlägig sein, also bei natürlichen Personen deren Wohnsitz (§ 13 ZPO), bei Gesellschaften, Genossenschaften, anderen Vereinen, Stiftungen, Anstalten und sonstigen Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, sowie bei Gemeinden und Korporationen deren Sitz (§ 17 Abs. 1 ZPO). Dieser ist bei juristischen Personen in deren Satzung festzulegen (vgl. z. B. AktG: § 5; KGaA: § 278 Abs. 3 AktG; GmbH: §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4a GmbHG; Verein: §§ 24, 57 BGB; Stiftung: § 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB; Genossenschaft: § 6 Nr. 1 GenG). Personenhandelsgesellschaften haben den Sitz beim Handelsregister anzumelden (§§ 106 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB), Partnerschaftsgesellschaften beim Partnerschaftsregister (§§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 2 PartGG). Lässt sich nichts Gegenteiliges feststellen, gilt als Sitz gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO der Ort, an dem die Verwaltung geführt wird. 2.2.3 Missbräuchliches „Forum Shopping“ 28 Das unzulässige „Forum Shopping“, also die missbräuchliche Wahl eines aus Sicht des Schuldners vorteilhaften Gerichtsstandes, wird grundsätzlich durch die Festlegung von ausschließlichen Gerichtsständen erschwert. Es ist aber möglich, wenn die tatsächlichen

___________ 38) 39) 40) 41) 42)

Gerhardt in: Jäger, InsO, § 3 Rz. 22; Schmerbach in: Wimmer, FK-InsO, § 3 Rz. 5. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10a; Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 3 Rz. 7. Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 110. Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 15; Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 3 Rz. 14. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 35 Rz. 7.

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Voraussetzungen, an die die örtliche Zuständigkeit anknüpft, verändert werden oder das Gericht hierüber getäuscht wird. Bei der vorrangig zu prüfenden Anknüpfung an den Mittelpunkt einer wirtschaftlichen 29 Tätigkeit nach § 35 Satz 2 StaRUG kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an, die das Restrukturierungsgericht gemäß § 39 Abs. 1 StaRUG umfassend von Amts wegen zu prüfen hat. Dabei kann der Sitz der Gesellschaft allenfalls einen Anhaltspunkt für die Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse bieten.43) Anders verhält es sich aber bei der Zuständigkeit nach § 35 Satz 1 StaRUG, die bei juris- 30 tischen Personen, nicht rechtsfähigen Vereinen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit an den Sitz des Unternehmens anknüpft. Hier sind Sitzverlegungen im Vorfeld der Anzeige der Restrukturierungssache beim Gericht (§ 31 StaRUG) grundsätzlich gesetzlich zulässig. Missbräuchlich können sie aber sein, wenn sie sachfremden Zwecken dienen und dazu führen sollen, dass Gläubiger in einem Restrukturierungsverfahren benachteiligt werden. Missbrauch ist z. B. auch möglich, wenn durch bestimmte Akquisemodelle44) im Vorfeld 31 des Restrukturierungsverfahrens Kosten verursacht werden, die sich – in nicht unerheblichem Umfang – negativ auf das im Restrukturierungsplan zu verteilende Vermögen an die Planbetroffenen auswirkt. 2.2.4 Zuständigkeitsverknüpfung mit dem Insolvenzverfahren Das örtlich zuständige Restrukturierungsgericht bleibt auch für ein Insolvenzverfahren 32 zuständig, wenn ein solches Verfahren nicht später als sechs Monate nach der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 StaRUG) eingeleitet wird (§ 3 Abs. 2 InsO). Der Gesetzgeber hat hier für Insolvenzverfahren – in Durchbrechung der ausschließlichen Zuständigkeiten nach § 3 Abs. 1 InsO – einen zusätzlichen örtlichen Gerichtsstand für Insolvenzverfahren bei einem bereits mit der Sache befassten Restrukturierungsgericht geschaffen, um die gewonnene Sachkenntnis des Gerichts in der Restrukturierungssache bei der Bearbeitung eines anschließenden Insolvenzverfahrens nutzbar machen zu können.45) Auf diese Weise soll eine effiziente, kompetente Abwicklung des Insolvenzverfahrens gewährleistet werden. Der zusätzliche Gerichtsstand für ein Insolvenzverfahren gilt – nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 InsO – sowohl für einen Schuldner – als auch einen Gläubigerantrag.46) Nach dem Sinn und Zweck der Regelung, die Kenntnisse des Restrukturierungsgerichts 33 verfahrensfördernd im Insolvenzverfahren verwenden zu können, ist für den Beginn des Sechs-Monats-Zeitraums, innerhalb dessen die zusätzliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts im Falle eines Insolvenzantrags begründet werden kann, der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Restrukturierungsgericht letztmalig mit den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach § 29 StaRUG befasst war.47) ___________ 43) OLG Brandenburg v. 19.6.2002 – 1 AR 27/02, Rz. 8, ZIP 2002, 1590, 1591; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 10a. 44) Vgl. dazu Smid, ZInsO 2021, 981, ausgelöst durch die Entscheidungen des AG Bremen v. 16.9.2020 – 531 IN 1/20, und des LG Bremen v. 5.10.2020 – 6 T 370/20, ZRI 2021, 52 = ZIP 2021, 590, zur rechtsmissbräuchlichen Erschleichung der örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts („German Property Group“); ebenso Hölzle/Jacoby, ZIP 2021, 337; Urteilsanm.: Hellfeld, NZI 2021, 84; Paulus, EWiR 2021, 215; Blankenburg, ZInsO 2020, 2523. 45) Begr. RegE SanInsFoG z. ZPO, BT-Drucks. 19/24181, S. 191. 46) Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 3 Rz. 12; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 35 Rz. 6. 47) Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 3 Rz. 11.

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§8 2.3

3. Teil Verfahren Funktionelle Zuständigkeit

34 Funktionell zuständig für Restrukturierungssachen ist gemäß § 22 GVG48) der Richter.49) Die dem AG als Organ der rechtsprechenden Gewalt (Art. 92 GG) kraft Gesetzes obliegenden Aufgaben sind von einem Richter wahrzunehmen, es sei denn, sie sind gesetzlich ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen.50) Eine Zuweisung von Aufgaben an den Rechtspfleger erfolgt im Rechtspflegergesetz (§ 1 RPflG). Die Restrukturierungssachen gehören aber nicht zu den nach § 3 RPflG übertragenen Geschäften. 35 Einem Richter auf Probe darf das Präsidium eines Gerichts (§ 21e GVG) im ersten Jahr nach seiner Ernennung Restrukturierungssachen nicht übertragen (§ 22 Abs. 6 Satz 1 GVG). Die mit Restrukturierungssachen befassten Richter müssen gemäß § 22 Abs. 6 Satz 2 GVG über belegbare Kenntnisse auf dem Gebiet des Restrukturierungsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das Restrukturierungsverfahren notwendigen Teile des Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts und des Rechnungswesens verfügen oder sie alsbald nach Beginn ihrer Tätigkeit erwerben (§ 22 Abs. 6 Satz 3 GVG). Ebenso wie in Insolvenzsachen hat die Justizverwaltung in den Ländern somit für ausreichende Möglichkeiten der Aus- und Fortbildung der mit Restrukturierungssachen betrauten Richter Sorge zu tragen. 2.4

Einheitliche Spruchkörperzuständigkeit

36 Zu einer effizienten Bearbeitung von Restrukturierungssachen gehört auch, dass die zu treffenden Entscheidungen möglichst von demjenigen Richter getroffen werden, der von Anfang an mit der Sache vertraut ist. Nur so kann vermieden werden, dass durch erneutes Einarbeiten in die Materie zusätzlicher Zeitaufwand entsteht und gewonnene Kenntnisse nicht verfahrensfördernd angewandt werden können. Um dies zu erreichen, bestimmt § 36 StaRUG, dass für alle Entscheidungen und Maßnahmen in einer Restrukturierungssache diejenige Abteilung des AG zuständig ist, die für die erste Entscheidung zuständig war. 37 Der Begriff der „Abteilung“ ist für Insolvenzsachen bisher gesetzlich nicht verwendet worden. In § 3c InsO, dem § 36 StaRUG nachgebildet ist, war die Zuständigkeit des erstbefassten Richters geregelt. Mit dem SanInsFoG51) ist der Begriff des Richters in dieser Norm ebenfalls durch denjenigen der Abteilung ersetzt worden. 38 Am AG ist der Einzelrichter der Spruchkörper.52) Dieser Spruchkörper wird in den Bundesländern intern unterschiedlich bezeichnet, im süddeutschen Bereich z. B. „Referat“, im norddeutschen Bereich „Dezernat“.53) Nur in Familien- und Betreuungssachen wird gemäß §§ 23b Abs. 1, 23c Abs. 1 GVG als Bezeichnung für den Spruchkörper der Begriff „Abteilung“ verwendet.54) Diesen Begriff greift nunmehr die Regelung in § 36 StaRUG auf, um möglichst eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit für alle Entscheidungen und Maß-

___________ 48) Das GVG regelt die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte, Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, § 22 Rz. 1. Das AG ist gemäß § 27 GVG, § 34 StaRUG sachlich zur Entscheidung in Restrukturierungssachen zuständig. 49) Im Ergebnis ebenso Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2581; Vallender, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 30; Gehrlein, BB 2021, 66, 72. 50) Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, § 22 Rz. 4; Zimmermann in: MünchKomm-ZPO, § 22 GVG Rz. 2. 51) Art. 5 Nr. 3 SanInsFoG. 52) Zimmermann in: MünchKomm-ZPO, § 22 GVG Rz. 3. 53) Zimmermann in: MünchKomm-ZPO, § 22 GVG Rz. 3. 54) Zimmermann in: MünchKomm-ZPO, § 23b GVG Rz. 3.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

§8

nahmen in einer Restrukturierungssache zu erreichen. Als Abteilung kann daher auch hier nur der Spruchkörper am AG gemeint sein, dem der Einzelrichter vorsitzt.55) So verstanden, verhindert das Abstellen auf den Spruchkörper statt auf den Richter – wie 39 vom Gesetzgeber beabsichtigt56) – Probleme beim Richterwechsel aber auch in Vertretungsfällen.57) Bei konstanter Besetzung der Abteilung wird somit ermöglicht, dass zumeist der erstbefasste Richter über alle Maßnahmen und Entscheidungen in einer Restrukturierungssache zu befinden hat. Zu diesen Entscheidungen und Maßnahmen gehören auch diejenigen, die eine Sanierungs- 40 moderation nach § 94 StaRUG betreffen.58) Dagegen regelt die Norm nicht die Zuständigkeit für eine weitere Restrukturierungssache.59) 3.

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Gerichtliche Zuständigkeit für gruppenverbundene Unternehmen

Bei Restrukturierungen von Unternehmensgruppen ermöglicht § 37 StaRUG – nach dem 42 Vorbild der Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht in §§ 3a ff. InsO – einem gruppenangehörigen restrukturierungsfähigen Schuldner (§ 30 StaRUG), der für die Unternehmensgruppe nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung ist, sämtliche Restrukturierungen innerhalb dieser Gruppe in die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts zu überführen, um durch eine Zentralisierung eine einheitliche Bearbeitung aller Restrukturierungssachen zu erreichen.60) 3.1

Gruppenbegriff

Voraussetzung dafür ist zunächst, dass eine Unternehmensgruppe i. S. des § 3e InsO vor- 43 liegt. Das ist der Fall, wenn mindestens zwei Unternehmensträger existieren, die rechtlich selbstständig sind,61) ihren wirtschaftlichen Mittelpunkt im Inland haben und über die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder der Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind.62) Unternehmerisch tätige natürliche Personen fallen – wie § 3e Abs. 2 InsO verdeutlicht – nicht unter den Gruppenbegriff.63) Zur Frage der Ausübung eines beherrschenden Einflusses kann auf § 290 HGB, insbeson- 44 dere auf die typisierenden Tatbestände des § 290 Abs. 2 HGB zurückgegriffen werden.64) Anders als § 290 Abs. 1 HGB setzt die Unternehmensgruppe nach § 3e InsO aber nicht voraus, dass das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft ist, vielmehr erfasst der Grup___________ 55) A. A. Vallender, ZInsO 2020, 2581, der den Begriff der Abteilung offenbar nicht als Bezeichnung für den einzelnen Spruchkörper ansieht. 56) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. 57) Frind, ZInsO 2020, 2241, 2244; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 36 Rz. 6. 58) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 36 Rz. 4. 59) So wohl auch Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 36 Rz. 6; Denkhaus/v. Kaltenborn-Stachau in: HambKomm-RestruktR, § 36 Rz. 9; a. A. Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 36 Rz. 9, der meint, es sei bei einem Abteilungswechsel möglich, dass der Richter in Bezug auf eine Restrukturierungssache Abteilungsrichter bleibe. 60) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. 61) Prütting in: KPB, InsO, § 3e Rz. 2; Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 3e Rz. 2; Wimmer-Amend in: Wimmer, FK-InsO, § 3e Rz. 3. 62) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 28. 63) Ebenso Prütting in: KPB, InsO, § 3e Rz. 2; Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 3e Rz. 3; a. A. Wimmer-Amend in: Wimmer, FK-InsO, § 3e Rz. 8; Mock, DB 2017, 951. 64) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 29; Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO, § 3e Rz. 4.

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§8

3. Teil Verfahren

penbegriff auch andere Unternehmensträger, wenn sie die Stellung eines Mutterkonzerns einnehmen. Eingeschränkt ist dieser Begriff ebenfalls nicht durch die Befreiung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses in § 290 Abs. 5 HGB, denn eine Koordinierung der gruppenverbundenen Verfahren kann zum Erreichen optimaler Ergebnisse bei der Restrukturierung auch in einem solchen Fall notwendig sein. 45 Das weitere Kriterium der „Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung“, das an § 18 Abs. 2 AktG angelehnt ist, soll ermöglichen, auch Gleichordnungskonzerne in die Gruppendefinition einbeziehen zu können.65) 46 Unter den Begriff der Unternehmensgruppe fallen nach § 3e Abs. 2 InsO ebenfalls kapitalistische Personengesellschaften und ihre persönlich haftenden Gesellschafter (z. B. GmbH & Co. KG). 3.2

Antrag auf Begründung eines einheitlichen Gruppengerichtsstands

47 Die Begründung eines Gruppengerichtsstands in einer Restrukturierungssache kann nur auf Antrag eines gruppenangehörigen Schuldnerunternehmens erreicht werden, dass innerhalb der Unternehmensgruppe nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist. 3.2.1 Antragsbefugnis 48 Zur Antragstellung befugt ist ein Schuldnerunternehmen gemäß § 37 Abs. 1 StaRUG nur, wenn es zuvor einen zulässigen Antrag auf Inanspruchnahme eines der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach § 29 StaRUG gestellt hat,66) der eine vorherige Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG erfordert. Das Gesetz stellt hinsichtlich des Antrags zur Begründung des Gruppengerichtsstands jedoch nicht auf diese Anzeige ab. Sie führt zwar gemäß § 31 Abs. 3 StaRUG zur Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache, löst aber noch keine umfassende Prüfungspflicht der Einleitungsvoraussetzungen für eine Restrukturierungssache aus.67) Diese setzt frühestens mit der Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach § 29 StaRUG ein.68) 49 Die Befugnis zur Antragstellung setzt darüber hinaus voraus, dass das antragstellende Unternehmen innerhalb der Unternehmensgruppe (Legaldefinition in § 3e InsO), dem es angehört, nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist. Wann das der Fall ist, wird durch den Verweis in § 37 Abs. 2 StaRUG auf § 3a Abs. 1 Satz 2 – 4 InsO konkretisiert. 50 Nach den Regelbeispielen in § 3a Abs. 1 Satz 2 InsO, die keinen abschließenden Charakter haben, sondern lediglich einen quantitativen Orientierungspunkt bieten,69) liegt keine offensichtlich untergeordnete Bedeutung vor, wenn beim antragstellenden Unternehmen im vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr mehr als 15 % der insgesamt in der Unter-

___________ 65) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 29; Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO, § 3e Rz. 5. 66) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 3; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 37 Rz. 6, zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens vgl. auch Bork, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 38. 67) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142, anders verhält es sich mit der Zuständigkeitsprüfung, s. dazu Rz. 81 ff., so wohl auch Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 3. 68) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. 69) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 26.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

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nehmensgruppe im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer70) (§ 267 Abs. 5 HGB)71) tätig waren.72) Darüber hinaus müssen vom antragstellenden Unternehmen mehr als 15 % entweder der Bilanzsumme oder der Umsatzerlöse der zusammengefassten Gruppe erwirtschaftet worden sein. Lassen sich die vorgenannten Angaben nicht dem Konzernabschluss entnehmen, weil nach §§ 290 ff. HGB keine Verpflichtung zur Erstellung eines solchen besteht, sind diese Schwellenwerte anhand untechnischer Zusammenfassungen der Jahresabschlüsse nach freiem richterlichem Ermessen abzuschätzen.73) Erfüllt keines der gruppenzugehörigen insolventen Unternehmen die vorgenannten Voraus- 51 setzungen, kann der Gruppen-Gerichtsstand gemäß § 37 Abs. 2 StaRUG, § 3a Abs. 1 Satz 4 InsO bei demjenigen Restrukturierungsgericht begründet werden, das für den gruppenangehörigen Schuldner mit der höchsten Arbeitnehmerzahl zuständig ist.74) 3.2.2 Formelle und materiell-rechtliche Antragserfordernisse 3.2.2.1

Antrag auf Begründung des Gruppengerichtsstands

Die formellen Anforderungen des Antrags auf Begründung des Gruppengerichtsstands 52 richten sich gemäß § 37 Abs. 2 StaRUG nach § 13a InsO. Der Antrag hat Angaben zum Namen, Sitz, Unternehmensgegenstand sowie zur Bilanz- 53 summe, zum Umsatzerlös und zu den Arbeitnehmerzahlen des letzten Geschäftsjahres der übrigen gruppenangehörigen Unternehmen zu enthalten. Darüber hinaus sind Ausführungen zum gemeinsamen Interesse der Gläubiger an einer Verfahrenskonzentration notwendig, ebenso zur Fortführung oder Sanierung der Unternehmensgruppe, zur Zugehörigkeit zu Unternehmen mit besonderer Aufsicht und sowie zu den gruppenangehörigen Schuld___________ 70) Für den Begriff des Arbeitnehmers sind das Arbeitsrecht sowie die Auslegung durch das BAG maßgebend. Arbeitnehmer ist danach eine natürliche Person, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags einem anderen zur Leistung fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist, Reiner in: MünchKomm-HGB, § 267 Rz. 8; Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO § 22a Rz. 9. Zu den Arbeitnehmern gehören: Heimarbeiter, wegen Mutterschaft Beurlaubte, in einem Probearbeitsverhältnis Befindliche, unselbstständige Handelsvertreter (§ 84 Abs. 2 HGB), wegen einer Wehrübung kurzfristig Freigestellte, Aushilfskräfte sowie Teilzeitkräfte, die allerdings voll zu berücksichtigen sind, im Entleiherbetrieb regelmäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer, BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, Rz. 21 ff., ZIP 2013, 1489, 1490, dazu EWiR 2013, 539 (Korff); als Arbeitnehmer eingestuft werden können auch „Crowdworker“, wenn sie zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet sind, die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenart nach einfach gelagert ist, ihre Durchführungen inhaltlich vorgegeben sind und die Auftragsvergabe sowie die konkrete Nutzung der Online-Plattform i. S. eines Fremdbestimmens durch den Crowdsourcer gelenkt wird, BAG v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, Rz. 45 ff., ZIP 2021, 1024, 1029. Im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer sind nach § 267 Abs. 5 HGB bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl einzubeziehen. Nicht dazu zählen z. B. freie Mitarbeiter, Arbeitnehmer in Elternzeit, da das Arbeitsverhältnis – im Gegensatz zu Arbeitnehmern im Mutterschaftsurlaub – ruht, Ein-Euro-Jobs nach § 16d SGB II, Auszubildende, Umschüler, Volontäre, Praktikanten, wenn das Ausbildungsverhältnis den Schwerpunkt bildet (§ 267 Abs. 5 HGB), Mitglieder der Gesellschaftsorgane, allerdings nur dann, wenn sie der Weisung oder der Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft unterliegen und jederzeit ohne Einschränkung von ihrem Amt abberufen werden können (bspw. als Geschäftsführer), Reiner in: MünchKomm-HGB, § 267 Rz. 8. 71) Nach § 267 Abs. 5 HGB ist die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl, die jeweils zum Quartalsende (31.3., 30.6., 30.9., 31.12.) beschäftigt worden ist, zusammenzurechnen und sodann die Gesamtzahl durch vier zu teilen. 72) Das Abstellen auf die Arbeitnehmer soll sicherstellen, dass den Betriebsstandorten mit einer großen Beschäftigtenzahl bei der Bestimmung des Gruppen-Gerichtsstands hinreichend Rechnung getragen wird, vgl. Begr. d. Ausschusses R/V z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 21. 73) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 27. 74) Die Regelung ist erst durch den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (R/V) eingefügt worden, vgl. Begr. d. Ausschusses R/V z. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, S. 21.

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§8

3. Teil Verfahren

nern, die eine Restrukturierung beantragt haben. Um dem Restrukturierungsgericht die Prüfung des Antrags zu ermöglichen, ist diesem nach § 13a Abs. 2 InsO ein konsolidierter Abschluss der Unternehmensgruppe beizufügen. Falls ein solcher Abschluss nicht vorliegt, sind die Einzelabschlüsse derjenigen Unternehmen, die nicht von untergeordneter Bedeutung sind, einzureichen, sowie die Jahresabschlüsse der übrigen Mitglieder der Unternehmensgruppe. 3.2.2.2

Antrag auf Inanspruchnahme der Instrumente nach § 29 StaRUG

54 Der Antrag auf Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens muss gemäß § 37 Abs. 1 StaRUG zulässig sein. Erforderlich dafür ist nach § 29 Abs. 1 StaRUG, dass der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist75) und diese durch die Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nachhaltig beseitigt werden soll. Die nachhaltige Beseitigung ist aber nur als Zielbestimmung, nicht als Voraussetzung der Inanspruchnahme der Verfahrenshilfen definiert.76) 55 Drohende Zahlungsunfähigkeit setzt gemäß § 18 Abs. 2 InsO voraus, dass der Schuldner innerhalb eines Prognosezeitraums von 24 Monaten nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitraum der Fälligkeit zu erfüllen. 56 Der Gesetzgeber ist also – wie die Anzeigepflicht der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 32 Abs. 2 und die regelmäßige Aufhebungsverpflichtung der Restrukturierungssache bei Vorliegen dieser Insolvenzgründe nach § 33 Abs. 2 StaRUG verdeutlichen – davon ausgegangen, dass die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nur zulässig ist, wenn der Schuldner nicht zahlungsunfähig oder überschuldet ist.77) 57 Was unter einer nachhaltigen Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu verstehen ist, definiert § 29 StaRUG nicht. Gemeint sein kann nicht nur die Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit innerhalb des Prognosezeitraums von zwei Jahren (§ 18 Abs. 2 InsO), weil eine solche Interpretation den Begriff „nachhaltig“ außer Acht lassen würde.78) Nach allgemeinem Sprachverständnis kann man diesen Begriff auch als „dauerhaft“ interpretieren, hier also als dauerhafte Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit, zumindest aber sollte das Unternehmen drei Jahre lang überlebensfähig sein, wie § 33 Abs. 2 Satz 2 StaRUG entnommen werden kann.79)

___________ 75) Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18; Brünkmans, ZInsO 2021, 1, 7; Desch, BB 2020, 2498; Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2434; Gehrlein, BB 2021, 66, 72; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2227; Skauradszun, ZRI 2020, 625; Thole, ZIP 2020, 1985, 1990; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 29 Rz. 2; Schröder in: HambKomm-RestruktR, § 29 Rz. 3; Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 29 Rz. 31. 76) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 132; Gehrlein, BB 2021, 66, 72; Thole, ZIP 2020, 1985, 1991, spricht von „Programmsatz“; a. A. wohl Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 29 Rz. 5. 77) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 29 Rz. 2; Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90. Durch das Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19Insolvenzaussetzungsgesetzes wurde der Prognosezeitraum in § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO für die Zeit vom 9.11.2022 bis 31.12.2023 von zwölf auf vier Monate verkürzt (BGBl. I 2022, 1966, 1968). 78) Im Ergebnis ebenso Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18, 19. A. A. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 29 Rz. 25. 79) Thole, ZIP 2020, 1985, 1991; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz 5; Schröder in: HambKommRestruktR, § 29 Rz. 10; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 29 Rz. 5; a. A. Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 29 Rz. 40, die keinen festen Zeitraum festlegen wollen.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze 3.2.2.3

§8

Mehrere Anträge

Bei mehreren Anträgen auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands ist – wie sich aus 58 dem Umkehrschluss aus § 37 Abs. 3 StaRUG i. V. m. § 3a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 InsO ergibt, nur der zuerst gestellte zulässig. Es gilt also das Prioritätsprinzip.80) Wurden die Anträge zeitgleich gestellt oder ist der Zeitpunkt des ersten Antrags unklar, 59 ist der Antrag des Schuldners, der im abgelaufenen Geschäftsjahr die meisten Arbeitnehmer beschäftigt hat, maßgebend. 3.3

Anordnungshindernis

Das Restrukturierungsgericht kann gemäß § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3a Abs. 2 InsO 60 die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands trotz des Vorliegens der Antragsvoraussetzungen ablehnen, wenn Zweifel bestehen, dass die Verfahrenskonzentration am angerufenen Gerichtsstand im gemeinsamen Interesse der Restrukturierungsgläubiger liegt. Abzustellen ist dabei nicht nur auf die Interessen der Gläubiger des antragstellenden Schuldners sondern auch auf diejenigen aller gruppenangehörigen Schuldner.81) Das Gericht hat bei seiner Entscheidung die Angaben zugrunde zu legen, die der antragstellende Schuldner nach § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 13a Abs. 1 Nr. 2 InsO zum gemeinsamen Interesse zu machen hat. Es muss die zu erwartenden Kooperationsvorteile nicht positiv feststellen, Zweifel daran, ob überhaupt solche Vorteile bestehen, reichen für die Ablehnung des Antrags aus.82) 3.4

Rechtsfolgen nachträglicher Änderungen in der Restrukturierungssache

Auch wenn die Restrukturierungssache des antragstellenden Schuldnerunternehmens auf- 61 gehoben wird, bleibt nach § 37 Abs. 2 StaRUG, § 3b InsO ein einmal begründeter Gruppen-Gerichtsstand bestehen, solange dort noch eine Restrukturierungssache eines gruppenzugehörigen Unternehmens rechtshängig ist. Von Bedeutung könnte diese Regelung in den Fällen sein, in denen zwar ein Gesamtkonzept für die Restrukturierung der gruppenangehörigen Unternehmen besteht, die einzelnen Restrukturierungspläne aber nicht zwingend aufeinander aufbauen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestätigt werden.83) 3.5

Gruppen-Gerichtsstand als Wahlgerichtsstand

Der Gruppen-Gerichtsstand nach § 37 StaRUG ist – wie sich aus § 37 Abs. 2 StaRUG, § 3d 62 Abs. 1 Satz 1 InsO herleiten lässt – kein ausschließlicher, sondern ein Wahlgerichtsstand.84) Deshalb kann eine Restrukturierungssache von anderen gruppenzugehörigen Schuldnern auch bei dem nach § 35 StaRUG zuständigen Restrukturierungsgericht rechtshängig gemacht werden. Geschieht das, kann das angerufene Gericht – nach Anhörung des Schuld___________ 80) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 37 Rz. 35; Denkhaus/v. Kaltenborn-Stachau in: HambKomm-RestruktR, § 37 Rz. 49; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 6; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 37 Rz. 29. 81) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 27. 82) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 27; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 37 Rz. 31; zweifelnd, ob es im StaRUG überhaupt einen Anwendungsbereich für diese Norm gibt, Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 37 Rz. 31; a. A. Baumert in: Braun, StaRUG, § 37 Rz. 11, der nur bei offensichtlichen Nachteilen das gemeinsame Interesse verneinen will. 83) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 10. 84) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 2; Denkhaus/v. Kaltenborn-Stachau in: HambKomm-RestruktR, § 37 Rz. 58, wollen dies allerdings aus § 3c Abs. 2 InsO herleiten, auf den jedoch in § 37 Abs. 2 nicht verwiesen wird, vgl. dazu Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 37 Rz. 42; a. A. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 37 Rz. 34.

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§8

3. Teil Verfahren

ners85) – die Restrukturierungssache gemäß § 37 Abs. 2 StaRUG, § 3d Abs. 1 Satz 1 InsO von Amts wegen an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands verweisen.86) Gemäß § 37 Abs. 2 StaRUG, § 3d Abs. 2 Satz 1 InsO ist aber auch der Schuldner antragsberechtigt. 63 Die Entscheidung über die Verweisung liegt im Ermessen des Restrukturierungsgerichts. Anders als im Insolvenzverfahren (§ 3d Abs. 1 Satz 2 InsO) gibt es in einer Restrukturierungssache keine zwingende Verweisungsvorschrift. § 37 Abs. 2 StaRUG verweist zu Recht nicht auf § 3d Abs. 1 Satz 2 InsO, weil eine Restrukturierung nach dem StaRUG nicht von einem Gläubiger, sondern ausschließlich vom Schuldner eingeleitet werden kann. 64 Bei seiner Ermessensentscheidung über eine Verweisung an den Gruppen-Gerichtsstand, hat das angerufene Gericht die Vor- und Nachteile einer konzentrierten Behandlung der Verfahren abzuwägen. In der Regel dürfte eine konzentrierte Zuständigkeit für Unternehmensgruppen bei einem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands sinnvoll sein. Ausnahmen könnten z. B. unterschiedliche Verfahrensstadien in den Restrukturierungssachen87) oder besondere Vorteile aus einer örtlichen Nähe zum Restrukturierungsgericht nach § 35 StaRUG bilden.88) 65 Die Verweisung ist – wie sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Bindungswirkung solcher Entscheidungen gemäß §§ 17a Abs. 2 Satz 3, 102 Satz 2 GVG, §§ 281 Abs. 2 Satz 4, 506 Abs. 2 ZPO, § 48 ArbGG, § 3 Abs. 3 Satz 2 FamFG herleiten lässt89) – für das aufnehmende Gericht bindend, es sei denn, sie ist unter Verstoß gegen elementare Rechtsvorschriften ergangen, z. B. gegen Art. 103 Abs. 1,90) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG,91) oder entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage und ist deshalb als willkürlich zu betrachten.92) 3.6

Kontinuität bei der gerichtlichen Bearbeitung

66 Um eine uneinheitliche Bearbeitung durch unterschiedliche Zuständigkeiten innerhalb des Gerichts, an dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wurde, zu vermeiden, bestimmt § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3c Abs. 1 InsO, dass die Abteilung, die die erste Restrukturierungssache führt, auch für die Gruppenfolgeverfahren zuständig ist. 67 Der Begriff der Abteilung des AG ist weder für Restrukturierungs- noch für Insolvenzsachen gesetzlich definiert. Verstanden werden sollte sie als der Spruchkörper am Amtsgericht, dem der Einzelrichter vorsitzt (siehe dazu auch Rz. 36 ff.).93) ___________ 85) Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO, § 3d Rz. 2; Prütting in: KPB, InsO, § 3d Rz. 6; Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 3d Rz. 5; Wimmer-Amend in: Wimmer, FK-InsO, § 3d Rz. 5. 86) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 8; Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO, § 3d Rz. 2; Thole, KTS 2014, 351, 357 – zu § 3d InsO; Prütting in: KPB, InsO, § 3d Rz. 4, 5; krit. dazu Baumert in: Braun, StaRUG, § 37 Rz. 19, 20; a. A. Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 3d Rz. 3, der eine Antragspflicht – zu Unrecht – aus dem Zusammenspiel von Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 herleitet; ebenso Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 37 Rz. 61. 87) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 28. 88) So auch Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 9. 89) Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 28. 90) BGH v. 15.3.1978 – IV ARZ 17/78, NJW 1978, 1163; BGH v. 11.7.1990 – XII ARZ 25/90, FamRZ 1990, 1101. 91) BGH v. 15.8.2017 – X ARZ 204/17, Rz. 15, NJW-RR 2017, 1213, 2014. 92) Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO, § 3d Rz. 5; BGH v. 15.8.2017 – X ARZ 204/17, Rz. 15, NJW-RR 2017, 1213; BGH v. 9.6.2015 – X ARZ 115/15, Rz. 9, ZIP 2015, 1803; a. A. Baumert in: Braun, StaRUG, § 37 Rz. 21, der eine Bindungswirkung infrage stellt, weil nicht wegen Unzuständigkeit verwiesen wird. Das setzt aber z. B. § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG nicht voraus. 93) A. A. Vallender, ZInsO 2020, 2581, der den Begriff der Abteilung offenbar nicht als den einzelnen Spruchkörper ansieht.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze 3.7

§8

Zuständigkeitsverknüpfung bei Restrukturierungen und Insolvenzen innerhalb einer Unternehmensgruppe

Die Regelung in § 37 Abs. 3 StaRUG ermöglicht es, in Fällen, in denen innerhalb einer 68 Unternehmensgruppe einige Unternehmen die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nehmen, andere sich aber bereits in einem Insolvenzverfahren befinden, eine einheitliche gerichtliche örtliche Zuständigkeit für Restrukturierungs- und Insolvenzsachen beim Gruppen-Gerichtsstand für Restrukturierungen zu erreichen.94) Auch in solchen gruppenverbundenen Verfahren kann es sinnvoll sein, dass Insolvenzverfahren und Restrukturierungssachen aufeinander abgestimmt werden, um mögliche Synergieeffekte zu erzielen. Das schuldnerische Unternehmen innerhalb einer Unternehmensgruppe, das einen Antrag 69 auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen möchte, kann diesen auch an das als Gruppen-Gerichtsstand für Restrukturierungssachen zuständige Gericht richten. Da es sich bei diesem Gruppen-Gerichtsstand nur um einen zusätzlichen Gerichtsstand 70 handelt (siehe dazu auch die Ausführungen bei Rz. 62), bleibt die allgemeine örtliche Zuständigkeit zur Insolvenzantragstellung gemäß § 3 InsO und die Zuständigkeit zur Begründung des Gruppengerichtsstands für Insolvenzverfahren nach § 3a InsO bestehen.95) Das nach § 3 InsO angerufene AG kann bzw. muss nach § 3d Abs. 1 Satz 2 InsO an das 71 als Gruppen-Gerichtsstand für Restrukturierungssachen zuständige Gericht verweisen. Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung ist auch innerhalb des Gerichts eine einheit- 72 liche Bearbeitung durch eine Abteilung notwendig. Entsprechend der Regelung des § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3c Abs. 1 InsO ist die am Gruppen-Gerichtsstand für Restrukturierungssachen zuständige Abteilung deshalb ebenfalls für die in diesem Zusammenhang beantragten Insolvenzverfahren (Folgeinsolvenzverfahren) zuständig.96) Quasi spiegelbildlich zu § 37 Abs. 3 StaRUG wird in § 3a Abs. 4 InsO bestimmt, dass das 73 als Gruppen-Gerichtsstand für Insolvenzverfahren zuständige Gericht auch Entscheidungen in einer Restrukturierungssache eines gruppenverbundenen Unternehmens treffen kann, sofern es nach § 34 StaRUG für Restrukturierungssachen sachlich zuständig ist. Auf diese Weise soll eine möglichst weitgehende Zusammenfassung der Insolvenz- und Restrukturierungssachen innerhalb einer Unternehmensgruppe entweder beim insolvenzrechtlichen Gruppen-Gerichtsstand oder beim Restrukturierungs-Gruppen-Gerichtsstand erreicht werden.97)

___________ 94) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. 95) Von der Möglichkeit der Zuständigkeitskonzentration nach § 2 Abs. 3 InsO haben folgende Länder Gebrauch gemacht: Baden-Württemberg: AGe Karlsruhe, Mannheim (ZuVOJu v. 8.5.2018, GBl. 2018, 195); Bayern: AGe Nürnberg München, (GZVJu v. v. 13.5.2018, GVBl. 2018, 372); Brandenburg: AG Potsdam (GerZV v. 26.11.2018, GVBl. II 2018 Nr. 89); Bremen: AG Bremen (InsolvenzgerichtsBestimmungsVO v. 10.4.2018, Brem.GBl. S. 89); Hessen: AG Frankfurt/M. (§ 6 JuZuV v. 12.12.2018); Niedersachsen: Age Göttingen, Hannover, Oldenburg (JustVO-Justiz v. 27.8.2019, Nds. GVBl. 16/2019, 264); Nordrhein-Westfalen: Age Bielefeld, Essen, Düsseldorf, Köln (KonzentrationsVO GruppenGerichtsstand in Insolvenzsachen v. 21.4.2018, GV. NRW. S. 239); Sachsen: AG Leipzig (VO v. 7.12.2018, SächsGVBl. S. 735); Sachsen-Anhalt: AG Halle (LSAZivGerZustVO v. 20.7.2018, GVBl. LSA S. 237). Vgl. zu den unterschiedlichen Gerichtsstandkonstellationen Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 37 Rz. 46 ff. 96) Ebenso Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 37 Rz. 42; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 37 Rz. 30; a. A. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 37 Rz. 14. 97) Begr. RegE SanInsFoG z. InsO, BT-Drucks. 19/24181, S. 191.

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221

§8 II.

3. Teil Verfahren Verfahrensgrundsätze

74 Für das Restrukturierungsgericht gilt gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG der Amtsermittlungsgrundsatz, allerdings vorbehaltlich anderweitiger Regelungen durch das StaRUG. Dieser Vorbehalt anderweitiger Regelungen findet sich in § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht, der für Insolvenzverfahren anordnet, dass alle Umstände, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind, vom Insolvenzgericht von Amts wegen zu ermitteln sind. Ergänzend ordnet § 38 StaRUG an, dass die Vorschriften der ZPO entsprechende Anwendung finden, soweit sich aus dem StaRUG nichts anderes ergibt. Auf diese Weise will der Gesetzgeber erreichen, dass umfassende verfahrensrechtliche Regelungen vorhanden sind.98) Die unterschiedliche Formulierung „für das Verfahren in Restrukturierungssachen“ in § 38 StaRUG und in § 4 InsO „für das Insolvenzverfahren“ resultiert daraus, dass das StaRUG – anders als die InsO – kein durchstrukturiertes, integriertes Verfahren enthält, sondern einen Rahmen mit unterschiedlichen Möglichkeiten zur Restrukturierung eines Unternehmens zur Verfügung stellt.99) 1.

Der Amtsermittlungsgrundsatz

1.1

Amtsermittlung in der InsO (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO)

75 Im Insolvenzverfahren gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO der Amtsermittlungsgrundsatz, auch Untersuchungsgrundsatz genannt, für alle Umstände, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Er setzt erst ein, wenn ein zulässiger Insolvenzantrag gestellt wurde.100) Zulässig ist ein Insolvenzantrag, wenn der Schuldner insolvenz-(§§ 11, 12 InsO) und prozessfähig ist, die Antragsberechtigung besteht, das angerufene Gericht unzweifelhaft sachlich sowie örtlich zuständig ist101) und ein ordnungsgemäßer Insolvenzantrag vorliegt. Voraussetzung dafür ist, dass der Antrag ernsthaft auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtet ist und – gemessen an den Zielsetzungen des § 1 InsO – nicht sachfremden Zwecken dient.102) Darüber hinaus ist bei einem Schuldnerantrag der Eröffnungsgrund in hinreichend substantiierter Form darzulegen.103) Ein Gläubigerantrag erfordert zusätzlich, dass dieser ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausweist und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht hat.104) 76 Die Amtsermittlungspflicht des Gerichts setzt erst ein, wenn der Verfahrensstand Anlass hierzu bietet.105) Grenzen der Amtsermittlung ergeben sich insbesondere aus der gesetz___________ 98) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. 99) A. A. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 38 Rz. 2, der meint, die unterschiedliche Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass im StaRUG nur auf die verfahrensrechtlichen Vorschriften der ZPO verwiesen werde. 100) BGH v. 14.7.2011 – IX ZB 207/10, Rz. 7, ZInsO 2011, 1499; BGH v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, Rz. 8, ZIP 2007, 1868, dazu EWiR 2008, 111 (Floeth); BGH v. 23.11.2006 – IX ZA 21/06, Rz. 7, juris; BGH v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, Rz. 9, ZIP 2003, 358, 359; Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 14; Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 5 Rz. 2. 101) Das Gericht hat zunächst die zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines anderen Insolvenzgerichts vorgetragenen Umstände zu würdigen und ggf. von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufzuklären, BGH v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, Rz. 13, ZIP 2006, 442, 443. So auch AG Köln v. 1.2.2008 – 73 IN 682/07, ZIP 2008, 982, 983, dazu EWiR 2008, 595 (K. Müller) und m. Anm. Frind, ZInsO 2008, 261, das eine Amtsermittlungspflicht bejaht, wenn die Zuständigkeit zweifelhaft ist. 102) BGH v. 7.5.2020 – IX ZB 84/19, Rz. 7, ZIP 2020, 1250, 1251 = ZRI 202, 358, dazu EWiR 2020, 463 (Deppenkemper), sowie m. Anm. Laroche, NZI 2020, 681, und Göb/Nebel, NZI 2020, 774, 779; BGH v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, Rz. 8, ZIP 2003, 358, 359; LG Berlin v. 17.3.2021 – 84 T 45/21, ZRI 2021, 553, 554. 103) BGH v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, Rz. 9, ZIP 2003, 358, 359. 104) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, Vorbem. §§ 2 – 10 Rz. 16. 105) BGH v. 19.7.2012 – IX ZB 6/12, Rz. 10, ZIP 2021, 1615.

222

Graf-Schlicker

Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

§8

lichen Kompetenzverteilung zwischen dem Gericht und dem Insolvenzverwalter106) sowie aus gesetzlichen Vorschriften, die bestimmte Voraussetzungen vorsehen, deren Nachweis oder Glaubhaftmachung den Verfahrensbeteiligten auferlegt wird.107) 1.2

Amtsermittlung im StaRUG (§ 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG)

1.2.1 Anzeige des Restrukturierungsvorhabens Anders als in der InsO, hängt der Beginn der Amtsermittlungspflicht nicht von einem zu- 77 lässigen Antrag des Schuldners auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens ab. Das StaRUG beinhaltet kein in sich geschlossenes Verfahrenssystem, sondern stellt nur einen modularen Rahmen zur Restrukturierung zur Verfügung, über dessen Inanspruchnahme allein der Schuldner zu entscheiden hat. Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (Verfahrenshilfen) stehen dem Schuldner zur Verfügung, wenn er insolvenzfähig ist (§ 30 Abs. 1 StaRUG), nicht einem Unternehmen der Finanzbranche nach § 1 Abs. 19 KWG angehört (§ 30 Abs. 2 StaRUG) und er zuvor sein Restrukturierungsvorhaben beim zuständigen Restrukturierungsgericht angezeigt hat (§ 31 Abs. 1 StaRUG). Bei der Anzeige handelt es sich um eine einseitige Verfahrenshandlung, nicht aber um einen Antrag, der vom Gericht zu bescheiden ist.108) Sie bewirkt gemäß § 31 Abs. 3 die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache.109) Der Begriff der Rechtshängigkeit findet sich – für alle Prozessordnungen in § 17 Abs. 1 78 Satz 1 GVG – sowie gesondert für den Zivilprozess in § 261 ZPO, der über § 38 Satz 1 StaRUG entsprechend gilt. Die Rechtshängigkeit hat zunächst folgende Wirkungen: zum einen kann die Streitsache von keiner Partei während der Dauer der Rechtshängigkeit anderweitig anhängig gemacht werden (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), zum anderen wird die Zuständigkeit des Gerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (perpetuatio fori, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Darüber hinaus hat die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache – sofern diese Wir- 79 kung nicht durch Rücknahme, rechtskräftige Entscheidung über den Restrukturierungsplan oder Aufhebung der Restrukturierungssache entfällt (§ 31 Abs. 4 Nr. 1- 3 StaRUG) – zur Folge, dass die Insolvenzantragspflicht für juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 15a InsO) und der Vorstände von Vereinen (§ 42 Abs. 2 BGB) mindestens für die Dauer von sechs Monaten ruht (§ 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Allerdings hat der Schuldner – strafbewehrt - dem Restrukturierungsgericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung in dieser Zeit anzuzeigen (§ 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Angesichts dieser Wirkungen stellt sich die Frage, ob das Restrukturierungsgericht be- 80 reits bei Eingang der Restrukturierungsanzeige seine Zuständigkeit und die Einhaltung der formalen Anforderungen der Anzeige nach gemäß § 31 Abs. 2 StaRUG von Amts wegen zu prüfen hat.

___________ 106) 107) 108) 109)

Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 15e; Gerhardt in: Jaeger, InsO, § 5 Rz. 8. Gerhardt in: Jaeger, InsO, § 5 Rz. 11; Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 5 Rz. 4. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 134. A. A. Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 31 Rz. 63, und Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 31 Rz. 61, die entgegen dem Wortlaut und der Binnensystematik von § 31 Abs. 1 und Abs. 3 die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bejahen, wenn die Anzeige beim unzuständigen Gericht erfolgt. Sie folgern dies aus § 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG.

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§8

3. Teil Verfahren

1.2.1.1

Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts

81 Ebenso wie im Insolvenzrecht sollte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts im StaRUG erst einsetzen, wenn der Verfahrensstand Anlass dazu bietet.110) Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass das Restrukturierungsgericht seine Zuständigkeit spätestens im Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 Abs. 2 StaRUG) zu prüfen hat.111) In Anbetracht der Wirkungen der Rechtshängigkeit besteht jedoch Anlass für eine Zuständigkeitsprüfung des Restrukturierungsgerichts bereits im Zeitpunkt des Eingangs der Restrukturierungsanzeige. Zwar spricht die Gesetzesbegründung davon, dass allein die Anzeige genügt.112) Der Wortlaut des § 31 Abs. 1 StaRUG sieht aber ausdrücklich vor, dass Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Verfahrenshilfen nach § 29 Abs. 2 StaRUG die Anzeige beim zuständigen Restrukturierungsgericht ist, also nur eine Anzeige dort zur Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache führt.113) Die Frage der Rechtshängigkeit ist insbesondere für das damit verbundene Ruhen der Insolvenzantragspflicht (§ 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) von Bedeutung, die weitreichende Folgen für das schuldnerische Unternehmen haben kann, so dass die Zuständigkeit des Gerichts auch bereits im Zeitpunkt der Anzeige nicht ungeklärt bleiben sollte.114) 82 Um die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts nach § 35 StaRUG zu ermöglichen, hat zunächst der Schuldner die zur Begründung dieser Zuständigkeit notwendigen Tatsachen mit der Anzeige des Restrukturierungsverfahrens vorzutragen. Diese Darlegungen hat das Restrukturierungsgericht – ebenso wie im Insolvenzverfahren115) – zu würdigen. Ist seine Zuständigkeit angesichts dieses Sachvortrags zweifelhaft, hat es diesen von Amts wegen weiter aufzuklären.116) 83 Art und Umfang der Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Restrukturierungsgerichts. Es kann z. B. gemäß § 39 Abs. 2 StaRUG Auskünfte vom Schuldner einholen, Handelsregisterauszüge anfordern,117) aber auch einen Restrukturierungsbeauftragten oder eine andere Person als Sachverständigen bestellen,118) letzteres muss jedoch ver___________ 110) 111) 112) 113)

114)

115)

116) 117) 118)

224

Vgl. zum Insolvenzrecht BGH v. 19.7.2012 – IX ZB 6/12, Rz. 10, ZIP 2021, 1615. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 136. Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 31 Rz. 11; Laroche in: Flöther, StaRUG § 31 Rz. 2; a. A. Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 31 Rz. 66; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 31 Rz. 58, Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 31 Rz. 61, und Schröder in: HambKommRestruktR, § 31 Rz. 13, die entgegen dem Wortlaut und der Binnensystematik von § 31 Abs. 1 und Abs. 3 die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bejahen, wenn die Anzeige beim unzuständigen Gericht erfolgt. Sie folgern dies aus § 33 Abs. 1 Nr. 2, der für diese Sachlage die Verweisung der Restrukturierungssache vorsehe. Schröder in: HambKomm-RestruktR, § 31 Rz. 29; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 31 Rz. 37; Vallender, ZRI 2021, 165, 166, bejaht eine Prüfung der Zuständigkeit nach Eingang der Restrukturierungsanzeige mit der Begründung, dass ansonsten wertvolle Zeit für den Sanierungsprozess verlorengehe. Ebenso wohl Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2434; Deppenkemper, ZIP 2020, 1041, 1044; Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 31 Rz. 12, sprechen sich für eine Hinweispflicht des Gerichts nach § 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 139 ZPO aus; a. A. Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18, 20; Skauradszun, KTS 2019, 161, 167. Vgl. zu § 3 InsO, BGH v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, Rz. 13, ZIP 2006, 442, 443: Das Gericht hat zunächst die zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines anderen Insolvenzgerichts vorgetragenen Umstände zu würdigen und ggf. von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufzuklären; ebenso AG Köln v. 1.2.2008 – 73 IN 682/07, ZIP 2008, 982, 983, dazu EWiR 2008, 595 (K. Müller), und m. Anm. Frind, ZInsO 2008, 261, das eine Amtsermittlungspflicht bejaht, wenn die Zuständigkeit zweifelhaft ist. Vallender, ZRI 2021, 165, 166. Vallender, ZRI 2021, 165, 167. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 143.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

§8

hältnismäßig sein und kommt daher nur in Betracht, wenn es sich um einen komplexen, unübersichtlichen Sachverhalt zur Zuständigkeitsbegründung handelt.119) Steht zur freien Überzeugung des Gerichts (§§ 38 StaRUG, 286 ZPO) seine Zuständigkeit 84 nicht fest, hat es den Schuldner darauf und auf die Möglichkeit, einen Verweisungsantrag stellen oder die Anzeige zurücknehmen zu können, hinzuweisen. Das lässt sich aus § 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG herleiten.120) Auf Antrag des Schuldners hat das angerufene Restrukturierungsgericht die Restruktu- 85 rierungssache an das zuständige Gericht zu verweisen (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 281 Abs. 1 ZPO). Macht der Schuldner von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, hat das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache von Amts wegen aufzuheben (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), so dass die Wirkungen der Rechtshängigkeit gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3 StaRUG entfallen. 1.2.1.2

Beizufügende Unterlagen und Erklärungen

Nach § 31 Abs. 2 StaRUG hat der Schuldner der Anzeige seines Restrukturierungsvorha- 86 bens den Entwurf eines Restrukturierungsplans, sofern ein solcher nach dem Stand des Verfahrens noch nicht vorliegt, ein Konzept für die Restrukturierung beizufügen. Ferner hat er den Stand der Verhandlungen mit den Beteiligten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen sowie die Vorkehrungen darzulegen, die er zur Erfüllung seiner Pflichten nach dem StaRuG getroffen hat. Des Weiteren ist – im Hinblick auf die zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten (§ 73 Abs. 1 Nr. 1) – eine geplante Einbindung von mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen sowie von Verbrauchern in den Restrukturierungsplan oder eine Stabilisierungsanordnung anzugeben. Ferner hat der Schuldner darzulegen, ob damit zu rechnen ist, dass die Restrukturierungsziele nur gegen den Widerstand einer zu bildenden Gruppe (§ 9 StaRUG) realisiert werden können. Schließlich hat der Schuldner eine frühere Restrukturierungssache unter Bezeichnung des Gerichts und des Aktenzeichens mitzuteilen. Die Verpflichtung zur Beifügung der Unterlagen und Erklärungen hat jedoch keinerlei 87 Auswirkungen auf die Rechtshängigkeit des Restrukturierungsvorhabens und die damit verbundenen Wirkungen, wie sich bereits aus § 31 Abs. 1 StaRUG herleiten lässt. Der Gesetzgeber hat dies in seiner Begründung aber auch noch einmal ausdrücklich betont.121) Da die Amtsermittlungspflicht des Gerichts erst einsetzt, wenn der Verfahrensstand Anlass hierzu bietet, besteht jedenfalls im Zeitpunkt der Anzeige keine Verpflichtung des Restrukturierungsgerichts, von Amts wegen zu ermitteln, ob die Anlagen vollständig beigefügt sind.122) Auch Hinweise dazu haben nicht zu erfolgen, weil die Prüfung der Einhaltung der Verpflichtungen nach § 31 Abs. 2 StaRUG erst relevant wird, wenn tatsächlich

___________ 119) Vallender, ZRI 2021, 165, 167, befürwortet die Einbindung eines Sachverständigen z. B. bei Anhaltspunkten für eine Zuständigkeitserschleichung. 120) Wohl auch Schröder in: HambKomm-RestruktR, § 31 Rz. 29; a. A. Vallender, ZRI 2021, 165, 166, der über § 38 StaRUG die §§ 139, 281 ZPO anwenden will, ebenso Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 31 Rz. 12. 121) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135: „Auch die sich an die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache knüpfenden Folgen, wie insbesondere die Umwandlung der Insolvenzantragspflicht in eine Insolvenzanzeigepflicht gegenüber dem Restrukturierungsgericht, hängen damit nicht davon ab, dass der Planentwurf oder das Konzept einer nach inhaltlichen Kriterien vorzunehmenden Prüfung standhält.“ 122) Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2438; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 31 Rz. 3.

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§8

3. Teil Verfahren

eines der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch genommen wird.123) 1.2.2 Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens 88 Das Gesetz kennt vier Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (Verfahrenshilfen)124), und zwar: 

das gerichtliche Planabstimmungsverfahren (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG),



die gerichtliche Vorprüfung zu Fragen der Bestätigung des Plans (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG),



gerichtliche Anordnungen von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG) sowie



die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG).

89 Für die Inanspruchnahme dieser Instrumente ist erforderlich, dass der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist (§ 18 Abs. 2 InsO).125) Als Zielsetzung, nicht als Voraussetzung der Inanspruchnahme der Verfahrenshilfen definiert das StaRUG die nachhaltige Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit.126) Die Frage, ob drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, hat das Restrukturierungsgericht, sofern der Schuldner einen Antrag auf Inanspruchnahme eines der Instrumente des § 29 Abs. 2 StaRUG stellt, von Amts wegen zu prüfen. 90 Der Schuldner droht gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage ist, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Dafür ist – bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Verfahrenshilfen – in der Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 InsO). Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit verlangt die volle Überzeugung des Gerichts nach §§ 39 StaRUG, 286 ZPO, die es sich im Wege der Amtsermittlung zu bilden hat.127) Dabei ist das Gericht nicht auf den Strengbeweis beschränkt, es kann vielmehr nach seiner freien Überzeugung entscheiden. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann es z. B. Auskünfte des Schuldners einholen (§ 39 Abs. 2 StaRUG), Zeugen und Sachverständige vernehmen (§ 39 Abs. 1 Satz 2 StaRUG), aber auch einen Restrukturierungsbeauftragten mit der Prüfung der Fragen als Sachverständiger beauftragen (§ 73 Abs. 3 StaRUG). 91 Des Weiteren hat das Gericht von Amts wegen bei der Inanspruchnahme einer der Verfahrenshilfen seitens des Schuldners zu prüfen, ob die nach § 31 Abs. 2 StaRUG vorzulegenden Unterlagen und Erklärungen vollständig, inhaltlich nachvollziehbar sowie schlüssig sind. Eine Planung ist nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StaRUG schlüssig, wenn nicht „offensichtlich“ ist, dass das Restrukturierungsziel nicht erreicht werden kann. Der Überzeugungsgrad bei der Amtsermittlung des Gerichts „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ des § 38 ___________ 123) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 31 Rz. 3; a. A. Vallender, ZRI 2021, 165, 167, der eine Hinweispflicht des Gerichts bei mangelnder Erfüllung der Pflichten nach § 31 Abs. 2 StaRUG bejaht und bei fehlender Abhilfe des Schuldners sogar Gründe für die Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 StaRUG sieht; ebenso Schröder in: HambKomm-RestruktR, § 31 Rz. 29. 124) S. den Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. 125) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 29 Rz. 2; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 8; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 29 Rz. 48; Schröder in: HambKomm-RestruktR, § 29 Rz. 2; Brünkmans, ZInsO 2021, 1, 7; Gehrlein, BB 2021, 66, 72; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2227; Skauradszun, ZRI 2020, 625; Thole, ZIP 2020, 1985, 1990. 126) Thole, ZIP 2020, 1985, 1990. 127) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378 = ZIP 2021, 806; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 6; Vallender, ZRI 2021, 165, 168, 170.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

§8

StaRUG, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO128) reduziert sich hier also auf den Maßstab der „Offensichtlichkeit“.129) 1.2.2.1

Gerichtliche Planabstimmung

Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist zunächst die gerichtliche 92 Abstimmung über den Restrukturierungsplan auf Antrag des Schuldners (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Seinem Antrag hat der Schuldner einen vollständigen Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen. Hier hat das Restrukturierungsgericht lediglich zu prüfen, ob dies geschehen ist, eine inhaltliche Prüfung des Restrukturierungsplans hat es bei dieser Verfahrenshilfe nicht vorzunehmen. Das Erfordernis zur Vorlage des Restrukturierungsplans nebst Anlagen soll lediglich die vollständige Information des Restrukturierungsgerichts und der Planbetroffenen über den Gegenstand des anzuberaumenden Erörterungsund Abstimmungstermins sicherstellen.130) 1.2.2.2

Vorprüfungstermin

Als weitere Verfahrenshilfe steht dem Schuldner gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG die Mög- 93 lichkeit zur Verfügung, im Falle einer gerichtlichen Planabstimmung eine gerichtliche Vorprüfung von Fragen durch das Restrukturierungsgericht zu beantragen (§ 46 StaRUG), die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans (§ 63 StaRUG) von Bedeutung sind. Das Gericht darf in diesem Termin nur die Voraussetzungen in dem Maßstab prüfen, die Gegenstand der Bestätigung des Restrukturierungsplans nach §§ 60 ff. StaRUG sind.131) Siehe dazu im Einzelnen Rz. 105 ff. Wird der Plan nach dem Willen des Schuldners nicht in einem gerichtlichen Verfahren zur 94 Abstimmung gestellt, kann dieser gemäß § 47 StaRUG ebenfalls eine Vorprüfung durch das Restrukturierungsgericht beantragen. Gegenstand dieser Vorprüfung können neben (punktuellen) Fragen zur Bestätigung des Plans132) auch solche sein, die das Abstimmungsverfahren nach den §§ 17 – 22 StaRUG betreffen. Relevant könnten letztere Vorprüfungsfragen insbesondere bei Stimmrechtsstreitigkeiten sein. Auch insoweit gilt das zuvor Ausgeführte, siehe Rz. 93. Das Ergebnis der Vorprüfung hat das Gericht in einem Hinweisbeschluss zusammen zu 95 fassen, es hat keine Bindungswirkung für das weitere Verfahren.133) Allerdings hat das Gericht, wenn es später von seiner Rechtsauffassung abweichen will, rechtliches Gehör zu gewähren.134) 1.2.2.3

Stabilisierungsmaßnahmen

Zur Stabilisierung seiner Sanierungsbemühungen kann der Schuldner darüber hinaus beim 96 Restrukturierungsgericht für gestaltbare Forderungen (§§ 2 – 4 StaRUG) Vollstreckungsund Verwertungssperren gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger beantragen (§ 29 Abs. 2 Nr. 3, § 49 Abs. 2 StaRUG). Die Stabilisierungsanordnung ist vom Schuldner ihrem Inhalt, dem Adressatenkreis sowie der Dauer nach genau zu bezeichnen (§ 50 Abs. 1 ___________ 128) Vgl. dazu Kexel in: Graf-Schlicker, InsO, § 5 Rz. 5; Sternal in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 5 Rz. 18; Gerhardt in: Jaeger, InsO, § 5 Rz. 19. 129) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 39 Rz. 4. 130) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 131) Thole, ZIP 2020, 1985, 1994; Frind, NZI 2021, 609, 611. 132) Thole, ZIP 2020, 1985, 1994. 133) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 79. 134) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148.

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3. Teil Verfahren

StaRUG). Dem Antrag sind ein tagesaktueller Entwurf des Restrukturierungsplans oder des Konzepts für die Restrukturierung (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) sowie ein Finanzplan mit einer fundierten Darstellung der Finanzierungsquellen beizufügen, aus dem sich die Sicherstellung der Finanzierung für die nächsten sechs Monate ergibt (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). 97 Darüber hinaus hat der Schuldner zu erklären, ob und in welchem Umfang ein Verzug mit Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen, Steuerschuldverhältnissen sowie gegenüber Sozialversicherungsträgern und Lieferanten bestehen, ob und in welchen Verfahren in den letzten drei Jahren vor seinem Antrag Verwertungs- und Vollstreckungssperren nach dem StaRUG oder der InsO angeordnet wurden, außerdem ob er in diesem Zeitraum seine handelsrechtlichen Offenlegungspflichten erfüllt hat (§ 50 Abs. 3 StaRUG). 1.2.2.3.1 Vollständige und schlüssige Restrukturierungsplanung 98 Die Voraussetzungen für eine Stabilisierungsanordnung richten sich nach § 51 StaRUG. Erforderlich dafür ist zunächst, dass die Restrukturierungsplanung vollständig und schlüssig ist (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Schlüssig ist die Planung nach § 51 Abs. 2 Satz 2 StaRUG, wenn nicht offensichtlich ist, dass sich das Restrukturierungsziel nicht auf der Grundlage der in Aussicht genommenen Maßnahmen erreichen lässt. Der Begriff „offensichtlich“ signalisiert, dass der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt ist.135) Das Restrukturierungsgericht ist daher nur befugt, die Planung auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität zu überprüfen.136) Die fehlende Zielerreichung muss sich aus den vom Antragsteller einzureichenden Unterlagen und Erklärungen ergeben, sie muss für das Gericht ohne zusätzliche Ermittlungen und Nachforschungen zweifelsfrei erkennbar sein.137) Durch die Beschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes soll sichergestellt werden, dass eine Stabilisierungsanordnung, die zeitkritisch sein kann, nicht an langwierigen Prüfungen des Gerichts scheitert.138) 1.2.2.3.2 Kenntnis des Gerichts von negativen Umständen 99 Um zu verhindern, dass das Restrukturierungsgericht wider besseren Wissens eine Stabilisierungsanordnung erlassen muss, obwohl es Kenntnis von Umständen hat, die gegen eine Anordnung sprechen, bestimmen § 51 Abs. 1 Nr. 1 – 4 StaRUG negative Tatbestandsvoraussetzungen,139) und zwar: unzutreffende Angaben des Schuldners beim Restrukturierungsplan oder den Erklärungen nach § 50 Abs. 3 StaRUG; Aussichtslosigkeit der Restrukturierung wegen voraussichtlich fehlender Annahme oder Bestätigung des Plans; noch keine drohende Zahlungsunfähigkeit; fehlende Erforderlichkeit der Stabilisierungsanordnung zur Erreichung des Restrukturierungsziels. 100 Auch hier ist der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt.140) Das Restrukturierungsgericht hat die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 Nr. 1 – 4 StaRUG nur zu prüfen, wenn ihm insbesondere aus den vom Schuldner einzureichenden Unterlagen und Erklärungen, aber auch aus Äußerungen von Gläubigern Umstände bekannt sind, die Anlass dafür geben. Eine vorherige Anhörung der betroffenen Gläubiger sieht das Gesetz angesichts des Eilcharakters der Maßnahme nicht vor.141) Sie können aber die Aufhebung und Beendigung ___________ 135) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 39 Rz. 4. 136) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 155; Boss/Luttmann in: Morgen, StaRUG, § 51 Rz. 11 ff. 137) So im Ergebnis auch Vallender, ZRI 2021, 165, 169, unter Berufung auf die Entscheidung des BGH zu einem offensichtlichen Mangel im Patentrecht, BGH v. 29.6.1971 – X ZB 22/70 (Isomisierung), Rz. 25, juris. 138) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 155. 139) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 155. 140) Riggert in: Braun, StaRUG, § 51 Rz. 1, 5, 7; Vallender, ZRI 2021, 165, 169. 141) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 154; Riggert, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 40, 42; krit. dazu Müller, ZIP 2020, 2253, 2258.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

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der Stabilisierungsanordnung gemäß § 59 Abs. 2 StaRUG beantragen, wenn sie einen Beendigungsgrund glaubhaft machen (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 294 ZPO). Hat das Gericht Kenntnis von einer oder mehreren der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 – 4 StaRUG 101 aufgeführten Umstände, darf es eine Stabilisierungsanordnung nur erlassen, wenn es i. R. seiner Amtsermittlungspflicht diese negativen Tatbestandsvoraussetzungen ausgeräumt hat.142) Weist die Restrukturierungsplanung behebbare Mängel auf, kann das Gericht für 20 Tage eine Stabilisierungsanordnung erlassen und dem Schuldner aufgeben, die Mängel zu beseitigen (§ 51 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Liegen erhebliche Rückstände von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensions- 102 zusagen, Steuerschuldverhältnissen sowie gegenüber Sozialversicherungsträgern und Lieferanten vor oder hat der Schuldner mindestens in einem der drei letzten abgeschlossenen Geschäftsjahre seine handelsrechtlichen Offenlegungspflichten verletzt, kann eine Stabilisierungsanordnung nur erlassen werden, sofern trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten (§ 51 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). Das gilt auch, wenn zugunsten des Schuldners innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums bereits Vollstreckungs- und Verwertungssperren nach der InsO oder dem StaRUG angeordnet wurden, es sei denn dieser Anlass wurde durch eine nachhaltige Sanierung des Schuldners beseitigt. Hierzu hat das Restrukturierungsgericht sämtliche relevanten Umstände von Amts wegen zu ermitteln. Eine Stabilisierungsanordnung darf in diesen Fallkonstellationen nur ergehen, wenn das Restrukturierungsgericht i. R. der Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu der Überzeugung gelangt (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 286 ZPO), dass die Interessen der Gläubiger gewahrt sind.143) 1.2.2.3.3 Aufhebung Die Stabilisierungsanordnung ist gemäß § 59 Abs. 1 StaRUG vom Restrukturierungsge- 103 richt aufzuheben, wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Das wird unwiderleglich vermutet,144) wenn der Schuldner die Aufhebung beantragt (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens wegen Fristablaufs ihre Wirkung verliert (§ 59 Abs. 1 Nr. 2, § 31 Abs. 4 Nr. 4 StaRUG) oder das Gericht die Restrukturierungssache aufhebt (§ 59 Abs. 1 Nr. 2, § 31 Abs. 4 Nr. 3, § 33 StaRUG). In diesen Fällen ist kein Raum für amtswegige Ermittlungen, vielmehr hat das Gericht die Aufhebung der Stabilisierungsanordnung ohne nähere inhaltliche Prüfung auszusprechen.145) Das gilt auch, wenn der Schuldner die Auflage des Gerichts, den Entwurf eines Restrukturierungsplans vorzulegen, nicht fristgerecht erfüllt (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). Der Amtsermittlungsgrundsatz ist auch beim Aufhebungsgrund des § 59 Abs. 1 Nr. 4 104 StaRUG eingeschränkt. Das Gericht muss diesen Aufhebungsgrund erst prüfen, wenn es Umstände kennt, die darauf schließen lassen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Solche Umstände sind insbesondere anzunehmen, wenn die Restrukturierungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht oder wegen unzureichender Rechnungslegung und Buchführung nicht prüfbar ist. Sie können sich für das Gericht aus Berichten eines Restrukturierungsbeauftragten ergeben, der bei einem Antrag auf Anordnung einer Stabilisierungsmaßnahme, die sich gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten soll (§ 73 Abs. 1 ___________ 142) Vallender, ZRI 2021, 165, 169. 143) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 156 und Begr. RegE SanInsFoG z. InsO, S. 205. 144) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 159. 145) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 59 Rz. 7, 8 ff.

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3. Teil Verfahren

Nr. 2 StaRUG), zwingend zu bestellen ist, aber auch aus Informationen anderer an der Restrukturierungssache beteiligter Personen.146) Reichen diese Erkenntnisquellen für das Gericht nicht aus, um die Überzeugung zu gewinnen, dass die Interessen der Gläubiger in der Restrukturierungssache gewahrt oder nicht gewahrt bleiben, kann es weitere Ermittlungen von Amts wegen einleiten.147) 1.2.2.4

Bestätigung eines Restrukturierungsplans

105 Auf Antrag des Schuldners bestätigt das Restrukturierungsgericht den von den Planbetroffenen angenommenen Restrukturierungsplan (§ 60 Abs. 1 StaRUG). Die Voraussetzungen dafür sind als Versagungsgründe, also als negative Bestätigungserfordernisse ausgestaltet (§ 63 StaRUG).148) 1.2.2.4.1 Drohende Zahlungsunfähigkeit 106 Zu versagen ist die Bestätigung des Plans gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG, wenn der Schuldner nicht drohend zahlungsunfähig ist. Hat er vor seinem Antrag auf Planbestätigung keine anderen Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 – 3 StaRUG) in Anspruch genommen, ist das Restrukturierungsgericht im Bestätigungsverfahren des Plans erstmalig verpflichtet, das Vorliegen dieser Voraussetzung nach amtswegigen Ermittlungen festzustellen.149) 1.2.2.4.2 Inhalt, verfahrensmäßige Behandlung und Annahme des Plans 107 Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG hat das Restrukturierungsgericht von Amts wegen umfassend zu prüfen, ob der Inhalt des Plans, seine verfahrensmäßige Behandlung und die Abstimmung über den Plan in den wesentlichen Punkten150) den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Wesentliche, behebbare Mängel sind nur von Relevanz, wenn sie nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist behoben werden.151) § 63 Abs. 2 StaRUG wurde später eingefügt.152) Liegt ein Mangel über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans sowie über die Annahme des Plans durch die Planbetroffenen darin begründet, dass infolge einer unzutreffenden Bewertung des Unternehmens die Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung nach den §§ 26 bis 28 StaRUG nicht gegeben sind, so kann die Versagung der Bestätigung auf diesen Mangel nur gestützt werden, wenn ein hierdurch benachteiligter Planbetroffener dies beantragt. 108 Die Vorschrift orientiert sich an § 250 Nr. 1 InsO, der eine entsprechende Regelung zum Insolvenzplan vorsieht. Durch die Verweisung auf den Inhalt des Plans ist auch § 14 StaRUG zu ___________ 146) 147) 148) 149)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 160. Vallender, ZRI 2021, 165, 170; Riggert in: Braun, StaRUG, § 59 Rz. 5. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378 = ZIP 2021, 806, dazu EWiR 2021, 309 (Proske) und m. Anm. Thole, NZI 2021, 436; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 6; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 9; Vallender, ZRI 2021, 165, 170; Frind, NZI 2021, 609, 611; Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 615. 150) Der BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 54, ZIP 2018, 1141, 1147 = ZVI 2018, 272, 277, hat zum Insolvenzplan entschieden, dass ein wesentlicher Verstoß vorliegt, wenn es sich um einen Mangel handelt, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben kann. Der Mangel muss nicht feststehen, sondern es muss lediglich ernsthaft in Betracht kommen, dass der Mangel tatsächlich Einfluss auf die Annahme des Plans hatte. Vgl. dazu auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 17; Brackmann/Langer in: Morgen, StaRUG, § 63 Rz. 33. 151) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162. 152) Vgl. Art. 12 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1172.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

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beachten, der vorsieht, dass der Schuldner eine begründete Erklärung zur Herstellung der Bestandsfähigkeit des Unternehmens abzugeben hat (§ 14 Abs. 1 StaRUG),153) ferner dem Restrukturierungsplan – entsprechend der Regelung in § 229 Satz 2 und 3 InsO – eine Vermögensübersicht für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Plans sowie ein Ergebnis- und Finanzplan beizufügen sind. Diese haben auszuweisen, welche Aufwendungen und Erträge für den Zeitraum der Befriedigung der Gläubiger zu erwarten sind und wie die Zahlungsfähigkeit des Schuldners in diesem Zeitraum gesichert werden soll (§ 14 Abs. 2 StaRUG). Das Gericht hat i. R. seiner Amtsermittlungsplicht sämtliche rechtlichen Gesichts- 109 punkte umfassend zu prüfen, also z. B., ob die gesetzlichen Bestimmungen über das Vorlagerecht, den Inhalt des Plans (gestaltbare Rechtsverhältnisse nach § 2 StaRUG, Vergleichsrechnung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 StaRUG, Auswahl der Planbetroffenen nach § 8 StaRUG, Bildung von Gruppen nach § 9 StaRUG) beachtet sind, ferner, ob der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans für die unmittelbare Gestaltungswirkung und die Vollstreckbarkeit bestimmt genug ist, ob die Informationen im darstellenden Teil für die Entscheidung der Beteiligten und des Gerichts ausreichen und ob die Plananlagen vollständig sind.154) Andererseits ist aber bei der Überprüfung auch die Entscheidungskompetenz der Gläubiger 110 über den Restrukturierungsplan bestmöglich zu wahren.155) Deswegen ist die Prüfung des Gerichts hinsichtlich der Sicherung oder Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des Unternehmens gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 StaRUG auf die Frage der schlüssigen Darlegungen des Schuldners hierzu beschränkt. Gemäß § 51 Abs. 2 StaRUG kommt es insoweit darauf an, ob das Ziel, die Bestandsfähigkeit zu sichern oder wieder herzustellen, offensichtlich nicht erreicht werden kann.156) Sieht der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung vor, ist die Bestätigung zu ver- 111 sagen, wenn das dem Plan zugrunde liegende Restrukturierungskonzept unschlüssig ist oder Umstände bekannt sind, dass es auf unzutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten beruht, oder keine Aussicht auf Erfolg vermittelt (§ 63 Abs. 3 StaRUG)157). Die Begriffe „unschlüssig“ und „Umstände bekannt“ verdeutlichen, dass auch hier der Amtsermittlungsgrundsatz des Restrukturierungsgerichts eingeschränkt ist.158) Unschlüssig ist das ___________ 153) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 13; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 19. 154) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 11; Vallender, MDR 2021, 201, 205; AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473, 474 = ZIP 2021, 1354, 1355; vgl. zu Vorlage und Inhalt des Insolvenzplans nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. Ü. BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, 9, ZIP 2015, 1346. 155) Vgl. zum Insolvenzplan BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZIP 2015, 1346; Skauradszun in: BeckOKStaRUG, § 63, Rz. 45, führt das darauf zurück, dass die Planbetroffenen bei der Abstimmung über den Plan mehrheitlich der Auffassung waren, die Gestaltungen des Plans seien marktkonform. Röper/ Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1045, sehen ein Mehrheitsvotum nur als Indiz an. 156) Zur inhaltlich gleichlautenden Vorschrift des § 231 Abs. 1 Nr. 2 BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZIP 2015, 1346; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378 = ZIP 2021, 806, dazu EWiR 2021, 309 (Proske) und m. Anm. Thole, NZI 2021, 436; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 13 ff., der § 63 Abs. 1 Nr. 3 lediglich klarstellende Funktion beimisst und die Sicherung der Bestandsfähigkeit schon i. R. des § 63 Abs. 1 Nr. 2 mit der inhaltlichen Verweisung auf § 14 prüfen will. 157) Durch Art. 12 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166, 1172, ist die zunächst in § 63 Abs. 2 StaRUG eingestellte Regelung in Abs. 3 verschoben worden. 158) Im Ergebnis auch Frind, NZI 2021, 609, 612; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 22; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 45. Krit. zu diesem Prüfungsmaßstab im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019, Jungmann, WM 2022, 353, 356.

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3. Teil Verfahren

Konzept nach § 51 Abs. 2 StaRUG, wenn offensichtlich ist, dass sich das Restrukturierungsziel nicht erreichen lässt. Die fehlende Zielerreichung muss sich aus den vom Antragsteller einzureichenden Unterlagen und Erklärungen ergeben, sie muss für das Gericht ohne zusätzliche Ermittlungen und Nachforschungen zweifelsfrei erkennbar sein.159) Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten muss das Gericht nur tätig werden, wenn ihm solche Umstände bekannt werden, es hat diese nicht von Amts wegen zu ermitteln, also von sich aus dazu anlasslos Nachforschungen anzustellen.160) 112 Von Amts wegen hat das Gericht dagegen die Voraussetzungen des § 63 Abs. 5 StaRUG161) zu prüfen, ob die Annahme des Restrukturierungsplans unlauter herbeigeführt worden ist, denn aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Hinweise auf eine Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG.162) 113 Nach § 64 Abs. 1 StaRUG ist zum Zwecke des Minderheitenschutzes die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er ohne den Plan stünde. Die Prüfungspflicht des Restrukturierungsgerichts setzt aber nicht von Amts wegen ein, sondern nur auf Antrag eines Planbetroffenen.163) Der Antrag ist bei einer außergerichtlichen Abstimmung nur zulässig, wenn der Antragsteller gegen den Plan gestimmt hat, noch vor der Abstimmung dem Plan widersprochen und seine Schlechterstellung geltend gemacht hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 StaRUG).164) Ist die Abstimmung über den Plan in einem gerichtlichen Termin erfolgt, hat der Antragsteller spätestens in diesem Termin seine Schlechterstellung glaubhaft zu machen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). In beiden Fällen hat er sich substantiiert mit der vom Schuldner vorgelegten Vergleichsrechnung (§ 6 Abs. 2 StaRUG) auseinanderzusetzen,165) ggf. eigene Berechnungen anzustellen und darzulegen, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird.166) Bei seinen Vergleichsberechnungen hat er das nächstbeste Alternativszenario zugrunde zu legen, also zunächst Fortführungsszenarien, erst wenn diese ausgeschlossen sind, kommt die Liquidation der Vermögenswerte des Unternehmens in Betracht.167) 114 Glaubhaft gemacht sind die Behauptungen zur Schlechterstellung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutreffen.168) Als Mittel der Glaubhaftmachung kann der Antragsteller sich aller präsenten Beweismittel bedienen (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 294 ZPO).169) Das Restrukturierungsgericht hat sich darauf zu beschränken, ___________ 159) So im Ergebnis auch Vallender, ZRI 2021, 165, 169; BGH zu einem offensichtlichen Mangel im Patentrecht, BGH v. 29.6.1971 – X ZB 22/70 (Isomisierung), Rz. 25, juris. 160) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 22. Nicht gefolgt werden kann Frind, NZI 2021, 609, 612, der auch in einem solchen Fall die Möglichkeit einer Internetrecherche bejaht. 161) Durch Art. 12 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166, 1172, ist die zunächst in § 63 Abs. 4 StaRUG eingestellte Regelung in Abs. 5 verschoben worden. 162) Vgl. zum § 250 Nr. 2 InsO, der eine inhaltsgleiche Regelung enthält, Sinz in: MünchKomm-InsO, § 250 Rz. 60. 163) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 38. 164) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 46 ff. 165) Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 20. 166) Fiebig, ZRI 2021, 561, 565; Fendel in: Braun, StaRUG, § 64 Rz. 13; Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 19. 167) Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 19; Langer/Wolff in: Morgen, StaRUG, § 64 Rz. 44 ff.; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 16; Jungmann/Zündel, ZRI 2022, 89, 92, gehen von sechs Alternativszenarien aus. 168) BGH v. 27.9.2016 – XI ZB 12/14, Rz. 12, NJW-RR 2017, 308, 309. 169) Fiebig, ZRI 2021, 561, 565; Fendel in: Braun, StaRUG, § 64 Rz. 13.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

§8

die glaubhaft gemachten Angaben des Antragstellers zu prüfen und gemäß § 38 Satz 1 StaRUG, § 286 ZPO zu würdigen.170) 1.2.3 Aufhebung der Restrukturierungssache 1.2.3.1

Aufhebungsgründe nach § 33 Abs. 1 StaRUG

Das Restrukturierungsgericht hat die Restrukturierungssache von Amts wegen aufzu- 115 heben, wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag stellt oder über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG); es unzuständig ist und ein Verweisungsantrag nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist gestellt oder die Restrukturierungsanzeige (§ 31 StaRUG) zurückgenommen wurde (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), ferner, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen seine Mitwirkungs- und Auskunftspflichten verstößt (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). 1.2.3.1.1 Insolvenzantrag des Schuldners oder Insolvenzeröffnung Die Frage der Insolvenzantragstellung oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat 116 das Gericht nicht von Amts wegen zu ermitteln. Vielmehr ist der Schuldner gemäß §§ 32 Abs. 2 Satz 1, 39 Abs. 2 StaRUG verpflichtet, dies dem Restrukturierungsgericht mitzuteilen. Ist dem Gericht die Insolvenzantragstellung durch den Schuldner – ein Gläubigerantrag genügt nicht – oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt, hat es das Restrukturierungsverfahren aufzuheben, ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu.171) 1.2.3.1.2 Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts Seine Zuständigkeit hat das Restrukturierungsgericht im Falle des § 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG 117 dagegen von Amts wegen zu ermitteln, und zwar bereits im Zeitpunkt der Restrukturierungsanzeige (siehe dazu Rz. 81 ff.), ebenso die Rücknahme der Restrukturierungsanzeige. 1.2.3.1.3 Schwerwiegende Verletzungen der Mitwirkungs- und Auskunftserteilungspflichten Schwerwiegende Verletzungen der Mitwirkungs- und Auskunftserteilungspflichten nach 118 § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG hat das Restrukturierungsgericht nicht von Amts wegen zu ermitteln. Zwar geht dies aus dem Wortlaut der Norm – anders als in § 33 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG, der speziell die Pflichtverletzungen nach § 32 StaRUG sanktioniert – nicht hervor. Jedoch spricht die Gesamtkonzeption des StaRUG, das Restrukturierungsgericht nur zurückhaltend einzubinden, dafür, dass keine proaktive Überwachung des Schuldners stattfindet, sondern eine Aufhebung der Restrukturierungssache nur erfolgen soll, wenn dem Gericht Umstände bekannt werden, dass entsprechende Pflichtverletzungen vorliegen.172) Erst danach setzt die Amtsermittlungspflicht ein. 1.2.3.2

Aufhebungsgründe nach § 33 Abs. 2 StaRUG

Bei den Aufhebungsgründen nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 – 3 StaRUG ist der Amtsermittlungs- 119 grundsatz ebenfalls eingeschränkt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrif___________ 170) BGH v. 27.9.2016 – XI ZB 12/14, Rz. 12, NJW-RR 2017, 308, 309; Fendel in: Braun, StaRUG, § 64 Rz. 13. 171) Thole, ZIP 2020, 1985, 1993; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 5; krit. zu dieser Beendigungsnotwendigkeit Haarmeyer/Lissner/Rombach, ZInsO 2021, 368, 370. 172) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 20; Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 13; wohl auch Vallender, ZRI 2021, 165, 172; vgl. dazu auch Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139.

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§8

3. Teil Verfahren

ten, die darauf abstellen, dass für ein Tätigwerden des Gerichts „Umstände bekannt“ sein müssen. 1.2.3.2.1 Insolvenzreife 120 Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG muss der Schuldner seine Insolvenzreife anzeigen oder das Gericht muss diese aus anderen Umständen, z. B. aus Mitteilungen von Gläubigern,173) herleiten können. Es hat also nicht anlasslos alle Umstände zu ermitteln, die für eine Insolvenzreife des Schuldners sprechen könnten.174) Werden solche Umstände dem Gericht jedoch bekannt, hat es von Amts wegen zu ermitteln, ob der Schuldner tatsächlich insolvent ist.175) 121 Ausnahmsweise kann das Gericht in diesem Fall von einer Aufhebung der Restrukturierungssache absehen, wenn aufgrund des erreichten Stands in dieser Sache – z. B. die Bestätigung des bereits angenommenen Restrukturierungsplans unmittelbar bevorsteht176) – diese Maßnahme offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde. Auch hier ist der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt, wie der Prüfungsmaßstab „offensichtlich“ verdeutlicht. „Offensichtlichkeit“ bedeutet, dass das Gericht das Interesse der Gläubiger an der Fortführung des Restrukturierungsverfahrens in der Gesamtschau ohne allumfassende, intensive Prüfung erkennt.177) 122 Von der Aufhebung der Restrukturierungssache kann das Gericht auch absehen, wenn die Insolvenzreife des Schuldners aus der Fälligkeit einer Forderung resultiert, die durch den Restrukturierungsplan neu gestaltet werden soll und das Erreichen des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 3 StaRUG). Es ist also nicht die volle Überzeugung des Restrukturierungsgerichts für die Zielerreichung notwendig (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 286 ZPO), vielmehr reicht es aus, dass das Gericht dafür mehr greifbare Ansatzpunkte sieht als für das Scheitern.178) 1.2.3.2.2 Aussichtslosigkeit des Restrukturierungsvorhabens 123 Auch im Falle des § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG ist der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt. Das Restrukturierungsgericht darf seine Ermittlungstätigkeit nur nach einer Anzeige des Schuldners gemäß § 32 Abs. 4 StaRUG aufnehmen oder wenn es aus anderen Umständen schließen kann, dass Zweifel am Erfolg des Restrukturierungsvorhabens bestehen, z. B. weil zahlreiche Planbetroffene deutlich machen, dass sie dem Plan nicht zustimmen,179) oder die Erwartungen an eine positive wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens sich nicht erfüllen.180) ___________ 173) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 33 Rz. 14. 174) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 27; Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 18; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 33 Rz. 38; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 33 Rz. 6. 175) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 33 Rz. 16. 176) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 29. Das AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, Rz. 35, NZI 2021, 893, stellt darauf ab, dass der Vorprüfungstermin bereits stattgefunden hat und die streitigen Fragen im Wesentlichen ausgeräumt wurden. 177) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 29. 178) Im Ergebnis ebenso Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 33 Rz. 47; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 30. 179) Eine ablehnende Haltung bei gleichzeitiger Verhandlungsbereitschaft reicht nicht, vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. 180) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 33.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze

§8

1.2.3.2.3 Schwerwiegende Pflichtverletzungen nach § 32 StaRUG Die Vorschrift des § 32 StaRUG normiert die Grundpflichten des Schuldners in einer Re- 124 strukturierungssache (Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers, Mitteilung von Änderungen während der Restrukturierung, Anzeige der Insolvenzreife und der fehlenden Realisierbarkeit der Restrukturierung). Nur schwerwiegende Pflichtverletzungen rechtfertigen eine Aufhebung. Solche Pflichtverletzungen hat das Restrukturierungsgericht ebenfalls nicht anlasslos zu ermitteln, ihm obliegt keine Aufsichtspflicht gegenüber dem Schuldner.181) Vielmehr darf es erst tätig werden, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte bekannt werden, die einen schwerwiegenden Pflichtverstoß begründen. 1.2.3.2.4 Sperrwirkung durch frühere Restrukturierungssache Die Regelungen in § 33 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG enthalten eine in Aufhebungsgründe ge- 125 kleidete nachträgliche Zugangssperre zum gerichtlichen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen,182) wenn der Schuldner in einer früheren Restrukturierungssache183) bereits eine Stabilisierungsanordnung oder Planbestätigung erwirkt hat (§ 33 Abs. 2 Nr. 4a StaRUG), er zuvor ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchlaufen hat (§ 33 Abs. 2 Nr. 4 Satz 4 StaRUG) oder die frühere Restrukturierungssache wegen schwerwiegender Pflichtverstöße des Schuldners aufgehoben wurde (§ 33 Abs. 2 Nr. 4b StaRUG). Diese Voraussetzungen hat das Restrukturierungsgericht von Amts wegen zu ermitteln. Eine Aufhebung der Restrukturierungssache hat bei Vorliegen dieser Voraussetzungen 126 dennoch zu unterbleiben, wenn in der früheren Restrukturierungssache eine nachhaltige Sanierung des Schuldners gelungen ist (§ 33 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Eine nachhaltige Sanierung ist im Zweifel zu verneinen, wenn seit dem Ende des Anordnungszeitraumes der Stabilisierungsanordnung oder der Entscheidung über den Antrag auf Planbestätigung in der früheren Restrukturierungssache weniger als drei Jahre vergangen sind (§ 33 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Hierbei handelt es sich um eine Regelvermutung,184) die der Schuldner zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 286 ZPO) widerlegen kann, z. B. durch den Nachweis nicht vorhersehbarer Ereignisse wie z. B. eine Pandemie oder eine Naturkatastrophe, die neuen Restrukturierungsbedarf ausgelöst haben.185) Sind drei Jahre und mehr vergangen, spricht zunächst eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Sanierung nachhaltig war.186) Nur wenn das Restrukturierungsgericht anhand der vorgelegten Unterlagen oder aus sonstigen Umständen Zweifel an der Nachhaltigkeit hat, kann es diesen i. R. seiner Amtsermittlungspflicht weiter nachgehen. 2.

Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung und anderer Verfahrensvorschriften

Das StaRUG beinhaltet – wie bereits dargelegt (siehe Rz. 74) – kein eigenständiges, ab- 127 schließendes Verfahrensrecht. Um sicherzustellen, dass ein umfassendes Verfahrensrecht zur Verfügung steht, auf das bei Fehlen konkreter Regelungen oder Zweifelsfragen zurück___________ 181) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 33 Rz. 24. 182) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 41. 183) Für die Annahme von Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 45, dass es sich im Wesentlichen um dasselbe Restrukturierungsverfahren handeln muss, bietet der Wortlaut der Norm „frühere Restrukturierungssache“ keine Grundlage. 184) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139. 185) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139; krit. zum unvorhergesehenen Ereignis Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 49. 186) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 50.

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§8

3. Teil Verfahren

gegriffen werden kann,187) ordnet § 38 Satz 1 StaRUG – ebenso wie im Insolvenzverfahren § 4 InsO – die entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO an, allerdings nur soweit nicht die Bestimmungen des StaRUG entgegenstehen. 128 § 38 Satz 2 StaRUG stellt durch die ausdrückliche Verweisung auf § 128a ZPO klar, dass sich auch das Restrukturierungsgericht bei Versammlungen und Terminen der Videokonferenztechnik bedienen kann. Um der Vertraulichkeit in nicht-öffentlichen Terminen Rechnung zu tragen und einem strafbaren Handeln nach § 201 StGB entgegenzuwirken,188) hat es die Beteiligten in der Ladung darauf hinzuweisen, dass heimliche Ton- und Bildaufzeichnungen unzulässig sind, und die Nichtteilnahme Dritter durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen ist. 129 Die Regelung in § 38 StaRUG zur entsprechenden Anwendung der ZPO ist nicht abschließend, auch andere verfahrensrechtliche Vorschriften, z. B. nach dem GVG, können analoge Anwendung finden, sofern die Voraussetzungen vorliegen.189) 2.1

Entsprechende Anwendung der ZPO

130 Da sich das modular, weitgehend an dem Willen des Schuldners ausgerichtete und zum Teil privatautonom ausgestaltete Restrukturierungsverfahren von dem kontradiktorischen Charakter der ZPO deutlich unterscheidet, bestimmt § 38 Satz 1 StaRUG zu Recht nur eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO, es sei denn, einzelne Regelungen, wie z. B. § 39 Abs. 3 Satz 2, § 40 Abs. 1, § 76 Abs. 6 Satz 3 StaRUG bestimmen etwas anderes. 131 Im Wesentlichen sind folgende Regelungen der ZPO dem Grunde nach, aber teils mit Besonderheiten anwendbar: 

Vorschriften über den allgemeinen Gerichtsstand (§§ 13 – 19 ZPO, anwendbar über § 35 StaRUG);190)



Bestimmung des zuständigen Gerichts bei Zuständigkeitskonflikten (§§ 36, 37 ZPO);191)



Ablehnung und Ausschließung von Gerichtspersonen (§§ 41 – 49 ZPO),192) gilt nicht für den Restrukturierungsbeauftragten;193)



Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit, (§§ 50 ff. ZPO, wobei der Parteifähigkeit des Schuldners nach § 50 ZPO die Restrukturierungsfähigkeit nach § 30 StaRUG vorgeht);194)



Vertretung durch Verfahrensbevollmächtigte und Beistände (§§ 78 – 90, 157 ZPO), wobei weder vor dem Restrukturierungsgericht (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) noch vor dem Beschwerdegericht (§§ 78 Abs. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), wohl aber im Verfahren der Rechtsbeschwerde vor dem BGH (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO) Anwaltszwang gilt;195)

___________ 187) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 142. 188) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 143. 189) Baumert in: Braun, StaRUG, § 38 Rz. 12; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 92; Pannen in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 11. 190) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 8. 191) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 10; Baumert in: Braun, StaRUG, § 38 Rz. 5. 192) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 11; Baumert in: Braun, StaRUG, § 38 Rz. 6. Zur Geltung dieser Vorschriften im Insolvenzverfahren BGH v. 15.7.2004 – IX ZB 280/03, ZVI 2004, 753; BGH v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, Rz. 18, ZIP 2007, 548, 549, dazu EWiR 2007, 341 (Römermann). 193) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 12; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz 1; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 6; vgl. zum Insolvenzverwalter und Gutachter, BGH v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, Rz. 20 ff., ZIP 2007, 548, 550, dazu EWiR 2007, 341 (Römermann). 194) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 14. 195) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 17.

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Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahrensgrundsätze   

   

  

§8

Verfahrenskosten (§§ 91 ff. ZPO, soweit eine kontradiktorische Verfahrenssituation gegeben ist);196) Verfahrenskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO, nicht für den Schuldner, aber z. B. für Planbetroffene);197) Mündlichkeitsprinzip (§ 128 ZPO), allerdings mit Sonderregelungen in § 39 Abs. 3 Satz 1 StaRUG und ohne Terminverlegungspflicht während der Monate Juli und August (§ 39 Abs. 3 Satz 2 StaRUG, § 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO); Sondervorschriften enthält das StaRUG auch für Termine nach §§ 45, 46, 61 Satz 2 StaRUG,198) die als Präsenztermine, ggf. auf elektronischem Wege durchzuführen sind; Prozessleitung (§§ 136 – 144 ZPO);199) Protokollierung (§§ 156 – 165, 496, 510a ZPO),200) ergänzt durch § 45 StaRUG, § 239 InsO; §§ 46 Abs. 2, 48 Abs. 2 Satz 1 StaRUG;201) Zustellungen (§§ 166 ff. ZPO), mit Modifikationen durch §§ 41, 76 Abs. 6 Satz 3 StaRUG;202) Fristen, Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis (§§ 217, 222, 224 Abs. 2, 225, 233 ff.203) ZPO), mit Besonderheiten zu den Ladungsfristen in §§ 45 Abs. 1 Satz 2, 46 Abs. 1 Satz 4, 48 Abs. 2 Satz 3, 61 Satz 3 StaRUG; Verweisung bei Unzuständigkeit (§ 281 ZPO), modifiziert durch § 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG204) und § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3d Abs. 1 Satz 1 InsO;205) Beweiswürdigung, Glaubhaftmachung (§§ 286, 287, 291, 294 ZPO);206) Akteneinsicht (§ 299 ZPO) für Schuldner, Planbetroffene, Restrukturierungsbeauftragte, für Dritte nur, bei Zustimmung der Beteiligten oder wenn ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht wird;207)

___________ 196) LG Dresden v. 1.7.2021 - 5 T 363/21, Rz. 12, ZRI 2021, 868, 869; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 18 ff.; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 27; a. A. Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 6, der auf den Vorrang der §§ 80 – 83 StaRUG abstellt, die aber nur für die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten gelten, nicht aber die Frage der Kosten des Schuldners (vgl. dazu § 25a GVG) und der Planbetroffenen regelt. 197) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 27; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 12; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 34 ff. 198) A. A. Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 29, der diese Termine als Versammlungen der Verfahrensbeteiligten bezeichnet. 199) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 34. Zur Hinweispflicht nach § 139 ZPO vgl. AG Hamburg v. 17.1.2022 - 61c RES 1/21, Rz. 11, NZI 2022, 434, vor Anzeige der Rechtshängigkeit, dazu krit. Mock, NZI 2022, 436. Dazu auch Körner/Rendels, EWiR 2022, 439 (Urteilsanm.) und Wilke, jurisPR-InsR 14/2022 Anm. 1. 200) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 38; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 41. 201) Zu § 164 ZPO im Insolvenzverfahren vgl. BGH v. 24.11.2016 – IX ZB 4/15, Rz. 7, ZIP 2017, 386, 387, dazu EWiR 2017, 213 (Ahrens); für die Anwendbarkeit des § 164 ZPO ebenfalls Kramer in: BeckOKStaRUG, § 38 Rz. 38. 202) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 39. 203) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 47; vgl. zur Wiedereinsetzung im Insolvenzverfahren BGH v. 17.6.2010 – IX ZB 37/10, Rz. 3, ZInsO 2010, 1499. 204) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 57. 205) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 51. 206) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 59 – 61. 207) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 64; vgl. zur Akteneinsicht im Insolvenzverfahren: BGH v. 15.10.2020 – IX AR (VZ) 2/19, Rz. 10, ZIP 2020, 2519, 2520 = ZRI 2021, 36, 37 (Dritte); BGH v. 7.5.2020 – IX ZB 56/19, Rz. 6 ff., ZRI 2020, 360, 361 = ZIP 2020, 1138; zum Unterschied zwischen Akteneinsicht und Erteilung einer anonymisierten Abschrift BGH v. 25.3.2021 – IX AR (VZ) 1/19, Rz. 13 ff., ZRI 2021, 488, 489 = ZIP 2021, 1173, 1174. Zu § 38 StaRUG, § 299 ZPO s. a. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2585, der ein Akteneinsichtsrecht Dritter in einer nicht-öffentlichen Restrukturierungssache verneint, ebenso Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 64. Für ein Recht Dritter auf Akteneinsicht Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 13.

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§8

3. Teil Verfahren



Berichtigung (§§ 319 f. ZPO) bei einer gerichtlichen Entscheidung;208)



Gehörsrüge (§ 321a ZPO);209)



Rechtskraftwirkung (§§ 322 ff. ZPO);210)



Beschlüsse (§ 329 ZPO);211)



Beweisaufnahme (§§ 355 ff. ZPO);212)



sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde (§§ 567 ff., 574 ff. ZPO) mit Modifikation durch § 40 StaRUG (Beschränkung der Rechtsmittel, Beginn der Beschwerdefrist, Eintritt der Rechtskraft);213)



Wiederaufnahme (§§ 578 ff. ZPO, soweit ein urteilsvertretender Beschluss ergangen ist);214)



Klauselerteilung, Vollstreckungsschutzanträge, Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung215) (§ 71 StaRUG, §§ 724 ff., 765a, 775 ZPO);216)



Vollstreckungserinnerung, Vollstreckungsabwehrklage (§ 71 StaRUG, §§ 766, 767 ZPO);217)



Pfändungsschutzvorschriften (§§ 811, 850 – 852 ZPO).218)

2.2

Entsprechende Anwendung des GVG

132 Aus dem GVG finden im Wesentlichen die Vorschriften über die Geschäftsverteilung gemäß §§ 21e GVG Anwendung, allerdings unter Berücksichtigung der Regelung in § 36 StaRUG, die – abweichend von der richterlichen Selbstverwaltung bei der Geschäftsverteilung – gesetzlich festlegt, dass diejenige Abteilung des Amtsgerichts für Restrukturierungssachen zuständig bleibt, die als erste eine Entscheidung in dieser Sache getroffen hat. Ebenso sind die Vorschriften über den Richter am AG (§ 22 GVG), die Rechtshilfe (§§ 156 ff. GVG), die Sitzungspolizei (§§ 176 ff. GVG) sowie die Gerichtssprache (§§ 184 ff. GVG) anwendbar.219)

___________ 208) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 71; Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2585; vgl. auch BGH v. 24.11.2016 – IX ZB 4/15, Rz. 8, ZIP 2017, 386, 387, zum Unterschied zwischen der Berichtigung bei gerichtlichen Entscheidungen und einer Protokollberichtigung. 209) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 72; Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2585. 210) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 86; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 73 – 75; vgl. zu den Folgen der Rechtskraft BGH v. 5.8.2002 – IX ZB 51/02, Rz. 8, ZIP 2002, 1695, 1696. 211) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 85; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 76. 212) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 78. 213) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 79. 214) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 38 Rz. 90; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 80; vgl. zur Geltung der Wiederaufnahmevorschriften im Insolvenzverfahren BGH v. 2.2.2006 – IX ZB 279/04, Rz. 8, ZIP 2006, 587, 588. 215) Dazu Skauradszun, KTS 2019, 161, 176. 216) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 82 – 84; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 9. 217) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 87, 88. 218) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 89; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 9. 219) Baumert in: Braun, StaRUG, § 38 Rz. 12; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 92; Pannen in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 11.

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§9 Anordnungsvoraussetzungen Holzer

I. Allgemeines ................................................. 1 II. Materielle Voraussetzungen ...................... 2 1. Drohende Zahlungsunfähigkeit .................. 2 1.1 Gleichlauf mit § 18 Abs. 2 InsO ...... 2 1.2 Zeitpunkt ......................................... 5 1.3 Nachweis.......................................... 6 2. Keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ............................................. 9 2.1 Allgemeines...................................... 9

2.2 Zahlungsunfähigkeit...................... 11 2.3 Überschuldung .............................. 13 2.4 Ausnahmen .................................... 15 III. Formelle Voraussetzungen ...................... 16 IV. Exkurs: Voraussetzungen für Instrumente des StaRUG ............................................... 17

Literatur: Balthasar, Allgemeine Zugangsvoraussetzungen zu den Restrukturierungselementen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), BB 2021, 66; Fiebig, StaRUG – eine Auswertung der ersten praktischen Fälle, ZRI 2021, 561; Frind, Das „plötzliche“ StaRUG-Verfahren – Probleme und Verwendungsgrenzen, ZInsO 2021, 1093; Pluta, Insolvenzgründe im Kontext von StaRUG und InsO, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 22; Schelo, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), WM 2021, 513; Schülke, Überwindung der Krise: Die Restrukturierung mit dem neuen StaRUG – ein Überblick, DStR 2021, 621; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Teil 1), ZInsO 2020, 2579.

I.

Allgemeines

Wie bereits im Zusammenhang mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens ausge- 1 führt (siehe Holzer, HRI I, § 7 Rz. 1), bietet das StaRUG1) dem Schuldner einen „modularen“ Verfahrensrahmen an, dessen Elemente jeweils einzeln in Anspruch genommen werden können, wenn dies als zweckmäßig erscheint.2) Das Verfahren nach dem StaRUG ist deshalb nur mit geringen Förmlichkeiten ausgestaltet (siehe dazu Holzer, HRI I, § 7 Rz. 2), was sich in der niederschwelligen Anzeigemöglichkeit des § 31 Abs. 1 und 2 StaRUG niederschlägt. Die Anzeige eröffnet indes den Weg zu einem Restrukturierungsplan, der u. U. stark in die Rechtsstellung der Gläubiger eingreift. Aus diesem Grund ist es trotz des erleichterten Zugangs zum Restrukturierungsverfahren notwendig, gewisse materielle Voraussetzungen aufzustellen, die den Zugang zu diesem Verfahren steuern und gleichzeitig mögliche Eingriffe in die materielle Rechtsposition der Gläubiger sowie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 15b InsO legitimieren.3) Unter welchen Voraussetzungen der Zugang zum Restrukturierungsverfahren eröffnet ist, ergibt sich aus § 29 Abs. 1 StaRUG, von dem in diesem Kapitel die Rede sein soll.

___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 89. 3) Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18.

Holzer

239

§9

3. Teil Verfahren

II.

Materielle Voraussetzungen

1.

Drohende Zahlungsunfähigkeit

1.1

Gleichlauf mit § 18 Abs. 2 InsO

2 § 29 Abs. 1 StaRUG fordert als materielle Voraussetzung4) des Zugangs zum Restrukturierungsverfahren das Vorliegen einer drohenden (und daher noch nicht eingetretenen!) Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 Abs. 2 InsO. Als Konsequenz des durch das StaRUG zur Verfügung gestellten „modularen“ Verfahrensrahmens (dazu Holzer, HRI I, § 7 Rz. 1) ist die drohende Zahlungsunfähigkeit zwar nicht als allgemeine Voraussetzung des Zugangs zum Restrukturierungsverfahren festgeschrieben; jedoch wird die drohende Zahlungsunfähigkeit an mehreren Stellen des Gesetzes als Voraussetzung des Zugangs zu einzelnen Modulen genannt (§§ 14 Abs. 1, 29 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 3, 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine allgemeine Zulassungsvoraussetzung handelt.5) Befindet sich der Schuldner noch im Vorfeld der drohenden Zahlungsunfähigkeit, ist ihm der Zugang zum Restrukturierungsverfahren verwehrt.6) Ihm bleibt nur die bisher schon praktizierte außergerichtliche Sanierung, die allerdings durch die §§ 4 ff. StaRUG unterstützt wird (siehe Bork, HRI I, § 1 Rz. 42 ff.). 3 Die Möglichkeit der nachhaltigen Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist hingegen keine Voraussetzung des Zugangs zum Restrukturierungsverfahren, sondern dessen (erwünschtes) Ziel.7) Der Begriff der „nachhaltigen Beseitigung“ hat mithin die Bedeutung einer Zielbestimmung ohne Rechtsfolge und dient lediglich als Auslegungshilfe für einige Regelungen des StaRUG (Bork, HRI I, § 1 Rz. 21). 4 Eine drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 Abs. 2 InsO liegt dann vor, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Schuldner innerhalb eines Prognosezeitraums von in der Regel 24 Monaten nicht in der Lage sein wird, seinen fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen.8) Angesichts der eindeutigen Stellungnahme des Gesetzgebers besteht kein Anlass für eine andere Interpretation § 18 InsO. Das AG Köln9) hat zu Recht festgestellt, dass i. R. der Prüfung einer Anzeige nach dem StaRUG auf dieselben Prognosekriterien abzustellen ist wie i. R. der Überschuldungsprüfung nach § 19 Abs. 1 InsO. Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit muss überwiegend wahrscheinlich sein, dass die Zahlungsunfähigkeit auch tatsächlich eintreten wird. Die bloße Möglichkeit einer Existenzgefährdung des Schuldners ist damit nicht ausreichend. Der Gleichlauf des Begriffs der drohenden Zahlungsunfähigkeit in StaRUG und InsO entspricht Sinn und Zweck des Restrukturierungsverfahrens, weil der Schuldner durch Aufweichung der Zugangshürden ohne weitere Voraussetzungen in den Genuss der durch das StaRUG zur Verfügung gestellten Hilfen kommen würde. Da eine Existenzgefährdung von Unternehmen niemals ganz ausgeschlossen werden kann, wäre ohne das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit eine sachgerechte Abwägung zwischen den Interessen des Schuldners und den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Gläubiger nicht möglich.10)

___________ 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)

240

Begr. RegE SanInsFoG z. § 31 Abs. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 132. Pluta, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 22, 23. Gehrlein, BB 2021, 66, 71. Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18. Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. Fiebig, ZRI 2021, 561, 566.

Holzer

§9

Anordnungsvoraussetzungen 1.2

Zeitpunkt

Das StaRUG enthält keine ausdrückliche Regelung dazu, zu welchem Zeitpunkt die dro- 5 hende Zahlungsunfähigkeit vorliegen muss. Da der Schuldner gemäß § 14 Abs. 1 StaRUG in dem Restrukturierungsplan darzulegen hat, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit durch die gewählten Instrumente beseitigt werden kann, muss diese bereits zum Zeitpunkt der Anzeige vorliegen.11) Es reicht deshalb nach der Systematik des Gesetzes nicht aus, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit (möglicherweise) erst im Laufe des Verfahrens eintreten kann (siehe dazu unten Rz. 9). Darüber hinaus wäre es nicht gerechtfertigt, die Gläubiger mit Eingriffen in ihre durch Art. 14 Abs. 1 geschützten Rechte zu belasten, wenn die Zugangsvoraussetzungen für die damit verbundenen Maßnahmen (z. B. Eingriffe i. R. eines Restrukturierungsplans) noch nicht vorliegen.12) 1.3

Nachweis

Das StaRUG enthält keine ausdrückliche Regelung dazu, ob und ggf. wie die drohende 6 Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen ist. Dass das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen ist, ergibt sich bereits aus dem Zweck des StaRUG: Das Restrukturierungsgericht kann nur dann prüfen, ob die Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit möglich ist, wenn ihm diese in geeigneter Form dargelegt wird. § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG fordert deshalb die Vorlage des Entwurfs eines Restrukturierungsplans oder zumindest dessen Grobkonzept, aus dem sich ergibt, wie das Restrukturierungsziel erreicht werden kann. Da dieses in der Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit besteht (§ 29 Abs. 1 StaRUG), muss deren Vorhandensein dem Restrukturierungsgericht zwingend nachgewiesen werden. Zudem ist das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit bei der Beantragung von 7 Stabilisierungsanordnungen (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG) sowie bei der Planbestätigung (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) zu prüfen und auch deshalb dem Restrukturierungsgericht nachzuweisen.13) Die zuletzt genannten Vorschriften liefern jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Nachweis erst zu diesem späten Verfahrenszeitpunkt zu führen sein könnte. Wie oben (siehe Rz. 5) dargelegt, ist der Nachweis nach dem Zweck des Verfahrens bereits mit der Anzeige nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG zu führen. Das StaRUG enthält auch keine Aussage dazu, in welcher Weise der Nachweis der drohen- 8 den Zahlungsunfähigkeit zu erbringen ist. Die Anforderungen an Art und Umfang des Nachweises ergeben sich jedoch aus dem durch das StaRUG in Bezug genommenen § 18 InsO: Wie bei diesem ist eine betriebswirtschaftliche Planungsrechnung erforderlich,14) die eine integrierte Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Liquiditätsplanung enthalten sollte. Dabei wird empfohlen, den Planungszeitraum mit 24 Monaten zu veranschlagen.15) Ziel der zu erbringenden Nachweise ist es, das Restrukturierungsgericht von dem Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu überzeugen; gelingt das nicht, so können auch im weiteren Verlauf des Verfahrens Nachteile wie die Versagung der Planbestätigung eintreten.16)

___________ 11) 12) 13) 14) 15) 16)

Gehrlein, BB 2021, 66, 71. Pluta, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 22, 23; a. A. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2583. Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1098. Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18. Thole, NZI 2021, 436 (Urteilsanm.).

Holzer

241

§9

3. Teil Verfahren

2.

Keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

2.1

Allgemeines

9 Der „modulare“ Rahmen des StaRUG kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Sanierung im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens Aussicht auf Erfolg hat. Die Insolvenzsituation des Schuldners darf sich deshalb nicht bereits so stark verfestigt haben, dass eine Sanierung nur noch unter dem strengeren Regime des Insolvenzrechts durchgeführt werden kann. Da das StaRUG insolvenzreifen Schuldnern nicht zur Verfügung stehen soll, hat der Gesetzgeber das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit als allgemeine Zulassungsvoraussetzung aufgestellt (siehe dazu oben Rz. 2). Bereits aus dem Zweck des Gesetzes ergibt sich daher, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) sowie der Überschuldung (§ 19 InsO) nur durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, nicht aber i. R. der Hilfen nach dem StaRUG bewältigt werden können.17) 10 Das vorgenannte Ergebnis kann auch mittelbar aus den Aufhebungsgrund des § 33 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG entnommen werden.18) Danach ist die Restrukturierungssache von Amts wegen aufzuheben, wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag stellt oder über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird (siehe dazu Holzer, HRI I, § 13 Rz. 13 ff.) Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch wegen der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung erfolgt, verwehren diese den Zugang zum Verfahren nach dem StaRUG. 2.2

Zahlungsunfähigkeit

11 Hinsichtlich der Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von der drohenden Zahlungsunfähigkeit bestehen nur geringe Schwierigkeiten. Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist dann anzunehmen, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Norm erfasst nur Zahlungspflichten, also Geldforderungen gegen den Schuldner. 12 Der BGH modifiziert die vorgenannte Definition dahingehend, dass eine Fälligkeit von Zahlungspflichten nur dann besteht, wenn sie von dem Gläubiger ernsthaft eingefordert wurden und der Schuldner seine Zahlungspflichten zu einem wesentlichen Teil nicht erfüllen kann, wobei ganz geringfügige Liquiditätslücken unbeachtlich sind. Der Schuldner muss ferner innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen zur Erfüllung seiner Zahlungspflichten nicht in der Lage sein, so dass eine lediglich vorübergehende Zahlungsstockung nicht zur Zahlungsunfähigkeit führt. Diese liegt folglich dann vor, wenn der Schuldner innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen nicht in der Lage ist, seine fälligen und eingeforderten Zahlungspflichten im Wesentlichen zu erfüllen.19) Im Gegensatz dazu sind bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die noch nicht fälligen, aber in absehbarer Zeit fällig werdenden Verbindlichkeiten des Schuldners zu berücksichtigen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit setzt deshalb eine Prognose der Entwicklung der Liquidität voraus („Zeitraum-Illiquidität“) und ist deshalb von der „Zeitpunkt-Illiquidität“ i. R. des § 17 Abs. 2 InsO zu unterscheiden.20)

___________ 17) 18) 19) 20)

242

Begr. RegE SanInsFoG z. § 34 Abs. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 137. Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18. Steffek in: KPB, InsO, § 17 Rz. 19 m. w. N. Pape in: KPB, InsO, § 18 Rz. 5.

Holzer

§9

Anordnungsvoraussetzungen 2.3

Überschuldung

Die Abgrenzung zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist hinge- 13 gen insbesondere wegen des durch das SanInsFoG21) eingeführten verkürzten Prognosezeitraums des § 19 Abs. 2 InsO auf zwölf Monate nicht überschneidungsfrei.22) Da die Fortbestehensprognose i. R. des § 19 Abs. 2 InsO wie die nach § 18 Abs. 2 InsO eine reine Liquiditätsprognose darstellt, kann sich bei einer Bewertung des Vermögens zu Liquidationswerten eine Unterdeckung ergeben. Dies kann jedoch nicht zur Folge haben, dass der Anwendungsbereich des StaRUG nur dann eröffnet ist, wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate zu erwarten ist, sondern erst ab dem 13. bis zum 24. Monat.23) Dies wäre für den gesamten Zweck des Verfahrens kontraproduktiv, dessen Vorteile in einer raschen und zielgerichteten Durchführung der Maßnahmen bestehen und das deshalb das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Stellung der Anzeige voraussetzt (siehe dazu oben Rz. 5). Die vorgenannte Problematik war dem Gesetzgeber bewusst: Im Zuge der Verkürzung des 14 Prognosezeitraums des § 19 Abs. 2 InsO wurde vorgesehen, dass im Überschuldungsstatus die Auswirkungen eines erfolgreichen Restrukturierungsplans auf der Passivseite zu berücksichtigen sind.24) Damit ist eine handhabbare Abgrenzung von Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit möglich.25) 2.4

Ausnahmen

Auch wenn die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Verfahren nach dem StaRUG 15 ausschließen, sind dennoch eng begrenzte Ausnahmen möglich. Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG kann die Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens unterbleiben, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgrund eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Hinblick auf den Stand des Restrukturierungsverfahrens offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegt (siehe dazu Holzer, HRI I, § 13 Rz. 29). Das ist dann der Fall, wenn die angestrebte Restrukturierung kurz vor ihrem Abschluss steht, beispielsweise weil ein bereits angenommener Restrukturierungsplans nur noch bestätigt werden muss, damit in Kürze zu rechnen ist und damit die bereits eingetretene Insolvenzlage beseitigt werden wird. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung führt auch dann nicht zur Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens, wenn die Insolvenzgründe aus der Fälligkeit einer Forderung stammen, die im Restrukturierungsplan gestaltet werden soll, sofern dessen Annahme und Bestätigung überwiegend wahrscheinlich ist.26) III.

Formelle Voraussetzungen

Die durch das StaRUG zur Verfügung gestellten Instrumente können nur dann in An- 16 spruch genommen werden, wenn der Schuldner dies – i. R. der für ihn geltenden Dispositionsmaxime (siehe Bork, HRI I, § 1 Rz. 8 ff., 16 f.) – anzeigt (§ 31 Abs. 1 StaRUG) und die in § 31 Abs. 2 StaRUG genannten Unterlagen beifügt (siehe dazu Holzer, HRI I, § 7 Rz. 41 ff.). ___________ 21) Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 22) Thole, ZIP 2020, 1985, 1992. 23) Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18, 19; a. A. Schülke, DStR 2021, 621, 624; Schelo, WM 2021, 513, 517. 24) Begr. RegE SanInsFoG z. § 19 InsO, BT-Drucks. 19/24181, S. 197; dazu auch Thole, ZIP 2020, 1985, 1993. 25) Balthasar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 18, 19; dazu auch Fiebig, ZRI 2021, 561, 566. 26) Begr. RegE SanInsFoG z. § 34 Abs. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 137.

Holzer

243

§9 IV.

3. Teil Verfahren Exkurs: Voraussetzungen für Instrumente des StaRUG

17 § 29 Abs. 2 StaRUG zählt die für eine Restrukturierung zur Verfügung stehenden Instrumente auf (Planabstimmung, Vorprüfung, Stabilisierung, Planbestätigung). Diese Instrumente entfalten aufgrund der Dispositionsmaxime des StaRUG und des „modularen“ Baukastensystems nicht von selbst ihre Wirkung, sondern müssen jeweils vom Schuldner beantragt werden.27) Die vorgenannten Anträge unterscheiden sich von der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG, setzen aber wie diese das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit voraus. Für Einzelheiten wird auf die Erläuterung der Instrumente des StaRUG verwiesen.28)

___________ 27) Gehrlein, BB 2021, 66, 72. 28) Dazu Prütting, HRI I, § 16 sowie §§ 17 ff. in diesem Band.

244

Holzer

§ 10 Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners Fritz

I. Überblick...................................................... 1 II. Pflichten des Schuldners (§ 32 StaRUG)............................................. 3 1. Sorgfaltsmaßstab (§ 32 Abs. 1 StaRUG)...... 6 1.1 Umfang und Inhalt.......................... 6 1.1.1 Wahrung der Interessen der Gläubiger ................................... 8 1.1.2 Restrukturierungsorientiertes Controlling .................................... 13 1.2 Folgen bei Pflichtverletzung......... 14 2. Mitteilungspflichten (§ 32 Abs. 2 StaRUG)................................ 15 2.1 Wesentliche Änderungen (§ 32 Abs. 2 Satz 1 StaRUG) ........ 17 2.2 Pflichten bei Stabilisierungsanordnung (§ 32 Abs. 2 Satz 2 StaRUG) ........................................ 18 3. Anzeige der Insolvenzreife (§ 32 Abs. 3 StaRUG)................................ 20 3.1 Feststellen der Insolvenzreife ....... 21 3.2 Persönlicher Anwendungsbereich ............................................ 23 3.3 Anforderungen an die Anzeige..... 24 3.4 Erfüllung der Pflicht...................... 26 4. Anzeige fehlender Erfolgsaussichten (§ 32 Abs. 4 StaRUG)................................ 27 III. Ruhen der Insolvenzantragspflicht (§ 42 StaRUG)........................................... 30 1. Übersicht .................................................... 30 2. Ruhen der Antragspflicht (§ 42 Abs. 1 StaRUG)................................ 32 2.1 Suspendierungszeitraum (§ 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) ........ 33 2.1.1 Insolvenzreife nach Anzeige......... 33 2.1.2 Insolvenzreife bei bzw. vor oder kurz nach Anzeige......................... 35 2.2 Anzeige- und Antragspflicht (§ 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) ........ 40 3. Fortführung der Restrukturierung trotz eingetretener Insolvenzreife............. 42 3.1 Aufhebung entgegen den Interessen der Gläubiger (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG).... 44 3.2 Kündigung oder Fälligstellung von Forderungen (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 3 StaRUG) ............... 51 4. Stellung des Insolvenzantrages (§ 42 Abs. 2 StaRUG)................................ 54

5. 6.

Strafandrohung (§ 42 Abs. 3 StaRUG)..... 55 Wiederaufleben der Insolvenzantragspflicht (§ 42 Abs. 4 StaRUG).................... 56 IV. Pflichten und Haftung der Geschäftsleitung (§ 43 StaRUG) ............................. 57 1. Überblick.................................................... 57 2. Anwendungsbereich................................... 59 3. Pflichten...................................................... 61 3.1 Pflicht zur sachgerechten Durchführung des Restrukturierungsvorhabens...................... 63 3.2 Pflicht zur Anzeige der Zahlungsunfähigkeit ............................ 69 3.3 Pflicht zur Anzeige fehlender Erfolgsaussichten........................... 71 3.4 Betreiben eines restrukturierungsorientierten Controllings..... 73 3.5 Pflicht zur Anzeige wesentlicher Änderungen ................................... 75 3.6 Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer und vollständiger Erklärungen ................................... 76 4. Haftung....................................................... 78 4.1 Systematik...................................... 78 4.2 Haftungsbegründender Tatbestand...................................... 79 4.2.1 Verletzung restrukturierungsspezifischer Pflichten .................... 79 4.2.2 Verschulden und Exkulpation ...... 81 4.3 Haftungsausfüllender Tatbestand...................................... 83 4.3.1 Schaden der Gläubiger/Quotenschaden........................................... 84 4.3.2 Kausalität........................................ 89 4.4 Verjährung (§ 43 Abs. 3 StaRUG) ................... 90 4.5 Umgang der Geschäftsleitung mit Weisungen der Gesellschafter........................................... 91 4.6 Verzicht und Vergleich (§ 43 Abs. 2 StaRUG) ................... 93 5. Prozessuale Besonderheiten ...................... 94 6. Abgrenzung zu anderen Haftungsnormen........................................................ 95 6.1 Verhältnis zur deliktischen Haftung.......................................... 95 6.2 Abgrenzung zu § 43 GmbHG ...... 96

Literatur: Bea/Dressler, Business Judgement Rule versus Gläubigerschutz? – Praktische Erwägungen zur Organhaftung im Kontext des StaRUG, NZI 2021, 67; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und

Fritz

245

§ 10

3. Teil Verfahren

Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG – Nachtrag zu ZInsO 2021, 1 ff., ZInsO 2021, 125; Eckert/Holze/Ippen, StaRUG aus dem Gleichgewicht?, NZI 2021, 153; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Harder, Neues zur Haftung der Geschäftsleitung durch SanInsFoG und StaRUG, NJWSpezial 2021, 470; Korch, Restrukturierungshaftung der Geschäftsleiter nach dem StaRUG, GmbHR 2021, 793; Ristelhuber, Gläubigerinteresse versus Gesellschafterweisung – Das Weisungsrecht der Gesellschafter nach § 37 I GmbHG im Lichte der Regelungen des StaRUG, NZI 2021, 417; Scholz, die Krisenpflichten von Geschäftsleitern nach Inkrafttreten des StaRUG, ZIP 2021, 219; Seibt/Bulgrin, Entwurf zum Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) – Kritische Analyse aus gesellschaftsrechtlicher Sicht, DB 2020, 2226; Skauradszun, Neuralgische Punkte der Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, ZRI 2020, 625; Smid, Innen- und Außenhaftung des Geschäftsleiters bei Inanspruchnahme des Restrukturierungsrahmes durch die schuldnerische Gesellschaft nach § 43, ZInsO 2021, 117; Thole, Die Geschäftsleiterhaftung im StaRUG und nach § 15b InsO n. F., BB 2021, 1347; Weber/Dömmecke, Das Haftungsregime des StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 27.

I.

Überblick

1 Im Folgenden werden die Pflichten des Schuldners, seiner Geschäftsleiter und deren Haftung im Zusammenhang mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG1) (nachfolgend „Restrukturierungsvorhaben“ oder „Restrukturierungsrahmen“) erörtert. 2 Sowohl die Pflichten als auch die daraus resultierende Haftung gehen teilweise erheblich über die bisher normierten und von der Rechtsprechung entwickelten Pflichten in der Krise hinaus. Der folgende Beitrag soll Geschäftsleitern sowie ihren Beratern als Hilfestellung und/oder Leitfaden für das Handeln in der vorinsolvenzlichen Krise sein. II.

Pflichten des Schuldners (§ 32 StaRUG)

3 Den Schuldner trifft bei Nutzung des Restrukturierungsrahmens stets die Grundpflicht, die im StaRUG zur Verfügung gestellten Maßnahmen zweckentsprechend einzusetzen.2) Indem dem Schuldner die durch § 32 StaRUG bestimmten Pflichten auferlegt wurden, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Schuldner die ihm im Restrukturierungsrahmen zur Verfügung gestellten Werkzeuge dem Zweck entsprechend einsetzt und so ein Fehlgebrauch oder Missbrauch vermieden wird.3) 4 Die in § 32 StaRUG neu geregelten Verhaltensanforderungen an den Schuldner sollen einen zweckmäßigen Gebrauch der Instrumente, § 29 Abs. 2 StaRUG, sicherstellen, die das StaRUG zur Bewältigung vorinsolvenzlicher Krisen und zur Vermeidung der noch immer negativ konnotierten Insolvenz bereitstellt.4) 5 Dabei normiert § 32 StaRUG Verhaltenspflichten und keine Verhaltensobliegenheiten des Schuldners. In der Gesetzesbegründung werden sie gar als Grundpflichten bezeichnet.5) 1.

Sorgfaltsmaßstab (§ 32 Abs. 1 StaRUG)

1.1

Umfang und Inhalt

6 Ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ist der Schuldner verpflichtet die Restrukturierung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers zu betreiben und dabei die Interessen der Gesamtheit der ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 1. 3) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 1. 4) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 32 Rz. 1. 5) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 136.

246

Fritz

Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners

§ 10

Gläubiger zu wahren.6) Dabei knüpft das Gesetz an den bereits bekannten Pflichtenmaßstab aus § 43 GmbHG und § 93 AktG, sowie an § 15b InsO n. F. (vormals § 64 GmbHG a. F.) an. Danach hat ein Geschäftsleiter stets im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Dieses Verständnis ist entsprechend auf einen Sanierungsgeschäftsführer zu übertragen, 7 wonach sich der Sorgfaltsmaßstab des Sanierungsgeschäftsführers von dem eines „normalen Geschäftsführers“ zu unterscheiden hat. Es findet somit ein sog. Shift of (Fiduciary) Duties statt. So verpflichtet § 32 Abs. 1 StaRUG den Schuldner die Interessen der Gläubiger zu wahren und die Instrumente, die das StaRUG bereithält, nicht zur Verzögerung und Verschleppung der Krisenbewältigung und oder zur Gläubigerbenachteiligung einzusetzen und Maßnahmen zu unterlassen, welche mit dem Restrukturierungsziel unvereinbar sind.7) Auch wenn der Referenten- und der Regierungsentwurf zum StaRUG den Shift of Duties noch in §§ 2 und 3 StaRUG-E ausdrücklich erwähnten und dieser in der Literatur als Paradigmenwechsel bezeichnet und ausgiebig diskutiert wurde,8) besteht der Shift of (Fiduciary) Duties, wenn auch in abgemilderter Form, auch im nun in Kraft getretenen StaRUG weiter fort. So normieren die §§ 32 Abs. 1 und 43 Abs. 1 StaRUG die Wahrung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger während der Durchführung der Restrukturierung.9) 1.1.1 Wahrung der Interessen der Gläubiger Während der Nutzung des Restrukturierungsrahmens ist gemäß § 32 Abs. 2 StaRUG der 8 Schuldner verpflichtet ein ernsthaftes, den Gläubigerinteressen nicht zuwiderlaufendes Restrukturierungsvorhaben zu betreiben,10) wobei ihm bei der konkreten Durchführung eine große Freiheit in Gestaltung und Durchführung eingeräumt ist. Es liegt folglich im Ermessen des Schuldners, wie die Restrukturierung durchgeführt wird.11) Diese Pflicht wird durch § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG auf die Geschäftsleiter des Schuldners übergeleitet.12) Im Detail zu den Pflichten der Geschäftsleiter siehe unten Rz. 57 ff. Um sicherzustellen, dass der Schuldner bzw. dessen Geschäftsleitung dieses Restrukturie- 9 rungsvorhaben nicht zur Verzögerung der Krise oder Insolvenz bzw. zum Nachteil seiner Gläubiger nutzt, bedarf es eines Sorgfaltsmaßstabes, an dem sich der Schuldner auszurichten hat.13) So trifft den Schuldner während der Restrukturierung eine Sorgfalt, die der des § 43 Abs. 1 GmbHG und § 93 Abs. 1 AktG nahekommt, wonach der Geschäftsleiter verpflichtet ist, wie ein treuhänderischer Verwalter eines fremden Vermögens zu handeln.14) Daher wird vertreten, dass der Schuldner während des Restrukturierungsvorhabens, angelehnt an die Auslegung der §§ 43 Abs. 1 GmbHG und 93 Abs. 1 AktG, als ein für die Gläubiger tätiger treuhänderischer Verwalter fremden Vermögens agieren soll.15) ___________ 6) Thole, BB 2021, 1347, 1351. 7) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 32 Rz. 2 ff.; Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/ 24181, S. 137; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 15; Thole, BB 2021, 1347, 1351; Smid, ZInsO 2021, 117, 122. 8) U. a.: Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2230; Skauradszun, ZRI 2020, 625, 627; Weitzmann in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 1 Rz. 26 f.; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 31 Rz. 56; Eckert/Holze/Ippen, NZI 2021, 153, 157; Scholz, ZIP 2021, 219, 222; Goetker in: Flöther, StaRUG, § 43 Rz. 20, 21. 9) So wohl auch: Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 69; Goetker in: Flöther, StaRUG, § 43 Rz. 19. 10) Harder, NJW-Spezial 2021, 470, 471. 11) Scholz, ZIP 2021, 219, 224. 12) Goetker in: Flöther, StaRUG, § 43 Rz. 15. 13) Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 2. 14) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rz. 10. 15) Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 3.

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§ 10

3. Teil Verfahren

10 Problematisch ist allerdings, dass dem Schuldner durch § 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG die Pflicht auferlegt wird, teils gegenläufige Interessen wahren zu müssen. So zielte Art. 19 der Restrukturierungsrichtlinie16), die durch das StaRUG umgesetzt wurde, darauf ab, dass der Schuldner im Restrukturierungsrahmen u. a. die Gläubigerinteressen, die Interessen der Anteilsinhaber (Gesellschafter), und sonstiger Betroffener berücksichtigt. 11 Die Gesellschafter werden regelmäßig ein Interesse daran haben, dass ihre Investitionen geschützt werden, was regelmäßig dadurch geschehen wird, dass ein Insolvenzverfahren und die Verwertung des Schuldnervermögens vermieden wird. Andererseits ist der Schuldner dazu verpflichtet die Interessen der Gläubiger zu wahren. Diese werden regelmäßig ein Interesse daran haben, dass ihre Forderungen, auch durch Verwertung des Schuldnervermögens, befriedigt werden. Schützt der Schuldner somit die Gläubiger, wird dies wohl durch Stellung eines Insolvenzantrages und die anschließende Vermögensverwertung geschehen. Dies soll der Schuldner allerdings vermeiden, um so die Interessen der Gesellschafter schützen zu können.17) 12 Um die Interessen aller angemessen berücksichtigen zu können, muss der Schuldner während des Restrukturierungsvorhabens ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen allen herstellen, laufen doch die Interessen der am Restrukturierungsvorhaben Beteiligten mitunter gegeneinander.18) Dazu bleibt der Schuldner auch im Falle eines anderslautenden Gesellschafterbeschluss verpflichtet,19) soweit dieser wirksam ist (siehe hierzu unten Rz. 91 f.). 1.1.2 Restrukturierungsorientiertes Controlling 13 Während des Restrukturierungsvorhabens hat der Schuldner sicherzustellen, dass er alle ihm durch das StaRUG auferlegten Pflichten erfüllt. Um dies zu erreichen, muss der Schuldner ein sog. „restrukturierungsorientiertes Controlling“ einrichten. Zu dessen Aufgaben gehört insbesondere die kontinuierliche Überwachung des Liquiditätsstandes und der wirtschaftlichen Lage des Schuldners.20) Damit soll sichergestellt werden, dass der Schuldner seiner Anzeigeverpflichtung nachkommen kann, sobald die Insolvenzreife des Schuldners während des Restrukturierungsvorhabens eintritt. Sieht der Schuldner sich nicht in der Lage dies selbst zu gewährleiten, so kann er sich dafür durch externe restrukturierungs- und insolvenzerfahrene Berater unterstützen lassen.21) 1.2

Folgen bei Pflichtverletzung

14 Sofern der Schuldner die ihm auferlegten Pflichten verletzt, kann das Restrukturierungsvorhaben vom Gericht aufgehoben werden, § 33 StaRUG. Dies hat zur Folge, dass dem Schuldner der Zugang zu den Werkzeugen des StaRUG verwehrt bleibt.22) ___________ 16) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 17) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 7, 9, 10. 18) Bsp.: Gesellschafter und Anlegen werden ihre Investition und ihren Einfluss auf den Schuldner geschützt wissen, Gläubiger haben ein primäres Interesse an der Befriedigung ihrer Forderungen, Arbeitnehmer haben ein Interesse an dem langfristigen Erhalt ihres Arbeitsplatzes, selbst in der Krise; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 12. 19) Scholz, ZIP 2021, 219, 224. 20) Smid, ZInsO 2021, 117, 122. 21) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 31 Rz. 55 ff. 22) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 1.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners 2.

§ 10

Mitteilungspflichten (§ 32 Abs. 2 StaRUG)

Nach Anzeige der Restrukturierungssache beim Restrukturierungsgericht hat der Schuld- 15 ner alle wesentlichen Änderungen des Restrukturierungsvorhabens dem Gericht anzuzeigen.23) Mangels einer bereits herausgebildeten Praxis kann über die Frage, wann eine Änderung der Restrukturierungsplanung als wesentlich anzusehen ist, noch keine abschließende Beurteilung getroffen werden. Zu empfehlen ist allerdings, die Schwelle der Wesentlichkeit vorerst niedrig anzusetzen, bis sich diesbezüglich eine gewisse Praxis herauskristallisiert hat. Schließlich trägt der Schuldner weiterhin das Risiko einer Aufhebung des Restrukturierungsvorhabens.24) Sofern in dem Restrukturierungsvorhaben ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt ist, 16 bestehen die Mitteilungspflichten gegenüber dem Restrukturierungsgericht des § 32 Abs. 2 StaRUG auch gegenüber dem Restrukturierungsbeauftragen, § 32 Abs. 2 Satz 3 StaRUG. 2.1

Wesentliche Änderungen (§ 32 Abs. 2 Satz 1 StaRUG)

Der Schuldner ist verpflichtet dem Gericht jede wesentliche Änderung, die das Restruktu- 17 rierungsvorhaben und die Darstellung des Verhandlungsstandes betreffen, mitzuteilen. Darunter fallen insbesondere Änderungen im Planentwurf und des Restrukturierungskonzeptes, die der Schuldner der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beigefügt hat.25) 2.2

Pflichten bei Stabilisierungsanordnung (§ 32 Abs. 2 Satz 2 StaRUG)

Sofern das Restrukturierungsgericht eine auf Antrag des Schuldners eine Stabilisierungs- 18 anordnung anordnet, hat der Schuldner das Gericht über alle wesentlichen Änderungen der Restrukturierungsplanung zu unterrichten. Damit soll sichergestellt werden, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, beurteilen zu können, wann es die Stabilisierungsanordnung aufheben kann bzw. muss.26) Erfasst von der Mitteilungspflicht sind alle wesentlichen Änderungen in den Unterlagen, 19 die der Schuldner seinem Antrag auf eine Stabilisierungsanordnung gemäß § 50 Abs. 2 StaRUG beigefügt hat (tagesaktueller Entwurf des Restrukturierungsplans oder tagesaktuelles Restrukturierungskonzept, sechsmonatige Finanzplanung und eine tagesaktuelle Darstellung der Finanzierungsquellen).27) 3.

Anzeige der Insolvenzreife (§ 32 Abs. 3 StaRUG)

Tritt während des laufenden Restrukturierungsvorhabens die Insolvenzreife des Schuld- 20 ners ein, das heißt entweder Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO oder Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO, ist der Schuldner verpflichtet dies dem Restrukturierungsgericht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, anzuzeigen.28)

___________ 23) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 32 Rz. 7. 24) So auch Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 9; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 32 Rz. 7. 25) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 17. 26) Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 6 ff.; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 18. 27) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 18. 28) Harder, NJW-Spezial 2021, 470, 471; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 32 Rz. 9.

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§ 10 3.1

3. Teil Verfahren Feststellen der Insolvenzreife

21 Durch die Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens wird die Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO n. F. in aller Regel ausgeschlossen, muss doch in der Fortführungsprognose auch die Annahme des Erreichens des Restrukturierungsziels Berücksichtigung finden. Soweit hinreichende Aussichten auf das Erreichen des Restrukturierungsziels bestehen, wird die Fortführungsprognose aller Voraussicht nach positiv ausfallen, was den Eintritt der Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO n. F. ausschließt.29) 22 Bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach § 17 Abs. 2 InsO n. F. hingegen sollen die im Restrukturierungsplan zu gestaltenden Forderungen, entsprechend der erstrebten Gestaltung, allerdings keine Berücksichtigung finden.30) 3.2

Persönlicher Anwendungsbereich

23 Zur Anzeige verpflichtet ist grundsätzlich der Schuldner selbst. Mit der konkreten Durchführung der Anzeige sind jedoch stets die Mitglieder des Vertretungsorgans des Schuldners betraut, § 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 15a Abs. 1 – 3 InsO. Die inhaltlich gleiche Verpflichtung trifft den Schuldner selbst. 3.3

Anforderungen an die Anzeige

24 Anforderungen an die Form der Anzeige werden nicht gestellt. Da nach erfolgter Anzeige aber mit hoher Wahrscheinlichkeit die Restrukturierungssache vom Gericht aufgehoben wird und so die Insolvenzantragspflicht wiederauflebt, sind die Insolvenzgründe in der Anzeige glaubhaft zu machen. Zudem sollten in der Anzeige Angaben gemacht werden, die es dem Restrukturierungsgericht ermöglichen eine Entscheidung über Aufhebung oder Fortführung der Restrukturierungssache zu treffen. 25 Die Anzeige muss dem Wortlaut nach „unverzüglich“ erfolgen. 3.4

Erfüllung der Pflicht

26 Sofern mehrere Anzeigepflichtige existieren, ist der Anzeigepflicht genüge getan, sobald einer der Verpflichteten dem Gericht die Insolvenzreife des Schuldners angezeigt hat. Weitere Anzeigen durch die übrigen Verpflichteten sind nicht mehr erforderlich. 4.

Anzeige fehlender Erfolgsaussichten (§ 32 Abs. 4 StaRUG)

27 Sobald für die Restrukturierung des Schuldners keine Erfolgsaussichten mehr bestehen, hat der Schuldner dies dem Gericht unverzüglich anzuzeigen.31) Von fehlenden Erfolgsaussichten ist insbesondere dann auszugehen, wenn erkennbar wird, dass die erforderliche Mehrheit der Planbetroffenen dem vorgelegten Restrukturierungsplan nicht zustimmen wird und der Plan so nicht von der erforderlichen Mehrheit angenommen wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Zustimmung zum Restrukturierungsplan von den Planbetroffenen ernsthaft und endgültig verweigert wird.32) Das bedeutet im Umkehrschluss, dass selbst bei verweigerter Zustimmung, aber signalisierter Verhandlungsbereitschaft, ein endgültiges Scheitern der Restrukturierung noch nicht vorliegt, es sei denn, die ___________ 29) So auch: Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 20, 21; Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 10, 11. 30) Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 11. 31) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 26. 32) Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 13; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 27.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners

§ 10

Planbetroffenen knüpfen ihre Zustimmung an Bedingungen, die eine Umsetzung des Restrukturierungsplans unmöglich machen.33) Da es allerdings der Normalität entsprechen wird, dass im Laufe von Verhandlungen stets 28 mit „Nein“ und/oder „Vielleicht“ geantwortet wird und ein „Ja“ erst ganz am Ende fällt, sollte der Schuldner fehlende Erfolgsaussichten der Restrukturierung dem Gericht erst dann tatsächlich anzeigen, wenn alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und eine Einigung tatsächlich nicht mehr in Betracht kommt.34) Darüber hinaus erscheint eine Restrukturierung des Schuldners auch dann aussichtslos, wenn 29 die Geschäftsbeziehungen zu wesentlichen Kunden, Lieferanten, Sicherungsgebern und Finanzieren endgültig abgebrochen sind und ein Ersatz nicht möglich ist. Zudem wird eine Sanierung in aller Regel auch dann scheitern, wenn die Kosten für eine solche nicht gedeckt werden können.35) III.

Ruhen der Insolvenzantragspflicht (§ 42 StaRUG)

1.

Übersicht

§ 42 StaRUG suspendiert während der Nutzung des Restrukturierungsrahmens die Insol- 30 venzantragspflicht und setzt an deren Stelle die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Eintritts der Insolvenzreife an das Restrukturierungsgericht. Zusätzlich hat der Schuldner alternativ die Möglichkeit zur Stellung eines Insolvenzantrages. Damit der Schuldner dieser Verpflichtung auch genügt, wird deren Verletzung, angelehnt an § 15a InsO n. F., strafrechtlich sanktioniert. Dabei hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden – über die Anforderungen der 31 Restrukturierungsrichtlinie hinaus – die Suspendierung der Insolvenzantragspflicht an die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache anzuknüpfen. In der Richtlinie war die Suspendierung noch an die Anordnung von Restrukturierungsmaßnahmen geknüpft.36) 2.

Ruhen der Antragspflicht (§ 42 Abs. 1 StaRUG)

Während der Rechtshängigkeit des Restrukturierungsvorhabens ruht die Insolvenzantrags- 32 pflicht. 2.1

Suspendierungszeitraum (§ 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG)

2.1.1 Insolvenzreife nach Anzeige Während der Rechtshängigkeit des Restrukturierungsvorhabens ruht die Insolvenzantrags- 33 pflicht nach § 15a Abs. 1 bis 3 InsO. Die Suspendierung der Insolvenzantragspflicht beginnt mit Anzeige des Restrukturierungs- 34 vorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht nach § 31 StaRUG und endet mit dem Aufhebungsbeschluss nach § 33 StaRUG.37) 2.1.2 Insolvenzreife bei bzw. vor oder kurz nach Anzeige Ist der Schuldner bereits im Zeitpunkt der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens in- 35 solvenzreif, ist die Antragspflicht ebenfalls suspendiert, wird das Restrukturierungsvor___________ 33) 34) 35) 36) 37)

Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 13. So wohl auch: Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 32 Rz. 13. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 32 Rz. 11. Art. 7 der Restrukturierungsrichtlinie; Goetker in: Flöther, StaRUG, § 42 Rz. 2. Goetker in: Flöther, StaRUG, § 42 Rz. 16.

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§ 10

3. Teil Verfahren

haben doch mit Anzeige gemäß § 31 StaRUG qua Gesetz rechtshängig. Das Restrukturierungsgericht prüft vor Begründung der Rechtshängigkeit die Insolvenzreife des Schuldners nicht,38) auch nicht von Amts wegen.39) Dafür bietet zum einen das Gesetz keinerlei Stütze, noch handelt es sich bei der Restrukturierung nach dem Restrukturierungsrahmen um ein mit dem Insolvenzverfahren vergleichbares, förmliches Verfahren. Vielmehr handelt es sich um eine vom Schuldner autonom durchgeführte Restrukturierung zu deren Gelingen der Restrukturierungsrahmen mehrere Werkzeuge bereithält, die der Schuldner nach eigenem Ermessen nutzen kann. Ob dem Schuldner die Insolvenzreife bei Anzeige bekannt war, ist unbeachtlich. Denn die Suspendierung ist nach dem Gesetzeswortlaut allein an formelle Kriterien geknüpft, subjektive Kriterien bleiben außer Betracht.40) 36 Der Geist der dem Restrukturierungsrahmen zugrunde liegenden Richtlinie sieht den Schuldner im Gegensatz zur InsO als mündigen Teilnehmer am aktuellen Geschehen unter deren Regime das Insolvenzverfahren nicht (völlig) autonom vom Schuldner betrieben und durchgeführt wird. Nach der Intention der Richtlinie agiert das Restrukturierungsgericht nicht als „Polizist“, der die Überschreitungen des Schuldners verbietet. Vielmehr setzt sich der Schuldner, bzw. dessen Geschäftsleiter, bei Pflichtverletzungen einem nicht zu unterschätzenden Haftungsrisiko aus. 37 Dieses Ergebnis scheint vom Gesetzgeber auch so gewollt zu sein. Als die Restrukturierungsrichtlinie durch das StaRUG in nationales Recht transferiert wurde, hat der Gesetzgeber bewusst auf subjektive Kriterien verzichtet und die Suspendierung der Insolvenzantragspflicht allein an die Rechtshängigkeit des Restrukturierungsvorhabens geknüpft, obwohl die Restrukturierungsrichtlinie die Möglichkeit eröffnete auch subjektive Kriterien einzuführen.41) Festzustellen ist an dieser Stelle, dass in einem solchen Fall das Restrukturierungsvorhaben fehlerhaft rechtshängig wurde, da der Weg in den Restrukturierungsrahmen grundsätzlich denjenigen verschlossen bleiben soll, die bereits zahlungsunfähig oder überschuldet sind.42) 38 In einem solchen Fall ist es dem Restrukturierungsgericht indes, im Wege eines Erst-RechtSchlusses, möglich das Restrukturierungsvorhaben unmittelbar nach Eintritt der Rechtshängigkeit aufzuheben. Denn sofern dem Gericht dies schon dann möglich ist, wenn die Insolvenzreife während des Vorhabens eintritt, so muss es erst recht dann möglich sein, wenn die Insolvenzreife bereits bei Anzeige und Begründung der Rechtshängigkeit vorlag. 39 Doch bleibt die Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens bei bestehender Insolvenzreife des Schuldners nicht sanktionslos. So verstößt der Schuldner bereits in der Sekunde der Eröffnung gegen die Anzeigepflicht aus § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. Eine solche Pflichtverletzung ist nach § 42 Abs. 3 StaRUG strafbewährt (siehe dazu unten Rz. 55). Zudem ist eine zusätzliche Inanspruchnahme der Geschäftsleiter aus § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG43) und aus allgemeinen Vorschriften möglich. ___________ 38) So auch: Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 22; Pape in: KPB, InsO, § 270b Rz. 92 – zu § 270b a. F. 39) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139. 40) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 23. 41) So sieht Art. 7 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie lediglich vor, dass das während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen die nationale Insolvenzantragpflicht auszusetzen ist. Eine weitergehende Vorgabe, ob sich die Aussetzung an zusätzlichen formellen und oder subjektiven Kriterien zu orientieren hat wird in der Richtlinie nicht gemacht. Auch in der Begründung des RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, heißt es auf S. 144 lediglich, dass die Norm zur Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie eingeführt wird. 42) So wohl auch: Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 42 Rz. 23. 43) Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 42 Rz. 23.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners 2.2

§ 10

Anzeige- und Antragspflicht (§ 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG)

Während der Suspendierung der Antragspflicht trifft den Schuldner bzw. die Geschäftsleiter 40 des Schuldners – ersatzweise – eine strafbewährte Anzeigepflicht. Danach ist der Schuldner verpflichtet dem Gericht unverzüglich seine Insolvenzreife anzuzeigen, sollte er während der Rechtshängigkeit des Restrukturierungsvorhabens insolvenzreif werden. Durch die Anzeige soll das Gericht in die Lage versetzt werden, entscheiden zu können, 41 ob die Fortführung des Restrukturierungsvorhabens im Interesse der Gläubiger liegt und/ oder ob deren Interessen und Rechte mit dem Eintritt der Insolvenzreife (unmittelbar) gefährdet sind.44) 3.

Fortführung der Restrukturierung trotz eingetretener Insolvenzreife

Ausnahmsweise kann, trotz Eintritt der Insolvenzreife, das Restrukturierungsvorhaben 42 weitergeführt werden und das Gericht von einer Aufhebung absehen. Dies steht grundsätzlich dann in Aussicht, wenn die Aufhebung des Restrukturierungsvorhabens, mit Blick auf den erreichten Stand, offensichtlich den Interessen der Gläubiger zuwiderläuft, § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG, oder die Insolvenzreife aufgrund einer Kündigung oder sonstigen Fälligstellungen von Forderungen, welche dem Insolvenzplan unterworfen werden sollen, eintritt und die Erreichung des Restrukturierungsziels hinreichend wahrscheinlich ist, § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 3 StaRUG. Hierbei wird schon diskutiert, diese Ausnahmetatbestände an konkrete Zeitpunkte des 43 Eintritts der Insolvenzreife nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens anzuknüpfen. 3.1

Aufhebung entgegen den Interessen der Gläubiger (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG)

Allein hinsichtlich des Ausnahmetatbestandes des § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG 44 könnte man dann auch zutreffender Weise aufgrund der Formulierung „mit Blick auf den erreichten Stand“ (u. a.) auf einen Zeitpunkt abstellen. Das AG Dresden und Vertreter der Literatur gehen davon aus, dass dann von der Aufhe- 45 bung abzusehen ist, wenn die Restrukturierung unmittelbar vor dem Abschluss steht. So ist dann von einer Aufhebung der Restrukturierungssache abzusehen, wenn die Bestätigung eines Restrukturierungsplanes unmittelbar bevorsteht und die Insolvenzreife des Schuldners dadurch beseitigt wird.45) Diese Ansicht wird von der Gesetzesbegründung gestützt, nach der

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„die Fortführung der Restrukturierungssache trotz eingetretener Insolvenzreife nur dann denkbar [ist], wenn die angestrebte Restrukturierung kurz vor ihrem Abschluss steht, insbesondere weil die Bestätigung eines bereits angenommenen Restrukturierungsplans unmittelbar bevorsteht, und zu erwarten ist, dass sie auch zur Beseitigung der eingetretenen Insolvenzlage führt.“46) Diese zeitliche Betrachtungsweise ist per se nicht falsch. Unzutreffend ist indes allein auf 47 den Umstand abzustellen, dass das Vorhaben schon allein in zeitlicher Hinsicht abgeschlossen ist. Stellt man hier zutreffender Weise insbesondere auf den Wortlaut der Norm ab, ___________ 44) Gehrlein, BB 2021, 66, 75. 45) Gehrlein, BB 2021, 66, 75; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 33 Rz. 8; Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 17 f.; Begr. RegE z. § 35 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139; AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, Rz. 34, 35, NZI 2021, 893 m. Anm. Grauer/Münzel = BeckRS 2021, 17427. 46) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139.

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§ 10

3. Teil Verfahren

so ist allein der tatsächliche Status quo, also der in der konkreten Restrukturierung erreichte Stand, maßgeblich. 48 So kann bereits am Tag der Anzeige der Restrukturierungssache die Bereitschaft aller einem künftigen Plan unterworfenen Gläubiger dokumentiert sein, sodass die Planannahme nicht in Frage steht. Dieser Stand der Restrukturierung kann in der Praxis, anders als von der Gesetzesbegründung vermutet, bereits vor Anzeige der Restrukturierungsanzeige erreicht werden. Führt dies dazu, dass die Planbetroffenen eine Quote erhalten, welche die in einem möglichen Insolvenzverfahren übersteigt, und die übrigen Gläubiger voll befriedigt werde, widerspräche die Aufhebung dem Interesse aller Gläubiger.47) 49 Insofern wäre es unangebracht, die Restrukturierungssache aufzuheben und den Schuldner auf das Insolvenzverfahren zu verweisen. Im Gegensatz zum Insolvenzverfahren lässt eine Restrukturierung nach dem Restrukturierungsrahmen in aller Regel wohl bessere Befriedigungsquoten der betroffenen Gläubiger erwarten als im Insolvenzverfahren. Zumal in den wenigsten Fällen die Gesamtheit der Gläubiger von der Restrukturierung betroffen wäre. Eine Verweisung des Schuldners auf ein förmliches Insolvenzverfahren ginge somit zulasten der Gläubiger, zu deren Schutz das StaRUG u. a. dienen soll, sodass diesen ein Zuwarten durchaus zugemutet werden kann. 50 Gleiches gilt auch hinsichtlich der entstehenden Kosten und der mit einem Insolvenzverfahren verbundenen Nachteile für den Schuldner.48) Auch gemäß dem in den Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 4 der Restrukturierungsrichtlinie zum Ausdruck kommenden Abstandsgebot möchte die dem StaRUG zugrunde liegende Richtlinie einen rechtlichen Rahmen bereitstellen, der die Vermeidung der Insolvenz des Schuldners bezweckt, bzw. dem Schuldner die Bewältigung wirtschaftlicher Krisen außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens ermöglicht.49) Es ist gerade nicht in der Richtlinie vorgesehen, den Rahmen nur bei fernliegender Insolvenz nutzen zu dürfen. Somit ist auch § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG richtlinienkonform auszulegen und anzuwenden. 3.2

Kündigung oder Fälligstellung von Forderungen (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 3 StaRUG)

51 Wenn der Eintritt der Insolvenzreife nach Anzeige der Restrukturierungssache aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist, kann das Gericht dann von einer Aufhebung des Restrukturierungsvorhabens absehen. 52 Da ein Restrukturierungskonzept das logische Vorstadium eines Entwurfs eines Restrukturierungsplans, bzw. des Plans selbst darstellt, knüpft der Wortlaut hier allein an die antizipierte Gestaltungswirkung des Plans an.50) 53 § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 3 StaRUG soll ohne Zweifel im Frühstadium der Restrukturierungssache zur Anwendung kommen können,51) um u. a. zu verhindern, dass einzelne Gläubiger durch Fälligstellung ihrer Forderungen die Restrukturierungsbemühungen des Schuldners zulasten der Gesamtheit der Gläubiger torpedieren. Wird eine solche Forderung in ___________ 47) § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG stellt hier ausdrücklich auf alle Gläubiger des Schuldners ab und nicht allein auf die von der Restrukturierung betroffenen. 48) Im Ansatz ebenfalls: Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 33 Rz. 7. 49) Im Ansatz auch Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 94 Rz. 24. 50) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 29. 51) So auch: Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 30, der allerdings fälschlicher Weise der Auffassung folgt, dass § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG erst kurz vor Abschluss der Restrukturierung anwendbar sein soll.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners

§ 10

der Folge mittels des Restrukturierungsplanes restrukturiert und so der Bestand des Schuldners gesichert bzw. eine Insolvenz nachhaltig abgewendet, also das Ziel der Restrukturierung erreicht, haben solche Forderungen keine Aussagekraft hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Schuldners.52) 4.

Stellung des Insolvenzantrages (§ 42 Abs. 2 StaRUG)

Alternativ zur Anzeige der Insolvenzreife (siehe oben Rz. 20 ff.) kann der Schuldner auch 54 einen Insolvenzantrag stellen.53) Stellt der Geschäftsleiter einen Insolvenzantrag, bedarf es keiner Anzeige der Insolvenzreife mehr, ist diese doch in einem Insolvenzantrag zwingend enthalten. 5.

Strafandrohung (§ 42 Abs. 3 StaRUG)

Sofern der Geschäftsleiter der Pflicht zur Anzeige der Insolvenzreife nicht nachkommt, 55 drohen ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Dabei gleicht die Strafandrohung der des § 15a InsO. 6.

Wiederaufleben der Insolvenzantragspflicht (§ 42 Abs. 4 StaRUG)

Die Insolvenzantragspflicht lebt dann wieder auf, sofern ein Fall des § 31 Abs. 4 StaRUG 56 eintritt, insbesondre im Falle der Aufhebung nach § 33 StaRUG. IV.

Pflichten und Haftung der Geschäftsleitung (§ 43 StaRUG)

1.

Überblick

Enthielt der Regierungsentwurf54) noch mehrere Haftungstatbestände, so ist in der nun 57 zum 1.1.2021 in Kraft getretenen Fassung des StaRUG allein der § 43 Abs. 1 Satz 2 als zentrale Haftungsnorm geblieben. Diese normiert eine reine Innenhaftung der Organmitglieder gegenüber dem Schuldner während mit der Rechtshängigkeit des Restrukturierungsvorhabens.55) Anknüpfungspunkt für mögliche Ansprüche nach § 43 StaRUG ist jeweils der den Gläu- 58 bigern entstandene Schaden, der diesen durch ein von Geschäftsleiter zu vertretenem Handeln entstanden ist. 2.

Anwendungsbereich

Erfasst von der Norm sind insbesondere Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, denn 59 die eigenständige Haftungsnorm des § 43 StaRUG findet sowohl auf Kapitalgesellschaften als auch auf beschränkt haftende Gesellschaften und Unternehmensträger als auch auf Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter agiert – insbesondere auf die GmbH & Co. KG – Anwendung.56) Nicht verpflichtet und haftbar nach § 43 StaRUG sind die Mitglieder von Aufsichtsorga- 60 nen.57) ___________ Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 33 Rz. 8. Gehrlein, BB 2021, 66, 75. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181. Scholz, ZIP 2021, 219, 225; Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 1; Korch, GmbHR 2021, 793, 794. 56) Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 2, 3. 57) Weber/Dömmecke, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 27, 29. 52) 53) 54) 55)

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§ 10 3.

3. Teil Verfahren Pflichten

61 Mit § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG werden die Pflichten, welche nach § 32 StaRUG grundsätzlich den Schuldner verpflichten, auf die Geschäftsleiter übertragen. Folglich treffen den Geschäftsleiter die gleichen Pflichten wie den Schuldner, da der Geschäftsleiter „darauf hinzuwirken“ hat, dass der Schuldner die Restrukturierungssache entsprechend dem § 32 StaRUG betreibt. 62 Dem § 43 StaRUG fehlt es an einer ausdrücklichen Anknüpfung an einen kodierten Pflichtenkatalog. Es wird lediglich Bezug genommen auf den im Restrukturierungsrahmen allgemein gültigen Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsleiters. Was konkret von dieser Sorgfaltspflicht umfasst ist, wird sich durch Rechtsprechung, Literatur und Praxis in den kommenden Jahren im Detail erst noch herausbilden müssen. Dennoch lässt sich grob der Umfang bereits zum jetzigen Zeitpunkt umreißen. 3.1

Pflicht zur sachgerechten Durchführung des Restrukturierungsvorhabens

63 Die sachgerechte Durchführung des Vorhabens beurteilt sich zum einen an der sachgerechten Inanspruchnahme der Werkzeuge des StaRUG und zum anderen an der tatsächlichen Durchführung durch den Geschäftsleiter. 64 Beurteilt sich die sachgerechte Handhabung der einzelnen Werkzeuge des Restrukturierungsrahmens primär nach deren gesetzlichen Voraussetzungen,58) so kann die Beurteilung der sachgerechten Durchführung des Restrukturierungsvorhabens, als wesentliche Geschäftsleitungspflicht, schwieriger sein, spielen dabei doch weit mehr Kriterien eine Rolle. Von der tatsächlichen Durchführung des Restrukturierungsvorhabens umfasst sind u. a. die Verhandlungsführung und Abstimmung mit den Planbetroffenen über die Erarbeitung eines Restrukturierungsplanes.59) 65 Die Geschäftsleiter tragen die Verantwortung für die sorgfältige und gewissenhafte Vorbereitung und Umsetzung des Restrukturierungsvorhabens des Schuldners. Konkret zu beachtende Pflichten des Schuldners und der Geschäftsleitung, die darüber hinausgehen, hat der Gesetzgeber bewusst offengelassen. Doch ergibt sich aus einer Gesamtschau der statuierten Pflichten für Schuldner und Geschäftsleiter, dass Maßnahmen zu unterlassen sind, die eine Ausfallgefahr zulasten der Gläubiger intensivieren.60) Bei der konkreten Umsetzung des Pflichtenkanons kommt den Geschäftsleitern ein gewisser Ermessensspielraum zu, trotz des rechtlich statuieren Rahmens.61) Allerdings gilt i. R. des § 43 Abs. 1 StaRUG die sog. Business Judgement Rule nicht. 66 Entgegen dem AktG und oder GmbHG bietet das StaRUG den Geschäftsleitern klare Handlungsvorgaben und gebietet Grenzen für das Handeln in der Restrukturierung und Sanierung. Der Geschäftsleiter hat sich während der Restrukturierung an sanierungsrechtlichen Grundsätzen zu orientieren.62) Darunter fällt auch, dass Geschäftsleiter inkongruente Deckungen und Kreditvergaben unterlassen und stattdessen eher Maßnahmen zur Massesicherung ergreifen müssen, sofern sich während des Restrukturierungsvorhabens der Eintritt der Insolvenzreife abzeichnen sollte. Denn auch während der Rechts-

___________ 58) 59) 60) 61) 62)

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Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 34, 35. Smid, ZInsO 2021, 117, 120 f. So wohl auch: Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 5, 6. Korch, GmbHR 2021, 793, 795. Thole, BB 2021, 1347, 1351; Goetker in: Flöther, StaRUG, § 43 Rz. 17.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners

§ 10

hängigkeit des Restrukturierungsvorhabens greift weiterhin die Haftung nach § 15b InsO n. F.63) Dass die sachgerechte Leitung des Restrukturierungsvorhabens von der in § 43 Abs. 1 67 StaRUG genannten Sorgfaltspflicht mitumfasst sein muss, ergibt sich aus der Konzeption des Restrukturierungsrahmens als ein vom Schuldner auch autonom und stark eigenverantwortlich durchzuführendes Vorhaben zur Bewältigung wirtschaftlicher Krisen. Solange ein Geschäftsleiter auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informatio- 68 nen davon ausgehen darf, dass der Schuldner das Restrukturierungsziel erreichen wird, liegt keinerlei Pflichtverstoß vor. Problematisch für den Geschäftsleiter ist in diesem Zusammenhang allein die Nachweisbarkeit seiner Annahmen und Einschätzungen.64) 3.2

Pflicht zur Anzeige der Zahlungsunfähigkeit

Der Geschäftsleiter ist, neben dem Schuldner, verpflichtet dem Gericht unverzüglich, ohne 69 schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, § 17 Abs. 2 InsO n. F., und der Überschuldung, § 19 Abs. 2 InsO n. F., anzuzeigen.65) Neben der Haftung aus § 43 StaRUG ist eine Verletzung dieser Pflicht zusätzlich straf- 70 bewährt, § 42 Abs. 3 StaRUG (siehe Rz. 55). 3.3

Pflicht zur Anzeige fehlender Erfolgsaussichten

Sobald der Geschäftsleiter keine Erfolgsaussichten für die Erreichung des Restrukturie- 71 rungsziels mehr erkennt, hat er dies dem Gericht anzuzeigen. Von fehlenden Erfolgsaussichten kann dann ausgegangen werden, wenn der vorgelegte 72 Restrukturierungsplan von den Planbetroffenen ernsthaft und endgültig abgelehnt wurde und erkennbar ist, dass eine Möglichkeit der Einigung nicht besteht. Fehlende Erfolgsaussichten liegen auch dann vor, wenn keinerlei Aussicht auf die Bildung der für das Restrukturierungsvorhaben erforderlichen Mehrheiten besteht.66) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist der Autor nach oben. 3.4

Betreiben eines restrukturierungsorientierten Controllings

Die Geschäftsleiter sind fortwährend dazu berufen die vor allem wirtschaftlichen Entwick- 73 lungen, die das Fortbestehen des Schuldners in Frage stellen können, zu beobachten und zu überwachen. Zudem müssen die Geschäftsleiter, sobald sie bestandsgefährdende Entwicklungen fest- 74 stellen, geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen und Überwachungsorganen, bspw. dem Aufsichtsrat, entsprechend Bericht erstatten.67) 3.5

Pflicht zur Anzeige wesentlicher Änderungen

Dem Restrukturierungsgericht sind alle wesentlichen Änderungen, die das Restrukturie- 75 rungsvorhaben und die Darstellung des Verhandlungsstandes betreffen, unverzüglich anzuzeigen. Davon sind u. a. auch wesentliche Änderungen in Bezug auf den Restrukturie-

___________ 63) 64) 65) 66) 67)

Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 7. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 39 ff. Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 7. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 44. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 37.

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§ 10

3. Teil Verfahren

rungsplan umfasst, sofern der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung nach § 49 StaRUG erwirkt hat.68) 3.6

Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer und vollständiger Erklärungen

76 Teil der sachgerechten und ordnungsgemäßen Geschäftsleitung ist auch die wahrheitsgemäße und vollständige Abgabe der erforderlichen Erklärungen. Die von dieser Pflicht maßgeblich umfassten Erklärungen sind insbesondere 

Erklärungen zur Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und zur Wiederherstellung dessen Bestandsfähigkeit, § 14 Abs. 1 StaRUG, hiervon sind insbesondere die Erklärungen erfasst, die zur Inanspruchnahme der Werkzeuge des Restrukturierungsrahmens, vor allem der Inanspruchnahme des Restrukturierungsplans, abzugeben sind;



Erklärungen i. R. der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens, § 31 Abs. 2 StaRUG; zwar unterliegt die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens keiner gerichtlichen Überprüfung, aber mit der Anzeige wird das Restrukturierungsvorhaben rechtshängig und die restrukturierungsspezifischen Sorgfaltspflichten greifen. Zudem muss die Anzeige das Gericht in die Lage versetzen können, allein auf Grundlage der Anzeige Entscheidungen das Restrukturierungsvorhaben betreffend fällen zu können, insbesondere Entscheidungen bzgl. der Aufhebung des Vorhabens nach § 33 StaRUG;69)



Erklärungen, die während des Restrukturierungsvorhabens abgegeben werden, § 32 Abs. 2 StaRUG.70)

77 Im Falle einer Verletzung dieser Pflicht ist eine zusätzliche deliktische Haftung des Geschäftsleiters nicht ausgeschlossen. Zudem wird diskutiert, ob zugleich auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 263 StGB (Eingehungsbetrug) möglich wird.71) 4.

Haftung

4.1

Systematik

78 Wie nahezu jeder Schadensersatzanspruch im deutschen Recht enthält auch der des § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG einen haftungsbegründenden und einen haftungsausfüllenden Tatbestand. Normiert ist jedoch lediglich eine reine Innenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber dem Schuldner.72) 4.2

Haftungsbegründender Tatbestand

4.2.1 Verletzung restrukturierungsspezifischer Pflichten 79 Zunächst bedarf es der Verletzung restrukturierungsspezifischer Pflichten durch den oder die Geschäftsleiter. Bei den in § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG kodierten Pflichten des Geschäftsleiters handelt es sich um eine Ergänzung zu § 43 Abs. 1 GmbHG. Sämtliche zu den Sorgfaltspflichten eines Geschäftsführers nach dem GmbHG entwickelten Grundsätze gelten über § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG auch während des Restrukturierungsvorhabens. ___________ 68) Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 42. 69) Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 51; teilweise wird kritisiert, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle den Geschäftsleitern die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hätte auferlegen sollen, um die Eignung der Anzeige als Entscheidungsgrundlage des Gerichts zu garantieren, so Smid, ZInsO 2021, 117, 123. 70) Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 45 f. 71) Smid, ZInsO 2021, 117, 122 ff. 72) Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 22, 23.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners

§ 10

Durch § 43 Abs. 1 StaRUG ändert sich lediglich die Ausrichtung der Pflichten des Geschäftsleiters dahingehend von nun an die Geschäftsführung auch an den Interessen der Gläubiger auszurichten.73) Entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG erschöpfen sich die Pflichten des 80 Geschäftsleiters nicht in der Sorgfalts- und Interessenwahrungspflicht. Vielmehr bezieht sich die Handlungsverpflichtung der Geschäftsleiter während eines rechtshängigen Restrukturierungsvorhabens auch auf die in § 32 Abs. 2 bis 4 StaRUG genannten Pflichten, da es sich bei diesen lediglich um Unterfälle der Sorgfaltspflicht handelt und so die Pflicht der Geschäftsleiter nach § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG durch § 32 Abs. 1 StaRUG konkretisiert wird.74) 4.2.2 Verschulden und Exkulpation Vergleichbar mit der Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird auch 81 i. R. des § 43 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 StaRUG das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung vermutet. Danach wird vermutet, dass der Geschäftsleiter seine Pflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat, § 276 Abs. 1 BGB.75) Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass dem Geschäftsleiter die Möglichkeit der Exkulpa- 82 tion eröffnet wird, für die er dann auch – nach den allgemeinen Grundsätzen – die Beweisund Darlegungslast trägt.76) 4.3

Haftungsausfüllender Tatbestand

Um den haftungsausfüllenden Tatbestand „auszufüllen“, bedarf es eines ersatzfähigen 83 Schadens, der kausal auf der Pflichtverletzung des Geschäftsleiters beruht. 4.3.1 Schaden der Gläubiger/Quotenschaden Für den Fall einer Verletzung der obengenannten Pflichten der Geschäftsleiter haften diese 84 gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Die Höhe des zu ersetzenden Schadens richtet sich dabei, unter Anwendung der §§ 249 ff. 85 BGB,77) nach dem Schaden, welcher der Gläubiger der Gesellschaft durch die Pflichtverletzung des Geschäftsleiters der Gesellschaft entstanden sind.78) In der Regel wird wohl Schadensersatz i. H. des Quotenschadens, also die Minderung des den Gläubigern zur Befriedigung zur Verfügung stehenden Schuldnervermögens, zu leisten sein.79) Zur Ermittlung der konkreten Schadenshöhe steht dem Schuldner dabei die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zur Verfügung.80) Nach dem Wortlaut der Norm kann der Schuldner grundsätzlich den Schaden, welcher den 86 Restrukturierungsgläubigern entstanden ist, ersetzt verlangen. Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG nicht auf die Schäden von Restrukturierungsgläubigern beschränkt, denn die Verpflichtung zur sachgemäßen Durchführung des ___________ Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419. Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 32 Rz. 2. Goetker in: Flöther, StaRUG, § 43 Rz. 46. Scholz, ZIP 2021, 219, 225; Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 9 – 11. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 62. Thole, BB 2021, 1347, 1351. Goetker in: Flöther, StaRUG, § 43 Rz. 47; Weber/Dömmecke, NZI-Beilage 2021, 27, 29; ErwG 71 der Restrukturierungsrichtlinie. 80) Weber/Dömmecke, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 27, 29.

73) 74) 75) 76) 77) 78) 79)

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3. Teil Verfahren

Restrukturierungsvorhabens soll nach der gesetzlichen Intention nicht nur die an der Restrukturierung beteiligten Gläubiger schützen, sondern die Gesamtheit aller Gläubiger des Schuldners.81) 87 Entsteht dem Inhaber von Absonderungsanwartschaften ein Schaden an seiner Anwartschaft, so ist auch dieser ersatzfähig i. H. der Minderung des Anwartschaftswertes.82) 88 Auch der Schaden der Gläubiger, die nicht formell an der Restrukturierung beteiligt sind, ist i. R. des § 43 StaRUG ersatzfähig. Formell unbeteiligte Gläubiger sind solche, deren Forderungen zwar grundsätzlich nach dem StaRUG gestaltbar wären, im konkreten Vorhaben aber nicht gestaltet werden. Ebenso Gläubiger, deren Forderungen einer Gestaltung durch die Werkzeuge des StaRUG entzogen sind, bspw. Arbeitnehmer, § 4 Nr. 1 StaRUG.83) 4.3.2 Kausalität 89 Es sind allerdings nur die Schäden ersatzfähig, die kausal – conditio sine qua non – auf der Pflichtverletzung beruhen.84) 4.4

Verjährung (§ 43 Abs. 3 StaRUG)

90 Die in § 43 StaRUG normierten Ersatzansprüche verjähren grundsätzlich in fünf Jahren, es sei denn, dass es sich bei dem Schuldner um ein börsennotiertes Unternehmen handelt. In einem solchen Fall verjähren die Ansprüche innerhalb von zehn Jahren. 4.5

Umgang der Geschäftsleitung mit Weisungen der Gesellschafter

91 Die Regelung des § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG richtet sich eindeutig an die Geschäftsleiter und verpflichtet diese, wie oben dargestellt, die Restrukturierung mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen und dabei stets die Interessen der Gläubiger im Blick zu halten und diese zu wahren. 92 Aus dieser grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers folgt, dass es den Gesellschaftern des Schuldners gleichwohl verboten ist Weisungsbeschlüsse wider den Pflichtenkanon des § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG zu fassen. Ein solcher Weisungsbeschluss soll unwirksam sein.85) Zugleich darf der Geschäftsleiter nicht verpflichtet sein, entsprechenden Weisungen der Gesellschafter nachkommen zu müssen. Daher haben die Geschäftsleiter im Ergebnis weiterhin Weisungen der Gesellschafter zu beachten, soweit das Restrukturierungsvorhaben nicht gefährdet wird und die Gläubigerinteressen nicht verletzt werden.86) 4.6

Verzicht und Vergleich (§ 43 Abs. 2 StaRUG)

93 An § 43 Abs. 3 StaRUG ist erkennbar, dass die Haftungsnorm dem Erhalt des Schuldnervermögens dient.87) So ist ein Verzicht über Ansprüche des Schuldners gegen seine(n) Geschäftsleiter unwirksam, soweit der dem Schuldner anderenfalls zustehende Quotenschaden zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Ein solcher Verzicht ginge zulasten der Gläubiger. ___________ 81) 82) 83) 84) 85) 86) 87)

260

Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 63, 67. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 65. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 66. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 60. Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419. Kuleisa in: HambKomm-RestruktR, § 43 StaRUG Rz. 30; Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 128. Weber/Dömmecke in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 12.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Schuldners 5.

§ 10

Prozessuale Besonderheiten

Örtlich zuständig für den Haftungsprozess gegen ein Organmitglied ist das Wohnsitzge- 94 richt des Organmitgliedes, §§ 12, 13 ZPO, oder das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Sitz hat, als Erfüllungsort der Organpflichten, § 29 ZPO. Zudem handelt es sich gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 lit. a GVG um eine Handelssache.88) 6.

Abgrenzung zu anderen Haftungsnormen

6.1

Verhältnis zur deliktischen Haftung

Neben der Innenhaftung des Geschäftsleiters gegenüber dem Schuldner aus § 43 StaRUG 95 ist der Geschäftsleiter auch im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger direkt haftbar nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, sofern er seine Verpflichtung zur Anzeige der Insolvenzreife verletzt.89) 6.2

Abgrenzung zu § 43 GmbHG

§ 43 GmbHG regelt die allgemeine Geschäftsleiterhaftung bei Pflichtverletzungen, zu denen 96 es i. R. einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung kommt. Problematisch ist, dass die allgemeinen Geschäftsführungspflichten auch während des Restrukturierungsvorhabens weiter fortbestehen und sich lediglich um die restrukturierungsspezifischen Pflichten ergänzt werden. Nach welcher Norm ist nun eine Pflichtverletzung zu sanktionieren? Es spricht einiges dafür, dass die Verletzung einer „allgemeinen“ Geschäftsführungspflicht 97 auch während der Durchführung eines Restrukturierungsvorhabens weiter nach § 43 GmbHG sanktioniert wird und die Verletzung von restrukturierungsspezifischen Verpflichtungen nach § 43 StaRUG sanktioniert wird. Durch die Einführung des neuen Pflichtenkanons im StaRUG und der Schaffung einer zusätzlichen Haftungsnorm für Pflichtverletzungen mit § 43 StaRUG wird deutlich, dass eine Differenzierung in der Sanktionierung erfolgen soll und muss. Danach werden durch § 43 StaRUG – als lex specialis – die Verletzungen restrukturierungsspezifischer Pflichten und nach § 43 GmbHG – als lex generalis – die Verletzungen allgemeiner Geschäftsleiterpflichten sanktioniert.90)

___________ 88) Wittschier in: Musielak/Voit, ZPO, § 95 GVG Rz. 10; Zimmermann in: MünchKomm-ZPO, § 95 GVG Rz. 11, 12; Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 43 Rz. 14. 89) Smid, ZInsO 2021, 117, 124; Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 74. 90) So auch Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 75 ff.

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§ 11 Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten Fritz

I. Grundgedanke und Funktion ................... 1 II. Der notwendige Restrukturierungsbeauftragte ................................................... 8 1. Bestellung von Amts wegen ........................ 8 1.1 Fallgruppen notwendiger Bestellung (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) .......................................... 9 1.1.1 Eingriff in die Rechte besonders Schutzbedürftiger (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG) ..................... 9 1.1.2 Umfassende Stabilisierungsanordnung (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StaRUG) .............................. 17 1.1.3 Restrukturierungsplan mit Planüberwachung (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG) .............................. 20 1.2 Absehen von der Bestellung im Einzelfall................................... 21 1.3 Notwendige Bestellung bei erwartetem Cross-Class Cram-down.................................... 22 2. Auswahl und Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten .............................. 25 2.1 Vorschlagsrecht ............................. 27 2.1.1 Vorschlagsrecht des Schuldners ... 29 2.1.2 Vorschlagsrecht der Gläubiger ..... 31 2.1.3 Vorschlagsrecht der am Schuldner beteiligten Personen...................... 33 2.2 Ermessen des Restrukturierungsgerichts ................................. 35 2.2.1 Grundsätzliche Bindungswirkung des Gerichts .................... 35 2.2.2 Keine Bindungswirkung bei offensichtlicher Ungeeignetheit.................................................. 38 2.2.3 Behandlung mehrerer Vorschläge ..................................... 42 2.2.4 Rechtsmittel................................... 47 2.3 Bestellung eines weiteren Restrukturierungsbeauftragten (§ 74 Abs. 3) .................................. 48 3. Rechtsstellung ............................................ 52 4. Aufgaben und Pflichten............................. 54 4.1 Sachverständiger des Gerichts ...... 56 4.2 Auskunfts- und Berichtspflicht.... 63 4.3 Kernaufgabenbereich nach § 76 StaRUG.......................................... 66 4.3.1 Allgemeine Anzeigepflicht bei Aufhebungsreife ...................... 67

262

4.3.2

III. 1. 2. 3. 4.

IV. 1. 2. V. VI. 1.

Fritz

Sonderaufgaben bei spezieller Schutzbedürftigkeit der Beteiligten................................ 72 4.3.2.1 Abstimmungsleitung..................... 73 4.3.2.2 Forderungsprüfung ....................... 76 4.3.2.3 Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners ...................... 78 4.3.2.4 Überwachung der Geschäftsführung .......................................... 80 4.3.2.5 Kassenführung............................... 85 4.3.2.6 Zustimmungsvorbehalt................. 86 4.3.2.7 Unterstützung bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und -plans ...................................... 88 4.3.3 Sonderaufgaben bei Erlass einer Stabilisierungsanordnung .... 90 4.3.4 Stellungnahmepflicht bei Vorlage eines Restrukturierungsplans ............................................... 95 4.3.5 Durchführung von Zustellungen ... 97 4.4 Überwachung der Planerfüllung......................................... 98 Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte ............................................... 100 Bestellung auf Antrag .............................. 100 Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten.............................................. 103 Rechtsstellung .......................................... 109 Aufgaben und Pflichten........................... 110 4.1 Auskunfts- & Berichtspflicht..... 110 4.2 Unterstützung und Vermittlung ................................. 111 4.3 Übertragung weiterer Aufgaben...................................... 116 Eignung als Restrukturierungsbeauftragter ............................................. 117 Fachliche und persönliche Qualifikation ............................................ 118 Möglichkeit der Entlassung aus dem Amt ............................................ 127 Amtsträgerschaft in der Folgeinsolvenz .................................................. 130 Haftung des Restrukturierungsbeauftragten............................................. 133 Zivilrechtliche Haftung ........................... 133 1.1 Maßgeblicher Pflichtenbereich.......................................... 134

Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten 1.2

Verschulden und Sorgfaltsmaßstab ........................................ 138 1.3 Schadensersatzpflicht .................. 142 1.4 Verjährung ................................... 146 2. Strafrechtliche Haftung ........................... 147 3. Steuerliche Pflichtenstellung ................... 149 VII. Kosten und Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten............. 150 1. Gerichtskosten ......................................... 150

2.

§ 11

Vergütungsansprüche .............................. 153 2.1 Aufwandsbasierte Vergütung nach Stundensätzen ..................... 155 2.1.1 Allgemeines.................................. 155 2.1.2 Vergütung eines isolierten Sachverständigen ......................... 160 2.2 Andere Bemessungsgrundlagen im Einzelfall ................................. 163

Literatur: Bea, Distressed M&A-Transaktionen und neue Stakeholderanalyse im Kontext des StaRUG, SanB 2021, 51; Blersch, Wege zur Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 77; Braun/Frank, Auslaufmodell anwaltlicher Insolvenzverwalter?, NZI 2020, 1; Brinkmann, Der „shift of fiduciary duties“ ist tot – es lebe die Solvenzsicherungspflicht!, TLE-011-2021; de Bruyn/Ehmke, StaRUG und InsO – Sanierungswerkzeuge des Restrukturierungs- und Insolvenzverfahrens, NZG 2021, 661; Boss/Luttmann/Saueressig, Erwägungen zu einem restrukturierungsspezifischen Haftungskonzept des zukünftigen Restrukturierungsbeauftragten, SanB 2020, 9; Deppenkemper, Heute an morgen denken – der Restrukturierungsbeauftragte kommt, ZIP 2020, 1041; Fiebig, StaRUG – eine Auswertung der ersten praktischen Fälle, ZRI 2021, 561; Flöther, Der Restrukturierungsbeauftragte – Neue Figur in altbekanntem Gewand?, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48; Frind, Nutzen und Grenzen der gerichtlichen Vorprüfung im StaRUG-Verfahren, NZI 2021, 609; Frind, Probleme bei der Bestellung und Verwendung des Restrukturierungsbeauftragten aus gerichtlicher Sicht, ZRI 2021, 397; Fritz/Scholtis, Die künftige Rolle des Restrukturierungsbeauftragten im Lichte des präventiven Restrukturierungsrahmens, NZI 2020, 49; Gazeas Das neue Geldwäsche-Strafrecht: Weitreichende Folgen für die Praxis, NJW 2021, 1041; Hölzle/Curtze, Eine Krise – Ein Verfahren – Folgen eines vorangegangenen Restrukturierungsverfahrens nach StaRUG in der späteren Insolvenz, ZIP 2021, 1293; Köllner, Die neue Geldwäsche-Gesetzgebung Konsequenzen für Sanierer und Verwalter, NZI 2021, 316; Paulus, Der Wandel von einem gläubigerzentrierten zum einem schuldnerzentrierten Sanierungsansatz unter dem StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 9; Proske/Streit, Rettende Restrukturierung durch Rechtsrahmen? Lob und Kritik zum Regierungsentwurf des StaRUG, NZI 2020, 969; Römermann, Die Zukunft der Insolvenzverwalterbestellung, ZInsO 2004, 937; Salamon/Krimm, Arbeitsrechtliche Aspekte und Herausforderungen im außerinsolvenzlichen Sanierungsverfahren, NZA 2021, 235; Schluck-Amend, Mehr Befugnisse für die Gläubiger im Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren?, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 88; Schulte-Kaubrügger/Dimassi, Der Restrukturierungsbeauftragte nach dem StaRUG, ZIP 2021, 936; Smid, Innen- und Außenhaftung des Geschäftsleiters bei Inanspruchnahme des Restrukturierungsrahmens durch die schuldnerische Gesellschaft nach § 43 StaRUG, ZInsO 2021, 117; Smid, Der Restrukturierungsbeauftragte in den Regelungen des StaRUG, ZInsO 2020, 2184; Thole, Das Amt des Restrukturierungsbeauftragten, ZRI 2020, 393; Uhländer, Steuervollzug in der Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz, DB 2021, 1027; Witfeld, Aktuelle Steuerrechtsfragen in Krise und Insolvenz, NZI 2021, 665.

I.

Grundgedanke und Funktion

Die Restrukturierungsrichtlinie1) stellt mit dem Restrukturierungsbeauftragten einen gänz- 1 lich neuen Akteur in der präventiven Restrukturierung vor. Seine Rolle beschreibt die Richtlinie als eine Person oder Stelle, die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestellt wird, um insbesondere eine oder mehrere der folgenden Aufgaben zu erfüllen: 

Unterstützung des Schuldners oder der Gläubiger bei der Ausarbeitung oder Aushandlung eines Restrukturierungsplans,



Überwachung der Tätigkeit des Schuldners während der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan und

___________ 1)

Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.

Fritz

263

§ 11

3. Teil Verfahren



Berichterstattung an eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde sowie



Übernahme der teilweisen Kontrolle über die Vermögenswerte oder Geschäfte des Schuldners während der Verhandlungen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 12).

2 Nach dem Grundgedanken der Richtlinie ist der Restrukturierungsbeauftragte Wahrer gegenläufiger Interessen.2) In Abhängigkeit von der jeweiligen Ausgangssituation soll das „Ob“ der Bestellung und das „Wie“ in Bezug auf die Ausgestaltung von Pflichten und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten flexibel handhabbar sein und keinem festen Muster folgen.3) Seine Bestellung soll bereits nach den Vorgaben der Richtlinie nicht in jedem Fall zwingend sein. Daher ist sie je nach den Umständen des Einzelfalls und den besonderen Erfordernissen des Schuldners, nur in Einzelfällen vorgesehen.4) Die von dem Richtliniengeber angedachte Flexibilität wurde i. R. des StaRUG5) weitgehend aufgegriffen und umgesetzt. In dessen Kapitel 3 (§§ 73 bis 79 StaRUG) hat der Gesetzgeber detailliert festgeschrieben welche Rechtsstellung ihm zukommt, in welchen Fällen ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden kann oder muss sowie welche Aufgaben und Pflichten ihm auferlegt werden können. Darüber hinaus haben Vorschriften zur fachlichen Eignung von Restrukturierungsbeauftragten sowie in §§ 80 bis 83 StaRUG auch zu deren Vergütung Eingang in das Gesetz gefunden. 3 Je nach Ausgestaltung im Einzelfall vereint der Restrukturierungsbeauftragte Funktionen mehrerer bekannter Akteure in einem Amt. Aufgaben, welche bisher i. R. der Verfahren nach der InsO von Insolvenzverwaltern oder Sachwaltern einerseits, sowie andererseits i. R. ihrer Mandats- und Auftragsverhältnisse von Sanierungsberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern von CROs oder gar eigens bestellten Mediatoren wahrgenommen wurden, können i. R. der Nutzung der präventiven Restrukturierungsinstrumente des StaRUG nunmehr zum Teil auch dem Restrukturierungsbeauftragten übertragen werden. 4 Der Restrukturierungsbeauftragte übt als Vermittler und Überwacher grundsätzlich eine Doppelfunktion aus, wobei der Schwerpunkt seiner jeweiligen Funktion und somit die Definition seines Aufgaben- und Pflichtenkatalogs im Einzelfall davon abhängt, ob der Restrukturierungsbeauftragte von Amts wegen (notwendig) oder auf Antrag (fakultativ) bestellt wird. Im Falle der notwendigen Bestellung liegt der Schwerpunkt deutlich auf der Überwachungsfunktion des Restrukturierungsbeauftragten – jedenfalls sofern ihm nicht zusätzlich unterstützende Aufgaben nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG zukommen. Insoweit lehnt sich seine Funktion teils an diejenige des Sachwalters an.6) Wie diese, ist der Restrukturierungsbeauftragte infolge der gerichtlichen Bestellung zur Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet.7) Die Notwendigkeit einer Ausübung der Überwachungsfunktion durch einen unparteiischen Dritten folgt bereits aus dem Umstand, dass die StaRUG-Instrumente außerhalb eines gerichtsförmigen Insolvenzverfahrens Eingriffe in ___________ 2) 3)

4) 5)

6) 7)

264

Fritz/Scholtis, NZI 2020, 49, 51. Dies folgt auch aus den Formulierungen in Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 der Richtlinie („insbesondere eine oder mehrere der folgenden Aufgaben“; „teilweise Kontrolle“); Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Kap. 6 Rz. 35. ErwG 30 der Restrukturierungsrichtlinie; Deppenkemper, ZIP 2020, 1041, 1045. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, Vor § 73 Rz. 1. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169; Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48; Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, Vor § 73 Rz. 2.

Fritz

Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

die Rechte von Gläubigern ermöglichen. Zwar ist die Nutzung der präventiven Restrukturierungsinstrumente des StaRUG von dem Grundsatz der Eigenverwaltung getragen.8) Gleichwohl gebieten es rechtsstaatliche Grundsätze, dass auch die schutzwürdigen Inte- 5 ressen derjenigen Betroffenen, die nicht ohne weiteres in der Lage sind diesen selbst Geltung zu verschaffen, hierbei hinreichend Berücksichtigung finden.9) Der Gesetzgeber hatte hierbei weniger die Finanzgläubiger im Blick, sondern vielmehr Verbraucher sowie mittlere, Klein- und Kleinstunternehmen, soweit deren Forderungen i. R. der Restrukturierung berührt werden.10) Im Falle der fakultativen Bestellung hingegen, liegt der Schwerpunkt auf der Vermitt- 6 lungsfunktion des Restrukturierungsbeauftragten. Soweit die Beteiligten dies wünschen, soll der Restrukturierungsbeauftragte die Verhandlungen über ein Restrukturierungskonzept bzw. einen Restrukturierungsplan unterstützen. In Ansehung dessen, dass der Schuldner oftmals bereits das Vertrauen seiner Gläubiger in Teilen verloren hat, soll der Restrukturierungsbeauftragte die „Integrität und Effizienz des Restrukturierungsprozesses sicherstellen“.11) Die Notwendigkeit dieser vermittelnden Tätigkeit in bestimmten Fällen einem Restrukturierungsbeauftragten zu übertragen liegt darin begründet, dass der Erfolg einer vorinsolvenzlichen Restrukturierung stets in hohem Maße von der Konsensfähigkeit der Beteiligten abhängt. Nach der Gesetzesbegründung soll der Restrukturierungsbeauftragte daher vorrangig den Restrukturierungsprozess voranbringen, Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten ausgleichen und als Mediator der verschiedenen Interessen agieren.12) Insoweit kommt dem Restrukturierungsbeauftragten auch eine generelle Beratungsfunktion zu.13) Er ist dabei nicht einzelnen Beteiligten, sondern allein dem kollektiven Interesse aller Beteiligten am Erfolg des Prozesses verpflichtet. Freilich ersetzt die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten somit – insbesondere 7 bei komplexeren Restrukturierungen – nicht das Tätigwerden von Sanierungsberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern, sondern sie sorgt für eine klarere Aufgabenzuteilung sowie für die Integration eines unparteiischen Akteurs und ggf. einer der gerichtlichen Aufsicht unterstehenden Kontrollinstanz. II.

Der notwendige Restrukturierungsbeauftragte

1.

Bestellung von Amts wegen

Die Voraussetzungen, unter denen die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten von 8 Amts wegen zu erfolgten hat, sind in § 73 StaRUG niedergelegt. Trifft eine der in Absatz 1 Satz 1 genannten Fallgruppen einzeln oder kumulativ mit anderen Fallgruppen auf die jeweilige Restrukturierungssache zu, hat das Restrukturierungsgericht grundsätzlich einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen, soweit es nicht i. R. seines Ermessens (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) hiervon abzuweichen befugt ist.14)

___________ 8) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 93; so auch die Vorgabe der Restrukturierungsrichtlinie in Art. 5 Abs. 1. 9) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. 10) Vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG. 11) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. 12) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 175; Smid, ZInsO 2020, 2184, 2188. 13) Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48, 50; Bea, SanB 2021, 51, 54. 14) Damit hat der deutsche Gesetzgeber von der Wahlmöglichkeit in Art. 4 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie Gebrauch gemacht.

Fritz

265

§ 11 1.1

3. Teil Verfahren Fallgruppen notwendiger Bestellung (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StaRUG)

1.1.1 Eingriff in die Rechte besonders Schutzbedürftiger (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG) 9 Erste und wohl wichtigste Fallgruppe der notwendigen Bestellung ist erfüllt, sofern i. R. der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG. Die Vorschrift spiegelt deutlich die Überwachungs- und Schutzfunktion des Restrukturierungsbeauftragten wider.15) 10 Weil die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass die in Satz 1 Nr. 1 genannten Personengruppen nicht im gleichen Maße wie etwa größere Unternehmen und allen voran die Finanzgläubiger in der Lage sind, ihren Interessen i. R. der Restrukturierung hinreichend Geltung zu verschaffen, sieht der Gesetzgeber Verbraucher sowie mittlere, Klein- und Kleinstunternehmen als besonders schutzwürdig an.16) Bezeichnend ist, dass die Restrukturierungsrichtlinie diese Fallgruppe der notwendigen Bestellung ihrerseits nicht vorsieht. Nach deren ErwG 30 sollte demgegenüber die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten immer dann erforderlich sein, wenn ein Restrukturierungsplan Arbeitnehmerrechte berührt. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG jedoch von der Wahlmöglichkeit in Art. 1 Abs. 5 lit. a der Richtlinie Gebrauch gemacht und die Forderungen von Arbeitnehmern von der Gestaltbarkeit durch einen Restrukturierungsplan ausgenommen.17) Bereits der Referentenentwurf des SanInsFoG erkannte für Verbraucher und KMUs eine Interessenlage, die mit der von Arbeitnehmern durchaus vergleichbar ist. Danach verfügen die Betroffenen regelmäßig nicht über Erfahrungen im Umgang mit Restrukturierungen und sind zumeist mit verhältnismäßig geringen Forderungssummen betroffen, in Anbetracht derer die aktive Beteiligung an dem Verfahren vielfach unökonomisch erscheint.18) 11 Für die Abgrenzung des persönlichen Anwendungsbereiches gilt das Folgende:19) 

Verbraucher sind anhand der zu § 13 BGB entwickelten Maßstäbe zu bestimmen;20)



Mittlere Unternehmen: < 250 Mitarbeiter; Jahresumsatz < 50 Mio. € bzw. Jahresbilanz < 43 Mio. €;



Kleine Unternehmen: < 50 Mitarbeiter; Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz < 10 Mio. €;



Kleinstunternehmen: < 10 Mitarbeiter; Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz < 2 Mio. €.

12 Ein Berühren der Rechte von Verbrauchern, mittleren, Klein- und Kleinstunternehmen i. S. der Vorschrift liegt vor, wenn deren Forderungen oder Absonderungsanwartschaften entweder durch den Restrukturierungsplan gestaltet (vgl. § 2 StaRUG) werden sollen oder die Durchsetzung solcher Forderungen oder Absonderungsanwartschaften durch eine Stabilisierungsanordnung gesperrt (§§ 49 ff. StaRUG) werden soll. Durch die ausdrückliche und abschließende Nennung von Restrukturierungsplan und Stabilisierungs___________ Smid, ZInsO 2020, 2184, 2186. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174. Salomon/Krim, NZA 2021, 235, 237. Begr. RefE SanInsFoG z. StaRUG, v. 19.9.2020, S. 186, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 16.1.2023). 19) Nach Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 937 – unter Verweis auf die Empfehlung der EUKommission v. 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. (EU) L 124/36–41 v. 20.5.2003. 20) „Verbraucher“ ist nach der Legaldefinition in § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 15) 16) 17) 18)

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

anordnung wird klargestellt, dass soweit Rechte der maßgeblich Betroffenen durch andere als die genannten Instrumente berührt werden, dies nicht die notwendige Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten zur Folge hat.21) Ob Rechte von Verbrauchern oder KMU berührt werden, ist bereits i. R. der Anzeige des 13 Restrukturierungsvorhabens nach § 31 Abs. 2 Satz 2 StaRUG anzugeben.22) Die Rechte der maßgeblichen Personen können grundsätzlich auch durch anderweitige Restrukturierungsmaßnahmen berührt werden.23) Im Anwendungsbereich des StaRUG sind indes kaum Konstellationen denkbar, in welchen die hier maßgeblichen Gläubiger durch eine andere als die genannten Restrukturierungsmaßnahmen in einer Weise berührt werden, die die zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten rechtfertigen würde. Denn eine solche Maßnahme müsste isoliert betrachtet eine mit einem Restrukturierungsplan oder einer Stabilisierungsanordnung vergleichbare Einschränkung mit sich bringen – insbesondere die Einschränkung des Bestandes oder der Durchsetzbarkeit eines Rechts – ohne dass gleichzeitig ein Restrukturierungsplan oder eine Stabilisierungsanordnung vorliegt.24) Die i. R. der Restrukturierung berührten Rechte der schutzwürdigen Personengruppen 14 sind nicht nur Forderungen, sondern auch Absonderungsanwartschaften sein. Hierbei handelt es sich um solche Rechte eines Gläubigers, die i. R. eines Insolvenzverfahrens nach den §§ 49 ff. InsO zur Absonderung berechtigen würden.25) Die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 StaRUG bestimmten Sicherheiten nach § 1 Abs. 16, 17 KWG, die i. R. des StaRUG nicht als Absonderungsanwartschaften anzusehen sind, sind keine Sicherheiten einer nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG schützenswerten Personengruppe, sodass diese Ausnahmen für die Frage nach der notwendigen Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten ohne Bedeutung sind. Praxisrelevante Absonderungsanwartschaften sind insbesondere: 

15

Grundpfandrechte (Hypothek, Grundschuld, Sicherungsgrundschuld, Rentenschuld), auch soweit etwaige weitere Gegenstände des Schuldners in den Haftungsverband des jeweiligen Grundpfandrechts fallen;26)



Schiffshypotheken und Registerpfandrechte an Luftfahrzeugen;



vertragliche Pfandrechte;



Pfändungspfandrechte;

___________ 21) Sowohl der RefE als auch der RegE sahen diesbezüglich die Formulierung „insbesondere“ vor. Die notwendige Bestellung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG wäre danach auch in Bezug auf andere Instrumente als den Restrukturierungsplan und die Stabilisierungsanordnung anwendbar gewesen. Auf Empfehlung des Ausschusses R/V wurde die Formulierung „insbesondere“ indes gestrichen, Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 9. 22) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 73 Rz. 6. 23) Vgl. Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 937. 24) Teilweise wird argumentiert, dass die Erstreckung des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG auf andere Maßnahmen dazu führen würde, dass die notwendige Bestellung nach dieser Vorschrift zur Regel würde und nur bei ausschließlich Finanz- und Großgläubiger betreffenden Verfahren unterbleiben könnte, vgl. etwa Proske/Streit, NZI 2020, 969, 974, und Peters in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online, § 73 Rz. 9. Dem ist entgegenzuhalten, dass bei der überwiegenden Anzahl der StaRUG-Verfahren, in denen Rechte von Verbrauchern und KMU berührt werden, dies im Wege einer Stabilisierungsanordnung und/oder eines Restrukturierungsplans erfolgen dürfte. Fälle in denen Rechte auch durch andere Maßnahmen berührt werden, fallen damit ohnehin bereits in den Anwendungsbereich des § 73 StaRUG. Fälle in denen diese Rechte jedoch ausschließlich durch andere Maßnahmen als den Restrukturierungsplan und die Stabilisierungsanordnung berührt werden und die gleichzeitig noch in den Anwendungsbereich des StaRUG fallen, dürften dagegen überaus selten vorkommen. 25) Vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG. 26) S. § 1120 BGB.

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§ 11 

3. Teil Verfahren

gesetzliche Pfandrechte, wie z. B.: Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB), Vermieterpfandrecht (§§ 562 ff., 578 Abs. 1 BGB), Verpächterpfandrecht (§ 592 BGB), Pächterpfandrecht am Inventar (§ 583 BGB), Lagerhalterpfandrecht (§ 475b HGB), Frachtführerpfandrecht (§ 440 HGB); Spediteurspfandrecht (§ 464 HGB), Kommissionärspfandrecht (§ 397 HGB).

16 Wird eine Forderung oder eine Absonderungsanwartschaft mindestens eines nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StaRUG geschützten Gläubigers voraussichtlich durch einen Restrukturierungsplan oder eine Stabilisierungsanordnung berührt, so ist dies durch den Schuldner i. R. der Anzeige der Restrukturierungssache zwingend anzugeben (§ 31 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). 1.1.2 Umfassende Stabilisierungsanordnung (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StaRUG) 17 Ein Restrukturierungsbeauftragter ist ferner notwendigerweise zu bestellen, sofern der Schuldner den Erlass einer Stabilisierungsanordnung beantragt, die sich mit Ausnahme der nach § 4 ausgenommenen Forderungen gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richten soll, § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG. Wird eine derart umfassende Stabilisierungsanordnung für notwendig gehalten, so geht der Gesetzgeber davon aus, dass dies schwerwiegende wirtschaftliche Schwierigkeiten indiziert, wobei ein überwachendes Tätigwerden eines Restrukturierungsbeauftragten erforderlich sein kann.27) 18 Eine Stabilisierungsanordnung nach §§ 49 ff. StaRUG betrifft „im Wesentlichen alle Gläubiger“, wenn bei einer Gesamtbetrachtung der überwiegende Teil der Gläubiger einbezogen werden soll.28) Hierbei kann sowohl auf die Anzahl der Gläubiger oder auf die Höhe der einbezogenen Forderungen relativ zur Gesamtmasse an Forderungen abgestellt werden. Im Wesentlichen alle Gläubiger können demnach auch dann betroffen sein, wenn sich die Stabilisierungsanordnung nur gegen einen einzelnen, dafür aber mit einer sehr hohen Forderung betroffenen Gläubiger richtet.29) 19 Ob sich eine Stabilisierungsanordnung gegen im Wesentlichen alle Gläubiger richtet, ist durch das Restrukturierungsgericht zu beurteilen. Bei dessen Beurteilung bleiben nach dem Wortlaut der Vorschrift diejenigen Forderungen außen vor, welche nach § 4 StaRUG nicht durch einen Restrukturierungsplan gestaltbar sind, namentlich Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung, Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die den Schuldner zu einer Geldzahlung verpflichten. 1.1.3 Restrukturierungsplan mit Planüberwachung (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG) 20 Sieht ein Restrukturierungsplanes die Überwachung der Erfüllung der in dem gestaltenden Teil zugunsten der Gläubiger bestimmten Ansprüche vor (§ 72 Abs. 1 StaRUG), ist von Amts wegen ein Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen und diesem gemäß § 72 Abs. 2 StaRUG die Planüberwachung zu übertragen. Dabei kann die Bestellung ausschließlich zum Zwecke der Planüberwachung geschehen, wobei die Erweiterung des Aufgabenbereiches des Restrukturierungsbeauftragten nur dann statthaft ist, wenn zusätzlich die Voraussetzungen von § 73 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 StaRUG vorliegen, wie sich aus § 76 Abs. 2 ___________ 27) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 170. 28) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 73 Rz. 10. 29) Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 938.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

StaRUG ergibt.30) Gleichwohl kann auch einem nach Maßgabe der §§ 77 – 79 StaRUG auf Antrag bestellten Restrukturierungsbeauftragten zusätzlich zu seinen originären Aufgaben die Planüberwachung übertragen werden. 1.2

Absehen von der Bestellung im Einzelfall

Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StaRUG kann das Gericht i. R. der Ausübung seines pflichtge- 21 mäßen Ermessens im Einzelfall von der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten absehen, wenn diese zur Wahrung der Rechte der Beteiligten nicht erforderlich oder offensichtlich unverhältnismäßig ist. Unabhängig davon, dass der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgeht, dass in den in § 73 Abs. 1 Nr. 1 – 3 StaRUG genannten Fällen die amtswegige Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten grundsätzlich geboten ist, soll dies nicht dazu führen, dass dem Gericht der notwendige Handlungsspielraum genommen wird, um im Einzelfall sachgerecht auf die besonderen Erfordernisse jeder Restrukturierungssache reagieren zu können. Liegt ein Fall nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StaRUG vor, bedarf die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten keiner dezidierten Begründung. Möchte das Gericht hingegen trotz Vorliegens eines solchen Regelfalles von der Bestellung Abstand nehmen, hat es i. R. einer Verhältnismäßigkeitsprüfung31) ausführlich darzulegen, weshalb die Nichtbestellung eines Restrukturierungsbeauftragten keine nachteiligen Auswirkungen auf die Interessen der Beteiligten erwarten lässt. Ein Fall der Unverhältnismäßigkeit kann etwa dann gegeben sein, wenn die infolge der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten entstehenden Kosten außer Verhältnis zu dem durch dessen Aufgabenerfüllung gewonnenen Nutzen stehen. 1.3

Notwendige Bestellung bei erwartetem Cross-Class Cram-down

Die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten ist nach § 73 Abs. 2 StaRUG zwin- 22 gend, wenn absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften erreichbar ist, ohne deren Zustimmung zum Restrukturierungsplan eine Planbestätigung nur im Wege einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung (Cross-Class Cram-down) möglich ist. Durch die Regelung dieser Fallgruppe in einem eigenständigen Absatz wird deutlich, dass den Gerichten hierbei die für die übrigen Regelfälle einer notwendigen Bestellung (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StaRUG) durch § 73 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ermöglichte Ermessensentscheidung gerade nicht statthaft ist. Der Restrukturierungsbeauftragten ist daher zu bestellen, wenn im Zeitpunkt der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens oder zu jedem späteren Zeitpunkt begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein oder mehrere Gläubiger ihre Zustimmung zu dem vorgelegten Restrukturierungsplan verweigern werden und hierdurch die nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Mehrheit von 75 % voraussichtlich nicht erreicht wird. Jedoch muss auch die Bestätigung des Planes im Wege einer klassenübergreifenden Mehr- 23 heitsentscheidung nach § 26 StaRUG grundsätzlich wahrscheinlich sein. Denn ist absehbar, dass eine Zustimmung der (einfachen) Mehrheit der abstimmenden Gruppen ebenfalls nicht erreicht würde (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG), ist die Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG zu erwägen. Denn in diesem Fall ist absehbar, dass die Umsetzung des Restrukturierungsvorhabens keine Aussicht auf Umsetzung hat. Eine Ausnahme von der notwendigen Bestellung ist nur dann zu machen, wenn der Restruk- 24 turierungsplan ausschließlich Unternehmen des Finanzsektors betrifft (§ 73 Abs. 2 Satz 2 ___________ 30) Peters in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online, § 73 Rz. 15, § 76 Rz. 9. 31) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 73 Rz. 14.

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3. Teil Verfahren

StaRUG). § 73 Satz 3 StaRUG stellt den Unternehmen des Finanzsektors auch deren Rechtsnachfolger gleich. Damit sind etwa auch solche Gläubiger umfasst, die die Forderung eines Unternehmens des Finanzsektors im Wege der Abtretung erworben haben (bspw. NPL-Investoren). Ferner sind diejenigen Planbetroffenen den Unternehmen des Finanzsektors gleichgestellt, welche mit Forderungen aus geld- oder kapitalmarktgehandelten Instrumenten von dem Restrukturierungsplan betroffen sind.32) Bei den hier ausgenommen Gläubigergruppen unterstellt der Gesetzgeber, dass diese bei einer zu erwartenden Obstruktion auch ohne das Tätigwerden eines Restrukturierungsbeauftragten in der Lage sind, ihren Interessen wirksam Geltung zu verschaffen.33) Hierdurch wird das Verfahren für rein finanzielle Restrukturierungen merklich verschlankt. 2.

Auswahl und Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten

25 Die Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten obliegt – wie auch im Falle der Auswahl eines Sachwalters oder Insolvenzverwalters – dem Gericht, § 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Restrukturierungsbeauftragte nicht nur vermittelnd und beratend für die einzelnen Beteiligten agiert, sondern vor allem in seiner Überwachungsfunktion im Dienste bzw. unter (Rechts-)Aufsicht des Restrukturierungsgerichtes steht.34) So ist es nur folgerichtig, dass bei der Entscheidung über die Person des Restrukturierungsbeauftragten das Gericht das letzte Wort haben muss. Gleichwohl ist es für die einzelnen Stakeholder von enormer Bedeutung, wer als Restrukturierungsbeauftragter eingesetzt wird.35) Insoweit ermöglicht der Gesetzgeber eine Beteiligung von Schuldner und Gläubigern i. S. eines Vorschlagsrechts.36) 26 Unabhängig davon sind der Auswahl und Bestellung eines notwendigen Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 74 Abs. 1 StaRUG bestimmte fachliche und persönliche Anforderungen des potenziellen Kandidaten zu beachten. Da diese Anforderungen über den Verweis in § 78 Abs. 1 StaRUG auch für einen potenziellen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten gelten, finden sich die Ausführungen zu den allgemeinen Eignungsvoraussetzungen dort (siehe Rz. 118 ff.) 2.1

Vorschlagsrecht

27 § 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG sieht vor, dass Vorschläge bei der Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten von dem Restrukturierungsgericht zu berücksichtigen sind. Die Möglichkeit der Einbeziehung der Beteiligten bei der Auswahl bzw. das „Mitbringen“ eines Restrukturierungsbeauftragten wird durchaus als Stärke des StaRUG aufgefasst, da hierdurch die Planbarkeit des Verfahrens erhöht wird und das Verfahren insgesamt attraktiver wird.37) Zu beachten ist allerdings, dass das Vorschlagsrecht nur in den Fällen einer Bestellung nach § 73 Abs. 1 und 2 StaRUG (siehe Rz. 9 ff. und Rz. 22 ff.) greift. In Bezug auf den ausschließlich als Sachverständigen bestellten Restrukturierungbeauftragten (§ 73 Abs. 3 StaRUG) haben die Beteiligten kein Vorschlagsrecht.38) ___________ 32) Dies gilt nach § 73 Abs. 2 Satz 4 StaRUG auch dann, wenn diese Instrumente nicht verbrieft sind, soweit sie zu gleichlautenden Bedingungen ausgegeben wurden. 33) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 171; Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48, 49; Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 939. 34) Smid, ZInsO 2020, 2184, 2185; Fuhst in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 5 Rz. 11. 35) Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48. 36) Dafür schon u. a. Thole, ZRI 2020, 393, 400. 37) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 172; Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48, 50; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 74 Rz. 19, 22. 38) Frind, ZRI 2021, 397, 398.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

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Vorschlagsberechtigt sind der Schuldner, die Gläubiger und der an dem Schuldner betei- 28 ligten Personen: 2.1.1 Vorschlagsrecht des Schuldners Dem Vorschlagsrecht des Schuldners selbst wird nach der Wertung des Gesetzgebers hohe 29 Bedeutung zugemessen. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich ableiten, dass das „Mitbringen“ eines Restrukturierungsbeauftragten ausdrücklich vorgesehen wurde.39) Schon i. R. der Eigenverwaltung ist es nicht unüblich, dass der (gut vorbereitete) Schuldner i. R. seines Eröffnungsantrages bereits einen Vorschlag für die Person des Sachwalters unterbreitet. Vor allem dann, wenn der vorgeschlagene Sachwalter nicht dem „Pool“ des jeweiligen Insolvenzgerichts angehört, stößt dieses Vorgehen jedoch nicht immer auf Verständnis und mitunter sogar unbegründete Vorbehalte. Im Rahmen des StaRUG soll dies aufgrund der größeren Schuldnerzentrierung40) des Verfahrens gegenüber der Eigenverwaltung explizit ermöglicht werden. Hiervon verspricht sich der Gesetzgeber auch einen Effizienzgewinn,41) welcher sich daraus ergeben kann, dass der zukünftige Restrukturierungsbeauftragte bereits vor seiner förmlichen Bestellung in gewissem Umfang einbezogen wird. Ferner ist zu erwarten, dass es der Kommunikation zwischen Schuldner und Restrukturierungsbeauftragtem zugutekommt, wenn letzterer eine für den Schuldner vertrauenswürdige Person ist. Das Vorschlagsrecht des Schuldners (oder anderer Beteiligter) besteht nur dann, wenn die 30 Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten aus § 73 Abs. 1 oder 2 StaRUG folgt. Bestellt das Gericht einen sachverständigen Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Abs. 3 StaRUG (siehe dazu unter Rz. 56 ff.), so obliegt die Entscheidung über dessen Person allein dem Restrukturierungsgericht. 2.1.2 Vorschlagsrecht der Gläubiger Das grundsätzliche Vorschlagsrecht der Gläubiger schränkt der Gesetzgeber in § 74 Abs. 2 31 Satz 3 StaRUG dahingehend ein, dass der Vorschlag zumindest von einer Sperrminorität von Planbetroffenen getragen werden muss.42) Hierdurch soll vermieden werden, dass das Instrument des Restrukturierungsbeauftragten von einzelnen Gläubigern missbräuchlich verwendet wird.43) Insoweit bedarf es um die Bindungswirkung des Vorschlages (siehe dazu unter Rz. 35 ff.) auszulösen der Unterstützung von mindestens 25 % der Gläubiger in jeder der nach § 9 StaRUG gebildeten oder zu bildenden Gruppen.44) Hat der Schuldner bereits den Entwurf eines Restrukturierungsplans vorgelegt, ist die tatsächliche Gruppenbildung maßgeblich, soweit diese in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist. Diese Einschränkung des Vorschlagsrechtes auf die Planbetroffenen wirft die Frage auf, 32 in welchem Umfang die Gläubiger in solchen Fällen, in denen überhaupt kein Restrukturierungsplan vorgelegt werden soll, vorschlagsberechtigt in Bezug auf die Person des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten sein sollen. Definitionsgemäß ist von Planbetroffenen, deren Sperrminorität der § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG verlangt, nur dann zu sprechen,

___________ 39) 40) 41) 42) 43) 44)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 172. Paulus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 9; Frind, NZI 2021, 609, 610. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 172. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 172. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 172. Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 74 Rz. 26.

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3. Teil Verfahren

wenn auch ein Restrukturierungsplan vorgelegt wird.45) Indes sind Konstellationen denkbar, in denen der Schuldner etwa lediglich eine Stabilisierungsanordnung begehrt, seine Restrukturierungsplanung jedoch die Implementierung eines Restrukturierungsplans überhaupt nicht vorsieht. Den Gläubigern muss auch in diesen Fällen Gelegenheit gegeben werden, einen Restrukturierungsbeauftragten vorzuschlagen. Insoweit erscheint es sachgerecht, in diesen Fällen die notwendige Sperrminorität anhand eines fiktiven Restrukturierungsplans zu ermitteln. Im Rahmen dessen wären dann die von der beantragten Stabilisierungsanordnung betroffenen Gläubiger mit ihren Forderungen nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 StaRUG gedanklich in Gruppen zu unterteilen, wobei lediglich die dort genannten Pflichtgruppen zu berücksichtigen sind. Außen vor bleibt hierbei jedoch die Pflichtgruppe der Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG).46) Den hierin vertretenen Anteilseignern steht ausweislich des § 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG ein eigenes Vorschlagsrecht zu, sodass es den übrigen Gläubigern nicht abverlangt werden kann, zur wirkungsvollen Unterbreitung eines Vorschlages für die Person des Restrukturierungsbeauftragten auch ¼ der Anteilseigner zu überzeugen. 2.1.3 Vorschlagsrecht der am Schuldner beteiligten Personen 33 Nicht selbstverständlich, aber gleichwohl nachvollziehbar ist die Entscheidung des Gesetzgebers auch den am schuldnerischen Unternehmen beteiligten Personen, d. h. Gesellschaftern und Aktionären ein Vorschlagsrecht in Bezug auf die Person des Restrukturierungsbeauftragten einzuräumen. In den Verfahren nach der InsO ist es keine Seltenheit, dass sich die Anteilseigner nur zögerlich an den Sanierungsprozessen beteiligen oder sich sogar vollständig zurückziehen. Dies ist meist dem Umstand geschuldet, dass die Forderungen der Anteilseigner (zumeist Einlagen oder Darlehensforderungen) aufgrund der Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO dem Nachrang unterfallen und damit „aus dem Geld“ sind. Ferner sind die Anteilseigner im vertieften Krisenstadium regelmäßig nicht mehr bereit, dem Unternehmen „frisches Geld“ zur Verfügung zu stellen. Demgegenüber setzten die Restrukturierungsinstrumente des StaRUG konzeptionell zu einem früheren Zeitpunkt an, in welchem das Krisenstadium noch nicht so vertieft ist, dass Anteilseigner sich zur Aufgabe ihrer Positionen gezwungen sehen müssten. Insoweit sind die Anteilseigner vor der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bereits angemessen zu beteiligen.47) Durch das Vorschlagsrecht wird ihnen darüber hinaus eine weitere Mitbestimmungsmöglichkeit eingeräumt. 34 Ein Mindestquorum für die Unterbreitung eines Vorschlages vonseiten der Anteilseigner sieht das Gesetz nicht vor. Insoweit können aus dem Kreis der Anteilseigner durchaus mehrere Vorschläge unterbreitet werden oder ein Vorschlag von einem oder mehreren Minderheits- bzw. Kleinstbeteiligten eingereicht werden. Im Grundsatz sind diese Vorschläge gleichermaßen zu berücksichtigen (siehe aber Rz. 42 ff.). 2.2

Ermessen des Restrukturierungsgerichts

2.2.1 Grundsätzliche Bindungswirkung des Gerichts 35 Im Grundsatz sind Vorschläge aus dem Kreis der Vorschlagsberechtigten für das Gericht nicht bindend. Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG ist es lediglich verpflichtet, die Vorschläge i. R. seines pflichtgemäßen Ermessens bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. ___________ 45) Vgl. die Definition in § 7 Abs. 1 StaRUG: Planbetroffene = Inhaber von Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaften, Rechten aus gruppeninternen Drittsicherheiten und Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, die durch den Plan geändert werden sollen. 46) Peters in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online, § 74 Rz. 29. 47) de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 662; Brinkmann, European Insolvency & Restructuring, TLE-011-2021.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

Eine Bindungswirkung eines Vorschlages tritt für das Restrukturierungsgericht nur dann ein, wenn der Schuldner eine Bescheinigung eines in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt hat, aus welcher sich ergibt, dass der Schuldner die Voraussetzungen erfüllt, welche auch zur Anordnung einer Stabilisierungsanordnung erforderlich sind. Diese Voraussetzungen ergeben sich aus § 51 Abs. 1 und 2 StaRUG (siehe dazu i. E. Prütting, HRI I, § 16 Rz. 7 ff.). Ob der Aussteller der Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG selbst zum Re- 36 strukturierungsbeauftragten bestellt werden kann, ist nicht eindeutig geregelt. Die Parallelvorschrift in § 270d Abs. 2 InsO n. F. stellt demgegenüber ausdrücklich klar, dass der Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 gerade nicht zum vorläufigen Sachwalter bestellt werden darf. Eine solche Klarstellung fehlt in § 74 Abs. 2 StaRUG. Insoweit kann aber ausgeschlossen werden, dass dem Gesetzgeber das Problem nicht bewusst gewesen war. Der bewusste Verzicht auf eine entsprechende Regelung in Bezug auf den Restrukturierungsbeauftragten dürfte mithin dahingehend zu verstehen sein, dass dessen Personenidentität mit dem Aussteller der Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG grundsätzlich unschädlich für seine spätere Bestellung ist. Dies gilt allerdings nur solange, wie nicht dessen „Vorbefassung“ i. R. der Ausstellung der 37 Bescheinigung Zweifel an der Unabhängigkeit hervorruft. So liegt es regelmäßig dann, wenn tatsächlich eine Stabilisierungsanordnung beantragt wird, da der Restrukturierungsbeauftragte in diesem Fall die auf Grundlage seiner eigenen Bescheinigung nach § 51 Abs. 1 und 2 StaRUG erlassene Stabilisierungsanordnung nach § 76 Abs. 3 StaRUG überprüfen muss, was einen Interessenkonflikt nahelegt.48) Dies dürfte in den meisten Fällen dazu führen, dass der Aussteller der Bescheinigung als ungeeignet zu betrachten ist, denn dass eine Bescheinigung i. S. des § 51 Abs. 1 und 2 StaRUG allein zum Zwecke des „Mitbringens“ eines Restrukturierungsbeauftragten eingeholt wird, ist im Regelfall kaum sinnvoll. Soweit also ohnehin eine Stabilisierungsanordnung beantragt werden soll, sollte als Restrukturierungsbeauftragter von vornherein eine andere Person als der Aussteller der hierzu erforderlichen Bescheinigung vorgeschlagen werden. 2.2.2 Keine Bindungswirkung bei offensichtlicher Ungeeignetheit Selbst wenn eine hinreichend aussagekräftige Bescheinigung i. S. des § 74 Abs. 2 Satz 2 38 StaRUG vorgelegt wird, folgt hieraus keine absolute Bindungswirkung des Vorschlages. Das Restrukturierungsgericht kann weiterhin von dem Vorschlag abweichen und eine andere Person für das Amt des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten auswählen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet für die Übernahme des Amtes ist. Die Regelung entspricht § 270d Abs. 2 Satz 2 InsO (§ 270b Abs. 2 Satz 2 InsO a. F.) Eine Ungeeignetheit kann insbesondere daraus folgen, dass der vorgeschlagene Kandidat 39 die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 StaRUG nicht oder nicht hinreichend erfüllt (siehe dazu unter Rz. 118 ff.). Eine solche Entscheidung ist seitens des Gerichts mit einer Begründung zu versehen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 a. E. StaRUG). Das Vorliegen der notwendigen fachlichen Eignung wird sich in aller Regel leicht feststellen bzw. ein Nichtvorliegen dieser Eignung leicht begründen lassen. Begründungsaufwändiger kann demgegenüber das Unabhängigkeitskriterium in § 74 Abs. 1 40 StaRUG sein. Das Restrukturierungsgericht wird bei einem Vorschlag der Beteiligten stets besonderes Augenmerk darauflegen, dass von dem Kandidaten tatsächlich die gebotene Unvoreingenommenheit und Überparteilichkeit in Bezug auf die Wahrnehmung der ihm über___________ 48) Frind, ZRI 2021, 397, 403.

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3. Teil Verfahren

tragenen Aufgaben erwartet werden kann.49) Dies gilt gleichermaßen in Bezug auf den Schuldner wie in Bezug auf die Gläubiger. Zwar ist nach der Gesetzesbegründung allein der Umstand, dass ein Kandidat von einem Beteiligten vorgeschlagen wurde, noch kein Grund ist, dessen Unabhängigkeit in Frage zu stellen.50) Bei der Unterbreitung eines Vorschlages – egal von welcher Seite – sollte dennoch stets darauf geachtet werden, dass tatsächlich ein Kandidat ausgewählt wird, welcher in Bezug auf die jeweilige Restrukturierungssache in keiner Weise vorbelastet ist. Es sollte für das Restrukturierungsgericht nicht bereits zu Beginn der Eindruck entstehen, dass die vorgeschlagene Person aus dem „Dunstkreis“ der Gläubiger kommt oder in Bezug auf den Schuldner schon einmal in anderweitigem Zusammenhang tätig gewesen ist. Jedes Verdachtsmoment sollte ein Anlass sein, den eigenen Vorschlag zumindest zu überdenken. 41 Ist absehbar, dass ein Gericht einen bestimmten Umstand zum Anlass nehmen könnte, an der Unabhängigkeit eines Kandidaten zu zweifeln, empfiehlt es sich hierzu bereits präventiv i. R. des jeweiligen Vorschlages Stellung zu nehmen. Zu beachten ist aber auch, dass der Wortlaut des § 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG („offensichtlich ungeeignet“) dahingehend zu verstehen ist, dass die Ablehnung eines vorgeschlagenen Kandidaten das Vorliegen gewichtiger Gründe bedarf, die bei objektiver Betrachtung der Umstände des Einzelfalls auch für einen außenstehenden Dritten eine Besorgnis in Bezug auf die Eignung des Kandidaten aufkommen lassen würden. Die Begründung hat in nachvollziehbarer Weise die Umstände zu benennen und zu würdigen, aus welchen die offensichtliche Ungeeignetheit ersichtlich wird.51) Wie i. R. des § 270d Abs. 2 Satz 2 InsO genügt eine „einfache Ungeeignetheit“ nicht.52) 2.2.3 Behandlung mehrerer Vorschläge 42 In welchem Verhältnis das Vorschlagsrecht der Anteilseigner zu dem des Schuldners bzw. der Gläubiger steht, ist weitgehend unklar. Zur kurz greift die Auffassung, nach der die Präferenz der Anteilseigner bereits in dem Vorschlag des Schuldners zum Ausdruck kommen soll.53) § 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG nennt die Anteilseigner neben dem Schuldner und den Gläubigern als eigenständig Vorschlagsberechtigte. Würde ihr Vorschlagsrecht nur „gemeinsam“ mit dem Schuldner ausgeübt werden können, liefe das eigene Vorschlagsrecht insbesondere in solchen Fällen leer, in denen – wie so oft – das Verhältnis zwischen Anteilseignern und Geschäftsleitung sichtlich zerrüttet ist. Insoweit ist es erforderlich, dass auch die Anteilseigner unabhängig von dem Schuldner einen eigenen Vorschlag für einen Restrukturierungsbeauftragten unterbreiten können, der geeignet ist, die Bindungswirkung für das Restrukturierungsgericht auszulösen. Entsprechend der Regelung für den Vorschlag von Gläubigerseite gilt dies jedoch nur insoweit, wie nicht der Vorschlag des Schuldners Vorrang genießt. 43 Ein unter Gesichtspunkten der Unabhängigkeit unbedenklicher Vorschlag des Schuldners genießt Priorität. Ein von den Gläubigern nach Maßgabe des § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG unterbreiteter Vorschlag tritt hinter einem Vorschlag des Schuldners nach § 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG zurück. Ein Gläubigervorschlag kann also nur dann eine Bindungswirkung für das Gericht auslösen, wenn eine solche nicht bereits in Bezug auf einen Vorschlag des ___________ 49) Art. 27 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie; Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 172; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 74 Rz. 24. 50) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 172. 51) So entspr. zu § 270b InsO a. F.: Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 270b Rz. 63. 52) Ellers/Martini in: BeckOK-InsR, § 270d InsO Rz. 48. 53) So etwa: Peters in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online, § 74 Rz. 29.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

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Schuldners eingetreten ist. Dies gilt ebenso, wenn ein Vorschlag des Schuldners zeitlich nach dem Vorschlag vonseiten der Gläubiger erfolgt. Liegen mehrere Vorschläge von verschiedenen Gläubigergruppen (Planbetroffenen) vor, 44 die jeweils von der notwendigen Sperrminorität unterstützt werden und ist das Gericht nicht bereits nach § 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG an einen Vorschlag des Schuldners gebunden, so stehen diese Vorschläge gleichrangig nebeneinander. Dasselbe gilt für Vorschläge mehrerer Anteilseigner(gruppen) oder wenn sowohl Vorschläge von Anteilseignern als auch von „regulären“ Gläubigern eingehen. Das Restrukturierungsgericht entscheidet stets nach pflichtgemäßem Ermessen.54) Im Hinblick auf Vorschläge aus dem Kreise der Anteilseigner ist ebenfalls auf eine eventuelle Nähe zum Schuldner zu achten.55) Der Zeitpunkt des Einganges der jeweiligen Vorschläge bei Gericht ist dabei jedenfalls 45 dann solange keine geeignete Entscheidungsgrundlage, wie nicht bei Eingang des späteren Vorschlages bereits eine für sich genommen nicht zu beanstandende Entscheidung zugunsten eines früheren Vorschlages getroffen wurde. Es gilt zu verhindern, dass der Prozess durch gezieltes Einreichen weiterer Vorschläge verzögert wird. Die Entscheidung zwischen zwei gleichrangigen Vorschlägen bedarf nach hier vertretener 46 Auffassung grundsätzlich keiner Begründung durch das Gericht.56) Die Vorschlagsrechte sind Ausdruck des Umstandes, dass das StaRUG-Verfahren weitgehend in der privatautonomen Sphäre abläuft57) und die wirksame Ausübung der Vorschlagsrechte soll nicht dadurch gefährdet werden, dass die Gerichte die Frage nach der Person des Restrukturierungsbeauftragten ohne Weiteres alleine entscheiden können.58) Das Begründungserfordernis bringt zum Ausdruck, dass soweit zulasten eines an sich vorrangigen Vorschlages nach § 74 Abs. 2 Satz 2 oder 3 StaRUG zugunsten eines (an sich nachrangigen) vom Gericht selbst ausgewählten Kandidaten entschieden werden soll, dies nur auf Grundlage gewichtiger Gründe (Ungeeignetheit) möglich ist. Einer nachvollziehbaren und schlüssigen Begründung bedarf es daher nur dann, wenn das Gericht seine ablehnende Entscheidung zuungunsten eines vorgeschlagenen Kandidaten auf das Kriterium der „offensichtlichen Ungeeignetheit“ stützt. Demgegenüber soll das Restrukturierungsgericht in einem durchaus zeitkritischen Verfahren nicht aus formalistischen Gründen genötigt sein, eine Entscheidung zwischen zwei für sich genommen objektiv geeigneten – d. h. hinreichend qualifizierten und unabhängigen – Kandidaten ausführlich begründen zu müssen. 2.2.4 Rechtsmittel Trotz der fehlenden Aufnahme eines Rechtsmittels in § 74 StaRUG i. S. des § 40 Abs. 1 47 Satz 1 StaRUG ist die Entscheidung des Gerichts über die Person des Restrukturierungsbeauftragten ausnahmsweise rechtsmittelfähig. Dies findet seinen Grund darin, dass andererseits das bindende Vorschlagsrecht des Schuldners leerlaufen könnte, sofern dem Schuldner jegliche Rechtsmittel für die Ablehnung seines Vorschlags durch das Gericht entzogen sind. Dies muss entsprechend auch für den Gläubigervorschlag gelten. Mithin ist davon auszugehen, dass das fehlende Rechtsmittel i. R. des § 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG einem Redaktionsversehen zum Opfer fiel. ___________ 54) Peters in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online, § 74 Rz. 32. 55) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 74 Rz. 29. 56) A. A. mit Verweis auf die einseitig abschlägige Wirkung der Entscheidung: Peters in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online, § 74 Rz. 32. 57) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 74 Rz. 22. 58) In Eigenverwaltungsverfahren ist zum Teil zu beobachten, wie manche Gerichte bei dem Versuch eines „mitgebrachten“ Sachwalters erst recht einen anderen Sachwalter bestellen.

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§ 11 2.3

3. Teil Verfahren Bestellung eines weiteren Restrukturierungsbeauftragten (§ 74 Abs. 3)

48 Sofern das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten auf Vorschlag des Schuldners oder eines Gläubigers bestellt, kann es nach seinem pflichtgemäßen Ermessen59) gleichwohl einen weiteren Restrukturierungsbeauftragten („Sonderrestrukturierungsbeauftragter“)60) bestellen. Dasselbe gilt, wenn das Gericht einem Vorschlag eines Anteilseigners folgt. Zwar fehlt in § 74 Abs. 3 StaRUG ein diesbezüglicher ausdrücklicher Verweis, gleichwohl folgt dies aus dem Umstand, dass auch den Anteilseignern ein eigenständiges Vorschlagsrecht zusteht (siehe dazu oben Rz. 33 f.). Dem Sonderrestrukturierungsbeauftragten könnten sämtliche Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten übertragen werden, mit Ausnahme der Entscheidung über die Durchführung ggf. die Leitung des Abstimmungsverfahrens über den Restrukturierungsplan. 49 Zu Sinn und Zweck des Sonderrestrukturierungsbeauftragten verhält sich die Gesetzesbegründung nicht. Teilweise wird angenommen, dass er eine zusätzliche Kontrollinstanz in solchen Fällen darstellt, in denen etwa aufgrund von eines kollusiven Zusammenwirkens des Schuldners, bestimmter Gläubiger und ggf. des „mitgebrachten“ Restrukturierungsbeauftragten eine gezielte Benachteiligung bestimmter Gläubiger mithilfe der Instrumente des Restrukturierungsrahmens erfolgen soll.61) Der Sonderrestrukturierungsbeauftragte soll insoweit bei Zweifeln an der Unabhängigkeit oder Sachkunde eines „mitgebrachten“ Restrukturierungsbeauftragten diesen – ggf. innerhalb eines begrenzten Aufgabenbereiches – überwachen.62) Eine derartige Zielrichtung kann indes nicht überzeugen. Wenngleich die Risiken eines „mitgebrachten“ Restrukturierungsbeauftragten per se nicht von der Hand zu weisen sind, ist zweifelhaft, ob und inwieweit diesen Risiken mit der Einsetzung eines weiteren Überwachers des selbst Überwachungsfunktion ausübenden Restrukturierungsbeauftragten zu begegnen ist. Nimmt man die explizit geschaffene Möglichkeit des „Mitbringens“ eines Restrukturierungsbeauftragten ernst, erweist sich die Möglichkeit des Gerichts, dessen Aufgabenbereich quasi auf null zu reduzieren, als hierzu widersprüchlich. Über § 74 Abs. 3 StaRUG könnten die Restrukturierungsgerichte „mitgebrachte“ Restrukturierungsbeauftragte ohne weitere Voraussetzungen faktisch aus deren ureigenem Aufgabenbereich aussperren, sodass das Vorschlagsrecht der Beteiligten und dessen Bindungswirkung effektiv leerläuft.63) 50 Nach hier vertretener Auffassung liegt daher ein anderes Verständnis der Vorschrift nahe: Sollten dem Gericht Umstände bekannt werden, welche auf eine möglicherweise fehlende Unabhängigkeit des infolge eines Vorschlages nach § 74 Abs. 2 StaRUG bestellten Restrukturierungsbeauftragten schließen lassen, so ist der jeweilige Kandidat bereits als offensichtlich ungeeignet anzusehen und von seiner Bestellung ist abzusehen. Entstehen solche Verdachtsmomente erst nach der Bestellung des mitgebrachten Restrukturierungsbeauftragten, ist dieser nach Maßgabe des § 75 Abs. 2 StaRUG von Amts wegen zu entlassen, soweit sich der Verdacht nach entsprechender Nachprüfung erhärtet (siehe dazu Rz. 128 ff.).64) 51 Von der Möglichkeit der Bestellung eines Sonderrestrukturierungsbeauftragten ist demgegenüber etwa dann Gebrauch zu machen, wenn neben der schwerpunktmäßig der Funktion des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten zuzuordnenden Überwachungstätig___________ 59) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 74 Rz. 34; a. A. wohl Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 74 Rz. 30, der dem Gericht – entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift („kann“) in Bezug auf das „Ob“ der Bestellung kein Ermessen einräumen möchte. 60) Nach Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 74 Rz. 29. 61) In diesem Sinne: Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 74 Rz. 29. 62) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 74 Rz. 34 f.; Frind, ZRI 2021, 397, 404. 63) In diesem Sinne etwa auch Proske/Streit, NZI 2020, 969, 975. 64) So im Ergebnis wohl auch Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48, 50; definitive Kenntnis voraussetzend: Frind, ZRI 2021, 397, 406.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

keit nach Auffassung des Gerichts ein vermittelndes Tätigwerden für den Erfolg des Restrukturierungsvorhabens unabdingbar ist. Insoweit kann es je nach den Umständen des Einzelfalles angezeigt sein, diese vermittelnde Funktion von Amts wegen einem Sonderrestrukturierungsbeauftragten zu übertragen, wenn die Einsetzung eines fakultativen Restrukturierungsbeauftragten zu diesem Zwecke von den Parteien nicht gewünscht ist. Ein weiterer Anwendungsbereich der Vorschrift ist dann gegeben, wenn – etwa im Falle mehrerer in den Restrukturierungsprozess involvierter (Konzern-)Gesellschaften – Interessenkonflikte in Bezug auf einzelne Aufgabenbereiche des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten auftreten65) und das Gericht eine Aufteilung der Aufgabenbereiche aus diesem Grund für zweckmäßig hält. Im Hinblick auf die zusätzlich entstehenden Kosten und den gesteigerten Abstimmungs- und Koordinationsbedarf66) ist die Vorschrift insgesamt jedoch restriktiv zu handhaben. 3.

Rechtsstellung

Die Rechtsstellung des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten ist in § 75 Abs. 1 52 StaRUG ausdrücklich geregelt. Er übt kein öffentliches Amt aus. Lediglich der Bestellungsakt (durch Beschluss des Restrukturierungsgerichtes) ist öffentlich-rechtlicher Natur, während das Amt selbst ein privates bleibt.67) Ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf die Vermögenswerte des Schuldners findet nicht statt und auch wird kein Vertretungsverhältnis begründet.68) Ferner wird der Restrukturierungsbeauftragte nicht Partei kraft Amtes in Bezug auf die Restrukturierungssache.69) Der Restrukturierungsbeauftragte untersteht der Aufsicht des Restrukturierungsgerichts 53 (§ 75 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Die Aufsicht beschränkt sich dabei auf eine Rechtsaufsicht bezüglich sämtlicher Aufgaben und Pflichten, die dem Restrukturierungsbeauftragten in dem jeweiligen Verfahren ausdrücklich durch das Restrukturierungsgericht übertragen wurden.70) Die Art und Weise der Aufgabenerledigung oder die Zweckmäßigkeit des Vorgehens des Restrukturierungsbeauftragten bei der Wahrnehmung seiner Pflichten entzieht sich dem gerichtlichen Einfluss. Eine Aufsichtsbefugnis des Gläubigerbeirates besteht darüber hinaus nicht.71) 4.

Aufgaben und Pflichten

Der Pflichtenbereich des Restrukturierungsbeauftragten lässt sich im Gegensatz zum Insol- 54 venzverwalter oder Sachwalter nicht pauschal abstecken und ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus dem Amt als solchem. Vielmehr sind die Aufgaben, Befugnisse und Pflichten modular konstruiert.72) Sie hängen u. a. entscheidend von folgenden Faktoren ab: die Art und Weise der Bestellung, d. h. notwendig oder fakultativ (siehe zu den Aufgaben des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten Rz. 111 ff.) oder als sachverständiger Restrukturierungsbeauftragter nach § 73 Abs. 3 StaRUG; ___________



65) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 74 Rz. 36; Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48, 50. 66) Flöther, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 48, 50. 67) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 75 Rz. 5; Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 25; „amtsähnlich“: Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 75 Rz. 15. 68) Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 25. 69) Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 25. 70) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 75 Rz. 8; Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 75 Rz. 31, 33. 71) Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 75 Rz. 28. 72) Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 76 Rz. 1.

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3. Teil Verfahren



die jeweils maßgeblichen Sanierungs- und Restrukturierungsinstrumente sowie deren Reichweite;



der Zeitpunkt im jeweiligen Verfahren;



die finanzielle Situation des Schuldners;



die Betroffenheit bestimmter Gläubigergruppen;



das Ermessen des Gerichts und die Entscheidungen der Beteiligten.

55 Insoweit erlaubt die Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten zu keinem Zeitpunkt ein schematisches „Abarbeiten“ von Aufgaben, sondern erfordert ein flexibles Reagieren auf die sich darbietenden Umstände der jeweiligen Restrukturierungssache. 4.1

Sachverständiger des Gerichts

56 Gemäß § 73 Abs. 3 StaRUG kann der Restrukturierungsbeauftragte durch das Gericht auch ausschließlich zum Zwecke der Vornahme von Prüfungshandlungen als Sachverständiger bestellt werden. Vergleichbar mit der Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters, der von dem Insolvenzgericht als Sachverständiger etwa mit der Prüfung des Vorliegens von Eröffnungsgründen oder der Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens bestellt wird, dient auch die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Abs. 3 StaRUG zur Unterstützung und Entlastung des Restrukturierungsgerichts i. R. der Amtsermittlung bei.73) Dies wird sich regelmäßig dann anbieten, wenn sich das Gericht nicht in der Lage sieht, bestimmte verfahrensrelevante Tatsachen in eigener Erkenntnis zu prüfen und festzustellen, i. Ü. die Bestellung eines notwendigen Restrukturierungsbeauftragten aber nicht zwingend angezeigt ist. 57 Als Beispiel für solche Tatsachen nennt der Gesetzgeber solche Tatsachen, die im Zusammenhang mit einer möglichen Versagung der Bestätigung eines Restrukturierungsplans (§§ 63, 64 StaRUG) stehen, etwa: 

das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG);



die Schlüssigkeit eines vorgelegten Restrukturierungskonzepts (§ 63 Abs. 2 Var. 1 StaRUG);



die Frage, inwieweit dem vorgelegten Restrukturierungskonzept die tatsächlichen Gegebenheiten zugrunde gelegt wurden (§ 63 Abs. 2 Var. 2 StaRUG);



die Erfolgsaussicht eines vorgelegten Restrukturierungskonzepts (§ 63 Abs. 2 Var. 3 StaRUG);



das Vorliegen des Schlechterstellungskriteriums (§ 64 Abs. 1 StaRUG)



die Angemessenheit der Entschädigung bei einem Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten (§ 2 Abs. 4 Satz. 1 Halbs. 2 StaRUG);



die Angemessenheit der Entschädigung bei der Beschränkung der persönlichen Haftung eines Gesellschafters (§ 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG).

58 Die vorgenannte Aufzählung ist nicht abschließend. In Betracht kommt also auch die Bestellung eines sachverständigen Restrukturierungsbeauftragten i. R. eines Vorprüfungsverfahrens nach §§ 46, 47 StaRUG.74) Es dürfte zu erwarten sein, dass die Restrukturierungsgerichte regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch machen, vorsorglich einen sachverständigen Restrukturierungsbeauftragten zum Zwecke der Erstattung eines vorlaufenden ___________ 73) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 171; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 73 Rz. 14. 74) Dazu ausführlich: Frind, ZRI 2021, 397, 400.

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Gutachtens zu bestellen. Im Zuge dessen kann sich das Gericht – ähnlich dem Eröffnungsgutachten in einem Insolvenzverfahren – eine kundige Stellungnahme zu verschiedenen Umständen einholen, bevor es bspw. ein Abstimmungstermin anberaumt. Gegenstand der Stellungnahme kann dabei etwa die Vorprüfung des Restrukturierungsplans in Bezug auf seine Schlüssigkeit und Umsetzbarkeit, die richtige Auswahl der Planbetroffenen und deren Einteilung in Gruppen, die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit der Vergleichsrechnung oder die Zulässigkeit und Vollstreckungsfähigkeit der Regelungen des gestaltenden Teils sein. Ferner können i. R. einer solchen Stellungnahme Fragen wie das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder die Frage, ob mögliche Konflikte in Bezug auf das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter Rechtsverhältnisse ein Vorprüfungsverfahren (ggf. von Amts wegen) erforderlich erscheinen lassen. Das Gericht kann sich i. R. seiner Amtsermittlungspflicht75) prinzipiell in Bezug auf jede 59 beweisgeeignete Tatsache eines Restrukturierungsbeauftragten als Sachverständigen bedienen. Die §§ 402 ff. ZPO finden grundsätzlich entsprechende Anwendung, soweit sie nicht spezifisch auf die streitige Zwei-Parteien-Struktur des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens zugeschnitten sind.76) Die Grenze ist jedenfalls dort erreicht, wo es bei dem jeweiligen „Beweisthema“ auf eine rein rechtliche Bewertung bereits bekannter Tatsachen ankommt. Eine solche ist grundsätzlich von dem Gericht selbst vorzunehmen. Es besteht kein Vorschlagsrecht des Schuldners oder anderer Beteiligter in Bezug auf die 60 Person des Sachverständigen nach § 73 Abs. 3 StaRUG. Ein solches kommt ausweislich des § 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG nur bei einer Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Abs. 1 oder 2 StaRUG in Betracht. Auch die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten als Sachverständigen ist nach 61 § 73 Abs. 3 StaRUG isoliert möglich, d. h. unabhängig davon, ob dem Restrukturierungsbeauftragten in Bezug auf das jeweilige Verfahren weitere Aufgaben und Pflichten übertragen werden. Gleichwohl können die Prüfungs- bzw. Gutachterleistungen i. S. des § 73 Abs. 3 StaRUG einem (ggf. ohnehin zu bestellenden) Restrukturierungsbeauftragten zusätzlich zu seinen allgemeinen Aufgaben und Pflichten übertragen werden. Umgekehrt können auch einem ursprünglich zum Zwecke der Erstattung eines „Eröffnungsgutachtens“ bestellten sachverständigen Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Abs. 3 StaRUG die allgemeinen Aufgaben eines Restrukturierungsbeauftragten, etwa nach § 76 Abs. 2 StaRUG, übertragen werden. Letzterer geht explizit davon aus, dass für die Aufgabenübertragung lediglich die Voraussetzungen von § 73 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 StaRUG vorliegen müssen, nicht aber, dass auch die Bestellung nach diesen Vorschriften erfolgt sein muss. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Prüfungs- und Gutachterleistungen nicht 62 zwingend durch einen nach § 73 Abs. 3 StaRUG zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten erbracht werden müssen, sondern das Gericht hierzu – auch aufgrund der entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 402 ff. ZPO – jeden hierzu fachlich geeigneten Sachverständigen heranziehen kann.77) Die Auswahl des „isolierten Sachverständigen“78) erfolgt insoweit entlang der Grundsätze für den Sachverständigenbeweis im Zivilprozess (vgl. § 404 ZPO) und § 74 Abs. 1 StaRUG findet keine direkte Anwendung. Gleichwohl erscheint es geboten und zweckmäßig, dass das Restrukturierungsgericht in solchen Fällen eine ähnliche fachliche Qualifikation verlangt, wie es sie nach § 74 Abs. 1 StaRUG von einem Restrukturierungsbeauftragten verlangen muss (zur Vergütung siehe Rz. 154 ff.). ___________ 75) 76) 77) 78)

§ 39 Abs. 1 StaRUG. § 38 Satz 1 StaRUG; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 38 Rz. 5 f. So auch Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 143. Nach Frind, ZRI 2021, 397, 400.

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§ 11 4.2

3. Teil Verfahren Auskunfts- und Berichtspflicht

63 Aus § 75 Abs. 1 Satz 2 StaRUG gibt sich eine umfassende Auskunfts- und Berichtspflicht des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten gegenüber dem Restrukturierungsgericht. Diese Pflicht kommt dem Restrukturierungsbeauftragten in jeder Lage des Verfahrens und während der gesamten Dauer seiner Amtszeit zu und bedarf keiner gesonderten Anordnung. Hierin schlägt sich die schwerpunktmäßige Überwachungsfunktion des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten nieder sowie der Umstand, dass dieser vorrangig als "verlängerter Arm" des Gerichts fungiert. Das Gericht kann zu jedem Zeitpunkt während der Amtszeit des Restrukturierungsbeauftragten einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand von diesem verlangen. Einzelne Auskünfte umfassen neben schriftlichen, mündlichen oder fernmündlichen Auskünften zu bestimmten Sachverhalten auch die Vorlage von Dokumenten, Kontoauszügen und Kassenbüchern, Liquiditätsplanungen etc.79) 64 Sachstandsberichte sind in Insolvenzverfahren bereits ein übliches Instrument zur Überwachung der Durchführung des Verfahrens und werden in regelmäßigen, vom Gericht im Einzelfall festzulegenden Abständen vom Insolvenzverwalter oder dem Sachwalter erstellt und zur Akte gereicht. Auch im Kontext der Nutzung der StaRUG-Instrumente bietet sich eine Adaptierung dieser Praxis an,80) denn eine regelmäßige, strukturierte Darstellung des Sachstandes sorgt nicht nur für eine saubere Dokumentation der jeweiligen Vorgänge, sondern ermöglicht Dritten eine zügige Einarbeitung in die jeweilige Restrukturierungssache, was bei Dezernatswechseln, krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheiten etc. aufseiten des Restrukturierungsgerichts unerlässlich für eine lückenlose Weiterführung des Verfahrens ist. 65 Ferner ist stets anzuraten, das Gericht laufend über den Stand der Verhandlungen, die geplanten nächsten Schritte, etwaige Änderungen an dem eingereichten Planentwurf usw. informiert zu halten. Je aktueller der Informationsstand des Gerichtes ist und je besser der Überblick des Gerichts über das Verfahren ist, desto zügiger können notwendige Entscheidungen getroffen werden. Die Auskunfts- und Berichtspflicht ist insoweit im Interesse aller Beteiligten auch als Obliegenheit zu verstehen. Erste Praxisberichte gelungener Restrukturierungsverfahren unter dem Restrukturierungsrahmen haben gezeigt, dass sich hier eine enge Einbindung des Restrukturierungsbeauftragten und über diesen des Gerichtes positiv ausgewirkt haben. 4.3

Kernaufgabenbereich nach § 76 StaRUG

66 Für den notwendigen Restrukturierungsbeauftragten hat der Gesetzgeber in § 76 StaRUG einen Katalog von Kernaufgaben festgeschrieben, welche entweder immer oder jedenfalls immer dann, wenn eine bestimmte Situation eintritt, von dem Restrukturierungsbeauftragten wahrzunehmen sind. Die in § 76 StaRUG definierten Aufgabenbereiche sind nicht abschließend, sondern treten neben die sich aus anderen Vorschriften ergebenden Aufgaben einerseits sowie die ungeschriebenen, dem Restrukturierungsbeauftragten durch das Gericht oder die Beteiligten übertragenen Aufgaben andererseits. 4.3.1 Allgemeine Anzeigepflicht bei Aufhebungsreife 67 In jedem Fall und während der Dauer der gesamten Amtszeit des Restrukturierungsbeauftragten, hat dieser gegenüber dem Restrukturierungsgericht unverzüglich – d. h. ohne schuldhaftes Zögern – anzuzeigen, wenn sich Umstände ergeben, die eine Aufhebung der Restrukturierungssache rechtfertigen. Diese in § 76 Abs. 1 StaRUG niedergelegte Pflicht ___________ 79) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 75 Rz. 9. 80) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 75 Rz. 10.

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ist zentrale Ausprägung der Überwachungsfunktion des Restrukturierungsbeauftragten. Die anzeigepflichtigen Umstände, welche eine Aufhebung der Restrukturierungssache rechtfertigen, ergeben sich aus § 33 StaRUG (siehe dazu Holzer, HRI I, § 13 Rz. 13 ff.). Besonders relevant sind hierbei die Aufhebungsgründe nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG (schwerwiegender Verstoß des Schuldners gegen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten), § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG (Eintritt der Insolvenzreife), § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG (keine Erfolgsaussicht der Restrukturierungssache) und § 33 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG (schwerwiegender Verstoß des Schuldners gegen seine Pflichten nach § 32). Die übrigen Aufhebungsgründe dürften sich für das Restrukturierungsgericht im Regelfall auch ohne weitere Mitwirkung des Restrukturierungsbeauftragten feststellen lassen. Die Reichweite der aus der Anzeigepflicht folgenden Ermittlungspflicht des Restrukturie- 68 rungsbeauftragten ist unklar. Der Gesetzgeber hat sich offenbar dazu entschieden, dass das Vorliegen von Aufhebungsgründen nicht laufend durch den im Dienste des Gerichts stehenden Restrukturierungsbeauftragten zu überprüfen ist, sondern dass dieser lediglich beiläufig auf sich ihm i. R. seiner Aufgabenerfüllung offenbarenden Aufhebungsgründe zu achten hat.81) Die erläuternden Ausführungen zum Regierungsentwurf begründen damit die bewusste Wahl der Formulierung „Umstände bekannt werden“. Allerdings verwendet der dem Regierungsentwurf enthaltene Gesetzestext selbst – sowie auch die letztlich verabschiedete Fassung – in § 76 Abs. 1 StaRUG diese Formulierung überhaupt nicht, sondern stattdessen die Formulierung „stellt Umstände fest“.82) Auch der Referentenentwurf des BMJV enthielt bereits die letztgenannte Formulierung,83) sodass durchaus verwundern muss, weshalb die Gesetzesbegründung auf die Formulierung „Umstände bekannt werden“ verweist. Der tatsächliche Wortlaut des § 76 Abs. 1 StaRUG suggeriert seinem Wortsinn nach, dass dem Restrukturierungsbeauftragten eine proaktive, fortlaufende Überprüfung der Voraussetzungen abverlangt wird.84) Angesichts dieser Diskrepanz innerhalb der Gesetzesmaterialien, die offenbar auch dem 69 Rechtsausschuss nicht aufgefallen ist, scheint der tatsächliche Wille des Gesetzgebers nicht eindeutig. Gleichwohl spricht viel dafür, den § 76 Abs. 1 StaRUG dennoch nicht in seinem eigentlichen Wortsinn zu verstehen und insoweit keine konstante Prüfungspflicht des Restrukturierungsbeauftragten anzunehmen. Zutreffend ist zwar zunächst, dass die Anzeigepflicht ist nicht nur wesentliche Ausprägung der zentralen Überwachungsfunktion des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten, sondern auch einer konsequenten Durchsetzung der Amtsermittlung (§ 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) dient. Das Gericht selbst erhält gerade im späteren Verfahrensstadium nur einen begrenzten und oftmals ausschließlich auf den Berichten und Auskünften des Restrukturierungsbeauftragten abhängigen Einblick in die Restrukturierungssache. Dem Gericht kommt indes grundsätzlich eine sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Eigentumsgrundrecht ergebende Schutzpflicht gegenüber den von der Restrukturierungssache unmittelbar und mittelbar Betroffenen zu, sodass es i. R. seiner Amtsermittlung zu gewährleisten haben dürfte, dass eine i. S. des § 33 StaRUG aufhebungsreife Restrukturierungssache nicht weitergeführt wird.

___________ 81) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 173; Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 5. 82) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 173. 83) Begr. RefE SanInsFoG z. StaRUG, v. 19.9.2020, S. 47, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 16.1.2023). 84) So auch Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 76 Rz. 8.

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3. Teil Verfahren

70 Die Kehrseite des Amtsermittlungsgrundsatzes kann ein Amtshaftungsanspruch bei dessen Verletzung sein.85) Allerdings hat sich der Gesetzgeber in Bezug auf das Vorliegen von möglichen Aufhebungsgründen gerade nicht für eine uneingeschränkte Amtsermittlungspflicht des Restrukturierungsgerichts entschieden. Dies wird im Zusammenhang mit den Erwägungen zu § 33 StaRUG86) deutlich, denn dort wird unter Bezugnahme auf die Aufhebungsgründe nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG (schwerwiegender Verstoß des Schuldners gegen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten) und § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG (Eintritt der Insolvenzreife) ausdrücklich klargestellt, dass gerade keine anlasslose und uneingeschränkte Amtsermittlungs- und Aufsichtspflicht des Restrukturierungsgerichts besteht.87) Damit verbleiben als „Grauzone“ vor dem Hintergrund des Wortlautes des § 76 Abs. 1 StaRUG noch die für die Anzeigepflicht praktisch relevanten Aufhebungsgründe nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StaRUG. In Bezug auf Nr. 2 wird anzunehmen sein, dass die sich insbesondere aus einer ernsthaften und endgültigen Ablehnung des Vorhabens durch die Planbetroffen88) ergebende fehlende Erfolgsaussicht des Restrukturierungsvorhabens im Regelfall offensichtlich erkennbar ist und es eine dahingehenden fortlaufenden Prüfungspflicht insoweit nicht bedarf. Dasselbe dürfte im Hinblick auf § 33 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG dann gelten, denn wenn der Schuldner seine Pflichten nach § 32 in schwerwiegender Weise verletzt, wird dies in der Regel für die Beteiligten und für den Restrukturierungsbeauftragten derart offenkundig sein, dass es hierzu keiner gesonderten Ermittlung bedarf. Im Ergebnis ist daher die Ermittlungs- bzw. Prüfplicht des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten auf diejenigen Umstände beschränkt, die sich ihm i. R. seiner Aufgabenwahrnehmung offenbaren ohne dass er dahingehend spezifische Nachforschungen anstellen muss.89) Insoweit ist weniger von einer Prüfplicht, als von einer „Aufmerksamkeitspflicht“ zu sprechen. 71 Die Form der Anzeige gegenüber dem Restrukturierungsgericht ist nicht gesetzlich geregelt. Die sollte jedoch aus Dokumentations- und Haftungsgründen schriftlich erfolgen. Die Anzeige ist dabei allein gegenüber dem Restrukturierungsgericht zu besorgen. Von einer Übermittlung der Anzeige an sonstige Beteiligte „zur Kenntnis“ sollte abgesehen werden, denn die Beurteilung, ob ein Aufhebungsgrund nach § 33 StaRUG tatbestandlich vorliegt und ob dies tatsächlich zur Aufhebung der Restrukturierungssache führt, obliegt allein dem Restrukturierungsgericht. Wird den Gläubigern vorzeitig bekanntgegeben, dass eine Anzeige nach § 76 Abs. 1 StaRUG erfolgt ist, könnte dies dazu führen, dass die Bereitschaft das Restrukturierungsvorhaben weiterhin zu unterstützen augenblicklich verloren geht, obwohl das Gericht bei Abwägung aller Umstände sogar von einer Aufhebung abgesehen hätte (vgl. etwa § 33 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und 3 StaRUG). 4.3.2 Sonderaufgaben bei spezieller Schutzbedürftigkeit der Beteiligten 72 Die Aufgaben, Befugnisse und Pflichten nach § 76 Abs. 2 StaRUG sind nicht in jedem Fall einschlägig, sondern nur dann, wenn die besondere Überwachungsfunktion des Restrukturierungsbeauftragten sich aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit bestimmter Gläubigergruppen in höherem Maße in seinem Tätigwerden niederschlagen soll und es gleich___________ 85) Vgl. zu § 5 InsO: Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 62 – unter Verweis auf LG Dortmund v. 6.7.1984 – 7 (5) O 263/81a, KTS 1984, 143, 149. 86) § 35d RegE StaRUG. 87) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139. 88) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. 89) So im Ergebnis auch Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 76 Rz. 8; a. A. wohl Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 5, die jedenfalls die Implikation von Überwachungs- und Reporting-Pflichten nahelegen; Pannen sieht darüber hinaus bereits keine Rechtsgrundlage für eine Nachforschungstätigkeit, soweit sich diese in einem Betreten oder Durchsuchen von Geschäftsräumen manifestieren würde, vgl. Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 76 Rz. 5 f.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

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zeitig auch einer Vermittlung zwischen den Beteiligten bedarf.90) Hiervon geht der Gesetzgeber i. E. dann aus, wenn i. R. der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StaRUG), wenn der Schuldner eine umfassende Stabilisierungsanordnung beantragt (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StaRUG) oder wenn eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung zu erwarten ist (§ 73 Abs. 3 StaRUG). 4.3.2.1

Abstimmungsleitung

Dem von Amts wegen bestelltem Restrukturierungsbeauftragten steht nach § 76 Abs. 2 73 Nr. 1 StaRUG die Befugnis zur Bestimmung der Art und Weise der Abstimmung über einen Restrukturierungsplan zu. Ansonsten steht das Wahlrecht, ob die Abstimmung gerichtlich oder außergerichtlich durchgeführt wird, dem Schuldner selbst zu.91) Je nach Struktur und Größe der Gruppen von Planbetroffenen und in Abhängigkeit von dem jeweiligen Stimmungsbild kann die ein oder andere Abstimmungsvariante Vor- und Nachteile mit sich bringen. Etwa wird bei besonders umfassenden Verfahren mit einer großen Anzahl von Planbetroffenen wird sich oftmals eine gerichtliche Abstimmung anbieten, um die Akzeptanz des Verfahrens bei den Betroffenen zu erhöhen und dem Eindruck einer „Privatjustiz“ vorzubeugen. Ferner wird dadurch das Risiko einer späteren Beanstandung einer außergerichtlichen Abstimmung wegen formeller Fehler gemieden.92) Demgegenüber bietet die außergerichtliche Planabstimmung den Vorteil, dass diese im Regelfall schneller und unkomplizierter durchgeführt werden kann, was sich in etwa dann anbietet, wenn das Konsensniveau unter den Planbetroffenen hoch ist. Wählt der Restrukturierungsbeauftragte die außergerichtliche Planabstimmung, hat er auch 74 den Modus der Abstimmung zu wählen, also ein versammlungsloses Planabstimmungsverfahren (§§ 17 – 19 StaRUG) oder eine Abstimmungsversammlung (§ 20 StaRUG). Um der besonderen Schutzbedürftigkeit der von § 76 Abs. 2 StaRUG sowie der hier vom Gesetzgeber antizipierten Notwendigkeit einer Vermittlung durch eine neutrale Instanz Rechnung zu tragen, wird sich regelmäßig eine Abstimmungsversammlung anbieten. Insbesondere dann, wenn Verbraucher oder Klein- und Kleinstunternehmer unter den Planbetroffenen sind, empfiehlt sich eine solche Versammlung auch deshalb, um nochmals persönlich den Inhalt und die Folgen des Restrukturierungsplans zu erörtern und auf Fragen einzugehen. Ferner fallen dem Restrukturierungsbeauftragten auch die Aufgaben der Abstimmungs- 75 leitung und -dokumentation zu (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG); siehe dazu im Einzelnen Graf-Schlicker, HRI I, § 31 Rz. 49 ff. sowie Rz. 78 ff. Der Abstimmungstermin sollte dabei nach Möglichkeit durch den Restrukturierungsbeauftragten als neutrale Instanz geleitet werden. Eine Leitung durch den Schuldner selbst kann ein erhöhtes Konfliktpotential bergen, etwa wenn es darum geht, Redezeiten der Planbetroffenen zu begrenzen, Ordnungsrufe zu erteilen oder Auf die Dokumentation ist besonderes Augenmerk zu legen, da das Gericht im Nachhinein i. R. der Planbestätigung den Gang des Abstimmungstermins lediglich nach der Lage der Akten nachvollziehen kann. Umso wichtiger ist es, dass etwa die ordnungsgemäße Ladung aller Planbetroffenen, Anwesenheiten, Vertretungen usw. genau dokumentiert werden, um nachläufige Rügen formeller Fehler vorzubeugen.

___________ 90) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174. 91) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 7. 92) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 45 Rz. 2.

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§ 11 4.3.2.2

3. Teil Verfahren Forderungsprüfung

76 Da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Wirkungen des Restrukturierungsplans in den von § 76 Abs. 2 StaRUG erfassten Fällen kaum mehr von den Wirkungen eines in Eigenverwaltung erwirkten Insolvenzplans zu unterscheiden sind,93) führt der Restrukturierungsbeauftragte in dem Fall, das ihm auch die Abstimmungsleitung obliegt, die Prüfung von Forderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninternen Drittsicherheiten oder Mitgliedschaftsrechten durch. Insoweit finden sich auch hier Parallelen zu den Aufgaben von Sachwalter bzw. Insolvenzverwalter. Die Forderungsprüfung durch den Restrukturierungsbeauftragten ist jedoch vornehmlich auf die Feststellung der Stimmrechte gerichtet. Von einer positiv ausfallenden Prüfung gehen indes in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung keine mit der Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle vergleichbaren Wirkungen aus (vgl. § 178 Abs. 3 InsO).94) 77 Streitige oder zweifelhafte Forderungen sind im Wege des Vorprüfungsverfahrens nach Maßgabe der §§ 47, 48 StaRUG durch das Restrukturierungsgericht zu prüfen. Hierauf hat der Restrukturierungsbeauftragte „hinzuwirken“, d. h. den insoweit einzig antragsberechtigten Schuldner zur Stellung eines Antrags zu bewegen.95) Versperrt sich der Schuldner hiergegen, etwa weil er eine Forderung als nicht berechtigt ansieht, kann hierin eine Pflichtverletzung nach § 32 oder § 76 Abs. 5 StaRUG liegen. Auch der Gläubiger einer vermeintlich unberechtigten Forderung hat das Recht, deren Bestand dem Grunde oder der Höhe nach durch eine neutrale Instanz feststellen zu lassen, um somit seine Teilnahme am Abstimmungsverfahren zu gewährleisten.96) 4.3.2.3

Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners

78 Das Restrukturierungsgericht kann den Restrukturierungsbeauftragten, soweit eine der Voraussetzungen nach § 73 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder Abs. 2 StaRUG vorliegt, die Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners aufgeben (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a Var. 1 StaRUG). Insoweit ist diese Aufgabe nur im Einzelfall wahrzunehmen, soweit das Gericht dies i. R. der Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens ausdrücklich anordnet.97) Dies wird das Restrukturierungsgericht regelmäßig dann tun, wenn es sich von dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen überzeugen möchte oder wenn es Angaben, die der Schuldner i. R. des Antrages nach § 50 StaRUG gemacht hat, verifizieren möchte. Auch hierbei beschränkt sich der Umfang der Prüfpflicht auf eine einmalige, stichtagsbezogene Prüfung, sodass es keiner fortlaufenden Prüfung i. S. eines regelmäßigen Reportings an das Restrukturierungsgericht bedarf.98) 79 Der Umfang der Prüfung sollte sich zumindest auf die Überprüfung und ggf. Aktualisierung der vom Schuldner i. R. der Restrukturierungsanzeige (§ 31 StaRUG) gemachten Angaben, d. h. insbesondere Art, Ausmaß und Ursachen der Krise erstrecken, sowie die Ermittlung eines aktuellen Liquiditätsstatus und einer aktuellen Überschuldungsbilanz um___________ 93) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174. 94) So auch Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 53. 95) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 76 Rz. 11. 96) Bestreitet der Schuldner eine tatsächlich bestehende Forderung und kommt es – aus welchem Grund auch immer – nicht zu einer Durchführung eines Vorprüfungsverfahrens und wird dem betroffenen Gläubiger insoweit kein Stimmrecht zuerkannt, können sich die Wirkungen des Restrukturierungsplans in der Folge auch nicht auf die jeweilige Forderung erstrecken. 97) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 17; Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 76 Rz. 8; a. A. Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 33. 98) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 18.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

fassen, auf dieser Basis derer sodann eine Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen erfolgen muss. 4.3.2.4

Überwachung der Geschäftsführung

Ferner kann das Restrukturierungsgericht dem Restrukturierungsbeauftragten die Über- 80 wachung der Geschäftsführung aufgeben (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a Var. 2 StaRUG). Da die Geschäftsführung unter dem Restrukturierungsrahmen ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behält, ist die Möglichkeit der gesonderten Anordnung der Überwachung der Geschäftsführung durch den Restrukturierungsbeauftragten ein wichtiges wie einschneidendes Kontrollinstrument.99) Hierdurch soll die Restrukturierungsfähigkeit sichergestellt und die Zuverlässigkeit der Geschäftsführung kontrolliert werden, wenn und soweit das Gericht dies für erforderlich hält.100) Der Gesetzgeber eröffnet durch dies Überwachungsaufgabe des Restrukturierungsbeauftragten dessen Annäherung an die Rolle eines Sachwalters im eigenverwaltenden Insolvenzverfahren.101) Der Wortlaut der Vorschrift spricht zwar dafür, dass diese Anordnung nur kumulativ mit 81 der Anordnung der Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners erfolgen kann,102) aus praktischer Sicht spricht jedoch wenig dagegen, dass es im Ermessen des Gerichts auch möglich ist, die Überwachung der Geschäftsführung isoliert von der Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners (und vice versa) anzuordnen. Da im Restrukturierungsrahmen indes der selbstverwaltende Schuldner das Leitbild darstellt, sollte von dieser Überwachung nur in begründeten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Der Umfang der Überwachungsaufgabe nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a Var. 2 StaRUG geht 82 über die sich aus der Anzeigepflicht nach § 76 Abs. 1 StaRUG ergebende „Aufmerksamkeitspflicht“ (siehe dazu oben Rz. 70) hinaus, da die gesondert anzuordnende Überwachungstätigkeit andernfalls inhaltlich leerliefe. Mithin umfasst diese nicht nur die Feststellung eines Vorliegens etwaiger Aufhebungsgründe nach § 33 StaRUG. Vielmehr hat der Restrukturierungsbeauftragte die Geschäftsführung laufend – d. h. während der gesamten Amtszeit – daraufhin zu überwachen, dass letztere den ihr unter dem StaRUG zu beachtenden Pflichten (siehe dazu umfassend Fritz, HRI I, § 10 Rz. 61 ff.) nachkommt. Hiervon umfasst sind damit zuvorderst die restrukturierungsspezifischen Pflichten des 83 Schuldners, wie etwa 

die allgemeine Pflicht zur sachgerechten Durchführung des Verfahrens,103)



die Anzeigepflicht nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StaRUG,



die Pflicht zur fortlaufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage in Bezug auf Zahlungsunfähigkeit (und Überschuldung) (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) und



die korrespondierenden Anzeigepflicht nach § 32 Abs. 3 StaRUG,



die Pflicht zur Anzeige der Aussichtslosigkeit des Restrukturierungsvorhabens (§ 34 Abs. 4 StaRUG),



die Pflicht der Geschäftsleiter zur Vollständigkeit und Wahrheitsgemäßheit von bestimmten Erklärungen und Angaben.104)

___________ 99) Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 36. 100) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 18. 101) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174. 102) So Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 76 Rz. 24. 103) Smid, ZInsO 2021, 117, 121. 104) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 43 Rz. 45 ff.; etwa Erklärungen und Angaben nach §§ 14 Abs. 1, 31 Abs. 2, 32 Abs. 2 StaRUG.

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3. Teil Verfahren

84 Daneben hat der Restrukturierungsbeauftragte zu überwachen, dass i. R. der täglichen Geschäftsführung keine Rechtshandlungen veranlasst werden, welche mit dem Restrukturierungsziel unvereinbar sind.105) Aus der Parallele der verschärften Überwachungsaufgaben des Restrukturierungsbeauftragten nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG zum Sachwalter wird zum Teil auch geschlossen, dass sich die reine Überwachungsaufgabe zu einer beratendbegleitenden Überwachung wandelt.106) In der Praxis der Eigenverwaltung hat es sich bewährt, dass Sachwaltung und Schuldner insoweit eine Geschäftsordnung gemeinsam festlegen, in der etwa Bestell- und Zahlwesen aber auch das Eingehen von Verpflichtungen geregelt wird und etwa mittels Schwellenwerten zwischen wirtschaftlich bedeutsamen und weniger relevanten Vorgängen unterschieden wird. Dieses Modell bietet sich entsprechend auch hier an. 4.3.2.5

Kassenführung

85 Nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b StaRUG kann das Gericht dem Schuldner gebieten, dass eingehende Gelder nur von dem Restrukturierungsbeauftragten entgegengenommen und Zahlungen nur von dem diesem geleistet werden können. Die Regelung entspricht im Wesentlichen der Übernahme der Kassenführung durch den Sachwalter nach Maßgabe des § 275 Abs. 2 InsO und wurde infolge der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in das StaRUG übernommen.107) Die bisher zu § 275 Abs. 2 InsO entwickelten Grundsätze gelten entsprechend.108) Auch hier vor einer solchen Anordnung strikt auf die Verhältnismäßigkeit, insbesondere die Praktikabilität dieser Anordnung zu achten, so muss der Restrukturierungsbeauftragte dann auch über Kapazitäten verfügen, diese Aufgabe in der Praxis reibungslos umzusetzen. 4.3.2.6

Zustimmungsvorbehalt

86 Aus § 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG folgt zusätzlich die Befugnis des Restrukturierungsgerichts zur Anordnung eines die Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes betreffenden Zustimmungsvorbehaltes zugunsten des Restrukturierungsbeauftragten. Zahlungen sind dem Restrukturierungsbeauftragten stets vorher anzuzeigen und erst nach dessen Zustimmung auszuführen. Auf die Wirksamkeit der Verfügungen im Außenverhältnis hat die fehlende Zustimmung keine Auswirkungen (anders in § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO).109) Es handelt sich um einen eingeschränkten Zustimmungsvorbehalt, welcher im Gegensatz zu dem Verfügungsverbot in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO nicht sämtliche Zahlungen und sonstigen Verfügungen umfasst, sondern nur diejenigen Zahlungen, welche i. R. des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes des Schuldners getätigt werden. 87 Eine Verbindlichkeit kann durchaus auch ohne Zustimmung des Restrukturierungsbeauftragten begründet werden, soweit dieser nicht i. R. einer nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StaRUG ebenfalls angeordneten Überwachung der Geschäftsführung entsprechend interveniert. Mithin greift der Zustimmungsvorbehalt in § 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG weniger weit in die Eigenverwaltungsbefugnis des Schuldners ein, als dies i. R. des § 275 Abs. 1 InsO der Fall ___________ 105) Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 36. 106) Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 37. 107) Beschlussempfehlung d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25303, S. 74 und Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 9. 108) S. dazu etwa: Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 7 ff.; Plaßmeier/Ellers in: BeckOK-InsR, § 275 InsO Rz. 15 ff. 109) Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 941.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

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ist – ist jedoch als Schutzmechanismus auch weniger wirksam.110) Auch hier ist auf die Praktikabilität und Umsetzbarkeit zu achten. 4.3.2.7

Unterstützung bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und -plans

In den Fällen des Art. 5 Abs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten 88 die zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Plans vorzusehen. Dies betrifft einerseits den Fall der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen (lit. a), d. h. für das StaRUG den Fall der Anordnung einer Stabilisierungsanordnung. Andererseits gilt dies im Falle der Bestätigung des Plans im Wege eines klassenübergreifenden Cram-down (lit. b). Der deutsche Gesetzgeber hatte dies aber nur dahingehend umgesetzt, dass in diesen Fällen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StaRUG bzw. § 73 Abs. 2 Satz 1 StaRUG) ein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter von Amts wegen zu bestellen ist, wobei ihm nach § 76 StaRUG a. F. lediglich überwachende und prüfende Funktionen zukommen sollten. Unterstützende Aufgaben waren indes nicht vorgesehen. Diese Lücke in der Umsetzung der Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber mit Wirkung 89 zum 27.7.2022 korrigiert,111) indem er § 76 Abs. 2 StaRUG eine Nr. 4 anfügte. Demnach kommen nun auch dem von Amts wegen bestellten Restrukturierungsbeauftragten vermittelnde, unterstützende und moderierende Funktionen zu. Dies gilt allerdings nur, sofern der Anwendungsbereich des Absatzes 2 eröffnet ist, d. h. unter der Voraussetzung, dass ein Fall des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Verbraucher/KMU) oder Nr. 2 (Beantragung einer Stabilisierungsanordnung) oder Absatz 2 (klassenübergreifender Cram-down) StaRUG vorliegt. Für diesen Fall gibt der Gesetzgeber damit zugunsten der Richtlinienkonformität die Abgrenzung zwischen den Aufgabenfeldern des fakultativen (§§ 77 – 79 StaRUG) sowie des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten nach altem Recht auf. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Absatzes 2 bleibt es dagegen dabei. Damit wird auch nicht der Anwendungsbereich der §§ 77 – 79 StaRUG ausgehöhlt. Denn sollte das Gericht von einer Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten von Amts wegen absehen, bleibt dem Schuldner sowie den Gläubigern – wie von Art. 5 Abs. 3 lit. c der Restrukturierungsrichtlinie vorgesehen – die Möglichkeit offen, nach § 77 Abs. 1 StaRUG eine Bestellung auf Antrag zu erwirken. Hinsichtlich des konkreten Umfangs der Pflicht zur Unterstützung bei der Ausarbeitung 90 und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und -plans wird auf die Kommentierung zum fakultativen Restrukturierungsbeauftragten unter Rz. 112 ff. verwiesen. 4.3.3 Sonderaufgaben bei Erlass einer Stabilisierungsanordnung Im Falle des Erlasses einer Stabilisierungsanordnung wird dem Restrukturierungsbeauf- 91 tragten von Gesetzes wegen die Erfüllung weiterer Aufgaben aufgegeben. Nach § 76 Abs. 3 StaRUG hat der Restrukturierungsbeauftragte fortlaufend zu prüfen, ob die Anordnungsvoraussetzungen nach § 51 StaRUG fortbestehen und ob ein Aufhebungsgrund nach § 59 StaRUG vorliegt (§ 76 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 StaRUG). Sollten sich dem Restrukturierungsbeauftragten i. R. seiner fortlaufenden Prüfungstätig- 92 keit etwaige Aufhebungsgründe in Bezug auf eine bestehende Stabilisierungsanordnung ___________ 110) Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 40. 111) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung weiterer Vorschriften BT-Drucks. 20/2653, S. 40.

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3. Teil Verfahren

offenbaren, ist er nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG auch zur Geltendmachung dieser Aufhebungsgründe „befugt“. Die Geltendmachung eines Aufhebungsgrundes ist regelmäßig als Antrag auf Aufhebung der Stabilisierungsanordnung zu verstehen, sodass die dahingehende Antragbefugnis des Schuldners und der von der Stabilisierungsanordnung betroffenen Gläubiger (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 59 Abs. 2 StaRUG) durch § 76 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG zugunsten des Restrukturierungsbeauftragten ergänzt wird. 93 Die zwingende Aufgabenzuweisung nach § 76 Abs. 3 StaRUG ist eine zentrale Ausprägung der Überwachungsfunktion des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten112) und ist aufgrund des erheblichen Eingriffs der Stabilisierungsanordnung in die Rechte der Gläubiger von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber dem Restrukturierungsgericht auch kein Ermessen in Bezug auf diese Aufgabenwahrnehmung eingeräumt.113) Dies vorangestellt, erscheint es geboten, die Befugnis des Restrukturierungsbeauftragten zur Geltendmachung von Aufhebungsgründen vielmehr als eine Pflicht zur Geltendmachung zu verstehen. Dafür spricht auch, dass dem Restrukturierungsgericht nach Maßgabe des § 59 Abs. 1 StaRUG kein Ermessen in Bezug auf das „Ob“ der Aufhebung zusteht.114) Nur durch eine Pflicht des Restrukturierungsbeauftragten zur Geltendmachung bestehender Aufhebungsgründe ist gewährleistet, dass das Restrukturierungsgericht in die Lage versetzt wird, in Ansehung der Gläubigerinteressen über eine etwaige Aufhebung zu entscheiden. Gemäß § 59 Abs. 3 StaRUG kann das Restrukturierungsgericht ausschließlich zum Zwecke eines geordneten Übergangs in ein Insolvenzverfahren - nicht aber aus sonstigen Gründen – von der Aufhebung absehen.115) 94 Zum Zwecke der Ermittlung der für die Prüfung des Fortbestehens der Anordnungsvoraussetzungen bzw. des Vorliegens von Aufhebungsgründen maßgeblichen Tatsachen „untersucht“ der Restrukturierungsbeauftragte „die Verhältnisse des Schuldners“ (Nr. 1 Halbs. 2). Richtigerweise wird bemerkt, dass durch die fortlaufende Prüfungspflicht des Restrukturierungsbeauftragten in Kombination mit dem „Prüfungsprogramm“, welches maßgebend von § 51 Abs. 1 Nr. 1 – 4 sowie von § 59 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StaRUG bestimmt wird, faktisch eine umfassende Überwachung des Schuldners gesetzlich angeordnet wird.116) In Anbetracht der tiefgreifenden Wirkung der Vollstreckungs- und Verwertungssperre, welche in dieser Hinsicht den Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gleichkommt, erscheint dies jedoch auch zweckmäßig. 95 Die von dem Restrukturierungsbeauftragten fortlaufend zu überprüfenden Umstände sind insbesondere: 

Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Restrukturierungsplanung einschließlich des Finanzplans;117)



Beruhen der Restrukturierungsplanung und des Antrages auf eine Stabilisierungsanordnung einschließlich des Finanzplans und der Erklärungen nach § 50 Abs. 3 StaRUG auf vollständig ermittelten und zutreffenden Tatsachen;118)

___________ 112) Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 76 Rz. 2. 113) Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 76 Rz. 31. 114) Dass in anderen als in dem in § 59 Abs. 3 StaRUG genannten Fall kein Ermessen des Restrukturierungsgerichts in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Stabilisierungsanordnung besteht, ergibt sich insoweit auch aus dem Wortlaut des Abs. 1 „hebt […] auf“, vgl. auch Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 159 – „aufzuheben hat“. 115) So auch Schönfelder in: Flöther, StaRUG, § 59 Rz. 33. 116) In diesem Sinne: Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 42. 117) § 76 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. §§ 51 Abs. 1, 50 Abs. 2 StaRUG. 118) § 76 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. §§ 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 59 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StaRUG.

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keine Aussichtslosigkeit des Restrukturierungsvorhabens;119)



Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und Nichtvorliegen einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung;120)



Erforderlichkeit der Stabilisierungsanordnung zur Erreichung des Restrukturierungsziels;121)



Vorliegen einer vollständigen und ordnungsgemäßen Buchführung und Rechnungslegung;122)



Wahrung der Pflichten des Schuldners zur Mitwirkung und Auskunftserteilung gegenüber dem Gericht oder dem Restrukturierungsbeauftragten selbst sowie Wahrung der Pflichten des Schuldners nach § 32 StaRUG.123)

4.3.4 Stellungnahmepflicht bei Vorlage eines Restrukturierungsplans Beantragt der Schuldner bei dem Restrukturierungsgericht die Bestätigung eines vorgelegten 96 Restrukturierungsplans (§§ 60 – 72 StaRUG), hat der Restrukturierungsbeauftragte gegenüber dem Restrukturierungsgericht zu der von dem Schuldner gemäß § 14 Abs. 1 StaRUG vorgelegten Erklärung Stellung zu nehmen (§ 76 Abs. 4 StaRUG). Dies gilt unabhängig davon, ob der Restrukturierungsplan i. R. der gerichtlichen Planabstimmung von den Betroffenen angenommen wurde oder ob dies außergerichtlich erfolgt ist. Die Erklärung nach § 14 Abs. 1 StaRUG ist dem Restrukturierungsplan beizufügen und soll die Sanierungseignung der Maßnahmen des Plans bewerten.124) In ihr muss der Schuldner unter Angabe von Gründen zu den Aussichten auf die Beseitigung der bestehenden drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Restrukturierungsplan Stellung nehmen und ferner erklären, warum die Bestandsfähigkeit des Unternehmens durch den Plan sichergestellt bzw. wiederhergestellt wird (siehe dazu Nickert, HRI I, § 21 Rz. 6 ff.). Die Stellungnahme des Restrukturierungsbeauftragten zielt einerseits darauf ab, das Ge- 97 richt bei seiner grundsätzlichen Prüfungsaufgabe zu entlasten und andererseits darauf, den Planbetroffenen als Entscheidungsgrundlage bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan zu dienen.125) Letzteres gilt jedoch nur dann, wenn die Planabstimmung nicht bereits außergerichtlich erfolgt ist und die Stellungnahme des Restrukturierungsbeauftragten erst nachträglich im gerichtlichen Planbestätigungsverfahren erfolgt. Wird allerdings auch die Abstimmung im gerichtlichen Verfahren (§ 24 StaRUG) durchgeführt und/oder ist der Restrukturierungsbeauftragte bereits vor der Planabstimmung bestellt, so ist dessen Stellungnahme den Planbetroffenen schon gemeinsam mit dem Restrukturierungsplan zuzuleiten (§ 76 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Sie soll nicht die eigene ausführliche und begründete Erklärung des Schuldners ersetzen, sondern dem Restrukturierungsgericht (und den Planbetroffenen) eine professionelle Einschätzung als Entscheidungsgrundlage in Bezug auf die Schlüssigkeit und Plausibilität der von dem Schuldner getroffenen Annahmen und gezogenen Schlüsse liefern. Daneben hat sich die Stellungnahme nach § 76 Abs. 4 Satz 3 StaRUG auch zu etwaigen Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften und damit mittelbar auch zu Stimm___________ 119) 120) 121) 122) 123) 124) 125)

§ 76 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. §§ 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 59 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG. § 76 Abs. 1, § 3 Nr. 1 i. V. m. §§ 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 59 Abs. 1 Nr. 2, 33 StaRUG. § 76 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StaRUG. § 76 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 59 Abs. 1 Nr. 4 lit. b StaRUG. § 76 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. §§ 59 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 StaRUG. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 16. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174; Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 26.

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3. Teil Verfahren

rechtsstreitigkeiten zu äußern.126) Allerdings wird hierbei lediglich eine Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsverhältnisse gefordert. 4.3.5 Durchführung von Zustellungen 98 Nach Maßgabe des § 76 Abs. 6 Satz 1StaRUG kann das Gericht den Restrukturierungsbeauftragten zur Durchführung von Zustellungen heranziehen. Auch hierbei handelt es sich um eine vornehmlich der Gerichtsentlastung und der Vereinfachung der Abläufe dienende Vorschrift, welche bereits aus der Insolvenzordnung bekannt ist (§ 8 Abs. 3 InsO). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Büroorganisation des Restrukturierungsbeauftragten diese Aufgabe in aller Regel schneller durchführen kann, als es die Gerichte können.127) Dies vor allem dann, wenn eine Vielzahl von Planbetroffenen involviert ist. Der Restrukturierungsbeauftragte hat dabei Sorge dafür zu tragen, dass die Zustellungen entsprechend § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO dokumentiert werden, d. h. die Zeit der Zustellung und Zustellanschrift des Empfängers vermerkt wird. 4.4

Überwachung der Planerfüllung

99 Ähnlich der Regelung in § 260 InsO kann nach § 72 StaRUG auch in einem Restrukturierungsplan angeordnet werden, dass die Erfüllung der im gestaltenden Teil des Plans niedergelegten Ansprüche der Gläubiger überwacht wird (siehe dazu Berner/Werner, HRI I, § 20 Rz. 123 ff.). Die Überwachung ist durch das Restrukturierungsgericht i. R. der Planbestätigung einem Restrukturierungsbeauftragten zu übertragen. Soweit ein solcher nicht bereits aus anderem Grund bestellt wurde, liegt in dem Umstand, dass der Restrukturierungsplan eine Überwachung vorsieht, ein Grund zur Bestellung eines notwendigen Restrukturierungsbeauftragten, vgl. § 73 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Übertragung der Planüberwachung auf einen Restrukturierungsbeauftragten nicht zwingend ist und der Restrukturierungsplan diese somit auch einer anderen Person übertragen kann, ohne dass hieraus die Pflicht zur Bestellung eines notwendigen Restrukturierungsbeauftragten folgt.128) 100 Stellt dieser während der Planüberwachung fest, dass der Schuldner die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans zustehenden Ansprüche nicht erfüllt oder diese voraussichtlich nicht erfüllen kann, so ist er nach § 72 Abs. 3 StaRUG verpflichtet dies dem Restrukturierungsgericht und den betroffenen Gläubigern unverzüglich anzuzeigen. Der konkrete Umfang der Überwachungsaufgaben sowie spezifische (regelmäßige) Prüfpflichten des Restrukturierungsbeauftragten und etwaige Mitwirkungspflichten des Schuldners sind im Wesentlichen durch den Restrukturierungsplan selbst zu regeln und sollten dort so spezifisch wie möglich verschriftlicht werden.129) Art und Maß der Überwachung sollten dabei – auch aus Kostengründen – stets in einem angemessenen Verhältnis zur Anzahl der Gläubiger, der Höhe ihrer Ansprüche, der zeitlichen Streckung eines etwaigen Zahlungsplans und zum generellen Risikoprofil des Plans aus Gläubigersicht stehen. III.

Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte

1.

Bestellung auf Antrag

101 Der Schuldner kann die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten auch dann beantragen, wenn die Voraussetzungen einer amtswegigen Bestellung nach § 73 StaRUG nicht ___________ 126) 127) 128) 129)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174. Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 45. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 4; Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 3, 10.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

vorliegen. § 77 StaRUG sieht ausdrücklich vor, dass ein solcher „fakultativer Restrukturierungsbeauftragter“ – so die Legaldefinition in § 77 Abs. 1 StaRUG – „zur Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten“ bestellt werden kann. Insoweit steht die Vermittlungsfunktion des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten (siehe oben unter Rz. 6) im Vordergrund. Gleichwohl kann auch der fakultative Restrukturierungsbeauftragte grundsätzlich der Überwachungsfunktion dienende Aufgaben wahrnehmen, die üblicherweise ein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter wahrnimmt. Dies kommt in § 77 Abs. 2 StaRUG zum Ausdruck. Insoweit wird der fakultative Restrukturierungsbeauftragte teilweise als „modifizierter Sanierungsmoderator mit Aufrüstungsmöglichkeit“ verstanden.130) Ferner kann ein rein vermittelnd agierender, fakultativer Restrukturierungsbeauftragter auch 102 neben einem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten als „weiterer Restrukturierungsbeauftragter“ i. S. des § 74 Abs. 3 StaRUG bestellt werden. Ob und in welchem Umfang ein fakultativer Restrukturierungsbeauftragter als Moderator oder Mediator in eine Restrukturierungssache eingebunden werden soll, steht nach dem Willen des Gesetzgebers zur Disposition der Beteiligten, sodass eine amtswegige Zuweisung dieser Funktion nicht vorgesehen ist.131) Gleichwohl ist zu beachten, dass seit dem 22.7.2022 auch dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten vermittelnd unterstützende Aufgaben nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG zukommen können, nicht aber in jedem Fall zukommen müssen (siehe Rz. 89). Neben dem Schuldner steht das Antragsrecht auch einer Sperrminorität von Gläubigern 103 zu, soweit auf sie mehr als 25 % der Stimmrechte in „einer“ Gruppe entfallen oder voraussichtlich entfallen werden und sofern sie sich zur gesamtschuldnerischen Übernahme der Kosten der Beauftragung verpflichten (§ 77 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Insoweit ist gegenüber § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG nicht erforderlich, dass die Sperrminorität in jeder der gebildeten oder zu bildenden Gruppen erreicht wird.132) 2.

Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten

Bei der Auswahl und Bestellung eines notwendigen Restrukturierungsbeauftragten sind 104 gemäß § 74 Abs. 1 StaRUG bestimmte fachliche und persönliche Anforderungen des potenziellen Kandidaten zu beachten. Da diese Anforderungen über den Verweis in § 78 Abs. 1 StaRUG auch für einen potenziellen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten gelten, finden sich die Ausführungen zur allgemeinen Eignung eines Restrukturierungsbeauftragten dort (siehe unten Rz. 118 ff.). § 78 Abs. 2 StaRUG gewährt den Gläubigern ein für das Gericht bindendes Vorschlags- 105 recht in Bezug auf die Person des Restrukturierungsbeauftragten. Dabei ist erforderlich, dass die Gläubiger „zusammen alle voraussichtlich in den Restrukturierungsplan einbezogenen Gruppen repräsentieren“. Ein bestimmtes Quorum, etwa eine Sperrminorität, wird hier im Gegensatz zum Antragsrecht der Gläubiger nach § 77 Abs. 1 Satz 2 StaRUG gerade nicht gefordert, sodass unklar bleibt, wie das Tatbestandsmerkmal der „Repräsentativität“ zu quantifizieren ist. Nach dem Wortlaut reicht bereits ein Gläubiger der jeweils gebildeten bzw. voraussichtlich zu bildenden Gruppe aus.133) Demgegenüber ist ein Vorschlagsrecht des Schuldners – im Gegensatz zu § 74 Abs. 2 106 StaRUG – für den fakultativen Restrukturierungsbeauftragten nicht ausdrücklich vorge___________ 130) Flöther/Wilke in: Flöther, StaRUG, § 77 Rz. 3. 131) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174; Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/ Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 84. 132) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 77 Rz. 9. 133) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 78 Rz. 8.

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3. Teil Verfahren

sehen. Angesichts der systematischen Nähe der Vorschrift zu § 74 Abs. 2 StaRUG und der dort offenbar bewusst abweichend geregelten Vorschlagsrecht des Schuldners erscheint eine teleologische Erweiterung dahingehend, dass aus dem Antragsrecht des § 77 Abs. 1 StaRUG auch ein Vorschlagsrecht des Schuldners in Bezug auf die Person des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten folgt, nur schwer vertretbar.134) Das gilt freilich nur auf den ersten Blick. Eine Auslegung im Geiste der Richtlinie, welche dem Gericht nur beschränkten Einfluss auf das Verfahren geben und für den Schuldner Anreize setzen soll, sich rechtzeitig zu sanieren und sich hierbei insbesondere nach eigener Wahl, wenn auch immer unabhängiger Expertise zu versichern, ist vorzuziehen. Insoweit verweist § 78 Abs. 1 StaRUG in der Tat auch nur auf § 74 Abs. 1 StaRUG. 107 Das kann aber auch als Lücke oder Schweigen des Gesetzgebers verstanden werden. Hieraus kann entsprechend gefolgert werden, dass der Gesetzgeber die Bindungswirkung eines Schuldnerantrags auf einen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten sogar als selbstverständlich ansah. Es würde gerade nicht in das Konzept des StaRUG passen, wenn ein geeigneter und unabhängiger vom Schuldner benannter Kandidatenvorschlag keine Bindungswirkung hätte.135) Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte übernimmt insoweit eine Moderations- und keine Überwachungsfunktion. Im Interesse der Waffengleichheit ist es daher angezeigt, nicht nur (und da auch richtigerweise) den Gläubigern, sondern auch dem Schuldner ein bindendes Vorschlagsrecht zuzusprechen.136) Im Sinne der von der Richtlinie geforderten Verfahrenseffizienz sollte daher nach hiesiger Auffassung auch umgekehrt ein Schuldnervorschlag als bindend zu behandeln sein, wenn der Schuldner zumindest glaubhaft macht, dass eine qualifizierte Mehrheit an Gläubigern i. S. des § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG diesen mitträgt. Letztlich kann ein Moderator immer nur dann erfolgreich sein, wenn er von beiden Seiten einen ausreichenden Vertrauensvorschuss erhält. Hier nur dem Gläubigerantrag eine Bindungswirkung zu gewähren, erscheint daher nicht sachgerecht. 108 Zudem steht dem Schuldner die Befugnis zu, einem Vorschlag vonseiten der Gläubiger zu widersprechen, wenn der Beauftragte nur zum Zwecke der Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten bestellt werden soll. Sollen dem Restrukturierungsbeauftragten dagegen weitere (Überwachungs-)Aufgaben übertragen werden, greift das Widerspruchsrecht danach nicht. Dieser Konzeption liegt offenbar der Gedanke zugrunde, dass soweit der Restrukturierungsbeauftragte als erforderliche Vermittlungsinstanz zwischen den Beteiligten für notwendig erachtet wird, um die Restrukturierung auf eine konsensuale Grundlage zu stellen, das exklusive Vorschlagsrecht der Gläubiger in Bezug auf die Person des Vermittlers deren Partizipation stärken soll.137) 109 Eine Abweichung des Restrukturierungsgerichts von einem Gläubigervorschlag für die Person des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten ist nur zulässig, wenn der Schuldner von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht und/oder die Person offensichtlich ungeeignet für das Amt ist.

___________ 134) 135) 136) 137)

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Anders wohl: Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 78 Rz. 11. Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 78 Rz. 12. Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 78 Rz. 13 – m. weiteren Argumenten. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 175; Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/ Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 95.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten 3.

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Rechtsstellung

Für die Rechtsstellung des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten gilt selbiges, wie für 110 den notwendigen Restrukturierungsbeauftragten. § 78 Abs. 3 StaRUG verweist vollumfänglich auf § 75 StaRUG (siehe hierzu unter Rz. 75 f.). 4.

Aufgaben und Pflichten

4.1

Auskunfts- & Berichtspflicht

Aus §§ 77 Abs. 3 i. V. m. 75 Abs. 1 StaRUG folgt auch für den fakultativen Restrukturie- 111 rungsbeauftragten eine umfassende Auskunfts- und Berichtspflicht. Inhaltlich knüpft diese Pflicht jedoch gegenüber dem notwendigen Restrukturierungsbeauftragten weniger an die i. R. der Überwachungsfunktion maßgeblichen Umstände und Tatsachen an, sondern vielmehr an die Verhandlungen zwischen den Beteiligten. Wurde kein notwendiger Restrukturierungsbeauftragter bestellt und dem fakultativen Restrukturierungsbeauftragten darüber hinaus auch keine zusätzliche Überwachungsaufgabe übertragen, hat dieser das Gericht leidglich über den Stand der Verhandlungen bzw. der Ausarbeitung des Restrukturierungskonzepts informiert zu halten. Auch hier empfiehlt es sich, die Auskunfts- und Berichtspflicht proaktiv wahrzunehmen, also nicht nur auf ausdrückliches Anfordern des Restrukturierungsgerichts tätig zu werden. 4.2

Unterstützung und Vermittlung

Die Hauptaufgabe des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten ist die Förderung der 112 Verhandlungen zwischen den Beteiligten und die Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts. Eine unterstützende Funktion kann bspw. dann erforderlich sein, wenn bereits zu Beginn des Verfahrens eine skeptische Haltung aufseiten der Gläubiger vorherrscht oder das Vertrauen zur Geschäftsleitung des Schuldners nicht uneingeschränkt besteht. Insoweit obliegt dem fakultativen Restrukturierungsbeauftragten die Ausfüllung der psychologisch-soziologischen Legitimationsfunktion des Verfahrens.138) Eine wichtige Unterstützungshandlung liegt in dem Führen der Beteiligten durch den 113 Prozess, d. h. der fakultative Restrukturierungsbeauftragte begibt sich in die Stellung eines Moderators, welcher die Beteiligten entlang der gesetzlichen Vorschriften auf dem Weg zur Aushandlung und letztlich zur Bestätigung eines Restrukturierungsplans begleitet. Nicht verwechselt werden darf der fakultative Restrukturierungsbeauftragte in dieser Rolle mit dem Sanierungsmoderator i. S. der §§ 94 ff. StaRUG, welcher die Beteiligten bei der Ausarbeitung und dem Abschluss eines Sanierungsvergleichs unterstützt (siehe dazu Frege/Nicht, HRI I, § 15 Rz. 58 ff.). Die Vermittlungsaufgabe ist als neutraler Dritter wahrzunehmen,139) wobei die Anforde- 114 rungen nicht überspannt werden dürfen. Der Restrukturierungsbeauftragte hat das Ziel zu verfolgen, die Restrukturierungssache durch das Hinwirken auf die Annahme und Bestätigung eines Restrukturierungsplans zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, was zuweilen den Eindruck entstehen lassen kann, dass eine Neigung zur Parteilichkeit zugunsten des Schuldners besteht. Der hinreichenden Berücksichtigung der Gläubigerinteressen kann dabei nicht schon durch den schlichten Verweis auf das jeweils maßgebliche Alternativszenario, welches sich anhand einer Vergleichsrechnung konkretisieren lässt (§ 6 Abs. 2 StaRUG), Rechnung getragen werden, da die Befriedigungsaussichten hier im Regelfall ___________ 138) Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 79 Rz. 5. 139) Flöther/Wilke in: Flöther, StaRUG, § 79 Rz. 3.

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3. Teil Verfahren

erheblich schlechter ausfallen dürften. Vielmehr sind auch bei isolierter Betrachtung der Restrukturierungssache die Interessen von Schuldner und Gläubigern bzw. Planbetroffenen i. R. des durch das Restrukturierungsvorhaben angepeilten Ziels, zu einem bestmöglichen Ausgleich zu bringen. 115 Dies ist jedoch gerade nicht die Aufgabe des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten, denn soweit nicht i. S. des § 73 Abs. 1 StaRUG eine besondere Schutzbedürftigkeit bestimmter Gläubiger(gruppen) anzunehmen ist, wird man davon auszugehen haben, dass die Gläubiger in der Lage sind, ihre Interessen eigenständig wahrzunehmen. Die vermittelnde Rolle des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten dient damit nicht dem Interessenausgleich, sondern der Verhandlungsförderung. Insoweit ist dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten sich mit ihren Anregungen und Bedenken gehört fühlen und Einigungsmöglichkeiten in Bezug auf streitige Punkte proaktiv aufgedeckt werden.140) 116 Die Unterstützung der Beteiligten bei der Ausarbeitung des Restrukturierungskonzepts beinhaltet kein eigenes Tätigwerden als Entwurfsverfasser.141) Vielmehr hat der fakultative Restrukturierungsbeauftragte die Erarbeitung eines Restrukturierungskonzepts insoweit zu begleiten, als dass er etwa kursorisch die Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Entwurfs aus Sicht eines neutralen Dritten überprüft, auf mögliche Probleme auf Fallstricke aufmerksam macht, Anregungen vonseiten der Gläubiger mit dem Schuldner und ggf. seinen Beratern kommuniziert, oder fachliche Einschätzungen abgibt. Ist absehbar, dass es zu Streitigkeiten in Bezug auf das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter Forderungen oder Absonderungsanwartschaften kommen könnte, sollte der fakultative Restrukturierungsbeauftragte auch frühzeitig auf die Einleitung eines Vorprüfungsverfahrens hinwirken, sodass dies nicht erst kurz vor dem Abstimmungstermin geschieht und somit zu Verzögerungen führt. 4.3

Übertragung weiterer Aufgaben

117 Die Übertragung weiterer Aufgaben nach § 76 StaRUG auf den fakultativen Restrukturierungsbeauftragten ist ausdrücklich vom Gesetzgeber ermöglicht worden. Dies hat mitunter dem Hintergrund, dass soweit zwar kein Fall der notwendigen Bestellung vorliegt, das Restrukturierungsgericht aber gleichwohl die Wahrnehmung bestimmter Überwachungs- oder Prüfungsaufgaben durch den Restrukturierungsbeauftragten für zweckmäßig oder notwendig hält, diese auch durch den auf Antrag des Schuldners oder der Gläubiger bestellten fakultativen Restrukturierungsbeauftragten wahrgenommen werden können. Dies bietet zum einen den Vorteil, dass sämtliche Aufgaben „aus einer Hand“ erledigt werden und das Restrukturierungsgericht dementsprechend auch einen einzigen zentralen Ansprechpartner hat. Andererseits führt dies auch zu einer Verschlankung des Verfahrens, weil einerseits zusätzliche Kosten für die etwaige Bestellung eines zweiten Restrukturierungsbeauftragten vermieden werden und andererseits der Kommunikations- und Abstimmungsaufwand vermindert wird. IV.

Eignung als Restrukturierungsbeauftragter

118 An die Person des Restrukturierungsbeauftragten – gleich welcher Ausprägung – stellt das StaRUG einheitliche Anforderungen. Gemäß §§ 74 Abs. 1, 78 Abs. 1 StaRUG kommt als Restrukturierungsbeauftragter nur ein für den jeweiligen Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechts___________ 140) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 79 Rz. 5. 141) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 175; Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 79 Rz. 4; Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 79 Rz. 3.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

anwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation in Betracht, welche von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist. Dabei hat sich der Gesetzgeber im Wesentlichen an §§ 56 Abs. 1 (i. V. m. § 274 Abs. 1) InsO orientiert.142) 1.

Fachliche und persönliche Qualifikation

Der Restrukturierungsbeauftragte muss kumulativ in Insolvenz- und Restrukturierungs- 119 sachen erfahren sein.143) Der Gesetzgeber nennt dabei die Berufsgruppen der Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer als „Regelbeispiele“, denn die Erfahrung lehrt, dass diese Berufsgruppen bereits ausgehend von ihrer fachlichen Grundqualifikation in juristischen und (betriebs-)wirtschaftlichen Themen besonders geeignet für sanierungsnahe Tätigkeiten sind. Gleichwohl verschließt sich der Gesetzgeber – was zu begrüßen ist – nicht davor, auch „sonstige Personen mit vergleichbarer Qualifikation“ in den Kreis der potenziellen Kandidaten aufzunehmen. In der Restrukturierungsbranche gehört ein beträchtlicher Anteil der erfolgreich und hochprofessionell agierenden Berater keiner der drei ausdrücklich genannten Berufsgruppen an, sondern besitzt etwa einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund und/oder einschlägige krisennahe Managementerfahrung. Entscheidend ist, dass die fachliche Eignung und Erfahrung des Restrukturierungsbeauftragten im Einzelfall und in Ansehung der konkreten Restrukturierungssache und den mit ihr einhergehenden Besonderheiten zu bejahen ist. Das Gericht soll i. R. seiner Vorauswahl potenziell geeigneter Kandidaten anhand objek- 120 tiver Kriterien prüfen, inwieweit die Kandidaten in der Lage sind, die voraussichtlich zu übertragenden Aufgaben und Pflichten vollumfänglich zu erfüllen. Dabei können mitunter folgende Faktoren eine Rolle spielen: 

bisherige Tätigkeit in vergleichbaren Verfahren;



herausragende Fachkenntnisse;



spezifische Branchenkenntnisse;



besondere Zusatzqualifikationen;



räumliche Nähe zu den Beteiligten;



Vorhandensein einer dem Umfang des Verfahrens gerecht werdenden personellen und administrativen Infrastruktur;



nachgewiesenes besonderes Geschick in der Menschen- und Verhandlungsführung.

Die Erfahrung in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen darf sich nicht auf spezifische 121 Fachkenntnisse beschränken, sondern muss sich auch in einer nachweisbaren, vertieften praktischen Erfahrung widerspiegeln.144) Eine vormalige Bestellung als Sach- oder Insolvenzverwalter ist indes nicht notwendig.145) 122 Richtigerweise wird angemerkt, dass die Voraussetzung der Erfahrung in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen eine erhebliche Annäherung des als Restrukturierungsbeauftragter in Betracht kommenden Personen an potenzielle Sachwalter bewirkt, welche vor dem Hintergrund eines möglichen Übergangs der Restrukturierungssache in ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eine Personenidentität von Restrukturierungsbeauftragtem und Sachwalter ermöglicht (zur Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten in einer Folge___________ 142) 143) 144) 145)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 171. Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 74 Rz. 6. Zipperer in: Uhlenbruck, InsO § 56 Rz. 18; Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 74 Rz. 37. Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 74 Rz. 37.

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3. Teil Verfahren

insolvenz siehe auch Rz. 131 ff.).146) Gleichwohl ist nicht in jedem Fall zwingend, dass der Kandidat potenziell als Sachwalter bestellt werden könnte. Keinesfalls zulässig ist es nur eine Person zu akzeptieren, die das Gericht in seiner Parallelfunktion als Insolvenzgericht als Insolvenzverwalter gelistet hat. Dazu unten mehr. 123 Angesichts des nicht-linearen Profils des Restrukturierungsbeauftragten, dessen Funktion, Aufgaben und Pflichten für jede Restrukturierungssache individuell zu definieren sind, ist die Frage nach der Eignung eines Kandidaten stets anhand einer Einzelfallbeurteilung zu beantworten. So wird etwa für einen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten, welcher im konkreten Fall ausschließlich zum Zwecke der Vermittlung zwischen den Beteiligten bestellt wird, regelmäßig andere Kompetenzen vorauszusetzen sein als an einen notwendigen Restrukturierungsbeauftragten, welcher sich im konkreten Fall mit der Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners, des Vorliegens von Insolvenzgründen und der Überwachung der Geschäftsführung befassen muss. 124 Zu beachten ist gleichwohl, dass die Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten sich im Laufe des Verfahrens ändern können, etwa wenn diesem zusätzliche Prüfungs- und Überwachungsaufgaben übertragen werden (z. B. i. R. des § 77 Abs. 2 StaRUG). Sollte der bestellte Restrukturierungsbeauftragte für die Erfüllung dieser zusätzlichen Aufgaben nicht geeignet sein, ist ggf. ein weiterer Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen oder der bereits bestellte Restrukturierungsbeauftragte nach § 75 Abs. 2 StaRUG zu entlassen und ein neuer zu bestellen. 125 Als Restrukturierungsbeauftragter kann nur eine natürliche Person bestellt werden. Wenngleich bereits im Zusammenhang mit Insolvenzverwaltern bzw. Sachwaltern seit vielen Jahren darüber diskutiert wird, ob der Ausschluss juristischer Personen von dem Verwalteramt noch zeitgemäß ist,147) hat sich der Gesetzgeber für eine Fortsetzung des Prinzips der höchstpersönlichen Amtsübernahme entschieden, da nach seiner Ansicht eine grundlegende Personenbindung erforderlich ist.148) Insoweit ist zu erkennen dass oftmals das Vertrauen der Beteiligten in eine das Verfahren eigenhändig begleitende, unabhängige Person ein erheblicher Erfolgsfaktor eines Restrukturierungsprozesses sein kann.149) 126 Als weitere persönliche Voraussetzung ergibt sich aus § 74 Abs. 1 StaRUG, dass der jeweilige Kandidat zur Übernahme des Amtes bereit sein muss. Die Bestellung eines Kandidaten gegen seinen Willen ist demnach ausgeschlossen und wäre auch nicht im Interesse der Beteiligten. Das Gesetz sieht vor, ebenso wie in § 56 Abs. 1 InsO, dass der Restrukturierungsbeauftragte aus dem Kreis der zur Übernahme bereiten Personen auszuwählen ist. Die Auswahl von Insolvenzverwaltern erfolgt in der Praxis durch die Führung von eigenen Vorauswahllisten durch jeden Insolvenzrichter150) und diese Vorgehensweise wird sich wohl auch in Bezug auf die Restrukturierungsbeauftragten etablieren,151) da hierdurch dem Restrukturierungsrichter trotz Eilbedürftigkeit eine hinreichend sichere Tatsachengrund___________ 146) Thole, ZRI 2020, 393, 398; Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 74 Rz. 2. 147) Vgl. etwa Braun/Frank, NZI 2020, 1, 7; Römermann, ZInsO 2004, 937; zur Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung auf natürliche Personen vgl. BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, ZIP 2016, 321 = WM 2016, 355. 148) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 171; die Richtlinie ermöglicht die Amtsübernahme jedenfalls auch für juristische Personen, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 Restrukturierungsrichtlinie („Person oder Stelle“), was der Gesetzgeber – wohl zutreffend – nicht als verpflichtend für die Umsetzung der Richtlinie versteht. 149) Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 74 Rz. 3. 150) Dazu im Allgemeinen: Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 8 f. 151) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 74 Rz. 13; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 74 Rz. 7; Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 74 Rz. 44; Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 74 Rz. 8; dagegen: Frind, ZRI 2021, 397, 401.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

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lage für die Bestellung vermittelt wird.152) Gleichwohl ist aufgrund des nicht-linearen Profils des Restrukturierungsbeauftragten und dem Erfordernis der besonderen Eignung im Einzelfall, d. h. in Bezug auf die Anforderungen des spezifischen Aufgaben und Pflichtenkatalogs einer Restrukturierungssache, die Führung einer allgemeinen Vorauswahlliste wohl nicht sachgerecht.153) Auch genügt es nicht, lediglich eine Vorauswahlliste von grundsätzlich zur Übernahme des Amtes des Restrukturierungsbeauftragten bereiten Personen zu führen oder die bestehenden Vorauswahllisten für Insolvenzverwalter um dieses Kriterium zu ergänzen.154) Von den Restrukturierungsrichtern sollte verlangt werden, dass etwaige Vorauswahllisten für Restrukturierungsbeauftragte in etwa nach der Eignung der Kandidaten für bestimmte Aufgaben- und Aufgabenbereiche differenzieren. Ausschlussgründe für eine Bestellung als Restrukturierungsbeauftragter können sich pa- 127 rallel zu hierzu für Insolvenzverwalter etablierten Grundsätzen neben einer fehlenden fachlichen Eignung auch aus verschiedenen persönlichen Umständen ergeben. Der Kandidat muss in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen befinden und sich bei einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister keine Eintragungen ergeben.155) Absolute Ausschlussgründe sind das Vorliegen von Berufsverboten und Vorstrafen (insbesondere Insolvenzstraftaten) sowie die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit oder Gewerbeverbote.156) 2.

Möglichkeit der Entlassung aus dem Amt

Das Restrukturierungsgericht kann den Restrukturierungsbeauftragten aus wichtigem Grund 128 aus dem Amt entlassen. Die Entlassung kann von Amts wegen oder auf Antrag erfolgen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 und 2 StaRUG). Antragsberechtigt sind der Restrukturierungsbeauftragte selbst, der Schuldner oder ein Gläubiger. Ein Mindestquorum für einen Gläubigerantrag ist nicht vorgesehen. Ein wichtiger Grund zur Entlassung kann sowohl im Verhalten als auch in der Person des Restrukturierungsbeauftragten begründet liegen.157) Im Übrigen gelten für die Entlassung im Wesentlichen die in Zusammenhang mit § 59 InsO entwickelten Grundsätze.158) Soweit die Entlassung aufgrund eines Schuldner- oder Gläubigerantrages erfolgen soll, 129 kann sie ausschließlich darauf gestützt werden, dass dem Restrukturierungsbeauftragten eine fehlende Unabhängigkeit zu bescheinigen ist. vgl. § 75 Abs. 2 Satz 3 StaRUG. Die Umstände, aus welchen sich die fehlende Unabhängigkeit im Einzelfall ergibt, sind von dem Antragsteller glaubhaft zu machen, d. h. die Umstände müssen dem Gericht ggf. unter Zuhilfenahme aller im Zivilprozess zulässigen Beweismittel präsentiert werden und das Gericht muss auf dieser Grundlage zu dem Schluss gelangen, dass zumindest eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine fehlende Unabhängigkeit spricht.159) Die Entlassung aufgrund eines Antrages des Restrukturierungsbeauftragten selbst dürfte indes keine gesteigerten Voraussetzungen haben, da es kaum im Interesse der Beteiligten sein kann, dass dieser gegen seinen eigenen Willen im Amt verbleibt.160) ___________ 152) 153) 154) 155) 156) 157) 158)

BVerfG v. 3.8.2009 - 1 BvR 369/08, NZI 2009, 641 = ZIP 2009, 1722. Fritz/Scholtis, NZI 2020, 49, 53. So wohl Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 74 Rz. 8. Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 75 Rz. 16. Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 79. Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 75 Rz. 49. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 173; zu § 59 instruktiv: Vallender/Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, § 59 Rz. 7 ff. 159) Vgl. § 294 ZPO. 160) Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 B., VI. Rz. 61.

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3. Teil Verfahren

130 Bei einer Entlassung von Amts wegen oder auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers hat der Restrukturierungsbeauftragte das Recht vorher gehört zu werden, § 75 Abs. 2 Satz 4 StaRUG. Gegen die zu begründende Entscheidung des Gerichts über die (Nicht-) Entlassung steht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zur Verfügung.161) V.

Amtsträgerschaft in der Folgeinsolvenz

131 Sollte ein Restrukturierungsvorhaben nach dem StaRUG scheitern – etwa weil dem Restrukturierungsplan nicht von der notwendigen Mehrheit der Gläubiger angenommen wird – kann die Restrukturierung gleichsam im Wege der ESUG-Verfahren „in der Insolvenz“ fortgesetzt werden.162) Freilich steht ein solches Vorgehen stets unter dem Vorbehalt, dass der Schuldner noch immer bereit ist, seine Geschäftsführung i. R. der Eigenverwaltung an den Gläubigerinteressen auszurichten.163) Liegt eine solche Konstellation vor oder wird das Unternehmen während der Anhängigkeit einer Restrukturierungssache164) oder danach insolvent, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Restrukturierungsbeauftragte i. R. einer Folgeinsolvenz erneut als Amtsträger tätig werden kann. In Betracht kommt insoweit eine Tätigkeit als Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren oder als Sachwalter in der Eigenverwaltung. 132 Der im Zuge des SanInsFoG in die InsO eingefügte § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO n. F. bestimmt, dass wer als Restrukturierungsbeauftragter (oder Sanierungsmoderator) in einer Restrukturierungssache tätig war, in einer Folgeinsolvenz nur dann zum Insolvenzverwalter bestellt werden kann, wenn die Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses vorliegt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Schuldner mindestens zwei der drei folgenden in § 22a Abs. 1 InsO genannten Merkmale erfüllt: 

mind. 6.000.000 € Bilanzsumme (nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags i. S. des § 268 Abs. 3 HGB);



mind. 12.000.000 € Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;



im Jahresdurchschnitt mind. 50 Arbeitnehmer.

Für die Bestellung eines Sachwalters in der Eigenverwaltung gilt diese Vorschrift wegen § 274 Abs. 1 InsO entsprechend.165) 133 Vorteile eines erneuten Tätigwerdens können sich daraus ergeben, dass der bisherige Restrukturierungsbeauftragte das Unternehmen bereits kennt. Dies führt im Regelfall dazu, dass die Einarbeitung leichter fällt, „Reibungsverluste“166) reduziert werden und auch die Kommunikation mit den Verantwortlichen vertrauter sein kann. Gleichsam liegt jedoch auch die Gefahr von Interessenkonflikten auf der Hand. Aufgrund der über die Amtsdauer des Restrukturierungsbeauftragten hinausgehenden persönlichen Haftungsrisiken (siehe Rz. 134 ff.), kann es etwa zu einer Situation kommen, in der ein vormals als Restrukturierungsbeauftragter bestellter Insolvenzverwalter nunmehr Haftungsansprüche gegen seine eigene Person durchzusetzen hat. Aber auch sonst kann die umfassende Aufarbeitung von Fehlern und Pflichtverletzungen während der Inanspruchnahme des präventiven ___________ 161) Dazu ausführlich: Hänel in: BeckOK-StaRUG, § 75 Rz. 82 ff. 162) Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293. 163) So die Einschränkung in § 270b Abs. 2 InsO n. F., denn das „gescheiterte“ Restrukturierungsverfahren lässt den Schluss zu, dass die Fortsetzung der Restrukturierung in Eigenverwaltung nicht im Interesse der Gläubiger liegen würde, vgl. Ellers in: BeckOK-InsR, § 270b InsO Rz. 26. 164) Der Eintritt der materiellen Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) führt in der Regel zur Aufhebung der Restrukturierungssache gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 StaRUG. 165) Schluck-Amend, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 88, 89. 166) Göcke in: BeckOK-InsR, § 56 InsO Rz. 39a.

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Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

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Restrukturierungsrahmens durch eine Vorbefassung des nun hierfür Zuständigen beeinträchtigt werden.167) Je umfassender der Restrukturierungsbeauftragte seinerzeit aufgrund der ihm übertragenen Aufgaben an der Restrukturierung mitgewirkt hat, desto schwerer fällt es aufkommenden Zweifeln an seiner Unabhängigkeit in der Folgeinsolvenz schweigen zu gebieten. Die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz in Bezug auf die Frage des Vorliegens von möglichen Interessenkonflikten liegt bei dem zuständigen Insolvenzgericht, sodass eine etwaige Vorbefassung bei der Auswahl eines Sach- oder Insolvenzverwalters von Amts wegen zu berücksichtigen ist. VI.

Haftung des Restrukturierungsbeauftragten

1.

Zivilrechtliche Haftung

Das StaRUG schafft mit § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG eine zentrale Haftungsnorm für den 134 Restrukturierungsbeauftragten. Diese gilt unabhängig davon, nach welcher Vorschrift der Restrukturierungsbeauftragte im Einzelfall bestellt wurde.168) Die bisher für Personengruppe der „Sanierer“ besonders relevanten allgemein-deliktischen Haftungsnormen (z. B. §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO, § 826 BGB) treten neben die spezielle Haftung nach § 75 Abs. 4 StaRUG. Ähnlich dem § 60 InsO Abs. 1 Satz 1 InsO – welcher die Haftung des Insolvenzverwalters für Pflichtverletzungen regelt und welcher über § 274 Abs. 1 InsO auch für Sachwalter gilt – ermöglicht der eigene Haftungstatbestand in § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG ein an die Besonderheiten des Restrukturierungsverfahrens und die Sonderstellung des Restrukturierungsbeauftragten in seinen verschiedenen Ausprägungen anknüpfendes Haftungskonzept.169) 1.1

Maßgeblicher Pflichtenbereich

§ 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG setzt tatbestandlich eine schuldhafte Verletzung der dem Re- 135 strukturierungsbeauftragten obliegenden Pflichten voraus. Insoweit kommt es stets auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Restrukturierungsbeauftragten an. Eine Haftung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn ein objektiver Verstoß gegen ein auf gesetzlicher Grundlage oder auf einem allgemein anerkannten Verhaltensmaßstab beruhendes Verhaltensgebot oder -verbot vorliegt. Aus der Verletzung welcher Pflichten sich die Haftung ableitet, ergibt sich vorrangig aus den dem Restrukturierungsbeauftragten im Einzelfall kraft des Bestellungsbeschlusses übertragenen Aufgaben.170) Es würde in einem uferlosen Haftungsrisiko münden, wenn der Restrukturierungsbeauftragte pauschal auch für Versäumnisse in einem Pflichtenbereich haften würde, in dem er ausweislich der ihm Kraft des Bestellungsbeschlusses zugewiesenen Aufgaben gerade nicht tätig werden sollte.171) Der Haftungstatbestand des § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG umfasst ausschließliche restruk- 136 turierungsspezifischen Pflichten, d. h. diejenigen Pflichten des Restrukturierungsbeauf___________ 167) Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1295. 168) Für den notwendigen Restrukturierungsbeauftragten einschließlich des „nur“ sachverständigen Restrukturierungsbeauftragten (vgl. § 73 Abs. 3 StaRUG, siehe oben unter Rz. 56 ff.) sowie des „Sonderrestrukturierungsbeauftragten“ (vgl. § 74 Abs. 3 StaRUG, siehe oben unter Rz. 48 ff.) gilt § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG direkt – für den fakultativen Restrukturierungsbeauftragten gilt die Vorschrift über den Verweis in § 78 Abs. 3 StaRUG entsprechend. 169) Dafür bereits: Boss/Luttmann/Saueressig, SanB 2020, 9, 11. 170) Aus diesem Grund ist es einmal mehr entscheidend, dass der Bestellungsbeschluss den von dem Restrukturierungsbeauftragten i. E. wahrzunehmenden Aufgabenkatalog dezidiert festlegt. Bis dato mangelt es hieran in der Gerichtspraxis offenbar, vgl. Fiebig, ZRI 2021, 561, 568. 171) A. A. Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 75 Rz. 12, die die Haftung ähnlich dem § 60 InsO scheinbar prinzipiell auf alle Aufgaben erstrecken möchten, gleichwohl aber für eine im Gleichgewicht mit der Vergütung stehendes Haftungsrisiko plädieren (a. a. O., Rz. 18).

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tragten, welche sich unmittelbar aus und im Zusammenhang mit der maßgeblichen Restrukturierungssache ergeben.172) Von besonderer Bedeutung sind im Hinblick auf mögliche Haftungsgefahren die sich aus der Überwachungsfunktion des Restrukturierungsbeauftragten ergebenden Aufgaben und Pflichten nach Maßgabe des § 76 StaRUG. So kann etwa ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 76 Abs. 1 StaRUG regelmäßig dazu führen, dass eine während der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache eintretende Insolvenzreife dem Gericht verborgen bleibt, was wiederum in einer Insolvenzverschleppung münden und damit eine erhebliche Schlechterstellung vieler Gläubiger – auch den bisher nicht Verfahrensbeteiligten – verursachen kann. 137 Folgenschwere Konsequenzen für die Gläubiger können sich auch ergeben, wenn etwa die Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wird oder die Geschäftsleitung nicht ordnungsgemäß überwacht wird (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). Entsteht einem Gläubiger ein Nachteil, weil aufgrund fehlerhafter Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Erlass einer Stabilisierungsanordnung (§ 76 Abs. 3 StaRUG) eine Vollstreckungshandlung zu Unrecht nicht eingeleitet werden konnte, kann dies eine Haftung des Restrukturierungsbeauftragten für einen etwaigen Forderungsausfall begründen. Entscheidend ist daher, dass der Restrukturierungsbeauftragte sich seinem individuellen Pflichten- und Aufgabenkatalog für die spezifische Restrukturierungssache bewusst ist. Grundlage dessen, ist ein ausführlicher Bestellungsbeschluss, aus welchem sich die konkreten Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten ergeben. 138 Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte wird die Beteiligten – soweit ihm nicht gemäß § 77 Abs. 2 StaRUG Aufgaben mit Überwachungsfunktion zugewiesen sind – vornehmlich in vermittelnder Eigenschaft unterstützen. Gemäß § 79 StaRUG unterstützt er die Beteiligten bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts. Angesichts dieses eher „weichen“ Aufgabenspektrums, aus welchem sich nur schwerlich konkrete Handlungspflichten ableiten lassen, ist dieses Amt tendenziell weniger haftungsträchtig als dasjenige des notwendigen Restrukturierungsbeauftragten, was auch auf der Ebene der Vergütungsbemessung berücksichtigt werden sollte. 1.2

Verschulden und Sorgfaltsmaßstab

139 Die Haftung des Restrukturierungsbeauftragten setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus („in schuldhafter Weise“, § 75 Abs. 5 Satz 3 StaRUG). Mangels einer spezielleren Anordnung, gilt mithin der allgemeine Verschuldensmaßstab nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Restrukturierungsbeauftragte Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Die sich regelmäßig i. R. des Fahrlässigkeitstatbestands stellende Frage danach, was im Verkehr erforderlich ist (§ 276 Abs. 2 BGB), bestimmt sich anhand des jeweils maßgeblichen Sorgfaltsmaßstabes. 140 Der Sorgfaltsmaßstab, welcher dem Restrukturierungsbeauftragten bei der Erfüllung seiner Pflichten abgefordert wird, ist in § 75 Abs. 4 Satz 1 und 2 StaRUG niedergelegt: Er hat seine Aufgaben unparteiisch und mit der gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erfüllen. Im Gegensatz zur Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO, i. R. derer mit der Anknüpfung an einen „ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalter“ ein normativer, objektivierter Sorgfaltsmaßstab173) zugrunde gelegt wird, hat der ___________ 172) Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 75 Rz. 32 ff. 173) Schoppmeyer in: MünchKomm-InsO, § 60 Rz. 90; vergleichbar wie in § 347 Abs. 1 HGB („Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“), § 43 Abs. 1 GmbHG („Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“), § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG & § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG („Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“).

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Gesetzgeber für den Restrukturierungsbeauftragten auf einen solchen verzichtet.174) Stattdessen ordnet § 74 Abs. 4 Satz 1 StaRUG an, dass der Restrukturierungsbeauftragte seine Aufgaben mit der „gebotenen“ Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erfüllen hat. Dazu, was konkret als „geboten“ gilt, verhält sich der Gesetzgeber nicht. Daraus lässt sich folgern, dass ein für alle Restrukturierungsbeauftragten geltender nor- 141 mativ-objektivierter Sorgfaltsmaßstab gerade nicht der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, sodass die Anknüpfung an einen „durchschnittlichen Restrukturierungsbeauftragten“175) fehlzugehen scheint. Geschäftsleiter oder Insolvenzverwalter nehmen gegenüber der Gesellschaft bzw. gegenüber den Gläubigern eine Organstellung ein, an die Ausübung derer aus Sicht des Rechtsverkehrs stets derselbe, sich an objektiven Kriterien orientierende Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist. Demgegenüber lassen sich der Umfang der Tätigkeit sowie die Art und Weise der Aufga- 142 benwahrnehmung durch den Restrukturierungsbeauftragten nur schwer pauschal bestimmen, da diese in hohem Maße von den Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens abhängen. Eine Rolle spielen hierbei etwa die Art der Bestellung (notwendiger, fakultativer, sachverständiger oder Sonderrestrukturierungsbeauftragter), der Umfang der dem Restrukturierungsbeauftragten im Einzelnen durch das Gericht übertragenen Aufgaben oder die Zusammensetzung der von den Restrukturierungsinstrumenten Betroffenen sowie ob und inwieweit diese in der Lage sind, ihre Interessen eigenständig wahrzunehmen. Spiegelbildlich muss die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit“ in höherem Maße einzelfallbezogen erfolgen, um den Besonderheiten des StaRUG und seinem Wesen als „Werkzeugkasten“ von präventiven gerichtlichen Verfahrenshilfen176) Rechnung zu tragen.177) Dass eine starre Orientierung an einem normativobjektivierten Sorgfaltsmaßstab vor dem Hintergrund der Dynamik des jeweiligen Verfahrens nicht immer sachgerecht ist, wurde inzwischen selbst für Insolvenzverwalter erkannt.178) Erst recht muss dies daher für das in vielerlei Hinsicht gestaltungsoffenere Amts des Restrukturierungsbeauftragten gelten. Insoweit ist der maßgebliche Sorgfaltsmaßstab unter Berücksichtigung der Eigenart der verletzten Pflicht zu bestimmen.179) Dabei können auch subjektive Kriterien eine Rolle spielen, wie etwa die angesichts der konkreten fachlichen Qualifikation des jeweiligen Restrukturierungsbeauftragten zu erwartenden Kenntnissen und Fähigkeiten. 1.3

Schadensersatzpflicht

Rechtsfolge einer schuldhaften Pflichtverletzung ist ein Schadensersatzanspruch der Be- 143 troffenen gegen den Restrukturierungsbeauftragten. Die Pflichtverletzung muss kausal für den jeweils eingetretenen Schaden sein. In Bezug auf die Berechnung der jeweiligen Schadenspositionen gelten allgemeine schadensrechtliche Grundsätze. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt der jeweilige Anspruchsteller. ___________ 174) Dafür seinerzeit: Boss/Luttmann/Saueressig, SanB 2020, 9, 13 („Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Restrukturierungsbeauftragten“). 175) Peters in: Wolgast/Grauer, StaRUG.online, § 75 Rz. 36. 176) Allg. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90. 177) Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 944. 178) Schoppmeyer in: MünchKomm-InsO, § 60 Rz. 90: „Anders als bei den Geschäftsführungsorganen des Handels- und Gesellschaftsrechts ist […] beim Insolvenzverwalter der Fahrlässigkeitsvorwurf für jede Lage des Insolvenzverfahrens gesondert zu prüfen. Ein bestimmter Fehler kann zu Beginn des Verfahrens schuldlos und später wegen der inzwischen möglichen Einarbeitung schuldhaft begangen werden.“ 179) Schoppmeyer in: MünchKomm-InsO, § 60 Rz. 90 – zum Insolvenzverwalter.

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144 Anspruchsberechtigt sind nach der Konzeption des § 74 Abs. 3 StaRUG die „Betroffenen“. Dies ist nicht dahingehend misszuverstehen, dass dies lediglich die Planbetroffenen oder alle von den konkreten Restrukturierungsmaßnahmen Betroffenen meint. Umfasst sind vielmehr alle von der Pflichtverletzung Betroffenen, sodass der Kreis der potenziell Anspruchsberechtigten überaus weit zu verstehen ist.180) 145 Eine Möglichkeit der vertraglichen Beschränkung der Haftung des Restrukturierungsbeauftragten besteht nicht.181) 146 Der Restrukturierungsbeauftragte muss zwingend über eine die gesamte Tätigkeit in seinem jeweiligen Aufgabenbereich mit einer hinreichenden Deckungssumme umfassende Haftpflichtversicherung verfügen. Dies gebietet bereits der Schutz der Betroffenen, deren gesetzliche Haftungsansprüche gegenüber dem Restrukturierungsbeauftragten andernfalls praktisch wertlos wären. Aus diesem Grund hat der Restrukturierungsbeauftragte den Bestand einer entsprechenden Versicherung dem Gericht nachzuweisen.182) 1.4

Verjährung

147 Der Anspruch verjährt spätestens in drei Jahren nach der Beendigung der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bzw. soweit eine solche angeordnet ist, nach Abschluss der Planüberwachung und richtet sich i. Ü. nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften (§§ 194 ff. BGB), sodass Fragen des Verjährungsbeginns, der Hemmung und Ablaufhemmung nach diesen Vorschriften zu beantworten sind. Die in § 75 Abs. 4 Satz 5 StaRUG angeordnete Jahresfrist ist jedoch eine Höchstfrist. 2.

Strafrechtliche Haftung

148 Im Zuge der Reform des Geldwäscherechts im März 2021183) wurde der Anwendungsbereich des Geldwäschetatbestandes in § 261 StGB deutlich ausgeweitet. Der Katalog tauglicher Vortaten in § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a. F. wurde abgeschafft und durch die pauschale Anknüpfung an „eine rechtswidrige Tat“ (§ 261 Abs. 1 Satz 1 StGB n. F.) wurde nunmehr ein umfassender „All-crimes-Ansatz“ umgesetzt.184) Infolgedessen ist fortan jede denkbare Straftat eine taugliche Vortat zur Verwirklichung des Geldwäschetatbestands. Diese erhebliche Ausweitung wird weiter verschärft, indem in § 261 Abs. 6 StGB n. F. normiert wird, dass sich selbst derjenige strafbar macht, der leichtfertig185) nicht erkennt, dass es sich bei dem tatrelevanten Vermögensgegenstand um ein Tatertrag oder Tatprodukt oder ein entsprechendes Surrogat handelt, welches aus irgendeiner rechtswidrigen Tat herrührt.186) § 261 Abs. 6 Satz 2 StGB nimmt hiervon lediglich die Berufsgruppe der Strafverteidiger aus, ___________ 180) Smid, ZInsO 2020, 2184, 2195; Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 944; Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 75 Rz. 17. 181) Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 75 Rz. 19. 182) Frind, ZRI 2021, 397, 403; überprüft das Gericht das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung nicht und entsteht einem Dritten infolge einer schuldhaften Pflichtverletzung des Restrukturierungsbeauftragten ein Schaden, der in Ermangelung einer Versicherungsdeckung nicht liquidierbar ist, kommt ein Amtshaftungsanspruch in Betracht, welcher wiederum an eine Verletzung der gerichtlichen Aufsichtspflicht anknüpft, vgl. auch Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 43. 183) Gesetz zur strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche v. 9.3.2021, BGBl. I 2021, 327. 184) Dazu allgemein Gazeas, NJW 2021, 1041. 185) Leichtfertig i. S. des § 261 Abs. 5 StGB a. F. handelt, wer grob fahrlässig nicht bedenkt, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, etwa aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit sich keine oder unzutreffende Gedanken über die Herkunft des Gegenstandes macht, obwohl sich die wahre Herkunft nach der Sachlage geradezu aufdrängt, vgl. BGH v. 24.1.2006 – 1 StR 357/05, NJW 2006, 1297. 186) Köllner, NZI 2021, 316, 317.

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nicht aber etwa Sanierungsberater, Insolvenz- und Sachwalter und Restrukturierungsbeauftragte. Vor dem Hintergrund der in § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 StGB genannten Tathandlungen 149 (Verbergen, Umtauschen, Übertragen, Verschaffen, Verwahren, Verwenden, Verheimlichen, Verschleiern) ist für den Restrukturierungsbeauftragten vornehmlich dann besondere Vorsicht geboten, wenn ihm gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b StaRUG die Kassenführungsbefugnis übertragen wird. Es kann nie gänzlich ausgeschlossen werden, dass das schuldnerische Vermögen durch strafbare Handlungen „vergiftet“ ist, etwa weil bestimmte Zahlungen auf betrügerischer Grundlage erhalten worden sind (z. B. bei bewusster Täuschung von Lieferanten oder Kreditgebern, Bilanzfälschung usw.).187) 3.

Steuerliche Pflichtenstellung

Dem Restrukturierungsbeauftragten kommt unabhängig von Art und Umfang der ihm zu- 150 gewiesenen Aufgaben keine unmittelbare steuerliche Pflichtenstellung zu. Selbst dann, wenn der Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StaRUG mit der Überwachung der Geschäftsführung betraut ist oder er nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StaRUG befugt ist, die Kassenführung an sich zu ziehen, folgt hieraus nicht, dass der Restrukturierungsbeauftragte gesetzlicher Vertreter oder Person i. S. von § 34 Abs. 1, Abs. 3 AO bzw. Verfügungsberechtigter i. S. von § 35 AO wird.188) Ob Restrukturierungsbeauftragte dann, wenn er von seiner Möglichkeit die Kassenführung an sich zu ziehen Gebrauch macht, Steuerentrichtungspflichtiger wird,189) da der Schuldner selbst keine Zahlungen mehr leisten darf, dürfte im Ergebnis abzulehnen sein. Die Kassenführung stellt ein reines Überwachungsinstrument dar, i. R. dessen Verfügungen über das Vermögen des Schuldners nicht aufgrund eigenen Rechts oder eigener Pflicht des Restrukturierungsbeauftragten erfolgen, sondern vielmehr auf Veranlassung des Schuldners.190) Die steuerlichen Pflichten verbleiben vollumfänglich beim Schuldner, sodass auch nur dieser für etwaig nicht abgeführte Steuern in Haftung genommen werden kann. VII. Kosten und Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten 1.

Gerichtskosten

Neben der allgemeinen Gebühr für die Inanspruchnahme des Restrukturierungsrahmens 151 wird gemäß nach GKG KV 2513 durch die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten eine weitere (Fest-)Gebühr i. H. von 500 € ausgelöst. Die Gebühr rechtfertigt sich mit dem für das Gericht im Zusammenhang mit der Bestellung und der Aufsicht über den Restrukturierungsbeauftragten entstehenden Aufwand. Die Festgebühr fällt unabhängig davon an, ob der Restrukturierungsbeauftragte auf Antrag oder von Amts wegen bestellt wird.191) Beantragt der Schuldner die Bestellung eines fakultativen Restrukturierungsbeauftragten, so soll über diesen Antrag erst dann entschieden werden, wenn der Schuldner die anfallende Verfahrensgebühr bei der zuständigen Gerichtskasse eingezahlt hat (§ 13a Abs. 2 GKG, § 81 Abs. 5 Satz 1 StaRUG).

___________ Köllner, NZI 2021, 316. Witfeld, NZI 2021, 665, 668. So Uhländer, DB 2021, 1027, 1029. Im Ergebnis auch Witfeld, NZI 2021, 665, 668, mit zutreffendem Erst-recht-Schluss aus FG Düsseldorf v. 12.3.2021 – 14 K 3658/16 H(L), ZIP 2021, 1410 – zum vorläufigen Sachwalter mit Kassenführungsbefugnis im Schutzschirmverfahren. 191) Sengl in: BeckOK-KostenR, GKG KV 2513 Rz. 2. 187) 188) 189) 190)

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152 Ebenso verhält es sich grundsätzlich mit dem Antrag auf Inanspruchnahme der Instrumente des Restrukturierungsrahmens und den hiermit verbundenen Gerichtsgebühren. Gleichwohl ist nicht zu befürchten, dass hierdurch in besonders eiligen Fällen das Verfahren als Ganzes oder aber der Erlass einer Stabilisierungsanordnung übermäßig verzögert. 153 Sämtliche in Zusammenhang mit dem StaRUG stehenden Gerichtsgebühren sind als Festgebührentatbestände ausgestaltet.192) Bereits mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens und der Stellung etwaiger Anträge können die anfallenden Gebühren leicht selbst errechnet und unverzüglich eingezahlt werden. Überdies ermöglicht § 13a GKG, wonach das Gericht über Anträge erst nach Eingang der entsprechenden Verfahrensgebühren entscheiden „soll“, diesem ein hinreichendes Ermessen dahingehend, in besonders eiligen Fällen bestimmte Anordnungen auch unverzüglich treffen zu können. 2.

Vergütungsansprüche

154 Für den durch die Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten entstehenden Aufwand, erwirbt dieser gemäß § 80 Satz 1 StaRUG einen Vergütungsanspruch. Dieser umfasst ein angemessenes Honorar sowie die Erstattung seiner Auslagen. Im Gegensatz zu einem Insolvenzverfahren, besteht bei der Inanspruchnahme der Instrumente des Restrukturierungsrahmens nicht immer die Möglichkeit der Ermittlung einer „Restrukturierungsmasse“ als Berechnungsgrundlage für etwaige Vergütungsansprüche. Zudem wird die Methodik der Ermittlung der Vergütung eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder Sachwalters mit den komplexen Zu- und Abschlagsregelungen der InsVV in der Praxis insbesondere von Gläubigervertretern häufig als intransparent und schwer nachvollziehbar bemängelt.193) Auch ist zu beobachten, dass etwa im Zusammenhang mit finanziellen Restrukturierungen in Eigenverwaltung, bei denen aufseiten von Schuldner und Gläubigern ohnehin bereits fachkundige Berater eingebunden sind, die Vergütung der Sachwalter gegenüber dem tatsächlich entstehenden Aufwand nicht selten als unverhältnismäßig hoch aufgefasst wird. 155 Wenngleich dies tatsächlich in der Mehrheit der Verfahren nicht zutreffend sein dürfte, hat der Gesetzgeber eine ausschließliche Orientierung an der InsVV abgelehnt.194) Stattdessen wurde sich für ein hybrides Modell entschieden, bei dem die Vergütung auf Stundensatzbasis den Regelfall und die Ermittlung der Vergütungshöhe anhand einer Bemessungsgrundlage die Ausnahme darstellt.195) 2.1

Aufwandsbasierte Vergütung nach Stundensätzen

2.1.1 Allgemeines 156 Im Regelfall, erfolgt die Vergütung auf Grundlage angemessener Stundensätze, welche gemeinsam mit einem Höchstbetrag für das Honorar bereits mit der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten durch das Gericht festgesetzt werden. Die Kostenlast für Schuldner und Planbetroffene soll somit auf ein dem Nutzen des Restrukturierungsbeauftragten entsprechendes Maß beschränkt werden, um das Restrukturierungsziel nicht durch die Befürchtung explodierender Honorarrechnungen zu gefährden. Insoweit wird auch gewährleistet, dass sich die Vergütung – auch in der Wahrnehmung der Beteiligten – an dem ___________ 192) Vgl. GKG KV 2510–2515. 193) Deppenkemper, ZIP 2020, 1041, 1048; zu den strukturellen Schwächen des insolvenzrechtlichen Vergütungsrechts zusammenfassend: Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rz. 24 ff. 194) Dafür noch: Deppenkemper, ZIP 2020, 1041, 1048; für einen Erfolgsbezug: Fritz/Scholtis, NZI 2020, 49, 54. 195) Nach der Gesetzesbegründung rechtfertigt sich diese Abweichung insbesondere mit dem gegenüber einem Sachwalter zum Teil deutlich abweichenden Tätigkeitsprofil des Restrukturierungsbeauftragten, Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 176.

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tatsächlichen Aufwand des Restrukturierungsbeauftragten und seiner Mitarbeiter orientiert.196) Vergleichbar mit der Vergütung für Sach- und Insolvenzverwalter, erfolgt mit der Beendigung des Amtes des Restrukturierungsbeauftragten auf dessen Antrag hin eine Festsetzung der Vergütung durch Beschluss des Restrukturierungsgerichtes (§ 82 StaRUG). Der Restrukturierungsbeauftragte kann nach Maßgabe des § 82 Abs. 4 StaRUG die Aus- 157 zahlung eines Vorschusses beantragen, wenn ihm erhebliche Auslagen entstanden sind oder voraussichtlich entstehen werden oder wenn die zu erwartende Vergütung für bereits erbrachte Arbeiten einen Betrag von 10.000 € übersteigt. Die Höhe der Stundensätze ist stets unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ein- 158 zelfalles zu Bemessen. Gemäß § 81 Abs. 3 StaRUG sind hierbei insbesondere die Unternehmensgröße, Art und Umfang der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und die Qualifikation des Restrukturierungsbeauftragten sowie der qualifizierten Mitarbeiter zu berücksichtigen. Im Regelfall sind für die persönliche Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten Stundensätze bis zu 350 € als angemessen erachtet, § 81 Abs. 3 Satz 2 StaRUG. Insoweit hat der Gesetzgeber i. R. des SanInsFoG eine Kohärenz in Bezug auf die Vergütung von Restrukturierungsbeauftragten und von Mitgliedern der Gläubigerausschüsse in Insolvenzverfahren hergestellt, sodass die für derartige Tätigkeiten gezahlten Stundensätze in höherem Maße den im Markt üblichen Stundensätzen der typischerweise diese Ämter ausübenden Personen entsprechen.197) Soweit der Restrukturierungsbeauftragte zur Ausübung seines Amtes auf die Unterstützung 159 durch qualifizierte Mitarbeiter angewiesen ist, kann für diese im Regelfall ein Stundensatz i. H. von bis zu 200 € angesetzt werden. Die geltenden Höchststundensätze können nach § 83 Abs. 1 StaRUG im Einzelfall auch 160 überschritten werden, etwa wenn die maßgeblichen Beteiligten zustimmen oder wenn ein höherer Stundensatz als Anreiz erforderlich ist, um eine Person zur Übernahme des Amtes zu finden. Angesichts des mit bis zu 350 € bereits hinreichend hoch bemessenen regulären Höchststundensatz, dürften diese Fälle in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen. Im Übrigen kann ausweislich des § 80 Satz 2 StaRUG auch eine Vereinbarung über die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten erfolgen, soweit diese den Grundsätzen der §§ 80 – 83 StaRUG nicht zuwiderläuft. 2.1.2 Vergütung eines isolierten Sachverständigen Fraglich ist, ob die Grundsätze über die Vergütung von Restrukturierungsbeauftragten 161 auch für andere Personen gelten, soweit diese i. R. einer Restrukturierungssache von dem Restrukturierungsgericht als isolierte Sachverständige mit der Prüfung oder Begutachtung von Einzelfragen beauftragt werden (zu dieser Möglichkeit siehe Rz. 56 ff.). Systematisch spricht gegen eine unmittelbare Anwendung, dass soweit die Bestellung nicht nach § 73 Abs. 3 StaRUG erfolgt, der Anwendungsbereich der §§ 402 ff. ZPO eröffnet ist. Für die Vergütung wäre demgemäß § 9 JVEG maßgeblich, sodass selbst bei einem komplexen

___________ 196) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 176; so bereits: Blersch, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 77, 79. 197) Für Mitglieder des Gläubigerausschusses gilt nach der Neufassung des § 17 Abs. 1 InsVV ein Vergütungsrahmen von 50 € bis 300 €/Stunde.

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Gutachtenauftrag über § 9 Abs. 2 Satz 1 JVEG198) lediglich Stundensätze bis höchstens 155 € statthaft wären. Beschränkt sich die Prüfung eines isolierten Sachverständigen indes auf das Vorliegen eines Insolvenzgrundes – einschließlich der drohenden Zahlungsunfähigkeit (etwa i. R. des § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) – oder die Beurteilung einer Fortbestehensprognose, gilt der im Zuge des KostRÄG 2021199) eingeführte § 9 Abs. 4 JVEG abschließend. Der Stundensatz beträgt in diesem Fall 120 €. Dass § 81 StaRUG somit prinzipiell auf einen isolierten Sachverständigen keine Anwendung findet, bietet freilich den Vorteil eines gewissen Kosteneinsparungspotenzials.200) 162 Andererseits wird derjenige Personenkreis, aus welchem ein geeigneter Sachverständiger ausgewählt werden kann, in der Regel große Überschneidungen mit dem Personenkreis der potentiellen Restrukturierungsbeauftragten (§ 74 Abs. 1 StaRUG) aufweisen. Insoweit besteht durchaus die Gefahr, dass die neu geschaffenen Vergütungsregelungen in §§ 80 – 83 ff. StaRUG, welche ja gerade höhere Stundensätze ermöglichen sollen, umgangen werden, indem die regulär nach § 73 Abs. 3 StaRUG als sachverständiger Restrukturierungsbeauftragter zu bestellende Person schlicht über die §§ 402 ff. ZPO i. V. m. § 9 Abs. 2 bzw. Abs. 4 JVEG als isolierter Sachverständiger bestellt wird. In Fällen, in denen die Tätigkeit des so bestellten isolierten Sachverständigen nicht wesentlich von der Tätigkeit eines nach § 73 Abs. 3 StaRUG bestellten sachverständigen Restrukturierungsbeauftragten abweicht, erscheint es daher geboten, die Bemessung der Stundensätze in analoger Anwendung des § 81 Abs. 3 StaRUG vorzunehmen, soweit im Einzelfall ein höherer Stundensatz als 120 € gerechtfertigt erscheint.201) Hierbei soll das Gericht jedoch im Einzelfall prüfen, ob und inwieweit die Tätigkeit des isolierten Sachverständigen eine mit dem sachverständigen Restrukturierungsbeauftragten vergleichbare Sachkunde erfordert. Soweit dieselbe Tätigkeit in bloßer Abhängigkeit davon, nach welchen Vorschriften die Beiziehung des Sachverständigen erfolgt, unterschiedlich vergütet wird, drohen willkürliche Ergebnisse, welche sich nicht allein mit der Kostenersparnis rechtfertigen lassen. 163 Ein (unbedenklicher) Kosteneffekt kann indessen dadurch erzielt werden, dass infolge der Bestellung eines isolierten Sachverständigen anstatt eines Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Abs. 3 StaRUG auch die Festgebühr nach GKG KV 2513 (500 €) entfällt. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn nicht ohnehin ein notwendiger oder fakultativer Restrukturierungsbeauftragter bestellt wird. 2.2

Andere Bemessungsgrundlagen im Einzelfall

164 Von höherer praktischer Relevanz dürfte der Fall des § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG sein. Dieser bildet i. V. m. § 83 Abs. 1 Satz 2 StaRUG in besonders umfangreichen Restrukturierungen die Grundlage, um von dem Regelfall des stundenbasierten Vergütungsmodells ___________ 198) § 9 Abs. 2 Satz 1 JVEG findet in all denjenigen Fällen Anwendung, in denen der enge Anwendungsbereich des neuen § 9 Abs. 4 JVEG nicht eröffnet ist. Letzterer erfasst nur das Honorar eines isolierten Sachverständigen, der mit der Prüfung des Vorliegens eines Insolvenzeröffnungsgrundes oder einer Fortführungsprognose betraut ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 JVEG) bzw. die Vergütung einer zusätzlichen Sachverständigentätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters/Sachwalters (§ 9 Abs. 4 Satz 2 JVEG). Hiervon abweichende Fälle, also etwa solche, in denen der isolierte Sachverständige mit der Prüfung des Schlechterstellungskriteriums (vgl. § 64 Abs. 1 StaRUG) betraut ist, sind nach dem Auffangtatbestand in § 9 Abs. 2 JVEG zu lösen, vgl. insoweit zur Vorfassung des § 9 JVEG: OLG Zweibrücken v. 11.8.2016 – 6 W 45/16, NZI 2017, 47. 199) Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz – KostRÄG 2021) v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3229. 200) Frind, ZRI 2021, 397, 400. 201) A. A. wohl Frind, ZRI 2021, 397, 406, für eine ausnahmslose Vergütung des isolierten Sachverständigen (analog) § 9 Abs. 4 Satz 1 JVEG mit 120 €/Stunde.

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Fritz

Rechtsstellung und Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

§ 11

abzuweichen und stattdessen die Bemessung auf Grundlage des Wertes der Restrukturierungsforderungen oder des Unternehmensvermögens vorzunehmen. Dieses Vergütungsmodell folgt dem Vorbild des i. R. der InsO-Verfahren Gewohnten und die Möglichkeit der Zugrundelegung dieses Modells trägt der Vielfältigkeit der denkbaren Restrukturierungsszenarien Rechnung. Die Vergütungsermittlung auf anderer Grundlage als dem Stundensatz kann zur Anwendung kommen, wenn die dem Restrukturierungsbeauftragten übertragenen Aufgaben im Wesentlichen vergleichbar mit denen eines Sachwalters i. R. der Eigenverwaltung sind. Als Beispielfälle nennt die Vorschrift des § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG den Erlass einer allgemeinen, sämtliche Gläubiger umfassenden Stabilisierungsanordnung oder den Einbezug aller bzw. im Wesentlichen aller Gläubiger in einen Restrukturierungsplan. Wie die Berechnung der Vergütung auf anderer Grundlage im Einzelnen erfolgen soll, bleibt 165 unklar.202) Jedenfalls kann nicht ohne Weiteres auf die bestehenden Regelungen der InsVV und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, da der Umstand, dass sich die Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten typischerweise nicht auf das gesamte Schuldnervermögen bezieht, einen unmodifizierten Rückgriff auf die (hypothetische) Insolvenzmasse nicht erlaubt.203) Etwa kann als Bemessungsgrundlage der Gesamtbetrag des nach dem Restrukturierungsplan zur Ausschüttung an die Gläubiger zur Verfügung stehenden Vermögens dienen oder die „freie Masse“ falls sich die Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten nur auf die Phase der Stabilisierungsanordnung erstreckt.204) Mangels entsprechender Regelungen ist unter Einbezug der Beteiligten darüber zu beraten, welche Berechnungsmodalitäten den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des für den Restrukturierungsbeauftragten entstandenen Aufwandes, des Umfangs und der Komplexität des Verfahrens sowie ggf. des Erfolgs der durchgeführten Restrukturierungsmaßnahmen angemessen Rechnung tragen. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise der Berechnung der Vergütung 166 nach § 83 Abs. 1 Satz 2 StaRUG entscheidet das Restrukturierungsgericht in entsprechender Anwendung der §§ 82 Abs. 1 StaRUG, nach Anhörung aller Beteiligten durch Beschluss.

___________ 202) Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 945. 203) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 178. 204) So bereits Fritz/Scholtis, NZI 2020, 49, 54.

Fritz

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§ 12 Gläubigerbeirat Gloeckner

I. Vorbemerkungen........................................ 1 II. Einsetzung und Zusammensetzung des Gläubigerbeirats ................................... 7 1. Einsetzung.................................................... 7 2. Zusammensetzung ..................................... 11 3. Beginn und Beendigung der Mitgliedschaft, Zahl der Beiratsmitglieder ............. 16 III. Mitbestimmungsrechte ............................ 20 1. Vorschlag eines Restrukturierungsbeauftragten................................................ 20 2. Überwachung und Unterstützung der Geschäftsführung....................................... 25

2.1 2.2 2.3

Unterstützung ............................... 26 Überwachung ................................ 27 Durchsetzung der Überwachung ......................................... 30 2.4 Beschlussfassung ........................... 31 IV. Haftung des Gläubigerbeirats ................. 33 1. Haftung der Beiratsmitglieder .................. 33 2. Haftpflichtversicherung ............................ 39 V. Vergütung.................................................. 42 VI. Ausblick ..................................................... 47

Literatur: Ahrens, Der Gläubigerbeirat gemäß § 93 StaRUG, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 57; Frind, Insolvenzordnung 2021: Überzeugendes Sanierungsrecht oder Stückwerk?, NZI 2020, 865; Salamon/Krimm, Arbeitsrechtliche Aspekte und Herausforderungen im außerinsolvenzlichen Sanierungsverfahren, NZA 2021, 235; Skauradzun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Smid, Strukturvorgaben der Restrukturierungsrichtlinie für den „Bestätigten Restrukturierungsplan“ und seine Umsetzung im deutschen Recht, ZInsO 2020, 266.

I.

Vorbemerkungen

1 Sieht der Restrukturierungsplan eine Beteiligung aller Gläubiger – ausgenommen der in § 4 StaRUG genannten vom Plan generell ausgenommenen Gläubiger – vor und weist das Verfahren gesamtverfahrensähnliche Züge auf, kann das Restrukturierungsgericht einen Gläubigerbeirat gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 StaRUG einsetzen. 2 Die Mitglieder des Beirates unterstützen und überwachen den Schuldner bei seiner Geschäftsführung, § 93 Abs. 3 StaRUG. Daneben trifft ihn als Kollektivorgan die Beschlusskompetenz zur Personalie des Restrukturierungbeauftragten nach § 93 Abs. 2 StaRUG – nur hier fasst der Beirat als Kollegialorgan einen (einstimmigen) Beschluss von unmittelbarer rechtlicher Relevanz. Seine Mitglieder haben Anspruch auf Vergütung und Auslagenerstattung nach § 93 Abs. 4 StaRUG. 3 Das StaRUG1) ist nicht per se ein Gesamtverfahren, sondern in seinem gesetzgeberischen Ansatz als teilkollektives Verfahren zur finanzwirtschaftlichen Sanierung angelegt.2) Dem Schuldner steht es deshalb nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 8 StaRUG frei, auszuwählen und zu entscheiden, welchen Gläubigern er mit dem Ansinnen angekündigter Teilnichterfüllung der von ihm geschuldeten (Geld-) Leistung entgegentreten möchte, um statt durch Erfüllung der seinerseits geschuldeten Leistung nach § 362 BGB über den Restrukturierungsplan durch alternative (Stundungs-, Erlass- oder Verzichts-) Gestaltung nach § 67 StaRUG von der Verpflichtung zur Leistung frei zu werden. 4 Der Gesetzentwurf sah folgerichtig in den ersten beiden Gesetzentwürfen keinen – dem Gläubigerausschuss im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 10.

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Gloeckner

§ 12

Gläubigerbeirat

InsO nachempfundenen – Gläubigerbeirat als Gremium vor.3) Da das StaRUG in erster Linie dazu dient, das Unternehmen außerinsolvenzlich finanzwirtschaftlich durch partiellen Vergleich zu sanieren, indem mögliche Akkordstörungen durch einen mehrheitlich von den betroffenen Gläubigern angenommenen Restrukturierungsplan ausgeschaltet werden,4) erschien dem Gesetzgeber ein solcher, in einem teilkollektiven Verfahren konsequenterweise, nicht notwendig: Nach der Ratio des Gesetzes soll ja lediglich ein Mehrheitskonsens mit einer in sich homogenen, wirtschaftlich sachgerecht abgegrenzten Gläubigergruppe erzielt werden. Wenn der Schuldner sich jedoch entschließt alle Gläubiger außerhalb der Forderungen 5 nach § 4 StaRUG in den Plan einzubeziehen – und damit allen „etwas abzufordern“ – ist dies anders zu bewerten, denn eine Auswahl der planbetroffenen Gläubiger erfolgt dann nicht, § 8 Nr. 3 StaRUG. Eine Repräsentanz der Interessenssphären dieser heterogenen Gläubigergruppen kann in 6 diesen Fällen durch einen durch das Gericht nach § 93 StaRUG eingesetzten Gläubigerbeirat erfolgen.5) Das Verfahren nimmt damit gesamtverfahrensartige Züge an, die einer Sanierung i. R. der Eigenverwaltung gleichen. Daher wurde mit dem Gläubigerbeirat ein dem Gläubigerausschuss nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO vergleichbares Instrument zur Repräsentanz der im Verfahren präsenten und zu moderierenden Interessenlagen geschaffen. II.

Einsetzung und Zusammensetzung des Gläubigerbeirats

1.

Einsetzung

Voraussetzung für die Einsetzung des Gläubigerbeirats ist eine nach § 31 Abs. 3 StaRUG 7 rechtshängige Restrukturierungssache, bei der sämtliche Gläubiger planbetroffen i. S. des § 7 Abs. 1 StaRUG sind. Das Verfahren muss gesamtverfahrensähnliche Züge annehmen, also Merkmale aufweisen, die inhaltlich einem (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren ähneln. Dies meint gegenläufige oder zumindest konkurrierende Gläubigerinteressen, die ein ähnliches Bedürfnis nach einer Koordinierung der unterschiedlichen Interessen und Betroffenheiten entstehen lässt, wie im Insolvenzverfahren.6) Diese Voraussetzungen sind kumulativ („und“).7) Die Entscheidung zur Einsetzung eines Gläubigerbeirats liegt im Ermessen des Gerichts, 8 § 93 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. Es gibt – abweichend zum Insolvenzverfahren – keinen obligatorischen Gläubigerbeirat, dessen Einsetzungskompetenz und personelle Besetzung analog § 68 Abs. 1 InsO in der Entscheidung der planbetroffenen Gläubiger läge. Das Ermessen des Gerichts zur Einsetzung eines Gläubigerbeirats ist funktional an seinen Aufgaben und den Befugnissen seiner Mitglieder i. R. der konkreten Restrukturierungssache zu orientieren. Es konzentriert sich damit auf die Prognosen, 

ob durch einen etwaig einstimmigen Beschluss des Gläubigerbeirates nach § 93 Abs. 2 StaRUG zur Person des Restrukturierungsbeauftragten die persönliche Legitimation des darin offenbar werdenden Vertrauensvorschusses zugunsten des Restrukturierungsbeauftragten erhöht wird oder

___________ 3) 4) 5) 6) 7)

Beschlussempfehlung d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25303, S. 86. Skauradzun, KTS 2021, 1, 7; zum Akkordstörer- oder auch Holdout-Problem: Smid, ZInsO 2020, 266. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 10. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 10 f. Frind, NZI 2020, 865, 867.

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§ 12 

3. Teil Verfahren

im Hinblick auf die in § 93 Abs. 3 StaRUG Unterstützungs- und Überwachungsleistungen der Mitglieder des Gläubigerbeirates die Chancen für eine erfolgreiche Durchführung des Verfahrens befördert werden.

9 Damit wird deutlich: Schon die semantische Unterscheidung in der Bezeichnung des Gläubigerbeirats im Restrukturierungsverfahren in Abgrenzung zum Gläubigerausschuss im Insolvenzverfahren zeigt, dass die Einsetzungsvoraussetzungen gerade nicht aus dem Insolvenzrecht zu übernehmen sind. Auch wenn das Verfahren gesamtverfahrensartige Züge annimmt, muss das Ziel des Gesetzes – die privatautonome und flexible Einigung des Schuldners mit seinen Gläubigern – gewahrt sein. Eine Übernahme der Kriterien zur Größenklasse des Schuldners des § 22a Abs. 1 InsO zur Einsetzung eines obligatorischen vorläufigen Gläubigerausschusses in die Ermessenserwägungen nach § 93 StaRUG zur Bestellung eines Gläubigerbeirates ist daher nicht zulässig. Da der Gläubigerbeirat andere Aufgaben erfüllt als der Gläubigerausschuss, verbietet sich auch ein reflexhaftes Etablieren des Organs „Gläubigerbeirat“ durch das Restrukturierungsgericht, wenn prognostisch Entscheidungen von besonderer Bedeutung (analog der §§ 276, 160 InsO) im Restrukturierungsverfahren zu erwarten sind (siehe für den Gläubigerausschuss Ampferl, HRI II, § 10 Rz. 12). Denn eine Zustimmung des Gläubigerbeirats ist rechtlich nicht erforderlich. 10 Maßgeblich für die Ermessenserwägungen des Gerichts ist vordringlich, wie multipolar die Gläubigerinteressen sich im konkreten Verfahren zeigen. Weiter ist relevant, ob die Restrukturierung auch zumindest mittelbare arbeitsrechtliche Implikationen wie Sozialplan, Sanierungstarifvertrag oder Betriebsänderung oder -übergang zeitigt.8) Denn obwohl Arbeitnehmer gemäß § 4 den Restrukturierungsplan nicht mitgestalten, werden sie regelmäßig von Entscheidungen i. R. der Sanierung als operativem Reflex der angestrebten finanzwirtschaftlichen Sanierung betroffen sein: Eine Sanierung wird ohne Beschneidung von Arbeitnehmerpositionen (Kurzarbeit oder Mehrarbeit, Entlassungen infolge von Betriebsänderungen) allenfalls denkbar sein, wenn monokausal die Unternehmenskrise ausschließlich in der finanzwirtschaftlichen Situation des Unternehmensträgers zu verorten ist, der operative Wertschöpfungskern mithin unverschuldet, aber prognostisch vor allem unbeeinträchtigt, in Not geraten ist. Das dürfte selten vorkommen, ist jedoch in verschiedenen Sachverhaltsgestaltungen denkbar. Es soll über die Verweisung auf § 67 Abs. 2 InsO über § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO grundsätzlich auch ein Vertreter der Arbeitnehmer dem Gläubigerbeirat angehören, obwohl deren Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan nach § 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG entzogen sind. 2.

Zusammensetzung

11 Der Gläubigerbeirat wird mit natürlichen oder juristischen Personen besetzt: § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG verweist auf § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO, welcher wiederum auf die Soll-Vorschriften des § 67 Abs. 2, Abs. 3 InsO verweist. Demnach sollen dem Gläubigerbeirat absonderungsberechtigte Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, die Kleingläubiger und ein Vertreter der Arbeitnehmer angehören. § 93 Abs. 1 Satz 3 StaRUG statuiert, dass auch nicht planbetroffene Gläubiger Teil des Gläubigerbeirats sein können, womit insbesondere die nicht planbetroffenen Arbeitnehmer nach § 4 StaRUG gemeint sind.9) Durch diese doppelte Erwähnung über die Verweisung einerseits und Absatz 1 Satz 3 wird in aller Regel jedenfalls ein Vertreter der Arbeitnehmer in den ___________ 8) Salamon/Krimm, NZA 2021, 235, 236; Ahrens, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 57, 58. 9) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 10.

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§ 12

Gläubigerbeirat

Gläubigerbeirat zu berufen sein, selbst wenn der Restrukturierungsplan zunächst auch mittelbar keine Einschnitte in Arbeitnehmerpositionen erwarten lässt. Auch (sinnvollerweise sach- oder fachkundige) Dritte können nach der Gesetzesnovelle 12 der InsO vom 1.1.202110) zu Mitgliedern des Gläubigerbeirates bestellt werden, da § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a Halbs. 2 InsO nunmehr eine Verweisung in § 67 Abs. 3 InsO enthält.11) Juristische Personen, also sowohl bürgerlich-rechtliche, als auch solche des öffentlichen 13 Rechts, können Beiratsmitglied werden.12) Mögliches Beiratsmitglied aus dem Bereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist insbesondere die Bundesagentur für Arbeit.13) Juristische Personen werden durch ihre Organe vertreten oder durch andere Vertretungsberechtigte. Regelmäßig werden i. R. der Gläubigerausschussbeschlussfassung nach § 67 InsO Spezialvollmachten zugunsten der handelnden Person erteilt. Ein solches Vorgehen bietet sich entsprechend auch für Beschlussfassungen des Gläubigerbeirats an. Der in der Regel durch eine Vollmacht ermächtigte Vertreter der juristischen Person kann wechseln, da Beiratsmitglied nicht der Vertreter wird. Mit Blick auf den jeweiligen Sachkenntnistand und eine effektive Arbeit im Beirat empfiehlt sich indes eine gewisse Kontinuität der jeweiligen sachbefassten natürlichen Personen. Freilich kann auch anstatt der juristischen Person deren amtsübernahmebereiter Mitarbeiter oder ein Organmitglied als natürliche Person zum Beiratsmitglied berufen werden. Beiratsmitglieder sollten eine dem Aufgaben- und Pflichtenkreis des Amtes entsprechende 14 Mindestqualifikation aufweisen;14)die Berufung in den Beirat durch das Restrukturierungsgericht ist im Hinblick auf die nach § 93 Abs. 3 geschuldete Unterstützung und Überwachung kein gesellschaftspolitisches Mandat und sollte auch nicht als solches missverstanden werden. Praxistipp: Die Zusammensetzung des Gläubigerbeirats als Repräsentanzorgan kann sich 15 als essenziell erweisen. Das StaRUG sieht kein dem § 22a Abs. 2, Abs. 4 InsO nachempfundenes Vorschlagsrecht vor. Es wird jedoch aus Sicht des Schuldners sinnvoll sein, dem Restrukturierungsgericht sachlich einen Vorschlag zur Einsetzung eines Gläubigerbeirates und zur etwaigen Besetzung zu unterbreiten, um eine effektive und kooperative Arbeit im Gremium zu gewährleisten. Das den Gläubigerbeirat einsetzende Restrukturierungsgericht hat erwartbar keine Kenntnis von geeigneten Mitgliedern mit Bezug zu dem konkreten Verfahren. 3.

Beginn und Beendigung der Mitgliedschaft, Zahl der Beiratsmitglieder

Die Mitgliedschaft im Gläubigerbeirat beginnt mit der Annahme des Amts durch das je- 16 weilige Mitglied, welches sich der Amtsübernahme gegenüber dem Restrukturierungsgericht erklärt. Die Mitgliedschaft endet mit der Entlassung oder der Aufhebung der Stabilisierungsanordnung und Rechtskraft der Planbestätigung. Es bedarf keines gesonderten Gerichtsbeschlusses, wenn die Stabilisierungsanordnung aufgehoben und der Restrukturierungsplan rechtskräftig wird. ___________ 10) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3281 ff. 11) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256, 3283. 12) Schmid-Burgk in: MünchKomm-InsO, § 67, Rz. 17. 13) Kübler in: KPB, InsO, § 67 Rz. 23. 14) Ahrens, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 57, 58.

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§ 12

3. Teil Verfahren

17 Im Übrigen ist eine Entlassung des Beiratsmitglieds nur aus wichtigen Grund nach § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 70 InsO durch das Restrukturierunggericht zulässig; vor seiner Entlassung aus dem Amt ist das Beiratsmitglied anzuhören. Gegen die Entlassung ist für das Beiratsmitglied die sofortige Beschwerde statthaft. 18 Die Zahl der Beiratsmitglieder ist nicht vorgegeben. Je nach Größe der Restrukturierungssache und Polarität der Interessen erscheint eine Anzahl von zwei15) bis fünf Beiratsmitgliedern realistisch.16) Eine ungerade Zahl von Mitgliedern zur Sicherstellung der Entscheidungsfindung erscheint – anders als beim Gläubigerausschuss – nicht erforderlich: Die wesentliche Entscheidung des Gläubigerbeirates durch Beschluss liegt i. R. des Vorschlags des Restrukturierungsbeauftragten nach § 92 Abs. 2 StaRUG. Dieser Beschuss muss jedoch ohnehin einstimmig sein. Im Übrigen wird sich seine Kollektivfunktion jedenfalls überwiegend in der Entgegennahme der Anzeige der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens durch den Schuldner, § 93 Abs. 3 Satz 2 StaRUG erschöpfen. Eine Beschlussfassung hierzu ist nicht vorgesehen. 19 Bei der Entscheidung zur Zahl der Mitglieder ist im Hinblick auf die hierdurch dem Schuldner erwachsenden Kosten zu berücksichtigen, dass die Mitglieder aufwandsbezogen nach § 93 Abs. 4 StaRUG i. V. m. § 17 InsVV zu vergüten sind und – jedenfalls, soweit noch ein Beschluss nach § 93 Abs. 2 StaRUG zum Restrukturierungsbeauftragten ansteht – zugunsten auch der Entscheidungsfindungsfähigkeit ein zahlenmäßig überschaubarer Gläubigerbeirat vorzugswürdig erscheint. III.

Mitbestimmungsrechte

1.

Vorschlag eines Restrukturierungsbeauftragten

20 Dem Gläubigerbeirat kommt nach § 93 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG ein Vorschlagsrecht für die Personalie des von Amts wegen zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten zu. Der Vorschlag ist für das Gericht verbindlich. Es darf von dem Vorschlag nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist. Das Abweichen des Gerichts ist zu begründen. Die Regelung ist dem Vorschlagsrecht des vorläufigen Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren (§ 56a Abs. 1 InsO) entlehnt.17) 21 Dem Beirat kommt, ebenso wie dem vorläufigen Gläubigerausschuss, keine abschließende Kompetenz zu, den Restrukturierungsbeauftragten im Beschlusswege ohne materielle Prüfungskompetenz des Restrukturierungsgerichts einzusetzen, weil es wesentliche Voraussetzung seiner Eignung ist, dass er unabhängig und unparteiisch ist.18) Ungeeignet i. S. des § 93 Abs. 2 i. V. m. § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG meint damit in erster Linie parteilich; dies gilt jedenfalls dann, wenn qua Formalqualifikation des Restrukturierungsbeauftragten als Katalogberufsträger des § 74 Abs. 1 StaRUG mit Erfahrungsnachweis in Insolvenzund Restrukturierungssachen fachlich eine fehlende Eignung zumindest nicht offensichtlich ist. 22 Anders als im vorläufigen Gläubigerausschuss zeichnet sich beim Gläubigerbeirat allerdings nicht im selben Maße ein dauerhaftes, latentes Spannungsverhältnis zwischen der Bestel___________ 15) Vgl. für den Gläubigerausschuss entsprechend: BGH v. 5.3.2009 – IX ZB 148/08, NZI 2009, 386. 16) A. A. Ahrens, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 57, 58. Dieser nennt eine Zahl von regelmäßig drei bis fünf Beiratsmitgliedern. 17) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 11. 18) Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.

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§ 12

Gläubigerbeirat

lung des Restrukturierungsbeauftragten einerseits und dessen Unabhängigkeit vom Vorschlagsorgan Gläubigerbeirat ab: Da dem Gläubigerbeirat über die einmalige einstimmige Beschlussfassung über den Vorschlag zur Person des Restrukturierungsbeauftragten hinaus keine weiteren Beschlusskompetenzen bezüglich des Restrukturierungsverfahrens zukommen, kann der Restrukturierungsbeauftragte kein besonderes, den Verfahrenszwecken sachfremd zuwiderlaufendes Interesse daran haben, sich die Gunst des Vorschlagsgremiums zu erhalten. Auch fehlt im Restrukturierungsverfahren eine etwaig in § 75 Abs. 2 StaRUG regelungs- 23 mäßig zu verortende Möglichkeit der Entlassung des Restrukturierungsbeauftragten auf Antrag des Beirats (in Entsprechung der Regelung in § 59 Abs. 1 InsO): Im Restrukturierungsverfahren kommt nur Gläubigern ein Antragsrecht auf Entlassung zu (§ 75 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Das Vorschlagsrecht zur Person des Restrukturierungsbeauftragten ist von erheblicher 24 Bedeutung für das Verfahren. Der Restrukturierungsbeauftragte ist die zentrale Figur. Er bestimmt den Verfahrensgang und den regelmäßigen Erfolg der Restrukturierung. Dem Restrukturierungsbeauftragten obliegt es, die Planausführung gemeinsam mit dem Gläubigerbeirat zu überwachen (§§ 93 Abs. 3 Satz 1, 72 Abs. 2 und Abs. 3 StaRUG). Er hat außerdem die Pflicht, dem Gericht mitzuteilen, wenn aus seiner Sicht die Restrukturierung gescheitert und ein Insolvenzantrag geboten ist (§ 76 Abs. 1 und § 33 StaRUG). Dem von Amts wegen zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten können überdies die umfangreichen Rechte und Pflichten des § 76 Abs. 2 StaRUG übertragen werden, insbesondere kann ihm der alleinige Zugriff auf die Liquidität des Schuldners übertragen werden, § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b StaRUG: Er entscheidet damit maßgeblich über den Fortbestand des schuldnerischen Unternehmens während des wirtschaftlich fragilen Planabstimmungsprozesses; das Gericht kann ihm weitere Kompetenzen zuweisen und ihn damit in seiner Funktion der eines Sachwalters in der Eigenverwaltung annähern. Damit kommt dem Beschluss des Gläubigerbeirates zur Personalie des Restrukturierungsbeauftragten mittelbar erhebliche Bedeutung für das Verfahren insgesamt zu. 2.

Überwachung und Unterstützung der Geschäftsführung

Die Mitglieder des Gläubigerbeirats unterstützen und überwachen die Planausführung ge- 25 mäß § 93 Abs. 3 Satz 1 StaRUG. In Nachformung des Gläubigerbeirats nach dem Vorbild des vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO ist diese Kompetenz § 69 Satz 1 InsO entlehnt. Die Begriffe der Überwachung und Unterstützung sind demnach grundsätzlich entsprechend auszulegen. Jedoch ergeben sich wesentliche Unterschiede zum Insolvenzverfahren: Der Schuldner im Restrukturierungsverfahren untersteht nicht in entsprechender Weise der Aufsicht durch das Restrukturierungsgericht und den Restrukturierungsbeauftragten wie der Schuldner in der Eigenverwaltung der Aufsicht des Insolvenzgerichtes und dem Insolvenzverwalter untersteht: Denn die Sanktion durch das Restrukturierungsgericht liegt nach § 33 StaRUG in der Aufhebung der Restrukturierungssache. Der Schuldner darf unter Beachtung der §§ 32, 42, 57 StaRUG grundsätzlich weiter frei über sein Vermögen verfügen, Verbindlichkeiten eingehen und Forderungen einziehen. Daher müssen die Überwachungs- und Unterstützungspflichten des Beirates auf offensichtlich erkennbare formelle und materielle Geschäftsführungsmängel im Hinblick auf den Schuldnerpflichtenkreis nach § 32 StaRUG reduziert sein.

Gloeckner

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§ 12 2.1

3. Teil Verfahren Unterstützung

26 Art und Umfang der Unterstützungspflicht orientieren sich an den Notwendigkeiten und Zielen, die sich aus dem Restrukturierungsverfahren ergeben. Es handelt sich um eine aktive Unterstützungspflicht. Die Mitglieder des Beirats können damit angehalten sein, die Liquiditätsplanung auf ihre Richtigkeit hin nachzuprüfen und Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere zu nehmen, auch wenn keine besondere Veranlassung für eine solche Prüfung besteht.19) Freilich müssen die Aufgaben der Mitglieder des Gläubigerbeirates unter dem Blickwinkel seiner Rolle als rein unterstützendes und überwachendes Organ einschränkend gegenüber denen des Gläubigerausschusses in der Eigenverwaltung betrachtet werden, weil dem Beirat keine eigene Beschlussfassungs- und Zustimmungskompetenz gleich dem § 160 Abs. 1 Satz 1 InsO zukommt. Die Bedeutung der Unterstützungspflichten entstammt damit vor allem den Pflichten der einzelnen Beiratsmitglieder, sich eine hinreichende Informationsbasis zu verschaffen. 2.2

Überwachung

27 Der Gläubigerbeirat hat den Schuldner zu überwachen. Art und Umfang der Überwachungstätigkeit richten sich ebenfalls nach den Besonderheiten des konkreten Verfahrens. Überwachung i. S. des § 69 Satz 1 InsO, der auch hier über § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO Anwendung findet, bedeutet nicht Kontrolle der Sinnhaftigkeit der gesamten Geschäftsführung, sondern vordringlich nachträgliche, begleitende und vorausschauende Überprüfung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Handelns des Schuldners und der ordnungsgemäßen Dokumentation der Geschäftsvorfälle20) i. R. der Restrukturierungssache und den hieran anknüpfenden Sonderpflichten des Schuldners nach §§ 32, 43 und 57 StaRUG in Gestalt des konkreten Sanierungsvorhabens. 28 Die Überwachung beinhaltet keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Schuldner oder dem Restrukturierungsbeauftragten. 29 Die Überwachungspflichten liegen nicht nur bei jedem einzelnen Mitglied, sondern auch beim Beirat als Kollektivorgan. Das Gesetz ist insofern missverständlich, da es davon spricht, dass die Beiratsmitglieder den Schuldner bei seiner Geschäftsführung überwachen und unterstützen. Naturgemäß liegen die Informationsrechte bei den Mitgliedern, die Möglichkeit den Schuldner zu überwachen liegt jedoch auch beim Beirat als Kollektivorgan, insbesondere, wenn er sich externer Dritter in Erfüllung seiner Überwachungspflicht bedient: Der Gläubigerbeirat wird die Liquiditätsplanung, Vermögenslage und insbesondere die Kassenführung des Schuldners in der Regel durch Beauftragung eines externen Kassenprüfers umzusetzen haben, um die Einhaltung der Sonderpflichten des Schuldners aus §§ 32, 43 StaRUG zu kontrollieren. Diesen bestellt und beauftragt der Beirat als Kollektivorgan durch Beschluss. 2.3

Durchsetzung der Überwachung

30 Da der Gläubigerbeirat gerade keine dem Gläubigerausschuss vergleichbare Zustimmungskompetenz hat, erfolgt die Umsetzung der Überwachung und Unterstützung praktisch durch Meldung beanstandungsrelevanter Sachverhalte oder Geschäfte beim Restrukturierungsgericht oder Restrukturierungsbeauftragten, um dem Restrukturierungsgericht die Einleitung von Maßnahmen (ggf. mit Sanktionscharakter) nach §§ 33, 76 Abs. 2 StaRUG zu ermöglichen. ___________ 19) OLG Koblenz v. 16.2.1956 — 5 U 600/56, KTS 1956, 159. 20) Schmid-Burgk in: MünchKomm-InsO, § 69 Rz. 18; Knof in: Uhlenbruck, InsO, § 69 Rz. 22; OLG Celle v. 30.5.2013 – 16 U 161/12, BeckRS 2015, 12221; OLG Celle v. 3.6.2010 – 16 U 135/09, NZI 2010, 609.

314

Gloeckner

§ 12

Gläubigerbeirat 2.4

Beschlussfassung

Der Beirat beschließt einstimmig über den gemeinschaftlichen Vorschlag der Personalie 31 des Restrukturierungsbeauftragten, § 93 Abs. 2 StaRUG. Andere Beschlüsse regelt das StaRUG nicht. Sollten diese aber nötig sein, z. B. Beschlüsse 32 über die Auswahl eines Kassenprüfers oder einer Haftpflichtversicherung, so gilt das einfache Mehrheitsprinzip, § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 72 InsO: Der Beirat ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt und für den Beschluss die Mehrheit der teilnehmenden Köpfe stimmt. Jedes Mitglied hat nur eine Stimme, unabhängig vom Grad der Planbetroffenheit. IV.

Haftung des Gläubigerbeirats

1.

Haftung der Beiratsmitglieder

Die Mitglieder des Gläubigerbeirates sind für schuldhafte Verletzungen ihrer Überwa- 33 chungs- und Unterstützungspflichten verantwortlich. Sie sind den Gläubigern in diesen Fällen gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG i. V. m. §§ 21a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 71 Satz 1 InsO zum Schadensersatz verpflichtet. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Handlungsmöglichkeiten des Gläubigerbeirates 34 sich wesentlich von denen des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren unterscheiden: Denn mangels Erforderlichkeit einer Zustimmung zu Rechtsgeschäften von besonderer Bedeutung – analog §§ 276, 160 InsO – wird im Falle eines (behaupteten) Schadenseintritts zunächst zu prüfen sein, wie durch rechtskonformes Alternativverhalten der Mitglieder des Gläubigerbeirates ein Schadenseintritt überhaupt hätte verhindert werden können. Die reine Meldung eines beanstandungsrelevanten Sachverhaltes ist – jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes – wohl nicht rechtlich bindend, weder für den Schuldner noch für den Restrukturierungsbeauftragten oder das Restrukturierungsgericht. Die anderen Verfahrensbeteiligten müssen also Ratschläge oder Beanstandungen des Beirates nicht beachten, sie dürfen sich darüber hinwegsetzen. Jedenfalls ist bereits jetzt klar, dass die in der Judikatur entwickelten Maßstäbe, die das Insolvenzrecht an die Haftungsbegründung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses stellt, nicht als Blaupause dienen können. Als Pflichtverletzungen kommen nach alledem insbesondere in Betracht:

35



Unterlassen der Überwachung der insbesondere formell ordnungsgemäßen Schuldnergeschäftsführung i. R. seiner Sonderpflichten nach §§ 32, 43, 57 StaRUG.



Nichtanzeige erkannter Unzulänglichkeiten der schuldnerischen Geschäftsführung an das Restrukturierungsgericht oder den Restrukturierungsbeauftragten, insbesondere bei objektiv erkennbarer Verletzung der Anzeigepflicht von Zahlungsunfähigkeit nach § 32 Abs. 3 und Aussichtslosigkeit des Vorhabens nach § 32 Abs. 4 StaRUG.



Unterlassen der Etablierung einer (einzelfallspezifisch angezeigten) kontinuierlichen Kassenprüfung beim Schuldner als Vorbedingung ordentlicher Amtsführung, um potentielle Pflichtverletzungen des Schuldners auch erkennen zu können.

Eine Haftung für mangelnde Unterstützung des Schuldners durch die Beiratsmitglieder 36 erscheint in der Praxis schwerlich denkbar, da die Geschäftsführung selbst als Kardinalpflicht beim Schuldner verbleibt. Da der Umfang der Überwachungs- und Unterstützungspflichten nicht identisch ist mit 37 denen des Gläubigerausschusses (siehe oben) und die Möglichkeiten einer durchsetzbaren Reaktion des Gläubigerbeirates begrenzt sind, wird im Schadensfall regelmäßig fraglich sein, ob eine zurechnungsfähige Pflichtverletzung für den Schadenseintritt ursächlich war. Bis zur weiteren justiziellen Konturierung der Haftungsverhältnisse ist im Hinblick auf

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315

§ 12

3. Teil Verfahren

die teils beträchtlichen Schadenspotentiale, insbesondere in Großverfahren, äußerste Vorsicht bei der Amtsführung der Beiratsmitglieder geboten. Die schwache Ausgestaltung der konkreten Einflussnahmemöglichkeiten mit der parallelen Anordnung des Haftungsregimes zum Gläubigerausschuss ist geeignet, um inadäquate Haftungsbeziehungen feststellen zu können, sofern den Besonderheiten der Amtsausgestaltung des Gläubigerbeirats nicht Rechnung getragen wird. 38 Schadensersatzansprüche unterliegen gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 StaRUG i. V. m. §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 71 Satz 2, 62 Satz 2 InsO der dreijährigen Regelverjährung. 2.

Haftpflichtversicherung

39 Eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung ist für die einzelnen Gläubigerbeiräte angezeigt, nicht für das Kollektivorgan: Die Mitglieder haften persönlich. Die Prämien für die Haftpflichtversicherung sind erstattungsfähige Auslagen i. S. des § 93 Abs. 4 Satz 1 StaRUG. Es empfiehlt sich, mit dem Haftpflichtversicherer zu vereinbaren, dass der Abschluss des Versicherungsvertrages durch die Mitglieder des Gläubigerbeirates als Vertragspartner i. S. einer „Non-Recourse-Abrede“ in Ansehung der Prämienzahlung erfolgt, um eine persönliche Inanspruchnahme für die Versicherungsprämien zu vermeiden, wenn der Schuldner diese nicht im Direktzahlungswege als Zahlung auf fremde Rechnung vorab und direkt begleicht. 40

Muster für eine entsprechende Vereinbarung mit dem Versicherer: „Im Hinblick auf die Einstandspflicht für Versicherungsprämien erfolgt der Abschluss des Versicherungsvertrages durch die Mitglieder des Gläubigerbeirates im Sinne einer ‚Non-Recourse-Abrede‘ dahingehend, dass die Mitglieder des Gläubigerbeirates für Versicherungsprämien ausschließlich mit ihrem diesbezüglichem Aufwendungsersatzanspruch und seiner Geltendmachung gegenüber dem Schuldner und Weiterleitung des hierauf Geleisteten einstehen.“

41 Der Abschluss der Versicherung sollte mit Bestellung der Mitglieder zum Beirat durch den Schuldner erfolgen, wobei die Beiratsmitglieder die Annahme des Amtes vom Abschluss der Versicherung abhängig machen können. V.

Vergütung

42 Die Mitglieder des Gläubigerbeirats haben einen Anspruch auf Vergütung und Ersatz von Auslagen und Kosten gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 17 InsVV. Bemerkenswert ist die Verweisung aus § 93 Abs. 4 Satz 1 StaRUG dahingehend, dass die Bezugnahme über § 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO die Vergütungsregelung des § 73 InsO umfasst. 43 Den Mitgliedern steht eine Vergütung auf Zeitaufwandsbasis zu, wobei der Regelstundensatz 50 € bis 300 € netto beträgt. Da § 17 Abs. 1 Satz 2 InsVV einen „regelmäßigen“ Rahmen vorgibt, sind Über- wie Unterschreitungen möglich. Die Festsetzung der Vergütung erfolgt durch das Restrukturierungsgericht. 44 An seiner Rechtsprechung, die die Möglichkeit, den Vergütungsanspruch in Form eines Pauschalbetrags von bspw. der Verwaltervergütung abzuleiten, vorsah,21) hält der BGH inzwischen nicht mehr fest;22) erwartbar wird aufgrund der identische Bemessungsgrundlage auch die Vergütung des Gläubigerbeiratsmitglieds lediglich zeitaufwandsbezogen möglich sein. ___________ 21) So der BGH noch in BGH v. 8.10.2009 – IX ZB 11/08, NZI 2009, 845, 846. 22) BGH v. 14.1.2021 – IX ZB 94/18, NZI 2021, 457, 459 = ZRI 2021, 290.

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§ 12

Gläubigerbeirat

Die Höhe der konkret für jedes Beiratsmitglied einzeln zu bestimmende Stundenvergü- 45 tung innerhalb (oder auch i. R. der Durchbrechung) des Vergütungsrahmens richtet sich nach § 17 Abs. 1 Satz 2 InsVV, wonach der Umfang der Tätigkeit und die berufliche Qualifikation des Mitglieds zu berücksichtigen sind. Die zu § 73 InsO entwickelte Kasuistik zu dem Bemessungsmerkmal des Umfangs der Tätigkeit kann hier ebenfalls als Orientierung bei der Verortung der Vergütungshöhe in dem oder außerhalb des Vergütungsrahmens dienen, wobei Maß und Ausprägung der einzelnen Faktoren am konkreten Fall in Relation zu setzen ist. Geeignete Anhaltspunkte sind demnach die Schwierigkeit des Verfahrens, besondere Haftungsrisiken, besondere tatsächliche oder rechtliche Problemgestaltungen, besonderer persönlicher Einsatz, weitere besondere Tätigkeiten.23) Das Bemessungsmerkmal der beruflichen Qualifikation dürfte sich in der konkreten Verfahrensrelevanz erschöpfen, sodass verfahrensfremde Qualifikationen nicht erhöhend zu berücksichtigen sind. Die Mitglieder des Beirates beantragen individuell die Festsetzung der Vergütung; der 46 Antrag ist entsprechend substantiiert zu begründen, insbesondere durch Erfassung des Zeitaufwandes nach Datum und Stunde, Zeitraum und konkreter Kurzdarstellung der Tätigkeit. Vergütungsfähig sind insbesondere plausibilisierbare Reisezeiten, ein konkretes Aktenstudium, die Durchführung einzelner Unterstützungs- oder Überwachungsleistungen beim Schuldner und die Vorbereitung und Teilnahme an Beiratssitzzungen. VI.

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob sich das Instrument des Gläubigerbeirats in der Praxis als zweck- 47 mäßiges Mittel zur ausgleichenden Koordination multipolarer Interessen erweist24) oder ob die Etablierung dieses Repräsentanzgremiums funktional verwendet wird, um durchsetzungsschwächeren Gläubigern Kompromisse durch eine Scheinbeteiligung im Verfahren anzutragen, die (diametral) gegen ihre wirtschaftlichen Interessen laufen.25) In der Praxis könnte sich die schablonenhafte Übertragung dieser im Kern insolvenzrechtlichen Konstruktion auch als Methode erweisen, weniger Holdout-Probleme zu lösen (also Akkordstörer auszuschalten) als das Common-Pool-Problem (also die Nutzung der dem gemeinsamen Zugriff mehrerer Entscheidungsträger ausgesetzter Ressourcen) – welches zweifelsohne auch in Restrukturierungs- und Stabilisierungsverfahren besteht, dessen Lösung jedoch nicht Ziel des Gesetzes ist – zugunsten der durchsetzungsstärksten Gläubiger zu verschieben.26) Der Gläubigerbeirat befindet sich dabei im ständigen Spannungsverhältnis, nicht nur 48 zwischen den widerstreitenden Interessen der Gläubigergruppen, sondern insbesondere auch zwischen seinen sehr überschaubaren Kompetenzen und einer latenten und zunächst unbeschränkten, aber auch unkonturierten Haftung. Es wird sich zeigen, ob es in der Praxis gelingen wird, einen Ausgleich zwischen geringem Einfluss des Beirates und seinen Haftungsrisiken zu schaffen und in hinreichender Zahl amtsübernahmebereite und kompetente Beiratsmitglieder zu finden.

___________ 23) AG Duisburg v. 13.1.2004 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1700; AG Detmold v. 6.3.2008 – 10 IN 214/07, NZI 2008, 505; AG Bremen v. 15.12.2015 – 40 IN 588/05, ZIP 2016, 633; Stephan in: MünchKommInsO, § 17 InsVV Rz. 24. 24) So etwa Ahrens, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 57, 58. 25) Für den vorläufigen Gläubigerausschuss im Insolvenzverfahren entsprechend Valender in: Uhlenbruck, InsO, § 21 Rz. 16b. 26) Ähnlich Skauradzun, KTS 2021, 1, 9.

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317

§ 13 Aufhebung der Restrukturierungssache Holzer

I. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3.

Allgemeines................................................. 1 Verfahren..................................................... 3 Amtsverfahren.............................................. 3 Bedeutung von Anträgen............................. 6 Beschluss ...................................................... 9 Voraussetzungen der Aufhebung ........... 13 Insolvenzantrag.......................................... 13 Eröffnung des Insolvenzverfahrens .......... 16 Unzuständigkeit des Restrukturierungsgerichts ............................................. 17

4. 5. 6. 7.

Schwerwiegender Pflichtenverstoß........... 18 Insolvenzreife............................................. 22 Fehlende Umsetzungsaussicht.................. 25 Schwerwiegender Verstoß gegen Pflichten aus § 32 StaRUG........................ 26 8. Frühere Restrukturierungssache............... 28 IV. Unterbleiben der Aufhebung.................. 30 V. Rechtsmittel .............................................. 31

Literatur: Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Teil 1), ZInsO 2020, 2579.

I.

Allgemeines

1 Die Inanspruchnahme der durch das StaRUG1) zur Verfügung gestellten Hilfen stellt eine Rechtswohltat dar, die der Schuldner nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn die dafür vorgesehenen Voraussetzungen bei Anzeige der Restrukturierung nach § 31 Abs. 1 StaRUG vorliegen und nicht nach Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 31 Abs. 3 StaRUG) wegfallen. Soweit diese Umstände bis zum Zeitpunkt der Anzeige eingetreten sind, hat die Aufhebung auch die Funktion einer nachgelagerten Zugangskontrolle.2) Aus Gründen der Rechtsklarheit sieht § 33 StaRUG verschiedene und abschließend geregelte Szenarien vor, die zur Aufhebung der angezeigten Restrukturierungssache führen. § 33 Abs. 1 StaRUG erlaubt die Aufhebung der Restrukturierungssache bei dem Vorliegen bestimmter formaler Kriterien (siehe dazu Rz. 13 ff.), während § 33 Abs. 2 StaRUG auch inhaltliche Mängel erfasst (siehe dazu Rz. 22 ff.). 2 Die Ausgestaltung der Voraussetzungen für eine Aufhebung der Restrukturierungssache sind allerdings nicht frei von Überschneidungen, wie sich an § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG (Aufhebung wegen schwerwiegenden Verstoßes des Schuldners gegen seine Pflichten zur Mitwirkung und Auskunftserteilung gegenüber dem Gericht oder einem Restrukturierungsbeauftragten) und § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG (schwerwiegender Verstoß des Schuldners gegen die nach § 32 StaRUG bestehenden Pflichten, d. h., Gefährdung des Restrukturierungsziels) ablesen lässt. Letztlich stellt auch die fehlende Mitwirkung bzw. Auskunftserteilung des Schuldners eine Gefährdung des Restrukturierungsziels dar und hätte durchaus unter § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG subsumiert werden können. Die fehlende systematische Ordnung der Aufhebungsgründe offenbart daher gewisse Zufälligkeiten, die bei einer Ordnung der Abs. 1 und 2 des § 33 StaRUG nach objektiven und subjektiven Kriterien vermeidbar gewesen wären. Die vorgenannten Abgrenzungsschwierigkeiten sind dadurch zu lösen, dass § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG als lex specialis zu § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG anzusehen ist.

___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138.

318

Holzer

§ 13

Aufhebung der Restrukturierungssache II.

Verfahren

1.

Amtsverfahren

Nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 StaRUG wird die Aufhebung der Restrukturierungs- 3 sache von Amts wegen betrieben. Das gilt nach der Formulierung des Gesetzes („ferner“) auch für die Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 StaRUG.3) Zwar erfolgt der Einsatz der Instrumente der Restrukturierung nur auf Antrag des Schuldners, damit dieser die zu seiner Disposition stehende Inanspruchnahme der Instrumente des StaRUG möglichst selbständig umsetzen kann.4) Die privatautonome Gestaltung des Verfahrens durch den Schuldner findet jedoch seine Grenze an einer möglichen Schädigung der Gläubiger, die bspw. bei dessen fehlender „Würdigkeit“ zur Wahrnehmung der mit dem Verfahren nach dem StaRUG verbundenen Rechtswohltaten in den Fällen des § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 StaRUG nicht gegeben ist. Gleiches gilt für alle anderen Aufhebungsgründe; es ist daher angezeigt, dass das Restrukturierungsgericht die dafür maßgeblichen Voraussetzungen von Amts wegen ermittelt.5) Wie bei der Amtsermittlung des Insolvenzverfahrens (§ 5 InsO) handelt das Restruktu- 4 rierungsgericht auch i. R. des § 33 Abs. 1 und 2 StaRUG nach pflichtgemäßem Ermessen.6) Dieses betrifft einmal das „Ob“, also die Frage, ob ein Aufhebungsverfahren überhaupt eingeleitet wird. Ferner bestimmt das Restrukturierungsgericht auch das „Wie“ der Ermittlungen, d. h. die Auswahl der für die Ermittlung herangezogenen Instrumente. Wie im Insolvenzverfahren bedient sich das Restrukturierungsgericht dabei des sog. „Freibeweises“, so dass kein förmliches Beweisverfahren erforderlich ist, sondern schriftliche oder telefonische Anfragen sowie formlose Anhörungen des Schuldners, der Gläubiger oder Dritter möglich sind. Bei komplexen Sachverhalten kann das Restrukturierungsgericht auch eine geeignete Person als Sachverständigen einsetzen oder einen Anhörungstermin festsetzen. Von der Amtsermittlung abzugrenzen ist der sog. „Beurteilungsspielraum“, d. h., die Frage, 5 wie das Restrukturierungsgericht die im Wege der Amtsermittlung gewonnenen Erkenntnisse unter die in § 33 Abs. 1 und 2 StaRUG genannten Aufhebungsgründe subsumiert. In einigen Fällen wie bei der Stellung eines Insolvenzantrags (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) oder der Unzuständigkeit des Restrukturierungsgerichts (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) wird dies verhältnismäßig einfach sein (siehe dazu unten Rz. 13 ff., 16). Schwierigkeiten können sich jedoch ergeben, wenn die Aufhebung mit einer wertenden Betrachtung verbunden ist, wie es bei den an das Verhalten des Schuldners anknüpfenden Aufhebungsgründen der § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 StaRUG der Fall ist (siehe dazu Rz. 18 ff.). 2.

Bedeutung von Anträgen

Die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (§ 31 Abs. 3 StaRUG) beeinträchtigt die 6 Rechte oder Interessen Dritter nicht. Das Gesetz sieht deshalb ein Antragsrecht Dritter zur Aufhebung der Restrukturierungssache nicht vor; sie können daher allenfalls die Aufhebung der Stabilisierungsanordnung nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG beantragen. Auch dem Schuldner steht kein Antragsrecht zur Aufhebung der Restrukturierungssache zu: Weil er diese nach § 31 Abs. 1 StaRUG angezeigt hat, hat er sein Einverständnis zum Eintritt der nach § 31 Abs. 3 StaRUG eintretenden verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Folgen erklärt. Für die Stellung eines Antrags auf Aufhebung der Restrukturierungssache ___________ 3) 4) 5) 6)

Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 14. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2585. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138. Vallender, ZInsO 2020, 2579, 2585.

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319

§ 13

3. Teil Verfahren

fehlt ihm daher das Rechtsschutzbedürfnis, so dass das Gesetz sein Antragsrecht nicht vorsieht. 7 Dem Schuldner bleibt es jedoch unbenommen, die Anzeige zurückzunehmen. Diese verliert dann gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 1 StaRUG ihre Wirkung, was durch Beschluss des Restrukturierungsgerichts festzustellen ist. Die Wirkungen der Rücknahme sind mit denen einer Aufhebung identisch, so dass der Schuldner diesen Weg wählen kann, wenn er die Beendigung des Verfahrens – bspw. wegen einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern – wünscht. 8 Die am Restrukturierungsverfahren beteiligten Gläubiger können zwar wie erwähnt (siehe oben Rz. 6) die Aufhebung der Restrukturierungssache nicht beantragen. Ihnen bleibt es jedoch unbenommen, die amtswegige Tätigkeit durch eine Anregung auszulösen, in der Umstände dargelegt werden, die zu einer Aufhebung nach § 33 Abs. 1 und/oder Absatz 2 StaRUG führen können. Dieser Hinweis soll selbstverständlich nicht zu einem Denunziantentum führen; jedoch kann es aus Gründen des Gläubigerschutzes manchmal angezeigt sein, dem Restrukturierungsgericht Umstände mitzuteilen, die zu einer Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens führen können. Dies gilt insbesondere für solche Umstände, die mit dem Verhalten des Schuldners in Zusammenhang stehen wie die nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 StaRUG. Bezeichnen Schuldner oder auch Dritte diesbezügliche Mitteilungen an das Restrukturierungsgericht als „Antrag“, so sind diese als Anregungen zur Aufnahme amtswegiger Ermittlungen auszulegen. 3.

Beschluss

9 Kommt das Restrukturierungsgericht als Ergebnis seiner nach pflichtgemäßem Ermessen durchgeführten Prüfung (siehe oben Rz. 3) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Restrukturierungssache vorliegen, wird dies durch Beschluss ausgesprochen.7) Die förmliche Aufhebung der Restrukturierungssache dient der Rechtsklarheit und ermöglicht es sowohl dem Schuldner als auch den anderen Beteiligten, andere Möglichkeiten wie den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu nutzen. Der Beschluss ist mit Gründen zu versehen, die zumindest so ausführlich sein müssen, dass dem Beschwerdegericht eine Überprüfung der Angelegenheit möglich ist. Bloße „Formblattbeschlüsse“ genügen diesen Anforderungen wie im Insolvenzverfahren nicht.8) 10 Der Beschluss ist dem Schuldner zuzustellen, da diesem nach § 33 Abs. 4 StaRUG gegen die Aufhebung die sofortige Beschwerde zusteht. Da das Verfahren nach dem StaRUG anders als das Insolvenzverfahren nicht unter Beteiligung der Gesamtheit der Gläubiger geführt werden soll, ist die Aufhebung des Verfahrens keinesfalls öffentlich bekannt zu machen. 11 Die am Restrukturierungsverfahren beteiligten Gläubiger können wie ausgeführt (siehe oben Rz. 6) die Aufhebung nicht beantragen, sondern lediglich anregen. Ihnen ist der Beschluss formlos mitzuteilen, aber nicht zuzustellen, da nach § 40 Abs. 1 Satz 1 StaRUG – wie nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO – Rechtsmittel nur in den im Gesetz ausdrücklich erwähnten Fällen statthaft sind. Da nach § 33 Abs. 4 StaRUG nur eine sofortige Beschwerde des Schuldners statthaft ist, steht allen anderen Beteiligten gegen die Aufhebung des Verfahrens ein Rechtsmittel nicht zu. 12 Kommt das Restrukturierungsgericht einer Anregung des Schuldners auf Aufhebung des Verfahrens nicht nach, ist kein Beschluss erforderlich, weil sich der Schuldner mit seiner ___________ 7) Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138. 8) Zu diesem Holzer in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 58 Rz. 3.

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§ 13

Aufhebung der Restrukturierungssache

Anzeige für die Inanspruchnahme der Rechtsfolgen des StaRUG entschieden hat und ihm deshalb zur Durchsetzung einer Aufhebung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. § 33 Abs. 4 StaRUG sieht deshalb nur gegen die Aufhebung des Verfahrens, nicht aber gegen die Ablehnung seiner Aufhebung, die sofortige Beschwerde vor. Andere Beteiligte können die Aufhebung zwar ebenfalls anregen; auch ihnen ist eine Ablehnung mangels Beschwerdemöglichkeit lediglich durch formloses Schreiben ohne Zustellung mitzuteilen. III.

Voraussetzungen der Aufhebung

1.

Insolvenzantrag

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 1 StaRUG hebt das Restrukturierungsgericht die Restruktu- 13 rierungssache auf, wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag (§ 13 InsO) stellt. Der Grund hierfür ist einleuchtend: Die durch das StaRUG zur Verfügung gestellten Instrumente der Restrukturierung sind nur in einem Stadium weit vor der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bzw. der Überschuldung (§ 19 InsO) sinnvoll. Stellt der Schuldner einen Insolvenzantrag, gibt er zu erkennen, dass er die Restrukturierung für gescheitert ansieht und es stattdessen bevorzugt, die über die Möglichkeiten des StaRUG hinausgehenden Instrumente des Insolvenzverfahrens in Anspruch zu nehmen.9) Die weiteren Argumente des Gesetzgebers zur Aufhebung des Restrukturierungsverfah- 14 rens bei Antrag des Schuldners auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind allerdings nicht stimmig: Nach der Gesetzesbegründung erfolgt eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens „über das Vermögen des Schuldners […] nur, wenn beim Schuldner eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt.“ Der Gesetzgeber ist also der Meinung, dass nur „in einer solchen Konstellation […] die Restrukturierungssache […] aufzuheben“ ist und übersieht, dass der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch und gerade bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 1 InsO) beantragen kann, die ihrerseits nach § 29 Abs. 1 StaRUG durch das Restrukturierungsverfahren beseitigt werden soll. Man könnte nun annehmen, dass eine Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens ausschließlich aufgrund eines auf Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestützten Insolvenzantrags des Schuldners erfolgen dürfe, nicht aber aufgrund eines solchen, der sich auf drohende Zahlungsunfähigkeit gründet. Wie der oben (siehe unter Rz. 13) angeführte Zweck des Gesetzes zeigt, kann das nicht richtig sein: Auch der Schuldner, der seinen Insolvenzantrag mit drohender Zahlungsunfähigkeit begründet, gibt zu erkennen, dass er für eine Sanierung statt der Instrumente des StaRUG die der InsO nutzen möchte oder den Wunsch nach einer Restrukturierung nach dem StaRUG vollständig aufgegeben hat. Richtigerweise kommt es daher auf den im Eigenantrag des Schuldners genannten Insolvenzgrund nicht an. Nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StaRUG reicht ein von Gläubigern 15 gestellter Insolvenzantrag für eine Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens nicht aus. Das ist sinnvoll, weil einzelne Gläubiger andernfalls das Restrukturierungsverfahren durch Stellung von Insolvenzanträgen torpedieren und damit sowohl die Restrukturierung verhindern und andere Beteiligte schädigen könnten. Dies gilt insbesondere für die kritische Phase der Erörterung des Plans und die Abstimmung über ihn (§§ 21, 23 StaRUG). 2.

Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Es ist klar, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuld- 16 ners alle Möglichkeiten einer Restrukturierung nach dem StaRUG gescheitert sind. Da das Restrukturierungsverfahren ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr für ___________ 9) Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138.

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§ 13

3. Teil Verfahren

eine Restrukturierung genutzt werden kann, muss dieses aus Gründen der Rechtsklarheit beendet werden. Die Gläubiger könnten andernfalls nur mit Schwierigkeiten erkennen, in welchem Verfahren sie ihre Forderungen geltend machen können. § 33 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StaRUG sieht deshalb auch in diesem Fall die Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens vor. 3.

Unzuständigkeit des Restrukturierungsgerichts

17 Nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG wird die Restrukturierungssache ferner dann aufgehoben, wenn das Restrukturierungsgericht für die Restrukturierungssache unzuständig ist und der Schuldner innerhalb einer ihm gesetzten Frist entweder keinen Verweisungsantrag gestellt oder die Anzeige zurückgenommen hat. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht, ob eine Aufhebung der Restrukturierungssache bei dem Fehlen der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit oder dem Fehlen beider Zuständigkeiten möglich ist. Die Gesetzesbegründung sieht hingegen nur das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit als Verweisungsgrund.10) Dies ist zutreffend, weil die Anzeige bereits bei einem Restrukturierungsgericht in Bearbeitung ist und nur in diesem Fall eine Verweisung an ein anderes Restrukturierungsgericht erfolgen kann.11) Ist die Restrukturierungssache hingegen bei einem anderen Gerichtszweig wie dem Zivilgericht eingegangen, so erfolgt gemäß § 17a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG nach Anhörung des Schuldners eine Verweisung von Amts wegen an das sachlich zuständige Restrukturierungsgericht. Es wäre wünschenswert, wenn dieses künftig in § 17a Abs. 6 GVG aufgeführt würde. 4.

Schwerwiegender Pflichtenverstoß

18 Nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG ist eine Aufhebung der Restrukturierungssache auch dann möglich, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten gegenüber dem Gericht oder einem Restrukturierungsbeauftragten verstoßen hat. Die das Verhalten i. S. einer „Unwürdigkeit“ sanktionierende Bestimmung (siehe dazu oben Rz. 2) ist im Zusammenhang mit den Pflichten des Schuldners zur Mitwirkung und Auskunftserteilung (§ 39 Abs. 2 StaRUG) zu sehen. 19 Der Gesetzgeber betont, dass der vorgenannte Pflichtenverstoß „schwerwiegend“ sein muss, ohne den Begriff zu definieren.12) Er ist deshalb aus dem Zweck des Gesetzes zu entnehmen. Dieses geht davon aus, dass dem Schuldner die Instrumente des Restrukturierungsrahmens nur dann zur Verfügung gestellt werden, wenn er das Vorhaben der Restrukturierung mit der gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit betreibt und dabei die Interessen der Gläubiger wahrt. Das ist nicht mehr der Fall, wenn der Schuldner das Restrukturierungsvorhaben verschleppt oder verzögert und dadurch die Gläubiger gefährdet oder benachteiligt. Der Schuldner zeigt damit, dass er nicht gewollt ist, die Interessen der Gläubiger zu wahren und das Restrukturierungsvorhaben ernsthaft zu betreiben.13) 20 Obwohl es sich bei § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG um einen auf Vorwerfbarkeit eines bestimmten Verhaltens basierenden Aufhebungstatbestand handelt, ist der Verstoß des Schuldners nicht an einem etwa vorhandenen Grad seines Verschuldens zu messen. Dieses ist vielmehr vollkommen irrelevant; bei § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG geht es ausschließlich um die Qualität des Pflichtenverstoßes und die damit verbundene Gefahr der Benachteiligung der Gläubiger im Hinblick auf deren Rechts- und Vermögenspositionen. Da es ___________ 10) 11) 12) 13)

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Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138. Ebenso Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 7. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 138. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 9 f.

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§ 13

Aufhebung der Restrukturierungssache

nur auf die Schwere des Pflichtenverstoßes ankommt, kann ein fahrlässiges Verhalten des Schuldners bei entsprechender Gefährdung der Gläubiger in gleicher Weise zur Aufhebung der Restrukturierungssache führen wie dessen Vorsatz.14) Wie auch in anderen Amtsverfahren ist das Restrukturierungsgericht nicht gehalten, den 21 Schuldner ständig daraufhin zu überwachen, ob er seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht aus § 39 Abs. 2 StaRUG nachkommt. Falls dem Restrukturierungsgericht jedoch Umstände bekannt werden, die einen hinreichenden Verdacht schwerwiegender Pflichtverstöße des Schuldners begründen, von Amts wegen Ermittlungen einzuleiten. 5.

Insolvenzreife

Bei dem Aufhebungsgrund des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG geht es im Kern darum, 22 dass Insolvenzreife in Gestalt von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) eingetreten ist und entweder eine Anzeige des Schuldners gemäß § 39 Abs. 2 StaRUG vorliegt oder dies aus anderen Umständen – bspw. durch die Information eines Gläubigers – bekannt geworden ist. Der Aufhebungsgrund entspricht dem Zweck des StaRUG, das die Instrumente des Restrukturierungsrahmens nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung stellen will. Sowohl Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung markieren nach der Begründung des Gesetzgebers „vertiefte Stadien der Insolvenz“, die im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger eine Bewältigung der Krise i. R. eines umfassenden Gesamtverfahrens – nämlich dem Verfahren nach der InsO – erfordern. Nach zutreffender Einschätzung des Gesetzgebers sind in diesem Stadium die Verfahrenshilfen nach dem StaRUG nicht mehr zur Bewältigung der Krise des Schuldners geeignet.15) Ausnahmen von einer Aufhebung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG sind trotz einge- 23 tretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nur dann denkbar, wenn die Restrukturierungssache kurz vor ihrem Abschluss steht und man erwarten kann, dass dadurch die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung beseitigt werden. Dies kann dann der Fall sein, wenn hinreichende Aussichten auf Annahme und Bestätigung eines vorgelegten, zumindest aber bereits vorhandenen und hinreichend konkreten Restrukturierungsplans bestehen, in der die Ursache der Insolvenz beseitigt wird.16) Das Gesetz sieht eine solche Situation dann als gegeben, wenn die die Insolvenz auf der Fälligkeit einer Forderung beruht, die nach dem Restrukturierungsplan bedient werden soll. In diesem Ausnamefall wird davon ausgegangen, dass der Übergang in ein Insolvenzverfahren mit Nachteilen und zusätzlichen Kosten für die Gläubiger verbunden ist und daher nicht in ihrem Interesse liegt. Das Restrukturierungsgericht hat in diesem Fall ein Ermessen dahingehend, ob es von der 24 Aufhebung des Verfahrens absieht oder nicht. Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn der Schuldner das Vorliegen der Insolvenzgründe nach § 39 Abs. 2 StaRUG angezeigt hat. Ist dies nicht der Fall und resultiert die Erkenntnis des Restrukturierungsgerichts aus anderen Quellen, soll bereits der Aufhebungsgrund nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gegeben sein.17) Dies erscheint zweifelhaft, da beide Aufhebungsgründe kumulativ vorliegen können: Wenn der Schuldner die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung nach § 39 Abs. 2 StaRUG nicht angezeigt hat, besteht kein Grund, die Aufhebung nicht auch auf § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG zu stützen.

___________ 14) 15) 16) 17)

Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 10 f. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 17. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 139.

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323

§ 13 6.

3. Teil Verfahren Fehlende Umsetzungsaussicht

25 Die Restrukturierungssache ist nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StaRUG auch dann aufzuheben, wenn sich aus einer Anzeige des Schuldners nach § 32 Abs. 4 StaRUG oder aus sonstigen Umständen ergibt, dass das angezeigte Restrukturierungsvorhaben keine Aussicht auf Umsetzung hat. Das kann bspw. der Fall sein, wenn die Gläubiger dem vorgelegten Restrukturierungsplan die Zustimmung verweigern. Denkbar ist aber auch, dass die Ablehnung des Restrukturierungsplans unter den Planbetroffenen so verbreitet ist, dass nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass die erforderlichen Mehrheiten zustande kommen.18) Für das Restrukturierungsgericht ist hier allerdings Vorsicht geboten: Die Ablehnung des Restrukturierungsplans muss ernsthaft und endgültig sein; das ist dann der Fall, wenn weitere Verhandlungen ausgeschlossen erscheinen.19) 7.

Schwerwiegender Verstoß gegen Pflichten aus § 32 StaRUG

26 Auch der Aufhebungsgrund des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StaRUG sanktioniert subjektives Fehlverhalten des Schuldners, diesmal im Hinblick auf die Pflichten des § 32 StaRUG. Der Schuldner hat danach die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers zu betreiben und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren (§ 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Er hat demgemäß nach § 32 Abs 1 Satz 2 und 3 StaRUG Maßnahmen zu unterlassen, die mit dem Restrukturierungsziel nicht vereinbar sind oder die Erfolgsaussichten der in Aussicht genommenen Restrukturierung gefährden (z. B. Begleichung oder Besicherung von Forderungen). Der Schuldner ist ferner verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StaRUG alle wesentlichen Änderungen mitzuteilen, die den Gegenstand des Restrukturierungsvorhabens und die Darstellung des Verhandlungsstands betreffen. Gleiches gilt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung (§ 32 Abs. 3 StaRUG) sowie die fehlende Umsetzbarkeit des Restrukturierungsvorhabens (§ 32 Abs. 4 StaRUG). Der Gesetzgeber möchte damit den Zweck des StaRUG unterstreichen, nach dem nur ein nur ein planmäßiges, nachvollziehbares und transparentes Vorhaben die Rechtswohltaten einer Restrukturierung erfahren soll.20) 27 Wie bei § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG muss es sich um „schwerwiegende“ Verstöße handeln, wobei es bei § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StaRUG ebenso wenig auf ein Verschulden ankommt wie bei der zuerst genannten Vorschrift. Maßgeblich ist vielmehr auch hier alleine die Schwere des Verstoßes (siehe dazu oben Rz. 19). 8.

Frühere Restrukturierungssache

28 Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4a StaRUG führt auch die Stabilisierungsanordnung oder Planbestätigung in einer früheren Restrukturierungssache zur Aufhebung. Gleiches gilt nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4b StaRUG, wenn die frühere Restrukturierungssache bereits nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 3 StaRUG aufgehoben wurde. Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass die Instrumente des Restrukturierungsrahmens beliebig, ohne Ziel und unter Umgehung der Höchstdauer für Stabilisierungsanordnungen zum Schaden der Gläubiger in Anspruch genommen werden. Zum anderen soll die Beendigung der Restrukturierungssache infolge einer „schwerwiegenden“ Verletzung der Pflichten des Schuldners nicht durch Einreichung einer neuen Anzeige ausgehebelt werden können.21) ___________ 18) 19) 20) 21)

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Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 19. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140.

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§ 13

Aufhebung der Restrukturierungssache

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Anlass für die frühere Restrukturierungssache infolge einer nachhaltigen Sanierung i. R. einer Restrukturierung nach dem StaRUG oder i. R. der Eigenverwaltung bewältigt wurde (§ 33 Abs. 2 Satz 2, 3 StaRUG). Das Gesetz lässt offen, was unter „nachhaltig“ zu verstehen ist; jedoch wird man annehmen können, dass dies trotz gewisser Unterschiede im Wortlaut („Bewältigung“ und „Beseitigung“) i. S. des § 29 Abs. 1 StaRUG zu finden ist.22) Falls seit dem Ende des Anordnungszeitraums oder der Entscheidung über den Antrag auf 29 Planbestätigung in der früheren Restrukturierungssache weniger als drei Jahre vergangen, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine nachhaltige Sanierung nicht erfolgt ist (§ 33 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Die subjektiv geprägten Unwürdigkeitsgrunde der vorgenannten Vorschriften wirken damit auch in die Zukunft, jedoch zeitlich begrenzt. IV.

Unterbleiben der Aufhebung

Nach § 33 Abs. 3 StaRUG wird die Restrukturierungssache nicht aufgehoben, solange das 30 Restrukturierungsgericht eine Stabilisierungsanordnung (§ 59 Abs. 3 StaRUG) nicht aufgehoben hat. Die Regelung dient indes nicht der weiteren Durchführung des Restrukturierungsverfahrens, dessen Voraussetzungen bei den meisten Aufhebungsgründen nicht mehr vorliegen. Die Aufhebung der Restrukturierungssache soll vielmehr deshalb hinausgezögert werden, um deren Rechtshängigkeit (§ 31 Abs. 3 StaRUG) so lange zu erhalten, bis ein „geordneter“ Übergang in das Insolvenzverfahren möglich ist.23) Die Regelung dient damit nicht dem Schutz des Schuldners, sondern der Gesamtheit der Restrukturierungs- und späteren Insolvenzgläubiger.24) V.

Rechtsmittel

Die Aufhebung der Restrukturierungssache „sperrt“ für den Schuldner den weiteren Zu- 31 gang zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, weil eine neu eingeleitete Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Nr. 4a StaRUG aufzuheben wäre (zu Ausnahmen siehe oben Rz. 30).25) Wegen der damit verbundenen gravierenden Konsequenzen für den Schuldner muss nach Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg eröffnet sein. Dies ordnet § 33 Abs. 4 StaRUG an, nach dem alle in § 33 Abs. 1 und 2 StaRUG genannten Aufhebungsgründe gerügt werden können. Der Schuldner kann auch oder nur die verfrühte Aufhebung der Restrukturierungssache entgegen § 33 Abs. 3 StaRUG rügen, obwohl die Vorschrift nicht seinem Schutz, sondern dem der Gläubiger dient. Die Eröffnung des Beschwerdewegs für den Schuldner erscheint unnötig, da für ihn der Zeitpunkt der Aufhebung keinen Rechtsnachteil bringt. § 33 Abs. 4 StaRUG sieht für die Gläubiger kein Beschwerderecht vor, weil ihnen die 32 Anzeige der Restrukturierungssache verwehrt ist. Missachtet das Gericht jedoch die Vorschrift des § 33 Abs. 3 StaRUG und hebt die Restrukturierungssache zu früh auf, können den Gläubigern Nachteile entstehen. Entgegen dem Wortlaut des § 33 Abs. 4 StaRUG ist deshalb den Gläubigern ein Beschwerderecht einzuräumen, das i. Ü. auch direkt aus Art. 19 Abs. 4 GG entnommen werden kann. Der Gesetzgeber sollte die offensichtlich zu eng gefasste Vorschrift erweitern; bis dahin wird § 33 Abs. 4 StaRUG im Hinblick auf ein Beschwerderecht der Gläubiger interpretiert werden müssen. ___________ 22) 23) 24) 25)

Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 23. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 33 Rz. 26. Begr. RegE SanInsFoG z. § 35 Abs. 4 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 141.

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325

§ 14 Grenzüberschreitende Restrukturierung Skauradszun

I. 1. 2.

Überblick ..................................................... 1 Problemaufriss mit einem Beispielsfall....... 1 Praktische Herangehensweise bei internationalen Restrukturierungen ................... 2 II. Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie ...................................................... 3 1. Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie........................................................ 3 2. Lückenhafte Regelungen des deutschen Umsetzungsgesetzes bezüglich internationaler Restrukturierungen .................... 5 III. Öffentliche Restrukturierungssachen i. S. der §§ 84 ff. StaRUG ........................... 9 1. Aufnahme der deutschen öffentlichen Restrukturierungssachen in Anhang A der EuInsVO.............................................. 10 2. Antrag des Schuldners und erste Entscheidung des Restrukturierungsgerichts ....................................................... 13 2.1 Geltung der Dispositionsmaxime .......................................... 13 2.2 Antrag oder Antragsrücknahme nach § 84 Abs. 1 StaRUG bedarf keiner gesellschaftsrechtlichen Legitimation .................................. 16 2.3 Antragsangaben und Beispiel eines Antrags ................................. 18 2.4 Entscheidung des Gerichts über den schuldnerischen Antrag ......... 21 2.4.1 Erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ................... 21 2.4.2 Prüfung der internationalen Zuständigkeit................................. 30 2.4.3 Bekannt zu machende Angaben nach § 84 Abs. 2 Satz 2 StaRUG .. 38 2.5 Rechtsmittel nach § 84 Abs. 2 Satz 3 StaRUG i. V. m. Art. 102c § 4 EGInsO ................................... 40 3. Anwendung der EuInsVO auf deutsche öffentliche Restrukturierungssachen........ 49 3.1 Anwendungsbereich der EuInsVO ................................. 49 3.2 Bestimmung des anwendbaren Rechts............................................. 53 3.2.1 Grundsatz nach Art. 7 Abs. 1 EuInsVO........................................ 54 3.2.2 Anwendung des Katalogs aus Art. 7 Abs. 2 EuInsVO auf Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen .......................... 55

326

3.2.3

Keine Gestaltung dinglicher Rechte an im Ausland belegenen Gegenständen ................................ 58 3.3 Anerkennung der Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten..... 63 3.4 Vollstreckung der Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten..... 67 3.5 Restrukturierungsbeauftragter als Verwalter i. S. des Art. 2 Nr. 5 EuInsVO.............................. 71 3.6 Öffentliche Restrukturierungssachen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe ................... 74 3.7 Sekundärrestrukturierungsrahmen nach Art. 3 Abs. 2 EuInsVO........................................ 79 3.7.1 Voraussetzungen und Folgen eines Sekundärrestrukturierungsrahmens.......................................... 81 3.7.2 Keine erneute Prüfung der Zugangsvoraussetzung....................... 86 3.7.3 Zusammenarbeit und Kommunikation nach Art. 41 ff. EuInsVO........................................ 88 IV. Vertrauliche Restrukturierungsverfahren ohne öffentliche Bekanntmachungen.................................. 90 1. Anwendung der Brüssel Ia-VO ................ 91 1.1 Zivil- und Handelssache ............... 91 1.2 Insolvenzausnahme nach Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO ........... 93 2. Internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO ........................... 105 2.1 Allgemeiner Gerichtsstand nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO ....... 105 2.2 Besonderer Gerichtsstand nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO ......... 107 2.3 Ausschließliche Gerichtsstände nach Art. 24 und 25 Brüssel Ia-VO........................................... 110 2.3.1 Dingliche Rechte, Miete und Pacht nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO.............................. 110 2.3.2 Restrukturierungsverfahren als gesellschaftsrechtliche Verfahren nach Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO? ............................ 113 2.3.3 Keine Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 Brüssel Ia-VO........................................... 115

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§ 14

Grenzüberschreitende Restrukturierung 3.

Bestimmung des anwendbaren Rechts.... 117 3.1 Kollisionsrecht für die einzelnen Plangestaltungen.......................... 118 3.1.1 Restrukturierungsforderungen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG........................................ 119 3.1.2 Absonderungsanwartschaften i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG........................................ 122 3.1.3 Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen nach §§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 4 StaRUG ............................ 125

3.2

Analoge Anwendung des lex-fori-concursusGrundsatzes nach Art. 7 Abs. 1 EuInsVO? ........................ 127 3.3 Analoge Anwendung der §§ 335 ff. InsO? .................... 128 4. Anerkennung der Entscheidungen ......... 131 5. Vollstreckung der Entscheidungen ......... 132 V. Grenzüberschreitende Restrukturierung mit Drittstaaten..................... 133

Literatur: Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Brinkmann, Grenzüberschreitende Sanierung und europäisches Insolvenzrecht, KTS 2014, 381; de Bruyn/Ehmke, StaRUG & InsO: Sanierungswerkzeuge des Restrukturierungs- und Insolvenzverfahrens, NZG 2021, 661; Dahl/ Linnenbrink, Die Umsetzung der EU-Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 45; Eidenmüller, What is an Insolvency Proceeding?, (2018) 92 Am Bankr LJ, 53; Eidenmüller/Frobenius, Die internationale Reichweite eines englischen Scheme of Arrangement, WM 2011, 1210; Freitag, Grundfragen der Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen und ihrer Umsetzung in das deutsche Recht, ZIP 2019, 541; Fischer, Rechtliche Anerkennung eines Scheme of Arrangement, das eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland betrifft, in: Festschrift für Heinz Vallender, 2015, S. 137; Frind, Nutzen und Grenzen der Stabilisierungsanordnung im StaRUG-Verfahren aus gerichtlicher Sicht, ZRI 2021, 697; Fritz, Die Neufassung der Europäischen Insolvenzordnung: Erleichterung bei der Restrukturierung in grenzüberschreitenden Fällen? (Teil 1), DB 2015, 1882; Fritz/Scholtis, Anregungen für eine mutige und praxistaugliche Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie, BB 2019, 2051; Harig/Stamme, Ersetzung des Aufsichtsrats durch Insolvenz- oder Restrukturierungsplan, ZRI 2022, 814; Hartley, Civil Jurisdiction and Judgments in Europe, 2017; Hoegen/Kranz, Neue Möglichkeiten der Konzernsanierung durch SanInsFoG und StaRUG, NZI 2021, 105; Hoos/Schwartz/Schlander, Handlungsoptionen für Unternehmen – Internationale Zuständigkeit und Anerkennung von präventiven Restrukturierungsverfahren, ZIP 2021, 2214; Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, 1986; Kahlert/Schumann, Einbeziehung von in- und ausländischen Steuerforderungen in einen Restrukturierungsplan oder Sanierungsvergleich, DStR 2021, 2741; Keller, Ch., Rechtsverkehr in Insolvenzsachen mit Großbritannien, ZInsO 2022, 733; Keller, Ch., Die Folgen des Statutenwechsels infolge der Verlegung des COMI, NZI 2021, 110; Kern, Die Eintrittsvoraussetzungen in das Verfahren, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 18; Kluge/Wilke, Das StaRUG und seine österreichische Nachbarin ReO im Vergleich, NZI 2022, 10; Kümpel, Schutz vor nicht marktkonformen Gestaltungen im (gerichtsfreien) Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, KTS 2022, 341; Kuntz, Geschäftsleiterhaftung bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach StaRUG, ZIP 2021, 597; Lynch Fannon/Gant, Judicial Co-operation in economic recovery (JCOERE), eurofenix Winter 2018/ 2019, S. 28; Madaus, Vertrauliche Restrukturierungspläne für ausländische Schuldner, ZIP 2022, 1233; Madaus, Die Vorgaben der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen an den deutschen Gesetzgeber – Handlungsspielräum und -grenzen, DB 2019, 592; Madaus, Restrukturierung als Aufgabe des Zivilrechts, Working Paper 2019-08, abrufbar unter https://stephanmadaus.de/wp-content/ uploads/2019/08/Madaus-Zivilrechtliche-Umsetzung-der-Restrukturierungsrichtlinie-eine-Diskussionsgrundlage-WP-2019-08.pdf (Abrufdatum: 14.2.2023); Madaus, Leaving the Shadows of US Bankruptcy Law: A Proposal to Divide the Realms of Insolvency and Restructuring Law, EBOR Vol. 19/2018, 615; Mankowski, Anerkennung englischer Solvent Schemes of Arrangement in Deutschland, WM 2011, 1201; Mankowski, Ordre public im europäischen und deutschen Insolvenzrecht, KTS 2011, 185; Mankowski, Insolvenznahe Verfahren im Grenzbereich zwischen EuInsVO und EuGVVO – Zur Entscheidung des EuGH in Sachen German Graphics, NZI 2010, 508; Mokal/Davis/Mazzoni/Mevorach/Romaine/Sarra/ Tirado/Madaus, Micro, Small, and Medium Enterprise Insolvency: A Modular Approach, 2018; Mulert/ Steiner, Gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen im Insolvenz- und Restrukturierungsplan, NZG 2020, 673; Nijnens, Internationaal privaatrechtelijke aspecten van de WHOA, Tijdschrift voor Insolventierecht (TvI) 2019, 257; Nijnens, Cooperation and Communication Obligations in European Insolvency Law, 2023 (im Erscheinen); Nijnens, StaRUG: een introductie met rechtsvergelijkende observaties, Tijdschrift voor Insolventierecht (TvI) 2021, 109; Paulus/Bähr/Hackländer, Konzernweite Restrukturierungen – Hilft das StaRUG?, ZIP 2021, 1085; Parzinger, Die neue EuInsVO auf einen Blick, NZI 2016, 63; Petrovic, Die rechtliche Anerkennung von Solvent Schemes of Arrangement in Deutschland – Eine Chance für die Restrukturierungspraxis, ZInsO 2010, 265; Piekenbrock, Grenzüberschreitende Restrukturierungsverfahren, in: Festschrift für Markus Gehrlein, 2022, S. 455; Ringelspacher/Nitsche, Das StaRUG im Vergleich mit der Umsetzung der EU-Direktive in Österreich, ZRI 2021, 477; Sabel, Hauptsitz als Niederlassung im Sinne der EuInsVO, NZI 2004, 126; Sax/Swierczok, Die Anerkennung des englischen Scheme of Arrangement in Deutschland post Brexit, ZIP 2017, 601; Schaloske, Abwicklung von Versicherungsbeständen durch Solvent

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§ 14

3. Teil Verfahren

Schemes of Arrangement, VersR 2009, 23; Schelo, Internationale Restrukturierungen unter dem StaRUG, WM 2022, 556; Schlöder/Parzinger/Knebel, Der Restrukturierungsplan nach dem StaRUG im Lichte grenzüberschreitender Restrukturierungen – praxistaugliches Anerkennungsregime oder ein Fall für die obersten Gerichte?, ZIP 2021, 1041; Schmidt, J., Präventiver Restrukturierungsrahmen: Internationale Zuständigkeit, Anerkennung und anwendbares Recht, ZInsO 2021, 654; Schnepp/Janzen, Rückversicherung: Wirken Solvent Schemes auf deutsche Vertragsbestände?, VW 2007, 1057; Schulz, Die Anerkennungsfähigkeit eines Solvenz Schemes vor deutschen Gerichten, ZfV 2011, 202; Seibt/v. Treuenfeld, Gesellschaftsund kapitalmarktrechtliche Aspekte der EU-Restrukturierungsrechtlinie, DB 2019, 1190; Sieg/Blum, Solvent Schemes – Enforceability in Germany, in Global, Managing Run-off in Europe, 2007; Skauradszun, Restrukturierungsverfahren und das Internationale Privatrecht, NZI 2021, 568; Skauradszun, Kryptowerte im Bürgerlichen Recht, AcP 221 (2021) 353; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Skauradszun, Die Restrukturierungsrichtlinie und das „verschwitzte“ internationale Zivilverfahrensrecht, ZIP 2019, 1501; Skauradszun, Absicherungen des Mieters mittels Mieterdienstbarkeiten und Dauernutzungsrecht in präventiven Restrukturierungsrahmen, InsO- und EuInsVO-Verfahren, NZI 2019, 965; Skauradszun, Ein Umsetzungskonzept für den präventiven Restrukturierungsrahmen, KTS 2019, 161; Skauradszun, Anmerkungen zum RefE des BMJV für ein Durchführungsgesetz zur neuen EuInsVO 2015, DB 2016, 2165; Skauradszun/Blum, Bestätigung eines außergerichtlich angenommenen Restrukturierungsplans einer Kapitalgesellschaft – Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten, Gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger, NZI 2022, 31; Skauradszun/ Kümpel, Restrukturierungen von Schuldverschreibungen und weiteren Finanzierungsarrangements nach § 2 Abs. 2 StaRUG, WM 2021, 1122; Skauradszun/Nijnens, Brussels Ia or EIR Recast? The Allocation of Preventive Restructuring Frameworks, ICR 2019, 193; Skauradszun/Nijnens, The Toolbox for CrossBorder Restructurings Post-Brexit – Why, What & Where, NIBLeJ 7 (2019), 1; Stephenson, Addressing Post-Brexit Limitations of Cross-Border Recognition of Restructuring and Insolvency Proceedings in Europe, ICR Vol. 18/2021, 1; Stohrer, Der Gläubigerschutz im präventiven Restrukturierungsrahmen, ZInsO 2018, 660; Strikwerda/Schaafsma, Inleiding tot het Nederlandse Internationaal Privaatrecht, 2019; Thole, Vertrauliche Restrukturierungsverfahren: Internationale Zuständigkeit, anwendbares Recht und Anerkennung, ZIP 2021, 2153; Thole, Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach StaRUG – Gegenstände des Restrukturierungsplans, NZI 2021, 436; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Tyrell/Heitlinger, Solvent Schemes auch in Deutschland vollstreckbar, VW 2007, 1695; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Teil 2), ZInsO 2020, 2677; Veder, Internationale aspecten van de WHOA: de openbare en de besloten akkoordprocedure buiten faillissement, Tijdschrift Financiering, Zekerheden en Insolventierechtpraktijk (FIP) 6/2019, 53; Vriesendorp/van Kesteren/Vilarin-Seivane/Hinse, Automatic recognition of the Dutch undisclosed WHOA procedure in the European Union, Nederlands Internationaal Privaatrecht (NIPR) 2021, 3; Wells/Aconley, How to get Recognised: Cross-border Recognition of Insolvency and Restructuring Proceedings Post-BREXIT, ZInsO 2022, 698; Wucherer/Zickgraf, Dividenden und Aktienrückkäufe: Rechtsökonomischer Hintergrund und Handlungsspielräume des Vorstands in der Krise, ZGR 2021, 259; Ziegenhagen, Sechs Monate StaRUG – Bewertung der ersten Rechtsprechung zur Anwendung des neuen Restrukturierungsgesetzes, ZInsO 2021, 2053.

I.

Überblick

1.

Problemaufriss mit einem Beispielsfall

1 Beispiel: Gegeben sei ein deutsches Touristikunternehmen mit Sitz und COMI (Centre of Main Interests) in Köln. Das Unternehmen ist auf Urlaubsziele in Osteuropa spezialisiert. Nachdem in den letzten Jahren aufgrund anhaltend steigender Nachfrage das Angebot stetig ausgebaut werden konnte, führte die Corona-Pandemie jedoch zu signifikanten Umsatzeinbrüchen. Durch einen Krieg an der NATO-Ostflanke haben die Umsatzeinbrüche noch einmal zugenommen. Es wird prognostiziert, dass sich die Tourismusbranche angesichts der angespannten Situation nur langsam wieder erholen kann und es voraussichtlich zwei Jahre dauert, bis sich wieder Vorkrisen-Umsätze erzielen lassen könnten. Die Geschäftsleitung ist sich im Klaren, dass es einer grundlegenden Überarbeitung der Unternehmensstrategie bedarf, um die Existenz des Unternehmens zu sichern. Wenn sich an den rückläufigen Umsätzen nichts ändert, so ist das Unternehmen nach Einschätzung des internen Rechnungswesens voraussichtlich in 15 Monaten nicht mehr in der Lage, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.1) ___________ 1)

328

Damit liegt drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 InsO vor. In aller Regel ist hier ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen, § 18 Abs. 2 Satz 2 InsO.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

Mehrheitsgesellschafter ist eine französische Kapitalgesellschaft mit Sitz und COMI in Lyon/ Frankreich, die für ein von einem Bankenkonsortium bestehend aus zwei deutschen sowie einer österreichischen Bank gewährtes Überbrückungsdarlehen bürgt. Neben den zahlreichen im Inland belegenen Reisebüros und Hotelgrundstücken betreibt das Unternehmen auch Hotels in einigen weiteren Mitgliedstaaten der EU. Zudem bestehen neben zahlreichen deutschen Lieferanten auch vertragliche Verbindungen mit ausländischen Zulieferern, die aufgrund einer Rechtswahlklausel teilweise ausländischem Recht unterliegen.2) 2.

Praktische Herangehensweise bei internationalen Restrukturierungen

In solchen und ähnlich gelagerten Fällen ist zunächst zu klären, wo die Restrukturierung 2 durchgeführt werden kann, wobei in diesem Zusammenhang auch ein COMI-Shift (siehe dazu Rz. 31) in Erwägung gezogen werden könnte.3) Ist die Frage nach dem „Wo“ geklärt, so sind Überlegungen anzustellen, ob aufgrund des Auslandsbezugs später Vorschriften zur wechselseitigen Anerkennung sowie zur Vollstreckung der Entscheidungen benötigt werden. Sodann gerät auch das Internationale Privatrecht in den Blick, wenn es darum geht, zu ermitteln, nach welchem Recht die verschiedenen Rechtsverhältnisse im Zuge der Restrukturierung gestaltet werden können. II.

Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie

1.

Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie

Die Restrukturierungsrichtlinie4) sieht keine Regelungen vor, die sich im Kontext inter- 3 nationaler Restrukturierungen mit den entsprechenden Fragen der Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen befassen. Ein Blick in die ErwGe zeigt jedoch, welchen Weg der Richtliniengeber hier vor Augen hatte, nämlich die Vereinbarkeit der Restrukturierungsrichtlinie mit der EuInsVO5). Angestrebt wird die Aufnahme der nationalen präventiven Restrukturierungsrahmen in Anhang A der EuInsVO (ErwGe 12 ff.). In ErwG 14 hebt der europäische Gesetzgeber etwa als Vorteil dieser Vereinbarkeit hervor, dass die Schutzvorkehrungen der EuInsVO hinsichtlich eines missbräuchlichen COMIShifts folglich auch für die Restrukturierungsrahmen der nationalen Umsetzungsgesetzgeber anwendbar sind. Restrukturierungsrahmen in anderen Mitgliedstaaten, die in Anhang A aufgenommen 4 wurden, sind etwa in den Niederlanden das „openbare akkoordprocedure buiten faillissement“ nach dem Wet homologatie onderhands akkoord (WHOA) und in Österreich das „Europäische Restrukturierungsverfahren“ nach der Restrukturierungsordnung (ReO)6). Die polnischen Restrukturierungsverfahren (PrRestr) wurden bereits 2017 in Anhang A aufgenommen.7) Das Gesetzgebungsverfahren, welches die Anhänge A und B für zahlreiche Mitgliedstaaten ersetzt, wurde am 11.5.2021, durch den Vorschlag der EU-Kommission ___________ 2) 3) 4)

5) 6) 7)

Dieser Beispielsfall wird in den Rz. 62, 65, 73, 78, 83, 109, 117 und 124 aufgegriffen. S. zu den Folgen eines COMI-Shifts etwa Ch. Keller, NZI 2021, 110. Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Verordnung (EU/EG) 2015/848 des Europäischen Parlament und des Rates v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), ABl. (EU) L 141/1 (Neufassung). ReO und StaRUG rechtsvergleichend dargestellt von Ringelspacher/Nitsche, ZRI 2021, 477; Kluge/Wilke, NZI 2022, 10. Ausführlicher zu den europäischen Nachbarn Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 84 Rz. 9.1 ff.

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§ 14

3. Teil Verfahren

für eine Verordnung zur Ersetzung der bisherigen Anhänge A und B der EuInsVO8), eingeleitet.9) Dieses Gesetzgebungsverfahren gibt zugleich einen gewissen Anhalt für den benötigten zeitlichen Vorlauf. Die Niederlande hatte die Kommission im Oktober 2020, Italien, Litauen, Polen und Zypern im Dezember 2020 um die Aktualisierung der Anhänge A und B ersucht. Die Kommission hatte zunächst mehrere Monate die nationalen Verfahren auf ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen der EuInsVO untersucht.10) Im Rahmen desselben Gesetzgebungsverfahrens wurden später u. a. noch die „öffentliche Restrukturierungssache“ für Deutschland und das „Europäische Restrukturierungsverfahren“ sowie die zugehörigen Verwalter in Anhang A bzw. B der EuInsVO aufgenommen, die im besagten Kommissionsvorschlag noch nicht enthalten waren. Der Kommissionsvorschlag enthielt zwar die Äußerung, dass „die Mitteilungen [der] Mitgliedstaaten sorgfältig im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen der Verordnung geprüft“11) wurden, aufgrund der zahlreichen aufgenommenen Verfahren und Verwalter, der Kürze der Zeit und der Tatsache, dass einige Verfahren bzw. Verwalter erst später in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurden, erscheint allerdings fraglich, ob tatsächlich eine tiefergehende Auseinandersetzung mit sämtlichen Verfahren und Verwaltern stattgefunden hat.12) Die Aufnahme dieser Verfahren und Verwalter und damit auch der deutschen öffentlichen Restrukturierungssache i. S. der §§ 84 ff. StaRUG sowie des deutschen Restrukturierungsbeauftragten i. S. der §§ 73 ff. StaRUG13) erfolgte schließlich durch die Verordnung (EU) 2021/226014) mit Wirkung vom 9.1.2022. 2.

Lückenhafte Regelungen des deutschen Umsetzungsgesetzes bezüglich internationaler Restrukturierungen

5 Mit Einführung des StaRUG15) hat der deutsche Gesetzgeber einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen geschaffen, welcher aufgrund seiner hohen Komplexität überwiegend für mittlere und große Unternehmen in Betracht kommen dürfte. Für kleine Unternehmen wird sich dieses Verfahren – etwa aufgrund der komplizierten Vergleichs-

___________ 8) Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Ersetzung der Anhänge A und B der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren, COM(2021) 231 final – 2021/0118 (COD), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/HIS/?uri= COM:2021:231:FIN (Abrufdatum: 14.2.2023). 9) Der Vorschlag für eine Änderungsverordnung wird auf die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen gestützt (Art. 81 Abs. 2 lit. a, c und lit. f AEUV). 10) S. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Ersetzung der Anhänge A und B der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren, v. 11.5.2021, COM(2021) 231 final – 2021/0118 (COD). 11) Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Ersetzung der Anhänge A und B der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren, v. 11.5.2021, COM(2021) 231 final – 2021/0118 (COD), S. 1 ff. 12) Krit. Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 4. 13) Nur wenn der Restrukturierungsbeauftragte in einer öffentlichen Restrukturierungssache bestellt wird, handelt es sich um einen Verwalter i. S. des Art. 2 Nr. 5 EuInsVO, nicht hingegen bei vertraulichen Restrukturierungssachen; Skauradszun in: BeckOK-InsR, Art. 102c § 1 EGInsO Rz. 19. 14) Verordnung (EU) 2021/2260 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Ersetzung der Anhänge A und B, ABl. L 455/4 v. 20.12.2021. 15) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

rechnung – regelmäßig als zu aufwendig erweisen,16) jedoch kann die ebenso im StaRUG geregelte Sanierungsmoderation (§§ 94 ff. StaRUG) für solche Unternehmen eine geeignete Alternative darstellen.17) Ist nun der Blick auf den Kreis der Schuldner freigelegt, für welche die Inanspruchnahme 6 des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens regelmäßig infrage kommt, so wird man feststellen müssen, dass die Zahl der Fälle ohne jeglichen Bezug zu anderen Staaten gering sein wird. Es wird in aller Regel vielmehr so sein, dass zumindest punktuell Auslandsbezüge bestehen,18) etwa durch in anderen Staaten betriebene Niederlassungen, gruppeninterne Drittsicherheiten i. S. von § 2 Abs. 4 StaRUG eines ausländischen verbundenen Unternehmens19) oder Verträge mit Lieferanten, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen. Ferner könnte ein Kreditgeber über eine Sicherheit an bestimmten im Ausland belegenen Gegenständen verfügen.20) Schließlich ist denkbar, dass ein ausländischer Schuldner eine deutsche Restrukturierungssache nutzen will.21) In all diesen Fällen wird sich der Schuldner zunächst mit verschiedensten Fragestellungen 7 des Internationalen Zivilverfahrensrechts und des Internationalen Privatrechts befassen müssen (siehe Rz. 2), soll sein Restrukturierungsvorhaben schließlich von Erfolg gekrönt sein und seine langfristige Bestandsfähigkeit gesichert werden.22) In Anbetracht dieser Ausgangslage verwundert es, dass das StaRUG kaum Vorschriften bezüglich internationaler Restrukturierungen enthält. Obgleich der Gesetzgeber einen überwiegend für mittlere und große Unternehmen geeigneten Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen geschaffen hat, richtete er dennoch sein Augenmerk primär auf rein nationale Sachverhalte und liefert für die zahlreichen Fragestellungen im Zusammenhang mit internationalen Restrukturierungen nur wenige Antworten. Auf Fragen der internationalen Zuständigkeit oder auch der Anerkennung und Vollstre- 8 ckung der Entscheidungen ist der deutsche Gesetzgeber nicht eingegangen, sondern hat mit den §§ 84 ff. StaRUG lediglich eine Möglichkeit vorgesehen, wie Restrukturierungssachen öffentlich betrieben werden können. Diese öffentlichen Restrukturierungssachen wurden in Anhang A der EuInsVO aufgenommen (siehe oben Rz. 4), sodass für diese das Zuständigkeits-, Anerkennungs- und Vollstreckungsregime der EuInsVO Anwendung findet. Für nicht öffentlich betriebene Restrukturierungsverfahren gilt es, mangels Regelungen des deut___________ 16) S. zu den krit. Reden etwa BT-PlPr. 19/191, S. 24116; in diese Richtung auch Schinkel in: HambKommRestruktR, § 84 StaRUG Rz. 5, sowie zur möglichen Überforderung kleiner Unternehmen bereits Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 92. Für die große Masse der Fälle s. die Lösungsansätze von Mokal/Davis/Mazzoni/Mevorach/Romaine/Sarra/Tirado/Madaus, Micro, Small, and Medium Enterprise Insolvency: A Modular Approach, passim. Entgegen dieser Erwartung zog Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2060, nach den ersten veröffentlichten StaRUG-Verfahren allerdings das Fazit, dass diese Verfahren eher kleinere und mittlere Unternehmen betroffen haben. Das BMJ hat mittlerweile die an die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen angepasste Checkliste für Restrukturierungspläne gemäß § 16 StaRUG veröffentlicht, abrufbar unter https://www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/ Fruehwarnsysteme/StaRUG.html (Abrufdatum: 13.1.2023). 17) Vgl. Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2561, 2577; Thole, ZIP 2020, 1985, 2000. 18) Vgl. Schelo, WM 2022, 556. 19) Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1089, bejahen diesbezüglich die Einbeziehungsmöglichkeit von Gesellschaften in anderen EU-Mitgliedstaaten unter Berufung auf die Intention der Restrukturierungsrichtlinie, einen möglichst einheitlichen Rechtsrahmen schaffen zu wollen. 20) S. zu Praxisbeispielen möglicher Auslandbezüge auch Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, die insbesondere Finanzierungsarrangements wie etwa englischem Recht unterliegende syndizierte Kreditverträge oder High Yield Anleihen nach dem New Yorker Recht nennen. 21) Für ein Beispiel eines ausländischen Schuldners (eine plc mit Sitz in Malta), die eine deutsche Restrukturierungssache nutzen will, s. etwa AG Düsseldorf – 602 RES 1/22, Beschluss der Schuldverschreibungsgläubigerversammlung v. 29.7.2022, veröffentlicht am 3.8.2022, abrufbar unter https://restrukturierungsbekanntmachung.de. Vgl. ferner zu ausländischen Schuldnern Madaus, ZIP 2022, 1233. 22) Diesem Ziel verschreibt sich auch die Restrukturierungsrichtlinie, s. Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 4 Abs. 1.

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§ 14

3. Teil Verfahren

schen Gesetzgebers anderweitige Lösungen zu entwickeln (siehe unten Rz. 90 ff.), wie eine erfolgreiche Restrukturierung mit internationalen Bezügen durchgeführt werden kann.23) III.

Öffentliche Restrukturierungssachen i. S. der §§ 84 ff. StaRUG

9 Restrukturierungssachen konnten nach Inkrafttreten des StaRUG am 1.1.2021 zunächst nur vertraulich betrieben werden, nachdem die §§ 84 ff. StaRUG allerdings am 17.7.2022 in Kraft getreten sind (vgl. Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 SanInsFoG), sind auch öffentliche Restrukturierungssachen möglich, die dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfallen. 1.

Aufnahme der deutschen öffentlichen Restrukturierungssachen in Anhang A der EuInsVO

10 Die Aufzählung der von der EuInsVO erfassten Insolvenzverfahren in Anhang A ist abschließend (vgl. Art. 2 Nr. 4 EuInsVO), sodass deutsche öffentliche Restrukturierungssachen infolge ihrer Aufnahme in Anhang A als Insolvenzverfahren i. S. der EuInsVO verstanden werden können.24) Während eine Änderung des Anhangs A nach Art. 45 EuInsVO a. F. noch im Wege eines vereinfachten Änderungsverfahrens möglich war, bedarf es seit der EuInsVO 2015 eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gemäß Art. 289, 294 AEUV.25) Dieses wurde durch einen Kommissionsvorschlag vom 11.5.2021 eingeleitet und mit der Verordnung (EU) 2021/226026) abgeschlossen (siehe oben Rz. 4). 11 Die Aufnahme der deutschen öffentlichen Restrukturierungssachen in Anhang A hat zur Folge, dass sämtliche Vorschriften der EuInsVO unmittelbar auf solche Restrukturierungssachen anwendbar sind (Art. 288 AEUV). Nach derzeitigem Wissensstand kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob eine stimmige Anwendung aller EuInsVO-Vorschriften möglich ist. Zumindest bedarf es hinsichtlich bestimmter Aspekte einer tiefergehenden Untersuchung, etwa wenn es um Sekundärrestrukturierungsrahmen (siehe unten Rz. 79 ff.), etwaige Gestaltungshindernisse in Bezug auf dingliche Rechte an nicht im Inland belegenen Gegenständen (Art. 8 EuInsVO, siehe unten Rz. 58 ff.), die Kooperations- und Kommunikationspflichten nach Art. 41 ff. EuInsVO (siehe unten Rz. 88 f.) oder Mitglieder einer Unternehmensgruppe (Art. 56 ff. EuInsVO; siehe unten Rz. 74 ff.) geht.27) 12 Auch wenn deutsche öffentliche Restrukturierungssachen nach der Aufnahme in Anhang A als Insolvenzverfahren i. S. der EuInsVO zu behandeln sind, so ist klarzustellen, dass öffentliche Restrukturierungssachen dogmatisch keine Insolvenzverfahren sind.28) Es handelt sich bei den Restrukturierungssachen vielmehr um ein eigenständiges Subsystem des Zivilverfahrensrechts, das neben die Insolvenzverfahren tritt.29) ___________ 23) Dies schmälert nach dem Befund von Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, die Attraktivität einer Restrukturierung nach dem StaRUG für solche Fälle. 24) Vgl. J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 1 Rz. 34; Mock in: BeckOK-InsR, Art. 1 EuInsVO Rz. 10. 25) J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 1 Rz. 37 ff.; krit. zum Erfordernis eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Brinkmann, KTS 2014, 381, 385, sowie Parzinger, NZI 2016, 63, 64 f. 26) Verordnung (EU) 2021/2260 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Ersetzung der Anhänge A und B, ABl. L 455/4 v. 20.12.2021. 27) Ausführlich zu möglichen sekundären Restrukturierungsrahmen sowie zu dinglichen Rechten in Restrukturierungsplänen schon in Bezug auf die Restrukturierungsrichtlinie Skauradszun in: Kraemer/ Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 27 ff., 77 ff. Ausführlich zur Anwendung der Durchführungsvorschriften zur EuInsVO auf präventive Restrukturierungsrahmen Skauradszun/Kümpel/ Nijnens in: BeckOK-InsR, Art. 102c §§ 1 – 26 EGInsO, passim. 28) Krit. daher zur Aufnahme von Verfahren und Verwaltern in die Anhänge A und B, obwohl diese den zugrunde liegenden Definitionen der EuInsVO „nicht richtig entsprechen“, Piekenbrock in: FS Gehrlein, S. 455, 457. 29) Ausführlich dazu Skauradszun, KTS 2021, 1, 36 f.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

2.

Antrag des Schuldners und erste Entscheidung des Restrukturierungsgerichts

2.1

Geltung der Dispositionsmaxime

Öffentliche Bekanntmachungen auf der Internetseite https://restrukturierungsbekannt- 13 machung.de (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) erfolgen in den im Ausgangspunkt vertraulichen Restrukturierungssachen nur, sofern der Schuldner dies beantragt (§ 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Damit fügt sich die Möglichkeit einer öffentlich betriebenen Restrukturierungssache in den modularen Aufbau ein, den der Gesetzgeber für Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen vorgesehen hat. Ebenso wie im Hinblick auf die in § 29 StaRUG genannten Instrumente, die dem Schuldner zur Verfügung stehen, von denen er jedoch nicht zwangsläufig Gebrauch machen muss, liegt die Entscheidungsbefugnis auch bei der Frage, ob die Restrukturierungssache öffentlich oder vertraulich betrieben werden soll, allein auf Seiten des Schuldners, der schließlich einen Antrag i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG stellen oder eben davon absehen kann.30) Kein anderer Beteiligter ist hierfür antragsberechtigt. Es gilt die Dispositionsmaxime.31) Das Gleiche gilt für die Zurücknahme des Antrags nach § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. Diese 14 ist ebenfalls nur dem Schuldner gestattet und nur in einem beschränkten Zeitfenster – bis zur ersten Entscheidung des Gerichts – möglich. Ist die erste Entscheidung des Gerichts bereits getroffen und bekannt gemacht, so ist die Restrukturierungssache ab diesem Moment öffentlich und kann unmöglich durch Zurücknahme des Antrags wieder zu einem vertraulichen Restrukturierungsverfahren werden. Im Widerspruch zum Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG und den vorstehenden Aus- 15 führungen geht aus der Gesetzesbegründung hervor, dass der Schuldner die Entscheidung über die Öffentlichkeit des Restrukturierungsvorhabens „zu Beginn des Restrukturierungsvorhabens“ treffen muss.32) Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Schuldner muss diese strategische Entscheidung weder vor der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens i. S. des § 31 StaRUG noch mit dieser Anzeige treffen, sondern hat, wie es auch der Gesetzeswortlaut ausdrücklich festlegt, bis zur ersten Entscheidung des Gerichts Zeit (siehe oben Rz. 14). 2.2

Antrag oder Antragsrücknahme nach § 84 Abs. 1 StaRUG bedarf keiner gesellschaftsrechtlichen Legitimation

Stellt der Schuldner einen Antrag auf öffentliche Bekanntmachungen oder nimmt er seinen 16 Antrag wieder zurück, so bedarf es hierfür weder eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses noch einer Zustimmung des Aufsichtsrats.33) Der Grund hierfür liegt in der theoretischen Konzeption der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, die sich im Gegensatz zu Insolvenzverfahren nicht primär mit dem Common-Pool-Problem34) zu befassen haben, sondern primär auf die Lösung eines etwaigen Holdout-Problems ausge___________ 30) Damit bedarf es keiner gesonderten Legitimation für die negativen Publikationseffekte, die u. U. mit einer öffentlichen Restrukturierungssache als Insolvenzverfahren i. S. der EuInsVO einhergehen, da der Schuldner allein für diese Effekte verantwortlich ist, Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 84 Rz. 11. 31) Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1042. 32) Begr. RegE SanInsFoG z. § 91 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 179. Nach dem zitierten Satz heißt es in der Gesetzesbegründung vom „ersten Antrag in der Restrukturierungssache“, was sich besser mit dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 StaRUG vereinbaren lässt. 33) So auch zur Anzeige nach § 31 StaRUG und den Anträgen im Zusammenhang mit den verschiedenen Instrumenten Skauradszun, KTS 2021, 1, 49 ff. Dies ist allerdings sehr str., ausführlich zum Streitstand Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 87.1 f. 34) Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 11 ff. Der Begriff meint die Problematik, dass lediglich eine unzureichende Masse vorhanden ist, also ein beschränkter Common Pool, der nicht zur vollumfänglichen Befriedigung aller Gläubiger ausreicht; s. zur Beschreibung des Begriffs auch Paulus, NZI 2015, 1002, 1005; Eidenmüller, ZIP 2016, 145.

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3. Teil Verfahren

richtet sind.35) Würde man annehmen, dass die Anteilsinhaber oder ein Aufsichtsrat einen Antrag oder dessen Rücknahme nach § 84 Abs. 1 StaRUG durch Beschluss erst billigen müssten, würde den Anteilsinhabern oder einem Aufsichtsrat eine Holdout-Position eingeräumt werden, die es gerade zu vermeiden und zu überwinden gilt. Anteilsinhaber bzw. Aufsichtsrat könnten dann über Wohl und Wehe der Restrukturierung entscheiden, denn eine Restrukturierung mit Auslandsbezug ist meist ohne Aussicht auf Erfolg, wenn die internationale Zuständigkeit nicht zuverlässig geklärt, keine Anerkennung der Entscheidungen und keine Vollstreckbarkeit gewährleistet ist. Ausländische Planbetroffene könnten dann die Position einnehmen, dass die Entscheidung aus Deutschland sie bzw. ihre Gerichte nicht binde. Inländische Planbetroffene würden dann kaum zu einer Unterstützung bereit sein, wenn sich ausländische Planbetroffene so positionieren. 17 Hinzu kommt, dass die Geschäftsleiter nach § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG verpflichtet sind, „geeignete Gegenmaßnahmen“ zu ergreifen, wenn der Fortbestand der juristischen Person gefährdet ist. Wenn hierfür eine öffentliche Bekanntmachung geeignet ist, dann liegt das Ergreifen dieser Maßnahme in ihrer Zuständigkeit. Es gibt ferner keine gesellschaftsrechtliche Norm, die vor einem Antrag oder der Antragsrücknahme nach § 84 Abs. 1 StaRUG einen Zustimmungsvorbehalt für Gesellschafter oder einen etwaigen Aufsichtsrat vorsehen würde. Weiter ist zu sehen, dass die Geschäftsleiter jedenfalls ab der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren haben (§ 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG)36) und es daher in Restrukturierungsvorhaben mit Auslandsbezug zu ihrer Pflicht gehört, für die Wirksamkeit der Restrukturierung gegenüber ausländischen Beteiligten Sorge zu tragen. Jedenfalls aber wäre § 84 Abs. 1 StaRUG richtlinienkonform i. S. des Art. 19 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie auszulegen, wonach die Unternehmensleitung nicht nur die Interessen der Anteilsinhaber gebührend zu berücksichtigen hat, sondern auch die Interessen der Gläubiger und sonstiger Interessenträger. Ist eine Anwendung der EuInsVO im Interesse der genannten Beteiligten, dann ist es die Pflicht der Unternehmensleitung, den dafür erforderlichen Antrag zu stellen. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass ein von einem vertretungsbefugten Organ gestellter Antrag bzw. dessen Rücknahme im Außenverhältnis wirksam ist (vgl. etwa § 37 Abs. 2 GmbHG, § 82 Abs. 1 AktG, § 126 Abs. 2 HGB).37) 2.3

Antragsangaben und Beispiel eines Antrags

18 Aufgrund des in § 84 Abs. 1 Satz 3 StaRUG verankerten Verweises auf Art. 102c § 5 EGInsO soll der Antrag des Schuldners einige zusätzliche Angaben enthalten, sofern Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union international zu-

___________ 35) Ausführlicher zu dieser gegensätzlichen Ausrichtung von Insolvenz- und Restrukturierungsrecht Skauradszun, KTS 2021, 1, 3 ff.; Bork, ZRI 2021, 345, 356 („Unter dem StaRUG geht es im Wesentlichen um die Einbindung der Akkordstörer, also die Bewältigung des hold out-Problems“). Er sieht aber auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit ein Common-Pool-Problem (S. 348). 36) Daher gehen Wucherer/Zickgraf, ZGR 2021, 259, 297 davon aus, dass ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache Gesellschafterbeschlüsse, die dem Gläubigerinteresse zuwiderlaufen, ignoriert werden können und (analog) zu § 241 Nr. 3 AktG nichtig sind. 37) So auch für § 31 StaRUG Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 31 Rz. 31.

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ständig sein könnte.38) Folgende Angaben sollen enthalten sein und somit dem Gericht die Prüfung der internationalen Zuständigkeit erleichtern:39) 

seit wann der Sitz, die Hauptniederlassung oder der gewöhnliche Aufenthalt an dem im Antrag genannten Ort besteht (entsprechend Art. 102c § 5 Satz 1 Nr. 1 EGInsO),



Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen in der Bundesrepublik Deutschland nachgeht (entsprechend Nr. 2),



in welchen anderen Mitgliedstaaten sich Gläubiger oder wesentliche Teile des Vermögens befinden oder wesentliche Teile der Tätigkeit ausgeübt werden (entsprechend Nr. 3) und



ob bereits in einem anderen Mitgliedstaat ein Eröffnungsantrag gestellt oder ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde (entsprechend Nr. 2).

Der Antrag lautet bspw.:

19

„In der Restrukturierungssache 12 RES 345/21 der ABC GmbH werden öffentliche Bekanntmachungen i. S. der §§ 84 ff. StaRUG beantragt“. Dieser Antrag ist weit genug, alle bekannt zu machenden Tatsachen i. S. des § 85 StaRUG zu 20 erfassen. Eine genauere Spezifizierung ist nicht erforderlich, da das Restrukturierungsgericht die bekannt zu machenden Tatsachen aus § 85 Abs. 1 StaRUG entnehmen muss. Der Antrag ist i. Ü. von den verpflichtenden Zusatzangaben in der Antragsbegründung zu unterscheiden (siehe oben Rz. 18); die Zusatzangaben stehen also nicht im Antrag als solchem. 2.4

Entscheidung des Gerichts über den schuldnerischen Antrag

2.4.1 Erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG Die Vorschriften der EuInsVO unterscheiden bezüglich der Anerkennung zwischen der Ent- 21 scheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einerseits (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO) und sonstigen Entscheidungen auf der anderen Seite (Art. 32 Abs. 1 EuInsVO). Nach Art. 2 Nr. 7 EuInsVO umfasst der Begriff der „Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ neben der Entscheidung eines Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder zur Bestätigung der Eröffnung eines solchen Verfahrens auch die Entscheidung eines Gerichts zur Bestellung eines Verwalters. Der deutsche Gesetzgeber beabsichtigte, dass die erste Entscheidung des Gerichts als Er- 22 öffnungsentscheidung i. S. des Art. 2 Nr. 7 EuInsVO zu klassifizieren ist. Da deutsche Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen jedoch nicht über eine förmliche Verfahrenseröffnung verfügen, liegt dies nicht schon auf der Hand. Der Schuldner muss sein Restrukturierungsvorhaben lediglich nach § 31 StaRUG anzeigen, worin ein deutlicher Unterschied zum deutschen Insolvenzverfahren besteht. Während infolge eines Insolvenzantrags das Insolvenzgericht nach § 27 InsO über die Eröffnung beschließen muss, bedarf es über die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens keiner gerichtlichen Entscheidung. Die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens, die auch die Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme der verschiedenen Instrumente nach § 29 StaRUG ist, übernimmt vielmehr eine verfahrensrechtliche Funktion, da sie die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache begründet (§ 31 Abs. 3 StaRUG). Weiterhin umreißt sie das Restrukturierungsvorhaben inhaltlich ___________ 38) International zuständig kann für ein Hauptverfahren immer nur ein Mitgliedstaat sein; Art. 102c § 5 EGInsO spricht hier irrtümlicherweise davon, dass ein anderer Mitgliedstaat auch international zuständig sein könnte. Für ein Beispiel eines ausländischen Schuldners (eine plc mit Sitz in Malta), die eine deutsche Restrukturierungssache nutzen will, siehe etwa AG Düsseldorf – 602 RES 1/22, Beschluss der Schuldverschreibungsgläubigerversammlung v. 29.7.2022, am 3.8.2022 veröffentlicht, abrufbar unter https://restrukturierungsbekanntmachung.de. 39) Skauradszun/Kümpel in: BeckOK-InsR, Art. 102c § 5 EGInsO Rz. 2.

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und gibt dem Gericht damit die Möglichkeit, sich auf u. U. eilbedürftige Anträge des Schuldners bezüglich der Instrumente vorzubereiten.40) Die Anzeige selbst erfordert aber keine Entscheidung des Gerichts, sodass sie keine Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (i. S. der EuInsVO) darstellen kann. 23 Mangels Eröffnungsentscheidung blieb also lediglich die Möglichkeit, die erste Entscheidung des Gerichts, gleich um welche konkrete Entscheidung es sich handelt, als Eröffnungsentscheidung zu verstehen, was der deutsche Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung auch angestrebt hat.41) Der Wortlaut der Gesetzesbegründung suggeriert, dass die Entscheidung über die Frage, ob die erste Entscheidung des Gerichts als Eröffnungsentscheidung i. S. der EuInsVO fungieren kann, vom deutschen Gesetzgeber getroffen werden könne, was jedoch nicht der Fall ist. Die Tatbestandsmerkmale der EuInsVO sind vielmehr autonom auszulegen.42) Da aber die Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, wie oben erläutert, nicht über eine förmliche Eröffnungsentscheidung verfügen und der europäische Gesetzgeber selbst die Verzahnung der präventiven Restrukturierungsrahmen mit der EuInsVO im Sinn hatte (ErwGe 12 – 14 der Restrukturierungsrichtlinie, siehe oben Rz. 3), stellt die erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG die einzige Entscheidung dar, die als Eröffnungsentscheidung nach Art. 2 Nr. 7 EuInsVO verstanden werden kann. Auch wenn der deutsche Gesetzgeber nicht die entsprechende Auslegungskompetenz hat, so stimmt die Aussage in der Gesetzesbegründung im Ergebnis mit der Auslegung der EuInsVO überein. 24 Als erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG kommen insbesondere die Entscheidungen des Gerichts im Zusammenhang mit den einzelnen Instrumenten in Betracht, die der Schuldner aufgrund des modularen Aufbaus des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens unabhängig voneinander beantragen kann, mithin 

die Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf gerichtliche Planabstimmung (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 45 Abs. 1 StaRUG),



die Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf Bestimmung eines Vorprüfungstermins (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 47 StaRUG),



die Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf Erlass einer Stabilisierungsanordnung (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. §§ 49 f. StaRUG),



die Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf Bestätigung des Restrukturierungsplans (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. §§ 60, 65 StaRUG)



sowie ferner die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten von Amts wegen (§§ 73, 74 StaRUG) oder auf Antrag (§§ 77, 78 StaRUG).

25 Im Rahmen all dieser Entscheidungen prüft das Restrukturierungsgericht auch seine Zuständigkeit (zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit sogleich unten Rz. 30 ff.), ob eine wirksame ordnungsgemäße Anzeige nach § 31 StaRUG erfolgt und die Restrukturierungssache insofern rechtshängig geworden ist und auch, ob der Schuldner restrukturierungsfähig i. S. des § 30 StaRUG ist. Ferner wird u. U. erstmalig die drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO i. R. der Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf Erlass einer Stabilisierungsanordnung (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) oder den An-

___________ 40) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 133 f. 41) Begr. RegE SanInsFoG z. § 91 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 179. 42) Zu der autonomen Auslegung etwa EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-396/09, Rz. 42, ZIP 2011, 2153 m. w. N.; EuGH v. 18.11.2020 – Rs. C-147/19, Rz. 33, WRP 2021, 322 m. w. N.; Wegener in: Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rz. 28.

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trag auf Planbestätigung geprüft (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG),43) allerdings nur in Form einer negativen Anordnungs- bzw. Bestätigungsvoraussetzung (siehe unten Rz. 87). In diesem Zusammenhang macht es keinen Unterschied, welches Instrument der Schuldner 26 beantragt hat. Nicht nur wenn das Restrukturierungsgericht eine Stabilisierungsanordnung erlässt oder den Restrukturierungsplan bestätigt, woraus sich unmittelbare Wirkungen für und gegen den Schuldner sowie die Gläubiger bzw. Planbetroffenen ergeben, sondern auch, wenn „nur“ über einen Abstimmungs- oder Vorprüfungstermin entschieden wird, liegt eine erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG vor. Somit kann unterbunden werden, dass Planbetroffene noch während der mindestens 14-tägigen Ladungsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 2 StaRUG bzw. der mindestens siebentägigen Ladungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 3 StaRUG ein Verfahren nach der EuInsVO eröffnen lassen, das in Deutschland anzuerkennen wäre. Denn schon die Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung eines Erörterungs- und Abstimmungstermins führt europarechtlich zu einer Verfahrenseröffnung in Deutschland, die nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO in allen übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist. Das Restrukturierungsgericht hat in den Entscheidungsgründen auszuführen, auf welchen 27 Gründen seine internationale Zuständigkeit beruht (§ 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG) sowie ob die Zuständigkeit auf Art. 3 Abs. 1 oder Abs. 2 EuInsVO fußt (§ 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StaRUG). Im Fall des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO muss hierfür in Deutschland der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners liegen (COMI), im Fall des Abs. 2 eine Niederlassung i. S. von Art. 2 Nr. 10 EuInsVO. Bei § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG handelt es sich um eine Doppelung, da schon Art. 4 28 EuInsVO eben jene Angabe in der Eröffnungsentscheidung verlangt. Da es sich bei der ersten Entscheidung des Restrukturierungsgerichts um eine Entscheidung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens i. S. des Art. 2 Nr. 7 EuInsVO handelt, ist Art. 4 EuInsVO ohnehin unmittelbar anwendbar. Dies ist gesetzestechnisch kritisch zu sehen, da der Erlass „konkretisierenden“ oder „ausfüllenden“ Rechts nur erlaubt ist, wenn die entsprechende Verordnung dies vorsieht,44) was bei der EuInsVO in diesem Zusammenhang jedoch nicht der Fall ist.45) Außerdem ist die nach § 84 Abs. 2 Satz 1 StaRUG in der Entscheidung anzugebende In- 29 formation, ob die Zuständigkeit auf Art. 3 Abs. 1 oder Abs. 2 EuInsVO beruht, vor dem Hintergrund der Einrichtung von Insolvenzregistern nach Art. 24 EuInsVO zu sehen. Mitgliedstaaten sind demnach zur Errichtung und Unterhaltung von Insolvenzregistern verpflichtet, wobei es sich bei der genannten Information gemäß Art. 24 Abs. 2 lit. d EuInsVO um eine Information handelt, die zwingend mittels Register bekannt zu machen ist. Sinn und Zweck ist zum einen die Information betroffener Gläubiger und Gerichte, aber auch die Verhinderung der Eröffnung von Parallelverfahren.46) Andere Mitgliedstaaten dürfen die Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts zwar nicht überprüfen (vgl. ErwG 65 der EuInsVO),47) müssen aber erkennen, ob es sich um eine Haupt- oder Sekundärrestrukturierungssache handelt. ___________ 43) Vgl. Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 9. 44) Nettesheim in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rz. 80. 45) Krit. zu einer ähnlichen Doppelung nach Erlass der reformierten EuInsVO und dem RefE eines deutschen Durchführungsgesetzes Skauradszun, DB 2016, 2165, 2166. 46) Müller in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 24 Rz. 2. 47) Die EuInsVO ist ebenso von dem in ErwG 65 genannten Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens geprägt. Die Mitgliedstaaten vertrauen also auf die zumindest vertretbare Prüfung der internationalen Zuständigkeit durch andere Mitgliedstaaten; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 11.

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2.4.2 Prüfung der internationalen Zuständigkeit 30 Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich für deutsche öffentliche Restrukturierungssachen nach Art. 3 EuInsVO. International zuständig sind nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 EuInsVO die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner seinen COMI hat. Der COMI wird sodann in Satz 2 definiert als der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist. 31 Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO enthält die Vermutung, dass der COMI dem Ort des Sitzes entspricht. Um ein Forum Shopping48) zu vermeiden, gilt dies jedoch nicht, wenn der Schuldner seinen Sitz innerhalb von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat.49) Hierbei handelt es sich um eine absolute Frist, mit welcher der europäische Gesetzgeber den vor der Reform der EuInsVO verbreiteteren Insolvenztourismus in Gestalt eines betrügerischen oder missbräuchlichen Forum Shopping unterbinden wollte (ErwG 31 der EuInsVO).50) 32 Wartet der Schuldner mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, bis die dreimonatige Sperrfrist abgelaufen ist, so gilt die Vermutung, dass der COMI dem Ort des neuen Sitzes entspricht. Es bleibt aber gleichwohl möglich, diese Vermutung zu widerlegen.51) 33 Da der eine öffentliche Restrukturierungssache betreibende Schuldner lediglich drohend zahlungsunfähig i. S. des § 18 InsO ist und dementsprechend weder zur Stellung eines Insolvenzantrags noch zur Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens (§ 31 StaRUG) verpflichtet ist, kann ihm ggf. noch ein ausreichend langer Zeitraum verbleiben, um seinen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und die dreimonatige Sperrfrist abzuwarten, bevor er seine erste Verfahrenshandlung tätigt (siehe sogleich Rz. 34). Auch eine einjährige Sperrfrist wurde vorgeschlagen,52) jedoch fiel dieser Vorstoß nicht auf fruchtbaren Boden. Einige Mitgliedstaaten sahen eine Sperrfrist grundsätzlich als Einschränkung der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit an.53) 34 Hinsichtlich der dreimonatigen Sperrfrist wird in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 EuInsVO auf den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abgestellt, einen solchen gibt es bei deutschen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen jedoch nicht. Dementsprechend könnte es nahe liegen, die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens als Anknüpfungspunkt auszuwählen. Wie oben bereits ausgeführt, zieht diese Anzeige jedoch keine unmittelbare gerichtliche Entscheidung nach sich. Als Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens i. S. des Art. 2 Nr. 7 EuInsVO fungiert die erste Entscheidung des Gerichts nach § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, sodass erst der schuldnerische Antrag nach § 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG als Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens i. S. der EuInsVO anzusehen ist. Ohne diesen Antrag ist auch die erste Entscheidung des Gerichts nicht als Eröffnungsentscheidung i. S. der EuInsVO einzustufen und die EuInsVO insgesamt nicht anwendbar. ___________ 48) Der Begriff des Forum Shopping beschreibt die Veränderung der Anknüpfungstatsachen durch einen Beteiligten mit dem Ziel, ein für sich günstigeres Ergebnis zu erhalten, hier also die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaates und einen Wechsel des Insolvenzstatuts zu erreichen; vgl. Groh in: Weber, Rechtswörterbuch, Internationales Privatrecht. 49) Dies wird in ErwG 14 Satz 1 der Restrukturierungsrichtlinie als Argument für die Anwendung der EuInsVO auf präventive Restrukturierungsrahmen genannt. 50) S. dazu auch Mock in: BeckOK-InsR, Art. 3 EuInsVO Rz. 16; Mankowski in: Mankowski/Müller/ J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 3 Rz. 33 ff. 51) Mock in: BeckOK-InsR, Art. 3 EuInsVO Rz. 16; ausführlich zur Widerlegung der Vermutung Mankowski in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 3 Rz. 52 ff. 52) INSOL Europe, Revision of the European Insolvency Regulation, 2011. 53) Mankowski in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 3 Rz. 35.

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Somit stellt dieser schuldnerische Antrag den Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des dreimonatigen Verdachtszeitraums nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 EuInsVO dar. Während Art. 3 Abs. 1 EuInsVO lediglich die internationale Zuständigkeit für Hauptinsol- 35 venzverfahren, hier also Hauptrestrukturierungsrahmen54), bestimmt, richtet sich die internationale Zuständigkeit für Sekundärrestrukturierungsrahmen nach Art. 3 Abs. 2 EuInsVO. Ein Sekundärrestrukturierungsrahmen (siehe unten Rz. 79 ff.) ist demnach nur möglich, wenn der Schuldner seinen COMI im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat, in diesem Mitgliedstaat ein primärer Restrukturierungsrahmen eröffnet wurde und der Schuldner eine Niederlassung in dem Mitgliedstaat betreibt, in dem der Sekundärrestrukturierungsrahmen eröffnet werden soll. Wie aus der in § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG zum Ausdruck kommenden Differenzierung zwischen verschiedenen Gründen, auf denen die internationale Zuständigkeit beruhen kann, ersichtlich ist, ging der deutsche Gesetzgeber offenbar davon aus, dass Sekundärrestrukturierungsrahmen möglich sind. Aus europarechtlicher Sicht spricht jedenfalls nichts gegen diese auch vom deutschen Gesetzgeber zugrunde gelegte Annahme.55) Der Begriff der Niederlassung wird in Art. 2 Nr. 10 EuInsVO legaldefiniert als jeder Tätig- 36 keitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht oder in den drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens nachgegangen ist, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt (siehe ausführlich dazu unter Rz. 81 ff.). Auch hier ist Sinn und Zweck der DreiMonats-Frist, ein missbräuchliches Forum Shopping zu verhindern.56) Die Definition ist grundsätzlich weit auszulegen.57) Bestimmt das Restrukturierungsgericht seine internationale Zuständigkeit fehlerhaft, so 37 steht es dem Schuldner oder jedem Gläubiger58) nach Art. 5 Abs. 1 EuInsVO frei, die Eröffnungsentscheidung des Hauptrestrukturierungsrahmens (nicht des Sekundärrestrukturierungsrahmens) aufgrund dessen anzufechten (siehe zum Rechtsbehelf Rz. 40 ff.).59) Auf die wechselseitige Anerkennung der Entscheidungen wirkt sich dieser Rechtsbehelf allerdings nicht aus60) und auch die Anforderungen des ordre-public-Vorbehalts nach Art. 33

___________ 54) J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 656, spricht von „main preventive restructuring frameworks“. 55) Lynch-Fannon/Gant, eurofenix Winter 2018/2019, S. 28; Nijnens, TvI 2019, 257, 265; Skauradszun/ Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 17; Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 75; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 84 Rz. 15; Nijnens in: Harmsen/Reumers, De WHOA: van wet naar recht, 12.3.2; anders jedoch Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 88 Rz. 7, 12; Ch. Keller, ZInsO 2022, 733, 738. 56) J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 2 Rz. 48; J. Schmidt, KTS 2015, 19, 26. Dass auch diese Drei-Monats-Frist diesem Ziel dient, wird im Gegensatz zu Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 EuInsVO nicht ausdrücklich erwähnt, allerdings wird in ErwG 29 in allgemeiner Form erwähnt, dass die EuInsVO durch eine Reihe an Schutzvorkehrungen grundsätzlich diesem Ziel gerecht werden soll. 57) J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 2 Rz. 50. 58) Zur Einschränkung des Kreises der anfechtungsberechtigten Gläubiger s. sogleich Rz. 42 f. 59) Art. 5 EuInsVO umfasst ausschließlich die Entscheidung zur Eröffnung des Hauptrestrukturierungsrahmens, was aber nicht heißt, dass etwa die Entscheidung zur Eröffnung eines Sekundärrestrukturierungsrahmens nicht angefochten werden kann; es besteht diesbezüglich vielmehr eine Regelungslücke, die nach Art. 7 Abs. 1 EuInsVO durch die lex fori concursus zu schließen ist; J. Schmidt in: Mankowski/ Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 5 Rz. 18. 60) Nur solche Rechtsbehelfe, die einen Suspensiveffekt entfalten, stehen der Anerkennungswirkung zunächst entgegen; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 14; Müller in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 19 Rz. 15.

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3. Teil Verfahren

EuInsVO wären bei einer falsch angenommenen internationalen Zuständigkeit nicht erfüllt.61) 2.4.3 Bekannt zu machende Angaben nach § 84 Abs. 2 Satz 2 StaRUG 38 Nach § 84 Abs. 2 Satz 2 StaRUG müssen sämtliche in Art. 24 Abs. 2 EuInsVO genannten Angaben auf der Internetseite https://restrukturierungsbekanntmachung.de (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) öffentlich bekannt gemacht werden. Bezüglich öffentlicher Restrukturierungssachen sind dies namentlich: 

das Datum der ersten Entscheidung des Restrukturierungsgerichts (Art. 24 Abs. 2 lit. a EuInsVO);



der Name des Amtsgerichts als Restrukturierungsgericht einschließlich des RES-Aktenzeichens (lit. b);



die Angabe, dass es sich um eine öffentliche Restrukturierungssache handelt (lit. c);



die Angabe, ob die Zuständigkeit für die erste Entscheidung des Restrukturierungsgerichts auf Art. 3 Abs. 1 EuInsVO (COMI) oder Art. 3 Abs. 2 EuInsVO (Niederlassung) beruht (lit. d);



Name, Registernummer, Sitz oder, sofern davon abweichend, Postanschrift des Schuldners, wenn es sich um eine Gesellschaft oder eine juristische Person handelt (lit. e);



Name, ggf. Registernummer sowie Postanschrift des Schuldners oder, falls die Anschrift geschützt ist, Geburtsort und Geburtsdatum des Schuldners, wenn er eine natürliche Person ist, unabhängig davon, ob er eine selbstständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt (lit. f);



ggf. Name, Postanschrift oder E-Mail-Adresse des Restrukturierungsbeauftragten (lit. g);



ggf. das Datum der Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG oder Datum der Rechtskraft des Beschlusses über die Planbestätigung, wohl aber auch das Datum, an dem die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens aus anderen Gründen ihre Wirkung verliert, namentlich wenn der Schuldner die Anzeige zurücknimmt oder seit der Anzeige sechs Monate oder, sofern der Schuldner die Anzeige zuvor erneuert hat, zwölf Monate vergangen sind, § 31 Abs. 4 Nr. 1 und 4 StaRUG (lit. i);



die Angabe des Restrukturierungsgerichts, das nach Art. 102c § 4 EGInsO und § 40 Abs. 1 Satz 2 StaRUG für die sofortige Beschwerde zuständig ist; ferner die Angabe, dass es sich um eine Notfrist von zwei Wochen handelt und die Frist mit Verkündung der Entscheidung des Restrukturierungsgerichts zu laufen beginnt (lit. j).

39 Lediglich die in Art. 24 Abs. 2 lit. h EuInsVO genannte Frist für die Anmeldung der Forderungen bzw. ein Verweis auf die Kriterien für die Berechnung dieser Frist sind für deutsche öffentliche Restrukturierungssachen nicht einschlägig, da diese im Unterschied zum deutschen Insolvenzverfahren keine Forderungsanmeldung kennen.62) Durch das vorangestellte Wort „gegebenenfalls“ wird diesem Umstand vom europäischen Gesetzgeber bereits Rechnung getragen.63) Von dieser Bekanntmachung sind Veröffentlichungen im Restrukturierungsforum des Bundesanzeigers zu unterscheiden (vgl. § 87 Abs. 1 StaRUG), ___________ 61) So die ganz h. M.; Sabel, NZI 2004, 126, 127; Mankowski, KTS 2011, 185, 211; Paulus, EuInsVO, Art. 33 Rz. 16; Oberhammer in: Bork/van Zwieten, EIR, Art. 33 Rz. 14; Mock in: BeckOK-InsR, Art. 33 EuInsVO Rz. 13; Müller in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 33 Rz. 20; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 20, Art. 33 EuInsVO Rz. 17. 62) Skauradszun, KTS 2021, 1, 13. 63) Müller in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 24 Rz. 17.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

die auf der Internetseite www.bundesanzeiger.de/pub/de/restrukturierungsforum einsehbar sind. 2.5

Rechtsmittel nach § 84 Abs. 2 Satz 3 StaRUG i. V. m. Art. 102c § 4 EGInsO

Nach § 84 Abs. 2 Satz 3 StaRUG ist Art. 102c § 4 EGInsO entsprechend anwendbar und 40 konkretisiert den von Art. 5 Abs. 1 EuInsVO vorgesehenen autonomen Rechtsbehelf. Eine sofortige Beschwerde ist demnach, wie auch schon der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 EuInsVO hervorhebt, nur dann möglich, wenn es sich um die erste Entscheidung bezüglich eines Hauptrestrukturierungsrahmens (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) handelt und sofern sich die sofortige Beschwerde gegen die vom Gericht i. R. der ersten Entscheidung angenommene internationale Zuständigkeit richtet. Die sofortige Beschwerde ist nur für die Fälle einer positiven Entscheidung des Gerichts 41 zulässig,64) d. h. nur dann, wenn das Gericht dem Antrag stattgibt. In diesem Fall braucht der Schuldner den Rechtsbehelf jedoch nicht. Weist das Gericht den Antrag des Schuldners (§ 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) hingegen zurück, da es sich nicht für international zuständig hält, so steht dem Schuldner sowie auch den Gläubigern gegen diese Entscheidung nicht die sofortige Beschwerde zu. Handelt es sich bei der negativen ersten Entscheidung des Gerichts allerdings um die Entscheidung über den Antrag auf Bestätigung des Restrukturierungsplans oder Erlass einer Stabilisierungsanordnung, so enthält das StaRUG selbst Vorschriften, die dem Schuldner die sofortige Beschwerde ermöglichen, nämlich für den Fall der Stabilisierungsanordnung in § 51 Abs. 5 Satz 2 StaRUG und für den Fall der Planbestätigung in § 66 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. In diesen Fällen ist die sofortige Beschwerde nicht nur statthaft, um die fehlende internationale Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts zu rügen, sondern auch aus anderen Gründen. Besondere Bedeutung kommt der sowohl in Art. 5 Abs. 1 EuInsVO als auch in der deut- 42 schen Durchführungsvorschrift Art. 102c § 4 Satz 1 EGInsO enthaltenen Formulierung zu, dass die sofortige Beschwerde neben dem Schuldner auch jedem Gläubiger zusteht. Die Normen haben hier Gesamtverfahren im Blick, die sämtliche Gläubiger einbeziehen und der Bewältigung des Common-Pool-Problems dienen, wie es bspw. beim deutschen Insolvenzverfahren der Fall ist, welches aufgrund von Insolvenzreife eröffnet wurde.65) Bezüglich der neu geschaffenen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen passt dieser Gedanke jedoch nicht, da es dem Schuldner hierbei gestattet ist, selbst auszuwählen welche Planbetroffenen er in seinen Restrukturierungsplan einbeziehen will. § 8 Satz 1 StaRUG schränkt den Spielraum des Schuldners zwar insofern ein, dass die Auswahl der Planbetroffenen nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen hat, Dennoch unterscheidet sich die Situation der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen als teilkollektives Verfahren von einem Gesamtverfahren.66) Da im Stadium der lediglich drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO auch noch kein Common-Pool-Problem besteht,67) sondern es primär um die Überwindung des Holdout-Problems geht, müssen Stabilisierungs- und Restrukturie-

___________ 64) Mankowski in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 5 Rz. 4. 65) Im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit liegt noch keine Insolvenzreife vor, sondern erst im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung; s. unten Rz. 51, und Kuntz, ZIP 2021, 597. 66) Zwar kann sich eine Stabilisierungsanordnung gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 StaRUG gegen alle Gläubiger richten, schon der Katalog der ausgenommenen Rechtsverhältnisse in § 4 StaRUG offenbart allerdings, dass es sich grundsätzlich nicht um Gesamtverfahren handelt, Bork, ZRI 2021, 345, 347; Schelo, WM 2022, 556, 558. Zum Spagat zwischen teilkollektiven Verfahren und Quasi-Gesamtverfahren Skauradszun, KTS 2021, 1, 39 ff. 67) Bork, ZRI 2021, 345, 348, nimmt schon ein Common-Pool-Problem an.

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rungsrahmen schon aufgrund dieser theoretischen Konzeption keine Gesamtverfahren sein.68) 43 Angesichts dieser wesentlichen Unterschiede wäre eine wortlautgetreue Auslegung der entsprechenden Normen nicht stimmig. Solchen Gläubigern, die von der Entscheidung des Gerichts nicht betroffen sind, muss nicht das Recht einer sofortigen Beschwerde eingeräumt werden. Eine weite Auslegung des Personenkreises der beschwerdeberechtigten Gläubiger würde dem Grundgedanken der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zuwiderlaufen, da somit nicht betroffenen Gläubigern das Einnehmen einer Holdout-Position gestattet werden würde, obwohl Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen gerade diese Problematik überwinden wollen. Es bedarf also einer engen Auslegung, nach der nicht jeder Gläubiger eine sofortige Beschwerde einlegen kann, sondern nur diejenigen Gläubiger, die durch den Restrukturierungsplan oder eine ggf. ergangene Stabilisierungsanordnung betroffen sind.69) 44 Die Öffnungsklausel des Art. 5 Abs. 2 EuInsVO hätte es dem deutschen Gesetzgeber auch gestattet, weiteren Verfahrensbeteiligten das Recht einer sofortigen Beschwerde zu gewähren. Von dieser Möglichkeit wurde allerdings kein Gebrauch gemacht. Da der Schuldner jedoch beschwerdeberechtigt ist, kann für die Anteilsinhaber je nach Rechtsform die Möglichkeit bestehen, entsprechend Einfluss auf das Vertretungsorgan des Schuldners zu nehmen. 45 Die sofortige Beschwerde ist bei dem Restrukturierungsgericht einzulegen. Dies folgt weder aus § 84 Abs. 2 Satz 3 StaRUG noch aus Art. 102c § 4 EGInsO, ergibt sich jedoch aus der allgemeinen Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, die für alle Fälle anwendbar ist, in denen das StaRUG die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde wird hier zwar nicht durch das StaRUG selbst angeordnet, sondern durch Art. 102c § 4 EGInsO, auf den § 84 Abs. 2 Satz 3 StaRUG verweist, § 40 Abs. 1 Satz 2 StaRUG dürfte hier aber als sachnähere Vorschrift der allgemeinen Vorschrift des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgehen, sodass die alternative Einlegung beim Beschwerdegericht nicht möglich ist.70) 46 Eine Frist des Rechtsbehelfs ist von Art. 5 EuInsVO nicht vorgegeben. Dementsprechend gilt diesbezüglich gemäß § 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 569 Abs. 1 ZPO die allgemeine Regelung zur sofortigen Beschwerde, mithin eine Frist von zwei Wochen. Es handelt sich hierbei um eine Notfrist, weshalb weder eine Verlängerung noch eine Fristkürzung möglich ist (§ 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 224 Abs. 1 ZPO).71) Den Beginn der Beschwerdefrist bestimmt wiederum § 40 Abs. 2 StaRUG, wonach diese im Regelfall mit der Verkündung der ersten Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG beginnt.72) Wird die Entscheidung nach § 572 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO dem Beschwerdegericht vorgelegt, obliegt diesem nach § 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Prüfung, ob der Beschwerdeführer die gesetzliche Frist gewahrt hat.

___________ 68) Ausführlich dazu Skauradszun, KTS 2021, 1, 3 ff. 69) Skauradszun/Kümpel in: BeckOK-InsR, Art. 102c § 4 EGInsO Rz. 18.1. Auch Inhaber von Anteilsoder Mitgliedschaftsrechten sind nicht rechtsmittelberechtigt, ausführlich dazu ebd., Rz. 18 ff. 70) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 40 Rz. 24; so auch bezogen auf § 6 Abs. 1 Satz 2 InsO Skauradszun/ Kümpel in: BeckOK-InsR, Art. 102c § 4 EGInsO Rz. 9, sowie J. Schmidt in: Jaeger, InsO, Art. 102c § 4 EGInsO Rz. 19. 71) Möglich ist allerdings eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 233 ZPO, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Notfrist einzuhalten. 72) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 40 Rz. 26. Auch hier geht § 40 Abs. 2 StaRUG dem § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO als sachnähere Vorschrift vor; vgl. in Bezug auf § 6 Abs. 2 InsO Skauradszun/Kümpel in: BeckOK-InsR, Art. 102c § 4 EGInsO Rz. 8 m. w. N.

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Auch für die Form der sofortigen Beschwerde gelten mangels Regelung des Art. 5 EuInsVO 47 über den Verweis des § 38 Satz 1 StaRUG die entsprechenden Vorschriften der ZPO, hinsichtlich der Form also § 569 Abs. 2 ZPO. Demnach wird die Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift beim Restrukturierungsgericht eingelegt. Ferner ist das Einlegen der Beschwerde nach § 569 Abs. 3 ZPO auch durch eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle möglich. Auch die Form hat das Beschwerdegericht im Falle einer Vorlage nach § 572 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO von Amts wegen zu prüfen (§ 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts über die sofortige Beschwerde steht nach 48 Art. 102c § 4 Satz 2 EGInsO die Rechtsbeschwerde als Rechtsmittel zur Verfügung. Die §§ 574 bis 577 ZPO gelten entsprechend. Der Verweis ist aber nicht so zu verstehen, dass die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes zugelassen ist. Vielmehr muss sie das Gericht in seinem Beschluss ausdrücklich zulassen.73) 3.

Anwendung der EuInsVO auf deutsche öffentliche Restrukturierungssachen

3.1

Anwendungsbereich der EuInsVO

Die erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG fungiert als Eröffnungsent- 49 scheidung (siehe oben Rz. 22 f.),74) weshalb es sich ab diesem Moment um ein öffentliches Verfahren i. S. der EuInsVO handelt. Maßgeblich ist insofern nicht erst der Zeitpunkt der Bekanntmachung der Entscheidung. Neben dem Merkmal der Öffentlichkeit schränkt Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO den 50 Anwendungsbereich der Verordnung aufgrund eines weiteren Merkmals ein, weil es sich zudem um ein Gesamtverfahren handeln muss. Da dem Schuldner nach § 8 StaRUG ein gewisser Spielraum bei der Auswahl der Planbetroffenen zukommt und die in § 4 StaRUG genannten Rechtsverhältnisse einer Gestaltung grundsätzlich nicht zugänglich sind, handelt es sich bei deutschen Restrukturierungssachen zwar – im Gegensatz zu deutschen Insolvenzverfahren – nicht um Gesamtverfahren,75) die in Art. 2 Nr. 1 EuInsVO enthaltene Definition des Begriffs der Gesamtverfahren erfasst allerdings auch solche Verfahren, die zwar nicht alle, aber zumindest einen wesentlichen Teil der Gläubiger einbeziehen. Insofern handelt es sich bei deutschen öffentlichen Restrukturierungssachen um öffentliche Gesamtverfahren i. S. der EuInsVO, sodass der Anwendungsbereich eröffnet ist. Nach ErwG 14 Satz 2 EuInsVO sollen insbesondere solche Verfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, die lediglich Finanzgläubiger einbeziehen. Nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO kann ein Verfahren i. S. der Verordnung auch eingeleitet werden, wenn lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz besteht und Ziel des Verfahrens nicht die Liquidation, sondern die Erhaltung des Schuldners ist, was auf deutsche Restrukturierungssachen zutrifft. Da deutsche öffentliche Restrukturierungssachen in Anhang A der EuInsVO aufgenommen 51 wurden, ist der Anwendungsbereich der EuInsVO jedenfalls eröffnet, unabhängig davon, ob der Schuldner tatsächlich alle oder zumindest einen wesentlichen Teil der Gläubiger einbezieht. Anhang A kommt insofern eine konstitutive Wirkung zu.76) Da der europäi___________ 73) Ausführlich zur Begründung und weit. Nachw. Skauradszun/Kümpel in: BeckOK-InsR, Art. 102c § 4 EGInsO Rz. 12. 74) Begr. RegE SanInsFoG z. § 91 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 179. 75) Bork, ZRI 2021, 345, 347. Die Restrukturierungsverfahren können aber durchaus gesamtverfahrensartige Züge aufweisen, ausführlich dazu Skauradszun, KTS 2021, 1, 39 ff. 76) Brinkmann in: Brinkmann, EIR, Art. 1 Rz. 4; Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 65; Eidenmüller, (2018) 92 Am Bankr LJ, 53, 58; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 656.

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sche Gesetzgeber diesen Weg für teilkollektive präventive Restrukturierungsrahmen bei lediglich wahrscheinlicher Insolvenz (vgl. Art. 1, 4, 2 Abs. 2 lit. b der Restrukturierungsrichtlinie) selbst aufgezeigt hat (ErwGe 12 bis 14 der Restrukturierungsrichtlinie, siehe oben Rz. 3)77), überrascht die Aufnahme zahlreicher präventiver Restrukturierungsrahmen der Mitgliedstaaten in Anhang A nicht. Diskussionswürdig ist in diesem Zusammenhang lediglich die Frage, inwiefern die vom deutschen Gesetzgeber als Zugangsvoraussetzung gewählte drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO als wahrscheinliche Insolvenz i. S. der Restrukturierungsrichtlinie geeignet ist. ErwG 24 Satz 2 der Restrukturierungsrichtlinie sieht vor, dass präventive Restrukturierungsrahmen zur Verfügung stehen, bevor der Schuldner nach nationalem Recht die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens erfüllt, das die Insolvenz des Schuldners voraussetzt. Im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit stand es Schuldnern jedoch auch vor Einführung der präventiven Restrukturierungsrahmen schon offen, den Weg in ein Insolvenzverfahren zu wählen.78) Die Bundesrepublik Deutschland hat hier vermutlich dahingehend argumentiert, dass die deutsche Umsetzung der Zugangsvoraussetzung mit Art. 2 Abs. 2 lit. b der Restrukturierungsrichtlinie vereinbar ist und der lediglich drohend zahlungsunfähige Schuldner noch nicht insolvent ist, obgleich ihm der Weg in ein Insolvenzverfahren offensteht.79) 52 Nichtsdestotrotz wurde die deutsche öffentliche Restrukturierungssache durch die Verordnung (EU) 2021/226080) mit Wirkung vom 9.1.2022 in Anhang A aufgenommen, sodass die Frage, inwiefern die deutsche Umsetzung den Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie gerecht wird und auch den Anforderungen der EuInsVO gerecht wird, insofern nur noch von akademischem Interesse ist und nur noch theoretisch i. R. des ordre-public-Vorbehalts des Art. 33 EuInsVO eine Rolle spielen könnte. 3.2

Bestimmung des anwendbaren Rechts

53 Betreffend deutsche öffentliche Restrukturierungssachen sind für die Bestimmung des anwendbaren Rechts die Art. 7 bis 18 EuInsVO maßgeblich.81) Wird kein Antrag i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG gestellt und die Restrukturierungssache somit nicht öffentlich betrieben, gilt dies allerdings nicht (siehe dazu Rz. 90 ff.). 3.2.1 Grundsatz nach Art. 7 Abs. 1 EuInsVO 54 Nach dem in Art. 7 Abs. 1 EuInsVO verankerten lex-fori-concursus-Grundsatz ist für deutsche öffentliche Restrukturierungssachen und ihre Wirkungen deutsches Recht anzuwenden, wenn eine erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG im Hoheitsgebiet der Bun___________ 77) S. zum Verhältnis der „wahrscheinlichen Insolvenz“ in Art. 1, 4, 2 Abs. 2 lit. b der Restrukturierungsrichtlinie und der „Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz“ in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO Skauradszun/ Nijnens, ICR 2019, 193, 200; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 16; Nijnens in: Harmsen/Reumers, De WHOA: van wet naar recht, 12.3.1.5. 78) Krit. zur Vereinbarkeit der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Zugangsvoraussetzung mit den Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie etwa H.-F. Müller, ZGR 2018, 56, 62; Skauradszun, KTS 2019, 161, 166. Die a. A. hält die drohende Zahlungsunfähigkeit – insbesondere mit dem Argument, dass es sich hierbei nur um einen noch vor der eigentlichen Insolvenz angesiedelten Vorfeldtatbestand handelt – für eine geeignete, nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie stehende Zugangsvoraussetzung Stohrer, ZInsO 2018, 660, 662; Freitag, ZIP 2019, 541, 546 f.; Eidenmüller in: MünchKommInsO, Vorb. §§ 217 bis 269 Rz. 78. 79) Krit. dazu, dass auch ein noch nicht insolventer Schuldner die Voraussetzungen für ein Insolvenzverfahren erfüllt, Skauradszun, KTS 2021, 1, 51. 80) Verordnung (EU) 2021/2260 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Ersetzung der Anhänge A und B, ABl. L 455/4 v. 20.12.2021. 81) J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 656.

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desrepublik Deutschland getroffen wurde. Wird die „Verfahrenseröffnung“ jedoch in einem anderen Mitgliedstaat vollzogen, so ist entsprechend dessen Recht anzuwenden. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO erfasst alle Wirkungen des Insolvenzverfahrens, mithin sowohl verfahrensrechtliche als auch materiell-rechtliche Wirkungen.82) Gleiches gilt für Restrukturierungsrahmen. 3.2.2 Anwendung des Katalogs aus Art. 7 Abs. 2 EuInsVO auf Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO richten sich die Voraussetzungen, unter denen das 55 Verfahren „eröffnet“ wird, ebenso wie die Durchführung und die Beendigung des Verfahrens nach dem Recht des Staates der „Verfahrenseröffnung“. Art. 7 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO enthält einen Katalog, der die sachliche Reichweite des Re- 56 strukturierungsstatuts83) konkretisiert. Umfasst sind folgende Regelungsgegenstände, wobei in Klammern jeweils die entsprechenden Regelungen des StaRUG genannt sind: 

bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist (vgl. die Restrukturierungsfähigkeit nach § 30 StaRUG) (Abs. 2 Satz 2 lit. a);



welche Vermögenswerte zur Insolvenzmasse gehören und wie die nach der Verfahrenseröffnung vom Schuldner erworbenen Vermögenswerte zu behandeln sind (da es in Restrukturierungsrahmen keine Insolvenzmasse gibt, gelten die allgemeinen Regelungen zum (Gesellschafts-)Vermögen des Schuldners; wird hingegen ein Sekundärrestrukturierungsrahmen eröffnet, erhält Art. 7 Abs. 2 lit. b EuInsVO eine Bedeutung für die Frage, welche Vermögenswerte zum Haupt- und welche zum Sekundärrestrukturierungsrahmen gehören, vgl. Art. 34 Satz 3 EuInsVO) (lit. b);



die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters (vgl. die Rechtsstellung des Restrukturierungsbeauftragten nach §§ 75 f. und 78 Abs. 3, 79 StaRUG) (lit. c);



die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung (weder § 44 StaRUG betreffend Lösungsklauseln noch § 55 StaRUG zu den vertragsrechtlichen Wirkungen sperren die Aufrechnung in Restrukturierungssachen84)) (lit. d);



wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt (dies betrifft die Gestaltung von Einzelbestimmungen und gleichlautenden Bedingungen nach § 2 Abs. 2 StaRUG, § 44 StaRUG zu den Lösungsklauseln und § 55 StaRUG zu den vertragsrechtlichen Wirkungen, wenn eine Stabilisierungsanordnung erlassen wurde) (lit. e);



wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten (vgl. insbesondere die Vollstreckungssperre als Stabilisierungsanordnung nach §§ 49 ff. StaRUG) (lit. f);



die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Vermögens, den Rang der Forderungen und die Rechte der Gläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines dinglichen Rechts oder infolge einer Aufrechnung teilweise befriedigt wurden (öffentliche Restrukturierungssachen müssen keine Verwertung des Vermögens vorsehen; Vorschriften zum Rang der Forderungen und Rechte finden sich u. a. in §§ 9, 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) (lit. i);

___________ 82) Vgl. Müller in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 7 Rz. 8; Brinkmann in: K. Schmidt, InsO, Art. 7 EuInsVO Rz. 5. 83) Ausführlich zu dem Begriff des Statuts i. R. des Art. 7 EuInsVO Müller in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 7 Rz. 12. 84) Bork, ZRI 2021, 345, 351.

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die Voraussetzungen und die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Vergleich (erfasst sind insbesondere § 31 Abs. 4, § 33 und §§ 67 ff. StaRUG) (lit. j);



die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens (erfasst sind etwa § 17 Abs. 1 und §§ 67 ff. StaRUG) (lit. k);



wer die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der Auslagen zu tragen hat (Vorschriften über die Kosten der Restrukturierungssache finden sich etwa in §§ 80 bis 83 StaRUG betreffend die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten und durch den Verweis in § 38 Satz 1 StaRUG auf die ZPO in den §§ 91 ff. ZPO sowie § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) (lit. l);



welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen (erfasst sind etwa die §§ 89 bis 91 StaRUG, die einen speziellen Anfechtungs- und Haftungsschutz vorsehen) (lit. m).

57 Nicht auf deutsche öffentliche Restrukturierungssachen übertragbar sind Art. 7 Abs. 2 Satz 2 lit. g und h EuInsVO, betreffend die Anmeldung, Prüfung und Feststellung der Forderungen. Eine Forderungsanmeldung kennt das StaRUG nicht, auch eine Prüfung und Feststellung der Forderungen findet nicht statt. Der Schuldner hat lediglich zu bestimmen, welche Forderungen er in welcher Höhe in den Restrukturierungsplan einbeziehen will.85) 3.2.3 Keine Gestaltung dinglicher Rechte an im Ausland belegenen Gegenständen 58 Nach Art. 8 EuInsVO werden dingliche Rechte an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners von der „Verfahrenseröffnung“ nicht berührt, wenn sich die entsprechenden Gegenstände zu diesem Zeitpunkt, also im Moment der ersten Entscheidung des Restrukturierungsgerichts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates befinden. 59 Im ersten Schritt ist hierbei zu klären, ob überhaupt ein dingliches Recht i. S. des Art. 8 EuInsVO vorliegt. Ist dies nicht der Fall, ist der Anwendungsbereich der Norm schon nicht eröffnet und das Recht insofern nicht vor einer Gestaltung geschützt. Die Qualifizierung als dingliches Recht richtet sich dabei nicht nach Art. 8 EuInsVO selbst,86) sondern nach Internationalem Sachenrecht und somit in der Regel nach dem Recht des Belegenheitsstaates (lex rei sitae).87) 60 Art. 8 Abs. 2 EuInsVO zählt nicht abschließend88) verschiedene Rechte auf, die europarechtlich als dingliches Recht i. S. von Art. 8 EuInsVO zu qualifizieren sind, nämlich: 

das Recht, den Gegenstand zu verwerten oder verwerten zu lassen und aus dem Erlös oder den Nutzungen dieses Gegenstands befriedigt zu werden, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts oder einer Hypothek (lit. a);



das ausschließliche Recht, eine Forderung einzuziehen, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts an einer Forderung oder aufgrund einer Sicherungsabtretung dieser Forderung (lit. b);

___________ 85) Begr. RegE SanInsFoG z. § 77 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 167. 86) Von einer unionsautonomen Definition des Begriffs des dinglichen Rechts wurde bewusst abgesehen; s. dazu J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 8 Rz. 9. 87) EuGH v. 26.10.2016 – Rs. C-195/15 (SCI Senior Home), Rz. 18, EuZW 2016, 944; Bork in: KPB, InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 25; Dahl/Kortleben in: Brinkmann, EIR, Art. 8 Rz. 8; Skauradszun, NZI 2019, 965, 968. 88) Der Katalog hat nur Regelbeispielcharakter; J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 8 Rz. 14.

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das Recht, die Herausgabe von Gegenständen von jedermann zu verlangen, der diese gegen den Willen des Berechtigten besitzt oder nutzt (lit. c);



das dingliche Recht, die Früchte eines Gegenstands zu ziehen (lit. d).

Liegt nach dem anwendbaren Sachenrecht ein dingliches Recht vor, so ist diesbezüglich 61 Art. 8 Abs. 1 EuInsVO anwendbar und der Inhaber des Rechts vor einer Gestaltung gegen seinen Willen89) geschützt. Art. 8 EuInsVO stellt nach herrschender Meinung eine Sachnorm dar, sodass sich die Rechtsfolge direkt aus ihr ergibt.90) Das dingliche Recht kann aufgrund dessen grundsätzlich von den Wirkungen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, insbesondere den Instrumenten nach § 29 StaRUG, gegen den Willen des Inhabers des dinglichen Rechts nicht berührt werden.91) Es kann folglich weder einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan unterworfen werden noch wird es von einer ggf. ergangenen Stabilisierungsanordnung nach § 49 StaRUG erfasst. Ergeht also eine erste Entscheidung eines deutschen Restrukturierungsgerichts i. R. einer 62 grenzüberschreitenden Restrukturierung nach den Vorschriften des StaRUG, so kann bspw. bezogen auf den eingangs dargestellten Beispielsfall (siehe Rz. 1) eine Grundschuld an einem spanischen Hotelgrundstück als dingliches Recht (Art. 8 Abs. 2 lit. a EuInsVO; lit. a erfasst auch Grundschulden)92) nicht gestaltet werden. 3.3

Anerkennung der Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten

Da die deutschen öffentlichen Restrukturierungssachen in Anhang A der EuInsVO aufge- 63 nommen wurden, sind auf diese Verfahren sämtliche Vorschriften der EuInsVO anwendbar, mithin auch solche zur wechselseitigen Anerkennung der Entscheidungen in den Mitgliedstaaten. Für die erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG als Eröffnungsentscheidung 64 folgt die Anerkennung in allen übrigen Mitgliedstaaten aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO.93) Für alle sonstigen Entscheidungen existiert mit Art. 32 EuInsVO eine weitere Norm, welche die wechselseitige Anerkennung regelt.94) Unter diese Entscheidungen können die Stabilisierungsanordnungen nach § 49 StaRUG, die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 StaRUG bzw. § 77 StaRUG ebenso wie die Planbestätigung nach §§ 60, 65 StaRUG fallen. Die Entscheidungen über die gerichtliche Planabstimmung und die Vorprüfung sind zwar formal anerkennungsfähig, da mit diesen Entscheidungen aber keine materiellen Eingriffe verbunden sind, gibt es bei diesen Entscheidungen kein vergleichbares Bedürfnis nach einer Anerkennung in den übrigen Mitgliedstaaten. Bezogen auf den dargestellten Beispielsfall (siehe Rz. 1) würde eine Stabilisierungsanordnung 65 mit Wirkung gegen sämtliche Finanzgläubiger dazu führen, dass die österreichische Bank, die den Überbrückungskredit als Teil des Bankenkonsortiums gewährt hatte, nicht in der Lage ist, in Österreich ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnen zu lassen (Art. 2 Nr. 10, Art. 3 Abs. 2, Art. 34 EuInsVO). Dies wäre der Fall, da das zuständige österreichische Gericht die Stabilisierungsanordnung nach Art. 19 EuInsVO bzw. nach Art. 32 EuInsVO anerkennen muss, wobei sich die Wirkungen der Stabilisierungsanordnung gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. f EuInsVO (siehe ___________ 89) Zur Disponibilität Mock in: BeckOK-InsR, Art. 8 EuInsVO Rz. 2. 90) Bork in: KPB, InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 29; Dahl/Kortleben in: Brinkmann, EIR, Art. 11 Rz. 26; Liersch in: Vallender, EuInsVO, Art. 8 Rz. 2; Mock in: BeckOK-InsR, Art. 8 EuInsVO Rz. 13; Skauradszun, NZI 2019, 965, 968. 91) So in allgemeiner Form Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 17a; Knof in: Uhlenbruck, InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 27, 41. 92) Brinkmann in: K. Schmidt, InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 6. 93) J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 656. 94) J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 656.

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Rz. 56) nach deutschem Recht bestimmen. Aufgrund der Regelung des § 58 StaRUG ist das Verfahren über den Antrag der österreichischen Bank, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, für die Anordnungsdauer auszusetzen. 66 Wird der Restrukturierungsplan, der eine Kürzung der Forderung der österreichischen Bank vorsieht,95) schließlich vom deutschen Restrukturierungsgericht bestätigt und entfaltet somit Bindungswirkung gegenüber allen, sprich auch gegenüber den dissentierenden Planbetroffenen, so hat das österreichische Gericht ebenso die Entscheidung des deutschen Restrukturierungsgerichts und damit die Gestaltungswirkung des Plans anzuerkennen und dürfte der österreichischen Bank im Falle einer etwaigen Klage nicht mehr die Forderung i. H. des ungekürzten Nominalbetrags zusprechen. 3.4

Vollstreckung der Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten

67 Neben der Anerkennung sonstiger Entscheidungen regelt Art. 32 EuInsVO auch die Vollstreckung der Entscheidungen, die sich nach den Art. 39 bis 44 und 47 bis 57 Brüssel Ia-VO96) richtet. Für die Anwendung des Art. 32 EuInsVO ist es unerheblich, ob es sich um eine Haupt- oder um eine Sekundärrestrukturierungssache handelt.97) Bei dem Verweis auf die entsprechenden Vorschriften der Brüssel Ia-VO wird nicht lediglich auf die Rechtsfolgen der Normen verwiesen, sondern es handelt sich um eine Rechtsgrundverweisung, d. h. auch der Tatbestand der jeweiligen Norm muss erfüllt sein.98) 68 Nach Art. 39 Brüssel Ia-VO ist eine Entscheidung in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es hierfür einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Die Entscheidungen sind in den übrigen Mitgliedstaaten insofern wie inländische zu behandeln.99) Gemäß Art. 42 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO ist der zuständigen Vollstreckungsbehörde im anderen Mitgliedstaat allerdings eine Bescheinigung nach Formblatt Anhang I der Brüssel Ia-VO vorzulegen (Art. 53 Brüssel Ia-VO), da die Entscheidung in diesem Staat vollzogen werden soll, was nur durch die dortigen Vollstreckungsorgane möglich ist. Das Formblatt ersetzt dabei die Vorlage der zu vollstreckenden Entscheidung und stellt damit das wesentliche Dokument dar.100) Neben dem Tenor der Entscheidung soll das Formblatt solche Informationen enthalten, die für die ausländischen Vollstreckungsorgane relevant sind.101) Sofern die zuständige Vollstreckungsbehörde dies verlangt, hat der Antragsteller nach Art. 42 Abs. 3 und 4 Brüssel Ia-VO zudem eine Übersetzung des Formblatts vorzulegen. 69 Art. 41 Abs. 1 Brüssel Ia-VO regelt, nach welcher Rechtsordnung sich das Vollstreckungsverfahren im EU-Ausland richtet. Schon allein aus dem Grund, dass die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols nur auf dem jeweiligen Staatsgebiet in Betracht kommt, kann hier kein Weg am Recht dieses Staates vorbeiführen. Dem Schuldner ist in einem solchen Fall zu empfehlen, sich zunächst mit dem Vollstreckungsrecht dieses Staates zu befassen bzw. diesbezüglich Rechtsrat einzuholen.102) ___________ 95) Ausführlich zur Frage, wann Forderungen eines Kreditkonsortiums überhaupt einer Gestaltung durch den Restrukturierungplan zugänglich sind, Skauradszun/Kümpel, WM 2021, 1122. 96) Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), ABl. L 351/1 v. 20.12.2020. 97) So zu Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 3 m. w. N. 98) Paulus, EuInsVO, Art. 32 Rz. 20; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 19. 99) Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 39 EuGVVO Rz. 1. 100) Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 53 EuGVVO Rz. 1. 101) Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 53 EuGVVO Rz. 1; ausführlich zum Inhalt der Bescheinigung Ulrici in: BeckOK-ZPO, Art. 53 Brüssel Ia-VO Rz. 16 ff. 102) Vgl. BGH v. 2.6.2022 – IX ZB 60/21, Rz. 9 f., ZIP 2022, 1619 = BeckRS 2022, 14135 – zur Möglichkeit, das Vollstreckungsverfahren im ersuchten Mitgliedstaat auf Sicherungsmaßnahmen zu beschränken u. a.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Einlegen eines Vollstreckungs- 70 rechtsbehelfs verhindern. Eine etwaige Versagung der Vollstreckung wird nicht nach Art. 44 Abs. 1 i. V. m. Art. 46 i. V. m. Art. 45 Brüssel Ia-VO, sondern nach Art. 33 Alt. 2 EuInsVO geprüft, also gefragt, ob die Vollstreckung offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar ist (ordre-public-Vorbehalt). Denn Art. 32 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO nimmt Art. 45 und Art. 46 Brüssel Ia-VO nicht in Bezug.103) Eine Versagung der Vollstreckung aus diesem Grund kommt allerdings nur in Betracht, wenn ein offensichtlicher Verstoß gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates gegeben ist.104) 3.5

Restrukturierungsbeauftragter als Verwalter i. S. des Art. 2 Nr. 5 EuInsVO

Der Begriff des Verwalters wird in Art. 2 Nr. 5 EuInsVO definiert. Der Ausdruck bezeich- 71 net demnach jede Person oder Stelle, die etwa die Vertretung der Gesamtinteressen der Gläubiger (Ziff. ii) oder auch die Überwachung der Geschäftstätigkeit des Schuldners (Ziff. v) zur Aufgabe hat. Die Person oder Stelle muss dabei nicht sämtliche aufgezählten Funktionen übernehmen, sondern es reicht vielmehr, wenn mindestens eine der genannten Aufgaben in den Aufgabenbereich des Verwalters fällt.105) Die Personen und Stellen, die als Verwalter i. S. der EuInsVO zu klassifizieren sind, werden nach Art. 2 Nr. 5 Unterabs. 2 EuInsVO in Anhang B der Verordnung aufgeführt. Anhang B kommt hierbei, ebenso wie Anhang A (siehe oben Rz. 51), eine konstitutive Wirkung zu, sodass der in einer deutschen öffentlichen Restrukturierungssache bestellte Restrukturierungsbeauftragte als Verwalter i. S. der EuInsVO zu verstehen ist.106) Da der deutsche Restrukturierungsbeauftragte in Anhang B gelistet ist, gilt hinsichtlich 72 seiner Befugnisse insbesondere Art. 21 EuInsVO. Er ist folglich nach Art. 21 Abs. 1 EuInsVO dazu berechtigt, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats alle Befugnisse auszuüben, die ihm nach dem deutschen Recht nach § 76 bzw. § 79 StaRUG, zustehen.107) Dies gilt jedoch nicht mehr, wenn im anderen Mitgliedstaat ein Sekundärrestrukturierungsrahmen eröffnet wurde. Beantragt der Schuldner im eingangs dargestellten Beispielsfall (siehe Rz. 1) eine Stabilisie- 73 rungsanordnung (§ 49 StaRUG), die sich gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richtet, so hat das deutsche Restrukturierungsgericht in diesem Fall gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StaRUG von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen. Diesem kann das Gericht sodann nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b StaRUG die Befugnis übertragen, vom Schuldner zu verlangen, dass eingehende Gelder nur von ihm entgegengenommen und Zahlungen nur von ihm geleistet werden dürfen. Ist dies erfolgt, so darf der Restrukturierungsbeauftragte in sämtlichen Niederlassungen, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, eingehende Gelder entgegennehmen. Begleicht bspw. in der spanischen Niederlassung ein Lieferant seine offene Verbindlichkeit, so ist der Restrukturierungsbeauftragte auch dort zur Entgegennahme des Geldes befugt. Etwas anderes gilt erst dann, wenn in ___________ 103) Müller in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 32 Rz. 35; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 22. Hänel in: Vallender, EuInsVO, Art. 102c § 10 EGInsO Rz. 23, kommt hingegen auf Grundlage einer korrigierenden Auslegung des Verweises zu dem Schluss, dass auch eine Versagung auf Antrag des Schuldners in Betracht komme. 104) Reutershan in: Vallender, EuInsVO, Art. 32 Rz. 10. 105) J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 2 Rz. 12; Thole in: MünchKommInsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 16; die Mannigfaltigkeit dieser Begriffsbestimmung hervorhebend auch Fritz, DB 2015, 1882, 1884. 106) J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 2 Rz. 15; Thole in: MünchKommInsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 15. 107) Ausführlich Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 21 EuInsVO Rz. 6, 34.

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§ 14

3. Teil Verfahren

Spanien ein Sekundärrestrukturierungsrahmen eröffnet wurde. Sodann darf er die ihm in Deutschland zustehenden Befugnisse zumindest in diesem Mitgliedstaat nicht mehr ausüben. 3.6

Öffentliche Restrukturierungssachen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe

74 Vorschriften zu Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe finden sich in Kapitel V der EuInsVO. Die entsprechenden Vorschriften befassen sich zum einen mit der Zusammenarbeit und Kommunikation (Art. 56 bis 60 EuInsVO) sowie mit der Koordinierung der Verfahren (Art. 61 bis 77 EuInsVO). Eine Massekonsolidierung gibt es allerdings nicht,108) sondern die Vermögen der Mitglieder der Unternehmensgruppe bleiben in jedem Fall getrennt. 75 Auch auf öffentliche Restrukturierungssachen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe109) dürften die Vorschriften bezüglich der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Gerichten (Art. 57 EuInsVO), zwischen Verwaltern (Art. 56 EuInsVO) sowie zwischen Verwaltern und Gerichten (Art. 58 EuInsVO) anwendbar sein. Noch nicht geklärt ist allerdings, ob auch Art. 60 EuInsVO anwendbar ist, der dem Verwalter und damit dem Restrukturierungsbeauftragten besondere Befugnisse einräumt. Demnach könnte der Restrukturierungsbeauftragte zur Erleichterung einer effektiven Verfahrensführung nach Art. 60 Abs. 1 lit. b EuInsVO eine Aussetzung sämtlicher Verwertungsmaßnahmen bezogen auf alle Verfahren über das Vermögen von Mitgliedern derselben Unternehmensgruppe beantragen, sofern 

für alle oder einige dieser Mitglieder der Unternehmensgruppe ein Sanierungsplan (vgl. Art. 56 Abs. 2 lit. c EuInsVO) vorgeschlagen wurde und dieser hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art. 60 Abs. 1 lit. b Ziff. i EuInsVO),



die Aussetzung für die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung des Sanierungsplans notwendig ist (Ziff. ii),



der Sanierungsplan den Gläubigern des Verfahrens, für das die Aussetzung beantragt wird, zugutekäme (Ziff. iii) und



weder das Verfahren, für das der Verwalter bzw. Restrukturierungsbeauftragte bestellt wurde, noch das von der beantragten Aussetzung betroffene Verfahren einer Koordinierung (Art. 61 ff. EuInsVO) unterliegt (Ziff. iv).

76 Nicht zu den Voraussetzungen gehört hingegen, dass der Verwalter nach dem Recht, das in der betroffenen Restrukturierungssache des anderen Mitglieds derselben Unternehmensgruppe gilt, zu einem solchen Antrag berechtigt ist. Für deutsche Restrukturierungssachen ist der Restrukturierungsbeauftragte nach § 50 Abs. 1 StaRUG nicht zur Beantragung einer Aussetzung befugt. Dieses Recht steht vielmehr nur dem Schuldner selbst zu. Angesichts dessen ist zu klären, ob die Anwendung des Art. 60 EuInsVO hier zu stimmigen Ergebnissen führt, wenn die Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten in öffentlichen Restrukturierungssachen u. U. um nicht unerhebliche Befugnisse erweitert werden. Wird einem von einem nationalen Gericht bestellten Restrukturierungsbeauftragten in der EuInsVO ein Recht eingeräumt, geht diese Rechtsgrundlage dem nationalen ___________ 108) Vgl. in Ansätzen ErwG 54 Satz 2 EuInsVO; Art. 72 Abs. 3 EuInsVO; aus dem Schrifttum Madaus, Int. Insol. Rev. 2015, 235, 236; J. Schmidt in: Bork/van Zwieten, EIR, Art. 45 Rz. 3; H. Schmidt, KTS 2018, 1, 6; Skauradszun/Spahlinger in: Brinkmann, EIR, Art. 56 Rz. 1; Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 36; ausführlich dazu J. Schmidt, KTS 2015, 19: „eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz“. 109) Ausführlicher zu den Möglichkeiten, die das StaRUG für konzernweite Restrukturierungen bietet, Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085 ff.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

Recht vor. Es ist dann aufgrund der Normenhierarchie hinzunehmen, dass das europäische Recht ein über die nationalen Normen hinausgehendes Recht vorsieht. Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit öffentlichen Restrukturierungssachen 77 von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe stellt, ist die Frage nach der Zuständigkeit für öffentliche Restrukturierungssachen anderer gruppenangehöriger Schuldner bzw. wie sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zum Gruppen-Gerichtsstand nach § 37 Abs. 1 StaRUG verhält. Nach § 37 Abs. 1 StaRUG erklärt sich das angerufene Restrukturierungsgericht auf Antrag eines einer Unternehmensgruppe angehörenden Schuldners auch für die Restrukturierungssachen anderer gruppenangehöriger Schuldner, also für sog. Gruppen-Folgeverfahren, für zuständig, wenn diese anderen Schuldner jeweils einen zulässigen Antrag in der Restrukturierungssache gestellt haben und sie für die Unternehmensgruppe nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung sind. Bezüglich des Begriffes der Unternehmensgruppe hat der Gesetzgeber an dieser Stelle auf § 3e InsO verwiesen, der einen eigenständigen Begriff enthält.110) Wie die Frage nach dem Verhältnis des § 37 Abs. 1 StaRUG zur internationalen Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zu beurteilen ist, ist gegenwärtig noch nicht abschließend untersucht worden. Entsprechend der Normenhierarchie ist in jedem Fall zunächst die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zu prüfen, was aber nur dann in Betracht kommt, wenn der Schuldner einen Antrag i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG gestellt hat. Nur wenn demnach die Bundesrepublik Deutschland international zuständig ist, mithin der gruppenangehörige Schuldner seinen COMI in Deutschland hat (vgl. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO), kommt in Deutschland ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 37 Abs. 1 StaRUG in Betracht. In Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 EuInsVO knüpft auch § 3e InsO im Zusammenhang mit der Definition des Begriffes an den COMI des Schuldners an.111) Ein Unternehmen, das seinen COMI nicht ebenfalls im Inland hat, kann damit schon per Definition nicht Teil der Unternehmensgruppe sein. Für den eingangs dargestellten Beispielsfall (siehe Rz. 1) wäre ein solcher Gruppen-Gerichts- 78 stand also nicht möglich, da die französische Kapitalgesellschaft als Mehrheitsgesellschafterin des deutschen Touristikunternehmens ihren COMI in Frankreich hat und deutsche Gerichte insofern nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO nicht international zuständig sind. Gäbe es aus Sicht des deutschen Unternehmens jedoch noch eine Tochtergesellschaft, die ihren COMI in Dresden hat und an der das deutsche Touristikunternehmen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, so wären deutsche Gerichte nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO auch für eine öffentliche Restrukturierungssache dieses gruppenangehörigen Schuldners international zuständig und auch die Voraussetzung des § 3e Abs. 1 Nr. 1 InsO wären erfüllt, sodass hier ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 37 Abs. 1 StaRUG in Betracht kommen würde. 3.7

Sekundärrestrukturierungsrahmen nach Art. 3 Abs. 2 EuInsVO

Der europäische Gesetzgeber hat den nationalen Gesetzgebern in der Restrukturierungs- 79 richtlinie einen Weg aufgezeigt, wie über eine Aufnahme der jeweiligen präventiven Restrukturierungsrahmen der Mitgliedstaaten in Anhang A der EuInsVO diese Verordnung auf die entsprechenden Verfahren Anwendung finden kann (vgl. ErwGe 12 bis 13 der Restrukturierungsrichtlinie, siehe oben Rz. 3). Weitere Ausführungen des europäischen Gesetzgebers, etwa in Hinblick auf die Möglichkeit von Sekundärrestrukturierungsrahmen, sind der Restrukturierungsrichtlinie nicht zu entnehmen. Mit Aufnahme der entsprechenden ___________ 110) Gelbrich/Flöther in: BeckOK-InsR, § 3e InsO vor Rz. 1; der Gesetzgeber hat bewusst nicht etwa an den Konzernbegriff nach § 18 AktG bzw. Art. 2 Nr. 13 und 14 EuInsVO angeknüpft. 111) Es kann also auf die zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO entwickelten Grundsätze abgestellt werden; Gelbrich/ Flöther in: BeckOK-InsR, § 3e InsO Rz. 2 f.

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3. Teil Verfahren

Verfahren in Anhang A der EuInsVO sind jedenfalls sämtliche Vorschriften der Verordnung anwendbar und aus europarechtlicher Sicht scheint kein Grund ersichtlich zu sein, der einer Anwendung des Art. 3 Abs. 2 EuInsVO und damit der Möglichkeit von Sekundärrestrukturierungsrahmen entgegensteht.112) 80 Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäußert, allerdings mit dem Wortlaut des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StaRUG implizit zum Ausdruck gebracht, dass er von der Möglichkeit sekundärer Restrukturierungsrahmen ausgeht. Das Restrukturierungsgericht hat demnach in der ersten Entscheidung anzugeben, ob seine internationale Zuständigkeit auf Art. 3 Abs. 1 oder Abs. 2 EuInsVO beruht. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass Sekundärrestrukturierungsrahmen nicht in Betracht kommen, so hätte es keinen Bedarf für diese Unterscheidung gegeben. 3.7.1 Voraussetzungen und Folgen eines Sekundärrestrukturierungsrahmens 81 Art. 3 Abs. 2 EuInsVO regelt sowohl die Zuständigkeit in Hinblick auf Sekundärrestrukturierungsrahmen als auch die diesbezüglichen Voraussetzungen. Ein Sekundärrestrukturierungsrahmen in einem Mitgliedstaat ist demnach nur möglich, wenn der Schuldner über eine Niederlassung im Hoheitsgebiet dieses Staates verfügt, während sein COMI im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates liegt. Der Begriff der Niederlassung richtet sich dabei nach Art. 2 Nr. 10 EuInsVO. Eine Niederlassung meint demnach jeden Ort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht oder in den drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens nachgegangen ist, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten erfordert. Die in der Begriffsbestimmung enthaltene Drei-Monats-Frist ist im Zusammenhang mit der identischen Frist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 EuInsVO zu sehen und verfolgt ebenfalls den Zweck, missbräuchliches Forum Shopping zu verhindern.113) 82 Die Definition ist grundsätzlich weit auszulegen.114) Es muss jedenfalls eine wirtschaftliche Tätigkeit gegeben sein, die über die rein unternehmensinterne Sphäre hinausgeht und mit dem Einsatz von Personal eine Intensität erreicht, mit der zumindest auch ein Mindestmaß an betrieblicher Organisation einhergeht.115) 83 Bezogen auf den dargestellten Beispielsfall (siehe Rz. 1) ist also festzuhalten, dass die im EU-Ausland betriebenen Hotels aufgrund des damit verbundenen Personal- und Sachmitteleinsatzes zweifelsfrei die genannten Voraussetzungen erfüllen und somit als Niederlassung i. S. des Art. 2 Nr. 10 EuInsVO zu qualifizieren sind. Sofern das deutsche Touristikunternehmen auch Lagerstätten in anderen Mitgliedstaaten betreibt, können auch diese als Niederlassung i. S. der EuInsVO in Betracht kommen, falls zumindest stellenweise eine über die unternehmensinterne Sphäre hinausgehende wirtschaftliche Tätigkeit gegeben ist.116) ___________ 112) Von Sekundärrestrukturierungsrahmen gehen daher aus Lynch-Fannon/Gant, eurofenix Winter 2018/2019, S. 28; Nijnens, TvI 2019, 257, 265; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 17; Dammann in: Paulus/ Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 75; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 84 Rz. 15; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 656; Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1042; Nijnens in: Harmsen/ Reumers, De WHOA: van wet naar recht, 12.3.2; anders jedoch Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 88 Rz. 7, 12; Ch. Keller, ZInsO 2022, 733, 738. 113) J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 2 Rz. 48; J. Schmidt, KTS 2015, 19, 26. 114) Thole in: MünchKomm-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 10; J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 2 Rz. 50 m. w. N., s. dort auch Beispiele für Niederlassungen, etwa ein EinmannBüro (Rz. 59), sowie Beispiele, die nicht zur Begründung einer Niederlassung i. S. des Art. 2 Nr. 10 EuInsVO ausreichen (Rz. 60). 115) Thole in: MünchKomm-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 52 ff. 116) Thole in: MünchKomm-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 52; krit. zur Qualifizierung einer Lagerstätte als Niederlassung i. S. des Art. 2 Nr. 10 EuInsVO Kindler in: MünchKomm-BGB, Art. 2 EuInsVO Rz. 23.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

Wird ein Sekundärrestrukturierungsrahmen in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet, so sind 84 die Wirkungen dieses sekundären Rahmens gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und Art. 34 Satz 3 EuInsVO auf das im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. Ob Kapitel III der EuInsVO betreffend den Sekundärinsolvenzverfahren gänzlich auf Sekundärrestrukturierungsrahmen angewendet werden kann und dort zu stimmigen Ergebnissen führt, bedarf einer weiteren, gegenwärtig noch nicht erfolgten, Untersuchung. In diesem Zusammenhang stellt sich etwa die Frage, inwiefern auch virtuelle bzw. synthetische Sekundärrestrukturierungsrahmen möglich sind (vgl. Art. 36 EuInsVO).117) Kombinationsverfahren stellen in diesem Zusammenhang einen Sonderfall dar. Da Anhang A 85 eine umfassende Liste von Verfahrenstypen enthält, die jeweils Insolvenzverfahren i. S. der EuInsVO darstellen, kommt auch eine Kombination verschiedener Verfahrenstypen in Betracht. Wird bspw. in einem Mitgliedstaat ein Hauptrestrukturierungsrahmen eröffnet, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass ein ggf. in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Sekundärverfahren ein Sekundärrestrukturierungsrahmen sein muss. Es ist vielmehr auch ein Sekundärinsolvenzverfahren oder ein sonstiges Sekundärverfahren eines in Anhang A der EuInsVO gelisteten Verfahrenstyps möglich. Ob umgekehrt auch ein Sekundärrestrukturierungsrahmen möglich ist, wenn es sich bei dem Hauptverfahren um ein Insolvenzverfahren handelt, hängt davon ab, ob die „Insolvenz“ als Eröffnungsgrund, die ggf. für das Hauptinsolvenzverfahren erforderlich ist und in dem Mitgliedstaat, in dem ein Sekundärverfahren eröffnet werden kann, dann ohne erneute Prüfung angenommen wird (Art. 3 – 4 Satz 2 EuInsVO), mit dem dortigen Recht des Sekundärrestrukturierungsrahmens vereinbar ist. Wohl nicht möglich wäre, dass für das Hauptinsolvenzverfahren eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit geprüft und im Zuge der Eröffnung bestätigt wurde und in einem anderen Mitgliedstaat ein Sekundärrestrukturierungsrahmen genutzt wird, der für Schuldner zur Verfügung steht, deren Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten ist. 3.7.2 Keine erneute Prüfung der Zugangsvoraussetzung Nach Art. 34 Satz 2 EuInsVO wird die Zugangsvoraussetzung in dem Mitgliedstaat, in dem 86 ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird, nicht erneut geprüft, sofern es für das in einem anderen Mitgliedstaat eröffnete Hauptverfahren erforderlich war, dass der Schuldner insolvent ist. Zugangsvoraussetzung für präventive Restrukturierungsrahmen ist nach Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 4 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie nicht die Insolvenz, sondern lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz, die der deutsche Gesetzgeber als drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 InsO umgesetzt hat (siehe Rz. 51). Da eine Aufnahme der von den nationalen Gesetzgebern geschaffenen präventiven Restrukturierungsrahmen in Anhang A der EuInsVO angedacht ist (vgl. ErwG 12 bis 14 der Restrukturierungsrichtlinie) und auch nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO solche Verfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung eingeschlossen werden, die lediglich bei der Wahrscheinlichkeit der Insolvenz zur Verfügung stehen, ist konsequenterweise auch eine Anwendung des Art. 34 Satz 2 EuInsVO auf Sekundärrestrukturierungsrahmen zu bejahen.118) Ebenso wie das Vorliegen der Insolvenz muss also auch das Merkmal der Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz nicht erneut geprüft werden, wenn in einem anderen Mitgliedstaat ein Sekun-

___________ 117) Dafür mit ausführlicher Begründung Skauradszun/Nijnens in: BeckOK-InsR, Art. 102c § 11 EGInsO Rz. 10 f.; dagegen Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 77. 118) Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 29.

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3. Teil Verfahren

därrestrukturierungsrahmen eröffnet wird.119) Dieses Ergebnis steht zudem auf einer Linie mit dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der in ErwG 65 EuInsVO zum Ausdruck kommt.120) 87 Art. 34 Satz 2 EuInsVO ordnet jedoch nicht grundsätzlich für die Eröffnung sekundärer Insolvenzverfahren den Verzicht auf eine Prüfung der Zugangsvoraussetzung an, sondern vielmehr nur für solche Fälle, in denen die Insolvenz bzw. die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz bereits für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlich war. Für deutsche öffentliche Restrukturierungssachen ist die Verfahrenseröffnung in der ersten Entscheidung des Gerichts i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG zu sehen. Wirft man nun einen Blick auf die Entscheidungen, die potenziell als erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG fungieren können (siehe Rz. 24), so ist festzuhalten, dass nicht jede dieser Entscheidungen die Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Zugangsvoraussetzung erfordert. Lediglich i. R. der Planbestätigung sowie im Falle einer Stabilisierungsanordnung ist das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG bzw. nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG vom Gericht zu prüfen, allerdings auch nur in Form einer negativen Anordnungs- bzw. Bestätigungsvoraussetzung,121) wobei im Falle der Stabilisierungsanordnung zudem der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt ist.122) Bei den übrigen beiden Instrumenten nach § 29 Abs. 2 StaRUG sowie ggf. auch bei der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach §§ 73 f. StaRUG bzw. §§ 77 f. StaRUG schließt die Entscheidung des Gerichts eine Überprüfung der Zugangsvoraussetzung nicht mit ein. Es kann also sein, dass bei der ersten Entscheidung im Hauptrestrukturierungsrahmen die Eingangsvoraussetzung (noch) nicht geprüft wurde. Jedenfalls dann, wenn der Hauptrestrukturierungsrahmen später eingestellt und der Sekundärrestrukturierungsrahmen als Partikularverfahren nach Art. 3 Abs. 2 und 4 EuInsVO fortgeführt wird, dürfte die Eingangsvoraussetzung zu prüfen sein, sofern eine solche Prüfung in diesem Verfahren vorgesehen ist.123) 3.7.3 Zusammenarbeit und Kommunikation nach Art. 41 ff. EuInsVO 88 Ebenso wie für Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe (siehe Rz. 74) regelt die EuInsVO auch für Sekundärinsolvenzverfahren die Zusammenarbeit und Kooperation der Verwalter bzw. der Restrukturierungsbeauftragten, sofern diese in Anhang B der Verordnung aufgenommen wurden (Art. 41 EuInsVO), die ___________ 119) Soweit Mock in: BeckOK-InsR, Art. 34 EuInsVO Rz. 15 f., zu Recht annimmt, dass dies auch dann gilt, wenn das Vorliegen eines Insolvenzgrundes i. R. der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens nicht geprüft wurde oder nach dem dortigen Recht nicht durch das Gericht geprüft werden muss, gilt dies auch für den Fall, dass im Hauptrestrukturierungsrahmen das Vorliegen einer wahrscheinlichen Insolvenz nicht geprüft wurde (s. zu den verschiedenen potenziellen ersten Entscheidungen sogleich Rz. 87). Zur EuInsVO 2000 schien dies für die materielle Insolvenz dem Verständnis des EuGH zu entsprechen, vgl. EuGH v. 22.11.2012 – Rs. C-116/11 (Bank Handlowy/Christianapol), NZI 2013, 106. 120) Insgesamt jedoch a. A. Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 76, der den Wortlaut von Art. 34 EuInsVO eng auslegen und so nach der lex fori secondarii zu einer eigenständigen Prüfung der Eingangsvoraussetzung in dem Mitgliedstaat, in dem ein Sekundärverfahren eröffnet werden kann, gelangen will. 121) Thole, NZI 2021, 436; Proske, EWiR 2021, 309, 310 (Urteilsanm.); Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2054; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 12; Skauradszun/Blum, NZI 2022, 32, 33; Skauradszun in: MünchKomm-StaRUG, § 51 Rz. 19; Fritz in: Thierhoff/Müller, Unternehmenssanierung, Kap. 9 Rz. 36; Kümpel, KTS 2022, 341, 362. Mit einer Prüfung als positive Voraussetzung allerdings AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433, sowie AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31; ebenso Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 6; Streeck in: Wolgast/ Grauer, StaRUG.online, § 51 Rz. 8. 122) Skauradszun in: MünchKomm-StaRUG, § 51 Rz. 4; Riggert in: Braun, StaRUG, § 51 Rz. 1; Frind, ZRI 2021, 697, 699; de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 664. 123) Brinkmann in: K. Schmidt, InsO, Art. 34 EuInsVO Rz. 14.

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Zusammenarbeit und Kooperation der Gerichte (Art. 42 EuInsVO) sowie auch die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Verwaltern und Gerichten (Art. 43 EuInsVO). Die infolge der Eröffnung eines oder mehrerer Sekundärrestrukturierungsrahmen entstehende Verfahrenspluralität erfordert diese Kooperationspflichten zur effizienten Abwicklung des Verfahrens.124) Eine Rolle wird in diesem Zusammenhang auch die Datenschutzgrundverordnung 89 (DS-GVO)125) spielen, die in Bezug auf die Zusammenarbeit und Kooperation der Verwalter und Gerichte gewisse Grenzen festlegt.126) Eine umfassende Analyse dieser Thematik in Bezug auf Haupt- und Sekundärrestrukturierungsrahmen steht gegenwärtig noch aus.127) IV.

Vertrauliche Restrukturierungsverfahren ohne öffentliche Bekanntmachungen

Die Ausführungen in Kapitel III. beziehen sich nicht auf sämtliche Restrukturierungsver- 90 fahren, sondern nur auf jene, die öffentlich betrieben werden. Davon zu unterscheiden sind Restrukturierungsverfahren, die mangels Antrags i. S. von § 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG nicht öffentlich betrieben werden. Für solche vertraulichen Restrukturierungsverfahren gilt jedoch ebenso wie für öffentliche Restrukturierungssachen, dass die das Verfahren in Anspruch nehmenden Schuldner in der Regel nicht ausschließlich national tätig sind, sondern über mehr oder weniger ausgeprägte Auslandsbeziehungen verfügen (siehe Rz. 6 ff.). In diesen Fällen stellen sich jedoch grundsätzlich die gleichen Fragen. Zuvorderst ist also die Frage nach der internationalen Zuständigkeit zu klären, bevor es schließlich das anwendbare Recht zu bestimmen gilt. Ferner spielen die Anerkennung und die Vollstreckung der Entscheidung bei vertraulichen Restrukturierungrahmen eine ebenso große Rolle wie auch bei öffentlichen Restrukturierungssachen. 1.

Anwendung der Brüssel Ia-VO

1.1

Zivil- und Handelssache

Neben der EuInsVO regelt auch die Verordnung (EU) 1215/2021128) Fragen der gericht- 91 lichen Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO oder EuGVVO). Vom Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO sind nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Zivil- und Handelssachen erfasst. Diese Begriffe werden vom EuGH autonom und letztverbindlich129) sowie inhaltlich weit130) ausgelegt. Europarechtlich werden Zivil- und Handelssachen dem Privatrecht zugeordnet und vom öffentlichen Recht abgegrenzt.131) Maßgebliche Indikatoren für eine privatrechtliche Zivil- und Handelssache ist die Rechtsnatur des Anspruchs (privat- oder öffentlich-rechtlich) und ob der Anspruch bei einem Staat oder Privaten entsteht.132) Im Rahmen eines deut___________ 124) Vgl. Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 41 EuInsVO Rz. 1, 6; Mankowski in: Mankowski/Müller/ J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 41 Rz. 1. 125) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO), ABl. L 119/1 v. 4.5.2016. 126) Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 31. 127) S. dazu Nijnens, Cooperation and Communication Obligations in European Insolvency Law, 2023 (im Erscheinen). 128) Verordnung (EU) Nr. 1215/2021 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO/EuGVVO), ABl. (EU) L 351/1 v. 12.12.2012. 129) Hartley, Civil Jurisdiction and Judgments in Europe, Rz. 4.06; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657. 130) EuGH v. 6.2.2019 – Rs. C-535/17 (NK/BNP Paribas Fortis NV), Rz. 25, ZIP 2019, 524. 131) Hartley, Civil Jurisdiction and Judgments in Europe, Rz. 4.07. 132) Hartley, Civil Jurisdiction and Judgments in Europe, Rz. 4.15 ff.

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3. Teil Verfahren

schen Restrukturierungsverfahrens kann der Schuldner verschiedene Forderungen aus Verträgen mit den entsprechenden Gläubigern gestalten, etwa Forderungen aus Kauf-, Dienstleistungs- oder Darlehensverträgen. Diese Forderungen resultieren regelmäßig aus Verträgen mit einer Vertragspartei des Privatrechts und sind ihrer Rechtsnatur nach dem Privatrecht zuzuordnen. Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO bekräftigt die Zuordnung von Kauf- und Dienstverträgen zu den Zivil- und Handelssachen, da für diese Rechtsverhältnisse besondere Zuständigkeitsvorschriften vorgesehen werden. Im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 StaRUG gilt dies auch für Einzelbestimmungen aus mehrseitigen Rechtsverhältnissen und für gleichlautende Bedingungen von bestimmten Schuldtiteln, die ebenfalls nicht von einem Staat, sondern von Vertragsparteien des Privatrechts begründet wurden. Nach § 2 Abs. 3 StaRUG kommen auch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Das Gesellschaftsrecht ist – wie Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zeigt – dem Privatrecht zuzuordnen. Im Ergebnis wird man angesichts dessen bejahen müssen, dass es sich bei deutschen Restrukturierungsverfahren um Zivil- und Handelssachen handelt133) und der Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO somit grundsätzlich eröffnet ist. 92 Vertieftere Überlegungen sind aber für solche Forderungen angezeigt, die aus dem öffentlichen Recht entspringen, namentlich Steuerforderungen und solche von Sozialversicherungsträgern. Die Gestaltung bspw. von Steuerforderungen als Restrukturierungsforderungen i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ist möglich, wenn der Steuertatbestand vor dem relevanten Zeitpunkt des § 2 Abs. 5 StaRUG verwirklicht wurde (§ 38 AO) und damit ein Anspruch des Fiskus aus dem Steuerschuldverhältnis besteht (§ 37 AO). In diesen Fällen entspringt der Anspruch bei einem Staat (bzw. einem Land oder einer staatlichen Behörde) und ist von seiner Rechtsnatur dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Ein Streit zwischen Fiskus und Steuerpflichtigem wäre folglich keine Zivil- und Handelssache i. S. von Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Brüssel Ia-VO schließt den Anwendungsbereich der Verordnung folglich zutreffend für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten aus. Die Gestaltung dieser Forderungen i. R. eines Restrukturierungsplans ist aber gleichwohl als Zivil- und Handelssache i. S. von Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO auszulegen.134) Denn der Fokus liegt nicht auf der Steuerforderung, sondern dem Restrukturierungsplan als Angebot des privatrechtlichen Schuldners gegenüber einzelnen Gläubigern auf Gestaltung dieser Forderungen. Gleiches gilt, wenn der Schuldner mit einer Stabilisierungsanordnung die Vollstreckung einer Steuerforderung verhindern lässt. Denn auch in diesem Fall handelt es sich um eine zivilrechtliche Verfahrenshilfe, die von einem Zivilgericht erlassen wird, um das privatrechtliche Ziel des Restrukturierungsplans zu unterstützen. Hier steht der Fiskus nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zum Schuldner, sondern auf gleicher Stufe mit gleichrangigen Gläubigern. Der Fiskus kann dann keine staatlichen Rechte ausüben, sondern nur solche, die jeder andere Gläubiger im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen auch hat. Der europäische Gesetzgeber hat an anderer Stelle, namentlich in Art. 2 Nr. 12 EuInsVO, gezeigt, dass er auch dann von der Anwend___________ 133) J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657 f.; Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 11; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 14; Nijnens, TvI 2019, 257, 263; Schinkel in: HambKomm-RestruktR, § 84 StaRUG Rz. 50; Madaus, ZIP 2022, 1233, 1236; ebenso für die nichtöffentliche Variante des Dutch Scheme Vriesendorp/ van Kesteren/Vilarin-Seivane/Hinse, NIPR 2021, 3, 9. 134) Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193, 196; Madaus, ZIP 2022, 1233, 1236; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657, formuliert zwar, dass präventive Restrukturierungsrahmen weder Steuer-, Zoll-, noch Verwaltungssachen seien, es wird zuvor aber nicht der Fall erwähnt, dass im präventiven Restrukturierungsrahmen Steuerforderungen und solche aus Verwaltungssachen beeinträchtigt werden sollen. Anders jedoch Kahlert/Schumann, DStR 2021, 2741, 2748: „Anwendungsbereich der EuGVVO [ist] (jedenfalls hinsichtlich Steuerforderungen) nicht eröffnet.“

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barkeit der EuInsVO ausgeht, wenn der Gläubiger eine Steuerbehörde oder ein Sozialversicherungsträger ist. Dies dürfte auch für die Brüssel Ia-VO gelten. 1.2

Insolvenzausnahme nach Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO

Ein besonderes Augenmerk ist zudem auf die Ausnahmen des Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel 93 Ia-VO zu richten. Demnach sind nach der sog. Insolvenzausnahme „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ ausgenommen. Wie weit diese Ausnahme reicht, ist wiederum maßgeblich vom Anwendungsbereich der EuInsVO abhängig zu machen (ErwG 7 der EuInsVO, siehe sogleich Rz. 94).135) Von der Ausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO sind also jedenfalls all jene Verfahren erfasst, die in Anhang A der EuInsVO enthalten sind. Für deutsche vertrauliche Restrukturierungsverfahren kommt eine Aufnahme in Anhang A der EuInsVO hingegen nicht in Betracht, da es sich nicht um öffentliche Gesamtverfahren handelt.136) Der Wortlaut der Insolvenzausnahme ist weit gefasst, sodass sich die Frage stellt, ob ver- 94 trauliche Restrukturierungsverfahren zumindest vom Tatbestandsmerkmal „ähnliche Verfahren“ erfasst sind. Die Antwort auf diese Frage ist sehr streitig. 

Das erste Lager legt das Tatbestandsmerkmal „ähnliche Verfahren“ eng aus und spricht sich dafür aus, dass der Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO präventive Restrukturierungsrahmen, die nicht vom abstrakten Anwendungsbereich des Art. 1 EuInsVO erfasst sind, erfasse.137) Diesem Lager wird hier gefolgt (siehe sogleich Rz. 95 ff.).

Das zweite Lager meint, dass ein Mitgliedstaat, der sich gegen die Aufnahme eines Verfahrens in Anhang A der EuInsVO entscheide, nicht auf die Brüssel Ia-VO berufen könne.138) Dieses Lager stellt zwar nicht in Abrede, dass in ErwG 7 Satz 2 der EuInsVO geschrieben steht, dass die EuInsVO „so auszulegen [ist], dass Rechtslücken zwischen den beiden vorgenannten Rechtsinstrumenten [Brüssel Ia-VO und EuInsVO] so weit wie möglich vermieden werden“. Es versteht den dann folgenden Satz 3 („Der alleinige Umstand, dass ein nationales Verfahren nicht in Anhang A [der EuInsVO] aufgeführt ist, [bedeute nicht], dass es unter die [Brüssel Ia-VO] fällt“) aber so, dass für nicht in ___________



135) Antomo in: BeckOK-ZPO, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 77; Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rz. 6. 136) S. zum Merkmal des Gesamtverfahrens Rz. 50, 98, es fehlt aber jedenfalls an der Öffentlichkeit, so auch Madaus, ZIP 2022, 1233, 1237. Anders jedoch Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1042 f., die eine Differenzierung anhand des Kriteriums der Öffentlichkeit anzweifeln und vertreten, dass auch vertrauliche Restrukturierungssachen zur Aufnahme in Anhang A der EuInsVO angemeldet werden könnten. 137) Madaus, DB 2019, 592, 598; Madaus in: KPB, InsO, Art. 1 EuInsVO Rz. 21; Madaus, ZIP 2022, 1233 1236 f.; Freitag, ZIP 2019, 541, 548; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657; Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rz. 6 (bis zu 18. Aufl. 2021, ab der 19. Aufl. offen); Nijnens, TvI 2019, 257, 264; Nijnens, TvI 2021, 109, 121; Skauradszun/Nijnens, ICR 2019, 193; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 11; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1503; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 14; Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 17; Nijnens in: Harmsen/Reumers, De WHOA: van wet naar recht, 12.3.3.2; tendenziell auch Hochdorfer/Biendl in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 2 Rz. 62 – „denkbar, aber nicht zwingend“; Schelo, WM 2022, 556, 558 f., hält den Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO bei vertraulichen Restrukturierungsverfahren zumindest dann für eröffnet, wenn diese mit wenig gerichtlicher Kontrolle ablaufen; tendenziell auch Linde in: Mock/ Zoppel, ReO, § 44 Rz. 3: denkbar; bezogen auf das niederländische WHOA auch Vriesendorp/ van Kesteren/Vilarin-Seivane/Hinse, NIPR 2021, 3, 13. 138) Thole, ZIP 2020, 1985, 1998; Thole, ZIP 2021, 2153, 2154; Thole in: MünchKomm-InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 7; Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1089 f.; Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1046; Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Vor §§ 84 – 88 Rz. 2; Schinkel in: HambKommRestruktR, § 84 StaRUG Rz. 53; Abel/Herbst in: Morgen, StaRUG, Anh. § 86 Rz. 20; Fritz in: Thierhoff/ Müller, Unternehmenssanierung, Kap. 9 Rz. 118; Piekenbrock in: FS Gehrlein, S. 455, 464; zweifelnd auch Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2561, 2567, und Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 109; Veder, FIP 2019, 53, 60, und Hoos/Schwartz/Schlander, ZIP 2021, 2214, 2219 – mit vergleichbarer Argumentation für das niederländische WHOA.

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3. Teil Verfahren

Anhang A der EuInsVO aufgenommene Verfahren automatisch der Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO versperrt sei. Diesem Lager wird man erwidern müssen, dass es zwar richtig ist, dass es keinen Automatismus dergestalt gibt, dass ein Verfahren entweder in den Anwendungsbereich der EuInsVO oder Brüssel Ia-VO fallen muss, es allerdings umgekehrt auch keinen Rechtssatz gibt, dass ein Verfahren, welches bewusst nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO fällt, automatisch nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO fallen kann. 

Das dritte Lager, das sich gegen die Anwendung der Brüssel Ia-VO ausspricht, will das Internationale autonome (Insolvenz-)Recht der Mitgliedstaaten anwenden.139) In Deutschland wäre dann zu prüfen, ob es sich bei einem präventiven Restrukturierungsrahmen aus dem EU-Ausland um ein Insolvenzverfahren i. S. von § 335 InsO handelt. Nach der hier vertretenen Sichtweise wäre dies zu verneinen (siehe oben Rz. 12).140) Bei präventiven Restrukturierungsrahmen, die auf der Restrukturierungsrichtlinie beruhen, ist dieser Weg also per se nicht eröffnet.

95 Ungeachtet der bewusst nicht beantragten Aufnahme vertraulicher Restrukturierungsverfahren in Anhang A der EuInsVO sprechen folgende Argumente dafür, dass der Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO eröffnet ist und Restrukturierungsverfahren nicht als konkursähnlich anzusehen sind. Dabei werden zunächst die Argumente dargestellt, die sich aus der autonomen Auslegung der Brüssel Ia-VO ergeben (siehe sogleich Rz. 96–100), sodann wird mit der Rechtsnatur des Anhang A (siehe Rz. 101) und schließlich mit der Rechtsprechungstradition des EuGH argumentiert (siehe Rz. 102). Abschließend wird gezeigt (siehe Rz. 103), dass die Rechtsfrage in ähnlicher Form schon bei den UK Schemes of Arrangement diskutiert wurde und dort ebenfalls die Anwendung der Brüssel Ia-VO für möglich erachtet wurde. Im Einzelnen: 96 Der europäische Gesetzgeber versteht präventive Restrukturierungsrahmen ausweislich Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie so, dass diese die Insolvenz abwenden sollen und ansetzen, bevor Insolvenzreife eingetreten ist.141) Auch deutsche Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen knüpfen nicht an die materielle Insolvenz des Schuldners an, was jedoch für Konkurse und ähnliche Verfahren ein wesentliches Merkmal ist. Sie stehen vielmehr im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO und damit vor der Insolvenzreife des Schuldners zur Verfügung. Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG stellt die Insolvenzreife, also die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO sowie die Überschuldung nach § 19 InsO, sogar einen Aufhebungsgrund dar. Präventive Restrukturierungsrahmen bzw. deutsche Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen sind folglich nach der Konzeption des europäischen und deutschen Gesetzgebers142) klar von Konkursund konkursähnlichen Verfahren zu unterscheiden. 97 Konkurse und konkursähnliche Verfahren sind primär auf das Common-Pool-Problem ausgerichtet und verfolgen somit einen anderen Zweck, nämlich eine beschränkte Masse zur bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger zu verteilen. Da der den präventiven Restrukturierungsrahmen bzw. den deutschen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen in Anspruch nehmende Schuldner hingegen nicht insolvenzreif ist, besteht gegenwärtig kein ___________ 139) Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1089 f.; Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1042; Brinkmann in: K. Schmidt, InsO, Vorb. EuInsVO 2015, Einl. Rz. 19. 140) Ebenso Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1046 f. 141) A. A. Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1044, die dieses Argument für die Auslegung des Merkmals der konkursähnlichen Verfahren nicht für möglich erachten. 142) Dies war durch die Restrukturierungrichtlinie vorgegeben, sollen die präventiven Restrukturierungsrahmen doch gerade der Abwendung der Insolvenz dienen, vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 4 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie.

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Common-Pool-Problem, sondern es geht primär darum, durch Überwindung des HoldoutProblems die Insolvenzreife zu vermeiden, was sich deutlich von dem europarechtlichen Verständnis von Konkursverfahren unterscheidet (siehe Rz. 98). Bei Konkursverfahren und konkursähnlichen Verfahren handelt es sich nach traditionellem 98 europäischem Verständnis um Gesamtverfahren, die sämtliche Gläubiger einbeziehen. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO 2000 machte dies deutlich („Diese Verordnung gilt für Gesamtverfahren“), Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO 2015 setzte dies im Grundsatz fort („Diese Verordnung gilt für öffentliche Gesamtverfahren“), wenngleich Art. 2 Nr. 1 EuInsVO 2015 die klare Grenze zwischen Gesamtverfahren und teilkollektiven Verfahren verwischt („‚Gesamtverfahren [i. S. der EuInsVO ist] ein Verfahren, an dem alle oder ein wesentlicher Teil der Gläubiger des Schuldners beteiligt sind“). Der Charakter als Gesamtverfahren trifft auf präventive Restrukturierungsrahmen bzw. deutsche Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen hingegen nicht zu,143) da es hierbei dem Schuldner gestattet ist, nach sachgerechten Kriterien selbst auszuwählen, welche Gläubiger er in den Restrukturierungsplan einbeziehen möchte und wem er insofern einen Sanierungsbeitrag abverlangt (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 der Restrukturierungsrichtlinie, § 8 StaRUG).144) Der Schuldner wird zwar nicht daran gehindert, auch in einen präventiven Restrukturierungsrahmen bzw. Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen sämtliche Gläubiger145) einzubeziehen oder eine Stabilisierungsanordnung mit Wirkung gegenüber allen Gläubigern zu beantragen (vgl. Art. 6 Abs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie, § 49 Abs. 2 Satz 2 StaRUG), sodass der Rahmen durchaus gesamtverfahrensartige Züge aufweisen kann.146) Dies begründet allerdings noch keine Einordnung der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen als Gesamtverfahren, da etwa auch im Falle eines Restrukturierungsplans, in den alle Gläubiger einbezogen werden, noch immer kein Common-Pool-Problem besteht oder bestehen muss. Diese Argumentation, dass präventive Restrukturierungsrahmen bzw. deutsche Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen keine Gesamtverfahren sind und insofern nicht einmal konkursähnliche Verfahren darstellen, mag verwundern, wurde doch i. R. der Ausführungen zu öffentlichen Restrukturierungssachen noch in die andere Richtung argumentiert. Demnach können öffentliche Restrukturierungsachen durchaus als Gesamtverfahren i. S. der EuInsVO verstanden werden, da nach Art. 2 Nr. 1 EuInsVO sowie nach den ErwGe 14 Satz 2 und 3 der Verordnung auch solche Verfahren als Gesamtverfahren verstanden werden können, die lediglich einen wesentlichen Teil der Gläubiger, nicht aber alle Gläubiger einbeziehen (siehe Rz. 50, 98). Obgleich dies auf den ersten Blick widersprüchlich klingen mag, so bestehen dennoch gute Gründe dafür, einerseits öffentliche Restrukturierungssachen kraft gesetzlicher Begriffsbestimmung als Gesamtverfahren i. S. der EuInsVO zu verstehen, andererseits aber vertrauliche Restrukturierungsverfahren nicht als konkursähnlich einzustufen.147) Würden nun vertrauliche Restrukturierungsrahmen aufgrund der Insolvenzausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO aus dem Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO ausgeschlossen werden, so ändert dies nichts daran, dass diese Verfahren mangels Öffentlichkeit ___________ 143) Bork, ZRI 2021, 345, 347. 144) Dem Schuldner wird allerdings nicht gänzlich freie Hand gewährt, sondern die Auswahl der Planbetroffenen hat nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen, die § 8 Satz 2 StaRUG konkretisiert. 145) Ausgenommen sind, oder können sein, die von Art. 1 Abs. 5 der Restrukturierungsrichtlinie bzw. § 4 StaRUG erfassten Rechtsverhältnisse. 146) Ausführlicher dazu Skauradszun, KTS 2021, 1, 39 ff. 147) Anders jedoch Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1046, die dies angesichts der „nur marginalen prozeduralen Unterschiede zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Restrukturierungssachen“ für bedenklich halten. Auch Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1089 f., vertreten, „dass die bloße Nichtveröffentlichung ein ansonsten identisches Insolvenzverfahren nicht in ein Nicht-Insolvenzverfahren transformieren kann“, mit der Schlussfolgerung, dass weder die EuInsVO noch die Brüssel Ia-VO Anwendung finden kann, weshalb auf das Internationale autonome Insolvenzrecht zurückzugreifen sei.

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nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO aufgenommen werden können und insofern eine Lücke zwischen beiden Verordnungen bestehen würde.148) Solche Lücken gilt es nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch zu vermeiden, indem die Auslegung beider Verordnungen aufeinander abgestimmt wird (siehe Rz. 102). 99 Konkursverfahren ebenso wie konkursähnliche Verfahren zeichnen sich im Wesentlichen dadurch aus, dass sie grundsätzlich auf die Gläubiger ausgerichtet sind und als übergeordnetes Ziel die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger verfolgen.149) Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu präventiven Restrukturierungsverfahren, die vielmehr auf den Schuldner ausgerichtet sind und die Sicherung seiner Bestandsfähigkeit zum Ziel haben. Diese Ausrichtung auf den Schuldner macht schon Art. 1 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie deutlich, wenn der europäische Gesetzgeber formuliert, dass präventive Restrukturierungsrahmen den „Schuldnern […] zur Verfügung stehen“. Obwohl sich etwa beim Kriterium des Gläubigerinteresses nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 der Restrukturierungsrichtlinie bzw. in der Vergleichsrechnung nach § 6 Abs. 2 StaRUG sowie in Innen- und Außenhaftungstatbeständen (§§ 43, 57 StaRUG) zeigt, dass die Restrukturierungsrichtlinie und das StaRUG durchaus auch die Gläubiger bzw. Planbetroffenen in den Blick nehmen und somit Diener vieler Herren150) sind, besteht dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen Restrukturierungsrahmen und konkursähnlichen Verfahren, die typischerweise einen auf die Gläubiger ausgerichteten Ansatz verfolgen. 100 Weiterhin bezieht sich die Insolvenzausnahme nach Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO auf Gerichtsverfahren, was präventive Restrukturierungsrahmen bzw. deutsche Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen im Grundsatz nicht sind und sein müssen. Sie zeichnen sich vielmehr durch einen vertraglichen Kern151) aus (vgl. etwa in Art. 8 Abs. 1 lit. g Ziff. i der Restrukturierungsrichtlinie den Ausdruck „vorgeschlagene Restrukturierungsmaßnahmen“ und in § 17 Abs. 1 StaRUG die Begriffe „Planangebot“ und „Annahme“) und können u. U. auch vollständig ohne Einbeziehung des Gerichts genutzt werden. Da präventive Restrukturierungsrahmen jedoch primär der Überwindung des Holdout-Problems, d. h. der Überstimmung einzelner, die Restrukturierung des Schuldners verhindernder Gläubiger, dienen, wird es freilich nur selten der Fall sein, dass keinerlei gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss. Sobald nämlich nur ein Gläubiger dem vorgelegten Restrukturierungsplan nicht zustimmt, bedarf es zu dessen Wirksamkeit der Inanspruchnahme des Instruments der Planbestätigung (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie). Obwohl die vertragliche Färbung also in zahlreichen Fällen gering ausfallen wird, so bleibt dennoch in jedem Fall ein vertraglicher Kern erhalten, was schon für einen maßgeblichen Unterschied zwischen den von Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO in den Blick genommenen Gerichtsverfahren und präventiven Restrukturierungsrahmen bzw. deutschen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen spricht.152) 101 Für die Abgrenzung der beiden Regime EuInsVO und Brüssel Ia-VO kann entweder auf den abstrakten Anwendungsbereich der EuInsVO abgestellt werden, was bedeutet, dass ___________ 148) Ein „legal vacuum“ akzeptierend Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 84. 149) Für Insolvenzverfahren folgt dies bereits aus § 1 InsO, s. dazu etwa Begr. RegE z. § 1 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 108; BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, Rz. 34, NZI 2006, 453. 150) So in Bezug auf das StaRUG Skauradszun, KTS 2021, 1, 29. 151) Madaus, DB 2019, 592, 595; Seibt/v. Treuenfeld, DB 2019, 1190, 1191. 152) Diskussionswürdig ist in diesem Zusammenhang jedoch das Insolvenzplanverfahren, dem ebenfalls vertragliche Elemente zugesprochen werden, vgl. Madaus, Der Insolvenzplan, passim. Schelo, WM 2022, 556, 558 f., differenziert anhand der gerichtlichen Beteiligung und sieht nur solche vertrauliche Restrukturierungsrahmen als von der Brüssel Ia-VO erfasst an, die mit wenig gerichtlicher Kontrolle ablaufen.

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die Merkmale des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO herangezogen werden, oder aber es wird der effektive Anwendungsbereich der EuInsVO betrachtet, der durch Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Anhang A der EuInsVO bestimmt wird.153) Würde man auf den effektiven Anwendungsbereich abstellen, könnte der einzelne Mitgliedstaat durch die Anzeige (sog. Notification) gegenüber der EU-Kommission auf Aufnahme eines weiteren Verfahrens bzw. dessen Streichung in Anhang A auf die Abgrenzung der beiden Verordnungen Einfluss nehmen.154) Dies würde dem einzelnen Mitgliedstaat Gestaltungsspielräume eröffnen, die unerwünscht sind, soll doch der einheitliche Binnenmarkt bei gleichen Rechtsfragen auf die gleichen Rechtsakte zurückgreifen.155) Daher war bei der EuInsVO 2015 die Erkenntnis gereift, dass die Regime durch den abstrakten Anwendungsbereich der EuInsVO abgegrenzt werden.156) Dem wird hier gefolgt. Fallen nicht-öffentliche präventive Restrukturierungsrahmen nicht in den abstrakten Anwendungsbereich nach Art. 1 Abs. 1 EuInsVO, da sie keine öffentlichen Gesamtverfahren darstellen, erfüllen sie aber den abstrakten Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO, da sie eine Zivil- und Handelssache darstellen, sind sie der Brüssel Ia-VO zuzuordnen und Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO ist insofern nicht weit, sondern eng auszulegen. Neben den vorstehend dargelegten Argumenten, die für die Anwendung der Brüssel Ia-VO 102 auf vertrauliche Restrukturierungsverfahren sprechen, lässt auch die EuGH-Rechtsprechung darauf schließen, dass die Brüssel Ia-VO sowie die EuInsVO aufeinander abgestimmt auszulegen sind. Beide Verordnungen sollen sich demnach nicht überlappen, es sollen jedoch auch keine Lücken zwischen den Anwendungsbereichen beider Verordnungen verbleiben.157) Dieser Doktrin der Lückenlosigkeit des EuGH wurde im Schrifttum sehr verbreitet gefolgt.158) Schließlich legt auch ein Vergleich mit den ähnlich konzipierten Schemes of Arrangement, 103 die von der h. M. ebenfalls nicht als konkursähnlich eingestuft wurden,159) die hier vorge___________ 153) Zu der Begrifflichkeit „abstrakter“ und „effektiver Anwendungsbereich“ der EuInsVO Bornemann in: Wimmer/Bornemann/Lienau, Die Neufassung der EuInsVO, Rz. 101. 154) Bornemann in: Wimmer/Bornemann/Lienau, Die Neufassung der EuInsVO, Rz. 101. 155) S. nur ErwG 1 der Restrukturierungsrichtlinie. 156) Bornemann in: Wimmer/Bornemann/Lienau, Die Neufassung der EuInsVO, Rz. 101. 157) S. etwa EuGH v. 4.9.2014 – Rs. C-157/13 (Nickel & Goeldner Spedition), Rz. 21, NZI 2014, 919, und EuGH v. 6.2.2019 – Rs. C-535/17 (NK/BNP Paribas Fortis NV), Rz. 24, ZIP 2019, 524: „[…] diese Verordnung und die VO Nr. 1346/2000 [sind] so auszulegen […], dass jede Regelungslücke und Überschneidung zwischen den in diesen Verordnungen enthaltenen Rechtsvorschriften vermieden wird“. 158) Virgós/Schmit, Report on the Convention of Insolvency Proceedings, Rz. 197; Moss/Fletcher/Isaacs, The EU Regulation on Insolvency Proceedings, Rz. 5.140; Mankowski, NZI 2018, 45, 47 (Urteilsanm.) – Lückenlosigkeitsdoktrin; Mankowski, NZI 2010, 508, 511; Nijnens, TvI 2019, 257, 264 f.; Nijnens in: Harmsen/Reumers, De WHOA: van wet naar recht, 12.3.3.2; Skauradszun in: KPB, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 1; Vriesendorp/van Kesteren/Vilarin-Seivane/Hinse, NIPR 2021, 3, 13 (zur nicht öffentlichen Variante des Dutch Scheme). Anders jedoch Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1043, die die Lückenlosigkeitsdoktrin infolge der Neufassung der EuInsVO für überholt halten und ihr lediglich noch die Funktion eines Leitbildes zuschreiben (vgl. ErwG 7 Satz 3 der EuInsVO); auch Thole, ZIP 2021, 2153, 2155, weist auf ErwG 7 Satz 4 der EuInsVO hin und bezieht die EuGH-Rspr. zur Lückenlosigkeitsdoktrin außerdem nur auf Annexverfahren und nicht auf das eigentliche Hauptverfahren. Kritisch auch Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1089 f., die ebenfalls auf den „ansonsten eher kryptische[n] Satz 4 von ErwG 7 der EuInsVO“ verweisen. Hoos/Schwartz/Schlander, ZIP 2021, 2214, 2218, verlangen eine Einzelfallprüfung. 159) LG Potsdam v. 22.10.2008 – 2 O 501/07, BeckRS 2011, 15245; Tyrell/Heitlinger, VW 2007, 1695, 1697 f.; Mankowski, EWiR Art. 32 EuGVVO 1/09, 711 (Urteilsanm.); Mankowski, WM 2011, 1201, 1210; Schaloske, VersR 2009, 23, 27 f.; Petrovic, ZInsO 2010, 265, 267 ff.; Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1219; Sieg/Blum, Solvent Schemes – Enforceability in Germany in Managing Run-off in Europe, S. 47, 49 ff.; Fischer in: FS Vallender, S. 137, 141; Eidenmüller, (2018) 92 Am Bankr LJ, 53, 70; a. A. Schnepp/Janzen, VW 2007, 1057, 1058 f.; Schulz, ZfV 2011, 202, 204. S. zu einer aktuellen Darstellung des Meinungsstreits auch Abel/Herbst in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Kap. 3 Rz. 27 ff.

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stellte Auslegung nahe. Es kann ferner zweifelsfrei angenommen werden, dass auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO eine europaweite Anerkennung der i. R. eines präventiven Restrukturierungsrahmens bzw. deutschen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ergangenen Entscheidungen der Gerichte gewollt ist.160) 104 Im Ergebnis ist die Insolvenzausnahme nach Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO also eng auszulegen, um europäische präventive Restrukturierungsrahmen bzw. deutsche vertrauliche Restrukturierungsverfahren nicht aus dem Anwendungsbereich der Verordnung auszuschließen. Der Praxis ist zu raten, für vertrauliche Restrukturierungsverfahren das Zuständigkeits-, Anerkennungs- und Vollstreckungsregime der Brüssel Ia-VO zu beanspruchen.161) Niemand behauptet, dass die Rechtslage eindeutig und nach Hinzutreten der präventiven Restrukturierungsrahmen zu den bestehenden Rechtsakten EuInsVO und Brüssel Ia-VO einfacher geworden ist. Die Stimmen, die sich gegen eine Anwendung der Brüssel Ia-VO aussprechen, müssen aber eingestehen, der Rechtspraxis „Steine statt Brot“ zu geben. Solange es keine dritte EU-Verordnung gibt, die sich eigens mit der internationalen Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in präventiven Restrukturierungsrahmen befasst,162) ist es allemal überzeugender, an die Doktrin der Lückenlosigkeit des EuGH anzuknüpfen163) und der Praxis den Zugriff auf die Brüssel Ia-VO zu erlauben, die diese Themen regelt, als auf neue Rechtsakte zu hoffen. Auch der vom dritten Lager vorgeschlagene Weg (siehe Rz. 94), auf das autonome Internationale Insolvenzrecht abzustellen, ist für die Praxis ein steiniger Weg. Ein deutscher Schuldner mit Gläubigern in Portugal, Spanien, Zypern und Tschechien müsste dann zunächst durch ausländische Rechtsberater oder Rechtsgutachter prüfen lassen, ob die Entscheidungen im deutschen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem internationalen Insolvenzrecht von Portugal, Spanien, Zypern und Tschechien anerkannt und dort vollstreckbar wären. Dies führt nicht nur zu nennenswerten Aufwendungen, sondern auch zu Rechtsunsicherheit. Wird die Brüssel IaVO angewandt, ergeben sich sowohl Anerkennung als auch Vollstreckung dieser Entscheidungen unmittelbar aus Art. 36 und 39. 2.

Internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO

2.1

Allgemeiner Gerichtsstand nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO

105 Die Frage der allgemeinen internationalen Zuständigkeit für Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen richtet sich im Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO und damit entsprechend der vorstehend dargelegten Ansicht auch für vertrauliche Restrukturierungssachen nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO. Demnach sind deutsche Gerichte immer dann zuständig, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik hat. Der Begriff des Wohnsitzes wird für Gesellschaften und juristische Personen in Art. 63 Abs. 1 Brüssel Ia-VO bestimmt, wonach alternativ an den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung angeknüpft wird.164) ___________ 160) ErwG 13 der Restrukturierungsrichtlinie; Abel/Herbst in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Kap. 3 Rz. 5 und 56. 161) So bereits zur Restrukturierungsrichtlinie Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 17. 162) Vgl. Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, die als Ergänzung zur Brüssel Ia-VO und EuInsVO eine neue Restrukturierungsverordnung als Lösung dieser Problematik nennen. Auch Madaus in: KPB, InsO, Art. 1 EuInsVO Rz. 24, sieht gesetzgeberischen Handlungsbedarf hinsichtlich einer europäischen Restrukturierungsverordnung. 163) So auch ausdrücklich J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657. 164) Liegen aufgrund der drei unterschiedlichen Anknüpfungspunkte Wohnsitze in verschiedenen Mitgliedstaaten vor, so hat der Kläger bzw. Antragsteller ein Wahlrecht; Thode in: BeckOK-ZPO, Art. 63 Brüssel Ia-VO Rz. 5.

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Im Falle eines vertraulichen Restrukturierungsverfahrens gibt es zwar keinen Beklagten im 106 engeren Sinne, allerdings führen etwa die auf den Erlass einer Stabilisierungsanordnung oder auf die Planbestätigung gerichteten Anträge des Schuldners zu einem quasi-kontradiktorischen Verfahren.165) § 61 StaRUG sieht für den Fall der Planbestätigung vor, dass das Gericht die Gegenseite, also die Planbetroffenen, vor der Entscheidung über die Bestätigung des Restrukturierungsplans anhören kann bzw. sie anhören muss, sofern die Planabstimmung außergerichtlich vollzogen wurde. Auch das Beschwerdeverfahren nach § 66 StaRUG, wonach die Planbetroffenen unter bestimmten Voraussetzungen im Wege einer sofortigen Beschwerde gegen die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans vorgehen können, stellt ein solches kontradiktorisches Verfahren dar. Im Ergebnis sind also mangels eines Beklagten im engeren Sinne im Regelfall der Schuldner als Antragsteller sowie die Planbetroffenen, jedenfalls, wenn diese gegen das Planangebot stimmen, als Antragsgegner zu behandeln.166) Dies steht auch im Einklang mit der Sichtweise, die sich in der Vergangenheit in Bezug auf Schemes of Arrangement herausgebildet hat.167) 2.2

Besonderer Gerichtsstand nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO

Bei mehreren Beklagten bzw. Antragsgegnern ist der besondere Gerichtsstand nach Art. 8 107 Nr. 1 Brüssel Ia-VO einschlägig.168) Demnach können mehrere Beklagte am Ort des Wohnsitzes eines Beklagten verklagt werden, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint. Sinn und Zweck dieses besonderen Gerichtsstandes ist es, in verschiedenen Verfahren sich widersprechende Entscheidungen zu verhindern. Für vertrauliche Restrukturierungssachen kann davon ausgegangen werden, dass die voraus- 108 gesetzte enge Beziehung vorliegt. Entfaltet der Restrukturierungsplan Bindungswirkung, sei es durch einstimmige Annahme durch die Planbetroffenen oder durch die Bestätigung des Restrukturierungsgerichts, so sind damit sämtliche Planbetroffene an den Plan gebunden. Auch die möglicherweise nach Art. 2 Abs. 3 StaRUG im Restrukturierungsplan vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, also bspw. eine Kapitalerhöhung, ein Formwechsel oder auch eine Verlegung des Sitzes, betreffen sämtliche Planbetroffene.169) Allein der Restrukturierungsplan stellt demnach eine so enge Beziehung zwischen allen Planbetroffenen als Antragsgegner her, dass der besondere Gerichtsstand nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO einschlägig ist. Dann richtet sich nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO.170) Bezogen auf den eingangs dargestellten Beispielsfall (siehe Rz. 1) ist also festzuhalten, 109 dass das deutsche Touristikunternehmen mit Sitz in Köln schon aufgrund eines einzigen ebenfalls in Deutschland ansässigen Lieferanten ein deutsches vertrauliches Restrukturierungsverfahren in Anspruch nehmen kann, für das die deutschen Gerichte international ___________ 165) Richtig Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 78.2 und Rz. 99, § 29 Rz. 3.1 und Rz. 20. Zur streitlösenden Funktion der Restrukturierungsverfahren schon Madaus, EBOR Vol. 19/2018, 615, 624. 166) Zust. Madaus, ZIP 2022, 1233, 1235. 167) Sax/Swierczok, ZIP 2017, 601, 604; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1506 m. w. N.; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 18 f. 168) Madaus, TLE-050-2018; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 19 f.; Madaus, ZIP 2022, 1233, 1235; isoliert zust. Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 85, der aber der Auffassung ist, dass der Anwendungsbereich gemäß Art. 1 Brüssel Ia-VO nicht eröffnet sei; Schlöder/ Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1045, kritisieren das durch Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO ermöglichte Forum Shopping. 169) Ausführlicher hierzu Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1506; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 19 f. 170) Gottwald in: MünchKomm-ZPO, Art. 8 Brüssel Ia-VO Rz. 2; Thode in: BeckOK-ZPO, Art. 8 Brüssel IaVO Rz. 11.

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zuständig sind. Weiterhin könnte auch der präventive Restrukturierungsrahmen eines jeden anderen Mitgliedstaats in Anspruch genommen werden, sofern mindestens ein Planbetroffener seinen Wohnsitz i. S. des Art. 63 Brüssel Ia-VO im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hat. Auch hier behauptet niemand, dass das Zuständigkeitsregime der Brüssel Ia-VO für präventive Restrukturierungsrahmen geeignet ist. Der Rechtsanwender muss aber mit dem arbeiten, was ihm der Gesetzgeber an die Hand gibt. 2.3

Ausschließliche Gerichtsstände nach Art. 24 und 25 Brüssel Ia-VO

2.3.1 Dingliche Rechte, Miete und Pacht nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO 110 Art. 24 Brüssel Ia-VO enthält einen Katalog abschließend aufgezählter ausschließlicher Gerichtsstände, die den allgemeinen sowie die besonderen Gerichtsstände verdrängen.171) Nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO sind für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Auch der Begriff des dinglichen Rechts ist zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung in sämtlichen Mitgliedstaaten autonom auszulegen,172) wobei insbesondere Grundpfandrechte erfasst sind.173) 111 Strebt der Schuldner an, durch den Restrukturierungsplan eine Gestaltung von Grundpfandrechten oder Forderungen aus Miet- oder Pachtverhältnissen vorzunehmen, so ist zunächst zu prüfen, ob die Gerichte des Belegenheitsstaats auch für alle weiteren Planbetroffenen über den allgemeinen Gerichtsstand (Art. 4 Brüssel Ia-VO) oder die besonderen Gerichtsstände (Art. 7 ff. Brüssel Ia-VO) zuständig sind. Die Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO gilt für die übrigen Planbetroffenen jedoch nicht,174) d. h. es kommt diesbezüglich keine Konzentration der Zuständigkeit in Betracht, wie sie bspw. Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO kennt. 112 Ist eine internationale Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 und Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO am gleichen Ort nicht möglich, so bedarf es der Entscheidung, welche Gestaltung der Schuldner vorrangig anstrebt. Die Gestaltung von Grundpfandrechten wird wohl in den wenigsten Fällen und die Gestaltung von Forderungen aus Miet- und Pachtverhältnissen nur in bestimmten Fällen im Vordergrund stehen, da solche Gestaltungen bei werthaltigen Grundpfandrechten meist schon durch das Schlechterstellungsverbot verhindert werden, sodass diese Entscheidung in aller Regel zugunsten der Gestaltungen getroffen wird, die nicht unter Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO fallen. Es würde zwar ein weiterer Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen in dem Staat, in dem die in Rede stehenden unbeweglichen Sachen belegen sind, in Betracht kommen, wobei allerdings ein möglicherweise bestehendes Holdout-Problem schwer zu überwinden sein könnte. Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen sind zwar primär auf die Überwindung dieses Problems ausgerichtet, allerdings stoßen die entsprechenden Mechanismen dann an ihre Grenzen, wenn von diesem weiteren Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nur wenige oder gar nur ein Gläubiger ___________ 171) Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 24 EuGVVO Rz. 1; Vossler in: BeckOK-ZPO, Art. 24 Brüssel Ia-VO vor Rz. 1. 172) Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 24 EuGVVO Rz. 3; Vossler in: BeckOK-ZPO, Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 8. 173) EuGH v. 10.1.1990 – Rs. C-115/88, IPRax 1991, 45; EuGH v. 18.5.2006 – Rs. C-343/04, NVwZ 2006, 1149; Paulus in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Brüssel Ia), Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 21; Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 3a; Dörner in: Saenger, ZPO, Art. 24 EuGVVO Rz. 9; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1505; Skauradszun/ Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 21. 174) Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1505; Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 21.

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erfasst wird. Ist dies der Fall, so wird das Erreichen der nach § 25 StaRUG erforderlichen Mehrheit oder sogar eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung nach § 26 StaRUG nicht oder kaum möglich sein, sodass damit gerade die Zielsetzung präventiver Restrukturierungsrahmen unterlaufen wird. Dies zeigt einmal mehr, dass die Anwendung des Zuständigkeitsregimes der Brüssel Ia-VO zu Problemen führt.175) 2.3.2 Restrukturierungsverfahren als gesellschaftsrechtliche Verfahren nach Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO? Eine weitere Möglichkeit wäre, die Zuständigkeit für Stabilisierungs- und Restrukturie- 113 rungsrahmen nach Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zu bestimmen.176) Demnach sind für Verfahren, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder die juristische Person ihren Sitz hat. Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen als gesellschaftsrechtliche Verfahren zu verstehen sind. Sinn und Zweck des Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO sei es, einen Gleichlauf von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit herzustellen,177) was grundsätzlich wünschenswert sei. Ein weiterer Vorteil wäre, dass ein missbräuchliches Forum Shopping vermieden werden könnte, was weder bei Anwendung des allgemeinen Gerichtsstands nach Art. 4 Brüssel Ia-VO (siehe Rz. 105 f.) noch mit dem besonderen Gerichtsstand nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO erreicht werde. Problematisch ist jedoch, dass es sich nach dem Wortlaut des Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO 114 um Verfahren betreffend die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe handeln muss,178) was Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zweifelsfrei nicht sind.179) Dazu kommt, dass gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zwar nach §§ 2 Abs. 3 und 7 Abs. 4 StaRUG möglich sind, diese allerdings nicht unbedingt den Schwerpunkt der geplanten Gestaltungen darstellen müssen oder mitunter sogar gänzlich auf solche Maßnahmen verzichtet wird. Angesichts dessen erscheint es nicht stimmig, Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen grundsätzlich als gesellschaftsrechtliches Verfahren zu qualifizieren. Es liegt vielmehr näher, einem der beiden großen Lager im Schrifttum zu folgen und Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen entweder als rechtsgeschäftlich180) oder verfahrensrechtlich181) zu qualifizieren. Diese dogmatischen Bedenken ergänzt schließlich der Einwand, dass bspw. Einzelkaufleute einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen in Anspruch nehmen können, sie aber keine Gesellschaft oder juristische Person sind und ___________ 175) Ebenso Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 1 Rz. 85. Die Zuständigkeitsregelungen der Brüssel Ia-VO wurden zu einer Zeit entworfen, als es noch keine präventiven Restrukturierungsrahmen gab; Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 26. 176) So der Vorschlag von J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 659. 177) So in allgemeiner Form Vossler in: BeckOK-ZPO, Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 18. 178) Der Wortlaut des Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ist zudem eng auszulegen; Paulus in Paulus/Peiffer/Peiffer, Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Brüssel Ia), Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 67. 179) Dieses Problem legt J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 660, auch offen. 180) Für dieses Lager grundlegend Madaus, EBOR Vol. 19/2018, 615, 626; Madaus, DB 2019, 592, 594; Madaus, Working Paper 2019-08, S. 1 ff.; ihm folgend Seibt/v. Treuenfeld, DB 2019, 1190, 1191; Fritz/Scholtis, BB 2019, 2051, 2053. 181) Kern, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 18; Dahl/Linnenbrink, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 45, 46; IDW, Positionspapier 11/2019, S. 9; Skauradszun, KTS 2019, 161, 164; Skauradszun, KTS 2021, 1, 31 ff.

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3. Teil Verfahren

Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO aufgrund dessen nicht anwendbar wäre.182) Insofern scheint der oben genannte Weg über Art. 4 und 8 Brüssel Ia-VO in der Gesamtschau zu stimmigeren Ergebnissen zu führen, wenngleich dann die Möglichkeit eines Forum Shopping nicht von der Hand zu weisen ist. 2.3.3 Keine Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 Brüssel Ia-VO 115 Nach Art. 25 Abs. 1 Brüssel Ia-VO ist es Vertragsparteien auch gestattet, Vereinbarungen über die (internationale) Zuständigkeit in Bezug auf bereits entstandene oder auch zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu treffen, womit, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, eine ausschließliche Zuständigkeit des entsprechenden Gerichts begründet wird. Voraussetzung ist außerdem, dass die Vereinbarung beider Parteien nach dem Recht des Mitgliedstaats, dessen Gerichte zuständig sein sollen, nicht materiell nichtig ist. 116 Im Falle eines präventiven Restrukturierungsrahmens liegt jedoch keine individuelle Rechtsstreitigkeit zwischen dem Schuldner und einem Planbetroffenen vor, sondern es handelt sich um eine quasi-kontradiktorische Situation zwischen dem Schuldner und mehreren, teils vielen Planbetroffenen, weshalb Gerichtsstandsvereinbarungen in diesem Fall nicht anwendbar sind.183) Im Moment der Vereinbarung der Zuständigkeit war eine solche Situation i. Ü. nicht hervorsehbar,184) sodass in der Regel bei der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung davon ausgegangen werden muss, dass sich die getroffene Vereinbarung nicht auch auf eine solche Situation erstrecken sollte. 3.

Bestimmung des anwendbaren Rechts

117 Obgleich es überwiegend mittlere und große Unternehmen mit mehr oder weniger stark ausgeprägtem Auslandsbezug sein werden, die Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen in Anspruch nehmen werden, lässt die Gesetzesbegründung Ausführungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts gänzlich vermissen. Der Gesetzgeber ging wohl davon aus, dass die zu gestaltenden Rechtsverhältnisse allesamt deutschem Recht unterliegen, was allerdings nicht der Realität der in Betracht kommenden Schuldner entspricht (siehe den Beispielsfall in Rz. 1). 3.1

Kollisionsrecht für die einzelnen Plangestaltungen

118 Während sich das anwendbare Recht bei öffentlichen Restrukturierungssachen nach dem in Art. 7 EuInsVO verankerten lex-fori-concursus-Grundsatz bestimmt, steht für vertrauliche Restrukturierungsverfahren keine ähnlich allgemeine Kollisionsvorschrift zur Bestimmung des anwendbaren Rechts bereit. Es gilt vielmehr, andere Lösungen zu finden, wobei es einer gesonderten Betrachtung der verschiedenen in Betracht kommenden Gestaltungen bedarf. Eine Ausnahme bildet hier die Situation, dass der Restrukturierungsplan von allen Planbetroffenen angenommen wurde und er eine Rechtswahlklausel zugunsten der deutschen Rechtsordnung enthält. Abgesehen von diesem in der Praxis eher seltenen Szenario kann nicht grundsätzlich festgehalten werden, dass alle Forderungen nach dem deutschen Recht gestaltet werden können.

___________ 182) Vgl. Vossler in: BeckOK-ZPO, Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 19. Aus diesem Grund lehnen auch Schlöder/ Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1045, eine Lösung über Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ab. 183) Ausführlicher dazu Skauradszun/Nijnens, NIBLeJ 7 (2019), 1, 23 f.; a. A. Madaus, ZIP 2022, 1233, 1234. 184) Zu dieser Voraussetzung EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-352/13 (CDC/Evonik), Rz. 67, NZKart 2015, 307; BGH v. 6.12.2018 – IX ZR 22/18, Rz. 25, NJW 2019, 1300.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

3.1.1 Restrukturierungsforderungen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG Geht es um Restrukturierungsforderungen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG, so ist zu prü- 119 fen, ob das entsprechende Rechtsverhältnis eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist. Ist dies der Fall, so ist nach Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet.185) Eine solche Verbindung zum Recht verschiedener Staaten liegt auch dann vor, wenn zwar ein reiner Inlandssachverhalt vorliegt, die Parteien aber eine Rechtswahl zugunsten ausländischen Rechts getroffen haben.186) Eine Gestaltbarkeit der entsprechenden Restrukturierungsforderung wird man dann bejahen 120 müssen, wenn eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts vorgesehen ist (Art. 3 Rom I-VO) oder, sofern es an einer Rechtswahl der Parteien fehlt, nach Art. 4 ff. Rom I-VO deutsches Recht anwendbar ist. Ist demnach deutsches Recht anwendbar, so erstreckt sich der Geltungsbereich des anwendbaren Rechts nach Art. 12 Abs. 1 Rom I-VO insbesondere auf die Erfüllung (lit. b) oder die Nichterfüllung (lit. c) der vertraglichen Verpflichtungen sowie auf die verschiedenen Arten des Erlöschens dieser Verpflichtungen (lit. d), was auch den Erlass oder Verzicht von Restrukturierungsforderungen umfasst.187) Hat der Schuldner hingegen mit einigen Gläubigern eine Rechtswahlklausel zugunsten einer ausländischen Rechtsordnung vereinbart oder ist nach Art. 4 ff. Rom I-VO eine andere als die deutsche Rechtsordnung anwendbar, so erscheint es zweifelhaft, aus welchem Grund der Gläubiger eine Gestaltung seiner Forderung nach deutschem Recht hinnehmen sollte.188) Die oben bereits angesprochene Möglichkeit, im Restrukturierungsplan selbst eine Rechts- 121 wahlklausel vorzusehen und somit sämtliche Planbetroffene einer Gestaltung nach deutschem Recht zu unterwerfen, besteht nur im Falle eines einstimmig angenommenen Plans. Wurde ein Restrukturierungsplan jedoch nur mit einer Mehrheit nach § 25 Abs. 1 StaRUG angenommen, so entfaltet der Plan gegenüber den Planbetroffenen nach §§ 17 Abs. 1, 67 Abs. 1 StaRUG erst dann Bindungswirkung, wenn er gerichtlich bestätigt wurde.189) Demzufolge wird auch die im Plan enthaltene Rechtswahlklausel erst in diesem Moment wirksam. Notwendigerweise ist aber i. R. der Aufstellung des Plans im ersten Schritt zu klären, welchem Recht die einzelnen Restrukturierungsforderungen unterliegen, sodass Forderungen, die hier noch nicht dem deutschen Recht unterliegen, einer Gestaltung durch den Plan entzogen werden. Eine Rechtswahlklausel im nicht einstimmig angenommenen Restrukturierungsplan kann also lediglich den Weg für zukünftige Gestaltungen nach deutschem Recht bereiten. 3.1.2 Absonderungsanwartschaften i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG können im Restrukturierungsplan auch Absonderungs- 122 anwartschaften an Gegenständen des schuldnerischen Vermögens gestaltet werden, wobei insbesondere Grundschulden, Hypotheken, Pfandrechte an Sachen sowie Sicherungsüber___________ 185) Verordnung (EG) 593/2008 v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Die Rom II-VO für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen (Verordnung (EU) Nr. 864/2007 v. 11.7.2007) kann relevant sein, wenn eine Restrukturierungsforderung auf Deliktsrecht gestützt wird. § 4 Nr. 2 StaRUG nimmt nicht jede deliktsrechtliche Forderung von der Gestaltung aus, sondern nur solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. 186) Arg. e contr. Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO; Spickhoff in: BeckOK-BGB, Art. 1 Rom I-VO Rz. 33. 187) Art. 12 Abs. 1 lit. d Rom I-VO erfasst auch den Verzicht und Erlass als einseitige oder übereinstimmende Beendigung von Vertragspflichten (Staudinger in: NK-BGB, Art. 12 Rom I-VO Rz. 7; Spickhoff in: BeckOK-BGB, Art. 12 Rom I-VO Rz. 9; Thorn in: Grüneberg, BGB, Art. 12 Rom I-VO Rz. 8), was mit der Situation i. R. eines Restrukturierungsplans vergleichbar scheint. 188) Ausführlich zum niederländischen Recht Nijnens in: Harmsen/Reumers, De WHOA: van wet naar recht, 12.4. 189) Erst in diesem Moment entfalten die Willenserklärungen der beteiligten Parteien Bindungswirkung; Bauch in: Braun, StaRUG, § 68 Rz. 5; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 117.

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§ 14

3. Teil Verfahren

eignungen betroffen sind.190) Betreffend Absonderungsanwartschaften an Sachen kann jedenfalls nicht auf eine Rechtswahlklausel abgestellt werden, eine solche Möglichkeit kennt das Internationale Sachenrecht nicht.191) 123 Da das Unionsrecht in diesem Fall keine unmittelbar anwendbaren Regelungen des Internationalen Sachenrechts vorsieht, ist auf das deutsche Internationale Sachenrecht abzustellen (vgl. Art. 3 EGBGB).192) Es gilt also der in Art. 43 Abs. 1 EGBGB verankerte lex-rei-sitaeGrundsatz, d. h., es wird grundsätzlich das Recht desjenigen Staates angewandt, in dem die Sache belegen ist. Sofern es sich bei dem in Rede stehenden Gegenstand um eine Sache handelt,193) ist nach der Situs-Regel des Art. 43 Abs. 1 EGBGB immer dann deutsches Recht anwendbar und damit eine Gestaltung der Absonderungsanwartschaft nach deutschem Recht möglich, wenn die Sache in Deutschland belegen ist. 124 Bezogen auf den eingangs dargestellten Beispielsfall (siehe Rz. 1) müsste das Touristikunternehmen also bspw. zwischen den Belegenheitsorten der Hotels unterscheiden. Eine Grundschuld an einem spanischen Hotelgrundstück wäre einer Gestaltung nach deutschem Recht und damit einer Gestaltung i. R. des Restrukturierungsplans nicht zugänglich, während eine Grundschuld an einem in Deutschland belegenen Grundstück gestaltet werden könnte. 3.1.3 Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen nach §§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 4 StaRUG 125 Nach § 2 Abs. 3 StaRUG kann der Schuldner im Restrukturierungsplan verschiedene gesellschaftsrechtliche Maßnahmen vorsehen. Erfasst sind davon etwa die in § 7 Abs. 4 StaRUG genannten Maßnahmen wie ein Debt Equity Swap oder eine Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung. Ferner wäre auch ein Debt Mezzanine Swap194) oder die Bestellung und Abberufung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern195) im Restrukturierungsplan möglich. 126 Kollisionsrechtlich bestimmt sich das anwendbare Recht hier nach der im deutschen Internationalen Gesellschaftsrecht herrschenden Sitztheorie,196) sodass gesellschaftsrechtliche Maßnahmen auf Grundlage des deutschen materiellen Gesellschaftsrechts immer dann möglich sind, wenn der Schuldner seinen Sitz im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland hat. ___________ 190) Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 13. 191) BGH v. 25.9.1996 – VIII ZR 76/95, NJW 1997, 461, 462; Spickhoff in: BeckOK-BGB, Art. 43 EGBGB Rz. 6; Looschelders in: Staudinger, BGB, Einl. IPR Rz. 157, 174; Thorn in: Grüneberg, BGB, Art. 43 EGBGB Rz. 1; Brinkmann in: Prütting/Wegen/Weinrich, BGB, Art. 43 EGBGB Rz. 6. Auch sonst gibt es keine unmittelbar anwendbaren IPR-Regelungen der EU für das Internationale Sachenrecht; Wilhelm, Sachenrecht, Erster Teil, Kap. E Rz. 384; Looschelders in: Staudinger, BGB, Einl. IPR Rz. 157; Skauradszun, AcP 221 (2021) 353, 393. 192) Wilhelm, Sachenrecht, Erster Teil, Kap. E Rz. 384; Looschelders in: Staudinger, BGB, Einl. IPR Rz. 157; Skauradszun, AcP 221 (2021) 353, 390. 193) Zu den Theorien bezüglich der Qualifizierung als Sache Mansel in: Staudinger, BGB, Art. 43 EGBGB Rz. 342; Brinkmann in: Prütting/Wegen/Weinrich, BGB, Art. 43 EGBGB Rz. 8; Spickhoff in: BeckOKBGB, Art. 43 EGBGB Rz. 7; Wendehorst in: MünchKomm-BGB, Art. 43 EGBGB Rz. 12; Prütting in: BeckOGK-ZivilR, Art. 43 EGBGB Rz. 48. 194) So zur Restrukturierungsrichtlinie Paulus/Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 2 Rz. 4; ferner ebenso beim Insolvenzplan Spahlinger in: KPB, InsO, § 225a Rz. 86. 195) Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 2 Rz. 9. Betreffend die Möglichkeit, durch den Restrukturierungsplan Organmitglieder zu bestellen, ist im Schrifttum umstritten, in Bezug auf welche Organe dies möglich sein soll. Teilweise wird dies sowohl für das Geschäftsführungsorgan als auch den Aufsichtsrat für möglich erachtet (etwa Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90; Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 680), teilweise wird die Bestellung von Organmitgliedern durch den Restrukturierungsplan jedoch nur dann für zulässig gehalten, sofern diese Kompetenz bei der Gesellschafterversammlung liegt (Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 7 Rz. 77: keine Bestellung von Vorstandsmitgliedern bei der AG). Wiederum anders Harig/Stamme, ZRI 2022, 814, 817, die eine teleologische Reduktion dahingehend vertreten, dass eine Neubesetzung des Aufsichtsrats durch den Restrukturierungsplan nicht möglich sei. 196) Zur Sitztheorie BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06, ZIP 2009, 2385 = BeckRS 2009, 28205; OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20, Rz. 8, NZG 2020, 992; Servatius in: Henssler/Strohn, GesR, Intern. Gesellschaftsrecht A. II. Rz. 5.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung 3.2

§ 14

Analoge Anwendung des lex-fori-concursus-Grundsatzes nach Art. 7 Abs. 1 EuInsVO?

Angesichts der vorstehend dargelegten Lösungsansätze zur Bestimmung des anwendbaren 127 Rechts stellt sich die Frage, ob anstelle dieses Stückwerks ggf. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO als sachnächste Kollisionsnorm im Wege einer Analogie anwendbar sein könnte. Dafür müsste jedoch eine planwidrige Regelungslücke des europäischen Gesetzgebers gegeben sein, was allerdings zu verneinen ist. Der europäische Gesetzgeber hat den Mitgliedstaaten in der Restrukturierungsrichtlinie vielmehr einen klaren Weg aufgezeigt, wie eine Anwendung der EuInsVO und damit die Anwendung des lex-fori-concursus-Grundsatzes auf die nationalen präventiven Restrukturierungsrahmen erreicht werden kann (siehe oben Rz. 3 und Rz. 54). Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Weg nur für öffentliche Restrukturierungssachen eingeschlagen, während für vertrauliche Restrukturierungssachen mangels Erfüllung der Voraussetzungen eine Aufnahme in Anhang A nicht möglich ist. Insofern liegt schon keine planwidrige Regelungslücke vor.197) 3.3

Analoge Anwendung der §§ 335 ff. InsO?

Weiterhin könnte anstelle des oben dargestellten Stückwerks über die analoge Anwen- 128 dung des § 335 InsO198) eine umfassende Lösung erreicht werden, wonach das Restrukturierungsverfahren und seine Wirkungen dem Recht des Staates unterliegen, in dem die erste Entscheidung des Restrukturierungsgerichts ergeht. In diesem Fall könnte wohl vom Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden, da der deutsche Gesetzgeber an zahlreichen Stellen schablonenhaft Regelungen der InsO auf das StaRUG übertragen hat.199) Bezüglich der Kollisionsvorschriften hat der Gesetzgeber zwar von einer solchen schablonenhaften Übertragung abgesehen, allerdings finden sich im StaRUG auch keine eigenen Kollisionsregeln, sodass viel dafür spricht, dass der Gesetzgeber übersehen hat, dass auch im StaRUG Kollisionsvorschriften benötigt werden. Auch die Interessenlage scheint noch vergleichbar zu sein. Obgleich es sich bei Stabilisie- 129 rungs- und Restrukturierungsrahmen und Insolvenzverfahren um unterschiedliche, voneinander zu trennende Subsysteme des Zivilverfahrensrechts handelt, kann davon ausgegangen werden, dass auch für das neu geschaffene Subsystem – die Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen – die Bestimmung des anwendbaren Rechts über eine Kollisionsvorschrift dem Willen des Gesetzgebers entspricht. In Bezug auf öffentliche Restrukturierungssachen hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die erste Entscheidung i. S. des § 84 Abs. 1 Satz 2 StaRUG als Eröffnungsentscheidung i. S. des Art. 2 Nr. 7 EuInsVO verstanden werden soll,200) sodass es auch gewollt sein dürfte, die erste Entscheidung i. R. einer vertraulichen Restrukturierungssache als Eröffnungsentscheidung nach § 335 InsO zu verstehen. Wird dieser Behelfslösung gefolgt, kann die Analogie jedoch nicht allein auf § 335 InsO 130 beschränkt werden. Es dürfte dann vielmehr auch eine analoge Anwendung der §§ 336 ff. InsO bejaht werden müssen, sodass insbesondere im Hinblick auf unbewegliche Gegenstände nach § 336 InsO analog der lex-rei-sitae-Grundsatz gelten würde. ___________ 197) Ebenso gegen eine Analogie in Bezug auf die weiteren Sachnormen der Art. 8 ff. EuInsVO Madaus, ZIP 2022, 1233, 1239. Sollte man dennoch der Ansicht sein, dass eine analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 1 EuInsVO möglich ist, so müssten neben dieser Norm konsequenterweise auch alle weiteren Kollisionsvorschriften der EuInsVO analog anwendbar sein, um ein „Rosinenpicken“ zu vermeiden. 198) Ausführlicher dazu Skauradszun, NZI 2021, 568, 571 f.; eher positiv zu diesem Vorschlag Madaus in: KPB, InsO, Art. 7 EuInsVO Rz. 37 f.; nun krit. Madaus, ZIP 2022, 1233, 1239 f. 199) Ausführlicher dazu Skauradszun, KTS 2021, 1, 10 ff. 200) Begr. RegE SanInsFoG z. § 91 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 179.

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§ 14 4.

3. Teil Verfahren Anerkennung der Entscheidungen

131 Bezüglich der Anerkennung der Entscheidungen ist auf die Regelungen der Brüssel Ia-VO zurückzugreifen. Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden nach Art. 36 Abs. 1 Brüssel Ia-VO in den übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Das Anerkennungs- und Vollstreckungsregime ist dabei unabhängig von der Frage der internationalen Zuständigkeit, d. h., auch in den Sonderfällen, in denen die internationale Zuständigkeit nicht nach Art. 4 bis 34 Brüssel IaVO bestimmt werden kann, bleibt die Anwendung der Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften der Verordnung davon unberührt. Die entsprechenden Vorschriften sind nämlich unabhängig von der Frage der internationalen Zuständigkeit, was insbesondere auch für den Fall einer fehlerhaften Entscheidung bezüglich der internationalen Zuständigkeit gilt.201) Eine Versagung der Anerkennung kommt nach Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO dann in Betracht, wenn ein offensichtlicher Widerspruch zur öffentlichen Ordnung des entsprechenden Mitgliedstaats gegeben ist.202) 5.

Vollstreckung der Entscheidungen

132 Nach Art. 39 Brüssel Ia-VO sind im Ausgangsstaat vollstreckbare Entscheidungen auch in den übrigen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf, wobei sich die Vollstreckung nach den Vorgaben der Art. 39 bis 44 sowie 52 bis 57 Brüssel Ia-VO richtet. Da Art. 32 EuInsVO für öffentliche Restrukturierungssachen im Anwendungsbereich der EuInsVO hinsichtlich der Vollstreckung der Entscheidungen auf die einschlägigen Vorschriften der Brüssel Ia-VO verweist (lediglich Art. 45 und 46 Brüssel IaVO sind vom Verweis nicht erfasst), kann an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (siehe Rz. 67 ff.). Es wird insbesondere regelmäßig eine Bescheinigung nach dem Formblatt in Anhang I als besonderes Nachweismittel203) auszustellen sein. V.

Grenzüberschreitende Restrukturierung mit Drittstaaten

133 Im Verhältnis zu Drittstaaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, stellen sich die gleichen Fragen, es sind allerdings weder die EuInsVO noch die Brüssel Ia-VO anwendbar. Dies gilt neben den USA als bedeutender Drittstaat insbesondere auch für das Vereinigte Königreich, das in dieser Hinsicht einen harten Brexit vollzogen hat. Für die Frage, ob Entscheidungen in präventiven Restrukturierungsrahmen im Vereinigten Königreich anzuerkennen sind, können u. a. die Cross-Border Insolvency Regulations von 2006, § 426 des Insolvency Act von 1986 und Common-Law-Grundsätze relevant sein.204) Im Hinblick auf eine etwaige Anerkennung der Gestaltungen des Restrukturierungsplans ist eine Unterscheidung danach erforderlich, welchem Recht der Plan unterliegt.205) Dazu,

___________ 201) Vgl. Art. 45 Abs. 3 Brüssel Ia-VO; Strikwerda/Schaafsma, Inleiding tot het Nederlandse Internationaal Privaatrecht, Rz. 265, 269; E. Peiffer/M. Peiffer in: Paulus/Peiffer/Peiffer, Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Brüssel Ia), Art. 36 Brüssel Ia-VO Rz. 7; Skauradszun, ZIP 2019, 1501, 1507; Nijnens, TvI 2019, 257, 259. 202) Vgl. in Bezug auf öffentliche Restrukturierungssachen Art. 33 EuInsVO. 203) Ulrici in: BeckOK-ZPO, Art. 53 Brüssel Ia-VO Rz. 3. 204) Ausführlich zur Anerkennung in Großbritannien und in den USA Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1048 ff.; zu Großbritannien auch Ch. Keller, ZInsO 2022, 733, 739 ff.; Wells/Aconley, ZInsO 2022, 698, 704. Vgl. auch Ungerer, NJW 2021, 1270, zu den Folgen des harten Brexits im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht. 205) S. hierzu Stephenson, ICR 2021, 1.

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Grenzüberschreitende Restrukturierung

§ 14

dass das Vereinigte Königreich nicht dem Lugano-Übereinkommen206) beitreten und stattdessen als Drittstaat unter das Haager Übereinkommen fallen soll, hat die EU-Kommission am 4.5.2021 ihre Beurteilung veröffentlicht.207) Das Haager Übereinkommen wurde bis November 2022 von der USA, der Russischen Föderation, der Ukraine, Israel, Costa Rica und Uruguay gezeichnet. Außerdem ist die EU dem Übereinkommen am 29.8.2022 beigetreten. Das Übereinkommen wird, nachdem es damit von zwei Parteien (Ukraine und EU) ratifiziert wurde, am 1.9.2023 in Kraft treten. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht direkt Vertragspartner, sondern über die EU gebunden. Der Bundestag hat hierzu am 7.11.2022 ein Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens erlassen.208) Offen ist gegenwärtig noch, ob umgekehrt Restrukturierungsverfahren aus dem Vereinigten 134 Königreich in Deutschland anzuerkennen sind. Da es sich bei Restrukturierungsverfahren nicht um Insolvenzverfahren handelt, sind jedenfalls die §§ 343 ff. InsO nicht direkt anwendbar. Einer Prüfung bedürfen in dieser Hinsicht jedoch die Grundsätze des § 328 ZPO.209)

___________ 206) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 30.10.2007 (Lugano-Übereinkommen), ABl. (EU) L 147/5 v. 10.6.2009, ber. ABl. (EU) L 147/44 v. 10.6.2009. Es bindet die Mitgliedstaaten der EU, Dänemark, Norwegen, die Schweiz und Island. S. zu aktuellen Entwicklungen hierzu Antomo in: BeckOKZPO, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 4 f. 207) Europäische Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertung des Ersuchens des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland um Beitritt zum Lugano-Übereinkommen von 2007 v. 4.5.2021, COM(2021) 222 final. Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1048, sehen eine Anerkennung über das Haager Übereinkommen aufgrund der Bereichsausnahme in Art. 2 Abs. 2 lit. e für „Insolvenz, insolvenzrechtliche Vergleiche und ähnliche Angelegenheiten" kritisch. 208) Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens v. 2.7.2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung, des Bürgerlichen Gesetzbuchs, des Wohnungseigentumsgesetzes und des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens, v. 7.11.2022, BGBl. I 2022, 1982. 209) Zu dieser und zwei weiteren Möglichkeiten Ch. Keller, ZInsO 2022, 733, 737.

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4. Teil Sanierungsmoderation § 15 Vermittlung einer Restrukturierungslösung Frege/Nicht

I. Einleitung .................................................... 1 II. Einleitung des Verfahrens der Sanierungsmoderation ...................................... 10 1. Einleitung des Verfahrens durch Antragstellung (§ 94 StaRUG) ...................... 11 1.1 Sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit...................... 11 1.2 Antragstellung durch den Schuldner ....................................... 15 1.2.1 Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen ....................................... 16 1.2.2 Antragsinhalt ................................. 19 1.2.3 Verzeichnisse ................................. 25 1.2.4 Erklärung zum Nichtvorliegen der Insolvenzgründe ..................... 29 1.2.5 Entscheidung des Restrukturierungsgerichts ................................. 32 1.2.6 Kosten ............................................ 33 2. Auswahl und Bestellung des Sanierungsmoderators (§ 95 StaRUG).............. 35 2.1 Vorauswahlverfahren und Bestellungsverfahren ......................... 37 2.2 Persönliche und fachliche Eignungskriterien................................ 43 2.3 Vorschlagsrechte, Mitwirkungsbefugnisse ...................................... 51 2.4 Bestellungsentscheidung des Restrukturierungsgerichts ............ 54 III. Aufgabenbereich und Befugnisse des Sanierungsmoderators (§§ 96, 97 StaRUG)................................... 58 1. Einleitung, Allgemeine Aufgabenbeschreibung .............................................. 58 2. Rechtsnatur der Verfahrensposition......... 61 3. Kernaufgabe: Vermittlung einer Sanierungslösung (§ 96 Abs. 1 StaRUG) .......... 62 3.1 Kompetenzeröffnung (§ 96 Abs. 1 StaRUG)................... 62 3.2 Informationsbeschaffung (§ 96 Abs. 2 StaRUG)................... 64 3.3 Durchführung der Vermittlung (§ 96 Abs. 1 StaRUG)................... 73

4.

Pflicht zur Berichterstattung (§ 96 Abs. 3 StaRUG) ............................... 96 5. Pflicht zur Anzeige der Insolvenzreife (§ 96 Abs. 4 StaRUG) ............................. 102 6. Haftung des Sanierungsmoderators bei Pflichtverletzungen.................................. 106 IV. Aufsicht des Restrukturierungsgerichts (§ 96 Abs. 5 StaRUG) .............. 110 1. Allgemeine Überwachung des Sanierungsmoderators (§ 96 Abs. 5 Satz 1 StaRUG)................................................... 111 2. Entlassung aus wichtigem Grund (§ 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG) .................. 112 3. Abberufung des Sanierungsmoderators (§ 99 StaRUG) ......................................... 119 V. Abschluss und Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG) .. 123 1. Dogmatische Einordnung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG) .. 123 2. Beteiligte des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG) ............................. 126 3. Inhalt und Struktur des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)............ 130 4. Antrag auf gerichtliche Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)................................................... 131 5. Erteilung der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)................................................... 133 6. Rechtsfolgen der Erteilung der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG) .. 137 7. Versagung der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) .................. 145 8. Stellungnahme durch den Sanierungsmoderator (§ 97 Abs. 2 StaRUG)........... 153 VI. Vergütung des Sanierungsmoderators (§ 98 StaRUG)................................. 156 VII. Übergang in den Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen (§ 100 StaRUG)....................................... 163

Literatur: Bork, Die Regelungen zur Insolvenzanfechtung im StaRUG, ZInsO 2020, 2177; Hoegen, Die Sanierungsmoderation, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59; Hölzle, Zur Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens in Deutschland, ZIP 2020, 585; Nicht, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Verwaltervorauswahl, NZI 2022, 360; Müller, H.-F., Die Umsetzung der EU-Richtlinie

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Frege/Nicht

Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

über präventive Restrukturierungsrahmen, ZIP 2020, 2253; Ringelspacher/Heidenfelder, Sanierungsmoderation, ZRI 2021, 527; Schmittmann, Sanierung und Sanierungsmoderation, DZWIR 2021, 436; Skauradszun, Neuralgische Punkte der Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, ZRI 2020, 625; Smid, Der Restrukturierungsbeauftragte in den Regelungen des StaRUG, ZInsO 2020, 2184; Thole, Der Entwurf eines Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes, ZIP 2020, 1985.

I.

Einleitung

Mit der Einführung der Sanierungsmoderation in den §§ 94 – 100 StaRUG1) hat der Ge- 1 setzgeber des SanInsFoG2) das Regelungsziel verbunden, den in der Krise befindlichen, sanierungswilligen und restrukturierungsfähigen Unternehmen ein möglichst niedrigschwelliges, kostengünstiges, nichtöffentliches (§ 95 Abs. 2 StaRUG) und zeitlich begrenztes (§ 95 Abs. 1 StaRUG, drei Monate mit Verlängerungsoption) Angebot im Hinblick auf eine außerinsolvenzliche Vergleichsverhandlung zu unterbreiten. Dieses Angebot ist nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers in besonderem Maße an kleinere und Kleinstunternehmen gerichtet.3) Unter der Aufsicht und der fachlichen Anleitung des vom Restrukturierungsgericht zu 2 bestellenden Sanierungsmoderators soll vom Antragsteller der Versuch unternommen werden, „zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten“ eine einvernehmliche, d. h. konsensuale, Sanierungslösung gemeinsam mit den in das Verfahren einbezogenen Gläubigern zu verhandeln (§ 96 Abs. 1 StaRUG).4) Der Sanierungsmoderator wird hierbei – in Anlehnung an die Rechtsfigur eines gerichtlich bestellten Mediators5) – im Verfahren der Sanierungsmoderation eingesetzt, um die Sanierungslösung zwischen dem Antragsteller und seinen in das Verfahren einbezogenen Gläubigern zu vermitteln (§ 96 Abs. 1 StaRUG).6) Der Gesetzgeber hat beabsichtigt, mit der Sanierungsmoderation ein flexibles und einfach 3 zu handhabendes Instrument einzuführen, das aufgrund seiner sehr niedrigen Eingriffsintensität als milderes Mittel im Vergleich zu den Restrukturierungsinstrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens eingeordnet werden kann.7) Es ist vor allem für einfach gelagerte Sachverhalte mit geringer Komplexität geeignet, in denen aufgrund einer latenten Einigungsbereitschaft der Verfahrensbeteiligten der Einsatz einer kompetenten, neutralen und objektiven Vermittlerperson bereits als ausreichend wahrgenommen wird.8) Begünstigend kann es sich auswirken, wenn der Antragsteller private Mittel zur Unterstützung der Durchführung der Sanierung zur Verfügung stellen kann.9) ___________ 1)

2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 184; Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528. Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528; Schmittmann, DZWIR 2021, 436. Vgl. auch Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmenssanierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 180. Schmittmann, DZWIR 2021, 436, 440. Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, Vorb. vor §§ 94 – 100 Rz. 7. Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmenssanierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 183, 185; Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528. Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmenssanierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 183, 185.

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§ 15

4. Teil Sanierungsmoderation

4 Der Sanierungsmoderator verfügt nicht über materielle Gestaltungs- und Eingriffsrechte. Er ist lediglich beobachtend tätig, ermittelt die im Einzelfall erforderlichen Sachverhaltsinformationen (§ 96 Abs. 2 StaRUG), überwacht den Verhandlungsvorgang im Hinblick auf den Eintritt der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§ 96 Abs. 4 StaRUG), stellt das Bindeglied zum Restrukturierungsgericht dar (§ 96 Abs. 3 StaRUG) und in erster Linie moderiert er konstruktiv den Prozess der Sanierungsverhandlung zwischen dem Antragsteller und den in das Verfahren einbezogenen Gläubigern. Wie ein Mediator gestaltet er den Kommunikationsprozess als Vorgang, ist aber für dessen wirtschaftliches Ergebnis nicht persönlich verantwortlich. Er ist damit ein gesetzlich geregeltes ergänzendes Instrument10) zur sachgerechten Steuerung der Kommunikation und des Verhandlungsverhaltens des Antragstellers im Hinblick auf die anzustrebende Vergleichslösung. 5 Hierbei hilft die verfahrensrechtliche Einbettung in das StaRUG, weil mit der Bestellung durch das Restrukturierungsgericht (§§ 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 StaRUG) und dessen fortlaufender Aufsicht (§ 96 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 StaRUG) die Objektivität und Neutralität des Sanierungsmoderators institutionell hoheitlich abgesichert werden und diese öffentlich-rechtlichen Begleitumstände ein höheres Maß an Legitimität im Hinblick auf die Vermittlungstätigkeit schaffen können und auch sollen.11) Insoweit kann diese spezialgesetzliche Variante einer zweckgebundenen und verfahrensrechtlich eingebetteten Wirtschaftsmediation einer freien und ungeregelten Sanierungsverhandlung im Einzelfall vorzuziehen sein. 6 Ein konkretes gesetzliches Vorbild für die Sanierungsmoderation i. S. der §§ 94 – 100 StaRUG liegt nicht vor.12) Es handelt sich bei dem Verfahren um eine gesetzgeberische Neuschöpfung, mit der das Instrumentarium des StaRUG i. S. einer professionell angeleiteten Verhandlungsführung außerhalb des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (vgl. § 100 StaRUG) ergänzt und abgerundet werden soll.13) Inhaltliche Überschneidungen bestehen innerhalb des StaRUG zum fakultativen Restrukturierungsbeauftragten i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, soweit diesem die Förderung der Verhandlungen zwischen der Antragstellerin und den Beteiligten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens obliegt. 7 Die §§ 94 – 100 StaRUG sind nicht in Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie14) entstanden.15) Denn diese Richtlinie enthält keine Vorgaben, die dem Regelungskomplex der Sanierungsmoderation inhaltlich zugrunde liegen könnten. Folglich sind die §§ 94 – 100 StaRUG nicht konkret im Hinblick auf ihre Richtlinienkonformität auszulegen. Sie sind zunächst autonom als nationale Rechtsvorschriften ohne europarechtlichen Bezug auszulegen. ___________ 10) Vgl. Allg. Begr. RegE SanInsFoG BT-Drucks. 19/24181, S. 94. 11) Vgl. auch Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528. 12) Vgl. zu den Parallelen zum französischen Recht Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Thole, ZIP 2020, 1985, 2000. 13) Allg. Begr. RegE SanInsFoG BT-Drucks. 19/24181, S. 94. 14) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019; s. zur Umsetzung Hölzle, ZIP 2020, 585 ff. 15) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, Vorb. vor §§ 94 – 100 Rz. 7; Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

Nach der Zielsetzung des Gesetzes, die sich aus den Motiven des Gesetzgebers deutlich 8 herauslesen lässt, soll das Verfahren der Sanierungsmoderation insbesondere für (sehr) kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung stehen, um in einem recht einfach strukturierten Verhandlungsprozess unter sach- und fachkundiger Anleitung und Vermittlung eine inhaltliche Einigung mit den konkret beteiligten Gläubigern zu erreichen.16) Angesichts der de lege lata vorliegenden gesetzgeberischen Ausgestaltung der §§ 94 – 100 StaRUG werden jedoch nachvollziehbare Bedenken im Hinblick auf die Möglichkeit der Erreichung des Gesetzesziels erhoben.17) Insbesondere resultieren diese Bedenken daraus, dass das Verfahren der Sanierungsmoderation aufgrund der gesetzlichen Verfahrensanforderungen für zu teuer gehalten wird, um tatsächlich kleinere und Kleinstunternehmen in der Wirtschaftspraxis anzusprechen.18) Die Vermutung liegt nahe, dass die vermeintlichen Adressaten der §§ 94 ff. StaRUG sich das StaRUG-Verfahren der Sanierungsmoderation oftmals nicht werden leisten können, weil die tatsächlich erforderlichen Vorbereitungen und auch die unvermeidbaren Aktivitäten im Verfahren selbst im Einzelfall einen höheren Aufwand und damit verbundene Kosten verursachen, als dies dem Gesetzgeber bewusst ist. Kritik im Hinblick auf die praktische Anwendbarkeit der §§ 94 ff. StaRUG wird auch in- 9 soweit berechtigt und geboten sein, als die Vorschriften in nicht unerheblichem Maße tatbestandliche Regelungslücken und Unschärfen aufweisen, die nach und nach durch Auslegung geschlossen und beseitigt werden müssen. Problematisch hieran ist, dass bei einem für die hiesige Rechtsordnung neuartigen und noch unbekannten gesetzlichen Instrument, welches auf das freiwillige und konstruktive und integrative Mitwirken der beteiligten Gläubiger ausgerichtet und fokussiert ist, Rechtsunklarheit und Rechtsunsicherheit dazu führen können, dass aufgrund der fehlenden Berechenbarkeit das Gesetz weitgehend leerläuft, weil sich die betroffenen Gläubiger der Mitwirkung und Teilnahme verweigern. Ihre Bereitschaft zur Verhandlung i. R. der Sanierungsmoderation kann ebenso wenig erzwungen werden wie die vom Schuldner angestrebte materielle Einigung. Umso wichtiger ist hier die inhaltlich präzise, sprachlich verständliche und praktisch funktionsfähige Ausgestaltung der anwendbaren gesetzlichen Rahmenbedingungen. Daran fehlt es der im Moment vorliegenden Gesetzesfassung des StaRUG in den §§ 94 – 100 an einigen Stellen. II.

Einleitung des Verfahrens der Sanierungsmoderation

Das Verfahren der Sanierungsmoderation nach dem StaRUG (§§ 94 – 100 StaRUG) ist als 10 ein auf Freiwilligkeit und Integrationswillen der betroffenen Gläubiger gestütztes Krisenmoderationsverfahren konzipiert, mithin als spezialgesetzliche Ausprägung einer moderierenden Wirtschaftsmediation mit dem Ziel eines Vergleichsabschlusses (§ 779 BGB). Dennoch ist es als sanierungsrechtliches Antragsverfahren gesetzlich ausgestaltet (§ 94 Abs. 1 StaRUG), welches auf Initiative des Schuldners eingeleitet wird.19) Die Sanierungsmoderation wird vom zuständigen Restrukturierungsgericht (§ 94 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StaRUG i. V. mit § 34 Abs. 1 StaRUG) nur angeordnet, wenn ein formal zulässiger und inhaltlich begründeter Antrag eines restrukturierungsfähigen Schuldners vorliegt. Folgende rechtlichen Voraussetzungen sind hierbei zu beachten: ___________ 16) Allg. Begr. RegE SanInsFoG BT-Drucks. 19/24181, S. 94. 17) Zutreffende Kritik bei Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmensrestrukturierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 180-183; Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 63. 18) Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmensrestrukturierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 180 – 183. 19) Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60.

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§ 15

4. Teil Sanierungsmoderation

1.

Einleitung des Verfahrens durch Antragstellung (§ 94 StaRUG)

1.1

Sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit

11 Für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Sanierungsmoderation ist das Amtsgericht in seiner Funktion als Restrukturierungsgericht sachlich zuständig (§ 94 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StaRUG i. V. mit § 34 Abs. 1 StaRUG). 12 Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 StaRUG handelt grundsätzlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein OLG seinen Sitz hat, für den OLG-Bezirk. Soweit dieses Amtsgericht nicht für die Bearbeitung von Regelinsolvenzen zuständig ist, handelt das für Regelinsolvenzen zuständige Amtsgericht (§ 34 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Das Landesrecht kann gemäß § 34 Abs. 3 StaRUG hiervon abweichen. 13 Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 35 StaRUG. Maßgebend ist (wie bei § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO) der allgemeine Gerichtsstand des restrukturierungsfähigen Schuldners (§ 35 Satz 1 StaRUG). Liegt dagegen (wie bei § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO) der Mittelpunkt der der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners (Centre of Main Interests) an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Amtsgericht als Restrukturierungsgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Tätigkeitsmittelpunkt liegt. 14 In funktioneller Hinsicht ist die Richterzuständigkeit gegeben. 1.2

Antragstellung durch den Schuldner

15 Dem Schuldner obliegt es, einen formal zulässigen und inhaltlich schlüssigen Antrag zu stellen, in dem die in § 94 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StaRUG aufgeführten Informationen enthalten sind.20) Zudem müssen die Angaben und Dokumente gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StaRUG beigefügt werden. Obgleich die Norm hinsichtlich der Pflichtangaben und verbindlichen Nachweise auf den ersten Blick klar und eindeutig erscheint, ergeben sich bei näherem Hinsehen einige Auslegungsfragen: 1.2.1 Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen 16 Hinsichtlich der allgemeinen Förmlichkeiten der Antragstellung (allgemeine Verfahrensvoraussetzungen) wird man über § 38 Satz 1 StaRUG auf die Vorschriften der ZPO zurückgreifen können. Zwar wird die Sanierungsmoderation systematisch-begrifflich nicht als Restrukturierungssache i. S. des § 31 Abs. 3 StaRUG eingeordnet, und folglich ist § 38 Satz 1 StaRUG auch nicht unmittelbar auf das Verfahren nach §§ 94 ff. StaRUG anzuwenden. Einer analogen Anwendung dürften aber keine rechtlichen Hinderungsgründe im Wege stehen, denn auch bei der Sanierungsmoderation handelt es sich um ein gerichtliches Verfahren, das beim Restrukturierungsgericht geführt wird. Es weist durchaus Züge eines kontradiktorischen Verfahrens auf (vergleichbar der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung). Aufgrund der Verweisung auf die ZPO ergibt sich, dass die Antragstellerin partei- und prozessfähig sein muss und im Antragsverfahren auch ordnungsgemäß gesetzlich nach dem jeweils anzuwendenden Gesellschaftsstatut vertreten sein muss (vgl. § 125 HGB, § 35 GmbHG, § 78 AktG); § 15 InsO ist hier mangels gesetzlicher Bezugnahme nicht anzuwenden.21) 17 Für den Antrag gilt keine gesetzliche Form gemäß StaRUG, so dass die allgemeinen Vorgaben der ZPO eingreifen. Der Antrag ist hiernach in Schriftform oder zu Protokoll der ___________ 20) Vgl. Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528, 529. 21) Vgl. auch Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 4.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

Geschäftsstelle zu stellen.22) Eine lediglich mündliche Antragstellung (z. B. i. R. eines Telefonates) oder in Textform i. S. von § 126b BGB (z. B. als einfache E-Mail) reichen nicht aus. Aufgrund der gesetzlichen Pflichtangaben gemäß §§ 94, 95 StaRUG ist die Einhaltung der Schriftform unbedingt zu empfehlen.23) Das Rechtsschutzbedürfnis lässt sich aus der Restrukturierungsfähigkeit (§ 30 Abs. 1 StaRUG) und der Restrukturierungsbedürftigkeit (vgl. auch § 31 StaRUG) des Schuldners herleiten. Der Antrag muss gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 StaRUG durch einen restrukturierungsfähigen 18 Schuldner gestellt werden. Restrukturierungsfähig ist nach dem StaRUG, wer insolvenzfähig (§§ 11, 12 InsO) ist (§ 30 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Im Hinblick auf natürliche Personen, die stets kraft Gesetzes insolvenzfähig sind, gilt, dass die Restrukturierungsfähigkeit an die unternehmerische Tätigkeit geknüpft ist (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Damit wird der Anwendungsbereich der Sanierungsmoderation auf Personengesellschaften, juristische Personen des Privatrechts und Einzelunternehmer beschränkt. Verbraucher sind von der Verfahrensart ausgeschlossen. 1.2.2 Antragsinhalt Der verbindliche Antragsinhalt24) ergibt sich aus § 94 Abs. 2 StaRUG. Im Schriftsatz sind 19 zunächst anzugeben: der Gegenstand des Unternehmens (§ 94 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) und die Art der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten (§ 94 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). Der Gesetzgeber hat nicht zu erkennen gegeben, was mit dem Rechtsbegriff „Gegenstand 20 des Unternehmens“ in § 94 Abs. 2 StaRUG konkret gemeint ist. Der Begriff erschließt sich auch nicht ohne weiteres aus dem Regelungszusammenhang und aus der ratio legis der §§ 94 – 100 StaRUG. Es darf unterstellt werden, dass der Begriff „Gegenstand des Unternehmens“ nicht in der gleichen Weise gemeint ist, wie bei seiner wortgleichen Verwendung in § 43 Nr. 2 lit. c HRV, denn das Abschreiben der Gegenstandsangabe aus dem Handelsregisterblatt dürfte für das Verfahren der Sanierungsmoderation keinen Mehrwert bringen. Für das Restrukturierungsgericht selbst lassen sich aus der Angabe des Gegenstands des Unternehmens ohnehin keine gesetzlichen Rechtsfolgen ableiten. Denkbar ist es, die vom Sanierungsplan unmittelbar betroffenen Gläubiger als indirekte 21 Adressaten der Pflichtangabe des Gegenstands des Unternehmens zu betrachten. Sie sollen in dem auf Kostenersparnis und flexible Konsensfindung ausgerichteten Verfahren der Sanierungsmoderation einen möglichst präzisen und verbindlichen, schnellen und unkomplizierten Eindruck von der Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit des Antragstellers erhalten, um beurteilen zu können, ob sie einem Vergleich (§ 779 BGB) nahetreten wollen. Folglich benötigen sie eine knappe und prägnante Beschreibung der unternehmerischen Tätigkeit des Antragstellers. Hierzu gehören eine skizzenhafte Beschreibung der betrieblichen Strukturen, des vorhandenen Leistungsangebots des Antragstellers und eine Schilderung der wesentlichen Verhältnisse des Marktzugangs. Auf dieser Tatsachengrundlage können die in den Sanierungsplan einbezogenen Gläubiger eine erste vorläufige Einschätzung hinsichtlich der Rechts- und Geschäftsverhältnisse vornehmen. Im Antrag auf Anordnung der Sanierungsmoderation muss die Art der wirtschaftlichen 22 und finanziellen Schwierigkeiten beschrieben werden. Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf die „Art der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten“ zeigt der Gesetzgeber, dass er nicht lediglich die finanzwirtschaftliche Restrukturierung als Ziel der Sanierungsmoderation vor Augen hat (z. B. durch Stundungen, Forderungsverzichte, Rangrücktritte, ___________ 22) Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 28. 23) Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 28. 24) Hierzu auch Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528 f.

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4. Teil Sanierungsmoderation

Änderungen der Besicherungsstruktur), sondern auch die leistungswirtschaftliche Restrukturierung Bestandteil des zu verhandelnden Sanierungsplans sein kann bzw. sein soll. 23 Die weite Fassung des Gesetzes ist geeignet, Folgefragen aufzuwerfen, z. B. die Rechtsfrage, ob der auf finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Restrukturierung ausgerichtete Sanierungsplan den Mindestanforderungen für Sanierungskonzepte nach IDW S 625) und/oder der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG26) genügen muss. Der Gesetzgeber hat derartige Rechtsfragen selbst nicht beantwortet und die Motive des Gesetzes geben auch keine verbindliche Antwort. Soweit sich die Auslegung von § 94 Abs. 2 StaRUG an der beschriebenen Zielsetzung des Gesetzgebers orientiert, ein möglichst einfaches, leichtgängiges und kostengünstiges Verfahren unterhalb der Schwelle der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 StaRUG) zu schaffen, wäre Zurückhaltung im Hinblick auf die Erforderlichkeit umfassender Pläne oder Gutachten geboten. Eine Orientierung an der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG würde demnach ausscheiden, weil diese Inhaltsvorgaben auf den deutlich intensiver eingreifenden Restrukturierungsplan tatbestandlich zugeschnitten sind. Auch im Hinblick auf IDW S 6 könnte argumentiert werden, dass die Einhaltung der materiellen IDW-Anforderungen an Sanierungskonzepte zu Zeitverlust und höheren Kosten aufgrund notwendiger externer Beratung und ggf. Erstellung des Plans führen wird und damit ein wichtiges Regelungsziel des Gesetzgebers verfehlt werden könnte, weil die Antragsteller die erforderliche Dokumentation nicht selbst erstellen und die notwendige externe Begleitung nicht finanzieren können. 24 Auf der anderen Seite darf nicht verkannt werden, dass die betroffenen Gläubiger ein gewichtiges Interesse an hinreichender Information haben. Diese muss inhaltlich aussagekräftig, möglichst vollständig und formal nachvollziehbar geordnet sein. Nur auf diese Weise wird man die Mitwirkung der betroffenen Gläubiger erreichen und sicherstellen können. Es ist nicht viel gewonnen, wenn die gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen für die Sanierungsmoderation (§ 94 StaRUG) im Schuldnerinteresse möglichst niedrigschwellig interpretiert werden, dafür aber die einzubeziehenden Gläubiger ihre Mitwirkung (die nicht erzwungen werden kann) verweigern, weil sie sich nicht inhaltlich zutreffend und umfangreich genug informiert fühlen. Insoweit dürfte zumindest die Orientierung an IDW S 6 geboten sein, um die Adressaten der Pflichtangaben im Verfahren sachgerecht mitzunehmen. 1.2.3 Verzeichnisse 25 Zudem sind dem Antrag ein Verzeichnis der Gläubiger (vgl. § 152 Abs. 1 InsO) und ein Verzeichnis des Vermögens (vgl. §§ 151 Abs. 1, 153 Abs. 1 InsO) beizufügen. 26 In dem Gläubigerverzeichnis müssen alle Gläubiger des Antragstellers gezeigt werden, um dem Restrukturierungsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob Zahlungsunfähigkeit offensichtlich vorliegt.27) Nach Ansicht des AG Düsseldorf hat der Antragsteller ausdrücklich zu erklären, dass neben den in dem Gläubigerverzeichnis gezeigten Gläubigern keine weiteren Gläubiger existieren. Hierauf hat sich eine gesetzlich nicht vorgesehene aber freiwillig abzugebende Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben zu beziehen.28) ___________ 25) In diese Richtung Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 34. 26) In diese Richtung Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmensrestrukturierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 181. 27) AG Düsseldorf v. 5.3.2021 – 601 SAN 1/21, ZInsO 2021, 1453 = LSK 2021, 18273. 28) AG Düsseldorf v. 5.3.2021 – 601 SAN 1/21, ZInsO 2021, 1453 = LSK 2021, 18273.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

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Das Vermögensverzeichnis muss nicht sämtliche Vermögenswerte einzeln darstellen. Es 27 genügt, wenn eine zusammenfassende Darstellung eingereicht wird, die sich an § 266 HGB orientieren könnte.29) Wertangaben können vom Antragsteller geschätzt werden. Hierbei sind Fortführungswerte zugrunde zu legen, denn mangels Insolvenzreife ist eine Umstellung auf Liquidationswerte nicht geboten. Zudem verfolgt das Verfahren der Sanierungsmoderation gerade das wirtschaftliche Ziel, den Betrieb durch Überwindung der Krise aufrechtzuerhalten. Unzureichende und fehlerhafte Angaben in den Verzeichnissen ziehen keine gesetzlichen 28 Sanktionen nach sich, können aber dazu führen, dass das Restrukturierungsgericht eine Nachbesserung verlangt und hierzu Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vornimmt. 1.2.4 Erklärung zum Nichtvorliegen der Insolvenzgründe Der Antragsteller hat zu erklären, dass er nicht zahlungsunfähig und nicht überschuldet 29 ist (§ 94 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StaRUG).30) Eine Begründungspflicht ist im Wortlaut der Vorschrift nicht enthalten. Gleichwohl wird eine Begründung des Antragstellers erforderlich sein, um das Verfahren ordnungsgemäß zu betreiben. Glaubhaftmachung ist im Gesetz ebenfalls nicht vorgesehen und kann nicht eingefordert werden. Allerdings kann das Restrukturierungsgericht bei inhaltlichen Bedenken ergänzende Schilderungen und Erklärungen anfordern.31) Auf diese Erklärung gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2 StaRUG greift auch das Restrukturierungs- 30 gericht gemäß § 94 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 StaRUG zurück, denn es muss den Antrag zurückweisen, wenn der Schuldner „offensichtlich zahlungsunfähig“ oder „offensichtlich überschuldet“ ist.32) Portisch/Cranshaw weisen zutreffend darauf hin, dass das gesetzliche Merkmal der „offensichtlichen Überschuldung“ für den Antragsteller möglicherweise zu einem praktischen Hindernis i. R. der Antragstellung werden könnte.33) Denn eine Überschuldung i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO dürfte nur dann offensichtlich sein, wenn die negative Fortführungsprognose bei gleichzeitiger bilanzieller Überschuldung für den verständigen Betrachter greifbar ist. Insoweit könnte die Praxis dazu tendieren, vom Schuldner eine Prüfung der Fortführungsprognose zu verlangen, etwa in Anlehnung an IDW S 11. Eine derartige Prüfung ist jedoch mit nicht unerheblichem Aufwand und Kosten verbunden. Im Ergebnis könnte das gesetzliche Tatbestandsmerkmal mittelbar die Antragsteller von der Sanierungsmoderation fernhalten, die der Gesetzgeber in erster Linie ansprechen wollte. In der Fachliteratur wird § 94 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StaRUG als ein Schutzgesetz i. S. 31 des § 823 Abs. 2 BGB eingeordnet.34) Sollte die Erklärung des Antragstellers zu den Insolvenzgründen mithin fehlerhaft sein und die darauf beruhende Sanierungsmoderation zu einem Hinauszögern eines an sich bereits gebotenen Insolvenzverfahrens führen, könnte das persönliche haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. 1.2.5 Entscheidung des Restrukturierungsgerichts Das Restrukturierungsgericht entscheidet durch Beschluss. Die Sanierungsmoderation ist 32 anzuordnen, wenn der Antragsteller restrukturierungsfähig ist, die erforderlichen Anga___________ 29) 30) 31) 32) 33) 34)

Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 38. Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60; Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528. Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 41. Zum Merkmal der Offensichtlichkeit Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 60. Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmensrestrukturierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 180. Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 43 ff.

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4. Teil Sanierungsmoderation

ben und Dokumente gemäß § 94 StaRUG vorliegen und der Antragsteller nicht offensichtlich zahlungsunfähig oder offensichtlich überschuldet ist. Fehlt es an diesen Voraussetzungen ist der Antrag (ggf. nach Zwischenverfügung mit der Möglichkeit der Nachbesserung) zurückzuweisen. Hiergegen steht dem Antragsteller kein Rechtsmittel zu, denn die sofortige Beschwerde ist gemäß § 40 StaRUG nur in den gesetzlich geregelten Fällen statthaft. Ein solcher Fall ist bei der Sanierungsmoderation nicht gegeben. Gegen die Anordnung der Sanierungsmoderation ist ebenfalls kein Rechtsmittel gegeben. 1.2.6 Kosten 33 Das Restrukturierungsgericht entscheidet über den Antrag auf Anordnung erst, nachdem die Gerichtskosten eingezahlt sind (§ 13a Abs. 2 Alt. 2 GKG). Die Verfahrensgebühr beträgt pauschal 500 € (Nr. 2514 KV GKG). Auf die Art und Komplexität des Verfahrens, insbesondere die Anzahl und den Umfang der in den Sanierungsplan einbezogenen Forderungen kommt es nicht an. Mit der Entrichtung dieser Gebühr sind sämtliche Tätigkeiten des Restrukturierungsgerichts im Verfahren der Sanierungsmoderation abgegolten.35) Die Gebühr ist damit die Kompensation für die Bearbeitung des Antrags und die Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen (§ 94 StaRUG), für die Bestellung und laufende Überwachung des Sanierungsmoderators (§§ 95, 96 StaRUG), die Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 StaRUG) und die Vergütungsfestsetzung und ggf. Abberufung des Sanierungsmoderators (§§ 98, 99 StaRUG). 34 Es ist zu erwarten, dass die Pauschalgebühr i. H. von 500 € den Aufwand des Restrukturierungsgerichts in der Mehrzahl der Fälle (insbesondere bei komplexeren Sachverhalten) nicht wird decken können. Denn man muss sich vergegenwärtigen, dass das Restrukturierungsgericht in jedem Verfahren mit der Antragsprüfung und Bestellung des Sanierungsmoderators befasst ist (§§ 94, 95 StaRUG), d. h. mit der Prüfung der offensichtlichen Zahlungsunfähigkeit oder offensichtlichen Überschuldung; darüber hinaus mit der fortlaufenden Überwachung des Sanierungsmoderators, vor allem durch Kenntnisnahme der Berichte (§ 96 Abs. 3, 4, 5 StaRUG) und ggf. dessen Abberufung (§§ 96 Abs. 5 Satz 2, 99 StaRUG) und schließlich mit der Prüfung und Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG). Die Überleitung in das Verfahren des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens kann erfolgen (§ 100 StaRUG), so dass auch hier das Restrukturierungsgericht weitere Rechtshandlungen vorzunehmen hat (vgl. § 100 Abs. 2 StaRUG). 2.

Auswahl und Bestellung des Sanierungsmoderators (§ 95 StaRUG)

35 Die Auswahl und Bestellung des Sanierungsmoderators erfolgen durch das Restrukturierungsgericht (§§ 94 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Das Restrukturierungsgericht hat eine für den Einzelfall geeignete und geschäftskundige natürliche Person auszuwählen und zu bestellen, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist. Der Wortlaut des StaRUG ist hinsichtlich der abstrakten Regelungssystematik erkennbar an die materiellen Voraussetzungen in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO angelehnt und referenziert auf die rechtsstaatlichen Grundanforderungen für das private Amt des Sanierungsmoderators in Gestalt der persönlichen Integrität und fachlichen Eignung und der Unabhängigkeit von den Beteiligten des Verfahrens, für das der Sanierungsmoderator ausgewählt und bestellt wird. Insoweit wird man die §§ 94 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 1 Satz 1 StaRUG grundsätzlich im Lichte der zu § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ergangenen Rechtsprechung auslegen dürfen. 36 Hierbei wird selbstverständlich in angemessener Art und Weise zu berücksichtigen sein, dass die verfahrensrechtlichen Kompetenzen des Sanierungsmoderators andere sind als ___________ 35) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 12.

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diejenigen des Insolvenzverwalters nach der InsO und demgemäß auch die persönlichen und fachlichen Anforderungen an die zu bestellende Person im Detail zwingend andere sein müssen. Im Hinblick auf das einzuhaltende förmliche Vorauswahl- und Bestellungsverfahren fällt die gesetzliche Regelung im StaRUG sehr zurückhaltend aus, so dass einige Anwendungsfragen im Wege der Auslegung zu klären sind: 2.1

Vorauswahlverfahren und Bestellungsverfahren

Leider hat der Gesetzgeber des SanInsFoG darauf verzichtet, im Hinblick auf Auswahl 37 und Bestellung des Sanierungsmoderators die (juristisch gut ausgeleuchtete) Regelungssystematik der InsO in Bezug auf die Verwalterauswahl (§ 56 Abs. 1 InsO) möglichst weitgehend zu adaptieren. Infolgedessen ergeben sich Zweifelsfragen, die unterschiedlich beantwortet werden können. Dieser Zustand ist der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht zuträglich und könnte dazu führen, dass im Zweifel von der Möglichkeit der Sanierungsmoderation nicht in dem Umfang Gebrauch gemacht wird, wie man hätte erwarten können. Gerade bei eilbedürftigen Vorgängen – wie vorliegend wohl gegeben – sollte der Gesetzgeber stärker bemüht sein, Rechtsunklarheiten nach Möglichkeit zu vermeiden. Fraglich ist, ob die Restrukturierungsgerichte rechtlich im Lichte der Art. 12 Abs. 1 Satz 2 38 und 14 Abs. 1 GG i. V. mit §§ 23 EGGVG, 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 StaRUG verpflichtet sind, transparente und verfassungskonforme gerichtliche Vorauswahllisten zu führen, um eine faire Chance auf Zugang zum privaten Amt des Sanierungsmoderators zu garantieren. Die Bezugnahme auf § 56 Abs. 1 InsO und die hierzu ergangene (insbesondere verfassungsgerichtliche) Rechtsprechung36) liegt zumindest nahe. Die Bestellungsentscheidung gemäß §§ 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 StaRUG dürfte in ähnlicher Art und Weise eilbedürftig sein wie die Bestellungsentscheidung des Insolvenzgerichts gemäß § 56 Abs. 1 InsO, so dass die zeitliche und prozessuale Entkoppelung von Vorauswahl und Bestellung ebenso geboten scheint, wie sie nach Ansicht des BVerfG für die Verwaltervorauswahl zwingend geboten ist.37) In der Konsequenz dieser Trennung liegt es dann, die abstrakt-generelle persönliche und fachliche Eignung vorab in einem kontextunabhängigen Listenaufnahmeverfahren zu beurteilen anhand abstrakt-genereller justiziabler Eignungskriterien.38) Hiermit würde auch den grundsätzlichen Anforderungen an Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ge- 39 nüge getan werden, denn es darf an dieser Stelle nicht verkannt werden, dass §§ 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 StaRUG eine implizite berufsregelnde Tendenz aufweisen, denn niemand kann außerhalb einer Bestellungsentscheidung des Amtsgerichts als Restrukturierungsgericht Sanierungsmoderator im Anwendungsbereich des StaRUG (§§ 94 – 100 StaRUG) werden. Insoweit wird an dieser Stelle (§ 95 Abs. 1 StaRUG) über gewichtige konkrete Berufsausübungsmodalitäten entschieden, wenn nicht sogar über subjektive Berufswahlgrenzen, die einen noch intensiveren Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts darstellen. Verschärfend kommt hier sogar hinzu, dass anders als bei § 74 Abs. 2 StaRUG keine gesetzlichen Vorschlagsrechte und keine gerichtlichen Berücksichtigungspflichten geregelt wurden, so dass die konkrete Bestellentscheidung i. R. der Ausübung eines sehr weiten Ermessens39) des Richters erfolgt. Der Gesetzgeber hätte auch Anleihe bei §§ 56 Abs. 1 Satz 4 und 56a InsO nehmen können, hat aber auch das nicht getan. Insoweit liegt bei §§ 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 StaRUG für die Bestellung als solche ein pflichtgemäßes Auswahlermessen des Restruk___________ 36) 37) 38) 39)

Vgl. zur verfassungsrechtlichen Rspr. Nicht, NZI 2022, 360 m. w. N. BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, BVerfGE 116, 1 = NZI 2006, 453. BVerfG v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, BVerfGE 116, 1 = NZI 2006, 453. Zutreffend zum Ermessen Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 2.

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turierungsgerichts vor, für das keinerlei Einflussnahmemöglichkeiten (Antrags- und Vorschlagsrechte) akzeptiert werden.40) 40 Um den Anforderungen des GG im Hinblick auf die Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit in rechtsstaatlicher Hinsicht nachzukommen, sollte zeitnah ein transparentes Listenwesen durch die Restrukturierungsgerichte aufgebaut werden. In diesem Rahmen werden die zur Übernahme einer Sanierungsmoderation grundsätzlich befähigten und bereiten Persönlichkeiten fachlich durch die Restrukturierungsgerichte beurteilt und kategorisiert. Das Vorziehen der abstrakt-generellen Tauglichkeitsprüfung hat im Hinblick auf § 94 Abs. 1 StaRUG den Vorteil, dass das Restrukturierungsgericht im Moment des Antragseingangs auf die selbstgeführte Liste zurückgreifen und eine schnelle und sachgerechte Bestellentscheidung treffen kann. Es muss nicht bei Vorliegen des Antrags einen inhaltlichen Prüfungsvorgang hinsichtlich der subjektiven Eignungstatbestände (Erfahrung, Sachkunde Betriebswirtschaft, Sachkunde Insolvenzrecht, Mediationsausbildung etc.) durchführen und ggf. eine Abwägung gegenüber weiteren Prätendenten treffen, sondern kann sogleich unter Rückgriff auf die abstrakte Vorauswahl nunmehr anhand der Besonderheiten des vorliegenden Antrags durchentscheiden, welche Person individuell in der konkreten Situation geeignet ist. Ein derart in Vorauswahl und Bestellung strukturierter Handlungsmodus entspricht auch dem, was die Beteiligten von einem zeitgemäßen Sanierungsverfahren sicher erwarten dürfen. 41 Soweit Vorauswahllisten geführt werden, ist darauf hinzuweisen, dass in erster Linie personenbezogene Vorauswahlkriterien maßgebend sein sollten. Verfahrensbezogene Kriterien, wie sie in der jüngeren Rechtsprechung zur Verwaltervorauswahl im Lichte von § 56 Abs. 1 InsO diskutiert werden,41) spielen regelmäßig keine Rolle. Auch ist das private Amt des Sanierungsmoderators streng auf die Vermittlerrolle (§ 96 Abs. 1 StaRUG) und damit individuell auf die persönlichen charakterlichen und fachlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschnitten, so dass die auf den Betrieb des Prätendenten bezogenen Kriterien (Büroausstattung, Mitarbeiter, Fortbildungsstand, technische Ausstattung, vorhandene Computerprogramme) ebenfalls zurückgestellt werden können. Es kommt unter dem juristischen Gesichtspunkt der abstrakt-generellen Geeignetheit und Geschäftskunde der natürlichen Person vor allem auf die juristische und betriebswirtschaftliche Ausbildung der Prätendenten an, auf die Berufserfahrung im Insolvenzbereich (insbesondere in der Restrukturierungsberatung und Insolvenzverwaltung) und auf die Vermittlerfähigkeiten, die z. B. durch eine abgeschlossene Mediatorenausbildung42) nachgewiesen werden können. 42 Anders als § 74 Abs. 1 StaRUG werden in den §§ 94 – 100 StaRUG keine inhaltlichen Vorgaben gemacht. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass das Verfahren der Sanierungsmoderation in allererster Linie von der Akzeptanz des Vermittlers durch den Antragsteller und die einbezogenen Gläubiger und dessen fachlicher Expertise und insbesondere dessen Berufserfahrung lebt und deshalb die in § 74 Abs. 1 StaRUG genannten Berufsträger angesprochen sein sollten. Vorauswahl und Bestellung müssen darauf ausgerichtet sein, ein verfahrensbezogenes Vertrauen unter den betroffenen Gläubigern herzustellen, um die zwingend notwendige freiwillige Mitwirkung zu aktivieren. ___________ 40) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 2. 41) Vgl. KG Berlin v. 14.5.2020 – 1 VA 17/17, ZRI 2020, 383 = NZI 2020, 753; BGH v. 13.1.2022 – IX AR (VZ) 1/20, ZRI 2022, 114 = NZI 2022, 378. 42) Den Idealfall dürfte dabei die Mediatorenausbildung mit spezifischem Blick auf Sanierung und Restrukturierung darstellen; vgl. die im Masterstudiengang „Mediation und Konfliktmanagement“ an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder entstandene Masterarbeit von Damerius, Konfliktlösung bei der Sanierung von Unternehmen nach dem StaRUG, 2022.

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Persönliche und fachliche Eignungskriterien

Die persönlichen Anforderungen an die auszuwählende Person des Sanierungsmoderators 43 ergeben sich aus § 94 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. Hiernach ist eine natürliche Person43) auszuwählen, die „geeignet“ und „insbesondere geschäftskundig“ ist und sowohl „von den Gläubigern“ als auch „vom Schuldner unabhängig“ ist. Die Aufzählung der Auswahlkriterien in § 94 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist abschließend. Da die gesetzlichen Auswahlkriterien aber unscharf auf der Grundlage unbestimmter Rechtsbegriffe beschrieben sind, wird die Rechtsprechung im Wege der teleologischen und systematischen Auslegung ermitteln müssen, welche persönlichen und fachlichen Anforderungen an den Sanierungsmoderator zu stellen sind. Zur Auslegung dieser gesetzlichen Anforderungskriterien kann in begrenztem Umfang 44 auf die zu § 56 Abs. 1 InsO geschöpften Erkenntnisse zurückgegriffen werden, da sich die Tatbestandsmerkmale zumindest strukturell ähneln. Allerdings muss zwingend in den Blick genommen werden, dass die gesetzlichen Aufgaben und Handlungskompetenzen sich im Detail sehr deutlich unterscheiden. Und aus dieser Eigenständigkeit der beiden privaten Ämter ergeben sich auch im Hinblick auf die zu bestellende Person eigenständige Erwartungen hinsichtlich der konkret erforderlichen Fachkompetenz, so dass besonders das Merkmal der „Geschäftskunde“ spezifisch mit Blick auf §§ 96, 97 StaRUG zu betrachten sein dürfte.44) Hinsichtlich des gesetzlichen Merkmals der Unabhängigkeit des Sanierungsmoderators 45 dürfte gelten, dass diesem Kriterium in den §§ 94 – 100 StaRUG eine – im Vergleich zur InsO (§ 56 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 InsO) – nochmals gesteigerte Bedeutung zukommt. Denn der Sanierungsmoderator hat anders als der Insolvenzverwalter keine eigenständigen gesetzlichen Verwaltungs- und Verfügungs- und Gestaltungskompetenzen im Hinblick auf das Vermögen des Antragstellers. Seine (zeitlich von vornherein eng begrenzte) Kernaufgabe im Verfahren der Sanierungsmoderation ist die Mediation zwischen dem Antragsteller und den betroffenen Gläubigern ohne Eingriffsrechte (§ 96 Abs. 1 StaRUG). Diese Aufgabe ist überhaupt nur dann sachgerecht zu bewältigen, wenn keinerlei Zweifel an der persönlichen Integrität und vor allem an der Unabhängigkeit des Sanierungsmoderators in alle Richtungen bestehen; in der Mediationslehre spricht man diesbezüglich von umfassender Allparteilichkeit. Anders als im Insolvenzverfahren müssen die betroffenen Gläubiger in der Sanierungsmoderation nicht mitwirken und werden das im Einzelfall auch praktisch nicht tun, soweit sie Zweifel an der persönlichen Integrität des Sanierungsmoderators und dessen Allparteilichkeit haben. Ob diese Zweifel im Ergebnis berechtigt sind, ist im hier gegebenen Kontext unbeachtlich und kann dahinstehen. Denn es kommt auf das Arbeitsvertrauen der in den Sanierungsplan einbezogenen Beteiligten an. Besteht dieses Arbeitsvertrauen, kann die Vermittlung der Sanierungslösung gelingen, wobei unbeachtlich ist, warum das Arbeitsvertrauen besteht und worin es seine faktische Anknüpfungsgrundlage findet. Besteht das Arbeitsvertrauen dagegen nicht, wird die Vermittlung der Sanierungslösung kaum möglich sein, wobei auch hier unbeachtlich ist, warum das Arbeitsvertrauen nicht besteht bzw. welche Tatsachen die Vertrauensbildung behindert haben. Analog § 3 Abs. 1 MediationsG hat der Sanierungsmoderator dem Restrukturierungsgericht und den Verfahrensbeteiligten gegenüber offenzulegen, wenn Umstände gegeben sind, die geeignet sind, die Unabhängigkeit und Neutralität zu beeinträchtigen.45) Lagen solche Umstände bereits bei Antragstellung vor, darf die ausgewählte Person nicht bestellt wer___________ 43) Zur Verfassungsmäßigkeit einer solchen gesetzlichen Beschränkung auf natürliche Personen vgl. BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, BVerfGE 141, 121 = NZI 2016, 163. 44) Hierzu Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527, 528 f. 45) Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 21.

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den (§ 3 Abs. 2 und Abs. 3 MediationsG).46) Zudem sind bei Rechtsanwälten die einschlägigen Berufsregeln anzuwenden, die ebenfalls einschlägige Tätigkeitsverbote enthalten (z. B. § 43a Abs. 4 BRAO).47) 46 Soweit beim Restrukturierungsgericht Vorauswahllisten geführt werden, die bei der Bearbeitung des Antrags (§ 94 Abs. 1 StaRUG) der konkreten Bestellung zugrunde gelegt werden, sind vorrangig personenbezogene Vorauswahlkriterien maßgebend, die sich am Ende in der Bestellungsentscheidung niederschlagen. Das private Amt des Sanierungsmoderators ist gesetzlich auf die Vermittlerrolle (§ 96 Abs. 1 StaRUG) und damit individuell auf die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschnitten. Hierbei ist zwingend zu bedenken, dass das gesamte Moderationsverfahren von der Akzeptanz des Vermittlers bei den Verfahrensbeteiligten und dessen Expertise und insbesondere dessen Berufserfahrung abhängig ist. Wie die Vorauswahl muss auch die konkrete Bestellung darauf ausgerichtet sein, ein verfahrensbezogenes Arbeitsvertrauen unter den betroffenen Gläubigern herzustellen, um die zwingend notwendige freiwillige Mitwirkung zu aktivieren. Hierzu sind die personenbezogenen Aspekte im Einzelfall i. R. einer Gesamtwürdigung (Ermessensentscheidung) abzuwägen. 47 Prinzipiell ist zwischen der Geschäftskunde des Sanierungsberaters und der Geeignetheit in sonstiger Art und Weise zu differenzieren, denn das Gesetz stellt beide Begriffe auf gleicher Stufe tatbestandlich nebeneinander. Deshalb ist dem Wortlaut von § 94 Abs. 1 StaRUG folgend zu unterstellen, dass mit der Geschäftskunde und der Geeignetheit jeweils eigenständige Kategorien der Befähigung gemeint sind. Eine Auswahlentscheidung muss beide Kategorien eigenständig reflektieren und schließlich i. R. einer umfassenden Ermessensausübung zusammenführen (Gesamtwürdigung). 48 Da das Verfahren der §§ 94 – 100 StaRUG dem Sinn und Zweck nach auf eine Insolvenzvermeidung ausgerichtet ist und als technisches Mittel hierzu die notwendige Sanierungsverhandlung auf Veranlassung eines restrukturierungsbedürftigen Schuldners genutzt wird, die in einen Sanierungsvergleich (§ 779 BGB) münden soll, liegt es nahe, sowohl theoretische als auch umfassende berufspraktische Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich des Insolvenz- und Sanierungsrechts zu verlangen. Die Sanierungsmoderation steht und fällt mit der Akzeptanz des Sanierungsmoderators, die sich vor allem auf seine fachliche Reputation zurückführen lässt. Insoweit sind gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter und Sachwalter für die Funktion des Sanierungsmoderators grundsätzlich vom fachlichen Blickwinkel aus als geeignet anzusehen.48) Der Titel eines Fachanwaltes für Insolvenz- und Sanierungsrecht kann hilfreich sein, ist aber keine zwingende Voraussetzung. Dies gilt insbesondere, da neben Rechtsanwälten auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und DiplomWirtschaftsjuristen zu Insolvenzverwaltern und Sachwaltern bestellt werden können. Die Berufserfahrung sollte grundsätzlich einschlägig sein, d. h. es sollte die eigenständige Verfahrensbetreuung bereits stattgefunden haben. 49 Über die Geschäftskundigkeit hinaus muss nach dem Wortlaut des § 94 Abs. 1 StaRUG die Geeignetheit in sonstiger Art und Weise gegeben sein. Dieses Merkmal ist auf den Begriff der Vermittlung einer Sanierungslösung in § 96 Abs. 1 StaRUG inhaltlich zu beziehen. Die Vermittlungstätigkeit ist Kommunikationsarbeit in Gestalt der Lösung von Konflikten.49) Sie ist die Hauptaufgabe des Sanierungsmoderators in dem Verfahren gemäß §§ 94 – 100 StaRUG. Folglich muss der zu bestellende Sanierungsmoderator nachge___________ 46) 47) 48) 49)

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Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 21. Schröder in: Nerlich/Römermann, InsO, § 94 StaRUG Rz. 20. Portisch/Cranshaw, Praxishandbuch Unternehmensrestrukturierung nach StaRUG, Abschn. 3.6, S. 183. Vgl. Damerius, Konfliktlösung bei der Sanierung von Unternehmen nach dem StaRUG, S. 52 ff.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

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wiesenermaßen als Kommunikationsexperte angesehen werden können. Die dahingehende Expertise muss in sachgerechter Form dargelegt und nachgewiesen sein. Pauschale Aussagen hierzu reichen nicht aus. Auch die implizite Erwartung, ein insolvenzrechtlich versierter und einschlägig erfahrener Berufsträger (z. B. Insolvenzverwalter) werde schon angemessen kommunizieren können, ist nicht ausreichend und kann eine sachgerechte Ermessensentscheidung nicht tragen. Erforderlich ist eine besondere, über den Normalfall des § 56 Abs. 1 InsO hinausgehende Kommunikations-, Verhandlungs- und Mediationsexpertise, die einschlägig zur Akte des Restrukturierungsgerichts nachgewiesen sein muss. Auf das Vorhandensein und den Nachweis einer ganz bestimmten Büroorganisation und 50 einer ganz bestimmten personellen und sachlichen Ausstattung, wie man sie für die Listung des Insolvenzverwalters gemäß § 56 Abs. 1 InsO mit Fug und Recht verlangen kann, wird man vorliegend verzichten können. Auch das Kriterium von Ortsnähe bzw. Präsenz am Gerichtsort des Restrukturierungsgerichts spielt keine Rolle. In der Regel werden die organisatorischen Umstände bei einem gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter oder Sachwalter zwar in hinreichender Art und Weise vorliegen und das Restrukturierungsgericht muss dahingehend keine vertieften Überlegungen anstellen. Aber auch ohne diese organisatorische Einbettung kann ein Sanierungsmoderator geeignet i. S. von § 94 Abs. 1 StaRUG sein, weil es in erster Linie auf die unmittelbaren persönlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen ankommt und weniger auf die Betriebsausstattung eines Verwalterbüros. Denn die Aufgabe des Sanierungsmoderators gemäß § 96 Abs. 1 StaRUG unterscheidet sich maßgeblich von derjenigen eines Insolvenzverwalters (§§ 80 Abs. 1, 148, 159 InsO) und eines Sachwalters (§§ 270 ff. InsO). Sie ist weitestgehend in persona zu erfüllen. 2.3

Vorschlagsrechte, Mitwirkungsbefugnisse

Anders als bei § 74 Abs. 2 StaRUG (Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten) und 51 anders als in §§ 56 Abs. 1, 56a InsO geregelt, kennt das Gesetz in §§ 94 – 100 StaRUG keine Vorschlagsrechte.50) Während i. R. des § 74 Abs. 2 StaRUG der Schuldner und die an ihm beteiligten Personen (Gesellschafter) und auch die Gläubiger eine geeignete Person für das Amt des Restrukturierungsbeauftragten vorschlagen können, ist diese Möglichkeit in den §§ 94 – 100 StaRUG gesetzlich nicht vorgesehen. Das Gesetz schweigt zu einer möglichen Einbeziehung von Antragsteller und Gläubigern. Es dürfte sich hierbei nicht um ein Versehen des Gesetzgebers handeln, sondern um eine bewusste Nichtregelung. Insoweit kommt eine Analogie zu § 74 Abs. 2 StaRUG nicht in Betracht. Auch eine Anlehnung an §§ 56 Abs. 1, 56a InsO scheidet aus. Das Verhalten des Gesetzgebers ist systematisch und teleologisch in der Weise zu interpretieren, dass es Vorschlags- und Mitbestimmungsrechte jedweder Art nicht geben soll. Das Restrukturierungsgericht trifft unabhängig und in jedweder Hinsicht unvoreingenommen eine autonome Entscheidung in Bezug auf die Bestellung des Sanierungsmoderators. Das ist auch notwendig, denn als sanierungsrechtliche gesetzliche Variante einer Wirtschaftsmediation sollte die Sanierungsmoderation auf die allgemeinen Mediationsgrundsätze zurückgeführt werden. Hierzu gehört die personelle Unvoreingenommenheit des Mediators ebenso wie dessen 52 Allparteilichkeit. Diese subjektiven Kennzeichen des Mediators können am besten institutionell dadurch abgesichert werden, dass das Restrukturierungsgericht allein und ohne jedwede Beeinflussung den Sanierungsmoderator auswählt und bestellt. Ein schuldnerseitiger Vorschlag könnte bereits von Beteiligten des Verfahrens in der Weise gedeutet werden, dass die bestellte Person „im Lager“ des Schuldners steht. Selbst wenn sich ein solcher ___________ 50) Krit. hierzu Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 61.

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Verdacht aus den Umständen des Einzelfalles heraus materiell nicht erhärten lässt, so reicht doch bereits der bloße Verdacht einer Voreingenommenheit oder Parteilichkeit schon aus, um die notwendigen und im Verfahren der Sanierungsmoderation erwünschten Mitwirkungen und Zugeständnisse der Gläubiger zu vereiteln.51) 53 Umgekehrt würde ein Vorschlagsrecht zugunsten der Gläubiger in gleicher Weise dem grundlegenden Ansatz der Wirtschaftsmediation die Legitimation entziehen, weil der Antragsteller eine entsprechende Voreingenommenheit befürchten könnte. Um derartige atmosphärischen Störungen von vornherein prinzipiell auszuschließen, sind die §§ 94 – 100 StaRUG einschränkend (teleologisch restriktiv) auszulegen, dass keine Vorschlagsrechte bestehen sollen. Sämtliche Beteiligte des Verfahrens sollten sich konsequenterweise eines personenbezogenen Vorschlags enthalten, um dem Gebot des allparteilichen Mediators hinreichend Raum zu geben. Allenfalls könnte daran gedacht werden, dass der Antrag des Schuldners abstrakte Kriterien formuliert, die z. B. auf den spezifischen Geschäftsgegenstand und/oder Besonderheiten des Sanierungsplans Bezug nehmen. Das ist insbesondere dann zu akzeptieren, wenn der Schuldnerbetrieb branchenspezifische Besonderheiten und Eigenarten aufweist, die zwingend besondere Fachkenntnisse oder Berufserfahrungen des Sanierungsmoderators voraussetzen. Auch dann ist aber keine konkrete Person vorzuschlagen, sondern der Antrag darf allenfalls ein Anforderungsprofil benennen, so wie dies in § 56a Abs. 1 InsO zur Sprache kommt. 2.4

Bestellungsentscheidung des Restrukturierungsgerichts

54 Die Bestellung des Sanierungsmoderators erfolgt durch Beschluss des Restrukturierungsgerichts. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Beschlüsse des Restrukturierungsgerichts können gemäß § 40 Abs. 1 StaRUG nur mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, wenn das Gesetz selbst eine derartige Rechtsmittelbefugnis einräumt. Im Fall der Sanierungsmoderation ist eine Beschwerdebefugnis nicht gegeben. 55 Die Bestellung erfolgt für die Dauer von zunächst drei Monaten (§ 95 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Eine Verlängerung dieses Bestellungszeitraums ist auf Antrag des Sanierungsmoderators möglich, soweit die Zustimmung des Schuldners und die Zustimmung der in die Sanierungsverhandlung einbezogenen Gläubiger gegeben sind (§ 95 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Die Verlängerungsmöglichkeit umfasst einen Zeitraum von nochmals maximal 3 Monaten. Soweit innerhalb dieser Zeiträume nach Satz 1 und Satz 2 die die gerichtliche Bestätigung eines Sanierungsvergleichs beim Restrukturierungsgericht beantragt wird, verlängert sich die Bestellung bis zur Entscheidung des Gerichts über die Entscheidung. 56 Die Bestellung ist nach § 95 Abs. 2 StaRUG nicht öffentlich und wird auch nicht öffentlich bekannt gemacht. Sinn und Zweck der Sanierungsmoderation würden unterlaufen werden, würde die Anordnung des Verfahrens und die Bestellung des Sanierungsmoderators öffentlich bekannt gemacht werden. Denn die dadurch geschaffene Öffentlichkeit ist dazu geeignet, die Erreichung des Verfahrenszieles zu gefährden. Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gilt nicht nur für die Bestellungsentscheidung, sondern für das gesamte Verfahren der Sanierungsmoderation.52) Hierfür sprechen zahlreiche wirtschaftliche Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Zunächst würden Geschäftspartner durch die Kenntnis von der Sanierungsbedürftigkeit in die Lage versetzt werden, in den bestehenden Liefer- und Leistungsbeziehungen nachzujustieren, wodurch zusätzlicher Druck auf den Schuldner ausgeübt werden könnte.53) Potenzielle Kunden könnten geneigt sein, das Krisensignal i. S. ___________ 51) A. A. wohl Hoegen, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 59, 61. 52) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 15. 53) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 15.

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einer Nichtleistungsfähigkeit zu deuten und sich anderen Wettbewerbern zuwenden (so geschieht es häufig in der Wirtschaftspraxis, sofern ein Insolvenzeröffnungsverfahren öffentlich bekannt wird). Schließlich unterstützt eine geräuscharme Verfahrenskulisse erheblich bei der Suche nach 57 Investoren und den entsprechenden Verhandlungen.54) Darüber hinaus wird in der Gesetzesbegründung und in der Literatur zutreffend auf das Rechtsargument abgestellt, dass das Verfahren der Sanierungsmoderation dem Wortlaut der §§ 94, 96, 97 StaRUG zufolge bereits bei finanziellen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Anspruch genommen werden kann und keine Insolvenzreife voraussetzt.55) Würde diese Situation öffentlich bekannt gemacht werden, könnten sich hieraus nicht unerhebliche Reputationseinbußen zulasten des Schuldners ergeben, die im Ergebnis zu einer weiteren wirtschaftlichen Verschlechterung führen könnten. Hierdurch würde der Verfahrenszweck konterkariert werden. III.

Aufgabenbereich und Befugnisse des Sanierungsmoderators (§§ 96, 97 StaRUG)

1.

Einleitung, Allgemeine Aufgabenbeschreibung

Das Gesetz beschreibt in § 96 Abs. 1 StaRUG, dass der Sanierungsmoderator zwischen dem 58 Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten vermittelt. Damit ist die materielle Kernaufgabe des bestellten Amtsinhabers umrissen. Sie wird durch gesetzliche Berichtsund Informationspflichten in § 96 Abs. 3 und Abs. 4 StaRUG und die Pflicht zur Stellungnahme in § 97 Abs. 2 StaRUG flankiert. Hinzu treten Nebenpflichten, die sich aus der sachgerechten Führung des privaten Amtes ergeben, z. B. die Pflicht zur Wahrung der gebotenen Vertraulichkeit durch Verschwiegenheitsgebote56) (in Ergänzung und zur Absicherung von § 95 Abs. 2 StaRUG), die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung überlassener Daten, Informationen und Unterlagen sowie die Pflicht zur Anzeige von Interessenkonflikten und Befangenheiten (vgl. § 3 MediationsG). Derartige Handlungs- und Unterlassungsgebote können aus dem einschlägigen Berufs- 59 recht der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hergeleitet werden (vgl. §§ 43a Abs. 2 BRAO, 43 Abs. 1 WPO, 57 Abs. 1 StBerG), aber auch aus gesetzlichen Datenschutzbestimmungen usw. Auch wenn die §§ 94 – 100 StaRUG keine explizite Pflicht zur Verschwiegenheit des gerichtlich bestellten Sanierungsmoderators statuieren, dürfte nicht in Streit stehen, dass eine solche (haftungsbewehrte) Pflicht sich bereits aus der Übernahme des privaten Amtes im gerichtlichen Verfahren ergibt. In der freien Mediation außerhalb des StaRUG würde man sie in einem Mediationsvertrag vereinbaren und ihre Verletzung würde einen Pflichtverstoß mit entsprechender Sanktion (§§ 241, 280 BGB) darstellen. Während das Pflichtenprogramm in den §§ 96, 97 StaRUG ausführlich beschrieben ist, und 60 auch die gerichtliche Beaufsichtigung des Sanierungsmoderators in § 96 Abs. 5 StaRUG angemessen zur Sprache kommt, fehlt es in den §§ 94 – 100 StaRUG an einer tragfähigen Sanktionsregel in Bezug auf Pflichtverletzungen, die über § 96 Abs. 5 Satz 1 StaRUG (Abberufung aus wichtigem Grund) hinausgeht. Das Fehlen einer solchen Regelung (vgl. in der InsO zur Verletzung von Amtspflichten: § 60 Abs. 1 InsO) beeinträchtigt die Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Sanierungsmoderation, denn eine solche Haftungsregel hätte neben dem Aspekt einer Kompensation möglicher Schäden (ggf. i. V. mit dem Ein___________ 54) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 15. 55) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 16. 56) Vgl. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 95 Rz. 15 ff.

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tritt einer Berufshaftpflichtversicherung) vor allem den Gesichtspunkt der präventiven Verhaltenssteuerung zum Gegenstand. Wer im Bewusstsein einer nicht nur abstrakt denkbaren Handelndenhaftung tätig wird, hat typischerweise die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung deutlicher vor Augen als ein Amtsinhaber, dem schlimmstenfalls der Entzug der (finanziell nicht besonders bedeutsamen) Bestellung droht. 2.

Rechtsnatur der Verfahrensposition

61 Es handelt sich bei der Tätigkeit des Sanierungsmoderators zivilrechtsdogmatisch um ein privates Amt, das sein Gepräge durch eine Einbettung in ein gerichtlich geführtes Verfahren eigener Art erlangt. Insoweit ergeben sich strukturelle Parallelen zur dogmatischen Einordnung des privaten Amtes des Insolvenzverwalters, da hier wie dort i. R. der Verfahrensposition fremde Vermögensinteressen wahrgenommen werden. Jedoch nicht in Funktion eines Parteivertreters, sondern als vom Restrukturierungsgericht bestimmte neutrale und allparteiliche Mediatorenpersönlichkeit. Der Sanierungsmoderator wird vom Restrukturierungsgericht ausgewählt (§ 94 Abs. 1 StaRUG), bestellt (§§ 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 StaRUG) und fortlaufend überwacht (§ 96 Abs. 5 StaRUG). Er ist gegenüber dem Restrukturierungsgericht berichtspflichtig (§ 96 Abs. 3 StaRUG) und anzeigepflichtig (§ 96 Abs. 4 StaRUG). Er kann gemäß § 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG vom Restrukturierungsgericht aus wichtigem Grund entlassen werden. Er kann nach § 99 Abs. 1 StaRUG auch durch das Restrukturierungsgericht abberufen werden, wenn ein entsprechender Antrag vorliegt oder von Amts wegen, sofern die Insolvenzreife angezeigt worden ist. Hieran zeigt sich die Integration in ein hoheitlich geführtes und überwachtes Verfahren der Zivilgerichtsbarkeit. Hieraus lassen sich auch bestimmte Bestellungshindernisse wie die fehlende Unabhängigkeit oder die fehlende Fachkunde erklären, denn letztlich trägt der Staat – handelnd durch das Restrukturierungsgericht – die Verantwortung für eine sachgerechte Zurverfügungstellung des Verfahrens (zumindest dem Rahmen nach). 3.

Kernaufgabe: Vermittlung einer Sanierungslösung (§ 96 Abs. 1 StaRUG)

3.1

Kompetenzeröffnung (§ 96 Abs. 1 StaRUG)

62 Die zentrale Kompetenz und Verfahrensaufgabe des Sanierungsmoderators besteht darin, zwischen dem Schuldner und den Gläubigern zu moderieren (§ 96 Abs. 1 StaRUG). Insoweit steht der Sanierungsmoderator anders als ein Berater, der für den Schuldner einen Sanierungsplan und/oder Insolvenzplan ausarbeitet, den der Schuldner dann als eigenen Plan mit den Gläubigern verhandeln oder im Verfahren vorlegen kann (§ 218 Abs. 1 Satz 1 InsO). Er steht auch anders als ein Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren, der einen Insolvenzplan entweder aus eigenem Recht (§ 218 Abs. 1 Satz 1 InsO) oder auf Bestimmung der Gläubigerversammlung (§ 157 Satz 2 InsO) mit den Gläubigern verhandeln oder im Verfahren vorlegen kann. Der Sanierungsmoderator ist gesetzlich dazu bestimmt, zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern „bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten“ zu vermitteln. Insoweit kann er als neutraler Diplomat verstanden werden, der ohne entsprechende Lagerbindung zwischen den (gedachten) Fronten agiert, kommuniziert, schlichtet. 63 Es darf unterstellt werden, dass der Gesetzgeber den Sanierungsmoderator bewusst nicht mit der Aufgabe betraut hat, den Schuldner selbst bei der Erstellung eines Sanierungskonzeptes bzw. Sanierungsplans zu unterstützen und zu beraten. Würde eine solche Aufgabenzuschreibung aus dem Gesetzeswortlaut herzuleiten sein, wäre der Sanierungsmoderator nicht mehr allparteilich und neutral und seine Akzeptanz als moderierender Wirtschaftsmediator wäre in Frage gestellt. Er würde gleichsam die Mitverantwortung für den Inhalt des Sanierungsplans übernehmen und damit würden ihm die materiellen Inhalte

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zugeschrieben werden. Das aber ist von der Idee des Gesetzes nicht mitgetragen. Deshalb ist die Kompetenzeröffnung in § 96 Abs. 1 StaRUG so zu verstehen, dass der Sanierungsmoderator sich im Hinblick auf die Erstellung des Sanierungsplans zunächst zurückhält. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass er i. R. seiner Vermittlungstätigkeit sachdienliche Hinweise und mögliche Empfehlungen erteilt, sofern er damit nicht den Rahmen der Allparteilichkeit verlässt. Der Sanierungsmoderator sollte sich stets darüber bewusst sein, dass eine zu offensive Unterstützung und Beratung von Beteiligten zu einer Beschädigung des Arbeitsvertrauens führen kann. 3.2

Informationsbeschaffung (§ 96 Abs. 2 StaRUG)

Die Sanierungsmoderation lebt – wie jeder Mediationsversuch – von der umfangreichen 64 und tiefgehenden Vorbereitung, Analyse und Planung. Denn der Vorgang ist inhaltlich darauf ausgerichtet, mögliche Konflikte (Verhärtungen, Störungen) möglichst lückenlos (vollständig) zu erkennen, um sie einer nichtstreitigen Lösung in dem Sinne zuführen zu können, dass ein für alle Beteiligten tragbares Ergebnis übereinstimmend akzeptiert wird. Es geht hierbei um das Erkennen von Positionen, Standpunkten, Interessen, Emotionen. Denn diese haben regelmäßig Einfluss auf die Konfliktstruktur und sind deshalb maßgebend für den Zugang zu einer nichtstreitigen Konsensfindung.57) Hieraus erklärt sich, dass der Sanierungsmoderator – wie jeder Mediator – zunächst möglichst umfassend Informationen einholen muss, um eine sachgerechte Lagebeurteilung durchführen zu können. Die zielgerichtete Informationsbeschaffung durch den Sanierungsmoderator erfolgt im Ver- 65 fahren mehrseitig und umfassend. Als gesetzlicher Vermittler kann und muss er unvoreingenommen in sämtliche Richtungen ermitteln, um ein möglichst vollständiges Bild vom wirtschaftlichen Sachverhalt aber auch von den betroffenen Interessen und Emotionen zu haben. Einseitigkeit und Selbstbeschränkungen führen regelmäßig zu blinden Flecken und können darüber hinaus der subjektiven Wahrnehmung einzelner Verfahrensbeteiligter Vorschub leisten, der Sanierungsmoderator schlage sich auf eine Seite und nehme Partei. Diese Sichtweise wiederum gefährdet das zwingend erforderliche Arbeitsvertrauen im Verfahren. Deshalb ist nicht nur bei der Vermittlung selbst, sondern bereits bei der Informationseinholung darauf zu achten, sämtliche Beteiligte einzubinden. Soweit der Sanierungsmoderator Informationen vom Schuldner (über die Informationen des 66 Antrags gemäß § 94 StaRUG hinaus) benötigt, erhält er diese gemäß § 96 Abs. 2 StaRUG. Das Gesetz gibt dem Sanierungsmoderator einen verbrieften Rechtsanspruch gegenüber dem Schuldner auf Einsicht in die Bücher und Geschäftsunterlagen und auf Erteilung der zweckmäßigen Auskünfte. Ob es in einem freiwilligen Verfahren einer solchen Norm bedurft hat, mit der in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Schuldners gesetzlich eingegriffen wird, ist fraglich. Man wird davon ausgehen dürfen, dass ein redlicher Schuldner von sich aus die erforderlichen Informationen zusammenstellt, denn andernfalls gefährdet er die Zielerreichung im Verfahren. Man hätte es deshalb auch dabei belassen können, dem Sanierungsmoderator das Recht nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG zur Abberufung auf eigenen Antrag einzuräumen. Denn ein Sanierungsmoderator, der wegen mangelnder Mitwirkungsbereitschaft des Schuldners und fehlender oder unvollständiger Information vom Verfahrenserfolg nicht überzeugt ist, wird sein Amt zur Verfügung stellen. Die gesetzliche Informationspflicht des Schuldners gemäß § 96 Abs. 2 StaRUG lässt sich bestenfalls mit der Überwachung der Insolvenzgründe (§ 96 Abs. 4 StaRUG) begründen. ___________ 57) Eingehend Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 4 S. 103 ff.

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4. Teil Sanierungsmoderation

67 Das Gesetz stellt in § 96 Abs. 2 StaRUG auf die Bücher und Geschäftsunterlagen ab und verpflichtet den Schuldner zusätzlich, die zweckmäßigen Auskünfte zu erteilen (wer über die Zweckmäßigkeit im Einzelfall befindet, bleibt nach dem Gesetzeswortlaut offen). Beide Arten der Informationsbeschaffung sind funktional gleichwertig. Im Anschluss an die Regierungsbegründung zum StaRUG greift die Literatur zur Auslegung des Begriffspaares „Bücher und Geschäftsunterlagen“ auf § 22 Abs. 3 Satz 2 InsO bzw. die dazu vorhandenen Interpretationen zurück,58) da der Wortlaut identisch ist und der Sinn und Zweck ähnlich sein dürfte. Hiernach sind Buchhaltungs- und Kontounterlagen zu offenbaren, darüber hinaus aber auch die sonstigen betrieblichen Dokumentationen, soweit sie i. R. von § 96 Abs. 1 StaRUG gebraucht werden (z. B. Kreditverträge, Vereinbarungen über Kreditsicherheiten, Grundbuchunterlagen, Verträge über Liefer- und Leistungsbeziehungen, sonstige Bankunterlagen, Unterlagen über die Innenverhältnisse des Rechtsträgers wie etwa Satzungen usw.). Ob die angeforderten Informationen physisch in analoger Form oder digitalisiert vorliegen, ist unbeachtlich. 68 Der Schuldner muss die „angeforderten zweckmäßigen Auskünfte“ erteilen (§ 96 Abs. 2 StaRUG). Dieses Tatbestandsmerkmal ist inhaltlich missglückt. Denn zunächst ist die Beschränkung auf die „angeforderten“ Auskünfte i. R. eines Mediationsverfahrens nicht sinnvoll, da es darum gehen muss, ein möglichst vollständiges und geschlossenes Bild der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der finanziellen Verhältnisse des Schuldners zu schaffen. Hierzu gehört auf der Seite des antragstellenden Schuldners gerade kein „Dienst nach Vorschrift“. Das heißt die nüchterne Abarbeitung der Anforderungen des Sanierungsmoderators genügt dem methodischen Ansatz der Sanierungsmoderation und ihrem Ziel nicht. Vielmehr muss es darum gehen, dass der Schuldner von sich aus die erforderlichen Informationen zusammenstellt und die nützlichen Auskünfte erteilt, die geeignet sind, das Vermittlungsziel zu fördern. Man kann diese Sichtweise unter dem Begriff einer umfassenden Offenbarungspflicht rechtlich erfassen.59) 69 Sofern der Schuldner und der Sanierungsmoderator nicht zu einer übereinstimmenden Beurteilung hinsichtlich von Art und Umfang der sachgerechten (vollständigen und inhaltlich zutreffenden) Informationserteilung gelangen, bleibt dem Sanierungsmoderator nur, dies gemäß § 96 Abs. 3 StaRUG dem Restrukturierungsgericht zu berichten und gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG die Abberufung zu beantragen. Da das Verfahren der §§ 94 – 100 StaRUG nicht an das Vorliegen von Insolvenzgründen (§§ 17 – 19 InsO) gebunden ist, besteht keine konkrete Gefahr für die Vermögenswerte der Gläubiger und keine konkrete Gefahr für den Rechtsverkehr i. Ü. Deshalb lassen sich auch Zwangseingriffe und Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Schuldner – und auch gegenüber den beteiligten Gläubigern – (verfassungsrechtlich) nicht rechtfertigen. In dieser Sicht der Dinge liegt es, eine analoge Anwendung von § 98 Abs. 1 InsO abzulehnen, da diese Vorschrift erkennbar in den Kontext des Insolvenzverfahrens mit der bereits eingetretenen konkreten Gefährdung der Gläubigerrechte eingebettet ist.60) 70 Hierneben ist es möglich und zweckmäßig, dass der Sanierungsmoderator mit den in das Verfahren einbezogenen Gläubigern in Kontakt tritt und dort entsprechende Informationen erbittet und einholt. Er sollte sich einen umfassenden Überblick hinsichtlich der bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern verschaffen. Er sollte die Art, den Umfang und den Rechtsgrund der bestehenden Schulden präzise rechtlich und betriebswirtschaftlich beurteilen. Er sollte die bestehenden Sicherungsrechte erfassen und ___________ 58) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 5. 59) Ähnlich Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 10. 60) A. A. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 15.

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deren rechtliche Durchsetzbarkeit in der Insolvenz und ihre ökonomische Werthaltigkeit einschätzen (prognostizieren). Hieraus ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen über die rechtliche Behandlung der Verbindlichkeiten und Sicherheiten in einem für möglich gehaltenen Insolvenzverfahren, welches unter dem Aspekt der Verhandlungsführung als hypothetisches Vergleichsszenario dienen muss. Denn aus der Sicht der einbezogenen Gläubiger sind deren Einigungskorridor (Zone of Possible Agreement) und deren Nichteinigungsalternativen (Best/Worst Alternative to Possible Negotiated Agreement) zu beurteilen. Diese Arbeiten sind für die Konsensvermittlung unerlässlich. Zudem sind – da sowohl die 71 finanzwirtschaftliche als auch die leistungswirtschaftliche Sanierung als Optionen verhandelt werden können – auch die Aussichten für eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen Schuldner und Gläubigern zu beurteilen. Es ist herauszuarbeiten, welche gemeinsamen Perspektiven einer in Zukunft praktizierten Geschäftsverbindung bestehen können. Dies muss bei der Konsensbearbeitung hinsichtlich der schon bestehenden Altverbindlichkeiten sachgerecht Berücksichtigung finden und kann bestenfalls zur Bereitschaft der Gläubiger führen, einen signifikanten Schuldenschnitt hinsichtlich der Altrechte zu akzeptieren, um der zukünftigen Kooperation den Weg zu ebnen. Deshalb ist die Informationsbeschaffung auf Gläubigerseite, obgleich in § 96 StaRUG nicht angesprochen, im Verfahren der Sanierungsmoderation von besonderer Bedeutung. Man sollte sich davor hüten, das Verfahren der §§ 94 – 100 StaRUG zu stark in Anlehnung 72 an das Insolvenzrecht mit seinen vielfältigen vollstreckungsrechtlichen Zwangsregeln zu interpretieren, weil dort (in der InsO) der Aspekt Gesamtvollstreckung zum Schutz der bereits beeinträchtigten Gläubigerinteressen eine gewichtige und vordergründige Rolle spielt. Zweckmäßig erscheint es, das Verfahren der Sanierungsmoderation vom Standpunkt und der Funktionsweise der Mediation aus zu beurteilen und Regelungslücken aus dieser Richtung zu schließen. Denn das Verfahren der Sanierungsmoderation ist in besonderer Weise durch die Paradigmen der Freiwilligkeit und Konsensbezogenheit, der Neutralität und der Allparteilichkeit gekennzeichnet. 3.3

Durchführung der Vermittlung (§ 96 Abs. 1 StaRUG)

Der Sanierungsmoderator wird seine erforderliche Geschäftskunde, seine insolvenzrecht- 73 liche Berufserfahrung, sein Verhandlungs- und Kommunikationsgeschick im Verfahren dafür einsetzen, die finanz- und/oder leistungswirtschaftliche Sanierungslösung zwischen Schuldner und einbezogenen Gläubigern zu vermitteln. Der Sanierungsplan kann inhaltlich auf verschiedenen Ebenen ansetzen und demgemäß ist die Verhandlungsführung inhaltlich auszurichten. Eine pauschale Beschreibung ist nicht möglich. Funktionell kann es sich bei dem Sanierungsplan um eine Art Schuldenbereinigungsan- 74 gebot mit der Maßgabe der inhaltlichen Anpassung der Rechte der Planbetroffenen handeln, sofern diese dem Restrukturierungsplan zustimmen (§ 97 Abs. 1 StaRUG). Mit der Anpassung in diesem Sinne wird in der Regel ein kurzfristig wirkender wirtschaftlicher Vorteil zugunsten des StaRUG-Antragstellers gemeint sein, dem spiegelbildlich ein Rechtsnachteil auf der Seite des durch den Plan betroffenen Gläubigers gegenübersteht (z. B. Stundung oder Kürzung einer bestehenden Forderung). Der durch den Plan betroffene Gläubiger wird eine solche (nachteilige) Veränderung seiner Rechtsposition unter den gegebenen Umständen akzeptieren, wenn sich aus seiner subjektiven Sicht keine bessere Nichteinigungsalternative ergibt (z. B. weil ein Insolvenzverfahren beim Scheitern des StaRUG-Versuches zu einer weiteren Verschlechterung seiner Position führen würde) und wenn die Behandlung der anderen Verfahrensbeteiligten in Relation zur Behandlung des Planbeteiligten aus seiner Sicht fair und angemessen ist.

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75 Das bedeutet in der Praxis, dass der vom Restrukturierungsplan betroffene Beteiligte eine inhaltliche Abwägung in zwei Richtungen durchführen wird, bevor er dem Sanierungsplan (Vergleich gemäß § 779 BGB) zustimmt und diesem dadurch materiell-rechtlich beitritt: er wird die aus seiner subjektiven Sicht bestehenden Alternativen61) zu der Planverhandlungslösung beurteilen und bewerten (sog. Nichteinigungsalternativen) und er wird die mit dem Restrukturierungsplan vorgenommene Wertzuordnung und Wertverteilung aus seiner subjektiven Sicht beurteilen und bewerten.62) Hierauf muss das Planangebot des Schuldners inhaltlich und kommunikativ zugeschnitten sein. Denn dieses Angebot muss durch sämtliche Planbetroffenen angenommen werden, da es in den §§ 94 – 100 StaRUG keine Möglichkeit gibt, einzelne in den Sanierungsplan einbezogene Gläubiger zu überstimmen. Das bedeutet, der Schuldner Planverfasser des Sanierungsplans muss sein Verhandlungsverhalten von vornherein darauf einrichten, die vollständige Zustimmung sämtlicher in den Plan einbezogenen Gläubiger zu erlangen. 76 Der Sanierungsplan i. S. von §§ 94 ff. StaRUG kann nicht in einem förmlichen gerichtlichen Abstimmungsprozess beim Restrukturierungsgericht behandelt werden (vgl. dagegen §§ 23, 45, 46 StaRUG für den Restrukturierungsplan als Baustein des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens). Die gerichtliche Abstimmung ist in § 97 StaRUG nicht vorgesehen, sondern nur die Prüfung und Bestätigung des Sanierungsplans durch das Restrukturierungsgericht (§ 97 Abs. 1 StaRUG). Es dürfte feststehen, dass der Antragsteller mangels eines gerichtlichen Abstimmungsverfahrens (mit der Verfahrensoption einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung) kein zusätzliches Machtinstrument besitzt, mit dem eine Disziplinierung opponierender Gläubiger erreicht werden kann. Deshalb bleibt nur die im Kontext der Sanierungsmoderation stattfindende Vergleichsverhandlung, die in einen einstimmig abgeschlossenen materiellen Vergleichsvertrag (§ 779 BGB) mündet, der nach § 97 Abs. 1 StaRUG vom Restrukturierungsgericht geprüft und bestätigt wird. Kommt diese Einstimmigkeit in Bezug auf Schuldner und einbezogene Gläubiger (aus welchen Gründen auch immer) nicht zustande, ist die Sanierung zunächst gescheitert. 77 Aus den vorgenannten Gründen ist der Sanierungsmoderator in seiner gesetzlichen Vermittlerrolle einem Wirtschaftsmediator vergleichbar, denn das Gesetz bedient sich vorliegend der technischen Methoden der Mediation.63) Der Sanierungsmoderator übernimmt keine eigene Ergebnisverantwortung. Er übernimmt jedoch die Verantwortung für die Prozesssteuerung, mithin für die sach- und fachgerechte Durchführung eines mediativen Vorgangs, der auf einen schnellen Konsens ausgerichtet ist. Das Verfahren ist durch die Idee getragen, dass in einem relativ frühen Zeitpunkt in der Unternehmenskrise, in dem Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung noch nicht vorliegen, der latente Einigungswille aller Beteiligten grundsätzlich vorhanden und für eine einvernehmliche Lösung im Interesse der StaRUG-Antragstellerin nutzbar ist. Die latent vorhandenen Einigungspotenziale sollen durch den Einsatz des Sanierungsmoderators aktiviert und zueinander geführt werden. Hierfür wird es tatsächlich nicht ausreichend sein, wenn sich der Sanierungsmoderator auf eine Moderatorenrolle begrenzen lässt. Vielmehr wird er – in Anlehnung an einen evaluativen Mediationsstil – auch fachliche Bewertungen und Beurteilungen einfließen lassen.64) ___________ 61) Vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 9 S. 219 ff. 62) Vgl. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Kap. 8 S. 199 ff. 63) Zur Methode der Mediation s. Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 3, S. 85 ff. 64) Vgl. zum evaluativen Mediationsstil Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 3, S. 91.

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Er weist insoweit Parallelen zu einem Schiedsrichter oder Schiedsgutachter auf.65) Denn 78 angesichts der bereits eingetretenen Krise im Unternehmen liegen Eilbedürftigkeit und Handlungsdruck vor. Hierdurch werden typischerweise sog. Stressoren aktiviert und die Situation kann (emotional) instabil sein. In einer derartigen Ausgangslage haben die Beteiligten der Sanierungsmoderation regelmäßig weder die nötige Zeit noch die innere (mentale) Bereitschaft, die gemeinsame Ausarbeitung der Konfliktlösung vollkommen eigenverantwortlich zu übernehmen und sich lediglich im Hinblick auf den abstrakten Vorgang anleiten zu lassen. Vielmehr wird die Erwartungshaltung dahingehend formuliert sein, dass der Sanierungsmoderator den Vorgang fachlich (betriebswirtschaftlich und insolvenzrechtlich) durch sachverständige Analysen im gemeinschaftlichen Interesse begleitet und zugleich die Moderation zwischen den verschiedenen involvierten Interessen vornimmt. Der Sanierungsmoderator weist in dieser Sicht eine hybride Verfahrensposition auf. Je nach vorliegender Sachverhaltskonstellation wird der Sanierungsmoderator seine vorhandenen Kompetenzen aussteuern müssen und dabei situativ entscheiden, wieviel fachliche Gutachtertätigkeit er im Einzelfall entfaltet. Der Sanierungsmoderator muss in jedem Verfahren darauf bedacht sein, den Prozess der 79 Sanierungsverhandlung personell, zeitlich und sachlich zu strukturieren. Hierbei kann der Sanierungsmoderator auf Erkenntnisse aus der Konflikt- und Mediationsforschung zurückgreifen.66) In Betracht kommen insbesondere Phasenmodelle, die aus der Mediationslehre bekannt sind67) und sich dort im Grundsatz bewährt haben. Diese Strukturmodelle können i. R. der Sanierungsmoderation sicherlich herangezogen werden, obgleich wegen der Krisendynamik und der Eilbedürftigkeit für echte mediative Verhandlungen nicht viel Raum gegeben ist. Grundlegend können für die Bearbeitung von konsensorientierten (mediativen) Vorgän- 80 gen verschiedene Phasen abgegrenzt werden68), welche die Beteiligten gemeinsam durchlaufen sollen. Hieran kann sich die Sanierungsmoderation in Bezug auf einen Handlungsrahmen orientieren: 

Vorphase,



Einleitungs- oder Eröffnungsphase,



Darlegungsphase,



Vertiefungsphase,



Lösungsphase,



Übereinkunft,



Umsetzungsphase,



Nachbereitung bzw. Adjustierung.

In der sog. Vorphase (Pre-Mediation) wird der Sanierungsmoderator die allgemeinen Ver- 81 haltensregeln mit den Beteiligten erörtert, die im Verhandlungsprozess einzuhalten sind. Dies kann i. R. schriftlicher Informationserteilung geschehen. Hierdurch wird ein formalverbindlicher Rahmen für die einbezogenen Personen geschaffen. Zu achten ist besonders auf die Geheimhaltungspflicht und Einhaltung der Vertraulichkeit. Der Sanierungsmoderator kann hier mögliche Kommunikationsstörungen aufgreifen und thematisieren ___________ 65) Vgl. zur Parallele zum Schiedsrichtern Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 3, S. 91. 66) Vgl. Glasl, Konfliktmanagement, Teil 3, S. 337 ff. 67) Vgl. zu den Phasen Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II, S. 79; Glasl, Konfliktmanagement, Teil 3, S. 477 ff. 68) Die Anzahl und inhaltliche Ausgestaltung der Phasen kann im Einzelnen variieren.

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4. Teil Sanierungsmoderation

und Vorschläge hinsichtlich der sachgerechten Kommunikation unterbreiten. Hierbei kann festgelegt werden, welcher Beteiligte wann wen mit welchen Informationen versorgt. In der Vorphase wird der Sanierungsmoderator keine inhaltlichen Problemlösungen anbieten, aber möglicherweise bestimmte Konsensbereiche und Differenzbereiche ansprechen, ohne jedoch eine Lösung vorzuhalten. 82 Der Sanierungsmoderator ist als allparteiliche Rechtsfigur vorzustellen, die durch das Restrukturierungsgericht im Interesse aller einbezogenen Beteiligten eingesetzt ist und folglich keine Lagerzugehörigkeit kennt. Insoweit ist er auch (vertraulicher) Ansprechpartner für sämtliche Beteiligten. Auf den Prämissen der Objektivität, Neutralität, Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit beruht das Konzept der Sanierungsmoderation. Deshalb sind diese tragenden Grundsätze in besonderer Weise argumentativ hervorzuheben und zu untermauern. In der Konsequenz der Benennung und Erörterung der Grundsätze soll sich ein Vertrauen der Prozessbeteiligten in die Sachgerechtigkeit der Leitung des Vorgangs herausbilden, das im Ergebnis den Konsens tragen soll. 83 In der Vorphase sind die Beteiligten anzuhalten, sich den vorgeschlagenen allgemeinen Verhaltensregeln zu unterwerfen und hierdurch den formalen Rahmen anzuerkennen. Sie sind dazu anzuhalten, den Sanierungsmoderator nicht nur formal aufgrund seiner Bestellung sondern auch tatsächlich hinsichtlich seiner Vermittlungsautorität zu akzeptieren oder – sofern Widerspruch gegeben ist – den Widerspruch ausdrücklich anzubringen. Hier ist eine Einigung darüber erforderlich, ob der Sanierungsmoderator das notwendige Arbeitsvertrauen der Beteiligten genießt. Die Beteiligten werden darüber informiert, dass sie im Verfahren der Sanierungsmoderation selbst die Ergebnisverantwortung tragen müssen, wenngleich sie fachliche Auskünfte und Beurteilungen vom Sanierungsmoderator erhalten können. Die Beteiligten sind anzuhalten, sich mit den vom Sanierungsmoderator aufgezeigten Konsensbereichen und Differenzbereichen auseinanderzusetzen und diese zu bestätigen oder sich hierzu zu erklären. 84 In der Eröffnungsphase wird der Sanierungsmoderator die bestehende Situation zunächst vorstellen, ohne diese und die möglichen Konflikte inhaltlich zu bewerten und zu beurteilen. Es geht hierbei um die Sachverhaltsschilderung, die auf einer Sachverhaltsanalyse des Sanierungsmoderators beruht. Der Sanierungsmoderator ist hier gut beraten, sich auf möglichst nüchterne Daten und beweisbare (verobjektivierte) Fakten (Tatsachen) zu beschränken und (subjektive) Wertungen möglichst zu vermeiden. Auch Zuschreibungen von Verantwortlichkeiten usw. sind nach Möglichkeit zu unterlassen. Es muss in dieser frühen Phase zunächst darum gehen, einen konsensfähigen Sachverhalt vorzutragen, der von allen Beteiligten als verobjektivierte Tatsachengrundlage für die später zu treffenden Entscheidungen akzeptiert und bejaht werden kann. Wichtig ist es, an dieser Stelle auf mögliche Wahrnehmungsfehler und Verzerrungseffekte zu achten69) und diese ggf. zu benennen und zu korrigieren. Es ist wahrscheinlich, dass die Beteiligten des Sanierungsvorgangs eine unterschiedliche Ereigniswahrnehmung haben und folglich von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen können. Hierauf muss der Sanierungsmoderator gefasst sein und er muss zunächst mit den Beteiligten zu einer gemeinsamen Tatsachengrundlage finden. 85 In der Darlegungsphase werden die möglichen Streitthemen der Beteiligten zusammengetragen, d. h. die Beteiligten äußern sich zu den möglichen Sanierungshindernissen. Die Streitthemen müssen hiernach entsprechend ihrer Bedeutung für den Gesamtkomplex gewichtet und geordnet werden. Die persönlichen (subjektiven) Sichtweisen der Beteiligten werden aufgenommen und festgehalten. Der Sanierungsmoderator tritt in erster ___________ 69) Vgl. zur Rolle der Wahrnehmung Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 5, S. 148 ff.

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Linie als fragende und dokumentierende Instanz auf. Er ist bemüht, die von den Beteiligten geäußerten Bedenken und Kritikpunkte möglichst klar und präzise aufzunehmen. Sollten hierbei Mehrdeutigkeiten, Unklarheiten und Missverständnisse auftreten, werden diese ausgeräumt. Die Beteiligten werden ermuntert, zu einer möglichst klaren Bestandsaufnahme beizutragen, in der neben den objektiven Daten und Fakten auch die subjektiven Einwände und Friktionen berücksichtigt werden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden benannt. Soweit es auf prognostische Elemente ankommt, sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten zu erörtern. In der Vertiefungs- und Erhellungsphase wird der Sanierungsmoderator zunächst die 86 Komplexität der Verhandlungssituation einschätzen. Dazu sind verschiedene Parameter zu berücksichtigen. Der Komplexitätsgrad wird gesteigert, wenn viele Beteiligte unterschiedlicher Art (z. B. Finanzgläubiger, Lieferanten, Arbeitnehmer, öffentlich-rechtliche Gläubiger, gesicherte Gläubiger usw.) mit deutlich heterogenen Interessen in die Verhandlung einbezogen sind. Das ist bei Sanierungsverhandlungen typischerweise der Fall, weil die unterschiedlichen Beteiligten in der Regel aus dem materiellen Wirtschaftsrecht heraus unterschiedliche Positionen haben (z. B. dingliche Kreditsicherungsrechte). Hier kann und muss der Sanierungsmoderator ggf. die Kohorte der Beteiligten strukturieren und Beteiligte mit ähnlichen Rechtspositionen und Interessen bündeln. Denn diese Beteiligten können in vergleichbarer Weise angesprochen werden. Hierdurch wird eine Koordination bewirkt werden können. Einfluss auf die Komplexität nimmt ferner der Faktor Zeit. Kraft Gesetzes ist die Sanierungsmoderation zeitlich begrenzt (3 Monate mit Verlängerungsoption, § 95 Abs. 1 StaRUG). Hierdurch wird ein Zeitfenster für die Verständigungen vorgegeben. In der Vertiefungs- und Erhellungsphase wird der Sanierungsmoderator die Konflikt- 87 analyse betreiben und hierbei die Eskalationsstufen zuordnen. Hierbei grenzt er interne von externen Konflikten ab. Hinsichtlich der möglichen Eskalationsebene wird der Grad der Beherrschbarkeit des Konfliktes beurteilt. Interne Konflikte können im Betrieb der StaRUG-Antragstellerin gegeben sein zwischen 88 Geschäftsleitung, Gesellschaftern, Arbeitnehmern und ggf. Gewerkschaften. Diese internen Konflikte können einen wesentlichen Grund für die Unternehmenskrise darstellen. Wenn z. B. ein in der operativen (leistungswirtschaftlichen) Krise befindliches Unternehmen von der Gesellschafterin die Zusage eines Sanierungskredites erhält, diese Zusage aber unter die Bedingung des signifikanten Abbaus von Arbeitsplätzen unter Abfindungsverzicht gestellt wird und die Geschäftsleitung hierzu ein Modell verhandeln soll, dann kann eine solche Strategie zu massiven internen Konflikten und Verhärtungen führen, bis hin zur Selbstzerstörung der Schuldnerin. Externe Konflikte können Verteilungskonflikte sein, insbesondere mit Blick auf eine 89 drohende Insolvenzantragstellung zwischen ungesicherten und gesicherten Gläubigern. Insbesondere die umfangreich gesicherten Gläubiger mit vermeintlich anfechtungsfesten Kreditsicherheiten (Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Pfandrechte, Grundschulden, Hypotheken) sehen einer möglichen Insolvenzantragstellung in der Regel etwas gelassener entgegen als ungesicherte Insolvenzgläubiger mit einer niedrigen Quotenerwartung. Dies kann dazu führen, dass die gesicherten Gläubiger einem Sanierungskonzept mit angetragenen Rechtsbeschränkungen und Forderungsverzichten deutlich skeptischer und zurückhaltender gegenüberstehen. Sowohl die internen als auch die externen Konflikte können von erheblichen Emotionen 90 begleitet sein, die bei Restrukturierungsverhandlungen in der Regel negativ sein werden. Im Bereich der Antragstellerin wird vor allem der Aspekt des möglichen Macht- und Kontrollverlustes eine wichtige Rolle spielen. Auch die Sorge in Bezug auf haftungsrechtFrege/Nicht

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4. Teil Sanierungsmoderation

liche Konsequenzen (persönliche Verantwortung) kann zu Reaktanzen führen. In der Krise werden oftmals Leitungsfehler offenbar und die Geschäftsleitung ist mitunter bestrebt, diese Aspekte nicht zuzugestehen. Ablenkungsmanöver und Fehlinformationen können damit einhergehen. Hier können mitunter erhebliche Kollisionen auftreten mit den Verlustängsten und Existenzsorgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Bereich der externen Konflikte können affektive Erscheinungen auftreten wie Wut, Zorn, Neid. Die Gefahr möglicher wirtschaftlicher Ansteckungseffekte der Krise kann zu Verlustangst führen. Diese Affekte sind individuell-persönlicher Natur und der Sanierungsmoderator muss sich mit den (oftmals auch irrationalen) Regungen auseinandersetzen. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt hier auch der Faktor Stress. 91 Die Vertiefungs- und Erhellungsphase bietet sich an, um ggf. strukturierte Gruppengespräche oder sogar Einzelgespräche mit den Beteiligten der Sanierung zu führen. Um die Akzeptanz des Sanierungsmoderators als allparteilicher Prozessgestalter nicht zu gefährden, ist anzuraten, den Übergang zu Gruppen- und Einzelgesprächen klar und eindeutig zu kommunizieren und auch Gründe hierfür zu benennen. Es besteht die Gefahr, dass der Sanierungsmoderator nicht mehr als neutral und integer wahrgenommen und akzeptiert wird. Dieser Gefahr wird durch Offenheit und Transparenz begegnet. 92 In der Lösungsphase wird der Sanierungsmoderator eine in die Zukunft gerichtete Perspektive einnehmen. Auf der Grundlage der Beurteilung der beteiligten Interessen und Konflikte sind Lösungen zu entwickeln und zu bewerten. Besonderes Augenmerk ist in diesem Rahmen auf integrative Ansätze zu legen, die auf eine angemessene Wertschöpfung und Wertzuteilung ausgerichtet sein sollten; distributive Komponenten sind ebenfalls zu erfassen. Dazu werden die gemeinsamen Interessen der Prozessbeteiligten erfasst. Den divergierenden Interessen muss durch angemessene Zuteilungskonzepte Rechnung getragen werden. Der Sanierungsmoderator wird die im konkreten Fall wahrscheinlichen Einigungsoptionen und Nichteinigungsoptionen der Verhandlungspartner beurteilen und bewerten.70) Er wird in Bezug auf die Verhandlungspartner konkretisieren, welche Alternativen sich in Bezug auf den möglichen Konsens i. R. der Sanierungsmoderation ergeben (BATNA = Best Alternative to Negociated Agreement). Hierzu sind auch Prozessrisiken abzuwägen und Kosten-Nutzen-Analysen anzustellen. 93 Das grundlegende Anliegen des Sanierungsmoderators besteht darin, die Einigungszonen der am Prozess beteiligten Parteien auszuloten und durch Impulse zu einer Überschneidung zu bringen. Die Schnittmenge ist dabei als Einigungsbereich zu bezeichnen. Im Idealfall deckt sich der Einigungsbereich mit dem Sanierungskonzept der StaRUG-Antragstellerin, so dass eine unveränderte Umsetzung beschlossen werden kann. Praktisch werden die Sachverhalte nicht selten so liegen, dass das vom Schuldner vorbereitete Sanierungskonzept dessen Maximalposition enthält und die Verhandlungspositionen der Verfahrensbeteiligten (ZOPA = Zone of Possible Agreement) im Ausgangspunkt hiervon abweichen. Insoweit ist es Aufgabe des Verfahrens der Sanierungsmoderation, die verschiedenen potenziellen Einigungskorridore auszuloten und nach Möglichkeit soweit zu verschieben, dass eine Überschneidung möglich wird. 94 Abschließend ist eine gemeinsame Lösung festzustellen und umzusetzen. Das StaRUG erfordert hier Einstimmigkeit ohne die Möglichkeit, abweichende Stimmen zu überregeln. 95 Weil das Verfahren der Sanierungsmoderation mit einem vom Schuldner erstellten Sanierungskonzept eingeleitet wird, ist die Lösungsfindung anhand des bereitgestellten Textes ___________ 70) S. hierzu Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 9, S. 219 ff.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

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vorzunehmen. Die Parallele zur sog. Ein-Text-Mediation ist erkennbar.71) Das Verfahren hat den Vorteil, dass alle Beteiligten der Sanierungsmoderation an der Abfassung des finalen Textes in gleicher Weise beteiligt sind. Hieraus kann sich ein Grundgefühl der Gemeinsamkeit schöpfen lassen, welches geeignet sein kann, Initiative und Engagement zu stärken.72) Strukturell vergleichbar ist dieser methodische Ansatz mit der Insolvenzplanverhandlung,73) die sich allerdings mit der Besonderheit des Obstruktionsverbotes in einem entscheidenden Gesichtspunkt rechtlich abhebt. 4.

Pflicht zur Berichterstattung (§ 96 Abs. 3 StaRUG)

Aus § 96 Abs. 3 Satz 1 StaRUG geht unmissverständlich hervor, dass der Sanierungsmo- 96 derator dem Restrukturierungsgericht einmal im Monat einen schriftlichen (§ 126 BGB) Bericht über seine Arbeit zu übermitteln hat. Darin muss er über den „Fortgang der Sanierungsmoderation“ berichten, mithin dokumentieren, welche Entwicklungen sich im Verfahren aufgrund seiner Vermittlungsarbeit ergeben haben. Soweit das Verfahren stagniert, ist zu berichten, welche tatsächlichen oder vermeintlichen Hinderungsgründe gegeben sind. Diese Berichtspflicht ermöglicht die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht über den 97 Sanierungsmoderator (§ 96 Abs. 5 Satz 1 StaRUG). Der Sanierungsmoderator versetzt das Restrukturierungsgericht hiermit in die Lage, Arbeitsqualität und Arbeitsquantität sachgerecht zu beurteilen. Dies ist nicht zuletzt mit Blick auf die Vergütungsfestsetzung gemäß § 98 StaRUG von verfahrenspraktischer Bedeutung, denn diese erfolgt unter Berücksichtigung von Zeit- und Sachaufwand. Daneben soll das Restrukturierungsgericht natürlich beurteilen können, ob das Verfahren effizient und ohne fachliche Mängel abläuft. Sollte es nämlich zu gravierenden Verstößen gegen die Verhaltenspflichten gemäß § 96 StaRUG kommen, muss das Restrukturierungsgericht die Entlassung des Sanierungsmoderators aus wichtigem Grund erwägen (§ 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Der Wortlaut von § 96 Abs. 3 Satz 1 StaRUG ist hinsichtlich Form und Frist nicht ausle- 98 gungsbedürftig. Der Bericht des Sanierungsmoderators muss in Schriftform (§ 126 BGB) zu den Akten des Restrukturierungsgerichts gereicht werden. Das Berichtsintervall ist gesetzlich mit „monatlich“ festgelegt, was angesichts der ohnehin sehr kurzen Dauer der Sanierungsmoderation gemäß § 95 Abs. 1 StaRUG sicherlich angemessen ist. Im Hinblick auf die formale Gliederung und den Mindestinhalt des Berichtes enthält § 96 99 Abs. 3 Satz 2 StaRUG gesetzliche Pflichtvorgaben. Hiernach ist über Art und Ursachen der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten des Antragstellers zu berichten (Abs. 3 Satz 2 Nr. 1), über den Kreis der in die Verhandlungen einbezogenen Gläubiger und sonstigen Beteiligten (Abs. 3 Satz 2 Nr. 2), den Gegenstand der Verhandlungen (Abs. 3 Satz 2 Nr. 3) und das Ziel und den voraussichtlichen Fortgang der Verhandlungen (Abs. 3 Satz 3 Nr. 4). Man wird davon ausgehen dürfen, dass die Berichtsinhalte gemäß § 96 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 100 und Nr. 2 StaRUG im Wesentlichen dem Sanierungsplan des Schuldners entnommen werden können. Denn letztlich ist es der Schuldner, der materiell und förmlich festlegt, worüber konkret verhandelt wird und mit wem verhandelt wird. Der Sanierungsmoderator kann sicher sachdienliche Hinweise und Anregungen geben. Die Entscheidungen muss jedoch der Schuldner selbst treffen, der am Ende auch das Ergebnis verantwortet. Er gibt zunächst vor, welche Gläubiger in die Sanierungsverhandlungen einzubeziehen sind und über ___________ 71) Vgl. dazu Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 10, S. 242 ff. 72) Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 10, S. 243. 73) Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, Teil II Kap. 10, S. 243.

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4. Teil Sanierungsmoderation

welche Art der Rechtsänderungen mit ihnen verhandelt werden soll.74) Der Sanierungsmoderator wird diese Informationen des Schuldners in sein Berichtswesen übernehmen und sie entsprechend fortschreiben. Es kann erwartet werden, dass die Berichtsinhalte der beiden Nr. 1 und 2 in den wesentlichen Zügen feststehend sind. Sollten sich hierauf bezogen Änderungen ergeben, weil sich die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten ausweiten oder verlagern, oder sollten weitere Beteiligte in die Verhandlungen einbezogen werden, ist das selbstverständlich in die Berichte des Sanierungsmoderators aufzunehmen und kenntlich zu machen. 101 Im Gegensatz zu den Berichtsinhalten gemäß § 96 Nr. 1 und Nr. 2 StaRUG sind die Berichtsinhalte gemäß § 96 Nr. 3 und Nr. 4 StaRUG von vornherein beweglich, weil sich der Gegenstand der Verhandlungen naturgemäß im Laufe der Vermittlungsarbeit des Sanierungsmoderators verändert. Im Idealfall kommt es zu einer Konkretisierung des Verhandlungsgegenstandes und zu einer Verengung des Verhandlungskorridors. Im Falle eines positiven Verlaufes gelingt es, die möglichen Einigungszonen gegeneinander so zu verschieben, dass eine Überlappung oder bestenfalls eine Deckung möglich wird. Insoweit ist der Sanierungsmoderator unter dem Gesichtspunkt sachgerechter Berichtsarbeit angehalten, unmittelbare eigene Wahrnehmungen und Beurteilungen festzuhalten und für das Restrukturierungsgericht zu verschriftlichen. In Bezug auf Ziel und voraussichtlichen Fortgang der Verhandlungen wird seine einschlägige Fachkompetenz und Berufserfahrung gefordert sein, die es ihm ermöglicht, eine sachgerechte Prognose herzuleiten und gegenüber dem Restrukturierungsgericht abzugeben. 5.

Pflicht zur Anzeige der Insolvenzreife (§ 96 Abs. 4 StaRUG)

102 In § 96 Abs. 4 StaRUG ist eine Anzeigepflicht des Sanierungsmoderators in Bezug auf das Vorliegen möglicher Insolvenzgründe geregelt. Sie steht erkennbar in systematischem Zusammenhang mit § 94 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 StaRUG, wonach die Sanierungsmoderation unstatthaft ist, wenn der Schuldner bereits „offensichtlich zahlungsunfähig“ (vgl. insoweit § 17 Abs. 2 InsO) oder „offensichtlich überschuldet“ (vgl. insoweit § 19 Abs. 2 InsO) ist. 103 § 96 Abs. 4 StaRUG stellt, anders als § 94 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 StaRUG, dem Wortlaut nach nicht auf die „offensichtliche“ Zahlungsunfähigkeit oder die „offensichtliche“ Überschuldung ab, sondern knüpft die gesetzliche Informationspflicht an das Erkennen des Vorliegens einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. 104 Aus dem Wortlaut von § 96 Abs. 4 StaRUG („eine ihm bekannt gewordene“) ist der Schluss zu ziehen, dass die Berichtspflicht ausgelöst wird, sobald der Sanierungsmoderator selbst positive Kenntnis von dem Eintritt des Insolvenzeröffnungsgrundes hat.75) In einem solchen Fall hat er unverzüglich zu berichten, mithin ohne schuldhaftes Zögern zu handeln (§ 121 BGB).76) 105 Eine gesetzliche Ermittlungspflicht im Hinblick auf den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung existiert nicht.77) Sie kann nicht aus § 96 Abs. 2 StaRUG hergeleitet werden. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass der Sanierungsmoderator zu kontrollieren und ggf. darauf hinzuwirken habe,78) dass der Schuldner den möglichen Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu prüfen und zu überwachen habe, ___________ 74) 75) 76) 77) 78)

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Vgl. auch Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 20. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 24. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 24. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 25. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 26.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

kann dem nicht gefolgt werden. Hiermit würden die Anforderungen an die Amtsführung durch den Sanierungsberater überspannt und er würde – was vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen ist – zumindest im Hinblick auf § 96 Abs. 4 StaRUG zum Überwachungsorgan hochgestuft. Hiermit ließe sich seine neutrale, unvoreingenommene und allparteiliche Rolle des moderierenden Verfahrensmediators jedoch nicht vereinbaren. 6.

Haftung des Sanierungsmoderators bei Pflichtverletzungen

Angesichts der umfangreichen Amtspflichten des Sanierungsmoderators in § 96 Abs. 1 106 bis 4 StaRUG verwundert es, dass der Gesetzgeber keine haftungsrechtlichen Rechtsfolgen für den Fall der schuldhaften Verletzung einer Amtspflicht geregelt hat. Nach dem Wortlaut der §§ 94 – 100 StaRUG besteht die einzige denkbare Sanktion darin, dass der Sanierungsmoderator gemäß § 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG aus seiner Rechtsstellung abberufen wird. Anders wurde dies in § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG für den Restrukturierungsbeauftragten in terminologischer Anlehnung an § 60 Abs. 1 InsO geregelt. Dieser haftet für eine schuldhafte Verletzung der ihm obliegenden Pflichten auf Schadensersatz. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum der Gesichtspunkt einer möglichen Ersatzpflicht vom Gesetzgeber in den §§ 94 – 100 StaRUG offengelassen wurde. Insbesondere mit Blick auf die Anzeigepflicht gemäß § 96 Abs. 4 StaRUG, die eine unmittelbar gläubigerschützende Dimension aufweist, bedarf es einer ausdrücklichen Festlegung durch den Gesetzgeber. Haftungsrechtlich könnte sich im vorliegenden Kontext zunächst eine Anlehnung an § 311 107 Abs. 3 BGB anbieten. Vor allem § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB offenbart, dass ein Rechtsverhältnis in Gestalt eines Schuldverhältnisses zu Personen begründet werden kann, die – ohne selbst Vertragspartei zu sein – in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen und hierdurch Vertragsverhandlungen erheblich beeinflussen. Ein derartiger Tatbestand dürfte zumindest im Hinblick auf § 96 Abs. 4 StaRUG vorliegen, soweit der Sanierungsmoderator eine ihm bekannte Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht unverzüglich dem Restrukturierungsgericht anzeigt. Eine darüberhinausgehende Anknüpfung von § 311 Abs. 3 BGB an § 96 Abs. 1 StaRUG scheidet dagegen aus. Eine analoge Anwendung von § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG scheidet aufgrund eines entge- 108 genstehenden Willens des Gesetzgebers aus. Hätte der Gesetzgeber des SanInsFoG die Vorschrift des § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG auch auf die Sanierungsmoderation erstrecken wollen, wäre ihm dies ohne weiteres möglich gewesen, nämlich durch einfachen Verweis in § 96 StaRUG. Da hiervon Abstand genommen wurde, ist der methodische Schluss auf einen negativen Regelungswillen des Gesetzgebers berechtigt, über den sich eine Analogiebildung nicht hinwegsetzen darf. Die persönliche Haftung des Sanierungsberaters nach allgemeinem Deliktsrecht der 109 §§ 823 ff. BGB dürfte grundsätzlich einschlägig aber im Einzelfall sehr schwer darzulegen und zu beweisen sein. In den Vorschriften der §§ 94 – 100 StaRUG sind keine Schutzgesetze i. S. von § 823 Abs. 2 BGB zu erkennen, so dass diese normative Anknüpfung in jedem Fall ausscheidet. § 823 Abs. 1 BGB schützt lediglich absolute Rechtsgüter und klammert das Vermögen der Verfahrensbeteiligten als Schutzobjekt aus. Insoweit wird das Deliktsrecht des BGB unter Haftungsgesichtspunkten nicht weiterhelfen. IV.

Aufsicht des Restrukturierungsgerichts (§ 96 Abs. 5 StaRUG)

Der Sanierungsmoderator steht als Verfahrensorgan und Inhaber eines privaten Amtes 110 unter der Aufsicht des Restrukturierungsgerichts (§ 96 Abs. 5 Satz 1 StaRUG). Dies ist erforderlich, um die Rechtsstaatlichkeit des beim Gericht geführten Zivilverfahrens sicherzustellen. Das Restrukturierungsgericht muss in förmlicher Hinsicht – bezogen auf den institutionellen Rahmen des Verfahrens der Sanierungsmoderation – Herr des VerFrege/Nicht

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4. Teil Sanierungsmoderation

fahrens sein, auch wenn die operativen Handlungen (Erstellung Sanierungsplan, Vermittlung der Sanierungslösung) in die Hände von Schuldner und Sanierungsmoderator gegeben sind. Die systematischen Parallelen zu den §§ 58 Abs. 1 Satz 1 InsO und 75 Abs. 1 Satz 1 StaRUG sind deutlich erkennbar. Selbstverständlich sind die Besonderheiten des jeweiligen Amtes (Reichweite der verfahrensrechtlichen Kompetenzen) in angemessener Art und Weise i. R. der Durchführung der Aufsicht zu berücksichtigen. 1.

Allgemeine Überwachung des Sanierungsmoderators (§ 96 Abs. 5 Satz 1 StaRUG)

111 Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass sich die Aufsicht des Restrukturierungsgerichts im Wesentlichen auf die Einhaltung der Berichtspflicht (§ 96 Abs. 3 StaRUG) durch den Sanierungsmoderator beschränken dürfte.79) Hierbei soll zunächst die formelle Richtigkeit der Berichte maßgebend sein, d. h. die Einhaltung der Berichtsfristen und die Einhaltung der formellen gesetzlichen Vorgaben aus § 96 Abs. 3 Satz 2 StaRUG (Gliederung des Berichts und Einhaltung der Berichtskategorien). Die materielle Richtigkeit der Berichte des Sanierungsmoderators sei nur zu überprüfen, soweit offensichtlich falsche oder widersprüchliche Abgaben Anlass zu der Annahme geben, dass der Bericht offensichtlich fehlerhaft und damit das Verfahren möglicherweise nicht rechtmäßig ist.80) Zutreffend spricht sich die Literatur für eine Vollständigkeitsprüfung und Plausibilitätsprüfung in Gestalt einer Evidenzkontrolle aus.81) Sollte diese Evidenzkontrolle Grund zu Beanstandungen geben, liegt es im Aufsichtsermessen des Restrukturierungsgerichts, weitere geeignete und erforderliche Maßnahmen vorzunehmen, z. B. Ergänzungen, Präzisierungen oder Klarstellungen vom Sanierungsmoderator zu verlangen.82) 2.

Entlassung aus wichtigem Grund (§ 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG)

112 Aus der Überwachung des Berichtswesens heraus kann sich die Notwendigkeit ergeben, den vom Restrukturierungsgericht bestellten Sanierungsmoderator aus wichtigem Grund aus dem Amt zu entlassen (§ 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Die systematischen Parallelen zu den §§ 59 Abs. 1 Satz 1 InsO und 75 Abs. 2 Satz 1 StaRUG sind deutlich erkennbar. Selbstverständlich sind die Besonderheiten des jeweiligen Amtes (Reichweite der verfahrensrechtlichen Kompetenzen) in angemessener Art und Weise i. R. der Entscheidung über die Entlassung zu berücksichtigen. 113 Das Restrukturierungsgericht muss eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Entlassung des Sanierungsmoderators treffen. Diese muss sich an den Besonderheiten des Verfahrens im Einzelfall ausrichten, insbesondere der Verfahrensdauer, der Verfahrensintensität (Art und Umfang der bisherigen Vermittlungstätigkeit), dem Kreis der einbezogenen Beteiligten und nicht zuletzt der bislang aufgelaufenen Kosten (vgl. § 98 Abs. 1 StaRUG: Zeit- und Sachaufwand). Insbesondere sind die (zeitlichen) Auswirkungen einer Entlassung auf den Sanierungsvorgang bzw. dessen moderierende Vermittlung angemessen zu berücksichtigen. Möglicherweise ist der Vermittlungsversuch schon so weit vorangekommen, dass es nicht sinnvoll erscheint, den Sanierungsmoderator kurz vor der Finalisierung der Moderation abzusetzen, obgleich schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen worden sind (z. B. Berichtspflichten nicht erfüllt). Der Sanierungsmoderator verwaltet anders als der Insolvenzverwalter kein Schuldnervermögen und verfügt nicht über dieses, ___________ 79) 80) 81) 82)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 184. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 184. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 31. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 31.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

d. h. die Gefahr einer konkreten Gefährdung von Vermögenswerten ist weniger beachtlich als dies beim Insolvenzverwalter der Fall sein wird. Dieser Gesichtspunkt könnte dafürsprechen, die Abwägung der Nichtbeachtung for- 114 meller Verfahrenspflichten gegen den Erfolg der inhaltlichen Arbeit zugunsten des materiellen Ergebnisses ausgehen zu lassen. Sollte die schwerwiegende Pflichtverletzung dagegen erkennbar zu einer Gefährdung materieller Werte führen (z. B. beim Verstoß gegen die Anzeigepflicht gemäß § 96 Abs. 4 StaRUG), ist die sofortige Entlassung aus wichtigem Grund unvermeidlich. Wertungsgemäß deckt sich dies mit § 99 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, wonach die Abberufung des Sanierungsmoderators nach Anzeige der Insolvenzreife stattfindet. Voraussetzung der Entlassung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein wichtiger 115 Grund ist nur bei schwerwiegenden Verletzungen der Verhaltenspflichten im Verfahren gegeben. Dies können Verstöße gegen die Berichts- und Anzeigepflichten gemäß § 96 StaRUG sein. Betroffen kann aber auch die Pflicht zur schriftlichen Stellungnahme nach § 97 Abs. 2 StaRUG sein. Schließlich kann auch die Verletzung der Geheimhaltungspflicht zu der Einsicht führen, dass mit Blick auf die berechtigten Interessen der Verfahrensbeteiligten ein weiterer Verbleib im Amt nicht zu rechtfertigen ist, weil der Verstoß des Sanierungsmoderators das Arbeitsvertrauen nachhaltig beschädigt hat. Der wichtige Grund muss durch das Restrukturierungsgericht positiv festgestellt werden. 116 Es muss auf einer nachvollziehbaren Faktengrundlage die richterliche Überzeugung gebildet worden sein, dass Umstände tatsächlich vorliegen, die einem weiteren Verbleib des Sanierungsmoderators im Amt entgegenstehen. Da die Entlassung aus wichtigem Grund eine Zwangsmaßnahme gegen den Sanierungsmo- 117 derator darstellt und ihm das private Amt durch Beschluss des Restrukturierungsgerichts entzieht, ist die Gewährung rechtlichen Gehörs geboten (§ 96 Abs. 5 Satz 3 StaRUG). Hiermit wird auch den verfassungsmäßigen Rechten des bestellten Amtsinhabers aus Art. 12 Abs. 1 GG genüge getan. Insbesondere kann der Sanierungsmoderator zu den vom Gericht ermittelten Tatsachen Stellung nehmen, auf die das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestützt werden soll. Zudem kann auch die bevorstehende inhaltliche Ermessensabwägung selbst Gegenstand einer Gegenvorstellung des Sanierungsberaters sein. Der Wortlaut von § 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG gibt nicht vor, in welcher Handlungsform 118 das Restrukturierungsgericht die Entlassung bewirkt. Nach zutreffender Ansicht ist ein Beschluss des Restrukturierungsgerichts erforderlich83), der selbstverständlich im Hinblick auf die Feststellung des wichtigen Grundes und im Hinblick auf die Ermessensausübung zu begründen ist. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, weil – anders als bei § 75 Abs. 3 Satz 1 StaRUG – die sofortige Beschwerde gesetzlich nicht zugelassen ist (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). 3.

Abberufung des Sanierungsmoderators (§ 99 StaRUG)

Der Sanierungsberater wird gemäß § 99 StaRUG vom Restrukturierungsgericht abberu- 119 fen, wenn er selbst oder der Schuldner dies beantragt hat (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) oder von Amts wegen, sofern der Sanierungsmoderator dem Restrukturierungsgericht die Insolvenzreife des Schuldners gemäß § 96 Abs. 4 StaRUG angezeigt hat. Im Fall der Abberufung auf Antrag (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) bestellt das Restrukturierungsgericht einen anderen Sanierungsmoderator, sofern der Schuldner das beantragt hat (§ 99 Abs. 2 StaRUG). ___________ 83) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 96 Rz. 37.

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4. Teil Sanierungsmoderation

120 Der Eigenantrag des Sanierungsmoderators wird dem Restrukturierungsgericht vorgelegt werden, wenn der Sanierungsmoderator die „Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten“ als undurchführbar betrachtet. Diese Einschätzung kann von der Einsicht getragen sein, dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Schuldner nicht möglich ist. Denkbar ist auch, dass der Sanierungsmoderator das vorgelegte Sanierungskonzept für nicht vermittelbar hält und schuldnerseitige Ergänzungen und Nachbesserungen ausbleiben. Schließlich kann auch die Kommunikationsebene zu den beteiligten Gläubigern derart nachhaltig gestört sein, dass die Aussichten für eine erfolgreiche Vermittlung i. S. von § 96 Abs. 1 StaRUG fehlen. Die Angabe eines Grundes für die Abberufung ist nicht erforderlich. Ausreichend ist ein zulässiger Antrag, der in Schriftform dem Restrukturierungsgericht übermittelt werden sollte. 121 Das Verfahren der Sanierungsmoderation liegt förmlich in der Hand des Restrukturierungsgerichts, denn das Gericht hat die gesetzliche Anordnungs- und Bestellungskompetenz (§§ 94, 95 StaRUG), die Aufsichtsbefugnis (§ 96 Abs. 5 StaRUG) und das Recht zur Entlassung (§ 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG) und Abberufung (§ 99 StaRUG). Materiell wird das Verfahren durch den Schuldner selbst beherrscht, der für die Entwicklung des Sanierungsplans und die Auswahl der einzubeziehenden Gläubiger verantwortlich ist (§§ 94, 97 StaRUG). Der Sanierungsmoderator bildet lediglich die Vermittlungsstelle (§ 96 Abs. 1 StaRUG). In dieser Sichtweise hat der Schuldner eine gewichtige Verfahrensposition, mit der angemessene Verfahrensrechte einhergehen. Hierzu gehört das Recht, die Abberufung des Sanierungsmoderators und die Neubestellung beantragen zu können (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StaRUG). Der Schuldner muss den Antrag nicht begründen. Ausreichend ist ein zulässiger Antrag, der in Schriftform dem Restrukturierungsgericht übermittelt werden sollte. 122 Die Abberufung des Sanierungsmoderators von Amts wegen (§ 99 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) ist Ausdruck einer gerichtlichen Rechtsfürsorgepflicht. Die Befugnis greift ein, wenn die Anzeige der Insolvenzreife (§ 96 Abs. 4 StaRUG) bezüglich Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung dem Restrukturierungsgericht zugegangen ist. In diesem Moment steht fest, dass die Vermögenswerte der Gläubiger (deren Forderungen gegen den Schuldner) konkret gefährdet sind, weil das vorhandene Schuldnervermögen zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger möglicherweise nicht ausreichen könnte. Es ist dann geboten, den Vermittlungsversuch nach Maßgabe der §§ 94 – 100 StaRUG unverzüglich zu beenden und ein Insolvenzverfahren zum Schutz der Gläubigergemeinschaft einzuleiten. V.

Abschluss und Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)

1.

Dogmatische Einordnung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)

123 Das Verfahren der Sanierungsmoderation zielt inhaltlich darauf ab, einen Sanierungsvergleich zwischen dem Schuldner und den in das Verfahren einbezogenen Gläubigern und sonstigen Dritten abzuschließen.84) Mit diesem Sanierungsvergleich sollen die wirtschaftlichen und/oder finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners überwunden werden. Hierzu ist ein materieller Konsens zwischen Schuldner und einbezogenen Gläubigern und sonstigen Dritten erforderlich, dessen Vermittlung die Hauptaufgabe des Sanierungsmoderators darstellt. 124 Der „einfache“ Sanierungsvergleich ohne gerichtliche Bestätigung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist ein materiell-rechtlich wirkender Vergleichsvertrag (§ 779 BGB), auf den die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts anzuwenden sind. Er kommt als besonderes Schuldverhältnis mit Rechtswirkung inter partes zwischen den Beteiligten zustande, ___________ 84) Schmittmann, DZWIR 2021, 436, 440 f.

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die Partei des Vertragsschlusses werden und dem Vertrag durch Abgabe und Zugang einer wirksamen Willenserklärung zustimmen. Der „qualifizierte“ Sanierungsvergleich i. S. von § 97 StaRUG weist eine Doppelrechtsnatur 125 auf, soweit er nach § 97 Abs. 1 Satz 1 StaRUG auf Antrag des Schuldners durch das Restrukturierungsgericht bestätigt werden soll. In dieser bestätigten Variante ist er zugleich materiell-rechtlicher Vertrag gemäß § 779 BGB und Verfahrensgegenstand des beim Restrukturierungsgericht geführten Verfahrens der Sanierungsmoderation. Er ist jedoch – anders als z. B. der Insolvenzplan – kein Prozessvergleich in der Sichtweise des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und auch kein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Vollstreckungstitel.85) 2.

Beteiligte des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)

Der Schuldner in seiner Eigenschaft als Antragsteller i. S. von § 94 Abs. 1 StaRUG ist 126 geborener Beteiligter des Sanierungsvergleichs. Denn der Sinn und Zweck des Verfahrens besteht darin, dessen wirtschaftliche und/oder finanzielle Schwierigkeiten konsensual zu überwinden. Daneben sind die Gläubiger des Schuldners grundsätzlich fähig, Partei des Sanierungsver- 127 gleichsvertrages zu werden. Welche Gläubiger in den Verhandlungs- und Vermittlungsprozess einbezogen werden, um schließlich Partei des Vergleiches zu werden, ist gesetzlich nicht festgelegt. Diese Frage wird auch nicht verbindlich durch den Sanierungsmoderator beantwortet, sondern der Schuldner selbst legt fest, welche Gläubiger er in den Vergleichsabschluss einbinden möchte. Letztlich hängt dies vom Sanierungsplan und dessen Planprämissen ab. Soll eine finanzwirtschaftliche Restrukturierung stattfinden, um die Zahlungsfähigkeit dauerhaft zu erhalten und zu sichern und die Kreditwürdigkeit des Schuldners zu verbessern, muss anhand der Prognoserechnungen des Schuldners beurteilt werden, welche Schulden konkret zu restrukturieren sind. Soll eine leistungswirtschaftliche Restrukturierung stattfinden, muss (zusätzlich) anhand 128 der Geschäftspapiere des Schuldners beurteilt werden, welche Vertragsbeziehungen inhaltlich verändert werden sollen. Hieraus ergibt sich der subjektive Anwendungsbereich des § 97 Abs. 1 StaRUG, mithin die personelle Reichweite der Einbeziehung. Es sind keine objektiven gesetzlichen Kriterien hierfür vorgesehen und diese sind auch nicht denkbar. Es ist für den Gesetzgeber praktisch unmöglich, festzuschreiben, mit dem ein Vergleich verhandelt werden soll. Es obliegt der sachgerechten (mit Augenmaß durchgeführten) Auswahlentscheidung des Schuldners, den Kreis der Verhandlungspartner zu definieren. Neben dem Schuldner selbst und den von ihm ausgewählten Gläubigern können Dritte in 129 den Sanierungsvergleich einbezogen werden, auch wenn sie keine restrukturierungsfähigen Ansprüche dem Schuldner gegenüber besitzen. Wiederum ist § 96 Abs. 1 StaRUG Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit der Einbeziehung in die Planverhandlungen: ein Dritter wird vom Schuldner als Verhandlungspartei ausgewählt, soweit dieser Dritte eine Rechtshandlung oder Rechtsänderung mit den Verfahrensbeteiligten vereinbaren soll, die zur Überwindung der wirtschaftlichen und/oder finanziellen Schwierigkeiten erforderlich und geeignet erscheint. Es ist nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dritter kann z. B. ein Gesellschafter des Schuldners sein oder ein verbundenes Unternehmen, ein Mitglied der Vertretungs- und Aufsichtsorgane, aber auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft o. Ä.

___________ 85) Smid, ZInsO 2020, 2184, 2189; Thole, ZIP 2020, 1985, 2000; Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 4.

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4. Teil Sanierungsmoderation Inhalt und Struktur des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)

130 Weder der formelle noch der materielle Inhalt des Sanierungsvergleiches werden in den §§ 94 – 100 StaRUG gesetzlich beschrieben. Anders als z. B. beim Insolvenzplan gemäß §§ 217 ff. InsO, der in der Sache auch als ein Sanierungsvergleich zustande kommen kann, hat der Gesetzgeber im StaRUG keine verbindlichen Vorgaben für die förmliche Struktur (Gliederung) und den zulässigen Regelungsinhalt des Sanierungsvergleichs gemacht. Die vom Schuldner in das Verfahren einbezogenen Verhandlungspartner legen in Ausübung der privatautonomen Vertragsgestaltungsfreiheit fest, was konkreter Vertragsinhalt sein soll. Eine Orientierung an §§ 217 ff. InsO ist sicher möglich. §§ 219, 220 InsO können für den Aufbau und die Struktur herangezogen werden; §§ 217, 223 ff. InsO im Hinblick auf die materiellen Rechtsgestaltungen. Hierbei sind die Vertragspartner natürlich den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts unterworfen, müssen demnach die gesetzlichen Schranken der Vertragsautonomie beachten (z. B. §§ 134, 138 BGB). Das kann insbesondere in Bezug auf Kreditsicherungsvereinbarungen beachtlich sein, wenn z. B. Übersicherungen oder Knebelungsverträge zu vermeiden sind. 4.

Antrag auf gerichtliche Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)

131 Das Gesetz sieht in § 97 Abs. 1 Satz 1 StaRUG vor, dass die gerichtliche Bestätigung des Sanierungsvergleichs auf Antrag des Schuldners erfolgt.86) Die in den Sanierungsvergleich einbezogenen anderen Beteiligten (Gläubiger, Gesellschafter etc.) sind nicht antragsberechtigt.87) Der Sanierungsmoderator ist ebenfalls nicht antragsberechtigt.88) Der Schuldner ist insoweit Herr des Verfahrens und legt durch zulässige Antragstellung fest, ob eine gerichtliche Bestätigung angestrebt werden soll. 132 Die Förmlichkeiten (Antragsform, notwendige Unterlagen und Nachweise) hinsichtlich der Antragstellung lässt das Gesetz leider ungeregelt. Sie sind mit Blick auf die vom Restrukturierungsgericht verlangten Prüfungshandlungen (§ 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) herzuleiten. Es wird ein schriftlicher Antrag des Schuldners erforderlich sein, um Rechtsklarheit zu schaffen. Da das Restrukturierungsgericht das Sanierungskonzept gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG hinsichtlich seiner Schlüssigkeit und zutreffenden Tatsachengrundlage beurteilen muss, ist das Sanierungskonzept mit dem Antrag auf gerichtliche Bestätigung vorzulegen. Im Regelfall dürfte das Sanierungskonzept Bestandteil des Sanierungsvergleichs sein, insbesondere wenn sich die Beteiligten an §§ 219, 220 InsO formal orientieren und das Sanierungskonzept in den darstellenden Teil mit aufnehmen. Dies hat zudem zur Folge, dass das Sanierungskonzept nicht lediglich außervertragliche Geschäftsgrundlage wird, sondern Bestandteil des Vergleichsvertrages (§ 779 BGB) wird. 5.

Erteilung der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)

133 Die Erteilung der Bestätigung des Sanierungsvergleichs durch das Restrukturierungsgericht lässt das Gesetz leider im Hinblick auf die Förmlichkeiten und auch im Hinblick auf die materiellen Erteilungsvoraussetzungen ungeregelt. In § 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG bezieht der Gesetzgeber lediglich Stellung zu der Frage, wann die Bestätigung des Sanierungsvergleichs durch das Restrukturierungsgericht zu versagen ist. ___________ 86) Hierzu Schmittmann, DZWIR 2021, 436, 441. 87) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 9. 88) Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 9.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

Zutreffend ist die Rechtsansicht, dass zur Herstellung von Rechtsklarheit und Rechtssi- 134 cherheit ein Beschluss des Restrukturierungsgerichts erforderlich ist, auch wenn das Gesetz – anders als in § 60 Abs. 1 Satz 1 StaRUG – schweigt.89) Der Beschluss des Restrukturierungsgerichts, mit dem die Bestätigung des Sanierungsver- 135 gleichs erfolgt, ist nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, denn das Gesetz sieht das Rechtsmittel nicht vor (vgl. § 40 Abs. 1 StaRUG). In der Literatur finden sich Hinweise auf die Möglichkeit einer analogen Anwendung von § 66 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, die argumentativ auf die weitreichenden Rechtsfolgen der gerichtlichen Planbestätigung gestützt werden.90) Angesichts der komplexen Regelungssystematik des StaRUG erscheint indes fraglich, ob vorliegend tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist. Es dürften die besseren Argumente dafürsprechen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde im Ergebnis nicht gewollt und deshalb nicht mitgeregelt hat.91) Im Gesetz sind keine positiven Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung der Bestä- 136 tigung geregelt. In § 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG finden sich lediglich die Voraussetzungen für die Ablehnung der beantragten Planbestätigung. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass die gerichtliche Bestätigung (gleichsam automatisch) zu erfolgen hat, sofern keine gesetzlich genannten Versagungsgründe gegeben sind, dürfte aber verfehlt sein. Denn es darf mit Blick auf die Anfechtungsfestigkeit gemäß § 97 Abs. 3 i. V. m. § 90 StaRUG, die aus der gerichtlichen Planbestätigung resultiert, nicht verkannt werden, dass diese Rechtsfolgen nur diejenigen Gläubiger und Dritten treffen, die vom Schuldner ausgewählt und folglich in die Planverhandlungen einbezogen worden sind. Dies sind aber nicht sämtliche Gläubiger und Dritten, zu denen der Schuldner in einer Rechtsbeziehung steht. Schon deshalb, d. h. zum Schutz dieser in die Planverhandlungen und in den Sanierungsvergleich nicht einbezogenen Personenkreise, hat das Restrukturierungsgericht i. R. der Entscheidung über die Planbestätigung nach § 97 Abs. 1 StaRUG zu befinden, ob deren Interessen offensichtlich zurückgestellt worden sind.92) Andernfalls würde sich nämlich aus der Anfechtungsfestigkeit der Regelungen im Sanierungsvergleich, an dem nicht sämtliche Gläubiger mitwirken, ein Vertrag mit mittelbarer Wirkung zulasten der nicht einbezogenen Gläubiger und Dritten ergeben. Insoweit ist in § 97 Abs. 1 StaRUG ein ungeschriebenes materiellrechtliches Tatbestandselement aufzunehmen. 6.

Rechtsfolgen der Erteilung der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 StaRUG)

Die Rechtsfolgen der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs ergeben sich ge- 137 setzlich aus § 97 Abs. 3 StaRUG. Sie sind in rechtlicher und ökonomischer Sicht erheblich und aufgrund der beachtlichen Reichweite rechtspolitisch nicht unumstritten. Der Wortlaut des Gesetzes verweist in § 97 Abs. 3 StaRUG pauschal auf § 90 StaRUG 138 und ordnet hiermit an, dass die Insolvenzanfechtung und die Anfechtung nach dem AnfG nur unter den Voraussetzungen des § 90 StaRUG möglich sind. Hiermit soll das Vertrauen potenzieller Kreditgeber gestärkt werden, deren Dispositionen mit der Anfechtungsfestigkeit abgesichert werden. § 90 Abs. 1 StaRUG, auf den durch § 97 Abs. 3 StaRUG verwiesen wird, ordnet im Wort- 139 laut an, dass Regelungen in einem rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan und ___________ 89) 90) 91) 92)

Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 11. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 12. So im Ergebnis wohl auch Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 12. Vgl. schon Bork, ZInsO 2020, 2177, 2184; H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2257; Skauradszun, ZRI 2020, 625, 627; Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 42; Thole, ZIP 2020, 1985, 2000.

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§ 15

4. Teil Sanierungsmoderation

Rechtshandlungen, die in Vollzug eines solchen Plans erfolgen, bis zur nachhaltigen Restrukturierung einer Anfechtung nur zugänglich sind, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil (also dem Anfechtungsgegner) dies bekannt war. Ausgenommen von dieser Anfechtungsfestigkeit sind die in der Insolvenz nachrangigen Forderungen in der Rangstufe des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und Sicherheitsleistungen, die nach § 135 InsO und § 6 AnfG anfechtbar sind. 140 Obgleich der Wortlaut des § 97 Abs. 3 StaRUG nur den bestätigten Sanierungsvergleich als solchen sprachlich erwähnt, ist der Verweis auf § 90 Abs. 1 StaRUG so zu lesen, dass auch die Rechtshandlungen privilegiert sind, die „in Vollzug eines solchen Plans erfolgen“. Damit ist nicht nur der Sanierungsvergleich als Vertrag (§ 779 BGB) selbst Gegenstand der Anfechtungsfestigkeit. Sondern es fallen auch nachgelagerte Ausführungshandlungen, die auf der Grundlage des Sanierungsvergleichs ergehen, grundsätzlich unter das gesetzliche Anfechtungsprivileg. 141 Die Verweisung in § 97 Abs. 3 StaRUG auf § 90 Abs. 1 StaRUG ist auch insofern unklar und uneindeutig, als § 97 Abs. 3 StaRUG vom „bestätigten Sanierungsvergleich“ spricht, dessen gerichtliche Bestätigung keinem gesetzlichen Rechtsmittel unterliegt, und § 90 Abs. 1 StaRUG vom „rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan“. Es kann hier unterstellt werden, dass in § 97 Abs. 3 StaRUG nur eine Rechtsfolgenverweisung dergestalt gemeint ist, dass der Gesetzgeber tatbestandlich an die gerichtliche Bestätigung des Sanierungsvergleichs anknüpfen und lediglich hinsichtlich der Rechtsfolgen auf § 90 Abs. 1 StaRUG Bezug nehmen wollte. Auf die Rechtskraft des Sanierungsvergleichs, die mangels Rechtsmittelbefugnis mit der Bestätigung eintritt, kommt es nicht an. 142 Die Rechtsfolgenverweisung auf die Konsequenzen von § 90 Abs. 1 StaRUG bezieht sich auf das nicht anzuwendende Insolvenzanfechtungsrecht der §§ 129 ff. InsO und auf die Vorschriften des AnfG. Den dahingehenden Willen des Gesetzgebers wird man angesichts der Bezugnahme auf § 6 AnfG festzustellen haben, obgleich eine präzise Regelung im Gesetz fehlt. Die Insolvenzanfechtung ist vorbehaltlich § 135 InsO ausgeschlossen. Die Vorschriften des AnfG sind vorbehaltlich § 6 AnfG ausgeschlossen. 143 Hinsichtlich der konkreten Reichweite des Anfechtungsschutzes ist anhand der Gesetzesmaterialien abzugrenzen zwischen solchen Rechtshandlungen, die im Sanierungsplan selbst mit Blick auf das Schuldnervermögen vorgenommen werden (z. B. Einräumung von Kreditsicherheiten durch Sicherungsübereignungen oder Sicherungszessionen) und solchen Rechtshandlungen, die in Vollzug des Sanierungsvergleiches erfolgen. Hier verweist die Regierungsbegründung darauf, dass Sanierungskredite zum Gegenstand des Sanierungsplans und zum Gegenstand des Planvollzugs gemacht werden können, deren Zins- und Tilgungszahlungen jedoch nicht dem Anfechtungsprivileg unterliegen.93) 144 Mit der Anfechtungsfestigkeit aufgrund §§ 97 Abs. 3, 90 Abs. 1 StaRUG, die mit der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs erlangt worden ist, dürfte zugleich eine Haftungsfreistellung von Kreditgebern im Hinblick auf § 826 BGB einhergehen. Hintergrund ist die Rechtsprechung insbesondere des BGH zur haftungsrechtlichen Behandlung von Kreditgebern, die zum Schutz von Bestandspositionen in der Krise des Kreditnehmers weitere Zusagen geben und hiermit ggf. die unvermeidbare Insolvenzantragstellung zulasten und zum Nachteil anderer Gläubiger herauszögern. Diesbezüglich könnte eine sittenwidrige Veranlassung/Begünstigung einer Insolvenzverschleppung des Schuldners gesehen werden, die gegenüber den mittelbar betroffenen Gläubigern als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Kreditgeber eingestuft werden könnte (§ 826 BGB). Das StaRUG ___________ 93) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

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behandelt solche Verhaltensweisen in § 89 Abs. 1 StaRUG. Auf diese Vorschrift verweist § 97 Abs. 3 StaRUG jedoch nicht, so dass eine entsprechende Privilegierung kraft Gesetzes nicht zuzuerkennen ist. Dennoch dürften die in Rede stehenden Kreditgeber vorliegend hinreichend geschützt sein. Denn im Umkehrschluss aus § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG ergibt sich, dass das Restrukturierungsgericht das dem Sanierungsvergleich zugrunde liegende Sanierungskonzept für schlüssig und auf hinreichenden tatsächlichen Gegebenheiten beruhend angesehen hat. Insoweit darf beim gerichtlich bestätigten Sanierungsvergleich unterstellt werden, dass der neuerlichen Kreditgewährung eine angemessene (schlüssige) Sanierungsplanung zugrunde gelegt ist. Damit kann die hierauf beruhende Kreditierung nicht sittenwidrig i. S. von § 826 BGB sein. 7.

Versagung der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsvergleichs (§ 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG)

Das Restrukturierungsgericht versagt die beantragte Bestätigung des Sanierungsvergleichs 145 gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, wenn das dem Vergleich zugrunde liegende Sanierungskonzept nach Nr. 1 nicht schlüssig ist oder nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder nach Nr. 2 keine vernünftige Aussicht auf Erfolg hat. In beiden Varianten muss das Restrukturierungsgericht die Bestätigung versagen. Ein Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite besteht hinsichtlich der Merkmale „nicht schlüssig“ und „keine vernünftige Aussicht auf Erfolg“; ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite besteht dagegen nicht. Ob über den Wortlaut von § 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG hinaus weitere Versagungsgründe 146 Berücksichtigung finden können, ist unklar. Die Gesetzeshistorie spricht in der Tendenz eher gegen eine Berücksichtigung weiterer Umstände. Grundsätzlich dürfte diese restriktive Haltung zutreffend sein. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht sämtliche Gläubiger des Verfahrensschuldners in den Sanierungsvergleich einbezogen werden müssen und der Schuldner selbst die Wahl trifft, mit welchen Parteien er den Sanierungsvergleich (§ 779 BGB) verhandelt und final abschließt. Insoweit kann es in der Folge zu einer Zurücksetzung der berechtigten Interessen der nicht einbezogenen Gläubiger kommen, da sich die Anfechtungsfestigkeit gemäß §§ 97 Abs. 3, 90 Abs. 1 StaRUG zugunsten der Vergleichsbeteiligten nachteilig i. R. einer ggf. eintretenden Folgeinsolvenz auswirken wird. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass der Wortlaut von § 97 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG durch ein ungeschriebenes Merkmal teleologisch zu ergänzen ist. In dieser Sichtweise ist die Bestätigung des Sanierungsvergleichs auch zu versagen, wenn die berechtigten Interessen der nicht einbezogenen Gläubiger, die gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2 StaRUG ebenfalls bekannt sind, offenkundig zurückgesetzt worden sind. Die gesetzlich ausdrücklich geregelten Versagungsgründe in § 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG 147 sind in der Formulierung unbestimmt und für die Rechtsanwender schwer zu berechnen. Zu Lasten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hat der Gesetzgeber in beachtlichem Maße offene Formulierungen gewählt, die im Einzelfall durch das Restrukturierungsgericht konkretisiert werden müssen. Bezogen auf das gesetzgeberische Regelungsziel für die §§ 94 – 100 StaRUG, ein möglichst einfaches, kostengünstiges und leichtgängiges Verfahren unterhalb der Schwelle des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zu etablieren, überrascht die Tatbestandsgestaltung in § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 StaRUG, weil die nicht unerhebliche Rechtsunklarheit den Planungs- und Beratungsbedarf und damit die operativen Transaktionskosten erhöhen könnte. Die erste Variante in § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG führt zur Versagung, wenn das 148 schuldnerseitig erstellte Sanierungskonzept nicht schlüssig ist. Der Begriff der Schlüssigkeit ist durch den Gesetzgeber nicht näher ausgeformt worden. Auch in den Materialien

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4. Teil Sanierungsmoderation

finden sich kaum verwendbare Hinweise, die i. R. einer historischen Gesetzesinterpretation herangezogen werden könnten. In der Fachliteratur wird vorgeschlagen, die Schlüssigkeit abzusprechen, sofern das Sanierungskonzept offensichtlich rechtlich fehlerhaft ist, also auf juristischen Fehlbeurteilungen beruht, oder in sich widersprüchlich ist.94) Hierbei sei Evidenz maßgebend, d. h. die Fehlerhaftigkeit sei durch das Restrukturierungsgericht nur zu berücksichtigen, sofern sie offensichtlich sei.95) 149 Ein anderer Ansatz könnte dagegen bei § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1 StaRUG sein, den Begriff der Schlüssigkeit ähnlich zu interpretieren, wie er i. R. der Anwendung von § 331 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO beim Versäumnisurteil Verwendung findet. Man würde insoweit die vom Schuldner im Sanierungskonzept vorgetragenen Tatsachen als richtig unterstellen, deren Kausalität im Schuldnerinteresse vermuten und anhand der immanenten Logik der Sanierungsplanung des Schuldners danach fragen, ob die abgeleiteten Effekte nachvollziehbar dargestellt sind. Da es sich – anders als i. R. der Klagebeurteilung gemäß § 331 Abs. 2 ZPO – um eine Prognosebeurteilung handelt, müsste i. R. eines derartigen Begriffsverständnisses wohl gefragt werden, ob die im Sanierungskonzept gezeigten (unterstellten) Effekte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (mehr als 50 % Eintrittswahrscheinlichkeit) begründet werden können. Liegen die Eintrittswahrscheinlichkeiten höher als 50 % sind überwiegende Erfolgsaussichten anzunehmen und damit ist die Sanierungskonzeption als schlüssig zu behandeln. Letztlich wird sich die Gerichtspraxis aller Wahrscheinlichkeit nach an den Anforderungen von IDW S 6 orientieren und das Sanierungskonzept zunächst im Hinblick auf die formelle Gestaltung und Gliederung prüfen und sodann die Plausibilität anhand der gezeigten Maßgaben verproben. 150 Die zweite Variante in § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG führt zur Versagung, wenn das schuldnerseitig erstellte Sanierungskonzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, mithin ihm falsche Tatsachen (Daten, Fakten) zugrunde gelegt werden. Anders als bei Variante 1 geht es nicht um die Beurteilung der im Sanierungskonzept gezeigten Verknüpfungen und (wirtschaftlichen) Prognosen. Sondern in der Variante 2 wird die Bestätigung versagt, wenn die objektive Tatsachen- und Faktengrundlage unvollständig, ungenau oder schlichtweg falsch ist. Auch hier stellt sich die Frage nach dem gerichtlichen Prüfungsumfang und der Prüfungsdichte. Welches Maß an Ermittlungen soll das Restrukturierungsgericht im Einzelfall anstellen, um zu verproben, ob die tatsächlichen Gegebenheiten verfehlt worden sind? Wie soll die Ermittlungs- und Beurteilungsarbeit des Richters nach Art und Inhalt beschrieben werden? 151 Die Literatur stellt auch im Hinblick auf diese zweite Variante in § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG darauf ab, ob die Fehler für das Restrukturierungsgericht offensichtlich sind.96) Eine weitergehende und ggf. umfangreiche Prüfung der dem Sanierungsvergleich zugrundeliegenden Tatsachen sei nicht erforderlich. Dies ergebe sich bereits aus dem systematischen Zusammenhang in § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG, weil insoweit keine unterschiedlichen Maßstäbe angelegt werden dürften.97) Darüber hinaus sollen der Sinn und Zweck der Sanierungsmoderation bzw. die mit dem Verfahren verbundene Erwartung des Gesetzgebers einer detailreichen Untersuchung der Faktenlage entgegenstehen, weil der Gesetzgeber ein möglichst einfach gelagertes und leichtgängiges und kostensparendes Verfahren gewollt hat. Eine intensive Beweiserhebung durch das Restrukturierungsgericht würde diesem Gesetzesziel entgegenstehen. ___________ 94) 95) 96) 97)

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Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 18. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 18. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 19. Swierczok/Schubert in: Flöther, StaRUG, § 97 Rz. 19.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

Die gerichtliche Bestätigung des Sanierungsvergleichs ist schließlich zu versagen, wenn 152 das dem Vergleich zugrunde liegende Sanierungskonzept keine vernünftige Aussicht auf Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG). Auch in dieser Versagungsvariante stützt sich der Gesetzgeber auf ein unbestimmtes Tatbestandsmerkmal in Gestalt der „vernünftigen Aussicht“ und nimmt damit ein weiteres Mal Rechtsunsicherheit in Kauf. Der Gesetzgeber muss sich die Frage entgegenhalten lassen, warum er nicht anstelle von vernünftiger Aussicht die Formulierung „offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg“ gewählt hat, denn faktisch wird die Interpretation von § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG in diese Richtung erfolgen, auch um einen Gleichlauf mit § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG zu erreichen. Hier hätte eine inhaltliche und sprachliche Anlehnung an § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO sicher geholfen. Auch die Regelungssituation ist ähnlich, so dass eine Analogiebildung nicht von vornherein abwegig erscheint. Offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg meint, dass nicht umgekehrt die Erfolgsaussichten positiv bejaht werden müssen. Vielmehr ist i. R. einer gerichtlichen Evidenzkontrolle zu evaluieren, ob auf der Hand liegende Umstände (Tatsachen und Rechtsbeurteilungen) einer Umsetzbarkeit des Sanierungskonzeptes erkennbar entgegenstehen. Inhaltliche Überschneidungen mit § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1 StaRUG (Schlüssigkeit des Sanierungskonzeptes) sind möglich. 8.

Stellungnahme durch den Sanierungsmoderator (§ 97 Abs. 2 StaRUG)

Es gehört zu den verfahrensrechtlichen Amtspflichten des Sanierungsmoderators, zu den 153 Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG schriftlich Stellung zu nehmen (§ 97 Abs. 2 StaRUG). Der als sach- und fachkundig bestellte Sanierungsmoderator muss sich hierzu mit der 154 Schlüssigkeit des Sanierungskonzeptes und dessen Erfolgsaussichten auseinandersetzen und seine eventuellen Bedenken verschriftlichen. Sollte er aus dem Gang des Verfahrens heraus (auf Grundlage seiner Vermittlungsarbeiten i. S. des § 96 Abs. 1 StaRUG) Erkenntnisse über mögliche Hinderungsgründe und Blockaden geschöpft haben, sind diese Erkenntnisse i. R. der Stellungnahme dem Restrukturierungsgericht zu unterbreiten. Umgekehrt sind Einschätzungen, die für eine erfolgreiche Umsetzung des Sanierungsvergleichs (und des Sanierungskonzeptes) sprechen, ebenfalls mitzuteilen. Idealerweise geht die Stellungnahme bereits mit dem Antrag des Schuldners auf Bestä- 155 tigung des Sanierungsvergleichs beim Restrukturierungsgericht ein. Ist sie dem Antrag noch nicht beigefügt, leitet das Restrukturierungsgericht den Schuldnerantrag inklusive sämtlicher beigefügten Unterlagen dem Sanierungsmoderator mit der Bitte um Stellungnahme zu. Eine gesetzliche Frist ist nicht geregelt, was wiederum zu Rechtsunsicherheit führen kann. Hier hätte sich der Gesetzgeber an § 232 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 InsO orientieren können. VI.

Vergütung des Sanierungsmoderators (§ 98 StaRUG)

Der Sanierungsmoderator hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§ 98 Abs. 1 156 Satz 1 StaRUG). Sie bemisst sich nach dem Zeit- und Sachaufwand der mit der Sanierungsmoderation verbundenen Aufgaben (§ 98 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Das Gesetz verweist in § 98 Abs. 2 StaRUG auf die §§ 80 – 83 StaRUG und erklärt diese für entsprechend anwendbar. Der Sanierungsmoderator ist demnach auf der Grundlage der von ihm tatsächlich aufge- 157 brachten Arbeitszeit zu vergüten. Diese Zeit muss durch den Sanierungsmoderator erfasst und dem Vergütungsantrag zugrunde gelegt werden.

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4. Teil Sanierungsmoderation

158 Es ist ein Stundensatz für die Tätigkeit des Sanierungsmoderators festzulegen. Hierfür ist dem Verweis in § 98 Abs. 2 StaRUG auf § 81 StaRUG zu folgen. Danach sind regelmäßig Stundensätze für den Sanierungsmoderator von 350 € aus der Sicht des Gesetzgebers angemessen (§ 81 Abs. 3 Satz 2 StaRUG).98) Gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 StaRUG sind aber Faktoren wie Unternehmensgröße, Art und Umfang der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und Qualifikation des Sanierungsmoderators angemessen zu berücksichtigen. Soweit die ausdrücklich geäußerte Zielvorstellung des Gesetzgebers, auch Kleinstunternehmen und kleinere Unternehmen in den Anwendungsbereich der §§ 94 – 100 StaRUG einzubeziehen, in der Rechts- und Wirtschaftspraxis realisiert werden sollte, wird das Restrukturierungsgericht von dem gesetzlich akzeptierten Regelsatz von 350 € sicher abweichen und den Betrag nach unten korrigieren, um das Verfahren nicht mit hohen Verwaltungsausgaben zu überfrachten. Was auf den ersten Blick nachvollziehbar erscheint, wirft sogleich die Frage auf, ob es in den angesprochenen Konstellationen überhaupt gelingen wird, die vom Gesetz erwünschten – fachlich und persönlich geeigneten – Personen mit Mehrfachqualifikation für die Sanierungsmoderation zu gewinnen. 159 Soweit der Sanierungsmoderator zu seiner Unterstützung qualifizierte Mitarbeiter einsetzt, erhält er auch für deren Tätigkeit ein Honorar auf der Grundlage angemessener Stundensätze (§§ 98 Abs. 2, 81 Abs. 2 StaRUG). Der Stundensatz für qualifizierte Mitarbeiter beträgt bis zu 200 €.99) 160 Zutreffend wird in der Literatur ausgeführt, dass eine abweichende Vergütungsberechnung auf der Grundlage von §§ 98 Abs. 2, 83 Abs. 1 Satz 2 mit Satz 1 Nr. 3 StaRUG nicht in Betracht kommt, da die spezifischen Aufgaben des Sanierungsmoderators nach § 96 Abs. 1 StaRUG (vermitteln, moderieren, beraten) nicht mit der Betreuung eines Gesamtvermögens vergleichbar sind und insofern die ratio legis von § 83 Abs. 1 Satz 2 mit Satz 1 Nr. 3 StaRUG einer Anwendung entgegensteht.100) 161 Die Verweisung in § 98 Abs. 2 StaRUG auf die §§ 80 – 83 StaRUG hat weitreichende Konsequenzen für das Verfahren der Sanierungsmoderation. Anzuwenden ist § 81 Abs. 1 StaRUG, wonach das Restrukturierungsgericht bereits mit der Bestellung des Sanierungsmoderators (§ 95 Abs. 1 StaRUG) die Stundensätze festzusetzen hat. Zugleich setzt es gemäß § 81 Abs. 4 Satz 2 StaRUG einen Vergütungshöchstbetrag fest, der auf Grundlage des voraussichtlichen Aufwands und unter Berücksichtigung der beruflichen Qualifikation des Sanierungsmoderators und seiner qualifizierten Mitarbeiter zu bestimmen ist.101) Es dürfte für das Restrukturierungsgericht ex ante sehr schwer sein, die angemessenen Umstände (insbesondere den voraussichtlich erforderlichen Stundenumfang) im Bestellungsbeschluss sachgerecht festzustellen. Man wird mit Anpassungen prinzipiell rechnen müssen. Soweit aus der Sicht des Sanierungsmoderators Anpassungen notwendig sind, muss der Sanierungsmoderator dem Restrukturierungsgericht Grund und Umfang des Erhöhungsbedarfs unverzüglich darlegen (§ 81 Abs. 6 Satz 1 StaRUG). Das Restrukturierungsgericht entscheidet nach Anhörung des Auslagenschuldners unverzüglich über eine Anpassung des Budgets (§ 81 Abs. 6 Satz 2 StaRUG). Gegen die gerichtliche Festsetzung des Stundensatzes nach § 81 Abs. 4 StaRUG und gegen die Festsetzung oder Anpassung des Höchstbetrages gemäß § 81 Abs. 4 und Abs. 6 StaRUG steht dem Auslagenschuldner und dem Sanierungsmoderator die sofortige Beschwerde zu (§§ 98 Abs. 2, 82 Abs. 3 StaRUG). ___________ 98) 99) 100) 101)

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Vgl. hierzu auch Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, Teil A, § 10 Rz. 76. Vgl. hierzu Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, Teil A, § 10 Rz. 76. Zutreffend Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, Teil A, § 10 Rz. 76. Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, Teil A, § 10 Rz. 77.

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Vermittlung einer Restrukturierungslösung

§ 15

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß §§ 98 Abs. 2, 82 Abs. 1 StaRUG auf An- 162 trag des Sanierungsmoderators nach Beendigung des Amtes. Allerdings kann in besonderen Konstellationen auf Antrag des Sanierungsmoderators ein angemessener Vorschuss bewilligt werden (§§ 98 Abs. 2, 82 Abs. 4 StaRUG). VII. Übergang in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (§ 100 StaRUG) Praktisch ist die Situation denkbar, dass das bereits eingeleitete Verfahren der Sanierungs- 163 moderation als nicht hinreichend, nicht durchschlagend genug erkannt wird. Hieraus kann die Notwendigkeit erwachsen, Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch zu nehmen (§ 29 Abs. 2 StaRUG). Soweit dies geschieht, stellt sich die Frage, wie sich das laufende Verfahren der Sanierungsmoderation zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens verhält. § 100 Abs. 1 StaRUG legt klarstellend fest, dass der Sanierungsmoderator einstweilen im 164 Amt verbleibt, bis der Bestellungszeitraum abläuft oder der Sanierungsmoderator nach § 99 StaRUG abberufen wird (insbesondere nach § 99 Abs. 1 StaRUG auf Antrag des Schuldners oder auf eigenen Antrag) oder bis vom Gericht ein Restrukturierungsbeauftragter (§§ 73 ff. StaRUG) bestellt wird. Hierbei gibt § 100 Abs. 2 StaRUG die Möglichkeit, dass der Sanierungsmoderator zum 165 Restrukturierungsbeauftragten bestellt werden kann. Die Entscheidung hierüber obliegt dem Restrukturierungsgericht i. R. einer Ermessensausübung. Es sind die Anforderungskriterien des § 74 Abs. 1 StaRUG zu prüfen. Regelmäßig werden die Personen, die i. S. von § 74 Abs. 1 StaRUG geeignet sind, auch i. S. von § 95 Abs. 1 StaRUG geeignet sein; umgekehrt ist das nicht zwingend anzunehmen, aber in der Praxis wahrscheinlich. Auch ist zu beachten, dass i. R. der Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten Vorschläge gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 StaRUG zu berücksichtigen sind, während bei der Auswahl und Bestellung des Sanierungsmoderators solche Vorschläge grundsätzlich unstatthaft sind. Prinzipiell ist darauf hinzuweisen, dass die Verfahren nach dem StaRUG darauf ausgelegt 166 sind, möglichst effektiv, möglichst geräuscharm, möglichst kostengünstig und möglichst konsensual abzulaufen. Insoweit dürfte die ratio legis grundsätzlich dafürsprechen, zur Vermeidung von Zeitverlusten und zur Kostenersparnis einen Wechsel aus der Position des Sanierungsmoderators in die Position des Restrukturierungsbeauftragten zu beschließen.

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5. Teil Stabilisierungsanordnung § 16 Moratorium Prütting

I. 1. 2. 3. 4. II. 1. 2. 3. 4. 5.

Übersicht ..................................................... 1 Regelungsgegenstand................................... 1 Normzweck.................................................. 3 Umsetzung der EU-Richtlinie .................... 4 Verfahrensablauf .......................................... 5 Auslösetatbestand und Antrag.................. 7 Die drohende Zahlungsunfähigkeit ............ 7 Vorgelagerte Maßnahmen ......................... 10 Antrag......................................................... 11 Inhalt des Antrags...................................... 13 Die dem Antrag beizufügenden Anlagen....................................................... 17 5.1 Entwurf eines Restrukturierungsplans ....... 18 5.2 Finanzplan ..................................... 19 5.3 Erforderliche Erklärungen ............ 20 III. Vollstreckungssperre................................ 22 1. Betroffene Gläubiger ................................. 23 2. Rechtliche Wirkungen ............................... 25 3. Anordnungsdauer ...................................... 27 4. Die Zahlungsunfähigkeit ........................... 28 IV. Verwertungssperre.................................... 31 1. Betroffene Sicherheiten ............................. 32 2. Betroffene Gläubiger ................................. 34 3. Inhalt der Anordnung................................ 35 4. Dauer der Anordnung ............................... 38 5. Die Möglichkeit der Aufrechnung............ 39 V. Materielle Rechtsfolgen der Stabilisierungsanordnung ................. 40 1. Grundsatz................................................... 40 2. Rückstand des Schuldners (§ 55 Abs. 1 StaRUG) ............................... 42 2.1 Rücktritt ........................................ 43 2.2 Verzug............................................ 44 2.3 Ergebnis ......................................... 45

2.4 2.5

Verzugszinsen ............................... 46 Teilweise noch offene Leistungspflicht............................. 47 3. Vorleistungspflicht des Gläubigers (§ 55 Abs. 3 StaRUG) ............................... 48 4. Darlehen und andere Kreditzusagen......... 49 5. Zinsen und Wertausgleich (§ 54 StaRUG) ........................................... 50 6. Finanzsicherheiten und Zahlungssysteme........................................ 54 VI. Rechtsbehelfe sowie Aufhebung und Beendigung der Stabilisierungsanordnung ................................................. 55 1. Übersicht.................................................... 55 2. Antrag des Schuldners (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) ..................... 56 3. Antrag eines Gläubigers (§ 59 Abs. 2 StaRUG) .............................. 57 4. Gerichtliche Aufhebung von Amts wegen (§ 59 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 StaRUG)..................................................... 59 4.1 Verlust der Wirkungen der Anzeige.................................... 60 4.2 Aufhebung ..................................... 62 4.3 Nichteinreichung des Restrukturierungsplanentwurfs................. 63 4.4 Schuldner nicht bereit und in der Lage, die Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten ............... 64 5. Absehen von einer Aufhebung (§ 59 Abs. 3 StaRUG) ............................... 66 6. Beendigung (§ 59 Abs. 4 StaRUG)........... 68 VII. Bewertung................................................. 69

Literatur: Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Bork, Präventive Restrukturierungsrahmen: „Komödie der Irrungen“ oder „Ende gut, alles gut“?, ZIP 2017, 1441; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG, ZInsO 2021, 1; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes nach dem Regierungsentwurf aus Gläubigersicht, ZInsO 2020, 2617; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf des StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Geiwitz/Heidenfelder, Aussetzung einzelner Vollstreckungshandlungen – Stillstand und Vollstreckungsschutz, NZI Beilage z. Heft 5/2017, S. 22; Hofmann, Vertragsbeendigung nach §§ 49 ff. StaRUG-E – praktisches Sanierungstool oder untaugliches Ungetüm?, NZI 2020, 871; Müller, Die Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, ZIP 2020, 2253; Riewe, Die Macht des Moratoriums, NZI Beilage z. Heft 16–17/2019, S. 42; Riggert, Allgemeine Grundsätze der Stabilisierung nach dem StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 14; Ringelspacher/Heidenfelder,

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§ 16

Moratorium

Sanierungsmoderation, ZRI 2021, 527; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Skauradszun, Unterbricht die Aussetzung im präventiven Restrukturierungsrahmen auch anhängige Erkenntnisverfahren?, ZRI 2020, 404; Skauradszun, Ein Umsetzungskonzept für den präventiven Restrukturierungsrahmen, KTS 2019, 161; Smid, Verwertungssperren nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, ZInsO 2021, 198; Thole, Stabilisierung und vertragsrechtliche Wirkungen des StaRUG, ZRI 2021, 231; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Thole, Der Richtlinienvorschlag zum präventiven Restrukturierungsrahmen, ZIP 2017, 101; Tilgner, Grundrechtliche Fallstricke im StaRUG, NZI 2022, 761.

I.

Übersicht

1.

Regelungsgegenstand

Der Gesetzgeber spricht im gesamten StaRUG1) nicht von einem Moratorium. Er regelt in 1 Teil 2, im vierten Abschnitt des 2. Kapitels (Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente) also in den §§ 49 – 59 StaRUG, die „Stabilisierung“. Er knüpft damit an vorläufige Maßnahmen vor Insolvenzeröffnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 und 5 InsO und an das Schutzschirmverfahren i. R. der Eigenverwaltung gemäß § 270d InsO an. Die Stabilisierung gehört zu den vier Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, die dem Schuldner in § 29 Abs. 2 StaRUG angeboten werden (vgl. § 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG). Der Gesetzgeber hat für den außergerichtlichen Sanierungsprozess einen modularen Verfahrensrahmen geschaffen.2) Die angebotenen Instrumente sind Teil eines Werkzeugkastenprinzips, der Flexibilität und einzelfallorientierte Lösungen ermöglicht.3) Es war das erklärte Ziel des Gesetzgebers, den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und seine einzelnen Instrumente nicht als ein in sich geschlossenes und integriertes Verfahren auszugestalten.4) Vielmehr können die einzelnen Instrumente ohne eine formelle Verfahrenseröffnung und grundsätzlich unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden. Der Gesetzgeber hat im StaRUG den Begriff des Moratoriums vermieden und von einer 2 Stabilisierungsanordnung gesprochen. Der Begriff „Moratorium“ wird sprachlich nicht immer vollkommen einheitlich verwendet. Teilweise wird unter einem Moratorium ein vertraglich vereinbarter oder hoheitlich angeordneter Aufschub der Erfüllung fälliger Verbindlichkeiten mit rein verfahrensrechtlicher Bedeutung verstanden. Teilweise wird ein Moratorium ganz umfassend als Stillstand des materiellen Bestands und der verfahrensmäßigen Durchsetzung i. S. einer Vollstreckungssperre gekennzeichnet.5) Insbesondere im zwischenstaatlichen Bereich wird weit über eine Vollstreckungssperre hinaus von einem SchuldenMoratorium gesprochen, wenn verschuldete Staaten von ihren Gläubigern in jeder rechtlichen Hinsicht eine Atempause eingeräumt erhalten. Diese terminologischen Überlegungen zeigen, dass der Gesetzgeber gut beraten war, den Begriff des Moratoriums zu vermeiden und stattdessen die möglichen Inhalte einer Stabilisierung in den §§ 29 Abs. 2 Nr. 3, 49 Abs. 1 StaRUG im Einzelnen zu benennen und zu präzisieren. 2.

Normzweck

Mit der vom Schuldner erwirkten Stabilisierungsanordnung soll verhindert werden, dass der 3 Versuch einer Restrukturierung daran scheitert, dass einzelne Gläubiger ihre Forderungen ohne Rücksicht auf eine im Interesse aller Beteiligten liegende Sanierung einseitig durch___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 89. 3) Bork, ZRI 2021, 345, 346. 4) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130. 5) So etwa Thole, ZRI 2021, 231, 232.

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5. Teil Stablilisierungsanordnung

setzen.6) Die im Hinblick auf den Versuch einer Restrukturierung erforderliche Liquidität des Schuldners kann durch eine Stabilisierungsanordnung für einen gewissen Zeitraum gesichert werden.7) Umgekehrt wären Möglichkeiten einer individuellen Rechtsdurchsetzung geeignet, sich negativ und nachteilig auf die Bereitschaft anderer Gläubiger auszuwirken, die geplante Restrukturierung durch einen Sanierungsbeitrag zu unterstützen.8) 3.

Umsetzung der EU-Richtlinie

4 Mit der Stabilisierung als Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens wird Art. 6 der Restrukturierungsrichtlinie9) in das nationale Recht umgesetzt. Die in dem Regelungsbereich der Stabilisierung zusammengefassten Instrumente waren bereits in Art. 6 und Art. 7 des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission von 2016 vorgesehen.10) Schon damals war ein Vollstreckungsstopp und ein Moratorium vorgesehen. Bereits aus den allgemeinen Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie in Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 ergeben sich die Grundgedanken für einen präventiven Restrukturierungsrahmen, dessen wichtiger Teilschritt die Stabilisierung ist.11) 4.

Verfahrensablauf

5 Die gesetzliche Regelung der Stabilisierung im vierten Abschnitt (§§ 49 – 59 StaRUG) ist nicht als ein streng formalisierter Verfahrensablauf geplant und vorgesehen, sondern folgt dem Grundgedanken des modularen Verfahrensrahmens, wie er sich aus § 29 Abs. 2 und 3 StaRUG entnehmen lässt. Zu Recht wird aber darauf hingewiesen, dass der außergerichtliche Sanierungsprozess des StaRUG dennoch einem gewissen Verfahren unterliegt, in das die Stabilisierung eingebettet ist.12) Dieser Verfahrensablauf ist geprägt durch die Anzeige (§ 31 Abs. 1 StaRUG) beim zuständigen Restrukturierungsgericht (§ 34 StaRUG). Damit wird die Restrukturierungssache rechtshängig (§ 31 Abs. 3 StaRUG) und die Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO ruht (§ 42 Abs. 1 StaRUG). Im Rahmen dieser Restrukturierungssache kann der Schuldner beantragen, dass das Restrukturierungsgericht eine Stabilisierungsanordnung trifft (§§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 StaRUG). Als Inhalt der Anordnung kommt eine Vollstreckungssperre (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) oder eine Verwertungssperre (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) in Betracht. 6 Weiterhin enthält der vierte Abschnitt die näheren Voraussetzungen für den Antrag des Schuldners (§ 50 StaRUG) sowie die Voraussetzungen für den Erlass der Stabilisierungsanordnung (§ 51 StaRUG). § 52 StaRUG enthält die Möglichkeit einer personellen, inhalt___________ 6) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 154; zum Normzweck vgl. Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617; Desch, BB 2020, 2498; Geiwitz/Meidenfelder, NZI Beilage z. Heft 5/2017, S. 22; Riewe, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 42. Verfassungsrechtliche Bedenken macht Tilgner, NZI 2022, 761, 762, geltend. 7) Riggert in: Braun, StaRUG, Vor § 49 Rz. 4. 8) Begr. RefE SanInsFoG z. StaRUG, v. 18.9.2020, S. 169, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 14.2.2023). 9) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 10) Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU, v. 22.11.2016, COM(2016) 723 final [2016/0359 (COD)], abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016PC0723&from=RO (Abrufdatum: 14.2.2023). 11) Näher zur Umsetzung der EU-Richtlinie vgl. Müller, ZIP 2020, 2253. 12) Bork, ZRI 2021, 345, 346; Skauradszun, KTS 2021, 1, 31 ff.; Skauradszun, ZRI 2022, 404.

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§ 16

Moratorium

lichen oder zeitlichen Ausdehnung der Anordnung (sog. Folgeanordnung) sowie die Möglichkeit einer Neuanordnung. Der zeitliche Umfang der Anordnungsdauer ist in § 53 StaRUG geregelt. Die verschiedenen Rechtsfolgen sind anschließend in den §§ 54 – 56 StaRUG sowie für einen Insolvenzantrag in § 58 StaRUG niedergelegt. Einen Sonderfall der Haftung des Geschäftsleiters des Schuldners, der vorsätzlich oder fahrlässig durch unrichtige Angaben eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, enthält § 57 StaRUG. Abschließend regelt § 59 StaRUG die Aufhebung und Beendigung der Stabilisierungsanordnung. II.

Auslösetatbestand und Antrag

1.

Die drohende Zahlungsunfähigkeit

Als Auslösetatbestand für die vier Instrumente des Stabilisierungsrahmens nennt § 29 Abs. 1 7 StaRUG die drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 Abs. 2 InsO. Speziell für die Stabilisierungsanordnung des § 49 StaRUG wiederholt § 51 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG die Voraussetzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Die Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit des § 18 Abs. 2 InsO ist von zentraler Bedeutung. Die Restrukturierungsrichtlinie hatte in Art. 4 Abs. 1 als Auslösetatbestand den Begriff einer „wahrscheinlichen Insolvenz“ genannt, was zu großen Unsicherheiten bei der näheren Begriffsbestimmung hätte führen können.13) Die Konkretisierung der drohenden Zahlungsunfähigkeit durch § 18 Abs. 2 InsO ist daher für das deutsche Recht sehr hilfreich. Dass beim Erreichen der Schwelle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auch bereits ein förmliches Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, steht dem nicht im Wege. Vielmehr gilt es zu bedenken, dass mögliche Zwangseingriffe in Gläubigerrechte durch eine Stabilisierungsanordnung nur zu rechtfertigen sind, wenn man die bestehenden Gläubigerpositionen wegen der Krise des Schuldners als nicht mehr vollwertig bewertet.14) Die gesetzgeberische Entscheidung für die drohende Zahlungsunfähigkeit ist daher sachgerecht.15) Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist im deutschen Recht in § 17 Abs. 2 InsO näher be- 8 stimmt.16) Darauf nimmt § 18 Abs. 2 InsO Bezug, verändert dabei aber den Prognosezeitraum („voraussichtlich nicht in der Lage sein wird“). Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber durch das SanInsFoG17) in Art. 5 m. W. z. 1.1.2021 dem § 18 Abs. 2 InsO einen neuen Satz 2 angefügt hat, der den früher sehr umstrittenen Prognosezeitraum nunmehr näher konkretisiert. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen. Dieser Zeitraum wird ab dem Tag der vom Restrukturierungsgericht angesetzten mündlichen Verhandlung berechnet.18) Da es sich bei der Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen einer vorläufigen Zahlungs- 9 unfähigkeit um eine Prognose handelt, muss der Schuldner das Gericht davon überzeugen, dass die Prognose mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintritt.19) Die bloße Behauptung des Schuldners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit reicht nicht aus. Grundlage der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist dabei § 38 StaRUG i. V. m. § 286 Abs. 1 ZPO. Danach muss sich das Restrukturierungsgericht von Amts wegen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) eine sichere Überzeugung davon bilden, dass die vom Schuldner behauptete ___________ Vgl. Bork, ZIP 2017, 1441, 1444; Skauradszun, KTS 2019, 161, 165; Thole, ZIP 2017, 101, 102. So auch Bork, ZRI 2021, 345, 348. Bork, ZRI 2021, 345, 348; Thole, ZIP 2020, 1985, 1990. Steffek in: KPB, InsO, § 17 Rz. 18 ff.; Eilenberger in: MünchKomm-InsO, § 17 Rz. 6 ff.; Müller in: Jaeger, InsO, § 17 Rz. 13 ff.; Bremen in: Graf-Schlicker, InsO, § 17 Rz. 4 ff. 17) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 18) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433 m. Anm. Thole. 19) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433 m. Anm. Thole. 13) 14) 15) 16)

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§ 16

5. Teil Stablilisierungsanordnung

Prognose mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintritt. Es gilt also das Regelbeweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO, das nur durch das Prognoseelement abgeschwächt ist.20) 2.

Vorgelagerte Maßnahmen

10 Der Gesetzgeber hat nur die vier Instrumente des Stabilisierungsrahmens gemäß § 29 Abs. 2 StaRUG unter die zwingende Voraussetzung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gestellt. Weitere mögliche Hilfen zur Durchführung eines Restrukturierungsrahmens unterliegen diesem Auslösetatbestand nicht. So kann insbesondere die neu geschaffene Sanierungsmoderation (§§ 94 – 100 StaRUG) bereits vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit in die Wege geleitet werden.21) Gleiches gilt für alle Arten außergerichtlicher Vertragsverhandlungen, die in einen Sanierungsvergleich oder andere Sanierungshilfen münden.22) Auch die Bestellung eines fakultativen Restrukturierungsbeauftragten (§ 77 StaRUG) durch das Restrukturierungsgericht auf Antrag ist nicht von einer drohenden Insolvenz abhängig. 3.

Antrag

11 Will der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung gemäß § 49 Abs. 1 StaRUG erreichen, so muss er einen Antrag gemäß § 50 StaRUG stellen. Ein solcher Antrag ist gemäß § 38 Satz 1 StaRUG den Regeln der ZPO unterworfen. Der Antrag ist zwingend und kann nur vom Schuldner gestellt werden. Eine Stabilisierungsanordnung von Amts wegen ist nicht möglich. Es gilt also die Dispositionsmaxime. 12 Der Antrag des Schuldners muss schriftlich (§§ 253 Abs. 5, 496 ZPO) oder als elektronisches Dokument (§ 130a ZPO) beim Restrukturierungsgericht, also dem zuständigen Amtsgericht (§ 34 StaRUG) eingereicht werden. Auch eine mündliche Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist nach § 496 ZPO zulässig. Der Antrag muss zunächst erklären, welche Stabilisierungsanordnung vom Schuldner erstrebt wird, eine Vollstreckungssperre, eine Verwertungssperre oder beides. Es ist also ein bestimmter Antrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlich. 4.

Inhalt des Antrags

13 Im Einzelnen muss der Antrag den genauen Inhalt der Stabilisierungsanordnung, den Adressatenkreis sowie die Dauer der Anordnung bezeichnen (§ 50 Abs. 1 StaRUG). Zum Inhalt der Vollstreckungssperre muss der jeweilige Vollstreckungstitel konkretisiert und nachgewiesen werden. Liegt ein Vollstreckungstitel noch nicht vor, so kommt ein Antrag auf Vollstreckungssperre in Betracht, wenn der Schuldner die konkrete Forderung, aus der eine Vollstreckung droht, glaubhaft machen kann.23) Zum Inhalt der Verwertungssperre muss der Schuldner das jeweilige Sicherungsrecht an Gegenständen des beweglichen Vermögens konkret darlegen, ferner muss er darlegen, dass sich aus dem genau bezeichneten Sicherungsrecht im Falle der Insolvenzeröffnung ein Recht auf Aussonderung oder Absonderung ergeben würde und dass der betroffene Gegenstand für die Unternehmensfortführung von erheblicher Bedeutung ist. 14 Als Adressatenkreis muss jeder einzelne Gläubiger mit zustellungsfähiger Anschrift benannt werden, gegen den sich die Anordnung richten soll. Adressaten können einzelne Gläubiger oder mehrere Gläubiger oder auch alle Gläubiger sein (§ 49 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). ___________ 20) 21) 22) 23)

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Im Einzelnen dazu Prütting in: MünchKomm-ZPO, § 286 Rz. 47. Dazu im Einzelnen Ringelspacher/Heidenfelder, ZRI 2021, 527. Zum außergerichtlichen Vergleich s. Prütting in: MünchKomm-ZPO, § 278 Rz. 54, 64 ff. Riggert in: Braun, StaRUG, § 50 Rz. 3; Boss/Luttmann in: Morgen, StaRUG, § 50 Rz. 9.

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§ 16

Moratorium

Allen als Adressaten bezeichneten Gläubigern ist die Stabilisierungsanordnung zuzustellen (§ 51 Abs. 4 StaRUG). Genau zu bezeichnen ist schließlich die Anordnungsdauer, die gemäß § 53 Abs. 1 StaRUG 15 höchstens drei Monate betragen darf. Eine Mindestdauer ist im Gesetz nicht benannt. Theoretisch kann also eine Anordnungsdauer von einem Tag bis zu drei Monaten beantragt werden. Gemäß § 53 Abs. 2 StaRUG kann die Höchstdauer der Anordnung für Folge- oder Neuanordnungen (§ 52 StaRUG) um einen Monat verlängert werden. Falls der Schuldner die gerichtliche Bestätigung des von den Planbetroffenen angenommenen Restrukturierungsplans beantragt hat, können Folge- oder Neuanordnungen bis maximal 8 Monate ab dem Erlass der Erstanordnung ergehen (§ 53 Abs. 3 StaRUG). Der Antrag des Schuldners wird nicht öffentlich bekannt gemacht (§ 84 Abs. 1 StaRUG). 16 Nur wenn der Schuldner dies beantragt, erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung. Der Inhalt der Stabilisierungsanordnung ist vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht. Das Restrukturierungsgericht prüft die Erforderlichkeit der beantragten Anordnung, um das Restrukturierungsziel zu verwirklichen (§ 51 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG). 5.

Die dem Antrag beizufügenden Anlagen

Gemäß § 50 Abs. 2 und Abs. 3 StaRUG muss der Schuldner seinem Antrag einen aktuali- 17 sierten Entwurf eines Restrukturierungsplans oder ein aktualisiertes Konzept für die Restrukturierung (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG), einen Finanzplan (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) sowie weitere Erklärungen beifügen (§ 50 Abs. 3 StaRUG). 5.1

Entwurf eines Restrukturierungsplans

Im Einzelnen knüpft der tagesaktuelle Entwurf eines Restrukturierungsplans an die Rege- 18 lungen der §§ 5 – 16 StaRUG an, die den genauen Rahmen des Entwurfs vorgeben. Das Gesetz verweist ausdrücklich auf § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG, in dem das Erfordernis des Entwurfs eines Restrukturierungsplans für die Anzeige des Vorhabens beim Restrukturierungsgericht festgelegt ist. Im Einzelnen muss es sich um eine Darstellung handeln, die Ausmaß und Ursachen der Krise, das Ziel der Restrukturierung sowie die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Restrukturierungsziels in Aussicht genommen werden. Dabei ist § 51 Abs. 1 StaRUG zu beachten, aus dem sich ergibt, dass die vorgelegte Planung vollständig und schlüssig sein muss. Die Anforderungen an einen Antrag für die Stabilisierungsanordnung sind daher deutlich höher als bei der bloßen Anzeige nach § 31 StaRUG. Soweit der Entwurf eines Restrukturierungsplans noch nicht vorliegt, muss jedenfalls ein tagesaktuelles Konzept für die Restrukturierung beigefügt werden, welches auf der Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Restrukturierung sowie die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Restrukturierungsziels in Aussicht genommen werden. 5.2

Finanzplan

Die Beifügung eines Finanzplans verlangt eine fundierte Darstellung der Finanzquellen, 19 durch welche die Fortführung des Unternehmens für einen Zeitraum von sechs Monaten sichergestellt werden soll. Der § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG ist weitgehend wortgleich dem neuen § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO nachgebildet, der die Voraussetzungen für den Antrag auf Eigenverwaltung enthält. Das Erfordernis der Vollständigkeit und Schlüssigkeit gemäß § 51 Abs. 1 StaRUG gilt auch für den Finanzplan. Das bedeutet, dass die jeweiligen Finanzquellen nicht nur zu behaupten und näher darzulegen sind, sondern dass auch die zugrunde liegenden Tatsachen darzulegen und zu belegen sind. Nur so lassen sich die möglichen schweren Eingriffe in Gläubigerrechte rechtfertigen. Ähnlich wie bei § 270a InsO sind die Prütting

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5. Teil Stablilisierungsanordnung

Kosten des Restrukturierungsverfahrens nach allgemeinen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen einzuschätzen und im Finanzplan zu benennen. Dabei sind insbesondere auch die Beraterkosten zu berücksichtigen. Auf der Aktivseite dürfen auch solche Mittelzuflüsse berücksichtigt werden, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind.24) 5.3

Erforderliche Erklärungen

20 Nach § 50 Abs. 3 StaRUG hat der Schuldner folgende Erklärungen abzugeben: 

Er muss erklären, ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber den Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet.



Er muss ferner erklären, ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach dem StaRUG oder nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 und 5 InsO angeordnet worden sind.



Schließlich muss er erklären, ob er für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre seinen Verpflichtungen aus den §§ 325 – 328, 339 HGB nachgekommen ist.

21 Diese Erklärungen sind für die Möglichkeit, eine Stabilisierungsanordnung zu erhalten, von wesentlicher Bedeutung (vgl. § 51 Abs. 2 StaRUG). III.

Vollstreckungssperre

22 Als Stabilisierungsanordnung kommt zunächst gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG auf Antrag des Schuldners eine Vollstreckungssperre in Betracht. Diese wird vom Restrukturierungsgericht angeordnet. 1.

Betroffene Gläubiger

23 Die Anordnung der Vollstreckungssperre kann sich je nach dem Antrag gegen einen einzelnen Gläubiger, gegen mehrere oder gegen alle Gläubiger richten (§ 49 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Ausgeschlossen sind Anordnungen gegen Gläubiger aus einem Rechtsverhältnis nach § 4 StaRUG, also Arbeitnehmer, Gläubiger von vorsätzlichen deliktischen Ansprüchen sowie Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder). Ist der Schuldner eine natürliche Person, die unternehmerisch tätig ist, so kommen nur die Gläubiger von Forderungen in Betracht, die mit dessen unternehmerischer Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Die Verweisung des § 49 Abs. 1 Satz 2 StaRUG auf § 4 StaRUG bedeutet also, dass der Antrag des Schuldners sich nur gegen potenziell planbetroffene Gläubiger richten kann. 24 Die vom schuldnerischen Antrag betroffenen Gläubiger werden vor Erlass der Anordnung nicht gehört25) und haben gegen die Anordnung keinen Rechtsbehelf (§ 40 Abs. 1 StaRUG). Für die betroffenen Gläubiger kommt ausschließlich ein Antrag auf Aufhebung der Stabilisierungsanordnung in Betracht (§ 59 Abs. 2 StaRUG). Auch der Antrag eines Gläubigers, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, ist für die Dauer der Anordnung ausgesetzt (§ 58 StaRUG).

___________ 24) Riggert in: Braun, StaRUG, § 50 Rz. 9; Schönfelder in: Flöther, StaRUG, § 50 Rz. 11 ff. 25) So auch Bork, ZRI 2021, 345, 359; Riggert in: Braun, StaRUG, § 49 Rz. 10; Riedemann in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 49 Rz. 33.

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§ 16

Moratorium 2.

Rechtliche Wirkungen

Die Anordnung einer Vollstreckungssperre zielt auf die Wirkungen des § 775 Nr. 1 und 25 Nr. 2 ZPO. Danach ist eine Zwangsvollstreckung einzustellen, wenn der Schuldner die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorlegt, aus der sich ergibt, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet wird. Bereits begrifflich beschränkt sich diese Wirkung ausschließlich auf Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Die Anordnung verbietet es dem Gläubiger nicht, eine Klage oder einen Mahnantrag zu erheben oder das Verfahren weiter zu betreiben. Die Wirkung der Anordnung tritt ex nunc ein. Ein bereits bestehendes Pfändungspfandrecht bleibt daher unberührt. Eine laufende Verjährungsfrist wird allerdings gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10a BGB (durch das SanInsFoG neu eingefügt) gehemmt.26) Soweit sich eine Vollstreckungsmaßnahme wegen einer Geldforderung in das unbeweg- 26 liche Vermögen richtet, ist der vom SanInsFoG neu geschaffene § 30g ZVG zu beachten. Danach ist die Zwangsvollstreckung gemäß Absatz 1 einstweilen einzustellen, soweit nicht die Einstellung dem betreibenden Gläubiger unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse unzumutbar ist. Nach § 30g Abs. 2 ZVG sind dem betreibenden Gläubiger aber laufend die geschuldeten Zinsen zu zahlen und ein durch die Nutzung entstehender Wertverlust auszugleichen. Dagegen gelten hier nicht die Zahlungspflichten des § 54 Abs. 1 StaRUG, der sich allein auf die Verwertungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG bezieht. 3.

Anordnungsdauer

Eine Vollstreckungssperre als Stabilisierungsanordnung kommt für die Dauer von bis zu 27 drei Monaten in Betracht (§ 53 Abs. 1 StaRUG). Dies stellt für eine Erstanordnung die zwingende Obergrenze dar. Falls der Restrukturierungsplan behebbare Mängel aufweist, kommt eine Anordnung von maximal 20 Tagen in Betracht.27) Eine Fristerweiterung kommt für Folge- und Neuanordnungen auf vier Monate in Betracht (§ 53 Abs. 2 StaRUG). Hat der Schuldner die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplan beantragt, bilden acht Monate die Höchstdauer (§ 53 Abs. 3 StaRUG). 4.

Die Zahlungsunfähigkeit

Auslösetatbestand für eine Stabilisierungsanordnung ist die drohende Zahlungsunfähigkeit 28 (siehe oben Rz. 7, 8). Das bedeutet zugleich, dass eine Insolvenzreife durch Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO noch nicht eingetreten ist. Für die rechtliche Bewertung einer Stabilisierungsanordnung ist es daher von besonderer Bedeutung, falls im Laufe der Anordnungsdauer die Zahlungsunfähigkeit eintritt. Dies ist möglich, weil trotz Vollstreckungssperre alle Forderungen der Gläubiger materiell bestehen bleiben. Diese Forderungen können während der Anordnungszeit fällig werden. Es kann Verzug eintreten. Es kann der Zeitraum einer Stundung enden oder eine andere dilatorische Einrede des Schuldners kann entfallen. Schließlich können trotz Stabilisierungsanordnung Ansprüche auf Zinsen oder Wertausgleich zur Zahlungsunfähigkeit führen (§ 54 Abs. 1 StaRUG, § 30g Abs. 2 ZVG). Sobald eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, muss das Restrukturierungsverfahren auf- 29 gehoben werden (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Das Verfahren wechselt dann nach dem jeweils erforderlichen Antrag in ein Insolvenzverfahren. Von dieser Entwicklung macht § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 3 StaRUG allerdings eine wichtige Ausnahme. Die Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens kann unterbleiben, wenn die Insolvenzreife aus der Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem vom Schuldner präsentierten Restrukturierungs___________ 26) Deppenkemper in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 204 Rz. 19a. 27) Zu dieser Frist AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, ZIP 2022, 915 = ZRI 2022, 234, dazu EWiR 2022, 437 (Ruhe-Schweigel).

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§ 16

5. Teil Stablilisierungsanordnung

konzept einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan unterworfen werden soll, was allerdings voraussetzt, dass das Erreichen des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist. 30 Nicht geregelt ist der Fall, ob sich der Rechtsgedanke des § 33 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 3 StaRUG auf die Situation anwenden lässt, dass bereits zum Zeitpunkt der Anzeige und des Stabilisierungsantrags eine Zahlungsunfähigkeit besteht.28) Eine solche erweiternde Auslegung des § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG ist abzulehnen. Die inhaltlichen Parallelen zwischen dem Stabilisierungsverfahren und der insolvenzrechtlichen Eigenverwaltung zeigen deutlich, dass eine Ausdehnung des Stabilisierungsbereichs über den Gesetzeswortlaut hinaus nicht in Betracht kommt. IV.

Verwertungssperre

31 Als Stabilisierungsanordnung kommt nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG auf Antrag des Schuldners eine Verwertungssperre in Betracht, sie wird vom Restrukturierungsgericht angeordnet. 1.

Betroffene Sicherheiten

32 Betroffen sind ausschließlich Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens. Es muss sich dabei um Rechtspositionen handeln, die im Falle einer Insolvenz als Absonderungs- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden können. Im Einzelnen betroffen sind daher als Absonderungsrechte 

alle Arten von Pfandrechten (rechtsgeschäftlich, gesetzlich und Pfändungspfandrecht) gemäß § 49 InsO,



Sicherungsübereignung, Sicherungszession und Globalzession gemäß § 50 Nr. 1 InsO,



Zurückbehaltungsrechte gemäß § 50 Nr. 2 und 3 InsO sowie



Sicherheiten für öffentliche Abgaben gemäß § 50 Nr. 4 InsO.

33 Als Aussonderungsrechte sind betroffen 

das Alleineigentum, das Miteigentum,



das Gesamthandseigentum und



das Vorbehaltseigentum,



ferner die Rechtsposition des Sicherungsgebers in der Insolvenz des Sicherungsnehmers sowie



die durch das Anwartschaftsrecht geschützte Rechtsposition des Vorbehaltskäufers; Zur Aussonderung berechtigen ferner die beschränkten dinglichen Rechte, das Recht zum Besitz sowie der Herausgabeanspruch des Kommittenten gegen den Kommissionär.29)

2.

Betroffene Gläubiger

34 Wie im Fall einer Vollstreckungssperre sind je nach Antrag einzelne oder mehrere oder alle Gläubiger betroffen (siehe oben Rz. 23). Ausgenommen sind auch hier alle Gläubiger aus Rechtsverhältnissen nach § 4 StaRUG (§ 49 Abs. 2 StaRUG). Die vom schuldnerischen Antrag betroffenen Gläubiger werden vor Erlass der Anordnung nicht gehört und haben ___________ 28) Befürwortet wird dies von Brünkmans, ZInsO 2021, 1, 9; Thole, ZRI 2021, 231, 233. 29) Zu den Einzelheiten vgl. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 47 Rz. 37 ff.; Prütting in: KPB, InsO, § 47 Rz. 15 ff.

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§ 16

Moratorium

keinen Rechtsbehelf (siehe oben Rz. 24). Der Antrag kann sich im Fall der Verwertungssperre auch gegen nicht planbetroffene Gläubiger richten. 3.

Inhalt der Anordnung

Die Regelung sieht vor, dass die jeweiligen Rechte der betroffenen Gläubiger vom einzelnen 35 Gläubiger nicht durchgesetzt werden dürfen. Stattdessen darf der Schuldner die jeweiligen Gegenstände zur Fortführung seines Unternehmens nutzen, soweit sie für die Fortführung von erheblicher Bedeutung sind. Der unbestimmte Rechtsbegriff der erheblichen Bedeutung wird im Gesetz nicht konkretisiert. Näher auszulegen ist der Begriff unter Beachtung von § 55 Abs. 2 StaRUG (eine Fortführung durch den Schuldner ist nicht auf die Leistung angewiesen), auf dem Hintergrund des vom Schuldner vorzulegenden Restrukturierungskonzepts, aus dem sich die erhebliche Bedeutung ableiten lassen muss. Die Verwertungssperre ist dem § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO weitgehend nachgebildet. Sie lässt 36 (wie die Vollstreckungssperre) den materiellen Bestand von Forderung und Sicherheit unberührt. Untersagt ist nur die Durchführung bzw. Fortführung der jeweiligen vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen. Der Widerruf einer Einziehungsermächtigung, die der Gläubiger dem Schuldner erteilt hatte, ist noch keine Verwertung durch den Berechtigten, wird also von der Verwertungssperre nicht erfasst.30) Unzulässig ist für den Schuldner die Veräußerung oder der Verbrauch des Sicherungsgutes. Gegenstand der Verwertungssperre können auch gruppeninterne Drittsicherheiten gemäß 37 § 49 Abs. 3 i. V. m. § 2 Abs. 4 StaRUG sein, allerdings nur bei erheblicher Bedeutung für die Fortführung. 4.

Dauer der Anordnung

Für die Verwertungssperre gilt wie bei der Vollstreckungssperre eine Höchstdauer von drei 38 Monaten (siehe oben Rz. 27). Auch hier gibt es die Möglichkeit der Verlängerung um einen Monat (§ 53 Abs. 2 StaRUG) sowie bei Folge- und Neuanordnungen die maximale Ausdehnung auf acht Monate ab dem Erlass der Erstanordnung. 5.

Die Möglichkeit der Aufrechnung

Die Möglichkeit einer Aufrechnung ist im Insolvenzfall geregelt (§§ 94 – 96 InsO) und hat 39 faktisch einen Sicherungscharakter. Im StaRUG findet sich keine Regelung für die Zulässigkeit einer Aufrechnung. Aus der insolvenzrechtlichen Regelung wird man jedoch den Schluss ziehen müssen, dass auch i. R. der Restrukturierung nach dem StaRUG eine Aufrechnung zulässig bleibt und diese daher nicht unter die Verwertungssperre fällt.31) Unter Berücksichtigung der Rechtslage im Insolvenzfall wird man dann jedoch § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO analog heranziehen müssen.32) V.

Materielle Rechtsfolgen der Stabilisierungsanordnung

1.

Grundsatz

Den Stabilisierungs- und Restrukturierungsbemühungen des StaRUG liegt der Ansatz zu- 40 grunde, dass das schuldnerische Unternehmen im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird. Das Gesetz enthält daher keine Sonderbestimmungen entsprechend den §§ 103 ff. InsO zur Anpassung oder Beendigung gegenseitiger Verträge, wie das der Referentenent___________ 30) Thole, ZRI 2021, 231, 234. 31) So auch Smid, ZInsO 2021, 198, 203. 32) A. A. Thole, ZRI 2021, 231, 234.

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wurf33) und der Regierungsentwurf34) noch vorgesehen hatten. Ebenso wenig sind im StaRUG Vorschriften zur Masseanreicherung durch Anfechtungsmöglichkeiten enthalten. Es ist allerdings unabhängig von einem Moratorium vorgesehen, die Restrukturierungsbemühungen durch das Verbot abzusichern, dass ein Restrukturierungsverfahren Anknüpfungspunkt für vertragliche Klauseln sein kann, die es dem Schuldner ermöglichen, sich ohne weiteres vom Vertrag zu lösen, Leistungen fällig zu stellen, zu verweigern oder eine Anpassung des Vertrags zu verlangen. Voraussetzung für dieses Verbot der Lösungsklauseln ist das Kriterium einer alleinigen Anknüpfung an die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder die Inanspruchnahme der jeweiligen Instrumente des Restrukturierungsrahmens (§ 44 StaRUG). 41 Vertragsrechtliche Wirkungen einer Stabilisierungsanordnung für den jeweiligen Gläubiger enthält dagegen § 55 StaRUG, der zwischen bereits eingetretenen Rückstand des Schuldners (§ 55 Abs. 1 StaRUG) und dem Fall des vorleistungspflichtigen Gläubigers (§ 55 Abs. 3) unterscheidet. Ist keine Partei vorleistungspflichtig und sind die vertraglichen Leistungen noch nicht ausgetauscht, so gilt unverändert § 320 BGB. Die Vorschrift des § 55 StaRUG regelt ausschließlich rechtsgeschäftliche Einwirkungen gegenüber dem Gläubiger. Der Schuldner kann seine Vertragserfüllung frei gestalten und ist nicht beschränkt. Die Norm knüpft nur an Hauptpflichten aus einem Rechtsgeschäft an; sie erfasst nicht die Verletzung von Nebenpflichten. 2.

Rückstand des Schuldners (§ 55 Abs. 1 StaRUG)

42 Ein Gläubiger, dem gegenüber der Schuldner einen Zahlungs- oder Leistungsrückstand aufweist, kann nicht allein wegen dieses Rückstandes eine ihm im Anordnungszeitraum obliegende Leistung verweigern oder Vertragsbeendigungs- oder Abänderungsrechte geltend machen. Das wirft schwierige Fragen danach auf, was die Worte „nicht allein“ bedeuten. 2.1

Rücktritt

43 Eine nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachte Leistung des Schuldners kann den Gläubiger gemäß § 323 BGB zum Rücktritt berechtigen. Der Rücktritt beruht aber nicht allein auf dem Rückstand, sondern er setzt eine erfolglose Fristsetzung voraus (§ 323 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt nach § 323 Abs. 3 BGB für die Abmahnung. Könnte der Schutz des Schuldners gemäß § 55 Abs. 1 StaRUG in der Restrukturierungsphase allein dadurch entfallen, dass der Gläubiger mit der Fristsetzung seine Vertragsbeendigung „nicht allein“ auf den Rückstand stützt, so wäre der Schuldnerschutz des § 55 Abs. 1 StaRUG weitgehend obsolet. Trotz der zusätzlich erforderlichen Fristsetzung greift daher die Sperrwirkung des § 55 Abs. 3 StaRUG ein.35) Eine formale rechtsgeschäftsähnliche Zusatzhandlung hindert also nicht die Bewertung, dass sich der Rücktritt des Gläubigers in diesen Fällen allein auf den Rückstand stützt. 2.2

Verzug

44 Ähnliches muss für die rechtlichen Auswirkungen eines Verzugs gelten. Der Gesetzgeber wollte alle Rechtsfolgen eines nach dem Anordnungszeitpunkt eingetretenen Verzugs unter ___________ 33) Vgl. Begr. RefE SanInsFoG z. § 29 Abs. 2 Nr. 4 sowie §§ 49 ff. StaRUG, v. 18.9.2020, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob= publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 14.2.2023). 34) Vgl. RegE SanInsFoG z. § 31 Abs. 2 Nr. 1 und §§ 51 ff. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181; dazu Hofmann, NZI 2020, 871. 35) Wie hier Thole, ZRI 2021, 231, 236.

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Moratorium

die Sperrwirkung des § 55 Abs. 1 StaRUG stellen.36) Die gesetzlich vorgesehenen Verzugsfolgen sind Verzugszinsen (§ 288 BGB), Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 4 BGB) und Haftungsveränderungen (§ 287 BGB). Mittelbar kann der Gläubiger als Verzugsfolge gemäß § 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt sein. Alle diese Verzugsfolgen setzen aber im Normalfall eine Mahnung voraus (§ 286 Abs. 1 BGB). Auch hier würde der Schutz des Schuldners vor Verzugsfolgen also entfallen, wenn man die erforderliche Mahnung als einen Fall versteht, in dem die Reaktion des Gläubigers nicht allein wegen des Rückstands erfolgt. Ähnlich wie bei der Fristsetzung des § 323 Abs. 1 BGB kann daher auch die Mahnung des § 286 BGB nicht das Eingreifen der Sperrwirkung des § 55 Abs. 1 StaRUG verhindern.37) 2.3

Ergebnis

Im Ergebnis ist daher ein Rücktritt des Gläubigers vom Vertrag gemäß § 323 Abs. 1 BGB 45 ausgeschlossen, auch wenn vor dem Rücktritt eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung wie eine Fristsetzung, eine Abmahnung oder eine Mahnung erforderlich und erfolgt ist. Zulässig ist ein Rücktritt des Gläubigers nur dann, wenn eine andere Leistung aus dem Vertrag nach dem Anordnungszeitpunkt unterbleibt, die nicht mit dem bestehenden Rückstand im Zusammenhang steht. Zulässig bleiben ferner alle Rechte des Gläubigers, die nicht ein vertragliches Beendigungs- oder Abänderungsrecht betreffen. 2.4

Verzugszinsen

Bei einem Entstehen von Verzugszinsen ist zu unterscheiden: Im Falle einer fehlenden 46 Zahlung von Verzugszinsen, die vor dem Anordnungszeitraum entstanden sind, greift § 55 Abs. 1 StaRUG ein. Werden dagegen nach der Anordnung neu entstandene Verzugszinsen nicht gezahlt, so entfällt der Schutz des § 55 Abs. 1 StaRUG. Soweit solche Zinsen aber aus einer Hauptforderung entstehen, die vor der Stabilisierungsanordnung begründet war, sind sie Restrukturierungsforderungen und daher durch den Plan gestaltbar. Damit sind sie gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 StaRUG durch den Schuldner in der Regel nicht zu begleichen. Abzutrennen von den bisherigen Fallgestaltungen sind Zinszahlungen aufgrund einer Verwertungssperre gemäß § 54 Abs. 1 StaRUG (siehe unten Rz. 50). 2.5

Teilweise noch offene Leistungspflicht

Ausgenommen von den bisher genannten Fällen ist eine teilweise noch offene Leistungs- 47 pflicht des Gläubigers. Hier kann der Gläubiger seine Leistung verweigern, soweit sie sich auf die rückständige Leistung des Schuldners bezieht (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG). Es gilt der Rechtsgedanke des § 320 BGB, wobei der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten ist (§ 320 Abs. 2 BGB). Ausgenommen von den Rechtswirkungen des § 55 Abs. 1 StaRUG ist ferner der Fall, dass der Schuldner für die Fortführung des Unternehmens auf die dem Gläubiger obliegende Leistung nicht angewiesen ist (§ 55 Abs. 2 StaRUG). 3.

Vorleistungspflicht des Gläubigers (§ 55 Abs. 3 StaRUG)

Nach § 55 Abs. 3 StaRUG kann der Gläubiger im Falle einer Vorleistungspflicht seine 48 Leistungen auf eine Zug-um-Zug-Erfüllung umstellen. Es gilt also weiterhin die Regelung des § 321 BGB. Diese Norm setzt voraus, dass der Gläubiger vorleistungspflichtig ist, seine Leistung aber noch nicht erbracht hat und dass ferner der Schuldner noch keine Leistung erbracht hat. Die Regelung entlastet den Gläubiger von der Gefahr, Leistungen erbringen ___________ 36) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 158. 37) A. A. Riggert, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 42.

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zu müssen, die einer Leistung des Schuldners gegenüberstehen, die dieser vor Erlass der Stabilisierungsanordnung noch nicht erbracht hat. 4.

Darlehen und andere Kreditzusagen

49 Für Darlehen und andere Kreditzusagen enthalten § 55 Abs. 3 Satz 2 und 3 StaRUG eine Sonderregelung. Hier hat der Darlehensgeber vor Valutierung das Recht gemäß § 490 BGB, Sicherheit zu verlangen oder wegen wesentlicher Vermögensverschlechterung zu kündigen. Ist dagegen die Valutierung erfolgt und der Schuldner mit Zahlungen im Rückstand, so greift § 55 Abs. 1 StaRUG ein. Eine Kündigung oder das Verlangen einer Vertragsänderung (z. B. eine Nachbesicherung) kommt hier nicht in Betracht. Nicht geregelt ist der Fall, dass das Darlehen bereits valutiert ist und der Schuldner sich insoweit vertragstreu verhalten hat. Es ist also bezüglich des Darlehens bisher kein Rückstand gegeben. Nach dem Wortlaut kann hier § 55 StaRUG nicht eingreifen. Das führt zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass der Schuldner im Falle von Rückständen günstiger gestellt ist als bei Vertragstreue. Das Ergebnis stimmt aber mit der Wertung des § 44 StaRUG überein.38) 5.

Zinsen und Wertausgleich (§ 54 StaRUG)

50 Ist als Stabilisierungsanordnung eine Verwertungssperre erlassen worden, so räumt § 54 Abs. 1 StaRUG dem Gläubiger das Recht ein, die geschuldeten Zinsen zu verlangen und den durch die schuldnerische Nutzung eingetretenen Wertverlust auszugleichen, soweit ein Verwertungserlös zu erwarten ist. Wie im Insolvenzrecht wird dabei vorausgesetzt, dass es möglich wäre, ohne eine Verwertungssperre die Verwertung zu betreiben.39) Die Zinsen beziehen sich auf den zu erwartenden Verwertungserlös. 51 Im Hinblick auf die ähnliche Formulierung in § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO und die dortige Verweisung auf § 169 InsO wird allgemein angenommen, dass auch in § 54 Abs. 1 StaRUG die vertraglich vereinbarte Zinshöhe gilt und beim Fehlen einer Vereinbarung eine Zinshöhe von 4 % gemäß § 246 BGB anzunehmen ist. Der Wertverlust ist durch laufende Zahlungen auszugleichen. Im Zweifel wird man dabei von monatlichen Zahlungen auszugehen haben. 52 Soweit der Schuldner vereinbarungsgemäß Forderungen des Berechtigten einzieht oder soweit er bewegliche Sachen veräußert oder verarbeitet, an denen Aussonderungs- oder Absonderungsrechte bestehen, muss er die erzielten Erlöse an den Berechtigten auskehren oder unterscheidbar verwahren (§ 54 Abs. 2 StaRUG). Berechtigter ist jeweils derjenige, dem das potenzielle Aussonderungs- oder Absonderungsrecht zustehen wird. Die Rechtswirkungen von § 54 StaRUG treten nur gegenüber denjenigen Gläubigern ein, denen gegenüber die Verwertungssperre angeordnet wurde. Das wird man aus dem Wortlaut und dem Sinn der Norm als einer Schutzvorschrift für von der Verwertungssperre Betroffene entnehmen können. 53 Sowohl die Einziehung von Forderungen als auch die Verwertung beweglicher Sachen durch den Schuldner setzt voraus, dass sie vom Berechtigten gestattet ist. Für die Fälle der Verarbeitung oder Veräußerung von unter verlängertem Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren bedeutet das, dass nur deren Nutzung und nicht deren Verwertung zulässig ist, soweit nicht vertraglich etwas anderes vereinbart ist. Liegt eine Gestattung der Einziehung von Forderungen oder der Verwertung beweglicher Sachen vor, so kann der Berechtigte die Gestattung widerrufen. Denn der Widerruf ist nicht Teil der Verwertungssperre.

___________ 38) So auch Thole, ZRI 2021, 231, 238. 39) Vgl. BGH v. 16.2.2006 – IX ZR 26/05, BGHZ 166, 215 = NZI 2006, 342.

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Moratorium 6.

Finanzsicherheiten und Zahlungssysteme

Von einer Stabilisierungsanordnung ausgenommen sind gemäß § 56 StaRUG die Verfügun- 54 gen über Finanzsicherheiten sowie die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschaltete Stellen oder aus Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren. Für den Begriff der Finanzsicherheit nimmt das Gesetz dabei auf § 1 Abs. 17 KWG Bezug. Gemeint sind damit Barguthaben, Geldbeträge, Geldmarktinstrumente sowie Kreditforderungen, ferner Geldforderungen aus einer Vereinbarung, aufgrund derer ein Versicherungsunternehmen einen Kredit gewährt hat, jeweils mit den im Zusammenhang stehenden Sicherungsrechten. VI.

Rechtsbehelfe sowie Aufhebung und Beendigung der Stabilisierungsanordnung

1.

Übersicht

Eine Stabilisierungsanordnung kommt nur auf Antrag des Schuldners zustande (§ 49 Abs. 1, 55 § 50 Abs. 1 StaRUG). Es gilt also im Bereich der Verfahrenseröffnung die Dispositionsmaxime. Das Restrukturierungsgericht entscheidet sodann durch Beschluss über diesen Antrag (§ 51 Abs. 5 Satz 1 StaRUG). Das Gericht kann den Antrag durch Beschluss zurückweisen. Dagegen steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (§ 51 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Erlässt das Gericht die beantragte Stabilisierungsanordnung, so ist gegen diesen Beschluss weder für die betroffenen Gläubiger, noch für den Schuldner ein Rechtsmittel eröffnet (Umkehrschluss aus § 51 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Allerdings können sowohl der Schuldner (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) als auch die Gläubiger (§ 59 Abs. 2 StaRUG) einen Antrag auf Aufhebung der Stabilisierungsanordnung stellen. Auch ohne einen solchen Aufhebungsantrag kann das Gericht von Amts wegen das Verfahren aufheben (§ 59 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 StaRUG). Insoweit ist für das Verfahrensende die Dispositionsmaxime erheblich eingeschränkt. Neben den drei Verfahrensweisen der Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung durch Schuldner, Gläubiger oder Gericht enthält § 59 Abs. 4 StaRUG auch einer Verfahrensbeendigung kraft Gesetzes und ohne richterlichen Beschluss. 2.

Antrag des Schuldners (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG)

Die Möglichkeit einer Aufhebung der Stabilisierungsanordnung auf Antrag des Schuldners 56 ist eine zwingende Selbstverständlichkeit. Für diesen Antrag gibt es keinerlei tatbestandliche Voraussetzungen. Der Schuldner kann den Antrag also auch ohne jede Begründung im Hinblick auf seine Motivlage stellen. Das Gericht muss dem Antrag (vorbehaltlich der Möglichkeit in Abs. 3) stattgeben. Diese Regelung beruht auf der reinen Dispositionsmaxime bei der Verfahrenseröffnung, die eine Beendigungsmöglichkeit zwingend beinhaltet, sowie auf der Tatsache, dass der Schuldner frei ist, ein Modul einer Stabilisierungsanordnung zu wählen, zu verändern (§ 52 StaRUG) oder beenden zu lassen. 3.

Antrag eines Gläubigers (§ 59 Abs. 2 StaRUG)

Die Gläubiger sind durch eine Stabilisierungsanordnung in ihren Rechten nicht unerheblich 57 betroffen. Dennoch hat ihnen der Gesetzgeber aus dem Gesichtspunkt der zeitlich klar begrenzten Eingriffe i. R. eines einstweiligen Verfahrens, das in der Regel kein Kollektivverfahren darstellt, jedes Rechtsmittel verweigert. Daher muss neben einer Anregung an das Gericht, nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 – 4 StaRUG eine Aufhebung des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu erwägen sowie eine mögliche Außenhaftung der Geschäftsleiter auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen (§ 57 StaRUG), auch ein echter Antrag des betroffenen Gläubigers möglich sein. Der Antrag kann sich auf § 59 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG (Anzeige nach § 31 Abs. 4 oder Voraussetzungen einer Aufhebung) oder nach § 59 Abs. 1

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5. Teil Stablilisierungsanordnung

Nr. 4 StaRUG (der Schuldner ist nicht bereit und in der Lage, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten) stützen. 58 Der Gläubiger muss das Vorliegen eines solchen Aufhebungsgrundes glaubhaft machen. Das bedeutet nach § 294 ZPO, dass die behaupteten Tatsachen überwiegend wahrscheinlich sind.40) Im Einzelnen dürfte ein Antrag des Gläubigers gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG unter Berufung auf § 31 Abs. 4 StaRUG ohne größere praktische Bedeutung sein. Denn alle dort genannten Merkmale müssen bereits zwingend gerichtlich bekannt sein. Dagegen kann die Berufung auf § 59 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG sehr bedeutsam sein. Hier muss der Gläubiger Umstände glaubhaft machen, dass der Schuldner nicht bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten, insbesondere weil die Restrukturierungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht oder die Rechnungslegung und Buchführung des Schuldners so unvollständig oder mangelhaft sind, dass sie eine Beurteilung der Restrukturierungsplanung, insbesondere des Finanzplans nicht ermöglichen. Zwar kann das Restrukturierungsgericht bei Vorliegen eines dieser Momente auch eine Aufhebung von Amts wegen vornehmen, jedoch hat das Gericht insoweit keine Pflicht zur Amtsermittlung (Abweichung von § 39 Abs. 1 StaRUG). 4.

Gerichtliche Aufhebung von Amts wegen (§ 59 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 StaRUG)

59 In der Praxis dürfte eine gerichtliche Aufhebung der Stabilisierungsanordnung vor allem von Amts wegen in Betracht kommen. Dem können im Einzelnen folgende Tatsachen zugrunde liegen: 4.1

Verlust der Wirkungen der Anzeige

60 Die Anzeige des Schuldners beim zuständigen Restrukturierungsgericht für die Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens kann gemäß § 31 Abs. 4 StaRUG ihre Wirkung verlieren, weil 

der Schuldner die Anzeige zurückgenommen hat,



die Entscheidung über die Planbestätigung rechtskräftig geworden ist,



das Gericht die Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG generell aufgehoben hat oder



weil seit der Anzeige sechs Monate vergangen sind (Abs. 1 Nr. 2).

61 Alle diese Merkmale sind zwingend gerichtsbekannt und bedürfen keiner besonderen Beweisaufnahme durch das Gericht. 4.2

Aufhebung

62 Es liegen die Voraussetzungen der Aufhebung der gesamten Restrukturierungssache nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 i. V. m. § 33 StaRUG vor (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). § 33 StaRUG enthält die Liste der gesamten allgemeinen Aufhebungsgründe für die Restrukturierungssache. Alle diese Tatbestände dürften dem Gericht in der Regel bereits bekannt sein. Eine Amtsermittlungspflicht besteht daher entgegen § 39 Abs. 1 StaRUG nicht. Wie sich aus § 59 Abs. 2 StaRUG ergibt, kann sich das Gericht mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen eines Aufhebungsgrundes begnügen. Eine volle richterliche Überzeugung wird nicht verlangt.

___________ 40) Prütting in: MünchKomm-ZPO, § 294 Rz. 24.

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§ 16

Moratorium 4.3

Nichteinreichung des Restrukturierungsplanentwurfs

Hat es der Schuldner versäumt, nach Ablauf einer zu diesem Zweck eingeräumten ange- 63 messenen Frist dem Gericht den Entwurf eines Restrukturierungsplans zu übermitteln, so ist ebenfalls die Stabilisierungsanordnung von Amts wegen aufzuheben (Abs. 1 Nr. 3). Die Angemessenheit der Frist ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, den das Gericht nach seinem Ermessen auszufüllen hat. Dabei dürften die Größe des schuldnerischen Unternehmens, die Zahl der Gläubiger sowie die Komplexität der Unternehmensstruktur von zentraler Bedeutung sein. Ab dem Zeitpunkt der Anzeige wird eine Frist von drei Monaten als angemessen zu betrachten sein.41) 4.4

Schuldner nicht bereit und in der Lage, die Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten

Dem Gericht werden Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner nicht 64 bereit und nicht in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten (§ 59 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG). Diese Regelung entspricht weitgehend dem neuen § 270e Abs. 1 Nr. 1 InsO. Sie ist in der Allgemeinheit ihrer Formulierung ein Rahmen- und Auffangtatbestand, der alle Indizien für grobes schuldnerisches Versagen erfasst. Die Formulierung „Umstände bekannt, aus denen sich ergibt“ ist im Hinblick auf das Beweismaß von Bedeutung. Das Gericht muss von der fehlenden Bereitschaft und Fähigkeit des Schuldners nicht überzeugt sein. Es genügt auch hier die überwiegende Wahrscheinlichkeit der gerichtlichen Erkenntnisse von der fehlenden Bereitschaft und Fähigkeit des Schuldners. Dem Gericht obliegt dabei wiederum keine Pflicht zur Amtsermittlung. Das Merkmal „Umstände bekannt“ schließt die Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 StaRUG aus. Das Gericht kann aber alle ihm bekannt gewordenen Indizien abwägen und würdigen. § 59 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG enthält abschließend zwei besondere Gründe dafür, dass der 65 Schuldner nicht bereit und nicht in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten (lit. a und lit. b). Diese beiden konkreten Hinweise, nämlich eine Restrukturierungsplanung auf unzutreffenden Tatsachen oder eine unvollständige oder mangelhafte Buchführung und Rechnungslegung sind spezifische Regelbeispiele für die mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit des Schuldners, wie das Wort „insbesondere“ zeigt. In der Praxis werden diese beiden Regelbeispiele von ausschlaggebender Bedeutung sein. Dabei ist das Merkmal des Vorliegens unzutreffender Tatsachen „in wesentlichen Punkten“ sehr eng auszulegen. Präsentiert der Schuldner vorsätzlich unzutreffende Tatsachen, so wird man stets den Fall des Abs. 1 Nr. 4 bejahen müssen. Beruht die Präsentation unzutreffender Tatsachen auf Fahrlässigkeit, so hat das Gericht die Bedeutung der unzutreffenden Tatsache im Hinblick auf die Restrukturierungsplanung abzuwägen. 5.

Absehen von einer Aufhebung (§ 59 Abs. 3 StaRUG)

Die Regelung in § 59 Abs. 3 StaRUG ermöglicht es dem Gericht, einen geordneten Über- 66 gang des Schuldners aus dem Restrukturierungsrahmen in ein Insolvenzverfahren zu gewährleisten. Es geht dabei also nicht um die Fortsetzung der Bemühungen um einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, sondern allein um die (kurzfristige) Aufrechterhaltung der Stabilisierungsanordnung, damit im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger ein geordneter Übergang in ein Insolvenzverfahren gelingt. Mit dem Absehen von der Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung wird vom Gericht zugleich eine Frist von maximal drei Wochen gesetzt, damit der Schuldner dem Gericht die Beantragung des Insolvenzverfahrens nachweisen kann. Die Voraussetzungen des § 18 InsO (drohende Zahlungsun___________ 41) Riggert in: Braun, StaRUG, § 59 Rz. 4; Schönfelder in: Flöther, StaRUG, § 59 Rz. 15.

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§ 16

5. Teil Stablilisierungsanordnung

fähigkeit) sind angesichts des beantragten Restrukturierungsverfahrens regelmäßig gegeben. Die Drei-Wochen-Frist orientiert sich an § 15a InsO. Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist hebt das Gericht die Stabilisierungsanordnung auf, auch wenn der Nachweis der Beantragung eines Insolvenzverfahrens nicht vorliegt. Daraus wird in der Literatur der Schluss gezogen, dass ein Schuldner, der nicht antragspflichtig und nur drohend zahlungsunfähig ist, keinen Insolvenzantrag stellen muss.42) Allerdings kann man § 59 Abs. 3 StaRUG auch so verstehen, dass hier durch die richterliche Fristsetzung auch für denjenigen eine Antragspflicht entsteht, der nach allgemeinen Regeln nicht antragspflichtig wäre. Wer als Schuldner die Wohltaten des StaRUG in Anspruch nimmt, um sein Unternehmen zu restrukturieren, der muss beim Scheitern einer solchen Restrukturierung eine Insolvenzantragspflicht hinnehmen, falls er nicht nachweisen kann, dass auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit nicht vorliegt. 67 § 59 Abs. 3 StaRUG räumt dem Gericht ein Ermessen ein, ob es überhaupt von einer Aufhebung der Stabilisierungsanordnung absieht und welche Frist es dem Schuldner zubilligt. Strebt der Schuldner ein Verfahren der Eigenverwaltung gemäß § 270 ff. InsO an, dürfte die Maximalfrist von drei Wochen angemessen sein. Der Nachweis des Insolvenzantrags ist durch Eingangsbestätigung des Insolvenzgerichts oder den Insolvenzantrag mit gerichtlichem Eingangsstempel zu führen. 6.

Beendigung (§ 59 Abs. 4 StaRUG)

68 § 59 Abs. 4 StaRUG enthält die Regelung einer Verfahrensbeendigung kraft Gesetzes und ohne richterlichen Beschluss. Das Gesetz trennt also zwischen der Aufhebung der Stabilisierungsanordnung durch richterlichen Beschluss und der Beendigung kraft Gesetzes. Die Beendigung erfolgt, wenn der Restrukturierungsplan bestätigt ist (§ 60 StaRUG) oder die Planbestätigung versagt wird (§ 63 StaRUG). VII. Bewertung 69 Die neue gesetzliche Regelung eines präventiven Restrukturierungsrahmens durch das StaRUG weist Licht und Schatten auf. Ihre modulare Konzeption ist eine große Stärke, um die passende Stabilisierungsanordnung für eine erfolgreiche Restrukturierung anzustreben. Allerdings haben die unterschiedlichen Optionen ein komplexes Regelwerk entstehen lassen. Das StaRUG ist nicht sehr übersichtlich und sprachlich kompliziert gestaltet. In seiner Annäherung an die Eigenverwaltung und damit seiner Chance, ein Insolvenzverfahren zu vermeiden, kann es aber als durchaus geglückt angesehen werden. Die Kritik des mangelnden Gläubigerschutzes ist angesichts der Nähe zur Eigenverwaltung wenig überzeugend. Insgesamt weist die Stabilisierungsanordnung eine ähnliche Eingriffsintensität wie die vorläufige Eigenverwaltung mit Schutzschirmverfahren auf.43) 70 Auch aus der Sicht des Schuldners bieten sich i. R. der Wahl zwischen einem Verfahren nach StaRUG und der Eigenverwaltung gewisse Vorteile. Im Ergebnis wird man dem Schuldner ein StaRUG-Verfahren empfehlen können, der sich in einer frühen Phase drohender Zahlungsunfähigkeit befindet. Ihm wird die Stabilisierungsanordnung helfen, mit einzelnen sehr konkreten Eingriffen in das schuldnerische Unternehmen zu einer erfolgreichen Restrukturierung zu gelangen. Je weiter aber beim Schuldner die Entwicklung hin zu einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit schreitet und je komplexer die notwendigen Einzelmaßnahmen für das schuldnerische Unternehmen werden, desto naheliegender wird das Verfahren in Eigenverwaltung werden. Denn in diesen Fällen würde ein StaRUGVerfahren in aller Regel das herannahende Insolvenzverfahren nicht aufhalten können. ___________ 42) Riggert in: Braun, StaRUG, § 59 Rz. 13; a. A. Boss/Luttmann in: Morgen, StaRUG, § 59 Rz. 29. 43) Bork, ZRI 2021, 345, 360.

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Prütting

6. Teil Restrukturierungsplan A. Planvorbereitung und Planinitiative § 17 Planvorbereitung Berner/Werner

I.

Der Restrukturierungsplan als Alternative zu anderen Sanierungsmitteln.......................................................... 1 1. Einordnung des Restrukturierungsplans als Sanierungsalternative ................... 2 2. Abgrenzung zur außergerichtlichen Sanierung ..................................................... 7 3. Restrukturierungsplan versus Insolvenzplan ...................................................... 13 4. StaRUG oder Eigenverwaltung? ............... 19 II. Notwendige Voraussetzungen des Restrukturierungsvorhabens................... 21 1. Krisenstadium: Drohende Zahlungsunfähigkeit.................................................. 21 2. Gestaltbare Rechtsverhältnisse.................. 28

3. Auswahl der Planbetroffenen.................... 37 4. Gruppenbildung ......................................... 41 III. Strategische Überlegungen im Vorfeld der Planerstellung....................... 47 1. Planentwurf zur Ankündigung des Restrukturierungsvorhabens ..................... 47 2. Verhandlungen mit den Beteiligten .......... 50 3. Pflichten des Schuldners............................ 55 4. Gesellschaftsrechtliche Erfordernisse....... 56 5. Einbeziehung des Restrukturierungsgerichts........................................................ 63 6. Stimmrechte und erforderliche Mehrheiten .......................................................... 67 7. Betriebswirtschaftliche Vorbereitungsarbeiten ....................................................... 72

Literatur: Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des StaRUG (Teil 2), ZInsO 2020, 2617; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Eisolt/Wolters, Steuerrechtliche Aspekte des StaRUG, ZInsO 2021, 1058; Frind, Das „plötzliche“ StaRUG-Verfahren – Probleme und Verwendungsgrenzen, ZInsO 2021, 1093; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Hölzle, Der Insolvenzantrag als Sanierungsoption – auch gegen den Willen von Gesellschaftern?, ZIP 2013, 1846; Ristelhuber, Das Weisungsrecht der Gesellschafter nach § 37 I GmbHG im Lichte der Regelungen des StaRUG, NZI 2021, 417; Stahlschmidt, Die Möglichkeiten des neuen Sanierungsrechts anhand eines Fallbeispiels, ZInsO 2021, 205; Stohrer, Der Gläubigerschutz im präventiven Restrukturierungsrahmen, ZInsO 2018, 660; Thole, Die Geschäftsleiterhaftung im StaRUG und nach § 15b InsO n. F., BB 2021, 1347; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes, ZIP 2020, 1985; Thole, Der Richtlinienvorschlag zum präventiven Restrukturierungsrahmen, ZIP 2017, 101; Wagner, Praktische Konsequenzen der Hinweise der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) zur Haftungsvermeidung von Insolvenzschäden, ZInsO 2018, 1492.

I.

Der Restrukturierungsplan als Alternative zu anderen Sanierungsmitteln

Der Restrukturierungsplan im seit 1.1.2021 mit dem SanInsFoG1) in Kraft getretenen 1 StaRUG-Verfahren stellt ein neues, bislang wenig praxiserprobtes Sanierungsinstrumentarium dar. Die Planvorbereitung setzt daher zwingend eine Auseinandersetzung des Planverfassers mit den im Restrukturierungsplan möglichen Regelungen in Abgrenzung zu den überkommenen Sanierungsalternativen voraus. Dabei ordnet sich der Restrukturierungsplan im StaRUG-Verfahren zeitlich und auch inhaltlich zwischen der außergerichtlichen Sanierung und dem Insolvenzplanverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO ein. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den skizzierten Sanierungsmitteln sowie geeignete Fallkonstel___________ 1) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256.

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§ 17

6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

lationen für die Erarbeitung eines Restrukturierungsplans nach StaRUG sollen daher im ersten Abschnitt aufgezeigt werden. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich sodann mit den bei der Planvorbereitung zwingend zu beachtenden notwendigen Voraussetzungen des Restrukturierungsvorhabens. Im dritten und letzten Abschnitt werden strategische Überlegungen im Vorfeld der Planerstellung aufgezeigt. 1.

Einordnung des Restrukturierungsplans als Sanierungsalternative

2 In der Unternehmenskrise sind üblicherweise mehrere Sanierungsalternativen denkbar. Demzufolge wird zu Beginn eines Restrukturierungsmandats sorgfältig zu prüfen sein, welche Sanierungsalternative für das zu sanierende Unternehmen (besonders) geeignet ist. 3 Das StaRUG2) und damit die nationale Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 (Restrukturierungsrichtlinie)3) eröffnet einem sanierungswilligen Unternehmen Möglichkeiten, die denen eines eigenverwaltungsbasierten Insolvenzplanverfahrens teilweise entsprechen. Allerdings findet das StaRUG-Verfahren außerhalb des Insolvenzverfahrens und damit vor Einleitung eines solchen Anwendung.4) Es schließt damit nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers die Lücke, die das geltende Recht zwischen dem Bereich der freien, auf dem Konsens aller Beteiligten beruhenden Sanierung einerseits und der streng verfahrensgebundenen Sanierung im Insolvenzplanverfahren gelassen hat.5) 4 Zu berücksichtigen ist, dass das StaRUG-Verfahren – anders als das Insolvenzverfahren – kein Gesamtverfahren darstellt, in das sämtliche Gläubiger einzubeziehen sind. Bestimmte Forderungen können nach § 4 StaRUG nicht im Restrukturierungsplan gestaltet werden. Auch dann, wenn Forderungen von Gläubigern grundsätzlich einer Gestaltung im Restrukturierungsplan zugänglich sind, besteht keine Verpflichtung des Planverfassers, diese in den Restrukturierungsplan einzubeziehen. Im Vergleich zum Insolvenzplanverfahren räumt das StaRUG daher dem Schuldner weitergehende Spielräume für die privatautonome Organisation des Planerstellungs-, -aushandlungs- und -abstimmungsprozesses ein.6) Besonderheit des StaRUG ist daher der modulare Verfahrensrahmen, der es den Beteiligten erlaubt, seine Elemente einzeln (oder auch kombiniert) in Anspruch zu nehmen, sofern eine Inanspruchnahme nach Einschätzung des Schuldners, seiner Berater und der sein Vorhaben unterstützenden Gläubiger als zweckmäßig angesehen wird. Hiervon grenzt sich das StaRUG-Verfahren insbesondere von dem integrierten Insolvenzverfahren ab, das als Gesamtverfahren auf die bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger zielt.7) Die Sanierung mit den Instrumentarien des StaRUG ist hingegen primär ein Instrumentarium des restrukturierungswilligen Schuldners.8) 5 Die Instrumente des StaRUG werden jedoch an das eigenverwaltende Insolvenzplanverfahren angelehnt. Dies gilt insbesondere für die Anknüpfung an die drohende Zahlungs___________ 2) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 3) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 4) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. 5) Vgl. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90. 6) Vgl. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90. 7) S. zur Abgrenzung auch Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617. 8) Vgl. hierzu ausführlich Bork, ZRI 2021, 345, 348.

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§ 17

Planvorbereitung

unfähigkeit i. S. des § 18 InsO, aber auch für die Ausformung der einzelnen Stabilisierungsund Restrukturierungsinstrumente, so etwa die Anforderungen an den Restrukturierungsplan, die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Einteilung der Gruppen, die Voraussetzungen für die Bestätigung des Plans und die Konturierung der Vollstreckungs- und Verwertungssperren.9) Bei der Auswahl des geeigneten Sanierungsinstruments wird der Restrukturierungsberater 6 ein besonderes Augenmerk regelmäßig auf den Eintritt der Insolvenzgründe (§§ 17, 18, 19 InsO) richten. Befindet sich das Unternehmen etwa bereits in einer fortgeschrittenen Krise und Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO und/oder Überschuldung gemäß § 19 InsO sind bereits eingetreten, so kommt das StaRUG-Verfahren als Sanierungsmittel in der Regel nicht mehr in Betracht.10) Eine Restrukturierung nach StaRUG ist nach dem Willen des Gesetzgebers nämlich nur in einem frühen Krisenstadium möglich, in dem in der Regel bessere Aussichten für eine erfolgreiche Krisenbewältigung bestehen. Demzufolge knüpft § 29 Abs. 1 StaRUG an die drohende Zahlungsunfähigkeit als Zugangsvoraussetzung des Restrukturierungsrahmens an. Der umsichtige Restrukturierungsberater wird daher in einem der ersten Schritte prüfen, in welchem Krisenstadium sich sein restrukturierungswilliger Mandant befindet. Sind bereits Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO und/oder Überschuldung gemäß § 19 InsO eingetreten (insbesondere, weil auch eine Sanierung nach dem StaRUG nicht (mehr) überwiegend wahrscheinlich ist und deshalb keine positive Fortbestehungsprognose besteht),11) wird er ihm – auch zur Haftungsvermeidung – die Insolvenzantragstellung (ggf. mit dem Ziel einer Sanierung durch Insolvenzplan) empfehlen müssen. Eine Sanierung im StaRUG-Verfahren wird indes ebenso wie eine außergerichtliche Sanierung ausscheiden. Liegt jedoch lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit vor, bestehen verschiedene Handlungsalternativen, von denen die Restrukturierung im StaRUG-Verfahren eine darstellt. 2.

Abgrenzung zur außergerichtlichen Sanierung

Die außergerichtliche Sanierung stellt für Unternehmen in der Krise ein bewährtes Re- 7 strukturierungsinstrumentarium dar. Besonders vorteilhaft wird sie wegen der Vermeidung des Stigmas und nachteiliger Folgen der Insolvenz wie etwa Wertverluste und Haftungsrisiken empfunden. Sie ist indes nur konsensual unter Einbeziehung der wesentlichen Gläubiger des Krisenunternehmens möglich. Bei frühzeitiger und umfassender professioneller Beratung kann diese Einbeziehung gelingen. Der erfahrene Restrukturierungsberater wird frühzeitig mit der Erarbeitung eines Sanierungsgrobkonzeptes beginnen und dieses zu einem vollständigen Sanierungskonzept entsprechend dem Standard IDW S 6 fortentwickeln. Hierbei hat er einen „Gesamtprozess“ zu steuern, der neben breiter betriebswirtschaftlicher Instrumentarien wie der Einrichtung – so nicht vorhanden – und Kontrolle einer integrierten Unternehmensplanung, der Überprüfung der operativen Leitung, Liquiditätsplanung, Gewinn- und Verlustrechnung, Einnahmen/Ausgabenrechnung für die Vergangenheit eine Vielzahl juristischer Themenkomplexe umfasst. Zu diesen zählen etwa arbeitsrechtliche, steuerrechtliche, gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Problemkreise wie etwa Hürden beim Personalabbau, Abbau von Pensionslasten, steuerliche Haf___________ 9) Vgl. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90 ff. 10) Eine die Überschuldung ausschließende (positive) Fortbestehensprognose kann allerdings auch aus der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung eines Sanierungs- oder Restrukturierungsvorhabens resultieren – s. Begr. RegE SanInsFoG z. InsO, BT-Drucks. 19/24181, S. 197; vgl. auch Biendl in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 10 Rz. 9 ff. (dort in Rz. 18 auch zum Streitstand, ob die erfolgte Anzeige beim Restrukturierungsgericht Voraussetzung für die Annahme einer positiven Fortbestehensprognose ist). 11) S. Biendl in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 10 Rz. 9 ff.

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§ 17

6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

tungen und Anfechtungsrisiken. Eine umfassende und umsichtige Vorgehensweise ist bei der außergerichtlichen Sanierung zwingend, um nicht Liquidität und (potentielle) Insolvenzmasse zu vernichten.12) 8 Ein Vorteil der parteiautonomen Gestaltung der außergerichtlichen Beratung ist, dass sie flexible Sanierungsvereinbarungen ermöglicht und damit weniger kostenintensiv als andere Restrukturierungsmaßnahmen sein kann, weil sie neben dem Sanierungsberater keine zwingenden weiteren Beteiligten vorsieht. In der Restrukturierungspraxis verlangt sie den Stakeholdern jedoch regelmäßig Zugeständnisse ab, die bspw. in Sanierungsbeiträgen oder dem Verzicht auf Sicherheiten liegen können. Die im Sanierungsgutachten nach IDW S 6 vorgesehenen Restrukturierungsmaßnahmen bergen darüber hinaus Umsetzungsrisiken, insbesondere bei Personalabbaumaßnahmen oder steuerlichen Gestaltungen. Für Gläubiger bestehen darüber hinaus Anfechtungsrisiken für den Fall, dass die außergerichtliche Sanierung im Ergebnis nicht trägt und – als „Plan B“ ein gerichtliches Insolvenzverfahren, ggf. in Eigenverwaltung, eingeleitet wird. 9 Kreditinstitute haben sich in der bisherigen Praxis zur Sicherung ihrer Rechte und zur Vermeidung einer Insolvenz häufig für das Instrumentarium der „doppelnützigen Treuhand“ ausgesprochen, bei dem die weitere bankenseitige Finanzierung von der Übernahme der Gesellschaftsanteile durch einen professionellen Treuhänder, der diese sowohl zugunsten der Banken als auch des Gesellschafters, mithin doppelnützig, hält, abhängig gemacht wird. Je nach Ausgangslage verwaltet der Treuhänder das Treugut als Sicherheit (Sicherungs- oder Verwaltungstreuhand), wird das Unternehmen unter seiner Aufsicht saniert (Sanierungstreuhand) oder verwertet er das Treugut (Verwertungstreuhand). Der Treuhänder vermittelt zwischen Gesellschafter und Banken. Ziel ist es, eine verbesserte Corporate Governance unter der Treuhand zu erreichen und – idealerweise – einen strukturierten Investorenprozess zu ermöglichen, der im Ergebnis zu einer Sicherung der Werte des Unternehmens „Going Concern“ führt. Die Einsetzung eines Treuhänders wird den außergerichtlichen Sanierungsprozess in diesen Fällen objektiveren und strukturieren. Als Nachteil sind zusätzliche Kosten für die Installation der Treuhand zu berücksichtigen. 10 Die außergerichtliche Sanierung birgt für den Berater nicht unerhebliche Haftungsrisiken. Insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ist festzustellen, dass die Geschäftsleitung dieser Gesellschaften und auch ihre Berater den Eintritt der Insolvenzgründe gemäß §§ 17 ff. InsO nicht sicher prognostizieren können und infolgedessen Gefahr laufen, den Eintritt der Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO zu verpassen. Durch die seit März 2020 infolge des Eintritts der Corona-Pandemie wechselnden Voraussetzungen an die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten hat sich diese Gefahr weiter konkretisiert, so dass anzunehmen ist, dass eine Vielzahl von Geschäftsleitern von Kapitalgesellschaften im guten Glauben daran, dass die Aussetzung der Antragspflichten für sie gelten, die Insolvenz ihrer Gesellschaft unbewusst verschleppen. Ursächlich hierfür ist die fehlende exakte Kenntnis zu den Tatbeständen „Zahlungsunfähigkeit“ und/oder „Überschuldung“ (siehe ebenso Rendels, HRI II, § 19 Rz. 13 ff.). Eine Beraterhaftung in Zusammenhang mit Haftungsansprüchen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG bzw. seit 1.1.2021 gemäß § 15b InsO ist nicht zu vernachlässigen. Der BGH hat bspw. die Haftung von Steuerberatern seit dem Jahr 2017 in Zusammenhang mit der Insolvenzreife seines Mandanten verschärft13) und den mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragten Steuerberater verpflichtet, seine Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfenden Prüfungspflichten ihres Organs hinzuweisen, insbesondere, wenn anzunehmen ist, dass die mögliche Insolvenzreife ___________ 12) S. hierzu Bauer, Die GmbH in der Krise, S. 111 ff. 13) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, ZIP 2017, 427; Wagner, ZInsO 2018, 1492 f.

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§ 17

Planvorbereitung

der Mandantin nicht bewusst war.14) Entsprechende Hinweis- und Warnpflichten – u. a. auch für Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer – hat der Gesetzgeber jetzt in § 102 StaRUG kodifiziert. Darüber hinaus kommt eine Haftung des Beraters aus dem Mandatsvertrag mit der Krisen- 11 gesellschaft unter dem Aspekt der Schutzwirkung zugunsten Dritter auch gegenüber Organen und Gesellschaftern in Betracht, sofern der Berater aus dem Mandatsvertrag verpflichtet war, eine mögliche Insolvenzreife der Gesellschaft zu prüfen.15) Die Haftung kommt – naturgemäß – insbesondere bei einem Scheitern der außergerichtlichen Sanierung mit anschließendem Insolvenzverfahren zum Tragen, wobei insoweit zu berücksichtigen ist, dass neben dem Insolvenzverwalter im Fall der Schutzwirkungshaftung aus dem Mandatsvertrag auch die Organe und Gesellschafter anspruchsberechtigt sind. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass der umsichtige (außergerichtliche) Berater von Krisen- 12 gesellschaften gehalten ist, den Eintritt der Insolvenzgründe und etwaige damit verbundene Haftungskonsequenzen für die Organe und Gesellschafter fortlaufend zu prüfen. Der letzte Aspekt (Beraterhaftung) gilt indes auch für die Beratung im StaRUG-Verfahren. 3.

Restrukturierungsplan versus Insolvenzplan

Der Restrukturierungsplan gemäß §§ 4 ff. StaRUG bildet die Grundlage und den Kern des 13 Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG. Der Gesetzgeber des StaRUG geht in der Gesetzesbegründung davon aus, dass der Restrukturierungsplan mit dem Insolvenzplan vergleichbar ist,16) was sich schon im Aufbau, mithin in der Unterteilung in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil und Plananlagen erkennen lässt. In beiden Planszenarien werden Forderungen und Rechte mit Vergleichsrechnungen zu den zu erwartenden alternativen Befriedigungsaussichten umstrukturiert.17) Der Gesetzgeber des StaRUG stellt daher in der Gesetzesbegründung fest: „Der Restrukturierungsplan ist damit nicht anders als ein Insolvenzplan ein Instrument zur kollektiv-privatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise“.18) Allerdings dürften die (zum Teil gravierenden) Unterschiede der inhaltlichen Gestaltung in vielen Fällen keine vollständige inhaltliche Übereinstimmung der beiden Planarten hervorbringen. So ist der Restrukturierungsplan zunächst schon zeitlich auf das Stadium der drohenden 14 Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO beschränkt, während der Insolvenzplan ein bewährtes Sanierungsmittel im eröffneten Insolvenzverfahren darstellt. Stellt sich i. R. der Restrukturierungsberatung heraus, dass materielle Insolvenzreife in Form von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) eingetreten und daher ein gerichtliches Insolvenzverfahren einzuleiten ist, so kann die Sanierung des Unternehmens nicht mehr mittels eines Restrukturierungsplans, sondern nur noch durch einen Insolvenzplan umgesetzt werden. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Restrukturierungsplan und Insolvenz- 15 plan betrifft die Plangläubiger. Sind im Insolvenzplan als Ausdruck des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes alle Gläubiger (und optional die Absonderungsberechtigten bzw. Anteilsinhaber) gemäß §§ 217, 223, 223a InsO einzubeziehen, so unterstellt das StaRUG das Auswahlermessen hinsichtlich der „planbetroffenen“ Gläubiger dem Schuldner gemäß ___________ 14) BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, ZIP 2017, 427. 15) BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353. 16) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 121 „gleich einem Insolvenzplan“ und ähnliche Formulierungen, vgl. nur S. 122 ff., 129 f., 133. 17) Vgl. hierzu auch Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617. 18) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 121.

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§ 17

6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

§§ 8 ff. StaRUG, sofern nicht die in § 4 StaRUG ausgenommenen Rechtsverhältnisse betroffen sind. Der Restrukturierungsplan erlaubt daher eine gezielte Auswahl der in die Sanierung einbezogenen Forderungen und Rechte. 16 Unterschiede zwischen Insolvenzplan und Restrukturierungsplan bestehen darüber hinaus auch wegen der vom Restrukturierungsplan gemäß § 4 StaRUG ausgenommenen Rechtsverhältnisse. Insbesondere die gemäß § 4 Nr. 1 StaRUG der Gestaltung unzugänglichen Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung, beeinflussen die Wahl des passenden Sanierungsmittels im zu beurteilenden Fall. Die fehlende Gestaltungsoption für Arbeitnehmerforderungen schließt nämlich auch das im Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren gerne genutzte Instrumentarium der Insolvenzgeldvorfinanzierung aus. Dies bedeutet, dass das mittels des StaRUG-Verfahrens zu sanierende Unternehmen grundsätzlich in der Lage sein muss, die Arbeitsentgelte der Arbeitnehmer inkl. Sozialversicherungsbeiträgen u. a. Nebenleistungen für die Dauer des Restrukturierungsvorhabens zu tragen. 17 Schließlich bestehen weitere Unterschiede zwischen Insolvenz- und Restrukturierungsplanverfahren, die sich u. a. in unterschiedlichen Abstimmungsmodalitäten zeigen. So sieht die Annahme des Restrukturierungsplans in § 25 Abs. 1 StaRUG eine qualifizierte Summenmehrheit von 75 % der auf die Planbetroffenen entfallenden Stimmrechte in der Gruppe vor und verzichtet – anders als in § 244 InsO für den Insolvenzplan – auf eine Kopf- und Summenmehrheit. Bei der Berechnung der Stimmberechtigten stellt § 25 Abs. 1 StaRUG nicht nur auf die abstimmenden Gläubiger (so wie im Insolvenzplan gemäß § 244 InsO), sondern auf alle Stimmberechtigten und deren Stimmrechte in der Gruppe ab, unabhängig davon, ob sie an der Abstimmung teilnehmen.19) Nicht abgegebene Stimmen wirken demzufolge wie Ablehnungen, was in der Praxis von erheblicher Bedeutung sein kann, bspw. bei Anleihegläubigerstrukturen.20) 18 Das StaRUG bietet zudem Möglichkeiten, die fehlende Zustimmung einzelner Gläubiger einer Gruppe zu überwinden („Cram-down“). § 28 StaRUG ermöglicht als Ausprägung des Obstruktruktionsverbots („Cross-Class Cram-down“) darüber hinaus gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen, um den Plan gegen das Votum einer Gruppe bestätigen zu können. Voraussetzung ist eine fehlende Schlechterstellung, eine angemessene Beteiligung am Planwert und eine Zustimmung durch die Mehrheit der weiteren Gruppen. Im Hinblick auf eine Schlechterstellung ist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 StaRUG grundsätzlich eine Fortführung des Unternehmens (und nicht die Liquidation) als Vergleichsmaßstab zu unterstellen.21) Damit kann der Planverfasser – anders als das bisher im Insolvenzplanverfahren häufig der Fall war22) – der Vergleichsrechnung nur ausnahmsweise geringere Liquidationswerte zugrunde legen.23) 4.

StaRUG oder Eigenverwaltung?

19 Die Wahl des passenden Restrukturierungsmittels dürfte häufig zwischen StaRUG-Verfahren und Eigenverwaltungsverfahren getroffen werden. Für beide Alternativen können gewichtige Argumente sprechen. Das StaRUG-Verfahren ist als schuldnergesteuertes Verfahren zunächst einmal kein Insolvenzverfahren und daher auch nicht mit dem Stigma der ___________ 19) 20) 21) 22) 23)

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S. auch Böhm in: Braun, StaRUG, § 25 Rz. 4. Vgl. Desch, BB 2020, 2498, 2504. Vgl. hierzu auch Gehrlein, BB 2021, 66 ff. S. aber jetzt § 220 Abs. 2 InsO n. F. Vgl. dazu krit. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097.

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§ 17

Planvorbereitung

Insolvenz belastet. Darüber hinaus findet es – da öffentliche Bekanntmachungen nicht vorgesehen sind – nicht öffentlich statt. Schließlich ist das StaRUG-Verfahren als teilkollektives Verfahren flexibel: Der Schuldner kann aus dem „Baukasten“ des StaRUG die für seine Reorganisation passenden Werkzeuge wählen und sich auf einzelne Gläubiger(gruppen) beschränken.24) Die Eigenverwaltung ist vorzugswürdig, sofern Regelungen zu Arbeitnehmerforderun- 20 gen zu treffen sind bzw. der Schuldner nicht für die Betriebsfortführung während der Sanierung „durchfinanziert“ ist, sondern eine Insolvenzgeldvorfinanzierung in Anspruch nehmen möchte. In diesen Fällen kommt eine StaRUG-Sanierung wegen der Ausklammerung von Arbeitnehmerforderungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG nicht in Betracht. Ist neben der finanzwirtschaftlichen auch eine leistungswirtschaftliche Sanierung erforderlich, wird diese im Eigenverwaltungsverfahren mit der Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO, insbesondere der Möglichkeit der vereinfachten Beendigung von Arbeits- und Mietverträgen, deutlich besser umzusetzen sein als im StaRUG-Verfahren, das diese Instrumente nicht bereitstellt. II.

Notwendige Voraussetzungen des Restrukturierungsvorhabens

1.

Krisenstadium: Drohende Zahlungsunfähigkeit

Das Gesetz knüpft in § 29 StaRUG den Zugang zu den Instrumentarien des präventiven 21 Restrukturierungsrahmens als materielle Voraussetzung an den Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO an und regelt in Absatz 1, dass zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 Abs. 2 InsO die in Absatz 2 genannten (gerichtlichen!) Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch genommen werden können. Die Restrukturierungsrichtlinie hatte zum Auslösetatbestand in Art. 4 Abs. 1 eine „wahr- 22 scheinliche Insolvenz“ vorgegeben. Es war umstritten, wie dieser Rechtsbegriff in das deutsche Recht zu integrieren sein sollte.25) Die Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit als Auslösetatbestand für das StaRUG erscheint vor dem Hintergrund der Möglichkeiten, in Gläubigerrechte durch Mehrheits- oder gerichtliche Planbestätigungsentscheidungen einzugreifen, sachgerecht.26) Ein zeitlich früherer Anknüpfungspunkt wäre zwar – insbesondere zur schärferen Abgrenzung zur vorläufigen Eigenverwaltung – ebenfalls denkbar gewesen. Da im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO bereits eine konkrete Gefährdung der vollständigen Befriedigung der Gläubigeransprüche vorliegt,27) gelingt die Rechtfertigung für Zwangseingriffe in Gläubigerrechte, wie sie im Restrukturierungsplan vorgenommen werden können, leichter.28) Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber in § 29 Abs. 1 StaRUG nur für die in § 29 Abs. 2 23 StaRUG genannten gerichtliche Verfahrenshilfen an den Auslösetatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit anknüpft. Sind einzelne Elemente des „StaRUG-Werkzeugkastens“ hingegen nicht mit Zwangseingriffen in Gläubigerrechte verbunden, sollte es dem sanierungswilligen Schuldner möglich sein, schon in einem früheren Stadium vor Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit StaRUG-Instrumentarien wie etwa außergerichtliche Verhandlungen (§§ 17 ff. StaRUG), ggf. mit Unterstützung eines fakultativen Restrukturierungs___________ 24) So auch Bork, ZRI 2021, 345, 360. 25) S. etwa Bork, ZIP 2017, 1441, 1444 ff.; Stohrer, ZInsO 2018, 660, 661; Thole, ZIP 2017, 101, 102 ff., jeweils m. w. N. 26) Ebenso Bork, ZRI 2021, 345, 348; Thole, ZIP 2020, 1985, 1990; Thole, ZIP 2017, 101, 102 ff. 27) Vgl. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90. 28) Vgl. auch Bork, ZRI 2021, 345, 348.

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beauftragten oder Sanierungsmoderators, zu nutzen. Vor allem die Bestellung eines (isolierten) fakultativen Restrukturierungsbeauftragten nach § 77 Abs. 1 Satz 1 StaRUG sollte zur Förderung der Einleitung rechtzeitiger Sanierungsmaßnahmen nicht vom Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit abhängig gemacht werden. 24 Sofern der Schuldner jedoch eine gerichtliche Vorprüfung des Restrukturierungsplans beantragt, wird Gegenstand der gerichtlichen Vorprüfung regelmäßig die in § 46 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG als Regelbeispiel erfasste Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit sein. Auch die Bestätigung des Restrukturierungsplans darf nur erfolgen, wenn der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Mit der Frage des Vorliegens der drohenden Zahlungsunfähigkeit hat sich auch das AG Köln in einer der ersten zum StaRUG ergangenen Entscheidungen,29) welche das Ergebnis einer Vorprüfung eines Restrukturierungsplans darlegt, ausdrücklich befasst. Deutlich wird mithin, dass die (eingetretene) drohende Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann Eintrittsvoraussetzung für das StaRUG-Verfahren ist, wenn eine gerichtliche Vorprüfung und/oder gerichtliche Planabstimmung beabsichtigt ist. Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit i. R. der gerichtlichen Planbestätigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG verlangt ebenfalls die vollständige richterliche Überzeugung, die i. R. der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG zu bilden ist. Dem Planverfasser wird daher empfohlen, den Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit zur Vorlage an das Restrukturierungsgericht hinreichend konkret darzulegen und ggf. geeignete Belege zur Dokumentation beizufügen. 25 Der Gesetzgeber hat sich mit dem SanInsFoG entschieden, den Prognosezeitraum bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 2 InsO erstmalig festzulegen, und zwar auf regelmäßig 24 Monate. Diese Festlegung sollte Unklarheiten hinsichtlich der Dauer des Prognosezeitraums beseitigen.30) Hinsichtlich des Prognosezeitraums können Abgrenzungen zur positiven Fortführungsprognose bei der Überschuldung notwendig werden, die gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 InsO nunmehr auf zwölf Monate, bis zum 31.12.2023 sogar auf nur vier Monate gemäß § 4 Abs. 2 SanInsKG, begrenzt ist. Der Gesetzgeber weist zum Konkurrenzverhältnis im tatbestandlichen Überschneidungsbereich darauf hin, dass eine die Überschuldung ausschließende Fortführungsprognose auch aus der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung eines Sanierungs- oder Restrukturierungsvorhabens resultieren kann.31) 26 Die Abgrenzung zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist für den Anwendungsbereich des StaRUG wesentlich, da dem Schuldner das StaRUG-Verfahren bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht zur Verfügung steht, wie sich aus dem Umkehrschluss zu § 29 Abs. 1 InsO ergibt. Tritt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Laufe des Restrukturierungsverfahrens ein, so besteht eine Pflicht zur Anzeige an das Restrukturierungsgericht gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG; überdies ist das Verfahren grundsätzlich aufzuheben bzw. in ein Insolvenzverfahren überzuleiten (vgl. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). 27 Das AG Köln hat i. R. der gerichtlichen Vorprüfung des ihm vorgelegten Restrukturierungsplans die Darlegung der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht für ausreichend gehalten.32) Es wies darauf hin, dass das Merkmal „voraussichtlich“ in § 18 Abs. 2 InsO nach der Gesetzesbegründung so zu verstehen sei, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher sein muss als deren Vermeidung. Die Wahrscheinlich___________ 29) 30) 31) 32)

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AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. InsO, BT-Drucks. 19/24181, S. 196. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. InsO, BT-Drucks. 19/24181, S. 197. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433.

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Planvorbereitung

keit müsse daher 50 % überschreiten.33) Zur Darlegung des wahrscheinlichen Eintritts der Zahlungsunfähigkeit hat der Planverfasser hinreichend konkret vorzutragen. Wenn – wie in der Vorprüfung unterzogenen Fall des AG Köln – der Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit an die Endfälligkeit von Krediten geknüpft werden soll, so ist empfehlenswert, zu der voraussichtlich nicht vorhandenen Bereitschaft zur Prolongation der Kredite vorzutragen und entsprechende Nachweise hierfür vorzulegen, um die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Kredite nicht verlängert werden, darzutun. Das AG Köln geht davon aus, dass der Prognosezeitraum von 24 Monaten am Tag der letzten mündlichen Verhandlung, also am voraussichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin, beginnt.34) 2.

Gestaltbare Rechtsverhältnisse

Die Vorprüfung der gestaltbaren Forderungen sollte der Berater mit seinem Mandanten vor 28 dem Hintergrund der ansonsten drohenden zwingenden Versagung der Planbestätigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG sorgfältig und gewissenhaft durchführen. Auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans können gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 29 StaRUG Forderungen, die gegen eine restrukturierungsfähige Person (Schuldner) begründet sind, sog. Restrukturierungsforderungen, und die an Gegenständen des schuldnerischen Vermögens bestehenden Absonderungsanwartschaften gestaltet werden. Die Restrukturierungsfähigkeit regelt § 30 StaRUG, der alle insolvenzfähigen Personen erfasst (Ausnahme: § 1 Abs. 19 KWG), natürliche Personen aber nur, soweit sie unternehmerisch tätig sind. Verbraucher i. S. des § 304 InsO sind damit vom Anwendungsbereich des StaRUG ausgeschlossen. Nach § 2 Abs. 2 StaRUG kann ein Restrukturierungsplan über Restrukturierungsforde- 30 rungen und Absonderungsanwartschaften hinaus auch Einzelbestimmungen aus mehrseitigen Rechtsverhältnissen zwischen dem Schuldner und mehreren Gläubigern gestalten. Der Gesetzgeber hatte insoweit insbesondere finanzwirtschaftliche Sanierungen und die damit regelmäßig verbundene Gestaltung von Konsortialfinanzierungen und Finanzierungen von Schuldtiteln gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG inklusive etwaiger Sicherheiten im Blick.35) Konsortialkreditverträge sowie Sanierungsvereinbarungen zwischen mehreren Gläubigern über die Durchsetzung der ihnen gegenüber dem Schuldner zustehenden Rechte und das relative Rangverhältnis der daraus resultierenden Erlöse (§ 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG) können durch einen Restrukturierungsplan umfassend geändert werden, und zwar auch in einem über die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderlichem Umfang36) und über die Änderung typischer Einzelbestimmungen hinaus37). Schließlich ist die Änderungsmöglichkeit von Bedingungen einer Sanierungsvereinbarung nicht auf Änderungen im Verhältnis zu dem Schuldner beschränkt. Vielmehr sind sämtliche Bedingungen einer derartigen Vereinbarung, auch im Verhältnis der Kreditgeber untereinander oder im Verhältnis zu mit dem Schuldner verbundenen Unternehmen, unbeschränkt gestaltbar.38) § 2 Abs. 3 StaRUG eröffnet im Restrukturierungsplan auch die Umgestaltung, Neurege- 31 lung oder Übertragung von Anteils -und Mitgliedschaftsrechten, sofern der Schuldner eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist. Inhaltlich ist sie ___________ Mock in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rz. 26. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111 f. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433, beschreibt diese Regelungen als solche mit „überschießender Tendenz“. 37) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. 38) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. 33) 34) 35) 36)

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an die mit dem ESUG in § 225a InsO eingeführte Möglichkeit, Anteils- und Mitgliedschaftsrechte in einem Insolvenzplan umzugestalten, angelehnt. Die Restrukturierungsrichtlinie hatte es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie eine derartige Regelung aufnehmen oder nicht. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für eine Aufnahme entschieden. Wegen der in der Praxis i. R. einer Restrukturierung des Rechtsträgers regelmäßigen Notwendigkeit der Neuordnung der Gesellschafterstruktur ist dies ausdrücklich zu begrüßen.39) 32 Der Gestaltung in einem Restrukturierungsplan unterliegen nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG ferner die Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten, also aus Rechten der Inhaber von Restrukturierungsforderungen gegen verbundene Unternehmen i. S. des § 15 AktG als Bürge, Mitschuldner oder aufgrund einer anderweitig übernommenen Haftung oder an Gegenständen des Vermögens dieses Unternehmens. Eingriffe in diese Rechte sind gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG angemessen zu kompensieren. Zweck dieser im deutschen Insolvenzrecht neuen Regelung ist die Erleichterung von Konzernrestrukturierungen.40) Galt bisher – auch noch i. R. der Novellierung des Konzerninsolvenzrechts 2017 – der strikte Grundsatz „ein Insolvenzverfahren für jede Konzerngesellschaft“41), so können mit der Neuregelung in § 2 Abs. 4 StaRUG gruppeninterne Personal- und Realsicherheiten neugestaltet und damit Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren der Drittmittelgeber verhindert werden. Der Gesetzgeber des SanInsFoG hat sich nun auch für entsprechende Regelungen im Insolvenzplanverfahren (vgl. §§ 217 Abs. 2, 223a InsO n. F.) entschieden. Interessant ist, dass § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG erst im Rechtsausschuss des Bundestages seine aktuelle Fassung erhielt und Sicherheiten sämtlicher mit dem Schuldner verbundener Unternehmen – also aller direkter oder indirekter Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaften – einbezogen wurden,42) während der Regierungsentwurf sich lediglich auf die Einbeziehung von Sicherheiten von Tochtergesellschaften gemäß § 290 HGB beschränkte (sog. Upstream-Sicherheiten, nicht jedoch sog. Downstream-Sicherheiten).43) 33 Mit der Einbeziehung von gruppeninternen Drittsicherheiten bieten sich dem Planvorbereiter nunmehr weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bei der Neuordnung von Sicherheiten im Konzern. Praxisrelevante Fälle hierfür könnten etwa die Anschlussverwendung einer nicht akzessorischen Sicherheit nach Freigabe (aus dem bisherigen Sicherheitenpaket) zur Besicherung von Anschlussfinanzierungen durch Neuvalutierung oder Neubestellung dieser Sicherheit sein. Die Befristung von Sicherheiten kann i. R. der Gestaltungen verlängert werden; akzessorische Sicherheiten können aufgehoben und neu bestellt werden. 34 Sämtliche Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten müssen jedoch angemessen entschädigt werden (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG). Das Gesetz definiert die angemessene Entschädigung nicht, sie ist daher aus allgemeinen Grundsätzen abzuleiten. Sie richtet sich nach der Werthaltigkeit der Drittsicherheit, der Valutierung der besicherten Verbindlichkeit sowie etwaiger Verwertungsbeschränkungen.44) In der Praxis wird der Ablösebetrag häufig nicht durch den Schuldner, sondern durch einen Investor i. R. einer neuen Finanzierung geleistet werden. Dem Sicherheitengläubiger fließen dann der Entschädigungsbetrag und die Planquote zu.

___________ Ebenso Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 31. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. Begr. RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 16 f. Vgl. Beschlussempfehlung d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25303, S. 19; Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7. 43) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. 44) Vgl. auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 59. 39) 40) 41) 42)

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Planvorbereitung

Von der Gestaltung durch den Restrukturierungsplan ausgeschlossen sind gemäß § 4 Nr. 1 35 bis 3 StaRUG Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung (Nr. 1), Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen (Nr. 2) sowie Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Nr. 3). Von besonderer praktischer Relevanz ist der Ausschluss der Gestaltung von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen. Leistungswirtschaftliche Sanierungen mit Einschnitten im Personalbereich sind demzufolge über das StaRUG nicht lösbar; der Eindruck, dass der Gesetzgeber mit dem StaRUG primär finanzwirtschaftliche Sanierungen im Blick hatte, verfestigt sich durch die Ausnahme der Gestaltung von Arbeitnehmerrechten.45) Der Restrukturierungsplan ist mithin nur eine Option, wenn die Frage der „Durchfinanzierung“ der Arbeitsentgelte der Mitarbeiter (Lohn und Gehalt inklusive Nebenleistungen) für den Zeitraum bis zur Planabstimmung zweifelsfrei bejaht werden kann. Die Möglichkeit, im Restrukturierungsvorhaben die einseitige Beendigung laufender Ver- 36 tragsverhältnisse mit den Instrumentarien der InsO herbeizuführen, hat der Gesetzgeber entgegen der ursprünglich in §§ 51 bis 55 StaRUG-E vorgesehenen Optionen mit Blick auf den Schutz des Vertragspartners nicht in die endgültige Gesetzesfassung übernommen.46) 3.

Auswahl der Planbetroffenen

Der Planverfasser wird sich bei der Planvorbereitung weiterhin mit der strategisch wichtigen 37 Frage der Auswahl der Planbetroffenen befassen müssen, zumal dieser Gegenstand der gerichtlichen Vorprüfung gemäß §§ 63 Abs. 1 Nr. 2, 47 Satz 1, Satz 2 StaRUG ist. Nach § 8 Satz 1 StaRUG hat die Auswahl der Planbetroffenen nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen, die im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern sind. Der Gesetzgeber geht von einer sachgerechten Auswahl aus, wenn sie die Kriterien des § 8 38 Satz 2 Nr. 1 bis 3 StaRUG erfüllt. Zu beachten ist insbesondere das in § 8 Satz 1 Nr. 2 StaRUG enthaltene Angemessenheitserfordernis, wonach die Differenzierung (zwischen einzelnen Gläubigern) nach der Art der zu bewältigenden Schwierigkeiten und den Umständen angemessen erscheinen muss. Beschränken sich die Regelungen auf Finanzgläubiger, so ist dies nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 StaRUG der Fall. Sollen mit dem Restrukturierungsplan mithin ausschließlich Forderungen von Finanzgläubigern geregelt werden, stellt sich die Frage der sachgerechten Auswahl der Planbetroffenen nach dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen nicht, mutmaßlich, weil Finanzgläubiger als regelmäßig sanierungserfahrene und professionell organisierte Gläubiger keinem besonderen Schutz unterliegen. Anders verhält es sich mit den häufig krisenunerfahrenen und daher schutzbedürftigen Kleingläubigern, deren Forderungen gemäß § 8 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 StaRUG explizit von einer Plangestaltung ausgenommen werden können (aber nicht müssen). Auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an dem Schuldner beteiligten Personen 39 können durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden (§ 2 Abs. 3 StaRUG). Deren Einbeziehung ist jedoch nicht zwingend, worauf das AG Köln in seinem Beschluss vom 3.3.2021 unter Verweis auf eine fehlende Regelung zur Planbetroffenheit von Anteilseignern bzw. Anteilsrechten oder nachrangigen Gesellschafterdarlehen in § 2 Abs. 3 bzw. § 8 StaRUG explizit hinweist.47) ___________ 45) Insoweit hat der Gesetzgeber von dem in der Richtlinie enthaltenen Vorbehalt Gebrauch gemacht, vgl. Art. 1 Abs. 5a Restrukturierungsrichtlinie. 46) Eingehend dazu Thole, ZIP 2020, 1985, 1994 m. w. N. 47) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433.

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40 Strategisch wird der Planverfasser die Auswahl der Planbetroffenen häufig auf Finanzgläubiger, Anteilsinhaber bzw. verbundene oder nahestehende Unternehmen konzentrieren. Vertragspartner und Gläubiger, die für den operativen Geschäftsbetrieb erforderlich sind, werden hingegen – ähnlich wie bei der außergerichtlichen Sanierung – möglicherweise nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, um den operativen Geschäftsbetrieb weitestgehend störungsfrei aufrechtzuerhalten. Die Einbeziehung von Forderungen von Anteilseignern, verbundenen und nahestehenden Unternehmen inklusive gruppeninterner Sicherheiten kann – abhängig vom Einzelfall – ein probates Mittel zur Neuordnung gesellschaftsrechtlicher Strukturen sein und wird i. R. von finanzwirtschaftlichen Sanierungen regelmäßiger Planbestandteil sein. Wie der von dem Amtsgericht Hamburg48) entschiedene Fall zeigt, kann das StaRUG-Verfahren auch primär der Neugestaltung gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse dienen. 4.

Gruppenbildung

41 Neben der Auswahl der Planbetroffenen kommt der Gestaltung der Gruppen im Restrukturierungsplan eine zentrale und strategisch wichtige Rolle zu, da im StaRUG-Verfahren ein übergreifender Cram-down-Mechanismus eingeführt wurde, mit dem blockierende Minderheiten sowohl gruppenintern mit einer 75 %-Mehrheit als auch gruppenübergreifend überstimmt werden können. Da es sich um ein teilkollektives Verfahren handelt, bei dem – anders als im Insolvenzplan – nicht alle Forderungen gestaltet werden müssen, kommt dem Planersteller ein besonderes Auswahlermessen bei der Gruppenbildung zu, deren Grenzen die in § 9 StaRUG geregelten Voraussetzungen bildet.49) Diesen Gestaltungsspielraum kann der Planverfasser nutzen, um größtmöglichen Einfluss auf die spätere Bestätigung des Plans zu erreichen. 42 Die Regelungen des § 9 StaRUG sind im Wesentlichen den Regelungen zur Gruppenbildung beim Insolvenzplan (§§ 222 ff. InsO) nachgebildet.50) Wie im Insolvenzplan sind Gläubiger auch im Restrukturierungsplan gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StaRUG in Gruppen einzuteilen, soweit Planbetroffene unterschiedliche Rechtsstellungen haben. 43 Bei der Zuordnung der Restrukturierungsforderungen von einfachen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) und nachrangigen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG) Klassen weicht die Regelung vom Vorbild der InsO ab, da auch künftige Zinsen und Säumniszuschläge anders als nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Restrukturierungsrahmen nicht nachrangig sind, weil sie ohne weiteres i. R. des § 5 Abs. 2 StaRUG gestaltbar sind und insoweit kein Nachrangbedürfnis besteht.51) Als nachrangig i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG gelten mithin die „übrigen“ nachrangigen Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder Abs. 2 InsO. 44 Gruppeninterne Sicherheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG wegen der unterschiedlichen Wirkungsweise von Eigen- und Drittsicherheiten und der unterschiedlichen Wirkungsweise von Dritt- und Eigensicherheiten52) einer eigenen Plangruppe zuzuordnen. Die korrespondierende Regelung findet sich nunmehr in § 222 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

___________ 48) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544. 49) Ob das Ermessen bei der Gruppenbildung mit Ausnahme des Umstandes, dass nicht alle Gläubiger in die Gruppenbildung einzubeziehen sind, weiter ist als im Insolvenzplanverfahren, vgl. so AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544, und Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205, 207, ist allerdings fraglich. 50) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 51) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 52) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119.

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Planvorbereitung

Auch im Restrukturierungsplan ist – wie im Insolvenzplan – die Bildung von Untergruppen 45 bei wirtschaftlich gleichem Interesse und begründeter sachgerechter Abgrenzung zulässig, vgl. § 9 Abs. 2 StaRUG. Nach § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG sind die Kleingläubiger i. R. der nach Absatz 1 zu bildenden Gruppen in eigenständigen (Unter-) Gruppen zusammenfassen. Diese Regelung dient dem besonderen Schutz der Kleingläubiger, die im Restrukturierungsplan – anders als im Insolvenzplan – wegen des fehlenden Zustimmungserfordernisses der Kopfmehrheit dem erhöhten Risiko einer Majorisierung durch Großgläubiger ausgesetzt sind53). Denkbar ist es, dass die Planbetroffenen in Gläubigergruppen einzuteilen, die ausschließ- 46 lich aus konzernverbundenen Gesellschaften bzw. ihren Anteilseignern gebildet werden. In dem vom AG Hamburg54) entschiedenen Fall bildeten die Tochtergesellschaften als einfache Restrukturierungsgläubiger die erste Gruppe, die Gesellschafter und nahestehenden Unternehmen als nachrangige Restrukturierungsgläubiger die zweite und die Inhaber von Anteilsrechten die dritte Gruppe. Die Einteilung der Gläubigergruppen begegnete nach den Ausführungen des Gerichts keinen Bedenken.55) Obgleich die in § 9 StaRUG aufgestellten Kriterien der Gruppenbildung erfüllt sein dürften, könnte eine solche ausschließlich „gruppeninterne“ Gruppengestaltung, mit der mittels des Restrukturierungsplanes gesellschaftsrechtliche Veränderungen wie etwa den Ausschluss unliebsamer Minderheitsgesellschaftern herbeigeführt werden sollen, den Anschein eines Gestaltungsmissbrauchs erwecken. Insoweit sollten in derartigen Konstellationen die Voraussetzungen der Gruppenbildung bei der Planvorbereitung besonders sorgsam zu prüfen sein. III.

Strategische Überlegungen im Vorfeld der Planerstellung

1.

Planentwurf zur Ankündigung des Restrukturierungsvorhabens

Der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem zuständigen Restrukturierungsge- 47 richt sind gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Satz 2 StaRUG verschiedene Anlagen kumulativ beizufügen, so u. a. nach Satz 1 Nr. 1 der Entwurf eines Restrukturierungsplans oder, sofern ein solcher nach dem Stand des angezeigten Vorhabens noch nicht ausgearbeitet oder ausgehandelt werden konnte, ein Konzept für die Restrukturierung, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Restrukturierung (Restrukturierungsziel) sowie die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Restrukturierungsziels in Aussicht genommen werden. Der Gesetzgeber greift mit dieser Regelung den Gedanken auf, dass sich die Ernsthaftigkeit und die Aussichten eines Restrukturierungsvorhabens nur auf der Grundlage eines konkreten Plans oder zumindest eines hinreichend konkreten Konzepts nachvollziehen lassen und dass die von dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bereitgestellten Hilfen nur dann erlangbar sein sollen, wenn der Schuldner sein Vorhaben auf der Grundlage eines solchen Konzepts transparent machen kann.56) Der Planverfasser sollte vor diesem Hintergrund gehalten sein, frühzeitig mit der Erstellung 48 des Restrukturierungsplans zu beginnen, um der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens einen möglichst konkreten Planentwurf beifügen zu können. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, den Restrukturierungsplan im Gang der Restrukturierungssache zu konkretisieren bzw. zu aktualisieren.57) Die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ___________ 53) 54) 55) 56) 57)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119; Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 14. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 134 f. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

tritt gemäß § 31 Abs. 3 StaRUG unabhängig von der Qualität des Sanierungskonzepts nämlich mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens ein. Es ist jedoch zu beachten, dass bspw. der Erlass einer Stabilisierungsanordnung gemäß § 51 Abs. 1 StaRUG die Vorlage einer vollständigen und schlüssigen Restrukturierungsplanung vorsieht. Zudem kommt die Aufhebung der Restrukturierungssache gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 StaRUG in Betracht, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, etwaige behebbare Mängel am Sanierungskonzept zu heilen, weil dies die Annahme rechtfertigen kann, dass dem Schuldner der notwendige Restrukturierungswille fehlt.58) Wenn es dem Schuldner schon nicht möglich ist, dem Gericht zu vermitteln, auf Grundlage welchen Sachverhalts er mit welchen Mitteln welches Ziel anstrebt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er in der Lage ist, die Gläubiger und sonstigen Beteiligten zu Zugeständnissen zu bewegen59). 49 In der Praxis wird der vorgelegte Entwurf des Restrukturierungsplans im Laufe des Verfahrens noch Anpassungen erfahren, die Ergebnis von Verhandlungen mit Gläubigern sind. Dies wird regelmäßig auch die Akzeptanz des Plans bei den Gläubigern stärken und damit Auswirkungen auf ihr Stimmverhalten haben. Der Planverfasser sollte daher idealerweise einen hinreichend konkreten, schlüssigen Planentwurf vorlegen, der Handlungsspielräume für Änderungen zulässt, mindestens aber ein ausgereiftes, plausibles Sanierungskonzept, dem die wesentlichen Aspekte des Restrukturierungsvorhabens zu entnehmen sind. 2.

Verhandlungen mit den Beteiligten

50 Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG ist der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens weiterhin eine Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, an dem Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen beizufügen. Der Gesetzgeber will mit der Vorschrift dem Restrukturierungsgericht eine Einschätzung darüber ermöglichen, ob und ggf. welchen Rückhalt das Restrukturierungsvorhaben hat und mit welchen Widerständen zu rechnen ist, die ggf. über die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zu bewältigen sind60). 51 Es stellt sich die Frage, ob aus der Regelung des § 31 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG eine Ankündigungspflicht über das Restrukturierungsvorhaben bei Gläubigern und anderen Beteiligten geschlossen werden kann oder ob sich die Darstellung des Verhandlungsstandes auch darauf beschränken kann, dass das Restrukturierungsvorhaben bislang nicht kommuniziert wurde und Verhandlungen nicht stattfanden. Nach Auffassung des AG Hamburg ist es keine Bedingung für die Planbestätigung, dass das Restrukturierungsvorhaben den Planbetroffenen vorab angekündigt wird und/oder mit diesen zuvor (erfolglos) Alternativlösungen gefunden werden.61) Unter Berufung auf die Gesetzesbegründung vertritt das Gericht die Ansicht, der Vorschrift käme nur Informationscharakter zu.62) Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Informationspflicht des Restrukturierungsgerichts durch die bloße Mitteilung, dass keine Verhandlungen stattfanden, gewahrt werden kann, denn in diesem Fall dürfte es an der Grundlage einer gerichtlichen Einschätzungsmöglichkeit darüber, ob das Restrukturierungsvorhaben Rückhalt bei den Beteiligten findet bzw. mit Widerstand zu rechnen ist, fehlen.63) ___________ 58) 59) 60) 61) 62) 63)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544. Vgl. eingehend Frind, ZInsO 2021, 1093, 1094 ff.: „‚Verhandlungen‘ über den Restrukturierungsplan als Verfahrenseingangsvoraussetzung“.

Berner/Werner

§ 17

Planvorbereitung

Um dem Erfordernis der gerichtlichen Einschätzungsmöglichkeit in § 31 Abs. 2 Nr. 2 52 StaRUG gerecht zu werden, ist es bei dem Planverfasser zu empfehlen, das Konzept vorab den beteiligten Gläubigern und Gesellschaftern bekannt zu machen. Indes birgt diese frühzeitige Kommunikation nicht unerhebliche Risiken, etwa von Kreditkündigungen, weswegen die strategische Herangehensweise und Ansprache der Plangläubiger gut überlegt und vorbereitet sein sollte. Sollen – wie wohl im vom AG Hamburg entschiedenen Fall – unliebsame Mitgesellschafter mittels des Restrukturierungsvorhabens Befugnisse verlieren, würde eine vorherige Anzeigepflicht sicherlich den gewünschten „Überrumpelungseffekt“ verhindern; sie erscheint gleichwohl i. S. des Informationsinteresses des Gerichts geboten. In jedem Fall empfiehlt sich, vor Anzeige des Restrukturierungsvorhabens den Planentwurf 53 zur Vermeidung unerwünschter Steuerbelastungen mit der zuständigen Finanzverwaltung abzustimmen und ggf. eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO einzuholen (zu den steuerlichen Fragen und Folgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan siehe eingehend Uhländer, HRI I, § 44)64). Zu etwaigen betriebsverfassungsrechtlichen Unterrichtungs- und Beratungspflichten des 54 Schuldners als Arbeitgeber siehe ergänzend Berner/Werner, HRI I, § 19 Rz. 46 ff. und eingehend zu den arbeitsrechtlichen Sanierungsmaßnahmen Göpfert, HRI I, § 43. 3.

Pflichten des Schuldners

Schließlich hat der Schuldner mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens gemäß § 31 55 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG die Vorkehrungen darzustellen, welche er getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, die Pflichten nach diesem Gesetz zu erfüllen. Gemeint sind insbesondere die umfangreichen in § 32 StaRUG geregelten Pflichten des Schuldners, so u. a. die Anzeige wesentlicher Änderungen oder des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit im Laufe des Restrukturierungsvorhabens. Die Vorschrift dient dem Gläubigerschutz; ist der Schuldner nicht in der Lage, die ihm auferlegten Pflichten zu erfüllen, muss er externe Expertise hinzuziehen.65) In der Praxis wird sich vor diesem Hintergrund nahezu jeder Schuldner gehalten sein, sich Unterstützung durch externe Berater oder personelle organschaftliche Verstärkung durch einen Sanierungsgeschäftsführer bei der Erfüllung seiner Pflichten zu suchen.66) Damit dürfte das StaRUG-Verfahren im Verhältnis zu anderen Verfahrensarten mindestens genauso kostenintensiv und für kleine und mittlere Unternehmen schon aus diesem Grund eher ungeeignet sein. 4.

Gesellschaftsrechtliche Erfordernisse

Im Vorfeld der Planerstellung ist die Einleitung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen zu prü- 56 fen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob für das Planangebot des Schuldners beim außergerichtlichen Abstimmungsverfahren (vgl. §§ 17 ff. StaRUG) oder die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht (vgl. § 31 Abs. 1 StaRUG) die vorherige Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung des Schuldnerunternehmens erforderlich ist.67) Die Frage kann für die AG und die GmbH als die in der Restrukturierungspraxis bedeutsamsten Gesellschaftsformen nicht einheitlich beantwortet werden. Nach § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand einer AG die Gesellschaft in eigener Verantwortung und daher grundsätzlich weisungsfrei.68) Die Einleitung und Inanspruchnahme von ___________ 64) 65) 66) 67) 68)

Eisolt/Wolters, ZInsO 2021, 1058. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. Ebenso Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 31 Rz. 18. Eingehend dazu Ristelhuber, NZI 2021, 417 ff. Statt aller Dauner-Lieb in: Henssler/Strohn, GesR, § 76 AktG Rz. 8 f.

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§ 17

6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

Sanierungsmaßnahmen aufgrund des StaRUG ist daher für den Vorstand in der Regel ohne vorherige Beschlussfassung der Hauptversammlung zulässig.69) 57 Demgegenüber sind die Geschäftsführer einer GmbH nach § 37 Abs. 1 GmbHG bei Ausübung ihrer Geschäftsführungsbefugnis an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden.70) Daraus folgt ein umfassendes Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung als oberstem Organ der Gesellschaft71) und – soweit es ungewöhnliche bzw. außergewöhnliche Geschäfte betrifft – eine Vorlagepflicht der Geschäftsführer an die Gesellschafterversammlung.72) 58 Eine Vorlagepflicht der Geschäftsführung besteht nach § 49 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich dann, wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist. Dies ist bei sog. Grundlagengeschäften der Fall, die wegen ihrer Bedeutung und ihres Gewichts für die Gesellschaft von den Gesellschaftern beschlossen werden sollten bzw. müssten; weiter können ungewöhnliche oder riskante Geschäfte, aber auch besondere Entwicklungen der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft eine Willensbildung der Gesellschafter erfordern.73) 59 Vor diesem Hintergrund sind die Geschäftsführer der GmbH nach überwiegender Auffassung verpflichtet, vor Stellung eines Insolvenzantrages wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen.74) Dafür spricht, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG die werbende Tätigkeit der Gesellschaft endet und eine Änderung des Gesellschaftszwecks eintritt. Letzteres ist nach dem StaRUG zwar nicht der Fall. Allerdings setzt auch die Inanspruchnahme des Restrukturierungsrahmens bzw. die dafür erforderliche Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht den Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit voraus (siehe oben Rz. 21 ff.). Damit dürfte eine besondere Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft spätestens vorliegen und die Einholung eines Gesellschafterbeschlusses geboten sein, auch wenn die potentielle Haftung von Geschäftsleitern durch den Wegfall der ursprünglich im Regierungsentwurf in §§ 2, 3 StaRUG-E vorgesehenen Verpflichtung zur Wahrung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger entschärft worden ist. Mit Anzeige des Restrukturierungsvorhabens (vgl. § 31 Abs. 1 StaRUG) haben die „Geschäftsleiter“ nämlich bei Wahrnehmung ihrer Geschäftsführungsaufgaben innerhalb der Restrukturierungssache nach § 43 Abs. 1 StaRUG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren (Eintritt des sog. „Shift of Fiduciary Duties“).75) Damit wird man – ebenso wie bei der Stellung eines Insolvenzantrages wegen drohender Zahlungsunfähigkeit – die Geschäftsleiter richtigerweise für verpflichtet halten müssen, vor Anzeige des Restrukturierungsvorhabens einen Beschluss der Gesellschafterversammlung einzuholen76). ___________ 69) Ausnahmsweise kann sich aber aufgrund der sog. „Holzmüller-Rechtsprechung“ im Einzelfall eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung begründen (dazu allgemein z. B. Liebscher in: Henssler/ Strohn, GesR, § 119 AktG Rz. 12 ff) – gegen eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung für eine fakultative Insolvenzantragstellung aber (vor Inkrafttreten des StaRUG) z. B. Koch in: Hüffer/ Koch, AktG, § 119 Rz. 24; vgl. auch Thole, BB 2021, 1347, 1350. 70) Die Beschränkung betrifft nur das Innenverhältnis. Im Außenverhältnis kann die Vertretungsmacht der Geschäftsführer aber nach den Grundsätzen zum Missbrauch der Vertretungsmacht eingeschränkt sein (zu alledem z. B. Oetker in: Henssler/Strohn, GesR, § 37 GmbHG Rz. 20 ff.). 71) Statt aller z. B. Oetker in: Henssler/Strohn, GesR, § 37 GmbHG Rz. 13, sowie Ristelhuber, NZI 2021, 417. 72) Zu den Einzelheiten z. B. Oetker in: Henssler/Strohn, GesR, § 37 GmbHG Rz. 8. 73) Hillmann in: Henssler/Strohn, GesR, § 49 GmbHG Rz. 9. 74) Eingehend und m. w. N. Ristelhuber, NZI 2021, 417, 418 f.; s. a. Thole, BB 2021, 1347, 1350. 75) Vgl. Thole, BB 2021, 1347, 1351; ähnlich auch Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419. 76) Vgl. Thole, BB 2021, 1347, 1350.

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§ 17

Planvorbereitung

Für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) normiert § 5a Abs. 4 zudem die 60 Verpflichtung zur unverzüglichen Einberufung einer Gesellschafterversammlung bei drohender Zahlungsunfähigkeit. Vor dem Hintergrund, dass die Verletzung der Einberufungspflicht Schadensersatzansprüche gemäß § 43 GmbHG der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auslösen und Grund für die Abberufung von Geschäftsführern sein kann, ist die Einberufung einer Gläubigerversammlung vor der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens und der Vorlage des Restrukturierungsplans als wichtige Planvorbereitungsmaßnahme nach alledem unbedingt zu empfehlen. Davon zu unterscheiden ist die Problematik, ob die Gesellschafter die Einleitung eines Re- 61 strukturierungsverfahrens nach den Regelungen des StaRUG oder dessen Durchführung im weiteren Verfahrensablauf durch entgegenstehende Weisungen ver- oder behindern können.77) Bereits bisher wurde vertreten, dass mit dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein „Shift of Fiduciary Duties“ eintritt, die Geschäftsleiter also ab diesem Zeitpunkt die Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten haben und entgegenstehende Weisungen der Gesellschafter unbeachtlich sind.78) Der Gesetzgeber hat die Frage (auch) mit Streichung der im Gesetzesentwurf ursprünglich vorgesehenen §§ 2, 3 StaRUG-E nicht (zugunsten der Gesellschafter) entschieden, sondern in das Gesellschaftsrecht verwiesen79). Richtigerweise wird man zwischen der Zeit vor und der Zeit nach Rechtshängigkeit der 62 Restrukturierungssache (vgl. § 31 Abs. 3 StaRUG) differenzieren müssen. Vor Anzeige des Restrukturierungsvorhabens sind entgegenstehende Weisungen der Gesellschafter – insbesondere die Weisung, ein StaRUG-Verfahren nicht einzuleiten – von der Geschäftsleitung trotz der bestehenden drohenden Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich zu beachten.80) Nach der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens sind Gesellschafterbeschlüsse, die in Widerspruch zu den Interessen der Gläubigergesamtheit stehen, unwirksam.81) 5.

Einbeziehung des Restrukturierungsgerichts

In welchem Umfang das Restrukturierungsgericht bei der Planabstimmung einbezogen 63 werden soll, obliegt dem Schuldner. Er kann die Erörterung und Abstimmung über den Restrukturierungsplan autonom gestalten (§§ 17 bis 22 StaRUG) oder eine gerichtliche Abstimmung wählen (§§ 23, 45, 46 StaRUG). Bereits bei der Planvorbereitung sollte der Planverfasser wegen der unterschiedlichen Verfahrenswege eine Entscheidung für oder gegen die Beteiligung des Restrukturierungsgerichts bei der Planabstimmung treffen. Beide Verfahrensweisen können – abhängig vom jeweiligen Einzelfall – ihre Vor- und Nachteile haben. Im Ergebnis ist zwischen dem privatautonom gestalteten und dem stärker reglementierten gerichtlichen Abstimmungsverfahren zu differenzieren. Die außergerichtliche Planabstimmung wird nach Maßgabe der §§ 17 ff. StaRUG von 64 dem Schuldner in privater Selbstorganisation ausschließlich in den Handlungsoptionen des Privatrechts82) durchgeführt. Hierbei ist vorgesehen, dass der Schuldner ein Angebot an die Planbetroffenen richtet, den Restrukturierungsplan anzunehmen (§ 17 Abs. 1 StaRUG). Dem Angebot sind u. a. der Restrukturierungsplan nebst Anlagen sowie eine Darstellung der angefallenen und zu erwartenden Kosten beizufügen. Soweit in dem Planangebot nichts Ab___________ 77) 78) 79) 80) 81) 82)

Eingehend Ristelhuber, NZI 2021, 417 ff. Vgl. etwa Hölzle, ZIP 2013, 1846. Vgl. Gehrlein, BB 2021, 66, 67. Vgl. Thole, BB 2021, 1347, 1350. Vgl. Thole, BB 2021, 1347, 1351 f. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

weichendes geregelt wird, erfolgt die Planannahme ebenfalls schriftlich (§ 17 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Hat der Schuldner vor Abgabe des Planangebots nicht allen Planbetroffenen Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Erörterung des Plans oder des Restrukturierungskonzeptes, das durch den Plan umgesetzt werden soll, gegeben, so hat das Planangebot gemäß § 17 Abs. 3 StaRUG den Hinweis darauf zu enthalten, dass auf Verlangen eines oder mehrerer Planbetroffener eine Versammlung der Planbetroffenen zwecks Erörterung des Plans abgehalten wird. Die Voraussetzungen und Modalitäten der Durchführung einer solchen Planbetroffenenversammlung, in der auch über den Plan abgestimmt werden kann (vgl. § 20 Abs. 4 StaRUG, regeln die §§ 20 bis 22 StaRUG. 65 Die außergerichtliche Planabstimmung gewährt dem Schuldner weitreichende Freiheiten bei der Gestaltung und Organisation des Abstimmungsverfahrens. Es obliegt daher nur dem Schuldner, welche Gläubiger er zu welchem Zeitpunkt in die Einzelheiten des Restrukturierungsplans einbezieht. Eine Planbetroffenenversammlung ist nicht zwingend erforderlich. Rechnet der Schuldner damit, dass ein Planbetroffener die Einberufung einer Erörterungsversammlung gemäß §§ 17 Abs. 3, 21 Abs. 1 StaRUG verlangen wird, empfiehlt es sich, proaktiv eine Planbetroffenenversammlung einzuberufen,83) um eine solche schon mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben weitgehend planbar zu machen. Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber – wegen der fehlenden gerichtlichen Kontrolle – an das außergerichtliche Abstimmungsverfahren durchaus hohe formale Anforderungen stellt. Insofern ist aus Sicht des Schuldners als Planverfasser unbedingt § 63 Abs. 3 StaRUG zu beachten, wonach für den Fall, dass die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren erfolgt ist, Zweifel an der ordnungsgemäßen Annahme des Restrukturierungsplans durch die Planbetroffenen zulasten des Schuldners gehen. Es besteht daher ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Versagung der Bestätigung des Restrukturierungsplans gemäß § 63 StaRUG. 66 In vielen Fällen wird daher trotz der Vorteile des flexibel und autonom gestalteten außergerichtlichen Abstimmungsverfahrens die gerichtliche Abstimmung zu bevorzugen sein. Das Verfahren orientiert sich an den insolvenzrechtlichen Bestimmungen zum Erörterungsund Abstimmungstermin.84) Ein gerichtliches Planabstimmungsverfahren wird sich vor allem dann empfehlen, wenn von den Planbetroffenen schon frühzeitig Bedenken gegen den ordnungsgemäßen Ablauf des Abstimmungsverfahrens oder gegen das Restrukturierungsvorhaben insgesamt geäußert werden. Die Entscheidung für ein gerichtliches Planabstimmungsverfahren wird in diesen Fällen regelmäßig zur Vertrauensbildung bei den Beteiligten führen und damit die Wahrscheinlichkeiten für eine Planzustimmung erhöhen. Wenn nicht nur wenige Finanzgläubiger, sondern eine Vielzahl von Gläubigern mit unterschiedlichen Interessen und Rechtspositionen, auch Kleingläubiger, betroffen sind und zusätzlich mit dissertierenden Planbetroffenen zu rechnen ist, wird eine gerichtliche Planabstimmung die Akzeptanz des Restrukturierungsvorhabens entscheidend verbessern und daher nahezu zwingend sein. 6.

Stimmrechte und erforderliche Mehrheiten

67 Die strategische Planvorbereitung erfordert auch die Planung der zur Planannahme erforderlichen Stimmmehrheiten. Zur Planannahme ist es gemäß § 25 StaRUG erforderlich, dass in jeder Gruppe mindestens drei Viertel der Gruppenmitglieder dem Plan zustimmen. Eine Kopfmehrheit ist – anders als gemäß § 244 Abs. 1 InsO – nicht erforderlich. Das quali-

___________ 83) Ebenso Pehl in: Braun, StaRUG, § 21 Rz. 13. 84) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121.

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§ 17

Planvorbereitung

fizierte Mehrheitserfordernis von 75 % der Stimmrechte in jeder Gruppe stellt hohe Anforderungen an die Annahmefähigkeit des Plans.85) Ein für die Praxis gewichtiger Unterschied zu der Abstimmung über den Insolvenzplan 68 besteht darin, dass für die Annahme des Restrukturierungsplans gemäß § 25 Abs. 1 StaRUG die Zustimmung mindestens drei Viertel der Stimmrechte der Gruppe erforderlich sind. Es kommt mithin nicht auf die Anzahl der abstimmenden Gläubiger an (so aber § 244 InsO), sondern auf alle stimmberechtigten Gläubiger einer Gruppe, unabhängig davon, ob sie im Abstimmungstermin anwesend sind oder nicht. Enthalten sich anwesende Gläubiger der Stimme oder erscheinen sie nicht zur Abstimmung, so zählt dies als Ablehnung. Für den Planverfasser bedeutet dies eine erhebliche Erschwernis: Er muss bei der Planvorbereitung sorgfältig Gruppe für Gruppe prüfen, welche Gläubiger stimmberechtigt sind und rechtzeitig für eine Teilnahme am Abstimmungstermin werben. Gerade Kleingläubiger mit niedrigen Forderungen werden aufgrund des damit verbundenen Aufwandes nicht ohne Weiteres zu einer Teilnahme zu bewegen sein. In der Praxis wird man sich mit Stimmrechtsvollmachten helfen müssen. Erschwernisse sind ebenfalls in Bezug auf Anleihegläubiger zu erwarten. Der Planverfasser sollte bei der strategischen Planvorbereitung die besonderen Regelun- 69 gen der §§ 26 bis 28 StaRUG beachten. Diese weichen in einigen wesentlichen Punkten von der aus dem Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO) bekannten Systematik ab. Von besonderer Bedeutung ist der Umgang mit möglicherweise opponierenden Gläubigern bzw. Gläubigergruppen. Das StaRUG regelt einerseits die Ersetzung der Zustimmung einer Gruppe unter den Voraussetzungen der §§ 26, 27 StaRUG, insbesondere bei angemessener Beteiligung am Planwert. Darüber hinaus eröffnet es – anders als im Insolvenzplanverfahren – die Durchbrechung der absoluten Priorität durch eine gruppenübergreifende Mehrheitsregel, § 28 StaRUG. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist eine gruppenübergreifende Mehrheitsregel zulasten einer den Plan ablehnenden Gruppe auch dann u. U. möglich, wenn – entgegen § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG – in einem Insolvenzverfahren gleichrangige planbetroffener Gläubiger nicht gleichgestellt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Ungleichbehandlung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht ist. Mit der Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebotes auf Ebene der Gläubigergruppen berücksichtigt der Gesetzgeber den Umstand, dass im StaRUG-Verfahren auch teilkollektive Planlösungen zulässig sind und – anders als im Insolvenz(plan)verfahren als einem Gesamtkollektivverfahren – nicht alle Gläubiger im Restrukturierungsplan einbezogen werden müssen. Der Schuldner hat bei der Bestimmung der Plangläubiger vielmehr ein Auswahlermessen.86) In der Praxis dürfte dem auf Empfehlung des Rechtsausschusses87) neu aufgenommene 70 § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG große Bedeutung zukommen. Danach ist eine Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebotes (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG) nicht sachgerecht, wenn auf die überstimmte Gruppe mehr als die Hälfte der Stimmrechte der Gläubiger der betroffenen Rangklasse entfällt. Der Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass überstimmte Gläubiger, welche die Hauptlast der von den Gläubigern ihrer Rangklasse insgesamt zu leistenden Sanierungsbeiträge zu tragen haben, nicht durch eine Schlechterstellung gegenüber gleichrangigen Gläubigern zusätzlich benachteiligt sein sollen.88) ___________ 85) 86) 87) 88)

Vgl. auch Herzig in: Braun, StaRUG, § 25 Rz. 10. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. Vgl. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7. Vgl. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7.

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§ 17

6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

71 Der Planverfasser muss sich bei der Vorbereitung des Restrukturierungsplans daher sorgfältig mit der Frage befassen, welche Auswirkungen Ungleichbehandlungen von Forderungen im Insolvenzverfahren gleichrangiger Gläubiger haben können. Selbst wenn das Gebot der Gleichbehandlung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 StaRUG durchbrochen werden kann, sollten die Mehrheiten idealerweise so gestaltet werden, dass der potentiell opponierenden und ggf. zu überstimmenden Gruppe nicht mehr als 50 % der Stimmrechte der planbetroffenen gleicher Rechtsstellung (§ 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) zukommt. Die Regelung wird im Schrifttum zu Recht als zu weitreichend kritisiert.89) Es ist zu befürchten, dass es in der Praxis ausgesprochen schwierig werden wird, Restrukturierungspläne gegen den Willen von Gläubigergruppen mit großem Stimmgewicht, etwa Finanzkreditgläubiger, durchzusetzen. Unabhängig davon, dass es sich grundsätzlich empfiehlt, die wesentlichen Planinhalte vorab mit den beteiligten Gläubigern zu erörtern, werden Verhandlungen mit „starken“ Gläubigergruppen, die sich der Stimmrechtsschwelle des § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG bewusst sind, durch die Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG möglicherweise erschwert werden. Dies gilt es bei der Ansprache der Gläubiger zu berücksichtigen. 7.

Betriebswirtschaftliche Vorbereitungsarbeiten

72 Bei der Planvorbereitung sind die notwendigen betriebswirtschaftlichen Vorbereitungsarbeiten nicht zu vergessen. Diese erfordern die Erstellung umfangreicher Rechenwerke (siehe hierzu im Einzelnen die Ausführungen von Nickert, HRI I, § 21). 73 § 14 StaRUG gibt vor, welche Anlagen dem Restrukturierungsplan beizufügen sind. § 14 Abs. 1 StaRUG verlangt insoweit eine Erklärung zur Bestandsfähigkeit des Schuldners, wonach attestiert werden muss, dass bei Wirksamwerden des Restrukturierungsplans keine drohende Zahlungsunfähigkeit (mehr) vorliegt. Zudem muss die Erklärung zur Bestandsfähigkeit darlegen, dass der Schuldner bei Wirksamwerden des Restrukturierungsplans nachhaltig sanierungsfähig ist. Diskussionsfähig erscheint die Frage, ob der Fortbestand des Unternehmens – also die die nachhaltige Sanierungsfähigkeit des Schuldners – nach dem vorgelegten Restrukturierungskonzept in jedem Fall überwiegend wahrscheinlich sein muss oder ob es ausreichend sein kann, dass der Eintritt des Sanierungserfolgs mindestens ebenso wahrscheinlich ist, wie ein Scheitern der Sanierung. § 14 Abs. 2 StaRUG verlangt als Plananlage eine Vermögensübersicht sowie einen Ergebnis- und Finanzplan. Eine fortlaufende Liquiditätsplanung ist für die Planung des Restrukturierungsvorhabens darüber hinaus unabdingbar. 74 Der Gesetzgeber hat in § 16 StaRUG die gesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung einer Checkliste für Restrukturierungspläne geschaffen, welche an die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen angepasst ist. Diese ist auf der Internetseite des BMJ abrufbar90). Durch die Checkliste können den genannten Unternehmen, welche sich keinen hohen Berateraufwand leisten können, nützliche Hilfestellungen bei der Planvorbereitung geleistet werden.

___________ 89) Vgl. etwa Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 6. 90) Abrufbar unter https://www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/checkliste.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Stand: 14.7.2022 (Abrufdatum: 16.1.2023).

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§ 18 Planinitiativrecht Berner/Werner

I. Überblick...................................................... 1 II. Unterschiede zum Insolvenzplanverfahren ...................................................... 2 III. Strategische Überlegungen........................ 4 1. Entscheidungen über die Art des Abstimmungsverfahrens ....................... 4

I.

2. Zeitpunkt der Planvorlage ......................... 10 3. Stimmrechte und Mehrheiten.................... 12 IV. Praxisempfehlungen................................. 18

Überblick

Das StaRUG-Verfahren ist von dem Interesse und Engagement des Schuldners geprägt, 1 sich frühzeitig, nämlich im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit, mit mindestens einem Teil seiner Gläubiger auf der Basis eines Restrukturierungsplans zu einigen. Das StaRUG regelt die Frage des Planinitiativrechts – anders als § 218 InsO für den Insolvenzplan – nicht ausdrücklich. Es geht jedoch auch ohne explizite Regelung der Vorlageberechtigung davon aus, dass (nur) der Schuldner zur Planinitiative berechtigt ist. Ihm kommen die verfahrensleitenden Kompetenzen zu, wie an verschiedenen Stellen im Gesetz deutlich wird, vgl. nur §§ 17, 29 StaRUG, so dass er folgerichtig auch zur Planvorlage berechtigt ist. Andere Planinitiativrechte als das des Schuldners sieht das StaRUG1) nicht vor. II.

Unterschiede zum Insolvenzplanverfahren

Nach § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO sind der Insolvenzverwalter – gemäß § 218 Abs. 2 InsO im 2 Auftrag der Gläubigerversammlung – und der Schuldner zur Vorlage des Insolvenzplans berechtigt. Im Unterschied dazu geht das StaRUG nur von dem Planinitiativrecht des Schuldners aus. Insbesondere ist der Restrukturierungsbeauftragte im StaRUG-Verfahren nicht planvor- 3 lageberechtigt. Vorgesehen ist gemäß § 76 Abs. 4 StaRUG bei Vorlage des Restrukturierungsplans durch den Schuldner lediglich die Stellungnahme des Restrukturierungsbeauftragten zu der Erklärung nach § 14 Abs. 1 StaRUG, mithin zu den Aussichten auf Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit sowie der Sicher-/Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des Schuldners. Ein eigenes Planinitiativrecht – ähnlich des Planvorlagerechts des Insolvenzverwalters gemäß § 218 InsO – würde über den in den §§ 73 ff. StaRUG festgelegten Aufgabenkreis des Restrukturierungsbeauftragten deutlich hinausgehen. Gleiches gilt für ein Planinitiativrecht des Sanierungsmoderators. III.

Strategische Überlegungen

1.

Entscheidungen über die Art des Abstimmungsverfahrens

Nachdem die grundsätzliche Entscheidung für eine Sanierung im StaRUG-Verfahren ge- 4 fallen ist, wird wesentliche Vorfrage der Planinitiative regelmäßig die Wahl des Abstimmungsverfahrens sein. Das StaRUG bietet dem Schuldner die Möglichkeit, die Abstimmung über den Restrukturierungsplan außergerichtlich oder gerichtlich durchzuführen. Abhängig von dieser Entscheidung wird das Abstimmungsverfahren durch Abgabe des Planangebots des Schuldners gemäß §§ 17 ff. StaRUG oder durch den Antrag auf gerichtliche Planab___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

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§ 18

6. Teil Restrukturierungsplan – Planvorbereitung und Planinitiative

stimmung gemäß §§ 45 ff. StaRUG eingeleitet und sodann auf unterschiedliche Weise ausgestaltet. Der Schuldner ist wegen der deutlichen Verfahrensunterschiede gehalten, sich frühzeitig mit der Wahl des Abstimmungsverfahrens auseinanderzusetzen und eine Entscheidung hierüber zu treffen. 5 Die außergerichtliche Organisation der Abstimmung über den Restrukturierungsplan bietet dem Schuldner weitreichenden Gestaltungsspielraum, weil sie weitgehend frei von verfahrensrechtlichen Formalismen organisiert werden kann.2) Sie vollzieht sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in den vom Verfahrensrecht vorgegebenen Bahnen und Formen, sondern erfolgt in privater Selbstorganisation mit dem Ziel der privatautonomen Gestaltung der von dem Plan berührten Rechtsverhältnisse und damit ausschließlich in den Handlungsformen des Privatrechts. Mit dem an die Planbetroffenen gerichteten Angebot, den Plan anzunehmen, bringt der Schuldner im Zweifel zum Ausdruck, an die im gestaltenden Teil des Plans enthaltenen Regelungen gebunden sein zu wollen, sofern auch die Planbetroffenen an diese Regelungen gebunden werden (vgl. § 20 StaRUG), entweder infolge einer Annahme durch alle Planbetroffenen oder infolge einer gerichtlichen Bestätigung des angenommenen Plans gemäß §§ 60 ff. StaRUG.3) 6 § 17 StaRUG regelt die Mindestanforderungen, die an das Planangebot des Schuldners im außergerichtlichen Restrukturierungsverfahren gestellt werden. Hierbei ist weder eine Erörterung des Plans i. R. einer Versammlung noch ein zwingendes Formerfordernis vorgesehen. Ist der Restrukturierungsplan vor Vorlage des Planangebots nicht gemeinschaftlich erörtert worden, so hat das Planangebot gemäß § 17 Abs. 3 StaRUG lediglich den Hinweis darauf zu enthalten, dass auf Verlangen einer oder mehrerer Planbetroffener eine Versammlung der Planbetroffenen zur Planerörterung abgehalten wird. Es obliegt sodann den Planbetroffenen, die Einberufung einer solchen Versammlung zu betreiben. Findet die Versammlung statt und wird auf dieser zugleich der Plan zur Abstimmung gestellt, sieht § 19 StaRUG eine Einberufungsfrist von (nur) 14 Tagen vor. Verzichtet der Schuldner auf eine Planerörterung und -abstimmung i. R. einer Versammlung und begehrt deren Einberufung auch kein Dritter, so sieht § 19 StaRUG eine Annahmefrist für das Planangebot von mindestens 14 Tagen vor. 7 Der Schuldner dokumentiert gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 StaRUG den Ablauf des Planannahmeverfahrens und hält das Ergebnis der Abstimmung unverzüglich schriftlich fest, und zwar entweder nach Ablauf der Annahmefrist oder nach Durchführung der Abstimmung. Ist die Auswahl der Planbetroffenen, deren Einteilung in Gruppen oder die Zuweisung von Stimmrechten streitig geworden, ist dies gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 StaRUG in der Dokumentation zu vermerken (vgl. auch § 24 Abs. 4 StaRUG). 8 Der Schuldner hat mithin durch Wahl der außergerichtlichen Planabstimmung die Chance, sich zügig – durch Planannahme innerhalb von 14 Tagen oder durch Einberufung einer Planversammlung mit identischer Frist – und ohne langwierige vorherige Diskussionen oder eine obligatorische (gerichtliche) Vorprüfung restrukturieren zu können. Dies kann den Vorteil bieten, unliebsamen Gläubigern wenig Gelegenheit zur Befassung mit den Regelungen des Restrukturierungsplans einzuräumen. Die Planbetroffenen müssen in diesen Fällen aktiv auf die Einberufung einer Versammlung zur Erörterung des Plans hinwirken, um Einfluss auf den Planinhalt nehmen zu können. Der Schuldner hat ungeachtet dessen nach § 47 StaRUG auch bei der außergerichtlichen Planabstimmung die Möglichkeit, eine gerichtliche Vorprüfung des Restrukturierungsplans zu beantragen, um (neben den in § 46 ___________ 2) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 19. 3) So ausdrücklich die Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121.

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Abs. 1 Satz 2 StaRUG genannten Gegenständen) insbesondere auch die Anforderungen, die an das Planabstimmungsverfahren gemäß §§ 17 bis 22 StaRUG zu stellen sind, vorab gerichtlich prüfen zu lassen, vgl. § 47 Abs. 1 Satz 3 StaRUG. Im Unterschied hierzu ist das gerichtliche Abstimmungsverfahren deutlich formeller. 9 Es sieht das in §§ 23, 45, 46 StaRUG geregelte gerichtliche Abstimmungsverfahren vor, das auf Antrag des Schuldners eingeleitet wird und die Organisation und Durchführung der Abstimmung mit den Planbetroffenen über den Restrukturierungsplan durch das Restrukturierungsgericht vorsieht. In Anlehnung an das Insolvenzplanrecht (§ 235 Abs. 1 und 2 InsO) regelt § 45 Abs. 1 StaRUG die Bestimmung eines Termins, in dem zunächst der Restrukturierungsplan und das Stimmrecht der Planbetroffenen erörtert werden und sodann über den Plan abgestimmt wird. Dem Antrag des Schuldners auf Einberufung eines solchen Erörterungs- und Abstimmungstermins ist – zur Information des Restrukturierungsgerichts und der Planbetroffenen4) – gemäß § 45 Abs. 2 StaRUG der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen. Die Planbetroffenen sind nach § 45 Abs. 3 Satz 1 StaRUG zu dem Termin mit einer Ladungsfrist von 14 Tagen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) zu laden, wobei der Ladung gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 StaRUG der vollständige Restrukturierungsplan mit Anlagen beizufügen ist. Nach § 24 Abs. 4 StaRUG finden auf das Verfahren die §§ 239 bis 242 InsO entsprechende Anwendung. 2.

Zeitpunkt der Planvorlage

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Planvorlage im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren 10 ist die Vorlage des Planangebotes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, wonach dem Planangebot u. a. der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen ist. Dieser Zeitpunkt ist gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 StaRUG auch maßgeblich für die gestaltbaren Rechtsverhältnisse. Im gerichtlichen Abstimmungsverfahren entspricht der Zeitpunkt der Antragstellung ge- 11 mäß § 45 Abs. 1 StaRUG zugleich dem Zeitpunkt der Planvorlage, vgl. §§ 2 Abs. 5 Satz 1, 24 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG. 3.

Stimmrechte und Mehrheiten

Die Bestimmungen der §§ 24 ff. StaRUG zum Stimmrecht folgen insolvenzrechtlichen 12 Grundsätzen.5) Hierbei sind indes Ermessensspielräume möglich: Bei Absonderungsanwartschaften ist gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG etwa der Wert der Sicherheit maßgeblich, vgl. auch § 76 Abs. 2 Halbs. 2 InsO, bei Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten der Anteil am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners. Darüber hinaus können – wie im Insolvenzverfahren – Zweifel an Grund und Höhe des festzustellenden Anteils einer Restrukturierungsforderung bestehen. Die Stimmrechtsfestsetzung erfolgt abhängig von der Wahl des Abstimmungsverfahrens. 13 Nach § 17 Abs. 2 StaRUG hat der Schuldner im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren in seinem Planangebot u. a. darzulegen, welches Stimmrecht welchem Planbetroffenen zugewiesen wird. Besteht Streit über Stimmrechte, so kann der Schuldner (vorbehaltlich einer späteren Überprüfung durch das Restrukturierungsgericht) i. S. der Verfahrensökonomie bei der außergerichtlichen Abstimmung gemäß § 24 Abs. 4 StaRUG das Stimmrecht zugrunde legen, welches er den Planbetroffenen zugewiesen hat. In der Dokumentation der Abstimmung hat er zu vermerken, dass, inwieweit und aus welchem Grund das Stimmrecht streitig ___________ 4) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 5) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125.

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ist, vgl. § 24 Abs. 4 Satz 2 StaRUG. Dies dient der ggf. späteren gerichtlichen Nachprüfung des Stimmrechtsstreits gemäß § 63 Abs. 3 StaRUG. 14 Im gerichtlichen Abstimmungsverfahren legt das Restrukturierungsgericht gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 das Stimmrecht bei streitigen Stimmrechten von Forderungen, Absonderungsanwartschaften und gruppeninternen Drittsicherheiten oder Anteils – und Mitgliedschaftsrechten eines Planbetroffenen fest, sofern sich keine Einigkeit zwischen den Beteiligten erzielen lässt. Diese Entscheidung ist nicht rechtsmittelfähig, vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, da § 63 Abs. 3 StaRUG dies nicht ausdrücklich vorsieht. 15 Die Höhe der gewährten Stimmrechte ist maßgebend für das Erreichen der nach § 25 StaRUG erforderlichen Mehrheit in der jeweiligen Abstimmungsgruppe. § 25 StaRUG verlangt abweichend von der im Insolvenzplan erforderlichen Kopf- und Summenmehrheit (vgl. § 244 InsO) eine qualifizierte Summenmehrheit zur Annahme des Restrukturierungsplans von 75 % der Forderungssumme in jeder Gruppe. Eine Kopfmehrheit ist mithin nicht erforderlich. 16 Die in § 25 Abs. 1 StaRUG vorgesehene qualifizierte Mehrheit in jeder Gruppe für die Annahme des Plans stellt hohe Anforderungen an die Annahmefähigkeit des Plans. Es ist nämlich unbedingt zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung der Mehrheiten – anders als im Insolvenzverfahren – nicht nur auf die abstimmenden Gläubiger abgestellt wird, sondern auf alle Stimmberechtigten und deren Stimmrechte in der Gruppe. Die Beteiligung an der Abstimmung ist daher zur Erreichung von Mehrheiten in jeder Gruppe zwingend erforderlich. Nehmen Planbetroffene an der Abstimmung nicht teil, wird ihre Stimme als Votum „nein“ zu behandeln sein.6) Entsprechendes gilt für Planbetroffene, die sich bei der Abstimmung enthalten. 17 Die Regelungen zur qualifizierten Mehrheit werden von der Möglichkeit der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung in §§ 26, 27 StaRUG und der Durchbrechung der absoluten Priorität (anders als im Insolvenzplanrecht) in § 28 StaRUG flankiert. IV.

Praxisempfehlungen

18 Die Wahl des Abstimmungsverfahrens sollte der Planverfasser als Vorfrage der Planinitiative frühzeitig treffen. Hierbei sind die Gestaltungsfreiheiten der außergerichtlichen Planabstimmung gegenüber der mit dem gerichtlichen Abstimmungsverfahren einhergehenden Klarheit und Sicherheit abzuwägen. 19 Eine außergerichtliche Planabstimmung dürfte sich in Konstellationen anbieten, in denen ein überschaubarer Planbetroffenenkreis vorliegt und im Vorfeld der Planvorlage mit weitgehendem Konsens zu rechnen ist. Da eine Restrukturierung in der Praxis erfahrungsgemäß allerdings selten vollständig einvernehmlich umgesetzt werden kann, wird sich in vielen Fällen die gerichtliche Planabstimmung empfehlen. 20 Dies vor allem deswegen, weil eine außergerichtliche Planabstimmung – auch wenn die weitgehend eigenverantwortliche Selbstorganisation zunächst verlockend erscheinen mögen – zu deutlichen Risiken für den planinitiierenden Schuldner führt.7) Diese Risiken sind insbesondere bei der Planbestätigung gemäß § 63 StaRUG zu beachten. Liegt ein Versagungsgrund gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 StaRUG vor, wurden insbesondere gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans sowie über dessen Annahme in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet und behebt der Schuldner diesen Mangel nicht innerhalb einer ange___________ 6) Ebenso etwa Herzig in: Braun, StaRUG, § 25 Rz. 10. 7) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147; Hirte in: Braun, StaRUG, § 45 Rz. 1.

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messenen Frist, so versagt das Restrukturierungsgericht den Restrukturierungsplan von Amts wegen. Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Planabstimmungsprozesses und am 21 Zustandekommen des Abstimmungsergebnisses im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren gehen hierbei gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 StaRUG (allein) zulasten des Schuldners. Ist die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren erfolgt und besteht Streit über das einem Planbetroffenen zustehende Stimmrecht, legt das Restrukturierungsgericht gemäß § 63 Abs. 4 Satz 2 StaRUG seiner Entscheidung das nach Maßgabe von § 24 StaRUG zu bestimmende Stimmrecht zugrunde.8) Hierbei ist das Gericht weder an die (vorläufige) Festlegung der Stimmrechte durch den Schuldner in dessen Dokumentation des Abstimmungsergebnisses nach § 22 Abs. 1 StaRUG noch an das von dem Schuldner nach § 24 Abs. 4 StaRUG zugrunde gelegte Stimmrecht gebunden.9) Die Regelung dient dem Gläubigerschutz und soll nach dem Willen des Gesetzgebers als Korrektiv zu der dem Schuldner eingeräumten Möglichkeit, den Restrukturierungsprozess eigenverantwortlich und weitgehend frei von verfahrensrechtlichen Formalismen durchzuführen, dienen. Die Komplexität der Instrumentarien des StaRUG und die – auch nach den Erfahrungen aus der insolvenzrechtlichen Praxis – häufig streitigen Gruppenbildungs- und Stimmrechtsfestsetzungsszenarien lassen Raum für Auslegungsfragen und Zweifel an der Einhaltung der Verfahrens- und Abstimmungsregelungen. Eine im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren erlangte Planannahme bietet mithin vor dem Hintergrund der Zweifelsregelung in § 63 Abs. 4 StaRUG keine hinreichende Rechtssicherheit und ist Einfallstor für (insbesondere erfahrene bzw. gut beratene) opponierende Planbetroffene. Damit geht eine Unsicherheit über die Umsetzung der Restrukturierung einher, welche bis zum Abschlusszeitpunkt des Verfahrens andauert. In vielen Fällen wird sich vor dem Hintergrund der oben geschilderten Unwägbarkeiten das 22 gerichtliche Abstimmungsverfahren mit den Vorteilen der höheren Klarheit und besseren Planbarkeit empfehlen. Darüber hinaus dürfte die Einbindung in ein gerichtliches Verfahren in vielen Fällen auch zu einer höheren Akzeptanz bei den Planbetroffenen und damit zu mehr Vertrauen in das Restrukturierungskonzept führen. Schließlich spricht für die gerichtliche Abstimmung auch eine Verfahrensbeschleunigung, weil die (erneute) Anhörung der Planbetroffenen gemäß § 61 StaRUG nicht zwingend erforderlich ist. Der Planverfasser ist zusammenfassend gut beraten, bereits bei der Planinitiative und im 23 Vorfeld der Planvorlage die Gruppenbildung und insbesondere die Stimmrechte der Planbetroffenen zu analysieren und strategisch aufzustellen. In der Praxis werden mutmaßlich Stimmrechtsvollmachten zum Erreichen der angestrebten qualifizierten Mehrheiten eine große Rolle spielen. Diese sollte der Planverfasser idealerweise frühzeitig, bestenfalls sogar vor der Planvorlage, mit den Planbetroffenen abgestimmt und ggf. schon eingeholt haben. Die hohen Anforderungen an die Mehrheitserfordernisse zeigen, dass eine frühzeitige Kommunikation des Planinitiators mit den wesentlichen Planbetroffenen unerlässlich ist. Lediglich in den (wenigen) Konstellationen, in denen der Restrukturierungsplan Gestaltungen zum Nachteil von Minderheitsgläubigern (bzw. Minderheitsanteilseignern) vorsieht, von deren Stimmrechten die Planannahme nicht abhängt, erscheint eine frühzeitige Planerörterung aus taktischen Gründen entbehrlich. Sind von den Restrukturierungsmaßnahmen nur wenige (Finanz-)Gläubiger betroffen und ist mit Unstimmigkeiten im Verfahrensablauf nicht zu rechnen, kann eine (gut vorbereitete) außergerichtliche Planabstimmung ___________ 8) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162. 9) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162.

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geboten sein. In der Mehrzahl der Fälle wird wegen der mit ihr verbundenen Rechtssicherheit die gerichtliche Planabstimmung zu bevorzugen sein. 24 Insgesamt dürfte dem Planinitiator mit Blick auf die Komplexität des Verfahrens und mögliche Fallstricke eine frühzeitige kompetente und umfassende Beratung zu empfehlen sein. Damit wird – wie im Schrifttum zutreffend erkannt wurde10) – das StaRUG-Verfahren für kleine und mittlere Unternehmen, welche umfangreiche und qualifizierte Beratungskosten mutmaßlich nicht tragen können, entgegen der Vorstellungen des europäischen Gesetzgebers voraussichtlich nicht in Frage kommen.11)

___________ 10) Vgl. etwa Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 19. 11) Angestrebt war eine kostengünstige Restrukturierung, vgl. ErwG 17 der Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie [EU] 2019/1023).

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B. Inhalt des Restrukturierungsplans § 19 Darstellender Teil des Restrukturierungsplans Berner/Werner

I. 1.

Funktion des Restrukturierungsplans ..... 1 Bedeutung des Restrukturierungsplans im Regelungsgefüge des StaRUG ............... 1 2. Rechtsnatur des Restrukturierungsplans...... 6 3. Aufbau und notwendiger Inhalt des Restrukturierungsplans ......................... 7 4. Synopse zum Insolvenzplanrecht.............. 11 II. Funktion des darstellenden Teils des Restrukturierungsplans ..................... 13 III. Mindestanforderungen an den darstellenden Teil ........................................... 18 1. Grundsätzliche Ziele und Regelungsstruktur des Plans....................................... 18

2. 3. 4. 5. 6.

Auswahl der Planbetroffenen und Gruppenbildung ......................................... 19 Betriebswirtschaftliche Anforderungen an den Restrukturierungsplan ................... 29 Auswirkungen des Restrukturierungskonzepts auf die Arbeitsverhältnisse ........ 46 Vergleichsrechnung.................................... 51 Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten ........................................ 55

Literatur: Abel, Die Vergleichsrechnung im StaRUG und in der InsO, InsbürO 2022, 349: Arlt/ Brägelmann/Ludwig, Unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten bei Konsortialkreditverträgen und Kreditentscheidungen per Restrukturierungsplan?, ZInsO 2021, 1485; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des StaRUG (Teil 2), ZInsO 2020, 2617; Distler, Das Schlechterstellungsverbot gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG in Theorie und Praxis, ZIP 2021, 1033; Doebert/Krüger, Die strategische Gestaltung von Restrukturierungsplänen, NZI 2021, 614; Frind, Plötzlich erfolgte Gesetzesänderungen im StaRUG – sinnvoll?, ZInsO 2022, 1540; Frind, Das „plötzliche“ StaRUG-Verfahren – Probleme und Verwendungsgrenzen, ZInsO 2021, 1093; Göpfert/Giese, Die Arbeitnehmer im Gefüge des StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55; Herweg/Wirth, Der Restrukturierungsplan – Kernstück der präventiven Sanierung, DB 2021, 886; Jäger, Der Überbrückungskredit im Lichte des Entwurfs der Richtlinie über präventive Restrukturierungsmaßnahmen, WM 2018, 9; Mückl, Ein Jahr StaRUG – Aktuelle arbeitsrechtliche Streitfragen und Problemschwerpunkte, ZInsO 2022, 863; Nawroth, Der Restrukturierungsplan nach dem StaRUG, NWB 2021, 72; Schultz, Die Neuausrichtung der Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung – eine Zwischenbilanz, ZInsO 2022, 1434; Skauradszun, Die Vergleichsrechnung nach § 220 Abs. 2 InsO n. F., ZIP 2021, 1091; Stahlschmidt, Die Möglichkeiten des neuen Sanierungsrechts anhand eines Fallbeispiels, ZInsO 2021, 205; Steffan/Oberg/Poppe, SanInsFoG Vom Grobkonzept zum Vollkonzept – Anforderungen an die betriebswirtschaftlichen Konzepte im Restrukturierungsplan, Eigenverwaltungsplanung und Insolvenzplan, ZIP 2021, 617; Weber/Nentwig, An gesetzliche Vorgaben angepasst: IDW überarbeitet die Standards IDW S 11 (Insolvenzeröffnungsgründe), IDW S 9 (Bescheinigung nach § 270d InsO) und schafft einen neuen Standard IDW S 15 (Stabilisierungsanordnung nach § 49 StaRUG), ZInsO 2022, 857.

I.

Funktion des Restrukturierungsplans

1.

Bedeutung des Restrukturierungsplans im Regelungsgefüge des StaRUG

Der Restrukturierungsplan ist das zentrale Regelungswerk des präventiven Stabilisie- 1 rungs- und Restrukturierungsrahmens.1) Auf Basis einer den Anforderungen der §§ 25 f. StaRUG genügenden Mehrheitsentscheidung bildet der Plan die rechtliche Grundlage für Eingriffe in die Rechtspositionen der Planbetroffenen (siehe zum Begriff des Planbetroffenen die Legaldefinition in § 7 Abs. 1 StaRUG).2) Damit ist der Restrukturierungsplan – ebenso wie der Insolvenzplan – „ein Instrument zur kollektiv-privatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise“.3) Anders als das Insolvenzplanrecht ermöglicht das ___________ 1) 2) 3)

Herweg/Wirth, DB 2021, 886. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

StaRUG4) als Bindeglied zwischen der „streng verfahrensgebundenen Sanierungsoption des Insolvenzrechts und der freien Sanierung“5) indes auch teilkollektive Lösungen.6) Der Schuldner muss nicht notwendig alle Gläubiger in das Vorhaben einbeziehen.7) Vielmehr kann der Restrukturierungsplan die Aufbringung von Sanierungsbeiträgen nur durch einzelne Gläubiger vorsehen.8) Dabei steht die Auswahl der Planbetroffenen aber nicht im freien (ungebundenen) Ermessen des Schuldners, sondern hat – um Manipulationen vorzubeugen – nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen, die im darstellenden Teil des Insolvenzplans anzugeben und zu erläutern sind (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 StaRUG).9) Insoweit hat der Gesetzgeber die manipulative Beschränkung des Restrukturierungsplans durch den Schuldner auf einzelne Gläubiger bzw. Gläubigergruppen zumindest erschwert.10) 2 Bei der Planvorbereitung sollte von vorneherein beachtet werden, dass der Restrukturierungsplan bei Einleitung des Verfahrens jedenfalls in den wesentlichen Grundzügen erstellt ist. 3 So hat der Schuldner beim außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§§ 17 ff. StaRUG) dem Planangebot u. a. den vollständigen Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Es liegt auf der Hand, dass die Planbetroffenen einen unvollständigen oder sonst mangelhaften Plan mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehrheitlich annehmen werden. Unabhängig davon können fehlerhafte oder inhaltlich unzureichende Darstellungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 (n. F.) StaRUG11) die Versagung der ggf. beantragten gerichtlichen Planbestätigung nach sich ziehen.12) 4 Voraussetzung für die Durchführung des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (§§ 45 f. StaRUG) – als Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (vgl. § 29 Abs. 1 StaRUG i. V. m. § 29 Abs 2 Nr. 1 StaRUG) – ist die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht (vgl. § 31 Abs. 1 StaRUG). Auch der Anzeige hat der Schuldner entweder den Entwurf eines Restrukturierungsplans oder ein Restrukturierungskonzept beizufügen (vgl. § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG).13) Weder der Entwurf eines Restrukturierungsplans noch das Restrukturierungskonzept müssen in diesem Verfahrensstadium schlüssig oder mangelfrei sein.14) 5 Allerdings steigen die inhaltlichen Anforderungen an den Plan bzw. das Konzept im weiteren Verlauf des Verfahrens.15) Eine gerichtliche Stabilisierungsanordnung darf etwa nach § 51 Abs. 1 StaRUG nur ergehen, wenn die vom Schuldner vorgelegte – aktualisierte (vgl. § 50 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) – Restrukturierungsplanung vollständig und schlüssig ist.16) Die Umsetzung des beabsichtigten Vorhabens darf in diesem Stadium folglich nicht ___________ 4) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 5) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 91. 6) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 4. 7) Vgl. Herweg/Wirth, DB 2021, 886, 887. 8) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 8 Rz. 1. 9) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. 10) Vgl. Distler, ZIP 2021, 1033, 1034. 11) I. d. F. des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166. 12) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 33. 13) Die Anforderungen an das Restrukturierungskonzept hat der Gesetzgeber inhaltlich an die des Grobkonzepts nach § 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO für die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung angelehnt – vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 619. 14) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. 15) Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 625. 16) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135.

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Darstellender Teil des Restrukturierungsplans

§ 19

offensichtlich aussichtslos sein.17) Überdies fordert das Gesetz neben der Aktualisierung des Konzepts einen hierauf beruhenden Finanzplan über sechs (vier)18) Monate (vgl. § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).19) Genügt die Restrukturierungsplanung diesen Anforderungen nicht und gelingt es dem Schuldner auch nicht, etwaige Mängel innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist zu beheben (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 3 StaRUG), kann dies ggf. die Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 StaRUG zur Folge haben.20) Mithin sollte der Planverfasser möglichst bereits bei Anzeige des Restrukturierungsvorhabens sicherstellen, dass die Restrukturierungsplanung den Anforderungen für eine (beabsichtigte) spätere Stabilisierungsanordnung genügt.21) 2.

Rechtsnatur des Restrukturierungsplans

In der Literatur wird der Restrukturierungsplan als „Vergleich“ zwischen den Beteiligten 6 eingeordnet.22) Diese Betrachtungsweise dürfte zumindest für den im außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren nach den §§ 17 ff. StaRUG zustande gekommenen Plan zutreffen, da auf das Planangebot und die Erklärungen der Planbetroffenen zur Planannahme – sofern sich aus den §§ 19 ff. StaRUG nichts Abweichendes ergibt – die Regelungen über Willenserklärungen nach dem BGB anwendbar sind.23) Der Gesetzgeber hat die Frage nach der Rechtsnatur des Restrukturierungsplans unter Hinweis auf die im Insolvenzplanverfahren umstrittene Einordnung des Insolvenzplans als „spezifisch verfahrensrechtliches Instrument“24) oder „Vergleichs-Vertrag“25) offengelassen26). In der Tat erscheint die praktische Relevanz der Problematik gering,27) so dass auf eine weitere Darstellung an dieser Stelle verzichtet werden kann. 3.

Aufbau und notwendiger Inhalt des Restrukturierungsplans

Ein Restrukturierungsplan besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil 7 (§ 5 Satz 1 StaRUG). Beizufügen sind dem Plan zudem bestimmte Anlagen (vgl. § 5 Satz 3 StaRUG). Einzelheiten zum notwenigen Inhalt des Restrukturierungsplans enthalten die §§ 6 bis 15 StaRUG und die Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG. Damit greift der Gesetzgeber wegen der funktionalen Übereinstimmungen zwischen Insolvenz- und Restrukturierungsplan auf die in der Praxis bereits erprobten Regelungen der §§ 219 ff. InsO zurück28). Auch der Insolvenzplan ist zwingend in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil zu gliedern (vgl. § 219 InsO). Vor diesem Hintergrund kann sich der Planverfasser bei Auf___________ 17) Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 620, sowie Weber/Nentwig, ZInsO 2022, 857, 862. 18) Das Bundeskabinett hat am 5.10.2022 im Zuge die geplanten Änderung des COVInsAG – und dessen Umbenennung in „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (SanInsKG)“ u. a. die Herabsetzung der Prognosezeiträume bei der Überschuldungsprüfung (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO), dem Finanzplan beim Eigenverwaltungsantrag (§ 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO) und dem Finanzplan nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG auf jeweils vier Monate – befristet bis zum 31.12.2023 – beschlossen. Der Entwurf des Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (vgl. zur finalen Fassung, BT-Drucks. 20/4087) wurde vom Bundestag am 20.10.2022 verabschiedet und am 8.11.2022 im Bundesanzeiger veröffentlicht (BGBl. I 2022, 1966). Die Änderungen des COVInsAG traten am 9.11.2022 in Kraft. 19) Eingehend Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 623 ff. 20) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. 21) Vgl. (insbesondere aus betriebswirtschaftlicher Sicht) Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 620. 22) Herweg/Wirth, DB 2021, 886 m. w. N. 23) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121. 24) Vgl. z. B. Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, Vor §§ 217 ff. Rz. 13 m. w. N. 25) Vgl. Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 217 Rz. 31. 26) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121 f. 27) S. aber Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, Vor §§ 217 ff. Rz. 13 m. w. N. 28) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109 sowie S. 115.

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§ 19

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

bau und Inhalt des Restrukturierungsplans ergänzend an den insolvenzplanrechtlichen Vorschriften bzw. der hierzu vorliegenden Literatur und Rechtsprechung orientieren. Dabei wird es sich anbieten, auf den in der Insolvenzpraxis bewährten Gliederungsvorschlag zum Insolvenzplan nach IDW S 229) zurückzugreifen (siehe für den Insolvenzplan Geiwitz/ v. Danckelmann, HRI II, § 20 Rz. 4).30) Die konkrete Gliederung des Plans hat der Planverfasser auf den jeweiligen Einzelfall auszurichten.31) 8 Zu beachten ist, dass sich Unterschiede zum Insolvenzplanrecht aus den Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie32) ergeben (können).33) Restrukturierungspläne müssen nach Art. 8 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie mindestens die dort im Einzelnen in lit. a bis h geregelten Informationen enthalten. Der deutsche Gesetzgeber hat diese europarechtlichen Vorgaben zur „besseren Lesbarkeit des Gesetzestextes“ im Wesentlichen34) in die Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG ausgelagert und dort – dem Vorbild der Restrukturierungsrichtlinie folgend – einen Katalog der notwendigen Angaben im Restrukturierungsplan in Nr. 1 bis Nr. 8 aufgestellt.35) 9 Neben den sich aus den §§ 5 bis 15 ergebenden Angaben hat der Restrukturierungsplan danach mindestens die folgenden Angaben zu enthalten: 

Firma oder Namen und Vornamen, Geburtsdatum, Registergericht und Registernummer, unter der der Schuldner in das Handelsregister eingetragen ist, Geschäftszweig oder Beschäftigung, gewerbliche Niederlassungen oder Wohnung des Schuldners und bei mehreren Niederlassungen die Hauptniederlassung;



die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners zum Zeitpunkt der Vorlage des Restrukturierungsplans, einschließlich einer Bewertung der Vermögenswerte, eine Beschreibung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und der Position der Arbeitnehmer sowie eine Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners;



die Planbetroffenen, die entweder namentlich zu benennen oder unter hinreichend konkreter Bezeichnung der Forderungen oder Rechte zu beschreiben sind;



die Gruppen, in welche die Planbetroffenen für die Zwecke der Annahme des Restrukturierungsplans unterteilt wurden, und die auf deren Forderungen und Rechte entfallenden Stimmrechte;



die Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften sowie Inhaber von Anteilsoder Mitgliedschaftsrechten, die nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden, zusammen mit einer Erläuterung der Gründe für die unterbliebene Einbeziehung; eine Beschreibung unter Bezugnahme auf Kategorien gleichartiger Gläubiger, Inhaber

___________ 29) Vgl. IDW Standard, Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW S 2), Stand: 18.11.2019, IDW Life 1/2020, S. 45. 30) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 5 Rz. 4; für eine analoge Anwendung der bestehenden IDW-Standards bei Erstellung des Restrukturierungsplans aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 618 f. 31) Eine Vorlage für den Aufbau eines Restrukturierungsplans findet sich etwa bei Böhm in: Braun, StaRUG, § 5 Rz. 4. 32) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 33) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115 f. 34) Die Vorgaben gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. h der Restrukturierungsrichtlinie hat der Gesetzgeber in § 14 StaRUG umgesetzt (vgl. z. B. Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 2). 35) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115 f.

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§ 19

Darstellender Teil des Restrukturierungsplans

von Absonderungsanwartschaften sowie Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten genügt, wenn dadurch die Überprüfung der sachgerechten Abgrenzung nach § 8 StaRUG nicht erschwert wird; 

Name und Anschrift des Restrukturierungsbeauftragten, sofern ein solcher bestellt ist;



die Auswirkungen des Restrukturierungsvorhabens auf die Beschäftigungsverhältnisse sowie Entlassungen und Kurzarbeiterregelungen und die Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretung;



sofern der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung vorsieht, die Gründe für die Erforderlichkeit dieser Finanzierung.

Nach Art. 8 Abs. 2 Restrukturierungsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten online eine um- 10 fassende, an die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen angepasste Checkliste für Restrukturierungspläne zur Verfügung zu stellen. Die Checkliste soll praktische Leitlinien dazu enthalten, wie der Restrukturierungsplan nach nationalem Recht zu erstellen ist. In § 16 StaRUG ist vorgesehen, eine entsprechende Checkliste online auf der Seite des BMJ zur Verfügung zu stellen. Das BMJ hat am 14.7.2022 eine umfangreiche Checkliste vorgelegt und zum Download bereitgestellt.36) Jede Checkliste kann –was sich mit Blick auf die Vielzahl möglicher Gestaltungsvarianten zwangslos erschließt – indes nur eine Orientierungshilfe für die Planerstellung bieten und insbesondere eine fachkundige Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. 4.

Synopse zum Insolvenzplanrecht

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich der deutsche Gesetzgeber bei den 11 Bestimmungen zum Restrukturierungsplan bewusst eng an den insolvenzrechtlichen Regelungen orientiert hat. Unterschiede zum Insolvenzplanrecht bestehen vor allem dort, wo sie aufgrund der Vorgaben des europäischen Richtliniengebers geboten waren. Die wesentlichen Regelungen sowie etwaige Abweichungen zu den insolvenzplanrechtlichen Vorschriften werden in der folgenden Tabelle37) abschließend gegenübergestellt: 12

Übersicht Regelungsgegenstand

Restrukturierungsplan –

Insolvenzplan –

wesentliche §§ des StaRUG

wesentliche §§ der InsO

Einbezogene Gläubiger

Auswahlermessen des Schuldners, „Planbetroffenheit“, §§ 8 f. – ausgenommen sind die Rechtsverhältnisse des § 4

Alle, optional die absonderungsberechtigten Gläubiger, Rechte von Insolvenzgläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten und die Anteilsinhaber, §§ 217, 223, 223a, 225a

Planinitiative

Schuldner, „Planangebot“, § 17

Schuldner, Insolvenzverwalter, § 218

Gliederung

Abweichend vom Insolvenzplan aufgrund Mindestinhalten nach der RL, siehe Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG

§ 219

___________ 36) BMJ, Checkliste für Restrukturierungspläne gem. § 16 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG), abrufbar unter https://www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/checkliste.html (Abrufdatum: 16.1.2023). 37) Synopse nach Cranshow/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2620.

Berner/Werner

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§ 19

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

Regelungsgegenstand

Restrukturierungsplan – wesentliche §§ des StaRUG

wesentliche §§ der InsO

Darstellender Teil

§6

§ 220

Gestaltender Teil

§7

§ 221

Gruppenbildung

§ 9, in Teilen abweichend vom Insolvenzplan, u. a. bei den nachrangigen Restrukturierungsgläubigern

§ 222 n. F., nach Art. 5 Nr. 23 SanInsFoG um die Gruppe der „Inhaber […] von Rechten aus gruppeninternen Drittsicherheiten“ ergänzt (§ 222 Abs. 1 Nr. 5 InsO i. d. F. des SanInsFoG)

Planzustimmung

§§ 244 ff., gerichtliches §§ 17 ff., 23, 45 f. Zustimmung Abstimmungsverfahren durch alle ohne Abstimmungsverfahren; „außergerichtliches“ Abstimmungsverfahren oder gerichtliches Abstimmungsverfahren

Mehrheiten

Gruppenabstimmung – qualifizierte Einfache Kopf- und Forderungsmehrheit, § 244 Summen-/Forderungsmehrheit (75 %), § 25

Cram-down

„Absolute“ und „Relative Priority Rule“, §§ 26 – 28, inhaltlich weitergehend als § 245 InsO

§ 245 Abs. 2, 2a n. F., nach Art. 5 Nr. 29 SanInsFoG, mit „Einstieg“ in eine Relative Priority Rule, abweichend von §§ 26 f. StaRUG

Gerichtliche Bestätigung des Plans

Nur bei fehlender Zustimmung aller Planbetroffenen und nur auf Schuldnerantrag, § 60 Abs. 1 Satz 1

Zwingend, § 248

Wirkungen des Plans

§§ 67 ff., Verfahrensabweichung: §§ 254 ff.; Wirksamkeit tritt mit Wirksamkeit bereits mit Bestätigung; Rechtskraft ein ansonsten im Wesentlichen mit dem Insolvenzplanverfahren vergleichbar

Gegenseitige Verträge

Keine Regelung analog §§ 103 ff. InsO

Wechsel der Rolle des Richters als Plangestalter außerhalb der Rechtmäßigkeitskontrolle bei noch nicht beiderseits vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge

Entfallen im Gesetzgebungsverfahren Keine Entsprechung

„Schuldbefreiung (Umfang)“

§ 67 Abs. 1, 3

II.

Insolvenzplan –

§§ 103 ff.

§ 227

Funktion des darstellenden Teils des Restrukturierungsplans

13 Der darstellende Teil des Restrukturierungsplans beschreibt die Krisenursachen und die Maßnahmen, die zu ihrer Bewältigung vorgesehen sind (vgl. § 6 Abs. 1 StaRUG). Er dient der umfassenden Information der Beteiligten (Planbetroffene und Gericht) und hat daher alle Angaben und Informationen zu enthalten, die für eine Entscheidung über die Zustimmung zum Plan notwendig bzw. für die gerichtliche Bestätigung erheblich sind.38) Dem___________ 38) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116, sowie Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 1.

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Darstellender Teil des Restrukturierungsplans

§ 19

gegenüber werden im gestaltenden Teil die Rechtswirkungen des Restrukturierungsplans festgelegt (siehe dazu ausführlich Berner/Werner, HRI I, § 20).39) Beide Teile müssen vom Planverfasser gewissenhaft und sorgfältig sowie mit großer Auf- 14 merksamkeit erstellt werden. Mängel des Plans wecken – auch wenn sie im weiteren Verlauf des Verfahrens noch behoben werden können – Zweifel bei den Beteiligten am Restrukturierungswillen des Schuldners sowie (und vor allem) an der Tragfähigkeit des im Plan dargestellten Restrukturierungskonzepts.40) Daher sollte bei der Planerstellung – neben Richtigkeit und Vollständigkeit – vor allem 15 auf Übersichtlichkeit und gute Lesbarkeit geachtet werden.41) Das gilt insbesondere für den darstellenden Teil des Restrukturierungsplans, mit dem der Schuldner die Planbetroffenen und das Gericht von der Notwendigkeit des Restrukturierungsvorhabens überzeugen muss.42) Der notwendige Inhalt des darstellenden Teils ergibt sich im Einzelnen aus § 6 StaRUG. 16 Die Vorschrift orientiert sich an § 220 Abs. 2 InsO n. F. und wird durch die Regelungen in §§ 8 Satz 1, 9 Abs. 2 Satz 3 StaRUG sowie den Vorgaben in der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG ergänzt. Außerdem sind dem Restrukturierungsplan die folgenden – in den Anlagen nach den §§ 14, 15 StaRUG im Einzelnen spezifizierten – Erklärungen und Rechenwerke beizufügen:43) 

Eine begründete Erklärung zu den Aussichten darauf, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Plan beseitigt wird und dass die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt wird (§ 14 Abs. 1 StaRUG).



Eine Vermögensübersicht, in der die sich bei Wirksamwerden des Plans gegenüberstehenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit ihren Werten aufgeführt sind (§ 14 Abs. 2 Satz 1 StaRUG).



Eine Darstellung der zu erwartenden Aufwendungen und Erträge für den Zeitraum, während dessen die Gläubiger befriedigt werden sollen und durch welche Abfolge von Einnahmen und Ausgaben die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens während dieses Zeitraums gewährleistet werden soll (§ 14 Abs. 2 Satz 2 StaRUG).



Gegebenenfalls (rechtsformabhängig) eine Erklärung der Personen, die nach dem Plan persönlich haftende Gesellschafter des schuldnerischen Unternehmens sein sollen, hinsichtlich der Bereitschaft, das Unternehmen auf Grundlage des Plans weiterzuführen (§ 15 Abs. 1 StaRUG).



Gegebenenfalls die Zustimmungserklärung eines jeden Gläubigers, der Anteils-, Mitgliedschaftsrechte oder Beteiligungen an einer juristischen Person, einem nicht rechtsfähigen Verein oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit übernehmen will (§ 15 Abs. 2 StaRUG).



Gegebenenfalls die Zustimmungserklärung eines Dritten, wenn dieser im Fall der Bestätigung des Plans Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern übernommen hat (§ 15 Abs. 3 StaRUG).

Gegebenenfalls die Zustimmung von Tochterunternehmen, wenn der Restrukturierungsplan Eingriffe in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten vorsieht (§ 15 Abs. 4 StaRUG). ___________ 

39) 40) 41) 42) 43)

Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 7 Rz. 32 f. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 5 Rz. 6. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 32. Übersicht bei Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 32.

Berner/Werner

461

§ 19

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

17 Die gemäß der §§ 14, 15 StaRUG beizufügenden Anlagen gehören nicht zum darstellenden Teil des Plans, sondern bilden einen eigenständigen (Anlagen-)Teil des Restrukturierungsplans.44) Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die Ausführungen von Nickert, HRI I, § 21 in diesem Handbuch verwiesen. III.

Mindestanforderungen an den darstellenden Teil

1.

Grundsätzliche Ziele und Regelungsstruktur des Plans

18 Der darstellende Teil beschreibt die Grundlagen und Auswirkungen des Restrukturierungsplans (§ 6 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Ebenso wie durch Insolvenzplan können durch einen Restrukturierungsplan neben den Maßnahmen der passivseitigen Restrukturierung (Kürzung, Stundung oder Umwandlung von Verbindlichkeiten) auch vermögensbezogene Maßnahmen (z. B. die Veräußerung von Vermögensgegenständen, Unternehmensteilen oder des gesamten Unternehmens) gestaltet werden.45) Einleitend sollte der Planverfasser daher einen Überblick über die angestrebten Ziele und die Regelungsstruktur des Plans geben46) (für den Insolvenzplan siehe Geiwitz/v. Danckelmann, HRI II, § 21 Rz. 10 ff.). 2.

Auswahl der Planbetroffenen und Gruppenbildung

19 Im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans ist aufzuzeigen, in welche Gläubigerrechte nach dem gestaltenden Teil des Plans eingegriffen werden soll und wie die Gruppenbildung erfolgt.47) 20 Das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG ist – anders als das Insolvenz(plan)verfahren nach der InsO48) – kein Gesamtvollstreckungsverfahren49). Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ermöglichen dem Schuldner teilkollektive Sanierungslösungen, insbesondere selektive Eingriffe nur in die Forderungen einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen.50) Die Auswahl der betroffenen Gläubiger liegt grundsätzlich allein im Ermessen des Schuldners,51) der dabei im Ausgangspunkt zunächst „nur“ die Regelung des § 4 StaRUG, nach der bestimmte Rechtsverhältnisse von einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan ausgenommen sind, zu beachten hat. Auch bei der (fakultativen) Gruppenbildung nach § 9 Abs. 2 StaRUG hat der Schuldner ein weites Ermessen.52) Das Gesetz eröffnet dem Planverfasser mithin erhebliche strategische Gestaltungspielräume.53) Durch eine geschickte Auswahl der Planbetroffenen und/oder eine geschickte Gruppenbildung kann der Schuldner das Abstimmungsergebnis maßgeblich in seinem Sinne beeinflussen.54) Das ist grundsätzlich zulässig und nicht zu beanstanden.55) ___________ 44) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 30. 45) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109 f., sowie Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 3. 46) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 4. 47) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 4. 48) Das Insolvenzverfahren dient nach § 1 InsO der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, die ihre Forderungen grundsätzlich nur innerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgen können (vgl. § 87 InsO i. V. m. § 38 InsO). 49) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117, sowie z. B. Nawroth, NWB 2021, 72, 75. 50) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 8 Rz. 1. 51) Vgl. Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205, 206. 52) Vgl. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61 a RES 1/21, Rz. 13, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544, mit Hinweis auf Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205. 53) Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618 – m. Hinweis auf den der Entscheidung des AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61 a RES 1/21, Rz. 13, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544, zugrunde liegenden Sachverhalt. 54) Vgl. Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618, sowie Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205, 207. 55) Vgl. zu § 222 InsO: Thies in: HambKomm-InsO, § 222 Rz. 3.

462

Berner/Werner

Darstellender Teil des Restrukturierungsplans

§ 19

Die Grenze zum Rechtsmissbrauch ist dort überschritten, wo der Schuldner durch manipu- 21 lative Plangestaltungen, „den Schutzmechanismus“ des § 26 StaRUG aushebeln würde.56) Sowohl die Auswahl der Gläubiger wie auch die Abgrenzung der Gläubigergruppen muss der Schuldner daher nach sachgerechten Kriterien vornehmen, die im darstellenden Teil anzugeben (§ 9 Abs. 2 Satz 2, 3 StaRUG) bzw. anzugeben und zu erläutern sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Dabei ist freilich zu beachten, dass ein Verstoß gegen das Gebot der sachgerechten Auswahl und Abgrenzung nur eingeschränkt justitiabel – insbesondere nicht rechtsmittelfähig – ist.57) Eine Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG i. V. m. 22 § 32 Abs. 1 StaRUG im gerichtlichen Verfahren käme wegen des dem Schuldner vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraums allenfalls bei evident rechtsmissbräuchlichen Verstößen in Betracht.58) Möglich ist demgegenüber (ggf. unter den weiteren Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 StaRUG [n. F.])59) eine Versagung der Planbestätigung nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, wenn das Gericht die Darstellung und Erläuterung der Gruppenbildung als unzureichend bewertet.60) Auf eine nachvollziehbare und umfassende Erläuterung der Kriterien für die Auswahl der Gläubiger sowie die Abgrenzung der Gläubigergruppen sollte daher bei der Erstellung des Plans unbedingt geachtet werden.61) Größtmögliche Transparenz empfiehlt sich insbesondere dann, wenn zwischen dem Schuld- 23 ner und den Planbetroffenen – etwa aus Zeitgründen, weil der präventive Restrukturierungsrahmen zur Abwendung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung i. S. von § 19 InsO in Anspruch genommen wird62) – vor Einleitung des Verfahrens keinerlei Verhandlungen über das Restrukturierungsvorhaben geführt wurden. Die Einleitung des Verfahrens kommt für die Planbetroffenen in diesen Fällen häufig „überraschend“ und weckt bei ihnen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit dieser strategischen Herangehensweise63) – (vermeidbare) Zweifel an der Ausgewogenheit der Planregelungen. Gläubigern ist ggf. zu empfehlen, beim Restrukturierungsgericht die Anberaumung eines Vorprüfungstermins nach § 46 Abs. 3 StaRUG anzuregen, um das Gericht so schon frühzeitig über zweifelhafte Plangestaltungen zu informieren und es entsprechend zu sensibilisieren.64) Zu konstatieren bleibt, dass das Auswahlermessen des Schuldners in mehrfacher Weise 24 begrenzt wird. Zum einen bestimmen die §§ 2 – 4 StaRUG, welche Rechtsverhältnisse einer Gestaltung auf Grundlage eines Restrukturierungsplans zugänglich sind oder nicht. Zum anderen hat der Schuldner – zur Vermeidung manipulativer Plangestaltungen – die Auswahl der Planbetroffenen nach sachgerechten Kriterien vorzunehmen, die im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans anzugeben und zu erläutern sind (vgl. § 8 Satz 1 StaRUG). ___________ 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62)

63) 64)

In diesem Sinne zum Insolvenzplanrecht Thies in: HambKomm-InsO, § 222 Rz. 18. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 8 Rz. 14. A. A. Böhm in: Braun, StaRUG, § 8 Rz. 14 – keine Aufhebung nach § 33 StaRUG möglich. I. d. F. des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166. Vgl. Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 6, sowie Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 33. So zu Recht: Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618. Eine die Überschuldung ausschließende (positive) Fortbestehensprognose kann auch aus der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung eines Sanierungs- oder Restrukturierungsvorhabens resultieren – s. Begr. RegE SanInsFoG z. InsO, BT-Drucks. 19/24181, S. 197; vgl. auch Biendl in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 10 Rz. 9 ff. (dort in Rz. 18 auch zum Streitstand, ob die erfolgte Anzeige beim Restrukturierungsgericht Voraussetzung für die Annahme einer positiven Fortbestehensprognose ist). Eingehend und krit. zum „überraschenden StaRUG-Verfahren“ Frind, ZInsO 2021, 1093 ff.; vermittelnd Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 616 f. Vgl. dazu auch Frind, ZInsO 2021, 1093, 1098.

Berner/Werner

463

§ 19

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

25 § 8 Satz 2 StaRUG nennt in Nr. 1 bis Nr. 3 drei Regelbeispiele für eine sachgerechte Auswahl. Hiernach liegt stets eine angemessene Auswahl vor, 

wenn die nicht einbezogenen Gläubiger auch in einem Insolvenzverfahren volle Befriedigung erwarten dürften (Nr. 1) oder



wenn – mit Ausnahme der in § 4 StaRUG genannten Gläubiger, deren Forderungen kraft Gesetzes nicht im Restrukturierungsplan gestaltet werden können – alle Gläubiger in den Plan einbezogen werden (Nr. 3).

26 Beide Fallgruppen werden in der Praxis voraussichtlich eher die Ausnahme sein. Praxisrelevant ist demgegenüber die Fallgruppe des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG. Nach dieser Vorschrift ist die Auswahl sachgerecht, wenn die getroffene Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint. Davon ist nach dem Gesetzeswortlaut („insbesondere“) ohne Weiteres auszugehen, wenn ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und deren Sicherheiten gestaltet werden oder wenn Forderungen von Kleingläubigern unberührt bleiben. Mit der Regelung bezweckt der Gesetzgeber u. a. eine Restrukturierung „auf Augenhöhe“ mit den Gläubigern.65) Bei Finanzgläubigern handelt es sich in der Regel um professionelle, mit Sanierungsverfahren vertraute Gläubiger, die ihre Interessen – anders als Kleingläubiger – im Restrukturierungsverfahren wirkungsvoll vertreten können.66) Überdies können durch eine Beschränkung der gestaltenden Planregelungen auf Finanzgläubiger Störungen im operativen Geschäftsbetrieb weitestgehend vermieden werden.67) 27 Das bedeutet aber nicht, dass die Einbeziehung von Kleingläubigern im Umkehrschluss stets unsachgemäß wäre.68) Ebenso kann die Gestaltung von Forderungen aus Lieferantenkrediten oder sonstigen Rechtsverhältnissen im jeweiligen Einzelfall sachgerecht sein.69) 28 Wegen der Einzelheiten zur Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen nach § 9 StaRUG siehe Berner/Werner, HRI I, § 20 Rz. 30 ff., sowie ausführlich Barnert, HRI I, § 23. 3.

Betriebswirtschaftliche Anforderungen an den Restrukturierungsplan

29 Der darstellende Teil des Restrukturierungsplans enthält das betriebswirtschaftliche Restrukturierungskonzept, das zentral für den Erfolg der angestrebten Sanierung ist.70) Mit dem Konzept muss der Planverfasser den Nachweis führen, dass die beabsichtigen Maßnahmen zur (nachhaltigen) Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderlich sind (vgl. § 29 Abs. 1 StaRUG) und durch sie die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sicher- oder wiederhergestellt wird (vgl. § 14 Abs. 1 StaRUG – zum Begriff der Bestandsfähigkeit siehe unten Rz. 36 ff.). Zu beachten ist, dass sich sowohl die Anforderungen an das betriebswirtschaftliche Konzept selbst als auch der Maßstab für seine Umsetzungswahrscheinlichkeit mit zunehmendem Verfahrensfortschritt verdichten (siehe dazu bereits oben Rz. 5).71) ___________ 65) Herweg/Wirth, DB 2021, 886, 888. 66) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 67) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118, und zu alledem auch Böhm in: Braun, StaRUG, § 8 Rz. 8. 68) Vgl. z. B. Böhm in: Braun, StaRUG, § 8 Rz. 10. 69) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 70) Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617 (s. in diesem Zusammenhang auch deren grundlegende Ausführungen zu den Kernanforderungen an das Sanierungskonzept in der außergerichtlichen Sanierung ab S. 624 ff.). 71) Vgl. dazu ausführlich Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617 ff.

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Darstellender Teil des Restrukturierungsplans

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Im Restrukturierungsplan sind alle für die betriebswirtschaftliche Beurteilung der ange- 30 strebten Sanierung irgendwie relevanten Informationen umfassend und transparent zu erteilen.72) Geboten ist „[…] eine intensive Befassung mit der wirtschaftlichen und rechtlichen Ausgangslage des Unternehmens in seinem wirtschaftlichen Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, dem Krisenstadium und den Krisenursachen, der Erarbeitung eines Leitbilds mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens und den hierfür erforderlichen leistungswirtschaftlichen und finanziellen Sanierungsmaßnahmen“.73) Entsprechende Vorgaben des Gesetzgebers ergeben sich bereits aus den als Plananlagen 31 beizufügenden Erklärungen und Aufstellungen nach § 5 Satz 2 StaRUG und den §§ 14, 15 StaRUG.74) Doppelungen sind aus Gründen der Übersichtlichkeit möglichst zu vermeiden.75) Ergänzend sollte sich der Planverfasser bei den inhaltlichen Anforderungen an das betriebswirtschaftliche Konzept an bestehenden IDW-Standards orientieren und diese ggf. in analoger Anwendung heranziehen.76) Insgesamt empfiehlt sich die Hinzuziehung eines unabhängigen und fachkundigen Dritten.77) Im Einzelnen hat der Planverfasser die Krise sowie ihre Ursachen und die mit dem Re- 32 strukturierungsplan verfolgten Ziele darzustellen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Dazu sind die für die Beurteilung des Vorhabens notwendigen Unternehmensdaten zu beschreiben. Geboten sind Ausführungen zur bisherigen Unternehmensentwicklung, den rechtlichen, finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Verhältnissen sowie den organisatorischen Grundlagen.78) Die Ursachen der Krise sind zu analysieren und das Krisenstadium zu beschreiben.79) Bei Darstellung der Krisenursachen ist zwischen endogenen und exogenen Ursachen zu 33 unterscheiden (siehe Geiwitz/v. Dankelmann, HRI II, § 21 Rz. 47 ff.). Während endogene Ursachen im Unternehmen selbst entstanden sind (etwa durch Fehler des Managements), können exogene Ursachen vom schuldnerischen Unternehmen nicht selbst beeinflusst werden (siehe Geiwitz/v. Dankelmann, HRI II, § 21 Rz. 49). Zu nennen sind hier bspw. eine Veränderung des Kaufverhaltens der Kunden, Störungen in der Lieferkette oder behördlich angeordnete Betriebsschließungen wie etwa i. R. der aktuellen Corona-Pandemie. Sodann ist das Leitbild mit dem Geschäftsmodell des durch den Plan zu sanierenden 34 Unternehmens zu entwickeln und darzustellen.80) Der Ist-Situation ist also die mit dem Plan angestrebte Soll-Situation gegenüberzustellen. Anschließend ist aufzuzeigen, welche Maßnahmen zur Bewältigung der Krise und zur 35 Erreichung des Leitbilds des durch den Restrukturierungsplan umzugestaltenden Unternehmens vorgesehen sind.81) „Gesondert hervorzuheben“ sind nach § 6 Abs. 1 Satz 3 StaRUG dabei die Maßnahmen, die nicht über den gestaltenden Teil des Plans umgesetzt werden ___________ 72) 73) 74) 75) 76)

77) 78) 79) 80) 81)

Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 6. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 7. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 6 und § 14 Rz. 23. Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 618; zur Anpassung bestehender IDW-Standards an die gesetzlichen Vorgaben des SanInsFoG sowie zum „neuen“ IDW ES 15 („Anforderungen an die Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 StaRUG und Beurteilung der Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung [§ 51 StaRUG]“) eingehend Weber/Nentwig, ZInsO 2022, 857 ff. Vgl. Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 23. Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 624. Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 624. Zu den Einzelheiten s. z. B. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 624. Vgl. z. B. Böhm in: StaRUG, § 6 Rz. 6 f.

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können oder sollen. Auf dieser Grundlage ist eine integrierte Unternehmensplanung – bestehend aus Ergebnis- Finanz- und Vermögensplan – zu erstellen, um eine Aussage über die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens treffen zu können (Geiwitz/v. Dankelmann, HRI II, § 21 Rz. 52, 98). Zugleich ist zu erläutern, welche Folgen voraussichtlich eintreten werden, wenn der Plan nicht wirksam wird.82) 36 Fraglich ist, mit welchem Maß an Wahrscheinlichkeit der angestrebte Sanierungserfolg eintreten muss. Mit anderen Worten: Wie wahrscheinlich muss die erfolgreiche Umsetzung der im Restrukturierungskonzept beschriebenen Maßnahmen sein? Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, was konkret unter dem Begriff „Bestandsfähigkeit“ i. S. von § 14 Abs. 1 StaRUG zu verstehen ist. Im StaRUG selbst oder in der Gesetzesbegründung wird der Begriff nicht definiert oder erläutert. Auch die Restrukturierungsrichtlinie enthält dazu keine Vorgaben.83) In der Literatur wird vertreten, dass der Begriff der Bestandsfähigkeit – neben der (nachhaltigen) Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit84) – die nachhaltige und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit85) anzunehmende Beseitigung der Krisenursachen durch den Restrukturierungsplan voraussetzt86). Danach wäre es unzureichend, wenn durch das Restrukturierungsvorhaben zwar die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beseitigt und der Eintritt der materiellen Insolvenz (§§ 17, 19 InsO) abgewendet werden würde, der Fortbestand des Unternehmens aber nicht wahrscheinlicher wäre als ein Scheitern der Sanierung.87) Die Erklärung zur Bestandsfähigkeit soll danach ein Sanierungskonzept erfordern, das die Refinanzierungs- und Wettbewerbsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens – und damit die Sanierungsfähigkeit – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aufzeigt.88) Gefordert wird ein Konzept, das den (bisherigen) Anforderungen der Rechtsprechung an außergerichtliche Sanierungsversuche genügt.89) Letzteres wird für ein auf Grundlage der in der Praxis etablierten IDW S 690) erstelltes Sanierungskonzept mittlerweile wohl einhellig bejaht.91) 37 Für diese strenge Betrachtungsweise spricht, dass der Zugang zum Restrukturierungsrahmen die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (vgl. § 18 InsO) und damit eine Sanierungssituation voraussetzt.92) Die Anforderungen an die Sanierungsfähigkeit des Schuldners nach dem StaRUG dürfen grundsätzlich nicht geringer sein als die Anforderungen der Rechtsprechung für einen erfolgversprechenden außergerichtlichen Sanierungsversuch.93) Vor allem Finanzgläubiger sind bei Kreditentscheidungen aufgrund interner und externer ___________ 82) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. 83) Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 621. 84) Vgl. dazu Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 6: „Die Erklärung zur Bestandsfähigkeit hat zu attestieren, dass bei Wirksamwerden des Restrukturierungsplans keine drohende Zahlungsunfähigkeit (mehr) vorliegt.“ Maßstab ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit, wobei auf einen Zeitraum von mindestens zwei (a. A. drei) Jahren abzustellen ist vgl. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 29 Rz. 25. 85) Die überwiegende Wahrscheinlichkeit beschreibt eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % – vgl. z. B. Mock in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rz. 228 f. 86) Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 622, sowie Weber/Nentwig, ZInsO 2022, 857, 862 – unter Hinweis auf den „neuen“ IDW ES 15. 87) Vgl. in diesem Sinne wohl Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 9, sowie Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 622. 88) Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 622, sowie Weber/Nentwig, ZInsO 2022, 857, 862. 89) Vgl. Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 9, und eingehend Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 624 f. 90) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, IDW Life 8/2018, S. 813 ff. 91) Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 625. 92) Vgl. Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 618 – „existenzielle Krise“, die mit dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit indes nicht zwangsläufig verbunden sein muss. 93) Vgl. z. B. Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 9, sowie Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 626.

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Vorgaben (vgl. z. B. § 18 KWG) in der Regel stark reglementiert und haben ihren Entscheidungen i. R. von Sanierungsfällen u. a. die Anforderungen der Rechtsprechung an Sanierungskonzepte zugrunde zu legen.94) Dass der Gesetzgeber dem StaRUG einen Vorrang gegenüber dem Aufsichtsrecht der Finanzgläubiger zuweisen wollte, ist nicht anzunehmen.95) Der BGH hat seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen erfolgversprechenden 38 außergerichtlichen Sanierungsversuch in den letzten Jahren allerdings maßgeblich im Zusammenhang mit der Anfechtung von Sanierungsbeiträgen durch den Insolvenzverwalter auf Grundlage der Vorsatzanfechtung (vgl. § 133 InsO) nach gescheiterten Sanierungsversuchen fortentwickelt.96) Nach der (bisherigen) Rechtsprechung des BGH war der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners i. S. von § 133 InsO auch bei der Gewährung kongruenter Deckungen in der Regel bereits indiziert, wenn der Schuldner bei Vornahme der (später angefochtenen) Rechtshandlung um seine drohende Zahlungsunfähigkeit wusste.97) Diese Rechtsprechung hat der BGH in seinem vielbeachteten Urteil vom 6.5.202198) geändert. Auf eine im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung nur drohende Zahlungsunfähigkeit kann der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners künftig bei Anfechtung einer kongruenten Deckung grundsätzlich nicht mehr gestützt werden.99) Zur Begründung hat der BGH u. a. das Folgende ausgeführt (Rz. 39 des Urteils): „Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist gemäß § 18 Abs. 1 InsO nur dann Eröffnungsgrund, wenn der Schuldner den Insolvenzantrag stellt. Gegen seinen Willen kann also kein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet werden, wenn er nur drohend zahlungsunfähig ist. Diese gesetzgeberische Wertung wird beeinträchtigt, wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit der bereits eingetretenen vorsatzanfechtungsrechtlich gleichgestellt wird. Dadurch wird es dem Schuldner verwehrt, sein Unternehmen auch außerhalb eines bargeschäftlichen Leistungsaustauschs fortzuführen und auf diesem Wege die drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Müssen Gläubiger des nur drohend zahlungsunfähigen Schuldners die Vorsatzanfechtung fürchten, können sie geneigt sein, von Geschäftsbeziehungen mit ihm abzusehen oder bestehende Beziehungen zu beenden. Auch dies kann die ansonsten vermeidbare Zahlungsunfähigkeit überhaupt erst herbeiführen und auf diesem Wege letztlich in der Insolvenz münden.“ Demgegenüber kann der Benachteiligungsvorsatz bei Hinzutreten weiterer Umstände aus- 39 nahmsweise zu bejahen sein.100) Das ist etwa der Fall, wenn der Schuldner im Stadium der (erkannten) drohenden Zahlungsunfähigkeit einen „erkennbar von Anfang an untauglichen“ oder „erkennbar gescheiterten“ Sanierungsversuch unternimmt und Zahlungen an seine Gläubiger leistet.101) Diese Erwägungen lassen sich auf die hier in Rede stehende Problematik jedenfalls im 40 Ansatz übertragen: Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Zugang zum Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen ebenfalls allein dem – drohend zahlungsunfähigen – Schuldner ___________ 94) Vgl. Arlt/Brägelmann/Ludwig, ZInsO 2021, 1485, 1486. 95) Vgl. Arlt/Brägelmann/Ludwig, ZInsO 2021, 1485, 1486. 96) S. z. B. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235, sowie Kayser/Freudenberg in: MünchKommInsO, § 133 Rz. 37. 97) Vgl. z. B. BGH v. 21.1.2016 • IX ZR 84/13 Rz. 15 f., ZIP 2016, 374. 98) BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZRI 2021, 645 = NZI 2021, 720 (die Entscheidung erging nach § 133 Abs. 1 InsO a. F.). 99) BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, LS d) sowie Rz. 38, ZRI 2021, 645 = NZI 2021, 720, sowie BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, Rz. 22 ff., ZRI 2022, 677 = ZIP 2022, 1608; vgl. auch Schultz, ZInsO 2022, 1434, 1443 f. 100) BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, Rz. 54 ff., ZRI 2022, 267, sowie BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, Rz. 22 ff., ZRI 2022, 677 = ZIP 2022, 1608. 101) BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, Rz. 105, ZRI 2022, 267, sowie BGH v. 23.6.2022 – IX ZR 75/21, Rz. 23, ZRI 2022, 677 = ZIP 2022, 1608.

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eröffnet. Gläubigern steht die Möglichkeit der Herbeiführung einer Unternehmenssanierung ohne oder gegen den Willen des Schuldners nach wie vor nur unter den Voraussetzungen und i. R. des Insolvenzverfahrens zur Verfügung.102) Umgekehrt kann sich der bereits insolvenzreife (zahlungsunfähige und/oder insolvenzrechtlich überschuldete) Schuldner nicht in den präventiven Restrukturierungsrahmen „flüchten“, da durch die eingetretene Insolvenzreife die Interessen aller Gläubiger gefährdet werden.103) Die Ausgangssituation bei Inanspruchnahme des präventiven (teilkollektiven) Restrukturierungsrahmens ist mithin eine andere, als sie sich bei der Sanierung eines insolvenzreifen Unternehmens durch Insolvenzplan darstellt. 41 Zwar darf die Inanspruchnahme des präventiven Restrukturierungsrahmens nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, indem der Fortbestand sanierungsunfähiger Unternehmen gegen die allgemeinen Gesetze des Marktes durchgesetzt wird.104) Davon kann allerdings nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, wenn der Eintritt des Sanierungserfolgs bei einem „nur“ drohend zahlungsunfähigen Schuldner mindestens genauso wahrscheinlich ist wie das Scheitern der Sanierungsmaßnahme. In diesem Fall ist der Sanierungserfolg zum einen wahrscheinlicher als bei einer nur „nicht offensichtlich aussichtslosen“ Sanierung.105) Zum anderen werden die Gläubiger nach der „neuen“ Rechtsprechung des BGH anfechtungsrechtlich bei der Entgegennahme kongruenter Deckungen in der Regel selbst dann nicht mehr sanktioniert, wenn sie vom Schuldner im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit auf Basis eines nicht erkennbar untauglichen Sanierungsversuchs noch Zahlungen vereinnahmen. Einerseits setzt der Anfechtungstatbestand des § 130 InsO die eingetretene Zahlungsunfähigkeit voraus. Andererseits kann der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nach der Rechtsprechungsänderung zur Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) künftig – wie ausgeführt – nicht mehr allein aus dem Wissen des Schuldners um seine drohende Zahlungsunfähigkeit abgeleitet werden. Für die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO n. F. ist bei der Anfechtung kongruenter Deckungen nach § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO in der ab dem 5.4.2017 geltenden Fassung106) ohnehin bereits die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bei Vornahme der Rechtshandlung erforderlich. Vor diesem Hintergrund dürfte die Rechtsprechung des BGH zum Insolvenzanfechtungsrecht im Anwendungsbereich des StaRUG (dem Krisenstadium der erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit) bei der Gewährung kongruenter Deckungen nicht (mehr) zwingend einen Sanierungsversuch erfordern, dessen Erfolg im oben beschriebenen Sinne (siehe oben Rz. 36) überwiegend wahrscheinlich sein muss.107) 42 Das gilt grundsätzlich auch bei der Beteiligung von Kreditinstituten, denen die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund der bankenaufsichtsrechtlichen Prüfpflicht (vgl. § 18 KWG), z. B. im Zusammenhang mit der Gewährung neuer Kredite, in der Regel bekannt ist.108) Allerdings kann die Kreditvergabe (ggf. auch die Prolongation oder Stundung ___________ 102) So Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 136. 103) Vgl. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90, sowie Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 29 Rz. 14. 104) Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 621 f. 105) Ausreichend für den Erlass einer Stabilisierungsanordnung nach § 50 Abs. 2 StaRUG (s. dazu oben Rz. 5). 106) Vgl. Art. 103j Abs. 1 EGInsO. 107) Anders kann es bei der Anfechtung inkongruenter Deckungen (etwa der Bestellung weiterer Sicherheiten für schon bestehende Kredite (sog. Nachbesicherungen) liegen. Praktisch relevant wird das vor allem im Zusammenhang mit der Vorsatzanfechtung, da die Indizwirkung der inkongruenten Deckung für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners „nur“ ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners voraussetzt – vgl. hierzu z. B. BGH v. 17.9.2020 – IX ZR 174/19, ZRI 2020, 605 = ZIP 2020, 2135, sowie Jäger, WM 2018, 9, 11. 108) Vgl. Jäger, WM 2018, 9, 11.

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von Darlehen) in der Unternehmenskrise ausnahmsweise als sittenwidrige Kredittäuschung der Bank bzw. Beitrag zur Insolvenzverschleppung zu qualifizieren sein.109) Die Rechtsprechung hat insoweit Fallgruppen entwickelt, die in der Regel dadurch charakterisiert sind, dass die Bank durch leichtfertige oder eigennützige Entscheidungen die „letztlich unvermeidliche Insolvenz“ des Kunden nur hinauszögert und dadurch Dritte geschädigt werden.110) So kann es bspw. im Einzelfall bei einem von vornherein aussichtslosen Sanierungsversuch liegen, dessen Untauglichkeit das Kreditinstitut kennt und durch sein Verhalten „verschleiert“. Wird die drohende Zahlungsunfähigkeit indes durch das Restrukturierungsvorhaben nach- 43 haltig i. S. von § 29 Abs. 1 StaRUG – also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren111) – beseitigt und ist zugleich der dauerhafte Fortbestand des Unternehmens nach dem entwickelten Konzept (objektiv) mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Scheitern der Sanierung, kann nach hier vertretender Auffassung nicht von einem von vornherein aussichtslosen Sanierungsversuch ausgegangen werden und dem Schuldner sollte der Zugang zum präventiven Restrukturierungsrahmen offenstehen. Erfasst wären mithin auch Fallgestaltungen, bei denen der langfristige Fortbestand des Unternehmens – also die nachhaltige Beseitigung der Krisenursachen – „nur“ offen ist. Kann der Schuldner demgegenüber mit seinem betriebswirtschaftlichen Konzept nicht einmal das darlegen, ist für eine Sanierung nach dem StaRUG – ggf. gegen den Willen von Planbetroffenen – kein Raum. Anders liegt es auch, wenn der Schuldner das Restrukturierungsverfahren zur Abwendung 44 der insolvenzrechtlichen Überschuldung betreibt112) und/oder im laufenden Restrukturierungsverfahren insolvenzreif wird und das Verfahren ausnahmsweise nicht aufgehoben wird (vgl. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). In diesen Fällen muss – wegen der Parallele zum Insolvenzplanrecht – die nachhaltige Sanierung i. S. eines dauerhaften Fortbestands des Unternehmens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen. Es wird abzuwarten bleiben, wie Literatur und Rechtsprechung den Begriff der „Bestands- 45 fähigkeit“ auslegen werden. Siehe zum Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen ergänzend Skauradszun, HRI I, § 40. 4.

Auswirkungen des Restrukturierungskonzepts auf die Arbeitsverhältnisse

Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 StaRUG hat der Planverfasser im darstellenden Teil des Restruk- 46 turierungsplans auch solche Maßnahmen zu erläutern, die nicht über den gestaltenden Teil des Plans umgesetzt werden können oder sollen. Die Regelung soll den Planbetroffenen eine sachgerechte Bewertung der Erfolgsaussichten des Restrukturierungsvorhabens ermöglichen.113) Praxisrelevant wird die Vorschrift vor allem im Zusammenhang mit Personalmaßnahmen 47 sein, deren Umsetzung das dem Plan zugrunde liegende Restrukturierungskonzept vorsieht. Zwar sind Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit Arbeitsver___________ Vgl. BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058, sowie eingehend Jäger, WM 2018, 9 ff. Vgl. BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, Rz. 35 ff., ZIP 2016, 1058. Vgl. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 29 Rz. 25. Eine die Überschuldung ausschließende (positive) Fortbestehensprognose kann auch aus der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung eines Sanierungs- oder Restrukturierungsvorhabens resultieren – s. Begr. RegE SanInsFoG z. InsO, BT-Drucks. 19/24181, S. 197; vgl. auch Biendl in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 10 Rz. 9 ff. (dort in Rz. 18 auch zum Streitstand, ob die erfolgte Anzeige beim Restrukturierungsgericht Voraussetzung für die Annahme einer positiven Fortbestehensprognose ist). 113) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 7.

109) 110) 111) 112)

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6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

hältnissen einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan nicht zugänglich (vgl. § 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG). In vielen Fällen lässt sich eine erfolgreiche Restrukturierung bzw. Sanierung aber nur durch Einschnitte im Personalbereich realisieren. Die Bereitschaft der Planbetroffenen zu einem (teilweisen) Forderungsverzicht wird dann auch davon abhängen, dass ein notwendiger Stellenabbau vom Schuldner rechtlich sorgfältig und ordnungsgemäß durchgeführt wird.114) Die arbeitsrechtliche Umsetzung von Personalabbaumaßnahmen ist demgegenüber komplex und fehleranfällig. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich die rechtzeitige Hinzuziehung eines arbeitsrechtlichen Beraters. 48 Darüber hinaus muss der Plan nach Nr. 7 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG auch Angaben zu den Auswirkungen des Restrukturierungsvorhabens auf die Beschäftigungsverhältnisse sowie Entlassungen und Kurzarbeiterregelungen und die Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretung enthalten. Die Pflichtangaben nach Nr. 7 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG sind im Kontext mit der Vorschrift des § 92 StaRUG zu sehen, die Verpflichtungen des Schuldners gegenüber den Arbeitnehmervertretungsorganen und deren Beteiligungsrechte nach BetrVG vom StaRUG unberührt lässt und die der Umsetzung von Art. 13 der Restrukturierungsrichtlinie dient.115) Anders als das geltende Insolvenzrecht, sieht das StaRUG aufgrund der zwingend zu beachtenden Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie keine Einschränkungen von Arbeitnehmerrechten vor.116) Insbesondere bleiben – obwohl in § 92 StaRUG nicht ausdrücklich erwähnt – auch die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertreter außerhalb des BetrVG unberührt,117) Das betrifft etwas das praxisrelevante Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG. 49 Besteht bei dem Schuldner daher ein Betriebsrat, sind dessen Beteiligungsrechte nach dem BetrVG und ggf. dem KSchG zu wahren.118) Bereits vor Anzeige des Restrukturierungsvorhabens (vgl. § 31 Abs. 1 StaRUG) wird der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG über die beabsichtigte Einleitung des Restrukturierungsverfahrens zu unterrichten sein.119) Ebenso ist ein ggf. bestehender Wirtschaftsausschuss vor der Anzeige nach § 31 Abs. 2 StaRUG über das Restrukturierungsvorhaben umfassend zu unterrichten und die Angelegenheit mit ihm zu beraten (vgl. § 106 Abs. 3 Nr. 1, 10 BetrVG).120) Häufig wird das Restrukturierungsvorhaben zugleich eine Betriebsänderung i. S. der §§ 111 ff. BetrVG darstellen. Unter den Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die beabsichtigten Änderungen mit ihm zu beraten. Bloße Vorüberlegungen lösen indes – auch wenn sie Bestandteil einer Entwurfsplanung oder eines Grobkonzepts121) sind – noch keine Informations- und Verhandlungspflichten nach den §§ 111 ff. BetrVG aus.122) In der Praxis sollte dennoch – auch weil in der Literatur eine richtlinienkonforme Vorverlagerung der Pflichten nach den §§ 111 ff. BetrVG erwogen wird123) – eine frühzeitige, ggf. „vorsorgliche“, – Unterrichtung des Betriebsrats in Betracht gezogen werden.124) ___________ 114) 115) 116) 117) 118) 119) 120) 121) 122) 123) 124)

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Vgl. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55, 56 m. w. N. Vgl. z. B. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55 m. w. N. Vgl. z. B. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55. Vgl. z. B. Mückl, ZInsO 2022, 863, 867. Eingehend dazu z. B. Mückl, ZInsO 2022, 863, 866 ff. Daneben bestehen ggf. Unterrichtspflichten nach § 92 BetrVG und § 110 BetrVG, vgl. Mückl, ZInsO 2022, 863, 867 f. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55, 56 – die Verpflichtung besteht neben etwaigen Beteiligungsrechten des Betriebsrats, vgl. z. B. Kania in: ErfK, § 106 BetrVG Rz. 11. Zur Begrifflichkeit vgl. z. B. Weber/Nentwig, ZInsO 2022, 857, 862. Vgl. Kania in: ErfK, § 111 BetrVG Rz. 22, und Mückl, ZInsO 2022, 863, 867. Vgl. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55, 56. Zurückhaltend Mückl, ZInsO 2022, 863, 868.

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Darstellender Teil des Restrukturierungsplans

§ 19

Im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans hat der Schuldner folglich geplante 50 Personalmaßnahmen (insbesondere im Zusammenhang mit Betriebsänderungen) und den Stand der Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan im Einzelnen zu erläutern. Er hat dabei die Vorgaben nach Nr. 7 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG zu beachten. Die arbeitsrechtlichen Angaben im Restrukturierungsplan stellen zugleich die wesentlichen Grundlagen für die Information von Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat dar.125) Liegen bereits Vereinbarungen mit der Arbeitnehmervertretung vor, sollten dem Restrukturierungsplan – unter strikter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben126) – entsprechende (anonymisierte) Kopien als Anlage beigefügt werden (siehe dazu zurückhaltend Geiwitz/v. Danckelmann, HRI II, § 21 Rz. 39). Die voraussichtlichen Personalkosteneinsparungen und ihre Auswirkungen auf die Beseitigung der Krise sind darzustellen. Im Einzelfall kann es sich anbieten, die rechtliche Umsetzbarkeit der beabsichtigten Personalanpassungen durch eine gutachterliche Stellungnahme der arbeitsrechtlichen Berater zu untermauen. 5.

Vergleichsrechnung

Notwendiger Bestandteil des darstellenden Teils ist nach § 6 Abs. 2 StaRUG die Vergleichs- 51 rechnung. Auch der darstellende Teil des Insolvenzplans hat gemäß § 220 Abs. 2 Satz 2 InsO n. F. eine Vergleichsrechnung zu enthalten. Das war bereits bisher allgemeine Auffassung, wurde vom Gesetzgeber im Zuge der Verabschiedung des SanInsFoG127) nun aber ausdrücklich kodifiziert.128) Dabei bestehen – trotz des nahezu identischen Wortlauts der beiden Vorschriften – Unterschiede in der Rechtsanwendung (siehe unten Rz. 54).129) Mit der Vergleichsrechnung liefert der Planverfasser die wirtschaftlichen Fakten für die 52 Akzeptanz des Restrukturierungsplans bei den Planbetroffenen.130) Vor allem aber muss der Planverfasser mit der Vergleichsrechnung belegen, dass durch den Plan kein Planbetroffener schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde.131) Das Merkmal der fehlenden „Schlechterstellung“ hat erhebliche Bedeutung sowohl für das Eingreifen der Zustimmungsfiktion nach § 26 Abs. 1 StaRUG (Cross-Class Cram-down) als auch bei der Zulässigkeit eines Minderheitenschutzantrages nach § 64 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Die Vergleichsrechnung bildet mithin die Entscheidungsgrundlage für das Gericht, sofern ein Betroffener dem Plan widerspricht. Ihr ist daher bei der Planvorbereitung besondere Aufmerksamkeit zu widmen;132) zumal Zweifel, ob eine Schlechterstellung gegeben ist, zulasten des Schuldners gehen.133) Wesentliche Mängel bei der Darstellung der Vergleichsrechnung können zudem nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zur Versagung der Planbestätigung führen.134) Für

___________ 125) Vgl. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55, 56. 126) Insbesondere ist zwingend darauf zu achten, dass sämtliche personenbezogenen Daten (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO) der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschwärzt werden. 127) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 128) Vgl. nur Skauradszun, ZIP 2021, 1091. 129) Vgl. Skauradszun, ZIP 2021, 1091. 130) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 10. 131) Vgl. Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617. 132) Z. B. Böhm Braun, StaRUG, § 6 Rz. 10. 133) Vgl. Distler, ZIP 2021, 1033, 1040. 134) Vgl. Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617.

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§ 19

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

die Cram-down-Fälle hat der Gesetzgeber die gerichtliche Prüfungsbefugnis allerdings durch Einfügung des § 63 Abs. 2 StaRUG n. F.135) eingeschränkt.136) 53 Die Erstellung der Vergleichsrechnung gehört folglich zu den besonders komplexen Themen, die bei der Planvorbereitung zu beachten sind.137) Für die Vergleichsrechnung sind die Szenarien mit und ohne Plan detailliert zu beschreiben.138) Während die Darstellung der Befriedigungsaussichten für den Fall der Annahme des Restrukturierungsplans – darzustellen sind insoweit die Zahlungen, die den Planbetroffenen auf Grundlage der Restrukturierungsplanung angeboten werden – in der Regel keine Schwierigkeiten bereitet,139) enthält das Gesetz für die Berechnung des Alternativszenarios keine abschließenden Vorgaben.140) Für die Ermittlung der Befriedigungsaussichten ohne Plan bestimmt § 6 Abs. 2 Satz 2 StaRUG „lediglich“, dass die Fortführung des Unternehmens zu unterstellen ist, wenn der Plan ebenfalls eine Fortführung des Unternehmens vorsieht. Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG gilt dies allerdings nicht, wenn ein Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung aussichtslos ist.141) Damit ist im Ergebnis aber nur gesagt, dass die Liquidation des schuldnerischen Unternehmens dem „Szenario ohne Plan“ nicht als Regelfall zugrunde gelegt werden darf.142) Insoweit muss der Planverfasser fundiert begründen, warum eine anderweitige Fortführung des Unternehmens oder ein Verkauf aussichtslos ist.143) Aussichtlos ist die Fortführung des Unternehmens „ohne Plan“, wenn für diese Alternative kein anderes Fortführungsszenario hinreichend wahrscheinlich ist.144) 54 Anders als im Insolvenzplanverfahren – dort wird (neben der Liquidation) grundsätzlich nur der Verkauf des fortgeführten Unternehmens innerhalb des Insolvenzverfahrens als Alternativszenario in Betracht kommen145) – stehen dem Schuldner im StaRUG-Verfahren grundsätzlich mehrere alternative (Fortführungs-)Szenarien zur Verfügung.146) In Betracht kommen insbesondere eine Veräußerung des fortgeführten Unternehmens sowie eine Innensanierung jeweils innerhalb und außerhalb des Insolvenz(plan)verfahrens.147) Denkbar sind zudem eine ordentliche Liquidation außerhalb des Regelinsolvenzverfahrens sowie – unter Beachtung des § 33 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG – auch ein Sanierungsversuch in einem „neuen“ StaRUG-Verfahren.148) Maßgeblich ist das nächstbeste Alternativszenario.149) ___________ 135) I. d. F. des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166, und Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drucks. 20/2653, S. 37. 136) Krit. zur Neuregelung Frind, ZInsO 2022, 1540, 1543 f. 137) Skauradszun, ZIP 2021, 1091. 138) Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617 m. w. N. 139) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 12. 140) Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 13, sowie Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 141) S. dazu auch die entsprechenden Regelungen in § 220 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 InsO n. F. 142) Vgl. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 143) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116, sowie Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 14. 144) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163, sowie Skauradszun, ZIP 2021, 1091, 1092 f. 145) Vgl. z. B. Abel, InsbürO 2022, 349, 352. 146) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163, sowie Skauradszun, ZIP 2021, 1091, 1095; s. a. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 147) Skauradszun, ZIP 2021, 1091, 1095. 148) Vgl. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 149) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163, sowie Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097, und Abel, InsbürO 2022, 349, 350.

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Darstellender Teil des Restrukturierungsplans

§ 19

Die Vortragslast liegt beim Schuldner.150) Fraglich ist, ob der Schuldner in diesem Zusammenhang verpflichtet ist, ein Dual-Track-Verfahren durchzuführen und das Unternehmen zur Ermittlung des realisierbaren Verkaufspreises am Markt zum Kauf anzubieten. Die Frage dürfte im StaRUG-Verfahren schon im Hinblick auf schützenswerte Geschäftsgeheimnisse des nicht insolvenzantragspflichtigen Schuldners zu verneinen sein.151) Abgesehen davon erscheint die für eine übertragende Sanierung wesentliche Trennung des Vermögens des schuldnerischen Rechtsträgers von seinen Verbindlichkeiten unter dem Regime des StaRUG auch nicht realisierbar zu sein.152) Zu den Einzelheiten der Vergleichsrechnung siehe Pleister/ Prosteder, HRI I, § 28. 6.

Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten

Der präventive Restrukturierungsrahmen ermöglicht schließlich Eingriffe in die Rechte 55 von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten (vgl. § 2 Abs. 4 StaRUG).153) Sieht der Restrukturierungsplan entsprechende Regelungen vor, müssen – um die Werthaltigkeit der Sicherheit beurteilen zu können – im darstellenden Teil auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des die Sicherheit gewährenden verbundenen Unternehmens und die Auswirkungen des Plans auf diese Gesellschaft dargestellt werden.154) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG ist dann für die Gläubiger der Drittsicherheiten eine eigenständige Gruppe zu bilden. Wegen der Einzelheiten siehe Barnert, HRI I, § 23.

___________ 150) 151) 152) 153) 154)

Vgl. Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617 f. m. w. N., sowie Frind, ZInsO 2021, 1093, 1098. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 28. Zutreffend Abel, InsbürO 2022, 349, 353. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 6 Rz. 28.

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§ 20 Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans Berner/Werner

I.

Inhalt und Funktion des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans ............. 1 II. Mindestanforderungen nach Art. 8 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie bzw. § 5 Satz 2 i. V. m Anlage StaRUG ..... 6 III. Planbetroffene............................................. 8 1. Begriff der Planbetroffenen......................... 8 2. Ausgenommene Gläubiger ........................ 13 IV. Auswahl der Planbetroffenen.................. 20 V. Gruppenbildung ....................................... 30 1. Obligatorische Gruppen............................ 30 2. Fakultative Gruppen .................................. 38 3. Strategische Erwägungen........................... 41 VI. Gleichbehandlung der Planbetroffenen ... 45 VII. Gestaltung der Rechtsstellung der Planbetroffenen.................................. 51 1. Restrukturierungsforderungen ................. 51 2. Absonderungsanwartschaften ................... 57

3.

Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten........................................ 61 4. Vertragliche Nebenbestimmungen oder Vereinbarungen nach § 2 Abs. 2 StaRUG ...................................................... 70 5. Einbeziehung von Gesellschaftern............ 78 6. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einordnung als gestaltbares Rechtsverhältnis .................................................... 84 VIII. Besondere Regelungen .......................... 89 1. Neue Finanzierungen ................................ 89 2. Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse .............................................. 101 3. Haftung des Schuldners........................... 104 4. Maßnahmen zur Berücksichtigung des Minderheitenschutzes ....................... 109 5. Planüberwachung..................................... 123 6. Vergütungsregelungen............................. 130

Literatur: Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Brinkmann, Die Haftung der Geschäftsleiter in der Krise nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), ZIP 2020, 2361; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des StaRUG (Teil 2), ZInsO 2020, 2617; Deppenkemper, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1.1.2021, ZIP 2020, 2432; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Herweg/Wirth, Der Restrukturierungsplan – Kernstück der präventiven Sanierung, DB 2021, 886; Krystek/Evertz, Betriebswirtschaftliche Instrumente der präventiven Restrukturierung, DB 2020, 2361; Müller, Die Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, ZIP 2020, 2253; Rechtmann, Eingriffe in Kreditforderungen und Kreditsicherheiten im Rahmen des StaRUG, WM 2021, 520; Schelo, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), WM 2021, 513; Skauradszun, Neuralgische Punkte der Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, ZRI 2020, 625; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes, ZIP 2020, 1985; Zimmer, Die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten i. S. d. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1023 – Problemfelder einer Kodifizierung, ZInsO 2020, 2117.

I.

Inhalt und Funktion des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans

1 Der Restrukturierungsplan, als „Herzstück“ des StaRUG-Verfahrens bezeichnet,1) enthält neben einem darstellenden Teil und den Plananlagen gemäß § 5 StaRUG einen gestaltenden Teil. Damit hat sich der StaRUG-Gesetzgeber entschieden, den Aufbau des Restrukturierungsplans dem des in §§ 217 ff. InsO geregelten Insolvenzplans nachzubilden. Die Re-

___________ 1)

474

Brinkmann, ZIP 2020, 2361, 2362; Deppenkemper, ZIP 2020, 2432; Müller, ZIP 2020, 2253, 2255; Krystek/Evertz, DB 2020, 2361, 2364; Gehrlein, BB 2021, 66, 67.

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Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans

§ 20

strukturierungsrichtlinie2), welche der deutsche Gesetzgeber mit dem StaRUG3) umsetzt, hatte zum Aufbau eines Restrukturierungsplans keine Vorgaben gemacht. Während der darstellende Teil des Restrukturierungsplans das Restrukturierungskonzept 2 darlegt und erläutert, ist der gestaltende Teil der auf die Rechtswirkung und Umsetzung der Maßnahmen gerichtete Teil des Restrukturierungsplans. Damit kommt dem gestaltenden Teil eine wichtige Umsetzungsfunktion zu. Im gestaltenden Teil legt der Planverfasser die Änderungen der Rechtspositionen der Planbetroffenen dar und erläutert diese. Gestaltbar sind die Rechtsstellungen der Planbetroffenen grundsätzlich sowohl schuld- als auch sachenrechtlich. Der Planverfasser hat die zur Erreichung des Planziels vorgesehenen Maßnahmen im gestaltenden Teil derart zu konkretisieren, dass sie – für den Fall der Annahme und ggf. Bestätigung des Restrukturierungsplans – rechtsgestaltend zweifelsfrei und vollstreckbar sind.4) Dies ist vor dem Hintergrund, dass das Restrukturierungsgericht an den abgestimmten Plan gebunden ist und diesen nur im Ganzen und ohne eigene Änderungen bestätigen oder die Bestätigung im Ganzen versagen kann, besonders wesentlich. Der Gesetzgeber weist daher in der Gesetzesbegründung zu Recht darauf hin, dass die Festlegung der Rechtswirkungen des Plans nicht erst durch den gerichtlichen Bestätigungsbeschluss erfolgen kann.5) In § 7 StaRUG sind Inhalt und Rahmen des gestaltenden Teils des Restrukturierungs- 3 plans geregelt. Diese Bestimmungen hat der Gesetzgeber des StaRUG im Wesentlichen den Regelungen zum gestaltenden Teil des Insolvenzplans nachgebildet.6) Danach legt der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans fest, wie die Rechtsstellung der Planbetroffenen durch den Plan geändert werden sollen. Es bestehen Parallelen zu § 221 Satz 1 InsO, der sich allerdings – statt auf die Planbetroffenen – auf die Änderung der Rechtsstellung der Beteiligten bezieht. Auch wenn die Vorschriften zum Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO) in weiten Teilen Vorbild 4 der StaRUG-Regelungen zum Restrukturierungsplan waren, darf hinsichtlich der Planbetroffenen der deutliche Unterschied zu den „Beteiligten“ des Insolvenzplans (vgl. etwa § 221 InsO) nicht verkannt werden. Während der gestaltende Teil des Insolvenzplans die Rechtsstellung sämtlicher Gläubiger des Schuldnerunternehmens in den Grenzen der §§ 221 ff. InsO ändert, finden die Gestaltungen im Restrukturierungsplan nur auf ausgewählte Planbetroffene Anwendung. § 7 Abs. 1 StaRUG enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Planbetroffenen, unter 5 welchen die Inhaber der von den Regelungen des gestaltenden Teils betroffenen Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte zusammengefasst werden. Einzelheiten der Gestaltungsmöglichkeiten der Rechte bestimmter Planbetroffener regeln § 7 Abs. 2 bis 4 StaRUG, die an das Vorbild der §§ 223, 224 und 225a InsO angelehnt und an die Besonderheiten des Restrukturierungsplans angepasst wurden. Anders als im Insolvenzplanrecht ___________ 2)

3)

4) 5) 6)

Vgl. Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Ebenso (zum Insolvenzplan) Luer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 219 Rz. 1. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116.

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§ 20

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

bildet der StaRUG-Gesetzgeber die Rahmenbedingungen der Eingriffe in bestimmte Rechtspositionen in einer Vorschrift. Darüberhinausgehende Regelungen, die systematisch dem gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans zuzuordnen sind, finden sich u. a. in §§ 11 ff., § 72 Abs. 1 StaRUG. II.

Mindestanforderungen nach Art. 8 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie bzw. § 5 Satz 2 i. V. m Anlage StaRUG

6 Die Restrukturierungsrichtlinie verpflichtete die Mitgliedstaaten in Art. 8 Abs. 1 zu in einem Anforderungskatalog (Art. 8 Abs. 1 lit. a bis lit. h) geregelten Mindestinhalten von Restrukturierungsplänen. Der Gesetzgeber des StaRUG hat diese inhaltlichen Vorgaben in der Anlage (zu § 5 Satz 2) zum StaRUG umgesetzt und – dem Vorbild der Richtlinie folgend – einen Katalog der notwendigen Angaben im Restrukturierungsplan in Nr. 1 bis Nr. 8 aufgestellt, die teilweise informativen Charakter, teilweise aber auch Erläuterungen und Abgrenzungen bei der Auswahl der Planbetroffenen zum Gegenstand haben (vgl. insbesondere Nr. 5 Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG).7) 7 Der überwiegende Teil der in der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG enthaltenen notwendigen Angaben betrifft indes den darstellenden Teil des Restrukturierungsplans und ist dort notwendig zu berücksichtigen. Überschneidungen mit Ausführungen im gestaltenden Teil, insbesondere zu den Änderungen der Rechtsstellungen der Planbetroffenen, sind ebenfalls nicht ausgeschlossen und vom Planverfasser zu beachten. III.

Planbetroffene

1.

Begriff der Planbetroffenen

8 Da der Schuldner im StaRUG-Verfahren seine Restrukturierung nicht mit allen, sondern mit einzelnen Gläubigern bzw. Gläubigergruppen betreiben kann, kommt der Auswahl der Planbetroffenen eine wesentliche Rolle zu. Wer Planbetroffener ist, definiert § 7 Abs. 1 StaRUG. Danach sind Planbetroffene die Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte, deren Rechtsstellungen durch den Plan geändert werden sollen. Die Definition entspricht der des § 221 Satz 1 InsO für die „Beteiligten“ am Insolvenzplan. 9 Welche Rechtsverhältnisse im Restrukturierungsplan gestaltet werden können, regelt § 2 Abs. 1 bis 5 StaRUG für 

Restrukturierungsforderungen (Abs. 1 Nr. 1),



Absonderungsanwartschaften (Abs. 1 Nr. 2),



Anteils- und Mitgliedschaftsrechte (Abs. 3) und



Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten (Abs. 4).

10 Nicht zu den Planbetroffenen zählen Aussonderungsberechtigte, d. h. Gläubiger, die im Insolvenzverfahren aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen können, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 47 InsO).8) 11 Zu dem Kreis der Planbetroffenen gehören weiterhin keine Gläubiger künftiger Forderungen, deren Forderungen zum Zeitpunkt der Unterbreitung des Planangebots (§ 17 StaRUG), im Fall des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens zum Zeitpunkt des entsprechenden Antrags (§§ 45, 46 StaRUG) oder bei Erwirken einer Stabilisierungsanordnung ___________ 7) 8)

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Vgl. hierzu Desch, BB 2020, 2498, 2503. Vgl. Gehrlein, BB 2021, 66, 68; Thole, ZIP 2020, 1985, 1988.

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Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans

§ 20

zum Zeitpunkt der Erstanordnung (§ 49 StaRUG) noch nicht begründet waren. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 5 StaRUG. Gesellschafter des zu sanierenden Unternehmens sind – wie das AG Köln in einer der ersten 12 zum StaRUG ergangenen Entscheidungen zutreffend festgestellt hat – nicht notwendig Planbetroffene.9) § 2 Abs. 3 StaRUG sieht zwar bei Schuldnern in der Rechtsform der juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit vor, dass die Anteilsund Mitgliedschaftsrechte der an dem Schuldner beteiligten Personen durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden, sonstige gesellschaftsrechtliche Regelungen getroffen oder Anteils- und Mitgliedschaftsrechte übertragen werden können. Die Regelung ist jedoch als „Kann-Vorschrift“ formuliert. Die Gestaltung von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten der Gesellschafter und andere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen sind demzufolge möglich, aber nicht zwingend. Sofern der Restrukturierungsplan keine Eingriffe in Gesellschaftsrechte vorsieht, ist eine Beteiligung der Gesellschafter als Planbetroffene am Restrukturierungsplan mithin gesetzlich nicht vorgeschrieben. 2.

Ausgenommene Gläubiger

Einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan können die in § 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 13 StaRUG genannten Rechtsverhältnisse nicht zugeführt werden. Hierzu zählen 

Forderungen von Arbeitnehmern oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte auf Zusagen aus betrieblicher Altersvorsorge (§ 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG),



Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (§ 4 Satz 1 Nr. 2 StaRUG) sowie



Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (§ 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG).

Mit dem Ausschluss der Gestaltbarkeit von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen macht 14 der deutsche Gesetzgeber von dem Wahlrecht, das Art. 1 Abs. 5a der Restrukturierungsrichtlinie in Bezug auf die Einbeziehung von Arbeitnehmerforderungen in den Anwendungsbereich des Restrukturierungsrahmens eröffnet, Gebrauch. Er begründet diese Entscheidung mit dem Umstand, dass die im Restrukturierungsrahmen angestrebte Sanierung ein operativ funktionierendes Unternehmen voraussetzt.10) Bestehen Forderungen gegenüber Arbeitnehmern, ist indes von einer bereits vertieften Krise und der fehlenden Eignung der teilkollektiven StaRUG-Instrumentarien auszugehen.11) Überdies sind die Arbeitnehmer besonders schutzbedürftig, da sie – anders als im Insolvenzverfahren – im StaRUG-Verfahren nicht über das Insolvenzgeld gesichert sind.12) Personalwirtschaftliche Restrukturierungsmaßnahmen schließt der Gesetzgeber im Restrukturierungsvorhabens nicht aus; diese seien aber unter Beachtung der allgemeinen kollektiv- und individualarbeitsrechtlichen Regelungen vorzunehmen, ohne dass der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen hierfür eine Hilfe biete.13) Schließlich sollen auch Zusagen auf betriebliche Altersversorgungen von einer Gestaltung durch den Plan ausdrücklich ausgenommen werden, vgl. § 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG. Der Ausschluss der Gestaltung von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen wird in der Praxis 15 eine Vielzahl operativer Restrukturierungsmaßnahmen im Restrukturierungsplan hindern. Schon aus diesem Grund zeigt sich der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ___________ 9) 10) 11) 12) 13)

Vgl. ebenso AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114 f. Gehrlein, BB 2021, 66, 68. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114 f. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115.

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§ 20

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

weniger für leistungswirtschaftliche Sanierungen, welche regelmäßig auch personalwirtschaftliche Anpassungen erfordern, als vielmehr für finanzwirtschaftliche Sanierungen als geeignetes Instrumentarium. Erkennt der Restrukturierungsberater bzw. Planverfasser bei der Frage nach dem geeigneten Sanierungsinstrumentarium bereits bestehende oder künftig eintretende Forderungen von Arbeitnehmern, die nicht kompensiert werden können, und damit die Notwendigkeit einer operativen Sanierung, so kommen die Instrumentarien des StaRUG voraussichtlich nicht mehr in Betracht.14) Er wird in diesem Fall eine Sanierungslösung über das Eigenverwaltungs- oder Regelinsolvenzverfahren suchen, um bei der Betriebsfortführung zugleich Liquiditätsvorteile durch eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erhalten zu können. 16 Der deutsche Gesetzgeber hat auch hinsichtlich des Ausschlusses von deliktischen Forderungen von seinem Wahlrecht nach Art. 1 Abs. 5c der Restrukturierungsrichtlinie Gebrauch gemacht, dieses allerdings in § 4 Satz 1 Nr. 2 StaRUG auf den Bereich der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beschränkt. Wie in § 302 Nr. 1 InsO hält er diesen Ausschluss zur Bewahrung der von der Haftung für vorsätzliches Handeln ausgehenden Steuerungswirkung für erforderlich.15) 17 Für Plangestaltungen bei natürlichen Personen ist zu beachten, dass – abweichend von § 302 Nr. 1 InsO – Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist, im Restrukturierungsplan gestaltet werden können. Der Gesetzgeber hatte Zweifel, analog zu § 302 Nr. 1 InsO auch die oben genannten Steuerstraftaten aus dem Anwendungsbereich des Restrukturierungsrahmens auszuschließen, weil die Richtlinienvorgaben in Art. 1 Abs. 5 ein Wahlrecht ausdrücklich nur für Forderungen aus einer deliktischen Haftung vorsieht, während der Steueranspruch unabhängig von einer deliktischen bzw. strafbaren Handlung entsteht.16) Im Ergebnis zutreffend hat sich der Gesetzgeber daher entschieden, Forderungen, die aus einer rechtskräftigen Verurteilung des Schuldners wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO resultieren, nicht von einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan auszuschließen. 18 Insbesondere für dominierende Gesellschafter-Geschäftsführer insolventer Kapitalgesellschaften, die regelmäßig i. R. der Sekundärhaftung für die Nichterfüllung steuerlicher Verpflichtungen der Gesellschaft einstehen müssen, kann die Entschuldung mittels eines StaRUG-Restrukturierungsplans und damit unter Einbeziehung dieser Steuerverbindlichkeiten gegenüber einer Insolvenzplanlösung, bei der die oben genannten Steuerforderungen regelmäßig wegen der Regelung in § 302 Nr. 1 InsO von einer Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind, eine interessante Lösung darstellen. Zu beachten ist allerdings, dass bei natürlichen Personen nur Forderungen und Absonderungsanwartschaften aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit gestaltet werden können, vgl. § 4 Satz 2 StaRUG. Anders als im Insolvenzverfahren wird der Schuldner daher nicht von allen gegen ihn gerichteten Verbindlichkeiten, auch aus nicht unternehmerischer Tätigkeit, befreit. 19 Nach § 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG sind schließlich Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3, also Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straft oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, im Restrukturierungsplan nicht gestaltbar. Die Vorschrift entspricht § 302 Nr. 2 InsO sowie § 225 Abs. 3 InsO. ___________ 14) S. a. Bork, ZRI 2021, 345, 360; Desch, BB 2020, 2498, 2511. 15) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115. 16) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115.

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Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans IV.

§ 20

Auswahl der Planbetroffenen

Das StaRUG-Verfahren ist – anders als das Insolvenzverfahren – ein teilkollektives Ver- 20 fahren, das nicht alle Gläubiger eines Unternehmens betreffen muss. Die Frage, welche Gläubiger in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, ist in strate- 21 gischer Hinsicht für das Gelingen der Restrukturierung wichtig und sollte daher sorgfältig überlegt und geprüft werden. Die Auswahl der Gläubiger, denen Sanierungsbeiträge im Restrukturierungsplan abverlangt werden, liegt im Ermessen des Schuldners. Das Auswahlermessen muss gemäß § 8 Satz 1 nach sachgerechten Kriterien ausgeübt werden. Diese Kriterien hat der Schuldner im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern.17) Neben den Planbetroffenen, die der Planverfasser nach Nr. 3 der Anlage zu § 5 Satz 2 22 StaRUG namentlich benennen oder unter hinreichend konkreter Bezeichnung der Forderungen oder Rechte zu beschreiben hat, deren Rechte im Restrukturierungsplan gestaltet werden, sind nach Nr. 5 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG auch die Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften sowie Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, die in den Restrukturierungsplan nicht einbezogen wurden, zusammen mit einer Erläuterung für die Gründe der unterbliebenen Einbeziehung zu benennen. § 8 Satz 2 StaRUG nennt in Nr. 1 bis 3 Fallgruppen für eine sachgerechten Auswahl. 23 Hiernach liegt stets eine angemessene Auswahl vor, wenn die nicht einbezogenen Gläubiger auch in einem Insolvenzverfahren volle Befriedigung erwarten dürften (Nr. 1) oder wenn mit Ausnahme der in § 4 StaRUG genannten Gläubiger, deren Forderungen kraft Gesetzes nicht im Restrukturierungsplan gestaltet werden können, alle Gläubiger in den Plan einbezogen werden (Nr. 3). Beide Fallgruppen werden in der Praxis allerdings nicht den Regelfall darstellen. Nach § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG ist die Auswahl der Planbetroffenen sachgerecht, wenn die der Auswahl zugrunde liegende Differenzierung angemessen vorgenommen wurde. In der Praxis wird diese Angemessenheitskontrolle nach § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG beson- 24 dere Relevanz haben. Danach ist die Auswahl sachgerecht, wenn die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint. Die Rechtfertigung dieser Differenzierung soll sich nach dem gesetzgeberischen Willen in erster Linie nach den Maßnahmen richten, die nach den konkreten Umständen erforderlich erscheinen, um die Restrukturierungslösung überhaupt realisieren zu können.18) Nach der ausdrücklichen Formulierung in § 8 Satz 2, Nr. 2 Halbs. 2 StaRUG ist eine Dif- 25 ferenzierung insbesondere dann sachgerecht, wenn im Restrukturierungsplan ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden. Da es sich bei Finanzgläubigern in der Regel um professionelle Gläubiger handelt, die üblicherweise frühzeitig in eine Sanierung einbezogen werden, und der operative Geschäftsbereich nicht tangiert wird, ist diese Regelung nachvollziehbar. Den Anforderungen des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG an eine sachgerechte Auswahl können 26 gleichwohl auch Konstellationen gerecht werden, in denen auch andere als Finanzforderungen, bspw. Lieferantenverbindlichkeiten, einer Gestaltung zugänglich gemacht werden, wenn dies nach der Art zu bewältigenden Schwierigkeiten und den Umständen angemessen erscheint. Die Kriterien für eine Differenzierung nach einzelnen Planbetroffenen sind in solchen Konstellationen, in denen nicht nur Finanzgläubiger betroffen sind, besonders sorgfältig herauszuarbeiten und darzulegen. ___________ 17) Vgl. Desch, BB 2020, 2498, 2503. 18) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

27 Nach § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG liegt eine sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen weiterhin insbesondere auch dann vor, wenn die Forderungen von Kleingläubigern, vor allem Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmern oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben. Auch insoweit hat der Gesetzgeber den besonderen Schutz kleiner und mittlerer Unternehmen im Blick, der vor dem Hintergrund, dass die genannte Gruppe üblicherweise nicht die entscheidenden Sanierungsbeiträge leistet19) und ihre Schutzbedürftigkeit nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG regelmäßig die (nicht in jedem Fall gewünschte) Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach sich zieht, sachgerecht erscheint. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch nicht, dass es nicht sachgerecht sein kann, Forderungen von Kleingläubigern in den Plan einzubeziehen. Der Gesetzgeber weist darauf hin, dass die Frage der Angemessenheit der Auswahl der Planbetroffenen immer einzelfallabhängig zu entscheiden ist.20) Ist der Schuldner selbst Kleinunternehmer, können sich unter seinen Gläubigern durchaus auch andere Kleinunternehmen befinden, welche wesentliche Sanierungsbeiträge leisten. 28 Anknüpfend an den eindeutigen Wortlaut des § 8 Satz 1, Satz 2 StaRUG hat der Planverfasser die Auswahl der Planbetroffenen im Plan deutlich anzugeben und zu begründen. Hierbei sind entsprechend der Anforderungen in Nr. 5 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG auch Gläubiger, die nicht in den Plan einbezogen werden, ausdrücklich zu benennen und ihre Nichteinbeziehung zu begründen. Wie von § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG verlangt, hat der Planverfasser die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners, zu denen explizit ausgeführt werden sollte, und den Umständen, die ebenfalls vorzutragen sind, zu erläutern. 29 Ein Verstoß gegen die sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen liegt nicht deshalb vor, weil der Restrukturierungsplan nur Kreditgeber des Schuldnerunternehmens betrifft und Eingriffe in ihre Rechte vorsieht, nicht jedoch (bspw.) auch in Anteilseignerrechte bzw. Rechte aus nachrangigen Gesellschaftsdarlehen eingreift.21) Das AG Köln hat im Beschluss vom 3.3.2021 zutreffend festgestellt, dass weder § 2 Abs. 3 StaRUG noch §§ 7, 8 StaRUG eine Planbetroffenheit von Anteilseignern bzw. Eingriffe in Anteilsrechte oder nachrangige Gesellschafterdarlehen erfordern.22) Eingriffe in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldnerunternehmen können nach § 2 Abs. 3 StaRUG i. V. m. §§ 7, 8 StaRUG gestaltet werden, müssen es aber nicht. V.

Gruppenbildung

1.

Obligatorische Gruppen

30 § 9 Abs. 1 Satz 1 StaRUG legt fest, dass bei der Festlegung der Rechte der Planbetroffenen Gruppen zu bilden sind, soweit Planbetroffene unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. Die Vorschrift ist der Regelung zum Insolvenzplan in § 222 Abs. 1 Satz 1 InsO nachgebildet. Die Unterscheidung von gesicherten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und ungesicherten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StaRUG) Forderungen hatte der deutsche Gesetzgeber wegen der Vorgaben der EU-Richtlinie zu wahren.23) Von der gemäß Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie eröffneten Möglichkeit, kleine und mittlere Unternehmen von der Verpflichtung zur Bildung von Gruppen generell auszunehmen, hat der deutsche Ge___________ 19) 20) 21) 22) 23)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118 – unter Verweis auf die Restrukturierungsrichtlinie.

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Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans

§ 20

setzgeber unter Verweis darauf, dass sich aus der Bildung der in § 9 Abs. 1 StaRUG genannten Pflichtgruppen keine besonderen Schwierigkeiten ergeben und die Unterscheidung wenigstens der dort genannten Pflichtgruppen im Interesse der transparenten Darstellung der unterschiedlichen wirtschaftlichen Situation der Planbetroffenen auch bei solchen Schuldnern keinen Gebrauch gemacht.24) § 9 Abs. 1 Satz 2 StaRUG benennt in Nr. 1 bis Nr. 4 Pflichtgruppen, die der Planverfasser zu 31 bilden hat. Genannt sind zunächst die Inhaber von Absonderungsanwartschaften (Nr. 1, vgl. zum Begriff § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Anders als in § 222 Abs. 1 Nr. 1 InsO für absonderungsberechtigte Gläubiger enthält § 9 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG keine Einschränkung dahingehend, dass durch den Plan in ihre Rechte eingegriffen werden muss. Der Gesetzgeber des StaRUG hat dies – soweit ersichtlich – in der Gesetzesbegründung nicht kommentiert, so dass nur gemutmaßt werden kann, dass aus Transparenzgründen auch dann eine Gruppe der Absonderungsanwartschaften gebildet werden soll, wenn der Plan nicht in Absonderungsanwartschaften eingreift, etwa, weil Sicherungsrechte am Schuldnervermögen vollständig bedient werden. Bei den weiteren Pflichtgruppen der einfachen (Nr. 2) und nachrangigen (Nr. 3) Re- 32 strukturierungsforderungen weicht die Vorschrift des § 9 Abs. 1 StaRUG von ihrem insolvenzrechtlichen Vorbild des § 222 Abs. 1 InsO teilweise ab. Die grundsätzliche Differenzierung danach, ob Forderungen im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als nicht nachrangige Insolvenzforderungen geltend zu machen wären, behält § 9 StaRUG bei. Anders als in § 222 Abs. 1 Nr. 2 InsO zählen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zu den einfachen Restrukturierungsforderungen auch die auf sie entfallenden weiterlaufenden Zinsforderungen und Säumniszuschläge, welche im Insolvenzverfahren nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachrangige Insolvenzforderungen darstellen. Für die Verankerung eines entsprechenden Nachrangs für künftige Zinsansprüche sah der Gesetzgeber im StaRUG-Verfahren keinen Anlass, da auch solche Forderungen i. R. des § 3 StaRUG gestaltbar und damit genauso zu behandeln sind wie die Hauptforderung.25) Zu den nachrangigen Restrukturierungsforderungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG 33 zählen mithin 

Forderungen auf unentgeltliche Leistung (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO),



Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und



Forderungen mit vereinbartem Rangrücktritt (§ 39 Abs. 2 InsO).

Die nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO ebenfalls als nachrangig zu qualifizierenden Strafen und 34 sonstigen Sanktionen sind einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan gemäß § 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG hingegen nicht zugänglich. Für die Inhaber von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten ist nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 35 StaRUG eine eigene Gruppe zu bilden. Anders als § 222 Abs. 1 Nr. 4 InsO sieht der Wortlaut – ähnlich wie bei den Absonderungsanwartschaften – keine Einschränkung dahingehend vor, dass die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden, so dass der Planverfasser unabhängig hiervon gehalten sein dürfte, eine eigene Gruppe für die Anteilseigner zu bilden. Die Einstufung der gruppeninternen Drittsicherheiten in einer eigenen Plangruppe (§ 9 36 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) spiegelt nach dem gesetzgeberischen Willen die unterschiedliche Wirkungsweise von Dritt- und Eigensicherheiten und die unterschiedliche wirtschaftliche ___________ 24) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 25) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

Stellung der durch Dritt- und Eigensicherheiten begünstigten Gläubiger wieder.26) Die Parallelregelung in § 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 InsO ist mit Inkrafttreten des SanInsFoG Gesetzesbestandteil geworden. 37 Anders als das Insolvenzplanrecht, das in § 222 Abs. 3 Satz 2 InsO die Bildung einer fakultativen Gruppe für Kleingläubiger vorsieht, regelt das StaRUG in § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG eine Pflichtgruppe für Kleingläubiger. Da – anders als im Insolvenzplanverfahren – eine qualifizierte Summenmehrheit (und keine zusätzliche Kopfmehrheit) in jeder Gruppe erreicht werden muss, sollen die Kleingläubiger mit der eigenen Pflichtgruppe nach dem gesetzgeberischen Willen vor einer Majorisierung durch das höhere Stimmgewicht der Großgläubiger geschützt werden.27) 2.

Fakultative Gruppen

38 Nach dem Vorbild des Insolvenzplans (vgl. § 222 Abs. 2 InsO) ist auch im Restrukturierungsplan die Bildung von Untergruppen gemäß § 9 Abs. 2 StaRUG möglich, sofern bei den Planbetroffenen gleiche Rechtsstellungen, aber unterschiedliche wirtschaftliche Interessen bestehen. Wie bei § 222 Abs. 2 Satz 3 InsO sind die Abgrenzungskriterien im Restrukturierungsplan zu benennen, um einerseits die Planbetroffenen vor der Abstimmung hinreichend zu informieren und andererseits dem Restrukturierungsgericht bei der Planbestätigung eine Überprüfungsmöglichkeit zu bieten.28) 39 Anders als § 222 Abs. 2 Satz 3 InsO stellt § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG keine Kriterien für die Einordnung eines Gläubigers als Kleingläubiger auf. Die Gesetzesbegründung verweist insoweit darauf, dass der Kreis der Kleingläubiger abhängig von der Gläubigerstruktur des Unternehmens unter Heranziehung relativer Kriterien, etwa des Anteils der Verbindlichkeiten gegenüber dem betreffenden Gläubiger an der Gesamtsumme der Verbindlichkeiten, und absoluter Kriterien (Höhe der Forderungen des betreffenden Gläubigers) sein kann.29) Es bleibt daher dem Ermessen und der Begründung des Planverfassers vorbehalten, Forderungen von Planbetroffenen als Kleingläubigerforderungen einzuordnen. In der Praxis werden regelmäßig Forderungshöchstgrenzen zur Qualifikation als Kleingläubigerforderung zu bilden sein. 40 Das StaRUG sieht – im Unterschied zu § 222 Abs. 3 Satz 1 InsO für den Insolvenzplan – keine (fakultative) Gruppe für Arbeitnehmer vor, da ihre Forderungen gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan nicht zugänglich sind. 3.

Strategische Erwägungen

41 Der Gruppenbildung kommt eine wesentliche Funktion im Restrukturierungsplan zu. Wegen der Möglichkeiten, obstruierende Minderheiten mit einer qualifizierten Stimmenmehrheit von 75 % innerhalb einer Gruppe und zusätzlich mit einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung gemäß § 26 StaRUG zu überstimmen, kann durch strategisch geschickte Gruppenbildung beachtlicher Einfluss auf das voraussichtliche Abstimmungsergebnis genommen werden.30) Dem Planverfasser sei daher dringend empfohlen, neben der Einordnung der Planbetroffenen und deren sachgerechte Auswahl auch die Einteilung in die Pflichtgruppen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Satz 2 und Abs. 2 Satz 4 StaRUG zu beachten. ___________ 26) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 27) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119, s. auch Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 11; Skauradszun, ZRI 2020, 625, 632; Rechtmann, WM 2021, 520, 522. 28) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 29) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 30) Ebenso Herweg/Wirth, DB 2021, 886, 888.

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Besonderes Augenmerk sollte der Planverfasser darüber hinaus auf die sachgerechte Ab- 42 grenzung bei der Bildung von fakultativen Untergruppen und ihre Begründung im Plan gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 StaRUG legen. Diese erfolgt nach Maßgabe wirtschaftlicher Interessen, die im Plan darzulegen sind. Hierbei ist im Plan sorgfältig darzulegen und zu erläutern, dass die wirtschaftlichen Interessen der Planbetroffenen nicht bereits durch eine andere Gruppe abgedeckt werden und die Interessen eine unterschiedliche Behandlung sinnvoll erscheinen lassen.31) Dient die Bildung fakultativer Untergruppen von Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung, aber (vermeintlich) unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen evident dem Ziel der Generierung zusätzlicher Abstimmungsgruppen, um die Voraussetzungen für einen Cram-Down zu schaffen, dürfte Missbräuchlichkeit vorliegen,32) die zu einer Versagung der gerichtlichen Planbestätigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2 StaRUG führen kann. Die Bildung von nur einer Gruppe (sog. Ein-Gruppen-Pläne) dürfte – wie im Insolvenz- 43 plan – grundsätzlich möglich sein, da sich die Formulierung von § 9 StaRUG an die des § 222 InsO anlehnt. Sofern ausschließlich Planbetroffene mit gleicher Rechtsstellung betroffen sind, also etwa nur Kreditgeber, können diese in nur einer Gruppe erfasst werden.33) Sobald Planbetroffene verschiedener Rechtsstellungen vorliegen, sind diese zwingend in unterschiedlichen Gruppen zusammenzufassen. Ein Ein-Gruppen-Plan ist in diesem Fall nicht zulässig. Nicht zulässig und daher zu vermeiden ist es ferner, Planbetroffene mit gleicher Rechts- 44 stellung aus strategischen Erwägungen verschiedenen Gruppen zuzuteilen.34) VI.

Gleichbehandlung der Planbetroffenen

Den Grundsatz, dass Planbetroffene innerhalb einer Gruppe gleichzubehandeln sind, indem 45 ihnen gleiche Rechte anzubieten sind, hat der Gesetzgeber in Anlehnung an § 226 InsO für den Restrukturierungsrahmen in § 10 Abs. 1 StaRUG aufgenommen. Wie auch im Insolvenzplanrecht ist eine unterschiedliche Behandlung von Planbetroffenen, die unterschiedlichen Gruppen angehören, zulässig. Im Restrukturierungs- und Stabilisierungsrahmen wird es darüber hinaus regelmäßig zu 46 Ungleichbehandlungen zwischen Planbetroffenen und nicht in den Plan einbezogenen Gläubigern kommen, die jedoch – eine ordnungsgemäße Auswahl der Planbetroffenen und Gruppenbildung unterstellt – in der Natur des teilkollektiven Verfahrens liegt und nicht zu beanstanden sind. Innerhalb einer Gruppe können – wie im Insolvenzplan gemäß § 226 Abs. 2 InsO – ein- 47 zelne Planbetroffene auf eine Gleichbehandlung verzichten, sofern der Betroffene der Ungleichbehandlung ausdrücklich schriftlich mit einer dem Restrukturierungsplan beizufügender Erklärung zustimmt, vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1, 2 StaRUG. § 10 Abs. 3 StaRUG stellt darüber hinaus sicher, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht durch Nebenabreden umgangen wird. Als nichtig deklariert wird danach jedes Abkommen des Schuldners oder Dritter mit einzelnen Planbetroffenen, durch das diesen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsvorhaben ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird. ___________ 31) 32) 33) 34)

Vgl. zum Insolvenzplanrecht Thies in: HambKomm-InsO, § 222 Rz. 18 m. w. N. Ähnlich Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 12. Vgl. aber die wohl a. A. Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 2. S. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021. 433 – unter Verweis auf das auch im Restrukturierungsverfahren anzuwendende Differenzierungsverbot, AG Köln v. 6.4.2016 – 74 IN 45/15, ZIP 2016, 1240 = NZI 2016, 537; krit. hierzu Thole, NZI 2021, 436.

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48 In der Praxis können Konstellationen relevant werden, in denen der Planverfasser den Planbetroffenen einer Gruppe Wahloptionen anbietet, bei denen jeder Planbetroffene entscheiden kann, ob er diese annimmt. So kann bspw. Kreditgebern innerhalb einer Gruppe im Restrukturierungsplan die Option der anteiligen Beteiligung an einer neuen Finanzierung an der Schuldnerin eingeräumt und im Gegenzug den hierfür optierenden Kreditgebern Sicherheiten an dem Vermögen einer nach dem Restrukturierungsplan zu erwerbenden neuen Zielgesellschaft gestellt werden, die vorrangig zur Besicherung der neuen Finanzierung und nachrangig zur Absicherung der Restrukturierungsforderungen dienen.35) Denkbar sind ferner Optionen innerhalb einer Plangruppe auf eine sofort zahlbare Barabfindung anstelle einer späteren, verzinsten Auszahlung für Gläubiger, die investieren oder zwischen einer Zahlung und der Umwandlung von Forderungen in Anteilsrechte bei Wertgleichheit zwischen Zahlbetrag und Beteiligung.36) 49 Eine Ungleichbehandlung liegt in den Fällen, in denen allen Planbetroffenen einer Gruppe identische Optionen angeboten werden, nicht vor, wenn ein Planbetroffener die Option nicht annimmt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Option allen Planbetroffenen einer Gruppe gleichermaßen eingeräumt wird.37) Dass ein Planbetroffener diese Option nicht wahrnehmen möchte, ist für die Frage der Ungleichbehandlung unerheblich, ebenso, dass eine Option den hierfür optierenden Planbetroffenen Vorteile, z. B. eine nachrangige Absicherung von Restrukturierungsforderungen, verschafft, den nicht optierenden Planbetroffenen hingegen nicht.38) 50 Zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gilt es für den Planverfasser mithin zu beachten, dass Optionen im Restrukturierungsplan grundsätzlich aufgenommen werden können, diese jedoch allen Planbetroffenen einer Gruppe gleichsam offeriert werden müssen. VII. Gestaltung der Rechtsstellung der Planbetroffenen 1.

Restrukturierungsforderungen

51 Sollen Restrukturierungsforderungen (und Absonderungsanwartschaften, siehe hierzu unten Rz. 57 ff.) im Plan gestaltet werden, was in der Praxis regelmäßig der Fall sein wird, ist gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 StaRUG zu bestimmen, um welchen Bruchteil diese gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert und welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen. Die Norm ist § 224 InsO (Rechte der Insolvenzgläubiger im Insolvenzplan) nachgebildet. Mit der Forderungskürzung, Stundung und Besicherung nennt § 7 Abs. 2 Satz 1 StaRUG beispielhaft typische Instrumentarien für eine Gestaltung von Restrukturierungsforderungen. Es herrscht jedoch Vertragsfreiheit, so dass – abgestimmt auf das jeweilige Planziel – grundsätzlich jede Veränderung der Rechtsstellung der Inhaber von Restrukturierungsforderungen vereinbart werden kann.39) 52 Neben den genannten ausdrücklichen Gestaltungsinstrumentarien sind weitere Regelungen möglich, insbesondere ein Forderungsverzicht mit Besserungsschein, ein Rangrücktritt, ein (Teil-)Verzicht auf ein Aufrechnungsrecht oder der vollständige Erlass einer Restrukturierungsforderung.40) ___________ 35) Vgl. die entsprechende, dem Beschluss des AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433, zugrunde liegende Konstellation. 36) Zu letzterem vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 10 Rz. 7. 37) Vgl. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. 38) So eindeutig AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. 39) Zum Insolvenzplanrecht vgl. BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, ZIP 2018, 1141; Breuer in: MünchKommInsO, § 224 Rz. 4; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 224 Rz. 3. 40) Vgl. zum Insolvenzplan Thies in: HambKomm-InsO, § 224 Rz. 2.

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Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans

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Sämtliche im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans getroffenen Gestaltungsrege- 53 lungen müssen – um den Anforderungen des § 71 Abs. 1 StaRUG an die Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan zu genügen – inhaltlich so konkretisiert werden, dass sie bezogen auf den Individualanspruch des Planbetroffenen einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Ohne hinreichend bestimmten und damit vollstreckungsfähigen Inhalt ist die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG von Amts wegen zu versagen. Schon im Insolvenzplanrecht besonders bedeutsam, ist davon auszugehen, dass Forderungs- 54 kürzungen auch im Restrukturierungsplan einen besonders großen Anwendungsbereich haben werden. Forderungskürzungen werden im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans – analog zu den Regelungen im Insolvenzplan – umgesetzt, in dem eine Quote angegeben wird, welche die Planbetroffenen einer Gruppe auf ihre Restrukturierungsforderungen erhalten sollen. Zugleich wird geregelt, dass die Gläubiger auf den über die Quote hinausgehenden Teil ihrer Forderungen verzichten. Besonders bedeutsam ist die Festlegung einer konkreten Quote. Diese muss – wie im In- 55 solvenzplan – zumindest bestimmbar sein.41) Idealerweise lässt sich die Forderungskürzung anhand eines konkreten Prozentsatzes in Form einer fixen (zumindest Mindest-)Quote bestimmen, welche die Inhaber von Restrukturierungsforderungen zu einem definierten Zeitpunkt auf ihre (unstreitigen) Forderungen ausgezahlt bekommen.42) In der Praxis des Insolvenzplanverfahrens verbreitet sind indes auch flexible Quotenrege- 56 lungen, die von der künftigen Geschäftsentwicklung und anderen Umständen abhängig sein können.43) Regelmäßig hilft sich der Planverfasser in solchen Konstellationen mit einer Mindestquote und einem Besserungsschein, der die Planbetroffenen am Sanierungserfolg des Unternehmens partizipieren lässt.44) Auf diese Weise wird einerseits dem Vollstreckungserfordernis genügt und andererseits den Gläubigern neben einer fixen (Mindest-)Quote ein möglicher, bei Planvorlage noch nicht hinreichend prognostizierbarer Betrag zugeordnet. Dem Verfasser des Restrukturierungsplans sei eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise empfohlen. 2.

Absonderungsanwartschaften

§ 7 Abs. 2 Satz 1 StaRUG stellt die oben genannten Anforderungen nicht nur für die Ge- 57 staltung von Restrukturierungsforderungen, sondern auch von Absonderungsanwartschaften auf. Hinsichtlich der Absonderungsanwartschaften ist die Regelung § 223 Abs. 2 InsO nachgebildet. Die Aufnahme einer Parallelregelung zu § 223 Abs. 1 InsO war indes entbehrlich, da im Restrukturierungsplan ohnehin nur die einbezogenen, zur Absonderung berechtigenden Rechte gestaltet werden können.45) Für die Absonderungsanwartschaften sind – wie bei den Absonderungsrechten im Insol- 58 venzplan – Gestaltungen in Form von Kürzungen der dem Sicherungsrecht zugrunde liegenden Forderungen mit der Folge der Unterschreitung des Wertes der Absonderungsanwartschaft46) ebenso möglich wie Stundungen gesicherter Forderungen, welche die Verwertung der Absonderungsanwartschaft tangieren bzw. hinausschieben, oder der teilweise ___________ Vgl. zum Insolvenzplan Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 224 Rz. 3. Ebenso Böhm in: Braun, StaRUG, § 7 Rz. 9. Zum Insolvenzplan etwa Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 224 Rz. 6 m. w. N. Vgl. Böhm in: Braun, StaRUG, § 7 Rz. 9; zum Insolvenzplan Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 224 Rz. 6; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 224 Rz. 3; Thies in: HambKomm-InsO, § 224 Rz. 4. 45) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. 46) Hierauf verweist auch Böhm in: Braun, StaRUG, § 7 Rz. 11.

41) 42) 43) 44)

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oder vollständige Verzicht auf die Sicherheit bzw. die Freigabe eines Sicherungsguts gegen eine quotale Abfindungszahlung auf die gesicherte Forderung.47) Auch ein Sicherheitentausch ist als Gestaltungsoption denkbar.48) 59 Bei finanzwirtschaftlichen Sanierungen werden Finanzierungen häufig in Einzelbestimmungen (§ 2 Abs. 2 StaRUG) oder vollständig neu verhandelt bzw. Forderungsverzichte, z. B. von bestehenden Konsortialkrediten, ausgesprochen. In diesen Fällen sind auch die bestehenden Sicherheiten neu zu ordnen. Werden Sicherheiten durch (Teil-)Forderungsverzichte frei, können sie ggf. zur Sicherung neuer Kredite eingesetzt oder mit einer Abfindungszahlung kompensiert werden. Besonders relevant sind diese Regelungen innerhalb von Konzernstrukturen, bei denen Absonderungsanwartschaften in Form von gruppeninternen Drittsicherheiten gemäß § 2 Abs. 4 StaRUG zu gestalten sind, siehe auch die Ausführungen unter Rz. 61 ff. 60 Schließlich kann auch die Bildung von Treuhandschaften probates Gestaltungsmittel im Restrukturierungsplan sein. Der gestaltende Teil sieht in geeigneten Konstellationen sodann die treuhänderische Übertragung von Sicherheiten auf einen Treuhänder vor. Verzichtet bspw. ein gesicherter Gläubiger mit einem Bruchteil auf seine gesicherten Forderungen und valutiert das Sicherungsrecht demzufolge in dieser Höhe nicht mehr, kann es sich anbieten, die Sicherheit insgesamt auf einen Treuhänder zu übertragen, der sie erstrangig im Sicherungsfall für den bisherigen Gläubiger i. H. seiner gekürzten Forderung hält.49) Der durch den Forderungsverzicht frei gewordene Teil der Sicherheit kann auch in diesem Fall dann für neue Finanzierungen bereitgestellt werden. 3.

Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten

61 § 7 Abs. 2 Satz 2 StaRUG erklärt die für Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften in § 7 Abs. 2 Satz 1 StaRUG getroffenen Regelungen entsprechend für die Gestaltung der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten gemäß § 2 Abs. 4 StaRUG anwendbar. Der Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan unterliegen gemäß § 2 Abs. 4 StaRUG auch Personal- und Realsicherheiten, die ein verbundenes Unternehmen i. S. des § 15 AktG zur Besicherung von Restrukturierungsforderungen bestellt hat. Dieser Eingriff ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG angemessen zu entschädigen. 62 Die Einbeziehung von Drittsicherheiten in einen Restrukturierungsplan gemäß § 2 Abs. 4 StaRUG bzw. in einen Insolvenzplan gemäß §§ 217 Abs. 2, 223a InsO n. F. stellt eine systematische Neuregelung und eine Durchbrechung des bislang konzerninsolvenzrechtlich geltenden Grundsatzes „ein Insolvenzverfahren für jede Konzerngesellschaft“ dar. Nunmehr ist eine umfassende Restrukturierung im Konzern ohne Insolvenz des Drittsicherheitengebers möglich.50) 63 Interessant ist, dass § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG durch den Rechtsausschuss des Bundestages verändert wurde und seine aktuelle Fassung erst im Zuge dieser Änderungen erhalten hat. Hiernach sind die Sicherheiten aller mit dem Schuldnerunternehmen verbundener Unternehmen gemäß § 15 AktG einer Plangestaltung zugänglich.51) Mit dem Schuldnerunternehmen in diesem Sinne verbunden sind sämtliche Konzerngesellschaften inklusive ___________ 47) Vgl. zum Insolvenzplan Thies in: HambKomm-InsO, § 223 Rz. 5; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 223 Rz. 32 ff. 48) Zum Insolvenzplan vgl. Breuer in: MünchKomm-InsO, § 223 Rz. 14 m. w. N. 49) Ähnlich zum Insolvenzplan Breuer in: MünchKomm-InsO, § 223 Rz. 18. 50) Gehrlein, BB 2021, 66, 68. 51) S. Beschlussempfehlung d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25303, S. 19 sowie Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7.

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aller direkten oder indirekten Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaften. Der Regierungsentwurf sah demgegenüber „nur“ die Restrukturierung von Konzerntochterunternehmen i. S. des § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB durch Gestaltung der von der Konzernmutter gestellten Sicherheiten unter Vermeidung eines Insolvenzverfahrens für die Muttergesellschaft vor.52) Umfasst waren mithin allein sog. „Upstream“-Sicherheiten, ausgereicht von Tochtergesellschaften, während die aktuelle Fassung auch die Gestaltung von sog. „Downstream“-Sicherheiten, ausgereicht von Mutter- oder Schwestergesellschaften, im Restrukturierungsplan vorsieht. Die nochmalige Erweiterung auf sämtliche mit dem Restrukturierungsschuldner gemäß § 15 AktG verbundenen Unternehmen sollte nach der Auffassung des Rechtsausschusses der weiteren Erleichterung von Konzernrestrukturierungen ohne Einzelinsolvenzverfahren dienen.53) Den Rechtsverlust des Sicherungsgebers kompensiert der StaRUG-Gesetzgeber mit der Wert- 64 garantie des Schlechterstellungsverbotes gemäß §§ 64 Abs. 1, 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG. Danach darf der Restrukturierungsplan einen Planbetroffenen nicht schlechterstellen, als dieser ohne den Plan stünde (Minderheitenschutz). Der Sicherungsgläubiger ist angemessen zu entschädigen, § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG. Die Frage der Angemessenheit der Entschädigung wird der Planverfasser in der Praxis 65 idealerweise frühzeitig mit dem Drittsicherheitengeber lösen. Anderenfalls droht die Gefahr, dass aufwändige Ermittlungen,54) Bewertungsunsicherheiten und ggf. Begehrlichkeiten des Drittsicherheitengebers zu Blockadeszenarien führen mit der Folge, dass eine von allen anderen Planbetroffenen einvernehmlich beschlossene, planbasierte finanzwirtschaftliche Restrukturierung daran scheitert, dass der verbundene Sicherungsgläubiger die Freigabe einer Drittsicherheit von einer hohen Entschädigungsleistung abhängig macht.55) Die vollständige Freigabe gruppeninterner Sicherheiten ist indes üblicherweise Voraussetzung für eine Finanzrestrukturierung, um das wesentliche Schuldnervermögen als Sicherheit für neue Finanzierungen bereithalten zu können.56) Schließlich kommt bei einer Sicherheit, deren Verwertung nicht eingeleitet ist, als Entschädigung regelmäßig wohl nur die Hinterlegung eines Geldbetrages in Frage, der wiederum die Liquidität des Krisenunternehmens empfindlich belasten kann.57) Die angemessene Entschädigung richtet sich nach der Werthaltigkeit der Sicherheit und 66 der Valutierung der besicherten Forderungen. Dabei sind alle realistischen Verwertungsszenarien vergleichsweise heranzuziehen; etwaige (vorrangige) Sicherungsrechte Dritter sind zu berücksichtigen. In Konzernrestrukturierungen sind ferner sämtliche Sicherheiten eines gruppeninternen Sicherungsgebers zu betrachten. Neben der ggf. zu entschädigenden Drittsicherheit wird der Gläubiger häufig weitere Sicherheiten am Schuldnervermögen halten, etwa Pfandrechte an den Anteilen der Konzerntochter, welche die Sicherheit bestellt hat. In diesen Konstellationen ist eine denkbare Doppelbefriedigung des Gläubigers aus einer Entschädigungszahlung und der Planquote zu vermeiden bzw. sind etwaige Quotenzahlungen bei der Berechnung der Angemessenheit einer Entschädigung anzurechnen.58) Die Angemessenheit einer Entschädigungsleistung bei einem Eingriff in gruppeninterne 67 Drittsicherheiten kann gemäß § 73 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG durch einen Restrukturierungs___________ 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113; hierzu Desch, BB 2020, 2498, 2502. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7. Hierauf weisen Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2623, zu Recht hin. So zutreffend Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 43. Vgl. auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 43. Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2623. Hierauf verweist auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 56 ff.

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beauftragten als Sachverständigen geprüft werden. Dies kann sinnvoll sein, um etwaige Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten durch die Einschätzung eines neutralen Dritten aufzulösen. 68 Die Ausgleichszahlung muss nicht zwingend aus dem Schuldnervermögen stammen. Der Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG enthält insoweit keine Vorgaben, auch wenn die Gesetzesbegründung von einer Entschädigung aus dem Schuldnervermögen ausdrücklich spricht.59) Entschädigungszahlungen von dritter Seite dürften wegen der fehlenden Einschränkung im Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG zulässig und in der Praxis häufig anzutreffen sein. Relevant dürften insbesondere Konstellationen sein, in denen Entschädigungszahlungen von der Seite eines Investors geleistet werden. 69 § 7 Abs. 2 Satz 2 StaRUG stellt die für die Gestaltung von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften gestellten Anforderungen entsprechend an die Gestaltung von Rechten aus gruppeninternen Drittsicherheiten. Soweit der Planverfasser im gestaltenden Teil demzufolge Forderungskürzungen bzw. Stundungen und Besicherungen bestimmen muss, bezieht sich dies primär auf die Gestaltung von Forderungen. Sicherheiten können nach § 7 Abs. 2 Satz 1 StaRUG ausdrücklich sonstigen Regelungen unterworfen werden. Für gruppeninterne Sicherheiten kommt als „sonstige Regelung“ bspw. ihre zeitliche Verlängerung, ihre Freigabe oder die Aufhebung akzessorischer Sicherheiten in Betracht, jeweils denkbar mit einer Anschlussfinanzierung, an der sich der gruppeninterne Sicherungsgeber beteiligt und i. R. derer er ggf. neue Sicherheiten erhält. 4.

Vertragliche Nebenbestimmungen oder Vereinbarungen nach § 2 Abs. 2 StaRUG

70 Im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans können nach § 2 Abs. 2 StaRUG über Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften hinaus auch vertragliche Einzelbestimmungen in mehrseitigen Rechtsverhältnissen verändert werden. Gemeint sind insbesondere Finanzierungsarrangements, bei denen der Schuldner nach Maßgabe einheitlicher Bedingungen Kredite von mehreren Gläubigerbanken, bspw. einem Bankenkonsortium, aufgenommen hat (§ 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). Darüber hinaus erklärt der Gesetzgeber auch vertragliche Einzelbestimmungen mit einer Vielzahl an Inhabern von Schuldverschreibungen oder Schuldscheindarlehen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG) sowie Finanzierungen, die Vereinbarungen zwischen (Sicherungs-)Gläubigern über die Durchsetzung und Rangfolge ihrer Ansprüche gegen den Schuldner (§ 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG) im Restrukturierungsplan für gestaltbar. 71 Die Gesetzesbegründung macht deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit der Gestaltung von Einzelbestimmungen aus verbundenen Rechtsverhältnissen, die § 2 Abs. 2 StaRUG regelt, vor allem die Änderung und Neufassung von Konsortialfinanzierungen und Finanzierungen von Schuldtiteln gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG sowie der begleitenden Vertragsdokumentationen zu Rechten und Pflichten untereinander vorsehen wollte.60) Zu diesen Vertragsdokumentationen zählen in der Praxis vor allem sog. Intercreditor-Agreements, welche Regelungen der Finanzierungsparteien über Rang- und Reihenfolge ihrer vertraglichen Ansprüche gegenüber dem Schuldner, gruppeninternen Drittsicherheitengeber oder einem Sicherheitentreuhänder abbilden. 72 Die Begründung führt aus, dass nach den in der Finanzpraxis gängigen Bedingungen und Nebenbestimmungen der Schuldner oftmals verpflichtet ist, bestimmte Finanzzahlen-Relationen einzuhalten sowie bestimmte Geschäftsführungs- oder Finanzierungsmaßnahmen wie die Besicherung nachträglich aufgenommener, die Stellung der Gläubiger ggf. verschlech___________ 59) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. 60) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111.

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ternder Fremdmittel zu unterlassen.61) In Restrukturierungssituationen könne das Bedürfnis entstehen, vertragliche Bedingungen und Nebenbestimmungen anzupassen oder zu lockern, um das Restrukturierungsziel zu erreichen. Der Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 StaRUG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Restrukturierungsplan die Gestaltung von Forderungen und Absonderungsanwartschaften erlaubt, die – anders als im Insolvenzverfahren – Bestandteil eines an sich fortbestehenden Rechtsverhältnisses sind. Es besteht daher aus gesetzgeberischer Sicht kein Grund, die Nebenbestimmungen zu den Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften nicht ebenfalls der Gestaltung durch den Plan zugänglich zu machen,62) zumal die Gestaltung von Nebenbestimmungen, etwa durch Verlängerung der Fälligkeiten oder Ausschluss von Kündigungsrechten häufig ein milderes Mittel gegenüber einem Eingriff in Restrukturierungsforderung oder Absonderungsanwartschaft darstellt. Mit der Gestaltungsmöglichkeit vertraglicher Nebenbestimmungen aus verbundenen Rechts- 73 verhältnissen trägt der Gesetzgeber den Bedürfnissen an eine umfassende Restrukturierung moderner Finanzierungsstrukturen Rechnung. Diesem Gedanken folgend, stellt § 7 Abs. 3 StaRUG keine weiteren Anforderungen an die Gestaltung vertraglicher Nebenbestimmungen oder Vereinbarungen nach § 2 Abs. 2 StaRUG. Für die Praxis dürften insbesondere

74



Anpassungen in Form von Streichungen oder Ergänzungen von Auflagen (etwa Financial Covenants),



Kündigungsregelungen (etwa Events of Default u. a.),



Zusicherungen (etwa Warranties bzw. Reps) oder



Veränderungen des Ranges von Sicherheiten

relevant sein. Speziell bei der Verhandlung sog. Amend & Extend-Lösungen, welche die Verlängerung 75 der Laufzeit syndizierter Kredite zu besseren Konditionen vorsehen, sowie der Bereitstellung von neuen Finanzierungen („fresh money“) bieten sich Gestaltungen vertraglicher Einzelbestimmungen in Restrukturierungsplänen an. Auch Sanierungsvereinbarungen, die als „Intercreditor Agreements“ typischerweise zwischen Bankenkonsortien und dem Schuldnerunternehmen abgeschlossen werden, können der Gestaltung nach § 2 StaRUG unterliegen;63) ebenso Sicherheitenpool-Vereinbarungen.64) Der Planverfasser sollte beachten, dass § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG die Gestaltung von Einzel- 76 bestimmungen eines mehrseitigen, zwischen dem Schuldner und wenigstens zwei weiteren Parteien, bestehenden Rechtsverhältnisses vorsieht, auf dem die Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften beruhen. Eine Umgestaltung von Nebenbestimmungen kommt daher nur in Betracht, wenn auch ein Bezug bzw. eine Verknüpfung zu Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften besteht; hiervon isolierte Gestaltungen von vertraglichen Einzelbestimmungen sind nicht möglich.65) Außerdem ist unbedingt zu beachten, dass vertragliche Nebenbestimmungen nur in einem mehrseitigen, nicht aber in einem zweiseitigen Rechtsverhältnis gestaltbar sind. ___________ 61) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. 62) So ausdrücklich die Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. 63) Vgl. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433, das jedoch offenlässt, ob die Gestaltung von Sanierungsvereinbarungen unter § 2 Satz 1 oder Satz 3 StaRUG fällt; Schelo, WM 2021, 513, 514. 64) Schelo, WM 2021, 513, 514; zum Instrumentarium des Sicherheitenpools vgl. Berner, Sicherheitenpools der Banken und Lieferanten im Insolvenzverfahren, KTS-Schriftenreihe 2006 (Diss.). 65) Hierauf weist auch Bork, ZRI 2021, 345, 352, hin.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

77 Die Reichweite der Änderungen vertraglicher Einzelbestimmungen gemäß § 2 StaRUG ist nach Auffassung des AG Köln in einer der ersten zum StaRUG ergangenen Entscheidung eines Restrukturierungsgerichts nicht auf für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderliche Änderungen beschränkt.66) Möglich sollen mit dem gesetzgeberischen Hintergrund der Zweckmäßigkeit (statt Erforderlichkeit) der Anpassung restriktiver Vertragsbedingungen auch Regelungen mit einer das Restrukturierungsziel „überschießenden Tendenz“ sein.67) Dies zugrunde gelegt, dürften sämtliche Bestimmungen eines Konsortionalkreditvertrages oder einer Sanierungsvereinbarung in einem Restrukturierungsplan gestaltet werden, sofern dem Zweckmäßigkeitserfordernis Genüge getan wird. Der Planverfasser sollte jedoch beachten, dass sich wegen der in § 2 StaRUG ausdrücklich angesprochenen „Einzelbestimmungen“ nach hier vertretener Auffassung eine vollständige Anpassung sämtlicher (wesentlicher) Vertragsklauseln verbieten dürfte.68) 5.

Einbeziehung von Gesellschaftern

78 Im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans können gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 bis 5 StaRUG auch Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt werden. Die Vorschrift ist § 225a InsO nachgebildet und korrespondiert mit § 2 Abs. 3 StaRUG. 79 Damit sind Eingriffe in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners – wie im Insolvenzplan – im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans umsetzbar. Der Eingriff kann gemäß § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG mit jeder gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelung – auch über die dort ausdrücklich genannten Fälle hinaus – erfolgen. Insbesondere ist es – ebenfalls nach dem Vorbild der Insolvenzplanvorschriften – möglich, Forderungen in Gesellschaftsanteile umzuwandeln, sog. Debt-Equity-Swap. 80 Wie auch bei § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO ist eine Umwandlung von Forderungen in Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner gegen den Willen eines betroffenen Gläubigers nicht zulässig. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass einem Gläubiger eine Beteiligung am Schuldnerunternehmen nicht aufgedrängt werden kann.69) 81 Gesellschaftsrechtlich notwendige Regelungen, die im gestaltenden Teil des Plans geregelt werden, können neben der oben genannten Umwandlung von Forderungen in Anteile am Schuldnerunternehmen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 StaRUG u. a. Kapitalmaßnahmen, der Ausschluss von Bezugsrechten bzw. die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Gesellschafter sowie gemäß § 7 Abs. 4 Satz 6 StaRUG grundsätzlich alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen sein.70) 82 Außerdem kann der Plan die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten vorsehen, § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG. Da die Abtretung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten eine sachenrechtliche Maßnahme darstellt, können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten gemäß § 13 Satz 1 StaRUG (analog § 228 InsO für den Insolvenzplan) in den gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans aufgenommen werden. Der Planverfasser sollte von dieser Möglichkeit wegen der mit ihr verbundenen Zeit- und Kostenersparnis unbedingt Gebrauch machen. ___________ 66) 67) 68) 69) 70)

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AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. Ähnlich und weiter diff. Thole, NZI 2021, 236 m. w. N. S. a. Böhm in: Braun, StaRUG, § 7 Rz. 18. Bork, ZRI 2021, 345, 352, weist zu Recht darauf hin, dass dies insofern unbedenklich ist, als ein Restrukturierungsplan drohende Zahlungsunfähigkeit voraussetzt.

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Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans

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Als Korrektiv der im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplan umsetzbaren Eingriffe 83 in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte sehen die §§ 26, 27 Abs. 2, 28 StaRUG sowie der Minderheitenschutz nach § 64 Abs. 1 StaRUG Einschränkungen vor, die u. a. einen Entzug der Gesellschafterstellung nur bei Wertlosigkeit der Anteile erlauben. 6.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einordnung als gestaltbares Rechtsverhältnis

Zur Feststellung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Einordnung einer begründeten 84 Forderung als gestaltbares Rechtsverhältnis gemäß § 2 StaRUG unterscheidet das Gesetz zunächst nach der Art des Abstimmungsverfahrens. Nach § 2 Abs. 5 StaRUG sind – im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren – die Rechtsverhältnisse zum Zeitpunkt der Unterbreitung des Planangebotes (§ 17 StaRUG) und – im Falle einer Abstimmung im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren – die Rechtsverhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung (§ 45 StaRUG) maßgeblich. Sofern der Schuldner vorher eine Stabilisierungsanordnung (§ 40 StaRUG) erwirkt, so tritt an die Stelle des Planangebotes oder des Antrags der Zeitpunkt der Erstanordnung. Die Erstanordnung kann mithin den maßgeblichen Zeitpunkt nach vorne, aber nicht nach hinten verlegen.71) Sofern Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaften und die weiteren in 85 § 2 Abs. 1 bis 4 StaRUG genannten Rechtsverhältnisse zu den genannten Zeitpunkten begründet waren, sind diese im Restrukturierungsplan gestaltbar. Zu beachten ist, dass die Begründetheit keine Fälligkeit voraussetzt: Nach § 3 Abs. 1 StaRUG sind Restrukturierungsforderungen auch dann gestaltbar, wenn sie bedingt oder noch nicht fällig sind. Damit wählt der Gesetzgeber eine umfassende Möglichkeit, Forderungen im Restrukturierungsplan zu gestalten. Lediglich sog. Neuforderungen, die nach den in § 2 Abs. 5 StaRUG genannten Zeitpunkten begründet werden, sind einer Gestaltung im Restrukturierungsplan nicht zugänglich. Im Unterschied zum Insolvenzverfahren, bei dem gemäß § 41 InsO die Fälligkeit aller nicht 86 fälligen Ansprüche gegen einen Schuldner ab der Verfahrenseröffnung fingiert wird, bestehen die Restrukturierungsforderungen im StaRUG-Verfahren zunächst unverändert und nicht fällig fort. Durch die Bestätigung des Restrukturierungsplans tritt sodann die Umgestaltung der Restrukturierungsforderungen entsprechend des Planinhalts ein, ohne dass automatisch Fälligkeit der Restrukturierungsforderungen eintritt. Dies ist vor dem Hintergrund folgerichtig, dass im Restrukturierungsplan (im Unterschied zum Insolvenzplan) keine kurzfristige und endgültige Gläubigerbefriedigung eintritt72). Restrukturierungsforderungen sind nach § 3 Abs. 1 StaRUG auch als aufschiebend bzw. 87 auflösend bedingte Forderungen gestaltbar, sofern ein Bedürfnis nach Gestaltung besteht. Bei der Planabstimmung werden bedingte Forderungen nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG für die Bestimmung des Stimmrechts in der Planabstimmung mit dem ihnen unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeiten des Bedingungseintritts zukommenden Wert angesetzt. Restrukturierungsforderungen aus gegenseitigen Verträgen sind gemäß § 3 Abs. 2 StaRUG 88 nur insoweit gestaltbar, als der andere Teil die ihm obliegende Leistung bereits erbracht hat. Damit ist der Restrukturierungsplan kein Instrument zum Eingriff in das vertragliche Synallagma.73) Eingriffe in laufende Verträge sind im Restrukturierungsplan unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 StaRUG in Nebenbestimmungen umsetzbar. Restrukturierungsforderungen aus gegenseitigen Verträgen können nur dann im StaRUG-Verfahren gestaltet werden, wenn der Gläubiger geleistet hat und sich damit in den Schutz der Einrede ___________ 71) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 72) Ebenso Esser in: Braun, StaRUG, § 3 Rz. 5. 73) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB begeben hat. Weitreichendere Eingriffsmöglichkeiten in gegenseitige Verträge in Anlehnung an die §§ 103 ff. InsO sind – entgegen der Vorschläge im Referenten- und Regierungsentwurf – nicht Gesetz geworden.74) VIII. Besondere Regelungen 1.

Neue Finanzierungen

89 Der Restrukturierungsplan kann die Zusage von Darlehen oder sonstigen Krediten, die zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans erforderlich sind, vorsehen, sog. neue Finanzierung, § 12 Satz 1 StaRUG. Als neue Finanzierung gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 2 StaRUG auch die Besicherung dieser Finanzierungen. 90 Mit der Aufnahme neuer Finanzierungen in den Plan trägt der Gesetzgeber – dem Richtliniengeber folgend – dem Umstand Rechnung, dass eine erfolgreiche Restrukturierung regelmäßig den Zufluss neuer Liquidität erfordert. Ohne die im Gesetz vorgesehene Privilegierung als Bestandteil des Restrukturierungsplans würden neue Finanzierungen voraussichtlich nicht ausgereicht werden.75) Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie stellt es den Mitgliedstaaten frei, diese Privilegierung neuer Finanzierungen an die Bestätigung des Restrukturierungsplans durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde zu binden. In § 12 StaRUG macht der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch. 91 Neue Finanzierungen sind nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 der Restrukturierungsrichtlinie die von einem bestehenden oder neuen Gläubiger zur Umsetzung des Restrukturierungsplans bereitgestellten neuen finanziellen Unterstützungen. Sie kommen dem zu sanierenden Unternehmen mithin zeitlich nach der Planbestätigung i. R. der Restrukturierung zugute. 92 Abzugrenzen sind neue Finanzierungen von sog. Zwischenfinanzierungen i. S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 der Restrukturierungsrichtlinie.76) Hierunter sind finanzielle Hilfen zu verstehen, die unverzüglich notwendig sind, um den Geschäftsbetrieb fortzusetzen und den Wert des Unternehmens mindestens zu erhalten, während die Einzelzwangsvollstreckung ausgesetzt ist bzw. die Verhandlungen über den Restrukturierungsplan abgeschlossen sind und dieser bestätigt ist.77) Zwischenfinanzierungen werden dem zu sanierenden Unternehmen mithin zeitlich vor der Planbestätigung und befristet bis zu deren Eintritt zur Verfügung gestellt. Sie fallen nicht unter § 12 StaRUG und sind im Restrukturierungsplan nicht gestaltbar. 93 Die Restrukturierungsrichtlinie führt in ErwG 66 ausdrücklich aus, dass „finanzielle Hilfen“ weit verstanden werden sollen und die Bereitstellung finanzieller Mittel oder Bürgschaften Dritter sowie von Waren, Vorräten, Rohstoffen und Versorgungsdienstleistungen umfassen können.78) Der Schuldner hat demzufolge bei der Ausgestaltung neuer Kredite und Sicherheiten einschließlich ihrer Senioritäten weitreichende Handlungsspielräume. In Betracht kommen neben Bankdarlehen auch Kredite von Warenlieferanten, welche das Schuldnerunternehmen durch die Belieferung mit Waren, Vorräten, Rohstoffen oder Versorgungsdienstleistungen zu günstigen Bedingungen unterstützen können.79) Hierunter dürfte bspw. auch das Factoring fallen80). Durch die Neukreditaufnahme erhöhen sich zwar die Ver___________ 74) § 31 Abs. 2 Nr. 1, §§ 51 ff. StaRUG-RegE. 75) Bork, ZRI 2021, 345, 352, weist zutreffend auf die erhebliche Aufmerksamkeit des Gesetzgebers auf die Finanzierung des Restrukturierungsvorhabens hin. 76) Vgl. Bork, ZRI 2021, 345, 352 m. w. N. 77) S. ErwG 66 der Restrukturierungsrichtlinie. 78) ErwG 66 der Restrukturierungsrichtlinie. 79) Thole, ZIP 2020, 1985, 1989; Gehrlein, BB 2021, 66, 69. 80) So auch Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 12.

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bindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz des zu sanierenden Unternehmens; auf der Aktivseite werden als Gegenleistung jedoch die liquiden Mittel als Zufluss verbucht. Der Planverfasser hat zu beachten, dass die Prolongation und die Stundung von Forde- 94 rungen – anders als noch im Referentenentwurf zum StaRUG – keine Erscheinungsformen neuer Finanzierungen i. S. von § 12 Satz 1, Satz 2 StaRUG darstellen. Eine Prolongation oder Stundung bestehender Kreditverhältnisse über den Planbestätigungszeitraum hinaus ist über § 2 Abs. 2 StaRUG i. R. der Gestaltung von Nebenbestimmungen von Finanzierungsarrangements mit einer Mehrzahl von Kreditgebern im Restrukturierungsplan möglich. Auf Einzeldarlehensverträge findet diese Regelung indes keine Anwendung. Beabsichtigt der Planverfasser die (nicht unter § 2 Abs. 2 StaRUG fallende) Änderung von Nebenbestimmungen eines bestehenden Einzeldarlehensvertrages über den Planbestätigungszeitraum hinaus, so dürfte sich eine Gestaltung als Neudarlehen und damit neue Finanzierung gemäß § 12 Satz 1, Satz 2 StaRUG empfehlen, die vor Erstellung des Restrukturierungsplans verhandelt werden sollte. Nach § 12 Satz 2 StaRUG gilt auch die Besicherung einer neuen Finanzierung als neue Fi- 95 nanzierung. Die Besicherung kann in Gestalt von Personal- oder Sachsicherheiten für eine neue Finanzierung umgesetzt werden81). Zu beachten ist, dass eine neue Besicherung für eine bereits bestehende Finanzierung, die etwa für eine weitere Stundung gestellt wird, nicht unter § 12 StaRUG fällt. Privilegiert werden ausschließlich Besicherungen, die für neue Finanzierungen vereinbart werden. Die Gründe der Erforderlichkeit der neuen Finanzierung für die Restrukturierung zählen 96 zu den notwendigen Angaben, die der Restrukturierungsplan gemäß der Anlage (zu § 5 Satz 2) Nr. 8 umfassen muss. Der Planverfasser hat die Gründe der Erforderlichkeit im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans darzulegen und sollte auf diese bei den Regelungen zur Zusage neuer Finanzierungen im gestaltenden Planteil aus Transparenzgründen Bezug nehmen. Enthält ein Restrukturierungsplan Bestimmungen über eine neue Finanzierung, so hängt 97 seine Bestätigungsfähigkeit gemäß § 63 Abs. 3 StaRUG von besonderen Anforderungen ab, die der Planverfasser zu beachten hat. Die Bestätigung ist gemäß § 63 Abs. 3 StaRUG zu versagen, wenn das dem Plan zugrundeliegende Restrukturierungskonzept unschlüssig ist oder wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt. Die Vorschrift des § 63 Abs. 3 StaRUG ist Ausdruck der Privilegierung und des besonderen 98 Schutzes von neuen Finanzierungen. Der Planverfasser sollte mithin insbesondere bei der Gestaltung neuer Finanzierungen gehalten sein, die besonderen Anforderungen an die Schlüssigkeit des Restrukturierungsplans im Auge zu behalten. Der Gesetzgeber schützt die Vereinbarung der in den Plan aufgenommenen Kredite und 99 auch ihre Besicherung in einer bei Scheitern der Sanierung notwendig werdenden Folgeinsolvenz vor der Anfechtung, § 90 Abs. 1 StaRUG, wobei zu beachten ist, dass nur die Kreditbegründung, nicht aber ihre Rückführung anfechtungsrechtlich privilegiert wird.82) In der Praxis werden sich die Restrukturierungsbemühungen im Vorfeld der Planerstellung 100 regelmäßig auf Verhandlungen über neue Finanzierungen und ihre Besicherungen sowie über ihre Abgrenzung von Altfinanzierungen konzentrieren. Sicherheiten und Drittsicherheiten werden üblicherweise neu zu ordnen und zu bestellen sein. Wegen der in Konzern___________ 81) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. 82) Vgl. die eindeutige Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120; ebenso bereits Thole, ZIP 2020, 1985, 1999; Bork, ZRI 2021, 345, 352 – streitig; s. dazu ergänzend Skauradszun, HRI I, § 40.

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konstellationen regelmäßig anzutreffenden Komplexität ist dem Planverfasser eine frühzeitige Klärung des Bedarfs für und die Verhandlung über neue Finanzierungen anzuraten. Die Vereinbarungen über neue Finanzierungen bzw. deren Besicherungen bilden sodann den Anknüpfungspunkt für die weitere Gestaltung von Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaften und (gruppeninternen) Sicherheiten. Auf diesem Restrukturierungskonzept setzt sodann idealerweise die Gestaltung des Restrukturierungsplans auf. 2.

Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse

101 Entsprechend der Regelung des § 228 InsO können nach § 13 StaRUG im Restrukturierungsplan sachenrechtliche Maßnahmen geregelt werden. Die Vorschrift ermöglicht gegenüber einem Vollzug außerhalb des Plans eine zügige und kostenschonende Umsetzung des Abstraktionsprinzips und der sachenrechtlichen Formerfordernisse.83) Korrespondierend zu § 13 StaRUG fingiert § 68 Abs. 1 bis 3 StaRUG die auf die sachenrechtlichen Maßnahmen gerichteten Willenserklärungen der Beteiligten (analog § 254a InsO). 102 Sofern Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die hierfür erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten nach § 13 Satz 1 StaRUG in den gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans aufgenommen werden. Aufgenommen werden können mithin die auf die dinglichen Vollzugsgeschäfte gerichteten Willenserklärungen wie bspw. die Abtretung von Forderungen oder die Auflassung von Grundstücken. Sofern Grundvermögen betroffen ist, sind die im Grundbuch eingetragenen Rechte an einem Grundstück unter Beachtung von § 28 GBO genau zu bezeichnen, § 13 Satz 2 StaRUG. Sieht der Plan Willenserklärungen von Rechtsinhabern oder Erwerbern von Rechten vor, ist für ihre Wirksamkeit unbedingt zu beachten, dass die Zustimmungen bzw. Bevollmächtigungen der Personen, in deren Namen Willenserklärungen abgegeben oder angenommen werden, im Original vorliegen und dem Plan als Anlage beigefügt werden. 103 Dem Planverfasser ist zu raten, die dinglichen Rechtsänderungen einer klaren Regelung im gestaltenden Planteil zuzuführen. Die auf dingliche Vollzugsgeschäfte gerichteten Willenserklärungen sind zu spezifizieren, um dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz hinreichend Rechnung zu tragen. Soweit empfangsbedürftige Willenserklärungen betroffen sind, wie etwa bei der Forderungsabtretung gemäß § 398 BGB, ist die Annahme der Willenserklärung durch den Empfänger aufzunehmen. 3.

Haftung des Schuldners

104 § 11 StaRUG sieht in Anlehnung an § 227 Abs. 1 InsO vor, dass der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen aus den in den Plan einbezogenen Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften befreit wird, sofern im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt ist. Rechtstechnisch handelt es sich bei der Befreiung gemäß § 11 Satz 1 StaRUG um die Fiktion eines gesetzlich angeordneten Forderungserlasses hinsichtlich der Forderungen, auf welche die Gläubiger durch die Planregelungen keine Befriedigung erhalten.84) 105 Es liegt in der teilkollektiven Natur des Restrukturierungs- und Stabilisierungsrahmens, dass die Wirkungen des § 11 StaRUG auf die Forderungen der Planbetroffenen beschränkt sind und Forderungen der Gläubiger, die vom Plan nicht betroffen werden, nicht tangiert ___________ 83) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120; Böhm in: Braun, StaRUG, § 13 Rz. 1. 84) Vgl. auch Böhm in: Braun, StaRUG, § 11 Rz. 3.

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werden. Im Insolvenzverfahren ist dies anders; dort sieht § 227 Abs. 1 InsO eine Befreiung von allen Verbindlichkeiten vor. Für persönlich haftende Gesellschafter regelt § 11 Satz 2 StaRUG nach dem Vorbild des 106 § 227 Abs. 2 InsO die entsprechende Anwendung von § 11 Satz 1 StaRUG. Für die Praxis der Planerstellung ist zur Feststellung der Erlasswirkung die präzise For- 107 mulierung der Regelungen zur Quote oder anderweitigen Befriedigung der Planbetroffenen besonders wichtig. Bei praktisch häufig vorgesehenen flexiblen Quoten, etwa in der Form der festen Quote mit Besserungsschein, ist i. S. des Schuldners zu beachten, dass sich die Erlasswirkung auch auf den derzeit noch nicht bezifferbaren Teil der Befriedigung der Gläubiger bezieht. Anders als im Insolvenzplanverfahren tritt die Erlasswirkung nicht erst mit Rechtskraft des 108 Bestätigungsbeschlusses ein (§ 254 Abs. 1 InsO n. F.), sondern gemäß § 67 Abs. 1 StaRUG schon mit Verkündung des Bestätigungsbeschlusses. 4.

Maßnahmen zur Berücksichtigung des Minderheitenschutzes

Der umsichtige Planverfasser sollte im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Mittel 109 zur Wahrung des Minderheitenschutzes gemäß § 64 Abs. 3 StaRUG bereitstellen. Der deutsche Gesetzgeber hat mit den Regelungen zum Minderheitenschutz in § 64 StaRUG 110 die Vorgabe des Richtliniengebers in Art. 2d der Restrukturierungsrichtlinie umgesetzt, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass bei der Bestätigung eines Restrukturierungsplanes u. a. die Interessen ablehnender Gläubiger berücksichtigt werden. Die Vorschrift orientiert sich an § 251 InsO, trägt jedoch den Besonderheiten des StaRUG-Verfahrens Rechnung. Das Kriterium des Gläubigerinteresses soll jedem Gläubiger seine Rechtsposition mit dem Wert erhalten, die sie ohne den Restrukturierungsplan hätte.85) Hierbei trägt der Minderheitenschutz dafür Sorge, dass ein einzelner Planbetroffener inner- 111 halb seiner Gruppe davor geschützt wird, von den anderen Planbetroffenen überstimmt zu werden mit der Folge, dass der Restrukturierungsplan in seiner Gruppe angenommen wird.86) In formeller Hinsicht setzt § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG einen Antrag eines Planbetroffenen 112 voraus, der gegen den Restrukturierungsplan gestimmt hat. Ohne einen entsprechenden Antrag prüft das Restrukturierungsgericht die Schlechterstellung einzelner Planbetroffener nicht. Zu den Planbetroffenen können gemäß §§ 7 Abs. 1, 2 Abs. 3, 4 StaRUG auch die Anteils- 113 inhaber zählen. Insoweit geht der deutsche Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie, die Maßnahmen des Gläubigerschutzes vorsieht, hinaus. Er bezeichnet dies als notwendige Konsequenz aus der Einbeziehung der Anteilsinhaber in den Kreis derjenigen, deren Rechte einer Planregelung zwanglos unterworfen werden können.87) Diese Eingriffe ließen sich nur rechtfertigen, wenn den Anteilsinhabern zumindest der Wert erhalten bleibt, den ihnen die Beteiligung noch vermittelt.88) Zeitlich enthält das StaRUG (wie auch die Insolvenzordnung) für die Antragstellung keine 114 Beschränkungen. Es ist davon auszugehen, dass der Antrag – analog zum Minderheitenschutz im Insolvenzplanverfahren – bis zur Verkündung der Planbestätigungsentscheidung gestellt werden kann. ___________ 85) 86) 87) 88)

Vgl. Fendel in: Braun, InsO, § 64 Rz. 2. Vgl. zu § 251 InsO Thies in: HambKomm-InsO, § 251 Rz. 1. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163.

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115 Die gesetzlichen Anforderungen an eine Antragstellung sind hoch: Der Antrag ist gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 StaRUG nur zulässig, wenn der Antragsteller bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen und geltend gemacht hat, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne Plan stünde. Sofern die Planabstimmung in einem gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin erfolgt, muss der Antragsteller nach § 64 Abs. 2 Satz 2 StaRUG spätestens in diesem Termin glaubhaft machen, durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt zu werden. Der Antragsteller muss mithin darlegen, dass er durch den Restrukturierungsplan mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schlechter gestellt wird und substantiiert hierzu vortragen.89) 116 Maßstab für die Frage, ob der Antragsteller durch den Plan schlechtergestellt wird, als er ohne den Plan stünde, ist die Vergleichsrechnung (§ 6 Abs. 2 StaRUG), welche beide Szenarien gegenüberstellt. Zu den Einzelheiten der Vergleichsrechnung und der Methoden zur Ermittlung der Stellung bzw. Befriedigungsaussichten der Gläubiger siehe die Ausführungen zum darstellenden Teil Berner/Werner, HRI I, § 19. 117 Zum Schutz der Planbetroffenen wurden in § 64 Abs. 4 StaRUG besondere Hinweispflichten für den Planverfasser aufgenommen, welche bei der Planerstellung und im Verlauf des Abstimmungsverfahrens unbedingt zu beachten sind. Danach greifen die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 64 Abs. 2 StaRUG nur, wenn der Schuldner auf diese besonders hingewiesen hat. In welchem Dokument – Planangebot, Einberufungsschreiben oder Ladung – der Hinweis enthalten sein muss, richtet sich nach der Art des Abstimmungsverfahrens, d. h. danach, ob keine Versammlung, eine Planbetroffenenversammlung oder ein Erörterungs- und Abstimmungstermin stattgefunden hat.90) 118 § 64 Abs. 1 Satz 2 StaRUG stellt für den Fall, dass der Schuldner gegen den Inhaber einer Absonderungsanwartschaft eine Vollstreckungsanordnung erwirkt hat, sicher, dass Wertverluste, die Sicherheiten während der Dauer der Anordnung erleiden, bei der Bestimmung der Stellung des Sicherungsnehmers ohne Plan unberücksichtigt bleiben. Entstehen bspw. während der Laufzeit der Vollstreckungsanordnung Schäden am Sicherungsgut, so bleiben diese bei dessen Bewertung außer Betracht. 119 Nach § 64 Abs. 3 Satz 1 StaRUG ist der Antrag auf Planversagung abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist. Ob der Antragsteller einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 StaRUG außerhalb der Restrukturierungssache zu klären. Sieht der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans entsprechende Vorsorgemittel vor, ist der Antrag des Planbetroffenen auf Versagung der Planbestätigung wegen einer behaupteten Schlechterstellung von vornherein gegenstandslos und von Amts wegen abzuweisen. Ein Rechtsbehelf gegen die Abweisung ist nicht vorgesehen.91) 120 Der Planverfasser sollte darauf achten, dass der im Restrukturierungsplan vorgesehene Kompensationsbetrag auch tatsächlich zur Verfügung steht. Der Betrag muss hierbei nicht zwingend aus dem Schuldnervermögen stammen; § 64 Abs. 3 Satz 1 StaRUG spricht lediglich von Mitteln, die zum Ausgleich einer Schlechterstellung bereitgestellt werden. 121 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Höhe des Ausgleichsbetrages angemessen ist. Die Höhe sollte sich an den in der Vergleichsrechnung zugrunde gelegten Alternativszenarien orientieren und mit einem zusätzlichen Sicherheitsaufschlag versehen werden. Übermäßig hohe Mittel, die möglicherweise Begehrlichkeiten bei den Beteiligten wecken können ___________ 89) Vgl. Fendel in: Braun, InsO, § 64 Rz. 13 – unter Verweis auf Thies in: HambKomm- InsO, § 251 Rz. 10. 90) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163 f. 91) Vgl. Fendel in: Braun, StaRUG, § 64 Rz. 16.

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bzw. den Plan insgesamt wegen dann möglicherweise zu knapper Liquidität gefährden,92) sind abzulehnen. Auch wenn mit dissertierenden Gläubigern nicht gerechnet wird, empfiehlt sich die Bereit- 122 stellung von Mitteln nach § 64 Abs. 3 StaRUG, um eine möglichst hohe Rechtssicherheit zu erreichen und Konflikten vorzubeugen. 5.

Planüberwachung

Die Erfüllung der den Planbetroffenen nach dem gestaltenden Teil zustehenden Ansprüche 123 kann gemäß § 72 Abs. 1, Abs. 2 StaRUG durch den Restrukturierungsbeauftragten überwacht werden. Die Vorschrift orientiert sich an § 260 Abs. 1 und 2 InsO (Planüberwachung im Insolvenzplanverfahren). Ob der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans eine Planüberwachung vorsehen soll, 124 entscheidet der Schuldner als Planverfasser, wobei in der Praxis regelmäßig planbetroffene Gläubiger den Wunsch nach einer Planüberwachung an den Schuldner herantragen werden. Zu beachten ist, dass eine nachträgliche Anordnung der Überwachung durch einen Restrukturierungsbeauftragten nicht möglich ist. Inhaltlich ist die Planüberwachung als Aufsichtsmaßnahme zu verstehen: Der Restruktu- 125 rierungsbeauftragte kontrolliert die Erfüllung der den Gläubigern nach dem gestaltenden Planteil zustehenden Ansprüche. Dem Planverfasser steht es – analog zum Insolvenzplan – frei, die Planüberwachung neben den in § 72 StaRUG genannten Pflichten näher auszugestalten, z. B. durch das Festlegen von Berichtsfristen oder durch weitere Kontroll- und Aufsichtsmechanismen, etwa durch Dritte vorgenommene Kassenprüfungen und ähnliches, zu erweitern. § 72 Abs. 3 StaRUG gibt dem Restrukturierungsbeauftragten auf, seine Feststellung, dass 126 Ansprüche, deren Erfüllung überwacht werden, nicht erfüllt werden oder nicht erfüllt werden können, dem Restrukturierungsgericht und den betroffenen Gläubigern anzuzeigen. Die Anzeigepflicht ist an die des § 262 InsO angelehnt; mangels eines Gläubigerausschusses im Restrukturierungsverfahren ist die Anzeige unmittelbar an die Planbetroffenen bzw. das Restrukturierungsgericht zu richten.93) Die Nichterfüllung der Ansprüche der Planbetroffenen kann daraus resultieren, dass die vorhandenen Mittel bzw. Finanzierungen nicht entsprechend ausreichen werden, um den Verpflichtungen gegenüber den Planbetroffenen nachzukommen. Ferner sind Konstellationen denkbar, in denen der Schuldner mit der Erfüllung des Plans auch aus anderen Gründen, z. B. aus Zahlungsunwilligkeit, in Rückstand gerät. Stellt der Restrukturierungsbeauftragte diese (voraussichtliche) Nichterfüllung fest, obliegt 127 ihm nach dem Gesetzeswortlaut lediglich eine Anzeigepflicht. Da das Restrukturierungsgericht nach § 75 Abs. 1 Satz 2 StaRUG von dem Restrukturierungsbeauftragten jederzeit Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand verlangen kann, wird er auf Aufforderung weitergehende Informationen liefern.94) Die Planüberwachung ist nach § 72 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 StaRUG in den dort genannten 128 Fällen aufzuheben. Werden die Ansprüche, deren Erfüllung überwacht werden, erfüllt oder ist gewährleistet, dass sie erfüllt werden, liegt ein Aufhebungsgrund nach § 72 Abs. 4 Nr. 1 StaRUG vor. Wie bei der Parallelvorschrift des § 268 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht in diesem Fall kein Bedürfnis mehr für die Überwachung.95) Gleichfalls ist die Überwachung aufzu___________ 92) 93) 94) 95)

Hierzu s. Kebekus/Wehler in: Graf-Schlicker, InsO, § 251 Rz. 4. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. Vgl. ebenso Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 5. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169.

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heben, wenn nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG seit dem Eintritt der Rechtskraft des Restrukturierungsplans drei Jahre verstrichen sind. Nach dem (an § 268 Abs. 1 Nr. 1 InsO orientierten) Zeitraum von drei Jahren ist nach der Auffassung des Gesetzgebers typischerweise davon auszugehen, dass eine ordnungsgemäße Planerfüllung sich auch so fortsetzt.96) Schließlich beschließt das Restrukturierungsgericht die Aufhebung der Planüberwachung, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen wird. Dies ist folgerichtig, da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Restrukturierung als gescheitert anzusehen ist. Die im gestaltenden Teil des Plans vorgesehene Stundung bzw. der Erlass von Forderungen ist in diesem Fall gemäß § 69 Abs. 2 StaRUG für alle Gläubiger hinfällig, so dass die Gestaltungswirkungen des Plans entfallen. Damit besteht auch kein Bedürfnis mehr für eine Planüberwachung. 129 Für die Praxis bleibt abzuwarten, ob sich eine Planüberwachung im Restrukturierungsverfahren größerer Beliebtheit erfreuen wird, als dies im Insolvenzplanverfahren regelmäßig der Fall ist. Wegen der vergleichsweise größeren schuldnerischen Autonomie dürfte die Anzahl der Planüberwachungen im Verhältnis zum Insolvenzplanverfahren eher noch geringer ausfallen. 6.

Vergütungsregelungen

130 Sofern ein Restrukturierungsbeauftragter nach den §§ 73 ff. StaRUG bestellt wird, hat dieser nach § 80 Satz 1 StaRUG Anspruch auf Vergütung in Form von einem Honorar und Auslagen, welche durch das Restrukturierungsgericht gemäß § 82 Abs. 1 StaRUG nach Beendigung seines Amtes festzusetzen ist. Unmittelbare Zahlungen auf die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten werden ausschließlich aus der Staatskasse geleistet. Der Schuldner wird sodann (nach Nr. 9017 des KV GKG) zur Erstattung i. R. dieser Auslagen aufgefordert. 131 Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten als Stundenhonorar (vgl. § 81 StaRUG) auszugestalten. Anders als die in der InsVV geregelte Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder des (vorläufigen) Sachwalters orientiert sich die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten damit nicht an den Vermögenswerten des Schuldnerunternehmens. Der Aufwand des Restrukturierungsbeauftragten und seiner Mitarbeiter wird vielmehr – ähnlich der honorarbasierten anwaltlichen Beratungstätigkeit – mit einem Stundenhonorar vergütet, das sich nach seinem Zeitaufwand richtet.97) 132 In besonderen Fällen kann das Honorar des Restrukturierungsbeauftragten nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 StaRUG von der Regelvergütung abweichend festgesetzt werden. Insbesondere können die Höchststundensätze des § 81 Abs. 3 StaRUG überschritten oder eine Vergütung nach anderen Bemessungsgrundsätzen (§ 83 Abs. 1 Nr. 3, Satz 2 StaRUG) gewählt werden. Eine Abweichung kommt nach § 83 Abs. 1 StaRUG insbesondere in Betracht, wenn alle voraussichtlichen Auslagenschuldner zustimmen (Nr. 1), sich ansonsten keine geeigneten Personen zur Übernahme des Amtes bereit erklären (Nr. 2), etwa, weil dieses mit besonderen Anforderungen und Haftungsrisiken verbunden ist, die über die Regelvergütungssätze nicht abgebildet werden können,98) oder die dem Restrukturierungsbeauftragten übertragenen Aufgaben unter den besonderen Umständen der Restrukturierungssache den Aufgaben nahekommen, die einem Sachwalter in einem Eigenverwaltungsverfahren übertragen sind (Nr. 3). Letzteres soll insbesondere dann der Fall sein, wenn eine allgemeine Stabilisierungsanordnung ergeht oder weil in den Restrukturie___________ 96) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. 97) S. hierzu die Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 176. 98) Vgl. Wolf in: Braun, StaRUG, § 83 Rz. 6.

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Gestaltender Teil des Restrukturierungsplans

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rungsplan mit Ausnahme der nach § 4 StaRUG auszunehmenden Gläubiger alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger und an dem Schuldner beteiligten Personen einbezogen werden. Die Grundnorm zur Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten lässt in § 80 Satz 2 133 StaRUG auch Vereinbarungen über die Vergütung zu, sofern die in den §§ 81 ff. StaRUG aufgestellten Kriterien zum zulässigen Inhalt und zum Verfahren beachtet sind. § 83 Abs. 2 StaRUG regelt die Zulässigkeit von Vergütungsvereinbarungen in besonderen 134 Fällen. Wird der Restrukturierungsbeauftragte auf Antrag und auf Vorschlag aller voraussichtlichen Auslagenschuldner bestimmt und legt er eine Vereinbarung über die Vergütung vor, so hat das Restrukturierungsgericht nach § 83 Abs. 2 StaRUG diese Vereinbarung bei der Bemessung der Vergütung zugrunde zu legen, sofern die Vereinbarung nicht zu einer unangemessenen Vergütung führt. Es stellt sich die Frage, ob die in §§ 80 Satz 2, 83 Abs. 2 StaRUG genannten Vergütungs- 135 vereinbarungen Bestandteil des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans werden. Dabei dürfte die Berücksichtigung einer Vergütungsvereinbarung im gestaltenden Plan in den in § 83 Abs. 2 StaRUG genannten Fällen, in denen die gerichtliche Festsetzung der Vergütung entbehrlich ist, grundsätzlich durchaus in Betracht kommen und auch dem Praxisbedürfnis nach Klarheit über die Höhe der Vergütung, die der Schuldner im Ergebnis zu tragen hat, gerecht werden. Die Prüfung der Angemessenheit der Vergütung, welche § 83 Abs. 2 StaRUG dem Restrukturierungsgericht auferlegt, würde in diesen Konstellationen Bestandteil der gerichtlichen Planbestätigungsprüfung gemäß §§ 60 ff. StaRUG sein. Bedenken könnten indes bestehen, weil der BGH Vereinbarungen über die Vergütung des 136 Insolvenzverwalters in einem Insolvenzplan für unzulässig erklärt hat.99) Der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs begründet dies mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 5 Abs. 1 InsO und der alleinigen Festsetzungsbefugnis des Insolvenzgerichts nach § 64 Abs. 1 InsO, welche die Dispositionsmaxime des Zivilrechts und damit Vergütungsvereinbarungen nicht zulasse.100) Im Restrukturierungsrahmen sieht der Gesetzgeber demgegenüber mit §§ 80 Satz 2, 83 137 Abs. 2 StaRUG – anders als im Insolvenzplanrecht – ausdrücklich Vergütungsvereinbarungen und auch die (ermessenslose) Bindung des Restrukturierungsgericht an diese in den Fällen des § 83 Abs. 2 StaRUG vor. Der Gesetzgeber des StaRUG knüpft damit auch bei der Vergütung des Restrukturierungsverfahrens an die Besonderheiten des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens als teilkollektives, vom Schuldner gesteuertes und der Vertragsautonomie unterliegendes Verfahren an. Problematisch könnte indes sein, dass der Restrukturierungsbeauftragte nicht Beteiligter 138 des Restrukturierungsplanverfahrens ist.101) Planbeteiligt sind neben dem Schuldner lediglich die in §§ 2, 7 StaRUG genannten Planbetroffenen. Eine Vereinbarung über die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans würde mithin mindestens sein Einverständnis, dokumentiert durch eine ausdrückliche schriftliche Einverständniserklärung, voraussetzen. Eine Vergütungsvereinbarung im Restrukturierungsplan würde darüber hinaus möglicher- 139 weise nachteilig für den Restrukturierungsbeauftragten sein. Vergütungsvereinbarungen werden in den in § 83 Abs. 2 StaRUG geregelten besonderen Fällen nämlich nur zwischen dem Restrukturierungsbeauftragten und sämtlichen Auslagenschuldnern getroffen, also im ___________ 99) Vgl. BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, ZInsO 2017, 538 ff., dazu EWiR 2017, 179 (Madaus). 100) BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78 = ZInsO 2017, 538 ff., krit. u. a. Zimmer, ZInsO 2020, 2117 ff. 101) Zu der Parallelproblematik im Insolvenzplanverfahren vgl. BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78 = ZInsO 2017, 538 ff.

Berner/Werner

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§ 20

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

Regelfall nach § 82 Abs. 2 Satz 2 StaRUG nur mit dem Schuldner. Lediglich bei Bestellung eines fakultativen Restrukturierungsbeauftragten auf Antrag von Gläubigern sind die Auslagen den antragstellenden Gläubigern aufzuerlegen, § 82 Abs. 2 Satz 3 StaRUG. Der Kreis der in die Vergütungsvereinbarung einbezogenen Personen ist mithin regelmäßig klein. Wird die Vergütungsvereinbarung indes Bestandteil des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans, so unterliegt sie der Zustimmung sämtlicher Planbetroffener. Dies kann zu unangemessenen Unsicherheiten für den Restrukturierungsbeauftragten führen. 140 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es nicht sachgerecht und dem Restrukturierungsbeauftragten neben den oben genannten Unsicherheiten regelmäßig nicht zuzumuten sein dürfte, seine Vergütung vom Zustandekommen des Restrukturierungsplans abhängig zu machen.102) Fälle, in denen dem Plan nicht zugestimmt wird bzw. der Antrag auf Planbestätigung zurückgenommen wird, dürfen nicht zulasten der Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten gehen. 141 Wegen der aufgezeigten Bedenken wird sich in der Praxis eine parallele Vorgehensweise empfehlen: Vergütungsvereinbarungen, die nach dem Gesetzeswortlaut eindeutig unter den Voraussetzungen des § 80 Satz 2 bzw. § 83 Abs. 2 StaRUG zulässig sind, sollten zwischen Restrukturierungsbeauftragtem und Schuldner (bei Gläubigeranträgen auf Bestellung eines fakultativen Restrukturierungsbeauftragten unter Einbeziehung der antragstellenden Gläubiger) geschlossen und dem Restrukturierungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden, das in den Fällen des § 83 Abs. 2 StaRUG bei unterstellter Angemessenheit an die Vereinbarung gebunden ist. Daneben sollte der Planverfasser an den Regelungen des Restrukturierungsplans arbeiten und – soweit erforderlich – die der Vergütungsvereinbarung zugrunde liegende Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten in die Berechnungen einfließen lassen, ohne dass die Vergütungsvereinbarung selbst Bestandteil des gestaltenden Planteils wird. Auf diese Weise kann sie mittelbar planvorteilhaft berücksichtigt werden, ohne der Disposition aller Planbetroffenen bzw. den skizzierten Risiken der Antragsrücknahme oder Nichtzustimmung zum Restrukturierungsplan zu unterliegen.

___________ 102) Diese Bedenken teilt auch Zimmer, ZInsO 2020, 2117 ff.

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§ 21 Plananlagen Nickert

I. Ziel der Regelungen in § 14 StaRUG....... 1 II. Begründete Erklärung (§ 14 Abs. 1 StaRUG) ................................. 6 1. Begründung .................................................. 8 2. Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und Planungsrechnung .......... 14 3. Sicher bzw. Wiederherstellen der Bestandsfähigkeit ....................................... 16

III. Vermögensübersicht und Planung (§ 14 Abs. 2 StaRUG)................ 19 1. Vermögensübersicht .................................. 21 2. Planung ....................................................... 23 3. Allgemeine Anforderung an die beizubringenden Erklärungen und Unterlagen .................................................. 24 IV. Mustererklärung ....................................... 26

Literatur: Gleißner, Risikomanagement, KonTraG und IDW PS 340, WPg 2017, 158; Ihlau/Duscha, Abbildung von Risiken und Chancen in der Planungsrechnung, BB 2013, 2346; Kühne/Nickert, 10 Thesen zur Prognose und Unternehmensplanung in Krise, Sanierung und Insolvenz, ZInsO 2017, 2405; Nickert, Die Berechnung des Sicherheitspuffers in der insolvenzrechtlichen Prognose und bei der Beurteilung der Bestandsgefährdung, KTS 2021, 183; Nickert/Schilling, Umgang mit Ungewissheit – Darstellung anhand des Verwalterberichts nach § 156, (Teil 1) InsBüro 2017, 51, (Teil 2) InsBüro 2017, 150.

I.

Ziel der Regelungen in § 14 StaRUG

Der Restrukturierungsplan dient neben der Gestaltung der Rechtsverhältnisse auch der 1 Transparenz. Die Restrukturierungsgläubiger sollen in die Lage versetzt werden, eine informierte Entscheidung zu treffen. Zur besseren Lesbarkeit des Plans werden verschiedene Informationen in Anlagen bei- 2 gefügt. Hierzu gehören die begründeten Erklärungen, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit überwunden wird, dass die Bestandsfähigkeit hinreichend wiederhergestellt ist, sowie die Vermögensübersicht und auch die Planungsrechnung, soweit die Gläubiger erst später befriedigt werden sollen. § 14 StaRUG1) setzt im Wesentlichen die Anforderungen nach Art. 8 der Restrukturie- 3 rungsrichtlinie2) um. Dabei geht es darum, für die Gläubiger Transparenz und eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Sachlich neu ist tatsächlich § 14 Abs. 1 StaRUG, welcher auf Art. 8 Abs. 1 lit. h der Restrukturierungsrichtlinie fußt. Eine parallele Vorschrift zu § 14 Abs. 1 StaRUG findet sich in der InsO nicht, wäre aber wünschenswert um die immer wieder auftretenden Folgeinsolvenzen zu reduzieren. § 14 Abs. 1 StaRUG zeigt das Spannungsverhältnis i. R. der Planerstellung: Zum einen 4 haben auch hier die Gläubiger Anspruch auf angemessene Teilhabe. Hölzle nennt dies „Verbot der Übersanierung“.3) Zum anderen muss ein überlebensfähiger Schuldner aus der Restrukturierungssache entlassen werden. Dass und wie diese Balance hergestellt wird, ist Kernaufgabe des § 14 Abs. 1 StaRUG. ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 3) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 2, 45 f.

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§ 21

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

5 § 14 Abs. 2 StaRUG entspricht inhaltlich § 229 InsO, so dass auf die entsprechenden Entscheidungen bzw. Kommentierungen zur Norm verwiesen werden kann, wobei § 14 Abs. 2 StaRUG über die Norm des § 229 InsO hinausgeht.4) II.

Begründete Erklärung (§ 14 Abs. 1 StaRUG)

6 § 14 Abs. 1 StaRUG liefert zum einen die Argumente nach innen, also für die Gesundung des Schuldners. Darüber hinaus hat die Norm auch Überzeugungskraft nach außen. Dies ist insbesondere für diejenigen Gläubiger von Bedeutung, die weiterhin mit dem Schuldner in Geschäftsbeziehung stehen werden, aber auch für Dritte, die sich beim schuldnerischen Unternehmen engagieren. Hierzu zählen neue Gesellschafter, Banken, insbesondere solche, die in der Sanierung neue Finanzmittel ausreichen etc. 7 Eine Begründung zur Planung entfällt auch dann nicht, wenn die Gläubiger nicht aus den künftigen Erträgen zu befriedigen sind, § 14 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Es ist nämlich die Vermeidung der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu begründen, was wiederum nur durch eine Planung möglich ist. 1.

Begründung

8 Die Erklärung ist zu begründen. Die bloße Behauptung, die drohende Zahlungsunfähigkeit sei beseitigt und der Bestand sei nicht (mehr) gefährdet, genügt nicht. Dabei müssen nicht zwingend alle Argumente für die Behauptung aufgeführt werden. Es ist ausreichend, dass die tragenden Argumente angeführt werden (Grundsatz der Wesentlichkeit). Die Begründung hat in Prosa zu erfolgen. Insbesondere bei der Planung genügt eine Abbildung der Zahlen nicht (Verbot der Zahlenfriedhöfe).5) Als Grundsatz gilt auch hier § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB analog, wonach die Planung so beschaffen sein muss, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Liquiditätsentwicklung und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann.6) Das heißt, die Planung muss aus der Erklärung gemäß § 14 Abs. 1, 2 StaRUG hinaus verständlich sein. Insoweit ist der exakte Inhalt der Erklärung eine Einzelfallfrage. 9 Die Begründung wird üblicher Weise in einen allgemeinen Teil, der als Planungshandbuch bezeichnet wird,7) und in einen planungsspezifischen Teil unterteilt. Wesentlich ist dabei anzugeben, ob es sich um eine Planung oder um eine Prognose (erwartungswertgetreue Planung) handelt. Soweit letzteres nicht der Fall ist, ist anzugeben, ob die Planung ambitioniert, konservativ, einen Management Case (Modus/Modalwert) darstellt und wenn ja, was unter konservativ bzw. ambitioniert genau zu verstehen ist. 10 Soweit Berufsstandards8) angewandt werden, was gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber dringend zu empfehlen ist, sind diese anzugeben. Insbesondere der GoP 3.0 („Grundsätze ordnungsgemäßer Planung“) darf sich mittlerweile als „Goldstandard“ der Planung nennen. Soweit die Planung mit einem Planungstool erfolgte, ist dieses anzugeben. Soweit die Planung mit Microsoft Excel® erstellt wurde, ist darzulegen, ob und wie die Qualitätskontrolle ___________ 4) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 75. 5) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 76. 6) Nickert in: Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung im Insolvenzrecht, Rz. 285; ähnlich Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 77. 7) Nickert/Kühne, Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz, Rz. 110 ff. 8) Z. B. für die Planung Bund deutscher Unternehmensberater GoP 2.1; IDW Standard, Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW S 2), Stand: 18.11.2019, IDW Life 1/2020, S. 45 – zu Insolvenzplänen; für die Vermögensübersicht IDW Standard, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (IDW PS 340), Stand: 27.5.2020, IDW Life 7/2020, S. 631 ff. – zur Bestandsfähigkeit.

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Nickert

§ 21

Plananlagen

erfolgte. Ebenfalls von Bedeutung ist, ob die Planung durch einen sachverständigen Dritten plausibilisiert wurde.9) Soweit Daten übernommen wurden,10) sind die Quellen anzugeben. Da eine Planung notwendigerweise subjektive Annahmen beinhaltet, sind diese darzulegen 11 und zu begründen. Der Planungszeitraum ist ebenfalls anzugeben. Dieser umfasst mindestens den Zeitraum, 12 bis die Gläubiger befriedigt sind, wegen der Wertung des Gesetzgebers in § 33 Abs. 2 Satz 3 StaRUG aber mindestens drei Jahre.11) Bei der Begründung der Sicherstellung der Bestandsfähigkeit ist anzugeben, wie diese 13 ermittelt wurde. Insbesondere ist anzugeben, welches die wesentlichen Treiber der Unsicherheit sind und mit welcher Methode die Risikoaggregation erfolgte.12) 2.

Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und Planungsrechnung

Dies Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann nur durch eine Planungsrech- 14 nung dokumentiert werden. Daher ist die begründete Erklärung zum Ausschluss der drohenden Zahlungsunfähigkeit deckungsgleich mit der zu erläuternden Planungsrechnung nach § 14 Abs. 2 StaRUG. Aus diesem Grund ist in jedem Fall, also auch dann, wenn die Befriedigung der Gläubiger sofort erfolgt, eine Planungsrechnung anzustellen. Soweit der Schuldner eine haftungsbeschränkte Gesellschaft ist, ist die Planung ohnehin gemäß § 1 StaRUG verpflichtend. Der Planungszeitraum beginnt gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 StaRUG mit der Wirksamkeit 15 des Restrukturierungsplans. Hölzle13) hält zum Ausschluss der Zahlungsunfähigkeit während der Restrukturierungssache die Abbildung bereits des laufenden Verfahrens in der Planung für erforderlich. M. E. ist dies eine Frage der Geschäftsleiterpflicht und kann, muss aber nicht in den Plan aufgenommen werden. Selbstverständlich besteht aber eine Planungspflicht für die Zeit bis zum Wirksamwerden des Plans, § 32 Abs. 1, 3, 4 StaRUG. Für diese „kritische Zeit“ ist an Stelle der üblichen monatlichen Planung eine wöchentliche Planung bzw. Liquiditätsvorausschau zu erstellen. 3.

Sicher bzw. Wiederherstellen der Bestandsfähigkeit

Auch die Sicher- bzw. Widerherstellung der Bestandsfähigkeit ist zu erläutern. Als Grund- 16 satz gilt auch hier § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB analog, wonach die Erklärung so beschaffen sein muss, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über den Grad der Bestandsgefährdung und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann.14) Ein Schwerpunkt der Erläuterung wird auf die einzelnen Unsicherheitsfaktoren, deren 17 Bewertung, Aggregation und Wechselwirkungen liegen. Die Aggregationsmethode ist zu erläutern, wobei aktuell keine praxistaugliche alternative zur Monte-Carlo-Simulation be___________ Hierzu Ihlau/Duscha, BB 2013, 2346. Z. B. Konjunkturdaten. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 76. IDW, Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB (IDW PS 340), Stand: 27.5.2020, A 8, 17 f., IDW Life 7/2020, S. 631 ff.: „Bei der Beurteilung, ob eine bestandsgefährdende Entwicklung vorliegt, ist daher eine Aggregation der Risiken vorzunehmen“; A 18 „Bei der Risikobewertung und Risikoaggregation können unterschiedliche anerkannte quantitative und qualitative Verfahren zur Anwendung kommen. In Abhängigkeit der individuellen Unternehmenssituation können z. B. Expertenschätzungen oder Heuristiken bis hin zu Szenarioanalysen oder IT-gestützten Simulationsverfahren angemessen sein.“ 13) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 76. 14) Nickert in: Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung im Insolvenzrecht, Rz. 285.

9) 10) 11) 12)

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6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

steht. Des Weiteren ist für die angemessen gewählten Planungszeiträume die Ausfallwahrscheinlichkeit anzugeben. Im Übrigen wird auf die Ausführungen oben Nickert, HRI I, § 5 Rz. 39 ff. verwiesen. 18 Soweit in der Vergleichsrechnung ein anderes, ebenfalls unsicheres Szenario zu bewerten ist, ist auch dessen Unsicherheit anzugeben, weil ansonsten den Gläubigern keine sachgerechte Entscheidung ermöglicht wird.15) III.

Vermögensübersicht und Planung (§ 14 Abs. 2 StaRUG)

19 Dem Restrukturierungsplan ist eine Vermögensübersicht beizulegen. Die Regelung orientiert sich an § 229 Satz 1, 2 InsO. Vermögensübersicht und Planungsrechnung dienen der Gläubigerinformation, also der Transparenz. Insbesondere müssen sämtliche in § 14 StaRUG beizufügenden Unterlagen und abzugebenden Erklärungen mit der Vergleichsrechnung gemäß § 6 Abs. 2 StaRUG in Einklang stehen (Grundsatz der Folgerichtigkeit). 20 Die Vermögensübersicht auf den Stichtag des Wirksamwerdens ist in jedem Fall beizulegen, während die Planungsrechnung nur dann beizulegen ist, wenn die Befriedigung der Gläubiger in der Zukunft erfolgt. Allerdings besteht de facto eine Pflicht zu erklären, weshalb die drohende Zahlungsunfähigkeit überwunden ist, was ebenfalls der Erläuterung der Planung bedarf. 1.

Vermögensübersicht

21 Die Vermögensübersicht muss vollständig und richtig sein. In ihr sind die Vermögensgegenstände mit ihren wahren Werten aufzuführen. Insbesondere gelten die handelsrechtlichen, durch das Vorsichtsprinzip geprägten Bewertungsregelungen nicht. Soweit jedoch stille Reserven gezeigt werden, sind i. H. einer voraussichtlichen Steuerlast für den Fall der Realisation der stillen Reserven Rückstellungen zu bilden, da andernfalls die Vermögensübersicht überbewertet und folglich nicht aussagekräftig wäre. 22 Grundsätzlich ist die Vermögensübersicht unter der Annahme der Fortführung aufzustellen, es sei denn die Ausnahmen gemäß § 6 Abs. 2 StaRUG liegen vor. Insoweit ist die Vermögensübersicht Teil der Vergleichsrechnung. 2.

Planung

23 Für die Planungsrechnung16) ist auf die Ausführungen von Zabel, HRI II, § 23 und Rendels/ Zabel, HRI II, § 45, und auf die obigen Ausführungen und das untenstehende Muster zu verweisen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es die Transparenz fördert, wenn die Planung mit und ohne Maßnahmen aus dem Restrukturierungsplan dargestellt wird. Alternativ kann die Planung aber auch nur „mit Maßnahmen“ dargestellt werden und die „Maßnahmenwirkung“ gesondert dargestellt werden. 3.

Allgemeine Anforderung an die beizubringenden Erklärungen und Unterlagen

24 Der Restrukturierungsplan soll einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zur Vermeidung einer Insolvenz herbeiführen. Die freiwilligen Eingriffe der Gläubiger bedingen, dass ihnen diejenigen Informationen zu Verfügung gestellt werden, die zur Entscheidung erforderlich sind. Das bedeutet für die Analyse der Ausgangslage 

die Vermögensübersicht,

___________ 15) Nickert/Schilling, InsBüro 2017, 51 und InsBüro 2017, 105. 16) Zur Planung: Nickert/Kühne, Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz, Rz. 110 ff.; Kühne/Nickert, ZInsO 2017, 2405.

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Plananlagen 

für die künftige Entwicklung die Planungsrechnung und



für die Beurteilung des innewohnenden Risikos die Erklärung zur Bestandsgefährdung (zum Risiko).

Damit sind die drei Komponenten aufgeführt, die für eine (Des-)Investitionsentscheidung 25 erforderlich sind. Da der vorlegende Schuldner einen Wissensvorsprung hat, sind die Anforderungen an die Erklärungen und die Unterlagen hoch, um das Wissensgefälle auszugleichen. Nochmals ist auf die analoge Anwendung des § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB hinzuweisen. IV.

Mustererklärung

Im Restrukturierungsverfahren […] GmbH [Registergericht, HRB Nr. […] erkläre ich als 26 Geschäftsführer, dass mit den im Plan vorgesehenen Maßnahmen 

die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt und



dass die Bestandsfähigkeit in hinreichendem Umfang wiederhergestellt wird.

A. Methodik und Erläuterungen I. Methoden 1. Voraussichtlich in der Lage sämtliche Verbindlichkeiten fristgerecht zahlen zu können Bei der Frage handelt es sich um eine Prognose.17) Eine Prognose ist eine Vorhersage der Zukunft und hat damit erkenntnisstiftende Wirkung. Mit ihr soll eine Aussage über eine zukünftige Entwicklung von einzelnen Variablen/Planwerten und deren Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt werden. Dennoch ist die Prognose weiterhin unsicher. Die Prognose lässt sich z. B. mit einer Fortschreibung der Vergangenheitswerte, subjektiven Schätzungen oder Kausalmodellen ermittelt. Sie ist ein wesentliches Hilfsmittel der Planung; Plan- und Prognosewerte müssen nicht übereinstimmen. „Die Planung legt fest, welche Entscheidungen man treffen muss, damit künftige Ereignisse eintreten, während die Prognose voraussagt, dass mit dem Eintritt bestimmter Ereignisse wahrscheinlich zu rechnen ist“.18) Die Planung ist folglich handlungsorientiert. Sie zeigt also, was zu tun ist, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen. Wenn der Planungsanlass eine Prognose verlangt, muss die Planung ggf. erst in einer Prognose überführt werden.19) In diesem Fall, spricht man von einer erwartungsgetreuen Planung oder einfach von Erwartungswerten, die schlicht Prognosen sind. Die Zahlungsdeckung muss „voraussichtlich“ festgestellt werden. Das bedeutet, dass sie „überwiegend wahrscheinlich“, also mit mehr als 50 % festgestellt werden kann.20) Erforderlich ist also ein Wahrscheinlichkeitsurteil, eine probabilistische Bewertung. Soweit eine „Planung“ im engeren Sinn vorliegt, muss diese erst in einen Erwartungswert umgeformt werden. 2. Stichtagsprinzip, Planungszeitraum Planungsrechnungen sind stichtagbezogen zu erstellen, d. h. es werden solche Maßnahmen berücksichtigt, die im Planungskonzept zum Stichtag bereits beschlossen waren. Stichtag der Unternehmensplanung ist der [TT.MM.JJJJ]. ___________ 17) BGH v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZInsO 2014, 77; Schröder in: HambKomm-InsO, § 18 Rz. 13. 18) Wöhe, zit. nach Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 47; vgl. auch Reis in: Szyperski/Winand, Handwörterbuch der Planung, S. 1627 ff. 19) IDW Praxishinweis PH 2/2017, Beurteilung einer Unternehmensplanung bei Bewertung, Restrukturierungen, Due Diligence und Fairness Opinion, Stand: 2.1.2017, Rz. 53, IDW Life 3/2017, S. 343 ff. 20) BGH v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZInsO 2014, 77; OLG Hamm v. 23.9.2014 – I-27 U 149/13, ZInsO 2014, 2275; Schröder in: HambKomm-InsO, § 18 Rz. 15.

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§ 21

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

Der Planungszeitraum beginnt beim Planungsstichtag und endet am [TT.MM.JJJJ]. Sachverhalte, welche eine Verlängerung des Planungszeitraums erfordern, sind nicht bekannt. Die Planung erfolgt im Planungszeitraum auf Monatsbasis. Für die Überprüfung der Liquidität hält die Gesellschaft eine rollierende permanente Liquiditätsvorschau für die kommenden 12/13 Wochen vor. Der Beobachtungszeitraum für bestandsgefährdende Einwicklungen reicht so weit, wie es zum Gegensteuern erforderlich ist. Dies bedeutet, dass wir für strategische Risiken auf einen Zeitraum bis maximal [TT.MM.JJJJ] abgestellt haben. 3. Methode/Subjektive Methode/Schätzmethode Aufgrund der Planungserstellung in der fortgeschrittenen Krise, war deren Durchbrechung die Hauptaufgabe dieser Restrukturierung. Daher ist die sog. Zeitstabilitätshypothese nicht gegeben. Die Planung und Risikoeinschätzung wurde anhand einer sachgerechten Schätzung auf Basis der Vorjahreszahlen, der Ist-Zahlen bis [MM/JJJJ] sowie der bereits akquirierten (Auftragsvolumen derzeit ca. […] Mio. €) und der geschätzten zukünftigen Aufträge geplant. Die im Schätzverfahren ermittelten Werte wurden anhand der Vorjahreszahlen sowie durch die Einbeziehung von Branchenberichten ebenso plausibilisiert wie die Wareneinsatzkosten. Die Risikoeinschätzung wurde i. R. von Workshops vorgenommen, wobei die jeweiligen verantwortlichen Mitarbeiter (Vertrieb, Produktion, Einkauf, Finanzen) einbezogen wurden. 4. Top-down Die Planung basiert aufgrund der Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung auf einem Top-down Ansatz. Soweit die Mitarbeiter in den Prozess einbezogen wurden, diente dies der Sachverhaltsund Informationserhebung und lässt diese Verantwortlichkeit unberührt. 5. Grundsatz der Wesentlichkeit und Transparenz Eine Planung, wie eine Prognose ist ein vereinfachtes Modell der Zukunft. Die Vereinfachung dient der Komplexitätsreduktion. Daher konzentrierte sich die Abschätzung der Zukunft auf die Wesentlichen Treiber für die Entwicklung der Liquidität, sowie die Grundlagen zur Dokumentation der Wiedererlangung der hinreichenden Bestandssicherheit. Mit dem Grundsatz der Wesentlichkeit wird die Forderung nach vollständiger Beschaffung der Informationen eingeschränkt. Nur die Informationen und Sachverhalte wurden in die Unternehmensplanung einbezogen werden, die zur Darstellung der voraussichtlichen Unternehmensentwicklung aufgrund ihrer Tragweite oder ihres Betrags bedeutsam sind. Dem Postulat der Verwendung möglichst genauer Datenansätze steht das Problem unsicherer Zukunftsinformationen gegenüber. Zur Nachvollziehbarkeit der Planung haben wir insbesondere alle verwendeten wichtigen Begriffe klar definiert und einheitlich verwendet werden. Die Planung stellt auftragsgemäß auf Erwartungswerte ab (erwartungsgetreue Planung, Prognose). Der Ungewissheit künftiger Datenentwicklung wurde durch eine Monte Carlo Simulation Rechnung getragen. Zur Transparenz der Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung haben wir die wesentlichen Treiber als Planungsschwankungen, Ereignisse und (Gegen-)Maßnahmen im Risikoinventar kenntlich gemacht und quantifiziert. 6. Informationsbeschaffung Die wesentlichen internen Informationen entstammen dem betrieblichen Rechnungswesen, sowie dem ERP- und CRM-Programm [anführen]. An externen Informationen wurden eingeholt: 

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Branchenbericht,

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Plananlagen 

Jahresabschluss nebst Lagebericht Hauptkunden,



Jahresabschluss nebst Lagebericht Hauptlieferanten,



Analystenbericht Rohstoffe, Energie Währungsschwankungen.

7. Vollständigkeit Der Grundsatz der Vollständigkeit soll gewährleisten, dass in der Unternehmensplanung alle für die Planungsziele wie auch für das Mindestziel „Going Concern“ (Ausschluss von drohender Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung) relevanten Sachverhalte berücksichtigt werden. Die Planung umfasst das ganze schuldnerische Unternehmen einschließlich der nicht vom Verfahren einbezogenen Verbindlichkeiten soweit der künftig entstehenden Verbindlichkeiten. 8. Folgerichtigkeit Mit dem Grundsatz der Folgerichtigkeit wird sichergestellt, dass der Unternehmensplan eine sachlich korrekte Darstellung der Ausgangssituation mit Angabe aller Prämissen der Fortentwicklung wiedergibt. Aus der Unternehmensplanung lässt sich erkennen, dass die Angaben zu nachprüfbaren Tatsachen zutreffen und wie die Plausibilität der Prämissen hergeleitet wurde. Ferner ist zu entnehmen, dass die Angaben nicht in erkennbarem Widerspruch zu sonst gewonnenen Erkenntnissen stehen und dass die Folgerungen aus Tatsachen und Annahmen rechnerisch und sachlich richtig entwickelt wurden, also schlüssig sind. 9. Dokumentation Die Unternehmensplanung mitsamt der Planungsgrundlagen der Planungsherleitung und -revision wurde angemessen dokumentiert. Die Dokumentation ist so gestaltet, dass die Erstellung und Kontrolle der Planung für einen sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit nachvollziehbar ist. 10. Berufsstandards Betreffend der Planung haben wir GoP 2.1 und IDW PH 2/2017 beachtet. Betreffend die Ermittlung der Bestandsgefährdung haben wir IDW PS 340 beachtet. 11. Softwareeinsatz Für die Planung kam die Software […] zum Einsatz. Für die Monte-Carlo-Simulation haben wir uns […] bedient. II. Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit Beim Ausschluss der drohenden Zahlungsunfähigkeit haben wir und an die Rechtsprechung des BGH und deren Konkretisierung in IDW S 11 gehalten. Die drohende Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß § 18 Abs. 2 InsO vor, wenn das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die fällig werdenden Zahlungspflichten fristgerecht zu bedienen. Die Zahlungsunfähigkeit muss wahrscheinlicher sein als deren Vermeidung. Der Zeitraum, in welchem gewährleistet sein muss, dass die künftigen Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können, ist vom Gesetzgeber nicht exakt vorgegeben. Er „geht von in der Regel 24 Monaten aus. er Prognosezeitraum gilt „in aller Regel“, d. h. in Einzelfällen kann auch auf einen kürzeren oder längeren Prognosezeitraum abzustellen sein, wodurch Besonderheiten des Schuldners oder seines Geschäftsbetriebs berücksichtigt werden können (Begr. RegE, BT-Drucks. 19/ 24181, S. 196). Eine Verlängerung kommt z. B. bei nach mehr als 24 Monaten endfälligen Ver-

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§ 21

6. Teil Restrukturierungsplan – Inhalt

bindlichkeiten aus Krediten oder Anleihen in Betracht, wenn deren Rückzahlung oder Refinanzierung fraglich erscheint.“21) Vorliegend bleibt es bei dem Prognosehorizont von 24 Monaten, weil wesentliche Unsicherheiten nach Ablauf des Prognosehorizonts nicht erkennbar sind. III. Wiederherstellung der hinreichenden Bestandsfähigkeit Die Bestandsgefährdung drückt immer einen Grad der Bestandsgefährdung aus. Unternehmen unterliegen immer einer gewissen Bestandsgefährdung. Die Aussage, ein Unternehmen unterliege keiner Bestandsgefährdung ist „immer falsch“.22) Es kann immer nur darum gehen, einen rechtlich relevanten Grad der Bestandsgefährdung auszuschließen. Vorliegend orientieren wir uns an den Grundsätzen des Finanzratings und setzen als rechtlich relevante Bestandsgefährdung eine PD (Probability of Default) von 2 % an. B. Begründung I. Allgemeines [Hier ist ein üblicher Planungsbericht einzufügen]. II. Drohende Zahlungsunfähigkeit Die Auswertung der kurzfristigen Liquidität für die kommenden 12/13 Wochen, Anlage […], zeigt ebenso wenig eine Unterdeckung wie die erwartungsgetreue Planung für den Planungszeitraum, Anlage […]. Damit steht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht droht. III. Wiederherstellung einer hinreichenden Bestandsfähigkeit Ich habe die PD wie folgt ermittelt: [Ausführen] In den Jahren ab Stichtag beträgt die PD … % (Jahr 1), […] % (Jahr 2). Zum Ende des Planungszeitraums beträgt die PD […] %. Der Grad der Bestandsgefährdung im Konfidenzintervall 98 % beträgt  Jahr 1: […]  Jahr 2: […]  Jahr 3: […]  Eingeschwungener Zustand: […] Das Ergebnis habe ich durch Subtraktion einer hypothetischen Versicherungsprämie (Expected Shortfall auf das Quantil der Insolvenzwahrscheinlichkeit)23) und über die Kennzahlen von Euler Hermes24) verprobt. Die wesentlichen Risiken bezeichne ich wie folgt:  […]  […]  […] ___________ 21) 22) 23) 24)

508

Schröder in: HambKomm-InsO, § 18 Rz. 16. Gleißner, WPg 2017, 158, 160. Nickert, KTS 2021, 183. Euler Hermes, Economic Research, v. 24.9.2019, abrufbar unter https://www.allianz-trade.com/content/ dam/onemarketing/aztrade/allianz-trade_com/en_gl/erd/publications/pdf/FinalSMEInsolvencyRiskCOMPRESSED.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023).

Nickert

§ 21

Plananlagen Die wesentlichen Treiber des Erfolgs sind 

[…]



[…]



[…]

Ich gehe daher davon aus, dass die Bestandsgefährdung mit hinreichender Sicherheit überwunden ist. IV. Abschließende Erklärung Hiermit erkläre ich nach bestem Wissen und Gewissen, dass im Planungszeitraum keine Zahlungsunfähigkeit droht und eine Bestandsgefährdung mit hinreichender Sicherheit von 98 % ausgeschlossen werden kann. [Ort, Datum] [Unterschrift]

Nickert

509

C. Einzelaspekte des darstellenden und des gestaltenden Teils § 22 Gestaltbare Rechtsverhältnisse Barnert

I.

Funktion und gesetzliche Systematik des § 2 StaRUG ........................................... 1 1. Numerus clausus gestaltbarer Rechtsverhältnisse ................................................... 1 2. Numerus clausus und Aussonderungsrechte ............................................................ 2 3. Überblick zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen............................................... 10 II. Gestaltbarkeit von Restrukturierungsforderungen..................................... 16 1. Regelungsinhalt des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ...................................................... 16 2. Vermögensanspruch als Gestaltungsvoraussetzung............................................. 17 3. Restrukturierungsfähigkeit des Anspruchsgegners ............................... 21 4. Maßgeblicher Zeitpunkt i. S. des § 2 Abs. 5 StaRUG..................................... 24 5. Begründetheit des Anspruchs zum maßgeblichen Zeitpunkt ................... 27 6. Abgrenzungsfragen zur Gestaltbarkeit von Forderungen........................................ 33 6.1 Nachrangige Restrukturierungsgläubiger ............................... 33 6.2 Forderungen aus schwebenden gegenseitigen Verträgen................ 39 6.3 Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen ................................... 43 6.4 Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverhältnissen ............... 46 III. Gestaltbarkeit von Absonderungsanwartschaften .......................................... 48 1. Regelungsinhalt des § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG ...................................................... 48 2. Absonderungsanwartschaft und Drittsicherheiten........................................ 50 3. Absonderungsanwartschaft und Finanzsicherheiten .................................... 51 IV. Gestaltbarkeit von kollektiven Finanzierungsarrangements ................... 52 1. Regelungsinhalt des § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG ...................................................... 52 2. Konsortialfinanzierungen als Regelungsgegenstand ......................................... 53 3. Außenkonsortium und Innenkonsortium ................................................. 55

510

4.

Begriff und Inhalt der „Einzelbestimmung“ .............................................. 59 V. Gestaltbarkeit von quasi-kollektiven Finanzierungsarrangements ................... 72 VI. Gestaltbarkeit von Sicherheitenpoolund Verwertungsvereinbarungen........... 73 1. Regelungsinhalt des § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG ...................................................... 73 2. Sicherheitenpoolverträge als Regelungsgegenstand ......................................... 74 3. Bassin-Verträge und doppelnützige Treuhandverhältnisse................................. 79 4. Begriff und Inhalt der „Bedingung“.......... 82 VII. Gestaltbarkeit von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten............................. 85 1. Regelungsinhalt des § 2 Abs. 3 StaRUG .... 85 2. Zwangseingriffe im Krisenstadium drohender Zahlungsunfähigkeit................ 86 3. Gesellschaftsrechtlich zulässige Gestaltungsmaßnahmen ............................ 89 3.1 Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmaßnahmen ............... 90 3.2 Zulässigkeit der Gestaltungsmaßnahmen ................................... 93 VIII. Gestaltbarkeit von gruppeninternen Drittsicherheiten ...................................... 96 1. Regelungsinhalt des § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG ...................................................... 96 2. Gruppeninterne Drittsicherheiten als Regelungsgegenstand ........................... 97 2.1 Sicherheitsleistung eines Drittunternehmens ....................... 98 2.2 Gruppenangehörigkeit des Drittunternehmens................. 99 2.3 Eingriffskompensation durch angemessene Entschädigung....... 101 IX. Gestaltbarkeit der persönlichen Gesellschafteraußenhaftung ................. 106 1. Regelungsinhalt des § 2 Abs. 4 Satz 3 StaRUG .................................................... 106 2. Akzessorische Gesellschafterhaftung als Regelungsgegenstand ......................... 107 3. Eingriffskompensation durch angemessene Entschädigung........................... 110 X. Gestaltbarkeit sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse .................................. 112

Barnert

§ 22

Gestaltbare Rechtsverhältnisse

Literatur: Bay/Seeburg/Böhmer, Debt-Equity-Swap nach § 225a Abs. 2 Satz 1 des geplanten Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) Überblick über gesetzgeberische Ziel, Voraussetzungen und Verfassungsmäßigkeit nach Art. 14 GG, ZInsO 2011, 1927; Becker/Fröhlich, Von Quelle bis eBay: Reformaufarbeitung im Versandhandelsrecht, NJW 2005, 3377; Bork, Der Insolvenzplan, ZZP 109 (1996) 473; Brandt/Sonnenhol, Verträge für Konsortialverträge, WM 2001, 2329; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Hölzle/Beyß, Gesellschaftsrechtliche Zweifelsfragen im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2016, 1461; Horstkotte, Anmerkung zu einer Entscheidung des AG Charlottenburg – Handelsgericht (Beschluss vom 9.2.2015 – HRB 153203, ZInsO 2015, 413) zum Prüfungsrahmen des Registergerichts bei Eintragungen aufgrund eines rechtskräftigen Insolvenzplans, ZInsO 2015, 416; Klausmann, Gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen im Insolvenzplan im Sinne von § 225a Abs. 3 InsO, NZG 2015, 1300; Leiner, Die Sicherungszession in der Krise, ZInsO 2006, 460; Lürken, Das StaRUG aus schuldverschreibungsrechtlicher Sicht, ZIP 2021, 1305; Madaus, Schutzschirme für streitende Gesellschafter? Die Lehren aus dem Suhrkamp-Verfahren für die Auslegung des neuen Insolvenzrechts, ZIP 2014, 500; Meyer/Rein, Das Ende der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzrecht? Anmerkungen zur Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie, NZI 2004, 367; Obermüller, Die Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie, ZInsO 2004, 187; Schäfer, Zur Einbeziehung der Gesellschafter in ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren nach dem Regierungsentwurf eines „StaRUG“, ZIP 2020, 2164; Sittmann, Kreditunterbeteiligung von Banken Eine Untersuchung zum Innenrecht der Unterbeteiligung, WM 1996, 469; Schelo, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), WM 2021, 513; Schwintowski/ Dannischewski, Eigenkapitalersetzende Darlehen durch den gesellschaftergleichen Dritten nach § 32a Abs. 3 GmbHG, ZIP 2005, 840; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Westpfahl/Dittmar, Die Behandlung gruppeninterner Sicherheiten im StaRUG, NZI Beilage 1 z. Heft 5/2021, S. 46.

I.

Funktion und gesetzliche Systematik des § 2 StaRUG

1.

Numerus clausus gestaltbarer Rechtsverhältnisse

§ 2 StaRUG1) bestimmt enumerativ, welche Forderungen und Rechte auf der Grundlage 1 eines Restrukturierungsplans gestaltet werden können.2) Die Aufzählung gestaltbarer Rechtsverhältnisse in § 2 Abs. 1 bis 4 StaRUG ist abschließend und erfüllt im Regelungskontext der §§ 25 f. StaRUG (Planannahme durch Mehrheitsentscheidung) und der §§ 67 ff. StaRUG (Wirkungen des bestätigten Plans) zwei Funktionen: 

In positiver Hinsicht orientiert sich der numerus clausus gestaltbarer Rechtsverhältnisse am insolvenzplanrechtlichen Pendant in § 217 InsO und umreißt diejenigen Forderungen und Rechte, in welche durch mehrheitlich zu beschließenden und sodann vom Gericht zu bestätigendem Plan zwangsweise, d. h. auch gegen den Willen opponierender Planbetroffener eingegriffen werden kann.3)



In negativer Hinsicht grenzt § 2 StaRUG die durch Mehrheitsentscheidung in einem Restrukturierungsplan gestaltbaren Forderungen und Rechte von Rechtspositionen ab, die dem strengen Konsensualprinzip unterfallen und daher stets nur mit Zustimmung der jeweils Planbetroffenen geändert bzw. modifiziert werden können.

2.

Numerus clausus und Aussonderungsrechte

Aus der zuletzt genannten negativen Abgrenzungsfunktion des § 2 StaRUG resultiert 2 insbesondere, dass Forderungen und Rechte, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenz___________ 1)

2) 3)

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110; Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Gehrlein, BB 2021, 66, 68. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 86, 126; Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Gehrlein, BB 2021, 66, 68.

Barnert

511

§ 22

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

verfahrens als Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) einzustufen wären, nicht Gegenstand von Restrukturierungsplangestaltungen aufgrund Mehrheitsbeschlusses sein können.4) Die Regierungsbegründung zum StaRUG spricht in diesem Zusammenhang von einem „Umkehrschluss“. Er ergebe sich daraus, dass § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG als sog. Absonderungsanwartschaften nur diejenigen Rechte erfasse, die im Fall einer Insolvenzverfahrenseröffnung zur Absonderung gemäß §§ 49 ff. InsO (und wohl auch zur Ersatzabsonderung analog § 48 InsO), nicht aber zur Aussonderung berechtigen würden. 3 Das lässt eine gewisse Inkonsequenz sichtbar werden. Die Restrukturierung eines Unternehmensträgers findet außerhalb eines Insolvenzverfahrens statt. Mithin existiert keine IstMasse, die in der Restrukturierungsphase durch einen Insolvenzverwalter durch Aussonderung zur Soll-Masse bereinigt werden müsste. Es bleibt insofern offen, weshalb § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG in der Restrukturierungsplangestaltung Zwangseingriffe z. B. in das Sicherungseigentum oder in sicherungszedierte Forderungen (Absonderungsrechte gemäß § 51 Nr. 1 InsO) zulässt, nicht aber z. B. in das Vorbehaltseigentum (Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO). Wertungsmäßig besteht zwischen diesen Rechtspositionen kein Unterschied. Denn außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist auch das Sicherungseigentum kein Eigentum minderen Rechts, sondern ebenso wie das zur Aussonderung berechtigende Vorbehaltseigentum ein Vollrecht.5) 4 Diese Rechtslage ändert sich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch § 51 Nr. 1 InsO. Dieser Vorschrift wohnt als Regelungsgedanke der Übervorteilungsausschluss inne, da der Sicherungseigentümer die Sache nicht aussondern dürfe und zugleich Befriedigung aus der Masse wegen seiner gesamten Forderung solle verlangen können. Folglich steht ihm der Wert des sicherungsübereigneten Gegenstandes nur bis zur Wertgrenze seiner Gesamtforderung zu, der Wertüberschuss fällt in die Insolvenzmasse. Daraus leitet sich das bloße Recht auf abgesonderte Befriedigung aus einem eventuellen Verwertungserlös ab.6) Außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist er jedoch nach wohl h. M. nicht gehindert, das Sicherungseigentum als Vollrecht ggf. auch mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) zu verfolgen.7) 5 Vor diesem Hintergrund bleibt die Beschränkung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG auf Absonderungsrechte bzw. Absonderungsanwartschaften nur insolvenzrechtlich, nicht aber sachenrechtlich betrachtet in der rechtssystematischen Spur. Im Gegenteil: Wenn nämlich der Sanierungszweck eines Restrukturierungsplanvorhabens außerhalb eines Insolvenzverfahrens kollektiv-privatautonome Zwangseingriffe in die Vollrechtpositionen Sicherungseigentum und sicherungszedierte Forderungen rechtfertigt, spricht im Grunde nichts dafür, andere Vollrechtspositionen, wie etwa das Vorbehaltseigentum, nur deshalb auszunehmen, weil sie nach Verfahrenseröffnung als Aussonderungsrechte zu qualifizieren sind. Insofern haftet § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG mit seiner Limitierung auf Absonderungsrechte bzw. -anwartschaften eine gewisse Beliebigkeit an. 6 Die Sanierungspraxis wird sich jedoch wegen insoweit klarer Vorgaben in § 2 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG darauf einrichten müssen, Absonderungsanwartschaften von den Aussonderungsund Ersatzaussonderungsrechten (§§ 47, 48 InsO) abzugrenzen. Denn diese dürfen in einem Restrukturierungsplanverfahren de lege lata nicht einer zwangsweisen Gestaltung durch ___________ 4) 5) 6) 7)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111; Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Gehrlein, BB 2021, 66, 68. RGZ 124, 73, 75; BGH v. 4.2.1954 – IV ZR 164/53, BGHZ 12, 232; BGH v. 28.6.1978 – VIII ZR 60/70, Rz. 15, BGHZ 72, 141. RGZ 124, 73, 75. RGZ 124, 73, 75; BGH v. 4.2.1954 – IV ZR 164/53, BGHZ 12, 232; BGH v. 28.6.1978 – VIII ZR 60/70, Rz. 15, BGHZ 72, 141.

Barnert

§ 22

Gestaltbare Rechtsverhältnisse

Mehrheitsentscheidung unterzogen werden.8) Thole weist in diesem Zusammenhang zur Recht darauf hin, dass die Abgrenzung schwierig sein kann, etwa bei einem verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalt der Warenlieferanten mit AGB-basierter Ermächtigung zur Weiterveräußerung oder Weiterverarbeitung.9) Bei Vertragsklauseln dieser Art hängt die instabile Rechtsposition des Vorbehaltslieferanten 7 für eine Aus- oder Absonderung wegen einer Vielzahl anderer Lieferanten maßgeblich von der Unterscheidbarkeit des Umfangs und Anteils gelieferter Waren im vorhandenen Warenbestand des Sanierungsunternehmens ab. Dies kann insbesondere bei Restrukturierungsvorhaben mit einer Vielzahl von Vorbehaltslieferanten nicht unerhebliche Nachweisprobleme aufwerfen.10) Um bei der Restrukturierungsplangestaltung unnötigen Abgrenzungsund Zuordnungsfragen auszuweichen, dürfte sich daher wie bisher als Ausweg nur die Einrichtung von Lieferantenpools anbieten.11) Ansonsten hat die fehlende Gestaltbarkeit von Aussonderungsrechten für die Sanierungs- 8 praxis zur Folge, dass eine Modifizierung von Aussonderungsrechten nur auf freiwilliger Basis zulässig ist. Dies kann rechtstechnisch außerhalb des Restrukturierungsplans auf individualvertraglicher Grundlage erfolgen. Plan und Vereinbarung können zu diesem Zweck auch über einen Bedingungszusammenhang (§ 158 Abs. 1 BGB) miteinander verknüpft werden (zum Insolvenzplanverfahren siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 41).12) Überdies ist es zulässig, Eingriffe in die Rechtsstellung aussonderungsberechtigter Gläubiger auch in den Restrukturierungsplan aufzunehmen.13) Allerdings bedarf diese Fallkonstellation einer freiwilligen Planunterwerfung durch Zustimmung des aussonderungsberechtigten Gläubigers, denn Eingriffe oder Modifizierungen in seine Rechtsstellung dürfen ihm nicht zwangsweise aufgedrängt werden. Aus § 5 Satz 3 i. V. m. § 15 Abs. 3 StaRUG folgt sodann die Verpflichtung, die erklärte 9 Zustimmung dem Plan als Plananlage beizufügen, um so sicherzustellen, dass im Fall der Planbestätigung die notwendige Zustimmungserklärung wirksam vorliegt. Fehlt die Aufnahme dieser Erklärung im Restrukturierungsplan, hat das Gericht dessen Bestätigung ggf. nach Fristsetzung zu versagen (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). 3.

Überblick zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen

Seinem Wesenskern nach orientiert sich § 2 StaRUG an der insolvenzplanrechtlichen Vor- 10 schrift § 217 InsO. Erfasst werden Forderungen und Rechte, die auch in einem Insolvenzplan einer zwangsweisen Rechtsgestaltung unterworfen werden können14): Zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen gehören Restrukturierungsforderungen (§ 2 11 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), auch soweit sie bedingt oder noch nicht fällig sind (§ 3 Abs. 1 StaRUG), und Absonderungsanwartschaften (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).15) ___________ 8) Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Gehrlein, BB 2021, 66, 68; s. a. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111 – zur Abgrenzung zwischen Absonderungsanwartschaften und Aussonderungsrechten. 9) Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. 10) Vgl. dazu Leiner, ZInsO 2006, 460 ff. 11) Zur Bildung von Lieferantenpools vgl. Leiner, ZInsO 2006, 460 ff. 12) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109. 13) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109: „Was den möglichen Inhalt von Regelungen angeht, die in einen Restrukturierungsplan aufgenommen werden können, orientiert sich der Entwurf wiederum an dem insolvenzplanrechtlichen Vorbild. Das gilt sowohl hinsichtlich der Forderungen und Rechte, die in einem Insolvenzplanverfahren der zwangsweisen Gestaltung unterworfen werden, als auch hinsichtlich solcher Folgen, die durch freiwillige Vereinbarung und Aufnahme in den Plan herbeigeführt werden“. 14) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109, 127. 15) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111.

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§ 22

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

12 § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 StaRUG betreffen Finanzierungsarrangements, in deren Rahmen der Schuldner nach Maßgabe einheitlicher Bedingungen Kreditmittel bei einer Mehrzahl von Gläubigern aufnimmt. Inbegriffen sind nicht nur kollektive Finanzierungsarrangements wie Konsortialfinanzierungen und über Inter-Creditor-Agreements verbundene Kreditierungen, bei denen zwischen dem Schuldner und den Gläubigern ein einheitliches Vertragsverhältnis besteht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG)16), sondern auch quasi-kollektive Arrangements auf der Grundlage von Schuldverschreibungen oder Schuldscheindarlehen, denen ein solches einheitliches Vertragsverhältnis fehlt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG)17). In allen diesen Fällen sind nicht nur die den Gläubigern zustehenden Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften gestaltbar, sondern auch die Einzelbestimmungen, denen diese Forderungen und Rechte nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis unterworfen sind.18) 13 Beruhen Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen und haben die Inhaber dieser Forderungen und Rechte untereinander und mit dem Schuldner Vereinbarungen über die Durchsetzung der diesem gegenüber bestehenden Forderungen oder Anwartschaften und über das relative Rangverhältnis der aus der Durchsetzung resultierenden Erlöse getroffen, so können nach § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG nicht nur die das Verhältnis zum Schuldner betreffenden Bestimmungen, sondern auch diejenigen Bestimmungen gestaltet werden, die das Verhältnis der Gläubiger untereinander betreffen.19) 14 Ist die Schuldnerin eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, können nach dem insolvenzplanrechtlichen Vorbild in § 225a InsO auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an dem Schuldner beteiligten Personen durch den Plan gestaltet, sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen getroffen sowie Anteils- und Mitgliedschaftsrechte übertragen werden (§ 2 Abs. 3 StaRUG).20) Die Vorschrift ebnet zugleich den Weg für einen Debt to Equity Swap (§ 7 Abs. 4 StaRUG).21) 15 § 2 Abs. 4 StaRUG lässt zur Verbesserung der Möglichkeiten von Konzernrestrukturierungen Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten zu.22) Auch kann bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit die Haftung persönlich haftender Gesellschafter beschränkt werden.23) Nach dem Vorbild in § 228 InsO dürfen im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans auch sachenrechtliche Verhältnisse begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden (§ 13 StaRUG). Ohne diese Regelung würde der Plan nur rein schuldrechtlich wirken (vgl. § 68 Abs. 1 und 3 StaRUG). II.

Gestaltbarkeit von Restrukturierungsforderungen

1.

Regelungsinhalt des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG

16 § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG lässt die Gestaltbarkeit aller gegen eine restrukturierungsfähige Person (Schuldner) begründeten Forderungen auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans zu. Das StaRUG bezeichnet diese Forderungen als Restrukturierungsforderungen, um zu verdeutlichen, dass die Restrukturierungsplangestaltung außerhalb eines Insolvenz___________ 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111 f. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 112. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114.

Barnert

§ 22

Gestaltbare Rechtsverhältnisse

verfahrens stattfindet und der Begriff „Insolvenzforderung“ nur in einem insolvenzverfahrensrechtlichen Kontext Sinn ergibt.24) In der Sache bestehen jedoch keine Unterschiede, denn die Gesetzesbegründung nimmt ausdrücklich Bezug auf § 38 InsO und kennzeichnet alle Forderungen als gestaltbar, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden könnten.25) 2.

Vermögensanspruch als Gestaltungsvoraussetzung

Folglich sind alle Forderungen gestaltbar, welche die materiell-rechtlichen Voraussetzun- 17 gen einer Insolvenzforderung i. S. des § 38 InsO erfüllen und gegen eine restrukturierungsfähige Person (Schuldner) begründet sind. § 38 InsO knüpft das Vorliegen einer Insolvenzforderung an einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner begründeten Vermögensanspruch. Von diesen materiell-rechtlichen Voraussetzungen nimmt § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG jedoch nur den Vermögensanspruch in Bezug, womit ebenfalls der Systematik Rechnung getragen wird, dass die Restrukturierungsplangestaltung außerhalb eines Insolvenzverfahrens stattfindet und es folglich auch keine Verfahrenseröffnung gibt, die zur Frage der Begründetheit des Anspruchs zu diesem Zeitpunkt überleiten könnte. Vielmehr legt § 2 Abs. 5 StaRUG den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt eigenständig fest.26) Soweit der Begriff der Restrukturierungsforderung seinem Vorbild in § 38 InsO folgt und 18 an das Bestehen eines Vermögensanspruchs anknüpft, muss der Gläubiger einen „geldwerten“ auf Zahlung einer Geldsumme gerichteten Anspruch haben oder einen Anspruch, der i. S. der §§ 45 f. InsO in einen Zahlungsanspruch umwandelbar ist. Dies folgt daraus, dass sich § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG am Begriff der Insolvenzforderungen orientiert sowie mittelbar aus § 24 Abs. 2 StaRUG, der für die Bemessung des Stimmrechts auf die §§ 45 f. InsO zurückgreift. Unerheblich ist der Rechtsgrund des Anspruchs, solange es sich um einen Anspruch vermögensrechtlicher Natur handelt. Ebenso wie im Anwendungsbereich des § 38 InsO gehören höchstpersönliche oder rein 19 familienrechtliche Ansprüche nicht zu den Restrukturierungsforderungen, da sie nicht vermögensrechtlicher Art sind. Rein erbrechtliche Ansprüche sind zwar vermögensrechtlich, sie stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners und sind deshalb gemäß § 4 Satz 2 StaRUG von einer Plangestaltung ausgeschlossen. Dingliche Ansprüche zählen nicht zu den Restrukturierungsforderungen, da ihnen der Schuldner nicht mit seinem Gesamtvermögen, sondern nur mit bestimmten Gegenständen des Sachenrechts haftet. Sie sind daher nicht „gegen die Person des Schuldners“ i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG gerichtet. Dem Mitgliedschaftsrecht von Gesellschaftern fehlt jede Anspruchseigenschaft, sie schei- 20 det daher als Restrukturierungsforderung aus und ist in § 2 Abs. 3 StaRUG eigenständig geregelt. Gleiches gilt für die in § 2 Abs. 2 StaRUG spezialgesetzlich geregelten Bedingungen und Einzelbestimmungen eines Vertragsverhältnisses, selbst wenn die jeweiligen Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften von ihnen abhängen sollten. Sie sind also, von den Spezialfällen in § 2 Abs. 2 StaRUG abgesehen, ebenfalls keine gestaltbaren Rechtsverhältnisse i. S. des § 2 Abs. 1 StaRUG. 3.

Restrukturierungsfähigkeit des Anspruchsgegners

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG fordert zudem für das Vorliegen einer Restrukturierungsforde- 21 rung, dass die Forderungen gegen eine restrukturierungsfähige Person (Schuldner) be___________ 24) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109, 127, 128. 25) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109, 127. 26) Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Desch, BB 2020, 2498, 2502.

Barnert

515

§ 22

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

gründet sind. Die Vorschrift assimiliert ebenfalls § 38 InsO, der für die Qualifizierung einer Forderung als Insolvenzforderung das Bestehen eines gegen einen insolvenzfähigen Schuldner gerichteten Vermögensanspruchs voraussetzt. 22 Als Abbild des § 38 InsO qualifiziert § 30 Abs. 1 Satz 1 StaRUG die Restrukturierungs(verfahrens)fähigkeit in der Weise, dass jeder insolvenzfähige Schuldner zugleich restrukturierungsfähig ist. Das schließt im Grundsatz alle natürlichen und juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO), nicht rechtsfähige Vereine (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO) und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) mit ein. Unerheblich ist, ob die Gesellschaft noch werbend tätig oder bereits aufgelöst ist, sofern nur eine Fortsetzung des Unternehmens von den Gesellschaftern beabsichtigt ist.27) 23 Einige Besonderheiten gelten für natürliche Personen als Schuldner. Diese sind gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG nur restrukturierungsfähig, soweit sie unternehmerisch tätig sind. Überdies ergibt sich aus § 4 Satz 2 StaRUG, dass Ansprüche und Absonderungsanwartschaften gegen natürliche Personen nur gestaltbar sind, wenn sie mit dessen unternehmerischer Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Aus beiden Vorschriften und dem Wort „soweit“ in § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG folgt die Notwendigkeit, den Unternehmer vom Privatier und die Zuordnung von Rechtsverhältnissen zum unternehmerischen oder privaten Bereich gegeneinander abzugrenzen. Insofern kann auf die Rechtsprechung zu §§ 13, 14 BGB zurückgegriffen werden.28) Ist eine natürliche Person nicht unternehmerisch tätig oder stehen Ansprüche und Absonderungsanwartschaften in keinem Zusammenhang mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit, steht für eine Schuldenbereinigung das Restschuldbefreiungsverfahren (§§ 286 ff. InsO) zur Verfügung und für Verbraucher ist das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben. Geht es um rein erbrechtliche Ansprüche, kommt für die Schuldenbereinigung das Nachlassinsolvenzverfahren in Betracht (§§ 315 ff. InsO). 4.

Maßgeblicher Zeitpunkt i. S. des § 2 Abs. 5 StaRUG

24 § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG lässt die Gestaltbarkeit nur solcher Ansprüche auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans zu, die gegen eine restrukturierungsfähige Person zum maßgeblichen Zeitpunkt begründet sind. 25 Da es bei der Restrukturierungsplangestaltung an der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fehlt, stellt § 2 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 StaRUG für die Begründetheit einer Forderung auf den Zeitpunkt der Unterbreitung des Planangebots (§ 17 StaRUG) ab. Kommt es zu einem gerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§§ 45 ff. StaRUG) tritt an die Stelle der Unterbreitung des Planangebots (§ 17 StaRUG) der Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 45 StaRUG (§ 2 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 StaRUG). 26 Erwirkt der Schuldner vorher eine Stabilisierungsanordnung gemäß § 49 StaRUG, tritt an die Stelle des Planangebots oder der Antragsstellung der Zeitpunkt der Erstanordnung (§ 2 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Die Erstanordnung bleibt auch dann maßgeblich, wenn der Schuldner mehrere Stabilisierungsanordnungen oder eine Folge- oder Neuanordnung (§ 52 StaRUG) beantragt. Die Erstanordnung gemäß § 49 StaRUG kann den Zeitpunkt daher

___________ 27) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115. 28) Vgl. dazu etwa BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377; s. zur Abgrenzung auch Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115, wonach die Forderungen und Absonderungsanwartschaften aus der unternehmerischen Tätigkeit „resultieren“ müssen.

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nur nach vorne, nicht nach hinten verlagern, weil es stets auf den Zeitpunkt der Erstanordnung ankommt.29) 5.

Begründetheit des Anspruchs zum maßgeblichen Zeitpunkt

In allen diesen Fällen entscheidet über die Eignung einer Forderung als Restrukturierungs- 27 forderung die Frage, ob die Forderung zum maßgeblichen Zeitpunkt begründet war. Insofern legt § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG für die Begründetheit dieselben Auslegungsmaßstäbe an, wie sie als zeitliche Zäsur für die Begründetheit von Insolvenzforderungen zugrunde gelegt werden.30) Demnach entscheidet über die Begründetheit nicht der Entstehungs- oder Fälligkeitszeitpunkt der Forderung, sondern ebenso wie bei der Qualifizierung einer Forderung als Insolvenzforderung i. S. des § 38 InsO31) die Frage, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der schuldrechtliche Rechtsboden bzw. Rechtsgrund für die Forderung bereits gelegt worden ist32). § 3 Abs. 1 StaRUG stellt insofern lediglich klar, dass auch noch nicht fällige, aufschie- 28 bend bedingte oder aufschiebend befristete Forderungen, die selbst erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt entstehen, zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen gehören, denn in diesen Fällen war das forderungsbegründende Rechtsgeschäft zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits abgeschlossen.33) § 3 Abs. 1 StaRUG ist insofern nur eine spezialgesetzliche Ausprägung der vorgenannten Auslegungsmaxime, wonach es für die Begründetheit einer Restrukturierungsforderung nicht auf ihren rechtlichen Entstehungs- oder Fälligkeitszeitpunkt, sondern darauf ankommt, wann der schuldrechtliche Rechtsboden bzw. Rechtsgrund für diese Forderung gelegt wurde. Lag der Vertragsschluss bereits zu dem nach § 2 Abs. 5 StaRUG maßgeblichen Zeitpunkt 29 vor, so sind die erst nach diesem Zeitpunkt entstehenden oder fällig werdenden Ansprüche bereits vor diesem Zeitpunkt begründet und damit Restrukturierungsforderungen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG, die auf Grundlage eines Restrukturierungsplans gestaltet werden können.34) War der Vertragsschluss zum maßgeblichen Zeitpunkt dagegen nur intendiert, so können daraus resultierende künftige Ansprüche keine Restrukturierungsforderungen sein, weil das forderungsbegründende Rechtsgeschäft zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Außer in den erwähnten Fällen aufschiebend bedingter oder aufschiebend befristeter Forde- 30 rungen hat die vorgenannte Auslegungsmaxime rechtspraktische Bedeutung vor allem für Dauerschuldverhältnisse und Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Da die Begründetheit der Forderung nicht von ihrem rechtlichen Entstehungs- oder Fälligkeitszeitpunkt abhängt, können auch die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt fällig werdenden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen oder auf wiederkehrende Leistungen einer Plangestaltung unterworfen werden.35) ___________ 29) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 30) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 103; Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Desch, BB 2020, 2498, 2502. 31) BGH v. 7.4.2005 – IX ZB 195/03, NZI 2005, 403; BGH v. 7.4.2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537. 32) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 103; Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. 33) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 34) Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. 35) Zum Insolvenzrecht vgl. etwa BGH v. 7.7.2010 – XII ZR 158/09, ZIP 2010, 2410; BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469; Pape in: Kölner Schrift zur InsO, S. 392 f., Rz. 64 ff.: Danach sind die Ansprüche auf Räumung, Vornahme von Rückbauten, und Schönheitsreparaturen Insolvenzforderungen, weil sie bereits mit Abschluss des Mietvertrages begründet wurden.

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31 Besonderheiten ergeben sich in allen diesen Fällen allein aus den Sonderregeln des § 24 Abs. 2 StaRUG für die Bestimmung des Stimmrechts, das i. R. des Planabstimmungsverfahrens für nicht fällige, bedingte oder ihrer Höhe nach noch nicht bestimmbare oder auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Forderungen entfällt.36) Bedingte Forderungen sind für das Stimmgewicht mit dem ihnen unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts zukommenden Wert anzusetzen (§ 24 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Unverzinsliche, noch nicht fällige Forderungen, sind mit dem Betrag anzusetzen, der sich in Anwendung des § 41 Abs. 2 InsO durch Abzinsung auf den Tag der Planvorlage ergibt (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). Handelt es sich um der Höhe nach noch unbestimmte oder auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Forderungen sind die zu den §§ 45, 46 InsO entwickelten Rechtsgrundsätze maßgeblich (§ 24 Abs. 2 Nr. 3 und 4 StaRUG). Aus den in § 24 Abs. 2 StaRUG versammelten Vorschriften ergibt sich aber allesamt, dass der Gesetzgeber des StaRUG den noch nicht fälligen, bedingten und auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Forderungen ohne weiteres die Qualität von im Plan gestaltbaren Restrukturierungsforderungen beimisst. 32 Abzugrenzen sind Dauerschuldverhältnisse und Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen von Sukzessivlieferungsverträgen. Bei diesen entstehen die Einzelansprüche mit jeder Teillieferung jeweils neu. Daher sind nur diejenigen Einzelansprüche Restrukturierungsforderungen, für welche die Gegenleistung zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits erbracht ist. § 3 Abs. 2 StaRUG stellt dies ausdrücklich klar. Danach sind Forderungen aus gegenseitigen Verträgen nur insoweit gestaltbar, als die geschuldete Gegenleistung bereits erbracht ist. Bei Steuerforderungen des Fiskus ist für die Begründetheit der Forderung auf den zivilrechtlichen Sachverhalt abzustellen, dessen Verwirklichung zum Entstehen der Steueransprüche führt (§ 38 AO). Ist der zivilrechtliche Sachverhalt zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits verwirklicht worden, gewinnt die Steuerforderung selbst dann die Qualität einer Restrukturierungsforderung, wenn sie nach den steuerrechtlichen Vorschriften erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht.37) 6.

Abgrenzungsfragen zur Gestaltbarkeit von Forderungen

6.1

Nachrangige Restrukturierungsgläubiger

33 Unter die Begriffsdefinition für Restrukturierungsforderungen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG fallen auch Forderungsrechte, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als nachrangige Insolvenzforderungen geltend gemacht werden könnten. 34 Nachrangige Insolvenzgläubiger sind gemäß § 39 Abs. 1 InsO Gläubiger, deren Forderungen erst nach vollständiger Berichtigung aller übrigen Forderungen der (einfachen) Insolvenzgläubiger zu erfüllen sind (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 19). Dass auch diese Art von Gläubigerrechten vom Begriff der Restrukturierungsforderungen umfasst wird, folgt mittelbar aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG. Demnach sind Inhaber von Forderungen, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 39 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder Abs. 2 InsO als nachrangige Insolvenzforderungen anzumelden wären, für jede Rangklasse in je eine Gruppe einzustellen. Um auch insoweit die Divergenz des StaRUG zu seinen insolvenzplanrechtlichen Vorbildern in § 39 Abs. 1 InsO zu artikulieren, bezeichnet § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG diese Gläubiger als nachrangige Restrukturierungsgläubiger. ___________ 36) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 37) BFH v. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421; BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782, BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, ZIP 2003, 173, BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628, dazu EWiR 2005, 477 (Onusseit).

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Praxisrelevant sind damit Inhaber von Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafter- 35 darlehens oder von Forderungen aus Rechtshandlungen, die solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, als nachrangige Restrukturierungsgläubiger einzustufen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Dasselbe gilt für Forderungsinhaber, die mit ihrem Schuldner einen qualifizierten Rangrücktritt vereinbart haben (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG i. V. m. § 39 Abs. 2 InsO). Nicht zuletzt unterfallen aber auch Inhaber von Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung dem Begriff des nachrangigen Restrukturierungsgläubigers (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Eine Sonderstellung haben die in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG nicht besonders erwähnten 36 Ansprüche auf Zinsen und Säumniszuschläge. Diese sind zwar nachrangige Insolvenzforderungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO), soweit sie in den Zeitraum nach der Insolvenzverfahrenseröffnung fallen. Das StaRUG weicht hier aber vom Vorbild der InsO ab und ordnet Ansprüche auf Zinsen und Säumniszuschläge generell den einfachen Restrukturierungsforderungen zu (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Das ist die Konsequenz der Restrukturierung eines Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens, die eine Verfahrenseröffnung als zeitliche Zäsur für die Einstufung dieser Ansprüche als einfache oder nachrangige Gläubigerrechte erübrigt.38) Daran stört allerdings eine gewisse gesetzliche Inkonsequenz, denn nach der Intention des § 2 Abs. 5 StaRUG sollen die dort geregelten Zeitpunkte an die Stelle einer Verfahrenseröffnung treten. Abzugrenzen ist die Gestaltbarkeit einfacher und nachrangiger Restrukturierungsforderun- 37 gen von solchen Forderungen, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO als nachrangig geltend zu machen wären. Das sind Sanktionszahlungen aller Art wie etwa Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder sowie Geldsanktionen als Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Diese Art der Sanktionen entzieht § 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG der kollektiv-privatautonomen Gestaltbarkeit in einem Restrukturierungsplan, andernfalls verlören sie den Sanktionscharakter und die Sanktionswirkung.39) § 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG findet insoweit insolvenzplanrechtlich seine Entsprechung in § 225 Abs. 3 InsO. Ohne ausdrückliche Regelung blieben im StaRUG Rechtsverfolgungskosten (insbeson- 38 dere die Kosten einer anwaltlichen Vertretung), die Restrukturierungsgläubigern durch eine Teilnahme am Restrukturierungsplanverfahren erwachsen. § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO stuft solche Kosten ab Verfahrenseröffnung als nachrangige Forderungen ein. Kosten, die vor Eröffnung entstanden sind, teilen den Rang der Hauptforderung, sind also (Ausnahme: § 39 Abs. 3 InsO) nicht nachrangig. Eine entsprechende Anwendung dieser Differenzierung erübrigt sich in der Unternehmensrestrukturierung, da diese kein Insolvenzverfahren darstellt. Ebenso wie Zinsen und Säumniszuschläge teilen Rechtsverfolgungskosten damit stets den Rang der Hauptforderung. Sie sind daher als einfache Restrukturierungsforderungen i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG anzusehen. 6.2

Forderungen aus schwebenden gegenseitigen Verträgen

Nach § 3 Abs. 2 StaRUG sind Restrukturierungsforderungen aus gegenseitigen Verträgen 39 nur insoweit gestaltbar, als die dem anderen Teil obliegende Leistung bereits erbracht ist. Die Vorschrift knüpft an § 105 InsO an und stellt klar, dass der Restrukturierungsplan kein Instrument darstellt, bei gegenseitigen Verträgen das Synallagma zwischen Leistung und Gegenleistung, d. h. also insbesondere die Einrede des nichterfüllten gegenseitigen ___________ 38) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 39) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115.

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Vertrages (§ 320 BGB) auszuhebeln40). Deshalb finden Forderungen aus gegenseitigen Verträgen bei der Restrukturierungsplangestaltung nur Berücksichtigung, soweit Gläubiger die ihnen obliegende Leistung bereits erbracht haben. 40 Aus dem Wort „soweit“ in § 3 Abs. 2 StaRUG folgt jedoch andererseits, dass solche Forderungen gestaltbar sind, die teilweise durch eine Vorleistung des Gläubigers werthaltig geworden sind. Derart orientiert sich § 3 Abs. 2 StaRUG an seinem insolvenzrechtlichen Vorbild in § 105 Satz 1 InsO.41) Hiernach ist der Gläubiger mit dem einer Teilleistung entsprechenden Teilanspruch auf die Gegenleistung ein Insolvenzgläubiger, wenn geschuldete Leistungen teilbar sind und er seine Gegenleistung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits teilweise erbracht hat. 41 § 105 Satz 1 InsO durchbricht somit bei teilbaren Leistungen das genetische Synallagma und führt zur Aufspaltung des gegenseitigen Vertrages in je einen teilweise erfüllten und nicht erfüllten Vertrag mit der Anordnung, dass als Insolvenzforderung nur der auf die bereits erbrachte Teilleistung entfallende Teil der Gegenleistung des Gläubigers geltend gemacht werden kann. Da § 3 Abs. 2 StaRUG an die Regelung in § 105 Satz 1 InsO anknüpft, gelten diese Rechtsgrundsätze entsprechend auch für die Gestaltbarkeit von Forderungen aus sonstigen gegenseitigen Verträgen, allerdings mit der Besonderheit, dass auch hier die in § 5 Abs. 5 StaRUG geregelten Zeitpunkte als maßgebliche Zäsur für die Aufspaltung des gegenseitigen Vertrages an die Stelle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens treten.42) Außer bei den Sukzessiv- und Ratenlieferungsverträgen kann § 3 Abs. 2 StaRUG im Bauvertragsrecht rechtpraktisch werden. Bauleistungen sind in der Regel teilbar, weshalb der geschuldete Werklohn baufortschrittsweise gefordert werden kann. Für die Bewertung des Werklohnanteils bereits erbrachten Werkleistungen kann hierbei der Abrechnungsmaßstab so angelegt werden, als wäre der Bauvertrag zum maßgeblichen Zeitpunkt aus wichtigem Grund gekündigt worden.43) 42 Abzugrenzen ist die Vorschrift in § 3 Abs. 2 StaRUG von Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen (insbesondere aus Mietverhältnissen) und Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen. Bei diesen Vertragsverhältnissen unterbleibt eine Aufspaltung des einheitlichen Vertragsgeschehens in je einen teilweise erfüllten und nicht erfüllten gegenseitigen Vertrag, da der Gläubiger seinen Gegenwert in das Schuldnervermögen bereits geleistet hat, etwa dadurch, dass der Vermieter dem Mieter das Mietobjekt zur Nutzung zur Verfügung gestellt hat. Dies hat zur Folge, dass auch solche Restrukturierungsforderungen gestaltbar sind, die auf die Zeit nach dem nach § 2 Abs. 5 StaRUG maßgeblichen Zeitpunkt entfallen bzw. nach diesem Zeitpunkt fällig werden. 6.3

Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen

43 Nach § 4 Satz 1 Nr. 2 StaRUG sind Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan nicht zugänglich. 44 Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen ihrem insolvenzrechtlichen Vorbild in § 302 Nr. 1 InsO und beruht auf denselben Erwägungen wie die Ausnahmeregelung für Geldstrafen und sonstige Sanktionszahlungen (Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder, Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit) in § 4 Satz 1 Nr. 4 StaRUG. Hier wie

___________ 40) 41) 42) 43)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 577, dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot).

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dort soll bei deliktischen Verhaltensweisen eine Verwässerung des Sanktionscharakters dieser Zahlungen vermieden werden.44) Vor diesem Hintergrund erscheint es jedoch nicht unproblematisch, dass § 4 Satz 1 Nr. 2 45 StaRUG – anders als sein insolvenzrechtliches Vorbild § 302 Nr. 1 InsO – Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis selbst dann für gestaltbar hält, wenn der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Regierungsbegründung zum StaRUG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Steueranspruch als solcher unabhängig von einer damit im Zusammenhang stehenden strafbaren Handlung des Schuldners entsteht und deshalb gestaltbar bleiben müsse.45) Diese Begründung irritiert schon deshalb, weil § 302 Nr. 1 InsO Steueransprüche von den Wirkungen einer Restschuldbefreiung ausnimmt, gerade weil sie im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat stehen. Insofern wirkt die Gesetzesbegründung geradezu willkürlich. 6.4

Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverhältnissen

Die Nichtgestaltbarkeit von Forderungen der Arbeitnehmer aus oder im Zusammenhang 46 mit dem Arbeitsverhältnis transformiert das Wahlrecht aus Art. 1 Abs. 5 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht. Dabei stellte sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine Gestaltbarkeit von Ansprüchen der Arbeitnehmer und favorisierte einen Vorrang des kollektiven und individuellen Arbeitsrechts.46) Das schließt aber nicht aus, dass personalwirtschaftliche Restrukturierungen im Zuge von Restrukturierungsvorhaben getroffen werden. Diese müssen sogar im darstellenden Teil des Plans gesondert hervorgehoben werden (§ 6 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Nach den insoweit eindeutigen Vorgaben des StaRUG stehen jedoch der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans und die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens des StaRUG für die Um- und Durchsetzung solcher Maßnahmen nicht zur Verfügung.47), da die kollektiv- und individualarbeitsvertraglichen Regelungen vorrangig zu beachten sind. Nicht gestaltbar sind gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG auch Anwartschaften aus betrieblicher 47 Altersversorgung, die in Form von Pensionsrückstellungen die Passivseite der Bilanz oftmals erdrückend belasten können. Die Nichtgestaltbarkeit beruht auf Art. 1 Abs. 6 der Restrukturierungsrichtlinie, die Ansprüche der Arbeitnehmer aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung zwingend von ihrer Restrukturierbarkeit ausklammert.48) III.

Gestaltbarkeit von Absonderungsanwartschaften

1.

Regelungsinhalt des § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG

§ 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG lässt die Gestaltbarkeit von Rechten an Gegenständen des schuld- 48 nerischen Vermögens als sog. Absonderungsanwartschaften zu, wenn sie im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Absonderung, nicht aber zur Aussonderung gemäß § 47 InsO berechtigen würden.49) Absonderungsberechtigte sind als Gläubiger Inhaber eines Absonderungsrechts gemäß 49 §§ 49 – 51 InsO, d. h. insbesondere Grundpfandgläubiger, Sicherungseigentümer, Sicherungs___________ 44) 45) 46) 47) 48) 49)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114 f. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114 f. Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111.

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zessionare und auch die Eigentumsvorbehaltslieferanten aufgrund eines verlängerten und ggf. erweiterten Eigentumsvorbehalts (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 24). Nach der Gesetzesbegründung ergibt sich daraus im Umkehrschluss, dass Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) nicht zu den Rechtsverhältnissen gehören, die in einem mehrheitlich zu beschließenden und gerichtlich zu bestätigenden Restrukturierungsplan gestaltet werden können.50) 2.

Absonderungsanwartschaft und Drittsicherheiten

50 Absonderungsanwartschaftsberechtigte i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG müssen nicht zwingend zugleich Inhaber von Restrukturierungsforderungen gegen den Schuldner sein. Dies ist etwa der Fall, wenn Forderungen durch Sicherheitenbestellung am schuldnerischen Vermögen abgesichert werden sollen, die dem Absonderungsanwartschaftsberechtigten gegen Dritte zustehen.51) Davon zu unterscheiden sind sog. Drittsicherheiten, die Dritte zur Absicherung von gegen den Schuldner gerichteten Restrukturierungsforderungen bestellen. Drittsicherheiten können auf der Grundlage eines Restrukturierungsplanvorhabens des Schuldners nur gestaltet werden, sofern die zusätzlichen Voraussetzungen einer sog. gruppeninternen Drittsicherheit gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG erfüllt sind. Bei dieser werden die Sicherheiten von einem Unternehmen bestellt, das mit dem schuldnerischen Unternehmen als Mutter- oder Tochterunternehmen konzernrechtlich i. S. des § 15 AktG verflochten ist.52) Daraus folgt im Umkehrschluss, dass alle sonstigen Drittsicherheiten einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan des Schuldners nicht zugänglich sind. 3.

Absonderungsanwartschaft und Finanzsicherheiten

51 Von einer Plangestaltung sind in Umsetzung der Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie 2002/47/EG und der Finalitätsrichtlinie 199826/EG und ebenso wie im Insolvenzplanrecht (§ 223 Abs. 1 Satz 2 InsO) ausgenommen: Finanzsicherheiten i. S. des § 1 Abs. 17 KWG sowie die i. R. von Zahlungs- und Abwicklungssystemen nach § 1 Abs. 16 KWG begebenen Sicherheiten (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).53) IV.

Gestaltbarkeit von kollektiven Finanzierungsarrangements

1.

Regelungsinhalt des § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG

52 Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG sind auch Einzelbestimmungen aus einem mehrseitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und mehreren Gläubigern durch den Restrukturierungsplan gestaltbar, auf denen Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften beruhen. Die Vorschrift erweitert die Gestaltbarkeit von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften auf Einzelbestimmungen aus dem diesen Forderungen oder Anwartschaften das zugrunde liegende Rechtsverhältnis. 2.

Konsortialfinanzierungen als Regelungsgegenstand

53 § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG erfasst kollektive Finanzierungsarrangements wie Konsortialfinanzierungen und über Inter-Creditor-Agreements verbundene Kreditierungen.54) Für ___________ 50) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. 51) Vgl. für das Insolvenzrecht § 52 InsO. 52) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114; Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Gehrlein BB 2021, 66, 68 f. 53) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114; ausführlich dazu Obermüller, ZInsO 2004, 187 ff.; Meyer/Rein, NZI 2004, 367 ff. 54) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806; Gehrlein, BB 2021, 66, 68.

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Gestaltbare Rechtsverhältnisse

die Gewährung größerer Kredite bilden häufig mehrere Kreditinstitute ein Kreditkonsortium, das dem Kreditnehmer die von einer Mehrzahl der Kreditinstitute bereitgestellten Kreditmittel zu einheitlichen Vertragskonditionen aufgrund eines einheitlichen Vertragsverhältnisses zur Verfügung stellt.55) Konsortialkredite und durch Inter-Creditor-Agreements verbundene Kreditierungen fin- 54 den sich bei der Finanzierung großer Industrieanlagen oder Infrastrukturmaßnahmen, im Anlagen- oder Städtebau, aber auch ganz allgemein in der Unternehmensfinanzierung. Der wirtschaftliche Hintergrund derartiger Zusammenschlüsse von Kreditinstituten zur gemeinsamen Projektfinanzierung dürfte stets derselbe sein, nämlich die Streuung der Kreditausfallrisiken und Eigenkapitalkosten der beteiligten Banken. Zudem kommt es nicht selten zur Bildung eines Sicherheitenpools, um die für die beteiligten Kreditinstitute bestellten Sicherheiten zu bündeln und so Risiken der Sicherheitenverwertung auf die am Pool beteiligten Institute zu verteilen. Sicherheitenpoolverträge haben in § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG eine eigenständige Regelung erfahren. 3.

Außenkonsortium und Innenkonsortium

Von Kreditkonsortien sind Kreditunterbeteiligungen abzugrenzen, die sowohl an einem 55 Konsortialkreditanteil als auch an einem Einzelkredit eingeräumt werden können.56) Der BGH qualifiziert das Rechtsverhältnis zwischen den Unterbeteiligten und der nach außen als Kreditgeberin auftretenden Bank (Innenkonsortium) als eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts.57) Beim Innenkonsortium bestehen Rechtsbeziehungen nur zwischen dem Kreditnehmer und der nach außen als Kreditgeberin auftretenden Bank, während beim Außenkonsortium die beteiligten Konsortialbanken in Vertragsbeziehung zum Kreditnehmer treten. § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG meint nur die als Außenkonsortien verfassten Kreditkonsortien, was zumindest der Wortlaut der Vorschrift und die Regierungsbegründung zum StaRUG nahelegen. Danach müssen die Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften auf einem mehrseitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und mehreren Gläubigern beruhen. In der Regierungsbegründung zum StaRUG wird dazu weiter klargestellt, dass die Vorschrift auf Konsortialfinanzierungen zugeschnitten sei, bei denen zwischen Schuldner und allen Gläubigern ein einheitliches Vertragsverhältnis besteht.58) Unklar ist der Regelungsgrund für die Gestaltbarkeit von Einzelbestimmungen aus dem 56 Kreditvertrag in Abhängigkeit von der alternativen Verfasstheit eines Kreditkonsortiums als Außen- oder Innenkonsortium. Dies gilt insbesondere, weil § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG von einem mehrseitigen Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und mehreren Gläubigern rechtlich unpräzis spricht. Ein mehrseitiges Rechtsverhältnis besteht weder beim Innennoch beim Außenkonsortium. Denn auch das Außen-Konsortium bildet eine rechts- und parteifähige (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die somit nur als eine einzige Gläubigerin aufgrund eines einheitlichen Vertragsverhältnisses zu ihrem Kreditnehmer in Vertragsbeziehung tritt.59) Existiert aber auch beim Außen-Konsortium kein mehrseitiges Rechtsverhältnis zwischen 57 dem Schuldner und mehreren Gläubigern, sondern nur ein einziges Vertragsverhältnis zwischen dem Kreditnehmer und der rechts- und parteifähigen (Außen-)Gesellschaft bür___________ 55) 56) 57) 58) 59)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. Sittmann, WM 1996, 469. BGH v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316; Sittmann, WM 1996, 469, 471. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

gerlichen Rechts, so ist kein zwingender Grund ersichtlich, Innen-Konsortien von § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG auszunehmen. Thole verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die primäre Normintention, Sanierungskonzepte gegen den Widerstand einzelner oder aller Bankenkonsortialbeteiligter durch Anpassung von Kreditauflagen oder sonstiger Modalitäten des Kreditverhältnisses durchzusetzen.60) Die Gefahr, dass „Akkordstörer“ Sanierungskonzepte mit der Folge des Unternehmensuntergangs blockieren, besteht beim Innen- und Außenkonsortium gleichermaßen. 58 Die gesetzliche Differenzierung hinterlässt daher die grundsätzliche Sinnfrage, welcher zwingende Grund hinter § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG stehen mag, Zwangseingriffe in vertragliche Einzelbestimmungen von der Anzahl der an einem Rechtsverhältnis beteiligten Gläubiger („mehrere Gläubiger“, „Vielzahl von Gläubigern“) und davon abhängig zu machen, ob ein „mehrseitiges Rechtsverhältnis“ zwischen den Beteiligten besteht. 4.

Begriff und Inhalt der „Einzelbestimmung“

59 In seinem Anwendungsbereich erlaubt § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG nicht nur mehrheitlich zu beschließende Zwangseingriffe, die sich unmittelbar auf eine Restrukturierungsforderung oder eine Absonderungsanwartschaft beziehen, sondern auch eine Modifizierung bzw. Modellierung von Einzelbestimmungen aus dem Konsortialkreditvertrag. 60 Mit dem Begriff „Einzelbestimmung“ erfasst § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG die in Konsortialkreditverträgen oder Inter-Creditor-Agreements vereinbarten sog. Kreditauflagen (Covenants). Kreditauflagen sind begrifflich Verhaltenspflichten, die der Kreditnehmer während der Dauer eines Kreditverhältnisses zu beachten hat. Je nach Verpflichtungsart bezwecken sie das zukünftige Verhalten des Schuldners bzw. Kreditnehmers im Investitions-, Finanzierungs-, gesellschafts- und Ausschüttungsbereich zu beschränken, um das Kreditausfallrisiko der Kreditgeber zu senken und die Wahrscheinlichkeit der Zins- und Kreditrückzahlung zu erhöhen. Kreditauflagen werden zwar häufig für jeden einzelnen Konsortialkredit individuell ausgehandelt, finden sich allerdings in Covenants der Finanzierungspraxis auch als standardisierte Kreditauflagen, insbesondere in Konsortialkreditverträgen mit mittelständischen Unternehmen. Dementsprechend vielgestaltig sind die in der Konsortialpraxis anzutreffenden Kreditauflagen61) (z. B. Zustimmungspflicht des Kreditgebers zum Verkauf wesentlicher Vermögensteil, regelmäßige Berichtspflicht, Verpflichtung zur Einhaltung maximaler Verschuldung etc.). 61 Nach den in der Praxis üblichen Kreditauflagen ist der Kreditnehmer oftmals verpflichtet, Finanzierungsmaßnahmen wie die Aufnahme zusätzlicher Kreditmittel oder deren Besicherung zu unterlassen, soweit derartige Maßnahmen geeignet sind, die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Konsortialbanken zu verschlechtern: 62 Beispiel: Der Darlehensnehmer darf ohne vorherige Zustimmung der Bank keine Darlehens/Avalverbindlichkeiten gegenüber Dritten eingehen; keine Bürgschaften und Garantien erteilen; keine sonstigen finanziellen Verpflichtungen gegenüber Dritten eingehen, die nicht die Erstellung des Bauvorhabens betreffen; keine Sicherheiten (einschließlich Sicherungseigentum) zugunsten Dritter einräumen, welche das Beleihungsobjekt oder allgemein das Vermögen des Darlehensnehmers betreffen. 63 Daneben regeln Kreditauflagen oftmals tiefgreifende Eingriffe in die Organkompetenzen und Mitgliedschaftsrechte der an der Kreditnehmerin beteiligten Gesellschafter. ___________ 60) Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. 61) Vgl. dazu Brandt/Sonnenhol, WM 2001, 2329 ff.; s. a. den in WM 2000, 2355 ff. abgedr. Vertragstext mit Erläuterungen bei Brandt/Sonnenhol, WM 2001, 2329 ff.

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Gestaltbare Rechtsverhältnisse

Beispiel: Folgende Maßnahmen bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Bank: Kapitaler- 64 höhungen und -herabsetzungen sowie Rücklagenerhöhungen und -herabsetzungen; Änderungen der Kontrolle („Change of Control“); Veränderungen in der Geschäftsführung; Umwandlungen, Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel; Verträge mit Gesellschaftern, Abschluss, Änderung oder Kündigung von Verträgen mit Geschäftsführern, Aufsichtsräten oder Beiräten; Darlehen an Gesellschafter, Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Beiräte. Kreditauflagen gehen mitunter soweit, dass sie die Darlehensgewährung durch die betei- 65 ligten Konsortialbanken in die Nähe einer kapitalersetzenden Leistung eines gesellschaftergleichen Dritten i. S. der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO rücken.62) Beispiel: Die Gesellschaftsanteile am Darlehensnehmer sind der Bank zu verpfänden. Das 66 Pfandrecht an dem Gesellschaftsanteil erfasst sämtliche mit der verpfändeten Beteiligung verbundenen oder aus ihr resultierenden einzeln übertragbaren Vermögensrechte. Die Bank gestattet den Sicherungsgebern bis zum schriftlichen Widerruf durch die Bank, die auf den Gesellschaftsanteil entfallenden Entnahmen zulasten des Guthabens auf Gesellschafterkonten zu tätigen bzw. Zahlungen und Ausschüttungen entgegenzunehmen. Die Stimm-, Kontroll- und Mitgliedschaftsrechte, die den Sicherungsgebern in Bezug auf die Gesellschaft zustehen, verbleiben bei den Gesellschaftern. Zu Erklärungen betreffend die Kündigung der Gesellschaft, ihre Auflösung und zu der Preisgabe des Anteils bedarf jeder Sicherungsgeber der vorherigen Zustimmung der Bank. Im Übrigen verpflichten sich die Sicherungsgeber, bei Ausübung der Stimm-, Kontroll- und Mitgliedschaftsrechte keine Willenserklärungen abzugeben und keine Rechtshandlungen vorzunehmen, durch die das Pfandrecht beeinträchtigt werden könnte. In den in der Finanz- und Kreditpraxis gängigen Bedingungen und Auflagen zur Beurteilung 67 einer finanziellen Situation ist der Kreditnehmer oftmals verpflichtet, Finanzzahlen-Relationen bzw. Financial Covenants zu beachten. Diese sehen vor, dass der Kreditnehmer bestimmte aus Bilanz-, GuV- oder Cashflow-Informationen oder aus einer Kombination dieser Informationsquellen gewonnene Verhältniskennzahlen in Bezug auf Eigenkapitalquote, Verschuldungsgrad, Ertrags- oder Liquiditätslage zu beachten hat.63) Financial Covenants regeln Krisenfrühwarnsysteme i. S. der §§ 1 Abs. 1, 101 StaRUG 68 zwecks frühzeitiger Identifizierung von Unternehmenskrisen mit Insolvenzverursachungspotential. Ergänzt werden sie nicht selten durch die Verpflichtung des Kreditnehmers, bestimmte Finanzzahlen-Relationen nicht nur im Verhältnis zu beteiligten Konsortialbanken, sondern auch gegenüber am Konsortialkreditverhältnis unbeteiligten Dritten – insbesondere Geschäftskunden – oder aus sonstigen Kreditverhältnissen – insbesondere Kontokorrentkreditverhältnissen – zu berücksichtigen hat. Beispiel: Der Kreditgeber ist berechtigt, den Kreditvertrag und die Kredite ganz oder teilweise 69 zu kündigen, die weitere Auszahlung zu verweigern und die Kredite zusammen mit aufgelaufenen Zinsen und allen anderen unter diesem Vertrag zu zahlenden Beträgen zur sofortigen Rückzahlung fällig zu stellen, falls eines der nachfolgenden Ereignisse eintritt: (1) (….) (10) Der Kreditnehmer erfüllt Verbindlichkeiten aus mit Dritten geschlossenen Verträgen oder sonstige gegenüber Geschäftskunden bestehende Verbindlichkeiten mit einem Gesamtbetrag von mehr als (…) € bei Fälligkeit nicht oder ein vom Kreditnehmer aufgenommener Kredit kann gekündigt oder vorzeitig fällig gestellt werden und dies führt jeweils zu einer Gefährdung der Rückzahlung der Kredite oder der Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditgeber. ___________ 62) Vgl. dazu Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840 ff.; Achsnick/Opp, Die doppelnützige Treuhand, Rz. 966. 63) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111; zur Einhaltung von Finanzkennzahlen s. a. Achsnick/Opp, Die doppelnützige Treuhand, Rz. 593 ff.

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70 Ein typisches Merkmal vorstehend nur beispielhaft aufgeführter Kreditauflagen (Covenants) ist es, dass sich im Extremfall an eine Verletzung dieser Financial Covenants (sog. Breach of Covenants) Kündigungsrechte des Kreditgebers anknüpfen.64) 71 Die Gestaltbarkeit von Kreditauflagen ist insofern sachgerecht, als sich in der Krisensituation eines Unternehmens insolvenzverursachende Kreditkündigungen durch eine Modifizierung oder (Teil-)Aussetzung dieser Auflagen verhindern lassen und es gerade in der Restrukturierungsphase zweckmäßig werden kann, restriktive Kreditauflagen und sonstige Modalitäten eines Konsortialkredits der jeweiligen Restrukturierungsituation anzupassen.65) § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG gestattet daher nicht nur Interventionen in Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften, sondern Modifizierungen einzelner Bestimmungen des zugrunde liegenden Kreditverhältnisses. Die Begründung zum Regierungsentwurf nennt dazu beispielhaft die Verlängerung der Fälligkeiten oder den Ausschluss bestehender Kündigungsrechte.66) Die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG möglichen Eingriffe in das Vertragsverhältnis sind nicht an eine zwingend erforderliche Erfüllbarkeit des avisierten Restrukturierungsziels gebunden. Eine solche Einschränkung ist weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Es genügt die Zweckmäßigkeit der Vertragsintervention für die Erreichbarkeit des Restrukturierungsziels und die Verhinderung der ansonsten drohenden materiellen Insolvenzreife des schuldnerischen Unternehmens i. S. der §§ 17 und 19 InsO.67) V.

Gestaltbarkeit von quasi-kollektiven Finanzierungsarrangements

72 § 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG erstreckt die Gestaltbarkeit von Einzelbestimmungen darüber hinaus auch auf die Bedingungen von Schuldtiteln i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG und von Verträgen, die zu gleichlautenden Bedingungen mit einer Vielzahl von Gläubigern geschlossen wurden. Die Begründung des Regierungsentwurfs führt zu dieser Vorschrift aus, dass von ihr insbesondere Gestaltungen wie die Emission von Schuldverschreibungen oder die Aufnahme von Schuldscheindarlehen, bei denen es an einem einheitlichen Rechtsverhältnis zwischen sämtlichen Beteiligten fehlt, erfasst werden sollen.68) Damit werden künftig Änderungen von Anleihebedingungen möglich sein, wenn die Voraussetzungen für eine kollektive Änderung nach dem SchVG nicht erfüllt sind, z. B. weil die Anleihebedingungen dies nicht zulassen (§ 5 Abs. 1 SchVG).69) VI.

Gestaltbarkeit von Sicherheitenpool- und Verwertungsvereinbarungen

1.

Regelungsinhalt des § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG

73 Beruhen Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen und haben die Inhaber dieser Forderungen und Rechte untereinander und mit dem Schuldner Vereinbarungen über die Durchsetzung der gegenüber diesem bestehenden Forderungen oder Anwartschaften und das relative Rangverhältnis der aus der Durchsetzung resultierenden Erlöse getroffen, so sind auch die Bedingungen dieser Vereinbarung durch den Restrukturierungsplan gestaltbar (§ 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). ___________ 64) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111; Desch, BB 2020, 2498, 2502; Achsnick/ Opp, Die doppelnützige Treuhand, Rz. 61 ff. 65) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. 66) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 112. 67) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 112; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806, 807. 68) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 112. 69) Desch, BB 2020, 2498, 2502; zum StaRUG aus schuldverschreibungsrechtlicher Sicht vgl. auch Lürken, ZIP 2021, 1305.

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Gestaltbare Rechtsverhältnisse 2.

Sicherheitenpoolverträge als Regelungsgegenstand

Die Vorschrift verklausuliert mehr oder weniger, dass auch Einzelbestimmungen in einem 74 Sicherheitenpoolvertrag durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden können.70) Deutlicher formulieren die Gesetzesmaterialen zum StaRUG, dass § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG Vereinbarungen erfasst, mit denen Gläubiger die Beachtung ihrer Rechte gegenüber dem Kreditnehmer koordinieren oder ihre Berechtigungen an Erlösen aus der Wahrnehmung dieser Rechte gegeneinander vornehmlich durch die Vereinbarung relativer Vor- und Nachränge abgrenzen.71) Insofern zielt die Vorschrift auf ein Rechtsverhältnis, wie es für Sicherheitenpoolverträge typisch ist. Im Sicherheitenpoolvertrag bündeln Kreditinstitute ihre Sicherheiten gegenüber dem ge- 75 meinsamen Schuldner und treffen Vereinbarungen über Kreditkündigung, Verwertung, quotale Erlösungsverteilung entsprechend ihres Kreditbetrags und über relativen Verteilungsvor- oder -nachrang. Durch die Einbeziehung des Kreditnehmers in das Vertragsverhältnis können weiterhin auch die ursprünglichen Sicherungszweckabreden auf alle Poolmitglieder erweitert werden. Ein solcher Sicherheitenpool ist rechtlich eine (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wobei in der Regel ein Kreditinstitut (Poolführer) die Verwaltung der Sicherheiten für alle Poolmitglieder übernimmt.72) In der Praxis bringt die Bildung eines Sicherheitenpools für alle Beteiligten Vorteile. Die 76 Kreditgeber gewinnen durch Poolbildung eine Risikominimierung sowie Effizienz- und Kostenvorteile bei der Sicherheitenverwertung. Die Poolbildung bezweckt außerdem alle in die Sanierung eines krisenbehafteten Unternehmens eingebundenen Kreditgeber durch Poolbildung an Alleingängen einzelner Kreditgeber bei der Kreditkündigung und Sicherheitenverwertung zu hindern. Neue Sicherheiten des Kreditnehmers werden regelmäßig nur zugunsten des Sicherheitenpools, d. h. zugunsten aller Poolmitglieder bestellt. Die Poolbildung hat in der Krise eines Unternehmens regelmäßig den Vorteil, dass Kreditinstitute zunächst davon absehen, ausstehende Kredite in einem die Krise noch verschärfenden „run“ fällig zu stellen oder bereits gekündigte Kredite i. S. der Rechtsprechung des BGH73) zu § 17 Abs. 2 InsO ernsthaft einzufordern. Ein solches Stillhalten der Kreditinstitute im Sicherheitenpool gibt dem Krisenunterneh- 77 men die Möglichkeit, ein Sanierungskonzept zu entwickeln. Die Kreditinstitute fordern dazu nicht mehr zwingend die Vorlage eines IDW S 6 Gutachtens, sondern lassen aus Kosten- und Zeitgründen auch Sanierungsgutachten genügen, welche vor allem bei der Sanierung mittelständischer Unternehmen den erleichterten Anforderungen der Rechtsprechung des BGH74) entsprechen. Ohne eine Sicherheitenpoolbildung sähe sich das krisenbehaftete Unternehmen bei sofortiger Fälligstellung ihres gesamten Kreditengagements und drohender Sicherheitenverwertung in der Regel dem sofortigen wirtschaftlichen Zusammenbruch mit materieller Insolvenzreife gegenüber. Im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG beschränkt sich die Gestaltbarkeit 78 von Poolbedingungen keinesfalls nur auf die in der wirtschaftlichen Krise des schuldnerischen Unternehmens geschlossenen Sanierungspoolverträge. Die Vorschrift erstreckt sich auch und vor allem auf die nur kreditbegleitenden – und damit krisenunabhängigen – Si-

___________ 70) 71) 72) 73) 74)

Schelo, WM 2021, 513, 515. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 112. OLG Oldenburg v. 10.2.1999 – 2 U 248/99, BeckRS 1999, 17286. BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666; BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

cherheitenpoolverträge, die bei größeren Kreditvolumina häufig in Konsortialverträgen und Interkreditorenvereinbarungen vereinbart werden.75) 3.

Bassin-Verträge und doppelnützige Treuhandverhältnisse

79 Abzugrenzen ist die Poolbildung vom Bassin-Vertrag. Dieser legt die Verwaltung und Verwertung (Poolführung) der Poolsicherheiten nicht in die Verantwortung eines an der Poolbildung beteiligten Kreditinstituts, sondern in die eines externen Treuhänders i. R. einer Sicherheiten- und Verwertungstreuhand. 80 Auch diese Variante der Poolbildung unterfällt gestaltbaren Rechtsverhältnissen i. S. des § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG. Der Treuhänder verpflichtet sich im Treuhandvertrag gegenüber den beteiligten Kreditinstituten, die treuhänderisch verwalteten Sicherheiten im Sicherungsfall angemessen zu verwerten und den Verwertungserlös nach einem im Treuhandvertrag festgesetzten Verteilungsmodus, der auch relative Vor- oder Nachränge zwischen den Kreditinstituten i. S. der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 StaRUG vorsehen kann, auf beteiligte Kreditinstitute zu verteilen. Auch solche Abreden hat § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG im Blick, weil ihnen Vereinbarungen der Gläubiger untereinander und mit dem Schuldner zugrunde liegen. Denn der Abschluss des Treuhandvertrages setzt die Mitwirkung der beteiligten Kreditinstitute als Gläubiger voraus. Und zudem kann nur mit der Einbeziehung des Sicherungsgebers in den Abschluss des Treuhandvertrages sichergestellt werden, dass die ursprünglichen Sicherungszweckabreden auf alle Kreditinstitute als Poolmitglieder erstreckt werden. 81 Bei der sog. doppelnützigen Treuhand liegen die Verhältnisse nicht anders. Von der Sicherheiten- und Verwertungstreuhand unterscheidet sich die Doppeltreuhand im Wesentlichen nur darin, dass die Initiative zur Poolbildung für letztere vom schuldnerischen Unternehmen ausgeht. Bei dieser Form der Poolbildung übernimmt ein neutraler Treuhänder die Sicherheiten im Einverständnis mit den beteiligten Kreditinstituten direkt vom schuldnerischen Unternehmen und verwaltet sie als Verwaltungstreuhänder für dieses und zugleich als Sicherheitentreuhänder im Sicherungsinteresse der beteiligten Kreditinstitute.76) Auch bei dieser Poolbildungsvariante haben die Beteiligten aufgrund dreiseitigen Vertragsabschlusses Vereinbarungen über eine rechtliche Koordinierung und Verwertung der am schuldnerischen Vermögen bestellten Sicherheiten getroffen, weshalb diese Poolbildungsvariante der Gestaltbarkeit zugänglich ist. 4.

Begriff und Inhalt der „Bedingung“

82 Im Unterschied zu § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG verwendet § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG nicht den Begriff der „Einzelbestimmung“, sondern der „Bedingung“ zur Kennzeichnung des Eingriffsgegenstandes. In der Sache werden jedoch beide Begriffe synonym verwendet. 83 Insbesondere umfasst der Begriff „Bedingung“ nicht nur standardisierte Vertragsklauseln, sondern wie der Begriff „Einzelbestimmungen“ auch individualvertraglich ausgehandelte Vertragsbestimmungen. Die Gesetzesbegründung verwendet die Begriffe „Bedingung“ und „Nebenbestimmung“ also gleichbedeutend. Das soll verdeutlichen, dass § 2 Abs. 2 StaRUG neben bereits nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StaRUG erlaubten Eingriffen mit unmittelbarer Auswirkung auf die Substanz einer Restrukturierungsforderung oder auf eine Absonderungsanwartschaft auch Eingriffe in solche Vertragsbestandteile zulässig sind, die mit den Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften nur in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Diese Interventionen in das Vertragsgefüge ___________ 75) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. 76) Achsnick/Opp, Die doppelnützige Treuhand, Rz. 398 ff.

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Gestaltbare Rechtsverhältnisse

müssen nur vertretbarer Zweckmäßgkeit entsprechen, um den Eintritt materieller Insolvenzreife des Unternehmens zu verhindern.77) Zulässig sind auch Vertragsänderungen mit einer „überschießenden Tendenz“, da keine Er- 84 forderlichkeit, sondern nur eine Zweckmäßigkeit für die Erreichung des Restrukturierungsziels vorliegen muss.78) § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG erlaubt damit im Grundsatz eine allumfassende Änderung von Poolvereinbarungen, soweit sich dadurch weniger einschneidende Planlösungen ergeben, als mit unmittelbaren Eingriffen in die Substanz der Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften.79) Beispielsweise ist es nun möglich, die in Sicherheitenpoolverträgen vereinbarten Verteilungsschlüssel für Verwertungserlöse einschließlich etwaiger Vor- und Nachränge beliebig zu modellieren und sie den jeweiligen Planlösungen anzupassen. Dadurch können insbesondere sog. „Fresh-Money-Konsortialkreditverträge“ besichert werden, indem Verbindlichkeiten aus Altverträgen ein Nachrangverhältnis bei der Verteilung der Verwertungserlöse zuwiesen wird.80)Als besonders sanierungsfeindlich erwiesen sich in der Vergangenheit die in Poolverträgen üblicherweise vereinbarten Kündigungsausschlussklauseln. Im Übrigen führt das StaRUG keine Vorschriften über den zulässigen Inhalt einer Vertragsänderung. Lediglich § 7 Abs. 3 StaRUG bestimmt, dass der Gestaltungsteil des Restrukturierungsplans die Art und Weise der Änderung vertraglicher Nebenbestimmungen oder Vereinbarungen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG festlegt. Damit sind der Phantasie der Planersteller letztlich nur durch die Restrukturierungsziele Grenzen gesetzt.81) VII. Gestaltbarkeit von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten 1.

Regelungsinhalt des § 2 Abs. 3 StaRUG

Nach § 2 Abs. 3 StaRUG können Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an einer juris- 85 tischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit als Schuldnerin beteiligten Personen durch den Restrukturierungsplan gestaltet, sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen getroffen sowie Anteils- und Mitgliedschaftsrechte übertragen werden. Daneben sieht § 7 Abs. 4 Satz 1 StaRUG die Möglichkeit der Umwandlung von Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der Schuldnerin mit Zustimmung des betroffenen Gläubigers vor. Dies ermöglicht insbesondere einen Debt to Equity Swap gegen eine ablehnende Haltung der Anteilsinhaber bzw. Gesellschafter (§ 26 StaRUG). Das StaRUG übernimmt damit nahezu wortgleich die insolvenzplanrechtlichen Vorbilder aus § 225a Abs. 1 bis 3 InsO.82) 2.

Zwangseingriffe im Krisenstadium drohender Zahlungsunfähigkeit

§ 2 Abs. 3 StaRUG bildet die Grundlage für Zwangseingriffe in die gesellschafts- und or- 86 ganisationsrechtlichen Grundlagen juristischer Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit bereits im Krisenstadium drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), d. h. also bereits im Vorfeld einer materiellen Insolvenzreife der Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO). Im Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit verschafft dazu die richterliche Planbestätigung dem mehrheitlich zu ___________ 77) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111 f. 78) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111 f.; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806, 807. 79) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111 f. 80) Vgl. dazu den Fall AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806. 81) Vgl. zum Insolvenzplanverfahren auch Bork, ZZP 109 (1996) 473, 477. 82) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113.

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beschließenden Restrukturierungsplan Geltung auch gegenüber Gesellschaftern, die gegen den Plan gestimmt oder an der Abstimmung nicht teilgenommen haben (§ 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Der deutsche Gesetzgeber hat damit den in Teilen der Literatur geäußerten Bedenken83) zuwider ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren favorisiert, das bereits im Krisenstadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit ebenso wie im Insolvenzplanverfahren die zwangsweise Gestaltung gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse im gleichen Umfang zulässt84). 87 Das entscheidende Motiv des Gesetzgebers zur Vorverlagerung der insolvenzplanrechtlichen Vorbilder aus § 225a Abs. 1 bis 3 InsO (siehe dazu Hölzle, HRI II, § 26 Rz. 6 ff.)85) in das Krisenstadium drohender Zahlungsunfähigkeit dürfte ein Erst-recht-Schluss gewesen sein. Wenn nämlich bereits Restrukturierungsgläubiger und Absonderungsanwartschaftsberechtigte zur Erreichung des Restrukturierungsziels schwerwiegende Eingriffe in ihre Rechtsstellung durch mehrheitlich zu beschließende und sodann vom Gericht zu bestätigende Restrukturierungspläne hinnehmen müssen, muss Gleiches erst recht für die an der potenziellen Insolvenzschuldnerin beteiligten Gesellschafter gelten. Andernfalls ließen sich die Zwangseingriffe in die Rechte der Restrukturierungsgläubiger und Absonderungsanwartschaftsberechtigten nicht legitimieren, wenn sie dazu führten, dass die Gesellschafter einen gegenleistungslosen Sanierungswert auf Kosten der Gläubiger erhielten.86) 88 Die Durchführung eines Restrukturierungsplanverfahrens bereits im Krisenstadium drohender Zahlungsunfähigkeit bietet der Geschäftsleitung überdies die Chance, dringend erforderliche Mehrheitsentscheidungen, die ansonsten an hohen gesellschaftsrechtlichen Mehrheitserfordernissen oder gar Einstimmigkeitserfordernissen für die Grundlagenentscheidung oder Umstrukturierungsmaßnahmen (z. B. Umwandlungen) scheitern würden, auch gegen den Willen einer opponierenden Gesellschaftergruppe durchzusetzen, wenn und soweit die Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung vorliegen (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 – 3 StaRUG); zu dieser Motivlage siehe auch Madaus, HRI II, § 28 Rz. 37. Das Insolvenzplanverfahren bietet insofern keinen gleichwertigen Ersatz, weil mit diesem Verfahren das Stigma einer Insolvenzantragstellung (§ 218 Abs. 1 InsO) verbunden ist. 3.

Gesellschaftsrechtlich zulässige Gestaltungsmaßnahmen

89 Zu den im Plan gestaltbaren Rechtsverhältnissen gehören nach § 2 Abs. 3 StaRUG die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der an der Schuldnerin beteiligten Personen. Diese Rechte können gestaltet, d. h. modelliert oder durch Zession an Gläubiger (unechter Debt to Equity Swap), Investoren oder sonstige Dritte übertragen werden. Zudem sind alle sonstigen gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen erlaubt. 3.1

Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmaßnahmen

90 § 7 Abs. 4 Satz 1 und 3 StaRUG zählen Maßnahmen auf, die regelmäßig auf gesellschaftsrechtlicher Seite zu den restrukturierenden Gestaltungsmaßnahmen gehören können. Mit Zustimmung der betroffenen Gläubiger kann der Plan insbesondere vorsehen: 

Die Umwandlung von Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte (echter Debt to Equity Swap),

___________ 83) Vgl. dazu nur Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2166. 84) Vgl. dazu Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. 85) Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der insolvenzplanrechtlichen Vorschriften vgl. Madaus, ZIP 2014, 500, 504 ff.; Bay/Seeburg/Böhmer, ZInsO 2011, 1927. 86) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113.

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§ 22

Gestaltbare Rechtsverhältnisse 

Kapitalherabsetzungen oder -erhöhungen,



Leistung von Sacheinlagen,



Ausschluss von Bezugsrechten oder



Zahlung von Abfindungen an ausscheidende am Schuldner beteiligte Personen.

Damit ist im Grunde das gesamte gesellschaftsrechtliche Prozedere eines echten Debt to 91 Equity Swap beschrieben (siehe Hölzle, HRI II, § 26 Rz. 62; zum Ablauf eines Debt to Equity Swap Hölzle, HRI II, § 26 Rz. 65 ff.). Die Aufzählung der in einem Restrukturierungsplan möglichen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmaßahmen in § 7 Abs. 4 StaRUG ist nicht abschließend, denn § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG lässt jede gesellschaftsrechtlich zulässige Regelung im Plan zu. Die Regierungsbegründung verweist insoweit auf die gemäß § 225a Abs. 3 InsO bestehenden Möglichkeiten in einem restrukturierenden Insolvenzplanverfahren (siehe dazu die umfangreiche Darstellung – „ABC zulässiger Gestaltungsmaßnahmen“ – bei Hölzle, HRI II, § 26 Rz. 36 ff.).87) Nicht von § 2 Abs. 3 StaRUG umfasst sind rein schuldrechtlich wirkende Gesellschafter- 92 vereinbarungen (z. B. Aktionärsvereinbarungen) oder Gesellschafterforderungen, die nicht unter das gesellschaftsrechtliche Abspaltungsverbot fallen (vgl. § 717 Satz 1 BGB), da Anteils- und Mitgliedschaftsrechte i. S. des § 2 Abs. 3 StaRUG nur diejenigen Rechtspositionen meinen, die von der Mitgliedschaft nicht getrennt werden können (siehe Hölzle, HRI II, § 26 Rz. 35). Von der Mitgliedschaft abspaltbare Gesellschafterforderungen unterfallen als Restrukturierungsforderungen § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG und ggf. als nachrangige Restrukturierungsforderungen § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. 3.2

Zulässigkeit der Gestaltungsmaßnahmen

§ 2 Abs. 3 und § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG nehmen auf § 225a Abs. 3 InsO Bezug. Sie über- 93 nehmen damit für die Reichweite der Gestaltbarkeit von Rechtsverhältnissen – quasi als Altlast – den insolvenzplanrechtlich umstrittenen Begriff der „gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit“.88) Im Kern geht es um die Frage, ob die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit einer Gestaltungsmaßnahme nur von ihrer Gesetzeskonformität oder auch von ihrer Satzungskonformität abhängt. Das AG Charlottenburg hat dazu entschieden, dass eine Insolvenzplanregelung zur Kapital- 94 herabsetzung durch Einziehung von Aktien nichtig sei, sofern die Satzung die Einziehung nicht gestatte.89) Diese Entscheidung ist zur Recht überwiegend auf Ablehnung gestoßen, weil im Anwendungsbereich des § 225a Abs. 3 InsO auch Satzungsänderungen zulässig sind und es wenig Sinn macht, eine Planregelung allein deshalb für nichtig zu erklären, weil es vorher versäumt wurde, die Satzung zu ändern (zur Zulässigkeit von Satzungsänderungen siehe Hölzle, HRI II, § 26 Rz. 56).90) Demnach findet die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit einer Planregelung grundsätzlich 95 erst dort ihre Gestaltungsgrenze, wo die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften selbst nicht satzungsdispositiv sind (siehe Hölzle, HRI II, § 26 Rz. 56).91)

___________ 87) 88) 89) 90) 91)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. AG Charlottenburg v. 9.2.2015 - HRB 153203 B, ZIP 2015, 394; zust. Horstkotte, ZInsO 2015, 416. Zur Kritik vgl. etwa Hölzle/Beyß, ZIP 2016, 1461; Klausmann, NZG 2015, 1300, 1303 ff. Klausmann, NZG 2015, 1300, 1304.

Barnert

531

§ 22

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

VIII. Gestaltbarkeit von gruppeninternen Drittsicherheiten 1.

Regelungsinhalt des § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG

96 Der numerus clausus insolvenzplanrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten schloss es bis zum Inkrafttreten des SanInsFoG am 1.1.2021 aus, Ansprüche der Insolvenzgläubiger einer zwangsweisen Gestaltung zu unterwerfen, die ihnen gegen Bürgen, Mitschuldner oder aufgrund anderweitig übernommener Haftung oder aufgrund dinglicher Sicherungsrechten gegen Dritte zustanden (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 47). Dies galt selbst für Realoder Personalsicherheiten konzernverbundener Drittsicherungsgeber (Tochter-, Mutter-, Schwestergesellschaft), da allein die Konzernverbundenheit mit dem schuldnerischen Unternehmen noch nicht zur Einbeziehung des rechtlich selbständigen Drittsicherungsgebers in das Insolvenzpanverfahren führte (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 43). Dies hat sich nun aufgrund der Neuregelungen für gruppeninterne Drittsicherheiten in § 217 Abs. 2 InsO und § 2 Abs. 4 StaRUG grundlegend geändert. Es können auch solche Rechte von Insolvenz- bzw. Restrukturierungsgläubigern durch einen mehrheitlich zu beschließenden und vom Gericht zu bestätigenden Insolvenz- oder Restrukturierungsplan zwangsweise gestaltet werden, die den Gläubigern aus einer von einem Verbundunternehmen i. S. von § 15 AktG als Bürge, Mitschuldner oder aufgrund einer anderweitig übernommenen Haftung oder an Gegenständen des Vermögens dieses Unternehmens zustehen. 2.

Gruppeninterne Drittsicherheiten als Regelungsgegenstand

97 Die Neuregelung intendiert die erleichterte Restrukturierung von Konzernen durch Vermeidung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder der Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens auf der Ebene der Sicherheiten stellenden Konzerngesellschaft.92) Triebfeder ist die Erfahrung, dass der wirtschaftliche Niedergang oder gar Zusammenbruch eines Gruppenunternehmens (typischerweise der Konzernmutter) häufig seinerseits den Weg in ein Insolvenzverfahren derjenigen Gruppenunternehmen ebnet, die sich für die Verbindlichkeiten jenes Unternehmens durch Bürgschaften oder sonstige Personal- und Realsicherheiten mit verpflichtet haben (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 47). Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten hängen von einer Zustimmung des Dritten ab. Diese ist dem Plan beizufügen (§ 15 Abs. 4 StaRUG). 2.1

Sicherheitsleistung eines Drittunternehmens

98 § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG versteht sich in seinem Anwendungsbereich auf das gesamte Spektrum möglicher Personal- und Realsicherheiten.93) Die Aufzählungen wie Bürgschaft und gesamtschuldnerische oder dingliche Mithaftung in § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG sind nicht abschließend. Dies ergibt sich daraus, dass nach Satz 1 der Vorschrift jede anderweit übernommene Mithaftung eines Drittunternehmens genügen kann. Dazu gehören somit auch die harten externen Patronatserklärungen. Diese werden zwar regelmäßig von Konzernmüttern zur Absicherung von Verbindlichkeiten ihrer Tochterunternehmen abgeben, allerdings beschränken sich Wortlaut und Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG nicht nur auf sog. Upstream-Drittsicherheiten, d. h. auf Sicherheiten, die Tochterunternehmen zugunsten ihrer Konzernmutter stellten. § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG besagt nur allgemein, dass der Sicherungsgeber ein verbundenes Unternehmen i. S. des § 15 AktG sein muss. Folglich sind Upstream- und Downloan-Drittsicherheiten gleichermaßen erfasst.94) ___________ 92) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 93) Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage 1 z. Heft 5/2021, S. 46. 94) Gehrlein, BB 2021, 66, 68.

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§ 22

Gestaltbare Rechtsverhältnisse 2.2

Gruppenangehörigkeit des Drittunternehmens

Für den Begriff „Gruppe“ bezieht sich § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG auf § 15 AktG, also auf 99 den aktienrechtlichen Begriff des verbundenen Unternehmens.95) Das sind rechtlich selbständige Unternehmen mit folgenden Merkmalen: Im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16 AktG), abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17 AktG), Konzernunternehmen (§ 18 AktG), wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19 AktG) oder Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292 AktG). Nach h. M. sind die §§ 15 – 19 AktG auf andere Gesellschaftsformen wie z. B. die GmbH übertragbar, da die Vorschriften nur definitorischen Charakter haben und selbst keine Rechtsfolgen anordnen.96) Unerheblich ist der im HGB für die Zwecke der Rechnungslegung geregelte Begriff des 100 verbundenen Unternehmens, der abweichend und unabhängig vom AktG in § 271 Abs. 2 i. V. m. § 290 HGB definiert ist. Dieser Begriff ist wesentlich enger gefasst als in § 15 AktG. Der Regierungsentwurf hatte durch Bezugnahme auf § 290 HGB noch an diesen engeren Begriff angeknüpft, der jedoch Ober- und Schwestergesellschaften nicht erfasst hätte.97) § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG knüpft den Begriff daher ausschließlich aktienrechtlich an. Wegen dieser Anknüpfung an § 15 AktG sind daher unter verbunden Unternehmen alle relevanten Konzerngesellschaften zu verstehen.98) 2.3

Eingriffskompensation durch angemessene Entschädigung

Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG sind Restrukturierungsgläubiger für Eingriffe in 101 die ihnen zustehenden Drittsicherheiten angemessen zu entschädigen. Ohne eine solche Entschädigung führten Eingriffe in Drittsicherheiten zum Verlust des Obstruktionsverbots (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und drittbesicherte Restrukturierungsgläubiger könnten mit Blick auf die plangestalterischen Eingriffe in ihre Drittsicherheiten stets geltend machen, sie stünden durch den Restrukturierungsplan schlechter als ohne ihn (§ 64 Abs. 1, § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG).99) Das bedeutet, dass den Restrukturierungsgläubigern in dem Umfang, in dem ihre Personal- oder Realsicherheiten werthaltig sind, aus dem Vermögen des Schuldners eine angemessene Entschädigung zu leisten ist.100) Die Entschädigungspflicht gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG gilt nur für Eingriffe 102 in die Drittsicherheit. Sie gilt folglich nicht, soweit sich die Drittsicherheit aufgrund ihres akzessorischen Charakters bereits kraft Gesetzes in dem Umfang reduziert, wie der Hauptschuldner im Restrukturierungsplan von seinen Verbindlichkeiten befreit wird. Dies gilt etwa für Bürgschaften gemäß § 767 Abs. 1 BGB. Da § 4 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG einen Eingriff voraussetzt, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entschädigungspflicht nicht vor bzw. es könnte eine solche nur in dem Umfang in Betracht kommen, in dem der Hauptschuldner von seinen Verbindlichkeiten teilweise befreit wird und der Plan weitergehende Eingriffe in die insoweit gemäß § 67 Abs. 3 StaRUG fortbestehende Drittsicherheit vorsieht.101) ___________ 95) Zur Problematik von im Ausland belegenen Drittsicherheiten vgl. Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage 1 z. Heft 5/2021, S. 46. 96) BGH v. 16.2.1981 – II ZR 168/79, BGHZ 80, 69, 72; Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. nach § 34 Rz. 12. 97) § 4 Abs. 4 StaRUG; vgl. dazu Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. 98) Westphal/Dittmar, NZI Beilage 1 z. Heft 5/2021, S. 46, 47. 99) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 100) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 101) Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage 1 z. Heft 5/2021, S. 46, 47.

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§ 22

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

103 Das StaRUG entbehrt klarer Vorgaben zur Art und Weise der Ermittlung dieser Entschädigung und zu Art und Umfang einer „angemessenen Entschädigung“.102) Die Gesetzesbegründung hält die Entschädigung für angemessen, wenn sie der Höhe entspricht, in der die Drittsicherheit werthaltig ist.103) Dies lässt sich als Hinweis verstehen, dass die Ermittlung der Entschädigungshöhe eine Vollwertigkeitsprüfung nach handelsbilanziellen Maßstäben (§§ 252 ff. HGB: Realisationsprinzip) erfordert und das schuldnerische Unternehmen prinzipiell vollen Wertersatz schuldet, wobei für die Feststellung der Werthaltigkeit auf die nach § 5 Abs. 5 StaRUG maßgeblichen Zeitpunkte abzustellen ist. 104 Kaum folgen lässt sich der Begründung des Regierungsentwurfs, die Werthaltigkeit der Sicherheit könne im Einzelfall beeinträchtigt sein, wenn aufgrund kapitalerhaltungsrechtlicher Bindungen des Vermögens des sicherheitsgewährenden Tochterunternehmens der volle Zugriff auf die Sicherheit ausgeschlossen ist.104) Denn Kapitalerhaltungsvorschriften (z. B. §§ 30 ff. GmbHG, § 58 Abs. 4 AktG) haben allenfalls Bedeutung für Zugriffsrechte der Gesellschafter auf das Vermögen des sicherheitsgewährenden Tochterunternehmens. Soweit der drittbesicherte Restrukturierungsgläubiger kein Gesellschafter dieses Tochterunterunternehmens ist, spielen kapitalerhaltungsrechtliche Vorschriften gegenüber dem Gläubiger keine Rolle. Die Gesetzesbegründung lässt sich folglich nur so verstehen, dass die Werthaltigkeitsprüfung auch eine Solvenz- und Leistungsfähigkeitsprüfung erfordert, die Angemessenheit der Entschädigung sich primär an einer objektiven Vollwertigkeit der Sicherheiten auszurichten hat und konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall für einen Abschreibungsbedarf vorliegen müssen. 105 Darüber hinaus kann das Gericht bei Eingriffen in gruppeninterne Drittsicherheiten einen Restrukturierungsbeauftragten für sachverständige Prüfungen insbesondere zur Angemessenheit der Entschädigung (§ 73 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG) bestellen. IX.

Gestaltbarkeit der persönlichen Gesellschafteraußenhaftung

1.

Regelungsinhalt des § 2 Abs. 4 Satz 3 StaRUG

106 § 2 Abs. 4 Satz 3 StaRUG erlaubt plangestalterische Eingriffe nicht nur in gruppeninterne Drittsicherheiten, sondern darüber hinaus auch in die Außenhaftung eines persönlich haftenden Gesellschafters einer als Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit verfassten Schuldnerin. Dies kommt freilich nur mittelbar darin zum Ausdruck, dass auch für diese Fälle einer Restrukturierungsplangestaltung eine angemessene Kompensationsentschädigung an einen solchen betroffenen Restrukturierungsgläubiger zu leisten ist. 2.

Akzessorische Gesellschafterhaftung als Regelungsgegenstand

107 § 2 Abs. 4 Satz 3 StaRUG hat grundsätzlich nur plangestalterische Relevanz, soweit nicht bereits § 67 Abs. 2 StaRUG eingreift. Demnach wirkt eine Befreiung der Schuldnerin von Verbindlichkeiten auch zugunsten seiner persönlich haftenden Gesellschafter, wenn der Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt. § 2 Abs. 4 Satz 3 StaRUG bahnt damit die Möglichkeit zu weitergehender Einschränkung der persönlichen Haftung der Gesellschafter, denn die Gestaltungswirkung des bestätigten Plans befreit diese von ihrer persönlichen Außenhaftung gemäß § 67 Abs. 2 StaRUG nur in dem Umfang, wie eine Befreiung der Schuldnerin von ihren Verbindlichkeiten im Plan vorgesehen ist.

___________ 102) Thole, ZIP 2020, 1985, 1988; Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage 1 z. Heft 5/2021, S. 46, 47. 103) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 104) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114.

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§ 22

Gestaltbare Rechtsverhältnisse

Die Vorschrift bezieht sich i. Ü. nur auf die „persönliche Haftung eines persönlich haften- 108 den Gesellschafters eines als Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit verfassten Schuldners“. Das betrifft die akzessorische Außenhaftung der GbR- und oHG-Gesellschafter (§ 128 HGB) ebenso wie die Komplementärhaftung bei der KG (§§ 161 Abs. 2, 128 HGB) oder die Haftung der Kommanditisten vor Leistung ihrer Hafteinlage (§ 171 Abs. 1 HGB) oder nach § 176 HGB (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 129). Im Insolvenzplanrecht ist umstritten, ob § 227 Abs. 2 InsO auch auf die Haftung ausgeschiedener Gesellschafter aus §§ 159, 160 HGB Anwendung findet. Allerdings ist kein überzeugender Grund ersichtlich, ausgeschiedene und aktive Gesellschafter für Befreiungsmöglichkeiten von ihrer persönlichen Außenhaftung unterschiedlich zu behandeln (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 129 m. w. N. zum Streitstand). Sowohl in der einen wie in der anderen Richtung würde ein Forderungsverzicht der Gläubiger im Insolvenz- oder Restrukturierungsplan weitgehend entwertet, müssten außer den aktiven Gesellschaftern auch ausgeschiedene Gesellschafter für die vor ihrem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten unbeschränkt weiter haften.105) Keine Anwendung findet § 2 Abs. 4 Satz 3 StaRUG auf Verbindlichkeiten, die Gesellschaf- 109 ter aufgrund eines besonderen Schuldverhältnisses übernommen haben, etwa als Bürgen. Die Vorschrift hat nämlich in ihrem Anwendungsbereich nur die akzessorische Gesellschafterhaftung im Blick (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 129). 3.

Eingriffskompensation durch angemessene Entschädigung

Die Ausführungen oben zur Angemessenheit einer Entschädigung bei Eingriffen in Dritt- 110 sicherheiten, siehe unter Rz. 101 ff., gelten entsprechend für die Beurteilung der Angemessenheit einer Entschädigung wegen plangestalterischer Eingriffe in die akzessorische Gesellschafterhaftung. Die Gesetzesbegründung hält die Entschädigung in der Höhe für angemessen, in welcher der Anspruch der Gläubiger gegen den bzw. die persönlich haftenden Gesellschafter werthaltig ist.106) Diese Befriedigungsaussicht des Gläubigers bildet damit auch hier die Untergrenze für die Angemessenheit einer Entschädigung.107) Der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans muss auch in den Fällen, in denen die ge- 111 richtliche Planbestätigung zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung der Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter führt, eine Entschädigung für die Gläubiger vorsehen, da sie andernfalls auch hier einwenden könnten, der Plan stelle sie schlechter als sie ohne ihn stünden (§ 64 Abs. 3, § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG).108) Zwecks näherer sachverständiger Prüfung der Angemessenheit einer Entschädigung kann das Gericht gemäß § 73 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG fakultativ einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen. X.

Gestaltbarkeit sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse

Die Gestaltbarkeit sachenrechtlicher Verhältnisse lässt § 68 Abs. 1 StaRUG zu. Willens- 112 erklärungen im gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplan gelten als den gesetzlichen Formanforderungen gemäß abgegeben, wenn Rechte an Sachen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden sollen. Der Standort der Vorschrift gehörte eigentlich durch den Gesetzgeber in den Regelungskontext des § 2 StaRUG gestellt.

___________ 105) Vgl. zur Rechtfertigung einer Einbeziehung der persönlich haftenden Gesellschafter in den Restrukturierungsplan Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 165. 106) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114. 107) Thole, ZIP 2021, 1985, 1988. 108) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114.

Barnert

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§ 23 Gruppenbildung Barnert

I. 1. 2. 3.

Überblick zur Systematik des StaRUG...... 1 Gliederung des Restrukturierungsplans ..... 1 Auswahl der Planbetroffenen...................... 3 Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen ................................................... 4 4. Gleichbehandlung von Planbetroffenen..... 11 II. Auswahl der Planbetroffenen als Grundlage der Gruppenbildung ....... 13 1. Gestaltbarkeit von Rechtsverhältnissen als normative Schranke eines freien Auswahlermessens ..................................... 18 1.1 Einfache Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG) .............................. 18 1.2 Nachrangige Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG) ................... 25 1.3 Absonderungsanwartschaftsberechtigte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG) .............................. 27 1.4 Anteils- und Mitgliedschaftsrechte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG) ........................................ 30 1.5 Gruppeninterne Drittsicherheiten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) ........................................ 31 2. Regelbeispiele der Sachgerechtigkeit als Schranke freien Auswahlermessens ..... 32 2.1 Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 3 StaRUG................................ 33 2.2 Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG................................ 34 2.3 Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StaRUG ..................... 42 2.4 Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StaRUG .................... 46 3. Sachgerechtigkeit als generelle Schranke freien Auswahlermessens .......................... 56 3.1 Sachgerechtigkeit als Maßstab richterlicher Auswahlkontrolle .... 57

3.2

Kritik an den Vorschriften über die Auswahl der Planbetroffenen ... 59 3.2.1 Freies Auswahlermessen bei außerinsolvenzlicher Sanierung .................60 3.2.2 Kein Auswahlermessens bei besonders bedeutsamen Rechtshandlungen .................................... 64 3.3 Inhaltliche Fixierung der Sachgerechtigkeit als Kontrollmaßstab ...................... 70 3.3.1 Normative Kriterien zur Fixierung der Sachgerechtigkeit .................................. 71 3.3.2 Außergesetzliche Kriterien zur Fixierung der Sachgerechtigkeit ................................. 77 3.3.3 Abgrenzung zur Sachgerechtigkeit fakultativer Gruppenbildung ............................ 83 3.4 Inhalt und Reichweite gerichtlicher Prüfungspflichten ............... 86 3.5 Rechtssicherheit durch Vorprüfungsverfahren? ....................... 91 3.6 Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der Anforderung des § 8 StaRUG ............................. 93 III. Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen ................................................ 94 1. Zinsen und Säumniszuschlägen als einfache Restrukturierungsforderungen........ 95 2. Fehlende Gestaltbarkeit von Strafen und sonstigen Sanktionen ........................ 96 3. Gruppenbildung nach § 9 Abs. 2 StaRUG: Fakultative Gruppen ................. 97 4. Taktisches Verhalten und unlautere Herbeiführung der Planannahme.............. 99 IV. Gleichbehandlung der Planbetroffenen .............................................. 105 1. Gleiche Rechte innerhalb einer Gruppe...................................................... 106 2. Unterschiedliche Rechte innerhalb einer Gruppe ............................................ 111 3. Unzulässige Abkommen ......................... 112

Literatur: Bork, Erstreckung der §§ 103 ff. InsO auf präventive Restrukturierung, ZRI 2020, 457; Bork, Präventive Restrukturierungsrahmen: „Komödie der Irrungen“ oder „Ende gut alles gut“, ZIP 2017, 1441; Deppenkemper, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1.1.2021!, ZIP 2020, 2432; Deppenkemper, Der präventive Restrukturierungsrahmen: Schweizer Taschenmesser oder zahnloser Tiger?, ZIP 2020, 595; Exler/Werner, Frühwarnindikatoren gemäß der EU-Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen Notwendigkeit und Aufbau eines Frühwarnsystems für KMU, KSI 2020, 53; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen

536

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§ 23

Gruppenbildung

(StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Hofmann, Der Restrukturierungsplan im künftigen deutschen Restrukturierungsverfahren – Restrukturierungs- vs. Insolvenzplan?, NZI Beilage 1 z. Heft 16 – 17/2019, S. 22; Kahlert, Neue Tätigkeitsfelder für den Steuerberater nach dem StaRUG, ZIP 2021, 668; Mohrbutter, Keine Bestätigung des Insolvenzplans bei unlauterem Forderungskauf, WuB 2005, 637; Müller, Die Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, ZIP 2020, 2253, Neuberger, Die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB in der Insolvenz des Veräußerers, ZIP 2020, 606; SchulteKaubrügger/Dimassi, Der Restrukturierungsbeauftragte nach dem StaRUG, ZIP 2021, 936; Skauradszun, Die Vergleichsrechnung nach § 220 Abs. 2 InsO n. F., ZIP 2021, 1091; Smid, Anforderungen an das außergerichtliche Planangebot und seine Annahme, DZWIR 2021, 119; Smid, Unlauteres Herbeiführen eines Insolvenzplans, DZWIR 2005, 234; Smid, Kontrolle der sachgerechten Abgrenzung von Gläubigergruppen im Insolvenzplanverfahren, InVo 1997, 169; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRuG-RefE), ZIP 2020, 1985.

I.

Überblick zur Systematik des StaRUG

1.

Gliederung des Restrukturierungsplans

Das StaRUG1) legt in den §§ 5 ff. die inhaltlichen Anforderungen an den Restrukturierungs- 1 plan derart fest, dass er zwingend aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil zu bestehen hat (§ 5 Satz 1 StaRUG).2) Er bedarf bestimmter Mindestangaben, die zwecks Entlastung des Gesetzestextes in eine Anlage zum StaRUG ausgelagert sind (§ 5 Satz 2 StaRUG). Dem Restrukturierungsplan sind außerdem die in den §§ 14 und 15 StaRUG vorgeschriebenen Anlagen beizufügen (§ 5 Satz 3 StaRUG). Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen einem darstellenden und einem gestaltenden Teil des Plans und die Pflicht zur Beifügung bestimmter Anlagen lehnen sich im Ausgangspunkt bewusst an ihre insolvenzplanrechtlichen Vorbilder in den §§ 219 ff. InsO an.3) Der darstellende Teil des Plans (§ 6 StaRUG) dient der Information der Planbetroffenen 2 und des Restrukturierungsgerichts über das Restrukturierungskonzept und die Restrukturierungsziele (§ 6 Abs. 1 StaRUG) und enthält insbesondere eine Vergleichsrechnung4), in der die Auswirkungen des Plans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen dargestellt werden (§ 6 Abs. 2 StaRUG).5) Der gestaltende Teil des Plans (§ 7 StaRUG) konzipiert auch die Modalitäten für eine Änderung der Rechtsstellung der Inhaber von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften, für die Abwandlung der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten sowie der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte. Und nicht zuletzt legt der Gestaltungsteil des Plans fest, ob der Schuldner von allen oder nur von einigen Planbetroffenen Beiträge zur Erreichung seines Restrukturierungsziels abverlangt.6) 2.

Auswahl der Planbetroffenen

§ 8 StaRUG regelt die Auswahl der Planbetroffenen. Er widmet sich zudem der dem Ge- 3 staltungsteil des Plans vorgelagerten Frage, in welche Rechte und Forderungen welches Planbetroffenen zur Erreichung der Restrukturierungsziele überhaupt eingegriffen werden soll.7) Die Vorschrift fordert sachgerechte Kriterien für die Entscheidung über deren Einbe___________ 1)

2) 3) 4) 5) 6) 7)

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Zu Inhalt und Aufbau von Restrukturierungs- und Insolvenzplänen vgl. Hofmann, NZI Beilage 1 z. Heft 16 – 17/2019, S. 22 ff. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 115. Dazu Skauradszun, ZIP 2021, 1091 ff. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. Thole, ZIP 2020, 1985, 1989.

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537

§ 23

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

ziehung oder Nichteinbeziehung. Sie bringt damit zugleich zum Ausdruck, dass zur Erreichung der Restrukturierungsziele nicht notwendigerweise alle Rechte und Forderungen der Planbetroffenen in den gestaltenden Teil einbezogen werden müssen.8) § 8 Satz 1 StaRUG verlangt die Nennung und Erläuterung der Auswahlkriterien im darstellenden Teil des Plans, damit sie in einem späteren gerichtlichen Bestätigungsverfahren vollumfänglich auf das vom Schuldner i. S. des § 9 StaRUG sachgerecht ausgeübte Auswahlermessen überprüfbar werden (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). 3.

Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen

4 § 9 Abs. 1 StaRUG orientiert sich an seinem insolvenzplanrechtlichen Vorbild in § 222 Abs. 1 InsO und sieht vor, dass für die Festlegung der Rechte der Planbetroffenen im Restrukturierungsplan Gruppen zu bilden sind, soweit Planbetroffene mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. Dabei folgt § 9 StaRUG der aus dem Insolvenzplanrecht bekannten Einteilung der Planbetroffenen in obligatorische Gruppen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4, § 9 Satz 3, § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG) und ermöglicht in § 9 Abs. 2 Satz 1 StaRUG die Bildung fakultativer Gruppen.9) 5 Für die obligatorische Gruppenbildung trennt § 9 Abs. 1 Satz 2 StaRUG gesicherte Forderungen (Absonderungsanwartschaftsberechtigte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG) von ungesicherten nicht nachrangigen Forderungen (einfache Restrukturierungsgläubiger gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG). 6 Als nachrangige Forderungen verbleiben gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG Forderungen auf unentgeltliche Leistungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO), auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) sowie Forderungen mit vereinbartem Rangrücktritt (§ 39 Abs. 2 InsO), wobei für jede Rangklasse eine Gruppe zu bilden ist.10) 7 Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG), Gläubiger aus gruppeninternen Drittsicherheiten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) und Kleingläubiger (§ 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG) formieren ebenfalls eine jeweils eigenständige Gruppe. 8 Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 StaRUG kann der Restrukturierungsplan außerdem vorsehen, dass i. R. der Gruppenbildung Untergruppen zu bilden sind, in denen Planbetroffene dieser Gruppe mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden. Sie müssen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG sachgerecht voneinander abgegrenzt werden. 9 Die Gruppeneinteilung dient nicht nur der entscheidend wichtigen Festlegung der Rechte Planbetroffener im Restrukturierungsplan, sondern vor allem auch der Konsensfähigkeit des Plans. Denn über die Planannahme im gerichtlichen (§§ 45 f. StaRUG) wie auch im außergerichtlichen (§§ 17 ff. StaRUG) Planabstimmungsverfahren wird in Gruppen abgestimmt und die Planannahme erfordert, dass in jeder (obligatorischen oder fakultativen) Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte dieser Gruppe entfallen (§ 25 Abs. 1 StaRUG); zum Insolvenzplanrecht siehe Haneke, HRI II, § 24 Rz. 1 ff. ___________ 8) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. 9) Thole, ZIP 2020, 1985, 1989. 10) Ansprüche auf Zinsen und Säumniszuschläge i. S. des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO ordnet das StaRUG den nicht nachrangigen Forderungen zu, da das Restrukturierungsplanverfahren außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens stattfindet und es damit auch an einer Insolvenzverfahrenseröffnung als maßgeblicher Zäsur i. S. des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO fehlt. Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Geldstrafen, Geldbußen, etc.) gehören a priori nicht zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen (§ 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG).

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§ 23

Gruppenbildung

Eine Pflicht zur Erläuterung der Gruppenbildung sieht das StaRUG ausdrücklich nur für 10 die Herausbildung fakultativer Gruppen vor (§ 9 Abs. 2 Satz 3 StaRUG), allerdings hat sich im Insolvenzplanrecht die Praxis entwickelt, auch die Zuordnung der Rechte und Forderungen zu den obligatorischen Gruppen im darstellenden oder gestaltenden Plan zu erläutern.11) Wie die Auswahlentscheidung des Schuldners nach § 8 StaRUG so unterliegt auch die Gruppenbildung bei einem gerichtlichen Bestätigungsverfahrens vollumfänglich nachträglicher Überprüfung durch das Restrukturierungsgericht, da es sich bei § 9 StaRUG um eine „Vorschrift über den Inhalt des Plans“ i. S. des § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG handelt (zum Insolvenzplanrecht siehe Haneke, HRI II, § 24 Rz. 18 ff. m. w. N.). 4.

Gleichbehandlung von Planbetroffenen

§ 10 StaRUG lehnt sich an sein insolvenzplanrechtliches Pendant in § 226 InsO an und 11 verankert für den Restrukturierungsplan den Grundsatz, dass innerhalb einer Gruppe allen Planbetroffenen gleiche Rechte anzubieten sind. Die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Planbetroffenen innerhalb einer Gruppe ist nach § 10 Abs. 1 StaRUG eine gesetzliche Folge der Gläubigereinteilung in Gruppen und vom Restrukturierungsgericht i. R. eines späteren Bestätigungsverfahrens vollumfänglich überprüfbar (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Von der Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Planbetroffenen innerhalb einer Gruppe 12 ist die Frage zu trennen, ob nicht einbezogene Rechte oder Forderungen, die im Fall ihrer Einbeziehung in den gestaltenden Teil des Plans einer bestimmten Gruppe zuzuordnen gewesen wären, zu Recht nicht einbezogen wurden. Dieses Problem berührt nicht die Gleichbehandlung der Planbetroffenen innerhalb einer bestehenden Gruppe, sondern die Auswahl der in den gestaltenden Teil des Plans einzubeziehenden Rechte und Forderungen. Sie beurteilt sich daher nicht nach § 10 Abs. 1 StaRUG, sondern nach der Vorschrift in § 8 Satz 1 und 2 StaRUG.12) II.

Auswahl der Planbetroffenen als Grundlage der Gruppenbildung

Der gestaltende Teil des Plans ist gemäß § 7 Abs. 2 StaRUG das rechtliche Kernstück des 13 Restrukturierungsplans. Er bestimmt, in welche Rechte und Forderungen welcher Planbetroffener durch den Restrukturierungsplan zur Erreichung des Restrukturierungsziels eingegriffen werden soll. Er bildet somit zugleich die Grundlage für die Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen gemäß § 9 StaRUG und das spätere Abstimmungsverfahren (§ 25 Abs. 1 StaRUG). § 7 Abs. 1 StaRUG trifft dazu angelehnt an die Vorschriften der InsO eine Legaldefinition 14 des Begriffs der Planbetroffenen. Das sind Inhaber von Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaftsberechtigte und die Rechtsträger aus gruppeninternen Drittsicherheiten und Anteils- und Mitgliedschaftsrechten.13) In der Praxis hat der Schuldner vor Erstellung eines Restrukturierungsplans regelmäßig eine Entscheidung zu treffen, ob er aus diesem Kreis potentiell Planbetroffener alle gleichmäßig oder selektiv in den gestaltenden Teil des Plans einbezieht und nur von bestimmten Planbetroffenen Beiträge zur Erreichung seines Restrukturierungsziels fordert. So könnte etwa der Restrukturierungsplan vorsehen, dass nur ungesicherte Lieferantenforderungen in den gestaltenden Teil des Plans einbezogen werden, während solche Lieferentenforderungen, die durch einen verlän___________ 11) Nach dem BGH spielt es keine Rolle, ob die Erläuterungen zur Gruppenbildung im darstellenden oder gestaltenden Teil eines Insolvenzplans erfolgen (BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 10, ZIP 2015, 1346). Dazu auch Haneke, HRI II, § 24 Rz. 14 m. w. N. zum Streitstand über die richtige Verortung. 12) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 13) Gehrlein, BB 2021, 66, 69.

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§ 23

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

gerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalt gesichert sind, nicht einbezogen und aufgrund außerhalb des Restrukturierungsplans getroffener Vereinbarungen abgefunden werden. 15 § 9 Abs. 1 Satz 1 StaRUG konzediert dem Schuldner für die Auswahl der Planbetroffenen einen Ermessenspielraum limitiert auf „sachgerechte Kriterien“, deren Anwendung für die Auswahlentscheidung im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern ist. Die Planbetroffenen erlangen so nicht nur die Möglichkeit zur Beurteilung der Sachgerechtigkeit und Angemessenheit des dem Plan zugrunde liegenden Restrukturierungskonzepts, sondern auch zur Kontrolle der Sachgerechtigkeit und Angemessenheit der Auswahlentscheidung und ihrer Lastentragung.14) Überdies ist das Auswahlermessen des Schuldners einer gerichtlichen Ausübungskontrolle i. R. eines späteren Bestätigungsverfahren unterworfen (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).15) 16 Der Schuldner ist somit bei der Auswahl der Planbetroffenen nicht ermessensfrei, sondern rechtlich gebunden im Kriterium der „Sachgerechtigkeit“. Das Auswahlermessen des Schuldners ist nämlich zusätzlich reduziert, weil er im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans nicht alle Rechtsverhältnisse einer zwangsweisen und mehrheitlich beschlossenen Gestaltung (§ 25 Abs. 1 StaRUG) unterziehen darf, sondern nur die in § 2 Abs. 1 bis 4 StaRUG genannten Rechte und Forderungen und auch diese nur, soweit in den §§ 3 und 4 StaRUG nichts Abweichendes geregelt ist. Der Schuldner sieht sich somit bei Ausübung seines Auswahlermessens mit zwei rechtlichen Hürden konfrontiert: Er darf nur solche Rechte und Forderungen in den gestaltenden Teil des Plans einbeziehen, die in den §§ 2 ff. StaRUG für gestaltbar erklärt sind. Und die Auswahl der Planbetroffenen darf nur nach sachgerechten Kriterien erfolgen, falls nicht in alle gemäß den §§ 2 ff. StaRUG gestaltbaren Rechte und Forderungen eingegriffen werden soll. 17 Rechtspraktisch ist es ratsam, dass der Schuldner beide Hürden mit Umsicht und Vorsicht bereits bei der Planerstellung überwindet, stets das Fehlen eines freien Auswahlermessens vor Augen. Denn das Restrukturierungsgericht hat die Bestätigung des Restrukturierungsplans von Amts wegen zu versagen, wenn Vorschriften über den Inhalt des Plans in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Die Vorschriften über die Gestaltbarkeit von Rechtsverhältnissen (§§ 2 ff. StaRUG) gehören nämlich ebenso zwingend zu Inhaltsvorschriften für einen Restrukturierungsplan wie die inhaltsbezogenen Beschränkungen des § 8 StaRUG zu sachgerechter Auswahl der Planbetroffenen,16) da sie den Plan „in einem wesentlichen Punkt“ betreffen. Zusätzlich ist Vorsicht anzuraten, weil nach Durchführung eines gerichtlichen (§§ 45 f. StaRUG) oder außergerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (§§ 17 ff. StaRUG) keine Nachbesserung mehr möglich ist. Liegen unbehebbare Mängel vor, hat das Gericht schließlich dem Plan von Amts wegen der Bestätigung zu versagen.17)

___________ 14) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 15) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 16) Nach der Gesetzesbegründung orientiert sich § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG an § 250 Nr. 1 InsO (vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 161). Dabei kommt die Versagung der Bestätigung eines Insolvenzplans insbesondere in Betracht, wenn gegen Vorschriften zum Planinhalt (§§ 217, 219 bis 230 InsO) verstoßen wird (vgl. BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 14, ZIP 2018, 1141). 17) Vgl. zum Insolvenzplan BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 57, ZIP 2018, 1141.

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§ 23

Gruppenbildung 1.

Gestaltbarkeit von Rechtsverhältnissen als normative Schranke eines freien Auswahlermessens

1.1

Einfache Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG)

Zu den Planbetroffenen, deren Rechtsstellung gegen ihren Willen im gestaltenden Teil des 18 Plans gestaltet werden können, gehören in erster Linie die einfachen Restrukturierungsgläubiger i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG, d. h. die Inhaber von ungesicherten nicht nachrangigen Restrukturierungsforderungen, nebst den darauf entfallenden Zinsen und Säumniszuschlägen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG). Das StaRUG weicht in § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 von den Vorschriften der InsO insofern ab, 19 als nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO Zinsen und Säumniszuschläge für die Zeit ab Verfahrenseröffnung nur als nachrangige Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Diese Differenzierung erübrigt das StaRUG, da die Restrukturierungsplangestaltung gerade außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens erfolgen soll. Ansprüche auf Zinsen und Säumniszuschläge unterfallen daher ohne zeitliche Zäsur den gestaltbaren ungesicherten nicht nachrangigen Restrukturierungsforderungen.18) Ansprüche auf Zinsen und Säumniszuschläge fallen daher ohne zeitliche Zäsur unter § 9 Abs. 1 Nr. 2 InsO, obwohl sie gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO für die Zeit nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nachrangig wären. Einfache Restrukturierungsforderungen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG sind in den 20 gestaltenden Teil auch dann einbeziehbar, wenn und soweit nur vertragliche Nebenbestimmungen oder Vereinbarungen nach § 2 Abs. 2 StaRUG neu strukturiert werden. Dies folgt aus § 7 Abs. 3 StaRUG, wonach der gestaltende Teil festlegt, wie diese abgeändert werden sollen. Soweit § 2 Abs. 2 StaRUG eine Modifizierung von Nebenbestimmungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 und 3 StaRUG) und individueller, unverbunden bestehender Verträge und deren Vertragsbestimmungen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG) zulässt, sind wohl eigenständige, fakultative Gruppen zu bilden (§ 9 Abs. 2 StaRUG).19) Forderungen von Arbeitnehmern aus oder in Beziehung zu dem Arbeitsverhältnis, ein- 21 schließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung sind einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan ebenso unzugänglich (§ 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG) wie Forderungen aus vorsätzlich unerlaubten Handlungen (§ 4 Satz 1 Nr. 2 StaRUG). In diesem Zusammenhang ist die Praxis zuweilen mit der exakten Abgrenzung der Ar- 22 beitnehmer von den arbeitnehmerähnlichen Personen (z. B. arbeitnehmerähnliche Handelsvertreter oder Einfirmenvertreter gemäß § 92a HGB), von bloßen Dienstnehmern (z. B. Geschäftsführer) oder freien Mitarbeitern (z. B. unselbständige Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 2 HGB) konfrontiert (siehe dazu auch Haneke, HRI II, § 24 Rz. 88). Das StaRUG erfasst nur die Arbeitnehmer und statuiert insoweit einen Vorrang kollektiver und individualarbeitsrechtlicher Regelungen.20) Will der Gesetzgeber arbeitnehmerähnliche Personen so behandeln wie Arbeitnehmer, bedarf es klarer Normen (z. B. § 92a HGB, § 12a TVG), die jedoch dem StaRUG fehlen. Bei sog. freien Mitarbeitern handelt es sich oftmals in Wirklichkeit um Arbeitnehmer, da 23 es insoweit nicht auf die im Vertrag formulierte Stellung des „Mitarbeiters“ ankommt, sondern darauf, wie das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich „gelebt“ wird (§ 611a Abs. 1 Satz 6 BGB) und ob der Mitarbeiter seine Tätigkeit nach Zeit, Ort und Inhalt im Wesentlichen frei bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). ___________ 18) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 19) Thole, ZIP 2020, 1985, 1988. 20) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 107; Thole, ZIP 2020, 1985, 1989.

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§ 23

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

24 Ist der Schuldner eine unternehmerisch tätige natürliche Person i. S. des § 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, sind Forderungen, die zu dieser Tätigkeitsart in keinem Zusammenhang stehen, nicht gestaltbar (§ 4 Satz 2 StaRUG). Und Restrukturierungsforderungen aus gegenseitigen Verträgen sind nur insoweit gestaltbar, als der Restrukturierungsgläubiger die ihm obliegende Leistung bereits erbracht hat (§ 3 Abs. 2 StaRUG). 1.2

Nachrangige Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG)

25 Der Begriff der Restrukturierungsforderung umfasst auch nachrangige Restrukturierungsforderungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG). 26 Strafen und sonstige Sanktionen im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO sind einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan allerdings nicht zugänglich (§ 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG). Als nachrangige Restrukturierungsforderungen können daher in den gestaltenden Teil des Plans nur Forderungen auf unentgeltliche Leistungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO), Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) sowie Forderungen mit vereinbartem Rangrücktritt (§ 39 Abs. 2 StaRUG) aufgenommen werden.21) 1.3

Absonderungsanwartschaftsberechtigte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG)

27 Zu den potentiell zwangsweise Planbetroffenen zählen auch Inhaber von Absonderungsanwartschaften (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG). 28 Als Berechtigte der Absonderungsanwartschaft gelten solche Gläubiger, die im Insolvenzfall Inhaber eines Absonderungsrechts nach den §§ 49 – 51 InsO wären. Da nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG nur Absonderungsanwartschaften gestaltbar sind, folgt daraus im Umkehrschluss, dass Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) nicht restrukturierbar sind.22) Anders als die Inhaber von Absonderungsanwartschaften können aussonderungsberechtigte Gläubiger damit niemals mögliche zwangsweise Planunterworfene werden. 29 Der Berechtigte der Absonderungsanwartschaft muss nicht zwingend zugleich Inhaber einer Restrukturierungsforderung sein, wenn etwa das Absonderungsgut Forderungen des Berechtigten gegen einen Dritten absichert (vgl. § 52 InsO). Ist der Berechtigte der Absonderungsanwartschaft zugleich Inhaber einer Restrukturierungsforderung gegen den Schuldner, kann das gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StaRUG zu einer Mehrfachberücksichtigung in verschiedenen Gruppen führen. Daher sind die Absonderungsanwartschaftsberechtigten mit persönlichen Forderungen nur bei Vorliegen des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG zu berücksichtigen.23) 1.4

Anteils- und Mitgliedschaftsrechte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG)

30 Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, können die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an dem Schuldner beteiligten Personen durch den Restrukturierungsplan gestaltet, sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen getroffen sowie Anteilsrechte (sog. Debt to Equity Swap) übertragen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG).

___________ 21) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 22) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 111. 23) Gehrlein, BB 2021, 66, 69.

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§ 23

Gruppenbildung 1.5

Gruppeninterne Drittsicherheiten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG)

Der Restrukturierungsplan kann Rechte der Inhaber von Restrukturierungsforderungen 31 gestalten, die ihnen aus einer von einem verbundenen Unternehmen i. S. des § 15 AktG als Bürge, Mitschuldner oder aufgrund einer anderweitig übernommenen Haftung oder an Gegenständen des Vermögens dieses Unternehmens als gruppeninterne Drittsicherheit zustehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) 2.

Regelbeispiele der Sachgerechtigkeit als Schranke freien Auswahlermessens

Innerhalb dieses Bezugsrahmens steht dem Schuldner gemäß § 9 Satz 1 StaRUG kein freies 32 Ermessen für die Einbeziehung Planbetroffener in den gestaltenden Teil des Plans zu, sondern ein Ermessen nach „sachgerechten Kriterien“. Wegen der Unschärfe dieses Begriffs konkretisiert § 9 Satz 2 Nr. 1 bis 3 StaRUG eine Reihe von Fallgruppen, in denen die Auswahl stets als sachgerecht gilt („[…] Die Auswahl ist sachgerecht, wenn […]“). 2.1

Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 3 StaRUG

Nach § 8 Satz 2 Nr. 3 StaRUG liegt stets und ohne weiteres eine sachgerechte Auswahl 33 vor, wenn mit Ausnahme der in § 4 StaRUG genannten Forderungen sämtliche Forderungen in den gestaltenden Teil des Plans einbezogen werden. Zu beachten ist, dass § 8 Satz 2 Nr. 3 StaRUG nur die Frage behandelt, ob es sachgerecht ist, dass der Schuldner alle einfachen und nachrangigen Restrukturierungsforderungen in den gestaltenden Teil des Plans einbezieht und nur die in § 4 StaRUG enumerativ aufgelisteten Forderungen exkludiert.24) Allerdings dürfte sich die Sachgerechtigkeit dieser Auswahlentscheidung schon daraus ergeben, dass die in § 4 StaRUG genannten Forderungen bereits von Gesetzes wegen nicht restrukturierungsfähig sind. Vor diesem Hintergrund hat § 8 Satz 2 Nr. 3 StaRUG wohl nur deklaratorischen Charakter. 2.2

Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG

Darüber hinaus liegt gemäß § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG stets und ohne Weiteres eine sach- 34 gerechte Auswahl des Schuldners vor, wenn die nicht einbezogenen Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden. § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG setzt voraus, dass die Inhaber der nicht einbezogenen Forderungen 35 im Fall eines hypothetischen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Restrukturierungsschuldners volle Befriedung erwarten dürfen. Um welche Forderungen es sich dabei handeln soll, lässt die Gesetzesbegründung zum StaRUG jedoch im Unklaren.25) Denkbar wäre, dass § 8 Satz 1 Nr. 1 StaRUG die Massegläubiger (§§ 53 – 55 InsO) im Blick 36 hat, deren Ansprüche im Insolvenz- (§ 53 InsO) und Insolvenzplanverfahren (§ 258 Abs. 2 InsO) vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind. Zu den Masseverbindlichkeiten gehören die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) und die sonstigen, insbesondere vom Insolvenzverwalter begründete Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO). Abgesehen von den Fällen der Masselosigkeit und Masseinsuffizienz können Massegläu- 37 biger im Regelfall erwarten, dass ihre Forderungen im Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt werden. Alle anderen einfachen Insolvenzgläubiger haben für ihre Forderungen allenfalls Aussicht auf die Insolvenzquote (§ 188 Satz 3 InsO). Allerdings passt § 8 Satz 1 Nr. 1 StaRUG auf Masseverbindlichkeiten insofern nicht, weil 38 es in Restrukturierungssachen kein Insolvenzverfahren und folglich keinen Insolvenzver___________ 24) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117 f. 25) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118.

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§ 23

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

walter gibt, der Masseverbindlichkeiten begründet haben könnte. Hinsichtlich der Verfahrenskosten (Gerichtskosten, Kosten eines Restrukturierungsbeauftragten etc.) in einer Restrukturierungssache ließe sich ebenfalls kein Vergleich ziehen, weil sie in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren keine bevorrechtigte Stellung als Masseverbindlichkeiten haben und somit voraussichtlich nur quotal erfüllt werden. 39 Es bliebe also für den Anwendungsbereich des § 8 Satz 1 Nr. 1 StaRUG nur der in der Insolvenzrechtspraxis nicht seltene Fall, dass dinglich gesicherte Gläubiger „auch in einem Insolvenzverfahren“ aus einer Verwertung des Sicherungsguts volle Befriedung für ihre gesicherte Forderung erwarten dürfen. Das gilt insbesondere für grundpfandrechtlich gesicherte Gläubiger und ihr Recht aus § 49 InsO, sich unabhängig von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus unbeweglichem Vermögen zu befriedigen. 40 Die Praxis der Kreditinstitute nimmt hierzu nicht selten den Standpunkt ein, von einer sofortigen Kreditkündigung und Fälligstellung der Grundpfandrechte vorläufig abzusehen und die Fortsetzung des Kreditengagements davon abhängig zu machen, dass der Schuldner ein auf den operativen Geschäftsbetrieb beschränktes schlüssiges Sanierungs- oder Restrukturierungskonzept (meist in der Form eines leistungswirtschaftlich orientierten IDW S 6Gutachtens) vorlegt und kontrolliert umsetzt. In einer solchen Situation kann es für eine nachhaltige Sanierungslösung sinnvoll und zweckmäßig sein, die Einbeziehung der Planbetroffenen in den gestaltenden Teil eines Restrukturierungsplans auf Gläubiger zu beschränken, die dem operativen Geschäftsbetrieb des Unternehmens verbunden sind. Die Einbeziehung eventuell beteiligter Banken in den Kreis der zwangsweise Planunterworfenen würde in diesen Fällen vielfach dem Befund nicht gerecht werden, dass wesentliche Krisenursachen weit öfter im leistungswirtschaftlichen als im finanzwirtschaftlichen Unternehmenssektor zu finden sind. 41 Die Zwangseinbeziehung beteiligter Banken brächte überdies das Risiko sofortiger Kreditkündigung und Fälligstellung der Grundpfandrechte und damit im Hinblick auf § 29 Abs. 1 StaRUG regelmäßig das „Aus“ für die Realisierung eines außerinsolvenzlichen Sanierungskonzepts. Vor diesem Hintergrund ist es je nach Lage des Falles i. S. des § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG sachgerecht, Restrukturierungsforderungen der Kreditinstitute in den gestaltenden Teil des Plans nicht einzubeziehen, wenn die nicht einbezogenen Forderungen voraussichtlich in einem Insolvenzverfahren aus einem eventuellen Verwertungserlös der Grundpfandrechte sogar vollständig erfüllt würden. 2.3

Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StaRUG

42 Nach § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG kann die Auswahl sachgerecht sein, wenn die in ihr angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint. Als Beispiel hebt § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG die Gestaltung von Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten hervor. Darin kommt eine gewisse Präferenz des StaRUG für eine rein finanzwirtschaftliche Restrukturierung zum Ausdruck, weil eine ausschließliche Einbeziehung von Finanzverbindlichkeiten grundsätzlich als sachgerecht gilt.26) 43 Abzugrenzen ist diese Fallvariante daher von der im § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG beschriebenen Konstellation einer Nichteinbeziehung von Finanzverbindlichkeiten, wenn und soweit sich die Krisenursachen primär oder ausschließlich auf den operativen bzw. leistungswirtschaftlichen Bereich des Unternehmens beschränken. Hier kann es für die Realisierung einer sinnvollen Restrukturierungslösung sachgerecht sein, von der Einbeziehung grundpfandrechtlich gesicherter Kreditgeber abzusehen und stattdessen den gestaltenden Teil ___________ 26) Thole, ZIP 2020, 1985, 1989.

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§ 23

Gruppenbildung

des Restrukturierungsplans auf den operativen Geschäftsbetrieb zu beschränken, z. B. auf Forderungen aus Lieferantenkrediten oder auf Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen, etwa aus langfristigen Mietverhältnissen. Daneben werden vielfach Personalmaßnahmen erforderlich sein, um die mit der Sanierung 44 angestrebte Fortführung des Unternehmens als operativen Geschäftsbetrieb zu realisieren. Personalmaßnahmen lassen sich zwar nicht mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zwangsweise durchsetzen, da sich das StaRUG in § 4 Satz 1 Nr. 4 und § 49 Abs. 2 für einen Vorrang des kollektiven und individuellen Arbeitsrechts entschieden hat. Jedoch müssen Personalmaßnahmen im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans gesondert hervorvorgehoben werden (§ 6 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Andernfalls dürfte es an der Bestätigungsfähigkeit des Restrukturierungsplans fehlen, weil Vorschriften über den Inhalt des Plans in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet wurden (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Liegen die Krisenursachen gemäß § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG im finanzwirtschaftlichen Unternehmensbereich, kann es aus mehreren Gründen sachgerecht sein, die Entscheidung über die Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der Planbetroffenen auf eine rein finanzwirtschaftliche Restrukturierung, d. h. auf Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten zu beschränken. Nach der Gesetzesbegründung findet die im Schwerpunkt finanzwirtschaftliche Auswahlentscheidung ihre Rechtfertigung in einer höheren Professionalität der beteiligten Kreditinstitute und in dem Befund, dass es bei rein finanzwirtschaftlich basierten Krisenursachen wünschenswert sein kann, den operativen Geschäftsbetrieb von jedweden Friktionen aus diesem Ursachenbereich freizuhalten.27) Die elementare Konklusion aus alledem ist, die im gestaltenden Teil des Restrukturierungs- 45 plans konzeptionalisierten Zwangseingriffe in Rechte und Forderungen der Planbetroffenen und die Auswahlentscheidung des Schuldners primär an der Sachgerechtigkeit im Blick auf die im darstellenden Planteil bezeichneten Krisenursachen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) und deren Beseitigung auszurichten. Liegen die Schwerpunkte im leistungswirtschaftlichen Bereich des Unternehmens, richtet sich die Entscheidung über die Einbeziehung oder Nichteinbeziehung von Planbetroffenen nach speziellen Grundsätzen und Kriterien der Leistungswirtschaft. Ist ihr Fokus mehr im finanzwirtschaftlichen Bereich zu sehen, ist dort eine entsprechende Anpassung der Sachgerechtigkeit bzw. Sachdienlichkeit der Auswahl- und Eingriffsentscheidung vorzunehmen. Haben die Krisenursachen Schwerpunkte in beiden Bereichen, können auch Mischentscheidungen als sachgerecht gelten. Die Gesetzesbegründung hebt dazu ausdrücklich hervor, dass eine finanzwirtschaftliche Restrukturierung i. S. des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG nicht ausschließt, dass die Einbeziehung von Forderungen aus Lieferantenkrediten oder anderen Rechtsverhältnissen sachgerecht sein kann, wenn deren Einbeziehung zur Erreichung des Restrukturierungsziels erforderlich erscheint.28) Daher versteht sich die Aufzählung in § 8 Satz 2 Nr. 1 – 3 StaRUG keinesfalls als abschließend.29) 2.4

Konkretisierung der Sachgerechtigkeit durch § 8 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StaRUG

Nach § 8 Satz 1 Nr. 2 StaRUG ist die Planauswahl auch sachgerecht, wenn der Schuldner 46 Forderungen von Kleingläubigern (sog. KMU), insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmen oder mittleren Unternehmen von den Planwirkungen ausnimmt. Die Vorschrift findet auf Verbraucher und die KMU nur Anwendung, wenn und soweit 47 sie zugleich die Voraussetzungen eines Kleingläubigers erfüllen. Dies folgt aus dem Wort ___________ 27) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 28) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 29) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118.

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„insbesondere“ in § 8 Satz 1 Nr. 2 StaRUG und aus den Gesetzesmaterialien, die eine Herausnahme der Kleingläubiger aus den Planwirkungen generell rechtfertigen, weil die Sanierungsbeiträge dieser Gläubigergruppe vielfach nur geringfügig seien30) und lediglich für Verbraucher und KMU ein besonderes Schutzbedürfnis bestehe. Das rechtfertige sich aus dem Befund, dass zwischen Forderungshöhe und Aufwand zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer Interessen in einer Restrukturierungsangelegenheit oftmals ein erhebliches Missverhältnis bestehe31). 48 Das StaRUG entbehrt einer Definition des Begriffs „Kleingläubiger“. Daher gibt es keinen Maßstab und keine fixe Größe für die Einstufung von Restrukturierungsforderungen als (relativ) geringfügig. Maßgeblich bleibt daher die Faktizität der Gläubigerstruktur für das schuldnerische Unternehmen im Einzelfall. Die Geringfügigkeit leiten relativ gesetzte Kriterien (Anteil der Verbindlichkeiten gegenüber dem jeweiligen Gläubiger an der Gesamtsumme aller Verbindlichkeiten) oder absolut gesetzte Kriterien (absolute Höhe der Forderungen des jeweiligen Gläubigers).32) Naturgemäß kann aus solcher Variabilität Rechtsunsicherheit erwachsen. Das dürfte jedoch hinnehmbar sein. Denn das Verlangen des Schuldners nach Sanierungsbeiträgen der Gläubiger hängt nach Grund, Anlass und Umfang a priori von Variablen des Faktischen ab, weshalb nur von Fall zu Fall und nicht für alle Unternehmensarten und Größen die Entscheidung gleich ausfallen kann.33) 49 Für den Begriff des „Verbrauchers“ dürfte allerdings die Legaldefinition in § 13 BGB maßgeblich sein.34) Verbraucher ist danach jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Restrukturierungsforderungen eines Verbrauchers wären sonach solche, die auf einem Rechtsgeschäft mit Kriterien des § 13 BGB beruhen. Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden in der Empfehlung der EU-Kommission vom 6.5.2003 definiert.35) Danach zählt ein Unternehmen zu den KMU, wenn es nicht mehr als 249 Beschäftigte hat und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € erwirtschaftet oder eine Bilanzsumme von maximal 43 Mio. € aufweist.36) 50 KMU-Schwellenwerte der EU seit 1.1.2005 Unternehmensgröße Beschäftigte

und

Umsatz €/Jahr

oder

Bilanzsumme €/Jahr

kleinst

bis 9

bis 2 Mio.

bis 2 Mio.

klein

bis 49

bis 10 Mio.

bis 10 Mio.

mittel

bis 249

bis 50 Mio.

bis 43 Mio.

(KMU) zusammen

unter 250

bis zu 50 Mio.

bis zu 43 Mio.

51 Diese Schwellenwerte gelten für Einzelunternehmen. Bei einem Unternehmen, das Teil einer größeren Unternehmensgruppe ist, müssen je nach Höhe der Beteiligung die Mit___________ 30) 31) 32) 33)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. Vgl. zu den Versuchen, fixe Größen für die Bestimmung des Kleingläubigers festzulegen, Haneke, HRI II, § 24 Rz. 92 ff. Diese erscheinen jedoch allesamt willkürlich herausgegriffen. 34) Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936, 937. 35) Empfehlung der Kommission v. 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. (EU) L 124/36 v. 20.5.2003. 36) Zur Maßgeblichkeit der Empfehlung der EU-Kommission für das StaRUG vgl. Schulte-Kaubrügger/ Dimassi, ZIP 2021, 936, 937.

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arbeiterzahl und der Umsatz bzw. die Bilanzsumme der Gruppe mitberücksichtigt werden. Abzugrenzen ist der Wortlaut des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG von den Vorschriften in § 31 Abs. 2 Satz 2 und § 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG. Nach § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG ist die Auswahl sachgerecht, wenn Forderungen der Kleingläubiger, Verbraucher etc. von den Planwirkungen „unberührt“ bleiben. Der Begriff „unberührt“ ist den §§ 31 Abs. 2 Satz 2 und 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG entlehnt, die sich ebenfalls mit der Frage befassen, ob Forderungen der Verbraucher etc. durch die Restrukturierungsplanungen „berührt“ werden. Nach § 31 Abs. 2 Satz 2 StaRUG hat der Schuldner in der Anzeige einer Restrukturierungs- 52 sache dem Restrukturierungsgericht anzugeben, ob Rechte von Verbrauchern etc. „berührt werden sollen“, insbesondere weil ein Restrukturierungsplan deren Forderungen gestalten oder eine Stabilisierungsanordnung ihre Durchsetzung sperren soll. Die Vorschrift hat in erster Linie Informationsfunktion und dient dem Restrukturierungsgericht zur Prüfung, ob gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ein Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen ist, dessen primäre Aufgabe darin bestünde, im Interesse der Verbraucher etc. den Restrukturierungsprozess und die Voraussetzungen für den Erlass einer Stabilisierungsanordnung fortlaufend zu überwachen (§ 76 StaRUG).37) Leitgedanke beider Vorschriften ist somit nicht die konzeptionelle Ausgestaltung des Plans 53 und die vorgelagerte Klärung, ob in Forderungen der Verbraucher etc. überhaupt eingegriffen werden soll, sondern der Regelungskontext der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten und dessen Überwachungsaufgaben. Beide Vorschriften eignen sich daher nicht für eine fixierende Auslegung des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG zur Frage, welche Forderungen der Verbraucher etc. aus den gestaltenden Regelungen des Restrukturierungsplans herausnimmt und als sachgerecht nur unter einer zweifachen Voraussetzung einstuft: Nämlich zum einen, dass die Forderungen im Plan nicht gestaltet werden und zum anderen, dass die Durchsetzbarkeit dieser Forderungen nicht durch eine Stabilisierungsanordnung i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG gesperrt werden soll. Vielmehr lässt sich § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG im Regelungskontext mit § 7 Abs. 1 StaRUG nur so verstehen, dass Forderungen der Verbraucher etc. schon dann „unberührt bleiben“, wenn sie in den Plan lediglich nicht miteinbezogen werden. Beachtenswert ist, dass § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG sich nur mit der „Herausnahmewahl“ von 54 Kleingläubigern, Verbrauchern und KMU aus dem gestaltenden Teil des Plans befasst und diesen Vorgang als sachgerecht bezeichnet. Das bedeutet umgekehrt nicht, die Einbeziehung dieser Gläubigergruppe in den gestaltenden Teil des Plans sei schon per se unsachgerecht. Die Gesetzesbegründung stellt dazu ausdrücklich klar, dass es insoweit bei § 8 Satz 1 StaRUG verbleibt und stets die Einzelfallumstände entscheidend sind.38) Beispielhaft nennt die Gesetzesbegründung Kleinunternehmen, die auf Sanierungsbeiträge von Kleingläubigern ebenso angewiesen sein können wie andere Unternehmen auf Beiträge von Großoder Finanzgläubigern.39) Eine abweichende Interpretation des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG widerspräche § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG, wonach die Bildung von Kleingläubigergruppen im Plan zulässig ist. Dass die Einbeziehung von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern und KMU nicht schon per se unsachgerecht ist, folgt zudem aus den bereits erwähnten Regelungen in § 31 Abs. 2 Satz 2 und § 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG, die eine solche Einbeziehung geradezu tatbestandlich voraussetzen. Obwohl § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG die Einbeziehung auch der Kleingläubiger nicht schon per 55 se verbietet, so hat die Vorschrift doch Auswirkungen auf diese Sanierungspraxis. Denn ___________ 37) Vgl. dazu Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936 ff. 38) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 39) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118 f.

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es gilt der allgemeine Kontrollmaßstab der Sachgerechtigkeit i. S. des § 8 Satz 1 StaRUG, der ganz auf Transparenz setzt und damit taktischen Winkelzügen bei der Gruppenbildung Grenzen setzt. Vor allem für die beabsichtigte Ausschaltung opponierender Gläubiger aufgrund des Obstruktionsverbots (§ 245 InsO) schlägt die insolvenzplanrechtliche Literatur vor, Sondergruppen (z. B. auch Kleingläubigergruppen) zu bilden, weil das Obstruktionsverbot gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden Gruppen voraussetzt (siehe Haneke, HRI II, § 24 Rz. 78 ff. m. w. N.). Diese lässt sich so vorprogrammieren, dass eine möglichst hohe Gruppenzahl mit prospektiv überwiegender Gläubigerzustimmung gebildet wird. Im Anwendungsbereich des StaRUG dürften sich manipulative Taktiken bei der Bildung von Kleingläubigergruppen (§ 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG) nicht mehr unbemerkt einfädeln lassen, da die Einbeziehung auch der Kleingläubiger, Verbraucher etc. in Anbetracht der Regelung in § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG nicht nur eine begründungsbedürftige Ausnahme ist, sondern auch die Sachgerechtigkeit ihrer Einbeziehung im darstellenden Teil des Plans zu begründen und zu erläutern ist. 3.

Sachgerechtigkeit als generelle Schranke freien Auswahlermessens

56 Die Möglichkeit einer Auswahl der Planbetroffenen im gestaltenden Teil eines Restrukturierungsplans unterscheidet das Restrukturierungsplanverfahren fundamental vom Insolvenzverfahren. Die Gesetzesbegründung behandelt die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens als teilkollektive Verfahrenshilfen, weil im Gegensatz zum Insolvenzverfahren (§ 1 Satz 1 InsO) nicht alle Gläubiger gleichmäßig vom Restrukturierungsplan betroffen werden.40) Stets bleiben die in § 4 StaRUG genannten Forderungen von den Planwirkungen und gemäß § 49 Abs. 2 StaRUG von einer Stabilisierungsanordnung ausgenommen. Zudem steht es dem Schuldner prinzipiell frei, an welche Inhaber von Rechten und Forderungen er sein Plangebot als Planbetroffene richten will und wie deren Rechtsstellung mit dem Gestaltungsteil des Plans restrukturiert werden soll (§ 7 Abs. 1, § 8 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 StaRUG). Der Schuldner hat also grundsätzlich ein Auswahlermessen für die Bestimmung derjenigen Planbetroffenen, denen er durch mehrheitlich zu beschließende und vom Restrukturierungsgericht zu bestätigende Zwangseingriffe in ihre Rechte und Forderungen Beiträge zur Erreichung des Restrukturierungsziels abverlangt.41) 3.1

Sachgerechtigkeit als Maßstab richterlicher Auswahlkontrolle

57 Wie oben erwähnt, gewährt das StaRUG dem Schuldner kein freies und ungebundenes Auswahlermessen, sondern unterzieht die Ermessensausübung bei der Auswahl der Planbetroffenen einer Missbrauchskontrolle am Richtmaß der Sachgerechtigkeit, die im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern ist (§ 8 Satz 1 StaRUG). Derart beugt das Gesetz der Gefahr missbräuchlicher Ausübung des Auswahlermessens vor. Missbräuchliche Instrumentalisierung einer freien und rechtlich ungebundenen Ermessensausübung läge nicht fern, wenn der Schuldner den Planbetroffenen Sanierungsbeiträge abverlangte, die angesichts der Verschonung im Wesentlichen gleich situierter anderer Gläubiger und Beteiligter als unangemessen und ungerechtfertigt erscheinen.42) 58 § 8 Satz 1 StaRUG wurzelt damit letztlich im verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), nämlich Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Oberste Richtschnur einer sachgerechten Auswahlentscheidung des Schuldners ist deshalb die Herstellung voller Transparenz hinsichtlich der Auswahlkriterien, die zur ___________ 40) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. 41) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. 42) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117 f.

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Abgrenzung der einbezogenen und der nicht einbezogenen Gläubiger und Rechteinhaber herangezogen werden.43) Im eigenen Interesse sollte der Schuldner daher die Kriterien für eine Ungleichbehandlung im darstellenden Teil seines Plans nachvollziehbar darlegen und begründen. Denn rational agierende Planbetroffene werden einem Restrukturierungskonzept nicht zustimmen, das andere Gläubiger und Rechteinhaber i. R. der gemeinschaftlichen Lastentragung zur Erreichung des Restrukturierungsziels ohne sachlich gerechtfertigten Grund bevorzugt. 3.2

Kritik an den Vorschriften über die Auswahl der Planbetroffenen

Die Literatur steht einem rechtlich gebundenen Auswahlermessen des Schuldners mit un- 59 terschiedlicher Zielrichtung kritisch gegenüber. 3.2.1 Freies Auswahlermessen bei außerinsolvenzlicher Sanierung Der extremste Standpunkt hält ein Restrukturierungsplanverfahren mit rechtlich gebunde- 60 nem Auswahlermessen des Schuldners überhaupt für entbehrlich, weil außergerichtliche Sanierungen auch vor Inkrafttreten des StaRUG cum grano salis funktioniert hätten und das StaRUG zu einer Verkomplizierung im Vergleich zur relativen Formlosigkeit bisheriger Konzeptionalisierung der Sanierung von Schuldnerunternehmen führe.44) Im Ergebnis gleich wenden sich Stimmen gegen das StaRUG, weil Instrumente kollektiv- 61 privatautonomer Behebung einer Schuldnerkrise systemwidrig dem Zwang einer staatsgerichtlichen Angemessenheitskontrolle der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung von Gläubigern je als Planbetroffene unterworfen seien. Zudem stünden dem Gericht für die Beurteilung der Tatbestandseite gesetzlicher Normen lediglich unbestimmte Rechtsbegriffe als Wertungskriterien richterlicher Nachprüfbarkeit komplexen privatautonomen Auswahlermessens zur Verfügung. Das sachgerechte und angemessene Auswahlermessen des Schuldners müsse ohne staatsgerichtliche Kontrolle ganz in der Kompetenz der Planbetroffenenversammlung bleiben.45) Es ist nicht ganz zu leugnen, dass der unbestimmte Begriff „Sachgerechtigkeit“ sein Poten- 62 tial an Wertungsunsicherheit in die justizielle Angemessenheitskontrolle einer privatautonomen Auswahlentscheidung im Einzelfall bringen kann. Das StaRUG stellt jedoch bewusst ohne abschließende Regelung nur einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für die kollektiv-privatautonome Schließung von Lücken zur Verfügung, die sich im Krisenstadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit auftun zwischen den streng verfahrensgebundenen Sanierungsoptionen des Insolvenzrechts (übertragende Sanierungen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO; dem Insolvenzplanverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO) und der freien Sanierung. Das Gesetz versteht sich als bloßes Hilfsangebot an sanierungswillige Unternehmensträger, die ein von der Mehrheit der Gläubiger unterstütztes Restrukturierungskonzept gegen den Widerstand einer opponierenden Gläubigerminderheit mit Hilfe eines gerichtlichen Bestätigungsverfahrens (§§ 60 ff. StaRUG) um- und durchsetzen wollen.46) Deshalb liegt im System des StaRUG gerade keine Rechtspflicht der Krisenunternehmen, 63 das Heil der Unternehmenssanierung ausschließlich in einem StaRUG-Restrukturierungsplan oder StaRUG-Restrukturierungsverfahren zu suchen, auch wenn keine anderen Sanierungsoptionen ohne rechtlich gebundenes Auswahlermessen des Schuldners zur Verfügung ___________ 43) 44) 45) 46)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. Smid, DZWIR 2021, 119. Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2437. Vgl. nur Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 87, 90.

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stehen.47) Im Übrigen ist der Wert eines gerichtlichen Kontrollmechanismus für die Schutzbedürftigkeit der opponierenden Gläubigerminderheit nicht zu verkennen, wenn mit einem StaRUG-Verfahren zwangsweise deren Rechte und Forderungen geschmälert und von ihnen Sanierungsbeiträge abverlangt werden sollen, vor denen die nicht in die Planwirkungen einbezogenen Gläubiger verschont bleiben. 3.2.2 Kein Auswahlermessens bei besonders bedeutsamen Rechtshandlungen 64 Andererseits ist nach vereinzelter Ansicht das Kriterium „Sachgerechtigkeit“ als Kontrollmaßstab für die Auswahlentscheidung des Schuldners zu intransparent und wirkungseng. Es sei inakzeptabel, eine Gläubigerschar der Auserwählten über besonders bedeutsame Rechtshandlungen i. S. des § 160 InsO – insbesondere die „übertragende Sanierung“ des schuldnerischen Unternehmens auf einen neuen Rechtsträger – entscheiden zu lassen, während andere Gläubiger außen vor bleiben müssen.48) Zwar verpflichte § 90 Abs. 2 StaRUG den Schuldner bei Übertragung seines gesamten Vermögens oder wesentlicher Teile davon zur Sicherstellung der nicht in den Restrukturierungsplan einbezogenen Gläubiger durch vorrangige Befriedigung aus der Gegenleistung für die Vermögensübertragung. Das kompensiere jedoch nur unzureichend die vom Schuldner erzwungene Gläubigerabsenz an der Verfahrensteilnahme, weil der Plan in diesen Fällen statt auf Sanierung, auf Liquidation angelegt sei, also auf eine Maßnahme, über die gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO die Gesamtheit der Gläubiger zu entscheiden habe. 65 Diese Ansicht ignoriert, dass kein Schuldner bei auch nur drohender Zahlungsunfähigkeit eine Rechtspflicht zur Sanierung im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen des StaRUG hat. Eine Geschäftsleitung muss in diesem Fall auch keinen Insolvenzantrag stellen, denn die drohende Zahlungsunfähigkeit verpflichtet den Schuldner nicht, sondern berechtigt ihn nur zur Insolvenzantragstellung (§ 18 Abs. 1, § 15a InsO). Der BGH hat in seinem Urteil vom 28.4.200849) zur materiellen Unterkapitalisierung beschränkt haftender Unternehmensträger richtiggestellt, dass nicht einmal für Gesellschafter eine Verpflichtung zur Sanierung ihres Unternehmens im Interesse der Gläubiger der Gesellschaft besteht. Eine solche Verpflichtung wäre etwa für die GmbH systemwidrig, weil das GmbHG nicht die Lebensfähigkeit einer jeden GmbH sicherstellen, sondern nur einen gewissen Mindestschutz der Gläubiger gewährleisten will. Einerseits ermöglicht es dem Gesellschafter gegen den als akzeptabel angesehenen finanziellen Einsatz eines Mindeststammkapitals die Befreiung von persönlicher Haftung; im Gegenzug trägt es den Interessen der Gläubiger an der Befriedigung ihrer Forderungen gegen die GmbH dadurch Rechnung, dass es die Aufbringung und den Erhalt des Stammkapitals vor Eingriffen des Gesellschafters weitgehend sicherstellt. So gewährleisten die Regelungen der §§ 19, 30, 31, 64 GmbHG – im Wege der Rechtsfortbildung erweitert um die Innenhaftung des Gesellschafters gemäß § 826 BGB bei existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen50) –, dass das der GmbH von ihren Gesellschaftern zugedachte Stammkapital dieser effektiv zur Verfügung gestellt und nicht nachträglich durch rechtsmissbräuchliche Handlungen der Gesellschafter wieder entzogen wird. 66 Überdies sind die GmbH-Gesellschafter schon grundsätzlich nicht verpflichtet, der GmbH etwa ein – ggf. „mitwachsendes“ – Finanzpolster disponibel zu machen oder die Gesellschaft zu sanieren, falls sich herausstellt, dass sie gemessen am Geschäftsumfang oder an sonstigen ___________ 47) 48) 49) 50)

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Thole, ZIP 2020, 1985, 1987; Kahlert, ZIP 2021, 668, 669. Müller, ZIP 2020, 2253, 2256; Hofmann, NZI Beilage 1 z. Heft 16 – 17/2019, S. 22, 24. BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 = ZIP 2007, 227. Vgl. dazu BGH v. 20.9.2004 – II ZR 302/02, ZIP 2004, 2138.

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Gründen – sei es von vornherein oder im nachhinein – hinsichtlich ihres finanziellen Bedarfs minder ausgestattet ist. Die Gesellschafter sind in ihrer „Finanzierungsentscheidung“ grundsätzlich frei, die Gesellschaft bei (pflichtgemäßer) Erkenntnis einer finanziellen Krisensituation in dem dafür vorgesehenen gesetzlichen Verfahren aufzulösen und zu liquidieren (§§ 70 ff. GmbHG). Zudem lässt sich die Liquidation auch in der Weise durchführen, dass das Unternehmen der Gesellschaft ggf. mit Firma ganz oder teilweise veräußert wird, ohne dass es der Einwilligung oder Zustimmung der Gesellschaftsgläubiger bedürfte.51) Das ist zur Vermeidung von Zerschlagungswerten häufig sogar geboten, so dass die Liquidatoren im Fall entsprechender Möglichkeiten nach § 71 Abs. 4, § 43 Abs. 1 GmbHG zur Veräußerung verpflichtet sind.52) Die Veräußerung des Unternehmens muss nur in einem geordneten Liquidationsverfahren gemäß §§ 70 ff. GmbHG erfolgen, d. h. die Liquidatoren haben gemäß § 70 Satz 1 i. V. m. § 73 Abs. 3 GmbHG die Verwendung des Veräußerungserlöses zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger sicherzustellen.53) Aus alledem folgt, dass Gläubiger außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens grund- 67 sätzlich keine Erwartung hegen dürfen, ihnen stünden irgendwelche Mitspracherechte bei der Liquidierung der Schuldnergesellschaft zu, auch wenn diese durch Unternehmensveräußerung erfolgt. Sie dürfen zudem in ein Restrukturierungsplanverfahren nicht mehr Erwartung setzen als ihnen § 90 Abs. 2 StaRUG zubilligt, nämlich eine geordnete Liquidation und vorrangige Befriedigung ihrer Forderungen aus einem angemessenen Verkaufserlös des Unternehmens. Deshalb kann es nicht schon per se als unsachgerecht oder gar systemfremd bezeichnet werden, dass im StaRUG-Verfahren nur der Schuldner eine Auswahl planbetroffener Gläubiger trifft, die exklusiv über die Veräußerung des Schuldnerunternehmens entscheiden. Da eine Schuldnergesellschaft keine Verpflichtung zur Sanierung oder Liquidierung des 68 Unternehmens mit einem StaRUG-Restrukturierungsplan hat, lässt sich eine Auswahlentscheidung ohne Mitspracherechte einzelner nicht gekorener Gläubiger geradezu als systemkonform bezeichnen. Denn nicht einbezogene Gläubiger hätten auch außerhalb des Restrukturierungsrahmens i. R. eines regulären Liquidationsverfahrens (etwa nach den §§ 70 ff. GmbHG) keinerlei Mitsprache- oder gar Mitentscheidungsrechte, weil der Schuldner den Verkaufsprozess ohne jede Gläubigerbeteiligung durchführen könnte.54) Die schutzwürdigen Interessen nicht einbezogener Gläubiger an einer Befriedigung ihrer Forderungen finden ausreichenden Schutz in § 90 Abs. 2 StaRUG. Hinzutritt, dass in außerinsolvenzlichen Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren die 69 § 613a BGB, § 25 HGB und § 75 AO zum Schutz der Gläubiger anwendbar sind.55) Diese Vorschriften werden nur für einen Asset Deal nach Insolvenzverfahrenseröffnung teleologisch reduziert bzw. ausgeschlossen (vgl. § 75 Abs. 2 AO).56) 3.3

Inhaltliche Fixierung der Sachgerechtigkeit als Kontrollmaßstab

§ 8 Satz 1 StaRUG legt als Richtmaß die Auswahl der Planbetroffenen mit dem nicht näher 70 definierten oder begrenzten Kriterium der „Sachgerechtigkeit“ fest. Soweit § 8 Satz 2 Nr. 1 bis 3 StaRUG den Begriff der Sachgerechtigkeit durch Regelbeispiele konkretisiert, lässt ___________ 51) 52) 53) 54) 55) 56)

Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 70 Rz. 8a. Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 70 Rz. 8a. BGH v. 9.2.2009 – II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 = ZIP 2009, 802. Vgl. auch Bork, ZIP 2017, 1441, 1448. Deppenkemper, ZIP 2020, 595, 600. Zu § 25 HGB vgl. BGH v. 3.12.2019 – II ZR 457/18, ZIP 2020, 263, dazu EWiR 2020, 101 (Kraack); Neuberger, ZIP 2020, 606; zu § 613a BGB vgl. BAG v. 9.12.2009 – 7 ABR 90/07, Rz. 16, ZIP 2010, 588, dazu EWiR 2010 (Tintelnot/Graj).

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sich diesen ein kohärentes Sinnsystem immerhin insoweit entnehmen, als offenbar die Nichteinbeziehung der Gläubiger, von denen keine nennenswerten Sanierungsbeiträge zur Krisenüberwindung erwartet werden können, nur im Regelfall als sachgerecht gilt. Deshalb bleiben die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. 3.3.1 Normative Kriterien zur Fixierung der Sachgerechtigkeit 71 Die Auswahl gilt stets als sachgerecht, wenn nicht einbezogene Gläubiger auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich volle Befriedigung erwarten dürfen (§ 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG). Dem liegt die Wertung zugrunde, dass von diesen Gläubigern keine Sanierungsbeiträge zu erwarten sind, weil sie auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nichts zu verlieren haben. Allerdings lässt die Gesetzesbegründung im Dunkeln, warum die Auswahlentscheidung des Schuldners stets sachgerecht sein soll, solche Gläubiger von den Plangestaltungen ganz auszunehmen und von diesen nicht einmal einen Schuldenschnitt oder eine Stundung i. S. des § 7 Abs. 2 StaRUG abzuverlangen. 72 Nach § 8 Satz 1 Nr. 3 StaRUG ist die Auswahl stets sachgerecht, wenn mit Ausnahme der in § 4 StaRUG genannten und bereits von Gesetzes wegen nicht einbeziehungsfähigen Gläubiger sämtliche Forderungen in den gestaltenden Teil des Plans einbezogen werden. Diese Sachgerechtigkeit der Nichteinbeziehung der in § 4 StaRUG genannten Forderungen und Rechte stützt sich auf die gesetzliche Wertung, dass von Gläubigern keine Sanierungsbeiträge zur Krisenüberwindung erwartet werden können, deren Forderungen bereits kraft Gesetzes nicht restrukturierbar sind. Allerdings bleibt unklar, warum die Nichteinbeziehung der bereits von Gesetzes wegen nicht einbeziehungsfähigen Gläubiger nur unter der einschränkenden Voraussetzung sachgerecht sein soll, wenn alle anderen Gläubiger in den Plan einbezogen werden. Sachgerechtigkeit dürfte vielmehr schon deshalb anzunehmen sein, weil die in § 4 StaRUG genannten Forderungen einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan nicht zugänglich sind. Daneben bedarf es nicht auch zusätzlich der Einbeziehung aller anderen Gläubiger in den Plan. 73 Auf derselben Linie liegt § 8 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 StaRUG, wonach die Nichteinbeziehung von Kleingläubigern, insbesondere von Verbrauchern und KMU in den gestaltenden Teil des Plans grundsätzlich sachgerecht ist. Der Gesetzgeber hat die Vorstellung, dass von solchen Gläubigern erwartbare Sanierungsbeträge oftmals hinter den von Groß- oder Finanzgläubigern zur Krisenüberwindung geleisteten Beiträgen zurückbleiben. Und bei Verbrauchern und KMU tritt hinzu, dass deren wirtschaftliche und intellektuelle Unterlegenheit auf dem Gebiet des Restrukturierungs- und Finanzierungsrechts schon per se die Herausnahme aus dem gestaltenden Planteil rechtfertigt. Nach den Materialien zum StaRUG kommt es jedoch auch in dieser Konstellation stets auf den Einzelfall an, weil z. B. auch die Einbeziehung von Kleingläubigern sachgerecht sein kann, wenn es sich beim schuldnerischen Unternehmen selbst um ein Kleinunternehmen handelt.57) 74 Aus diesem Ordnungsgerüst fällt § 8 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 StaRUG etwas heraus. Im Regelfall ist nach dieser Vorschrift eine ausschließlich für eine Gestaltung von Finanzverbindlichkeiten nebst der für sie bestellten Sicherheiten konzipierte Restrukturierung sachgerecht. Regelungsmotiv ist die Freihaltung des operativen Geschäftsbereichs von jedweden Friktionen aus rein finanzwirtschaftlich motivierten Sanierungen. Das rechtfertigt konsequenterweise die Forderung von Sanierungsbeiträgen nur von den Finanzgläubigern. Allerdings soll dies nach der Gesetzesbegründung58) nur für den Regelfall gelten, weil eine finanzwirtschaftliche Sanierung „naturgemäß“ nicht ausschließe, dass im Einzelfall die Einbezie___________ 57) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 151. 58) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 151.

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hung von Forderungen aus Lieferantenkrediten oder anderen Rechtsverhältnissen auch sachgerecht sein kann, wenn deren Einbeziehung angesichts der Forderungshöhe und des avisierten Restrukturierungsziels es gebieten. Fazit ist, dass die Regelbeispiele in § 8 Satz 2 Nr. 1 bis 3 StaRUG dem Rechtsanwender kein 75 ganz kohärentes System, sondern ggf. abstrakte Elemente der Begründbarkeit des Vorliegens der Sachgerechtigkeit i. S. des § 8 Satz 1 StaRUG an die Hand geben. Diese Elemente können die Auswahl der Planbetroffenen i. S. eines beweglichen Systems je nach gegebenem Einzelfall als sachgerecht oder unsachgemäß erscheinen lassen. Nach der Gesetzesbegründung sind das nachfolgende abstrakte Auswahlkriterien oder bewegliche Begründungselemente variabler Einzelfallbetrachtungen 

Beteiligung von Finanzgläubigern;



Beteiligung von Warenkreditgebern;



Beteiligung von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern oder KMU;



Beteiligung sämtlicher Gläubiger mit Ausnahme der in § 4 StaRUG Genannten;



Größenordnung der zu restrukturierenden Forderung;



Größenordnung des schuldnerischen Unternehmens;



Restrukturierungsziele des Schuldners.

Anhand dieser Auswahlkriterien bzw. beweglichen Begründungselemente hat der Schuldner 76 im darstellenden Teil seines Restrukturierungsplans detailliert zu erläutern (vgl. § 8 Satz 1 StaRUG), dass und warum er nur von einigen Planbetroffenen Sanierungsbeiträge verlangt und einige einbeziehungsfähige Gläubiger in den gestaltenden Teil des Plans nicht einbezogen hat. 3.3.2 Außergesetzliche Kriterien zur Fixierung der Sachgerechtigkeit Die vorstehenden Auswahlkriterien lassen sich lediglich als gesetzliche Anhaltspunkte 77 für eine sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen verstehen. Die Praxis der Sanierungsplangestaltung hat sich daher längst über diese Orientierungspunkte hinausentwickelt, weil sie für den Aufbau und Inhalt des darstellenden Teils Anforderungen in der Qualität eines IDW S 6-Gutachtens stellt (Grobeinteilung, Stakeholderkrise, Strategiekrise-, Produkt- und Absatzkrise, Ergebniskrise, Insolvenzreife).59) Adressat des § 8 Satz 1 StaRUG ist nämlich nicht nur der Schuldner als Plankonstrukteur, sondern auch das Restrukturierungsgericht im Planbestätigungsverfahren bei der Prüfung, ob die Auswahl der Planbetroffenen den gesetzlichen Anforderungen des § 8 StaRUG entspricht. Das folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG, aber mittelbar aus § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG, der Verstöße gegen § 8 StaRUG als bestätigungsschädlich kennzeichnet. Ausweislich der Gesetzesbegründung60) sind die Regelbeispiele in § 8 Satz 2 Nr. 1 bis 3 StaRUG und die dort genannten Auswahlkriterien für die konkrete Ausfüllung des Begriffs „Sachgerechtigkeit“ i. S. des § 8 Satz 1 StaRUG als nicht abschließend zu verstehen. Das ist angesichts der Mannigfaltigkeit denkbarer Restrukturierungsfälle und Planlösungsvarianten eine Selbstverständlichkeit. Das StaRUG stellt daher in § 8 Satz 2 Nr. 2 eine Art Generalnorm zur Verfügung, anhand 78 derer sich weitere differenzierte Kriterien einer sachgerechten Auswahl der Planbetroffenen verorten lassen. Die Auswahl der Planbetroffenen ist nämlich sachgerecht, „wenn die in ___________ 59) Hofmann, NZI Beilage 1 z. Heft 16 – 17/2019, S. 22, 23; vgl. zum Insolvenzplan auch Geiwitz/ v. Danckelmann, HRI II, § 21 Rz. 12, 51, die einen Gliederungsvorschlag nach IDW S 2 empfehlen. 60) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110.

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der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und nach den Umständen angemessen erscheint“. Allerdings hilft diese Vorschrift angesichts ihrer konturlosen Dehnbarkeit nicht stets weiter. Genau besehen wird eigentlich nur „Sachgerechtigkeit“ mit dem Begriff „Angemessenheit“ pleonastisch vertauscht und zum Ausdruck gebracht, dass der Schuldner eine angemessene, d. h. also nicht unsachgemäße Auswahl zu treffen hat. 79 Vergleichsweise konkreter verhielt sich demgegenüber die Gesetzesbegründung zu den beabsichtigen §§ 51 – 54 StaRUG-RegE, die in Anlehnung an die §§ 103 ff. InsO die Möglichkeit vorsahen, beidseits noch nicht erfüllte gegenseitige Verträge durch das Restrukturierungsgericht beenden zu lassen. Diese geplanten Bestimmungen sind wegen der Kritik, dem Schuldner werde es zu leicht gemacht, sich bei Widerspruch seines Vertragspartners von missliebigen oder lästigen Verträgen zu lösen, nicht Gesetz geworden.61) Nach § 51 Abs. 1 und 2 StaRUG-RegE sollte eine gerichtliche Vertragsbeendigung u. a. unmöglich sein, wenn sie unter Berücksichtigung der Sanierungskonzeption des Restrukturierungplans, „offensichtlich nicht sachgerecht ist“. Die Begründung zum Referentenentwurf62) meint dazu, dass das Restrukturierungsgericht den Vertrag nur beenden könne, wenn die vertragsinhärenten Belastungen, beseitigt werden müssten, „um das Restrukturierungsziel erreichen zu können“.63) Sachgerecht sei die Vertragsbeendigung, wenn sie zur Erreichung des Restrukturierungsziels erforderlich, d. h. notwendiges Element des Restrukturierungskonzepts sei. Nicht sachgerecht sei eine Vertragsbeendigung, die nur gelegentlich der Restrukturierung nachgesucht wird, ohne für die Realisierung des Restrukturierungsziels erforderlich zu sein oder sich nur als Vorwand entpuppt, lästig gewordene Verträge abzuschütteln. 80 Das Richtmaß für das Auswahlermessen des Schuldners bei der Bestimmung der Planbetroffenen sind sohin: Restrukturierungsziel und Erfordernisse der Zielrealisierung.64) Das Restrukturierungsziel definiert § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG als ein Konzept für die Restrukturierung. Die Konzeptionierung des Ziels beschreibt Art, Ausmaß und Ursachen der Krise, sowie die Realisierbarkeit der Restrukturierungsmaßnahmen zur Erreichung des Restrukturierungsziels.65) Die zentrale Bedeutung beider Elemente für ein schlüssiges Restrukturierungskonzept schlägt sich nieder in der Verpflichtung zur gesonderten Unterrichtung der Planbetroffenen und des Restrukturierungsgerichts über die Krisenursachen und ihre Bewältigung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). 81 Vor diesem Hintergrund wird sich das Auswahlermessen des Schuldners wesentlich auf die Darlegung konzentrieren müssen, welche Eingriffe und Änderungen an Rechten und Forderungen bestimmter Gläubiger sich zur Erreichung des Restrukturierungsziels, d. h. zur Überwindung der im darstellenden Teil des Plans beschriebenen Krisenursachen eignen (§ 7 Abs. 1 StaRUG). Ist nicht beabsichtigt, alle gestaltbaren Rechte und Forderungen in den Plan einzubeziehen, ist die Auswahl dennoch sachgerecht, wenn und soweit sachliche Gründe mangelnder Eignung oder Erforderlichkeit ihrer Einbeziehung in die Plangestaltung zur Krisenüberwindung entgegenstehen. Diese Gründe sind im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans gemäß § 8 Satz 1 StaRUG so anzugeben und zu erläutern, dass fest___________ 61) Vgl. nur Bork, ZRI 2020, 457 ff.; Thole, ZIP 2020, 1985, 1995. 62) Begr. RefE StaRUG, S. 166, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/ Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 16.1.2023). 63) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 151. 64) So auch Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. 65) In diesem Zusammenhang werden im IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Stand: 16.5.2018, IDW Life 8/2018, S. 813 ff., nachfolgende Unternehmenskrisen differenziert: Stakeholderkrise, Strategiekrise, Produkt- und Absatzkrise, Erfolgskrise, Liquiditätskrise, Insolvenzreife. Exler/Werner, KSI 2020, 53 ff.

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stellbar wird, ob es als angemessen bzw. als nicht sachdienlich zu rechtfertigen ist, einen Teil an sich gleich geeigneter Gläubiger und Inhaber von Rechten von der Plangestaltung ausnahmsweise abzukoppeln. Grundlage für eine sachgerechte Auswahldifferenzierung sind damit Art, Ausmaß und Ur- 82 sachen der Unternehmenskrise, so wie sie im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans gemäß § 7 Abs. 1 StaRUG genannt und beschrieben worden sind, sowie die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der Gläubiger in die zur Krisenüberwindung avisierten Restrukturierungsmaßnahmen und deren Umsetzung. Nichts anderes als die Sachdienlichkeit der Auswahl zur Krisenüberwindung dürfte in § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG gemeint sein, wenn dort das Richtmaß der sachgerechten Auswahl sich primär daran orientiert, ob die in der Auswahl angelegte Differenzierung „nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint“. In diesem Rahmen können zwar auch die obigen Auswahlkriterien bzw. beweglichen Begründungselemente eine Rolle spielen, allerdings eher nur als additive Kriterien einer Differenzierung. 3.3.3 Abgrenzung zur Sachgerechtigkeit fakultativer Gruppenbildung Wie im Insolvenzplan (§ 222 Abs. 2 InsO) sind Untergruppen zu bilden. Abzugrenzen ist 83 die Sachgerechtigkeit i. S. des § 8 Satz 1 StaRUG vom Begriff der Sachgerechtigkeit für die Bildung fakultativer Betroffenengruppen. Denn nach § 9 Abs. 2 Satz 1 StaRUG müssen die obligatorischen Planbetroffenengruppen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4, Satz 3 StaRUG) sachgerecht abgrenzbar in Untergruppen ihrer gleichartigen wirtschaftlichen Interessen aufgeteilt werden (§ 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Die Abgrenzungskriterien sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 StaRUG im Plan anzugeben. Nach § 25 Abs. 1 StaRUG erfordert die Annahme des Plans, dass in jeder Planbetroffenengruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen. Wenn die Planbetroffenen mit gleicher Rechtsstellung und gleichartigen wirtschaftlichen Interessen in Untergruppen gebündelt werden, lassen sich insoweit bessere Abstimmungsergebnisse in der jeweiligen Untergruppe erzielen (siehe zum Insolvenzplan Haneke, HRI II, § 24 Rz. 82). Die Bildung von Untergruppen kann aber auch zur Aushebelung der Regelung in § 25 Abs. 1 84 StaRUG und gegen mutmaßlich erwartende Mehrheitsentscheidungen opponierender Planbetroffener missbraucht werden. Wird in einer Gruppe das Quorum aus § 25 Abs. 1 StaRUG nicht erreicht, gilt die Zustimmung dieser Gruppe gemäß § 26 StaRUG u. a. als erteilt, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat; wurden lediglich zwei Gruppen gebildet, genügt die Zustimmung der anderen Gruppe (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). Diese Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung (sog. Cram-down) kann der Schuldner dadurch herbeiführen, dass er genügend Untergruppen bildet und auf diese Gruppen die voraussichtlich zustimmenden Planbetroffenen verteilt. Hat die Mehrheit der Untergruppen zugestimmt, gilt die Zustimmung der opponierenden Planbetroffenengruppe gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG als erteilt. Auf diese Weise lässt sich der Plan mittels einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung gegen den Widerstand opponierender Planbetroffener „durchdrücken“.66) Mit dem Prüfstein der Sachgerechtigkeit i. S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG sollen derartige taktische Verhaltensweisen bei der Gruppenbildung unterbunden werden.67) Die Be___________ 66) Haneke, HRI II, § 24 Rz. 78 ff., auch zu weiteren taktischen Verhaltensweisen bei der Gruppenbildung und manipulativen Eingriffen in das Abstimmungsverhalten. 67) Zum Insolvenzplan vgl. BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 9, ZIP 2015, 1346.

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stimmung besagt in diesem Kontext, dass Planbetroffene mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen in einer fakultativen Gruppe zusammenzufassen und die Betroffenen bei der Bildung von Untergruppen sachgerecht voneinander abzugrenzen sind, es also für die Unterscheidung zwischen zwei oder mehr gebildeten Gruppen einen sachlichen Grund geben muss (siehe dazu die umfangreiche Auflistung bei Haneke, HRI II, § 24 Rz. 99 ff.). Außerdem sind die Kriterien für die Gruppenbildung im Plan anzugeben (§ 9 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). 85 § 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG und § 8 Satz 1 StaRUG verfolgen damit je einen unterschiedlichen Schutzzweck. Während § 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG mit den Begriffen der „gleichartigen wirtschaftlichen Interessen“ und der „Sachgerechtigkeit“ taktische Schachzüge bei der Bildung von Planbetroffenengruppen Schranken setzt, geht es dem Begriff der Sachgerechtigkeit i. S. des § 8 Satz 1 StaRUG um die vorgelagerte Frage, welche Gläubiger und sonstigen Rechteinhaber als Planbetroffene in den Plan überhaupt einzubeziehen sind. Schutzzwecküberschneidungen können sich freilich dann ergeben, wenn sich der Schuldner bereits bei der Auswahl der Planbetroffenen taktisch von seiner Einflussnahme auf ihr späteres Abstimmungsverhalten leiten lässt oder von vornherein nur zustimmungsbereite Planbetroffene einbezieht. Auch diese Vorgehensweise des Schuldners betrifft die Sachgerechtigkeit der Auswahl der Planbetroffenen und damit einen Anwendungsfall des § 8 Satz 1 StaRUG. Das ist unabhängig von dem primär bezweckten Schutz des § 8 Satz 1 StaRUG für die in den Plan einbezogenen Gläubiger. Sie sind schutzwürdig vor den im gestaltenden Teil des Plans geforderten Sanierungsbeiträgen, die wegen Nichteinbeziehung anderer Gläubiger als unangemessen hoch erscheinen.68) 3.4

Inhalt und Reichweite gerichtlicher Prüfungspflichten

86 Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG hat das Restrukturierungsgericht im Planbestätigungsverfahrens zu prüfen, ob der Restrukturierungsplan die Vorschriften über den Inhalt des Plans beachtet. Dies umfasst, wie bereits ausgeführt wurde, auch die Prüfung, ob die Auswahl der Planbetroffenen den Anforderungen des § 8 Satz 1 StaRUG genügt, also sachgerecht ist. Damit stellt sich die Frage nach der Kontrollintensität des Restrukturierungsgerichts zur fehlerfreien Ausübung des Auswahlermessens des Schuldners für die Bestimmung der in den Plan einzubeziehenden Gläubiger und Rechtsinhaber. 87 Die Rechtsprechung des BGH69) verlangt vom Insolvenzgericht die amtswegige Rechtmäßigkeitsprüfung des Insolvenzplans grundsätzlich unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt ohne Beschränkung auf nur offensichtliche Rechtsfehler. Das umfasst insbesondere die Kontrolle der Wahrung gesetzlicher Bestimmungen über das Vorlagerecht und den Planinhalt. Letzteres impliziert die Prüfung genügender Bestimmtheit der Gestaltungswirkung und Vollstreckbarkeit des gestaltenden Planteils, die Informationsvollständigkeit des darstellenden Planteils für eine Entscheidung der Planbetroffenen über die Annahme oder Ablehnung des Plans sowie die Vollständigkeit und Richtigkeit der Plananlagen.70) Die Rechtsprechung des BGH verwehrt dem Insolvenzgericht allerdings die Kontrolle der Planzweckmäßigkeit und die Prüfungszuständigkeit für die Erfolgsaussichten des Insolvenzplans bzw. des zugrunde liegenden Sanierungskonzepts.71) Denn über die wirtschaftliche ___________ 68) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 69) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZIP 2015, 1346; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 14, ZIP 2018, 1141, dazu EWiR 2018, 401 (Madaus). 70) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZIP 2015, 1346; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 14, ZIP 2018, 1141, dazu EWiR 2018, 401 (Madaus). 71) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZIP 2015, 1346; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 14, ZIP 2018, 1141, dazu EWiR 2018, 401 (Madaus).

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Zweckmäßigkeit des Insolvenzplans entscheiden die Gläubiger nach dem Grundsatz der Gläubigerautonomie (siehe Westpfahl, HRI II, § 37 Rz. 19, 28). Intendiert der Restrukturierungsplan keinen Eingriff in alle Rechte und Forderungen, so 88 erstreckt sich die Prüfungspflicht des Restrukturierungsgerichts nach diesen Maßstäben in jedem Fall darauf, ob der Schuldner die leitenden Kriterien für die Auswahl der Planbetroffenen im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans angegeben und begründet hat (§ 8 Satz 1 StaRUG). Insofern setzt das StaRUG auf Transparenz und ein faires Auswahlverfahren. Die Offenlegung verschafft den in den Plan gekorenen Planbetroffenen die Beurteilung nicht nur der Sachgerechtigkeit der Konzeptionierung des Restrukturierungsplans, sondern auch die Sachgerechtigkeit und Angemessenheit der jeweiligen Lastentragung.72) Darüber hinaus obliegt dem Gericht die Prüfung, ob der Schuldner sein Auswahlermessen fehlerfrei, d. h. sachgerecht i. S. des § 8 Satz 1 StaRUG ausgeübt hat.73) Diese Prüfung umfasst die Ausrichtung der selektiven Auswahl der Planbetroffenen am Restrukturierungsziel und an der konzeptionellen Überwindbarkeit der Krisenursachen unter Beachtung Kriterien der Angemessenheit und Erforderlichkeit. Die Ausübungskontrolle des Restrukturierungsgerichts unterfällt somit nicht nur die bloße 89 Rechtsmäßigkeitskontrolle, sondern ggf. auch die Beurteilung wirtschaftlicher und finanzieller Bewertungsprognosen in einer Konzeptionalisierung des Restrukturierungsplans durch den Schuldner. Das ist kein Widerspruch zur oben erwähnten Rechtsprechung, dem Insolvenzgericht sei die Zweckmäßigkeits- und Erfolgskontrolle des Sanierungskonzepts entzogen.74) Denn nach dieser Rechtsprechung hat das Gericht auch zu prüfen, ob im Insolvenzplan die Pflichtgruppen nach der unterschiedlichen Rechtsstellung der Gläubiger gebildet sind (§ 222 Abs. 1 InsO). Diese Kontrolle umfasst auch, ob bei der fakultativen Gruppenbildung nach § 222 Abs. 2 InsO Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst und die Gruppen sachgerecht voneinander abgegrenzt sind.75) Dass es dem Insolvenzgericht regelmäßig verwehrt ist, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und voraussichtlichen Erfolgsaussichten zu prüfen, schließt damit nicht aus, die wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen einer gebundenen Ermessensentscheidung des Schuldners zu überprüfen. Allerdings soll die gerichtliche Prüfungsintensität für das dem Schuldner gemäß § 9 Satz 1 90 StaRUG zugebilligte Auswahlermessens nicht überspannt werden. Nach der Gesetzesbegründung muss die Auswahl zur Erreichung des Restrukturierungsziels, d. h. zur Überwindung der Krisenursachen lediglich erforderlich „erscheinen“.76) Deswegen muss es in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH77) für die Schlüssigkeitsprüfung außerinsolvenzlicher Sanierungspläne hinreichen, dass das Restrukturierungsgericht die Auswahl der Planbetroffenen anhand der Erläuterungen des Schuldners im darstellenden Teil des Plans (§ 8 Satz 1 StaRUG) einer Schlüssigkeits- bzw. Plausibilitätsprüfung unterzieht. Auch nach der Rechtsprechung genügt für die Schlüssigkeit des Plans bereits eine „realistische Realisierungschance“, es müssen nur „gute Chancen für eine Sanierung“ bestanden haben und das Sanierungskonzept muss „erfolgversprechend“ gewesen sein.78) Ein absolut sicherer Sanierungserfolg wird somit nicht gefordert, es genügt bereits eine gewisse Erfolgswahrschein___________ 72) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 73) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. 74) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZIP 2015, 1346; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 14, ZIP 2018, 1141, dazu EWiR 2018, 401 (Madaus). 75) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 9, ZIP 2015, 1346. 76) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 77) BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, BGHZ 210, 249 = ZIP 2016, 47. 78) BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, BGHZ 210, 249 = ZIP 2016, 47.

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lichkeit. Entbehren die nach § 8 Satz 1 StaRUG für die Gläubigerauswahl erforderlichen Angaben und Erläuterungen des Schuldners diesbezüglich allerdings der gebotenen Klarheit und Widerspruchsfreiheit, ist die Auswahl bereits deshalb zu beanstanden, weil den Planbetroffenen eine Beurteilung der Sachgerechtigkeit und Angemessenheit der Lastentragung unmöglich ist. 3.5

Rechtssicherheit durch Vorprüfungsverfahren?

91 Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG kann der Schuldner in einem Vorprüfungsverfahren dem Restrukturierungsgericht die Frage vorlegen, ob die Auswahl der Planbetroffenen den Anforderungen der Sachgerechtigkeit gemäß § 8 StaRUG entspricht. § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG findet Anwendung, wenn der Schuldner ein gerichtliches Planabstimmungsverfahren beantragt hat. Daneben ist in den §§ 47 f. StaRUG ein Vorprüfungsverfahren vorgesehen, das unabhängig von einem gerichtlichen Planabstimmungsverfahren beantragt werden kann.79) Auch i. R. dieses Verfahrens kann der Schuldner die Sachgerechtigkeit der Auswahl durch das Restrukturierungsgericht prüfen lassen, da § 47 Satz 3 StaRUG auf §§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG verweist. Das Ergebnis der Vorprüfung hat das Gericht in beiden Verfahren in einem Hinweis zusammenzufassen (§ 46 Abs. 2, § 48 Abs. 2 StaRUG). 92 Das StaRUG lässt offen, ob im späteren Planbestätigungsverfahren eine Bindung des Gerichts an seine früheren Hinweise besteht. Nach der Rechtsprechung des BGH zur insolvenzplanrechtlichen Vorprüfung gemäß § 231 Abs. 1 InsO erzeugt die unterlassene Planzurückweisung für das nachfolgende Bestätigungsverfahren gemäß § 250 Nr. 1 InsO keine Bindungswirkung.80) Diese Rechtsprechung dürfte wohl für das Verhältnis zwischen Vorprüfungsverfahren gemäß § 46, §§ 47 f. StaRUG und einem späteren Planbestätigungsverfahren (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) entsprechend heranziehbar sein. Die Konsequenz dieser Entsprechung ist, dass eine Vorprüfung der Auswahl durch das Restrukturierungsgericht dem Schuldner noch keine Rechtssicherheit gewährt und er von einer sachgerechten Ausübung seines Auswahlermessens nicht befreit ist.81) 3.6

Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der Anforderung des § 8 StaRUG

93 Nach der Rechtsprechung ist der Insolvenzplan ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert.82) Die Gesetzesbegründung zum StaRUG lässt die Definition der Rechtsnatur eines Restrukturierungsplans im Ergebnis offen, qualifiziert den Plan aber als Anleitung zur kollektiv-privatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise83), auf welche die Vorschriften über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen (§§ 104 ff. BGB) Anwendung finden, sofern sich aus dem StaRUG nichts Abweichendes ergibt84). Letzteres gilt für Verstöße gegen § 8 StaRUG bei der Auswahl der Planbetroffenen. Diese Fehlerart zieht keine Plannichtigkeit gemäß § 134 BGB nach sich, da § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG die Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der Vorschriften über die Auswahl der Planbetroffenen speziell ordnet: Sie führen zur Versagung der Planbestätigung bei unbehebbaren Mängeln oder nach Versäumung einer gerichtlich gesetzten Frist. Auch für § 139 BGB ist kein Raum, denn das Restrukturierungsgericht kann wirksam den Plan entweder nur als Ganzes bestätigen oder ___________ 79) Vgl. zur Kritik an den Vorprüfungsverfahren Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2438. 80) BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 14, BGHZ 214, 78 = ZIP 2017, 482; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 13, ZIP 2018, 1141. 81) Vgl. Thole, ZIP 2020, 1985, 1994. 82) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 26, ZIP 2015, 1346. 83) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 103. 84) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121.

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ablehnen. Deshalb lässt sich die Vorschrift auch nicht für eine fehlerbezogener salvatorische Klausel heranziehen.85) III.

Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen

§ 9 StaRUG regelt die Gruppeneinteilung der in den Plan einbezogenen Planbetroffenen. 94 Wie bereits oben unter Rz. 4 ausgeführt, orientieren sich Modus und Zweck der Gruppenbildung an ihren Vorbildern in § 222 Abs. 1 InsO (obligatorische Gruppenbildung) und § 222 Abs. 2 InsO (fakultative Gruppenbildung). Insofern ist auf die einschlägigen Kommentierungen zur insolvenzplanrechtlichen Gruppenbildung zu verweisen (siehe dazu etwa Haneke, HRI II, § 24 Rz. 1 ff.). Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit Besonderheiten, die teilweise bereits in vorangegangenen Abschnitten im jeweiligen Themenkontext behandelt wurden. 1.

Zinsen und Säumniszuschlägen als einfache Restrukturierungsforderungen

§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG ordnet Zinsen und Säumniszuschläge ohne zeitliche Zäsur den 95 einfachen ungesicherten Restrukturierungsforderungen zu. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO gehören Ansprüche auf Zinsen und Säumniszuschläge für die Zeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung zu den nachrangigen Insolvenzforderungen. Für eine entsprechende zeitliche Zäsur besteht im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kein Anlass, da Restrukturierungsplanverfahren gerade außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens stattfinden. 2.

Fehlende Gestaltbarkeit von Strafen und sonstigen Sanktionen

Strafen im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG und sonstige Sanktionen sind einer Gestal- 96 tung durch den Restrukturierungsplan nicht zugänglich (§ 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG). Folgerichtig werden sie weder bei den einfachen ungesicherten Restrukturierungsforderungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) noch bei den nachrangigen Restrukturierungsforderungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG) berücksichtigt. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG beschränkt sich daher nur auf Forderungen im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und Abs. 2 InsO. 3.

Gruppenbildung nach § 9 Abs. 2 StaRUG: Fakultative Gruppen

Wie im Insolvenzplan (§ 222 Abs. 2 InsO) ist auch im Restrukturierungsplan die Bildung 97 von Untergruppen zulässig (§ 9 Abs. 2 StaRUG). In beiden Planverfahren sind bei der Abgrenzung unterschiedliche wirtschaftliche Interessen der Gläubiger maßgeblich und die davon beeinflusste Gruppenbildung unterliegt einer Sachgerechtigkeitskontrolle durch das Restrukturierungsgericht (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Das Abgrenzungskriterium „wirtschaftliche Interessen“ kann ebenso wie die Sachgerechtigkeit der Gruppenabgrenzung zum Gegenstand eines Vorprüfungsverfahrens gemacht werden (§ 46 Abs. 1 Nr. 1, § 47 Satz 3 StaRUG). Die herangezogenen Kriterien der Abgrenzung sind im Plan anzugeben, um den Planbetroffenen bei der Abstimmung eine vollständige Informationsgrundlage zu verschaffen und dem Restrukturierungsgericht bei der Planbestätigung eine Überprüfung zu ermöglichen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).86) Die Bestimmung des § 9 Satz 3 StaRUG, wonach Kleingläubiger i. R. der nach § 9 Abs. 1 98 zu bildenden Gruppen (obligatorisch) in einer eigenständigen Gruppe zusammenzufassen sind, berücksichtigt, dass über den Restrukturierungsplan – anders als über den Insolvenzplan (vgl. § 244 Abs. 1 InsO) – nicht nach Summen- und Kopfmehrheiten, sondern nur ___________ 85) Vgl. zum Insolvenzplanrecht BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 27, ZIP 2015, 1346. 86) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119.

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§ 23

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

nach Summenmehrheiten (§ 25 Abs. 1 StaRUG) abgestimmt wird. Um dem auf den Schutz von Kleingläubigern vor einer Majorisierung gerichteten Schutzzweck der im Restrukturierungsplanverfahren nicht geltenden Summen- und Kopfmehrheiten gerecht zu werden, sieht § 9 Satz 3 StaRUG vor, dass Kleingläubiger in einer separaten Gruppe zusammenzufassen sind und eigenständig abstimmen. Zur Kategorie der Kleingläubiger ist auf die Ausführungen oben, siehe Rz. 46 ff., zu verweisen. 4.

Taktisches Verhalten und unlautere Herbeiführung der Planannahme

99 Im insolvenzplanrechtlichen Schrifttum ist es umstritten, ob sich der Planersteller bei der Bildung von Gruppen auch von taktischen Finessen für die Durchsetzung des Plans leiten lassen darf oder taktisches Verhalten durch ein ungeschriebenes Missbrauchsverbot und eine korrigierende Auslegung des § 222 InsO einzuschränken ist (siehe dazu etwa Haneke, HRI II, § 24 Rz. 78 ff.; Stahlschmidt, HRI II, § 30 Rz. 55).87) 100 Durch taktisches Verhalten bei der Gruppenbildung ist die Durchsetzung des Restrukturierungsplans z. B. auf zwei Wegen möglich: 

Entweder der Planverfasser verteilt mutmaßlich opponierende Gläubiger auf verschiedene Gruppen und setzt darauf, dass sie in ihrer Gruppe überstimmt werden;



oder er fasst mutmaßlich opponierende Gläubiger in einer oder mehreren Gruppen zusammen und versucht, über das Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) und die Bildung einer genügenden Anzahl von Parallelgruppen eine ablehnende Entscheidung auszuhebeln (siehe dazu etwa Haneke, HRI II, § 24 Rz. 78 ff.).

101 Einen anderen methodischen Ansatz wählt das AG Düsseldorf.88) In dieser Entscheidung sah der Insolvenzplan eine Gruppe vor, die im Abstimmungstermin zwar die erforderliche Kopfmehrheit, nicht aber eine Summenmehrheit erreichte. Zuvor hatte der Schuldner den Plan zu Protokoll geändert und das Obstruktionsverbot (§ 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO) im Blick mittels Aufteilung von Forderungen aus der Altgruppe zwei neue Gruppen gebildet. Das AG Düsseldorf ließ den geänderten Plan wegen Verstoßes gegen § 240 InsO nicht zu, weil eine nachträgliche Änderung der Gruppenstruktur die Essenz des ursprünglichen Plans verändere. 102 In der Literatur wird diese Art manipulativer Gruppenbildung teils als rechtsmissbräuchlich und unlauter i. S. des § 250 Nr. 1 InsO betrachtet. Diese Betrachtung übernimmt § 63 Abs. 4 StaRUG89) aus der Parallelnorm zu § 250 Nr. 1 InsO. Die gerichtliche Planbestätigung ist zu versagen, wenn die Annahme des Restrukturierungsplans unlauter herbeigeführt worden ist, insbesondere durch Begünstigung eines Planbetroffenen. Manipulative Eingriffe in die Abstimmungsmehrheit sind in unterschiedlicher Weise denkbar. Das Spektrum reicht vom Stimmenkauf oder sonstigen einseitig bevorzugenden Nebenabreden über die Erlangung der Zustimmung durch Täuschung oder Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) bis hin zur manipulativen Aufteilung einer Forderung auf mehrere Gläubiger, um innerhalb einer Gruppe die für die Annahme erforderliche Kopfmehrheit zu erreichen (siehe zum Ganzen Westpfahl, HRI II, § 37 Rz. 49 ff.). 103 Das Schrifttum lehnt die Zulässigkeit der Rechtsfigur „manipulativer Eingriff in die Gruppenbildung“ überwiegend ab. Es handle sich um taktische Erwägungen der Gruppenbildung, die nicht schon per se als unlauter oder rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden könnten. ___________ 87) Vgl. dazu auch Smid, InVo 1997, 169, 175 ff. 88) AG Düsseldorf v. 8.10.2019 – 513 IK 220/17, NZI 2020, 435; bestätigt durch LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144. 89) Smid, InVo 1997, 169, 175 ff.

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§ 23

Gruppenbildung

Solange sie den gesetzlichen Anforderungen an die Gruppenbildung entsprächen, seien sie grundsätzlich legitim (siehe Haneke, HRI II, § 24 Rz. 82; Stahlschmidt, HRI II, § 30 Rz. 55). Diese Rechtsansicht hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zur Änderung des § 231 InsO nach dem ESUG bestätigt. Die Ergänzung des § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO mit dem Wortlaut „insbesondere zur Bildung von Gruppen“ solle verdeutlichen, dass das Gericht nur für die Einhaltung der Vorschriften einer Gruppenbildung zuständig sei, nicht aber für grundsätzlich zulässige strategische Erwägungen zur Gruppenbildung (siehe dazu Stahlschmidt, HRI II, § 30 Rz. 55). Im Anwendungsbereich des StaRUG dürfte wohl nichts anderes gelten. Jedenfalls hat das 104 Restrukturierungsgericht i. R. der Vorprüfung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG nur zu prüfen, ob die Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen den Anforderungen des § 9 StaRUG entspricht. Strategische Erwägungen bei der Gruppenbildung dürften somit wohl ebenfalls legitim sein, sofern nur die Gruppenbildung als solche den sie betreffenden gesetzlichen Anforderungen genügt. Das Restrukturierungsgericht hat dann keine Möglichkeit, einem Plan die Bestätigung mit der Begründung zu versagen, für die Gruppenbildung seien in erster Linie strategische Erwägungen im Zusammenhang mit der Planannahme maßgeblich gewesen. IV.

Gleichbehandlung der Planbetroffenen

§ 10 StaRUG befasst sich mit der Gleichbehandlung der Planbetroffenen und orientiert 105 sich im Wesentlichen an seinem insolvenzplanrechtlichen Pendant in § 226 Abs. 1 InsO. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten ist auf die einschlägige Kommentarliteratur zu Normzweck und Norminhalt des § 226 InsO zu verweisen. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit Besonderheiten im Kontext eines Restrukturierungsplanverfahrens. 1.

Gleiche Rechte innerhalb einer Gruppe

Nach § 10 Abs. 1 StaRUG sind innerhalb jeder Gruppe allen Planbetroffenen gleiche Rechte 106 anzubieten. Das Gleichbehandlungsgebot gilt nur für Planbetroffene auf Gruppenebene innerhalb dieser Gruppe und meint ebenso wie i. R. seines insolvenzplanrechtlichen Pendants in § 226 Abs. 1 InsO nur eine formale relative Gleichbehandlung innerhalb einer Gruppe. Eine solche formale Gleichbehandlung liegt bereits dann vor, wenn die Planbetroffenen denselben Planregelungen unterworfen werden. Werden den Planbetroffenen z. B. Quotenzahlungen angeboten, müssen diese für alle Mitglieder ein und derselben Gruppe nur die gleiche prozentuale, nicht aber auch die gleiche betragsmäßige Höhe haben (siehe Balthasar, HRI II, § 22 Rz. 142). Abzugrenzen ist das Gleichbehandlungsgebot gemäß § 10 Abs. 1 StaRUG von der Recht- 107 sprechung des BGH, wonach für die Transformation des Grundsatzes gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung (§ 1 Satz 1 InsO) in einen speziellen Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung innerhalb der einzelnen Gruppe eines Insolvenzplans nicht nur auf die Rechte der nach dem Plan ausdrücklich zugeordneten Gläubiger, sondern auf alle Gläubiger abzustellen ist, deren Forderungen im Falle einer der (rechtzeitigen) Anmeldung und Feststellung ihrer Forderungen dieser Gruppe zuzuordnen wären. Diese Rechtsprechung hat vor allem Auswirkungen auf sog. gewillkürte Präklusionsklauseln im Plan, mit denen diejenigen Insolvenzgläubiger von der im Plan vorgesehenen Quotenzahlung exkludiert werden sollen, die ihre Forderungen nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Insolvenzverfahren angemeldet haben. Derartige Klauseln sind wegen Verstoßes gegen § 226 Abs. 1 InsO unzulässig.90) ___________ 90) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 15, ZIP 2015, 1346.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

108 Die Frage einer Gläubigerpräklusion bei nicht oder nicht rechtzeitig angemeldeten Forderungen kann sich i. R. eines Restrukturierungsplanverfahrens nicht stellen, da dieses gerade außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens stattfindet und es demzufolge auch keine Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle gibt. Im Rahmen eines Restrukturierungsplanverfahrens stellt sich vielmehr nur die Frage, ob in den gestaltenden Teil des Plans nicht einbezogene Forderungen oder Rechte, die im Falle der Einbeziehung derselben Gruppe zuzuordnen gewesen wären, zu Recht nicht einbezogen worden. Diese Frage beurteilt sich nicht nach § 10 Abs. 1 StaRUG, sondern gemäß § 8 Satz 1 StaRUG danach, ob der Schuldner die in den Plan einbezogenen Gläubigern von den nicht einbezogenen Gläubiger nach sachgerechten Kriterien abgegrenzt hat.91) 109 Da die Rechtswirkungen des bestätigten Plans nur im Verhältnis zu den planbetroffenen, d. h. zu in den Plan einbezogenen Gläubigern eintreten (§ 67 Abs. 1 StaRUG), erleiden Gläubiger durch ihre Nichteinbeziehung auch keine Rechtsnachteile. Auch darin unterscheidet sich der Restrukturierungsplan als „teilkollektives“ Instrument des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens fundamental vom Insolvenzplan, bei dem die Rechtswirkungen des Plans mit der Rechtskraft der Planbestätigung für und gegen alle Beteiligte (§ 254 Abs. 1 InsO) und damit auch gegenüber solchen Gläubigern eintreten, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren nicht angemeldet haben (§ 254b InsO). Deswegen werden Insolvenzgläubiger in den Präklusionsfällen doppelt benachteiligt, sie werden kraft Gesetzes in die Planwirkungen einbezogen (§ 227 Abs. 1 i. V. m. § 254b InsO) und würden aufgrund der Präklusionsklausel im Plan ihren Anspruch auf die Planquote verlieren. 110 Im Gegensatz dazu können beim Restrukturierungsplan die Planwirkungen von vornherein nur für und gegen diejenigen Gläubiger eintreten, die der Schuldner aufgrund seiner privatautonomen Auswahl als Planbetroffene in den Plan einbezogen hat (§ 67 Abs. 1 StaRUG). Das bedeutet, dass der Schuldner nach Erfüllung der Planregelungen ausschließlich gegenüber den im gestaltenden Teil des Plans ausdrücklich berücksichtigten Gläubigern von seinen Verbindlichkeiten befreit (§ 11 StaRUG) wird, aber nicht gegenüber den nicht einbezogenen Gläubigern. Deshalb stellt sich beim Restrukturierungsplan anders als in den Präklusionsfällen nicht die Streitfrage nach einer ungerechtfertigten Schlechterstellung der Gläubiger mit nicht angemeldeten Forderungen gegenüber allen anderen Gläubigern, sondern geradezu entgegengesetzt die Frage, ob die einbezogenen Gläubiger durch die Auswahl des Schuldners schlechtergestellt werden als die nicht einbezogenen Gläubiger. Deswegen sieht § 8 Satz 1 StaRUG vor, dass die Auswahlkriterien der Planbetroffenen sachgerecht sein müssen und im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern sind. 2.

Unterschiedliche Rechte innerhalb einer Gruppe

111 § 10 Abs. 2 StaRUG entspricht seinem insolvenzplanrechtlichen Vorbild in § 226 Abs. 2 InsO und legt fest, dass eine unterschiedliche Behandlung der Planbetroffenen in einer Gruppe mit Zustimmung aller zulässig ist, zu deren Lasten die unterschiedliche Behandlung geht. In diesem Fall ist dem Restrukturierungsplan die Zustimmung eines jeden Planbetroffenen beizufügen, zu dessen Lasten sich die unterschiedliche Behandlung auswirkt. Ebenso wir im Insolvenzplanrecht sollte einer unterschiedlichen Behandlung der Planbetroffenen jedoch bereits auf der Ebene der Gruppenbildung dadurch Rechnung getragen werden, dass für diese Betroffenen eine fakultative Gruppe nach Maßgabe ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen gebildet wird (§ 9 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). Der dafür nach § 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG erforderliche sachliche Grund für eine Untergruppenbildung ___________ 91) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120.

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§ 23

Gruppenbildung

wird sich regelmäßig daraus ergeben, dass Planbetroffene eine Ungleichbehandlung und höhere Sanierungsbeiträge zu akzeptieren bereit sind. 3.

Unzulässige Abkommen

§ 10 Abs. 3 StaRUG entspricht § 226 Abs. 3 InsO soll Umgehungsgeschäfte verhindern. 112 Planbetroffene sollen davor geschützt werden, dass der Schuldner sie i. R. der Restrukturierung gegenüber anderen Planbetroffenen derselben Gruppe mittelbar dadurch schlechterstellt, dass er alle Planbetroffenen dieser Gruppe zwar im Plan formal gleichbehandelt, Planeingriffe in die Rechte einzelner Planbetroffener derselben Gruppe aber außerhalb des Plans wieder ausgleicht.92) Derartige Abkommen sind nach § 10 Abs. 3 StaRUG nichtig. § 10 Abs. 3 StaRUG erfasst nicht nur Abkommen zwischen dem Schuldner und einzelnen 113 Planbetroffenen, durch welche in der geschilderten Weise auf das Abstimmungsverhalten eingewirkt oder ihnen in sonstiger Weise ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsverfahren gewährt werden soll, sondern auch Abkommen Dritter mit einzelnen Planbetroffenen. Diese Variante eines unzulässigen Abkommens dürfte wohl auch den Forderungskauf er- 114 fassen, sofern er die Erlangung einer Abstimmungsmehrheit bezweckt, und der planbetroffene Verkäufer durch das Abkommen eine Begünstigung erhält, die ihn im Vergleich zu der für ihn vorgesehenen Planregelung besserstellt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dies regelmäßig der Fall, wenn nicht die Forderungen aller Gläubiger erworben werden und der Kaufpreis höher liegt als die im Plan vorgesehene Quote (siehe auch Westpfahl, HRI II, § 37 Rz. 51).93) Dies soll unabhängig davon gelten, ob der Forderungskauf offen oder verdeckt erfolgt. Die Rechtsprechung des BGH ist im insolvenzrechtlichen Schrifttum sehr umstritten, weil durch den Kauf zu einem die Planquote übersteigenden Kaufpreis letztlich nur der Käufer und kein anderer Gläubiger geschädigt wird und das Motiv des Käufers, den Plan über eine Abstimmungsmehrheit durchzusetzen, nicht schon per se verwerflich sei (zum Streitstand vgl. Westpfahl, HRI II, § 37 Rz. 51 ff.). Andererseits zeigen aber gerade die Vorschriften des StaRUG (z. B. § 8 Satz 1, § 9 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 3, §§ 17 ff., § 63 Abs. 4 StaRUG), dass das Gesetz auf Transparenz und ein faires Verfahren besonderen Wert legt. Für das Insolvenzplanrecht wird deshalb zu Recht vertreten, dass der Forderungskauf nur dann nicht als unlauter bewertbar ist, wenn die Begünstigung im Plan offen ausgewiesen wird, weil die Gläubiger unter dieser Voraussetzung eine bewusste Entscheidung in Kenntnis dieser Begünstigung treffen.94)

___________ 92) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121. 93) BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, ZIP 2005, 719, dazu EWiR 2005, 547 (Bähr/Landry). 94) Mohrbutter, WuB 2005, 637 f.; Smid, DZWIR 2005, 234.

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§ 24 Gesicherte Gläubiger Mock

I. Einleitung .................................................... 1 II. Keine Gestaltung von Aussonderungsrechten....................... 3 III. Gestaltung von Absonderungsanwartschaften ............................................ 4 1. Gegenstände des schuldnerischen Vermögens.................................................... 5 2. Absonderungsanwartschaften ..................... 7 2.1 Realsicherheiten .............................. 8 2.2 Personalsicherheiten ..................... 12 3. Mehrseitige Absonderungsanwartschaften ........................................... 13 4. Formen der Gestaltung ............................. 16 5. (Mittelbare) Rechtsfolgen der Gestaltung............................................ 19 IV. Gruppeninterne Drittsicherheiten; persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft....................... 20

1.

Gruppeninterne Drittsicherheiten............ 21 1.1 Anwendungsbereich...................... 21 1.2 Erfordernis einer Entschädigung.... 26 1.3 Zustimmung des verbundenen Unternehmens............................... 33 1.4 Gestaltung der gruppeninternen Drittsicherheit ............................... 36 2. Entschädigung des persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft........................................................... 38 2.1 Anwendungsbereich...................... 40 2.2 Beschränkung der Haftung........... 43 2.3 Persönlich haftende Gesellschafter ................................ 46 2.4 Entschädigung ............................... 47 V. Finanzsicherheiten ................................... 51 VI. Grenzüberschreitende Restrukturierungen.................................. 52

Literatur: Cranshaw/Portisch, Paradigmen des Unternehmensstabilisierungs- und -Restrukturierungsgesetzes (StaRUG) nach dem Regierungsentwurf aus Gläubigersicht (Teil 1), ZInsO 2020, 2561, (Teil 2), ZInsO 2020, 2617; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Hoegen/Kranz, Neue Möglichkeiten der Konzernsanierung durch SanInsFoG und StaRUG, NZI 2021, 105; Kokorin, Third-Party Releases in Insolvency of Multinational Enterprise Groups, ECFR 18/2021, S. 107; Müller, Die Umsetzung der EURichtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, ZIP 2020, 2253; Schall, Die neue englische Floating Change im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, IPRax 2009, 209; Schall, Die Floating Charge im Wettbewerb der Insolvenzrechte, KTS 2009, 69; Skauradszun, Neuralgische Punkte der Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, ZRI 2020, 625; Zuleger, Kreditsicherheiten nach dem StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43.

I.

Einleitung

1 Die gesicherten Gläubiger nehmen i. R. einer Restrukturierung eine besondere Rolle ein. Durch die zu ihren Gunsten bestellten Sicherungsinstrumente ist meist ein Großteil des Vermögens des Schuldners nicht frei verfügbar und kann daher auch nicht zur Refinanzierung eingesetzt werden. Gleichwohl kann das Restrukturierungsrecht diese bereits bestehenden Sicherungsinstrumente zu Zwecken der Restrukturierung nicht für obsolet oder unwirksam erklären, um damit die Restrukturierungsmöglichkeiten des Schuldners zu erhöhen. Vielmehr müssen diese bestehenden Sicherungsinstrumente auch i. R. einer Restrukturierung – ebenso wie später im Insolvenzverfahren – grundsätzlich fortbestehen und anerkannt werden, da anderenfalls eine Finanzierung vor der Restrukturierung meist schon nicht möglich wäre. Darin liegt die Rechtfertigung für die eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten im Restrukturierungsplan bzw. die besondere Stellung der gesicherten Gläubiger. 2 Daher kann der Restrukturierungsplan nur sehr beschränkt in die Rechte von gesicherten Gläubigern eingreifen. Dies ist im Prinzip nur im Hinblick auf Absonderungsanwartschaften (siehe Rz. 4 ff.) und gruppeninterne Drittsicherheiten (siehe Rz. 20 ff.) möglich. Aussonderungsrechte (siehe Rz. 3) und Finanzsicherheiten (siehe Rz. 51) sind durch den Restrukturierungsplan hingegen nicht gestaltbar. Diese Unterscheidung gilt auch bei grenzüber-

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§ 24

Gesicherte Gläubiger

schreitenden Restrukturierungen, auch wenn sie sich bei diesen nicht ohne Brüche durchhalten lässt (siehe Rz. 52 ff.). II.

Keine Gestaltung von Aussonderungsrechten

Keinerlei Auswirkungen hat der Restrukturierungsplan auf die Sicherungsrechte, die in 3 der Insolenz zur Aussonderung berechtigen, da diese insbesondere in § 2 StaRUG1) schon nicht erwähnt werden.2) Insofern stimmt die Rechtslage im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen mit derjenigen im Insolvenzrecht (§ 47 InsO) überein. Allerdings kann die Durchsetzung dieses Sicherungsrechte durch die Stabilisierungsanordnung eingeschränkt werden, was allerdings voraussetzt, dass diese zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können und dafür von erheblicher Bedeutung sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). III.

Gestaltung von Absonderungsanwartschaften

Der Restrukturierungsplan kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG die Rechte gestalten, die 4 aus dem Vermögen des Schuldners stammen (siehe Rz. 5 f.) und in der Insolvenz zur Absonderung berechtigen (siehe Rz. 7 ff.). 1.

Gegenstände des schuldnerischen Vermögens

Voraussetzung für eine Gestaltung von Absonderungsanwartschaften durch den Restruk- 5 turierungsplan ist zunächst, dass die Gegenstände, an denen die Absonderungsanwartschaft besteht, zum schuldnerischen Vermögen gehören. Der Begriff der Gegenstände wird nicht definiert und ist denkbar weit zu verstehen.3) Dazu zählen alle körperlichen Gegenstände, die schon unter § 90 BGB fallen. Zu den Gegenständen i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG gehören aber auch unbewegliche 6 Sachen, Forderungen, sonstige Vermögensrechte und immaterielle Güter, sofern an diesen Absonderungsrechte begründet werden können.4) Dies gilt insbesondere für Patentund Markenrechte und Anteile an Unternehmen.5) Auch Kryptowerte6) und elektronische Wertpapiere (§ 2 Abs. 3 eWpG i. V. m. § 90 BGB) fallen unter § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG. 2.

Absonderungsanwartschaften

Zudem kann der Restrukturierungsplan nur Absonderungsanwartschaften gestalten. Der 7 Begriff der Absonderungsanwartschaft wird in § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG legaldefiniert und umfasst alle Rechte am schuldnerischen Vermögen (siehe Rz. 5 f.), die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden. Dieser Begriff

___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) So ausdrücklich Begr RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 108; zust. Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 14; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 51; ähnlich Zuleger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43; wohl auch Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 16. 3) Im Ergebnis ebenso Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 52. 4) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 52; ähnlich Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 13. 5) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 52. 6) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 53.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

– der in der Restrukturierungsrichtlinie7) i. Ü. keine Entsprechung findet – passt sich nur bedingt in die bisherige Systematik des deutschen Kreditsicherungsrechts ein.8) Während der Begriff der Absonderungsrechte durch die §§ 49 – 51 InsO klar umrissen ist, hat die Anwartschaft keine normative Grundlage erfahren und wird allgemein – und gerade nicht nur im Kontext des Kreditsicherungsrechts – als ein Recht verstanden, bei dem es sich noch nicht um ein Vollrecht handelt, im Grundsatz aber wie ein solches behandelt wird.9) Letzteres trifft aber auf das zur Absonderung berechtigende (Grund-)Pfandrecht nicht zu, da dieses nicht zum Vollrecht wird, sondern als beschränkt dingliches Recht bestehen bleibt.10) Gleichwohl hat sich der (deutsche) Gesetzgeber zur Schaffung dieses Begriffs der Absonderungsanwartschaft entschieden, der nun durch Wissenschaft und Praxis ausgefüllt werden muss. Im Ergebnis dürfte der Begriff der Anwartschaft dabei keine große Rolle spielen, so dass es am Ende (allein) darauf ankommt, ob das jeweilige Recht in einem Insolvenzverfahren zur Absonderung berechtigen würde.11) 2.1

Realsicherheiten

8 Zu den Absonderungsanwartschaften i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG gehören zunächst die Realsicherheiten an unbeweglichen Gegenständen und damit die Hypothek (§ 1113 BGB), die Grundschuld (§ 1191 BGB) und die Rentenschuld (§ 1199 BGB), da diese dinglichen Belastungen im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 49 InsO zur Absonderung berechtigten. Vormerkungen werden nicht erfasst.12) 9 Bei den beweglichen Gegenständen zählen zu den Absonderungsanwartschaften i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG aufgrund von § 50 Abs. 1 InsO das Faustpfandrecht (§ 1204 BGB), die gesetzlichen Pfandrechte und damit insbesondere das Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) und das Unternehmerpfandrecht (§ 647 BGB). Ferner werden die Sicherungsübereignung (§ 929, 930, 868 BGB), die Sicherungsabtretung (§§ 398, 413 BGB) und bei Eintritt des Erweiterungsfalls der erweiterte und verlängerte Eigentumsvorbehalt erfasst, da diese Varianten des Eigentumsvorbehalts unter § 51 Nr. 1 InsO fallen.13) Zudem können auch bestimmte Zurückbehaltungsrechte erfasst werden (§ 51 Nr. 2 und 3 InsO). 10 Insolvenzrechtliche Beschränkungen der Absonderungsrechte – wie etwa in § 50 Abs. 2 InsO – haben im StaRUG keine Erwähnung gefunden, so dass sich die Frage stellt, ob diese auch im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zu berücksichtigen sind; dies ist zu verneinen.14) Dies ergibt sich zunächst daraus, dass § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG allein auf das (abstrakte) Bestehen von Absonderungsrechten abstellt. Durch die insolvenzrechtlichen Beschränkungen wird das Bestehen der Absonderungsrechte aber nicht berührt, sondern nur deren Umfang eingeschränkt. Zudem erscheint es auch nicht erforderlich, die ___________ 7) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 8) Krit. Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2561, 2566; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 51. 9) Vgl. nur Fuchs in: Creifelds, Rechtswörterbuch, „Anwartschaft“. 10) Krit. mit diesem Beispiel Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 51. 11) Im Ergebnis auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 13; Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 8; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 54 (gedankliche Prüfung der §§ 49 – 51 InsO); Skauradszun, ZRI 2020, 625, 632. 12) Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 14. 13) Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 14 – m. Hinweis auf die schwierigen Abgrenzungsprobleme. 14) Ebenso Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 60.

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Gesicherte Gläubiger

insolvenzrechtlichen Beschränkungen auf die Restrukturierung zu übertragen, da der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen mit dem Insolvenzverfahren nicht wesensgleich ist.15) Schließlich müssen die Absonderungsanwartschaften vor der Unterbreitung des Planange- 11 bots bzw. dem Erlass einer Stabilisierungsanordnung vollständig begründet worden sein (§ 2 Abs. 5 StaRUG). Auf den Inhalt der Stabilisierungsanordnung kommt es insofern nicht an.16) 2.2

Personalsicherheiten

Keine Absonderungsanwartschaften i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG sind Personalsicher- 12 heiten, da diese kein Recht an einem Gegenstand begründen.17) Daher können weder die Bürgschaft, der Schuldbeitritt, die Garantie noch die Patronatserklärung durch den Restrukturierungsplan umgestaltet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personalsicherheiten durch den Schuldner oder durch Dritte bestellt wurden. Für die insofern bei gruppeninternen Drittsicherheiten abweichende Rechtslage siehe Rz. 21 ff. 3.

Mehrseitige Absonderungsanwartschaften

Für den Fall, dass die Absonderungsanwartschaften auf mehrseitigen Rechtsverhältnissen 13 zwischen dem Schuldner und mehreren Gläubigern beruhen, sieht § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG vor, dass auch dann Einzelbestimmungen durch den Restrukturierungsplan gestaltbar sind. Dies bedeutet im Ergebnis, dass mehrseitige Absonderungsanwartschaften gerade nicht in ihrer Gesamtheit gestaltet werden müssen, sondern dass der Restrukturierungsplan unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Rechtsverhältnissen treffen kann. Somit sind vor allem auch Konsortialfinanzierungen durch den Restrukturierungsplan gestaltbar.18) Dieses fehlende Erfordernis der einheitlichen Gestaltung von mehrseitigen Absonde- 14 rungsanwartschaften im Restrukturierungsplan durch § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG wird durch § 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG dahingehend komplettiert, dass diese mehrseitigen Absonderungsanwartschaften nicht nur im Verhältnis zwischen dem Schuldner und den Gläubigern, sondern auch im Verhältnis der Gläubiger untereinander gestaltet werden können. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, da damit letztlich in Rechtsverhältnisse eingegriffen wird, die nur bedingt in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schuldner stehen und die typischerweise auf komplexen Kalkulationen beruhen.19) Gleichwohl ist eine rein isolierte Umgestaltung der Rechtsverhältnisse im Verhältnis zwischen dem Schuldner und den Gläubigern nicht zielführend, da dadurch ansonsten Verwerfungen in den Vereinbarungen der Gläubiger untereinander eintreten können. Für die Umgestaltung nach § 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG ist es nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG vorliegen.20) Die in § 2 Abs. 2 Satz 1 und 3 StaRUG vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten bei den 15 mehrseitigen Absonderungsanwartschaften stellen im Ergebnis nichts anderes als eine Vertragsanpassung dar, die i. Ü. durch das StaRUG gerade nicht (mehr)21) möglich ist.22) ___________ 15) 16) 17) 18) 19) 20) 21)

22)

Ebenso Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 60. Wohl auch Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 9 a. E. So auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 62. Darauf ausdrücklich abstellend Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 108; Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 18. Krit. auch Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 35. Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 33. Dies war im ursprünglichen RefE noch anders, da dieser mit den §§ 49 – 52 noch Regelungen zur Vertragsbeendigung vorsah, bei denen freilich nicht sicher war, ob diese auch auf den Gesellschaftsvertrag einer Innen-GbR Anwendung finden konnten. Krit. dazu Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 28 ff.

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§ 24

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

Dies mag man als Systembruch begreifen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine isolierte Gestaltung der Absonderungsanwartschaften selbst nicht den gewünschten Restrukturierungseffekt hätte bzw. Restrukturierungen erheblich erschweren würde. 4.

Formen der Gestaltung

16 Für die Art und Weise der Gestaltung der Absonderungsanwartschaften macht § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG keine konkreten Vorgaben, sondern ordnet lediglich die Möglichkeit der Gestaltung an. Daher kommt insofern jede denkbare und rechtlich zulässige Gestaltungsform in Betracht. Somit können die Absonderungsanwartschaften erlassen, für diese Stundungsregelungen vorgesehen, Sicherheiten ausgetauscht und Rangänderungen vorgenommen werden.23) 17 Die Gestaltung der Absonderungsanwartschaften ist auch mittelbar durch eine Gestaltung der Restrukturierungsforderungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG möglich, wenn es sich um akzessorische Sicherheiten handelt. 18 Schließlich ist bei der Gestaltung das Schlechterstellungsverbot nach §§ 26 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 StaRUG zu beachten, das allerdings voraussetzt, dass die Absonderungsanwartschaften werthaltig sind.24) Nicht abschließend geklärt ist es, ob das Schlechterstellungsverbot für die Gestaltung die einzige Schranke darstellt oder ob sich noch weitere Einschränkungen ergeben können. Problematisch ist dies vor allem bei Vorliegen von mehreren Gestaltungsoptionen, die alle mit dem Schlechterstellungsverbot nach §§ 26 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 StaRUG vereinbar sind. Insofern dürfte es naheliegen, eine entsprechende Einschränkung dahingehend anzunehmen, dass bei mehreren Gestaltungsoptionen stets diejenige zu wählen ist, die für die gesicherten Gläubiger mit den geringsten Eingriffen verbunden sind. Die praktische Relevanz dieser Problematik dürfte allerdings in den meisten Fällen wohl aufgrund erheblicher (Bewertungs-)Unsicherheiten eher gering sein. 5.

(Mittelbare) Rechtsfolgen der Gestaltung

19 Auch wenn § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StaRUG weitgehende Eingriffe in Absonderungsanwartschaften zulässt, folgt daraus nicht, dass keine (unbeabsichtigten) mittelbaren Folgen eintreten können, die durch den Restrukturierungsplan nicht adressiert werden können. Dies gilt insbesondere für Kreditbedingungen, die auf Sicherungsrechte Bezug nehmen. Eine Gestaltung dieser Kreditbedingungen in Form einer Vertragsanpassung ist durch das StaRUG nicht (mehr)25) möglich, so dass bei einer Umgestaltung der Absonderungsanwartschaften auch stets in den Blick genommen werden muss, welche vertraglichen Folgen dadurch ausgelöst werden. Dies gilt insbesondere für § 19 Abs. 3 AGB-Banken und Nr. 26 Abs. 3 Satz 2 lit. b AGB-Sparkassen, wonach das Kreditinstitut bei einem ersatzlosen Wegfall der Sicherheit oder einer Verschlechterung des Wertes der Sicherheit zur Kündigung der bisher gesicherten Verbindlichkeit berechtigt ist.26) Daher müssen die dadurch entstehenden Restrukturierungsforderungen ebenfalls durch den Restrukturierungsplan adressiert werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG).

___________ 23) 24) 25) 26)

568

Ebenso Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 63a. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 63a. S. Fn. 21. Ebenso Riedemann in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 2 Rz. 21 f.

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§ 24

Gesicherte Gläubiger IV.

Gruppeninterne Drittsicherheiten; persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft

Der Restrukturierungsplan kann nach § 2 Abs. 4 StaRUG auch gruppeninterne Drittsi- 20 cherheiten gestalten (siehe Rz. 21 ff.). Zudem ist für die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft in § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG eine Sonderregelung vorgesehen (siehe Rz. 38 ff.). 1.

Gruppeninterne Drittsicherheiten

1.1

Anwendungsbereich

Der Begriff der gruppeninternen Drittsicherheiten wird in § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 StaRUG 21 legaldefiniert und umfasst bestimmte Rechte (siehe Rz. 23) von Inhabern von Restrukturierungsforderungen (siehe Rz. 22), die gegen verbundene Unternehmen des Schuldners (siehe Rz. 24) bestehen. Hintergrund dieser Gestaltungsmöglichkeit ist die Vermeidung der Durchführung von Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bei anderen konzernverbundenen Unternehmen des Schuldners, um die von diesen Unternehmen gestellten Sicherheiten gestalten zu können.27) Keine Folge ist eine Vermögens- oder Massekonsolidierung des Gesamtkonzerns.28) Voraussetzung ist zunächst, dass die Sicherheiten Inhabern von Restrukturierungsfor- 22 derungen zustehen. Diese müssen die Restrukturierungsforderungen nicht selbst begründet haben, so dass diese auch später erworben worden sein können. Weiterhin muss es sich um (Sicherungs-)Rechte handeln. § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 StaRUG 23 nennt insofern die Bürgschaft und die Mitschuld sowie eine anderweitig übernommene Haftung. Zudem werden in § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 StaRUG auch Rechte an Gegenständen des Vermögens dieses (Dritt-)Unternehmens erwähnt. Damit wird deutlich, dass § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 StaRUG im Gegensatz § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG (siehe Rz. 7) nicht zwischen Real- und Personalsicherheiten differenziert, sondern grundsätzlich beide Arten von Sicherheiten erfasst. Dabei ist eine großzügige Auslegung vorzunehmen,29) zumal sich die Praxis der Konzernfinanzierungen in der Regel gerade im grenzüberschreitenden Verkehr durch privatautonome Gestaltungen auszeichnet. Zudem muss das Sicherungsrecht bei einem verbundenen Unternehmen bestehen.30) Für 24 die Definition verweist § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 StaRUG auf § 15 AktG, so dass insofern das Aktienkonzernrecht maßgeblich ist. Liegen die Voraussetzungen von § 15 AktG nicht vor, kann das Sicherungsrecht im Restrukturierungsplan nicht gestaltet werden. Daher stellt die konzernmäßige Verbindung des Drittunternehmens mit dem Schuldner die Rechtfertigung für die Gestaltungsmöglichkeit im Restrukturierungsplan dar. Dies gilt unabhängig davon, von wem die Sicherheiten im Konzern gestellt wurden.31) Ob das Aktienkonzernrecht für die tatbestandliche Ausfüllung dieser Rechtfertigung der richtige Anknüpfungspunkt ist, muss allerdings bezweifelt werden, zumal das Konzerninsolvenzrecht i. Ü. der handelsbilanziellen Sichtweise folgt (§ 3e InsO), so dass bei einem Scheitern der Restruk___________ 27) Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110; zust. Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 41; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 91; krit. Zuleger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43, S. 44; ausführlich dazu Kokorin, ECFR 18/2021, S. 107 ff. – m. rechtsvergleichenden Betrachtungen. 28) Ebenfalls darauf hinweisend Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2622; Skauradszun in: BeckOKStaRUG, § 2 Rz. 92. 29) Ebenso Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 107. 30) Umfassend dazu etwa Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 95 ff. 31) Gehrlein, BB 2021, 66, 68; wohl auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 91.

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§ 24

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

turierung eine fehlende Deckungsgleichheit des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens und des späteren Insolvenzverfahrens droht. 25 Alle anderen Sicherheiten werden durch § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 StaRUG nicht erfasst, so dass diese – soweit sie nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG fallen (siehe Rz. 8 ff.) – auch nicht durch den Restrukturierungsplan umgestaltet werden können. 1.2

Erfordernis einer Entschädigung

26 Wird in gruppeninterne Drittsicherheiten i. S. von § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG (siehe Rz. 23) tatsächlich (siehe Rz. 23) eingegriffen, muss dieser Eingriff nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG durch eine angemessene Entschädigung kompensiert werden. Für die Angemessenheit muss sich am Wert der Sicherheit zum Zeitpunkt der Planbestätigung orientiert werden,32) was allerdings auch nicht unbedingt eindeutig ist. Unter dem Wert kann einerseits der wirtschaftliche Wert der Sicherheit und andererseits der Wert in einem Alternativszenario sein. Im Grundsatz dürften beide Ansatzpunkte in Abhängigkeit davon zur Anwendung kommen, in welcher wirtschaftlichen Verfassung sich der Schuldner befindet und welche Risiken bei der Restrukturierung bestehen.33) Sind letztere hoch zu bewerten, muss für den Wert auf das Alternativszenario der Insolvenz abgestellt werden. 27 Ist die Sicherheit wertlos, bedarf es auch keiner Entschädigung, wobei dieser Fall eher selten eintreten wird. 28 Zu beachten ist auch, ob der Kreditvertrag eine Limitation-Language-Klausel enthält, da diese meist zu erheblichen Werteinschränkungen führen kann.34) 29 Die Bewertung kann i. R. von Bewertungsgutachten erfolgen, auch wenn dies meist kostenintensiv ist.35) Zudem kann in diesem Zusammenhang ein Restrukturierungsbeauftragter eingeschaltet werden (§ 73 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG). 30 Fehlt es an einer angemessenen Entschädigung, weil der Restrukturierungsplan diese nicht oder nicht in ausreichender Höhe vorsieht, darf der Restrukturierungsplan nicht bestätigt werden. Kommt es gleichwohl zu einer Bestätigung, besteht für die Inhaber der betroffenen Rechte als Planbetroffene das Beschwerderecht nach § 66 StaRUG. Die Darlegungs- und Beweislast für die Werthaltigkeit und die fehlende Angemessenheit trägt der antragstellende Gläubiger.36) 31 Keine Regelung enthält § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG zu der Frage, aus welchem Vermögen die Entschädigung zu leisten ist, da § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG insofern nur erwähnt, dass der Eingriff durch eine Entschädigung zu kompensieren ist. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die Entschädigung durch den Schuldner selbst zu leisten und entsprechend im Restrukturierungsplan festzulegen ist. Dies führt allerdings zu dem Problem des meist nicht unerheblichen Liquiditätsabflusses, der in vielen Fällen eine Restrukturierung unmöglich machen wird. Die Entschädigung kann aber auch durch einen Dritten37) geleistet werden. Die Leistung durch einen Dritten dürfte aufgrund des dann fehlenden Liquiditätsabflusses

___________ 32) Ebenso Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 55; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 103. 33) Ähnlich Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 107. 34) Vgl. Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2622; Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 60; Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 107 f.; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 104. 35) Krit. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 103; Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2623. 36) Ebenso Müller, ZIP 2020, 2253, 2256; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 107. 37) Ebenfalls für eine Zulässigkeit von Drittleistungen Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 62; wohl auch Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 108.

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§ 24

Gesicherte Gläubiger

tatsächlich oft den Regelfall darstellen. Dabei kann der Restrukturierungsplan auch eine Erstattungspflicht für den Schuldner vorsehen.38) Schließlich kann die Entschädigung auch in Form eines Sicherheitenaustauschs erbracht 32 werden.39) Der Wortlaut von § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG legt zwar eine Entschädigung in bar nahe; zwingend ist dies allerdings nicht. 1.3

Zustimmung des verbundenen Unternehmens

Zudem muss das verbundene Unternehmen der Umgestaltung der Sicherheit durch den 33 Restrukturierungsplan zustimmen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, lässt sich aber aus § 15 Abs. 4 StaRUG ohne weiteres herleiten.40) Dabei ist zu beachten, dass die erforderliche Zustimmung des verbundenen Unternehmens jedenfalls dann meist kein Problem darstellen wird, wenn es sich dabei um ein abhängiges Unternehmen handelt (sog. Upstream Guarantees).41) Bei dem Downstream Guarantees wird die Zustimmung des Mutterunternehmens oft nicht erfolgen, wobei eine auf Tochtergesellschaften beschränkte Restrukturierung mit vorheriger Sicherheitengewährung durch das Mutterunternehmen kaum denkbar ist, so dass es darauf meist nicht ankommen wird. Auch bei Crossstream Guarantees wird die Zustimmung typischerweise schwierig sein. Die Abgabe oder die Verweigerung der Zustimmung muss durch die Geschäftsleiter 34 der verbundenen Unternehmen nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgen, so dass insofern die Business Judgement Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) zur Anwendung kommt. Insofern ist nicht per se von einem pflichtwidrigen Handeln des Geschäftsleiters auszugehen, wenn dieser die Zustimmung verweigert, obwohl dies wirtschaftlich vorteilhaft wäre.42) Die Zustimmung des verbundenen Unternehmens darf nicht mit der nicht erforderlichen 35 Zustimmung des Restrukturierungsgläubigers verwechselt werden. Dieser kann sich an der Abstimmung über den Restrukturierungsplan beteiligen und erhält i. Ü. eine Entschädigung (siehe Rz. 26 ff.), was eine ausreichende Rechtfertigung für die Möglichkeit der Umgestaltung seiner Sicherheit begründet.43) 1.4

Gestaltung der gruppeninternen Drittsicherheit

Bei der Gestaltung der gruppeninternen Drittsicherheit kommt jede denkbare und recht- 36 lich zulässige Gestaltungsform in Betracht. Keine Gestaltung der gruppeninternen Drittsicherheit stellt allerdings eine Kürzung der 37 Restrukturierungsforderungen durch den Restrukturierungsplan dar, da sich die Auswirkungen auf die gruppeninternen Drittsicherheiten dann lediglich aus der (etwaigen) Akzessorietät der Sicherheitsinstrumente ergeben.44) Daher muss in diesem Fall auch keine angemessene Entschädigung (siehe Rz. 26 ff.) vorgesehen werden.

___________ Wohl auch Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 108. So auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 62. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 94; Zuleger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43, 44. Ähnlich Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2623; Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 107, 108; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 94. 42) A. A. Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 108, die allerdings auch nicht auf die Business Judgement Rule eingehen. 43) Zuleger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 43, 44. 44) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 102. 38) 39) 40) 41)

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§ 24 2.

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte Entschädigung des persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft

38 Schließlich muss nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG eine angemessene Entschädigung (siehe Rz. 47 ff.) auch für den Fall im Restrukturierungsplan vorgesehen werden, dass dort eine Beschränkung (siehe Rz. 43) der Haftung (siehe Rz. 43) des persönlich haftenden Gesellschafters (siehe Rz. 46) vorgesehen ist. 39 Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft für deren Gläubiger auch eine Art Sicherheit darstellt, da diese neben der Personengesellschaft auch noch die persönlich haftenden Gesellschafter in Anspruch nehmen können. Die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft haften nach § 128 HGB (analog) zwar unmittelbar, allerdings wenden sich Gläubiger in der Praxis meist zunächst an die Personengesellschaft. Aufgrund des Regelungsstandorts in § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG scheint der Gesetzgeber die Gläubiger einer Personengesellschaft als gesicherte Gläubiger im weiteren Sinne zu betrachten.45) 2.1

Anwendungsbereich

40 Der Anwendungsbereich dieser Regelung ist auf Personengesellschaften beschränkt, bei denen eine persönliche Haftung der Gesellschafter besteht. Dies ist bei der (Außen)GbR, der oHG, der KG und der PartG der Fall. 41 Daher werden die (Innen-)GbR und die stille Gesellschaft – egal in welcher Gestaltungsvariante – von § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG nicht erfasst, da bei diesen Gesellschaftsformen keine Außenhaftung vorliegt. Für die mehrgliedrige stille Gesellschaft erscheint dies allerdings zweifelhaft, da die fehlende Außenhaftung durch die Vereinbarung eines Freistellungsanspruchs vertraglich nachgezeichnet wird und die Anleger letztlich doch trifft.46) 42 Ebenfalls nicht erfasst wird die KGaA,47) obwohl auch bei dieser eine persönliche Haftung eines Gesellschafters besteht (§ 278 Abs. 1 AktG); allerdings handelt es sich bei der KGaA nicht um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, sondern um eine juristische Person (§ 278 Abs. 1 AktG).48) Da § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG dem Wortlaut nach eindeutig nur auf Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit Anwendung findet, könnte die KGaA nur dann erfasst werden, wenn man insofern von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers ausgeht, wofür es aber keine Anzeichen gibt. 2.2

Beschränkung der Haftung

43 Nicht ganz klar ist, was bei § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG mit der Beschränkung der Haftung gemeint ist. Da die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters bei Personengesellschaften akzessorisch ist (§ 128 HGB [analog]), tritt eine Beschränkung der Haftung automatisch ein, wenn der Restrukturierungsplan eine Kürzung der Restrukturierungsforderungen vorsieht. Dass der Restrukturierungsplan auch darüber hinaus eine Beschränkung der Haftung anordnen können soll, erscheint fernliegend, zumal sich dann das Problem stellen würde, dass der Restrukturierungsplan nach seiner Bestätigung nur die an diesem beteiligten Gläubiger bindet, so dass die nicht am Restrukturierungsplan beteiligten Gläubiger an diese Beschränkung nicht gebunden wären. Daher dürfte § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG gerade vor dem Hintergrund der Regelungsnähe zu den gesicherten Gläubigern nur ein ___________ 45) In diesem Sinne Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110; krit. Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 67; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 93. 46) Zu dieser Gestaltungsform Mock in: Röhricht/von Westphalen/Haas, HGB, § 230 Rz. 160 ff. 47) Ebenso von einer fehlenden Erfassung ausgehend Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 68. 48) Zur Einordnung der KGaA als juristische Person vgl. nur Koch, AktG, § 278 Rz. 3.

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§ 24

Gesicherte Gläubiger

Regelungsgehalt dahingehend zukommen, dass der Restrukturierungsplan eine angemessene Entschädigung für die Gläubiger vorsehen muss. Völlig zweifelsfrei ist dieses Ergebnis gleichwohl nicht, zumal bei den gruppeninternen Drittsicherheiten Auswirkungen auf die Sicherheiten aufgrund der Akzessorietät nicht ausreichend sind (siehe Rz. 26). Beispiel: A ist Komplementär und B Kommanditist der C-KG. B hat seine Einlage vollständig 44 erbracht. Der Restrukturierungsplan sieht eine Kürzung der Restrukturierungsforderungen i. H. von 50 % vor, was einem Betrag von 100.000 € entspricht. Mit der vorliegend vertretenen Ansicht liegt ein Fall der Beschränkung der persönlichen Haftung des Gesellschafters vor, da dieser nunmehr nur noch i. H. von 50 % für die Verbindlichkeiten haftet. Allerdings ergibt sich dieser Umstand bereits aus der Akzessorietät der Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters. Gleichwohl muss dies als ausreichend betrachtet werden, da insbesondere eine allumfassende Beschränkung der Haftung des unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafters durch den Restrukturierungsplan schon nicht möglich wäre und damit die oHG, die KG und die PartG faktisch nicht restrukturierungsfähig wären. Jenseits von § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG stehen selbständige Schuldgründe, die unabhängig 45 von der Haftung nach § 128 HGB (analog) stehen.49) 2.3

Persönlich haftende Gesellschafter

Persönlich haftende Gesellschafter sind die Gesellschafter einer (Außen)GbR, die Gesell- 46 schafter einer oHG, die Komplementäre einer KG (inklusive einer kapitalistischen KG) sowie die Partner einer PartG. Da § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG nur auf die persönliche Haftung und nicht auf die unbeschränkte persönliche Haftung abstellt, werden auch Kommanditisten erfasst. 2.4

Entschädigung

Für die Beschränkung der Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters muss eine 47 angemessene Entschädigung gewährt werden. Ebenso wie § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG (siehe Rz. 31) lässt auch § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG offen, wer diese Entschädigung leisten muss, da das Gesetz insofern nur abstrakt auf das Leisten einer angemessenen Entschädigung verweist. Eine Leistung der angemessenen Entschädigung durch den Schuldner erscheint allerdings fragwürdig, da dadurch bei diesem ein erheblicher Liquiditätsabfluss eintreten würde, der den durch die Kürzung oder sonstige Umgestaltung der Restrukturierungsforderungen erreichten Restrukturierungserfolg wieder gefährden würde. Dies gilt insbesondere für den Fall einer nicht eingeschränkten Solvenz des persönlich haftenden Gesellschafters, da die zu gewährende Entschädigung mit der Kürzung oder sonstigen Umgestaltung der Restrukturierungsforderungen übereinstimmt (siehe Rz. 49). Daher ist davon auszugehen, dass allein der persönlich haftende Gesellschafter die ange- 48 messene Entschädigung leisten muss. Allerdings ist auch diese Sichtweise problematisch, da damit nicht weniger als eine Nachschusspflicht für den persönlich haftenden Gesellschafter eingeführt wird, die dem Personengesellschaftsrecht i. Ü. fremd ist (§ 707 BGB). Dem kann freilich entgegnet werden, dass der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG von diesem Grundsatz eine Ausnahme normieren wollte, wofür es in den Gesetzgebungsmaterialien allerdings keinerlei Anhaltspunkte gibt. Daher ist § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG aufgrund der damit verbundenen Schaffung von Restrukturierungshindernissen insgesamt als verfehlt zu betrachten und sollte daher abgeschafft werden.

___________ 49) Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 64.

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§ 24

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

49 Die Angemessenheit der Entschädigung muss sich an der Solvenz des persönlich haftenden Gesellschafters orientieren, da die Beschränkung seiner Haftung nur in diesem Umfang relevant ist.50) Dabei kann es aber nur um den Betrag gehen, um den die Restrukturierungsforderungen gekürzt oder umgestaltet wird, da der persönlich haftende Gesellschafter für diesen selbst in Anspruch genommen worden wäre. 50 Beispiel: A ist Komplementär und B Kommanditist der C-KG. B hat seine Einlage vollständig erbracht. Der Restrukturierungsplan sieht eine Kürzung der Restrukturierungsforderungen i. H. von 50 % vor, was einem Betrag von 100.000 € entspricht. Da A als Komplementär nun nicht mehr wie vor der Bestätigung des Restrukturierungsplans einer persönlichen Haftung i. H. von 200.000 € für die Verbindlichkeiten der C-KG unterliegt, sondern sich die Haftung nunmehr nur auf 100.000 € beschränkt, muss der Restrukturierungsplan nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG eine angemessene Entschädigung für die Gläubiger vorsehen. Diese muss sich daran orientieren, ob A die Differenz zwischen den „ersten“ und den „zweiten“ 100.000 € leisten könnte. Beschränkt sich die Leistungsfähigkeit des A auf insgesamt 150.000 €, muss der Restrukturierungsplan diesen, die verbleibende Haftung übersteigenden Betrag als angemessene Entschädigung abschöpfen, so dass sich diese in diesem Beispiel auf 50.000 € beläuft. V.

Finanzsicherheiten

51 Nicht in den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG fallen ausweislich des klaren Wortlauts schließlich Finanzsicherheiten i. S. von § 1 Abs. 17 KWG oder Sicherheiten i. S. von § 1 Abs. 16 KWG. Damit hat der deutsche Gesetzgeber die entsprechenden Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie51) und der Finalitätsrichtlinie52) umgesetzt, was der Rechtslage beim Insolvenzplan entspricht (§ 223 Abs. 1 Satz 2 InsO). VI.

Grenzüberschreitende Restrukturierungen

52 Bei grenzüberschreitenden Restrukturierungen stellt sich das Grundproblem, dass die Absonderungsrechte nicht in allen Rechtsordnungen auf die gleiche Art und Weise geregelt sind oder den gleichen Umfang haben. Daher wird es in diesen Fällen in der Regel notwendig sein, das auf die Absonderungsrechte anwendbare Recht zu bestimmen. Da es sich bei Absonderungsrechten – nach dem Verständnis des deutschen internationalen Privatrechts53) – um dingliche Rechte handelt, bedarf es der Anwendung des internationalen Sachenrechts. Dieses folgt in der Grundanknüpfung dem Belegenheitsortsprinzip (Art. 43 Abs. 1 EGBGB), so dass das Sachenrecht des Staates zur Anwendung kommt, in dem sich die Sache befindet. 53 Keine Bedeutung hat hingegen, ob das Absonderungsrecht in einem anderen Staat begründet wurde, da das anwendbare Sachenrecht mit der Verbringung einer Sache in einen anderen Staat nicht in Widerspruch zu der Rechtsordnung des Staates ausgeübt werden kann, in den die Sache verbracht wurde (Art. 43 Abs. 2 EBGB). Keine Bedeutung hat ferner eine von den Parteien vorgenommene Rechtswahl, da das internationale Sachenrecht eine solche Rechtswahl nicht zulässt. ___________ 50) Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110; krit. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 93. 51) Richtlinie (EG) 2002/47 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten (Finanzsicherheitenrichtlinie), ABl. (EG) L 168/43 v. 27.6.2002. 52) Richtlinie (EG) 98/26 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Finalitätsrichtlinie), ABl. (EG) L. 166/45 v. 11.6.1998. 53) Vgl. etwa Thole in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 40 Rz. 41 f.

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§ 24

Gesicherte Gläubiger

Fehlt es an einem (eindeutigen) Belegenheitsort – wie dies etwa bei Kryptowerten der 54 Fall ist – muss auf Art. 46 EGBGB (analog) zurückgegriffen und die enge Verbindung hergestellt werden. Besonders problematisch sind Globalsicherheiten, die im deutschen Kreditsicherungsrecht 55 keine Entsprechung finden. Dies gilt etwa für die Floating Charge des englischen Rechts.54) Im Grundsatz dürften diese aber bei einem deutschen Schuldner bzw. einer Gesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland von § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG erfasst werden, solange sich das Vermögen überwiegend in Deutschland befindet. Aufgrund des Brexits hat sich diese Problematik für die Floating Charge allerdings weitgehend erledigt, da eine identitätswahrende Sitzverlegung nach Deutschland (derzeit) nicht möglich ist.

___________ 54) Dazu etwa Schall, KTS 2009, 69 ff.; Schall, IPRax 2009, 209 ff.

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§ 25 Anteilsinhaber Mock

I. Überblick ..................................................... 1 II. Regelung in der Restrukturierungsrichtlinie ...................................................... 2 III. Anwendungsbereich................................... 4 IV. Begriff der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ............................... 14 1. Grundlagen................................................. 14 2. Erfasste (unmittelbare) Gesellschafterstellungen............................ 18 3. Erfassung von Unternehmensverträgen ..................................................... 22 4. (Keine) Erfassung von Beschränkungen von Gesellschaftern durch Gesellschaftervereinbarungen.............................. 24 5. (Keine) Erfassung von mittelbaren oder zukünftigen Gesellschafterstellungen ................................................... 32 6. Keine Erfassung von Inhabern von (reinen) Fremdkapitalinstrumenten ......... 36 7. Sonderfall der (typischen) stillen Beteiligung.................................................. 37 8. Mischformen von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten .............................. 42 V. Eingriffe in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ............................... 43 1. Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten .............................. 46 2. Sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen ................................................. 60

3.

Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten .............................. 67 3.1 Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner selbst ........... 72 3.2 Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners an Drittgesellschaften ........................ 78 4. Keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen ....................................... 83 VI. (Keine) Erfassung von Anteils- oder Mitgliedschaftspflichten ........................... 85 VII. Rechtfertigung von und Schranken bei Eingriffen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ............................... 86 1. Rechtfertigung der generellen Möglichkeit von Eingriffen in Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan ............................... 87 2. Schranken beim Bestehen verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten ........................ 91 2.1 Minderheitenschutz ...................... 92 2.2 Durchbrechung der absoluten Priorität.......................................... 93 2.3 (Grundrechtlicher) Schutz der Mitgliedschaft ......................... 94 2.4 Fehlende Bedeutung der Restrukturierungsrichtlinie .... 95 VIII. Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen durch das Registergericht.... 96

Literatur: Mock, Die fehlerhafte mehrgliedrige stille Gesellschaft (Teil I), DStR 2014, 536, (Teil II) DStR 2014, 598; Mulert/Steiner, Gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen im Insolvenz- und Restrukturierungsplan, NZG 2021, 673; Mylich, Die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters und die zur Rückzahlung bestellten Sicherheiten im Insolvenzverfahren der Handelsgesellschaft – zugleich kritische Besprechung von BGH, Urteil vom 28.6.2012 = WM 2012, 1874, WM 2013, 1010; Schäfer, Zur Einbeziehung der Gesellschafter in ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren nach dem Regierungsentwurf eines „StaRUG“, ZIP 2020, 2164; Seibt/Bulgrin, Entwurf zum Unternehmensstabilisierungsund Restrukturierungsgesetz (StaRUG) – Kritische Analyse aus gesellschaftsrechtlicher Sicht, DB 2020, 2226; Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121; Skauradszun, Neuralgische Punkte der Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, ZRI 2020, 625; Skauradszun, Anteilsinhaberrechte im präventiven Restrukturierungsrahmen, NZG 2019, 761; Wollring/Quitzau, Plandispositive Geschäftsführerhaftung? – Die Entlastung von Geschäftsführern im Insolvenz- und Restrukturierungsplan, ZRI 2021, 616.

I.

Überblick

1 Der Gesetzgeber des StaRUG1) hat im Anschluss an den europäischen Gesetzgeber für den Restrukturierungsplan die Möglichkeit vorgesehen, auch in die Anteils- oder Mitglied___________ 1)

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Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

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§ 25

Anteilsinhaber

schaftsrechte der an einem Schuldner beteiligten Person einzugreifen. Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtslage im Rahmen eines Insolvenzplans (§ 225a Abs. 1 und 3 InsO). Gleichwohl stellt sich beim Restrukturierungsplan eine Reihe von Sonderfragen vor allem hinsichtlich der Reichweite dieser Gestaltungsmöglichkeit. II.

Regelung in der Restrukturierungsrichtlinie

Die Restrukturierungsrichtlinie2) überlässt die Frage nach dem Bestehen von Eingriffs- 2 möglichkeiten in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan im Wesentlichen der Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten.3) Zwar wird der Begriff der Anteilsinhaber in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Restrukturierungsrichtlinie definiert (siehe Rz. 14 ff.), allerdings stellt Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Restrukturierungsrichtlinie klar, dass eine Einbeziehung der Anteilsinhaber in den Restrukturierungsplan dem nationalen Recht überlassen bleibt. Vorgaben macht die Restrukturierungsrichtlinie dahingehend nur in deren Art. 12, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Anteilseigner die Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren dürfen. Der europäische Gesetzgeber hat den Begriff der Anteilsinhaber – in der für europäisches 3 Sekundärrecht typischen Art und Weise – am Anfang der Restrukturierungsrichtlinie in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Restrukturierungsrichtlinie vermeintlich klar definiert. Danach handelt es sich bei einem Anteilsinhaber um eine Person, die eine Beteiligung an einem Schuldner oder an einem Unternehmen des Schuldners hält und kein Gläubiger ist. Damit weicht die europäische Definition des Anteilsinhabers kaum von derjenigen des deutschen Insolvenzrechts ab. Insofern folgt aus der erforderlichen europarechtskonformen Auslegung des StaRUG keine vom insolvenzrechtlichen Begriffsverständnis (siehe Rz. 2) abweichende Sichtweise. Gleichwohl ist zu beachten, dass die abschließende Auslegungskompetenz für die Restrukturierungsrichtlinie in den Händen des EuGH liegt, so dass dieser die Möglichkeit hat, für den Begriff des Anteilsinhabers ein abweichendes Verständnis in seiner Rechtsprechung zu entwickeln, was dann auch bei der Auslegung des StaRUG verbindlich wäre. Hinzu kommt, dass nicht völlig klar ist, ob die stille Gesellschaft unter die Definition von Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Restrukturierungsrichtlinie fällt (siehe Rz. 37 ff.). III.

Anwendungsbereich

Eine Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten im Rahmen des Restrukturie- 4 rungsplans kommt ausweislich des klaren Wortlauts von § 2 Abs. 3 StaRUG nur bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit in Betracht. Während der Begriff der juristischen Person in der deutschen Rechtsordnung allgemein verwendet wird,4) handelt es sich beim Begriff der Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit um einen Begriff des Insolvenzrechts (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), der aber auch für das StaRUG gilt. Ab dem 1.1.2024 wird dieser insolvenzspezifische Begriff der Gesellschaften ohne Rechts-

___________ 2)

3) 4)

Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Umfassend zur Regelung in der Restrukturierungsrichtlinie Schäfer, ZIP 2020, 2164 ff.; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226 ff.; Skauradszun, NZG 2019, 761 ff. Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 II.

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§ 25

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

persönlichkeit durch den allgemeinen Begriff der „rechtsfähigen Personengesellschaft“5) ersetzt. 5 Daher können nur Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an einer GmbH (§ 13 Abs. 1 GmbHG) inklusive der UG (haftungsbeschränkt) (§ 5a Abs. 1 GmbHG), an einer AktG (§ 1 Abs. 1 AktG), an einer SE (Art. 1 Abs. 3 SE-VO), an einem rechtsfähigen Verein, an einem nicht rechtsfähigen Verein (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO), an einem VVaG und an einer Genossenschaft (§ 1 GenG) durch einen Restrukturierungsplan geändert werden. Auch die Stiftung fällt als juristische Person (§ 80 BGB) in den Anwendungsbereich.6) Schließlich unterscheidet § 2 Abs. 3 StaRUG nicht zwischen juristischen Personen des Privat- und des öffentlichen Rechts, so dass letztere auch in den Anwendungsbereich fallen, zumal eine mit § 12 InsO vergleichbare Regelung im StaRUG nicht enthalten ist.7) 6 Zu den Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit zählen die oHG, die KG inklusive der Kapitalgesellschaft & Co. KG, die (Außen-)GbR,8) die Partenreederei, die PartG (§ 1 Abs. 4 PartGG) und die EWIV (§ 1 EWIV-AusfG). Keine Bedeutung hat, ob sich diese Gesellschaften in der Liquidation befinden.9) 7 Außerhalb des Anwendungsbereichs scheint zunächst die Innen-GbR zu sein, da es bei dieser mangels eigenem Vermögen an der Insolvenzfähigkeit fehlt.10) Daran wird auch das MoPeG11) nichts ändern; diese wird dann eine nicht rechtsfähige Gesellschaft nach § 740 Abs. 1 BGB n. F. sein. Die Rechte des Schuldners als Gesellschafter einer Innen-GbR können daher durch den Restrukturierungsplan nicht modifiziert werden. Auch ist eine Modifikation der Rechte im Rahmen einer Vertragsanpassung nicht möglich, da eine solche im StaRUG nicht (mehr)12) vorgesehen ist. Ebenso wenig können Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner, die Gegenstand von Gesellschaftervereinbarungen sind, durch einen Restrukturierungsplan jedenfalls im Hinblick auf die Bindung durch die Gesellschaftervereinbarung modifiziert werden (siehe Rz. 24 ff.). 8 Nicht völlig eindeutig ist, ob die stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB) von § 2 Abs. 3 StaRUG erfasst wird. Ausgangspunkt ist dabei, dass diese als reine Innengesellschaft nicht insolvenzfähig ist.13) Dies gilt auch für die atypisch stille Gesellschaft und die mehrgliedrige stille Gesellschaft, da es sich bei diesen Subformen der stillen Gesellschaft auch um reine Innengesellschaften handelt.14) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die höchst-

___________ 5) Der Begriff wird durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436, eingeführt und ersetzt den Begriff der Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. 6) Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 32. 7) A. A. wohl Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 32. 8) Zur bloßen Erfassung der (Außen-)GbR und nicht der (Innen-)GbR durch § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO vgl. nur Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rz. 374; K. Schmidt in: K. Schmidt, InsO, § 11 Rz. 15; a. A. aber etwa Prütting in: KPB, InsO, § 11 Rz. 41. 9) Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 32. 10) S. Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 32. 11) Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 12) Dies war im ursprünglichen RefE noch anders, da dieser mit den §§ 49 – 52 noch Regelungen zur Vertragsbeendigung vorsah, bei denen freilich nicht sicher war, ob diese auch auf den Gesellschaftsvertrag einer Innen-GbR Anwendung finden konnten. 13) Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 236 Rz. 1; K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 236 Rz. 1. 14) Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 236 Rz. 37 und Rz. 42.

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§ 25

Anteilsinhaber

richterliche Rechtsprechung15) die mehrgliedrige stille Gesellschaft als Verband anerkannt hat.16) Allerdings stellt sich bei allen Gestaltungsformen der stillen Gesellschaft die Frage, ob mit diesen nicht Anteilsrechte am Schuldner begründet werden, die eine Gestaltung im Restrukturierungsplan zulassen (siehe Rz. 37 ff.). Beispiel 1: A beteiligt sich an der B-GmbH mit einer stillen Beteiligung mit einer Laufzeit von 9 fünf Jahren. Dafür leistet er eine Einlage von 10.000 € und erhält eine Gewinnbeteiligung von 5 %. Da die stille Beteiligung an der B-GmbH eine reine Innen-GbR und damit nicht insolvenzfähig ist, kann für diese selbst kein Restrukturierungsplan erstellt werden. Allerdings ist die Frage, ob der Inhalt des stillen Gesellschaftsvertrags im Rahmen eines Restrukturierungsplans für die B-GmbH umgestaltet werden kann (siehe Rz. 37 ff.). Ähnlich verhält es sich bei der Unterbeteiligung, da es sich auch bei dieser Gestaltungs- 10 form um eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts handelt,17) bei der es an einem Gesellschaftsvermögen und somit an einer Insolvenzfähigkeit fehlt.18) Allerdings stellt sich auch bei der Unterbeteiligung die Frage, ob mit dieser nicht Anteilsrechte am Schuldner begründet werden, die eine Gestaltung im Restrukturierungsplan zulassen (siehe Rz. 32 ff.). Nicht eindeutig ist ferner, ob auch ausländische juristischen Personen und Gesellschaften 11 ohne Rechtspersönlichkeit in den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 3 StaRUG einbezogen sind. Für die ausländischen Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland dürfte eine Einbeziehung in einen Restrukturierungsplan ohne weiteres zulässig sein, da dies auch im Rahmen des europäischen Insolvenzrechts (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO) möglich ist;19) wenn schon die Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer ausländischen Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland möglich ist, muss dies erst recht für den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen gelten.20) Bei ausländischen Gesellschaften mit Verwaltungssitz in einem anderen Mitgliedstaat ist dies im Ergebnis abzulehnen, da es dann an einem hinreichenden Bezug zu Deutschland fehlt. Bei Gesellschaften auf Drittstaaten dürfte sich die Frage meist nicht stellen, da die Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens in Deutschland bei einer außereuropäischen Gesellschaft in der Regel vor dem Problem der Anerkennung im Ausland steht, was sich derzeit kaum verlässlich gestalterisch adressieren lässt. Ausweislich des klaren Wortlauts von § 2 Abs. 3 StaRUG ist eine Gestaltung von Anteils- 12 oder Mitgliedschaftsrechten nur beim Schuldner selbst möglich. Daher können Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners an (anderen) juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit durch den Restrukturierungsplan im Grundsatz nicht gestaltet werden. Etwas Anderes gilt lediglich für Übertragungen von Beteiligungen des Schuldners an anderen juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die Gegenstand des Restrukturierungsplans sein können (siehe Rz. 67 ff.); über etwaige Übertragungsbeschränkungen kann sich der Restrukturierungsplan dabei allerdings nicht hinwegsetzen (siehe Rz. 67 ff.). ___________ 15) BGH v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 – Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf die mehrgliedrige stille Gesellschaft; umfassend dazu Mock in: Röhricht/ v. Westphalen/Haas, HGB, § 236 Rz. 171; Mock, DStR 2014, 536 ff. und DStR 2014, 598 ff. 16) Zur Qualifikation der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft als reine Innengesellschaft vgl. Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 236 Rz. 160 ff. 17) BGH v. 11.8.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316, 320; BGH v. 16.2.1959 – II ZR 194/57, WM 1959, 595, 596; Harbarth in: Staub, Großkomm-HGB, § 230 Rz. 269; Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 230 Rz. 221 ff. 18) Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 236 Rz. 47. 19) Vgl. nur Mock in: BeckOK-InsO, Art. 3 EuInsVO Rz. 13. 20) Im Ergebnis wohl auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 32.

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§ 25

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

13 Die Gestaltung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ist schließlich nur beim Schuldner selbst und nicht konzernweit oder konzernübergreifend möglich. Der Konzern – in welcher Gestaltungsform auch immer – fällt nicht unter § 2 Abs. 3 StaRUG. Damit besteht eine im Vergleich zum Konzerninsolvenzrecht (§§ 56b, 269a ff. InsO) nicht unerhebliche Regelungslücke, die sich aber wohl durch eine Koordination von Restrukturierungsplänen bei den jeweiligen Konzerngesellschaften schließen lässt. Einer solchen Koordination auch im Hinblick auf die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an den jeweiligen Einzelgesellschaften steht § 2 Abs. 3 StaRUG jedenfalls nicht entgegen. Zur fehlenden Erfassung von Unternehmensverträgen durch § 2 Abs. 3 StaRUG siehe Rz. 22. IV.

Begriff der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte

1.

Grundlagen

14 Der Begriff der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte wird im StaRUG – im Gegensatz zur Restrukturierungsrichtlinie (siehe Rz. 2 f.) – selbst nicht definiert. Gleichwohl lassen sich vor allem im europäischen als auch im deutschen Regelungskontext Definitionsansätze entwickeln, auf deren Grundlage die Inhaber einzelner Beteiligungsformen als Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte betrachtet werden können. 15 Das StaRUG ist bei den Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten nicht ganz eindeutig. So wird einerseits in §§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 1 und Abs. 4, 9 Abs. 1 Nr. 4, 15 Abs. 2, 24 Abs. 1 Nr. 3, 67 Abs. 5, 76 Abs. 2 Nr. 1 sowie in Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG der Begriff der Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten verwendet, während in § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG nur von Anteilsinhaber die Rede ist. Trotz der Verwendung dieser unterschiedlichen Begriffe scheint insgesamt das gleiche gemeint zu sein, zumal lediglich § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG auf den Anteilsinhaber abstellt. In diesem Fall dürfte es sich um ein redaktionelles Versehen handeln, so dass dem StaRUG insgesamt ein einheitlicher Begriff zugrunde liegt. Gleichwohl ist zu beachten, dass auch die InsO dieses Nebeneinander kennt (zur Frage der Maßgeblichkeit des Begriffsverständnisses der InsO siehe Rz. 3). 16 Den Begriff der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte scheint das StaRUG vorauszusetzen. Auch die Gesetzgebungsmaterialien zu den jeweiligen Normen, in denen das StaRUG auf den Begriff der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte Bezug nimmt, geben keinen näheren Aufschluss darüber, wie dieser Begriff auszulegen ist. Aus diesem Umstand kann aber wohl geschlossen werden, dass dem StaRUG jedenfalls keine eigenständige Begrifflichkeit zugrunde zu legen ist. 17 Allerdings wird der Begriff der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in der InsO mehrfach verwendet (§§ 217 Abs. 1, 222 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 230 Abs. 2, 245 Abs. 2 Satz 3, 252 Abs. 2 Satz 2, 254 Abs. 4, 254a Abs. 2 Satz 1 InsO) und dort in § 225a Abs. 1 InsO im Prinzip als am Schuldner beteiligte Person definiert. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung und der sachlichen Regelungsnähe liegt es daher nahe, auch im Rahmen des StaRUG diese Definition zu verwenden.21) 2.

Erfasste (unmittelbare) Gesellschafterstellungen

18 Als Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte sind daher zunächst alle Beteiligungsformen erfasst, die eine unmittelbare Gesellschafterstellung an einer juristischen Person einräumen. Dies bedeutet, dass durch den Restrukturierungsplan die Rechte von Aktionären an einer AG oder einer SE, von Gesellschaftern einer GmbH bzw. einer UG (haftungsbeschränkt), von ___________ 21) Ähnlich Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2234.

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§ 25

Anteilsinhaber

Mitgliedern eines rechtsfähigen Vereins oder eines nicht rechtsfähigen Vereins und von Mitgliedern einer Genossenschaft gestaltet werden können. Keine Bedeutung hat, ob das Stimmrecht dieser Gesellschafter dauerhaft, etwa bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien,22) oder etwa wegen eines Rechtsverlustes (§ 44 WpHG, § 59 WpÜG), vorübergehend ausgeschlossen ist. Das gleiche gilt für unmittelbare Gesellschafter an einer Gesellschaft ohne Rechtspersön- 19 lichkeit, so dass die Rechte von Gesellschaftern einer oHG, einer KG, einer Kapitalgesellschaft & Co. KG, einer (Außen-)GbR und einer Partenreederei als Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte zu verstehen sind. Dies gilt auch für Partner einer PartG und Mitglieder einer EWIV. Da auch juristische Personen des öffentlichen Rechts über Mitglieder verfügen, können 20 deren Rechte durch den Restrukturierungsplan umgestaltet werden. Der Umstand, dass es sich dabei um Zwangsmitgliedschaften handeln kann, steht dem nicht entgegen. Problematisch sind Stiftungen, da diese über keine mit den juristischen Personen des Privat- 21 rechts oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit vergleichbaren Mitglieder verfügen. Gleichwohl können durch den Restrukturierungsplan Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte umgestaltet werden, da jedenfalls für den Begriff der Anteilsinhaber auf die Restrukturierungsrichtlinie abzustellen und insofern ein großzügiger Maßstab anzulegen ist. Daher können bei der Stiftung i. R. eines Restrukturierungsplans die Rechte von Destinatären umgestaltet werden. 3.

Erfassung von Unternehmensverträgen

Unternehmensverträge nach §§ 291 ff. AktG dürften ebenfalls als Anteils- oder Mitglied- 22 schaftsrechte i. S. von § 2 Abs. 3 StaRUG zu betrachten sein, so dass diese auch durch einen Restrukturierungsplan umgestaltet werden können. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht ganz unproblematisch. Unternehmensverträge stellen nach der h. M. nicht nur einfache schuldrechtliche, sondern Organisationsverträge dar.23) Mit diesen wird massiv in der Organisationsverfassung des Schuldners eingegriffen und dem Vertragspartner Rechte eingeräumt, die typischerweise nur Inhabern von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten zukommen, so dass von einer Erfassung auszugehen ist. Zudem ist zu beachten, dass es widersprüchlich wäre, wenn der Restrukturierungsplan den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung des Schuldners umgestalten könnte, dies bei einem Unternehmensvertrag mit ähnlichen Wirkungen aber nicht möglich wäre. Allerdings ist insofern zu beachten, dass bei Unternehmensverträgen die Sphäre des Schuldners verlassen wird und diese auf der Gegenseite einen Vertragspartner haben, der nicht zwingend Gesellschafter des Schuldners sein muss. Gleichwohl geht die Wirkung von Unternehmensverträgen über die von schuldrechtlichen Verträgen hinaus, so dass diese auch unter § 2 Abs. 3 StaRUG fallen müssen. Beispiel 2: Die K-AG und die M-AG haben einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen, 23 wonach sich die K-AG verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an die M-AG abzuführen. Ein Restrukturierungsplan für die K-AG kann – sofern man von einer Erfassung von Unternehmensverträgen durch § 2 Abs. 3 StaRUG ausgeht – nun auch diesen Gewinnabführungsvertrag modifizieren. Würde man dies ablehnen, wäre eine Restrukturierung von Schuldnern mit Unternehmensverträgen nicht nur erheblich schwieriger, sondern oftmals auch faktisch unmöglich. Kein Gläubiger würde einem Debt to Equity Swap bei der K-AG zustimmen und kein Investor würde in die K-AG investieren, solange der Gewinnabführungsvertrag Bestand hat. ___________ 22) Zu deren Erfassung Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 33. 23) Vgl. Veil/Walla in: BeckOGK-AktG, § 291 Rz. 29 m. w. N.

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§ 25 4.

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte (Keine) Erfassung von Beschränkungen von Gesellschaftern durch Gesellschaftervereinbarungen

24 Nicht ganz eindeutig ist, wie mit Gesellschaftervereinbarungen umzugehen ist, die im Hinblick auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner von den Gesellschaftern geschlossen wurden. Dabei lassen sich drei verschiedene Arten von Gesellschaftervereinbarungen in Form von Stimmbindungsverträgen (siehe Rz. 25), Übertragungsbeschränkungen (siehe Rz. 26) und Organbesetzungsvereinbarungen (siehe Rz. 27) ausmachen. 25 Beispiel 3: A, B, C und D sind zu gleichen Teilen Gesellschafter der X-GmbH. A, B und C haben zudem eine (schuldrechtliche) Gesellschaftervereinbarung untereinander geschlossen, wonach sie ihr Abstimmungsverhalten auf der Gesellschafterversammlung immer einen Tag vorher untereinander koordinieren und sich dabei verpflichten, auf der Gesellschafterversammlung immer so abzustimmen, wie es die Mehrheit der drei Gesellschafter einen Tag vorher beschlossen hat. 26 Beispiel 4: F, G, H und I sind zu gleichen Teilen Gesellschafter der Y-GmbH. F und G haben zudem eine (schuldrechtliche) Gesellschaftervereinbarung untereinander geschlossen, wonach sie sich jeweils ein Vorkaufsrecht für ihren jeweiligen Gesellschaftsanteil für den Fall einräumen, dass einer der beiden Gesellschafter die Y-GmbH verlassen will. 27 Beispiel 5: M, N, O und P sind zu gleichen Teilen Gesellschafter der Z-GmbH. M, N und O haben zudem eine (schuldrechtliche) Gesellschaftervereinbarung untereinander geschlossen, wonach immer ein Familienangehöriger der T-Familie zum Geschäftsführer der Z-GmbH bestellt werden muss. 28 Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 StaRUG werden diese Fälle offenbar auch erfasst, da § 2 Abs. 3 StaRUG nicht auf den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung direkt Bezug nimmt, sondern lediglich eine Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten am Schuldner durch den Restrukturierungsplan erwähnt. Gleichwohl würde eine solche Erfassung der (schuldrechtlichen) Gesellschaftervereinbarungen die Sphäre des Schuldners verlassen und in Rechtsverhältnisse eingreifen, die jenseits des Schuldners begründet wurden. Daher spricht mehr dafür, dass der Restrukturierungsplan schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen nicht modifizieren kann. Allerdings können die schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen umgekehrt den Restrukturierungsplan auch nicht beschränken oder begrenzen. Dieser kann den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung umgestalten (siehe Rz. 46 ff.), ohne Rücksicht auf die schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen nehmen zu müssen. Daraus kann sich ergeben, dass die schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen aufgrund der Modifikationen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung durch den Restrukturierungsplan nicht mehr den bei deren Abschluss verfolgten Zweck erfüllen können, so dass diese möglicherweise gekündigt oder angepasst werden können. Im Extremfall kann die schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen dann ins Leere gehen, weil sie auf Beteiligungsverhältnissen aufbaut, die nicht mehr vorhanden sind. 29 Für das Beispiel 3 (siehe Rz. 25) bedeutet dies, dass ein Restrukturierungsplan bei der X-GmbH den Stimmverbindungsvertrag zwischen A, B und C unberührt lässt, so dass diese auch nach der Umsetzung des Restrukturierungsplans an diesen gebunden sind. Allerdings können sich die Mehrheitsverhältnisse an der X-GmbH durch den Restrukturierungsplan erheblich verschieben, so dass der Stimmverbindungsvertrag zwischen A, B und C deutlich an Bedeutung verliert, was seine Bindungswirkung gleichwohl nicht beeinflusst. 30 Auch im Beispiel 4 (siehe Rz. 26) berührt der Restrukturierungsplan die Gesellschaftervereinbarung zwischen F und G nicht. F und G sind auch nach der Umsetzung des Restrukturierungsplans daran gebunden.

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§ 25

Anteilsinhaber

Schließlich gilt dies auch für die Gesellschaftervereinbarung zwischen M, N und O im Bei- 31 spiel 5 (siehe Rz. 27), so dass diese daran noch gebunden sind. Allerdings können sich durch den Restrukturierungsplan erhebliche Verschiebungen bei den Mehrheitsverhältnissen ergeben, so dass die Gesellschaftervereinbarung zwischen M, N und O faktisch ins Leere geht, da M, N und O über die Bestellung des Geschäftsführers der Z-GmbH mangels Mehrheitsmacht nicht mehr allein entscheiden können. 5.

(Keine) Erfassung von mittelbaren oder zukünftigen Gesellschafterstellungen

Keine Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner werden durch lediglich mittelbare 32 Gesellschafterstellungen begründet. Dies gilt vor allem für die Unterbeteiligung, so dass diese durch einen Restrukturierungsplan bei einem Schuldner, an dessen Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht eine solche Unterbeteiligung begründet wurde, nicht umgestaltet werden kann. Beispiel 6: A ist Gesellschafter der B-GmbH und hält einen Gesellschaftsanteil über 25 %. 33 Für diesen Gesellschaftsanteil haben A und C einen Unterbeteiligungsvertrag geschlossen, wonach C einen Anspruch gegen A auf 50 % des auf diesen Gesellschaftsanteil entfallenen Gewinns hat. Ein Restrukturierungsplan für die B-GmbH kann diesen Unterbeteiligungsvertrag nicht umgestalten, da C kein Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht an der B-GmbH hat. Ebenfalls nicht ausreichend ist ein bloß zukünftiges Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht, wie 34 dies durch Options- oder Wandelrechte vermittelt wird. Daher fallen Optionsanleihen ebenso wie Wandelanleihen – auch in Form der Pflichtwandelanleihe – nicht unter die Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte des § 2 Abs. 3 StaRUG. Allerdings ist zu beachten, dass die (künftigen) Anteilsrechte gleichwohl im Restrukturierungsplan gestaltet werden können. Beispiel 7: Die X-AG emittiert Optionsanleihen zum Ausgabepreis von 1.000 € mit einer Lauf- 35 zeit von fünf Jahren und einer Verzinsung von 5 %. Am Ende der Laufzeit haben die Inhaber das Recht, statt der Rückzahlung der 1.000 € fünf Aktien zu beziehen. Bis zur Ausübung dieses Rechts handelt es sich bei den Inhabern der Optionsanleihe um reine Gläubiger, die über keine Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der X-AG verfügen. Diese entstehen erst bei einer entsprechenden Ausübung des Rechts. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Optionsrecht von der Optionsanleihe abgetrennt und separat gehandelt wird, da auch dann immer noch kein Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht an der X-AG besteht. Die durch den Restrukturierungsplan begründeten Modifikationen der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der X-AG gelten auch für die Mitgliedschaftsrechte, die erst später durch Ausübung der entsprechenden Optionsoder Wandelrechte entstehen. Schließlich ist zu beachten, dass der Restrukturierungsplan in der Regel nicht unerhebliche Modifikationen der Inhaber der Anleihen als Gläubiger des Schuldners beinhalten wird, so dass der Umfang der Options- oder Wandelrechte nach der Umsetzung des Restrukturierungsplans meist geringer ausfallen wird. 6.

Keine Erfassung von Inhabern von (reinen) Fremdkapitalinstrumenten

Zudem werden als Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte keine Fremdkapitalinstrumente er- 36 fasst. Dies ergibt sich schon aus der Definition von Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Restrukturierungsrichtlinie aufgrund des Umstands, dass Fremdkapitalinstrumente eine Gläubigerstellung für den Inhaber begründen. Dies gilt für Schuldverschreibungen und (einfache) Genussrechte.24) Zu Wandel- und Optionsanleihen Rz. 34 f.

___________ 24) Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 33.

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§ 25 7.

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte Sonderfall der (typischen) stillen Beteiligung

37 Problematisch ist ferner die Erfassung der (typischen) stillen Beteiligung.25) Durch diese wird keine unmittelbare Gesellschafterstellung an einem Handelsgewerbe begründet; dies gilt auch dann, wenn das Handelsgewerbe in der Rechtsform der juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit betrieben wird. Allerdings stellt die stille Gesellschaft gerade eine Beteiligungsform dar, die über die Gewährung eines bloßen (schuldrechtlichen) Darlehens hinausgeht26) und rechtshistorisch mit der KG verwandt27) ist bzw. sich von letzterer nur dadurch unterscheidet, dass die stillen Gesellschafter nicht als Gesellschafter im Handelsregister eingetragen werden und keiner Außenhaftung unterliegen.28) Gerade diese beiden Punkte sprechen dafür, die stille Gesellschaft jedenfalls als Anteilsrechte i. S. von § 2 Abs. 3 StaRUG zu betrachten. Diese Auslegung wird auch durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Restrukturierungsrichtlinie gestützt, der für die Definition des Anteilsinhabers nicht nur auf eine Beteiligung am Schuldner selbst, sondern auch an dem Unternehmen des Schuldners abstellt. Eben letzteres ist Wesenskern der stillen Gesellschaft. 38 Problematisch ist allerdings, dass die stille Beteiligung in nicht allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten existiert,29) so dass i. R. eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH die Besonderheit dieser Beteiligungsform möglicherweise nicht hinreichend gewürdigt wird. Dies ändert allerdings nichts daran, dass Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Restrukturierungsrichtlinie die stille Gesellschaft der Sache nach erfasst. Der Erfassung der stillen Beteiligung als Anteilsrecht i. S. von § 2 Abs. 3 StaRUG steht auch nicht entgegen, dass der deutsche Gesetzgeber die Vertragsbeendigung im Gesetzgebungsverfahren des StaRUG gestrichen hat. Die stille Gesellschaft basiert zwar auch auf einem Vertrag, stellt aber eine Innen-GbR dar, so dass die allgemeinen Vorschriften zur Vertragsbeendigung auf diese wohl ohnehin nicht anwendbar gewesen wären.30) Aus der Streichung der §§ 49 – 52 StaRUG RefE kann daher kein Argument für eine fehlende Erfassung der stillen Gesellschaft durch § 2 Abs. 3 StaRUG abgeleitet werden. 39 Für die atypisch stille Gesellschaft kann nichts anders gelten. Bei dieser ergibt sich sogar erst recht das Bedürfnis nach einer Einbeziehung in § 2 Abs. 3 StaRUG. Es wäre nicht überzeugend, wenn etwa die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte eines GmbH-Gesellschafters durch einen Restrukturierungsplan umgestaltet werden könnten, während die Rechte eines atypisch still an der GmbH beteiligten Gesellschafters unberührt blieben. Dafür spricht auch, dass der atypisch stille Gesellschafter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes nicht einmal als nachrangiger Gläubiger beteiligt ist, sondern auf die Überschussbeteiligung nach § 199 InsO beschränkt ist.31) Eine fehlende Einbeziehung in den Restrukturierungsplan würde ihn daher gegenüber dem regulären Gesellschafter privilegieren. 40 Beispiel 8: Die A-GmbH hat einen Gesellschafter X, der den einzigen Gesellschaftsanteil an der A-GmbH hält. Zudem hat die A-GmbH mit dem Y einen atypisch stillen Beteiligungsvertrag abgeschlossen, wonach Y eine Einlage von 100.000 € leistet und nach dem Beteiligungsvertrag so behandelt wird, als wenn er einen Gesellschaftsanteil von 50 % an der A-GmbH halten ___________ 25) Deren Einbeziehung abl. Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 32. 26) Zur Abgrenzung der stillen Gesellschaft von rein schuldrechtlichen Verhältnissen Mock in: Röhricht/ v. Westphalen/Haas, HGB, § 230 Rz. 10 ff.; K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 230 Rz. 54 ff. 27) Dazu ausführlich Lamprecht in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, § 3.1 ff. 28) Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 230 Rz. 153 m. w. N. 29) Im Überblick Lamprecht in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, § 3.7 ff. 30) Zur fehlenden Geltung der allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften auf die stille Gesellschaft Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 230 Rz. 38. 31) Dazu Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 236 Rz. 38; Mylich, WM 2013, 1010, 1014.

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§ 25

Anteilsinhaber

würde. Eine alleinige Erfassung der Beteiligung des X durch den Restrukturierungsplan wäre wenig überzeugend, da Y vertraglich einem „echten“ Gesellschafter gleichsteht. Letztlich müssen auch Beteiligungen von Investoren i. R. einer mehrgliedrigen stillen 41 Gesellschaft an einem Handelsgewerbe als Anteilsrechte i. S. von § 2 Abs. 3 StaRUG betrachtet werden, da sich diese von der typisch stillen Gesellschaft nur dadurch unterscheidet, dass sich mehrere stille Gesellschafter koordiniert an einem Handelsgewerbe beteiligen.32) Anknüpfungspunkt ist dabei der Restrukturierungsplan beim Inhaber des Handelsgewerbes, der dann eben auch den Gesellschaftsvertrag der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft gestalten kann. 8.

Mischformen von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten

Schwierigkeiten bereiten ferner Mischformen von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten. 42 Dies gilt zunächst für Fremdkapitalinstrumente (siehe Rz. 36), bei denen die jeweiligen Bedingungen qualifizierte Nachrangabreden enthalten. Denn auch wenn es sich dadurch um faktisches Eigenkapital handelt, folgt daraus nicht automatisch, dass diese als Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte zu betrachten sind. Daher stellen diese keine Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte i. S. von § 2 Abs. 3 StaRUG dar.33) V.

Eingriffe in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte

Nach § 2 Abs. 3 StaRUG kann auf dreierlei Weise in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte 43 am Schuldner eingegriffen werden: 

So können diese ausweislich des Wortlauts von § 2 Abs. 3 StaRUG gestaltet (siehe Rz. 46 ff.),



sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen getroffen (siehe Rz. 60 ff.) sowie



Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte übertragen werden (siehe Rz. 67 ff.).

Die Frage, ob es sich dabei um eine abschließende Aufzählung handelt, stellt sich letztlich 44 nicht, da die einzelnen Eingriffsoptionen denkbar weit formuliert sind. Alle diese Maßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass gegen den numerus clausus des 45 Gesellschaftsrechts verstoßen und neue Gesellschaftsformen geschaffen werden, die die Rechtsordnung als solche nicht kennt.34) Dies ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts, kann aber auch aus der Bezugnahme in § 2 Abs. 3 StaRUG auf die gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelungen abgeleitet werden. Insofern ist die Frage, ob sich die in § 2 Abs. 3 StaRUG vorausgesetzte gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit nur auf die sonstigen Regelungen oder auf alle Eingriffe in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte bezieht, nicht weiterführend. 1.

Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten

Zunächst kann der Restrukturierungsplan Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte gestalten. 46 Bei Mitgliedschaftsrechten setzt dies eine Änderung des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung voraus, da diese die Basis für die Mitgliedschaftsrechte sind, soweit sich die Mitgliedschaftsrechte nicht schon aus dem Gesetz ergeben.35) Dabei kann der Restrukturierungsplan jede Regelung im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte vorsehen, die gesell___________ 32) 33) 34) 35)

Zu dieser Gestaltungsform Mock in: Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 230 Rz. 150 ff. Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 33. So auch Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677. Vgl. dazu nur Mock in: BeckOGK-AktG, § 11 Rz. 32 ff.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

schaftsrechtlich zulässig ist. Ausweislich des Wortlauts von § 2 Abs. 3 StaRUG ist jede Gestaltung zulässig. Daher können Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte beeinträchtigt, aber auch erweitert werden. Zum grundrechtlichen Schutz der (bisherigen) Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte siehe Rz. 94. Praktisch bedeutsam dürften 

die Abschaffung von Sonderrechten einzelner Gesellschafter (Rz. 47) sowie



die Veränderung der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises – ohne die Übertragung von Gesellschaftsanteilen (dazu Rz. 67 ff.) – durch Kapitalerhöhungen (Rz. 48), Kapitalherabsetzungen (Rz. 51), den Ausschluss von Gesellschaftern (Rz. 49) und durch den freiwilligen Austritt (Rz. 50) sein.

47 Der Restrukturierungsplan kann eine Aufhebung der Sonderrechte von Gesellschaftern vorsehen, ohne dass dazu die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters notwendig ist.36) Dabei spielt es im Grundsatz auch keine Rolle, um welche Art von Sonderrechten es sich dabei handelt. Allerdings ist vor dem Hintergrund der Grundrechtsposition der Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte zu fordern, dass Sonderrechte von Gesellschaftern nur dann durch den Restrukturierungsplan geändert werden können, wenn diese für eine Restrukturierung des Schuldners auch erforderlich sind. Dies ist etwa bei einer Änderung von Liquidationsvorrechten sicher nicht der Fall, da diese Rechte die werbende Gesellschaft letztlich nicht berühren. Soweit solche Sonderrechte in schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen vorgesehen sind, werden diese durch den Restrukturierungsplan ebenfalls nicht berührt, da schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen nicht unter § 2 Abs. 3 StaRUG fallen (siehe Rz. 24 ff.). 48 Unter die Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten fällt auch die Aufnahme neuer Gesellschafter i. R. von Kapitalerhöhungen.37) Die Anforderungen daran sind bisher wenig erforscht. Sicher dürfte nur sein, dass eine uneingeschränkte Aufnahme neuer Gesellschafter nicht möglich ist. Vielmehr dürften die zum Schutz der Altgesellschafter im Gesellschaftsrecht bestehenden Schutzinstrumente auch in diesem Zusammenhang mehr oder weniger Anwendung finden (zum Bezugsrecht siehe Rz. 57 ff.). 49 Weitgehend ungeklärt ist es, ob einzelne Gesellschafter durch den Restrukturierungsplan auch aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können. Diese im Gesellschaftsrecht regelmäßig als ultima ratio ausgestaltete Option dürfte auch i. R. des Restrukturierungsplans unter ähnlichen Vorbehalten stehen, die noch einer genaueren Untersuchung bedürfen. 50 Ein freiwilliger Austritt aus der Gesellschaft ist für einen Gesellschafter möglich,38) ohne dass der Restrukturierungsplan dabei allerdings eine Nachhaftung begrenzen kann, da es sich dabei um Ansprüche Dritter handelt. Setzt der freiwillige Austritt der Gesellschaft einen wichtigen Grund voraus, kann dieser nicht durch den Restrukturierungsplan herbeigeführt werden oder sich über diesen hinwegsetzen.39) 51 Bei Kapitalherabsetzungen dürfte eine Ersetzung des Gesellschafterbeschlusses durch den Restrukturierungsplan zulässig sein. Dies gilt aber nicht für den Fall der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (§ 237 AktG), wenn die Satzung keine entsprechende Regelung enthält.40) Letzterem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Übertragung von Gesellschaftsanteilen durch den Restrukturierungsplan angeordnet werden ___________ 36) 37) 38) 39) 40)

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Wohl auch Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 679. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 680. So auch zur Parallelregelung des § 225a InsO AG Berlin-Charlottenburg v. 9.2.2015 – HRB 153203 B, NZG 2015, 1326; a. A. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678.

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Anteilsinhaber

kann,41) da sich diese Möglichkeit gerade nicht auf Anteile des Schuldners selbst bezieht (siehe Rz. 4 ff.). Für Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung durch den Restrukturierungs- 52 plan ist keine Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats notwendig. Dies gilt sowohl für den Fall, dass derartige Zustimmungsvorbehalte im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung selbst oder gesetzlich vorgesehen sind. In letzterem Fall ergibt sich dies daraus, dass § 2 Abs. 3 StaRUG insofern eine lex specialis darstellt. Daher bedarf es auch schon keiner Einberufung einer Gesellschafter- oder Hauptversammlung.42) Für den Sonderfall des Bezugsrechtsausschlusses siehe Rz. 57. Eine Abfindung bei einer Beeinträchtigung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte durch 53 den Restrukturierungsplan ist – im Gegensatz zur Rechtslage beim Insolvenzplan (§ 225a Abs. 5 InsO) – gesetzlich nicht vorgesehen, so dass eine solche im Grundsatz auch nicht vorgesehen werden muss. Entgegenstehende gesellschaftsrechtliche Sonderregelungen sind unbeachtlich, da § 2 Abs. 3 StaRUG dahingehend eine lex specialis darstellt. Eine uneingeschränkte entschädigungslose Beeinträchtigung ihrer Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte müssen die Gesellschafter vor dem Hintergrund ihrer Grundrechtsposition (wohl) allerdings nicht hinnehmen (siehe Rz. 94). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 7 Abs. 4 Satz 3 StaRUG, da sich dieser zum einen nur auf den Debt to Equity Swap bezieht und zum anderen auch nur die Möglichkeit der Zahlung von Abfindungen vorsieht.43) Daher wird es im Ergebnis oftmals zwingend erforderlich sein, im Restrukturierungsplan Abfindungsansprüche vorzusehen, um den Grundrechtspositionen der Gesellschafter hinreichend Rechnung zu tragen.44) Hinsichtlich der Form oder gestalterischen Vorgehensweise bei der Änderung der An- 54 teils- oder Mitgliedschaftsrechte macht § 2 Abs. 3 StaRUG keine Vorgaben. Aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten sollte der Restrukturierungsplan bei einer Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten die jeweils relevante (bisherige) Bestimmung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags und deren neue Fassung nennen. Zudem sollten etwaig erforderliche Registereintragungen umgehend vorgenommen werden, auch wenn die Rechtsfolgen der Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten durch den Restrukturierungsplan wohl schon mit dessen Bestätigung eintreten. Die ggf. erforderliche Anmeldung im Handelsregister ist durch die Geschäftsleiter/Gesellschafter und nicht durch den Restrukturierungsbeauftragten vorzunehmen.45) Besonderen Formerfordernissen, wie etwa notarielle Beurkundungen im Zusammenhang 55 mit der Änderung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags (§ 53 Abs. 2 GmbHG, § 181 Abs. 1 Satz 2 AktG), ist nicht gesondert Rechnung zu tragen, da diese durch den Restrukturierungsplan ersetzt werden.46) Jenseits der Gestaltungsmöglichkeit durch den Restrukturierungsplan stehen schuldrecht- 56 liche Gesellschaftervereinbarungen, mit denen die Gesellschafter ihre Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte untereinander koordinieren (siehe Rz. 24 ff.). Für das Bezugsrecht der Altgesellschafter bei Kapitalerhöhungen ist die derzeitige Rechts- 57 lage problematisch. Ausgangspunkt ist Art. 32 Restrukturierungsrichtlinie/Art. 84 Gesell___________ 41) 42) 43) 44) 45) 46)

So aber Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676. Tendenziell auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90. So auch Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 679. Ebenso Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

schaftsrechtsrichtlinie47), wonach die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, jedenfalls für das Bezugsrecht der Altaktionäre in der AG eine Ausnahmeregelung vorzusehen. Diesem Umsetzungsauftrag ist der deutsche Gesetzgeber nicht nachgekommen. Zwar wird in § 7 Abs. 4 StaRUG der Bezugsrechtsausschluss erwähnt; diese Regelung betrifft aber nur den Debt to Equity Swap und nicht alle (anderen) Arten von Kapitalerhöhungen. Da es somit an einer ausdrücklichen Regelung zum Bezugsrecht – jenseits des Debt to Equity Swap (§ 7 Abs. 4 StaRUG) – fehlt, besteht dieses auch dann, wenn der Restrukturierungsplan eine Kapitalerhöhung vorsieht.48) 58 Dies ergibt sich schon aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 186 AktG. Dass der deutsche Gesetzgeber dies hätte abweichend gestalten können, ist insofern irrelevant. Dieses Ergebnis ist auch überzeugend, da es bei einer Kapitalerhöhung – auch im Restrukturierungsplan – im Grundsatz keinen Unterschied machen kann, von wem dieses Kapital kommt, so dass den vorbehaltlos leistungswilligen Altgesellschaftern insofern ein Vorrang einzuräumen ist. Diese Rechtslage bei der AG lässt sich auch auf die GmbH übertragen. Bei dieser ist das Bezugsrecht zwar nicht spezialgesetzlich normiert, ergibt sich aber aus allgemeinen Grundsätzen.49) Für den Bezugsrechtsausschluss gelten die allgemeinen Grundsätze, so dass es insofern eines Beschlusses der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung bedarf (§ 186 Abs. 3 AktG). Der Anwendung der Grundsätze über das Bezugsrecht der Altgesellschafter – jenseits des Debt to Equity Swap (§ 7 Abs. 4 StaRUG) – steht auch nicht Art. 12 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie entgegen, da eine fehlende Zustimmung zum Bezugsrechtsausschluss jedenfalls dann keine grundlose Verhinderung des Restrukturierungsplans darstellt, wenn die Gesellschafter sich selbst an der Kapitalerhöhung beteiligen. 59 Im Ergebnis kann der Restrukturierungsplan daher keine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter – jenseits des Debt to Equity Swap (§ 7 Abs. 4 StaRUG) – vorsehen, sofern kein entsprechender Beschluss der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung vorliegt. Letztlich ist es aber schon nicht erforderlich, eine Kapitalerhöhung ohne einen Debt to Equity Swap i. R. des Restrukturierungsplans durchzuführen, so dass sich dieses Problem im Ergebnis wohl nicht stellen wird. 2.

Sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen

60 Weiterhin kann der Restrukturierungsplan sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen vorsehen. In Abgrenzung zur Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (siehe Rz. 46 ff.) ist diese Variante so auszulegen, dass damit Eingriffe in die Verfassung des Schuldners gemeint sind, die keinen unmittelbaren Einfluss auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte haben. Daher kann der Restrukturierungsplan jede Regelung im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung ändern, solange die neue Regelung in dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung mit dem geltenden Gesellschaftsrecht vereinbar ist. So kann der Restrukturierungsplan etwa  die Firma ändern,50)  den Sitz der Gesellschaft verlegen,51) ___________ 47) Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (Gesellschaftsrechtsrichtlinie), ABl. (EU) L 169/46 v. 14.6.2017. 48) Tendenziell a. A. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 89 a. E.; Skauradszun, ZRI 2020, 625, 631 – allerdings mit der Bezugnahme auf den Debt to Equity Swap; weitergehender aber wohl in Rz. 90 – Bezugsrecht kann ausgeschlossen werden. 49) Zur Begründung des Bezugsrechts des GmbH-Gesellschafters BGH v. 18.4.2005 – II ZR 151/03, NZG 2005, 551, 552 = ZIP 2005, 985 – allerdings ohne Festlegung auf Rechtsgrundlage; zur Herleitung vgl. etwa Servatius in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rz. 20 m. w. N. 50) Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90. 51) Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90.

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den Unternehmenszweck ändern,52)



neue Gesellschaftsorgane vorsehen, solche abschaffen oder die Anforderungen an deren Zusammensetzung ändern53) oder



neue Aktiengattungen schaffen oder abschaffen.



Auch Mehrheitsanforderungen können durch den Restrukturierungsplan verändert werden.54)

Ebenso kann der Restrukturierungsplan Umwandlungsmaßnahmen vorsehen.55) Insofern 61 kann aber nur der Formwechsel und die Spaltung völlig autonom durch den Restrukturierungsplan geregelt werden. Für die Verschmelzung bedarf es einer Einbeziehung der anderen Gesellschaft, die sich durch den Restrukturierungsplan allein nicht erreichen lässt. Der Restrukturierungsplan kann auch eine Abberufung oder Bestellung von Mitgliedern 62 von Gesellschaftsorganen vorsehen.56) Sofern die Abberufung einen wichtigen Grund voraussetzt, ist dieser auch bei einer Abberufung durch den Restrukturierungsplan notwendig. Notwendige Eintragungen im Handelsregister sind durch die Geschäftsleiter/Gesellschafter selbst und nicht durch den Restrukturierungsbeauftragten vorzunehmen.57) Keinen Einfluss kann der Restrukturierungsplan auf das Anstellungsverhältnis der Organmitglieder haben, da eine solche Vertragsanpassung durch das StaRUG gerade nicht (mehr)58) möglich ist. Insofern müssen die Anstellungsverträge der abberufenen Organmitglieder dann – soweit ohne weiteres möglich – noch gekündigt werden, was wiederrum Schadenersatzansprüche auslösen kann. Weitgehend ungeklärt ist, ob der Restrukturierungsplan auch Haftungsansprüche des 63 Schuldners gegen „seine“ Organmitglieder regeln kann. Dies dürfte im Grundsatz anzunehmen sein, wobei die für den Vergleich oder Verzicht über solche Ansprüche bestehenden gesellschaftsrechtlichen Sonderbestimmungen zu beachten sind, so dass Sperrfristen und Zustimmungserfordernisse bestehen können (§ 46 Nr. 5 GmbHG, § 93 Abs. 4 AktG). Eine Entlastung der Geschäftsleiter im Restrukturierungsplan ist grundsätzlich möglich, erfordert aber eine Zustimmung der Gesellschafter, die durch die Abstimmung über den Restrukturierungsplan ersetzt werden kann.59) Keinen Einfluss hat der Restrukturierungsplan auf Ansprüche von Dritten gegen die Organmitglieder des Schuldners.60) Ebenso wie bei der Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (siehe Rz. 46 ff.) 64 ist auch bei den sonstigen gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelungen keinerlei Zustimmung der Gesellschafter oder eine Einberufung einer Gesellschafter- oder Hauptversammlung erforderlich; auch etwaige Formerfordernisse für die Änderung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags kommen nicht zur Anwendung.61) Die ggf. erforderlichen Anmeldungen im Handelsregister sind durch die Geschäftsleiter/Gesellschafter und nicht durch den Restrukturierungsbeauftragten vorzunehmen.62) ___________ 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62)

Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678, 680. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 680; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 680. Ebenso Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 680. S. Fn. 8. Dazu Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 616 ff. A. A. aber wohl Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 616, 625 ff. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676. Ebenso Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

65 Kein Bedarf besteht an der Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses durch den Restrukturierungsplan, da die Gesellschaften im Anwendungsbereich des StaRUG durch die Einleitung des Verfahrens schon nicht aufgelöst werden.63) 66 Nicht möglich ist hingegen die Einführung von Mehrheitsentscheidungen für die Begründung von Nachschusspflichten der Gesellschafter. Zwar kann eine solche Regelung im Grundsatz im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung vorgesehen werden, allerdings würde sich deren Einführung durch den Restrukturierungsplan über die in § 2 Abs. 3 StaRUG vorgesehene Beschränkung auf die Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten und nicht von -pflichten hinwegsetzen, da damit letztere geschaffen werden würden (siehe Rz. 85). 3.

Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten

67 Schließlich kann der Restrukturierungsplan ausweislich des klaren Wortlauts von § 2 Abs. 3 StaRUG auch eine Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten vorsehen. Der genaue Hintergrund dieser Regelung ist – ebenso wie bei der für den Insolvenzplan vorgesehenen Parallelregelung in § 225a Abs. 3 InsO – nicht ganz eindeutig. Im Hinblick auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners an Drittgesellschaften ist eine Einbeziehung in den Restrukturierungsplan selbsterklärend. Bei diesen Beteiligungen handelt es sich um das Vermögen des Schuldners, das i. R. einer Restrukturierung für diese eingesetzt werden können muss. Bei den Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten am Schuldner selbst ist dies nicht völlig selbsterklärend. So scheint die Inhaberschaft hinsichtlich der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner für die Restrukturierung – jedenfalls bei den Körperschaften – keine Bedeutung zu haben, bestehen diese doch unabhängig von ihren Gesellschaftern. 68 Diese auf die Gesellschafterstellung beschränkte Sichtweise ist aber zu eng. Weitet man den Blick und berücksichtigt man, dass eine Restrukturierung meist auch mit einer Veränderung des Gesellschafterbestands verbunden ist, ist eine Einbeziehung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner selbst in den Restrukturierungsplan erforderlich, zumal sich die Veränderung des Gesellschafterbestands nicht immer nur allein durch einen Debt to Equity Swap oder Kapitalmaßnahmen erreichen lässt. Insofern ist im Ergebnis davon auszugehen, dass sowohl die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner selbst als auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners an Drittgesellschaften durch den Restrukturierungsplan übertragen werden können.64) Gleichwohl ergeben sich für beide Arten von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten Besonderheiten vor allem im Zusammenhang mit Übertragungsbeschränkungen (siehe Rz. 72 ff. und Rz. 78 ff.). 69 Der Restrukturierungsplan ersetzt die Übertragung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte sowohl auf schuldrechtlicher als auch auf dinglicher Ebene, so dass es auch keines späteren Vollzugs oder einer Umsetzung des Restrukturierungsplans bedarf. Mit der gerichtlichen Bestätigung sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte übertragen (arg. § 67 Abs. 1 StaRUG). Daher bedarf es auch keiner notariellen Beurkundung.65) 70 Soweit die Übertragung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte weiterer Vollzugsakte bedarf, sind diese jenseits des Restrukturierungsplans nachzuholen. Dies ist etwa bei einer Eintragung im Handelsregister (§§ 107, 162 HGB), im Aktienregister bei Namensaktien (§ 67 AktG) oder in der Gesellschafterliste bei GmbH-Anteilen (§ 40 Abs. 1 GmbHG) ___________ 63) Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678. 64) Ebenso Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 679; wohl auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90; so auch für die Parallelregelung des § 225a Abs. 3 InsO Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 225a Rz. 87. 65) Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676.

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§ 25

Anteilsinhaber

der Fall. Fehlt es an diesen Vollzugsakten gelten die jeweiligen allgemeinen Vorschriften. Diese Eintragungen sind durch die Geschäftsleiter/Gesellschafter und nicht durch den Restrukturierungsbeauftragten vorzunehmen.66) Keine Auswirkungen hat die durch den Restrukturierungsplan vorgenommene Übertra- 71 gung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte auf sich aus dem Umfang der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ergebende Verpflichtungen. So müssen mit der Wirksamkeit des Restrukturierungsplan bei börsennotierten Gesellschaften die Mitteilungspflichten der §§ 33 ff. WpHG durch die Gesellschafter erfüllt werden, die aufgrund der Übertragungen einen Schwellenwert erreichen, überschreiten oder unterschreiten. Diese Pflicht kann im Restrukturierungsplan nicht modifiziert oder ausgesetzt werden. Das gleiche gilt für den Fall, dass aufgrund der Übertragung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte im Restrukturierungsplan eine Kontrollbeteiligung i. S. von § 29 Abs. 2 WpÜG begründet und die Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots nach § 35 WpÜG ausgelöst wird. 3.1

Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner selbst

Bei einer Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten am Schuldner selbst muss 72 zunächst der Gläubiger, auf den die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners übertragen werden sollen, dieser Übertragung zustimmen. Dies ergibt sich schon aus § 15 Abs. 2 StaRUG (analog). Daher können keinem Gläubiger Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte gegen seinen Willen aufgezwängt werden. Handelt es sich beim Schuldner um eine Gesellschaft, bei der die Übertragung von Gesell- 73 schaftsanteilen der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedarf, wie dies bei Personengesellschaften grundsätzlich der Fall ist, kann der Restrukturierungsplan eine Übertragung gleichwohl wirksam vorsehen, da § 2 Abs. 3 StaRUG insofern eine lex specialis gegenüber diesem Zustimmungsvorbehalt ist. Etwaige Übertragungsbeschränkungen in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag 74 des Schuldners sind für den Restrukturierungsplan ebenfalls irrelevant.67) Beispiel 9: A, B und C sind an der X-GmbH zu gleichen Teilen beteiligt. Der Gesellschafts- 75 vertrag der X-GmbH sieht für die Übertragung der Gesellschaftsanteile eine Genehmigung der Gesellschaft nach § 15 Abs. 5 GmbHG vor. Wird für die X-GmbH nur ein Restrukturierungsplan erstellt, kann dieser eine Übertragung der Anteile von A, B oder C vorsehen (siehe Rz. 72), ohne durch die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Vinkulierung beschränkt oder von einer Zustimmung der Gesellschaft abhängig zu sein. Keine Bedeutung haben ferner Beschränkungen für die Anteilsübertragung, die die Gesell- 76 schafter des Schuldners in schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen getroffen haben. Beispiel 10: D, E und F sind an der G-GmbH zu gleichen Teilen beteiligt. Der Gesellschafts- 77 vertrag sieht keine Vinkulierung der Gesellschaftsanteile vor. D, E und F vereinbaren aber untereinander, dass eine Übertragung der Gesellschaftsanteile an der G-GmbH nur nach vorheriger Zustimmung der jeweils anderen beiden Gesellschafter zulässig ist. Die Übertragungsbeschränkung wirkt nur im Verhältnis der Gesellschafter untereinander und kann daher den Restrukturierungsplan nicht beeinträchtigen. Eine in diesem vorgesehene Übertragung der Gesellschaftsanteile an der G-GmbH ist auch ohne Zustimmung von D, E bzw. F möglich und wirksam. ___________ 66) Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677. 67) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90.

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§ 25 3.2

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners an Drittgesellschaften

78 Bei der Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten des Schuldners an anderen juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit können Zustimmungen erforderlich sein. Dies gilt zunächst für den Fall, dass die Übertragung der Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners die Zustimmung dieser Gesellschaften oder von deren Gesellschaftern erfordert, wie dies etwa bei Personengesellschaften der Fall ist. Über dieses Zustimmungserfordernis kann sich der Restrukturierungsplan nicht hinwegsetzen, so dass die Zustimmung der betroffenen Dritt-Gesellschaft/Gesellschafter eingeholt werden muss. 79 Beispiel 11: Die G-GmbH verfügt über eine Kommanditbeteiligung an der H-GmbH & Co. KG. Sieht der Restrukturierungsplan der G-GmbH nur eine Übertragung dieser Kommanditbeteiligung etwa an einen Gläubiger der G-GmbH vor, muss die Zustimmung der Gesellschafter der H-GmbH & Co. KG eingeholt werden, soweit der Gesellschaftsvertrag der H-GmbH & Co. KG keine freie Übertragung der Kommanditanteile vorsieht. 80 Zudem muss auch in diesem Fall der Gläubiger, auf den die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners übertragen werden sollen, der Übertragung zustimmen (§ 15 Abs. 2 StaRUG).68) 81 Übertragungsbeschränkungen in schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen, die der Schuldner mit anderen Gesellschaftern im Hinblick auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an Drittgesellschaften geschlossen hat, können durch den Restrukturierungsplan nicht modifiziert oder relativiert werden. Allerdings kann der Restrukturierungsplan diese schuldrechtliche Vereinbarung – ebenso wie der Schuldner selbst jenseits des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens – verletzen, was die Wirksamkeit der Übertragung der Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte nicht berührt und woraus sich dann Schadenersatzansprüche oder ggf. vereinbarte Vertragsstrafen ergeben können. 82 Beispiel 12: Die T-GmbH ist mit 100 Aktien an der Y-AG beteiligt. Dabei hat die T-GmbH mit dem M, N und O, die ebenfalls Aktionäre der Y-AG sind, eine schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarung geschlossen, wonach die T-GmbH, M, N und O ihre Aktien an andere Personen nur veräußern dürfen, wenn die Mehrheit der Parteien dieser schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarung zugestimmt hat. Ein Restrukturierungsplan für die T-GmbH kann eine Veräußerung der 100 Aktien an der Y-AG vorsehen, die auch wirksam wäre. Allerdings würde die T-GmbH dann ggf. Schadenersatzansprüchen oder Vertragsstrafen von M, N und O ausgesetzt sein. 4.

Keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen

83 Die nach § 2 Abs. 3 StaRUG möglichen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen im Restrukturierungsplan bedürfen keiner Zustimmung der Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte.69) Dies ergibt sich schon daraus, dass das StaRUG an verschiedenen Stellen auf die Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte eingeht (§§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 1 und Abs. 4, 9 Abs. 1 Nr. 4, 15 Abs. 2, 24 Abs. 1 Nr. 3, 67 Abs. 5, 76 Abs. 2 Nr. 1 sowie in Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG), was bei deren fehlender Einbeziehung in das Verfahren schon nicht erforderlich wäre. Zudem macht Art. 12 der Restrukturierungsrichtlinie deutlich, dass derartige Zustimmungserfordernisse unzulässig sind. Zum Sonderfall des Bezugsrechts siehe Rz. 57. ___________ 68) Ebenso Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 679. 69) Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676.

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Anteilsinhaber

Ebenso wenig sind förmliche Einberufungen von Gesellschafterversammlungen oder 84 notarielle Beurkundungen erforderlich.70) Zu Folgepflichten insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Anteilsrechten siehe Rz. 71. VI.

(Keine) Erfassung von Anteils- oder Mitgliedschaftspflichten

Aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte erstreckt 85 sich § 2 Abs. 3 StaRUG nicht auf Anteils- oder Mitgliedschaftspflichten. Diese sind einer Gestaltung durch den Restrukturierungsplan nicht zugänglich. Dies ergibt sich nicht nur aus einer Auslegung von § 2 Abs. 3 StaRUG, sondern auch schon aus allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts (vgl. § 707 BGB [Verbot der Nachschusspflicht]). Daher müssen die Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte jeder Erweiterung ihrer Pflichten individuell zustimmen; entsprechende Mehrheitsentscheidungen können nur vorgenommen werden, wenn der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung dies ausdrücklich vorsieht. Die Möglichkeit solcher Mehrheitsentscheidungen kann nicht durch den Restrukturierungsplan selbst eingeführt werden. In diesem Zusammenhang kann auch auf § 60 Abs. 2 StaRUG verwiesen werden, der bei einer fehlenden Befreiung der persönlich haftenden Gesellschafter von den im Restrukturierungsplan umgestalteten Forderungen deren Zustimmung voraussetzt. VII. Rechtfertigung von und Schranken bei Eingriffen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte Die durch § 2 Abs. 3 StaRUG möglichen Eingriffe in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte 86 werfen zwangsläufig die Frage auf, ob diese Eingriffe beschränkt sind bzw. einem Kontrollmaßstab unterliegen. Dabei lassen sich zwei verschiedene Aspekte unterscheiden: 

Zum einen geht es um die Frage, warum überhaupt die Möglichkeit von Eingriffen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan besteht (siehe Rz. 87 ff.).



Zum anderen stellt sich die Frage, ob und in welcher Form Schranken beim Bestehen verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten vorliegen (siehe Rz. 91 ff.).

1.

Rechtfertigung der generellen Möglichkeit von Eingriffen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan

Die Frage nach der allgemeinen Rechtfertigung der Möglichkeit zur Vornahme von Ein- 87 griffen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Voraussetzung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, dass der Schuldner drohend zahlungsunfähig (§ 18 InsO) sein muss (§ 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG). Daraus folgert jedenfalls der Gesetzgeber, dass eine vollständige Werthaltigkeit der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht mehr besteht, so dass es auch keines umfassenden Schutzes der Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte bedarf, zumal diese noch durch § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG und (teilweise) durch § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG geschützt werden.71) Dieser Annahme ist nicht zu folgen. Die These der (teilweisen) Entwertung der Anteils- 88 oder Mitgliedschaftsrechte aufgrund des Eintritts der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann nicht überzeugen. Insbesondere die grundlegende Festlegung des Prognosehorizonts durch den Gesetzgeber auf 24 Monate (§ 18 Abs. 2 Satz 2 InsO) macht deutlich, dass insofern ___________ 70) Ebenso Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676. 71) Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

eine sehr lange und mit großen Unsicherheiten versehene Prognose zugrunde zu legen ist. So wird insbesondere unterschiedlichen Szenarien nicht hinreichend Rechnung getragen. So macht es für die Unternehmensbewertung und damit auch für die Bewertung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte einen erheblichen Unterschied, ob der Schuldner in 23 Monaten in der Liquiditätsbilanz eine Deckungslücke von 5 % oder 50 % ausweist. Diesem Unterschied wird aber weder bei der Bestimmung der drohenden Zahlungsunfähigkeit i. R. von § 18 InsO72) noch in § 2 Abs. 3 StaRUG Rechnung getragen.73) Dem kann auch nicht entgegnet werden, dass der Schuldner bei Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ohne weiteres das Insolvenzverfahren zur Sanierung nutzen könnte, da in diesem Fall ein Antragsrecht für die vertretungsberechtigen Organe besteht (§§ 15, 18 InsO).74) Zum einen unterliegt diese Antragstellung auch einer internen Pflichtenbindung75) und zum anderen taugt der bloße Hinweis auf die Möglichkeit noch tiefgreifenderer Maßnahmen nicht zur Rechtfertigung i. S. eines Erst-recht-Schlusses. 89 Die Schutzbedürftigkeit der Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte zeigt sich gerade im Vergleich mit dem schutzintensiveren Insolvenzplanrecht. Während die Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte im Insolvenzplanverfahren etwa Abfindungsansprüche (§ 225a Abs. 5 InsO) geltend machen können, fehlt es für den Restrukturierungsplan an einer solchen Regelung (siehe Rz. 53), womit die Frage aufgeworfen ist, warum die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten in dem an strengere Anforderungen anknüpfenden Insolvenzplanverfahren in größerem Umfang geschützt werden. 90 Tatsächlich ist eine Auslegung von § 2 Abs. 3 StaRUG aber dahingehend, dass die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten über die vom Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen vorgesehenen Mitwirkungsmöglichkeiten hinaus beteiligt werden, de lege lata nicht möglich. Der deutsche Gesetzgeber hat eine Abwägung vorgenommen, die geltendes Recht darstellt, an der aber vor allem wegen des Schutzes der Mitgliedschaft durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG76) erhebliche Zweifel bestehen, die letztlich aber nur das BVerfG aufklären kann. 2.

Schranken beim Bestehen verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten

91 Neben der Diskussion über die bestehende oder nicht bestehende Rechtfertigungsmöglichkeit der Eingriffe in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte steht die Frage, in welchem Umfang Eingriffe in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte durch den Restrukturierungsplan vorgenommen werden können, wenn sich bei der Gestaltung des Restrukturierungsplans mehrere Möglichkeiten ergeben. Dabei ist zunächst festzustellen, dass aus dem Umstand der fehlenden Regelungen dieses Aspekts im StaRUG nicht geschlossen werden kann, dass dahingehende Beschränkungen i. R. von § 2 Abs. 3 StaRUG bzw. bei der Gestaltung von Restrukturierungsplänen keine Rolle spielen.

___________ 72) Zu den fehlenden quantitativen Anforderungen bei der Bestimmung der drohenden Zahlungsunfähigkeit Mock in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rz. 20; K. Schmidt in: K. Schmidt, InsO, § 18 Rz. 12. 73) Darauf ebenfalls hinweisend Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2166 f. 74) So auch Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2166; ähnlich Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 86 – m. Hinweis auf gesellschaftsinterne Zustimmungsvorbehalte für die Insolvenzantragstellung, die im Einzelnen freilich umstritten sind (dazu Mock in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rz. 75 ff.). 75) Dazu Mock in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rz. 75 ff. m. w. N. 76) Ähnlich Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121, 127; Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 675; allgemein zum Schutz der Mitgliedschaft durch Art. 14 GG Bryde/Wallrabenstein in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rz. 43 m. w. N.

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§ 25

Anteilsinhaber 2.1

Minderheitenschutz

Ein Ansatzpunkt ist zunächst der Minderheitenschutz nach § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, 92 wonach jeder gegen den Restrukturierungsplan stimmende Planbetroffene einen Antrag auf Versagung der Bestätigung stellen kann, wenn er durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er ohne den Plan stünde.77) Dieses Schlechterstellungsverbot kann die vorliegende Problematik aber nicht auffangen, da die Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte danach nicht geltend machen können, dass eine andere Maßnahme eine geringere Eingriffsintensität hätte. Im Rahmen des Minderheitenschutzes nach § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG wird lediglich die Stellung der Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte mit und ohne Restrukturierungsplan verglichen und gerade keine Gegenüberstellung mehrerer Planszenarien vorgenommen. 2.2

Durchbrechung der absoluten Priorität

Das Gleiche gilt für den durch § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG vermittelten Schutz,78) zumal 93 dieser Schutz auch nur dann eingreift, wenn die Mitwirkung der Inhaber der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte für die Fortführung des Unternehmens unerlässlich ist, was vor allem bei Kapitalgesellschaften aufgrund ihres körperschaftlichen Charakters meist nicht der Fall ist. 2.3

(Grundrechtlicher) Schutz der Mitgliedschaft

Nicht zuletzt aufgrund des Schutzes der Mitgliedschaft durch Art. 14 GG79) ist eine diffe- 94 renzierte und situative Betrachtung erforderlich.80) Diese muss sich nach dem jetzigen Erkenntnisstand in jedem Fall am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren, so dass durch den Restrukturierungsplan nur Eingriffe vorgenommen werden können, die erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne sind. Dieser Problematik kann auch nicht entgegnet werden, dass mit der Anknüpfung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens an die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG) solche Eingriffe in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte wegen der damit verbundenen erheblichen Beeinträchtigung des Werts der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte generell zulässig seien.81) Bei jedem Restrukturierungsplan ergeben sich stets verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, die sich typischerweise durch eine unterschiedliche Eingriffsintensität im Hinblick auf die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte auszeichnen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass alle Eingriffe aufgrund einer Entwertung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte im Zusammenhang mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich zulässig sind, folgt daraus noch nicht, dass das Gericht i. R. der Bestätigung des Restrukturierungsplans (§ 60 StaRUG) keinen grundrechtlichen Bindungen unterliegt. 2.4

Fehlende Bedeutung der Restrukturierungsrichtlinie

Gegen die in Rz. 91 ff. dargestellten Schranken bei der Gestaltung von Restrukturierungs- 95 plänen im Hinblick auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte kann auch nicht angeführt werden, dass diese einen Verstoß gegen die Restrukturierungsrichtlinie darstellen.82) Der euro___________ 77) Dies offenbar auch als zentrales Rechtsschutzinstrument betrachtend Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110. 78) Dies wieder als zentrales Rechtsschutzinstrument betrachtend Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110. 79) S. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 679. 80) Ebenso Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678. 81) So Begr RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 110. 82) So aber Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676.

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§ 25

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

päische Gesetzgeber hat sich im Hinblick auf Eingriffe in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte gerade zurückgehalten, wie vor allem in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Restrukturierungsrichtlinie zum Ausdruck kommt. VIII. Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen durch das Registergericht 96 Soweit die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen einer Eintragung im Handelsregister bedürfen, stellt sich die Frage nach dem Prüfungsmaßstab, den das Registergericht in diesem Zusammenhang anlegen darf. Dabei ist davon auszugehen, dass das Registergericht bei der Prüfung keinerlei Einschränkungen unterliegt und dieses die gesellschaftsrechtlichen Regelungen im Restrukturierungsplan in gleichem Umfang wie außerhalb der Restrukturierung prüfen darf.83)

___________ 83) A. A. Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 681 ff. – m. umfangreichen Stimmen zur Parallelproblematik beim Insolvenzplan.

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§ 26 Neue Finanzierungen Geiwitz/v. Danckelmann

I. Allgemeine Ausführungen ........................ 1 II. Anlass der Neufinanzierung...................... 6 1. Neufinanzierung zur Darstellung einer Planquote........................................... 11 2. Neufinanzierung im Zusammenhang mit einer Umschuldung ............................. 15 3. Neufinanzierung zur Umsetzung weiterer Restrukturierungsmaßnahmen..... 20 III. Ausgestaltung der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan ....................... 23

IV. Vorteile der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan ....................... 28 V. Neufinanzierung durch den Gesellschafter..................................... 30 VI. Die Neufinanzierung in einem späteren Insolvenzverfahren ................... 32 VII. Die Zwischenfinanzierung ..................... 33 VIII. Finanzierungen im Restrukturierungsplan ohne Anwendung des § 12 StaRUG? .................................................... 38

Literatur: Bork, Die Regelungen zur Insolvenzanfechtung im StaRUG, ZInsO 2020, 2177; Schoppmeyer, Sanierungsprivilegien im Insolvenzanfechtungsrecht nach dem StaRUG, ZIP 2021, 869.

I.

Allgemeine Ausführungen

Der Restrukturierungsplan nach dem StaRUG1) zeichnet sich dadurch aus, dass im gestal- 1 tenden Teil zwangsweise, d. h. gegen den Willen der planbetroffenen Gläubiger, nur die im Gesetz vorgesehenen Regelungen getroffen werden können. Dies umfasst die in § 2 StaRUG normierten Rechtsverhältnisse der planbetroffenen Gläubiger, die Haftungsbefreiung des Schuldners nach § 11 StaRUG und die Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse gemäß § 13 StaRUG. Einen besonderen Stellenwert hat darüber hinaus die in § 12 StaRUG geregelte Möglichkeit der Neufinanzierung. Die Restrukturierungsrichtlinie2) fordert in Art. 17 Abs. 1 von dem jeweiligen Mitglied- 2 staat, dass dieser sicherzustellen hat, dass neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen in angemessener Weise bei der nationalen Umsetzung des präventiven Restrukturierungsgesetzes zu schützen sind. Die Restrukturierungsrichtlinie erkennt in diesem Zusammenhang an, dass der Erfolg eines Restrukturierungsplans häufig davon abhängig ist, dass dem Schuldner finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Dies kann sowohl zu Unternehmensfortführung während der Restrukturierungsverhandlung notwendig sein, als auch zur Umsetzung des eigentlichen Restrukturierungsplans. Hat in einem laufenden Restrukturierungsverfahren eine Zwischen- oder Neufinanzierung 3 zu erfolgen, stellen sich insbesondere die Finanzierungspartner stets die Frage, ob die in diesem Zusammenhang ausgereichten Sicherheiten des Schuldners oder eines Dritten im Fall einer späteren Insolvenz wirksam sind und sie i. R. der insolvenzrechtlichen Regelung auf diese bzw. auf die erzielten Verwertungserlöse zugreifen können. Neben dieser Frage haben die Finanzierungspartner auch ihr mögliches eigenes zivilrechtliches Haftungsrisiko bzw. ihre strafrechtliche Mitverantwortung im Fokus, der sie im Zusammenhang mit einer ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) ErwG 66 der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.

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§ 26

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

Zwischen- oder Neufinanzierung eines insolvenzgefährdeten Schuldners nach der deutschen Rechtsprechung ausgesetzt sein können.3) 4 Die Restrukturierungsrichtlinie nimmt dies auf. Sie fordert bei der Umsetzung auf nationaler Ebene, dass finanzielle Mittel, die im laufenden Restrukturierungsverfahren zur Verfügung gestellt werden, nicht aufgrund der Gewährung in der Sanierung anfechtbar oder nichtig sein dürfen. Ebenso darf hieraus keine zivil-, verwaltungs- oder strafrechtliche Haftung des Finanzierungspartners resultieren.4) Die Finanzierungpartner sind zu schützen. Die i. R. des präventiven Restrukturierungsrahmens gewährten finanziellen Mittel sind zu privilegieren. 5 Der deutsche Gesetzgeber hat in seinem präventiven Restrukturierungsrahmen nur die neue Finanzierung explizit in § 12 StaRUG einer Planregelung unterworfen. Von der Regelungsmöglichkeit, auch eine Zwischenfinanzierung durch eine Regelung um Restrukturierungsplan auszugestalten hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Ebenso wenig wird eine andere Finanzierung, die nicht zur Umsetzung des Restrukturierungsplans unmittelbar erforderlich ist bzw. die nicht die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt, einer der § 12 StaRUG gleichgesetzten Regelung der Plangestaltung eröffnet. Es stellt sich somit bei den letztgenannten Finanzierungsvarianten die Frage, ob im Restrukturierungsplan nicht dennoch eine freiwillige Regelung aufgenommen werden kann, so dass die Finanzierung unter den Schutz des StaRUG fällt. II.

Anlass der Neufinanzierung

6 Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 der Restrukturierungsrichtlinie umfassen Neufinanzierungen alle die von einem bestehenden oder neuen Gläubiger zur Umsetzung des Restrukturierungsplans bereitgestellte neue finanzielle Unterstützungen. Dies umfasst sowohl 

die Bereitstellung finanzieller Mittel in Form von echter Liquidität, als auch



die Bürgschaften Dritter sowie



die Bereitstellung von Waren, Vorräten, Rohstoffen, Versorgungsdienstleistungen und



die Stundung von Forderungen aus den entsprechenden Vorgängen.5)

7 Finanzierungen, die zum Zeitpunkt der Einleitung des StaRUG-Verfahrens bereits verabredet aber noch nicht in Anspruch genommen wurden, sollen nach Cranshaw ebenfalls als Neufinanzierung definiert sein.6) 8 Nach der maßgeblichen Restrukturierungsrichtlinie muss die Neufinanzierung ein gerichtliches bzw. verwaltungsrechtliches Planbestätigungsverfahren durchlaufen. Der deutsche Gesetzgeber hat nach dem Aufbau und dem Wortlaut des StaRUG nur den Schutz des § 90 StaRUG davon abhängig gemacht, dass eine gerichtliche Planbestätigung vorliegt. Die in § 12 StaRUG geregelte Neufinanzierung nicht. Fridgen7) stellt insoweit zu Recht in Frage, ob die Ausgestaltung der Neufinanzierung nach dem deutschen StaRUG rechtlinienkonform erfolgte. Sollte dies nicht der Fall sein, kann dies dazu führen, dass Sicherheiten für eine Neufinanzierung ohne gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplan nicht verbindlich bestellt werden können.8) Ob diese rechtliche Frage in der Praxis eine Relevanz haben wird, ___________ 3) Zur Insolvenzverschleppungshaftung von Banken und anderen Kreditgebern, insbesondere durch Vergabe von Sanierungskrediten u. a. Wagner in: MünchKomm-BGB, § 826 Rz. 173 ff. 4) ErwG 68 Restrukturierungsrichtlinie. 5) ErwG 66 Restrukturierungsrichtlinie. 6) Cranshaw in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Art. 2 Richtlinie (EU) 2019/1023 Rz. 23. 7) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 6 bis 8. 8) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 8.

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§ 26

Neue Finanzierungen

ist fraglich. Es ist zu erwarten, dass jede Neufinanzierung eines Restrukturierungsplans durch die gerichtliche Planbestätigung flankiert sein wird, um den Schutz des § 90 StaRUG zu ermöglichen. Die Frage der Aufnahme einer Neufinanzierung in einen Restrukturierungsplan richtet 9 sich nach dem jeweiligen Konzept und Zielrichtung. Die Neufinanzierung kann insbesondere 

zur Darstellung der Planquote,



im Zusammenhang mit der Umschuldung der Planforderungen oder



zur Umsetzung der weiteren Restrukturierungsmaßnahmen

notwendig sein. Es ist dem Schuldner und dem Finanzierungspartner überlassen, die Neufinanzierung dabei im oder außerhalb des Restrukturierungsplans zu regeln. Entscheidet sich der Schuldner und der Finanzierungspartner darauf, die Neufinanzierung gemäß § 12 StaRUG im Restrukturierungsplan zu regeln ist zu beachten, dass im Fall einer angestrebten gerichtlichen Planbestätigung erhöhte Anforderungen an die Plangestaltung gelegt werden. Um eine Zurückweisung des Plans zu vermeiden muss die Neufinanzierung zur Restruk- 10 turierung auf der Grundlage des Plans erforderlich sein. Wann die Neufinanzierung erforderlich sein wird, richtet sich nach dem im Restrukturierungsplan verfolgten Sanierungs-/ Restrukturierungskonzept, wobei kein zu enger Maßstab an die Erforderlichkeit anzulegen ist. Unter Berücksichtigung einer richtlinienkonformen Auslegung wird man die Erforderlichkeit bereits dann zu bejahen haben, wenn die Neufinanzierung die Umsetzung des Restrukturierungsplans nach Planbestätigung „unterstützt“.9) Ein enger Kausalzusammenhang wird nach der hier vertretenen Ansicht nicht als Maßstab herangezogen werden können. 1.

Neufinanzierung zur Darstellung einer Planquote

Ein Anlass für eine Regelung der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan kann insbe- 11 sondere dann erforderlich sein, wenn der Restrukturierungsplan einen Forderungsverzicht bzgl. der Restrukturierungsforderungen gegen Quotenzahlung vorsieht. Zwar besteht für den Schuldner auch die Möglichkeit, die entsprechenden Quotenzahlungen aus der aktuellen Liquidität darzustellen bzw. aus zukünftigen Erträgen. Beides kann jedoch für das Restrukturierungskonzept oder die Verlässlichkeit des Plans nachteilig sein. Eine Quotenzahlung aus der eigenen Liquidität des Schuldners zehrt dessen finanzielle Reserven auf. Die Darstellung einer Quotenzahlung über die zukünftigen Erträge bringt erhöhte Anforderungen an den Restrukturierungsplan. Darüber hinaus wird das Risiko der Erfüllung der PlanQuotenzahlung auf die Gläubiger verschoben. Für die Akzeptanz des Restrukturierungsplans wird es daher in aller Regel im Fall eines eingeforderten Forderungsverzichts bzgl. der Restrukturierungsforderungen von besonderer Bedeutung sein, dass diese das Geld schnell und sicher bekommen. Um das in der Restrukturierung befindliche Unternehmen darüber hinaus durch Abschöpfung der eigenen Liquidität nicht zu schwächen, bietet es sich dann an, eine Neufinanzierung zur Bezahlung der Planquote aufzunehmen. Die Neufinanzierung zur Darstellung der Quotenzahlung wird in aller Regel über die Ver- 12 einbarung eines Darlehens mit entsprechenden Sicherheiten erfolgen. Entscheiden sich der Schuldner und der Finanzierungspartner für die Neufinanzierung im Restrukturierungsplan sind die entsprechenden Erklärungen im Plan aufzunehmen. Insbesondere bei der Bestellung entsprechender Sicherheiten sollte darauf geachtet werden, dass diese nicht außerhalb des Plans gestellt werden, sondern dass die Bestellung der Sicherheiten im Plan ___________ 9) Vgl. Wortlaut ErwG 66 der Restrukturierungsrichtlinie.

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erfolgt. Denn nur dann kann im Fall der entsprechenden gerichtlichen Planbestätigung der Schutz des § 90 StaRUG zur Anwendung kommen. 13 Neben der klassischen Darlehensfinanzierung kann die Finanzierung aber auch über ein Factoring, Sale-and-Lease-back oder Ähnliches generiert werden. Auch diese Form der Finanzierung sind nach Auffassung der Verfasser als Neufinanzierung i. S. vom § 12 StaRUG zu sehen. Ob es allerdings erforderlich ist, solche alternativen Finanzierungsarten im Restrukturierungsplan zu regeln ist fraglich und ggf. nur dann erforderlich, in der Restrukturierungsplan die Ablösung von Sicherungsrechten vorsieht (z. B. Globalzession oder Sicherungsübereignung) und diese abgelösten Sicherungsrechte der Alternativfinanzierung zuführen möchte. In solchen Konstellationen kann die Einbeziehung in den Restrukturierungsplan für die einzelnen Beteiligten vielleicht eine höhere Planungssicherheit hinsichtlich einer geschlossenen Sicherheitenkette bringen. 14 Für die Beteiligten ist in diesem Zusammenhang aber stets zu berücksichtigen, dass bei der Planbestätigung das Gericht einen höheren Prüfungsmaßstab anzulegen hat, wenn der Restrukturierungsplan eine Neufinanzierung beinhaltet. Denn in diesem Fall hat das Restrukturierungsgericht auch das dem Plan zugrunde liegende Restrukturierungskonzept auf Schlüssigkeit zu prüfen und ggf. auch weitere Umstände zu berücksichtigen, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt (§ 63 Abs. 2 StaRUG). 2.

Neufinanzierung im Zusammenhang mit einer Umschuldung

15 Für den Schuldner kann es attraktiv sein, bestehende Verbindlichkeiten umzuschulden um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu sicheren. Auslöser hierfür können z. B. ein ungünstiger Zins sein, welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners beeinträchtigt, oder Mitspracherechte der Darlehensgeber, welche die Entscheidungsprozesse in der Restrukturierung erschweren. Außerhalb eines Restrukturierungsplans kann die Umfinanzierung von Verbindlichkeiten gegen den Willen eines Gläubigers in der Regel nur dann erfolgen, wenn die zur Umschuldung angedachte Finanzierung beendet wird bzw. ausläuft. 16 Eine Umschuldung bzw. Umfinanzierung kann im Kern auf zwei Arten erfolgen. Die eine Möglichkeit besteht darin, dass die Verbindlichkeiten der bisherigen Gläubiger abgelöst werden. Sofern der Schuldner nicht über eigene finanzielle Mittel hierfür verfügt, kann die erforderliche Liquidität auch durch Dritte zur Verfügung gestellt werden. Dies kann z. B. durch Gewährung eines Darlehens, Zeichnung einer Anleihe oder von Schuldscheinen etc. erfolgen. Sieht der Restrukturierungsplan eine Umschuldung bzw. Umfinanzierung der Planforderungen in dieser Art vor kann die zur Verfügung gestellte Liquidität als Neufinanzierung i. S. vom § 12 StaRUG ausgestaltet werden. Ebenso deren Besicherung. 17 Die zweite Möglichkeit der Umschuldung bzw. Umfinanzierung kann in der Form erfolgen, dass der bisherige Gläubiger nicht abgelöst, sondern dass die gegenüber ihm bestehende Verbindlichkeit neu geregelt wird. Es findet somit kein Gläubigertausch statt. Lediglich die bereits begründete Forderung wird neu aufgestellt. Dies kann bspw. dadurch erfolgen, dass bestehende Kredite durch Neukredite desselben Gläubigers zurückgeführt werden. 18 Aber auch die Umwandlung von Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung in ein Darlehen10) kann eine Umschuldung oder Umfinanzierung darstellen. Nach der hier vertretenen Ansicht sind auch diese Gestaltungsmöglichkeiten Neufinanzierungen i. S. des ___________ 10) Bei der Umwandlung von Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung ist zu beachten, dass im Regelfall der Brutto-Rechnungsbetrag in ein Darlehen umgewandelt wird. Wurden auf die Verbindlichkeiten Vorsteuer geltend gemacht, hat dies der Schuldner steuerlich im Vorfeld bewerten zu lassen.

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§ 26

Neue Finanzierungen

§ 12 StaRUG. Denn es wird nicht nur auf einzelne Nebenbestimmungen abgestellt, sondern es findet eine vollständig neue Vertragsgestaltung statt. Die Folge der Einstufung als Neufinanzierung i. S. des § 12 StaRUG ist die, dass im darstellenden Teil eine Begründung nach Anlage Nr. 8 zu § 5 Satz 2 vorzunehmen ist und im Fall der gerichtlichen Planbestätigung eine Schlüssigkeitsprüfung durch das Gericht zu erfolgen hat (§ 60 Abs. 2 StaRUG). Wird nur die Fälligkeit einer bestehenden Verbindlichkeit im Restrukturierungsplan neu 19 geregelt, ist dies nach der hier vertretenen Ansicht keine Neufinanzierung i. S. von § 12 StaRUG, sondern eine Regelung nach § 7 Abs. 2 StaRUG. Dies gilt auch dann nicht, wenn eine (Neu-)Besicherung erfolgt.11) 3.

Neufinanzierung zur Umsetzung weiterer Restrukturierungsmaßnahmen

Nach dem Wortlaut des § 12 StaRUG kann als Neufinanzierung i. S. der Norm jede Art der 20 Finanzierung verstanden werden, die zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans erforderlich ist. Ob die Neufinanzierung dabei nur dann i. S. der Norm zulässig ist, wenn die Neufinanzierung die das Verfahren auslösende Zahlungsunfähigkeit beseitigt12) bzw. wenn keine allgemeine Kreditwürdigkeit besteht,13) ist fraglich. Für eine solche enge Auslegung könnte angeführt werden, dass der Schutz des § 90 StaRUG nur für bestimmte Finanzierungen angedacht ist und dies im gesamten Kontext des StaRUGVerfahrens zu sehen ist.14) Gegen eine solche enge Auslegung des Wortlautes könnte jedoch die Restrukturierungsrichtlinie herangezogen werden. Denn nach der Richtlinie soll es genügen, wenn durch die entsprechende Neufinanzierung im Restrukturierungsplan die Umsetzung des Restrukturierungsplans nach dessen Bestätigung unterstützt wird. Im Restrukturierungsplan werden im darstellenden Teil die gesamten anstehenden Restruk- 21 turierungsmaßnahmen angeführt. Die Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit wird in diesem Zusammenhang in nahezu allen Fällen nur eine Maßnahme sein, welche von weiteren Restrukturierungsmaßnahmen flankiert wird. Die Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist dabei eine Restrukturierungsmaßnahme, die durch den gestaltenden Teil des Plans umgesetzt werden soll. Die nicht durch den gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans umgesetzten Restrukturierungsmaßnahmen sind im darstellenden Teil ebenfalls anzugeben und besonders zu erwähnen (§ 6 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Sie sind somit Teil des Restrukturierungsplans. Es spreche somit auch einige Gründe dafür, die Regelungen der Neufinanzierung auch auf solche Finanzierungen zu erweitern, die für die Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen notwendig sind, die nicht im gestaltenden Teil des Plans geregelt sind. Neufinanzierung, die keinerlei Kausalität bzw. Bezug zur angestrebten Restrukturierung 22 haben sind nicht mehr als Neufinanzierung i. S. des § 12 StaRUG zu qualifizieren (siehe dazu Rz. 5, 7. III.

Ausgestaltung der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan

Bei der Ausgestaltung der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan ist zu beachten, dass 23 im darstellenden Teil alle notwendigen Angaben anzugeben sind, die für die Neufinanzierung maßgeblich sind. Die wirksame Ausgestaltung der Neufinanzierung erfolgt im gestaltenden Teil. ___________ 11) 12) 13) 14)

So wohl auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 38. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 22. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 22. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 22.

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§ 26

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

24 Im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans sind in Anlehnung an den Insolvenzplan alle Angaben anzugeben, die für die Entscheidung der von dem Plan Betroffenen über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind (§ 6 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Hinsichtlich einer im Plan zur Regelung anstehenden Neufinanzierung i. S. des § 12 StaRUG ist ergänzend zu beachten, dass auch die Gründe für die Erforderlichkeit der Neufinanzierung anzugeben sind (Anlage Nr. 8 [zu § 5 Satz 2 StaRUG]). Ein besonderes Augenmerk ist darüber hinaus auf die korrekte und verständliche Darstellung des Restrukturierungskonzepts zu legen. Denn das Gericht hat im Fall der Planbestätigung diese von Amts wegen zu versagen, wenn das dem Plan zugrunde liegende Restrukturierungskonzept unschlüssig ist oder wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt (§ 63 Abs. 2 StaRUG). 25 Für den Planersteller bedeutet dies, dass er hinsichtlich der Neufinanzierung im darstellenden Teil die wesentlichen Inhalte der Neufinanzierung darlegt. Die inhaltlichen Ausführungen hängen von der Art der Neufinanzierung ab. Dabei ist bei jeder Neufinanzierung voranzustellen, warum sie zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans erforderlich ist. Folgt man der oben dargestellten Ansicht (siehe dazu Rz. 20, 21), dass durch die Neufinanzierung auch die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden muss, sind die Ausführungen hierauf zu erweitern. Weiter auszuführen sind die Modalitäten der Verzinsung und der Rückzahlung. Ferner sollten Ausführungen zum Finanzierungspartner getroffen werden und seine Verbindung zur Schuldnerin. Ergänzend können auch Ausführungen notwendig sein, warum der Finanzierungspartner die Finanzierung stellt, welche Sicherheiten gestellt werden und ob die Auszahlung von bestimmten Voraussetzungen abhängt. Für die Übersichtlichkeit des darstellenden Teils sollte jedoch vermieden werden, den gesamten Vertragstext im darstellenden Teil aufzunehmen. 26 Im gestaltenden Teil wird die Neufinanzierung selbst geregelt. Nachdem die Neufinanzierung in der Regel ein umfassendes Vertragswerk umfassen wird, stellt sich die Frage, ob die einzelnen vertraglichen Regelungen im gestaltenden Teil niedergeschrieben sein müssen oder ob über einen Verweis auf das Vertragswerk als Anlage dies in den gestaltenden Teil eingebunden werden kann. Aus Sicht der Verfasser sollte in der Regel ein Verweis auf die Anlagen ausreichen. Der Finanzierungspartner wird in aller Regel für seine interne Dokumentation eine gesonderte Vertragsurkunde benötigen und nicht den gesamten Restrukturierungsplan. Diese als Anlage dem Restrukturierungsplan anzufügen und darauf zu verweisen ist verfahrensökonomisch und fördert die Übersichtlichkeit des Plans. Die Planbetroffenen sind hinreichend geschützt, da diesen auch die Plananlagen überlassen werden müssen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG; § 20 Abs. 1 Satz 4 StaRUG). 27 Werden Sicherheiten bestellt ist darauf zu achten, dass die für den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz notwendigen Voraussetzungen vorliegen. Sofern die notarielle Beurkundung notwendig ist (z. B. Grundschuld) können diese Erklärungen im gestaltenden Teil aufgenommen werden (§ 13 StaRUG). Es empfiehlt sich jedoch – ungeachtet der zusätzlichen Kosten – die notwendigen Erklärungen in einer gesonderten notariellen Urkunde aufzunehmen. Dies erleichtert in der Regel die Umsetzung, da dann nicht der gesamte Restrukturierungsplan bzw. der maßgeblich beglaubigte Teil des Restrukturierungsplans einzureichen ist. IV.

Vorteile der Neufinanzierung im Restrukturierungsplan

28 Eine nach § 12 StaRUG im Restrukturierungsplan umgesetzte Neufinanzierung ist im Fall der gerichtlichen Planbestätigung zunächst einer späteren insolvenzrechtlichen Anfechtung entzogen, sofern es keine Nachrangforderung i. S. des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist oder

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Neue Finanzierungen

die Bestellung der Sicherheit nach § 135 InsO anfechtbar ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass Tilgungs- bzw. Zinszahlungen der insolvenzrechtlichen Anfechtung unterliegen können, sofern zum Zeitpunkt der maßgeblichen Rechtshandlung (Zahlung der Tilgungs- bzw. der Zinsrate) die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Ist die Neufinanzierung z. B. besichert, kann eine Anfechtung ggf. aufgrund fehlender Gläubigerbenachteiligung ausscheiden (siehe Kahlert, HRI II, § 47 Rz. 138). Einen weiteren Schutz erfährt die Neufinanzierung über die Regelung des § 89 StaRUG. 29 Allerdings ist der in § 89 StaRUG gewährt Schutz nur auf alle Rechtshandlungen anzuwenden, die im Zeitraum der anhängigen Restrukturierungssache vorgenommen werden. V.

Neufinanzierung durch den Gesellschafter

Erfolgt die Neufinanzierung durch den Gesellschafter bzw. einem diesen gleichgestellten 30 Dritten ist zu beachten, dass die Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (d. h. Qualifizierung der Forderung in einem späteren Insolvenzverfahren als Nachrangforderung) sowie die Regelung des § 135 InsO (d. h. zehn Jahre Anfechtungsrisiko bei der Bestellung der Sicherheit bzw. ein Jahre Anfechtungsrisiko bei der Rückführung im Fall eines späteren Insolvenzverfahrens) weiterhin besteht (§ 90 StaRUG). Erfolgt die Neufinanzierung durch einen Gläubiger und wird dieser gleichzeitig Gesellschafter zum Zweck der Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO). Wird die Neufinanzierung durch eine Sicherheit aus dem Vermögen des Gesellschafters 31 oder einem diesen gleichgestellten Dritten gewährt bzw. wird eine Bürgschaft durch diese gestellt, besteht im Fall der späteren Insolvenz weiterhin das Risiko, dass eine Inanspruchnahme durch den bestellten Verwalter erfolgt. Das Risiko des „Freiwerdens der Sicherheit“ besteht auch im Fall eine Neufinanzierung i. S. von § 12 StaRUG weiterhin. VI.

Die Neufinanzierung in einem späteren Insolvenzverfahren

Im Insolvenzplanverfahren besteht die Möglichkeit, eine Finanzierung in einem späteren 32 Insolvenzverfahren hinsichtlich der bestehenden Insolvenzgläubiger zur privilegieren (§ 264 InsO). Eine solche Regelung wurde im StaRUG nicht aufgenommen. Im Fall eines späteren Insolvenzverfahrens sind Forderungen somit im gleichen Rang, wie die Forderungen der Planbetroffenen, sofern diese bis dahin noch bestehen. Durch eine Sicherheit der Neufinanzierung kann im Insolvenzverfahren jedoch ein Absonderungsrecht bestehen, welches nach den Regelungen der InsO durchzusetzen ist. VII. Die Zwischenfinanzierung Wenn Verhandlungen über die Restrukturierung bzw. Sanierung eines Unternehmens ge- 33 führt werden, kann es dazu kommen, dass der Schuldner in einen Liquiditätsengpass gerät. Die Zahlungsfähigkeit und somit mittelbar auch die Betriebsfortführung sind gefährdet. Die Sanierung/Restrukturierung droht zu scheitern. Um den Liquiditätsengpass zu vermeiden, kann eine Zwischenfinanzierung (auch Überbrückungsfinanzierung oder Bridge Loans) notwendig werden. Die Restrukturierungsrichtlinie definiert Zwischenfinanzierungen als eigene, durch einen 34 bestehenden oder einen neuen Gläubiger bereitgestellte, neue finanzielle Unterstützung, die während der Aussetzung von vor Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gewährt wird und angemessen sowie unverzüglich notwendig ist, damit das Unternehmen des Schuldners

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6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

seinen Betrieb fortsetzen kann oder um den Wert dieses Unternehmens zu erhalten oder zu steigern (Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 der Restrukturierungsrichtlinie). Die Neufinanzierung umfasst jegliche Finanzierungshilfen. Sie kann in Form der Zurverfügungstellung echter Liquidität ausgestaltet sein. Aber auch die Beteiligung der Kreditversicherung, Avalgeber und Dienstleister sowie Lieferanten können als Zwischenfinanzierung i. S. der Richtlinie bewertet werden. Ebenso das Offenlassen von Linien durch Kreditinstitute.15) Werden kündbare Kreditlinien nicht beendet oder fallen Roll-Over-Kredite in den Zeitraum des Restrukturierungsverfahrens, können diese als Zwischenfinanzierung gewertet werden.16) 35 Der deutsche Gesetzgeber sah keine Notwendigkeit, die Zwischenfinanzierung einer eigenen Norm des StaRUG zu unterwerfen. Wird eine Zwischenfinanzierung bereits vor Einleitung des StaRUG-Verfahrens gewährt so sind die handelnden Parteien bereits über die bisher verankerten Rechtsgedanken hinreichend geschützt. Dies umfasst sowohl eine spätere Anfechtung nach der InsO bzw. nach dem AnfG; als auch eine zivilrechtliche oder strafrechtlichen Haftung der Beteiligten. Der Schutz über das StaRUG ist in der Regel nicht gegeben.17) 36 Wird eine Zwischenfinanzierung im StaRUG-Verfahren vereinbart, d. h. nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens, kann ergänzend der Schutz über § 89 StaRUG erreicht werden. Der Schutz setzt nicht voraus, dass die entsprechenden Handlungen im Restrukturierungsplan geregelt sind. Auch die in diesem Zusammenhang außerhalb des Restrukturierungsplans vorgenommenen Rechtshandlungen können unter den Schutz des § 89 StaRUG fallen. Ob auch darüber hinaus der Schutz des § 90 StaRUG greift, ist offen (siehe dazu Bork, HRI I, § 1 Rz. 63; Warneke/Braun, HRI I, § 3 Rz. 27; Frege/Nicht, HRI I, § 15 Rz. 138; Berner/Werner, HRI I, § 20 Rz. 99). Ob der Schutz des § 89 StaRUG bzw. auch § 90 StaRUG für eine im Restrukturierungsverfahren ausgereichte Zwischenfinanzierung greift, wird wohl u. a. auch davon abhängig sein, ob die Zwischenfinanzierung unter den Begriff des Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 Restrukturierungsrichtlinie subsumiert werden kann. Problematisch kann in dabei sein, dass die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens nicht automatisch Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen aussetzt. Dies kann der Schuldner nach § 49 Abs. 1 StaRUG zwar beantragen, ist jedoch nicht automatisch mit der Einleitung des Verfahrens verbunden. Unter Bezug auf Cranshaw ist die deutsche Umsetzung der Richtlinie ist insoweit zu eng geraten.18) 37 Für die Zwischenfinanzierung lässt sich zusammenfassend festhalten, dass eine solche auch weiterhin gewährt werden kann. Sofern der bereits durch die deutsche Rechtsprechung eröffnete Schutz über die Regelung des StaRUG erweitert werden soll, ist bei der Ausgestaltung der Zwischenfinanzierung darauf zu achten, dass diese den Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 der Restrukturierungsrichtlinie genügen. Sie kann im Einzelfall auch über den Zeitpunkt der Planannahme und -bestätigung hinaus gewährt werden, sofern sie erkennbar einem Überbrückungszweck und gerade nicht der Planumsetzung dient.19) VIII. Finanzierungen im Restrukturierungsplan ohne Anwendung des § 12 StaRUG? 38 Beabsichtigt die Schuldnerin eine Finanzierung umzusetzen, ohne dass diese als Neufinanzierung i. S. vom § 12 StaRUG zu qualifizieren ist, stellt sich die Frage, ob diese dennoch ___________ 15) Cranshaw in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Art. 2 Richtlinie (EU) 2019/1023 Rz. 25; wird teilweise in Frage gestellt, vgl. zur Vertiefung Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 40 ff. m. w. N. 16) Offengelassen von Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 44. 17) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2180; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 876; Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 43. 18) Cranshaw in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Art. 2 Richtlinie (EU) 2019/1023 Rz. 25. 19) Tasma in: Flöther, StaRUG, § 12 Rz. 5.

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Neue Finanzierungen

in den Plan aufgenommen werden kann. Folgt man der Ansicht von Fridgen, so ist dies nicht möglich.20) Er legt einen strengen Maßstab an den Schutzbereich des Restrukturierungsplans an und stellt klar, dass nur Neufinanzierung, die die Voraussetzungen des § 12 StaRUG erfüllen, einer Planregelung unterworfen werden können. Sie müssen somit zumindest das Restrukturierungsvorhaben unterstützen und – folgt man der Ansicht Fridgen weiter – dazu dienen, die drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Sollte der Restrukturierungsplan eine Regelung beinhalten, die keine Neufinanzierung i. S. von § 12 StaRUG darstellt, soll dies nach Ansicht von Fridgen nicht zu einer gerichtlichen Versagung der Planbestätigung gemäß § 63 StaRUG führen. Der Schutz des § 90 StaRUG soll aber entfallen. Gegen die Ansicht kann vorgebracht werden, dass der deutsche Gesetzgeber die Systematik 39 der Restrukturierungsrichtlinie nicht übernommen hat und die Neufinanzierung in § 12 StaRUG als eigene Norm verankert und von dem nach Art. 17 der Restrukturierungsrichtlinie geforderten Schutz entkoppelt hat (§ 90 StaRUG). Die Restrukturierungsrichtlinie zielt auf einen umfangreichen Schutz des gerade aufgrund des Restrukturierungskonzepts neu zugeführten Fremdkapitals zumindest dann ab, wenn es im Restrukturierungszeitraum abgerufen wird. Dass die Restrukturierungsrichtlinie den in Art. 17 geforderten Schutz auf nur bestimme Finanzierungen beschränken will, lässt sich nicht erkennen. Die offene Rechtslage wird in der Praxis dazu führen, dass im Zweifel bei der Ausge- 40 staltung einer Neufinanzierung die bisherigen Grundsätze zu beachten sind, um im Fall einer späteren Insolvenz im Zweifel auch die bisherigen Einreden bzw. Einwendungen gegen die geltend gemachten Ansprüche erheben zu können. Sei es, dass im Fall der Anfechtung die Gläubigerbenachteiligung entfällt; sei es, dass durch entsprechende Dokumentation eine sittenwidrige Schädigung abgelehnt werden muss bzw. die Tatbestände der in Frage kommenden strafrechtlichen Normen nicht erfüllt sind.

___________ 20) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 41 ff.

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§ 27 Schuldner Geiwitz/v. Danckelmann

I. Allgemeine Ausführungen........................ 1 II. Erarbeitung des Restrukturierungsplans, vorbereitende Maßnahmen ............ 6 III. Ausführungen zum Schuldner im darstellenden Teil................................ 10 1. Pflichtangaben zum Schuldner.................. 15 1.1 Mindestanforderungen gemäß Nr. 1 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG.......................................... 15 1.1.1 Firma .............................................. 17 1.1.2 Name und Vorname ...................... 20 1.1.3 Geschäftszweig.............................. 22 1.1.4 Beschäftigung ................................ 23 1.1.5 Gewerbliche Niederlassungen ...... 27 1.1.6 Hauptniederlassung ...................... 28 1.1.7 Wohnanschrift............................... 30 1.2 Mindestanforderungen gemäß Nr. 2 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG.......................................... 31 1.2.1 Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners.............. 33 1.2.2 Bewertung der Vermögenswerte .... 39 1.2.3 Beschreibung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners ............... 43 1.2.4 Position der Arbeitnehmer im schuldnerischen Unternehmen..... 46 1.2.5 Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ............................. 47

2.

Weitere Informationen zum Schuldner i. R. des § 6 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ........... 49 2.1 Unternehmensgruppe ................... 52 2.2 Geschäftsführung .......................... 55 2.3 Gesellschafterstruktur/ wirtschaftlich Berechtigte ............. 57 2.4 Wesentliche Finanzkennzahlen.... 60 2.5 Bestehende Finanzierungsstruktur .......................................... 62 3. Angaben zum Schuldner an Hand der Checkliste gemäß § 16 StaRUG ......... 63 IV. Regelungen zum Schuldner im gestaltenden Teil ................................. 64 1. Haftungsbefreiung gemäß § 11 StaRUG .... 65 2. Einwirkung auf die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners....... 71 2.1 Bestellung/Abberufung von Organen.................................. 75 2.2 Abberufung/Neubestellung von Aufsichtsgremien ................... 76 2.3 Eingriff in die Geschäftsordnung/Satzung........................... 77 2.4 Einziehung von Anteilen/ Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung............................ 78 2.5 Eigenkapitalumwandlung (Debt to Equity Swap).................. 80

Literatur: Knof, Die Checkliste für Restrukturierungspläne nach § 16 StaRUG – „Türöffner“ für den Zugang natürlicher Personen zum StaRUG?, ZVI 2022, 368; Madaus, Vertrauliche Restrukturierungspläne für ausländische Schuldner, ZIP 2022, 1233; Reinecke, Die Begriffe Arbeitnehmer und Beschäftigter, NJW 2018, 2081.

I.

Allgemeine Ausführungen

1 Im Mittelpunkt eines im StaRUG1) verankerten Restrukturierungsverfahrens steht der Schuldner als restrukturierungsfähige Person. Dieser verfolgt mit dem eingeleiteten Restrukturierungsverfahren die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen, um seine drohende Zahlungsunfähigkeit nachhaltig zu beseitigen und die (unternehmerische) Bestandsfähigkeit zu sichern oder wiederherzustellen. Die Instrumentarien, die ihm nach dem StaRUG diesbezüglich eröffnet sind, sind 

der Restrukturierungsplan (§§ 2 ff. StaRUG) und



die Sanierungsmoderation (§§ 94 ff. StaRUG).

___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

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§ 27

Schuldner

Abweichend zu einem Insolvenzverfahren kann das Restrukturierungsverfahren nach dem 2 StaRUG nur durch den Schuldner selbst eingeleitet werden. Es ist durch eine private Selbstorganisation und Eigenverantwortung des Schuldners geprägt. Bezüglich des Ablaufes zur Umsetzung des Restrukturierungsplans zeigt sich der im StaRUG 3 verankerte Gedanke der privaten Selbstorganisation, durch die dem Schuldner eröffneten drei Verfahrenswege: Der erarbeitete Restrukturierungsplan kann allein 

durch Planangebot und Planannahme (siehe dazu ausführlich Barnert, HRI I, § 29) im Wege des versammlungslosen Abstimmungsverfahrens, §§ 17 bis 19 StaRUG,



durch die Abstimmung i. R. einer Versammlung der Planbetroffenen, §§ 20 bis 22 StaRUG (siehe dazu ausführlich Graf-Schlicker, HRI I, § 31) oder



im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren, § 23 StaRUG (siehe dazu ausführlich Graf-Schlicker, HRI I, § 31),

die rechtliche Wirksamkeit erlangen. Der Gedanke der Eigenverantwortlichkeit des Verfahrens wird durch die auferlegten allge- 4 meinen Pflichten (§ 32 StaRUG) und die persönliche Haftung der Organe (§ 43 StaRUG) deutlich. Durch die Verankerung des Pflichtenkatalogs und der Haftungsnorm in Anlehnung an die persönliche Haftung im Insolvenzverfahren (§ 60 InsO) soll sichergestellt werden, dass die Durchführung des Restrukturierungsverfahrens im Interesse der Gläubigergesamtheit erfolgt und Individualinteressen, z. B. die der Gesellschafter, nicht zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger durchgesetzt werden. Entscheidet sich der Schuldner zur Umsetzung eines Restrukturierungsplans nach dem 5 StaRUG können die in § 2 StaRUG genannten Rechtsverhältnisse angepasst und gestaltet werden (ausführlich dazu siehe Barnert, HRI I, § 22). Neben der Anpassung einzelner Vertragsbestandteile kann auch ein (Teil-)Forderungsverzicht durchgesetzt werden. Sieht der Restrukturierungsplan einen solchen (Teil-)Forderungsverzicht – z. B. durch eine Quotenzahlung – vor, wird der Schuldner von allen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber den planbetroffenen Gläubigern befreit (§ 10 StaRUG). II.

Erarbeitung des Restrukturierungsplans, vorbereitende Maßnahmen

Einem Restrukturierungsplan voraus, werden in der Regel Verhandlungen mit den zukünf- 6 tigen (möglichen) planbetroffenen Gläubigern hinsichtlich der notwendigen Sanierungsbeiträge geführt. Dabei ist es erfahrungsgemäß das Ziel aller Beteiligten, die Sanierungsbeiträge einvernehmlich zu verhandeln, ohne durch ein gerichtliches Verfahren zu gehen. Auf dem Sanierungsweg kann es jedoch zu unerwarteten Ereignissen kommen, die das Ziel der einvernehmlichen Lösung aller Beteiligten unterlaufen. Sei es, dass sich die strategische Ausrichtung einzelner Gläubiger im Laufe der Zeit ändert; sei es, dass sich der Gesellschafterkreis ändert oder deren Motivation und somit möglicherweise eine installierte Treuhand nicht mehr die notwendige Transaktionssicherheit gewährt. Ebenso können sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen unerwartet ändern, wie es z. B. durch die COVID-19Pandemie ab 2020 der Fall war. Dies macht es notwendig, dass sich die mit der Sanierung befassten Beteiligten frühzeitig mit einem alternativen Szenario befassen; sei es mit einem klassischen Insolvenzverfahren oder mit einem Restrukturierungsplan nach dem StaRUG. Hinsichtlich der Durchsetzung von Sanierungsmaßnahmen nach dem StaRUG ist zu be- 7 achten, dass die Vorbereitung des Verfahrens in der Regel zeitintensiver ist. Es besteht zwar die Möglichkeit, dass der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens nur ein Konzept für die Restrukturierung beigelegt wird (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG); dies wird aber in der Regel nur dann ein Szenario darstellen, wenn die Insolvenz sonst nicht vermieden werden kann. Ist jedoch die Insolvenz im Fall des Scheiterns des Restrukturierungsplans kein anGeiwitz/v. Danckelmann

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§ 27

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

gestrebtes Ziel, sollte der Restrukturierungsplan bereits final ausgestaltet und mit den positiv gestimmten planbetroffenen Gläubigern final abgestimmt sein. 8 Die bisherigen Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass eine Vorbereitungszeit von sechs bis acht Wochen nicht unrealistisch sein wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht nur ein einfacher (Teil-)Forderungsverzicht angedacht ist, sondern wenn in bestehende Finanzierungsverträge und/oder Sanierungsvereinbarungen eingegriffen werden soll. Denn in diesem Fall ist es unerlässlich, auch bei zunächst marginalen Anpassungen deren Auswirkungen im Detail zu analysieren und zu bewerten. 9 Parallel zur Ausarbeitung des Restrukturierungsplans sollte der Schuldner bzw. dessen Berater mit den „willigen“ planbetroffenen Gläubiger die im Plan vorgesehenen Regelungen erörtern und in enger Abstimmung erarbeiten. Flankierend sind mit wesentlichen Beteiligten Vereinbarungen zu schließen, die auch ein Scheitern des Restrukturierungsplans berücksichtigen bzw. die Anzeige des Verfahrens abdecken (sog. Lock-up Agreement). Zwar hat der Schuldner über die Regelung des § 44 StaRUG einen gewissen Schutz, allerdings kann durch die Offenlegung der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Zusammenhang mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens eine Neubewertung von Vertragsbeziehungen oder das Delisting von Vergabeverfahren erfolgen bzw. die Reduzierung von Kreditversicherungslimits erfolgen. III.

Ausführungen zum Schuldner im darstellenden Teil

10 Durch den im StaRUG verankerten Restrukturierungsplan soll dem unternehmerisch tätigen Schuldner ermöglicht werden, eine insolvenzabwendende Sanierung auf Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans durchzuführen.2) Der Aufbau und Inhalt des Restrukturierungsplans hat die insolvenzplanrechtlichen Regelungen zum Vorbild3) und besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil. Bei den notwendigen Ausführungen im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans ist zu beachten, dass das Sanierungsverfahren nach dem StaRUG gegenüber dem insolvenzverfahrensrechtlichen Vorbild die Autonomie der Beteiligten stärkt. Der Gesetzgeber erkennt im StaRUG-Verfahren die „Kreativität, Flexibilität und Effizienz privatautonomen Handels“ an. Die Einschränkung dieser Flexibilität wird hinsichtlich der Ausführungen im darstellenden Teil dahingehend vorgenommen, dass den planbetroffenen Gläubigern und dem Restrukturierungsgericht die für die Beurteilung des Planvorhabens erforderlichen Informationen mitgeteilt und rechtzeitig zugänglich gemacht werden müssen. 11 In Abweichung zu dem Aufbau und Inhalt des Insolvenzplans ist ergänzend zu beachten, dass der Restrukturierungsplan aufgrund der Vorgaben des Art. 8 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie4) einen Mindestinhalt fordert. Diese Anforderungen sind durch den Gesetzgeber als Anlage dem StaRUG angefügt5) und in der vom BMJ veröffentlichten Checkliste für Restrukturierungspläne6) konkretisiert worden Welche Ausführungen darüber hinaus im ___________ 2) RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 1. 3) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 91. 4) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 5) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116 f. 6) BMJ, Checkliste für Restrukturierungspläne gem. § 16 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG), Stand: 17.7.2022, abrufbar unter https://www.bmj.de/DE/Themen/ FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/StaRUG_node.html (Abrufdatum: 16.1.2023); zur Anwendung vgl. u. a. Knof, ZVI 2022, 368 ff.

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§ 27

Schuldner

darstellenden Teil zum Schuldner überhaupt und in welcher Tiefe aufzunehmen sind, richtet sich insbesondere nach den durch den Restrukturierungsplan verfolgten Regelungen. Für das schuldnerische Unternehmen bedeutet die Offenlegung im darstellenden Teil, dass 12 ggf. Firmeninterna preisgegeben werden, die den Beteiligten bisher nicht bekannt waren und ggf. auch nicht bekannt werden sollen. Es kann sogar sein, dass im darstellenden Teil ggf. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Schuldners offengelegt werden.7) Die Herausforderung, die der Planersteller in diesem Zusammenhang zu bewältigen hat ist der Umstand, dass das Restrukturierungsverfahren zwar ein „stilles“ Verfahren ist und der Inhalt des Restrukturierungsplans nur den planbetroffenen Gläubigern zur Kenntnis gebracht werden soll. Allerdings sieht das Gesetz nicht vor, dass die im Zusammenhang mit der Umsetzung 13 des Verfahrens erhaltenen Kenntnisse durch die planbetroffenen Gläubiger vertraulich zu behandeln sind. Der Schuldner wird auf eine entsprechende Vertraulichkeit nur dann vertrauen können, wenn sich dies aus den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften ableiten lässt oder er bereits im Vorfeld vertragliche Vereinbarungen getroffen hat (z. B. über Rahmenverträge, AGB etc.). Der Planersteller hat zu beachten, dass im darstellenden Teil ggf. Betriebs- und Geschäfts- 14 geheimnisse des Schuldners offengelegt werden. Ein strafrechtliches Verhalten des Planerstellers wird in der Regel ausgeschlossen sein. Allerdings haben Vertreter der planbetroffenen Gläubiger die mögliche Strafbarkeit nach §§ 203 f. StGB zu beachten. Die planbetroffenen Gläubiger selbst unterliegen dagegen nicht zwangsläufig dem §§ 203 f. StGB, sodass der Schuldner ggf. andere Maßnahmen im Vorfeld zu ergreifen hat, sodass die aus dem Restrukturierungsplan erlangten Kenntnisse nicht an die Öffentlichkeit gelangen.8) 1.

Pflichtangaben zum Schuldner

1.1

Mindestanforderungen gemäß Nr. 1 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG

In Nr. 1 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG sind die Mindestangaben zum Schuldner ent- 15 sprechend der Restrukturierungsrichtlinie verankert. Dabei wird unterschieden zu unternehmerisch tätigen natürlichen Personen und juristischen Personen bzw. nicht rechtsfähigen Vereinen. In der Praxis bietet sich an, dass die Ausführungen tabellarisch im darstellenden Teil vorgenommen werden. Überblick der notwendigen Mindestanforderungen gemäß Nr. 1 der Anlage zu § 5 Satz 2 16 StaRUG: Unternehmerisch tätige natürliche Person

Juristischen Personen bzw. nicht rechtsfähiger Verein

Firma

Ja, sofern vorhanden

Ja

Name und Vorname

Ja

Nein

Geburtsdatum

Ja

Nein

Handelsregister: zuständiges Gericht Ja, sofern eingetragener Kaufmann

Ja

Handelsregister: Registernummer

Ja

Ja, sofern eingetragener Kaufmann

___________ 7) Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG v. 14.3.2006 (BVerfG v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03, BVerfGE 115, 205) sind hierunter alle unternehmensbezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge zu subsumieren, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Kaufmännisches Wissen kann als Geschäftsgeheimnisse eingestuft werden. 8) Zur Problematik der Vertraulichkeit im Lichte der §§ 84 ff. StaRUG Madaus, ZIP 2022, 1233 ff.

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§ 27

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte Unternehmerisch tätige natürliche Person

Juristischen Personen bzw. nicht rechtsfähiger Verein

Geschäftszweig

Ja

Ja

Beschäftigung

Ja

Nein

Gewerbliche Niederlassungen

Ja, sofern vorhanden

Ja, sofern vorhanden

Hauptniederlassung

Ja, sofern vorhanden

Ja, sofern vorhanden

Wohnanschrift

Ja, sofern vorhanden

Nein

1.1.1 Firma 17 Durch die Angabe der Firma erkennen die Verfahrensbeteiligten, welcher Schuldner den Restrukturierungsplan eingereicht hat und zu wessen Gunsten bzw. Lasten die Regelungen des gestaltenden Teils ebenfalls wirken sollen. Dies ist auch zwingend erforderlich, da andernfalls eine Vollstreckungsfähigkeit aus dem Restrukturierungsplan nicht möglich ist und somit der Restrukturierungsplan keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. 18 Die Firma ist der Name des Kaufmanns unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 HGB). Sie ist im darstellenden Teil nur dann aufzuführen, wenn der Schuldner ein Kaufmann i. S. der §§ 1 – 7 HGB ist. Hat der Schuldner mehrerer Firmen9) sind alle Firmen anzugeben mit einer Zuordnung zu der jeweiligen unternehmerischen Tätigkeit. 19 Ist der Schuldner kein Kaufmann ist er als Nichtkaufmann nicht firmenfähig. Der von ihm geführte Name ist ggf. eine Geschäftsbezeichnung. Diese sollte mit entsprechender Erläuterung und Klarstellung angegeben werden. Es besteht das Risiko, dass bei fehlender Angabe dies zur Zurückweisung des Plans führen kann, sofern eine richtlinienkonforme Auslegung zu einer weiten Begriffsbestimmung führt. Denn die Richtlinie fordert als Mindestangabe die Identität des Schuldners.10) 1.1.2 Name und Vorname 20 Wird von einer natürlichen Person das Restrukturierungsverfahren mit dem Ziel der Umsetzung eines Restrukturierungsplans eingeleitet, sind im darstellenden Teil der Name und Vorname des Schuldners zu nennen. Die Nennung hat auch dann zu erfolgen, wenn der Schuldner als Einzelkaufmann eine Firma hat. Hat der Schuldner auch einen Künstler-, Schriftsteller- oder sonstigen Decknamen (Pseudonym), so sollte dieser ergänzend insbesondere dann angegeben werden, wenn er einem großen Kreis bekannter ist als der wirkliche Name. Denn dann kann dieser Name als namentliche Parteibezeichnung in einem Gerichtsverfahren verwendet werden.11) 21 Die Namen und Vornamen der vertretungsberechtigten Organe sind nicht zwingend anzugeben. Aufgrund der Erfahrungen bei der Erstellung des Insolvenzplans sollten diese jedoch als freiwillige Angabe aufgeführt werden.

___________ 9) Mehrere verschiedene Firmen beim Einzelkaufmann sind möglich, sofern mehrere selbständige Unternehmen betrieben werden; bei Handelsgesellschaften ist dies nicht zulässig u. a. Merkt in: Hopt, HGB, § 17 Rz. 1. 10) Art. 8 Abs. 1 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie. 11) Heßler in: MünchKomm-ZPO, § 750 Rz. 34.

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§ 27

Schuldner 1.1.3 Geschäftszweig

Der Geschäftszweig ist in erster Linie der nach dem in der Satzung bzw. Gesellschaftsver- 22 trag festgelegte Gegenstand des Unternehmens (bei der AG § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG bei der GmbH § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG).12) Er umfasst im Allgemeinen die Bereiche, in den unternehmerische Umsätze generiert werden. Wurde der Geschäftszweig tatsächlich erweitert, so ist der tatsächliche Geschäftszweig ebenfalls auszuführen und ggf. darauf hinzuweisen, dass der in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag festgelegte Geschäftszweig nicht mehr fortgeführt wird bzw. erweitert wurde. Die Angabe des Geschäftszweigs stellt keine Mindestanforderung aus der Restrukturierungsrichtlinie dar. Bei der Auslegung des Rechtsbegriffes ist daher auf nationales Recht abzustellen. 1.1.4 Beschäftigung Die Restrukturierungsrichtlinie fordert als Mindestanforderung keine Ausführung zur Be- 23 schäftigung. Es handelt sich hier um eine eigene Mindestangabe, die der deutsche Gesetzgeber einfordert. Was der deutsche Gesetzgeber unter dem Begriff der Beschäftigung zusammenfasst ist aus 24 den Gesetzesmaterialien zum StaRUG nicht ersichtlich. Versucht man eine Begriffsbestimmung über die Ableitung aus dem Arbeitsrecht ist zu beachten, dass der Begriff Arbeitnehmer und Beschäftigter nicht deckungsgleich ist. Der Arbeitnehmer i. S. des Arbeitsrechts ist in aller Regel auch Beschäftigter. Zumindest i. S. des Sozialversicherungsrechts.13) Der Beschäftigte muss aber nicht stets Arbeitnehmer sein. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber versucht, den bei juristischen Personen ver- 25 wendeten Begriff des Geschäftszweigs auf natürliche unternehmerisch tätige Personen anzupassen. Es empfiehlt sich hier Ausführungen zur unternehmerischen Tätigkeit einer natürlichen Person vorzunehmen. Insbesondere zu seiner selbständigen Tätigkeit. Sollte die natürliche Person neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit darüber hinaus in einem vertraglichen weiteren Beschäftigungsverhältnis stehen, ist dies ebenfalls auszuführen. Bei juristischen Personen sollte genügen, wenn der Geschäftszweig bzw. die Geschäfts- 26 zweige angegeben werden. 1.1.5 Gewerbliche Niederlassungen Nachdem juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen im deutschen Sprach- 27 gebrauch keinen Wohnsitz haben,14) ist der Sitz und die gewerbliche Niederlassung maßgeblich. Hat der Schuldner neben dem Sitz weitere gewerbliche Niederlassungen so sind diese im darstellenden Teil zu benennen. Wann eine entsprechende gewerbliche Niederlassung vorliegt ist anhand von § 21 ZPO zu bestimmen. Durch die Angaben im darstellenden Teil des Insolvenzplans könnte es möglich sein, dass planbetroffene Gläubiger in einem späteren Verfahrensstadium aus dem Plan etwaige Klagen an diesem Gerichtsstand erheben können. Es könnte dabei unterstellt werden, dass durch die Benennung der gewerblichen Niederlassungen im darstellenden Teil der Schuldner diese selbst als gewerbliche Niederlassungen i. S. vom § 21 ZPO anerkennt. Zu beachten ist allerdings, dass in § 19b ZPO ein ausschließlicher Gerichtsstand bei restrukturierungsbezogenen Klagen verankert wurde, sodass § 21 ZPO in der Regel keine Anwendung finden wird. Die Angabe dient ___________ 12) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 16. 13) Reinecke, NJW 2018, 2081. 14) Hau in: BeckOK-BGB, § 7 Rz. 15.

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§ 27

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

daher primär dazu, die Identität des Schuldners zu konkretisieren, um den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie nachzukommen. 1.1.6 Hauptniederlassung 28 Im HGB wird der Begriff der Niederlassung, Hauptniederlassung und Zweigniederlassung verwendet, ohne diese näher zu definieren. Bei der Auslegung bzw. Bestimmung der einzelnen Begriffe im HGB ist daher anerkannt, dass auf den jeweiligen Normzweck abzustellen ist. 29 Ist der Schuldner ein Einzelkaufmann ist die Hauptniederlassung der Ort, an dem auf Dauer der räumliche Mittelpunkt des Unternehmens ist. Bei Handelsgesellschaften tritt nach dem Verständnis des HGB an die Stelle der Hauptniederlassung der Sitz der Gesellschaft.15) Dieses Verständnis aus dem HGB kann auch hier angewendet werden. Art. 8 Abs. 1 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie fordert als Mindestangabe im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans die notwendigen Angaben, sodass die Identität des Schuldners für alle planbetroffenen Gläubiger erkennbar ist. Die Benennung der Hauptniederlassung gibt dem planbetroffenen Gläubiger darüber hinaus Rechtssicherheit im Fall der gerichtlichen späteren Auseinandersetzung hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit (§ 21 ZPO), wobei § 19b ZPO und der dort verankerte ausschließliche Gerichtsstand bei restrukturierungsbezogenen Klagen zu beachten ist. 1.1.7 Wohnanschrift 30 Die Angabe der Wohnanschrift ist als Pflichtangabe im Restrukturierungsplan einer natürlichen Person anzugeben. Sie dient wohl zur Identifizierung des Schuldners entsprechend der Vorgaben aus Art. 8 Abs. 1 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie. Ob die Wohnanschrift jedoch tatsächlich notwendig ist, ist fraglich. Das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG ist bei natürlichen Personen nur eröffnet, wenn diese unternehmerisch tätig sind. In der Regel wird die Wohnanschrift dem planbetroffenen Gläubiger beim unternehmerisch tätigen Schuldner nicht bekannt sein. Sie wird daher zur Identifizierung eine geringe Relevanz haben. Die Ableitung des Gerichtsstands gemäß § 12 ZPO wird in Folge des § 19b ZPO und des dort verankerten ausschließlichen Gerichtsstands bei restrukturierungsbezogenen Klagen ebenfalls keine Relevanz haben dürfen. 1.2

Mindestanforderungen gemäß Nr. 2 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG

31 Nach Nr. 2 der Anlage zu § 5 Satz 2 sind 

die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners zum Zeitpunkt der Vorlage des Restrukturierungsplans



einschließlich einer Bewertung der Vermögenswerte,



eine Beschreibung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und



der Position der Arbeitnehmer sowie



eine Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners

im darstellenden Teil vorzunehmen. 32 Eine tabellarische Darstellung der Ausführung kann in wenigen Ausnahmen zur Übersichtlichkeit hilfreich sein. Um dem Adressatenkreis des Restrukturierungsplans die notwendi___________ 15) Pentz in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 13 Rz. 20.

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§ 27

Schuldner

gen Informationen hinreichend darzulegen empfiehlt es sich textliche Ausführungen vorzunehmen. 1.2.1 Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners Die Darstellung der Vermögenswerte und der Verbindlichkeiten des Schuldners im darstel- 33 lenden Teil ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 lit. b der Restrukturierungsrichtlinie. Eine zu detaillierte Aufschlüsselung der einzelnen Vermögenswerte ist im Regelfall nicht notwendig. Es besteht das Risiko, dass die Ausführungen im darstellenden Teil zu unübersichtlich werden und der Adressatenkreis des Restrukturierungsplans mit unnötigen Informationen überfrachtet wird. Es empfiehlt sich, hier anhand der einzelnen Bilanzpositionen allgemeine Ausführungen zu den Vermögenswerten (Aktiva) und den Verbindlichkeiten (Passiva) zu machen. Eine tabellarische Darstellung genügt in der Regel nicht. Es sollten textliche Ausführungen zu den Positionen getroffen werden. Aus diesen sollte auch einem nicht versierten, mit der Materie betrauten Leser ersichtlich sein, was in der Vermögensposition umfasst ist. Bei den Vermögenspositionen auf der Aktivseite sind nicht bilanzierte Positionen geson- 34 dert aufzunehmen und zu erläutern. Dies umfasst insbesondere Vermögenspositionen des immateriellen Vermögens (z. B. die Verwertungsposition „Firma“). Die Erstellung einer Inventur, wie zum Jahresabschluss gefordert, ist grundsätzlich nicht erforderlich. Die Durchführung einer Inventur bedarf in der Regel eine längere Vorbereitungszeit, verursacht Kosten und würde bei den Beschäftigten zu Unruhe führen. Ein Mehrwert, der dies rechtfertigen würde, ist mit der Durchführung einer Inventur nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Verbindlichkeiten auf der Passivseite ist zu beachten, dass hier nicht nur 35 Ausführungen zu Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen vorzunehmen sind. Auch Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, Sozialversicherungsträgern, Finanzamt, Zoll, sonstige Gebühren etc., sind hier zu benennen. Bei der Erstellung entsprechender Informationsunterlagen ist darauf zu achten, dass die Buchhaltung des Schuldners frühzeitig eingebunden wird, sodass die Informationen aus den einzelnen Fachabteilungen zusammengetragen werden können. Die klassische Kreditorenliste genügt in der Regel nicht. Nach dem Verständnis der Finanzbuchhaltung umfasst diese erfahrungsgemäß nur Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Sofern erforderlich kann die Erläuterung der Verbindlichkeiten nach Gläubigergruppen getrennt vorgenommen werden. Ob gebildete Rückstellungen zu erwähnen sind, ist fraglich. Es handelt sich hierbei um 36 keine Verbindlichkeiten im klassischen Sinne, sondern um reine Eventualverbindlichkeiten. Sofern es sich dabei um einzelfallbezogene Rückstellungen handelt (z. B. Steuer, große einzelne Gewährleistungsfälle, potentielle Ansprüche aus den Ermittlungen von Kartellrechtsbehörden) sind diese zu erwähnen. Der Eintritt kann eine Auswirkung auf den Sanierungserfolg haben, den der Schuldner mit der Umsetzung des Sanierungsplans anstrebt. Bei den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten ist eine Darstellung der bestehenden 37 Kreditlinien und deren aktuelle Inanspruchnahme bei den jeweiligen Kreditinstituten sinnvoll. Sollte die Finanzierung durch ein Bankenkonsortium erfolgen, werden die Anteile der beteiligten Banken am Konsortium sowie Inhalt und Ausgestaltung eines ggf. bestehenden Sicherheitenpools rudimentär erläutert. Sieht der Restrukturierungsplan einen Eingriff in diese Rechtsposition vor, ist eine ausführliche Erläuterung ratsam. Konkurrenzverhältnisse einzelner Sicherheiten (z. B. verlängerter Eigentumsvorbehalt vs. Globalzession) zwischen verschiedenen Gläubigergruppen spielt in der Regel nur dann eine Rolle, wenn die Vergleichsrechnung ein Insolvenzszenario vorsieht oder wenn der Restrukturierungsplan einen (Teil-)Forderungsverzicht vorsieht.

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§ 27

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

38 Finanzierungsverpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen wie z. B. Miet- oder Leasingverträge sind als Verbindlichkeiten nicht zwingend auszuführen. Sollte es sich jedoch um wesentliche Dauerschuldverhältnisse handeln aus denen hohe Verbindlichkeiten resultieren können, sollten diese erwähnt werden. Insbesondere bei einem Insolvenzszenario als Alternative der Vergleichsrechnung, können je nach gewähltem Szenario hohe Forderungen resultieren, die eine mögliche Quote im Insolvenzszenario reduzieren. 1.2.2 Bewertung der Vermögenswerte 39 Die im darstellenden Teil aufgeführten einzelnen Vermögenswerte müssen bezeichnet und bewertet werden. Welcher Bewertungsmaßstab herangezogen werden soll, d. h. Liquidation-/ Drittnutzungswert oder Fortführungswert, lässt das Gesetz offen. Es muss kein Sachverständigengutachten erstellt werden. Nach der Restrukturierungsrichtlinie ist dies nicht erforderlich.16) 40 Es empfiehlt sich den Buchwert anzugeben. Sofern stille Reserven enthalten sind, sollten diese offengelegt werden. Dies kann insbesondere bei Grundvermögen der Fall sein. Sofern die Vermögenswerte mit vorrangigen Sicherungsrechten belastet sind, kann es sich anbieten, diese als Abzugsposition anzugeben. Bei halbfertigen Erzeugnissen sollte eine systemtechnische Abgrenzung unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte aus den Bewertungen zum Jahresabschluss vorgenommen werden. 41 Welche Ausführungen in welcher Tiefe vorzunehmen sind, sollte sich auch an der gewählten Vergleichsrechnung orientieren. Bei den Ausführungen zur Vergleichsrechnung kann auf die Erläuterungen von Pleister/Prosteder, HRI I, § 28, Bezug genommen werden. Im Hinblick auf die Vergleichsrechnung kann es im Einzelfall sachgerecht sein Liquidationswerte anzusetzen.17) Allerdings ist hier stets zu beachten, was als Alternativszenario zur Vergleichsrechnung herangezogen wird. 42 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist der Zeitpunkt der Einreichung des Restrukturierungsplans. Da in der Regel die Einreichung nicht zum Monatsende erfolgt, kann aus Praktikabilitätsgründen auf die Buchwerte zum vorherigen Monatsabschluss Bezug genommen werden. 1.2.3 Beschreibung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners 43 Der darstellende Teil des Restrukturierungsplans muss Ausführungen zu der wirtschaftlichen Situation des Schuldners beinhalten. Die Darstellung hat sachlich und objektiv zu erfolgen. Die Zuweisung einzelner Verantwortungen in die Sphäre der planbetroffenen Gläubiger sollte, wenn möglich, vermieden werden. 44 Die Darstellung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners sollte sich an der Struktur und den Ausführungen im Lagebericht i. S. des § 289 HGB orientiert werden. Eine Analyse des Geschäftsverlaufs sollte erfolgen. In die Analyse sind die für die Geschäftstätigkeit bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren mit entsprechender Erläuterung einzubeziehen. Die wirtschaftliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken sollte erläutert und beurteilt werden. Die getroffenen Annahmen sind anzugeben. Nachdem der Adressatenkreis des Restrukturierungsplans das Gericht und die planbetroffenen Gläubiger sind sollten die Ausführungen in Textform erfolgt. Eine Darstellung durch bereits vorliegende Präsentationsunterlagen aus, z. B. einem Sanierungsgutachten oder Ähnlichem, kann als Ergänzung zwar herangezogen werden, sollte jedoch nicht darauf beschrän___________ 16) Veder in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 8 RL (EU) 2019/1023 Rz. 5. 17) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 23.

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§ 27

Schuldner

ken. Denn die in den Präsentationen verwendeten Schaubilder und Diagramme haben einen Interpretationsspielraum. Ergänzend kann man sich an Aufbau und Inhalt des Berichtswesens des Insolvenzverwal- 45 ters oder des eigenverwaltenden Schuldners zum bzw. im Berichtstermin (§ 156 InsO) orientieren. Auch hier hat der Berichterstatter die wirtschaftliche Situation des Schuldners eingehend darzustellen. Ebenso ist eine Darstellung und Analyse des Unternehmens an Hand des IDW S 6 möglich. Allerdings sollte sich hier auf das Wesentliche beschränkt werden. 1.2.4 Position der Arbeitnehmer im schuldnerischen Unternehmen Die Verpflichtung, Ausführungen zur Position der Arbeitnehmer im darstellenden Teil vor- 46 zunehmen, ergibt sich aus der Restrukturierungsrichtlinie. In Anbetracht des Umstandes, dass der nationale Gesetzgeber davon Abstand genommen hat, über einen Restrukturierungsplan in die Rechte der Arbeitnehmer eingreifen zu können, genügen rudimentäre Ausführungen zu der Position der Arbeitnehmer. Dem Adressatenkreis soll lediglich ein grober Überblick über die Position der Arbeitnehmer ermöglicht werden. Es bietet sich daher u. a. an, die Anzahl der Mitarbeiter und eine mögliche Tarifbindung zu benennen. Sollten Sanierungstarifverträge oder Ähnliches geschlossen worden sein, die ein Baustein für die Sanierung sind, sind kurze Ausführungen vorzunehmen. 1.2.5 Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Bei der Beschreibung der Ursache und des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten 47 des Schuldners sollte zunächst das Krisenstadium anhand der allgemeinen Grundsätze ermittelt werden. Darauf aufbauend erfolgt eine vorläufige Beurteilung des Unternehmens und seiner Krisenentwicklung.18) Die Ursachenanalyse soll systematisch erfolgen. Sie basiert dabei im Wesentlichen auf Vermutungen, die aus der Krisenentwicklung abgeleitet werden. Aus der Darstellung des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten sollte ohne großen Interpretationsspielraum ersichtlich sein, was im Fall eines Scheiterns des Restrukturierungsplans die Folge mit hoher Wahrscheinlichkeit sein könnte. Der verständige Leser des Restrukturierungsplans sollte erkennen, wie weit der Schuldner vor dem Abgrund steht. Hinsichtlich des Umfangs und der Tiefe der Ausführungen sollte der jeweilige Einzelfall 48 berücksichtigt werden. Hat das schuldnerische Unternehmen bereits eine umfangreiche Sanierung im Vorfeld bestritten und liegen entsprechende Sanierungsgutachten vor kann sicherlich darauf aufgebaut werden bzw. können einzelne Passagen entnommen werden. Handelt es sich dagegen um ein kleineres Unternehmen oder um eine natürliche Person mit überschaubarer Unternehmenstätigkeit können die Ausführungen in der Regel schlanker und überschaubarer sein. Es sollte jedoch in beiden Fällen für einen objektiven Dritten verständlich sein, was die Krisenursache und die Folge ist, wenn der Restrukturierungsplan nicht erfolgreich umgesetzt werden kann. 2.

Weitere Informationen zum Schuldner i. R. des § 6 Abs. 1 Satz 2 StaRUG

Neben den in der Anlage zu § 5 einzeln normierten Angaben zum Schuldner können aus 49 § 6 Abs. 1 Satz 2 StaRUG weitere Angaben zum Schuldner abgeleitet werden, die im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans anzugeben sind. Abweichend zu den in der Anlage zu § 5 genannten Mindestanforderungen sind diese nicht im Einzelnen in § 6 StaRUG genannt. Der Planersteller hat zu antizipieren, welche ergänzenden Angaben zum Schuldner ___________ 18) IDW Standard, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6), Rz. 81, Stand: 16.5.2018, IDW Life 8/2018, S. 813 ff.

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§ 27

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

für die Entscheidung der von planbetroffenen Gläubigern bzw. für die gerichtliche Bestätigung maßgeblich sind. 50 Um die Übersichtlichkeit der Ausführungen im darstellenden Teil zu erhalten, sollte der Planersteller sich auf das Wesentliche beschränken. Dabei sollte stets beachtet werden, wer als Gläubiger von den Planregelungen betroffen ist und über welche Kenntnisse dieser bereits verfügt. So können z. B. Kreditinstitute, die schon im Vorfeld des Verfahrens eine Sanierung begleiten, umfangreichere Kenntnisse über den Schuldner haben, Lieferantengläubiger, die hinsichtlich ihrer Forderungshöhe durch den Restrukturierungsplan beschnitten werden sollen, jedoch nicht. 51 Nachstehende Informationen können deshalb im Einzelfall als ergänzende Ausführungen zum Schuldner im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans aufgenommen werden. 2.1

Unternehmensgruppe

52 Die Restrukturierungsrichtlinie fordert nur Angaben zum Schuldner um diesen hinreichend identifizieren zu können. Es ist daher nicht zwingend erforderlich, dass auch Ausführungen zu Unternehmensgruppe vorzunehmen sind, sofern der Schuldner einer solchen angehört.19) Für die planbetroffenen Gläubiger kann es jedoch von erheblicher Bedeutung sein, einen Einblick über die Finanzierungsstrukturen und Einbindung in eine Unternehmensgruppe zu bekommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn unterschiedliche Leistungsbeziehungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften bestehen. Ebenso können Konzernverflechtungen zu Auslandsgesellschaften für die planbetroffenen Gläubiger von besonderem Interesse sein, da hieraus etwaige wirtschaftliche Risiken oder auch Chancen erwachsen können, welche eine Umsetzung des Restrukturierungsplans gefährden oder unterstützen. 53 Sofern steuerliche Organschaften und/oder Gewinnabführungsverträge innerhalb des Konzerns bestehen, sind diese im Unternehmensgruppen-Organigramm offenzulegen. Denn auch hieraus können planbetroffenen Gläubiger Rückschlüsse für die Durchsetzbarkeit des Restrukturierungsvorhabens ziehen. Die planbetroffenen Gläubiger können einen Rückschluss ziehen, wer ggf. mittelbar von der Sanierung über den Restrukturierungsplan profitiert. Auch können etwaige wirtschaftliche Risiken aus steuerlichen Organschaften oder Gewinnabführungsverträgen abgeleitet werden, die die Sanierungsfähigkeit über den Restrukturierungsplan ggf. gefährden. 54 Die Einbindung in eine Unternehmensgruppe kann über ein Schaubild erfolgen. Im Textteil sollten Ausführungen zu Unternehmensgruppe im Allgemeinen getroffen werden. Die Funktion der Schuldnerin innerhalb der Gruppe sollte für die Beteiligten ersichtlich sein. 2.2

Geschäftsführung

55 Die vertretungsberechtigten Organe sind entsprechend der Angaben im Handelsregister zu benennen. Sofern die Organe nicht einzelvertretungsberechtigt sind, ist dies auszuführen. Ist eine Generalvollmacht erteilt worden, die nicht aus den Eintragungen des Registergerichts erkennbar ist, ist diese anzugeben. Die Angabe der Prokuristen ist nicht erforderlich. 56 Sofern die Gesellschaft über einen Beirat, Aufsichtsrat oder ein ähnliches Gremium verfügt sind die Mitglieder zu benennen. Für die planbetroffenen Gläubiger kann es relevant sein zu erkennen, welche Aufsichtsgremien die Geschäftsleitung beraten und/oder ggf. steuern.

___________ 19) Veder in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 8 RL (EU) 2019/1023 Rz. 5.

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§ 27

Schuldner 2.3

Gesellschafterstruktur/wirtschaftlich Berechtigte

Sind an dem Schuldner Gesellschafter beteiligt hat eine Offenlegung der Gesellschafterstruk- 57 tur mit Beteiligungsquote zu erfolgen. Aus Sicht der Verfasser ist dies bei jeder Form der Beteiligung erforderlich. Für den planbetroffenen Gläubiger ist es in der Regel von besonderer Bedeutung zu erfahren, wem (mittelbar) sein Sanierungsbeitrag zugute kommt. Ob dabei die Offenlegung der gesamten Gesellschafterkette bis zur letzten natürlichen Person zu erfolgen hat, ist fraglich. Es biete sich an, die Gedanken des GwG für die wirtschaftlich Berechtigten heranzuziehen. Liegen die Informationen z. B. aufgrund KYC-Anforderungen vor, oder besteht eine Verpflichtung die wirtschaftlich Berechtigten ins Transparenzregister einzutragen kann erwartet werden, die wirtschaftlich Berechtigten im darstellenden Teil zu nennen. Ein Sonderfall kann die Treuhand sein, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Restruk- 58 turierungsplans noch nicht aktiv ist und eine Pflicht zur Eintragung in das Transparenzregister somit noch nicht besteht. Sind dem Treuhänder umfangreiche Vollmachten zur Ausübung der Gesellschafterposition eingeräumt kann die Offenlegung im Restrukturierungsplan notwendig sein um zu erkennen, wer auf Ebene der Gesellschafter die Einleitung des Restrukturierungsvorhabens abgesegnet hat. In der Regel wird die Treuhand den planbetroffenen Gläubigern bekannt sein, sodass auch eine nicht erfolgte Offenlegung in der Regel nicht schädlich sein sollte. Stille Beteiligungen sind ebenfalls offenzulegen. 2.4

59

Wesentliche Finanzkennzahlen

Bereits aus der Anlage zu § 5 ergibt sich die Verpflichtung des Schuldners über seine wirt- 60 schaftliche Situation im darstellenden Teil zu berichten. Je nach Größe des Schuldners sollten ergänzend auch finanzielle Leistungsindikatoren genannt werden. Hierzu zählen die Ergebniskennzahlen zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (wie z. B. EBIT oder EBITDA) ebenso wie die Finanzkennzahlen zur Rendite, Umsatz, Working Capital, Netto-Finanzschuld, Entschuldungsdauer, Zinsdeckungsgrad sowie Free Cashflow. Um einen Interpretationsspielraum bei den Adressaten des Restrukturierungsplans zu ver- 61 meiden, sollten die einzelnen Begriffe definiert werden, sodass keine Missverständnisse entstehen. Es empfiehlt sich ferner, die entsprechenden verwendeten Finanzkennzahlen historisch darzustellen und deren erwartete zukünftige Entwicklung zu erläutern. Sollten die Regelungen des Restrukturierungsplans Auswirkungen auf die erwarteten Finanzkennzahlen haben sind Ausführungen vorzunehmen, wie sich diese im Fall der Umsetzung des Restrukturierungsplans darstellen bzw. wie deren Entwicklung im Fall des Scheiterns sein wird. 2.5

Bestehende Finanzierungsstruktur

Bestehende Finanzierungsstrukturen sind je nach Bedeutung im darstellenden Teil zu be- 62 nennen. Dies betrifft insbesondere die klassischen Banken- und Factoringfinanzierungen. Aber auch Finanzierungsstrukturen über Anleihen oder Schuldverschreibungen können im darstellenden Teil Erwähnung finden. Sieht der Restrukturierungsplan keinen Eingriff in die bestehenden Finanzierungsstrukturen vor, ist es für die planbetroffenen Gläubiger für deren Entscheidungsfindung von erheblicher Bedeutung, ob die Finanzierungen weiter fortbestehen, welche Laufzeit diese haben und ob ggf. nach Beendigung des Restrukturierungsverfahrens diese durch die Finanzierungspartner beendet werden können bzw. neue wirtschaftliche (negative) Rahmenbedingungen durch die Finanzierungspartner eingefordert

Geiwitz/v. Danckelmann

617

§ 27

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

werden; sei es durch Forderung neuer Sicherheiten, sei es durch Anpassung etwaiger Zinssätze oder Ähnlichem. 3.

Angaben zum Schuldner an Hand der Checkliste gemäß § 16 StaRUG

63 Die Mitgliedstaaten sind gemäß Art. 8 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie verpflichtet, online eine umfassende, an die Bedürfnisse von KMU angepasste Checkliste für Restrukturierungspläne, zur Verfügung zu stellen. Die Checkliste ist auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.20) IV.

Regelungen zum Schuldner im gestaltenden Teil

64 Der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans zielt im Wesentlichen auf die Anpassung von Vertragsbeziehungen der planbetroffenen Gläubiger mit dem Schuldner ab. Der Restrukturierungsplan kann jedoch auch zugunsten des Schuldners einen Forderungsverzicht und somit eine entsprechende Haftungsbefreiung (§ 11 StaRUG) beinhalten. Ebenso können gesellschaftsrechtliche Maßnahmen (§ 2 Abs. 2 StaRUG) den Schuldner betreffend im gestaltenden Teil geregelt und umgesetzt werden. 1.

Haftungsbefreiung gemäß § 11 StaRUG

65 Nach der Regel des § 11 Satz 1 StaRUG wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen aus den in dem Plan einbezogenen Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften befreit. Dies gilt dann nicht, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans etwas Abweichendes vorgesehen ist. Die Regelung entspricht dem Wortlaut des für den Insolvenzplan geltenden § 227 Abs. 1 InsO. Die Rechtsgedanken zu § 227 Abs. 1 InsO können als Auslegungsregel grundsätzlich herangezogen werden.21) Im Insolvenzplanverfahren wird die Regelung des § 227 Abs. 1 InsO durch den BGH dahingehend verstanden, dass die Forderungen steuerrechtlich, nicht aber zivilrechtlich i. S. vom § 397 BGB als erlassen gelten. Sie sind lediglich in entsprechender Höhe nicht mehr durchsetzbar. Dies führt im Insolvenzplan im Ergebnis dazu, dass auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Haftungsbefreiung i. S. von § 227 Abs. 1 InsO nach Ansicht des BGH die Aufrechnung – mit wenigen Ausnahmen – weiterhin möglich ist. Um diese Wertung des BGH aufzufangen, sehen die Insolvenzpläne regelmäßig eine Regelung dahingehend vor, dass die Aufrechnung ausgeschlossen ist, sofern die Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung insolvenzrechtlich nicht bereits bestand. 66 Ob die oben genannte Rechtsprechung zu Wirkung des § 227 Abs. 1 InsO im Insolvenzplanverfahren auch auf die Regelung des § 11 StaRUG zukünftig Anwendung findet ist offen. Der BGH begründet seine Rechtsprechung zum Erhalten der Aufrechnungslage mit dem Regelungszweck des § 94 InsO. Die Regelung dient dem Vertrauensschutz und soll eine vor Insolvenzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis erhalten.22) Das StaRUG enthält keine dem § 94 InsO entsprechende Norm, sodass die Rechtsprechung des BGH bei der Anwendung des § 11 StaRUG in Frage gezogen werden kann. Bei der Erstellung eines Restrukturierungsplans ___________ 20) BMJ, Checkliste für Restrukturierungspläne gem. § 16 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG), Stand: 17.7.2022, abrufbar unter https://www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/StaRUG_node.html (Abrufdatum: 16.1.2023); 21) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 11 Rz. 1; Böhm in: Braun, StaRUG, § 11 Rz. 1. 22) BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08, Rz. 11 ff. NZI 2011, 538 = ZIP 2011, 1271 m. w. N.

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§ 27

Schuldner

sollte der Planersteller jedoch im Fall eines Forderungsverzichtes zwingend eine Regelung aufnehmen, dass eine Aufrechnung ausgeschlossen ist, sofern dies gewünscht ist. Für den planbetroffenen Gläubiger kann dies allerdings zur Auswirkung haben, dass später bekannt gewordene Forderungen des Schuldners gegen den planbetroffenen Gläubiger nicht mehr zur Aufrechnung der vom Restrukturierungsplan betroffenen Forderungen herangezogen werden können. Dies kann z. B. bei zum Zeitpunkt der Planeinreichung noch nicht bekannten Gewährleistungsansprüchen der Fall sein. Seitens des Planerstellers ist zu beachten, dass im Fall eines (Teil-)Forderungsverzichtes 67 die Regelung im gestaltenden Teil in der Form verfasst wird, dass diese auch vollstreckungsfähig ist. Es ist zu erwarten, dass bei einem vorgelegten Restrukturierungsplan mit (Teil-) Forderungsverzicht in der Regel die Forderungen der planbetroffenen Gläubiger auch hinsichtlich der Höhe bekannt sein werden. Der Restrukturierungsplan wird in aller Regel nur einzelne planbetroffene Gläubiger betreffen. Es wird voraussichtlich nur in Ausnahmefällen ein Forderungsverzicht aller Gläubiger des Schuldners durch einen Restrukturierungsplan eingefordert werden und deren Höhe nicht bekannt sein. In der Regel wird die Passivseite bzgl. der Höhe bestimmbar sein, sodass eine feste Quotenzahlung möglich ist und die Risiken, die im Insolvenzverfahren zu lösen sind (u. a. bedingte Schäden aus Nichterfüllungserklärungen), hier nicht eintreten werden. Sollte ein Restrukturierungsplan wider Erwarten eine dynamische Planquote vorsehen, d. h., 68 dass die Aktivmasse oder Passivmasse nicht bestimmt ist, ist auf die Vollstreckungsfähigkeit zu achten. Es empfiehlt sich in diesem Ausnahmefall die hierzu entwickelten Gedanken bezüglich des Insolvenzplans zu übernehmen und entsprechende Regelung im gestaltenden Teil aufzunehmen. Hinsichtlich nicht bekannter Forderungen (z. B. Kartellrechtsansprüche, Produkthaftungs- 69 ansprüche etc.) hat der Planersteller zu berücksichtigen, dass es im StaRUG-Verfahren keine dem § 259b InsO gleichgestellte Regelung gibt. Kann der Planersteller somit dem planbetroffenen Gläubiger nicht benennen, besteht das Risiko, dass dieser entweder nicht von der Planwirkung betroffen ist oder zumindest nicht mit der Geltendmachung seiner Ansprüche entsprechend einer gesetzlichen Regelung des § 259b InsO zeitlich beschränkt ist. Ob der Planersteller durch eine dem § 259b InsO folgende Regelung im gestaltenden Teil die zeitliche Geltendmachung begrenzen kann, ist äußerst fraglich. Sieht der Restrukturierungsplan einen (Teil-)Forderungsverzicht vor, kann dies zu einem 70 Buchgewinn führen. Ob ein steuerfreier Sanierungsertrag i. S. von § 3 EStG, § 7b GewStG vorliegt, ist anhand der hierfür notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen. Ein Automatismus zwischen Planbestätigung und Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns gibt es nicht. Der Schuldner muss die Sanierungsbedürftigkeit, die Sanierungsfähigkeit, Sanierungseignung und Sanierungsabsicht nachweisen, auch im Fall einer späteren Betriebsprüfung darlegen und beweisen. Die Praxis tendiert in diesem Fall dazu, eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt anzufragen. Ob die zuständigen Finanzämter jedoch im notwendigen Zeitfenster eine entsprechende verbindliche Auskunft erteilen, hängt u. a. von der Arbeitsbelastung des Finanzamtes ab (zu den Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan siehe ausführlich Uhländer, HRI I, § 44). 2.

Einwirkung auf die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte des Schuldners

Ist die Schuldnerin eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kön- 71 nen die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte gestaltet oder die Rechte übertragen werden. Ebenso ist die Umwandlung von Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte mit Zustimmung der betroffenen Gläubiger möglich (§ 7 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Die Eingriffsmöglichkeit ist eine Anforderung aus der RestrukturierungsrichtGeiwitz/v. Danckelmann

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§ 27

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

linie. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dabei an dem Vorbild des § 225a Abs. 1 bis Abs. 3 InsO orientiert.23) 72 Die Bestimmung der Anteilsrechte erfolgt nach dem jeweiligen maßgeblichen Gesellschaftsrecht. In der Mehrheit der Verfahren werden GmbH und AG den Weg eines StaRUGVerfahrens wählen. Zu Bestimmung der Anteilsrechte ist somit auf die jeweilige Rechtsnorm (GmbHG, AktG bzw. HGB) abzustellen. Sollten Auslandsgesellschaften das Verfahren wählen erfolgt die Einstufung in der Regel nach den entsprechenden Statuten bzw. der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung (vgl. z. B. Limited). 73 Das gleiche gilt für etwaige Mitgliedschaftsrechte. Dies betrifft im Wesentlichen die Personengesellschaften (oHG, GbR und KG) und die Vereine. 74 Werden im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Regelungen hinsichtlich der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte vorgenommen, wird sich zukünftig die Frage stellen, ob ein Eingriff in die Rechtsposition nur dann möglich ist, wenn durch diese die drohende Zahlungsunfähigkeit ausgelöst wurde und die Umsetzung der Maßnahme die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt. Ob eine solche enge Anwendung aus § 14 Abs. 1 StaRUG und § 29 Abs. 1 StaRUG abgeleitet werden kann ist fraglich (siehe dazu auch Mock, HRI I, § 25). Die Grenze wird vermutlich dort zu sehen sein, wo ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeit durch das StaRUG durch den Planverfasser verfolgt wird, um z. B. Minderheitsgesellschafter in ihrer Rechtsposition zu beschneiden. 2.1

Bestellung/Abberufung von Organen

75 In Anlehnung an § 225a InsO kann auch im Restrukturierungsplan die Neubestellung oder Abberufung von Organen des Schuldners erfolgen. Nachdem die Einleitung des Verfahrens nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit erfolgen kann, wird sich die Geschäftsleitung in der Regel mit den Gesellschaftern über die Einleitung des Verfahrens abstimmen müssen. Wenn die Gesellschafter bereits mit der Einleitung eines entsprechenden Restrukturierungsplans einverstanden sind, werden diese erwartungsgemäß auch die entsprechenden Beschlüsse zur Bestellung oder Abberufung von Organen fassen. Dass die Geschäftsleitung dies selbst mittelbar über den Restrukturierungsplan umsetzt, ist somit nur in Ausnahmefällen zu erwarten. 2.2

Abberufung/Neubestellung von Aufsichtsgremien

76 Im Insolvenzplanverfahren ist allgemein anerkannt, dass im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Abberufung, Neubestellung oder sogar die Auflösung von Überwachungsorganen möglich ist. Die Auflösung kann jedoch nur dann erfolgen, wenn diese nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben sind. Die Möglichkeit ist auch im Restrukturierungsplan eröffnet. Sind entsprechende Regelungen im gestaltenden Teil vorgesehen, hat in der Regel auch eine Anpassung der Geschäftsordnung oder Satzung zu erfolgen. Denn andernfalls könnte nach Umsetzung des Restrukturierungsplans der Vorgang ggf. durch einzelne Gesellschafter wieder rückgängig gemacht werden. 2.3

Eingriff in die Geschäftsordnung/Satzung

77 Für die Praxis relevant kann zukünftig die Anpassung von Geschäftsordnungen oder Satzungen durch den gestaltenden Teil eines Restrukturierungsplans sein. Geschäftsordnungen oder Satzungen werden in der Regel nur dann angepasst, wenn die Gesellschafter ein einheitliches Ziel verfolgen. In der Restrukturierung kann es jedoch vorkommen, dass einzelne oder sogar alle Gesellschafter die Restrukturierung in der Form, wie von den weiteren ___________ 23) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117.

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Geiwitz/v. Danckelmann

§ 27

Schuldner

Stakeholdern vorgesehen, nicht mehr begleiten wollen. Sofern alle Gesellschafter bzw. die Mehrheit der Gesellschafter den eingeschlagenen Sanierungsweg nicht begleiten wollen hat eine Anpassung der Geschäftsordnung und oder Satzung flankierend durch die Übertragung der Anteile an einen Treuhänder zur erfolgen. Sofern nur einzelne Minderheitsgesellschafter den Sanierungsweg nicht mehr unterstützen, jedoch eine entsprechende Sperrminorität haben, kann eine Anpassung der Geschäftsordnung bzw. Satzung genügen. 2.4

Einziehung von Anteilen/Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung

Die Einziehung von Anteilen über einen Restrukturierungsplan ist möglich. Es ist zu be- 78 achten, dass eine Einziehung außerhalb eines Planverfahrens nur dann eröffnet ist, wenn dies die Geschäftsordnung bzw. Satzung vorsieht. Bei der Umsetzung im Insolvenzplanverfahren ist anerkannt, dass eine Einziehung auch ohne Regelung in der Geschäftsordnung bzw. Satzung möglich ist. Begründet wird dies dadurch, dass eine Anpassung der Geschäftsordnung bzw. Satzung erfolgen kann. Dies gilt auch im Restrukturierungsplan.24) Neben der Einziehung von Anteilen kann auch eine Kapitalherabsetzung und Kapitaler- 79 höhung unter Ausschluss der Bezugsrechte und Zuweisung der Bezugsrechte an einen Dritten erfolgen. Durch eine Kapitalherabsetzung auf null werden sämtliche Gesellschaftsanteile vernichtet. Mit der anschließenden Kapitalerhöhung können die Anteile entweder den bisherigen Gesellschaftern oder Dritten neu zugeordnet werden. Die Kapitalerhöhung kann sowohl als Barkapitalerhöhung oder auch als Sachkapitalerhöhung erfolgen.25) Wird eine entsprechende Maßnahme umgesetzt, steht dem betroffenen Altgesellschafter ein Abfindungsanspruch zu. Dieser ist im Restrukturierungsplan zu ermitteln. In Abweichung zu den Gedanken im Insolvenzplanverfahren hat der Planersteller zu berücksichtigen, dass das StaRUG-Verfahren gerade kein Insolvenzverfahren ist und sich somit die Berechnung des Abfindungsguthabens in der Regel aufwändiger gestalten wird. 2.5

Eigenkapitalumwandlung (Debt to Equity Swap)

Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 StaRUG kann auch eine Fremd- in Eigenkapitalumwandlung 80 erfolgen (Debt to Equity Swap). Es können nur Restrukturierungsforderungen als Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt werden. Eine solche Umwandlung kann nur mit Zustimmung des planbetroffen Gläubigers erfolgen. Die Umsetzung der Maßnahme erfolgt im Regelfall durch ein Kapitalschnitt, d. h. Kapitalherabsetzung auf null und entsprechende Kapitalerhöhung unter Einbringung einer Forderung als Sacheinlage. Wenn entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden sollen, ist zu beachten, dass der betroffene Gesellschafter einen Abfindungsanspruch hat. Die Bewertung dieses Abfindungsanspruchs hat im Restrukturierungsplan zu erfolgen. Erwartungsgemäß wird die Ermittlung der Höhe des Abfindungsanspruches im Restrukturierungsplan eine besondere Bedeutung haben. Dass die Anteile nichts wert sind, wie z. B. regelmäßig im Insolvenzplan, wird der Planersteller vermutlich nur mit hohem Aufwand darlegen können, sofern nicht alle Gläubiger des Schuldners einen Forderungsverzicht hinzunehmen haben.

___________ 24) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 7 Rz. 83. 25) Einzelheiten u. a. Brünkmans: in Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan, S. 780 ff.

Geiwitz/v. Danckelmann

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§ 28 Die Vergleichsrechnung im StaRUG Pleister/Prosteder

I.

Einführung, Telos der Vergleichsrechnung...................................................... 1 II. Gesetzliche Regelung zur Vergleichsrechnung im StaRUG .................... 5 1. Gesetzliche Grundlage ................................ 5 1.1 Die Vergleichsrechnung als bewährtes Instrument aus dem Insolvenzplanverfahren...... 6 1.2 Umfang der gesetzlichen Festlegung seit dem 1.1.2021........ 11 2. Ausgestaltung von Plan- und Alternativszenario (Überblick) ......................... 13 III. Formelle Anforderungen an die Vergleichsrechnung ...................... 23 1. Vollständigkeit und Richtigkeit ................ 23 2. Bezugszeitpunkt der Vergleichsrechnung ..................................................... 25 IV. Materielle Anforderungen an die Vergleichsrechnung ...................... 28 1. Einzubeziehende Gläubigerpositionen..... 28 2. Keine gesetzlichen Vorgaben bzgl. des Vergleichsmaßstabs ............................. 31 3. Darstellung der Vergleichsszenarien ........ 33 3.1 Anzahl und Darstellungstiefe der Alternativszenarien ................. 33

3.2

Auswahl des zwingend darzustellenden Alternativszenarios...... 43 4. Die Szenarien im Einzelnen ...................... 46 4.1 Fortführungsszenario als Vergleichsmaßstab ................... 47 4.2 Liquidationsszenario als Vergleichsmaßstab ................... 56 V. Überprüfung der Vergleichsrechnung.................................................... 61 1. Überprüfung in Abhängigkeit von der gewählten Verfahrensart ............. 63 2. Prüfung durch die Versammlung der Planbetroffenen ................................... 64 3. Prüfung durch das Restrukturierungsgericht ......................................................... 66 3.1 Gerichtliche Vorprüfung .............. 67 3.2 Summarische gerichtliche Bestätigungsprüfung von Amts wegen (§ 63 StaRUG)................... 70 3.3 Inhaltliche Überprüfung (§§ 64, 66 StaRUG) ...................... 74 3.3.1 Minderheitenschutzverfahren (§ 64 StaRUG) .............................. 76 3.3.2 Sofortige Beschwerde (§ 66 StaRUG) .............................. 81

Literatur: de Bruyn/Ehmke, StaRUG & InsO: Sanierungswerkzeuge des Restrukturierungs- und Insolvenzverfahrens, NZG 2021, 661; Doebert/Krüger, Die strategische Gestaltung von Restrukturierungsplänen, NZI 2021, 614; Ringelspacher/Fehl-Weileder, Die Vergleichsrechnung: Streitfragen und Erfahrungen oder Business as usual, ZRI 2022, 210; Skauradszun, Die Vergleichsrechnung nach § 220 Abs. 2 InsO n. F., ZIP 2021, 1091; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Spahlinger, Gruppen, Stimmrechte und erforderliche Mehrheiten, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32.

I.

Einführung, Telos der Vergleichsrechnung

1 Die Vergleichsrechnung ist zwingender und wesentlicher Bestandteil des Restrukturierungsplans. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 StaRUG hat der darstellende Teil des Restrukturierungsplans eine Vergleichsrechnung zu enthalten, in der die Auswirkungen des Restrukturierungsplans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen dargestellt werden. Verglichen wird das im Plan konkretisierte Planszenario (sog. Bezugsszenario) mit dem „nächstbesten Alternativszenario“1) und es sind die Auswirkungen auf die Positionen der Planbetroffenen in dem Planszenario einerseits und dem Alternativszenario andererseits darzulegen. Die Vergleichsrechnung dient dazu, den Planbetroffenen sowohl die wirtschaftlichen Folgen der Zustimmung als auch die einer Ablehnung des Restrukturierungsplans aufzuzeigen. 2 Sie bildet die zentrale Informationsgrundlage, um bewerten zu können, ob die im Restrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen den Interessen der betroffenen Gläubiger gerecht werden. Die Vergleichsrechnung ermöglicht den Planbetroffenen eine informierte ___________ 1) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128, 163.

622

Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG

§ 28

Abstimmung und stellt sicher, dass kein Beteiligter durch den Restrukturierungsplan schlechtergestellt wird, als er ohne den Plan stünde (Schlechterstellungsverbot, § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Das Bereitstellen einer Informationsgrundlage für die Gläubigerabstimmung und Sicherstellung des Schlechterstellungsverbots bilden im Kern den Telos der Vergleichsrechnung. Nur wenn eine umfassend informierte Planabstimmung erfolgen kann und das Schlechterstellungsverbot zugunsten der überstimmten Gläubiger beachtet wird, lässt sich rechtfertigen, dass Gläubigern durch Mehrheitsentscheid die Planwirkungen aufgezwungen werden. Dementsprechend ist auf Basis der Vergleichsrechnung auch zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für einen Cross-Class Cram-down erfüllt sind (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Schuldner nicht unberechtigt in Gläubigerrechte 3 eingreift. Denn er könnte die Gläubiger durch eine relevante Liquiditätslücke innerhalb der nächsten 24 Monate vergleichsweise einfach einem Restrukturierungsszenario aussetzen.2) Die sorgfältige und gewissenhafte Aufstellung der Vergleichsrechnung ist zentral für das 4 Gelingen des Restrukturierungsplans. Allerdings bietet sie auch bei noch so gewissenhafter Aufbereitung die Vergleichsrechnung ein hohes Angriffspotential durch dissentierende Planbetroffene, weil zukünftige Szenarien dargestellt werden. Auch wenn lediglich hinreichend wahrscheinliche Szenarien darzustellen sind, ist es regelmäßig die Vergleichsrechnung, welche dissentierende Gläubiger angreifen.3) II.

Gesetzliche Regelung zur Vergleichsrechnung im StaRUG

1.

Gesetzliche Grundlage

Die gesetzliche Grundlage für die Vergleichsrechnung im Restrukturierungsplan ist § 6 5 Abs. 2 StaRUG. Zeitgleich wurde mit dem SanInsFoG auch die Vergleichsrechnung für den Insolvenzplan gesetzlich normiert, § 220 Abs. 2 Satz 2 InsO. 1.1

Die Vergleichsrechnung als bewährtes Instrument aus dem Insolvenzplanverfahren

Die Vergleichsrechnung ist ein bekanntes und bewährtes Instrument aus dem Insolvenz- 6 planverfahren zur Beurteilung, ob das auch dort geltende Schlechterstellungsverbot i. R. des Plans eingehalten wurde oder nicht. Vor dem 1.1.2021 war die Vergleichsrechnung für den Insolvenzplan zwar nicht explizit gesetzlich normiert, sie wurde jedoch aus dem Gesamtkonzept der §§ 245 Abs. 1 Nr. 1, 247 Abs. 2 Nr. 1, 251 Abs. 1 Nr. 2 und 253 Abs. 3 Nr. 3 InsO als Grundlage zur Beurteilung der Beachtung des Schlechterstellungsverbots im Insolvenzplanverfahren abgeleitet. Die Vergleichsrechnung wurde insoweit als selbstverständlicher Bestandteil des darstellenden Teils des Insolvenzplans zur Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage angesehen, mit der auch eine potentielle Schlechterstellung der Planbeteiligten vollumfänglich beurteilt werden sollte.4) Die Vergleichsrechnung war im Regierungsentwurf zur InsO 1992 explizit schon einmal als 7 Bestandteil des darstellenden Teils i. R. des Insolvenzplans vorgesehen. § 259 RegE InsO 1992 (Vergleichsrechnung), die die vormalige KO ablösen sollte, lautete: „Im darstellenden Teil ist anzugeben, in welchem Umfang die Gläubiger voraussichtlich bei einer Verwertung der Insolvenzmasse ohne einen Insolvenzplan befriedigt werden könnten“. ___________ 2) So auch Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 12. 3) Wie bereits im ersten veröffentlichten Fall, Hinweisbeschluss des AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 380 = NZI 2021, 433; s. a. de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 670. 4) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116; Skauradszun, ZIP 2021, 1091 m. w. N.

Pleister/Prosteder

623

§ 28

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

8 In der Regierungsbegründung wurde dies wie folgt begründet: „Das wirtschaftliche Interesse der Gläubiger an einem Plan hängt davon ab, ob sie durch den Plan bessergestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden. Ein Plan, bei dessen Verwirklichung die Gläubiger in geringerem Umfang befriedigt werden als bei einer sofortigen Zwangsverwertung des Schuldnervermögens, wird nur in Ausnahmefällen die Zustimmung einer Gläubigermehrheit finden, etwa in dem Fall, dass die Mehrzahl der Gläubiger sich aus einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner künftige Gewinne verspricht. Die Unterrichtung der Gläubiger darüber, inwieweit der Plan ihre Befriedigungschancen verbessert, ist daher ein wichtiger Bestandteil des darstellenden Teils. Selbstverständlich kann dabei das Ergebnis der Verwertung der Insolvenzmasse ohne einen Plan nur geschätzt werden. Grundlage der Schätzung ist das Verzeichnis der Massegegenstande, das der Verwalter zu Beginn des Insolvenzverfahrens zu erstellen hat und in dem auch die Liquidationswerte anzugeben sind (vgl. § 170 Abs. 1, 2 des Entwurfs)“.5) 9 In der damaligen finalen Beschlussfassung wurde nur zwecks Straffung der Regelungen auf eine explizite Regelung der Vergleichsrechnung verzichtet, ohne von dem Konzept selbst Abstand zu nehmen. Dort heißt es „Statt detailliert aufzuzählen, welche Anforderungen an den darstellenden Teil des Insolvenzplans zu stellen sind, wird allgemein bestimmt, welchen Inhalt dieser Teil haben sollte. Wer einen Plan aufstellt und die Zustimmung der Gläubiger zu diesem Planerreichen will, ist schon von sich aus daran interessiert, den Gläubigern die für diese erforderlichen Informationen zu geben.“6) 10 Die Vergleichsrechnung war damit bereits vor ihrer mit dem SanInsFoG zum 1.1.2021 eingeführten gesetzlichen Verankerung stets Grundlage für die Beurteilung der (Nicht-) Schlechterstellung von Gläubigern durch den Plan und die Rechtfertigung von Eingriffen in Gläubigerrechte durch Mehrheitsentscheidungen. 1.2

Umfang der gesetzlichen Festlegung seit dem 1.1.2021

11 Die Pflicht zur Vorlage einer Vergleichsrechnung als zwingender Bestandteil des darstellenden Teils ist seit dem 1.1.2021 in § 220 Abs. 2 Satz 2 InsO für den Insolvenzplan und in § 6 Abs. 2 StaRUG für den Restrukturierungsplan gesetzlich festgeschrieben. 12 Nicht gesetzlich geregelt wurde hingegen, welche inhaltlichen Vorgaben an die Vergleichsrechnung zu stellen sind, mit einer Ausnahme: Vom Gesetzgeber vorgegeben ist – und zwar für den Restrukturierungsplan gleichermaßen wie für den Insolvenzplan – dass nicht ohne Weiteres auf Liquidationswerte abgestellt werden darf, sondern vorrangig Fortführungsszenarien darzulegen sind. Darüber hinaus ist die inhaltliche Ausgestaltung nach dem Telos der Regelung (siehe dazu sogleich Rz. 13 ff.) und nach den Parallelwertungen aus dem Insolvenzplanverfahren auszurichten. Dabei sind die Besonderheiten des StaRUG-Verfahrens gegenüber dem Insolvenzplanverfahren zu beachten, die insbesondere daraus resultieren, dass die 

potentiellen Alternativszenarien auch (und zwar vornehmlich) solche außerhalb von Insolvenzverfahren erfassen,



die Gruppe der planbetroffenen Gläubiger eingegrenzt werden kann und

auch die Regelungsinhalte von Insolvenzplan und Restrukturierungsplan inhaltlich verschieden sind. Dies führt insbesondere dazu, dass der Planersteller i. R. des StaRUG Verfahrens im Regelfall mehrere Szenarien prüfen sollte (siehe dazu ausführlich Rz. 13 ff.). ___________ 

5) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 197. 6) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 182.

624

Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG 2.

§ 28

Ausgestaltung von Plan- und Alternativszenario (Überblick)

Wesentlicher Maßstab für die Ausgestaltung der Vergleichsrechnung i. R. des Restruk- 13 turierungsplans ist deren Telos, also die Funktion als Grundlage für die Abstimmungsentscheidung und Beurteilung, ob durch den Plan eine Schlechterstellung der betroffenen Gläubiger erfolgt. Mithilfe der Vergleichsrechnung sollen die planbetroffenen Gläubiger in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob sie durch den Restrukturierungsplan schlechtergestellt werden, als sie ohne den Plan stünden und dementsprechend ihr Abstimmungsverhalten ausüben können. Zugleich wird anhand der Vergleichsrechnung bestimmt, ob ein Überstimmen durch Mehrheiten (innerhalb einer Gruppe der Planbetroffenen ebenso wie nach Maßgabe des Cross-Class Cram-down) zulässig ist (Schlechterstellungsverbot). Die Vergleichsrechnung soll die Auswirkungen des Restrukturierungsplans auf die Befriedigungsaussichten aufzeigen, und zwar im Vergleich zur Situation ohne den Plan (§ 6 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). Die Vergleichsrechnung besteht daher aus einer Gegenüberstellung von mindestens zwei Szenarien: 

dem Planszenario, also der Situation bei Annahme des Restrukturierungsplans, und



dem Alternativszenario, also der nächstbesten Situation für den Fall der Nichtannahme des Restrukturierungsplans.

Die Wahl des Vergleichsszenarios bedarf einer Begründung, insbesondere ist laut Regie- 14 rungsentwurf besonders zu begründen, wenn eine Fortführung ohne Plan und eine Unternehmensveräußerung als nicht möglich dargestellt werden und deshalb auf Liquidationswerte abgestellt wird.7) Sowohl im Gesetz als auch in der Gesetzesbegründung wird lediglich der grobe Rahmen für die Vergleichsrechnung dargestellt. Es werden mit einer Ausnahme insbesondere keine konkreten Vergleichsmaßstäbe als zwingend festgelegt: Sieht der Plan eine Fortführung des Unternehmens vor, ist für die Ermittlung der Befriedigungsaussichten ohne Plan grundsätzlich zu unterstellen, dass das Unternehmen fortgeführt wird, § 6 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Somit sind in diesem Fall der Vergleichsrechnung grundsätzlich Fortführungswerte zugrunde zu legen.8) Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fort- 15 führung aussichtslos ist, § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG; nur dann dürfen allein Liquidationswerte angesetzt werden. Zieht man als einziges Vergleichsszenario die Liquidation heran, ist daher eine fundierte Begründung erforderlich, warum eine Fortführung ohne den Restrukturierungsplan nicht denkbar ist. Eine Liquidation darf nicht ohne eine solche Begründung unterstellt werden.9) Der Gesetzgeber hat mit der Formulierung, dass ein Liquidationsszenario nur angesetzt werden darf, wenn eine Fortführung des Unternehmens aussichtslos ist, die Grenzen im Verhältnis zu der gängigen insolvenzplanrechtlichen Praxis enger gesetzt, so dass heute sogar beim Insolvenzplan nicht ohne Weiteres Zerschlagungswerte angesetzt werden können (siehe hierzu J. Schmidt, HRI II, § 29 Rz. 12). Eine andere Frage ist, ob es sich empfiehlt, zusätzlich zu dem nächstbesten Fortführungs- 16 szenario das Liquidationsszenario zu zeigen. Ist dies zeitlich i. R. der Planerstellung machbar, so sollte der Planersteller stets auch eine Liquidationswertberechnung zeigen, um auch insoweit unangreifbar zu sein. Denn auch wenn ein Abstellen auf Liquidationswerte nur bei Aussichtslosigkeit von Fortführungsszenarien zulässig ist, heißt das umgekehrt nicht, dass auf die Darlegung von Liquidationswerten stets verzichtet werden kann. In Fällen, in denen ein Liquidationsszenario für Planbetroffene besser wäre als die Wirkungen des ___________ 7) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. 8) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. 9) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116.

Pleister/Prosteder

625

§ 28

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

Restrukturierungsplans, wäre ebenfalls das Schlechterstellungsverbot verletzt und der Plan insoweit wegen Verletzung des Schlechterstellungsverbots angreifbar. 17 Ein weiterer Angriffspunkt kann die Umsetzbarkeit bzw. Eintrittswahrscheinlichkeit des Fortführungsszenarios sein. Ist dieses nicht hinreichend wahrscheinlich, sollte dargelegt werden, aus welchem Grund das ggf. dann noch verbleibende Liquidationsszenario nicht besser ist als das Planszenario. Dies bedeutet für die praktische Umsetzung des Regel-Ausnahme-Prinzips, dass zunächst ein Fortführungs-Alternativszenario und daraus resultierende Befriedigungsquoten zu zeigen sind, an deren Erfolgswahrscheinlichkeit und Befriedigungsquote das Liquidationsszenario dann zu messen ist. So kann der Planersteller detailliert begründen, warum ein bzw. kein Fortführungsszenario als Alternativszenario anzusetzen ist. Es ist auf Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise durchzurechnen. 18 Das gewählte Alternativszenario muss gemäß der Gesetzesbegründung das „nächstbeste“ sein.10) Im Regelfall wird i. R. der Fortführung erfahrungsgemäß eine bessere Quote erreicht als im Liquidationsszenario, da eine Zerschlagung eines Unternehmens im Ergebnis häufig unterhalb des Marktpreises verläuft. Mit der Liquidation ist nicht zwingend die sofortige Stilllegung des Unternehmens, sondern vielmehr die gestreckte Liquidation gemeint; insoweit besteht ein Gleichlauf zum Insolvenzplan (siehe hierzu J. Schmidt, HRI II, § 29 Rz. 11). Soweit das „nächstbeste Alternativszenario“ ein Fortführungsszenario ist, ist dieses Vergleichsmaßstab; andernfalls das Liquidations-/Zerschlagungsszenario. Damit verleiht der Gesetzgeber seinem Willen Ausdruck, dass zwar im Regelfall das Fortsetzungsszenario angesetzt werden soll, jedoch in Ausnahmefällen auch ein auf Zerschlagungswerten basierendes Liquidationsszenario die nächstbeste Alternative darstellen kann. 19 Das Liquidationsszenario i. S. des § 6 Abs. 2 StaRUG meint Zerschlagung. Hingegen sind Insolvenzplanszenarien und übertragende Sanierungen aus dem Insolvenzverfahren Fortführungsszenarien (siehe dazu Rz. 47 ff.). 20 Die Wahl des jeweiligen Szenarios sowie die Umsetzung der Szenarien sind darzustellen und zu begründen. Im Fall von mehreren möglichen Szenarien ist auch die Wahl des als Alternative gewählten Szenarios zu begründen. Diese Begründung bildet die Grundlage dafür, dass die Planbetroffenen sowie die übrigen Gläubiger nachvollziehen können, warum genau dieses Szenario als Alternative gewählt wurde. Regelmäßig fehlt es diesen sowohl an genauen Informationen zu den Unternehmenswerten als auch an branchenspezifischen Fachkenntnissen, um die prognostizierten Szenarienziele eigenständig auf ihre Erfolgswahrscheinlichkeit und ihre voraussichtliche Befriedigungsquote hin zu bewerten. 21 Die Grundlage für den Vergleich bilden die einzelfallspezifischen Daten und Werte des jeweiligen Unternehmens nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise. Dabei können diese Werte im Gegensatz zur insolvenzrechtlichen Vergleichsrechnung in der Regel keine unmittelbaren konkreten Befriedigungsaussichten der Gläubiger abbilden, sondern lediglich die Effekte hypothetischer Alternativszenarien. Da somit eine weitere Unsicherheit besteht, ist hier besonders auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben zu achten, um den Planbetroffenen eine realistische Auswahlmöglichkeit bieten zu können und das Schlechterstellungsverbot zu wahren. Es sind allerdings keine bloßen pro-forma-Vergleiche anzustellen, vielmehr ist das Planszenario i. R. der gesetzlichen Regelungen an seinen konkreten, realisierbaren Alternativen zu messen. 22 Aufgrund ihres Prognosecharakters müssen die zugrunde gelegten Szenarien zunächst einmal realisierbar sein. Dies ist nur dann möglich, wenn bereits bestehende Werte richtig berücksichtigt und zukünftige Prognosewerte nur auf Grundlage wahrscheinlicher Tatsachen ___________ 10) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128, 163.

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Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG

§ 28

ermittelt wurden. Daher sind rein theoretische Szenarien nicht zu berücksichtigen; dies ist zum einen nicht erforderlich, zum anderen würde eine Berücksichtigung nicht erforderlicher Szenarien den abstimmenden Planbetroffenen sowie den übrigen Gläubigern die Möglichkeit der unverfälschten Beurteilung einer Schlechterstellung nehmen. III.

Formelle Anforderungen an die Vergleichsrechnung

1.

Vollständigkeit und Richtigkeit

Die Vergleichsrechnung ist zwingender Bestandteil des darstellenden Teils (§ 6 Abs. 2 Satz 1 23 StaRUG). Wie der darstellende Teil des Insolvenzplans, dient er insbesondere der Information, der Entscheidungsstützung, der Transparenz, der Dokumentation, der Kontrolle und der Überwachung.11) Es gelten die allgemeinen Grundsätze von Vollständigkeit und Richtigkeit. Das bedeutet, dass die sanierungsrelevanten Sachverhalte vollständig und richtig dargestellt werden müssen, so dass eine Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Risiken der künftigen Entscheidungen möglich ist.12) Insbesondere, weil es bei der Vergleichsrechnung um die Prognose zukünftiger Szenarien geht, gewinnt die Vollständigkeit der Daten an Bedeutung. Selbiges gilt für die Grundsätze der Wesentlichkeit und Richtigkeit.13) Die Planbetroffenen 24 sollen eine Abstimmungsentscheidung treffen können, ohne von unwesentlichen Daten und Werten abgelenkt oder von fehlerhaften Werten in die Irre geführt zu werden. Insbesondere müssen die Daten objektiv ausgerichtet, zutreffend und nachprüfbar sein.14) Daneben müssen auch hier die Grundsätze der Klarheit und Übersichtlichkeit gewahrt werden, sodass der Transparenz genüge getan ist und der jeweilige Planbetroffene eine klare Abstimmungsentscheidung treffen kann.15) 2.

Bezugszeitpunkt der Vergleichsrechnung

Der Bezugszeitpunkt, auf den die Vergleichsrechnung anzusetzen ist, ist gesetzlich nicht 25 bestimmt und umstritten. Denkbar ist, wie bei § 2 Abs. 1 bis 4 StaRUG, die Zeitpunkte des § 2 Abs. 5 StaRUG heranzuziehen und somit auf den Zeitpunkt der Unterbreitung des Planangebots (§ 17 StaRUG), im Fall einer Abstimmung im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren auf den Zeitpunkt der Antragstellung (§ 45 StaRUG) abzustellen. Jedoch bezieht sich § 2 Abs. 5 StaRUG allein auf die in den Restrukturierungsplan einbezogenen Rechtsverhältnisse. Der Restrukturierungsplan selbst wird gerade nicht erfasst.16) Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 5 StaRUG dürfte aus folgendem Grund nicht dem Willen des Gesetzgebers gerecht werden: Knüpft man an die Unterbreitung des Planangebots bzw. den Zeitpunkt der Antragstellung an, bleiben Entwicklungen während des Restrukturierungsverfahrens außer Betracht und könnten trotz Einflusses auf die Vergleichsrechnung nicht mehr zugunsten der Planbetroffenen oder des Schuldners berücksichtigt werden.17) Eine Änderung der Umstände könnte dazu führen, dass statt der Fortführung eine Liquidation positiver für die Planbetroffen ist. Um die Berücksichtigung solcher Entwicklungen zu ermöglichen und so dem Gläubiger- 26 schutz Rechnung zu tragen, wird überwiegend vertreten, auf den Zeitpunkt des Wirksam___________ 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17)

Harmann in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 6 Rz. 5. Harmann in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 6 Rz. 30 f. Harmann in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 6 Rz. 32, 34. Harmann in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 6 Rz. 32, 34. Harmann in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 6 Rz. 35 f. Hierzu auch Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 6 Rz. 24. So auch Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 13.

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§ 28

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

werdens des Restrukturierungsplans, also regelmäßig die Planbestätigung, abzustellen.18) Auch der Planersteller kann so vorhersehbare Entwicklungen, die zu einer Besserstellung der Planbetroffenen führen, miteinbeziehen und riskiert keine in der Sache nicht (mehr) gerechtfertigte Beschwerde (§ 66 StaRUG) wegen Schlechterstellung. Darüber hinaus spricht neben dem Telos auch eine systematische Betrachtung dafür, an den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Plans anzuknüpfen. In § 32 Abs. 2 Satz 1 StaRUG ist normiert, dass die nach Planangebot bzw. Antragstellung eintretenden Umstände zu berücksichtigen und die Interessen der Gläubiger zu wahren sind. Betrachtet man zudem die Historie des StaRUG, so wird klar, dass hier auch die praktische Behandlung der InsO Anhaltspunkte liefert. Auch i. R. der InsO wird auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Plans abgestellt.19) 27 Steht das Wirksamwerden des Restrukturierungsplans unter einer aufschiebenden Bedingung (bspw. einer noch ausstehenden behördlichen Genehmigung) ließe sich erwägen, bei bedingten Plänen auf den Zeitpunkt der Planbestätigung abzustellen und den Eintritt der Bedingung außer Betracht zu lassen. Im Regelfall sollte aber auch hier eine planerische Fortschreibung der Vergleichsrechnung auf den Zeitpunkt des erwarteten Bedingungseintritts möglich sein und eine Sonderanknüpfung damit nicht erforderlich werden. IV.

Materielle Anforderungen an die Vergleichsrechnung

1.

Einzubeziehende Gläubigerpositionen

28 Anders als im Insolvenzplanverfahren sind die Auswirkungen des Restrukturierungsplans nicht auf sämtliche Gläubiger aufzuzeigen, sondern nur auf die Planbeteiligten (vgl. § 8 StaRUG). In Art. 12 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie20) ist gefordert, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass Gläubiger, die an der Annahme eines Restrukturierungsplans nach nationalem Recht nicht beteiligt waren, von dem Plan nicht beeinträchtigt werden.21) Im Rahmen der Vergleichsrechnung sind bereits aufgrund § 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG die Gesamtgläubigerinteressen zu beachten. 29 Die mit der Vergleichsrechnung angestellte Überprüfung der Auswirkungen des Restrukturierungsplanes und möglicher Alternativszenarien soll umfassend sein und für die Planbetroffenen einen realistischen abschließenden Szenarien-Vergleich darstellen. Relevante Parameter sind die Überprüfung der Befriedigungsquote, der Auszahlungszeitpunkt und das Realisierungsrisiko bezüglich der Quote.22) Diese Werte werden jedoch lediglich auf die Planbeteiligten bezogen, nicht auf Gläubiger, die nicht vom Plan berührt werden. 30 Die Vergleichsrechnung muss die aktuellen Vermögenswerte sowie die Verbindlichkeiten in einer klaren Weise darstellen. Die Kosten des Restrukturierungsverfahrens selbst sowie die i. R. der verschiedenen Planszenarien anfallenden Kosten sind mitzuberücksichtigen.23) Sämtliche Annahmen sind hinreichend genau und nicht lediglich grob pauschalisierend darzustellen.24) ___________ 18) So auch Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 13; Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 6 Rz. 24. 19) Spahlinger in: KPB, InsO, § 220 Rz. 21. 20) Richtlinie (EU) 2019/1023 des europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 21) Vgl. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 53. 22) Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 12. 23) Andres in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 25 Rz. 76; Ringelspacher/FehlWeileder, ZRI 2022, 210; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 55. 24) Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617.

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Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG 2.

§ 28

Keine gesetzlichen Vorgaben bzgl. des Vergleichsmaßstabs

Mangels gesetzlicher Vorgaben bedarf es einer Konkretisierung der in der Vergleichsrech- 31 nung anzusetzenden Vergleichsmaßstäbe. Eine dahingehende gesetzliche Ausgestaltung ist im StaRUG nicht zu erwarten gewesen, da im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit noch eine Vielzahl an Szenarien in Betracht kommt und weil die Eingriffsmöglichkeiten auch die Gestaltung von Rechtsverhältnissen umfassen kann (insbesondere bei syndizierten Finanzierungen). Da der Planersteller bei der Wahl und Darstellung des Alternativszenarios kreativ werden 32 darf und somit auch vom Gesetzgeber nicht vorhergesehene Szenarien zur Abstimmung gestellt werden können, hat der Gesetzgeber zu Recht von einer entsprechenden Konkretisierung der Vorgaben für die Vergleichsrechnung i. R. des Restrukturierungsverfahrens abgesehen. 3.

Darstellung der Vergleichsszenarien

3.1

Anzahl und Darstellungstiefe der Alternativszenarien

Es ist umstritten, wie viele Alternativszenarien der Planersteller im darstellenden Teil 33 ausführen muss. Die Meinungen reichen von einem Alternativszenario (dem nächstbesten)25) bis hin zu allen denkbaren Alternativszenarien, sofern deren Eintritt wahrscheinlicher sein kann als deren Nichteintritt und damit „hinreichend wahrscheinlich“ ist.26) Als weitgehender Konsens hat sich herausgebildet, dass nur theoretisch denkbare, aber 34 praktisch aussichtslose, also von vornherein nicht umsetzbare Szenarien nicht darzustellen sind.27) Wenn zwingend alle hinreichend wahrscheinlichen Szenarien darzustellen sind, hat das zur 35 Folge,28) dass der Planersteller stets mehrere Fortführungsszenarien sowie das Liquidationsszenario darlegen muss, soweit deren Umsetzung hinreichend wahrscheinlich ist.29) Streng genommen wären hier somit alle praktisch nicht aussichtslosen Szenarien hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit und ihres Ergebnisses darzustellen.30) Weniger streng wird vertreten, dass die einzelnen Szenarien nicht in gleicher Tiefe, sondern vielmehr in abgestufter Weise darzustellen sind, welche sich insbesondere am Grad der Realisierbarkeit orientieren.31) Sollte sich ein Szenario als nächstbestes herauskristallisieren, so ist dieses hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Details mit der gebotenen Tiefe darzustellen. Gegen die zwingende Darstellung aller praktisch nicht ausgeschlossenen Szenarien im dar- 36 stellenden Teil spricht die Wortwahl des Gesetzgebers („nächstbeste“), aus der folgt, dass lediglich ein (nächstbestes) Alternativszenario darzustellen ist. Eine zwingende Darstellung aller Szenarien zu verlangen ist für den Planersteller bei Zeitdruck u. U. nicht realisierbar. Zudem könnte es den Gläubigerinteressen widersprechen, sähe er aus diesem Grund von ___________ 25) So in Übereinstimmung mit Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 380 = NZI 2021, 433, 437; Spahlinger in: KPB, InsO, § 220 Rz. 20c; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 19; Nerlich/Römermann-Hübler, InsO, § 26 Rz. 11, 20; Knapp in: Flöther, StaRUG, § 26 Rz. 11; wohl auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 18. 26) So Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 56; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 14; für den Insolvenzplan Spahlinger in: KPB, InsO, § 220 Rz. 20d. 27) Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 14; Skauradszun, KTS 2021, 1, 64; Skauradszun in: BeckOKStaRUG, § 64 Rz. 18. 28) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 56; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 14. 29) So auch im Hinblick auf den Insolvenzplan Spahlinger in: KPB, InsO, § 220 Rz. 20d. 30) Wohl Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 59. 31) Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 14.

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§ 28

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

einer Planerstellung ab. Durch eine Beschränkung der Darstellung der Szenarien auf die wesentlichen (realistischen) Alternativen reduziert sich zudem unnötiges Streitpotential über Wertansätze.32) 37 Neben dem Planszenario ist daher richtigerweise lediglich ein weiteres Szenario, nämlich das „nächstbeste Alternativszenario“, zwingend darzustellen33). Daher ist i. R. der summarischen Prüfung durch das Gericht bei Planbestätigung (§ 63 StaRUG) nicht Prüfungsgegenstand, ob ein oder mehrere Szenarien dargestellt werden. 38 Das nächstbeste Alternativszenario ist so darzustellen, dass ein Planbetroffener die voraussichtlichen wirtschaftlichen Konsequenzen von Plan- und Alternativszenario vergleichen kann und die Ablehnung des Plans in Betracht ziehen könnte. Es sind insbesondere die Erfolgswahrscheinlichkeit, die voraussichtliche Befriedigungsquote und die Eingriffsintensität darzustellen.34) 39 Dem Planersteller ist zu empfehlen, im Zuge der Erstellung des Restrukturierungsplans i. R. des zeitlich Möglichen im Vorfeld mindestens die typischen fünf Szenarien (siehe dazu Rz. 46 ff.) durchzuprüfen (Schritt 1), um i. R. des darstellenden Teils das eine nächstbeste Alternativszenario im Detail darzustellen (Schritt 2) und die Darstellung weiterer Szenarien grundsätzlich darauf zu beschränken, warum diese entweder nicht hinreichend wahrscheinlich sind oder zu geringeren Befriedigungsaussichten führen (2-Step-Approach). Der Planersteller, der vor Planvorlage aufgrund des Schlechterstellungsverbots zum internen Vergleich der einzelnen Szenarien faktisch gezwungen ist, wird ohnehin die Durchführbarkeit und das Ergebnis (Befriedigungshöhe und -quote) aller Szenarien wenigstens in den Grundzügen durchdacht haben. 40 Die weiteren Szenarien hinsichtlich ihrer geringen Erfolgswahrscheinlichkeit oder zu geringeren Befriedigungsaussicht darzustellen, schützt vor Minderheitenschutzanträgen (§ 64 StaRUG) bzw. vor sofortigen Beschwerden (§ 66 StaRUG) seitens der Gläubiger, wenn sich diese auf eine Schlechterstellung aufgrund des Nicht-Ansetzens eines vermeintlich „besseren“ Alternativszenario stützen. Daher ist dem Planersteller zu raten, stets (ggf. zusätzlich, sollte dies nicht bereits die nächstbeste Alternative sein,) das Szenario mit der höchsten Befriedigungsquote darzustellen, soweit dieses nicht aussichtslos erscheint. 41 In Abhängigkeit von der verfügbaren Vorbereitungszeit bis zur Einreichung des Restrukturierungsplans, ist im Einzelfall zu entscheiden in welcher Tiefe die Alternativszenarien dargestellt werden. Je belastbarer die Gründe sind, die für das Ausscheiden eines Szenarios sprechen, desto geringer kann die Detailtiefe bleiben, in der dieses Szenario dargelegt wird. 42 Geht man abweichend vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall im nächstbesten Alternativszenario von einer Liquidation i. S. des § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG aus, so ist zur Bestätigung der fundierten Begründung ohnehin zu empfehlen, das nächstbessere Fortführungsszenario darzustellen. So kann unmittelbar aufgezeigt werden, wo die Stärken der Liquidation und die Schwächen der Fortführung liegen. Es ist daher zu empfehlen, in jedem Fall jeweils das beste Szenario des Gegenstücks – bei Ansetzen der Liquidation das beste Fortführungsszenario bzw. bei Ansetzen der Fortführung das beste Liquidationsszenario – darzustellen.

___________ 32) So auch Proske, EWiR 2021, 309 f. (Urteilsanm.). 33) So in Übereinstimmung mit Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 380 = NZI 2021, 433, 437; Spahlinger in: KPB, InsO, § 220 Rz. 20c; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 19; Nerlich/Römermann-Hübler, InsO, § 26 Rz. 11, 20; Knapp in: Flöther, StaRUG, § 26 Rz. 11; wohl auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 18. 34) So auch Nerlich/Römermann-Hübler, InsO, § 26 Rz. 19.

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Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG 3.2

§ 28

Auswahl des zwingend darzustellenden Alternativszenarios

Das Gesetz liefert zur Bestimmung des zwingend darzustellenden nächstbesten Alternativ- 43 szenarios keinen Ansatz. Es ist grundsätzlich die Situation gemeint, in der sich der Gläubiger wiederfinden würde, wenn der Restrukturierungsplan scheitert.35) Wenn als nächstbestes Alternativszenario ein Fortsetzungsszenario angesetzt werden soll, 44 ist erforderlich, dass das Unternehmen auch ohne den Plan eine bestimmte Zeit eine positive Fortführungsprognose hat, also die drohende Zahlungsunfähigkeit überwindet und wieder Zahlungsfähigkeit erlangt.36) Da als Alternative zwingend zumindest das „nächstbeste“ Szenario darzustellen ist und dem Planszenario regelmäßig eine hohe Erfolgsaussicht innewohnt, muss das Alternativszenario selbst auch eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit haben.37) Es kommt hier neben der Erfolgswahrscheinlichkeit und der Befriedigungsquote der Gläubiger auch auf die Eingriffsintensität an. Grundsätzlich besteht zwischen Erfolgswahrscheinlichkeit, Befriedigungsquote und Ein- 45 griffsintensität eine abwägungsbedürftige Relation. Es muss dabei eine die wesentlichen Variablen berücksichtigende, ggf. korrigierende, einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung getroffen werden. Regelmäßig ist unter den Szenarien mit überwiegender Erfolgswahrscheinlichkeit das mit der höchsten Befriedigungsquote auch das nächstbeste Alternativszenario.38) Die Befriedigungsaussichten ermitteln sich in der Regel nach dem Unternehmenswert abzüglich der zu erwartenden Kosten (u. a. Verfahrenskosten und Vergütungsansprüche der Verwalter) und der weitergehenden Wertverluste.39) Hierbei sind Erwartungswerte zu bilden, diese sind ggf. abzuzinsen. Gibt es kein klares nächstbestes Szenario, so wird man mehrere Szenarios prüfen und darlegen müssen.40) 4.

Die Szenarien im Einzelnen

Die Wahl der (empfehlenswerter Weise) zu prüfenden Szenarien bestimmt sich nach der 46 wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin. 4.1

Fortführungsszenario als Vergleichsmaßstab

Als Fortführungs-Alternativ-Szenarien kommen im Wesentlichen fünf Szenarien in Be- 47 tracht: 

Die Sanierung ohne einen Restrukturierungsplan,



die Fortführung i. R. einer Insolvenz mittels eines Insolvenzplans,



die Fortführung kombiniert mit einem Asset-Deal in einem Insolvenzverfahren,



der Verkauf außerhalb der Insolvenz und



der Teil-Verkauf außerhalb der Insolvenz.41)

Hinsichtlich der Veräußerungsszenarien ist es schwierig, belegbare Fortführungswerte zu 48 ermitteln. In dem regelmäßig nicht öffentlich geführten und meist zeitkritischen Restrukturierungsverfahren kann im Regelfall kein tatsächlicher Investor gesucht werden. Dieses würde zeitlich nicht machbar sein und eine Geheimhaltung torpedieren. Ein dem ___________ 35) 36) 37) 38) 39) 40) 41)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128. Braun-Herzig, StaRUG, § 26 Rz. 7. So auch Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 6 Rz. 16. So auch Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 6 Rz. 17 f. So auch Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 6 Rz. 17 f. Thole, NZI 2021, 433, 437; Nerlich/Römermann-Hübler, InsO, § 26 Rz. 12. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 56 ff.

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§ 28

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

Insolvenzrecht entsprechender Dual-Track-Prozess scheidet somit regelmäßig aus.42) Es hat daher in der Regel die Markteinschätzung durch einen entsprechend fachkundigen Sachverständigen zu erfolgen. 49 Dabei ist der Wert des Unternehmens durch eine Betrachtung der Szenarien und einer darauf aufbauenden Unternehmensbewertung zu bestimmen; insoweit kann auf die die Maßstäbe des IDW S 8 zurückgegriffen werden (Fairness Opinion). In dem ersten Verfahren vor dem AG Köln hielt es das Gericht für ausreichend und zulässig, dass bei der Berechnung des Unternehmenswertes auf eine Multiple-Berechnung zurückgegriffen wurde.43) Dabei werden die Verkaufserlöse durch Anwendung von Vergleichstransaktionen und dort erzielten Mehrfachen des EBIT(DA) ermittelt. Der so gewonnene Faktor wird auf das (Plan)EBIT(DA) des Schuldnerunternehmens angewendet. 50 Bei der Frage nach dem nächstbesten Alternativszenario kommt kein weiterer, jedoch anders ausgestalteten Restrukturierungsplan in Betracht. Das AG Köln hat bereits festgestellt, dass keine Alternativpläne gerechnet werden müssen. Es ist lediglich ein anderes Szenario ohne Plan darzustellen.44) Gegen einen Restrukturierungsplan als Alternative spricht bereits der Gesetzeswortlaut. § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG sieht vor, dass der Vergleich zu ziehen ist zur Situation „ohne einen Plan“ (also ohne jeglichen Plan) und nicht nur ohne den konkreten Plan. Ein Vergleich mit Alternativplänen ist auch i. R. des Insolvenzplanverfahrens nicht vorgesehen. Sowohl beim Insolvenz- und Restrukturierungsplan wäre – wenn man das Erfordernis etablieren, einen Alternativplan rechnen und darlegen müsste – das Abstimmungsverhalten der betroffenen Gläubiger mit einzubeziehen. 51 Das Vergleichsszenario, das – ohne Sondermaßnahmen wie übertragende Sanierung, Insolvenzplan oder (Teil-)Verkauf – eine einfache Geschäftsweiterführung unterstellt („OhneAlles-Szenario“)45), muss ohne die Sanierungsinstrumente (wie z. B. Forderungskürzung durch Mehrheitsentscheid oder erleichterte Möglichkeiten der Personalanpassung) auskommen, die der Schuldnerin Insolvenz(plan)verfahren an die Hand gegeben werden. Da das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt lediglich drohend zahlungsunfähig ist und sich im besten Fall noch bis zu 24 Monate eigenständig finanzieren kann, ist ein solches OhneAlles-Szenario nicht per se ausgeschlossen. Gerade dann, wenn ein Alternativszenario, das weder einen Restrukturierungs- noch einen Insolvenzplan noch einen anderweitigen Verkauf erfordert und dennoch nicht ausgeschlossen, sondern hinreichend wahrscheinlich ist, besteht die besondere Gefahr, dass die Gläubiger nicht nur die Vergleichsrechnung angreifen (z. B. wegen vermeintlich nicht berücksichtigter möglicher operativer Restrukturierungsmaßnahmen), sondern das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit in Zweifel ziehen angesichts der doch planerisch vergleichsweise noch langen Überlebensdauer.46) Dieser Angriff ist für den Planersteller besonders kritisch, da das Gericht das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit von Amts wegen zu prüfen hat (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und nicht nur eine kursorische Prüfung von Amts wegen erfolgt (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 i. V. mit § 6 Abs. 2 StaRUG) während die inhaltliche Unrichtigkeit vom Planbetroffenen glaubhaft zu machen ist (§§ 64, 66 StaRUG). 52 Ein Vergleich mit einem Insolvenzplanszenario kommt als Fortführungsszenario in Betracht, weil es auf den Erhalt des Rechtsträgers gerichtet ist. Gerade in der Situation, in ___________ 42) Andres in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 25 Rz. 75. 43) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 380 = NZI 2021, 433. 44) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433, 437; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 18. 45) Vgl. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 20. 46) Vgl. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 380 = NZI 2021, 433.

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Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG

§ 28

der das StaRUG Verfahren eingeleitet werden kann (drohende Zahlungsunfähigkeit) kann ein ebenfalls bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) Insolvenzplanverfahren erfolgreich sein. Zu den Vorteilen des Insolvenzplanverfahrens können Kosteneinsparungen hinsichtlich der Vergütung des Sachwalters im Verhältnis zum Restrukturierungsbeauftragten zählen,47) ebenso wie eine ggf. schnellere Durchführung.48) Vor allem der Verkauf als fortgeführtes Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens 53 stellt eine relevante Fortführungsalternative dar. Im Falle des Asset Deals handelt es sich hier zwar im rechtlichen Sinne um eine Liquidation des Rechtsträgers, der nach dem Verkauf und der Verteilung des Erlöses abgewickelt wird.49) Dennoch ist dies – ebenso wie die Übertragende Sanierung – aus Gläubigerbefriedigungsgesichtspunkten als Fortführungsszenario unter Ansatz von Fortführungswerten anzusehen (keine Liquidation i. S. des § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Dies gilt gleichermaßen für den teilweisen Verkauf außerhalb der Insolvenz.50) Bereits dass hier der Rechtsträger des Schuldnerunternehmens nur einmalig einen Kaufpreis erhält und eine längerfristige Fortführung des Unternehmens nicht mehr betrachtet wird, kann – je nach Kreis der Planbetroffenen – dazu führen, dass dieses Szenario nicht die nächstbeste Alternative.51) Einzupreisen sind dann auch angesichts des regelmäßig vorliegenden Betriebsübergangs (§ 613a BGB) etwaige Haftungen und Freistellungsverpflichtungen des Verkäufers.52) Geht man von einer übertragenden Sanierung in der Insolvenz aus, so müsste die Ver- 54 äußerung des Schuldnerunternehmens hinreichend wahrscheinlich sein. Da es sich um ein Fortführungsszenario handelt, gelten keine höheren Anforderungen an die Wahl des Szenarios als hinsichtlich anderer Fortführungsszenarien. Als vorteilhaft in der Vergleichsrechnung herauszustellen, ist für dieses Szenario vor allem, dass die insolvenzrechtlichen Privilegien (kaufpreiserhöhend) dem Erwerber zugutekommen, darunter auch die teleologische Reduktion von § 25 Abs. 1 HGB, die Privilegierung nach § 75 Abs. 2 AO sowie § 613a Abs. 2 BGB.53) Gegen eine Akzeptanz dieses Szenarios als taugliche Fortführungsalternative wird teilweise 55 angeführt, dass der Schuldner für den Fall der Nichtannahme des Plans das drohende Insolvenzverfahren heraufbeschwören kann.54) Dies widerspräche dem gesetzgeberischen Willen, da Liquidationswerte gerade nur in Ausnahmefällen in Ermangelung besserer Alternativen angesetzt werden sollen. Die hier dargestellte übertragende Sanierung stelle eine Liquidation im Ganzen (und nicht stückweise) dar.55) Damit genüge dieses Insolvenzszenario nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Auch hier ist jedoch zu beachten, dass zwar eine Liquidation im rechtlichen Sinne gegeben ist, jedoch dennoch Fortführungswerte angesetzt werden (vgl. der Verkauf als fortgeführtes Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens). Damit ist die übertragende Sanierung in der Insolvenz gerade kein Liquidationsszenario i. S. des § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG.

___________ 47) 48) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 176. Tasma in: Flöther, StaRUG, § 6 Rz. 19. Ebenso Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 27. Ebenso Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 56 ff.; Ringelspacher/Fehl-Weileder, ZRI 2022, 210, 212. So auch Skauradszun, KTS 2021, 1, 67. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 30. So auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 33. Braun-Böhm, StaRUG, § 6 Rz. 15. Braun-Böhm, StaRUG, § 6 Rz. 16.

Pleister/Prosteder

633

§ 28 4.2

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte Liquidationsszenario als Vergleichsmaßstab

56 Wie die Formulierung des § 6 Abs. 2 Satz 2 StaRUG zeigt, hat die Darstellung des Liquidationsszenarios Ausnahmecharakter. Der Vergleich mit den Werten, die sich bei der Liquidation im Insolvenzverfahren ergeben (gemeint ist hier die Einzelliquidation der Vermögenswerte,56) also die „absolute Untergrenze“, soll nur als letzte Möglichkeit herangezogen werden.57) So wird verhindert, dass die Befriedigungsquote ohne Plan künstlich kleingerechnet wird. Soweit kein konkretes und verlässliches Alternativszenario unter Ansatz von Fortführungswerten darstellbar ist, ist die Liquidation Vergleichsmaßstab.58) Hinsichtlich der Ermittlung der Liquidationswerte ist entsprechend auf das Liquidationsszenario des Insolvenzplanverfahrens zu verweisen (siehe J. Schmidt, HRI II, § 29 Rz. 101, 104 ff.). 57 Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG kann auf unmittelbar auf Liquidationswerte abgestellt werden, wenn ein Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung aussichtslos ist. Aussichtslos wird in Teilen der Literatur eng verstanden, so dass stets eine lediglich unwahrscheinliche aber doch noch denkbare Fortführung des Unternehmens bereits dazu führt, dass nicht auf Liquidationswerte abgestellt werden darf.59) 58 Da es allerdings darauf ankommt, dass das (wertmäßig) bessere Angebot hinreichend, d. h. überwiegend, wahrscheinlich sein muss, bedarf es einer korrigierenden Auslegung von „Aussichtslosigkeit“ i. R. des § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG. Es darf nicht erst dann auf Liquidationswerte abgestellt werden, wenn keine Möglichkeit eines Fortführungsszenarios mehr besteht, sondern bereits dann, wenn das Fortführungsszenario nicht mehr überwiegend wahrscheinlich ist. Denn dann darf es bei der Wahl des nächstbesten Szenarios nicht mehr berücksichtigt werden; das nächstbeste Szenario setzt gerade voraus, dass es überwiegend wahrscheinlich ist.60) 59 Den Ausnahmecharakter bekräftigend, führt die Regierungsbegründung aus, dass für die (sofortige) Wahl des Liquidationsszenarios eine fundierte und umfassende Begründung erforderlich ist.61) Der Planersteller muss detailliert begründen, warum anstelle des Planszenarios kein alternatives Fortführungsszenario mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt. 60 Der Schuldner soll die Liquidation gerade nur unter Bestehen einer solchen Begründung unterstellen dürfen, da andernfalls die Gefahr besteht, dass sich der Schuldner vereinfacht größere Spielräume für Eingriffe in die Rechte der Planbetroffenen verschafft,62) und zwar bereits zu einem Zeitpunkt, in dem der Schuldner lediglich drohend zahlungsunfähig ist. Im Zweifel sollte der Planersteller sämtliche der fünf Fortführungsszenarien i. R. seiner Darstellung abarbeiten, um darzulegen, warum nur das Liquidationsszenario im Ergebnis in Betracht kommt. Hilfreich ist dabei, für das jeweilige Szenario sowohl pro als auch ContraAspekte darzustellen, um keine Angriffsfläche zu bieten, dahingehend dass die Darstellung nicht vollständig sei. Auch branchenvergleiche können unterstützend herangezogen werden. Als „Begründung“ lediglich auf andere Erfahrungen zu verweisen, ohne dies weitergehend zu begründen, genügt jedoch nicht.63) ___________ 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62) 63)

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Braun-Böhm, StaRUG, § 26 Rz. 6. Wozinak, jurisPR-InsR 16/2021 Anm. 3; Braun-Böhm, StaRUG, § 6 Rz. 27. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, NZI 2021, 544, 545 = DB 2021, 1465. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 6 Rz. 58. So auch Spahlinger, NZI Beilage zu Heft 5/2021, S. 32, 34; Skauradszun, ZIP 2021, 1091, 1092 f. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. So auch Braun-Böhm, StaRUG, § 6 Rz. 14.

Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG V.

§ 28

Überprüfung der Vergleichsrechnung

Wann und in welchem Umfang die Richtigkeit der Vergleichsrechnung überprüft wird, 61 hängt von der Ausgestaltung des betreffenden StaRUG-Verfahrens ab. Im Gegensatz zum Insolvenzplan (siehe J. Schmidt, HRI II, § 29 Rz. 19) erfolgt eine Planvorlage nicht immer direkt gegenüber dem zuständigen Restrukturierungsgericht. Je nach gewähltem Verfahren erfolgt eine Überprüfung zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt. Im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung, ob es sich um einen bestäti- 62 gungsfähigen Plan handelt, legt das Gericht nur einen summarischen Prüfungsmaßstab an (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).64) Ob im Einzelnen die Darstellung der Vergleichsrechnung richtig ist, prüft das Gericht hingegen nicht von Amts wegen. Dies erfolgt lediglich i. R. der Antragsverfahren nach § 64 StaRUG (Minderheitenschutzverfahren) oder § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG (sofortige Beschwerde gegen den gerichtlichen Beschluss zur Planbestätigung). Die dissentierenden Planbetroffenen müssen die Schlechterstellung glaubhaft machen. 1.

Überprüfung in Abhängigkeit von der gewählten Verfahrensart

Grundsätzlich stehen das öffentliche (§§ 84 ff. StaRUG) und das nicht-öffentliche (§§ 45 ff. 63 StaRUG) Restrukturierungsverfahren zur Verfügung. Diese untergliedern sich jeweils in ein gerichtliches und ein außergerichtliches Verfahren. Der Unterschied zwischen dem gerichtlichen und dem außergerichtlichen Verfahren (im engeren Sinne) liegt darin, dass im gerichtlichen Verfahren über den Restrukturierungsplan zunächst in einem gerichtlichen Abstimmungstermin und in dem außergerichtlichen Verfahren in der Versammlung der Planbetroffenen abgestimmt wird. Spätestens i. R. der Planbestätigungsentscheidung wird das Gericht in jeder Variante entscheiden, ob die Mindestvoraussetzung für eine Vergleichsrechnung i. S. des § 6 Abs. 2 StaRUG erfüllt ist. Somit stellen alle Varianten zumindest im weiteren Sinne gerichtliche Verfahren dar. 2.

Prüfung durch die Versammlung der Planbetroffenen

Das außergerichtliche Abstimmungsverfahren ist in den §§ 17 bis 28 StaRUG geregelt. 64 Erfolgt das nicht-öffentliche Verfahren in außergerichtlicher Weise, so findet kein gerichtlicher Abstimmungstermin statt, sondern eine außergerichtliche Versammlung der Planbetroffenen. Anders als im Insolvenzverfahren (vgl. §§ 74 und 235 InsO) fehlt es an einer Regelung, wer außer den Planbetroffenen und dem Schuldner noch an der Versammlung teilnehmen darf. Um die Betroffenen vor Missbrauch zu schützen, ist das Teilnahmerecht entsprechend § 225 Abs. 3 InsO auf den Schuldner, die Planbetroffenen, den Betriebsrat und den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten zu beschränken.65) Der Ablauf entspricht der Insolvenzplanpraxis, so dass auf die Feststellung der Formalien, 65 die Erläuterung des Inhalts des Plans, die Erörterung, die Feststellung der Stimmrechte und die Abstimmung, auf die die Feststellung des Ergebnisses folgt, folgen. Die Planbetroffenen können aufgrund des Planangebots gemäß § 17 StaRUG den gesamten Plan (inklusive der Vergleichsrechnung) einsehen und zur Wahrung des Schlechterstellungsverbots auch in Gänze überprüfen. Nur so kann eine Abstimmung über die Annahme des Restrukturierungsplans in Kenntnis aller insbesondere die Vergleichsrechnung betreffender Umstände gewährleistet werden.

___________ 64) Vgl. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433. 65) Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Abschn. VII. Rz. 92.

Pleister/Prosteder

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§ 28 3.

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte Prüfung durch das Restrukturierungsgericht

66 Am Schluss eines jeden Verfahrens steht eine gerichtliche Bestätigungsentscheidung über den Restrukturierungsplan. 3.1

Gerichtliche Vorprüfung

67 Im gerichtlichen Restrukturierungsverfahren im engeren Sinne ist im Gegensatz zum Insolvenzplanverfahren (dort § 231 InsO) eine gerichtliche Vorprüfung i. R. der gerichtlichen Restrukturierungsplanabstimmung nicht zwingend, sondern erfolgt nur auf Antrag des Schuldners (§ 46 Abs. 1 StaRUG), auf Antrag des von Amts wegen bestellten Restrukturierungsbeauftragten (§ 73 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 i. V. mit § 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) oder von Amts wegen sofern dies nach Ansicht des Gerichts zweckmäßig ist (§ 46 Abs. 3 StaRUG). 68 Dem Schuldner wird durch den Antrag gemäß § 46 Abs. 1 StaRUG die Möglichkeit eingeräumt, Fragen, von denen die Bestätigungsfähigkeit des Restrukturierungsplans abhängt, vorab einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Dabei riskiert der Schuldner im Fall der fehlenden Bestätigungsfähigkeit des Plans keine Zurückweisung, sondern es erfolgt ein Hinweis des Restrukturierungsgerichts auf die Mängel, auf denen die (noch) fehlende Bestätigungsfähigkeit beruht. 69 Durch eine Vorprüfung von Amts wegen gemäß § 46 Abs. 3 StaRUG kann das Gericht den späteren Abstimmungstermin entlasten indem vorab die Punkte geklärt werden, die im Abstimmungstermin streitig oder zweifelhaft sein könnten und einer umfangreicheren Erörterung bedürfen.66) Hierbei setzt das Gericht den gleichen Prüfungsmaßstab an wie bei der einfachen Bestätigungsprüfung (siehe sogleich Rz. 70 ff.). 3.2

Summarische gerichtliche Bestätigungsprüfung von Amts wegen (§ 63 StaRUG)

70 Zudem trifft das Restrukturierungsgericht in jedem Verfahren i. R. der einfachen Bestätigungsprüfung (§ 63 StaRUG) nach einer von Amts wegen durchzuführenden Überprüfung des Restrukturierungsplans eine finale Entscheidung über die Bestätigung des Plans;67) Folge der Prüfung kann damit die Versagung der Planbestätigung sein. 71 Zwar sind auch die wirtschaftlichen Annahmen des Plans zu prüfen (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), jedoch erfolgt keine besondere gerichtliche Überprüfung, sondern eine dem deutlich reduzierten Prüfungsmaßstab geschuldete Schlüssigkeitsprüfung, so dass der Maßstab dem aus dem Insolvenzplanverfahren bekannten Prüfungsmaßstab entspricht.68) 72 Sowohl in der Vorprüfung, als auch i. R. der einfachen Bestätigungsprüfung, erfolgt daher eine bloße Plausibilitätsprüfung der Vergleichsrechnung, die sich darauf beschränkt, ob die zugrunde gelegten Zahlen und Daten stimmig sind und das darauf basierende Plan- bzw. Alternativszenario nachvollziehbar und berechenbar ist.69) Es kommt hier lediglich darauf an, ob das Vermögen des Schuldners richtig wiedergegeben wurde und gerade nicht auf die Richtigkeit der Werte.70) Damit scheidet eine umfassende gerichtliche Einzelüberprüfung ___________ 66) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 67) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. § 70 a. F./§ 63 n. F. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148: „Die Bestimmung normiert Voraussetzungen für die Bestätigung des Restrukturierungsplans, die als Versagungsgründe und damit als negative Bestätigungsvoraussetzungen ausgestaltet sind.“ 68) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 380 = NZI 2021, 433; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 13. 69) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 16. 70) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 7.

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Pleister/Prosteder

Die Vergleichsrechnung im StaRUG

§ 28

der Werte aus. Eine Prüfung der prognostischen Angaben scheidet erst recht aus, wobei die rechnerische Schlussfolgerung durchaus auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen ist.71) Eine Versagung der Planbestätigung kommt nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG nur dann in 73 Betracht, wenn in Bezug auf den Inhalt des Restrukturierungsplans wesentliche Punkte nicht beachtet wurden. Es muss damit jeweils eine gewisse Wesentlichkeitsschwelle überschritten werden. Damit ein solcher, die Annahmeentscheidung beeinflussender Verstoß, bei der Vergleichsrechnung vorliegt, muss aufgrund der dünnen gesetzlichen Ausgestaltung ein evidenter Verstoß gegeben sein.72) Insbesondere das Fehlen einer fundierten Begründung bei Zugrundelegung von Liquidationswerten73) oder das Fehlen von wesentlichen Kostenpositionen (z. B. die Verfahrenskosten eines Insolvenzverfahrens) überschreitet die Wesentlichkeitsschwelle. Bei behebbaren Verstößen kann das Gericht von der Versagung des Plans absehen und dem Planersteller i. S. des § 63 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 StaRUG die Möglichkeit geben, den Mangel zu beheben. 3.3

Inhaltliche Überprüfung (§§ 64, 66 StaRUG)

Grundlage für eine intensive Prüfung des Restrukturierungsplans und damit auch der Ver- 74 gleichsrechnung ist der 63. ErwG der Restrukturierungsrichtlinie. Dieser bestimmt, dass „[…] über die tatsächliche Ermittlung des Werts eines Unternehmens Justiz- und Verwaltungsbehörden nur dann entscheiden, wenn eine ablehnende betroffene Partei den Restrukturierungsplan beanstandet“. (Hervorhebung durch die Verf.) Dies wurde in den Regelungen zum Minderheitenschutzverfahren gemäß § 64 StaRUG 75 und der sofortigen Beschwerde gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG umgesetzt. 3.3.1 Minderheitenschutzverfahren (§ 64 StaRUG) Im Rahmen des Minderheitenschutzverfahrens kann ein Planbetroffener, der gegen den 76 Restrukturierungsplan gestimmt hat, beim Gericht beantragen, die Bestätigung des Plans zu versagen (§ 64 Abs. 1 StaRUG). Damit richtet sich der Antrag im Minderheitenschutzverfahren gegen die künftige Planbestätigung und zielt darauf ab, diese zu verhindern. Voraussetzung ist eine voraussichtliche Schlechterstellung des Planbetroffenen, die dieser geltend machen muss. Der Antrag ist allerdings dann abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturie- 77 rungsplans Mittel (i. S. eines „Ausgleichstopfes“) für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist (§ 64 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). In diesem Fall muss der Planbetroffene Kompensation aus diesen Mitteln suchen, ohne dass er den Restrukturierungsplan zu Fall bringen kann (§ 64 Abs. 3 Satz 2 StaRUG). Im Minderheitenschutzverfahren muss der Antragsteller die voraussichtliche Schlechter- 78 stellung, also die Unrichtigkeit der Vergleichsrechnung (zu seinen Lasten), darlegen (§ 64 Abs. 2 Satz 1 StaRUG) und, im Falle der gerichtlichen Planabstimmung, glaubhaft machen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Grund für die Unterscheidung zwischen der Darlegung und der Glaubhaftmachung ist, dass die Glaubhaftmachung als Rechtsbegriff des Prozessrechts (§ 294 ZPO) im außergerichtlichen Verfahren gerade nicht zur Anwendung kommt.74)

___________ 71) 72) 73) 74)

Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 7. Ringelspacher/Fehl-Weileder, ZRI 2022, 210. Zur Erforderlichkeit der Prüfung Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 36. Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 20.

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§ 28

6. Teil Restrukturierungsplan – Einzelaspekte

Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Darlegung der Schlechterstellung besteht jedoch kein Unterschied.75) 79 Der Planbetroffene hat vorzutragen, dass warum die Vergleichsrechnung den Grundsätzen des § 6 Abs. 2 StaRUG (Schlechterstellungsverbot zu seinen Lasten widerspricht). Zwar erscheint die Position des schlechtergestellten Planbetroffenen stark, da sein Minderheitenschutzantrag zur Versagung der Planbestätigung führen kann, jedoch muss ihm der Nachweis der Schlechterstellung zunächst einmal gelingen.76) Dies ist jedoch für Personen ohne besonderen Einblick in das schuldnerische Unternehmen regelmäßig nur schwer möglich. 80 Die Glaubhaftmachung erfolgt durch präsente Beweismittel, §§ 294 i. V. mit 38 StaRUG; regelmäßig Urkunden sowie vorliegende Sachverständigengutachten. Soweit der Antragsteller argumentiert, dass eine der Vergleichsrechnung zugrunde liegende Bewertung unzutreffend sei und am Markt höhere Werte als die zugrunde gelegten Werte zu erzielen sind, kann eine Glaubhaftmachung grundsätzlich durch ein vom Antragsteller beigebrachtes Bewertungsgutachten erfolgen.77) Ebenfalls glaubhaft machen muss der Planbetroffene, dass die bereit gestellten Mittel zum Ausgleich der Schlechterstellung nicht ausreichen; dies ergibt sich auch aus der Parallelregelung i. R. des Insolvenzplans.78) 3.3.2 Sofortige Beschwerde (§ 66 StaRUG) 81 Hat das Gericht den Plan bestätigt, steht jedem Planbetroffenen die sofortige Beschwerde zu (§ 66 Abs. 1. Satz 1 StaRUG), der dem Plan im Abstimmungsverfahren widersprochen hat (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) und gegen den Restrukturierungsplan gestimmt hat (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). Die sofortige Beschwerde gegen die Planbestätigung hat gemäß § 38 StaRUG i. V. mit § 570 Abs. 1 ZPO keine aufschiebende Wirkung und die Rechtswirkungen des Restrukturierungsplans werden nicht gehindert; der Beschwerdeführer hat aber die Möglichkeit, gemäß § 66 Abs. 4 StaRUG zu beantragen, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde hergestellt wird.79) 82 Im Rahmen der sofortigen Beschwerde muss der schlechtergestellte Planbetroffene zum einen eine wesentliche Schlechterstellung (qualifizierte Schlechterstellung) glaubhaft machen und zum anderen, dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Abs. 3 StaRUG genannten Mitteln („Ausgleichstopf“) ausgeglichen werden kann. Gelingt ihm die Glaubhaftmachung der wesentlichen Schlechterstellung oder der Ausgleichsmöglichkeit durch die bereitgestellten Mittel nicht, so ist die Beschwerde nicht zulässig, § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG (str., dazu sogleich). 83 Die wesentliche Schlechterstellung ist glaubhaft gemacht, wenn diese als überwiegend wahrscheinlich dargelegt ist.80) Wann eine wesentliche Schlechterstellung nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG vorliegt, ist – ebenso wie bei § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO – bislang nicht abschließend geklärt.81) Es wird vertreten, die Abgrenzung erfolge anhand der Ausgleichsfähigkeit, d. h. Nachteile seien dann schwerwiegend, wenn sie sich nicht mehr durch eine Schadenersatzleistung kompensieren lassen.82) Die schwerwiegenden Nachteile müssen ___________ Ebenso Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 20. So auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, Vorb. § 64. Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 24. Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 25; Begr. RegE ESUG z. § 251 InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 35. Blankenburg in: Morgen, StaRUG § 66 Rz. 37. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 32; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 66 Rz. 5; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 66 Rz. 18. 81) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 66 Rz. 5. 82) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 39. 75) 76) 77) 78) 79) 80)

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Die Vergleichsrechnung im StaRUG

§ 28

außer Verhältnis zu den Vorteilen des sofortigen Planvollzugs stehen. Die Beurteilung erfolgt danach, ob die Aussetzung des Planvollzugs Auswirkung auf die Fortführung des Unternehmens hat.83) Eine wesentliche Schlechterstellung soll dabei in der Regel nicht vorliegen, wenn die Abweichung von dem Wert, den der Planbetroffene bei einer Verwertung ohne Plan erhalten würde, weniger als 10 % beträgt.84) Ein Vergleich mit anderen Sanierungsszenarien kommt regelmäßig nicht in Betracht.85) Ebenfalls ist glaubhaft zu machen, dass die wesentliche Schlechterstellung nicht durch die 84 bereitgestellten Mittel ausgeglichen werden kann.86) Dazu hat der Planersteller anhand konkreter Zahlen darzulegen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen werden, um sämtliche Nachteile des Plans zu kompensieren.87) Ob die Glaubhaftmachung der Schlechterstellung eine Frage der Zulässigkeit88) oder der 85 Begründetheit89) ist, ist umstritten. Letztere Ansicht stützt sich darauf, dass eine bloße Glaubhaftmachung für eine erfolgreiche Beschwerde gegen einen mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplan nicht genügen kann, sondern vielmehr in der Begründetheit zu prüfen sei, ob beim Beschwerdeführer durch den Restrukturierungsplan tatsächlich eine wesentliche Schlechterstellung eintreten würde.90) Dem steht jedoch der Wortlaut des § 66 Abs. 2 StaRUG entgegen („nur zulässig, wenn“).

___________ 83) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 39. 84) So Laroche in: Flöther, StaRUG, § 66 Rz. 5; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 26; für das Insolvenzplanverfahren LG Hamburg v. 10.12.2014 – 326 T 163/14, ZInsO 2015, 159, 161. 85) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 66 Rz. 5; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 30. 86) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 32; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 66 Rz. 5. 87) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 32. 88) So zu § 253 InsO: Pleister in: KPB, InsO, § 253 Rz. 22. 89) So Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 66 Rz. 18. 90) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 66 Rz. 18.

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D. Verfahrensablauf § 29 Planangebot und Planannahme Barnert

I. 1.

Gesetzessystematik ..................................... 1 Außergerichtliche und gerichtliche Planabstimmung........................................... 2 2. Abgrenzung zur gerichtlichen Planbestätigung ............................................ 3 3. Varianten außergerichtlicher Planabstimmung........................................... 6 II. Planangebot ............................................... 11 1. Planangebot und Rechtsnatur des Restrukturierungsplans ....................... 13 1.1 Meinungsstand zur Rechtsnatur des Insolvenzplan ................ 15 1.2 Praxisfolgen unter dem Regelungsregime der §§ 104 ff. BGB ............................... 19 1.2.1 Willensmängel ............................... 19 1.2.2 Vertretungsmängel ........................ 22 1.2.3 Auslegung ...................................... 24 2. Planangebot und Restrukturierungsfähigkeit des Schuldners ............................ 26 3. Inhaltliche Anforderungen an das Planangebot ................................................ 30 3.1 Belehrung über die Wirkungen gerichtlicher Planbestätigung ....... 30 3.2 Belehrungen über Minderheitenschutz und Beschwerdebefugnis..... 34 3.3 Informierte Entscheidung vor Annahme des Restrukturierungsplans ...................................... 37 3.3.1 Restrukturierungsplan und Plananlagen .................................... 37 3.3.2 Angefallene und noch zu erwartende Kosten ........................ 43 3.3.3 Hinweis auf gemeinsame Erörterungsversammlung ............. 47 4. Schriftlichkeit des Planangebots und Formfragen................................................. 52 5. Vertretungsverhältnisse bei Abgabe des Planangebots........................................ 54 6. Auslegung des Planangebots und konkurrierende Planangebote ................... 57 7. Annahme- und Einberufungsfrist zur Planabstimmung .................................. 61 8. Planangebot und Planinitiativobliegenheit der Geschäftsleitung........................... 66 9. Planangebot und Restrukturierungs(plan)verschleppungshaftung.................... 71

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10. Entscheidungskompetenzen zur Abgabe eines Planangebots ....................... 80 10.1 Beschränkt haftende Unternehmensträger ..................... 83 10.1.1 GmbH ohne Aufsichtsrat............. 83 10.1.2 GmbH mit Aufsichtsrat ............... 92 10.1.3 Aktiengesellschaft ......................... 95 10.1.4 GmbH & Co. KG ....................... 103 10.2 Personengesellschaften mit unbeschränkter Außenhaftung... 104 11. Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter............................. 105 III. Planannahme........................................... 106 1. Versammlungsloses schriftliches Planabstimmungsverfahren ..................... 106 1.1 Art und Weise der Stimmabgabe........................................... 107 1.2 Annahmefrist für die Stimmabgabe........................................... 112 1.2.1 Regelmäßige Annahmefrist gemäß § 19 Satz 1 StaRUG......... 113 1.2.2 Verkürzung der Annahmefrist gemäß § 19 Satz 2 StaRUG......... 119 1.2.3 Verlängerung der Annahmefrist gemäß § 21 Abs. 4 StaRUG ........ 122 1.3 Einberufung und Durchführung der Erörterungsversammlung ..... 124 1.4 Dokumentation des Verfahrensablaufs und des Abstimmungsergebnisses ................................... 126 2. Abstimmung in der Planbetroffenenversammlung ............................................ 133 2.1 Einberufung zur Planbetroffenenversammlung ......................... 134 2.1.1 Einberufung und Einberufungsfrist für Präsenzversammlungen ....135 2.1.2 Einberufung und Einberufungsfrist für die elektronische Teilnahme........................................... 138 2.2 Belehrungen über Minderheitenschutz und Beschwerdebefugnis... 140 2.3 Ablauf der Planbetroffenenversammlung................................ 141 2.4 Moderierende Versammlungsleitung .......................................... 142 2.4.1 Präsenzfeststellung...................... 142

Barnert

§ 29

Planangebot und Planannahme 2.4.2 2.4.3 2.5

Auskunftserteilung...................... 145 Planänderungen ........................... 149 Qualifizierte Versammlungsleitung durch den Schuldner ....... 150

2.6

Dokumentation des Verfahrensablaufs und des Abstimmungsergebnisses ................................... 152

Literatur: Altmeppen, Beschlussfeststellung, Stimmrecht und Klageobliegenheit in der GmbH, GmbHR 2018, 225; Altmeppen, Machtverhältnisse bei Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH „aus wichtigem Grund“, NJW 2016, 2833; Bea/Dressler, Business Judgement Rule versus Gläubigerschutz? – Praktische Erwägungen zur Organhaftung im Kontext des StaRUG, NZI 2021, 67; Bitter, Geschäftsleiterhaftung in der Insolvenz – Alles neu durch SanInsFoG und StaRUG?, ZIP 2021, 321; Bork, Pflichten der Geschäftsführung in Krise und Sanierung, ZIP 2011, 101; Bork, Die Regelungen zur Insolvenzanfechtung im StaRUG, ZInsO 2020, 2177; Braun, Die objektive Auslegung des Insolvenzplans, NZI 2019, 526; Brinkmann, Die Haftung der Geschäftsleiter in der Krise nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), ZIP 2020, 2361; Deppenkemper, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab dem 1.1.2021!, ZIP 2020, 2432; Fehrenbach, Eigenantrag der Gesellschaft auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ZIP 2020, 2370; Fritzsche, Die Juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag, Studien zum Privatrecht, Bd. 66, (Diss.) Tübingen 2017; Gaul, Zur Struktur und Wirkungsweise des Insolvenzplans als privatautonomes Instrument der Haftungsverwirklichung, in: Festschrift für Ulrich Huber, 2006, S. 1187; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Hölzle/Curtze, Eine Krise – ein Verfahren! – Folgen eines vorangegangenen Restrukturierungsverfahrens, ZIP 1293, 1293; Hüffer, Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand aktienrechtlicher Auskunftsbegehren, ZIP 1996, 401; Kahlert, Neue Tätigkeitsfelder für den Steuerberater nach dem StaRUG, ZIP 2021, 668; Kuntz, Geschäftsleiterhaftung bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach StaRUG, ZIP 2021, 597; Leinekugel/Skauradszun, Geschäftsführerhaftung bei eigenmächtig gestelltem Insolvenzantrag wegen bloß drohender Zahlungsunfähigkeit, GmbHR 2011, 1121; Leipold, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, KTS 2006, 109; Loritz, Die Berechnung der Einberufungsfrist bei Gesellschafterversammlungen der GmbH, GmbHR 1992, 790; Lutter, Das neue „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“, AG 1994, 429; Müller, H.-F., Die Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, ZIP 2020, 2253; Philipp/Andersch/Henn, Der präventive Restrukturierungsrahmen – Geeignete Einstiegsvoraussetzungen aus Beratersicht, INDat Report 3/2019, S. 30; Schluck-Amend/Walker, Neue Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer durch die Pflicht zur Erstellung eines Insolvenzplans, GmbHR 2001, 375; Schmidt, K., Konkursverschleppungshaftung und Konkursverursachungshaftung, ZIP 1988, 1497; Scholz, Die Krisenpflichten von Geschäftsleitern nach Inkrafttreten des StaRUG, ZIP 2021, 219; Schoppmeyer, Sanierungsprivilegien im Insolvenzanfechtungsrecht nach dem StaRUG, ZIP 2021, 869; Schulte-Kaubrügger/Dimassi, Der Restrukturierungsbeauftragte nach dem StaRUG, ZIP 2021, 936; Smid, Anforderungen an das außergerichtliche Planangebot und seine Annahme, DZWIR, 2021, 119; Smid, Rechtsstellung von Gläubigern und Schuldner im Falle „sittenwidrig erschlichenen“ Insolvenzplans, ZInsO 2019, 2341; Stöber, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen am Beispiel des Börsenrückgangs und der fakultativen Insolvenzantragstellung, WM 2014, 1757; Tetzlaff, Drohende Zahlungsunfähigkeit – Geschäftsführer und Gesellschafter in der Zwickmühle, ZInsO 2008, 137; Thöne, Die Rechtsnatur des Insolvenzplans – Plädoyer für ein verfahrensrechtliches Verständnis, KTS 2018, 151; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Wertenbruch, Gesellschafterbeschluss für Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit?, DB 2013, 1592; Wilhelm/ Richter/Hoffmann, Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen: Neue Optionen zur vorinsolvenzlichen Sanierung, DB 2021, 381; Wortberg, Holzmüller und die Stellung eines Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, ZInsO 2004, 707.

I.

Gesetzessystematik

Das StaRUG stellt für das Verfahren der Abstimmung über einen Restrukturierungsplan 1 zwei Verfahrensvarianten zur Verfügung, die außergerichtliche Planabstimmung (§§ 17 ff. StaRUG) und die gerichtliche Planabstimmung als Verfahrenshilfe (Instrumente) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). 1.

Außergerichtliche und gerichtliche Planabstimmung

Die §§ 17 bis 22 StaRUG regeln nur das außergerichtliche Planabstimmungsverfahren. 2 Stellt der Schuldner den Restrukturierungsplan im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren zur Abstimmung, ist das Verfahren nur nach den §§ 45 f. StaRUG durchzuführen (§ 23 StaRUG). Die gesetzliche Systematik des StaRUG stellt es dem Schuldner prinzipiell frei, Barnert

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§ 29

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

ob er den Restrukturierungsplan in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren zur Abstimmung bringen will. Denn nach § 29 Abs. 1 StaRUG kann der Schuldner zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit das gerichtliche Planabstimmungsverfahren als Verfahrenshilfe (Instrument) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nehmen, muss es aber nicht.1) Für die Rechtspraxis dürfte sich allerdings schon jetzt abzeichnen, dass das gerichtliche Planabstimmungsverfahren sich eher zum Regelfall entwickeln wird. Begnügt sich nämlich der Schuldner mit einer außergerichtlichen Planabstimmung gehen Zweifel an der ordnungsgemäßen Annahme des Plans durch die Planbetroffenen zulasten des Schuldners (§ 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). Das außergerichtliche Planabstimmungsverfahren birgt damit im Grunde stets das latente Risiko, dass das Gericht dem Plan im Zweifel die Planbestätigung wegen eines Verfahrensfehlers versagt (§ 63 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).2) Deshalb werden die Rechtsberater des Schuldners ihr Übriges leisten, da sie verpflichtet sind, für ihre Mandanten den sichersten Weg zu wählen.3) 2.

Abgrenzung zur gerichtlichen Planbestätigung

3 Abzugrenzen ist die gerichtliche Planabstimmung vom gerichtlichen Planbestätigungsverfahren und der gerichtlichen Planbestätigung (§ 29 Abs. 2 Nr. 4, §§ 60 ff. StaRUG). Die gerichtliche Planbestätigung stellt ebenso wie die gerichtliche Planabstimmung eine Verfahrenshilfe (Instrument) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens dar. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, die im gestaltenden Planteil festgelegten Gestaltungen von Rechtsverhältnissen mit Wirkung für gegen alle Planbetroffenen durchzusetzen, d. h. auch im Verhältnis zu Planbetroffenen, die gegen den Plan gestimmt oder an der Abstimmung trotz ordnungsgemäßer Beteiligung an dem Abstimmungsverfahren nicht teilgenommen haben (§ 67 Abs. 1 StaRUG). Die gerichtliche Planbestätigung ist damit ein Instrument, mehrheitlich beschlossenen (§ 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1 StaRUG) Plangestaltungen zwangsweise auch gegen Willen einer opponierenden bzw. dissentierenden Minderheit von Planbetroffenen zur Geltung zu verhelfen.4) 4 Die Durchführung eines gerichtlichen Planbestätigungsverfahrens setzt nicht notwendig ein gerichtliches Planabstimmungsverfahren voraus, sondern kommt auch dann in Betracht, wenn der Schuldner den Plan „nur“ außergerichtlich gemäß §§ 17 ff. StaRUG zur Abstimmung gebracht hat. Denn die Verfahrenshilfen (Instrumente) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens sind als Module konzipiert, die der Schuldner in ihrer Gesamtheit, aber auch einzeln und kombinierbar in Anspruch nehmen kann (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 – 4 StaRUG). Angesichts der Zweifelsregel in § 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG dürfte sich in der Praxis auch insoweit die Möglichkeit einer Kombination aus gerichtlichem Planabstimmungsund gerichtlichem Planbestätigungsverfahren als Regelfalls durchsetzen. Da Zweifel an der ordnungsgemäßen Annahme des Plans durch die Planbetroffenen in der Planabstimmung beim nicht gerichtlichen Verfahren zulasten des Schuldners gehen, kann sich die Kombination aus gerichtlichem Planabstimmungs- und Planbestätigungsverfahren auch mit Blick auf die einheitliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts (§§ 35 f. StaRUG) schon aus taktischen Gründen empfehlen. 5 Nach Maßgabe der Modularität beider Verfahrensarten darf der Schuldner auf eine Inanspruchnahme der gerichtlichen Verfahrenshilfen (Instrumente) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens auch ganz verzichten und sich auf die Durchführung eines außer___________ 1) 2) 3) 4)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. BGH v. 5.11.1987 – IX ZR 86/86, Rz. 35, NJW 1988, 486. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 86.

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§ 29

Planangebot und Planannahme

gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens ausschließlich beschränken. Auf diesen Weg wird sich der Schuldner freilich nur dann ernsthaft einlassen, wenn er sicher sein kann, dass alle Planbetroffenen dem gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans ihre unbedingte Zustimmung erteilen. Andernfalls muss er bereits bei Abgabe seines Planangebots (§ 17 Abs. 1 StaRUG) die Durchführung eines gerichtlichen Planbestätigungsverfahrens gemäß §§ 29 ff. StaRUG in Aussicht nehmen. 3.

Varianten außergerichtlicher Planabstimmung

Das StaRUG gewährt dem Schuldner in den §§ 17 bis 22 zwei Varianten für die Durch- 6 führung einer außergerichtlichen Planabstimmung: 

Erstens die Abstimmung i. R. eines versammlungslosen Planannahmeverfahrens (§§ 17, 19, 21 StaRUG) und



zweitens die Abstimmung i. R. einer Planbetroffenenversammlung (§§ 17, 20 StaRUG).

Beide Verfahrensweisen setzt der Schuldner mit dem Planangebot in Gang (§ 17 Abs. 1 7 StaRUG).5) Die Abstimmung in einem versammlungslosen Planannahmeverfahrens beendet das Planabstimmungsverfahren mit Ablauf der Annahmefrist (§§ 19, 22 Abs. 1 StaRUG).6) Stellt der Schuldner den Restrukturierungsplan in einer Versammlung der Planbetroffenen zur Abstimmung, endet das Verfahren nach Durchführung der Abstimmung (§§ 20, 22 Abs. 1 StaRUG).7) Nach Ablauf der Annahmefrist oder nach Durchführung der Abstimmung hat der Schuldner den Verfahrensablauf zu dokumentieren und das Abstimmungsergebnis unverzüglich schriftlich festzuhalten (§ 22 Abs. 1 StaRUG). Diese Dokumentation ist in die Rechtspraxis besonders zu beachten. Sie ist dem Antrag des Schuldners auf gerichtliche Bestätigung eines mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans beizufügen (§ 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) und bildet eine Grundlage für die gerichtliche Überprüfung der Ordnungsgemäßheit des Abstimmungsverfahrens als Voraussetzung der Planbestätigung (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).8) Das Planangebot kann besondere Formen der Versammlungspräsenz vorsehen. Rechtsprak- 8 tisch ist es zulässig, den Planbetroffenen mittels elektronischer Kommunikation eine Versammlungsteilnahme ohne persönliche Anwesenheit am Versammlungsort für die ganze oder teilweise Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen (§ 20 Abs. 2 StaRUG). Die sog. elektronische Teilnahme an der Planbetroffenenversammlung bildet auch eine 9 Grundlage für die Zulassung von Videokonferenzen im Planangebot.9) Das zieht aber in der Praxis besondere Anforderungen an den Abstimmungsverlauf nach sich. Denn der Schuldner hat die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle auf elektronischem Wege teilnehmenden Planbetroffenen durchgängig alle wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrnehmen und sich wie anwesende Planbetroffene äußern und auch mit anderen Teilnehmern kommunizieren können.10) Unvorteilhaft wirkt in diesem Zusammen___________ Smid, DZWIR 2021, 119, 120. Smid, DZWIR 2021, 119, 121. Smid, DZWIR 2021, 119, 130. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124; allerdings erlaubt es die Gesetzesbegründung zum StaRUG nicht, Präsenzversammlungen komplett durch Videokonferenzen zu ersetzen, weil trotz elektronischer Teilnahmemöglichkeit jedem Planbetroffenen das Recht verbleiben müsse, persönlich an einer Versammlung teilzunehmen (Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124). Damit soll offenbar gewährleistet werden, dass auch solche Planbetroffene an einer Planbetroffenenversammlung teilnehmen können, denen die technischen Voraussetzungen für eine Teilnahme auf elektronischem Wege nicht zu Verfügung stehen. 10) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 5) 6) 7) 8) 9)

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§ 29

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

hang die Zweifelsregel aus § 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG auf die Beweisführungslast des Schuldners. Die Beweisführungslast und die Folgenlast der Beweislosigkeit trägt im Zweifel der Schuldner, dass die Behauptung Planbetroffener sie seien von technischen Übertragungsmängeln an einer durchgängigen Teilnahme gehindert gewesen, nicht in der Verantwortungssphäre des Schuldners lagen.11) Gelingt dieser Nachweis nicht, hat das Gericht die Bestätigung des Plans gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zu versagen. 10 Die elektronische Teilnahme an der Planbetroffenenversammlung ist abzugrenzen von der elektronischen Stimmabgabe, die im Planangebot ebenfalls zugelassen werden kann (§ 17 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 20 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Insofern ist nämlich die Form der Stimmabgabe zu beachten, weil die elektronische Stimmabgabe nicht gleichbedeutend ist mit einer Stimmabgabe in Textform (§ 126b BGB), z. B. per E-Mail. Lässt der Schuldner die Stimmabgabe in elektronischer Form zu, so ist nur eine Stimmabgabe gemeint, die den Anforderungen des § 126a BGB genügt. Der Aussteller einer Erklärung muss dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Eine Stimmabgabe z. B. nur per E-Mail oder per Telefax wäre formunwirksam. II.

Planangebot

11 Das an die Planbetroffenen gerichtete Angebot des Schuldners, den Restrukturierungsplan durch Planabstimmung anzunehmen, bezeichnet § 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG als Planangebot. Die Annahme des Planangebots kann entweder einstimmig oder mehrheitlich erfolgen. Bei mehrheitlicher Planannahme haben die im gestaltenden Teil festgelegten Plangestaltungen Wirkung für und gegen alle Planbetroffenen, sofern das Restrukturierungsgericht den Plan im Planbestätigungsverfahrens bestätigt (§ 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Diese Wirkung schließt auch solche Planbetroffene ein, die gegen den Plan stimmten oder die an der eigentlichen Planabstimmung nicht teilnahmen, obgleich sie ordnungsgemäß an dem Abstimmungsverfahren beteiligt wurden (§ 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Darauf baut § 18 StaRUG auf und folgert, dass das Planangebot unter zweifach aufschiebender Bedingung steht und nur gegenüber allen Planbetroffenen wirksam werden kann, wenn entweder sämtliche Planbetroffenen zustimmen oder das Gericht den von einer hinreichenden Mehrheit Planbetroffener angenommenen Plan bestätigt. 12 Das Planangebot intendiert somit ausschließlich das Wirksamwerden gegenüber allen Planbetroffenen. Denn das an die Gesamtheit aller Planbetroffenen gerichtete Angebot drückt im Zweifel gerade wegen dieser Totalität das Junktim aus, der Schuldner halte sich an die im gestaltenden Teil des Plans enthaltenen Regelungen nur, sofern die sämtlichen Planbetroffenen an diese Regelungen gebunden werden, sei durch Zustimmung sämtlicher Planbetroffener oder durch gerichtliche Planbestätigung.12) Insofern hat die Auslegungsregel in § 18 StaRUG die rechtspraktische Konsequenz, die Plangestaltungen tunlichst an der Risikogewissheit zu orientieren, dass Restrukturierungsplangestaltungen als Ganzes entweder nur allen Planbetroffenen oder keinem gegenüber wirksam werden können. Dieses in § 18 StaRUG ausgeprägte Alles oder Nichts-Prinzip schließt auch die nur teilweise gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans aus.13)

___________ 11) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 12) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. 13) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105.

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§ 29

Planangebot und Planannahme 1.

Planangebot und Rechtsnatur des Restrukturierungsplans

Die Gesetzesbegründung zum StaRUG setzt als selbstverständlich voraus, dass auf das 13 Planangebot die Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte (§§ 104 ff. BGB) anwendbar sind.14) Das Rechtsgeschäft besteht aus einer oder mehreren Willenserklärungen, die allein oder i. V. m. anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist. Das gilt auch für das Planangebot des Schuldners und die auf das Zustandekommen des Restrukturierungsplans gerichteten Annahmeerklärungen oder Stimmabgaben in der Planbetroffenenversammlung.15) Sie geben den Rechtsfolgen des Plans das für eine rechtsgeschäftliche Willenseinigung charakteristische Gepräge, entweder weil alle Planbetroffenen den Restrukturierungsplangestaltungen ihre Zustimmung erteilt haben oder weil eine hinreichende Mehrheit von Planbetroffenen dem Plan zugestimmt und das Gericht den Plan anschließend bestätigt hat. Dass der Restrukturierungsplan im Fall einer nur mehrheitlichen Planannahme der gericht- 14 lichen Planbestätigung bedarf, um für und gegen alle Planbetroffen wirksam zu werden, steht einer rechtsgeschäftlichen Qualifizierung von Planangebot und Stimmabgaben nicht entgegen, denn auch außerhalb des StaRUG setzt sich das Rechtsgeschäft nicht nur aus einer oder mehreren Willenserklärungen zusammen, sondern sogar regelmäßig aus weiteren Tatbestandmerkmalen, wie etwa einer Grundbucheintragung bei Grundstücksgeschäften. Bringt der Schuldner das Planangebot in einem gerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) zur Abstimmung, so führt dies zu keiner abweichenden Qualifizierung. In diesen Fällen richtet sich das Verfahren der Abstimmung zwar nur mehr nach den §§ 45 bis 46 StaRUG (§ 23 StaRUG), durch die Inanspruchnahme des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens legt der Schuldner aber nur die Organisation und Durchführung der Abstimmung in die Hände des Restrukturierungsgerichts, um Risiken zu vermeiden, die sich bei einer außergerichtlichen Planabstimmung insbesondere aus der Zweifelsregel gemäß § 63 Abs. 3 StaRUG ergeben können. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass das Planangebot des Schuldners und die auf das Zustandekommen des Restrukturierungsplans gerichteten Stimmabgaben der Planbetroffenen nicht mehr als rechtsgeschäftlich qualifiziert werden könnten.16) 1.1

Meinungsstand zur Rechtsnatur des Insolvenzplan

Vor diesem Hintergrund erscheint ein Rückgriff auf die aus dem Insolvenzplanrecht be- 15 kannte Diskussion um das Wesen oder die Rechtsnatur eines Insolvenzplans weder zweckmäßig noch notwendig.17) Im Schrifttum wird der Insolvenzplan entweder 

als Vergleich (§ 779 BGB),



als privatrechtlicher Vertrag sui generis,



rechtsgeschäftlicher Gesamtakt oder



mehrseitige Verwertungsvereinbarung der Gläubiger

angesehen oder es wird ihm eine Doppelnatur als gemischt materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Vertrag beigemessen.18) ___________ 14) 15) 16) 17)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. Smid, DZWIR 2021, 119, 122. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. Zur Rechtsnatur des Restrukturierungsplans als Vergleich i. S. des § 779 BGB vgl. Smid, DZWIR 2021, 119, 121, wonach auf § 3 Abs. 1 VerglO zurückzugreifen sei. 18) Vgl. zur Diskussion etwa Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 217 Rz. 6 ff. m. w. N.; Koch/de Bra in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 64 Rz. 21. Thöne, KTS 2018, 151; Gaul in: FS Huber, S. 1187; Leipold, KTS 2006, 109, 122 ff.; Smid, ZInsO 2019, 2341, 2343; Braun, NZI 2019, 526, 529; Fritzsche, Die Juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag, S. 113 ff.

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§ 29

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

16 Die Rechtsprechung sieht im Insolvenzplan ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert.19) Ein andere Formulierung qualifiziert den Insolvenzplan im Anschluss an die Gesetzesbegründung zur InsO20) als privatautonome, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten über die Verwertung des haftenden Schuldnervermögens unter voller Garantie des Werts der Beteiligungsrechte.21) Der Insolvenzplan sei kein Vertrag im herkömmlichen Sinne, auch wenn seine Annahme auf der Willensübereinkunft der Beteiligten beruhe. Denn die Gläubigergemeinschaft habe sich nicht aus freien Stücken zusammengefunden; sie sei vielmehr eine durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zusammengefügte Schicksalsgemeinschaft und der Wille einzelner Gläubiger könne gemäß §§ 244 ff. InsO durch Mehrheitsentscheidung und durch die Rechtskraft der gerichtlichen Planbestätigung überwunden werden. 17 Im Anschluss an die Diktion der Rechtsprechung qualifiziert die Gesetzesbegründung zum StaRUG den Restrukturierungsplan als Instrument zur kollektiv-privatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise.22) Er habe eine funktionale Übereinstimmung mit dem Insolvenzplan, die es rechtfertige, die Bestimmungen über das Restrukturierungsplanverfahren über weite Strecken an den insolvenzplanrechtlichen Regelungen zu orientieren. Für die Praxis ist diese Diskussion um das Wesen und die Rechtsnatur kollektiv-privatautonomer Instrumente zur Krisenbewältigung wenig ergiebig, da praktisch alle Qualifizierungsansätze auf ein (auch) rechtsgeschäftliches Verständnis des Insolvenz- und damit auch des Restrukturierungsplans hinauslaufen.23) 18 Besonders plastisch tritt dies in der Entscheidung des BGH vom 6.10.2005 hervor, in der das Gericht ausführt, dass der Insolvenzplan zwar kein Vertrag im herkömmlichen Sinne sei, seine Annahme durch die Gläubigergemeinschaft aber wesentlich auf einer „privatrechtlich zu beurteilenden Willensübereinkunft“ beruhe.24) 1.2

Praxisfolgen unter dem Regelungsregime der §§ 104 ff. BGB

1.2.1 Willensmängel 19 In rechtspraktischer Hinsicht hat die Anwendbarkeit der §§ 104 ff. BGB zur Folge, dass sich die Behandlung von Willensmängeln bei Abgabe des Planangebots oder der Stimmabgabe des einzelnen Planbetroffenen nach den §§ 116 ff. BGB richtet.25) 20 Allerdings können Willensmängel nur bis zu einer rechtskräftigen Bestätigung des Restrukturierungsplans geltend gemacht werden, danach gelten sie als geheilt (§ 67 Abs. 6 StaRUG). 21 Die Rechtskraft der Planbestätigung beendet das Restrukturierungsplanverfahren und schließt grundsätzlich jeden Angriff gegen den Plan wegen eines Willensmangels aus, auch die Irrtumsanfechtung gemäß §§ 119 ff. BGB (zum Insolvenzplanverfahren siehe etwa Schultze, HRI II, § 41 Rz. 11 m. w. N.). Ausgeschlossen ist auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB), weil dem Grund___________ 19) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 26, ZIP 2015, 1346; BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 36/02, Rz. 15, ZIP 2006, 39, dazu EWiR 2006, 87 (Bähr/Landry). 20) Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 81. 21) BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 23, ZIP 2018, 1141, dazu EWiR 2018, 401 (Madaus). 22) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109; s. a. Gehrlein, BB 2021, 66, 67; a. A. Smid, DZWIR 2021, 119, 121, wonach der Restrukturierungsplan als Vergleich i. S. des § 779 BGB zu qualifizieren sei. 23) Vgl. zu den Folgen der Einordnung des Plans als einen (auch) rechtsgeschäftlichen Vertrag die Gesamtdarstellung bei Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 217 Rz. 36 ff. 24) BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 36/02, Rz. 15, ZIP 2006, 39, dazu EWiR 2006, 87 (Bähr/Landry). 25) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105.

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§ 29

Planangebot und Planannahme

satz der Rechtssicherheit und der Gestaltungswirkung des Plans absoluter Vorrang vor der Willensfreiheit des Einzelnen einzuräumen ist.26) 1.2.2 Vertretungsmängel Weiterhin anwendbar ist das Recht der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) einschließlich der 22 Vorschriften über Vertretungsmängel (§§ 177 ff. BGB). Ob auch insoweit eine Heilung anzunehmen ist, lässt der Wortlaut des § 67 Abs. 6 StaRUG im Unklaren. Die Vorschrift spricht von Willensmängeln und erfasst damit Fälle der §§ 116 ff. BGB, nicht aber Vertretungsmängel i. S. der §§ 177 ff. BGB. Für Abhilfe können hier in weitem Umfang die Vorschriften über eine positive und negative Publizität der Handelsregister (§ 15 HGB) sowie die allgemeinen Vertretungsgrundsätze über eine Anscheins- und Duldungsvollmacht leisten. Allerdings bleiben immer noch Fälle denkbar, in denen Vertretungsmängel rechtspraktisch werden könnten, so etwa bei der nach wie vor registerlosen GbR (§§ 705 ff. BGB) oder in Fällen einer Beteiligung kommunaler Unternehmen oder Gebietskörperschaften als Planbetroffene. Gerade im Kommunalbereich kann sich in der Praxis die exakte Abgrenzung der Kompetenzbereiche kommunaler Vertretungsorgane oftmals als schwierig erweisen.27) Die Heilungsvorschrift in § 67 Abs. 6 StaRUG erfasst jedoch andererseits nicht nur Willens- 23 mängel, sondern auch Mängel im Verfahren der Planabstimmung. Insofern ist die Vorschrift im Kontext mit § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zu lesen, wonach das Gericht die Bestätigung des Plans u. a. zu versagen hat, wenn Vorschriften über die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans sowie über die Annahme des Plans durch die Planbetroffenen nicht beachtet wurden. Die Prüfungspflicht des Restrukturierungsgerichts erstreckt sich insbesondere auf die Vorschriften über Planangebot und Planannahme (§§ 17 ff. StaRUG) und die Vorschriften über das Stimmrecht und die erforderlichen Mehrheiten (§§ 24 – 28 StaRUG).28) Dies lässt Raum für eine Interpretation, wonach das Gericht auch die Vertretungsverhältnisse bei Abgabe des Planangebots und bei Ausübung der Stimmrechte der einzelnen Planbetroffenen zu überprüfen hat. Hiervon ausgehend gelten gemäß § 67 Abs. 6 StaRUG mit rechtskräftiger Bestätigung des Plans nicht nur Willensmängel von Planangebot und Planannahme, sondern auch Vertretungsmängel als „Mängel im Verfahren der Planabstimmung“ als geheilt. 1.2.3 Auslegung Für die Auslegung des Restrukturierungsplans kann auf die Rechtsprechung des BGH zur 24 Auslegung von Insolvenzplänen zurückgegriffen werden.29) Soweit nicht der vollstreckungsrechtliche Teil des Plans (§ 71 StaRUG) betroffen ist, ist ein individuelles Verständnis derjenigen zugrunde zu legen, die den Plan beschlossen haben (§§ 133, 157 BGB). Eine Auslegung allein nach der objektiven Erklärungsbedeutung des Plans, wie sie etwa bei AGB, Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften, Emissionsprospekten oder Satzungen von Körperschaften stattfindet, ist demnach nicht zulässig.30)

___________ 26) Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 217 Rz. 37. 27) Vgl. dazu z. B. BayObLG v. 15.1.1997 – 3Z BR 153/96, NJW-RR 1998, 161. 28) S. a. § 47 Satz 3 StaRUG, wonach Gegenstand einer Vorprüfung sämtliche Anforderungen sein können, welche an das Planabstimmungsverfahren nach den §§ 17 – 22 StaRUG zu stellen sind. Zum Insolvenzplanverfahren vgl. BGH v. 13.3.2018 – XI ZR 291/16, Rz. 14, ZIP 2018, 1123. 29) BGH v. 6.10.2005 – IX ZR 36/02, Rz. 16, ZIP 2006, 39, dazu EWiR 2006, 87 (Bähr/Landry). 30) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105.

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§ 29

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

25 Die Literatur plädiert dagegen für eine Wortlautinterpretation, der jedenfalls Vorrang vor einer rein individuellen Planauslegung einzuräumen sei, weil dem Gericht der subjektive Planungshorizont der Beteiligten oftmals nicht bekannt sein könne.31) Rechtspraktische Unterschiede aus beiden Interpretationsansätzen können sich daraus ergeben, dass der Literaturansatz wesentlich früher dazu führen kann, einem Plan i. R. der §§ 63, 64 StaRUG die Bestätigung zu versagen. Allerdings stellt es Gerichtsalltag dar, dass dem Richter die hinter einer vertraglichen Regelung stehenden Motive und Absichten der Beteiligten nicht bekannt sein können. Deshalb verpflichtet § 133 BGB das Gericht dazu, nicht an dem buchstäblichen Sinn einer Erklärung zu haften, sondern den wirklichen Willen zu erforschen. Das StaRUG stellt dazu den Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung, wonach das Gericht von Amts wegen aller Umstände zu ermitteln hat, die für das Verfahren in der Restrukturierungssache von Bedeutung sind (§ 39 Abs. 1 und 2 StaRUG). Allein die Unkenntnis des Richters von den subjektiven Motiven und Absichten der Planbeteiligten stellt mithin keinen Grund dar, die Auslegung allein oder doch hauptsächlich am Wortlaut des Plans auszurichten. 2.

Planangebot und Restrukturierungsfähigkeit des Schuldners

26 Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG hat der Schuldner das Planangebot abzugeben. Wer Schuldner und damit zur Abgabe eines Planangebots berechtigt ist, ergibt sich aus den Vorschriften über die Restrukturierungsfähigkeit des Schuldners (§ 30 StaRUG). 27 Dies kommt zwar im Wortlaut des § 17 StaRUG – anders als etwa bei der Sanierungsmoderation (§ 94 Abs. 1 StaRUG) – nicht unmittelbar zum Ausdruck, folgt jedoch mittelbar daraus, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG das Planangebot legaldefiniert als Angebot des Schuldners an die Planbetroffenen, den Restrukturierungsplan anzunehmen. Die Vorschrift nimmt damit auf die Vorschriften über den Restrukturierungsplan (§§ 2 ff. StaRUG) Bezug, die den Schuldner als restrukturierungsfähige Person bezeichnen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG).32) Seinem insolvenzrechtlichen Vorbild folgend, ist gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 StaRUG jeder insolvenzfähige Schuldner zugleich restrukturierungsfähig. Das schließt im Grundsatz 

alle natürlichen und juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO),



den nicht rechtsfähigen Verein (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO) und



die Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) mit ein.

28 Unerheblich ist, ob die Gesellschaft noch werbend am Markt tätig oder bereits aufgelöst ist, sofern nur eine Fortsetzung des Unternehmens beabsichtigt ist.33) 29 Besonderheiten gelten für natürliche Personen. Diese sind in Abgrenzung zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung bei Verbrauchern (§§ 305 Abs. 1 Nr. 1, 305a InsO) nur restrukturierungsfähig, soweit sie unternehmerisch tätig sind (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Darüber hinaus können natürliche Personen nur solche Forderungen und Absonderungsanwartschaften in den gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans einbeziehen, die mit deren unternehmerischer Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Dies ergibt sich e contrario aus § 4 Satz 2 StaRUG. 3.

Inhaltliche Anforderungen an das Planangebot

3.1

Belehrung über die Wirkungen gerichtlicher Planbestätigung

30 Zum Schutz Planbetroffener vor der Bestätigungswirkung des Plans, muss das Planangebot gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG einen deutlichen Hinweis enthalten, dass der Plan im Fall ___________ 31) Braun, NZI 2019, 526. 32) Kahlert, ZIP 2021, 668, 669. 33) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 133.

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Planangebot und Planannahme

seiner mehrheitlichen Annahme und gerichtlichen Bestätigung auch gegenüber Planbetroffenen wirksam wird, die das Angebot nicht annehmen. Die Vorschrift nimmt § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG in Bezug. Sie regelt aber die Wirkungen 31 der Planbestätigung insofern mehrdeutig, als nach § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen nicht nur Planbetroffene treffen, die explizit gegen den Plan gestimmt haben, sondern auch ordnungsgemäß an dem Planabstimmungsverfahren Beteiligte ohne ihre Abstimmungsteilnahme, sei es durch Nichtabgabe ihrer Stimme oder Stimmenthaltung. Die Beachtung des „sichersten Weges“ legt es daher nahe, alle von den Wirkungen des bestätigten Plans Betroffenen deutlich hervorzuheben, andernfalls könnte die Formulierung „nicht annehmen“ in § 17 Abs. Satz 1 StaRUG die verengte Fehlvorstellung hervorrufen, die Wirkungen der Planbestätigung bezögen sich nur auf aktiv gegen den Plan abstimmende Planbetroffene. Im Interesse einer umfassenden Belehrung der Planbetroffenen über die Wirkungen der Plan- 32 bestätigung, empfiehlt sich zudem ein Hinweis auf den Beginn der im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Gestaltungswirkung. Anders als im Insolvenzplanverfahren (§ 254 Abs. 1 InsO) treten die Wirkungen nicht erst mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses des Restrukturierungsgerichts, sondern bereits mit dessen Verkündung (§ 65 Abs. 1 i. V. m. § 66 Abs. 4 StaRUG) ein. Diese Abweichung beruht auf Art. 16 Abs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie, welcher – vorbehaltlich der Möglichkeit einer gesonderten Anordnung der aufschiebenden Wirkung – für Rechtsmittel gegen den Planbestätigungsbeschluss keine aufschiebende Wirkung vorsieht. Verstößt der Schuldner gegen seine Belehrungspflicht über die Wirkungen des bestätigten 33 Plans, hat das Restrukturierungsgericht die Bestätigung des Plans von Amts wegen zu versagen (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Fehlbeurteilungen durch das Gericht gehen insoweit zulasten der Planbetroffenen. Denn nach § 67 Abs. 6 StaRUG gelten Mängel im Verfahren der Planabstimmung mit der rechtskräftigen Bestätigung des Plans als geheilt. Die Heilungsvorschrift nimmt § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG in Bezug und erstreckt sich auf Mängel im Verfahren der Planabstimmung. Damit sind insbesondere auch Verstöße gemeint, die das Planabstimmungsverfahren gemäß §§ 17 ff. StaRUG betreffen.34) 3.2

Belehrungen über Minderheitenschutz und Beschwerdebefugnis

Nicht zum notwendigen Inhalt eines Planangebots gehören die in § 64 Abs. 4 Satz 1 und 34 § 66 Abs. 3 Satz 2 StaRUG geregelten Belehrungsobliegenheiten des Schuldners über den Minderheitenschutz (§ 64 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 64 Abs. 2 StaRUG) und das Recht der sofortigen Beschwerde (§ 66 Abs. 2 StaRUG) der Planbetroffenen. Es ist jedoch ratsam, entsprechende Belehrungen bereits in das Planangebot an die Planbetroffenen aufzunehmen, andernfalls sind die Planbetroffenen selbst dann antrags- bzw. beschwerdebefugt, wenn sie dem Plan nicht widersprochen oder diesen nicht abgelehnt haben. Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist die Planbestätigung auf Antrag eines Planbetroffenen 35 zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechtergestellt wird als er ohne den Plan stünde. Der Antrag setzt nach § 64 Abs. 2 Satz 1 StaRUG den bereits im Abstimmungsverfahren erhobenen Widerspruch des Antragstellers wegen Verstoßes gegen das Schlechterstellungsverbot voraus. Fand ein versammlungsloses schriftliches Abstimmungsverfahren statt, ist ein solcher Widerspruch nur erforderlich, wenn der Planbetroffene explizit im Planangebot auf das Erfordernis der Geltendmachung einer voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan besonders hingewiesen wurde ___________ 34) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 185.

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(§ 64 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Fehlt eine solche Belehrung im Planangebot, ist der Planbetroffene auch ohne Widerspruch antragsbefugt. 36 Entsprechendes gilt für die Befugnis zur sofortigen Beschwerde. Sie setzt nach § 66 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StaRUG die Beschwerdebefugnis gegen die gerichtliche Planbestätigung voraus. Der Planbetroffene muss darlegen können, er habe dem Plan im Abstimmungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Schlechterstellungsverbot gemäß § 64 Abs. 2 StaRUG widersprochen und gegen den Plan gestimmt. Fand auch hier ein versammlungsloses schriftliches Abstimmungsverfahren gemäß §§ 17, 19, und 21 StaRUG statt, gilt dies nur, wenn im Planangebot auf die Notwendigkeit eines Widerspruchs und der Planablehnung besonders hingewiesen wurde (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StaRUG). 3.3

Informierte Entscheidung vor Annahme des Restrukturierungsplans

3.3.1 Restrukturierungsplan und Plananlagen 37 Für eine sach- und rechtsinformierte Entscheidung der Planbetroffenen im außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren ist dem Planangebot gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen sowie eine Auf- und Darstellung bereits angefallener und noch erwarteter Kosten des Restrukturierungsverfahrens unter Einschluss der Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten beizufügen. 38 Der Begriff „Anlagen“ in § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG bezieht sich auf sämtliche dem Plan nach den §§ 14 und 15 StaRUG beizufügende Anlagen. Zu unterscheiden ist hier der Restrukturierungsplan vom „Entwurf eines Restrukturierungsplans“ (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) und von einem „Konzept für die Restrukturierung“ (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) bzw. dem „Restrukturierungskonzept“ (§ 17 Abs. 3 StaRUG). 39 § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG meint nur den fertig ausgehandelten und ausgearbeiteten Restrukturierungsplan, nicht seine konzeptionellen Vorstufen. Ein „Konzept für die Restrukturierung“ oder „Restrukturierungskonzept“ kann zwar der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem Restrukturierungsgericht beigefügt (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) oder zum Gegenstand einer Erörterungsversammlung (§ 17 Abs. 3 StaRUG) gemacht werden, genügt aber nicht als Grundlage einer sach- und rechtsinformierten Entscheidung der Planbetroffenen im außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren. Der „Entwurf eines Restrukturierungsplans“ hat die Situation im Blick, dass der fertig ausgearbeitete Plan den Planbetroffenen noch nicht im Planangebot zur Planannahme übermittelt wurde. Er kann jedoch der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem Gericht bereits als Anlage beigefügt werden (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). 40 Das erstrebte Restrukturierungsziel ist nicht stets und notwendigerweise auf eine kollektive Globalrestrukturierung gerichtet. Dann sind nicht alle Forderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninterne Drittsicherheiten oder Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Planbetroffenen in den gestaltenden Teil des Plans einzubeziehen (vgl. § 8 Satz 1 StaRUG). Und zudem können mehrere in die Plangestaltung einbezogene Forderungen und Rechte eines Planbetroffenen verschiedenen Gruppen zugeordnet sein (vgl. § 9 StaRUG). In diesen Fällen muss gemäß § 17 Abs. 2 StaRUG jeder Planbetroffene dem Planangebot zweifelsfrei entnehmen können, welche von den ihm zustehenden Forderungen und Rechte in welchem Umfang in den Plan einbezogen werden und in welchen Gruppen er jeweils mit welchem Stimmrecht abstimmen darf. 41 Diese Vorschrift erfordert insofern eine Klärung, als auch sachenrechtliche Verhältnisse gemäß § 68 Abs. 1 StaRUG zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen gehören können, nicht nur die in §§ 2 ff. StaRUG genannten Forderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninternen Drittsicherheiten und Anteils- und Mitgliedschaftsrechte. Der Begriff „Rechte“

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i. S. des § 17 Abs. 2 StaRUG lässt also je nach Fallkonstellation auch die Einbeziehung sachenrechtlicher Verhältnisse in die Plangestaltung zu. Da das Planangebot Aufschluss geben muss, welche Forderungen oder Rechte des „jewei- 42 ligen Planbetroffenen“ in den Plan einbezogen sind, ist den inhaltlichen Anforderungen des § 17 Abs. 2 StaRUG nur genügt, wenn die Planbetroffenen entweder namentlich genannt oder unter hinreichend konkreter Bezeichnung ihrer Forderungen oder Rechte beschrieben sind. Dies kann im Planangebot, muss aber auch im Plan selbst erfolgen, weil andernfalls den Mindestangaben der Anlage zu § 5 Abs. 2 StaRUG nicht genügt wäre. Danach sind die Planbetroffenen namentlich zu benennen oder unter Bezeichnung ihrer Forderungen und Rechte hinreichend konkret zu beschreiben. 3.3.2 Angefallene und noch zu erwartende Kosten Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ist dem Planangebot der vollständige Restrukturierungs- 43 plan nebst Anlagen, aber auch eine Darstellung der bereits angefallenen und der noch zu erwartenden Kosten des Verfahrens einschließlich der Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten beizufügen. Die Vorschrift wirkt deplatziert und gehörte eigentlich in den Kontext des darstellenden Teils des Plans (§ 6 StaRUG). Die Gesetzesbegründung lässt offen, welche Kostenarten zu den „Kosten des Restruktu- 44 rierungsverfahrens“ zählen. Allerdings deutet die Formulierung „bereits angefallen“ darauf hin, dass § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG auch für die Vorbereitung und Ausarbeitung eines Restrukturierungsplans angefallene Beraterkosten (Gebühren und Honorare für Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater) im Blick hat (zur Problematik bei der Eigenverwaltung und vorläufigen Eigenverwaltung vgl. Rendels, HRI II, § 24 Rz. 27).35) Weiter sind auch die noch zu erwartenden Kosten darzustellen. Hierzu gehören außer den noch zu erwartenden Beraterkosten auch die künftigen Finanzierungskosten.36) Vor allem die Beraterkosten erreichen nicht selten enorme Größenordnungen und können 45 eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners noch weiter vertiefen.37) Ihre Einbeziehung in das Planangebot dient aber nicht nur dem Einblick in die Restrukturierungsökonomie, sondern offensichtlich auch der Angemessenheitskontrolle.38) Die Angemessenheitsprüfung orientiert sich vor allem an (betriebs-)wirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien der Schlüssigkeit der in Aussicht genommen Restrukturierungsplanung. Das setzt u. a. die Offenlegung bereits angefallener und noch zu erwartender Kosten der Umsetzung des Restrukturierungskonzepts voraus, um auch das Gericht in die Lage zu versetzen, das angezeigte Restrukturierungsvorhaben mit Blick auf den zu erwartenden Liquiditätsabfluss auf seine Umsetzungsaussichten zu überprüfen (§§ 33 Abs. 2 Nr. 2, 32 Abs. 4 StaRUG). Bei fehlenden Sanierungsaussichten würde nur das „gute dem schlechten Geld“ hinterhergeworfen und das schuldnerische Unternehmen u. U. nur deshalb in die materielle Insolvenzreife gedrängt. Für die Berater ist eine möglichst transparente Darstellung bereits angefallener oder abseh- 46 bar weiterer Kosten im Planangebot von ganz besonderer praktischer Prüfungsrelevanz, um Insolvenzanfechtungsrisiken zu minimieren. § 90 Abs. 1 StaRUG statuiert nämlich einen weitgehenden Anfechtungsausschluss für „Regelungen“ in einem rechtskräftig bestä___________ 35) Smid, DZWIR 2021, 119, 125. Zur Kostenerstattung für die Erstellung eines Insolvenzplans im Regelinsolvenzverfahren vgl. BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, Rz. 21, ZIP 2008, 232. 36) Smid, DZWIR 2021, 119, 125. 37) Smid, DZWIR 2021, 119, 125. 38) Zur Angemessenheitskontrolle vgl. auch Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1303.

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tigten Plan, aber auch für Rechtshandlungen „im Vollzug“ eines solchen Plans vor (sog. Safe Harbour).39) Derartige Regelungen oder Rechtshandlungen bleiben nur anfechtbar, wenn die Planbestätigung die Folge unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners war und der andere Teil davon Kenntnis hatte. Letztlich bleibt also nur kollusiv „erschwindeltes“ Zusammenwirken zwischen dem Schuldner und dem anderen Teil für die Anfechtbarkeit übrig. Für die Wahrung des Anfechtungsprivilegs aus § 90 Abs. 1 StaRUG genügt es daher, bereits angefallene und vorhersehbare Kosten in den Restrukturierungsplan aufzunehmen und sie dem Planangebot nebst Anlagen in einer gesonderten Auf- und Darstellung beizufügen. Ungewiss ist nur die Wirkungsdauer dieses Anfechtungsschutzes. Denn der Wortlaut des § 90 Abs. 1 StaRUG gewährt das Sanierungsprivileg nur bis zu einer „nachhaltigen Restrukturierung“ des schuldnerischen Unternehmens. Es gilt nicht mehr, wenn es zu einer Folgeinsolvenz kommt.40) Um auch insoweit eventuelle Anfechtungsrisiken zu minimieren, kann die Beratungspraxis i. R. eines Bargeschäfts i. S. des § 142 InsO tätig werden.41) 3.3.3 Hinweis auf gemeinsame Erörterungsversammlung 47 Grundsätzlich ist es möglich sozusagen „mit der Tür ins Haus“ zu fallen und die Abstimmung über den Restrukturierungsplan in der Weise zu gestalten, dass vor Abgabe eines Planangebots zu keinem Zeitpunkt eine gemeinschaftliche Erörterung des Plans oder des Restrukturierungskonzepts mit den Planbetroffenen stattfindet. Um sicher zu stellen, dass vor einer Abstimmung zumindest einmal eine gemeinschaftliche Erörterung durch alle Planbetroffenen erfolgt, hat jeder Planbetroffene das Recht, die Abhaltung einer gemeinsamen Erörterungsversammlung zu verlangen (§ 21 Abs. 1 StaRUG). 48 Auf dieses Recht der Planbetroffenen muss im Planangebot ausdrücklich hingewiesen werden (§ 17 Abs. 3 StaRUG). Verletzungen der Hinweispflicht aus § 17 Abs. 3 StaRUG können gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zur Versagung der Bestätigung des Plans in einem gerichtlichen Bestätigungsverfahren führen, wenn Vorschriften über die verfahrensmäßige Behandlung des Plans in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet wurden. 49 § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG orientiert sich an § 250 Nr. 1 InsO. Es ist also maßgeblich, ob der Verstoß gegen die Hinweispflicht für die Stimmabgabe des Planbetroffenen ursächlich gewesen sein könnte42) und zudem der Schuldner zur Behebung des Mangels außerstande ist oder ihn innerhalb einer vom Restrukturierungsgericht gesetzten angemessenen Frist nicht behebt. Nach diesen Vorgaben dürften Verstöße gegen § 17 Abs. 3 StaRUG regelmäßig beachtlich sein. Denn die Durchführung eines Erörterungstermins intendiert die Befähigung der Planbetroffenen zur sachgerechten Beurteilung der im Plan festgelegten Gestaltungen der Rechtsverhältnisse (§ 21 Abs. 3 i. V. m. § 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG) und zudem steht einer Mängelbehebung in der Regel die zwischenzeitliche Beendigung des außergerichtliche Planabstimmungsverfahren entgegen. Dies hat die Versagung der Bestätigung und Wiederholung des Abstimmungsverfahrens zur Folge. Dem Schuldner bleibt nur die Hoffnung, ___________ 39) Vgl. dazu Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877. 40) Zur Kritik vgl. Bork, ZInsO 2020, 2177, 2181; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877. 41) Zur 30-Tages-Grenze vgl. BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232, dazu EWiR 2008, 409 (Freudenberg). Die Zahlung eines angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen kann selbst dann, wenn diese gescheitert sind, ein Bargeschäft sein (BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZIP 2002, 1540). S. aber auch BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, Rz. 24, ZIP 2008, 232: Kein Bargeschäft bei einem „Konzeptpapier“ ohne praktischen Nutzen. 42) BGH v. 3.12.2009 – IX ZB 30/09, ZIP 2010, 341; BGH v. 13.10.2011 – IX ZB 37/08, ZIP 2012, 187; LG Mainz v. 2.11.2015 – 8 T 182/15, ZIP 2016, 587.

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dass mit rechtskräftiger Planbestätigung eventuelle Mängel im Verfahren der Planabstimmung als geheilt gelten (§ 67 Abs. 6 StaRUG). Vor diesem Hintergrund ist die Hinweispflicht aus § 17 Abs. 3 StaRUG als Appell an die 50 Geschäftsleitung des schuldnerischen Unternehmens zu verstehen, Verhandlungen und Erörterungen mit den Planbetroffenen über den Plan oder das Restrukturierungskonzept möglichst frühzeitig und eigeninitiativ vor Abgabe eines Planangebots anzustreben, um eine breite Planakzeptanz zu fördern. Die besondere Relevanz dieses Vorgehens legt es für die Rechtspraxis nahe, dass der Schuldner seiner Anzeige des Restrukturierungsvorhaben an das Gericht eine Darstellung des Standes der Verhandlungen mit Gläubigern, mit den am Schuldner beteiligten Personen oder mit Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen beifügt (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StaRUG). Ziel ist es, dem Gericht eine Einschätzung darüber zu ermöglichen, welchen Rückhalt das 51 Restrukturierungsvorhaben bei den Planbetroffenen hat und mit welchen Widerständen ggf. zu rechnen ist.43) Dadurch wird eine Verfahrenskonzentration und Verfahrensbeschleunigung erreicht. Zudem gewinnt das Gericht notwendige Informationen zur Erforderlichkeit der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 StaRUG, um dadurch eventuelle Blockadehaltungen einzelner Planbetroffener gegen eine einstimmige oder jedenfalls mehrheitliche (§ 25 Abs. 1 StaRUG) Planannahme zu beseitigen. Andernfalls wäre nur eine Bestätigung des Restrukturierungsplans unter den streitanfälligen Voraussetzungen eines Cram-down (§ 26 StaRUG) möglich.44) Vor diesem Hintergrund liegt es im Eigeninteresse des Schuldners an einer beschleunigten Verfahrensabwicklung ohne Zuwarten, bis einzelne Planbetroffene die Durchführung einer Erörterungsversammlung verlangen, die er eigeninitiativ in die Wege leiten kann. 4.

Schriftlichkeit des Planangebots und Formfragen

Nach § 17 Abs. 4 StaRUG unterliegt das Planangebot der Schriftform, sofern im Verhältnis 52 zu einzelnen Planbetroffenen nichts anderes vereinbart ist. Das Planangebot muss daher eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet (§ 126 Abs. 1 BGB)45) und sämtlichen Planbetroffenen mit dem eigenhändig unterschriebenen Angebotsexemplar übermittelt werden. Denn empfangs- und formbedürftige Willenserklärungen werden nur wirksam, wenn die formgerecht errichtete Erklärung dem Empfänger zugeht.46) Nicht ausreichend ist die Übermittlung einer Kopie oder beglaubigten Kopie der Originalerklärung. Auf den Zugang eines eigenhändig unterschriebenen Planangebots kann gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 StaRUG nur verzichtet werden, wenn im Zuge der Verhandlungen über den Plan zwischen dem Schuldner und einzelnen Planbetroffenen eine abweichende Form vereinbart wurde, etwa weil ein Planbetroffener sich damit einverstanden erklärt hat, dass ihm das Planangebot in elektronischer (§ 126a BGB) oder in Textform, z. B. per E-Mail oder Telefax (§ 126b BGB) zugeht.47) Die Formerleichterungen in § 127 Abs. 2 BGB, wonach zur Wahrung der durch Rechts- 53 geschäft bestimmten Schriftform die telekommunikative Übermittlung genügen kann, gilt nicht für die Schriftlichkeit des Planangebots, da die Vorschrift an die vertraglich vereinbarte Schriftform anknüpft (§ 127 Abs. 1 BGB). Und zudem bestimmt § 17 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, dass im Verhältnis zu den einzelnen Planbetroffenen entsprechende Formerleichterungen vereinbart sein müssen. Eine Ersetzung der Schriftform durch die elektronische ___________ 43) 44) 45) 46) 47)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135. Zum Restrukturierungsbeauftragten nach dem StaRUG Schulte-Kaubrügger/Dimassi, ZIP 2021, 936 ff. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122. BGH v. 28.1.1993 – IX ZR 259/91, BGHZ 121, 224 = ZIP 1993, 424. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122.

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Form wäre zwar gemäß § 126 Abs. 3 BGB statthaft, jedoch nur mit elektronischer Signatur gemäß § 126a BGB.48) Angesichts des etwas althergebrachten Schriftformerfordernisses in § 17 Abs. 4 Satz 1 StaRUG könnte es für schuldnerische Unternehmen vor allem in Großverfahren ratsam sein, vorab Einverständniserklärungen mit einer telekommunikativen Übermittlung einzuholen. 5.

Vertretungsverhältnisse bei Abgabe des Planangebots

54 Die juristische Person, der nicht rechtsfähige Verein und die Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit werden bei Abgabe des Planangebots durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschaftsorgane vertreten, die nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Gesellschaft handeln (§ 164 Abs. 1 BGB). Insofern unterscheidet sich das Planangebot nicht von der Abgabe anderer Willenserklärungen. Gleiches gilt für die Existenz und den Umfang der Vertretungsmacht der Mitglieder der jeweiligen Vertretungsorgane. Diese ergeben sich aus den jeweils einschlägigen Vorschriften des BGB und des Handels- und Gesellschaftsrechts ggf. i. V. m. mit den jeweiligen Gesellschaftsverträgen und Satzungen. 55 Vertretungsberechtigte Gesellschaftsorgane der juristischen Personen, des nicht rechtsfähigen Vereins und der Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit vertreten bei Abgabe des Planangebots diese Rechtsträger wie bei der Abgabe sonstiger Willenserklärungen nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der jeweiligen Gesellschaft (§ 164 Abs. 1 BGB). Unanwendbar ist für Planangebot die Sondervorschrift in § 15 InsO über das Insolvenzantragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Unmaßgeblich ist daher die Zuweisung des Insolvenzantragsrechts an jedes einzelne Mitglied des Vertretungsorgans dieser Gesellschaften. Aus § 30 StaRUG ist eine entsprechende Anwendung nicht herleitbar, weil der hier geregelte Verweis nur für die Restrukturierungs(verfahrens)fähigkeit Bedeutung hat. 56 Sofern im Verhältnis zu einzelnen Planbetroffenen nichts anderes vereinbart ist (§ 17 Abs. 4 Satz 1 StaRUG), muss das Planangebot den Planbetroffenen schriftlich und unterschreiben zugehen. Die Unterschrift unter das Angebot ist von den vertretungsberechtigten Organmitgliedern zu leisten. Sind die Mitglieder dieses Vertretungsorgans gesamtvertretungsbefugt (z. B. GbR, §§ 709, 714 BGB oder GmbH, § 35 Abs. 1 GmbHG) haben alle Organmitglieder das Planangebot eigenhändig mit ihrem Namenszug zu unterzeichnen und es jedem einzelnen Planbetroffenen in dieser Form zu übermitteln (§ 126 Abs. 1 BGB). In formaler Hinsicht ist der Schriftlichkeit überdies nur Genüge getan, wenn im Planangebot ein hinreichender Vertretungszusatz explizit ausdrückt, dass die Organmitglieder das Planangebot in fremdem Namen abgeben.49) 6.

Auslegung des Planangebots und konkurrierende Planangebote

57 § 18 StaRUG gibt als Auslegungsregel vor, dass das Planangebot im Zweifel nicht auf eine isolierte Bindung des Schuldners im Verhältnis zu einzelnen Planbetroffenen gerichtet ist, sondern nur als „Gesamtpaket“ im Verhältnis zu allen Planbetroffenen Bindung entfalten soll. Danach ist im Zweifel anzunehmen, dass das Planangebot unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) steht, dass sämtliche Planbetroffene entweder zustimmen oder der Restrukturierungsplan gerichtlich mit Wirkung für und gegen alle bestätigt wird. Die Auslegungsregel in § 18 StaRUG besagt, dass sich das Planangebot im Zweifel nicht auf eine isolierte Bindung des Schuldners im Verhältnis zu einzelnen Planbetroffenen richtet, sondern Bindung nur im Verhältnis zu allen Planbetroffenen bewirken soll. Demnach ___________ 48) Thole, ZIP 2020, 1985, 1989. 49) Vgl. etwa BGH v. 7.5.2008 – XII ZR 69/06, NJW 2008, 2178.

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Planangebot und Planannahme

steht das Planangebot im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der Zustimmung sämtlicher Planbetroffenen oder der gerichtlichen Bestätigung des Plans mit Wirkung für und gegen alle. Da § 18 StaRUG als bloße Auslegungsregel verfasst ist, bleibt Spielraum für abweichende 58 Plangestaltungen des Schuldners. So wäre es z. B. statthaft, mehrere vorgelegte Planangebote derart zu bedingen, dass ein zweites Planangebot zur Abstimmung der Planbetroffenen gestellt wird, falls in der Abstimmung über das erste Planangebot das nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Gruppenquorum nicht erreicht wird. Theoretisch und praktisch ließe sich auf diese Weise eine zahlreiche Staffel von Planan- 59 geboten solange zur Abstimmung bringen, bis entweder alle Planbetroffenen zustimmen oder jedenfalls die nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Mehrheit in allen Gruppen erreicht wird. In solchen Fällen der Staffelvorlagen von Insolvenzplänen gewährt § 231 Abs. 2 InsO dem Insolvenzgericht ein Zurückweisungsrecht zur Vermeidung einer Verschleppung des Insolvenzverfahrens durch den Schuldner.50) Diese gerichtliche Reaktion im Insolvenzverfahren lässt sich nicht auf das Planannahmeverfahren gemäß §§ 17 ff. StaRUG übertragen. Denn einfache oder bedingt gestaffelte Planangebote stehen als „Instrument zur kollektivprivatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise“ in der Regelungssystematik außerhalb eines Insolvenzverfahrens, das es dem Schuldner überlässt, wie er die Vorteile privatautonomer Gestaltungsmöglichkeiten nutzbar machen will.51) Der Zulässigkeit gestaffelt konkurrierender Restrukturierungspläne steht § 25 Abs. 1 60 StaRUG nicht entgegen. Die Norm besagt, der Restrukturierungsplan gelte als angenommen, wenn in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen. Die Planbetroffenen dürfen nur für oder gegen den Plan stimmen. All dies schließt jedoch nicht aus, dass den Planbetroffenen konkurrierende Restrukturierungspläne zur Abstimmung gestellt werden.52) Eine Staffelung der Restrukturierungspläne des Schuldners spiegelt im Grunde nur das Reaktionsarsenal der Planbetroffenen im progredienten Verfahren der Planbeurteilung. § 20 Abs. 3 StaRUG erlaubt nämlich Planbetroffenen in der Planbetroffenenversammlung die Unterbreitung ihrer Planänderungen, die der Schuldner zwar nicht übernehmen muss, aber übernehmen kann. In dieser Versammlung kann über den Plan abgestimmt werden, auch wenn dieser aufgrund weiterer Erörterungen in der Versammlung inhaltlich in einzelnen Punkten abgeändert wird (§ 20 Abs. 4 StaRUG). Steht es den Planbetroffenen frei, auf einen Plan progredient offen mit eigenen Vorschlägen zu reagieren, so ist es dem Schuldner nicht zu verwehren, die Möglichkeit zu gewähren, Abänderungsvorschläge der Planbetroffenen zu antizipieren, sie zur Abstimmung zu bringen und im Planangebot zu bestimmen, dass diejenige Planvariante als angenommen gilt, welche die nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Gruppenmehrheit erzielt. 7.

Annahme- und Einberufungsfrist zur Planabstimmung

Nach § 19 Satz 1 StaRUG hat der Schuldner für die Annahme des Restrukturierungsplans 61 eine Frist zu setzen, die mindestens 14 Tage betragen muss. Die Vorschrift ist auf das versammlungslose schriftliche Planabstimmungsverfahren zugeschnitten. Stellt der Schuldner den Plan i. R. einer Versammlung zur Abstimmung, tritt an die Stelle der Annahmefrist ___________ 50) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 42, ZIP 2015, 1346. 51) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 86. 52) A. A. offenbar Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124, wonach nur über den Plan abzustimmen sei, den der Schuldner letztlich zur Abstimmung stelle, eine Abstimmung über konkurrierende Pläne sei ausgeschlossen.

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die Frist für eine schriftliche Einberufung der Versammlung, die gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 StaRUG in Anlehnung an die Ladungsfrist für das gerichtliche Planabstimmungsverfahren (§ 45 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) 14 Tage betragen muss. 62 Nach der Gesetzesbegründung zu § 19 Satz 1 StaRUG soll durch die Annahmefrist sichergestellt werden, dass den Planbetroffenen eine ausreichende Bedenkzeit vor ihrer Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Restrukturierungsplans zur Verfügung steht.53) Darin liegt aber zugleich die Krux der Vorschrift, da die Annahmefrist durch den Zugang des Planangebots in Lauf gesetzt wird und die Zugangszeitpunkte bei den einzelnen Planbetroffenen nicht immer identisch sein müssen. Dies erfordert vorhersehbar gerade bei vielen Planbetroffenen oder Großverfahren einen erheblichen bürokratischen Aufwand, da der Schuldner sicherstellen muss, dass Datum und Zugang des Planangebots bewiesen werden können. Zweifel und Nachweisprobleme gehen beim außergerichtlichen schriftlichen Planabstimmungsverfahren zulasten des Schuldners (§ 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG), so dass sich die versammlungslose schriftliche Planabstimmung wohl nur für Verfahren mit ganz wenigen Planbetroffenen eignet. 63 Stellt der Schuldner den Plan i. R. einer Planbetroffenenversammlung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 StaRUG zur Abstimmung, kann sich bei größeren Verfahren mit einer Vielzahl von Planbetroffenen ein vergleichbarer organisatorischer Aufwand des Schuldners aus der Notwendigkeit ergeben, dass er Datum und Zugang der Einberufungsschreiben als Voraussetzung für den Beginn der 14-tägigen Einberufungsfrist zu beweisen hat. Bleiben Beweiszweifel, gehen diese auch bei dieser Verfahrensart zulasten des Schuldners (§ 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). Im Rahmen eine gerichtlichen Planabstimmung (§§ 45 f. StaRUG) stellen sich diese Probleme nicht in gleicher Weise, da hier das Gericht zum Erörterungs- und Abstimmungstermin zu laden hat (§ 45 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). 64 Die Dokumentation gemäß § 22 Abs. 1 StaRUG stellt insoweit eine bloße Wissenserklärung des Schuldners dar, die keine besondere Beweiskraft hat und überdies nicht geeignet ist, einen Beweis des ersten Anscheins für die Fehlerfreiheit des Verfahrensablaufs zu begründen.54) Die Dokumentation hat im Wesentlichen nur die Funktion, als Anlage zum Antrag auf gerichtliche Planbestätigung die Grundlage für die gerichtliche Überprüfung des Planabstimmungsverfahrens zu bilden, dessen Ordnungsmäßigkeit wiederum Voraussetzung für die Planbestätigung ist (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). 65 Insbesondere ist für größere Verfahren zu vermuten, dass sich in der Rechtspraxis auch wegen dieser Verfahrenserschwernisse das gerichtliche Planabstimmungsverfahren (§§ 45 f. StaRUG) auf Dauer durchsetzen wird. In diesem gelten gemäß § 41 Abs. 1 StaRUG Zustellungs- und Nachweiserleichterungen, die sich gerade für Verfahren mit vielen Beteiligten für ein zügiges Verfahren eignen. So ordnet etwa § 41 Abs. 1 StaRUG wie § 8 Abs. 1 InsO an, dass ein Schriftstück drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt. Diese Vereinfachung zur Verfahrensbeschleunigung steht in einer Linie mit § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO, wonach Bekanntmachungen, die über das gemeinsame Justizportal von Bund und Ländern (www.insolvenzbekanntmachungen.de) erfolgen, zwei Tage nach der Veröffentlichung im Internet als bewirkt gelten, unabhängig von einer parallelen Information der Beteiligten, die auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.55)

___________ 53) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 54) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109. 55) BGH v. 14.11.2013 – IX ZB 101/11, ZIP 2013, 2425.

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Planangebot und Planannahme 8.

Planangebot und Planinitiativobliegenheit der Geschäftsleitung

Das StaRUG stellt restrukturierungsfähigen Schuldnern in der Unternehmenskrise nur einen 66 schmalen zeitlichen Korridor für eine Inanspruchnahme der in § 29 Abs. 2 Nr. 1 – 4 StaRUG genannten Verfahrenshilfen (Instrumente) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zur Verfügung. Diese können im Regelfall nur ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) bis zur materiellen Insolvenzreife durch Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) in Anspruch genommen werden. Dies ergibt sich aus § 29 Abs. 1 StaRUG, wonach die Verfahrenshilfen den Zweck verfolgen, 67 eine drohende Zahlungsunfähigkeit nachhaltig zu beseitigen, und folgt i. Ü. daraus, dass das Gericht die Restrukturierungssache aufzuheben hat, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gemäß § 32 Abs. 3 StaRUG anzeigt oder andere Umstände bekannt werden, aus denen sich die materielle Insolvenzreife des Schuldners ergibt (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG). Nur ausnahmsweise darf das Gericht unter den engen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG von einer Aufhebung der Restrukturierungssache absehen. Trennendes Charakteristikum zwischen der InsO und dem StaRUG ist, dass die Verfahrenshilfen (Instrumente) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nur für insolvenzabwendende, nicht aber für insolvenzbeseitigende Unternehmenssanierungen zur Verfügung stehen.56) Dem Schuldner bleiben für die Beseitigung bereits eingetretener materieller Insolvenz nur die Insolvenzantragstellung und ggf. eine Sanierung seines Unternehmens in einem Insolvenzplanverfahren.57) Unter diesen Voraussetzungen sind die gerichtlichen Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- 68 und Restrukturierungsrahmens als sinnvolles und taugliches Instrument zur kollektivprivatautonomen Krisenbewältigung nur dann ratsam, wenn sich die Geschäftsleitung des schuldnerischen Unternehmens möglichst frühzeitig und zügig nach Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit mit der Ausarbeitung eines Restrukturierungskonzepts als Grundlage für ein an die Planbetroffenen zu richtendes Planangebot befasst.58) Das leitet in rechtlicher Hinsicht zur Vorsicht, weil Verfahrenshilfen (Instrumente) des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens grundsätzlich nur im Krisenstadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit in Anspruch genommen werden können (§ 29 Abs. 1 StaRUG) und zudem die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem Restrukturierungsgericht als Voraussetzung einer solchen Verfahrenshilfe (§ 31 Abs. 1 StaRUG) a priori ausscheidet, wenn die materielle Insolvenzreife unmittelbar bevorsteht oder bereits eingetreten ist. Rechtspraktisch trifft insbesondere Geschäftsleiter kleinerer oder mittlerer Unternehmen erhöhte Aufmerksamkeit, da sie sich erfahrungsgemäß zu lange an die Hoffnung naher „Gesundung“ des Unternehmens klammern. Die Ausarbeitung eines Restrukturierungskonzepts wird dann vielfach zu spät als Ausweg aus der Misere anerkannt, wenn das „Kind“ bereits „im Brunnen“ der Insolvenz liegt. Das StaRUG intendiert diese riskanten Verzögerungen einzudämmen. Es erlaubt Ge- 69 schäftsleitern in der Krise drohender Zahlungsunfähigkeit die sehr frühzeitige Entwicklung finanzwirtschaftlicher und struktureller Sanierungsmaßnahmen. Auf deren Grundlage beruhen dann die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme gerichtlicher Verfahrenshilfen und für einen gut vorbereiteten Reststrukturierungsplan als weitere Basis des späteren Planangebots. § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG lässt mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht die Beifügung eines Restruktu___________ 56) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85 ff.; Kahlert, ZIP 2021, 668 m. w. N. 57) Zum Initiativrecht des Schuldners vgl. § 218 Abs. 1 InsO. 58) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85 („Ein wesentliches Ziel des Entwurfs besteht in der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Durchführung frühzeitig eingeleiteter und gut vorbereiteter Sanierungen“); s. a. Bork, ZIP 2011, 101, 108.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

rierungkonzepts genügen. Dieses braucht sich nur auf die Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise, das Ziel der Restrukturierung und die dafür vorgesehenen Maßnahmen zu konzentrieren. Der leitende Gedanke dahinter ist, dass Sanierungsbemühungen in der Praxis anfänglich nur zu einem Grobkonzept finden, das sich mit vertieften Erarbeitungen und Verhandlungen progredient zu einem detaillierten und operationalisierbaren Vollkonzept entwickelt, welches sich seinerseits in einen erfolgversprechenden Restrukturierungsplan als Grundlage für ein Planangebot an die Planbetroffenen übersetzen lässt.59) Für Geschäftsleiter insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen ist es daher ratsam, die Chancen aus dem Angebot in § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG für eine zügige und effektive Ausarbeitung eines Restrukturierungskonzepts als Grundlage eines klugen Planangebots zu nutzen. Die Verschleppung der Aufstellung eines Sanierungskonzepts innerhalb des Prognosezeitraums wegen drohender Zahlungsunfähigkeit hat das Potenzial des direkten Wegs in die Insolvenz. 70 § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG erschöpft sich nicht nur in einem allgemeinen Appell an Geschäftsleiter zu frühzeitiger Erfassung der Signale einer Unternehmenskrise und Ausarbeitung von Restrukturierungskonzepten je in Eigenregie. Sinnvollerweise wird die Geschäftsleitung des schuldnerischen Unternehmens beizeiten die Planbetroffenen in Restrukturierungsplanungen taktisch einbeziehen. § 17 Abs. 3 StaRUG sieht nämlich vor, der Schuldner könne den Planbetroffenen in einer Erörterungsversammlung Gelegenheit zu gemeinschaftlicher Erörterung der zur Kenntnis gebrachten rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen eines Restrukturierungskonzepts für eine Umsetzung im Plan geben. Potenziell erhöht das die Akzeptanz der künftigen Plangestaltung und senkt Widerstände und Blockadehaltungen gegen fortgesetzte Restrukturierungsplanungen. Andererseits lässt sich „renitenten“ Gläubigern aber auch illustrieren, dass das als „stille Sanierung“ gedachte Restrukturierungsziel sich auch als „laute Sanierung“ mit Insolvenzantragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und einem ESUG-Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung erreichen ließe. Vor dem Hintergrund dieser sogar gesetzlich (§ 17 Abs. 3 StaRUG) zugeratenen Vorteile einer gemeinschaftlichen Erörterung des Planvorhabens ist es für die Geschäftsleitung des Unternehmens ratsam, bei drohender Zahlungsunfähigkeit rechtzeitig ein vollständiges und schlüssiges Planangebot zu entwickeln, um den sichersten Weg zu gehen. 9.

Planangebot und Restrukturierungs(plan)verschleppungshaftung

71 Nach einer im Vordringen begriffenen Literaturansicht60) tritt nämlich neben die Insolvenzverschleppungshaftung wegen unterlassener Insolvenzantragstellung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO) eine Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverschleppungshaftung61) wegen unterlassener Sanierungsbemühungen. Diese lässt es aus Geschäftsleiterperspektive ebenfalls als angeraten erscheinen, mit möglichst frühzeitiger Erfassung und Ausarbeitung der Grundlagen für ein Planangebot und Restrukturierungsplanvorhaben den rechtlich sichersten Weg zu gehen. Die Diskussion über eine Restrukturierungspflicht von Geschäftsleitern zur Insolvenzabwendung schürten vor allem die Gesetzentwürfe zum StaRUG (Referenten- und Regierungsentwurf)62) an. Diese sahen bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen haftungsbewehrten Shift of Duties vor, der Geschäftsleiter von juristischen Per___________ 59) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 135 – unter Hinweis auf Philipp/Andersch/ Henn, INDat Report 3/2019, S. 30 ff. 60) Vgl. nur Thole, ZIP 2020, 1985, 1987; Bitter, ZIP 2021, 321, 322; Gehrlein, BB 2021, 66, 67; Bea/ Dressler, NZI 2021, 67, 68 f.; zur vergleichbaren Diskussion, ob Geschäftsleiter verpflichtet sind, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, s. Körner/Rendels, HRI II, § 20 Rz. 24 m. w. N. 61) Vgl. Brinkmann, ZIP 2020, 2361, 2364. 62) Vgl. § 2 Abs. 1 i. V. m. §§ 4 ff., §§ 95 ff. StaRUG-RefE; §§ 2, 3 i. V. m. §§ 4 ff., §§ 100 ff. StaRUG-RegE.

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Planangebot und Planannahme

sonen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit zur Wahrung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger verpflichtete. Folgerichtig sahen die Gesetzentwürfe vor, dass Weisungen oder Beschlüsse unbeachtlich sein sollten, soweit sie der Wahrung der Gläubigerinteressen entgegenstanden.63) In diese Verpflichtung zur Wahrung des Gläubigerinteresses ließ sich (auch) die Verpflichtung hineininterpretieren, das Unternehmen mit Hilfe eines Planangebots oder – auf einer niedrigeren Eskalationsstufe – einer Sanierungsmoderation zu sanieren.64) Der Shift of Duties – die haftungsbewehrte Verpflichtung der Geschäftsleiter, bei dro- 72 hender Zahlungsunfähigkeit des Unternehmensträgers die Gläubigerinteresse zu wahren – ist aufgrund einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses nicht Gesetz geworden.65) Aufgrund dieser Neujustierung des StaRUG durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses werden die Geschäftsleiter von beschränkt haftenden Unternehmensträgern erst ab Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache beim Restrukturierungsgericht auf die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger verpflichtet und haben darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sanierungsgeschäftsleiters betreibt (§§ 32 Abs. 1, 43 Abs. 1 StaRUG). Ein Teil die Literatur schlussfolgert aus dieser Neujustierung, Geschäftsleiter seien nicht 73 (mehr) verpflichtet, bei (nur) drohender Zahlungsunfähigkeit insolvenzabwende Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen.66) Die Gegenansicht leitet entsprechende Sanierungsverpflichtungen aus der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes her (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG) her. Die Geschäftsleitung handele sorgfaltswidrig, wenn und soweit sie bei drohender Zahlungsunfähigkeit keine geeigneten Sanierungsmaßnahmen ergreift oder die drohende Zahlungsunfähigkeit u. U. sogar noch vertieft.67) Diese Kontroverse über eine haftungsrechtlich relevante Sanierungspflicht von Geschäfts- 74 leitern irritiert. Denn vor dem Inkrafttreten des StaRUG fand sich kein ernsthafter Zweifel, dass z. B. die Annahme der Sanierungspflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG an die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers anknüpft.68) Diese Sanierungspflicht entsteht mit Eintritt der betriebswirtschaftlichen Unternehmenskrise und tritt neben die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zur Erhaltung des Stammkapitals (§ 43 Abs. 3 i. V. m. § 30 GmbHG) und die strafbewehrte Verpflichtung des Geschäftsführers zur Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals (§ 49 Abs. 3, § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). Vor Inkrafttreten des StaRUG waren auch die Verpflichtungen des Geschäftsführers einer GmbH unzweifelhaft, fortwährend die wirtschaftliche Lage des Unterneh-

___________ 63) Vgl. § 2 StaRUG-RefE; §§ 2, 3 StaRUG-RegE. 64) Zum Shift of Duties vgl. Thole, ZIP 2020, 1985, 1987; Brinkmann, ZIP 2020, 2361; H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2254; Deppenkemper, ZIP 2020, 2432; Bitter, ZIP 2021, 321; Scholz, ZIP 2021, 219; Kuntz, ZIP 2021, 597; Gehrlein, BB 2021, 66, 67. 65) Bericht des Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 6. 66) Wilhelm/Richter/Hoffmann, DB 2021, 381, 386; Kahlert, ZIP 2021, 668, 669; wohl auch Kuntz, ZIP 2021, 597. 67) Thole, ZIP 2020, 1985, 1987; Bitter, ZIP 2021, 321, 322; Scholz, ZIP 2021, 219, 220; Gehrlein, BB 2021, 66, 67; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 68 f.; allgemein zu dem Pflichten der Geschäftsführung in Krise und Sanierung auch Bork, ZIP 2011, 101 ff. 68) So bereits K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1505; Bork, ZIP 2011, 101 ff.; Leinekugel in: Oppenländer/ Trölitzsch, Praxishdb. GmbH-Geschäftsführung, § 18 Rz. 91; Römermann in: MünchAHB GmbH-Recht, § 23 Rz. 27; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rz. 64; Gundlach in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 7 Rz. 45; zu Inhalt und Dauer der Sanierungspflicht vgl. Schluck-Amend/Walker, GmbHR 2001, 375, 376 f.

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mens zu überwachen und bei erkennbaren Krisenanzeichen mit Insolvenzaffinität Sanierungsmaßnahmen zu erarbeiten und ein Sanierungskonzept zu erstellen.69) 75 Gerät das Unternehmen in eine Krise, erstarkt die Rentabilitätssicherungspflicht des Geschäftsführers zu einer Restrukturierungs- und Sanierungspflicht.70) Da die Ausgangslage für die Annahme einer haftungsträchtigen Handlungspflicht des Geschäftsführers vor und nach Inkrafttreten des StaRUG sachlich identisch geblieben ist, bleibt die Freistellung des Geschäftsführers von einer Verpflichtung zur Ausarbeitung der Grundlagen für ein Planangebot i. S. des § 17 Abs. 1 StaRUG rätselhaft. Bei kritischer Betrachtung ist diese nicht verstehbar, weil § 1 StaRUG die Geschäftsleiter von beschränkt haftenden Unternehmensträgern sogar ausdrücklich zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement verpflichtet. Hiernach haben Geschäftsleiter beschränkt haftender Unternehmensträger bestandsgefährdende Entwicklungen zu identifizieren und fortlaufend zu überwachen. Erkennen sie solche Entwicklungen, so haben sie nach diesen Vorschriften geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Nur für Personengesellschaften, die dem Leitbild des § 128 HGB entsprechen, bei denen also zumindest eine natürliche Person auch mit ihrem Privatvermögen den Gläubigern haftet, statuiert § 1 StaRUG keine Verpflichtung zur Krisenanalyse und zum Krisenmanagement. 76 Vor diesem Hintergrund kann sich ernsthaft nur die Frage stellen, wie Geschäftsleiter ihre Restrukturierungs- und Sanierungspflicht zu erfüllen haben und ob Geschäftsleitern beschränkt haftender Unternehmensträger im Ausgangspunkt ein Ermessenspielraum i. S. der Business Judgement Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) zuzubilligen ist.71) Denn auch „das Wie“ der Bewältigung z. B. einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und der ihr zugrunde liegenden Krisenursachen stellt im Kern eine unternehmerische Entscheidung dar. Dabei gilt allerdings wie sonst auch, dass die Pflicht zur Befolgung rechtlicher Vorschriften (Legalitätspflicht) keine unternehmerische Entscheidung zur Disposition der Geschäftsleitung betrifft und daher diesbezüglich unternehmerischem Ermessen entzogen ist. Kommen daher andere Sanierungsoptionen als die in § 2 Abs. 1 bis 4 StaRUG enumerativ aufgelisteten Eingriffe in Forderungen und Rechte realistischerweise nicht in Betracht, so folgt daraus und aus der Formulierung „geeignete Gegenmaßnahmen“ in § 1 Abs. 1 StaRUG, dass Geschäftsleiter vorbehaltlich entgegenstehender Weisungen und Beschlüsse der zur Letztentscheidung berufenen Gesellschaftsorgane die durch das StaRUG vorgezeichneten Verfahrensweisen und Handlungsformen für eine ggf. auch zwangsweise Durchsetzung dieser Eingriffe auch effektiv nutzen müssen. Die Legalitätspflicht von Geschäftsleitern hat damit zur Folge, dass sie ein den Anforderungen des § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG genügendes Restrukturierungskonzept zu entwickeln haben, das nach seiner Überführung in einen Restrukturierungsplan als Grundlage für ein Planangebot und Planabstimmungsverfahren gemäß den §§ 17 ff. StaRUG und ggf. auch für eine Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, insbesondere der Planbestätigung dienen könnte. 77 Wegen der vom StaRUG vorgegebenen Wege und Handlungsweisen für eine möglichst frühzeitige Sanierung des schuldnerischen Unternehmens ist das Haftungsrisiko für Geschäftsleiter beschränkt haftender Unternehmensträger ausgesprochen hoch, wenn sie nutzbare Chancen für plangestalterische Eingriffe in Rechte und Forderungen der Planbetroffenen versäumen rechtzeitig und effizient für ein Planangebot zu nutzen. Als Grenze der ___________ 69) Vgl. Schluck-Amend/Walker, GmbHR 2001, 375, 376 f.; Leinekugel in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishb. GmbH-Geschäftsführung, § 18 Rz. 91 m. w. N. 70) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rz. 64. 71) Vgl. KG v. 11.3.2005 – 14 U 137/03, AG 2005, 737; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rz. 71; Leinekugel in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishdb. GmbH-Geschäftsführung, § 18 Rz. 92.

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Planangebot und Planannahme

Sanierungspflicht darf es gelten, wenn der Umsetzung eines Sanierungskonzepts die Sanierungsunwilligkeit der zur Letztentscheidung berufenen Gesellschaftsorgane ernsthaft entgegensteht oder wenn eine Konzeptumsetzung für die „nachhaltige“ Beseitigung drohender Zahlungsunfähigkeit durch Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben als ungeeignet erscheint. Allerdings darf auch die Sanierungsunwürdigkeit nicht schon per se unterstellt werden, sondern setzt ihrerseits voraus, dass die Geschäftsleiter vorab eine sog. Sanierungsprüfung durchführen.72) Die Literatur wendet gegen eine Sanierungspflicht von Geschäftsleitern vielfach ein, die 78 Haftung für unterlassene Sanierungsbemühungen (sog. Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverschleppungshaftung) verursache Beweisprobleme der hypothetischen Kausalität. Im Haftungsprozess müsse der Beweis geführt werden, dass ein bestimmtes unterlassenes Restrukturierungskonzept die finanzielle oder wirtschaftliche Schieflage des schuldnerischen Unternehmens überwunden hätte.73) Dieser Einwand ist in erster Linie prozessualer Natur mit Blick ex post, während die materielle aktive Sanierungspflicht in futuram des Unternehmens blickt, für das der Geschäftsleiter ohne Freibrief geradezustehen hat. In zivilprozessualer Hinsicht kann der Beweis hypothetischer Kausalverläufe mit § 287 ZPO geführt werden. Die Norm lässt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Überwindung der Unternehmenskrise durch ein bestimmtes Restrukturierungskonzept genügen. § 287 setzt nämlich keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit voraus.74) Diesem Beweismaß für die Kausalität kommt die neuere Rechtsprechung des BGH ent- 79 gegen, wonach eine „realistische Realisierungschance“ für die Schlüssigkeit eines Sanierungskonzepts ausreicht, es müssen nur „gute Chancen für eine Sanierung“ bestanden haben und das Konzept muss „erfolgversprechend“ gewesen sein.75) Einen absolut sicheren Sanierungserfolg des Konzepts fordert diese Rechtsprechung nicht, vielmehr genügt für die Schlüssigkeit eines Sanierungskonzepts eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit.76) In diesem Zusammenhang hat Rendels richtig darauf hingewiesen, dass der Kausalitätsnachweise zusätzlich dadurch geführt werden könnte, dass wesentliche Hauptgläubiger und, so müsste mit Blick auf § 199 InsO ergänzt werden, auch die Gesellschafter im Haftpflichtprozess gegen den Geschäftsführer bekunden, mit einem bestimmten Restrukturierungsplankonzept zur Krisenüberwindung einverstanden gewesen zu sein (siehe Körner/Rendels, HRI II, § 20 Rz. 25). Auch der Schadensnachweis ließe sich in der Regel mit der Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung von Gesellschaftern und Geschäftsleitern führen. Diese haften für insolvenzverursachende kompensationslose Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen i. H. des sog. Kollateralschadens, d. h. sie können grundsätzlich i. H. des gesamten Forderungsausfalls der Gläubiger in Anspruch genommen werden.77) Es wäre daher nicht abwegig, Geschäftsleiter für insolvenzverursachende Sanierungsverschleppungen in gleicher Höhe haften zu lassen.78) 10.

Entscheidungskompetenzen zur Abgabe eines Planangebots

Die Sanierungs- und Planinitiativverpflichtung der Geschäftsleiter ist von der Frage nach 80 dem Entscheidungsträger zu trennen, der bei beschränkt haftenden Unternehmen letztlich ___________ Bork, ZIP 2011, 101, 105 f. Vgl. Brinkmann, ZIP 2020, 2361, 2364; Gehrlein, BB 2021, 66, 68. BGH v. 22.9.1992 – VI ZR 293/91, NJW 1992, 3298; BGH v. 17.1.1995 – VI ZR 62/94, NJW 1995, 1023. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, NZI 2016, 636. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, NZI 2016, 636. BGH v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, ZIP 2006, 467; BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250; BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552. 78) Sinngemäß wohl auch Thole, ZIP 2020, 1985, 1987. 72) 73) 74) 75) 76) 77)

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

zu bestimmen, ob und wann ein bestimmtes Planangebot auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans an die jeweiligen Planbetroffenen abzugeben ist. 81 Aus Sicht der Geschäftsleiter wird diese Frage vor allem rechtspraktisch, weil sie sich ggf. mit der Begründung entlasten können, die Nichteinhaltung von Sanierungspflichten oder das Unterlassen bestimmter Sanierungsmaßnahmen habe auf entsprechenden Beschlüssen oder Weisungen der zur Letztentscheidung berufenen Gesellschaftsorgane beruht. Die Gesetzentwürfe zum StaRUG hatten derartige Weisungen bei drohender Zahlungsunfähigkeit noch für unbeachtlich erklärt, soweit sie der gebotenen Wahrung der Gläubigerinteressen entgegenstanden,79) allerdings sind die jeweiligen Vorschriften aufgrund einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags nicht Gesetz geworden.80) 82 Das StaRUG überlässt es dem innergesellschaftlichen Kompetenzgefüge, welchem Gesellschaftsorgan die Entscheidungskompetenz darüber zuzuordnen ist, ob, wann und mit welchem Inhalt ein bestimmtes Planangebot i. S. des § 17 Abs. 1 StaRUG abzugeben ist.81) Aus § 1 StaRUG lässt sich insoweit nur für beschränkt haftende Unternehmensträger herauslesen, dass die Geschäftsleiter den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich über bestandsgefährdende Entwicklungen und avisierte Gegenmaßnahmen Bericht zu erstatten haben (§ 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Berühren die beabsichtigten Maßnahmen Zuständigkeiten anderer Organe, wirken die Geschäftsleiter unverzüglich auf deren Befassung hin (§ 1 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Darüber hinaus legt das StaRUG nicht fest, welches „Überwachungsorgan“ oder „andere Organ“ über die Abgabe eine Planangebots oder auch darüber zu entscheiden hat, ob eine gerichtliche Verfahrenshilfe (Instrument) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zu beantragen ist, sondern überlässt diese Frage absichtlich dem Gesellschaftsrecht.82) Überdies ist der personelle Anwendungsbereich gemäß § 1 StaRUG auf beschränkt haftende Unternehmensträger begrenzt. Daher ist die Letztentscheidungskompetenz in Personengesellschaften, bei denen wenigstens eine natürliche Person auch mit ihrem Privatvermögen entsprechend dem Regelungsleitbild des § 128 HGB haftet, ohnehin selbständig anzuknüpfen. 10.1 Beschränkt haftende Unternehmensträger 10.1.1 GmbH ohne Aufsichtsrat 83 In einer GmbH mit zwei Gesellschaftsorganen, nämlich Gesellschafterversammlung (§ 46 GmbHG) und Geschäftsführer (§ 35 GmbHG), ist die Ausarbeitung eines Sanierungsbzw. Restrukturierungskonzepts zur Krisenbewältigung originäre Aufgabe und Verpflichtung der zur Geschäftsführung berufenen Geschäftsführer. Dies folgt aus der Anordnung, die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen (§ 43 Abs. 1 GmbHG),83) sowie aus den in § 1 Abs. 1 StaRUG statuierten Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement. 84 Der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StaRUG formulierte Begriff „Geschäftsleiter“ betrifft nur die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs,84) mithin auch Geschäftsführer. Und zugleich werden sie zur Überwachung von Entwicklungen verpflichtet, die das Potenzial für die Bestandsgefährdung des Unternehmens haben. § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG verpflichtet Ge___________ 79) 80) 81) 82) 83) 84)

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Vgl. § 2 StaRUG-RefE; §§ 2, 3 StaRUG-RegE. Bericht des Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 6. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. Bork, ZIP 2011, 101, 105 f. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 104.

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§ 29

Planangebot und Planannahme

schäftsführer sodann konsequent, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn sie bestandsgefährdende Entwicklungen erkennen. Diese Pflicht umfasst auch, Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen und ein Restrukturierungskonzept i. S. des § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG als Grundlage eines Planangebots zu erarbeiten. Der Gesellschafterversammlung stehen nur die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung 85 der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 6 GmbHG) zu. Nicht zu den Aufgaben der Gesellschafterversammlung gehört es, ein eigenes Sanierungs- bzw. Restrukturierungskonzept für die Bewältigung der Unternehmenskrise zu erstellen. Diese Aufgabe unterfällt nach der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung der alleinigen Zuständigkeit der Geschäftsführer. Sie haben ungefragt, erforderlichenfalls auch mit Unterstützung sachkundiger Dritter eine geeignete Strategie für die Überwindung einer Krise zu erarbeiten und der Gesellschafterversammlung als Überwachungsorgan über der Geschäftsleitung Bericht über die zu ergreifenden Gegenmaßnahme erstatten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).85) Das ermöglicht der Gesellschafterversammlung die Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse,86) die Berichterstattung allein lässt aber die Zuständigkeit für das Krisenmanagement nicht zwangsläufig auf die Gesellschafterversammlung überspringen. Allerdings ist die Gesellschafterversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung 86 grundsätzlich allzuständig (§ 37 Abs. 1, § 45, § 46 Nr. 6 GmbHG). Sie könnte durch Beschluss auch das gesamte Krisenmanagement an sich ziehen oder externen Dritten den Auftrag für das Krisenmanagement erteilen. Dadurch würde die Geschäftsführungskompetenz im Ergebnis auf eine rein ausführende Rolle reduziert werden. Kraft ihrer Allzuständigkeit kann die Gesellschafterversammlung das Krisenmanagement aber auch in der Geschäftsführungskompetenz lassen und sich auf Weisungen gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG zu Detailfragen beschränken. Unterbleiben all diese Beschränkungen für die Geschäftsführung bleibt die eigene Entscheidungsmacht der Geschäftsführer über das Krisenmanagement ohne Vorabbeschluss der Gesellschafterversammlung erhalten. Es bleibt also bei § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, wonach die Geschäftsführer lediglich verpflichtet sind, der Gesellschafterversammlung Bericht zu erstatten. Abzugrenzen ist das Kompetenzgefüge für das gesellschaftsinterne Krisenmanagement von 87 der Frage, wer letztlich darüber zu entscheiden hat, ob ein von der Geschäftsführung ausgearbeitetes Restrukturierungskonzept in einen Restrukturierungsplan überführt und dieser Plan sodann als Planangebot zur Abstimmung der Planbetroffenen gestellt wird. Weder das StaRUG noch das GmbHG beantworten diese Frage explizit und klar formuliert. § 1 Abs. 1 StaRUG ist insoweit nur die Zuständigkeit der Geschäftsführung für die Krisenfrüherkennung und das Krisenmanagement in der GmbH entnehmbar. Eine Regelung fehlt über die Zuständigkeit der Geschäftsführung aus eigener Kompetenz über die Durchführung und Umsetzung eines von ihr entwickelten Restrukturierungskonzepts ohne vorherigen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung zu entscheiden. Eine Antwort gibt aber mittelbar das geregelte Kompetenzgefüge des GmbHG: Die Geschäftsführung hat die Entscheidungskompetenz für das „Wie“ eines Sanierungs- bzw. Restrukturierungskonzepts, die Gesellschafterversammlung entscheidet über das „Ob“ seiner Umsetzung. Ausdruck dieses Kompetenzgefüges ist es, dass in der Unternehmenskrise einzig die Gesellschafterversammlung entscheidet, ob die Gesellschaft aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) oder durch Kapitalmaßnahmen saniert werden soll. In der Regel erfolgt ___________ 85) Leinekugel in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishdb. GmbH-Geschäftsführung, § 18 Rz. 92. 86) Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang das Recht zur Bestellung von Sonderprüfern analog § 142 AktG. Es sind aber alle geeigneten und nicht unverhältnismäßigen Maßnahmen zulässig, insbesondere Genehmigungsvorbehalte, Berichterstattung, Erteilung von Auskünften, Anhörung von Sachverständigen etc.

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dies über eine Kapitalerhöhung bzw. eine Kapitalherabsetzung mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung (§§ 55 ff. GmbHG). Für sämtliche Kapitalmaßnahmen ist die Gesellschafterversammlung entscheidungszuständig.87) 88 Anderseits ist die Geschäftsführung nach § 49 Abs. 3 GmbHG zur unverzüglichen Einberufung der Gesellschafterversammlung verpflichtet, wenn die Jahresbilanz oder eine unterjährig erstellte Bilanz ergaben, dass ein Verlust i. H. der Hälfte des Stammkapitals eingetreten ist. Die Einberufungspflicht ist strafbewehrt (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und bezweckt die Herbeiführung einer Entscheidung der Gesellschafterversammlung unter dem „Tagesordnungspunkt“: Sanieren oder Liquidieren. In der Einladung zur Gesellschafterversammlung ist dann nicht nur die Verlustanzeige abzugeben. 89 Dieses Kompetenzgefüge zeigt sich daran, dass die Geschäftsführung die Gesellschafterversammlung stets einzuberufen hat, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint (§ 49 Abs. 2 GmbHG). Die Formulierung „im Interesse der Gesellschaft“ ist gleichbedeutend mit derjenigen, die nach § 111 Abs. 3 AktG eine Einberufungspflicht des Aufsichtsrats statuiert, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert. Beide Vorschriften bilden die Grundlage für eine Einberufungspflicht der Geschäftsführung bereits bei Anzeichen für bestandsgefährdende Entwicklungen.88) Die Geschäftsführung darf folglich nicht zuwarten, bis eine Jahresbilanz oder Zwischenbilanz vorliegt, aus der sich ergibt, dass bereits die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. 90 Das zutreffende Fazit der Literatur aus alledem ist, dass die Geschäftsführung zur Aufstellung eines Sanierungs- bzw. Restrukturierungskonzept verpflichtet ist, die Entscheidung über die Umsetzung dieses Konzepts aber in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt.89) Im Ergebnis ist damit für das Planangebot zu differenzieren: In der Krise der GmbH müssen die Geschäftsführer ein Konzept entwickeln, welches die Krisenursachen analysiert und geeignete Restrukturierungsmaßnahmen entwickeln. Dagegen hat die Geschäftsführung keine eigeninitiative Entscheidungskompetenz, ob dieses Konzept in einen Restrukturierungsplan überführt und als Planangebot i. S. des § 17 StaRUG zur Abstimmung der Planbetroffenen gestellt werden soll. Diese Entscheidung liegt einzig in der Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung. 91 Die Richtigkeit dieses Fazits zeigt ein Blick auf die Rechtsfolgenseite bei eigenmächtiger Verletzung dieses Kompetenzgefüges. Entscheidet die Geschäftsführung eigeninitiativ über die Abgabe eines Planangebots ohne vorherige Befragung der Gesellschafterversammlung, besteht das Risiko der Strafbarkeit wegen Verletzung von Geheimhaltungspflichten (§ 85 Abs. 1 GmbHG). Denn die Freigabe von Unternehmensinterna oder unternehmensaffinen Informationen aller Art, Geschäfts- oder Kundenbeziehungen, Geheimhaltungsvereinbarungen oder unternehmensstrategischen Überlegungen für das Planangebot ist regelmäßig der Gesellschafterversammlung vorbehalten. Auch der Inhalt des Planangebots unterliegt damit in der Regel einer Geheimhaltungspflicht i. S. des § 85 Abs. 1 GmbHG, und zwar selbst dann, wenn die Geschäftsführung den Planinhalt an den Mindestanforderungen der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG ausrichten will. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit eines Restrukturierungsplans bedeutet, dass die Geschäftsleitung ohne Freigabebeschluss der Gesellschafter keine Dispositionsmacht für die Abgabe eines Planangebots besitzt. Gleiches gilt folglich für die Durchführung eines Erörterungstermins für den Plan oder das Restrukturierungskonzept (§ 17 Abs. 3 StaRUG) oder die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem Restrukturierungsgericht unter Beifügung des Plans oder Konzepts (§ 31 Abs. 2 StaRUG). ___________ 87) Zöllner/Kersting in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 58 Rz. 5, § 58a Rz. 1 ff. 88) BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560. 89) Bork, ZIP 2011, 101, 106 ff. m. w. N.

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Planangebot und Planannahme 10.1.2 GmbH mit Aufsichtsrat

In der GmbH mit fakultativem oder obligatorischem Aufsichtsrat ändern sich die Zuständig- 92 keitskompetenzen für das gesellschaftsinterne Risikomanagement insofern, als der Aufsichtsrat nunmehr die Rolle eines Überwachungsorgans i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG einnimmt, dem die Geschäftsführung der GmbH unverzüglich über bestandsgefährdende Entwicklung und die zu ergreifenden Sanierungsmaßnahmen zu berichten hat. Diese Funktion als Kontroll- und Überwachungsorgan der Gesellschaft zieht die Verpflichtung des Aufsichtsrats nach sich, alle ihm nach aktenrechtlichen Vorschriften (§§ 90, 111 AktG) zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen für eine Aufhellung der wirtschaftlichen oder finanziellen Situation der Gesellschaft auszuschöpfen.90) Das schließt ein, dass der Aufsichtsrat ein von der Geschäftsführung zu erarbeitendes Sanierungs- bzw. Restrukturierungskonzept zur Krisenbewältigung heranzieht, es prüft und ggf. dazu Stellung nimmt.91) Nicht zu den Aufgaben eines Aufsichtsrats gehört es jedoch, ein eigenes Restrukturierungskonzept zu erstellen. In einer GmbH mit Aufsichtsrat nimmt die Gesellschafterversammlung die Rolle des 93 „anderen Organs“ ein,92) das unverzüglich mit den zu ergreifenden Maßnahmen befassen ist, wenn ihre Zuständigkeit durch die Maßnahme berührt wird (§ 1 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Das ist bei der Gesellschafterversammlung regelmäßig der Fall, weil sie aufgrund gesellschaftsinterner Kompetenzverteilung zu entscheiden hat, ob eine bestimmte Sanierungsmaßnahme durchzuführen bzw. umzusetzen ist. Die Bestellung eines Aufsichtsrats bewirkt keine Kompetenzverschiebung etwa des Inhalts, dass nunmehr der Aufsichtsrat z. B. über die Abgabe eines Planangebots entscheiden dürfte. Die vorrangigen Kompetenzen der Gesellschafterversammlung bleiben von der Bestellung eines Aufsichtsrats prinzipiell unberührt. Eine Ausnahme bildet nur § 31 Abs. 1 MitbestG, wonach die Geschäftsführer ausschließlich vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen werden. Die sonst gegebenen Kompetenzen der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) werden insoweit verdrängt, bleiben jedoch jenseits des § 31 Abs. 1 MitbestG auch bei einem Aufsichtsrat mit Arbeitnehmervertretern generell erhalten. Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass auch in einer GmbH mit Aufsichtsrat die Gesellschafterversammlung für die Entscheidung über die Abgabe eines bestimmten Planangebots zuständig bleibt. Unabhängig davon werden die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung regelmäßig 94 auch deshalb von den zu ergreifenden Gegenmaßnahmen „berührt“ sein, weil die Gesellschafterversammlung, abgesehen von dem Ausnahmefall des § 31 Abs. 1 MitbestG, auch bei Bestehen eines Aufsichtsrats für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig bleibt. In der Unternehmenskrise stellt sich regelmäßig die Entscheidungsfrage, ob die Geschäftsleitung ganz auszutauschen, ein als unzuverlässig oder für die Unternehmenssanierung ungeeignet erscheinendes Mitglied der Geschäftsleitung abzuberufen oder durch Sanierungsgeschäftsführer zu ersetzen ist. Über diese Fragen kann einzig die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft entscheiden. 10.1.3 Aktiengesellschaft In der AG ist die Hauptversammlung für die Abgabe des Planangebots entscheidungszu- 95 ständig. Insofern unterscheidet sich die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung im Ergebnis nicht von derjenigen einer GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat. In der Unter___________ 90) BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, Rz. 15, ZIP 2009, 860. 91) Zur Haftung des Aufsichtsrats für verbotene Auszahlungen i. S. des § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG vgl. BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860; BGH v. 20.9.2010 – II ZR 78/09, ZIP 2010, 1988. Zur Neufassung des § 116 AktG i. V. m. § 15b InsO, vgl. Bitter, ZIP 2021, 321, 332. 92) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 104.

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nehmenskrise obliegt dem Vorstand das Krisenmanagement als dem zur Geschäftsführung berufenen Organ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Er hat eigenverantwortlich die Krisenursachen zu analysieren und i. R. seiner Krisenreaktions- und Sanierungspflicht eine schlüssige Restrukturierungsplanung als „geeignete Gegenmaßnahme“ i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG zu erstellen. Den Aufsichtsrat als Überwachungsorgan i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG treffen in der Unternehmenskrise Informations-, Beratungs- und Überwachungspflichten. Er muss sich nach der Rechtsprechung ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft verschaffen und insbesondere in einer Krisensituation alle ihm nach § 90 Abs. 3, § 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung stehenden Erkenntnis- und Informationsquellen ausschöpfen und darauf hinwirken, dass der Vorstand seinen Sanierungs- und Restrukturierungspflichten nachkommt und ggf. sogar Insolvenzantrag stellt.93) Erforderlichenfalls muss er ein ihm unzuverlässig erscheinendes Vorstandsmitglied abberufen.94) 96 Im Gegensatz zur GmbH leitet der Vorstand die Geschäfte der AG in eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG). Aus dem Begriff der Eigenverantwortlichkeit i. S. des § 76 Abs. 1 AktG folgt, dass der Vorstand im Bereich der Leitung der Gesellschaft weisungsfrei handelt. Dementsprechend können weder die Hauptversammlung, noch der Aufsichtsrat noch ein einzelner Aktionär oder ein außenstehender Dritter dem Vorstand Weisungen erteilen.95) Die Weisungsfreiheit des Vorstands wird durch das sog. Enumerationsprinzip gestützt, wonach die Hauptversammlung nur in solchen Angelegenheiten entscheiden darf, die ihr durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich zugewiesen sind (§ 119 Abs. 1 AktG). Sie kann sich insbesondere nicht durch entsprechende Beschlussfassungen für zuständig erklären, sondern ist von einem darauf gerichteten Verlangen des Vorstands abhängig (§ 119 Abs. 1 AktG).96) 97 Aus dem Enumerationsprinzip folgt jedoch nicht zwingend, dass der Vorstand in eigener Verantwortung auch über die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen, insbesondere die Abgabe eines Planangebots entscheiden darf, ohne zuvor einen Beschluss der Hauptversammlung herbeizuführen. Die Problematik stellt sich nicht nur für die Abgabe eines Planangebots i. S. des § 17 Abs. 1 StaRUG, sondern berührt die grundsätzlichere Frage, ob es im Anschluss an die Entscheidungen des BGH in Sachen „Holzmüller“97) und „Gelatine“98) unter Durchbrechung des Enumerationsprinzips so etwas geben kann, wie eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz bzw. -zuständigkeit für Sanierungsmaßnahmen. Die Frage wird vor allem im Zusammenhang mit einer Entscheidung des OLG München diskutiert, das für eine GmbH & Co. KG angenommen hat, der Geschäftsführer der Komplementärin verletze seine Geschäftsleiterpflichten gegenüber der KG, wenn er ohne Einholung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) stellt.99) 98 Das Gericht hat dort ausgeführt, dass es sich bei einer Insolvenzantragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit nicht mehr um eine Geschäftsführungsmaßnahme handele, sondern um ein den Gesellschaftszweck änderndes – mit Verfahrenseröffnung endet die

___________ 93) BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, Rz. 15, ZIP 2009, 860; BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, ZIP 2009, 70; dazu EWiR 2009, 129 (Blasche). 94) BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, Rz. 15, ZIP 2009, 860. 95) BGH v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, AG 2008, 541, 542; Koch, AktG, § 76 Rz. 25; Hüffer, ZIP 1996, 401, 404 f.; Dauner-Lieb in: Henssler/Strohn, GesR, § 74 AktG Rz. 8. 96) Koch, AktG, § 119 Rz. 11. 97) BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 (Holzmüller I), ZIP 1982, 568. 98) BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine I), ZIP 2004, 993. 99) OLG München v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, ZIP 2013, 1121.

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Planangebot und Planannahme

werbende Tätigkeit der Gesellschaft – Grundlagengeschäft.100) Danach hat die Insolvenzverfahrenseröffnung aus der Sicht der Gesellschafter die Wirkung einer Auflösung der Gesellschaft, über die nach der gesellschaftsinternen Zuständigkeitsverteilung101) die Gesellschafter durch Beschluss zu entscheiden haben, und, so müsste dem Urteil des OLG München hinzugesetzt werden, auch darüber zu entscheiden haben, ob die Gesellschaft als werbende Gesellschaft fortzusetzen ist und statt ihrer Auflösung oder einer Insolvenzantragstellung Sanierungs- oder Restrukturierungsmaßnahmen zur Krisenüberwindung außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzuführen sind.102) Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen,103) denn das OLG München 99 hat im Ergebnis richtig entschieden.104) Die Entscheidung betrifft zwar die GmbH & Co. KG, lässt sich aber auf alle beschränkt haftenden Unternehmensträger übertragen, also nicht nur auf die GmbH, sondern auch auf die AG.105) Ebenso wie bei der GmbH spricht für eine Zuständigkeit der Hauptversammlung, dass der 100 Vorstand die Hauptversammlung unverzüglich einzuberufen hat, wenn sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz ergibt oder bei pflichtgemäßem Ermessen anzunehmen ist, dass ein Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals besteht (§ 92 Abs. 1 AktG). Die Einberufungspflicht ist wie im GmbH-Recht nicht nur informatorischer Natur, sondern bezweckt die Befähigung der Gesellschafter zur Entscheidung über eine Auflösung der Gesellschaft, über die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen und insbesondere über den Einsatz von Kapitalmaßnahmen. Sowohl über die Auflösung der Gesellschaft als auch über die Vornahme von Kapitalmaßnahmen i. S. der §§ 182 ff. AktG entscheidet aber ebenfalls nur die Hauptversammlung (§ 119 Abs. 1 Nr. 7 und 9 AktG), nicht der Vorstand in eigener Verantwortung. § 92 Abs. 1 AktG ist aber nicht so zu verstehen, dass die dort normierte Verpflichtung 101 des Vorstands zur Einberufung der Hauptversammlung erst dann einsetzt, wenn eine entsprechende Jahres- oder Zwischenbilanz vorliegt. Außerdem haben Vorstand (§ 121 Abs. 1 AktG) und Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 3 AktG) die Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert. Diese Voraussetzung kann ebenso wie im GmbHRecht bereits bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung vorliegen, weshalb eine Entscheidung über die Stellung eines Insolvenzantrags oder die Vornahme von Sanierungsmaßnahmen zu treffen ist.106) Beide Vorschriften begründen somit eine Einberufungspflicht bereits bei bestandsgefährdenden Entwicklungen i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. Daher ___________ 100) OLG München v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, ZIP 2013, 1121; nach h. M. darf ein Geschäftsführer gegen den Willen der Gesellschafter keinen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen, weil die drohende Zahlungsunfähigkeit keine Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO auslöst, vgl. für die GmbH Leinekugel/Skauradszsun, GmbHR 2011, 1121, 1124 f.; Tetzlaff, ZInsO 2008, 137, 139; für die AG Stöber, WM 2014, 1757, 1762 f.; Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708. Zur Kritik s. etwa Fehrenbach, ZIP 2020, 2370, wonach die Zuweisung der Antragsbefugnis gemäß § 15 InsO zugleich die Zuweisung der innergesellschaftlichen Kompetenz zur Stellung eines Insolvenzantrags enthalte. Allerdings steht die Antragsbefugnis gemäß § 15 InsO im Regelungskontext zur Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO und regelt keine Aussage dazu, dass die Vertretungsorgane auch jenseits dieser Insolvenzantragspflicht nach dem innergesellschaftlichen Kompetenzgefüge berechtigt sind, Insolvenzantrag zu stellen. 101) Vgl. § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 1 Nr. 1 HGB. 102) Ebenso wie das OLG München haben das LG Frankfurt/M. v. 13.8.2013 – 3-09 O 78/13, ZIP 2013, 1720, und das LG München I v. 22.5.2015 – 14 HK O 867/14, ZIP 2015, 1634, entschieden. Das LG München I nimmt in diesen Fällen an, dass der Geschäftsführer zur Abwendung eventueller Risiken aus § 15b InsO Haftungsfreistellung verlangen kann. 103) BGH v. 11.2.2014 – II ZR 152/13. 104) Im Ergebnis auch Bork, ZIP 2011, 101, 108; Leinekugel/Skauradszsun, GmbHR 2011, 1121, 1124 f.; Tetzlaff, ZInsO 2008, 137, 139; für die AG Stöber, WM 2014, 1757, 1762 f.; Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708. 105) Wertenbruch, DB 2013, 1592 ff. 106) BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

sieht § 1 Abs. 1 StaRUG vor, dass der Vorstand nicht nur dem Aufsichtsrat als Überwachungsorgan über geeignete Gegenmaßnahmen Bericht zu erstatten, sondern außerdem auch auf eine Beschlussfassung der Hauptversammlung hinzuwirken hat, weil auch deren Entscheidungskompetenzen berührt sind. 102 Die Entscheidung des OLG München107) steht nicht in Widerspruch zu den Voraussetzungen unter denen der BGH in den Entscheidungen „Holzmüller“108) und „Gelatine“109) ausnahmsweise aus dem Gesichtspunkt eines „tiefgreifenden Eingriffs in die mitgliedschaftlichen Befugnisse“ der Aktionäre ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit anerkannt hat. Denn die Entscheidung: „Sanieren oder Liquidieren“ betrifft die die Gesellschaftsgrundlagen und eine Fallkonstellation, in der Vorstandsmitglieder wegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Rechte und Interessen der Aktionäre ausnahmsweise auch verpflichtet sein können, gemäß § 119 Abs. 2 AktG eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeizuführen. Demgegenüber hält die Kritik Vorstandsmitglieder auch ohne zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss für berechtigt, Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) zu stellen, weil auf diese Weise frühzeitig der Weg in ein sanierendes Insolvenzplanverfahren mit Schutzschirm und Eigenverwaltung (§ 217, § 270a, 270d InsO) geebnet werden könne.110) Nach Inkrafttreten des StaRUG steht bei drohender Zahlungsunfähigkeit die Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens im Vordergrund (§ 29 Abs. 1 StaRUG), so dass dieser Auffassung wohl nicht mehr zu folgen ist. Letztlich folgt daraus, dass die Hauptversammlung auch für die Entscheidung über die Abgabe eines Planangebots zuständig ist. 10.1.4 GmbH & Co. KG 103 Die zutreffende Entscheidung das OLG München111) lässt es als Grundlagenentscheidung in die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung der KG fallen, wenn eine GmbH & Co. KG bei drohender Zahlungsunfähigkeit durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 161 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB) oder durch Beschluss der Gesellschafter (§ 161 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB) aufgelöst und liquidiert oder die Gesellschaft als werbende Gesellschaft fortgesetzt und saniert werden soll. Die Entscheidungskompetenz der Gesellschafter endet erst, wo die Geschäftsführer der Komplementärin gemäß § 15a Abs. 1 Satz 3 InsO verpflichtet sind, wegen Eintritts der materiellen Insolvenzreife der KG Insolvenzantrag zu stellen. Über die Abgabe eines Planangebots i. S. des § 17 Abs. 1 StaRUG entscheidet hingegen die Gesellschafterversammlung. 10.2 Personengesellschaften mit unbeschränkter Außenhaftung 104 Die reguläre GbR mit gemeinschaftlicher Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter erfordert mangels einer gesellschaftsvertraglich anderen Regelung (§ 709 Abs. 2 BGB) Beschlusseinstimmigkeit der Gesellschafter (§ 709 Abs. 1 BGB) über die Abgabe des Planangebots, unabhängig von einer Qualifikation dieser Abgabe als Geschäftsführungsmaßnahme oder Grundlagengeschäft. Bei der GbR mit Einzelgeschäftsführungsbefugnis (§ 710 BGB), bei der oHG und bei der KG fällt die Entscheidung über die Abgabe eines Planangebots ebenfalls in die Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung unter Heranziehung der zur AG und zur GmbH & Co. KG dargestellten Rechtslage. Als Grundlagen___________ 107) 108) 109) 110) 111)

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OLG München v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, ZIP 2013, 1121. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, ZIP 1982, 568. BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, (Gelatine I), ZIP 2004, 993. Koch, AktG, § 119 Rz. 24; Grigoleit, AktG, § 119 Rz. 31. OLG München v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, ZIP 2013, 1121.

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Planangebot und Planannahme

entscheidung ist die Entscheidung über die Abgabe eines Planangebots i. S. des § 17 Abs. 1 StaRUG überhaupt kein Teil der Geschäftsführung, also weder ein gewöhnliches (§ 116 Abs. 1 HGB) noch ein außergewöhnliches Geschäft (§ 116 Abs. 2 HGB) derselben. Grundlagengeschäfte bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter, auch der Kommanditisten, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorgesehen ist.112) 11.

Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter

Den Arbeitnehmern oder Arbeitnehmervertretern stehen keinerlei Planinitiativrechte oder 105 Mitentscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Abgabe eines Planangebots i. S. des § 17 Abs. 1 StaRUG zu, selbst wenn Restrukturierungsplanvorhaben häufig mit Personaleinschnitten einhergehen. Davon zu unterscheiden ist die vorgelagerte Frage, ob die Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter aus taktischen Überlegungen möglichst frühzeitig in die Restrukturierungsplanungen einzubeziehen sind, um deren Akzeptanz und Durchsetzbarkeit bei den Planbetroffenen zu erhöhen. Insofern weist das Restrukturierungsplanverfahren keine Besonderheiten gegenüber dem Insolvenzplanverfahren aus, so dass auf die dortigen Kommentierungen verwiesen werden kann (siehe dazu Körner/Rendels, HRI II, § 20 Rz. 43 ff.). III.

Planannahme

1.

Versammlungsloses schriftliches Planabstimmungsverfahren

Für die Ausrichtung eines versammlungslosen schriftlichen Planabstimmungsverfahrens 106 stellt das StaRUG Vorschriften über 

die Schriftform (§ 17 Abs. 4 StaRUG),



die Annahmefrist (§ 19 StaRUG),



die Erörterung des Plans in einer Erörterungsversammlung mit Verlängerung der Annahmefrist (§ 21 StaRUG) und



die Dokumentation der Abstimmung nach Ablauf der Annahmefrist (§ 22 StaRUG)

bereit. Im Übrigen verhält sich das StaRUG regelungsoffen und überlässt es bewusst privatautonomer Initiative der Geschäftsleitung des schuldnerischen Unternehmens, wie sie den Abstimmungsprozess im Detail organisieren und gestalten will.113) 1.1

Art und Weise der Stimmabgabe

Nach § 17 Abs. 4 Satz 2 StaRUG gilt auch für die Planannahme der Grundsatz, dass der 107 Schuldner die Form bestimmt, in der die Erklärungen der Planbetroffenen abzugeben sind. Trifft der Schuldner keine Bestimmung, unterliegt die Planannahme der Schriftform. Die Vorschrift lässt Umlaufbeschlüsse im schriftlichen Verfahren114) zu, ist jedoch zu präzisieren, weil nicht die Planannahme der Schriftform bedarf, sondern die Abgabe der Stimmen zur Planannahme.115) Denn nach § 25 Abs. 1 StaRUG gilt der Restrukturierungsplans als angenommen, wenn in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen. Damit bezieht sich das Schriftformerfordernis ersichtlich nicht auf die Planannahme, sondern auf die Abgabe der Stimmen als Grundlage einer Mehrheitsentscheidung. ___________ 112) Vgl. BGH v. 11.2.1980 – II ZR 41/79. BGHZ 76, 160, 164. 113) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 86. 114) Die Vorschrift lässt z. B. Umlaufbeschlüsse zu, bei denen die Planbetroffenen ihre Stimme auf vorformulierten Beschlussvorlagen durch Ankreuzen von Stimmkästchen mit Beschriftungen wie: „stimme ich zu, stimme ich nicht zu, enthalte ich mich der Stimme“, abzugeben und unterschrieben an den Schuldner zurückzuleiten haben. 115) Smid, DZWIR 2021, 119, 122.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

108 Die Schriftlichkeit der Stimmabgabe nimmt Bezug auf § 126 Abs. 1 BGB, weshalb die Erklärung von dem Aussteller eigenhändig mit seinem Namen unterzeichnet werden muss. Es ist zwar eine Ersetzung der Schriftform durch elektronische Form möglich, aber nur mit elektronischer Signatur (§ 126 Abs. 3 i. V. m. § 126a BGB).116) Die Formerleichterung in § 127 Abs. 2 BGB, wonach zur Wahrung der Schriftform im Zweifel auch die telekommunikative Übermittlung (z. B. per E-Mail) genügen kann, findet auf die Stimmabgabe keine Anwendung, da die Vorschrift an eine vereinbarte Schriftform (§ 127 Abs. 1 BGB) anknüpft. Im Übrigen soll die Schriftform für die Stimmabgabe zur Planannahme gerade für den Fall gelten, dass im Planangebot keine andere Form bestimmt hat. 109 Da der Restrukturierungsplan als angenommen gilt, wenn in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte, nicht etwa nur drei Viertel der abgegebenen Stimmen in dieser Gruppe entfallen, gelten nicht abgegebene Stimmen als Ablehnungen (§ 25 Abs. 1 StaRUG).117) Dasselbe gilt für Stimmenthaltungen oder für bedingte Stimmrechtsausübungen, da § 25 Abs. 1 StaRUG eine Abstimmung nur für oder gegen den zur Abstimmung gestellten Restrukturierungsplan zulässt.118) Will ein Planbetroffener die Abänderung des Plans erreichen, steht ihm die Möglichkeit offen, eine Erörterungsversammlung zu verlangen und Vorschläge zur Abänderung des Plans zu unterbreiten, die dem Schuldner mindestens einen Tag vor dem Beginn der Erörterungsversammlung in Textform zugänglich zu machen sind (§ 21 Abs. 3 i. V. m. § 20 Abs. 3 Satz 3 StaRUG). Stimmverbote entsprechend § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 136 AktG bestehen grundsätzlich weder im Insolvenzplan- noch im Reststrukturierungsplanverfahren (siehe Kolmann, HRI II, § 35 Rz. 59 m. w. N.). Für den Widerruf der Stimmabgabe gilt § 130 BGB, wonach die Stimmabgabe nicht wirksam wird, wenn dem Schuldner vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Danach kann nicht mehr widerrufen werden. 110 Ob Verstöße gegen das Schriftformerfordernis oder die vom Schuldner bestimmte Form zur Nichtigkeit der Stimmabgabe führen, lässt § 17 Abs. 4 Satz 2 StaRUG offen. Maßgeblich ist insoweit § 125 BGB, wonach ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz bestimmten Form ermangelt, nichtig und Gleiches im Zweifel für einen Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form anzunehmen ist. Für das gesetzliche Schriftformerfordernis ist die Nichtigkeitsfolge des § 125 Satz 1 BGB allerdings schon deshalb fragwürdig, weil § 17 Abs. 4 Satz 2 StaRUG die Gültigkeit der Stimmabgabe nicht zwingend von der Schriftform abhängig machen will, sondern nur insoweit, wie der Schuldner keine andere Form bestimmt hat. Hat der Schuldner die Form im Planangebot bestimmt, kann sich die Nichtigkeitsfolge aus § 125 Satz 1 BGB nicht ergeben, weil die Stimmabgabe nicht der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, es sei denn, man stuft den Schuldner als Gesetzgeber ein. Auch aus § 125 Satz 2 BGB lässt sich die Nichtigkeitsfolge nicht herleiten, weil der Schuldner die Form in seinem Planangebot einseitig bestimmen kann und die Vorschrift einen Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten, d. h. also einen Mangel der vertraglich vereinbarten Schriftform voraussetzt. 111 Nach alledem haben Formerfordernisse gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 StaRUG wohl nur eine Informationsfunktion für den Schuldner, der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 StaRUG den Ablauf des Planannahmeverfahrens zu dokumentieren und nach Ablauf der Annahmefrist das Ergebnis der Abstimmung unverzüglich schriftlich festzuhalten hat. Damit können für die Dokumentation auch solche Stimmabgaben als wirksam berücksichtigt werden, die innerhalb der Annahmefrist z. B. nicht schriftlich, sondern nur mündlich oder in Textform (E-Mail, Fax, Chat- und Messenger-Nachrichten) abgeben werden. ___________ 116) Thole, ZIP 2020, 1985, 1989. 117) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 118) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124.

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Planangebot und Planannahme 1.2

Annahmefrist für die Stimmabgabe

Nach § 19 Satz 1 StaRUG setzt der Schuldner eine Frist von mindestens 14 Tagen für die 112 Annahme des Plans. Auch diese Vorschrift ist dahin zu präzisieren, dass die Annahmefrist nicht für die Annahme des Plans durch mehrheitliche Planannahme i. S. des § 25 Abs. 1 StaRUG gilt, sondern für die Stimmabgabe jedes einzelnen Planbetroffenen.119) 1.2.1 Regelmäßige Annahmefrist gemäß § 19 Satz 1 StaRUG Die Annahmefrist beträgt mindestens 14 Tage zwischen dem Zugang des Planangebots und 113 dem Ablauf der Annahmefrist. Damit ist es theoretisch denkbar, dass so viele Annahmefristen laufen, wie Planbetroffene vorhanden sind. Insofern unterscheidet sich die Fristenregelung in § 19 Satz 1 StaRUG von § 148 BGB. Nach letzterer Vorschrift kann die Annahme nur innerhalb der im Antrag bestimmten Frist erfolgen, d. h. die Frist beginnt mit dem Datum des Antrags zu laufen. Dagegen beträgt die Annahmefrist bei § 19 Satz 1 StaRUG mindestens 14 Tage. Sie beginnt nicht mit dem Datum des Planangebots, sondern erst, wenn das Planangebot dem Planbetroffenen mit den erteilten Informationen tatsächlich zugeht. Für dieses Verständnis des § 19 Satz 1 StaRUG geben die Gesetzesmaterialien insofern eine Entscheidungshilfe, weil die Annahmefrist sicherstellen soll, dass den Planbetroffenen eine ausreichende Bedenkzeit vor ihrer Entscheidung über den Restrukturierungsplan zur Verfügung steht.120) Diese Bedenkzeit wäre aber, würde man das Datum des Planangebots zugrunde legen, teilweise bereits aufgebraucht. Vergleichbare Interpretationsschwierigkeiten ergeben sich bei der Frage, wann etwa die 114 Frist von mindestens einer Woche für die Einberufung einer Gesellschafterversammlung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG zu laufen beginnt. Außer Streit ist in diesem Zusammenhang nur, dass die einwöchige Einberufungsfrist nicht erst mit dem Zugang des Einschreibens zu laufen beginnt. In Anlehnung an die vom Reichsgericht121) vertretene Auffassung soll i. R. des § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die Zugangsregelung des § 130 Abs. 1 BGB nicht mehr einschlägig sein. Umstritten ist, ob der Fristenlauf schon mit der Aufgabe der Einschreibesendung zur Post122) oder erst mit dem Zeitpunkt beginnt, an dem mit einem Zugang bei normaler postalischer Beförderung123) zu rechnen ist. Der BGH124) und die h. M. in der Literatur haben sich der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen, weil bei einem Fristenlauf, der mit der Aufgabe der Einschreibesendung zur Post beginnt, die Wochenfrist des § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG125) weitgehend bereits verbraucht sei. Und es gehe bei der Einberufungsfrist zur Gesellschafterversammlung nicht um die Begrenzung der Bindungswirkung an eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung durch Festlegung eines Endtermins, sondern lediglich um eine Ladungsfrist als bloßer Verfahrenshandlung. Daran gemessen wäre für den Fristenbeginn gemäß § 19 Satz 1 StaRUG weder der tatsäch- 115 liche Zugang des Planangebots noch das Datum der Aufgabe zur Post, sondern die erwartbare Postlaufzeit bei normaler postalischer Beförderung bestimmend. Das lässt sich mit ___________ 119) 120) 121) 122) 123) 124)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. RGZ 60, 144 ff. So RGZ, 60, 144, 145; Loritz, GmbHR 1992, 790, 791. Vgl. etwa Wicke, GmbHG, § 51 Rz. 6. BGH v. 30.3.1987 – II ZR 180/86, ZIP 1987, 1117 m. w. N. zum Streitstand. Ebenso z. B. OLG Naumburg v. 17.12.1996 – 7 U 196/95, BB 1997, 1914: Danach beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Einschreibebrief bei ordnungsgemäßer Zustellung dem letzten Gesellschafter unter normalen Verhältnissen zugegangen wäre. 125) Im Aktienrecht gilt der Tag der Absendung als Tag der Bekanntmachung, weil sich das GmbH-Recht wegen der wesentlich längeren Einberufungsfrist von mindestens dreißig Tagen (§ 123 Abs. 1 AktG) auf das Aktien nicht übertragen lässt (vgl. Lutter, AG 1994, 429, 437).

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

den Kriterien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit rechtfertigen, weil der Schuldner eine leicht zu berechnende Frist gegenüber allen Planbetroffenen an der Hand hätte. Allerdings geht es bei § 19 Satz 1 StaRUG anders als bei § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht nur um eine bloße Ladungsfrist, sondern um die Bindungsdauer an das Planangebot als eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung und damit um eine Fristbestimmung, wie sie auch den §§ 147, 148 BGB als Regelungszweck für eine Begrenzung dieser Bindungsdauer zugrunde liegt. Dies kommt besonders im Wortlaut des § 19 Satz 1 StaRUG zum Ausdruck, wonach der Schuldner im Planangebot eine solche Frist zu bestimmen bzw. festzusetzen hat, bis zu welcher der Restrukturierungsplan angenommen werden kann. 116 Es geht mithin nicht nur um die Einhaltung bestimmter formaler Einberufungs- oder Ladungsfristung, sondern um eine echte zeitliche Begrenzung der Bindungsdauer an das Planangebot. Andererseits muss den Planbetroffenen genügend Zeit für Überlegungen und Dispositionen, z. B. auch für die Einholung fachmännischen Rats verbleiben, weshalb diese Überlegungsfrist gemäß § 19 Satz 1 StaRUG nicht kürzer sein darf als mindestens 14 Tage. Alles in allem erscheint es als gerechtfertigt, der Vorschrift eine Auslegung i. S. des § 148 BGB beizulegen. Für den Beginn des Fristenlaufs ist daher auf den tatsächlichen Zugang des Planangebots und der Planunterlagen abzustellen. 117 Insofern kann der Schuldner selbst die Annahme seines Planangebots rechtsklar sicherstellen. Denn er muss nicht das schriftliche Abstimmungsverfahren mit Fristsetzung für eine Planannahme (§ 19 StaRUG) wählen, sondern kann stattdessen auch ohne eine solche Fristsetzung die Versammlung der Planbetroffenen (§ 20 StaRUG) über die Planannahme entscheiden lassen. Die Wahl dieser Verfahrensart nimmt dem Einwand mangelnder Rechtssicherheit die Spitze, weil es i. R. der Vorschriften über die Einberufung dieser Versammlung nur noch zu klären ist, ob der Schuldner bestimmte Ladungs- bzw. Einberufungsfristen als rein verfahrenstechnische Fristen beachtet hat. 118 Für die Rechtzeitigkeit der Stimmabgabe ist der fristgereichte Zugang der Erklärung des Planbetroffenen maßgeblich, die bloße Erklärungsabgabe wahrt die Frist nicht.126) Eine verspätete zugegangene Stimmabgabe genügt ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 149 BGB bei erkennbar unregelmäßiger Beförderung und unterlassener Verspätungsanzeige des Schuldners. 1.2.2 Verkürzung der Annahmefrist gemäß § 19 Satz 2 StaRUG 119 Nach § 19 Satz 2 StaRUG ist dem Erfordernis, den Planbetroffenen eine ausreichende Bedenkzeit zu geben, auch dann Genüge getan, wenn dem Restrukturierungsplan ein Restrukturierungskonzept zugrunde liegt, das allen Planbetroffenen seit mindestens 14 Tagen in Textform (§ 126b BGB) zugänglich gemacht ist. Dann kann der Schuldner auch eine kürzere Annahmefrist bestimmen. Das Restrukturierungskonzept muss aber den inhaltlichen Kriterien des § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG genügen. Anhand einer Darstellung müssen Art, Ausmaß und Ursachen der Krise, das Ziel der Restrukturierung sowie die in Aussicht genommen Maßnahmen beschrieben werden. 120 Eine Abkürzung der Annahmefrist kommt auch i. R. des § 19 Satz 2 StaRUG nur in Betracht, wenn zwischen der Zurverfügungstellung des Konzepts in Textform und dem späteren Zugang des Planangebots beim Planbetroffenen mindestens 14 Tage liegen. Wird das Restrukturierungskonzept in das Internet eingestellt, dem Planbetroffenen aber nicht

___________ 126) Vgl. nur OLG Frankfurt/M. v. 12.5.1982 – 17 U 245/81, VersR 1983, 528.

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Planangebot und Planannahme

übermittelt, ist die Textform (§ 126b BGB) nur gewahrt, wenn es tatsächlich zu einem Download (abspeichern oder ausdrucken) kommt.127) Bei elektronisch durch E-Mail übermittelten Restrukturierungskonzepten genügt es, dass 121 der Planbetroffene die Möglichkeit zur Speicherung und zum Ausdruck hat, ein tatsächlicher Ausdruck ist nicht erforderlich. Ferner müssen die Erfordernisse des § 130 BGB gewahrt sein, d. h. der Empfänger muss durch Mitteilung oder Veröffentlichung seiner E-Mail-Anschrift, Faxnummer oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben haben, dass er mit einer telekommunikativen Übermittlung einverstanden ist. 1.2.3 Verlängerung der Annahmefrist gemäß § 21 Abs. 4 StaRUG Kommt es auf Verlangen eines Planbetroffenen zu einer Erörterungsversammlung gemäß 122 § 17 Abs. 3 i. V. m. § 21 StaRUG, verlängert sich die Annahmefrist bis zum Ablauf des Tages der Versammlung oder bis zu dem Termin, den der Schuldner bis zum Ende der Versammlung bestimmt, wenn die Versammlung nach Ablauf der ursprünglich bestimmten Annahmefrist stattfindet (§ 21 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Alle Planbetroffenen, also nicht nur tatsächliche Versammlungsteilnehmer erhalten so Gelegenheit nach Durchführung der Erörterungsversammlung nochmals ohne Bindung an eine zuvor abgegebene Erklärung über den Restrukturierungsplan zu entscheiden.128) Hatte ein Planbetroffener bereits abgestimmt, entfällt die Bindung an seine Stimmrechtsausübung, wenn er binnen verlängerter Annahmefrist anders abstimmt (§ 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Da die Planbetroffenen gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG an ihre Stimmrechtsausübung nicht mehr gebunden sind, verschafft das Verlangen nach Einberufung einer Erörterungsversammlung den Planbetroffenen eine Art von Reuerecht. Es tritt hier die Merkwürdigkeit hinzu, dass das Verlangen nach Einberufung sogar noch nach Ablauf der ursprünglichen Annahmefrist gestellt werden kann. Es ist daher für Schuldner ratsam, nach Ablauf der Annahmefristen für die Abstimmung 123 möglichst zügig den Ablauf des Planannahmeverfahrens und das Ergebnis der Abstimmung schriftlich gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 StaRUG zu dokumentieren sowie den Planbetroffenen die Dokumentation unverzüglich gemäß § 22 Abs. 2 StaRUG zugänglich zu machen. Denn die schriftliche Dokumentation bildet sozusagen den Schlusspunkt für das schriftliche Planabstimmungsverfahrens und eine Grundlage für seine gerichtliche Überprüfung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG), so dass nach dieser Dokumentation das Verlangen eines Planbetroffenen nach Einberufung einer Erörterungsversammlung wohl nicht mehr zulässig sein dürfte. 1.3

Einberufung und Durchführung der Erörterungsversammlung

Für die Durchführung einer Erörterungsversammlung sind gemäß § 21 Abs. 3 StaRUG 124 die Vorschriften über die Durchführung einer Planbetroffenenversammlung (§ 20 Abs. 3 StaRUG) maßgeblich. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Die Einberufung erfolgt schriftlich (§ 21 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). Die Einberufungsfrist 125 beträgt anders als bei der Planbetroffenenversammlung nicht 14 Tage, sondern mindestens 14 Tage (§ 21 Abs. 2 Satz 1 StaRUG), was allerdings auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruhen dürfte, denn auch bei den Vorschriften über die Einberufung einer Planbetroffenenversammlung müsste es wohl richtigerweise „mindestens 14 Tage“ heißen. Gleiches gilt für die Einberufungsfrist bei elektronischer Teilnahme, die bei der Planbe___________ 127) EuGH v. 5.7.2012 – Rs. C-49/11 (Content Services Ltd./Bundesarbeitskammer), NJW 2012, 2637; BGH v. 29.4.2010 – I ZR 66/08, Rz. 19, ZIP 2010, 2249. 128) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 109.

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troffenenversammlung sieben Tage und bei der Erörterungsversammlung mindestens sieben Tage beträgt. Auch insofern und zur Fristberechnung ist auf die Ausführungen zur Planbetroffenenversammlung zu verweisen. 1.4

Dokumentation des Verfahrensablaufs und des Abstimmungsergebnisses

126 In der Dokumentation hat der Schuldner gemäß § 22 Abs. 1 StaRUG unverzüglich den Ablauf des Planannahmeverfahrens und das Ergebnis der Abstimmung festzuhalten. Die Dokumentation des Planannahmeverfahrens findet im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§§ 45 f. StaRUG) seine Entsprechung im gerichtlichen Protokoll über den Ablauf des Erörterungs- und Abstimmungstermin, in welchem die wesentlichen Vorgänge aufzunehmen und zu protokollieren sind (§ 38 StaRUG i. V. m. §§ 159, 160 ZPO). 127 Zu dokumentieren sind im Regelfall Datum und Zugang des Planangebots bei den Planbetroffenen mit den jeweiligen Zugangsnachweisen sowie die Rechtzeitigkeit des Zugangs der Stimmabgabe innerhalb der im Einzelfall maßgeblichen Annahmefrist. Die Dokumentation ist für jeden Planbetroffenen gesondert vorzunehmen, da die Zugangszeitpunkte des Planangebots nicht immer identisch sein müssen und damit auch der Beginn der Annahmefrist für jeden Planbetroffenen unterschiedlich ausfallen kann und gesondert zu berechnen ist. 128 Jedenfalls aus Dokumentations- und Informationsgründen für ein späteres Planbestätigungsverfahren ist auch die Form der Stimmabgabe festzuhalten, da dem Antrag nach § 60 Abs. 3 Satz 3 StaRUG die Dokumentation über das Abstimmungsergebnis sowie sämtliche Urkunden und sonstigen Nachweise beizufügen sind, aus denen sich ergibt, wie die Abstimmung durchgeführt wurde und zu welchem Ergebnis sie gelangt ist. 129 Handeln Vertretungsorgane, ist es ratsam sich im Blick auf die positive Handelsregisterpublizität (§ 15 Abs. 2 HGB) aktuelle Handelsregisterauszüge zu Vertretungsverhältnissen einzuholen und diese zu dokumentieren. Stimmrechtsvollmachten sollten die Person des Vollmachtgebers und den Umfang der Vertretungsmacht erkennen lassen und im Original vorgelegt bzw. angefordert werden (§ 172 Abs. 1 BGB). 130 Für den Fall, dass auf Verlangen eines Planbetroffenen eine Erörterungsversammlung gemäß § 17 Abs. 3 i. V. m. § 21 StaRUG stattgefunden hat, ist wegen des Antragserfordernisses gemäß § 60 Abs. 3 Satz 3 StaRUG das Versammlungsprotokoll mit aufzunehmen. 131 Die Dokumentation über das Abstimmungsergebnis umfasst gemäß § 17 Abs. 2 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 2 StaRUG die Zuordnung der Planbetroffenen zu den jeweiligen Gruppen des Restrukturierungsplans (§ 9 StaRUG) und die Zuordnung der Stimmrechte (§ 24 StaRUG) aus ihren Forderungen und Rechten. Darüber empfiehlt es sich ein eigenständiges nach Gruppen gegliedertes Verzeichnis zu errichteten, in das die Planbetroffen mit ihren jeweiligen Stimmrechten gruppenbezogen einzutragen werden. Denn es erforderlich werden, ihre Forderungen und Rechte verschiedenen Gruppen zuzuordnen denen und in jeder dieser Gruppen Stimmrechte entsprechen. 132 Anschließend sind die Stimmabgaben auf die Gruppen zu verteilen und das Abstimmungsergebnis festzustellen. Der Plan ist angenommen, wenn in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte dieser Gruppe entfallen (§ 25 Abs. 1 StaRUG). Wird in einer Gruppe die nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Mehrheit nicht erreicht, kann der Restrukturierungsplan nur durch gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung zustande kommen (§ 26 StaRUG). 2.

Abstimmung in der Planbetroffenenversammlung

133 Für die Abstimmung in einer Planbetroffenenversammlung enthält das StaRUG Vorschriften für die organisatorische Durchführung der Versammlung (§ 20 StaRUG) und Doku674

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Planangebot und Planannahme

mentation der Abstimmung (§ 22 StaRUG), überlässt es aber im Übrigen dem Schuldner, wie er die Modalitäten der Abstimmung festlegt (§ 20 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). 2.1

Einberufung zur Planbetroffenenversammlung

Die Einberufung der Versammlung erfolgt schriftlich (§ 126 BGB) mit einer Einberufungs- 134 frist von 14 Tagen. Das Planangebot kann vorsehen, dass Planbetroffene auch ohne Anwesenheit an dem Versammlungsort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können, insbesondere i. R. einer Videokonferenz (elektronische Teilnahme).129) Räumt der Schuldner die Möglichkeit einer elektronischen Teilnahme ein, beträgt die Einberufungsfrist sieben Tage. In jedem Fall muss nochmals der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen. 2.1.1 Einberufung und Einberufungsfrist für Präsenzversammlungen Die Gesetzesmaterialien bieten keinen rechtssicheren Anhalt zu der Frage, warum die Frist 135 für eine Einberufung zur Planbetroffenenversammlung abweichend von § 19 Satz 1 StaRUG nicht mindestens, sondern exakt 14 Tage und bei der Einladung zur elektronischen Teilnahme nicht mindestens, sondern exakt sieben Tage betragen muss. Dem liegt offenbar nur ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zugrunde, denn aus- 136 weislich der Regierungsbegründung soll es sich bei beiden Fristen im Gegenteil sogar um „Mindesteinberufungsfristen“ handeln, die den Zweck verfolgen, eine ausreichende Überlegungsfrist für die Planbetroffenen sicherzustellen, einer Überrumpelung entgegenzuwirken und den Planbetroffenen die Anreise zu ermöglichen.130) Dieser Gesetzeszweck lässt sich daher auch bei größeren Verfahren mit einer Vielzahl von Planbetroffenen sogar besser mit einer Einberufungsfrist erreichen, die mindestens 14 oder sieben Tage beträgt. Dies entspricht auch den Fristenregelungen, wie sie etwa § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG oder § 123 Abs. 1 AktG zugrunde liegen. Für den Fristbeginn kann auf die Rechtsprechung131) zur GmbH-rechtlichen Einberufungsfrist von mindestens einer Woche zurückgegriffen werden, weil es i. R. der Einberufungsfrist zur Planbetroffenenversammlung nicht um eine fristmäßige, rechtsgeschäftliche Begrenzung der Bindungsdauer an das Planangebot i. S. der §§ 147, 148 BGB, sondern nur darum geht, die Planbetroffenen rechtzeitig über Ort und Zeitpunkt der Versammlung zu informieren. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die schriftliche Einberufung bei ordnungsgemäßer 137 Zustellung dem letzten Planbetroffenen unter normalen Umständen zugegangen wäre.132) Normalerweise darf nach der Rechtsprechung des BGH darauf vertraut werden, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Post am folgenden Werktag ausgeliefert wird,133) im westeuropäischen Ausland soll es der dritte Tag sein134). Aus Vorbedacht empfiehlt es sich jedoch, der Fristberechnung für die Einberufung § 41 Abs. 1 Satz 3 StaRUG und § 8 Abs. 1 Satz 3 InsO zugrunde zu legen, wonach die Zustellung von Schriftstücken drei Tage nach ___________ 129) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 130) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 131) BGH v. 30.3.1987 – II ZR 180/86, ZIP 1987, 1117; Zöllner/Kersting in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rz. 19 m. w. N. 132) BGH v. 30.3.1987 – II ZR 180/86, ZIP 1987, 1117; Zöllner/Kersting in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rz. 19. 133) BGH v. 21.10.2010 – IX ZB 73/10, NJW 2011, 458; OLG München v. 11.5.2015 – 31 Wx 123/15, NJW-RR 2016, 555; abweichend aber OLG Jena v. 15.6.2018 – 2 U 16/18, ZIP 2019, 120, sowie OLG Hamm v. 26.2.2003 – 8 U 110/02, NZG 2003, 630. 134) Zöllner/Kersting in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rz. 20.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Aufgabe zur Post als bewirkt gilt. Bei Auslandszustellung gilt das Schriftstück gemäß § 184 Abs. 2 ZPO zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt. 2.1.2 Einberufung und Einberufungsfrist für die elektronische Teilnahme 138 Für die Einladung zur elektronischen Teilnahme an einer Planbetroffenenversammlung verkürzt sich die Einladungsfrist von (mindestens) 14 Tagen auf (mindestens) sieben Tage, weil insbesondere bei Videokonferenzen keine Anreise erforderlich ist (§ 20 Abs. 1 Satz 4 StaRUG). Das StaRUG legt also beschwingt zugrunde, dass die Planbetroffenen bei Präsenzversammlungen im Regelfall sieben Tage Anreisezeit und nur sieben Tage Bedenkzeit benötigen. Allerdings macht die Möglichkeit einer elektronischen Teilnahme gemäß § 20 Abs. 2 StaRUG Präsenzversammlungen nicht entbehrlich. Die Vorschrift gestattet dem Schuldner die Teilnahmemöglichkeit auf elektronische Kommunikationswege beschränken, muss aber den Planbetroffenen in jedem Fall das Recht einräumen, persönlich an einer Planbetroffenenversammlung teilzunehmen, weil er nicht erwartet werden kann, dass allen Planbetroffenen die erforderlichen technischen Einrichtungen z. B. für eine Teilnahme an einer Videokonferenz verfügbar sind.135) Die elektronische Teilnahmemöglichkeit dient also nur einer Verfahrenserleichterung und Stärkung der Teilnahmebereitschaft an Präsenzversammlungen, schließt diese aber nicht völlig aus. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass der Schuldner zwei Einberufungsschreiben verschicken muss, nämlich ein Schreiben für die Präsenzversammlung mit einer Einberufungsfrist von (mindestens) 14 Tagen und ein zweites Schreiben für die elektronische Teilnahme mit einer Frist von (mindestens) sieben Tagen. 139 Die Verantwortung für einen technisch reibungslosen Ablauf der elektronischen Teilnahme trägt der Schuldner, was sich mit Blick auf § 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG als riskant erweisen kann, weil danach Zweifel an der ordnungsgemäßen Annahme des Restrukturierungsplans und damit auch an einem ordnungsmäßigen Verfahrensablauf zulasten des Schuldners gehen. Behaupten Planbetroffene, dass ihnen wegen technischer Übertragungsschwierigkeiten eine durchgängige Teilnahme an der Versammlung nicht möglich war, hat der Schuldner den Vollbeweis zu führen, dass die Ursachen nicht in seiner Verantwortungssphäre lagen.136) 2.2

Belehrungen über Minderheitenschutz und Beschwerdebefugnis

140 Ebenso wie beim versammlungslosen schriftlichen Planabstimmungsverfahren gehören die Belehrungsobliegenheiten des Schuldners gemäß § 64 Abs. 4 Satz 2 und § 66 Abs. 3 Satz 1 StaRUG nicht zum notwendigen Inhalt der Einberufungsschrift, sollten jedoch deshalb mit aufgenommen werden, weil Planbetroffene andernfalls selbst dann antrags- bzw. beschwerdebefugt sind, wenn sie dem Plan nicht widersprochen oder diesen nicht abgelehnt haben. Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist auf Antrag eines Planbetroffenen dem Plan die Bestätigung zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechtergestellt wird als er ohne den Plan stünde. Voraussetzung der Antragsbefugnis ist allerdings nach § 64 Abs. 2 Satz 1 StaRUG, dass der Antragsteller bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan wegen Verstoßes gegen das Schlechterstellungsverbot widersprochen hat. Hat eine Versammlung gemäß § 20 StaRUG stattgefunden, ist ein solcher Widerspruch jedoch nur erforderlich, wenn die Planbetroffenen im Einberufungsschreiben besonders auf das Erfordernis der Geltendmachung einer voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan hingewiesen wurden (§ 64 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Fehlt eine solche Belehrung im Einberufungsschreiben, sind die Planbetroffenen auch ohne Widerspruch antragsbefugt. Entsprechendes gilt sodann auch für die sofortige Beschwerdebefugnis, ___________ 135) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 136) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124.

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Planangebot und Planannahme

die voraussetzungslos gegeben ist, wenn im Einberufungsschreiben nicht auf die Notwendigkeit eines Widerspruchs und der Ablehnung des Plans besonders hingewiesen wurde (§ 66 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). 2.3

Ablauf der Planbetroffenenversammlung

Den Vorsitz der Planbetroffenenversammlung hat in jedem Fall der Schuldner zu führen 141 (§ 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG), der die Versammlung leitet. Bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit handeln die vertretungsberechtigten Gesellschaftsorgane, die auch für die Entgegennahme der Stimmabgaben zuständig sind. 2.4

Moderierende Versammlungsleitung

2.4.1 Präsenzfeststellung Der Schuldner als Versammlungsleiter hat stets dafür Sorge zu tragen, dass die Erschienen 142 und ggf. elektronisch Teilnehmenden protokollarisch aufgenommen und die ordnungsgemäße Einberufung der Versammlung bzw. Einladung zur elektronischen Teilnahme festgestellt wird. Planbetroffene können sich durch eine Stimmrechtsvollmacht vertreten lassen, die jedoch in der Versammlung im Original (§ 172 Abs. 1 BGB) vorgelegt werden sollte. Organschaftliche Vertreter müssen ihre Vertretungsmacht durch einen aktuellen Handelsregisterauszug nachweisen. Lässt der Schuldner im Planangebot die elektronische Teilnahme gemäß § 20 Abs. 2 StaRUG zu, sollte bereits im Angebot auf eine rechtzeitige Übermittlung dieser Dokumente hingewiesen werden. Dem Schuldner obliegen sodann die Aufgaben eines moderierenden Versammlungslei- 143 ters.137) Er hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Planbetroffenen, die sich zum Restrukturierungsplan oder zu sonstigen für die Abstimmung relevanten Umständen äußern wollen, dazu die Gelegenheit erhalten und dass über die angesprochenen Punkte eine Diskussion unter den Planbetroffenen ermöglicht wird.138) Er hat jedem Planbetroffenen auf Verlangen Auskunft über den Restrukturierungsplan und die für eine sachgemäße Beurteilung des Plans relevanten Verhältnisse sowie im Fall des § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG jeder betroffenen Tochtergesellschaft zu erteilen (§ 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). In diesem Rahmen hat der Schuldner als moderierender Versammlungsleiter nicht nur für 144 einen reibungslosen Ablauf der Versammlung zu sorgen, sondern ggf. auch Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen, z. B. Redezeitbeschränkung, Wortentzug oder den Saalverweis bei groben und anhaltenden Störungen. Ordnungsmaßnahmen müssen verhältnismäßig sein und dürfen das Teilnahmerecht des Planbetroffenen nicht verletzen. Insofern kann auf die Rechtsprechung zur statutarischen Beschränkung des Frage- und Rederechts des Aktionärs in der Hauptversammlung (§ 131 Abs. 2 Satz 2 AktG) zurückgegriffen werden.139) Hiernach hat der Versammlungsleiter sein Ermessen zur Beschränkung des Frage- und Rederechts unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Hauptversammlung pflichtgemäß auszuüben, sich also insbesondere an den Geboten der Sachdienlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu orientieren, ohne dass dies in der Satzung ausdrücklich geregelt worden sein muss.140) ___________ 137) Zum moderierenden Versammlungsleiter bei Gesellschafterversammlungen einer GmbH vgl. Altmeppen, NJW 2016, 2833, 2836; Altmeppen, GmbHR 2018, 225, 230. 138) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 139) BGH v. 8.2.2010 – II ZR 94/08, ZIP 2010, 575; vgl. auch BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, ZIP 1999, 1798. 140) BGH v. 8.2.2010 – II ZR 94/08, ZIP 2010, 575.

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§ 29

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

2.4.2 Auskunftserteilung 145 Das Recht, Auskünfte über den Restrukturierungsplan und die für eine sachgemäße Beurteilung des Plans relevanten Verhältnisse zu erhalten, ist gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG wichtigster Bestandteil des Teilnahmerechts der Planbetroffenen. 146 Das individuelle Informationsrecht der Planbetroffenen aus dieser Vorschrift ist in zeitlicher Hinsicht auf die Teilnahme an der Planbetroffenenversammlung, in sachlicher Hinsicht auf den Restrukturierungsplan und die für seine sachgemäße Beurteilung relevanten Verhältnisse beschränkt. Das Informationsrecht der Planbetroffenen rechtfertigt sich somit aus den gestalterischen Eingriffen des Restrukturierungsplans (§ 7 StaRUG) in ihre verfassungsrechtlich geschützten Forderungen und Rechte (Art. 14 Abs. 1 GG). Das gilt aber auch für seine Grenze. Es ist daher wohl auch von Verfassungswegen nicht zu beanstanden, wenn § 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG den Informationsanspruch der Planbetroffenen auf den Restrukturierungsplan und die zu seiner sachgemäßen Beurteilung relevanten Verhältnisse beschränkt.141) 147 Welche relevanten Auskünfte zu erteilen für eine sachgemäße Beurteilung des Restrukturierungsplans zu erteilen sind, lässt sich naturgemäß nur von Fall zu Fall entscheiden. Als Grundelemente gelten wohl immer Art, Ausmaß und Ursachen der Krise, das Ziel der Restrukturierung sowie die zur Erreichung dieses Ziels in Aussicht genommen Maßnahmen, Stand den Verhandlungen mit Gläubigern, am Schuldner beteiligte Personen und Dritte an den vom Schuldner in Aussicht genommenen Maßnahmen und die Vorkehrungen für die Sicherstellung der Schuldnerpflichten nach dem StaRUG. Kurzum: sämtliche Verhältnisse, die auch das Gericht in die Lage versetzen sollen, die Erfolgschancen (Schlüssigkeit) der Restrukturierungsplanung zu prüfen (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 – 3 i. V. m. § 51 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Ein Auskunftsanspruch umfasst darüber hinaus wohl stets auch sämtliche Angaben zum darstellenden (§ 6 StaRUG) und gestaltenden Teil (§ 7 StaRUG) des Plans, zur vorgelegte Vergleichsrechnung (§ 6 Abs. 2 StaRUG) und zur Sachgerechtigkeit der Auswahl der Planbetroffenen (§ 8 Satz 1 StaRUG). 148 Soweit Planbetroffene in den Grenzen des § 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG Auskünfte verlangen und Fragen stellen, sollten diese grundsätzlich auch ausführlich und umfassend durch den Schuldner erteilt bzw. beantwortet werden. Nach der Rechtsprechung zum Insolvenzplanrecht muss die Gläubigerversammlung jedoch nur so durchgeführt werden, dass eine geordnete Willensbildung und Abstimmung möglich sind.142) Das bedeutet, dass sich der Schuldner in keine Endlosdiskussionen mit einzelnen Planbetroffenen verstricken lassen muss. Soweit Planbetroffene Fragen als nur unzureichend beantwortet ansehen, steht es ihnen frei, hieraus die Konsequenzen zu ziehen und gegen den Restrukturierungsplan zu stimmen.143) Die Versammlungsleitung kann dann „zur Tagesordnung übergehen“ oder ggf. auch zur Abstimmung schreiten (siehe Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 22). 2.4.3 Planänderungen 149 Planbetroffene haben das Recht, Vorschläge zur Abänderung des Plans in der Planbetroffenenversammlung zu unterbreiten. Sie sind dem Schuldner mindestens einen Tag vor dem Beginn der Versammlung in Textform zugänglich zu machen (§ 20 Abs. 3 Satz 3 und 4 StaRUG). Soweit Planbetroffene Änderungsvorschläge rechtzeitig eingereicht haben, sind diese Vorschläge zu erörtern.144) Verspätet eingegangene oder erst in der Versammlung ___________ 141) Zur Verfassungsmäßigkeit des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG vgl. auch BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, ZIP 1999, 1798. 142) BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, Rz. 34, ZIP 2010, 1499. 143) BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, Rz. 37, ZIP 2010, 1499. 144) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124.

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Planangebot und Planannahme

unterbreitete Vorschläge kann der Schuldner zur Erörterung stellen, er muss es aber nicht tun.145) Dem Schuldner steht es auch frei, die Änderungsvorschläge zu übernehmen. Weigert sich der Schuldner, eine Änderung des Plans vorzunehmen, was in seinem Ermessen steht, kann über den Plan nur in der Fassung abgestimmt werden, die der Schuldner letztlich zur Abstimmung stellt.146) Wenn der Schuldner den mit der Einberufung übersandten Restrukturierungsplan abändert, kann über den geänderten Plan nur dann in derselben Versammlung abgestimmt werden, wenn sich die Änderungen auf einzelne Punkte beschränken (§ 20 Abs. 4 StaRUG). Gehen die Änderungen darüber hinaus, ist gemäß § 17 StaRUG ein neues Planangebot oder eine Einberufung zu einer neuen Versammlung gemäß § 20 Abs. 1 StaRUG mit je geändertem Plan erforderlich.147) 2.5

Qualifizierte Versammlungsleitung durch den Schuldner

Dem Schuldner obliegen außer einer moderierenden auch die Aufgaben eines qualifizierten 150 Versammlungsleiters,148) da er das Beschlussergebnis festzustellen und es gemäß § 22 Abs. 1 StaRUG zu dokumentieren hat. Er hat die Beschlussfeststellungskompetenz, die er eigenverantwortlich und weisungsfrei ausübt. Er entscheidet pflichtgemäß über die Modalitäten der Abstimmung (§ 20 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Abgestimmt wird nach Gruppen, wobei jede Gruppe der Planbetroffenen gesondert abstimmt (§ 20 Abs. 5 Satz 1 StaRUG). Da die Abstimmung getrennt nach Gruppen erfolgt, können einzelne Planbetroffene, denen mehrere in den Restrukturierungsplan einbezogene Forderungen und Rechte zustehen, auch mehrfach zur Abstimmung aufgerufen sein. Da der Schuldner die Modalitäten der Abstimmung festlegt, kann er nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Abstimmung durch Wahlzettel oder durch Handzeichen durchführen lassen.149) Um sicherzustellen, dass auch alle abgegebenen Stimmen zutreffend berücksichtigt werden, 151 müssen der Zugang elektronisch abgegebener Stimmen (§ 126a BGB) elektronisch bestätigt und auch solche Stimmabgaben berücksichtigt werden, die ohne Teilnahme an der Versammlung bis zum Ende der Abstimmung abgegeben werden.150) 2.6

Dokumentation des Verfahrensablaufs und des Abstimmungsergebnisses

Nach Durchführung der Abstimmung hat der Schuldner als Versammlungsleiter das Ab- 152 stimmungsergebnis und den Ablauf des Planannahmeverfahrens unverzüglich schriftlich festzuhalten und zu dokumentieren (§ 22 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Damit ist das Abstimmungsverfahren i. R. einer Versammlung der Planbetroffenen beendet. Ist die Auswahl der Planbetroffenen, deren Einteilung in Gruppen oder die Zuweisung von Stimmrechten streitig geworden, ist dies in der Dokumentation zu vermerken (§ 22 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Die Dokumentation ist den Planbetroffenen sodann unverzüglich zugänglich zu machen (§ 22 Abs. 2 StaRUG), dies hat jedoch nur informatorischen Charakter. Beendet ist das Verfahren durch die Dokumentation, die auch die Grundlage für ein späteres Planbestätigungsverfahren bildet (§ 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG).

___________ 145) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 146) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124; BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, Rz. 37, ZIP 2010, 1499. 147) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 148) Zum qualifizierten Versammlungsleiter vgl. Altmeppen, GmbHG, § 48 Rz. 18. 149) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 150) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124.

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§ 30 Vorprüfung durch das Insolvenzgericht Graf-Schlicker

I. Einleitung .................................................... 1 II. Vorprüfung bei gerichtlichem Erörterungs- und Abstimmungstermin.............. 7 1. Zugangsvoraussetzungen............................. 7 1.1 Anzeige des Restrukturierungsvorhabens......................................... 7 1.1.1 Keine drohende Zahlungsunfähigkeit .................................... 11 1.1.2 Antrag des Schuldners .................. 12 1.1.3 Einleitung von Amts wegen ......... 14 1.2 Terminsbestimmung und Ladung ........................................... 15 1.3 Inhalt und Umfang der Vorprüfung........................................... 20 1.4 Anhörung der Planbetroffenen .... 25

2.

Gerichtlicher Hinweis ............................... 26 2.1 Form der Hinweiserteilung .......... 26 2.2 Absetzungsfrist ............................. 28 2.3 Unterrichtung Betroffener ........... 29 2.4 Keine Bindungswirkung................ 30 III. Vorprüfung bei einem privatautonomen Abstimmungsprozess .................. 31 1. Voraussetzungen der Inanspruchnahme .... 33 2. Gegenstand der Vorprüfung ..................... 36 3. Verfahren.................................................... 39 3.1 Anhörung „berührter“ Planbetroffener ..................................... 39 3.2 Form der Anhörung...................... 41 3.3 Hinweiserteilung ........................... 47

Literatur: Balthasar, Allgemeine Zugangsvoraussetzungen zu den Restrukturierungsinstrumenten, NZIBeilage z. Heft 5/2021, S. 18; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG, ZInsO 2021, 1; Chrobok, Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz: Der Restrukturierungsplan im StaRUG, BBP 2022, 186; Commandeur/Utsch, Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzrecht – Der vorinsolvenzliche Restrukturierungsrahmen, NZG 2020, 1338; Deppenkemper, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1.1.2021!, ZIP 2020, 2432; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Frind, Nutzen und Grenzen der gerichtlichen Vorprüfung im StaRUG-Verfahren, NZI 2021, 609; Frind, Überreguliert statt saniert?, ZInsO 2020, 2241; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Kamin, Der Zugang von natürlichen Personen zum Restrukturierungsrahmen, ZVI 2022, 91, 95; Pluta, Insolvenzgründe im Kontext von StaRUG und InsO, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 22; Seibt/Bulgrin, Entwurf zum Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) – Kritische Analyse aus gesellschaftsrechtlicher Sicht, DB 2020, 2226; Skauradszun, Neuralgische Punkte der Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, ZRI 2020, 625; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Vallender, Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanIns-FoG) – Neue Sanierungsoptionen für Unternehmen in der Krise, MDR 2021, 201; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, (Teil 2), ZInsO 2020, 2677.

I.

Einleitung

1 Das StaRUG1) kennt zwei unterschiedliche Formen der Vorprüfung, und zwar: 

die Vorprüfung vor einem gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 46 StaRUG) und



die Vorprüfung bei einem vom Schuldner geplanten privatautonomen Planannahmeverfahren (§§ 47, 48 StaRUG).2)

2 In beiden Fällen soll dem Schuldner die Möglichkeit gegeben werden, frühzeitig die Meinung des Restrukturierungsgerichts zu bestimmten Zweifels- oder Streitfragen einzuholen, ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Frind, NZI 2021, 609, spricht insoweit von einem „isolierten“ Vorprüfungsverfahren. A. A. offenbar Kamin, ZVI 2022, 91, 95, ohne sich jedoch mit der Systematik des Gesetzes auseinanderzusetzen.

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Vorprüfung durch das Insolvenzgericht

§ 30

allerdings haben die in diesem Vorprüfungsverfahren vom Gericht geäußerten Auffassungen keine bindende Wirkung für weitere Entscheidungen des Gerichts in der Restrukturierungssache.3) Die Vorprüfungsverfahren haben ihre Grundlage in der Restrukturierungsrichtlinie.4) 3 Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die Prüfung und die Bestätigung der Stimmrechte sowie die Bildung der Klassen vor dem Antrag auf die Bestätigung des Restrukturierungsplans vorschreiben können. Nach ErwG 46 der Restrukturierungsrichtlinie soll derjenige, der den Plan vorschlägt, vorab eine Validierung oder Orientierungshilfe für die Planabstimmung erhalten können. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Grundgedanken – auch in Anlehnung an § 231 InsO5) – 4 aufgegriffen, jedoch keine verpflichtende, sondern eine fakultative Vorprüfung vorgesehen, die anders als im Insolvenzverfahren, in einen Hinweis und nicht in eine Zurückweisung des Plans mündet. Da die Richtlinie den Mitgliedstaaten insoweit einen Gestaltungsspielraum einräumt, sind diese Regelungen richtlinienkonform. Die gerichtliche Vorprüfung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im 5 Hinblick auf die Regelung des § 41 DRiG, die bestimmt, dass ein Richter außerdienstlich weder Rechtsgutachten erstatten noch entgeltlich Rechtsauskünfte erteilen darf.6) Sie findet nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens statt, die zur Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache führt. Damit ist sie Bestandteil eines gerichtlichen Verfahrens, das nach KV 2512 GKG Gerichtskosten auslöst.7) Der Richter erfüllt mit der Vorprüfung und den anschließenden Hinweisen eine ihm gesetzlich auferlegte Aufgabe, also eine dienstliche Verpflichtung.8) Da die Voraussetzungen der Vorprüfung vor einem gerichtlichen und einem privatauto- 6 nom ausgestalteten Abstimmungsverfahren differieren, sind sie gesondert zu betrachten. II.

Vorprüfung bei gerichtlichem Erörterungs- und Abstimmungstermin

1.

Zugangsvoraussetzungen

1.1

Anzeige des Restrukturierungsvorhabens

Beim Vorprüfungsverfahren handelt es sich um ein Instrument des Stabilisierungs- und Re- 7 strukturierungsrahmens (Verfahrenshilfe) nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG. Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieses Instruments ist zunächst, dass der Schuldner das Restrukturierungsvorhaben beim zuständigen Restrukturierungsgericht gemäß § 31 StaRUG angezeigt hat. Die Anzeige stellt eine einseitige Verfahrenshandlung, keinen Antrag des Schuldners dar, über den das Gericht zu entscheiden hat.9) Sie bewirkt gemäß § 31 Abs. 3 StaRUG die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache und hat zur Folge, dass während dieser Zeit die Insolvenzantragspflichten nach § 15a Abs. 1 – 3 InsO, § 42 Abs. 2 BGB durch ___________ 3) Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149; Chrobok, BBP 2022, 186; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 46 Rz. 2, 24. 4) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Vgl. dazu auch Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 3. 5) Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 6) Frind, ZInsO 2020, 2241, 2245; vgl. auch die krit. Stellungnahme des BRats zum RegE SanInsFoG z. Art. 1 (§§ 49, 50 StaRUG), BR-Drucks. 619/1/20, S. 11, und die krit. Ausführungen von Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2438. 7) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 7. 8) So im Ergebnis auch Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2680. 9) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 134.

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§ 30

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

die strafbewehrte Anzeigepflicht der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung ersetzt werden (§ 42 Abs. 1 StaRUG). Zur Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts schon bei Anzeige der Rechtshängigkeit siehe Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 81. 8 Der Restrukturierungsanzeige hat der Schuldner gemäß § 31 Abs. 2 StaRUG den Entwurf eines Restrukturierungsplans, sofern ein solcher nach dem Stand des Verfahrens noch nicht vorliegt, ein Konzept der Restrukturierung beizufügen. Außerdem hat er den Stand der Verhandlungen mit Betroffenen zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen darzustellen, ebenso hat er die getroffenen Vorkehrungen zur Erfüllung seiner Pflichten nach dem StaRUG mitzuteilen. 9 Im Hinblick auf die zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) hat er darüber hinaus anzugeben, ob mittlere, kleine oder Kleinstunternehmen sowie Verbraucher in den Restrukturierungsplan oder eine Stabilisierungsanordnung eingebunden werden sollen. Der Schuldner hat des Weiteren seine Einschätzung darzulegen, ob die Restrukturierungsziele nur gegen den Widerstand einer zu bildenden Gruppe (§ 9 StaRUG) erreicht werden können. 10 Frühere Restrukturierungssachen hat er unter Bezeichnung des Gerichts und des Aktenzeichens zu benennen. 1.1.1 Keine drohende Zahlungsunfähigkeit 11 Die Verfahrenshilfen nach § 29 StaRUG sehen als materielle Zugangsvoraussetzung die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners10) und als Zielsetzung, ihre nachhaltige Beseitigung vor.11) Bei der Vorprüfung nach § 46 StaRUG ist die drohende Zahlungsunfähigkeit aber nicht formale Zugangsvoraussetzung zu diesem Instrument des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens, denn nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG kann der Schuldner die Frage, ob ihm die Zahlungsunfähigkeit droht, i. R. der gerichtlichen Vorprüfung klären lassen.12) 1.1.2 Antrag des Schuldners 12 Entsprechend der Ausgestaltung des StaRUG, dem Schuldner im Wesentlichen die Entscheidung zu überlassen, ob und in welchem Umfang das Gericht in die Restrukturierung seines Unternehmens eingebunden wird, sieht § 46 Abs. 1 StaRUG vor, dass ein Termin zur Vorprüfung des Restrukturierungsplans vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin auf Antrag des Schuldners stattfindet. Den Planbetroffenen steht dagegen nicht das Recht zu, eine solche Prüfung einzuleiten, ebenso wenig dem Restrukturierungsbeauftragten.13) Ein solches Antragsrecht kann nicht aus § 76 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 4 StaRUG hergeleitet werden. Diese Norm regelt nur die Klärung streitiger Stimmrechte im Wege der Vorprüfung bei einer außergerichtlichen Abstimmung und gilt nicht für die gerichtliche Abstimmung. Hinweise auf ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers liegen insoweit nicht vor.14) 13 Mit seinem Antrag hat der Schuldner auch mitzuteilen, zu welchen Fragen er im Einzelnen eine Vorprüfung wünscht.15) ___________ 10) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 8; Balthasar, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 18; Brünkmans, ZInsO 2021, 1, 7; Desch, BB 2020, 2498; Commandeur/Utsch, NZG 2020, 1338; Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2434; Gehrlein BB 2021, 66, 72; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2227; Skauradszun, ZRI 2020, 625; Thole, ZIP 2020, 1985, 1990. 11) Thole, ZIP 2020, 1985, 1990. 12) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 41, 43; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 10; Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2434; Pluta, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 22, 23. 13) Ebenso Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 46 Rz. 4; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 6. 14) A. A. Hirte in: Braun, StaRUG, § 46 Rz. 1, § 45 Rz. 6. 15) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 6.

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Vorprüfung durch das Insolvenzgericht

§ 30

1.1.3 Einleitung von Amts wegen Das Gericht kann gemäß § 46 Abs. 3 StaRUG einen Vorprüfungstermin auch von Amts 14 wegen bestimmen, wenn es einen solchen für zweckmäßig hält. Diese Möglichkeit soll insbesondere dazu dienen, den Erörterungs- und Abstimmungstermin von kontroversen Fragestellungen zu entlasten.16) 1.2

Terminsbestimmung und Ladung

Stellt der Schuldner einen Antrag auf Vorprüfung, hat das Gericht gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 15 i. V. m. § 45 Abs. 3 StaRUG – aufgrund der Eilbedürftigkeit einer Restrukturierungssache – unverzüglich (§ 121 BGB)17) einen Termin zu bestimmen und die Planbetroffenen18) dazu zu laden.19) Mit der Ladung hat es den Hinweis zu verbinden, dass der Termin auch durchgeführt werden kann, wenn nicht alle Planbetroffenen teilnehmen (§§ 46 Abs. 1 Satz 3, 45 Abs. 3 Satz 3 StaRUG). Der Ladung der Planbetroffenen zum Vorprüfungstermin sind darüber hinaus die vom 16 Schuldner gemäß § 31 Abs. 2 StaRUG dem Gericht vorzulegenden Unterlagen und Erklärungen sowie der Restrukturierungsplan, in der Form wie er gerichtlich voraussichtlich zur Abstimmung gestellt werden soll, beizufügen.20) Das war zunächst in § 46 StaRUG nicht ausdrücklich bestimmt,21) ergab sich aber aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Die Ladung der Planbetroffenen zum Vorprüfungstermin ist nur sinnvoll, wenn diesen zuvor der Sachstand mitgeteilt wird und sie den Erörterungen im Termin folgen können. Da der Vorprüfungstermin ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist, das nur in Anspruch genommen werden kann, wenn eine ordnungsgemäße Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG vorliegt, müssen dem Gericht zum Zeitpunkt des Antrags auf Bestimmung eines Vorprüfungstermins die Anlagen nach § 31 Abs. 2 StaRUG vorliegen. Nach dem Stand des Verfahrens reicht die Vorlage eines Konzepts für einen Restrukturierungsplan aber für die Vorprüfung nicht mehr aus, weil sie der Vorbereitung des Erörterungs- und Abstimmungstermins über den Restrukturierungsplan dienen soll. Notwendig ist vielmehr die Vorlage eines weitgehend ausgereiften Plans.22) Für eine Übersendung der Unterlagen an die Planbetroffenen spricht auch die Begründung 17 des Gesetzgebers zur gesetzlichen Ladungsfrist von mindestens sieben Tagen (§ 46 Abs. 1 Satz 4 StaRUG). Gegenüber dem gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin wurde die Ladungsfrist verkürzt, weil die Planbetroffenen sich vor dem Termin zur Anhörung keine abschließende Meinung bilden müssen.23) Diese Aussage impliziert, dass die ___________ 16) Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 17) Hirte in: Braun, StaRUG, § 46 Rz. 7, § 45 Rz. 8. 18) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 46 Rz. 17; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 12; a. A. Montag in: HambKomm-RestruktR, § 46 StaRUG Rz. 19, der nur die stimmberechtigten Planbetroffenen laden will, allerdings ohne sich mit dem Wortlaut des Gesetzes auseinanderzusetzen. 19) Kamin, ZVI 2022, 91, 95, will – entgegen dem gesetzlichen Wortlaut – nur die tatsächlichen Planbetroffenen laden, nicht alle Planbetroffenen. 20) Im Ergebnis wohl auch Frind, NZI 2021, 609, 610; a. A. Montag in: HambKomm-RestruktR, § 46 StaRUG Rz. 19. 21) Durch Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166, 1172, ist in § 45 Abs. 3 Satz 2 StaRUG, auf den § 46 Abs. 1 Satz 3 StaRUG verweist, eine entsprechende Klarstellung vorgenommen worden. 22) Frind, NZI 2021, 609, 612, spricht davon, dass es „untunlich“ sei, nur erste Entwürfe oder Grobkonzepte zur Vorprüfung einzureichen. Hirte in: Braun, StaRUG, § 46 Rz. 10, plädiert dafür, eine gerichtliche Prüfung erst in Betracht zu ziehen, wenn die Konzipierung des Restrukturierungsplans so konkret und mit den Planbetroffenen so weit abgestimmt ist, dass überhaupt eine Mehrheit realistisch erscheint. 23) Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148.

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§ 30

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Planbetroffenen vor dem Prüfungstermin zumindest die Möglichkeit haben sollen, eine vorläufige Bewertung des Plans vorzunehmen. 18 Das Gericht kann die Zustellung der Ladungen dem Schuldner (§ 46 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 45 Abs. 3 Satz 4 StaRUG) oder einem von Amts wegen bestellten Restrukturierungsbeauftragten (§ 73, 76 Abs. 6 StaRUG) übertragen. Für die Zustellung des Schuldners sind gemäß § 41 Abs. 3 StaRUG die Regelungen der §§ 191 – 194 ZPO einschlägig, er hat daher für die Zustellung einen Gerichtsvollzieher zu beauftragen (siehe dazu Graf-Schlicker/ Denkhaus, HRI I, § 34 Rz. 39; Graf-Schlicker, HRI I, § 31 Rz. 100). 19 Der Termin ist als Präsenzveranstaltung konzipiert.24) Gemäß § 38 Satz 2 StaRUG i. V. m. § 128a ZPO kann das Restrukturierungsgericht aber auch einzelnen oder allen Beteiligten eine virtuelle Teilnahme ermöglichen. Da der Termin nicht-öffentlich ist, hat das Gericht zum Schutz der Vertraulichkeit (§ 201 StGB) die Planbetroffenen in der Ladung darauf hinzuweisen, dass heimliche Ton- und Bildaufzeichnungen unzulässig sind und die Nichtteilnahme Dritter durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen ist.25) 1.3

Inhalt und Umfang der Vorprüfung

20 Gegenstand der Vorprüfung kann gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StaRUG jede für die Bestätigung des Restrukturierungsplans relevante Fragestellung sein. Beispielhaft, aber nicht abschließend, führt § 46 Abs. 1 Satz 2 StaRUG einige Fragen auf, die i. R. der Bestätigung des Restrukturierungsplans von zentraler Bedeutung sind: 

die Auswahl der Planbetroffenen,



die Gruppenbildung,



die Festlegung der Stimmrechte und



das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit beim Schuldner.26)

21 Geprüft werden kann darüber hinaus z. B., ob die weiteren gesetzlichen Bestimmungen über das Vorlagerecht sowie den Inhalt des Plans (gestaltbare Rechtsverhältnisse nach § 2 StaRUG, Vergleichsrechnung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 StaRUG), beachtet sind, ferner, ob die im darstellenden Teil beschriebenen Maßnahmen widerspruchsfrei im gestaltenden Plan umgesetzt werden und einen vollstreckbaren Inhalt haben.27) 22 Beim Schuldnerantrag wird der Prüfungsumfang des Gerichts zusätzlich begrenzt durch seinen Antrag.28) 23 Hat das Gericht von Amts wegen einen Prüfungstermin anberaumt, sollte es deutlich machen, ob es eine umfassende Prüfung aller relevanten Fragen zur Bestätigung des Restrukturierungsplans vornimmt, oder auf welche Aspekte es seine Prüfung begrenzen möchte.29) Hält es das Restrukturierungsgericht ergänzend zum Antrag des Schuldners für zweckmäßig, weitere Gesichtspunkte einer Vorprüfung zu unterziehen (§ 46 Abs. 3 StaRUG), so hat es diese Punkte den Planbetroffenen unter Einhaltung der Ladungsfrist zum Termin mitzuteilen. ___________ 24) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 12; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 21. 25) Begr. RegE SanInsFoG z. § 40 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 143. 26) Der Ansicht von Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 46 Rz. 6, dass diese Voraussetzung nur vom Restrukturierungsbeauftragten geprüft werden kann, ist nicht zu folgen. 27) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 8; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 15. 28) Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 5; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 12. 29) So wohl auch Frind, NZI 2021, 609, 611; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 18; Wilke in: BeckOKStaRUG, § 46 Rz. 26.

684

Graf-Schlicker

Vorprüfung durch das Insolvenzgericht

§ 30

Das Gericht darf nur eine Rechtmäßigkeitsprüfung vornehmen, und zwar in dem unter- 24 schiedlichen Prüfungsmaßstab, der für die einzelnen Voraussetzungen i. R. der Bestätigung des Restrukturierungsplans nach § 62 ff. StaRUG gilt (siehe dazu im Einzelnen GrafSchlicker, HRI I, § 8 Rz. 107 ff.).30) Insbesondere ist es bei der Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des Unternehmens nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 StaRUG auf die Prüfung beschränkt, ob dieses Ziel offensichtlich nicht erreicht werden kann (siehe dazu Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 110).31) Zweckmäßigkeitserwägungen zum Restrukturierungsplan darf das Restrukturierungsgericht nicht anstellen.32) 1.4

Anhörung der Planbetroffenen

Im Gegensatz zum Vorprüfungsverfahren bei einem außergerichtlichen Abstimmungspro- 25 zedere über den Restrukturierungsplan (§ 48 Abs. 1 StaRUG), ist beim Vorprüfungstermin nach § 46 StaRUG eine Anhörung der Planbetroffenen seitens des Restrukturierungsgerichts nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt. Diese Verpflichtung ergibt sich jedoch aus dem Sinnzusammenhang der Norm. Das Gericht hat die Planbetroffenen zu einem mündlichen Termin zu laden (§ 46 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 45 Abs. 3 StaRUG), diese Maßnahme dient dazu, die Fragestellungen mit den Planbetroffenen erörtern zu können. Dafür ist es notwendig, i. R. einer Anhörung auch deren Auffassung zu den Fragestellungen zu eruieren.33) 2.

Gerichtlicher Hinweis

2.1

Form der Hinweiserteilung

Das Restrukturierungsgericht hat das Ergebnis seiner Vorprüfung in einem Hinweis zu- 26 sammenzufassen. In welcher Form dies zu geschehen hat, ist gesetzlich im StaRUG nicht bestimmt. Da dieser Hinweis keine streitentscheidende Wirkung hat, kommen als Äußerungsform des Gerichts nur ein Beschluss oder eine Verfügung in Betracht. Verfügungen werden häufig für prozessleitende Maßnahmen des Gerichts erlassen, i. Ü. äußert sich das Gericht meistens durch einen Beschluss. Beide Formen, also eine Verfügung oder ein Beschluss wären hier grundsätzlich möglich. Da die Vorprüfung sich an § 231 InsO anlehnt, dürfte ein Hinweis durch Beschluss vorzugswürdig sein.34) Davon geht auch die Gesetzesbegründung aus.35) Nach Sinn und Zweck der Vorprüfung sollte der Hinweis schriftlich abgefasst werden.

27

___________ 30) Thole, ZIP 2020, 1985, 1994; Frind, NZI 2021, 609, 611, 612; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2680. 31) Zur inhaltlich gleichlautenden Vorschrift des § 231 Abs. 1 Nr. 2, BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZIP 2015, 1346; zum StaRUG: AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378 = ZIP 2021, 806, dazu EWiR 2021, 309 (Proske), und Thole, NZI 2021, 436 (Urteilsanm.); Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 13 ff., der § 63 Abs. 1 Nr. 3 lediglich klarstellende Funktion beimisst und die Sicherung der Bestandsfähigkeit schon i. R. des § 63 Abs. 1 Nr. 2 mit der inhaltlichen Verweisung auf § 14 prüfen will. 32) Thole, ZIP 2020, 1985, 1994; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 4; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 8. 33) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 21. Die Gesetzesbegründung spricht i. Ü. ausdrücklich von einer Ladung zu einem „Anhörungstermin“, Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 34) Ohne Hinweis auf die Problemstellung Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 46 Rz. 23; Wilke in: BeckOKStaRUG, § 46 Rz. 22; Hirte in: Braun, StaRUG, § 46 Rz. 8; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 46 Rz. 9; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 14; Montag in: HambKomm-RestruktR, § 46 StaRUG Rz. 68. 35) Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148.

Graf-Schlicker

685

§ 30 2.2

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Absetzungsfrist

28 Eine Frist für den Hinweis sieht § 46 StaRUG nicht vor. In analoger Anwendung der Regelungen in § 48 Abs. 2 StaRUG und § 231 Abs. 1 Satz 3 InsO sollte er zwei Wochen nach dem Termin mit den Planbetroffenen erteilt werden, es sei denn, es liegen umfangreiche, komplexe Fragestellungen vor. 2.3

Unterrichtung Betroffener

29 Der Hinweis ist gemäß § 38 Satz 1 StaRUG, § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO den Planbetroffenen und dem Schuldner formlos mitzuteilen.36) Eine Verkündung des Beschlusses ist nicht notwendig. Mangels Sachantragstellung (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 137 ZPO) stellt der Anhörungstermin keine mündliche Verhandlung i. S. des § 38 Satz 1 StaRUG, § 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar.37) 2.4

Keine Bindungswirkung

30 Ebenso wie im Insolvenzplanverfahren, wo das Insolvenzgericht bei seiner Entscheidung über die Bestätigung des Plans (§ 250 InsO) nicht an seine i. R. der Vorprüfung getroffene Entscheidung (§ 231 InsO) gebunden ist,38) entfaltet auch der gerichtliche Hinweis über das Ergebnis der Vorprüfung in einer Restrukturierungssache keine Bindungswirkung.39) Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs hat das Restrukturierungsgericht die Betroffenen jedoch auf seine veränderte Rechtsauffassung hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahme einzuräumen.40) III.

Vorprüfung bei einem privatautonomen Abstimmungsprozess

31 Auch wenn die Abstimmung über den Restrukturierungsplan privatautonom nach den §§ 17 – 22 StaRUG ausgestaltet wird, der Plan also im schriftlichen Verfahren oder in einer Versammlung der Planbetroffenen angenommen werden soll, kann der Schuldner gemäß § 47 StaRUG eine Vorprüfung des Restrukturierungsgerichts beantragen, um Fragen klären zu lassen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sein können. Die Vorprüfung bei dieser Art der Abstimmung ist ebenfalls von Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie41) gedeckt,42) der den Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Vorprüfung gibt. 32 Die Vorprüfung nach §§ 47, 48 StaRUG stellt ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (Verfahrenshilfe) nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG dar.

___________ Montag in: HambKomm-RestruktR, § 46 StaRUG Rz. 72. A. A. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 46 Rz. 23, wohl auch Laroche in Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 14. BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 14 ff., ZIP 2017, 482, 483; Thole, ZIP 2020, 1985, 1994. Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 25; Hirte in: Braun, StaRUG, § 46 Rz. 8; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 46 Rz. 9; Laroche in Flöther, StaRUG, § 46 Rz. 15. 41) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 42) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 47 Rz. 2.

36) 37) 38) 39) 40)

686

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Vorprüfung durch das Insolvenzgericht 1.

§ 30

Voraussetzungen der Inanspruchnahme

Die Inanspruchnahme dieses Instruments des Stabilisierungs- und Restrukturierungs- 33 rahmens (Verfahrenshilfe) nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG setzt zunächst eine Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG voraus, der die in § 31 Abs. 2 StaRUG aufgelisteten Anlagen und Darstellungen beizufügen sind (siehe dazu näher Rz. 8). Da die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners i. R. der Vorprüfung gemäß §§ 47 Satz 3, 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 geprüft werden kann, ist sie nicht Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Verfahrenshilfe (siehe näher Rz. 11).43) Bei einem privatautonom ausgestalteten Abstimmungsverfahren ist ein Antrag des Schuld- 34 ners zur Einleitung der gerichtlichen Vorprüfung notwendig. Von Amts wegen darf das Restrukturierungsgericht – anders als bei einem gerichtlichen Abstimmungsverfahren (§ 46 Abs. 3 StaRUG) – nicht tätig werden. Hat das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG bestellt, kann dieser auf eine Klärung der Stimmrechte im Wege der gerichtlichen Vorprüfung hinwirken (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG Halbs. 4).44) Der Schuldner hat in seinem Antrag die einzelnen Fragen,45) die er i. R. der Vorprüfung 35 klären lassen möchte, genau zu bezeichnen und die Relevanz für die Bestätigung des Restrukturierungsverfahrens und/oder die Gestaltung des Abstimmungsverfahrens darzulegen, sofern sie über den Katalog des § 45 Abs. 1 Satz 2 StaRUG hinausgehen. Dafür spricht zum einen der Sinn und Zweck der Norm, vor der Bestätigung des Restrukturierungsplans oder des Abstimmungsverfahrens zweifelhafte Fragen klären zu lassen, zum anderen § 48 Abs. 1 StaRUG, der bestimmt, dass die von der Vorprüfungsfrage berührten Planbetroffenen anzuhören sind.46) 2.

Gegenstand der Vorprüfung

Gegenstand der Vorprüfung sind – anders als in § 46 StaRUG – nicht der Restrukturie- 36 rungsplan als solcher, sondern Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind.47) Nach § 47 Satz 3, § 46 Abs. 1 Satz 2 StaRUG können das die beispielhaft in dieser Norm aufgeführten Fragestellungen sein, die jedoch nicht abschließend sind.48) Insoweit wird auf die Darlegungen oben (siehe Rz. 20) verwiesen. Darüber hinaus können aber auch Probleme, die das privatautonom organisierte Abstimmungsverfahren selbst betreffen, gemäß § 47 Abs. 3 StaRUG zum Inhalt einer Fragestellung gemacht werden. Darunter fallen z. B. Themen, die die Organisation der Abstimmung, also die Ladungen, die Vollständigkeit der beizufügenden Unterlagen, aber auch die Gestaltung der Abstimmung im Einzelnen und die Festlegung der Stimmrechte betreffen.49) Das Restrukturierungsgericht ist an die Fragestellung des Schuldners gebunden, eine 37 Möglichkeit der Prüfung von Amts wegen sehen die §§ 47, 48 StaRUG im Gegensatz zu § 46 Abs. 3 StaRUG nicht vor. Im Rahmen der allgemeinen Hinweispflicht nach § 38 Satz 1 ___________ 43) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 41, 43; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 46 Rz. 10; Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2434; Pluta, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 22, 23; a. A. Montag in: HambKommRestruktR, § 48 StaRUG Rz. 9, 10. 44) Hirte in: Braun, StaRUG, § 47 Rz. 3; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 47 Rz. 3; a. A. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 47 Rz. 5, allerdings ohne sich mit § 76 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 4 StaRUG auseinanderzusetzen. 45) Dies können selbstverständlich auch mehrere Fragen sein, vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149. 46) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 47 Rz. 2, § 48 Rz. 2; Frind, NZI 2021, 609, 611. 47) Vallender, MDR 2021, 201, 204. 48) Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149. 49) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 47 Rz. 8; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 47 Rz. 5, 6; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 47 Rz. 3; Montag in: HambKomm-RestruktR, § 48 StaRUG Rz. 19.

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§ 30

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

StaRUG, § 139 ZPO ist das Restrukturierungsgericht allerdings verpflichtet, auf eine sachdienliche Fragestellung hinzuwirken.50) 38 Die Fragen hat das Gericht einer Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Es hat dabei die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe zu beachten, die für die einzelnen Voraussetzungen i. R. der Bestätigung des Restrukturierungsplans nach § 62 ff. StaRUG gelten51) (siehe dazu im Einzelnen die Ausführungen bei Rz. 24). 3.

Verfahren

3.1

Anhörung „berührter“ Planbetroffener

39 Nach § 48 Abs. 1 StaRUG sind die von den Fragen berührten Planbetroffenen anzuhören. Das Gesetz sieht daher seinem Wortlaut nach nicht die zwingende Anhörung aller Planbetroffenen vor, schließt sie aber auch nicht aus.52) 40 Was unter dem Begriff „berührt“ zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, den von der Frage Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren und dem Restrukturierungsgericht Kenntnis über etwaige Einwände gegen den Restrukturierungsplan zu verschaffen.53) Der Begriff sollte daher weit verstanden werden. Umfasst werden sollten alle Fragen, die sich unmittelbar oder auch nur mittelbar auf die wirtschaftliche und rechtliche Position eines Planbetroffenen auswirken können.54) Das gilt ebenso mit Blick auf die Vorprüfung vor einem gerichtlichen Abstimmungsverfahren, wo gemäß §§ 46 Abs. 3 Satz 1, 45 Abs. 3 Satz 1 StaRUG alle Planbetroffenen zum Termin zu laden sind, allen also Gelegenheit gegeben wird, sich zu äußern (siehe dazu Rz. 25). Jedenfalls aber ist eine Anhörung aller Planbetroffenen vorzunehmen, wenn sich die Fragen auf die Mehrheitsverhältnisse auswirken können, also z. B. die Stimmrechte oder die Gruppenbildung betreffen. 3.2

Form der Anhörung

41 Das Restrukturierungsgericht kann bestimmen, ob die Anhörung schriftlich oder mündlich in einem Termin erfolgen soll (§ 48 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Kriterium für die Entscheidung können die Anzahl und die Komplexität55) der Fragen sein, aber auch die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. 42 Wird ein Termin56) zur Anhörung anberaumt, hat das Gericht die Ladungsfrist von 7 Tagen zu beachten (§§ 48 Abs. 2 Satz 3, 45 Abs. 3, 46 Abs. 1 Satz 457) StaRUG). Die Ladung hat den Hinweis zu enthalten, dass der Termin auch durchgeführt werden kann, wenn nicht alle Planbetroffenen teilnehmen (§§ 48 Abs. 2 Satz 3, 45 Abs. 3 Satz 3 StaRUG). Außerdem ___________ 50) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 47 Rz. 2; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 47 Rz. 12; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, ZVI 2022, 116, 117 = ZRI 2022, 236, 237; a. A. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 48 Rz. 14. 51) Thole, ZIP 2020, 1985, 1994; Frind, NZI 2021, 609, 611, 612; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2680. 52) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 48 Rz. 2. 53) Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149. 54) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 4; für ein weites Verständnis des Begriffs ebenfalls Smid in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 48 Rz. 2; wohl auch Laroche in: Flöther, StaRUG, § 48 Rz. 4. 55) Frind, NZI 2021, 609, 613, plädiert zu Recht dafür, bei komplexeren Fragestellungen einen mündlichen Termin anzuberaumen. 56) Der Ansicht von Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 12, es seien für jede Frage verschiedene Anhörungstermine durchzuführen, kann nicht gefolgt werden, weil sich im Gesetz dafür keine Grundlage findet, vielmehr widerspricht diese Auffassung dem Beschleunigungsgedanken. 57) Die fehlerhafte Verweisung auf § 46 Abs. 1 Satz 3 in § 48 Abs.1 Satz 3 StaRUG ist durch Art. 12 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166, 1172, m. W. v. 27.7.2022 korrigiert worden.

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Vorprüfung durch das Insolvenzgericht

§ 30

sind der Ladung die vom Schuldner gemäß § 31 Abs. 2 StaRUG mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens einzureichenden Unterlagen und Erklärungen beizufügen, § 48 Abs. 2 Satz 3, § 45 Abs. 3 Satz 2 StaRUG (siehe dazu Rz. 16). Der Restrukturierungsplan sollte jedenfalls über die Konzeptphase hinaus gereift sein, kann aber – je nach Fragestellung – auch noch in der Entwicklung sein. Denn Fragen können auch zum privatautonomen Abstimmungsprozedere nach §§ 7 – 22 StaRUG gestellt werden.58) Ermöglicht das Gericht gemäß § 38 Satz 2 StaRUG i. V. m. § 128a ZPO eine virtuelle Teil- 43 nahme an dem nicht-öffentlichen Termin, hat es die Geladenen zum Schutze der Vertraulichkeit (§ 201 StGB) in der Ladung darauf hinzuweisen, dass heimliche Ton- und Bildaufzeichnungen unzulässig sind, und die Nichtteilnahme Dritter durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen ist.59) Mit der Zustellung der Ladung kann das Gericht auch den Schuldner beauftragen (§ 48 Abs. 2 44 Satz 3, § 45 Abs. 3 Satz 4 StaRUG), der dabei gemäß § 41 Abs. 3 StaRUG die Regelungen der §§ 191 – 194 ZPO zu beachten hat (siehe dazu Rz. 18),60) ebenso einen obligatorisch nach § 73 StaRUG zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73, 76 Abs. 6 StaRUG). Die Unterlagen des Schuldners, die dieser – wie zuvor ausgeführt – vorzulegen hat, sind 45 den berührten Planbetroffenen auch bei einer schriftlichen Anhörung zuzuleiten.61) Ferner hat das Gericht eine Frist für die Stellungnahme zu setzen, die – je nach Umfang 46 der Fragestellung – angemessen sein muss, aber auch zu berücksichtigen hat, dass die Vorprüfung gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 StaRUG innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung abgeschlossen sein soll.62) 3.3

Hinweiserteilung

Das Vorprüfungsverfahren hat das Restrukturierungsgericht mit einem gerichtlichen Hin- 47 weis zu beenden. Dieser sollte in Form eines Beschlusses ergehen (siehe dazu die Ausführungen in Rz. 26).63) Sämtliche zeitgleich gestellten Fragen sollten in einem Hinweisbeschluss beantwortet werden.64) Inhaltlich hat das Gericht die Fragen nicht allgemein, sondern auf den konkreten Sachver- 48 halt bezogen zu beantworten und sich rechtlich zu positionieren.65) Außerdem sollte der Beschluss in verständlicher Form und nach den einzelnen Fragen gegliedert abgefasst werden. Der Beschluss soll innerhalb von zwei Wochen nach der Antragstellung oder nach dem 49 Termin ergehen (§ 48 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Diese Sollfrist kann in Einzelfällen länger sein, insbesondere bei einer Vielzahl von Fragen oder komplexen Prüfungen.66) Dabei hat das Gericht jedoch zu beachten, dass die Frist der Beschleunigung des Verfahrens dient.67) ___________ 58) A. A. Frind, NZI 2021, 609, 610, der einen Vorprüfungstermin nur bei konsolidierten Planunterlagen für sinnvoll hält. 59) Begr. RegE SanInsFoG z. § 40 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 143. 60) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 48 Rz. 6. 61) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 10, spricht davon, dass der Schuldner dem Gericht die benötigten Unterlagen vorzulegen hat, ohne allerdings auszuführen, um welche es sich handeln soll. 62) A. A. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 16, der eine 14-tägige Stellungnahmefrist für notwendig erachtet. 63) Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149. 64) So aber wohl Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 12. 65) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 47 Rz. 13. 66) Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149. 67) Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149.

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§ 30

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

50 Gemäß § 38 Satz 1 StaRUG, § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat das Restrukturierungsgericht dem Schuldner und allen Planbetroffenen den Hinweisbeschluss formlos zu übersenden (siehe dazu die Ausführungen in Rz. 29).68) Die Unterrichtung der nicht angehörten Planbetroffenen ist notwendig, damit sie über den Stand der Restrukturierungsache unterrichtet sind und ggf. ihr Verhalten bei der Abstimmung und im weiteren Verfahren an den gerichtlichen Hinweisen ausrichten können.69) 51 Dennoch erzeugt der Beschluss ebenso wenig wie der Hinweis im Vorprüfungsverfahren nach § 46 Abs. 2 StaRUG vor einem gerichtlichen Abstimmungsverfahren Bindungswirkung für spätere Entscheidungen des Gerichts70) (siehe dazu Rz. 30). Allerdings hat das Restrukturierungsgericht seine abweichende Auffassung dem Schuldner und allen Planbetroffenen vor seiner Entscheidung mitzuteilen und den berührten Planbetroffenen rechtliches Gehör dazu einzuräumen.71)

___________ 68) 69) 70) 71)

690

Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 7; a. A. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 48 Rz. 15, 16. Im Ergebnis ebenso Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 7. Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149. Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 48 Rz. 9; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 48 Rz. 4; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 48 Rz. 5; a. A. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 48 Rz. 14.

Graf-Schlicker

§ 31 Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen Graf-Schlicker

I.

Erörterungs- und Abstimmungsmöglichkeiten beim Restrukturierungsplan ............................................. 1 II. Versammlung Planbetroffener (§ 20 StaRUG)............................................. 2 1. Vorbereitung der Abstimmungsversammlung................................................. 3 1.1 Planangebot ..................................... 3 1.2 Befugnis zur Angebotsabgabe ........ 6 1.3 Inhalt des Planangebots ................ 13 1.3.1 Hinweis auf Bindungswirkung ..... 13 1.3.2 Angabe der Forderungen und Rechte der einbezogenen Planbetroffenen ............................. 15 1.3.3 Hinweis auf mögliche Erörterungsversammlung.............. 17 1.3.4 Elektronische Teilnahmemöglichkeit .................................... 18 1.4 Beizufügender Restrukturierungsplan nebst Anlagen............... 19 1.4.1 Restrukturierungsplan................... 22 1.4.1.1 Darstellender Teil .......................... 23 1.4.1.2 Gestaltender Teil ........................... 28 1.4.2 Anlage nach § 14 StaRUG ............ 29 1.4.2.1 Erklärungen nach § 14 Abs. 1 StaRUG.......................................... 29 1.4.2.2 Vermögensübersicht, Ergebnisund Finanzplan nach § 14 Abs. 2 StaRUG.......................................... 31 1.4.3 Erklärungen nach § 15 StaRUG ... 35 1.4.3.1 Zustimmungserklärungen persönlich haftender Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 StaRUG)..... 36 1.4.3.2 Zustimmungserklärung künftiger Anteilsinhaber (§ 15 Abs. 2 StaRUG) ........................................ 37 1.4.3.3 Zustimmungserklärung Drittverpflichteter (§ 15 Abs. 3 StaRUG) ........................................ 38 1.4.3.4 Zustimmungserklärung gruppenverbundener Unternehmen (§ 15 Abs. 4 StaRUG) ................... 39 1.5 Beizufügende Darstellung der Kosten des Restrukturierungsverfahrens....................................... 40 2. Einberufung der Abstimmungsversammlung............................................... 42

3.

Durchführung des Abstimmungstermins ........................................................ 49 3.1 Leitung der Versammlung............. 49 3.2 Teilnahmeberechtigung................. 50 3.3 Ablauf der Versammlung .............. 52 3.3.1 Feststellung der Formalien ........... 53 3.3.2 Erläuterung des Restrukturierungsplans .............................. 58 3.3.3 Abstimmung über den Restrukturierungsplan................................ 62 3.3.3.1 Abstimmungsfähiger Plan............. 63 3.3.3.2 Abstimmung .................................. 66 3.3.3.2.1 Modalitäten................................ 66 3.3.3.2.2 Stimmabgabe.............................. 68 3.3.3.2.3 Annahme des Restrukturierungsplans .......................... 69 3.4 Dokumentation der Abstimmung............................ 78 III. Gerichtlicher Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 45 StaRUG) ..... 83 1. Antrag auf Bestimmung des Termins ....... 83 2. Zulässigkeit des Antrags ............................ 84 3. Vorzulegende Unterlagen.......................... 85 4. Gerichtliche Maßnahmen vor dem Termin.......................................... 87 4.1 Prüfung der Verfahrenshilfevoraussetzungen..................... 87 4.2 Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin ..................... 89 4.2.1 Planbetroffene ............................... 89 4.2.2 Zeitpunkt ....................................... 90 4.2.3 Kostenvorschuss............................ 91 4.2.4 Hinweise ........................................ 92 4.2.5 Beizufügende Unterlagen ............. 96 4.2.6 Ladungsfrist und Zustellung......... 97 5. Erörterungs- und Abstimmungsprozedere .................................................. 102 5.1 Erörterung ................................... 104 5.2 Festsetzung der Stimmrechte ..... 105 5.3 Abstimmung ................................ 107 5.3.1 Abstimmung im Anschluss an Erörterung .............................. 108 5.3.2 Gesonderter Abstimmungstermin ........................................... 110 5.3.3 Protokollierung des Abstimmungsverlaufs und -ergebnisses.................................. 115

Literatur: Arlt/Brägelmann/Ludwig, Unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten bei Konsortialverträgen und Kreditentscheidungen per Restrukturierungsplan?, ZInsO 2021, 1485; Bea/Dressler, Business Judge-

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§ 31

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

ment Rule versus Gläubigerschutz? – Praktische Erwägungen zur Organhaftung im Kontext des StaRUG, NZI 2021, 67; Bernsau/Beyer, Die praktische Anwendung der Regelungen des StaRUG in einem größeren Restrukturierungsverfahren, ZInsO 2021, 2533; Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Brinkmann, Die Haftung der Geschäftsleiter in der Krise nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), ZIP 2020, 2361; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG – Nachtrag zu ZInsO 2021, 1, ZInsO 2021, 125; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG) nach dem Regierungsentwurf aus Gläubigersicht, ZInsO 2020, 2617 (Teil 2); Deppenkemper, Heute an morgen denken – der Restrukturierungsbeauftragte kommt!, ZIP 2020, 1041; Distler, Das Schlechterstellungsverbot gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG in Theorie und Praxis, ZIP 2021, 1033; Doebert/Krüger, Die strategische Gestaltung von Restrukturierungsplänen, NZI 2021, 614; Dzida, Der Zeitpunkt der Unterrichtung über eine geplante Betriebsänderung im vorinstanzlichen Sanierungsverfahren, ZIP 2022, 1133; Eckert/Holze/Ippen, StaRUG aus dem Gleichgewicht? – Verfehlung des Ziels der rechtzeitigen Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, NZI 2021, 153; Frind, Gläubigerbenachteiligung Insolvenzpläne, WM 2018, 1920; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Grau/Pohlmann/ Radunz, Erste Praxiserfahrungen mit dem StaRUG – Zugleich Besprechung von AG Hamburg, NZI 2021, 544, NZI 2021, 522; Guntermann, StaRUG: Neuausrichtung der Geschäftsleiterpflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit?, WM 2021, 214; Gutmann, Grundsätze ordnungsgemäßer Planungsrechnungen in Restrukturierung und Insolvenz, NZI 2022, 457; Hoegen/Kranz, Neue Möglichkeiten der Konzernsanierung durch SanInsFoG und StaRUG, NZI 2021, 105; Knof, Die Checkliste für Restrukturierungspläne nach § 16 StaRUG – „ein Türöffner“ für den Zugang natürlicher Personen zum StaRUG?, ZVI 2022, 368; Korch, Restrukturierungshaftung der Geschäftsleiter nach dem StaRUG, GmbHR 2021, 793; Kuntz, Geschäftsleiterhaftung bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach StaRUG, ZIP 2021, 597; Mulert/Steiner, Gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen im Insolvenz- und Restrukturierungsplan, NZG 2021, 673; Scholz, Die Krisenpflichten von Geschäftsleitern nach Inkrafttreten des StaRUG, ZIP 2021, 219; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Smid, Anforderungen an das außergerichtliche Planangebot und seine Annahme – Essentialia der §§ 17 ff. StaRUG, DZWIR 2021, 119; Spahlinger, Gruppen, Stimmrechte und erforderliche Mehrheiten, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32; Steffan/Oberg/Poppe, SanInsFoG: Vom Grobkonzept zum Vollkonzept – Anforderungen an die betriebswirtschaftlichen Konzepte in Restrukturierungsplan, Eigenverwaltungsplanung und Insolvenzplan, ZIP 2021, 617; Thole, Die Geschäftsleiterhaftung im StaRUG und nach § 15b InsO n. F., BB 2021, 1347; Vallender, Die Amtsermittlungspflicht nach dem StaRUG, ZRI 2021, 165; Wilhelm/Richter/Hoffmann, Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen: Neue Optionen zur vorinsolvenzlichen Sanierung, DB 2021, 381; Wilkens, Der präventive Restrukturierungsrahmen – Eine Bestandsaufnahme aus Sicht der Finanzgläubiger, WM 2021, 573; Wollring/Quitzau, Die Initiierung der präventiven Restrukturierung in der Praxis – Grundlagen, Besonderheiten und Stolpersteine, ZRI 2021, 785.

I.

Erörterungs- und Abstimmungsmöglichkeiten beim Restrukturierungsplan

1 Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan stellt eine wichtige Maßnahme auf dem Weg zur Sanierung eines Unternehmens dar. Entsprechend den Optionen über das Abstimmungsprozedere zur Annahme eines Restrukturierungsplans, die Art. 9 der Restrukturierungsrichtlinie1) den Mitgliedstaaten einräumt,2) sieht das StaRUG3) ein Wahlrecht des Schuldners hinsichtlich der Abstimmungsformen vor: Er kann gemäß § 45 StaRUG beantragen, die Erörterung und Abstimmung über den Restrukturierungsplan in einem gerichtlichen Verfahren durchzuführen oder den Abstimmungsprozess in einer von ihm ___________ 1)

2)

3)

692

Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. S. dazu auch ErwG 43 Restrukturierungsrichtlinie: „Die Abstimmung über die Annahme eines Restrukturierungsplans könnte in Form eines förmlichen Abstimmungsverfahrens oder einer Konsultation und des Abschlusses einer Vereinbarung mit einer erforderlichen Mehrheit der betroffenen Parteien durchgeführt werden.“ Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

einberufenen und geleiteten Planversammlung nach § 20 StaRUG selbst steuern.4) Diese Möglichkeiten des Schuldners werden nur im Falle einer obligatorischen oder fakultativen Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten (§ 73 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2, § 76 Abs. 2 Nr. 1, § 77 StaRUG) eingeschränkt.5) II.

Versammlung Planbetroffener (§ 20 StaRUG)

Der Schuldner kann den Erörterungs- und Abstimmungsprozess über den Restrukturie- 2 rungsplan privatautonom gestalten und muss dazu nicht gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Abstimmungsverfahrens gehen gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 StaRUG zu seinen Lasten. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass der Schuldner die Regelungen, die das StaRUG für dieses Prozedere vorsieht, penibel beachtet. Die einzuhaltenden Bestimmungen in der Versammlung der Planbetroffenen über die Erörterung und Abstimmung des Planangebots sind in § 20 StaRUG festgelegt. 1.

Vorbereitung der Abstimmungsversammlung

1.1

Planangebot

Zur Vorbereitung des Termins hat der Schuldner den Planbetroffenen (§ 8 StaRUG) zu- 3 nächst ein Angebot zu unterbreiten, den Restrukturierungsplan anzunehmen, gesetzlich als Planangebot definiert (§ 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Dieses Angebot stellt eine Willenserklärung dar, auf das grundsätzlich die Vorschriften der §§ 116 – 144 BGB Anwendung finden.6) Willensmängel sind allerdings nur bis zur rechtskräftigen Bestätigung des Restrukturierungsplans relevant, weil sie danach als geheilt gelten (§ 67 Abs. 6 StaRUG). Nach der Auslegungsregelung des § 18 StaRUG bringt der Schuldner mit dem an die Plan- 4 betroffenen gerichteten Angebot im Zweifel zum Ausdruck, dass er sich an die im gestaltenden Teil des Plans enthaltenen Regelungen gebunden fühlt, wenn entweder alle Planbetroffenen zustimmen oder die erforderlichen Mehrheiten i. R. der Bestätigung des Plans erreicht werden.7) Das Angebot steht daher unter der Bedingung (§ 158 BGB), dass der Plan mit den notwendigen Mehrheiten angenommen wird. Es unterliegt gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 StaRUG der Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB),8) 5 sofern mit den Planbetroffenen nichts anderes vereinbart ist.9) Die Schriftform kann gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden. 1.2

Befugnis zur Angebotsabgabe

Nur der Schuldner ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG berechtigt, ein Planangebot ab- 6 zugeben. Von der in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit, auch Gläubigern und Restrukturierungsbeauftragten dieses Recht einzuräumen, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.10)

___________ 4) Brinkmann, ZIP 2020, 2361, 2362. 5) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 7, 8. 6) Begr. RegE SanInsFoG z. § 18 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 15. 7) Begr. RegE SanInsFoG z. § 20 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122; Smid, DZWIR 2021, 119, 121. 8) Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 17 Rz. 15. 9) Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 17 Rz. 16. 10) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 6.

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§ 31

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

7 Schuldner i. S. des StaRUG ist derjenige, der die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nehmen kann, nach § 30 StaRUG also jede insolvenzfähige Person (§ 11 InsO), mit Ausnahme der natürlichen Person, die nicht unternehmerisch tätig ist, und von Unternehmen aus der Finanzbranche,11) die in § 1 Abs. 19 KWG legaldefiniert sind.12) Der Begriff des Schuldners umfasst daher unternehmerisch tätige natürliche Personen, juristische Personen (GmbH, UG, AG), nicht rechtsfähige Vereine (§ 11 Abs. 1 InsO) sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). 8 Zu der Frage, wer bei einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit zur Abgabe eines Planangebots berechtigt ist, findet sich im StaRUG keine spezielle Regelung.13) Im Außenverhältnis sind daher die allgemein zur Vertretung des Schuldners berechtigten Gesellschaftsorgane dazu befugt. Einschränkungen hinsichtlich der Vertretungsbefugnis wie sie § 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO oder § 18 Abs. 3 InsO vorsehen, sind im StaRUG nicht geregelt und wegen des Ausnahmecharakters dieser Vorschriften im Insolvenzrecht auch nicht entsprechend anwendbar.14) 9 Grundsätzlich gelten auch für das Innenverhältnis die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln. Hier können sich aber z. B. aus dem Gesellschaftsvertrag, zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder Beschlüssen der Gesellschafter bzw. der Gesellschaftsorgane Verpflichtungen für eine vorherige Zustimmung zur Abgabe des Planangebots ergeben.15) 10 Allerdings ist insoweit zu beachten, dass der Schuldner gemäß § 32 StaRUG die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers zu betreiben und dabei die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren hat. Nach § 43 StaRUG haben die Geschäftsleiter der juristischen Personen oder der Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Fraglich ist daher, ob die Zustimmungsvorbehalte durch diese Regelungen eingeschränkt werden. Die Regelungen der §§ 32, 43 StaRUG setzen ihrer Stellung im Gesetz nach jedoch die Rechtshängigkeit aufgrund einer Restrukturierungsanzeige voraus. Sie müssen ihrem Sinn und Zweck nach aber auch bereits dann Anwendung finden, wenn ein Planangebot noch vor der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens gemacht wird. Denn ein solches Planangebot kann ebenfalls in die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache münden. Wird ein Planangebot nicht von allen Planbetroffenen angenommen, kann der Plan nur i. R. des gerichtlichen Bestätigungsverfahrens Wirkung gegen die dissentierenden Planbetroffenen erzeugen.16) Die gerichtliche Bestätigung setzt ihrerseits voraus, dass die Restrukturierungssache durch die Anzeige beim Restrukturierungsgericht rechtshängig geworden ist (§ 31 StaRUG).17) 11 Welche Konsequenzen die Regelungen in §§ 32, 43 StaRUG für interne Weisungsrechte und Zustimmungsvorbehalte haben, lässt sich dem StaRUG nicht unmittelbar entnehmen. ___________ 11) Der Ausschluss ist auf die Vorgabe aus Art. 1 Abs. 2 lit. a bis lit. f und Abs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie zurückzuführen. Grund dafür ist, dass nach dem Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen eigenständige Regime zur Finanzbewältigung bestehen oder zugunsten der zuständigen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden z. B. nach §§ 45 ff. KWG, §§ 294 ff. VAG weitreichende Eingriffsbefugnisse existieren (Begr. RegE SanInsFoG z. § 32 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 133). 12) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 30 Rz. 65. 13) Nach ErwG 53 Restrukturierungsrichtlinie können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass bei der Annahme des Plans das vertretungsberechtigte Organ der juristischen Person oder eine bestimmte Mehrheit der Aktionäre oder Anteilsinhaber zur Vertretung des Schuldners befugt sind. 14) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 25; Skauradszun, KTS 2021, 1, 49 ff. 15) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 26. 16) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, Rz. 11 ff., NZI 2021, 893 = ZInsO 2021, 1398; Wilkens, WM 2021, 573, 579; vgl. insoweit auch § 67 Abs. 1 StaRUG. 17) So auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 29.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

Die noch im Regierungsentwurf enthaltene Bestimmung des § 2 Abs. 2 StaRUG, dass Beschlüsse und Weisungen der Überwachungsorgane und anderer Organe unbeachtlich sind, soweit sie der Wahrung der Gläubigerinteressen entgegenstehen, ist im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden.18) In der Literatur werden zur Frage der Beachtlichkeit interner Weisungsrechte unterschiedliche Meinungen vertreten. Die weitestgehende Ansicht lehnt ein Weisungsrecht und einen Zustimmungsvorbehalt der Anteilsinhaber generell ab.19) Andere halten Weisungsrechte weiterhin für verbindlich.20) Außerdem wird vertreten, dass Weisungen für den Geschäftsleiter ohne Bedeutung sind, wenn sie im Widerspruch zu den Interessen der Gläubigergesamtheit stehen,21) oder die Weisungsbefugnis mit heranrückender Krise immer mehr abnimmt, um die den Gesellschafterinteressen gegenläufigen Gläubigerinteressen nicht zu gefährden.22) Im Lichte einer richtlinienkonformen Auslegung (Art. 12 Abs. 2, 19 lit. a der Restruk- 12 turierungsrichtlinie) sind Zustimmungsvorbehalte und Weisungen zur Angebotsabgabe jedenfalls dann unbeachtlich, wenn sie die Gläubigerinteressen gefährden.23) Das lässt sich aus dem Zusammenspiel der beiden Normen herleiten. Nach Art. 12 Abs. 2 Restrukturierungsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Anteilsinhaber die Umsetzung eines Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren dürfen. Nach Sinn und Zweck dieser Regelung muss dies auch für die Vorbereitungshandlungen des Restrukturierungsplans gelten.24) Dafür spricht ebenfalls Art. 19 lit. a Restrukturierungsrichtlinie, denn er bestimmt, dass die Unternehmensleitung bereits bei einer wahrscheinlichen Insolvenz mindestens die Interessen der Gläubiger, Anteilsinhaber und sonstigen Interessenträger wahren soll. 1.3

Inhalt des Planangebots

1.3.1 Hinweis auf Bindungswirkung Das Planangebot hat gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG verpflichtend den deutlichen Hin- 13 weis zu enthalten, dass der Plan im Falle seiner mehrheitlichen Annahme und gerichtlichen Bestätigung auch gegenüber Planbetroffenen wirkt, die das Angebot nicht annehmen. Die Norm verweist damit auf § 67 Abs. 1 StaRUG, der bestimmt, dass die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen im Verhältnis zu denjenigen Planbetroffenen eintreten, die gegen den Plan gestimmt oder an der Abstimmung nicht teilgenommen haben, obwohl sie ordnungsgemäß an dem Abstimmungsverfahren beteiligt wurden. In dem Hinweis sollte daher verdeutlicht werden, dass unter „Nichtannahme“ nicht nur ein negatives Votum hin___________ 18) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG z. Streichung v. §§ 2, 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/25353, S. 6: „Die Regelungen zu den an die drohende Zahlungsunfähigkeit anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger (§§ 2 und 3 StaRUG-E) wurden mit Blick auf ihr unklares Verhältnis zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten gestrichen. Die Streichung erfolgt in dem Verständnis, dass sie keine Haftungslücken hinterlässt.“ 19) So im Zusammenhang mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens Gehrlein, BB 2021, 66, 71, unter Berufung auf Thole, ZIP 2020, 1985, 1986, der sich allerdings mit dem nicht Gesetz gewordenen § 2 StaRUG im RefE befasst; wohl auch Scholz, ZIP 2021, 219, 224. 20) Guntermann, WM 2021, 214, 220, 221, verneint aber gleichzeitig eine richtlinienkonforme Umsetzung; Kuntz, ZIP 2021, 597, 609; Eckert/Holze/Ippen, NZI 2021, 153, 157. 21) Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 126; Thole, BB 2021, 1347, 1351. 22) Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 67. 23) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 29; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 67; Thole, BB 2021, 1347, 1351; wohl auch Korch, GmbHR 2021, 793, 797; so im Ergebnis auch Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 17 Rz. 11, und Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676, der die Notwendigkeit eines Anteilseignerbeschlusses für die Einleitung des Restrukturierungsverfahrens verneint. 24) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 31.

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§ 31

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

sichtlich des Plans fällt, sondern auch eine fehlende Beteiligung an dem Abstimmungsverfahren. 14 Der Hinweis muss vom Restrukturierungsplan getrennt erfolgen,25) z. B. in einem Anschreiben zur Übersendung des Planangebots, verständlich abgefasst und sollte drucktechnisch hervorgehoben werden.26) 1.3.2 Angabe der Forderungen und Rechte der einbezogenen Planbetroffenen 15 Da nicht alle Forderungen und Rechte in einen Restrukturierungsplan einbezogen werden müssen, hat das Planangebot für den jeweiligen Planbetroffenen transparent zu machen, ob und in welchem Umfang seine Rechte durch den Plan betroffen sind, welcher Gruppe die einbezogenen Rechte und Forderungen zugeordnet werden und welche Stimmrechte ihm dafür gewährt werden sollen (§ 17 Abs. 2 StaRUG).27) 16 Diese Erläuterungen sollten getrennt vom Restrukturierungsplan und dessen darstellenden Teil erfolgen, weil sie nach dem Wortlaut des Gesetzes auf den jeweiligen Planbetroffenen zugeschnitten sein müssen.28) 1.3.3 Hinweis auf mögliche Erörterungsversammlung 17 Sofern der Schuldner vor der Abgabe des Planangebots nicht allen Planbetroffenen die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Erörterung des Plans oder des in einem Plan umzusetzenden Restrukturierungskonzeptes eingeräumt hat, ist das Planangebot gemäß § 17 Abs. 3 StaRUG des Weiteren mit dem Hinweis zu versehen, dass eine Versammlung zur Erörterung des Plans stattzufinden hat, wenn zumindest ein Planbetroffener dies verlangt. Die Regelung soll sicherstellen, dass allen Planbetroffenen dieses Recht bekannt ist.29) 1.3.4 Elektronische Teilnahmemöglichkeit 18 Der Schuldner kann den Planbetroffenen im Planangebot gemäß § 20 Abs. 2 StaRUG ferner ermöglichen, sämtliche oder einzelne ihrer Rechte im Wege der elektronischen Teilnahme an der Abstimmungsversammlung auszuüben. Machen sie davon Gebrauch, ist es Sache des Schuldners die technischen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beteiligung der auf diesem Wege teilnehmenden Planbetroffenen zu schaffen und während der Versammlung aufrechtzuerhalten.30) 1.4

Beizufügender Restrukturierungsplan nebst Anlagen

19 Mit dem Planangebot hat der Schuldner den vollständigen Restrukturierungsplan nebst Anlagen sowie eine Darstellung bereits angefallener und noch zu erwartender Kosten des Restrukturierungsverfahrens einschließlich der Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten beizufügen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).31) ___________ Madaus in: Flöther, StaRUG, § 17 Rz. 8. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 34. Begr. RegE SanInsFoG z. § 19 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122. Im Ergebnis ebenso Madaus in: Flöther, StaRUG, § 17 Rz. 9; a. A. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 41. 29) Begr. RegE SanInsFoG z. § 19 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122. 30) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 31) Entgegen dem Wortlaut der Norm nimmt Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 36, an, dass dem Planangebot als solchem der Plan selbst nicht beigefügt werden muss, sondern es ausreichend ist, wenn den Planbetroffenen mit dem Planangebot der Zugang zu einem elektronischen Datenraum verschafft wird, der den Plan enthält und den die Planbetroffenen herunterladen können. 25) 26) 27) 28)

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

Der Restrukturierungsplan darf nicht nur in Konzeptform vorgelegt werden, sondern muss 20 so ausgereift sein, dass er angenommen werden kann. Unter Anlagen sind die in §§ 14 und 15 StaRUG genannten Erklärungen und Unterlagen 21 zu verstehen (vgl. § 5 Satz 3 StaRUG). 1.4.1 Restrukturierungsplan Der Restrukturierungsplan hat aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil zu 22 bestehen (§ 5 Satz 1 StaRUG) und die Angaben zu enthalten, die in der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG aufgeführt sind.32) 1.4.1.1

Darstellender Teil

Im darstellenden Teil (§ 6 StaRUG) sind die Grundlagen und Auswirkungen des Restruk- 23 turierungsplans darzulegen. Dazu gehören insbesondere Informationen zum Geschäftszweck, zur Historie des Unternehmens, zu dessen Organisationsstruktur und personellen Aufstellung. Ferner sind die Krisenursachen sowie die geplanten Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu beschreiben, einschließlich solcher, die im gestaltenden Teil nicht umgesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Satz 3 StaRUG), z. B. personalwirtschaftliche Maßnahmen,33) sie sind besonders hervorzuheben. Außerdem hat dieser Teil eine begründete Vergleichsrechnung zu den Auswirkungen des Restrukturierungsplans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen mit und ohne Plan zu enthalten.34) Grundsätzlich sind dabei Fortführungswerte zugrunde zu legen, Liquidationswerte dürfen nur angesetzt werden, wenn ein Verkauf oder eine anderweitige Fortführung des Unternehmens aussichtslos ist (§ 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG).35) Bei Eingriffen in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten sind auch die Verhältnisse des Sicherungsgebers sowie die Auswirkungen des Plans auf den Sicherungsgeber darzustellen (§ 6 Abs. 3 StaRUG). Darüber hinaus hat der darstellende Teil des Plans gemäß § 8 Satz 1 StaRUG aufzuzeigen, 24 welche Gläubiger von dem Plan betroffen sein sollen, also einen Sanierungsbeitrag zu leisten haben. Die Auswahl der Planbetroffenen hat nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen, die zu erläutern und zu begründen sind.36) Eine sachgerechte Auswahl liegt bei den in § 8 Satz 2 Nr. 1 – 3 StaRUG genannten Fallkonstellationen vor, die jedoch nicht abschließend sind.37)

___________ 32) Vgl. dazu die Checkliste des BMJ für Restrukturierungspläne gemäß § 16 StaRUG, v. 14.7.2022, https:// www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/checkliste.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Abrufdatum: 16.1.2023), sowie die Plangliederung bei Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 5 Rz. 8.1 und Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 5 Rz. 32. Zum besseren Verständnis des Plans empfiehlt es sich, eine zusammenfassende Darstellung des Planinhalts voranzustellen, so auch Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 48. 33) Begr. RegE SanInsFoG z. § 7 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. 34) Zur Vergleichsrechnung im Einzelnen Grau/Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522, 525. 35) Begr. RegE SanInsFoG z. § 8 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. 36) Wilhelm/Richter/Hoffmann, DB 2021, 381, 384; Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618; zur Auswahl der Planbetroffenen vgl. auch AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, Rz. 15, ZRI 2021, 377, 379; AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, Rz. 37, NZI 2021, 893, 895; AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 18, ZRI 2021, 473, 474, dazu Grau/Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522, 524; AG Hamburg (Hinweisbeschl.) v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, Rz. 17 ff., ZRI 2022, 236, 238; AG Hamburg v. 18.1.2022 – 61c RES 1/21, Rz. 24, ZRI 2022, 234, 235. 37) Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118.

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697

§ 31

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

25 Schließlich ist auch die Gruppenbildung aufzuführen, die sich nach § 9 StaRUG richtet. Dabei ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, 3 StaRUG verpflichtend zu unterscheiden38) zwischen 

Inhabern von Absonderungsanwartschaften, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG;



Inhabern von Forderungen, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachrangig wären, nebst Zinsen und Säumniszuschlägen (einfache Restrukturierungsgläubiger), § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG;



Inhabern von Forderungen, die gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4, 5 und Abs. 2 InsO nachrangig wären und für die je Rangklasse eine eigenständige Gruppe zu bilden wäre, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG;



Inhabern von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten und Gläubigern von gruppeninternen Sicherheiten, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG;



Eingriffe in Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten, § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG.39)

26 Für Kleingläubiger ist nach § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG i. R. dieser Pflichtgruppen jeweils eine eigenständige Gruppe zu bilden, um sie effektiv vor einer Majorisierung von Großgläubigern zu schützen.40) Der Begriff „Kleingläubiger“ ist gesetzlich nicht definiert. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll er nicht einheitlich für alle Unternehmen festgelegt werden, sondern sich einerseits nach relativen Kriterien bestimmen wie dem Anteil der Verbindlichkeiten gegenüber dem betreffenden Gläubiger an den Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners, anderseits aber auch nach absoluten Kriterien richten wie der Höhe der Gläubigerforderung.41) 27 Nach Maßgabe wirtschaftlicher Interessen können gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 StaRUG weitere (fakultative) Gruppen gebildet werden. Planbetroffene mit im Wesentlichen gleichartigen wirtschaftlichen Interessen gehören in eine Gruppe, haben die Gruppenangehörigen unterschiedliche Interessen, kann eine weitere Untergruppe gebildet werden.42) 1.4.1.2

Gestaltender Teil

28 Im gestaltenden Teil ist gemäß § 7 StaRUG festzulegen, auf welche Weise die Rechte der Gläubiger (Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninterne Sicherheiten) durch den Plan neu geregelt,43) also z. B. gekürzt, gestundet oder gesichert werden sollen. Welche Rechtsverhältnisse im Restrukturierungsplan gestaltbar sind, richtet sich nach §§ 2, 3 StaRUG. Restrukturierungsforderungen können – ebenso wie im Insolvenzplan (§ 225a InsO) – gemäß § 7 Abs. 4 StaRUG in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner (Debt Equity Swap) umgewandelt werden, jedoch nicht gegen den Willen

___________ 38) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 19, ZRI 2021, 473, 474, dazu Grau/Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522, 524; Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618. 39) Vgl. dazu AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, Rz. 20 ff., ZRI 2021, 377, 379; dazu Anm. Thole, NZI 2021, 436. 40) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 41) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 57, nimmt an, dass es sich um einen Kleingläubiger handelt, wenn dessen Verbindlichkeiten einen Betrag von 5.000 € nicht übersteigt und seine Forderungssumme zusätzlich jeweils nicht mehr als 1 % des Gesamtforderungsvolumens ausmacht. 42) Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 59. 43) S. dazu Checkliste für Restrukturierungspläne gemäß § 16 StaRUG, abrufbar unter https://www.bmj.de/ DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/checkliste.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Abrufdatum: 16.1.2023); Dzida, ZIP 2022, 1133, 1136; Knof, ZVI 2022, 368, 370.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

des betroffenen Gläubigers.44) Der Plan kann alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen vorsehen, z. B. auch die Übertragung von Antrags- und Mitgliedschaftsrechten.45) 1.4.2 Anlage nach § 14 StaRUG 1.4.2.1

Erklärungen nach § 14 Abs. 1 StaRUG

Nach § 14 Abs. 1 StaRUG ist dem Plan zunächst eine begründete Erklärung beizufügen, 29 dass die drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 2 InsO,46) die – mit Ausnahme der Vorprüfung – Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist, durch den Restrukturierungsplan beseitigt wird47) und der Bestand des schuldnerischen Unternehmens sicher- oder wiederhergestellt wird.48) Diese Erklärungspflicht geht auf die verbindliche Vorgabe aus Art. 8 Abs. 1 lit. h Satz 1 Restrukturierungsrichtlinie zurück, wonach die Mitgliedstaaten vorzuschreiben haben, dass die Restrukturierungspläne Erläuterungen zur Möglichkeit der Vermeidung einer Insolvenz und zur Gewährleistung der Bestandsfähigkeit des Unternehmens zu enthalten haben. Eine Definition zur Bestandsfähigkeit enthält die Richtlinie nicht.49) Nach Art. 4 Abs. 3 30 der Restrukturierungsrichtlinie können aber die Mitgliedstaaten eine Bestandsfähigkeitsprüfung nach nationalem Recht beibehalten oder einführen. Weder im StaRUG noch in der Begründung zu diesem Gesetz findet sich eine Definition.50) Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 14 Abs. 1 StaRUG ist die Bestandsfähigkeit eines Unternehmens gesichert, wenn zu erwarten ist, dass es dauerhaft saniert wird51) und danach wieder aus eigener Kraft im Wettbewerb bestehen kann.52) Die Erklärung zur Bestandsfähigkeit muss daher mehr als den Prognosezeitraum zur Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 Satz 2 InsO umfassen. Auszugehen ist zumindest von einem Zeitraum von drei Jahren, der in § 33 Abs. 2 Satz 3 StaRUG für eine nachhaltige Sanierung vorausgesetzt wird.53) ___________ 44) Zur Möglichkeit, eine Kapitalerhöhung und Bezugsrechte der bisherigen Gesellschafter auszuschließen, Skauradszun/Blum, NZI 2022, 31, 32 (Urteilsanm. z. AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31). 45) Ausführlich dazu Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 678 ff. 46) Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit vgl. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, Rz. 4 ff., ZRI 2021, 377, 378, dazu krit.: Proske, EWiR 2021, 309 (Urteilsanm.); Thole, NZI, 2021, 436 (Urteilsanm.); Arlt/Brägelmann/ Ludwig, ZInsO 2021, 1485. 47) Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Bestätigung des Plans, ebenso Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 21. 48) Da der Plan gemäß § 17 StaRUG vom Schuldner vorzulegen ist und diesem die Anlagen beizufügen sind, ist deutlich, wer die Unterlagen den Planbetroffenen vorzulegen hat. A. A. Frind, ZInsO 2020, 2241, 2242, und offenbar auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 15. 49) In ErwG 3 der Restrukturierungsrichtlinie heißt es dazu: „Im Restrukturierungsrahmen sollten die Rechte aller Beteiligten, einschließlich der Arbeitnehmer, auf ausgewogene Weise geschützt werden. Gleichzeitig sollten nicht bestandsfähige Unternehmen ohne Überlebenschance so schnell wie möglich abgewickelt werden. Wenn ein Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten nicht wirtschaftlich bestandsfähig ist oder seine wirtschaftliche Bestandsfähigkeit nicht ohne Weiteres wiederhergestellt werden kann, könnten Restrukturierungsmaßnahmen zu einer Beschleunigung und Anhäufung von Verlusten zum Nachteil der Gläubiger, der Arbeitnehmer und sonstiger Interessenträger sowie der Wirtschaft als Ganzes führen.“ 50) Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 621, gehen deshalb davon aus, dass eine erschöpfende Definition im Gesetz nicht möglich sei. 51) Vgl. dazu BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 29, ZIP 2016, 1235, 1238. 52) Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617, 622, verlangen für die Wettbewerbsfähigkeit, dass das Unternehmen wieder profitabel und rentabel arbeitet; ebenso Sämisch, ZInsO 2020, 2520, sowie Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 7; a. A. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 28, 29, der es für ausreichend hält, dass alle entstehenden Kosten des Unternehmens aus den Einnahmen gedeckt werden können. Im Ergebnis wohl auch Deppenkemper, ZIP 2020, 1041, 1043, der eine Parallele zu § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO zieht. 53) Wolf in: Morgen, StaRUG, § 14 Rz. 16, will die Bestandsfähigkeit an den Mindestanforderungen des BGH zu Sanierungskonzepten (BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, Rz. 34 ff., ZIP 2016, 1235, 1238) orientieren; ähnlich Tasma in: Flöther, StaRUG, § 14 Rz. 7, 8.

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§ 31 1.4.2.2

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Vermögensübersicht, Ergebnis- und Finanzplan nach § 14 Abs. 2 StaRUG

31 Damit die Planbetroffenen abschätzen können, ob die geplante Sanierung durch den Restrukturierungsplan betriebswirtschaftlich nachvollziehbar zu erwarten ist, hat der Schuldner diesem in Anlehnung an § 229 Sätze 1 und 2 InsO54) eine Vermögensübersicht beizufügen, aus der – gegenübergestellt – die Werte der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten im Falle der wirksamen Planbestätigung hervorgehen. Die Vermögensgegenstände sind auf der Basis von Fortführungswerten auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Restrukturierungsplans zu bestimmen.55) 32 Ergänzend hat der Schuldner darzulegen, welche Aufwendungen und Erträge während des vorgesehenen Befriedigungszeitraums der Gläubiger zu erwarten sind (Ergebnisplanung)56) und auf welche konkrete Weise die Zahlungsfähigkeit des Schuldners in diesem Zeitraum gewährleistet werden soll (Finanzplan).57) Gefordert ist eine Darstellung der Abfolge der Einnahmen und Ausgaben, um für die Planbetroffenen sichtbar zu machen, ob der Schuldner tatsächlich in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.58) 33 In diese Darstellung sind nicht nur die Restrukturierungsforderungen einzubeziehen, sondern ebenfalls die vom Plan nicht betroffenen Forderungen, z. B. Arbeitslöhne, und die nach dem Plan neu zu begründenden Forderungen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). 34 Der deutsche Gesetzgeber trägt mit diesen Voraussetzungen den Mindestinformationen Rechnung, die nach Art. 8 lit. b und g Ziff. v der Restrukturierungsrichtlinie gewährleistet sein müssen.59) 1.4.3 Erklärungen nach § 15 StaRUG 35 Während die Anlage nach § 14 StaRUG Informationsgrundlagen für die Gläubiger vorsieht, verlangt § 15 StaRUG – in Anlehnung an § 230 InsO60) – Zustimmungserklärungen von bestimmten Personen, die von im Plan vorgesehenen Maßnahmen betroffen sind.

___________ 54) Begr. RegE SanInsFoG z. § 16 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120; vgl. z. § 229 InsO Kebekus/ Handschuhmacher in: Graf-Schlicker, InsO, § 229 Rz. 3. 55) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 40, weist zu Recht darauf hin, dass die Angabe von Liquidationswerten nicht erforderlich ist, weil die Wertangabe auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Restrukturierungsplans auszurichten ist, weil eine Liquidation dann nicht mehr zu erfolgen hat. A. A. Wolf in: Morgen, StaRUG, § 14 Rz. 36. 56) In der Überschrift der Norm als Ergebnisplan bezeichnet; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 41; Koch/Müller in: Braun, StaRUG, § 14 Rz. 19 f.; dagegen verwendet Tasma in: Flöther, StaRUG, § 14 Rz. 15, den Begriff Ertragsplanung. 57) In der Überschrift der Norm als Finanzplan bezeichnet, dazu auch Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2623. 58) Für eine getrennte Betrachtung der Vermögensübersicht sowie des Ergebnis- und Finanzplans zu Recht: Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 34 ff., 46; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 14 Rz. 13, 15; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid/, StaRUG, § 14 Rz. 8 ff. Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 71; a. A. Wolf in: Morgen, StaRUG, § 14 Rz. 46 ff., der sich – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – für eine integrierte Bilanz-, Erfolgs- und Finanzplanung ausspricht, mit der Begründung, ohne eine solche lasse sich keine seriöse Ergebnis- und Finanzplanung erstellen, ebenso Gutmann, NZI 2022, 457, 458. 59) Begr. RegE SanInsFoG z. § 16 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 14 Rz. 9. 60) Begr. RegE SanInsFoG z. § 17 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen 1.4.3.1

§ 31

Zustimmungserklärungen persönlich haftender Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 StaRUG)

Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit61) (z. B. oHG, KG, PartG, 36 GbR) oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, ist eine Fortführungserklärung der Personen beizufügen, die nach dem Plan persönlich haftende Gesellschafter sein sollen. Diese Norm dient einerseits der Sicherstellung, dass diese Personen bereit sind, das Unternehmen auf der Basis des vorgelegten Restrukturierungsplans fortzuführen, andererseits aber auch ihrem Schutz, weil sie bei einer Fortführung des Schuldners die persönliche Haftung übernehmen.62) 1.4.3.2

Zustimmungserklärung künftiger Anteilsinhaber (§ 15 Abs. 2 StaRUG)

Ist im Restrukturierungsplan vorgesehen, dass Gläubiger Anteils-, Mitgliedschaftsrechte 37 oder Beteiligungen an einer juristischen Person, einem nicht rechtsfähigen Verein oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit63) erwerben, so sind Erklärungen aller künftigen Anteilsinhaber beizufügen, dass sie dem Erwerb zustimmen, denn Gläubiger können durch den Plan grundsätzlich nicht gezwungen werden, solche Rechte zu übernehmen.64) 1.4.3.3

Zustimmungserklärung Drittverpflichteter (§ 15 Abs. 3 StaRUG)

Soll ein Dritter für den Fall der Bestätigung des Restrukturierungsplans Leistungen er- 38 bringen, z. B. durch die Übernahme von Sicherheiten, Bürgschaften, Garantien, ist dessen Zustimmung dem Plan als Anlage beizufügen, um für die Planbetroffenen den Bindungswillen dieses Dritten zu manifestieren.65) Diese Willenserklärung muss materiell wirksam abgegeben sein.66) Eine Heilungsmöglichkeit für einen Formmangel nach § 68 Abs. 2 StaRUG besteht nicht, denn diese Norm gilt nur für Planbetroffene und den Schuldner, nicht aber für Dritte.67) 1.4.3.4

Zustimmungserklärung gruppenverbundener Unternehmen (§ 15 Abs. 4 StaRUG)

Sieht ein Restrukturierungsplan Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten vor, ist die 39 Zustimmung desjenigen verbundenen Unternehmens notwendig, das die Sicherheit gestellt hat. Dieses Unternehmen kann die Zustimmung jedoch nicht grundlos verweigern. Ein Geschäftsleiter, der nicht zustimmt, obwohl diese Erklärung für das Unternehmen wirtschaftlich vorteilhaft wäre, handelt sorgfaltswidrig.68)

___________ 61) Durch Art. 38 des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436, 3451, werden in § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 die Wörter „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ durch die Wörter „rechtsfähigen Personengesellschaft“ ersetzt. Die Änderungen treten gemäß Art. 137 MoPeG zum 1.1.2024 in Kraft. 62) Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 15 Rz. 2. 63) Durch Art. 38 des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436, 3451, werden in § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 die Wörter „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ durch die Wörter „rechtsfähigen Personengesellschaft“ ersetzt. Die Änderungen treten gemäß Art. 137 MoPeG zum 1.1.2024 in Kraft. 64) Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 15 Rz. 3. 65) Böhm in: Braun, StaRUG, § 15 Rz. 6. 66) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 15 Rz. 35. 67) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 15 Rz. 39. 68) Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 108; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 78.

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701

§ 31 1.5

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Beizufügende Darstellung der Kosten des Restrukturierungsverfahrens

40 Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG69) hat der Schuldner seinem Planangebot ferner eine Darstellung der bereits angefallenen und der zu erwartenden Kosten beizufügen. Diese Regelung ist durch den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eingefügt worden,70) weil sie nach dessen Auffassung ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Bewertung der Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens ist. Die Restrukturierungskosten belasten nicht nur die Liquidität des Schuldners, sondern sind wirtschaftlich auch von den Planbetroffenen mitzufinanzieren.71) 41 Zu den bereits angefallenen Kosten zählen insbesondere die Honorare, die an Rechtsberater, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater zu zahlen sind.72) Unter künftige Kosten fallen alle externen Aufwendungen, z. B. Gerichtskosten, Kosten eines Restrukturierungsbeauftragten, Kosten weiterer Berater, Finanzierungskosten sowie die internen Kosten des Schuldners, die unmittelbar oder mittelbar der Restrukturierung des Unternehmens zugeordnet werden können.73) Da diese Kosten zu diesem Zeitpunkt kaum exakt angegeben werden können, reichen insoweit Prognosen. 2.

Einberufung der Abstimmungsversammlung

42 Der Schuldner hat die Planbetroffenen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 StaRUG schriftlich (§ 126 BGB), also mit eigenhändiger Unterschrift, zur Abstimmungsversammlung zu laden. Gemäß § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche durch die elektronische Form ersetzt werden, die voraussetzt, dass das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird. Eine einfache E-Mail reicht daher für die Einberufung der Versammlung nicht aus.74) 43 Die Einberufungsfrist beträgt 14 Tage, um den Planbetroffenen ausreichend Zeit für die Prüfung des Restrukturierungsplans sowie seiner Anlagen einzuräumen und die Reise zum Versammlungsort zu planen.75) Die Frist beginnt mit dem Zugang des Einberufungsschreibens,76) der entsprechend § 41 Abs. 1 Satz 3 StaRUG bei im Inland ansässigen Planbetroffenen drei Tage nach Aufgabe zur Post fingiert werden sollte.77) 44 Bei einer elektronischen Teilnahmemöglichkeit beträgt die Einberufungsfrist lediglich sieben Tage, weil die Zeit für die Reiseplanung entfällt. Hinsichtlich der Prüfungsfrist für den Restrukturierungsplan muss es aber auf jeden Fall bei 14 Tagen bleiben.78) 45 Der Fristbeginn setzt außerdem voraus, dass den Planbetroffenen die vorzulegenden Unterlagen vollständig zur Verfügung stehen.79) ___________ 69) 70) 71) 72) 73) 74) 75) 76) 77)

78) 79)

702

Die Norm gilt nur für das außergerichtliche Planabstimmungsverfahren (§ 23 Halbs. 2 StaRUG). Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG z. § 17 StaRUG, BT-Drucks. 19/25353, S. 25. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG z. § 17 StaRUG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7. Smid, DZWIR 2021, 119, 125. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 38. Thole, ZIP 2020, 1985, 1989; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 6; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 5. Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 6. A. A. wohl Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 9, der in Anlehnung an die Rspr. zur Einladung zu einer Versammlung der Gesellschafter einer GmbH auf den Zeitpunkt des regelmäßig zu erwartenden Zugangs abstellt. Da dieser aber von Ort zu Ort verschieden ist, erscheint das Kriterium heute nicht mehr sachgerecht. Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

Wird die Abstimmungsversammlung zeitgleich mit der Übersendung des Planangebots (§ 17 46 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) einberufen, hat der Schuldner außerdem den vollständigen Restrukturierungsplan nebst Anlagen (§§ 14, 15 StaRUG) und die Kostenaufstellung des Restrukturierungsverfahrens zu übersenden. Beruft der Schuldner die Versammlung nach Abgabe des Planangebots ein, sind dieser Einladung nur noch der komplette Restrukturierungsplan sowie die vorgenannten Anlagen beizufügen (§ 20 Abs. 1 Satz 5 StaRUG).80) Die Ladung zur Abstimmungsversammlung sollte mit dem Hinweis verbunden werden, dass 47 die Planbetroffenen das Recht haben, Vorschläge zur Änderung des Restrukturierungsplans zu unterbreiten, die dem Schuldner mindestens einen Tag vor dem Abstimmungstermin in Textform (§ 126b BGB) zuzuleiten sind (§ 20 Abs. 3 Satz 3, 4 StaRUG).81) Ferner sollte der Schuldner die Planbetroffenen mit der Einberufung des Abstimmungs- 48 termins darauf hinweisen, dass die Stimmabgabe auch ohne Teilnahme an der Versammlung bis zum Ende der Abstimmung möglich ist (§ 20 Abs. 5 Satz 4 StaRUG). Schließlich sollte die Einberufung den Hinweis enthalten, dass die sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung des Plans nur zulässig ist, wenn dem Plan im Abstimmungsverfahren widersprochen und gegen ihn gestimmt wurde (§ 66 Abs. 3 Satz 1 StaRUG).82) 3.

Durchführung des Abstimmungstermins

3.1

Leitung der Versammlung

Der Schuldner leitet die Versammlung der Planbetroffenen (§ 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). 49 Etwas anderes gilt nur, wenn das Gericht zuvor einen Restrukturierungsbeauftragten nach § 73 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 StaRUG bestellt hat. Anstelle des Schuldners hat dieser die Versammlung zu leiten (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG). Der Versammlungsleiter hat i. R. seines Hausrechts für einen störungsfreien Verlauf des Termins Sorge zu tragen.83) 3.2

Teilnahmeberechtigung

Ausdrücklich geregelt ist, dass die Planbetroffenen berechtigt sind, an der Versammlung 50 teilzunehmen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Eine rechtsgeschäftliche Vertretung der Planbetroffenen ist zulässig (§ 167 BGB).84) Aufgrund des privatautonom ausgestalteten Abstimmungsverfahrens kann der Schuldner 51 in der Einladung zur Abstimmungsversammlung auch Dritten, z. B. Beratern, die Teilnahme gestatten.85) Da die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 99 StaRUG nicht eingeschränkt werden sollen, ist auch dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten jedenfalls dann eine Teil___________ 80) Entgegen dem Wortlaut der Norm nimmt Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 12a, an, dass der Einberufung der Abstimmungsversammlung der Plan selbst nicht beigefügt werden muss, sondern es ausreichend ist, wenn den Planbetroffenen mit dem Planangebot der Zugang zu einem elektronischen Datenraum verschafft wird, der den Plan enthält und den die Planbetroffenen herunterladen können. Radunz in: HambKomm-RestruktR, § 20 Rz. 19, hält den Zugang zu einem elektronischen Datenraum dann für ausreichend, wenn der Plan im Vergleich zu einem bereits übersandten Planangebot nach § 17 nur in einzelnen Punkten geändert wurde. 81) Radunz in: HambKomm-RestruktR, § 20 Rz. 31 sieht es als erforderlich an, dass der Änderungsvorschlag dem Schuldner mindestens 24 Stunden vor dem Abstimmungstermin vorliegen muss. 82) AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31. 83) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 24; so auch zum Erörterungstermin im Insolvenzplanverfahren BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, Rz. 40, ZIP 2010, 1499, 1502. 84) Ebenso Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 20. 85) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 18.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

nahme zu ermöglichen,86) wenn das Restrukturierungsvorhaben Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer hat, etwa Entlassungen und/oder Kurzarbeiterregelungen beinhaltet. Dazu sind gemäß Nr. 7 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG auch Angaben im Restrukturierungsplan notwendig. Sofern Anleihegläubiger in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, ist neben diesen87) ein nach § 19 Abs. 6 i. V. m. § 19 Abs. 3 SchVG bestellter gemeinsamer Vertreter teilnahmeberechtigt (siehe dazu auch Graf-Schlicker/ Denkhaus, HRI I, § 34 Rz. 4). Zwar gehört die außergerichtliche Abstimmung nach § 20 StaRUG nicht zu den in § 19 Abs. 6 SchVG genannten Instrumenten des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens nach § 29 Abs. 2 StaRUG, jedoch bereitet die Abstimmung die Bestätigung des Restrukturierungsplans vor, die gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zählt. 3.3

Ablauf der Versammlung

52 In Anlehnung an den Erörterungs- und Abstimmungstermin zum Insolvenzplan kommt folgender Ablauf der Versammlung in Betracht: Feststellung der Formalien einschließlich der Mitteilung der Modalitäten der Abstimmung (§ 20 Abs. 5 Satz 2 StaRUG),88) Erläuterung des Inhalts des Plans, Erörterung,89) Abstimmung, Feststellung des Abstimmungsergebnisses und Dokumentation des Versammlungsverlaufs. 3.3.1 Feststellung der Formalien 53 Zunächst sind die erschienenen oder – sofern eine elektronische Teilnahme möglich ist – die zugeschalteten Personen aufzurufen. Um eventuelle negative Auswirkungen auf das Bestätigungsverfahren gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 StaRUG zu vermeiden, sollte der Schuldner einen Identitätsnachweis der Teilnehmenden verlangen und sich im Falle der rechtsgeschäftlichen oder organschaftlichen Vertretung die Vertretungsbefugnis nachweisen lassen.90) Diese Überprüfung sollte er gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 StaRUG dokumentieren.91) 54 Sodann ist die ordnungsgemäße Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin (siehe dazu Rz. 43 ff.) festzustellen und zu dokumentieren. 55 Ferner hat der Schuldner mitzuteilen, auf welche Weise abzustimmen ist, z. B. durch Wahlzettel oder durch Handheben.92) 56 Darüber hinaus sollte er noch einmal festhalten, mit welchen Forderungen und Rechten die Planbetroffenen nach dem Planangebot in den Restrukturierungsplan einbezogen sind, welchen Gruppen sie zugeteilt sind und welches Stimmrecht er ihnen gewährt hat (vgl. § 17 Abs. 2 StaRUG). 57 Das Gestaltungsrecht für den Ablauf des Termins liegt beim Schuldner. Anträgen zur „Geschäftsordnung“ muss dieser nicht nachkommen.93)

___________ 86) Befürwortend ebenfalls Thies in Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 92. 87) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 18a; Bernsau/Beyer, ZInsO 2021, 2533, 2534. 88) Bernsau/Beyer, ZInsO 2021, 2533, 2538. 89) Bernsau/Beyer, ZInsO 2021, 2533, 2538. 90) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 20. 91) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 20. 92) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 18; Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 93) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 22.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

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3.3.2 Erläuterung des Restrukturierungsplans Auf Verlangen eines Planbetroffenen hat der Schuldner Auskunft über den Restruktu- 58 rierungsplan und die für die sachgemäße Beurteilung des Plans relevanten Verhältnisse zu erteilen. Die Auskunftsverpflichtung gilt auch für verbundene Unternehmen i. S. von § 15 AktG, die gruppeninterne Sicherheiten gestellt haben. (§ 20 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Der Hinweis auf das Tochterunternehmen in § 20 Abs. 3 Satz 2 StaRUG beinhaltet ein Redaktionsversehen.94) Hat der Schuldner auch95) die elektronische Teilnahme von Planbetroffenen ermöglicht, 59 ist er allein dafür verantwortlich, dass durchgängig alle auf diesem Wege berechtigt Teilnehmende die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrnehmen, sich wie die anwesenden Teilnehmenden äußern und auch mit anderen kommunizieren zu können.96) Bedient sich der Schuldner für die elektronische Kommunikation der Dienste von Cloud-Anbietern für Videokonferenzlösungen, z. B. Zoom Video Communications, Cisco Webex oder Microsoft Teams, gehen Störungen im Bereich dieser Dienste zu seinen Lasten (vgl. § 63 Abs. 4 Satz 1 StaRUG).97) Dagegen ist es Aufgabe der Teilnehmenden ihre für die elektronische Kommunikation nutzenden Geräte empfangsbereit zu halten und für einen störungsfreien Internetverkehr zu sorgen.98) Allerdings hat der Schuldner i. R. des Planbestätigungsverfahrens nach § 63 Abs. 4 StaRUG grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, dass die Störung nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt. War anderen Teilnehmenden eine elektronische Kommunikation möglich, spricht der Anschein dafür, dass die Störung nicht in der vom Schuldner zu verantwortenden Sphäre liegt. In diesem Fall hat der Planbetroffene den Anschein zu erschüttern und Gegenteiliges zu beweisen.99) Gegenstand der Erörterung können auch die Stimmrechte der Planbetroffenen sein, ins- 60 besondere, wenn sie streitig sind. Bleibt die vom Schuldner vorgenommene Festlegung eines Stimmrechts streitig, kann er gemäß § 24 Abs. 4 StaRUG an seiner Stimmrechtsfestsetzung festhalten. Endgültig geklärt werden kann die Streitfrage erst durch das Restrukturierungsgericht i. R. der Bestätigung des Restrukturierungsplans (§ 63 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Die Stimmrechtsfestsetzung hat das Gericht eigenständig unter Berücksichtigung der in § 24 StaRUG bestimmten Voraussetzungen vorzunehmen, an die vorläufige Festlegung durch den Schuldner ist es dabei nicht gebunden.100) Ein nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 oder 2, Abs. 2 StaRUG bestellter Restrukturierungsbeauftragter hat die Frage der Stimmrechtsfestsetzung gemäß §§ 47, 48 StaRUG zum Gegenstand einer gerichtlichen Vorprüfung zu machen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG; siehe dazu Graf-Schlicker, HRI I, § 30 Rz. 34 f.). Im Rahmen der Erörterung des Plans können auch Änderungsvorschläge der Planbetroffe- 61 nen zum Restrukturierungsplan zur Sprache gebracht werden, die dem Schuldner gemäß § 20 Abs. 3 Satz 4 StaRUG einen Tag vor der Versammlung in Textform zugänglich zu machen sind.101) Unterbreitet ein Planbetroffener einen Änderungsvorschlag erst nach ___________ 94) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 22. 95) Nach der Gesetzesbegründung, Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123, kann die Teilnahmemöglichkeit nicht auf elektronische Kommunikationswege beschränkt werden, wie das Wort „auch“ in § 20 Abs. 2 StaRUG verdeutlicht; so ebenfalls Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 20 Rz. 8. 96) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 97) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 15. 98) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 15. 99) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 17. 100) Begr. RegE SanInsFoG z. § 70 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162. 101) Radunz in: HambKomm-RestruktR, § 20 Rz. 31, sieht es als erforderlich an, dass der Änderungsvorschlag dem Schuldner mindestens 24 Stunden vor dem Abstimmungstermin vorliegen muss.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Ablauf dieser Frist, kann der Schuldner seien Vorschlag erörtern, eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nicht.102) 3.3.3 Abstimmung über den Restrukturierungsplan 62 Hat der Versammlungsleiter alle Äußerungswünsche berücksichtigt und steht das Stimmrecht der Planbetroffenen fest,103) kann er mit der Abstimmung beginnen. Nicht entscheidend ist, ob die Planbetroffenen seine Antworten als ausreichend bewerten, ansonsten könnten einige von ihnen den Abstimmungsprozess blockieren.104) 3.3.3.1

Abstimmungsfähiger Plan

63 Maßgebend für die Abstimmung ist ausschließlich der vom Schuldner zur Abstimmung gestellte Plan. Eine Abstimmung über konkurrierende Pläne ist ausgeschlossen.105) 64 Der Schuldner kann in dem Restrukturierungsplan, den er zur Abstimmung stellt, aber Änderungsvorschläge von Planbetroffenen aufgreifen. Dabei darf es sich jedoch inhaltlich gegenüber dem Plan, der vor dem Abstimmungstermin übersandt wurde, nur um „einzelne Punkte“ handeln (§ 20 Abs. 4 StaRUG). Das StaRUG definiert nicht näher, was darunter zu verstehen ist. Die Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 4 StaRUG verweist insoweit auf die Auslegung der im Wesentlichen wortgleichen Formulierung in § 240 InsO.106) Zur Bedeutung des Begriffs „einzelne Punkte“ in dieser Norm wird in der Literatur vielfach auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zu § 284 InsO verwiesen,107) wo es heißt, es müsse der Kern des Plans erhalten bleiben,108) sog. Plankerntheorie.109) 65 Den Kernbereich des Restrukturierungsplans berühren Änderungen, die dem Plan eine neue Zielrichtung geben und die Sanierungselemente grundlegend verändern,110) solche Änderungen sind daher unzulässig. Dagegen sind einzelne Änderungen von substanzieller Bedeutung nicht generell ausgeschlossen,111) sie müssen aber für die Beurteilung der Gesamtkonzeption überschaubar sein und dürfen nicht dazu führen, dass davon Betroffene ihre Position rechtlich und wirtschaftlich nicht zutreffend einschätzen können.112) Maßstab ___________ 102) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 103) Vgl. zur Abstimmung über den Insolvenzplan BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 14 ff., ZRI 2021, 186, 187 = ZVI 2021, 182, 184. 104) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 23; so auch zum Erörterungstermin im Insolvenzplanverfahren BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, Rz. 37, ZIP 2010, 1499, 1502. 105) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 28; Radunz in: HambKomm-RestruktR, § 20 Rz. 37. 106) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 107) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 14. Zum Insolvenzplanverfahren vgl. Pleister in: KPB, InsO, § 240 Rz. 8; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 8; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 240 Rz. 5; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 3, 4. 108) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 183. 109) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 14; Frind, WM 2018, 1920, 1923. 110) Pleister in: KPB, InsO, § 240 Rz. 8; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 240 Rz. 5; Thies in: HambKommInsO, § 240 Rz. 3; dazu gehören nach Auffassung des LG Hamburg v. 7.2.2018 – 326 T 120/16, NZI 2018, 261, 263 m. Anm. Madaus, auch Änderungen der Gruppenstruktur, wenn sie die Befriedigungsquote erheblich verändern, ebenso LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZInsO 2020, 840; Frind, WM 2018, 1920, 1923. 111) Vgl. zum Insolvenzplanverfahren Pleister in: KPB, InsO, § 240 Rz. 8; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 8; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 240 Rz. 5; a. A. wohl Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 3, 4. 112) Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 240 Rz. 5; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 3; Thies in: HambKomm-InsO, § 240 Rz. 3.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

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sollte deshalb sein, ob die Änderungen, die sowohl den darstellenden als auch den gestaltenden Teil betreffen können,113) so umfangreich oder gravierend sind, dass eine erneute Prüfung des Plans durch die Planbetroffenen erforderlich ist, um ihre Beteiligungsrechte hinreichend zu wahren. Diese Beurteilung ist nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtkonzeption des Restrukturierungsplans möglich.114) 3.3.3.2

Abstimmung

3.3.3.2.1 Modalitäten Für die Abstimmung ist gesetzlich zwingend vorgeschrieben, dass diese nach Gruppen 66 zu erfolgen hat (§ 20 Abs. 5 Satz 1 StaRUG). Sind Planbetroffene wegen unterschiedlicher Forderungen und Rechte Mitglieder in verschiedenen Gruppen, müssen sie in jeder Gruppe gesondert abstimmen. Im Übrigen kann der Schuldner die Modalitäten der Abstimmung selbst festlegen (§ 20 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). Der Beginn der Abstimmung markiert für den Schuldner auch den Zeitpunkt, von dem an 67 er seinen Restrukturierungsplan nicht mehr zurückziehen kann.115) 3.3.3.2.2 Stimmabgabe Die Stimmabgabe ist als Willenserklärung gemäß § 130 BGB zu werten, die mit Zugang 68 beim Versammlungsleiter bindend ist.116) Deshalb können die Planbetroffenen ihre Stimmabgabe nicht bis zum Ende des Abstimmungstermins widerrufen.117) Geben sie ihre Stimme auf elektronischem Wege ab, hat der Schuldner diesen Vorgang elektronisch zu bestätigen (§ 20 Abs. 5 Satz 3 StaRUG), so dass die Stimmabgabe erst mit dem Zugang der Bestätigung wirksam wird und ab diesem Zeitpunkt unwiderruflich ist. 3.3.3.2.3 Annahme des Restrukturierungsplans Der Restrukturierungsplan ist angenommen, wenn alle Planbetroffenen zugestimmt haben 69 oder in jeder Gruppe mindestens drei Viertel der Stimmen für ihn votiert haben (§ 25 Abs. 1 StaRUG).118) Maßgebend für das 75 %-Mehrheitserfordernis sind alle Forderungen und sonstigen Rechte der jeweiligen Gruppe.119) Enthaltungen oder nicht abgegebene Stimmen zählen wie Ablehnungen.120) Wirkungen kann der Plan gegen dissentierende Planbetroffene aber nur erzielen, wenn er gerichtlich bestätigt wird (§§ 17 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 1 StaRUG). Eine solche gerichtliche Bestätigung erfolgt nur auf Antrag des Schuldners (§ 60 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Wird die erforderliche Quote von drei Viertel der Stimmrechte in einer oder mehreren 70 Gruppen nicht erreicht, kann die Zustimmung gemäß § 26 StaRUG fingiert werden, sofern ___________ 113) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 26; Radunz in: HambKomm-RestruktR, § 20 Rz. 35. 114) Pleister in: KPB, InsO, § 240 Rz. 8; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 8; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 240 Rz. 5; Frind, WM 2018, 1920, 1923. 115) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 20 Rz. 42. 116) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 20 Rz. 43; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 17. 117) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 20 Rz. 43. Zur KO wurde dies von der h. M. so vertreten, vgl. dazu Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 243 Rz. 6, anders zur InsO Begr. RegE z. § 287 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 208. 118) Wilkens, WM 2021, 573, 579, 580. 119) Begr. RegE SanInsFoG z. § 27 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 10. 120) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 10; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 25 Rz. 5; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 17.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

die Voraussetzungen einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung (Cross-Class Cram-down) vorliegen.121) 71 Erforderlich dafür ist, dass die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan 

voraussichtlich nicht schlechtergestellt werden als sie ohne einen Plan stünden (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG),122)



sie angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der den Planbetroffenen auf der Grundlage des Restrukturierungsplans zufließen soll (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) und



in der Mehrheit der abstimmenden Gruppen, die nicht ausschließlich durch Anteilsinhaber oder nachrangige Restrukturierungsgläubiger gebildet sein dürfen, die erforderliche Zustimmungsquote von 75 % der Stimmrechte erreicht wurde.

72 Sieht der Restrukturierungsplan lediglich zwei Gruppen vor, reicht die Zustimmung einer Gruppe aus (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 StaRUG). 73 Für die Frage der voraussichtlichen Schlechterstellung ist das „nächstbeste Alternativszenario“ maßgeblich, also die Situation der Gläubiger im Falle des Scheiterns des Restrukturierungsplans.123) Alternativszenarien sind gemäß § 6 Abs. 2 StaRUG zunächst anderweitige Fortführungsmöglichkeiten oder der Verkauf des Unternehmens. Erst wenn diese nicht überwiegend wahrscheinlich sind, kommt als Alternative ein Liquidationsszenario in Betracht, was fundiert zu begründen ist.124) Vergleichsmaßstab kann dann auch ein Liquidationsinsolvenzverfahren sein.125) Zu weiteren Einzelheiten siehe Graf-Schlicker/Denkhaus, HRI I, § 34 Rz. 56 ff. 74 Die angemessene Beteiligung am Planwert nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG beurteilt sich zunächst nach der absoluten Prioritätsregelung des § 27 StaRUG. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 – 3 StaRUG126) ist eine Gruppe von Gläubigern angemessen am Planwert beteiligt, wenn 

kein anderer planbetroffener Gläubiger Werte erhält, die seinen Anspruch übersteigen (Überkompensationsverbot)127);



weder ein Gläubiger, der außerhalb des Plans nachrangig wäre, noch der Schuldner oder ein Anteilsinhaber einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten, der nicht durch eine

___________ 121) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, NZI 2021, 893 = ZInsO 2021, 1398. 122) Die Regelung entspricht im Wesentlichen § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO, vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128. 123) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128; AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 7, NZI 2021, 544, 545 = ZRI 2021, 473, dazu EWiR 2021, 440 (Stahlschmidt); Distler, ZIP 2021, 1033, 1038; Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617; Spahlinger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 33 f.; Skauradszun, KTS 2021, 1, 64; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 19, 20; Wilkens, WM 2021, 573, 579; Wozniak, jurisPR-InsR 16/2021 Anm. 3. 124) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128 und z. § 8 StaRUG, S. 116; AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, Rz. 14, NZI 2021, 893 = ZInsO 2021, 1398. 125) Das AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 7, NZI 2021, 544, 545 = ZRI 2021, 473, zieht ein Insolvenzszenario als Vergleichsmaßstab bereits heran, wenn „kein konkretes und verlässliches Alternativszenario unter Ansatz von Fortführungswerten“ darstellbar ist. Zum Sachverhalt dieses Restrukturierungsverfahrens und zur Besprechung dieser Entscheidung Grau/Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522; zu dieser Entscheidung vgl. des Weiteren Stahlschmidt, EWiR 2021, 440 (Urteilsanm.); Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618; Wozniak, jurisPR-InsR 16/2021 Anm. 3. 126) Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, ebenso Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 7; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 27 Rz. 23; s. a. unten Graf-Schlicker/Denkhaus, HRI I, § 34 Rz. 81; a. A. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 27 Rz. 19, 20. 127) Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 27 Rz. 23.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

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Leistung in das schuldnerische Vermögen kompensiert wird (absolute Vorrangregelung)128); 

kein planbetroffener Gläubiger, der in einem Insolvenzverfahren gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, bessergestellt wird (Verbot der Besserstellung gleichrangiger planbetroffener Gläubiger)129).

In der Gruppe der Anteilseigner liegt gemäß § 27 Abs. 2 StaRUG eine angemessene wirt- 75 schaftliche Beteiligung vor, sofern kein Gläubiger mehr als eine Vollbefriedigung erhält und kein Anteilsinhaber, der ohne einen Plan den Mitgliedern der Gruppe gleichgestellt wäre, einen wirtschaftlichen Wert behält. Diese Regelungen in § 27 StaRUG zum gruppenübergreifenden Diskriminierungsverbot130) 76 können jedoch gemäß § 28 StaRUG in drei Fällen durchbrochen werden, und zwar: 

Im Falle von § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG, sofern sich die Ungleichbehandlung gleichrangiger Gläubiger nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen als sachgerecht erweist (§ 28 Abs. 1 StaRUG). Nicht sachgerecht ist eine Ungleichbehandlung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, wenn auf die überstimmte Gruppe mehr als die Hälfte der Stimmrechte der Gläubiger der betroffenen Rangklasse entfällt.



Als Ausnahme von der absoluten Vorrangregel des § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG lässt § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG die weitere Beteiligung der Schuldner oder Anteilsinhaber am Unternehmensvermögen zu, wenn deren Mitwirkung aufgrund besonderer, in der jeweiligen Person liegender Umstände unerlässlich ist, um den Planwert zu realisieren. In einem solchen Fall ist aber weiterhin erforderlich, dass sich diese Person im Restrukturierungsplan zur Mitwirkung und zur Rückgewähr der erhaltenen oder belassenen Werte verpflichtet, falls sie aus von ihr zu vertretenen Gründen vor Ablauf von fünf Jahren – oder bei einer kürzeren Laufzeit für den Planvollzug vor deren Ablauf – ihre Mitwirkung beendet.



Außerdem sieht § 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG eine Ausnahme von der absoluten Vorrangregel nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG vor, wenn die Eingriffe in die Rechte der dissentierenden131) Gläubigergruppe geringfügig sind, weil sie sich auf Fälligkeitsverschiebungen von maximal 18 Monaten beschränken. Zu den Einzelheiten gruppenübergreifender Mehrheitsentscheidungen siehe GrafSchlicker/Denkhaus, HRI I, § 34 Rz. 78 ff.

Die Frage, ob die Annahme des Plans nach §§ 26 – 28 StaRUG fingiert werden kann, ist 77 vom Restrukturierungsgericht i. R. der Planbestätigung zu prüfen, die gemäß § 60 StaRUG nur vom Schuldner beantragt werden kann. Das Gesetz bestimmt nicht positiv, unter welchen Voraussetzungen ein Plan zu bestätigen ist, sondern regelt in § 63 StaRUG, in welchen Fällen seine Bestätigung von Amts wegen zu versagen ist. Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG hat das Gericht zu prüfen, ob die Vorschriften über die Annahme des Plans durch die Planbetroffenen „in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind.“

___________ 128) Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129, 130; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 27 Rz. 23. 129) Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129. 130) Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 28 Rz. 12. 131) Dass es sich um die dissentierende Gläubigergruppe handelt muss, stellt die Gesetzesbegründung ausdrücklich klar, Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130.

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§ 31

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Hierunter fällt auch die Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Zustimmungsfiktion nach §§ 26 – 28 StaRUG vorliegen.132) 3.4

Dokumentation der Abstimmung

78 Der Versammlungsleiter (Schuldner oder ein nach §§ 73 Abs. 1, Nr. 1-3 Abs. 2, 74 Abs. 3 StaRUG bestellter Restrukturierungsbeauftragter, § 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) hat gemäß § 22 StaRUG den Ablauf des Planannahmeverfahrens zu dokumentieren und das Ergebnis der Abstimmung unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) schriftlich festzuhalten.133) Außerdem hat er in der Dokumentation eine streitige Auseinandersetzung über die Auswahl der Planbetroffenen, die Einteilung in Gruppen sowie die Zuweisung von Stimmrechten (§§ 22 Abs. 1 Satz 2, 24 Abs. 4 Satz 2 StaRUG) festzuhalten. 79 Nur hinsichtlich des Ergebnisses der Abstimmung trifft das Gesetz (§ 22 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) besondere Regelungen. Dafür gilt die Schriftform gemäß § 126 BGB, der Versammlungsleiter hat das Abstimmungsergebnis also eigenhändig zu unterzeichnen. Im Übrigen kann er die Art und Weise der Dokumentation bestimmen, also sie z. B. in Textform (§ 126b StaRUG) erstellen.134) 80 Bedeutung hat die Dokumentation insbesondere, wenn der Schuldner die Bestätigung des Restrukturierungsplans nach § 60 StaRUG beantragt. Sie dient dem Gericht gegenüber als Unterrichtung über den Ablauf und das Ergebnis des Planabstimmungsverfahrens, damit der Restrukturierungsrichter im gerichtlichen Bestätigungsverfahren dessen ordnungsgemäße Durchführung überprüfen kann (§ 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Die Dokumentation beinhaltet eine Wissenserklärung des Versammlungsleiters, sie entfaltet – anders als das gerichtlich geführte Protokoll (§ 165 ZPO) – keine Beweiskraft.135) Zu bedenken gilt es aber, dass Zweifel an der ordnungsgemäßen Annahme des Plans zulasten des Schuldners gehen (§ 63 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Deshalb hat der Versammlungsleiter die Dokumentation sorgfältig vorzunehmen. Er sollte die Einhaltung der Form und Ladungsfristen zum Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 20 Abs. 1 StaRUG), den Beginn und Ablauf der Erörterung und Abstimmung, das Abstimmungsergebnis sowie das Ende der Abstimmungsversammlung in seine Dokumentation aufnehmen.136) 81 Die Dokumentation dient darüber hinaus der Unterrichtung der Planbetroffenen, die diesen gemäß § 22 Abs. 2 StaRUG unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), vom Versammlungsleiter zugänglich zu machen ist. Auf welche Weise das zu geschehen hat, ist gesetzlich nicht bestimmt. Ausreichend dürfte z. B. sein, dass der Versammlungsleiter die Dokumentation als Anhang einer E-Mail übersendet und darauf hinweist, dass das Abstimmungsergebnis von ihm unterschrieben wurde, die Originalurkunde ggf. bei ihm eingesehen werden kann. Zulässig dürfte auch sein, die Dokumentation mit einem solchen Hinweis online zur Verfügung zu stellen.137) 82 Eine Dokumentation des Ablaufs des Planannahmeverfahrens ist den Planbetroffenen auch dann zugänglich zu machen, wenn die Abstimmung über den Restrukturierungsplan ___________ 132) Vgl. dazu Distler, ZIP 2021, 1033, 1035, Rz. 13; Wilkens, WM 2021, 573, 585. 133) S. dazu die übersichtliche Darstellung von Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 22 Rz. 1. 134) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 22 Rz. 15; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 22 Rz. 4; a. A. Frind, ZInsO 2020, 2241, 2242, der eine eidesstattliche Versicherung für notwendig erachtet. 135) Begr. RegE SanInsFoG z. § 24 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 22 Rz. 7. 136) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 22 Rz. 6; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 22 Rz. 10, 11. 137) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 22 Rz. 10; im Ergebnis wohl auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 22 Rz. 17. Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 22 Rz. 8, plädiert dafür, einen Gleichlauf mit § 17 Abs. 4 StaRUG vorzunehmen.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

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nicht die erforderliche Mehrheit ergeben hat. Aus der Formulierung in § 22 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, dass der Ablauf des Planannahmeverfahrens zu dokumentieren ist, kann nicht geschlossen werden, dass eine solche Verpflichtung bei der Ablehnung des Plans nicht besteht. Vielmehr bezieht sich diese Formulierung ihrem Sinn und Zweck nach auf das Prozedere, das zur Annahme des Plans führen kann, nicht aber muss.138) Die Dokumentation des Verfahrens kann für die Planbetroffenen auch für weitere Schritte zur Restrukturierung des Unternehmens von Interesse sein. III.

Gerichtlicher Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 45 StaRUG)

1.

Antrag auf Bestimmung des Termins

Der gerichtliche Erörterungs- und Abstimmungstermin nach § 45 StaRUG, der sich an 83 § 235 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO orientiert,139) stellt ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens dar (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Er wird grundsätzlich auf Antrag des Schuldners bestimmt, der durch die Einbindung des Gerichts in das Abstimmungsverfahren Nachweisprobleme vermeiden kann (vgl. § 63 Abs. 4 Satz 1 StaRUG).140) Etwas anderes gilt nur, wenn ein Restrukturierungsbeauftragter nach § 73 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder Abs. 2 StaRUG von Amts wegen bestellt ist. In diesem Fall steht dem Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG die Entscheidung darüber zu, wie der Restrukturierungsplan zur Abstimmung gebracht wird. Dieses Recht umfasst nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch die Befugnis zur Einleitung des gerichtlichen Abstimmungsverfahrens.141) 2.

Zulässigkeit des Antrags

Zulässig ist der Antrag zur Bestimmung eines gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungs- 84 termins, wenn der Schuldner zuvor eine Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG vorgenommen hat (siehe hierzu die Ausführungen zu Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 77 ff.).142) Diese stellt eine einseitige Verfahrenshandlung des Schuldners dar,143) die gemäß § 31 Abs. 3 StaRUG zur Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache führt und zur Folge hat, dass während dieser Zeit die Insolvenzantragspflichten nach § 15a Abs. 1-3 InsO, § 42 Abs. 2 BGB ruhen, allerdings durch eine strafbewehrte Anzeige der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung ersetzt werden (§ 42 Abs. 1 StaRUG). Zur Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts schon bei Anzeige der Rechtshängigkeit siehe Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 81 ff. 3.

Vorzulegende Unterlagen

Dem Antrag sind gemäß § 45 Abs. 2 StaRUG der vollständige Restrukturierungsplan sowie 85 die Anlagen nach §§ 14, 15 StaRUG beizufügen. Zum Inhalt des Plans und der Anlagen wird auf oben, siehe Rz. 21 ff., verwiesen.

___________ A. A. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 22 Rz. 13, 18. Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. Im Ergebnis ebenso Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 45 Rz. 6; Hirte in: Braun, StaRUG, § 45 Rz. 6; Webel in: Nerlich/Römermann, InsO, § 45 StaRUG Rz. 2; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 105; a. A. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 3; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 9. 142) Zu den Vorüberlegungen und den Anforderungen an eine Restrukturierungsanzeige Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 785, 787 ff. 143) Begr. RegE SanInsFoG z. § 33 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 134. 138) 139) 140) 141)

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

86 Die Unterlagen dienen sowohl der umfassenden Information des Gerichts als auch der Planbetroffenen.144) Mit der Vorlage des Restrukturierungsplans und der Unterlagen wird zugleich der Zeitpunkt der Einreichung des Plans bestimmt, der für die gestaltbaren Rechtsverhältnisse und der Festlegung von Zinsforderungen maßgebend ist (§ 2 Abs. 5, § 24 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).145) 4.

Gerichtliche Maßnahmen vor dem Termin

4.1

Prüfung der Verfahrenshilfevoraussetzungen

87 Das Restrukturierungsgericht hat zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für diese Maßnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (Verfahrenshilfe) vorliegen (§ 29 Abs. 2 Nr. 1), also die Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG erfolgt ist, der Restrukturierungsplan sowie die Unterlagen vollständig sind (siehe dazu Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 86 ff.) und der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist.146) 88 Drohende Zahlungsunfähigkeit setzt gemäß § 18 Abs. 2 InsO voraus, dass der Schuldner innerhalb eines Prognosezeitraums von 24 Monaten nicht in der Lage ist, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitraum der Fälligkeit zu erfüllen.147) Darüber hinaus darf beim Schuldner – wie sich seiner Anzeigepflicht nach § 32 Abs. 3 StaRUG zum Vorliegen von Insolvenzgründen und der Aufhebungsverpflichtung des Restrukturierungsgerichts nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG entnehmen lässt – noch keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten sein.148) Siehe dazu auch Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 54 ff. und Rz. 89 ff. 4.2

Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin

4.2.1 Planbetroffene 89 Nach § 45 Abs. 3 StaRUG hat das Gericht die Planbetroffenen zu laden. Planbetroffene sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 StaRUG die Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte. Maßgebend für die Bestimmung der Rechtsverhältnisse ist der Zeitpunkt der Einreichung des Plans (§ 2 Abs. 5 StaRUG). 4.2.2 Zeitpunkt 90 Das Restrukturierungsgericht hat die Ladung unverzüglich zu veranlassen, wenn die Voraussetzungen für die gerichtliche Planabstimmung (siehe dazu Rz. 87 ff.) vorliegen. Dieses Erfordernis ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, ist jedoch der generellen Eilbedürftigkeit einer Restrukturierungssache geschuldet. Deshalb besteht gemäß § 39 Abs. 3

___________ 144) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 145) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 146) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 29 Rz. 2; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 8; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 29 Rz. 48; Schröder in: HambKomm-RestruktR, § 29 Rz. 2; Brünkmans, ZInsO 2021, 1, 7; Gehrlein, BB 2021, 66, 72; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2227; Skauradszun, ZRI 2020, 625; Thole, ZIP 2020, 1985, 1990. 147) Vgl. dazu auch AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377, 378, = ZIP 2021, 806; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 6; Vallender, ZRI 2021, 165, 168, 170. 148) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 29 Rz. 2; Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 90.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

Satz 2 StaRUG, § 227 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch keine Verpflichtung des Gerichts zur Terminsverlegung in den Sommermonaten Juli und August.149) 4.2.3 Kostenvorschuss Die Ladung soll gemäß § 13a Abs. 1 GKG150) aber erst nach Zahlung der Gebühr für das 91 Verfahren, die nach § 25a Abs. 1 GKG151) vom Schuldner zu entrichten ist, vorgenommen werden.152) 4.2.4 Hinweise Das Restrukturierungsgericht hat die Ladung gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 StaRUG153) mit 92 dem Hinweis zu verbinden, dass der Termin und die Abstimmung über den Plan auch dann durchgeführt werden können, wenn nicht alle Planbetroffenen teilnehmen. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Planbetroffene durch ein Nichterscheinen zum Termin die Erörterung und Abstimmung über den Plan vereiteln.154) Des Weiteren sollte das Restrukturierungsgericht mit der Ladung gemäß § 64 Abs. 2 StaRUG 93 darauf hinweisen, dass der Minderheitenschutz nach § 64 StaRUG bei der Bestätigung des Restrukturierungsplans nur in Anspruch genommen werden kann, wenn der antragstellende Planbetroffene im gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin dem Plan widersprochen und glaubhaft gemacht hat, durch den Plan schlechtergestellt zu werden.155) Im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens sollte das Rechtsmittelgericht 94 ferner darauf hinweisen, dass eine Beschwerde gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplans nur zulässig ist, wenn der Planbetroffene im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen oder dagegen gestimmt hat (§ 66 Abs. 3 StaRUG), ansonsten gelten diese Einschränkungen bei der Einlegung des Rechtsmittels zum Schutze der Betroffenen nicht.156) Sofern das Restrukturierungsgericht nach § 38 StaRUG einzelnen oder allen Beteiligten 95 gestattet, im Wege der Bild- und Tonübertragung an dem Erörterungs- und Abstimmungstermin teilzunehmen, hat es ferner gemäß § 38 Satz 2 StaRUG darauf hinzuweisen, dass wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen sind und die Teilnahme Dritter an diesem Termin durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden ist.157) 4.2.5 Beizufügende Unterlagen Der Ladung beizufügen sind der vom Schuldner nach § 45 Abs. 2 StaRUG vorzulegende 96 vollständige Restrukturierungsplan nebst den Anlagen nach §§ 14, 15 StaRUG. Dies ___________ 149) 150) 151) 152) 153)

154) 155) 156)

157)

So im Ergebnis auch Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 16. Die Norm ist durch Art. 11 Nr. 1 SanInsFoG eingefügt worden. Die Norm ist durch Art. 11 Nr. 5 SanInsFoG eingefügt worden. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 16; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 45 Rz. 13. Die Gebühr beträgt nach Nr. 2511 der Anlage 1 KV zu § 3 Abs. 2 GKG 1.000 €. Die Regelung ist durch Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166, 1173, der am 27.7.2022 in Kraft getreten ist, von § 45 Abs. 3 Satz 2 in Satz 3 verschoben worden. Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 7; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 45 Rz. 16; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 106. Begr. RegE SanInsFoG z. § 73 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 164; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 106. Vgl. dazu auch AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 7; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 22.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

ist in § 45 Abs. 3 Satz 2 StaRUG durch Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, der am 27.7.2022 in Kraft getreten ist,158) klargestellt worden.159) 4.2.6 Ladungsfrist und Zustellung 97 Die Ladungsfrist beträgt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 StaRUG mindestens 14 Tage. Sie beginnt mit der wirksamen Zustellung an die Planbetroffenen und wird durch die Bestimmung eines Vorprüfungstermins von Amts wegen nach § 46 Abs. 3 StaRUG nicht erneut in Gang gesetzt.160) 98 Zum Zwecke der Zustellung kann das Gericht gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 StaRUG die Ladung unter der Anschrift der Zustellungsadressaten zur Post geben.161) Zum Nachweis der Zustellung ist in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das zuzustellende Schriftstück zur Post gegeben wurde (§ 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die Zustellung gilt drei Tage nach Aufgabe zur Post als bewirkt (§ 41 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). 99 Alternativ kann das Gericht gemäß § 41 Abs. 3 StaRUG auch dem Schuldner oder einem bestellten Restrukturierungsbeauftragten (§ 76 Abs. 6 StaRUG) die Aufgabe der Zustellung an die Planbetroffenen übertragen. Dabei hat es sicherzustellen, dass die Ladung mit allen Hinweisen und beizufügenden Unterlagen an den Schuldner oder den Restrukturierungsbeauftragten übergeben wird.162) 100 Für die Zustellung durch den Schuldner gelten die §§ 191 – 194 ZPO. Der Schuldner hat daher einen Gerichtsvollzieher einzuschalten, der die Zustellung vorzunehmen hat (§ 192 ZPO), die auch durch Aufgabe zur Post erfolgen kann.163) Er hat diesem die von ihm anzufertigende Adressliste der Planbetroffenen164) sowie die Ladung des Gerichts mit den notwendigen Hinweisen (siehe dazu Rz. 92–95) und die beizufügenden Unterlagen (siehe dazu Rz. 96) auszuhändigen.165) Angesichts der Notwendigkeit der Einschaltung eines Gerichtsvollziehers bei der Zustellung durch den Schuldner, die zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen kann, dürfte eine solche Maßnahme in der Regel nicht sachdienlich sein.166) ___________ 158) Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166, 1173. 159) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA, BT-Drucks. 20/2653, S. 36. Zuvor ergab sich dies zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, jedoch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen in § 45 Abs. 2 und § 65 Abs. 2 Satz 3 StaRUG. Die Vorlage des Plans nebst Anlagen gemäß § 45 Abs. 2 StaRUG soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur der vollständigen Information des Restrukturierungsgerichts, sondern auch der Planbetroffenen dienen. Dieser Zweck kann nur erfüllt werden, wenn die Planbetroffenen die Unterlagen mit der Ladung erhalten. § 65 Abs. 2 Satz 3 StaRUG impliziert, dass der Plan vor der Abstimmung den Planbetroffenen zu übersenden ist. Im Ergebnis ebenso Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 6; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 17; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B VII. Rz. 105. 160) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 16a. 161) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 45 Rz. 25; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 8; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 18. 162) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 18. 163) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 45 Rz. 27. 164) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 20. 165) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 18. 166) Im Ergebnis ebenso Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 8 und § 41 Rz. 5; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 20.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

Hat das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 Abs. 6 Satz 1 StaRUG mit 101 der Zustellung beauftragt, kann er – wie in § 8 Abs. 3 InsO der Insolvenzverwalter – die Zustellungsformen wählen, die auch dem Insolvenzgericht zustehen. Er kann also ohne Einschaltung eines Gerichtsvollziehers auch eine Zustellung durch Aufgabe zu Post vornehmen.167) Der im gerichtlichen Zustellungsverfahren vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu fertigende Vermerk über die Aufgabe zur Post, wird gemäß § 76 Abs. 6 Satz 3 StaRUG durch einen Vermerk des Restrukturierungsbeauftragten ersetzt, den dieser unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen hat. 5.

Erörterungs- und Abstimmungsprozedere

Für die Durchführung des Erörterungs- und Abstimmungstermins, der vom Restruktu- 102 rierungsrichter geleitet wird, gelten gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG die §§ 239 bis 242 InsO sowie die Vorschriften zur Abstimmung im schuldnerautonom organisierten Verfahren (§§ 24 bis 28 StaRUG) entsprechend. Die in Bezug genommenen insolvenzrechtlichen Regelungen betreffen die Durchführung des Termins; die Verweisung auf die Regelungen des privatautonom ausgestalteten Abstimmungsprozedere des StaRUG (§§ 24 bis 28 StaRUG) die Festsetzung der Stimmrechte, die erforderlichen Mehrheiten innerhalb einer Gruppe sowie gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen, so dass insoweit – mit Ausnahme der Stimmrechtsfestsetzung168) und der Dokumentation169) – einheitliche Regelungen gelten, unabhängig davon, ob eine gerichtliche oder außergerichtliche Abstimmung über den Restrukturierungsplan erfolgt.170) Das Restrukturierungsgericht kann gemäß § 38 StaRUG, § 128a ZPO auch eine virtuelle 103 Teilnahme am Erörterungs- und Abstimmungstermin ermöglichen. Zu dem notwendigen Hinweis des Gerichts siehe Rz. 95. 5.1

Erörterung

Das Gericht hat im Termin den Restrukturierungsplan und die Stimmrechtsfestsetzung 104 mit den Planbetroffenen und dem Schuldner zu erörtern, soweit diese Bedarf dazu sehen. Aufgrund dieser Erörterung ist ausschließlich der Schuldner gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 240 InsO befugt, Änderungen an dem von ihm vorgelegten Plan vorzunehmen. Diese Änderungen dürfen jedoch nur einzelne Regelungen betreffen, der Kern des Plans muss erhalten bleiben (sog. Plankerntheorie).171) Was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, hängt von der Gesamtkonzeption des Restrukturierungsplans ab und kann daher nur im Einzelfall entschieden werden, siehe dazu die näheren Ausführungen Rz. 64 ff. 5.2

Festsetzung der Stimmrechte

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 239 InsO 105 nach der Erörterung in einem Verzeichnis festzuhalten, welche Stimmrechte den Planbetroffenen zustehen. Im gerichtlichen Terminsprotokoll ist außerdem niederzulegen, ___________ 167) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 45 Rz. 30. 168) Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG legt das Restrukturierungsgericht das Stimmrecht fest. 169) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148: Anders als in § 24 Abs. 4 StaRUG ist in das Terminsprotokoll des Erörterungs- und Abstimmungstermins aufzunehmen, inwieweit und aus welchem Grund Stimmrechte streitig waren. 170) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 12; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 32. 171) Vgl. dazu Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 14; Laroche in Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 14; Frind, WM 2018, 1920, 1923; zum Insolvenzplanverfahren Pleister in: KPB, InsO, § 240 Rz. 8; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 8; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 240 Rz. 5; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 3, 4.

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§ 31

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

inwieweit und aus welchem Grunde ein Stimmrecht streitig ist.172) Kann über diese Streitfrage i. R. der Erörterung keine Einigung erzielt werden, legt das Restrukturierungsgericht nach § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG das Stimmrecht fest. Diese Festlegung ist maßgebend für die Beurteilung, ob bei der Abstimmung über den Plan die erforderliche Mehrheit erreicht wird.173) Sie muss vor Beginn der Abstimmung über den Restrukturierungsplan erfolgt sein.174) Eine anderweitige Entscheidung über das Stimmrecht kann nur im Rechtsmittelwege gegen die Planbestätigungsentscheidung nach § 66 StaRUG getroffen werden.175) 106 Die Stimmrechtsfestsetzung wirkt sich jedoch nicht auf den materiell-rechtlichen Bestand des Rechts oder die Höhe der Forderung aus. Streitfragen darüber sind im Prozesswege vor den dafür zuständigen Gerichten zu klären (siehe dazu auch die vertiefenden Ausführungen bei Denkhaus, HRI I, § 33 Rz. 164 ff.).176) Bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung dieser Streitfrage ist gemäß § 70 Abs. 2 StaRUG die Stimmrechtsentscheidung für die Frage eines Rückstands mit der Erfüllung des Restrukturierungsplans maßgebend.177) 5.3

Abstimmung

107 Das Restrukturierungsgericht kann gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 241 InsO die Abstimmung über den Restrukturierungsplan im Anschluss an die Erörterungen durchführen lassen oder ausnahmsweise dafür einen gesonderten Termin bestimmen.178) 5.3.1 Abstimmung im Anschluss an Erörterung 108 Der Beginn der Abstimmung setzt zunächst voraus, dass feststeht, welches Stimmrecht die Forderung, die Absonderungsanwartschaft, die gruppeninterne Drittsicherheit oder das Anteilsrecht bzw. das Mitgliedschaftsrecht einem Planbetroffenen gewährt.179) Siehe dazu die Ausführungen Rz. 105 f. 109 Die Abstimmung hat gemäß §§ 45 Abs. 4 Satz 1, 25 Abs. 1 StaRUG nach Gruppen zu erfolgen. Der Restrukturierungsplan ist angenommen, wenn alle Planbetroffenen zugestimmt haben oder auf die Mitglieder in jeder Gruppe drei Viertel der Stimmrechte entfallen (§ 25 Abs. 1 StaRUG). Für das Erreichen der 75 %-Mehrheit kommt es nicht auf die bei der Abstimmung anwesenden oder vertretenen Planbetroffenen an, sondern auf alle Forderungen und sonstigen Rechte der jeweiligen Gruppe.180) Enthaltungen und nicht abgegebene Stimmen stehen Ablehnungen gleich.181) Wird in einer Gruppe diese Mehrheit nicht erreicht, kann die Annahme des Plans nach §§ 26 ff. StaRUG über eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung fingiert werden; siehe dazu die Ausführungen unter Rz. 69 ff. Gegenüber dissentierenden Planbetroffenen treten die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten ___________ 172) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 173) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 17; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 34. 174) Vgl. zum Insolvenzplan BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 14 ff., ZRI 2021, 186, 187 = ZVI 2021, 182, 184; zu den Auswirkungen auf § 45 Abs. 4 StaRUG Hintzen, WuB 2021, 193, 196 (Urteilsanm.). 175) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 176) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147, 148. 177) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 17; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 35. 178) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 183. 179) BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 14 ff., ZRI 2021, 186, 187 = ZVI 2021, 182, 184, zur Abstimmung über den Insolvenzplan; zu den Auswirkungen auf § 45 Abs. 4 StaRUG Hintzen, WuB 2021, 193, 196 (Urteilsanm.). 180) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 10; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 25 Rz. 3; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 15. 181) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 10; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 25 Rz. 5; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 17.

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Vorbereitung und Durchführung von Erörterungs- und Abstimmungsterminen

§ 31

Wirkungen aber erst ein, wenn dieser auf Antrag des Schuldners gerichtlich bestätigt wird (§§ 60, 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). 5.3.2 Gesonderter Abstimmungstermin Ein gesonderter Abstimmungstermin bedarf wegen des Ausnahmecharakters einer beson- 110 deren Rechtfertigung, die z. B. bei umfangreichen Erörterungen oder neuen Aspekten beim Restrukturierungsplan angenommen werden kann.182) Im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens soll der gesonderte Abstimmungstermin nicht später als einen Monat nach dem Erörterungstermin anberaumt werden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 241 Abs. 1 InsO).183) Zum Abstimmungstermin sind der Schuldner und die Planbetroffenen zu laden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 241 Abs. 2 Satz 1 InsO). Ist ein gesonderter Abstimmungstermin angesetzt worden, können die Planbetroffenen 111 auch schriftlich abstimmen. (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 242 Abs. 1 InsO). Nach dem Erörterungstermin – möglichst mit der Ladung zum Abstimmungstermin184) –, hat das Restrukturierungsgericht den Planbetroffenen den vorbereiteten Stimmzettel zu übermitteln und ihnen ihr Stimmrecht zuzuweisen. Die Festsetzung des Stimmrechts muss vor Beginn der Abstimmung abgeschlossen sein.185) Außerdem sind die Planbetroffenen darauf hinzuweisen, dass ihre schriftliche Stimmabgabe nur berücksichtigt wird, wenn sie dem Gericht am Tag vor dem Abstimmungstermin zugegangen ist (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 240 Abs. 2 Satz 2 InsO). Fehlt ein solcher Hinweis, ist eine Stimmabgabe bis zum Abschluss der Abstimmung zu berücksichtigen.186) Die Stimmabgabe bedarf der Schriftform (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 242 Abs. 2 Satz 2 112 InsO, § 126 BGB), die gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden kann. Notwendig ist in diesem Fall aber, dass das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird. Eine Übermittlung der Stimmabgabe per Telefax an das Gericht ist – wie sich aus § 38 StaRUG, § 130 Nr. 6 ZPO herleiten lässt – zulässig,187) nicht ausreichend ist dagegen die Übersendung per einfacher E-Mail.188) Zur Fristwahrung kommt es bei dem per Telefax übersandten Abstimmungszettel darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen worden sind.189)

___________ 182) Im Ergebnis ebenso Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 241 Rz. 1; Pleister in: KPB, InsO, § 241 Rz. 2, 5, 6; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 45 Rz. 56. 183) Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 241 Rz. 9; Pleister in: KPB, InsO, § 241 Rz. 8. 184) Ebenso Pleister in: KPB, InsO, § 242 Rz. 11. 185) BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 14 ff., ZRI 2021, 186, 187 = ZVI 2021, 182, 184, zur Abstimmung über den Insolvenzplan; zu den Auswirkungen auf § 45 Abs. 4 StaRUG Hintzen, WuB 2021, 193, 196 (Urteilsanm.). 186) Pleister in: KPB, InsO, § 242 Rz. 15; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 242 Rz. 3; Braun in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 242 Rz. 6; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 242 Rz. 2; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 242 Rz. 2; Andres in: Andres/Leithaus, InsO, § 242 Rz. 2. 187) BGH v. 17.12.2020 – III ZB 31/20, Rz. 8, 9, MDR 2021, 314, 315; BGH v. 8.5.2019 – XII ZB 8/19, Rz. 12, 15, MDR 2019, 823, 824 f. 188) BGH v. 4.12.2008 – IX ZB 41/08, Rz. 6, MDR 2009, 401. 189) BGH v. 17.12.2020 – III ZB 31/20, Rz. 8, 9, MDR 2021, 314, 315; BGH v. 25.4.2006 – IV ZB 20/05, Rz. 11, MDR 2007, 168.

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§ 31

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

113 Als Willenserklärung (§ 130 BGB) ist die Stimmabgabe mit Zugang beim Restrukturierungsgericht unwiderruflich.190) 114 Zu berücksichtigen hat das Restrukturierungsgericht nur gültige Stimmabgaben. Ungültig ist eine Stimme, wenn der Stimmzettel den Erklärungsinhalt oder den Erklärenden nicht zweifelsfrei erkennen lässt, insbesondere wenn er nicht unterschrieben ist. Für die Frage der Gültigkeit der Stimmabgabe können die im Bundeswahlgesetz (§ 39 BWahlG) aufgeführten Grundsätze herangezogen werden.191) 5.3.3 Protokollierung des Abstimmungsverlaufs und -ergebnisses 115 Das Ergebnis der Abstimmung und den Ablauf des Abstimmungsverfahrens hat das Restrukturierungsgericht im Terminsprotokoll festzuhalten (§ 38 Satz 1 StaRUG, § 159 ZPO). 116 Die Frage, ob der Restrukturierungsplan im Abstimmungsverfahren die notwendigen Mehrheiten erreicht hat, ist erst im Planbestätigungsverfahren relevant. Für die nichtzustimmenden Planbetroffenen kann ein Restrukturierungsplan nur rechtliche Wirkungen erzeugen, wenn er gerichtlich bestätigt wird (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).192) 117 Entsprechend der im StaRUG vorgesehenen eigenverantwortlichen Steuerungsmöglichkeit der Restrukturierung durch den Schuldner,193) kann das gerichtliche Bestätigungsverfahren gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 StaRUG nur von ihm eingeleitet werden. Den Antrag dazu kann der Schuldner bereits im Erörterungs- und Abstimmungstermin stellen (§ 60 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). 118 Im Rahmen des Bestätigungsverfahrens hat das Restrukturierungsgericht gemäß § 63 StaRUG zu prüfen, ob die Bestätigung zu versagen ist. Das ist der Fall, wenn die Vorschriften über die Annahme des Plans durch die Planbetroffenen „in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind.“ Dazu gehört die Prüfung sämtlicher Formalien betreffend die Abstimmung und die Annahme des Plans, einschließlich der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Zustimmungsfiktion nach §§ 26 – 28 StaRUG vorliegen.194)

___________ 190) Pleister in: KPB, InsO, § 242 Rz. 18; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 20 Rz. 43; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 17; a. A. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 242 Rz. 7, der sich für eine Widerrufsmöglichkeit bis zum Beginn der Abstimmung ausspricht; Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 242 Rz. 10, der eine Bindungswirkung erst zum Abschluss der Abstimmung annimmt. 191) AG Duisburg v. 1.4.2003 – 62 IN 187/02, NZI 2003, 447; Kebekus/Wehler in: Graf-Schlicker, InsO, § 242 Rz. 2; Pleister in: KPB, InsO, § 242 Rz. 16. 192) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, Rz. 11 ff., NZI 2021, 893 = ZInsO 2021, 1398; Wilkens, WM 2021, 573, 579. 193) S. dazu Bork, ZRI 2021, 345, 347. 194) Begr. RegE SanInsFoG z. § 70 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 10; Distler, ZIP 2021, 1033, 1035, Fn. 13; Wilkens, WM 2021, 573, 579.

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§ 32 Planänderung Barnert

I.

Begriff und Bedeutung der Planänderung .............................................. 1 II. Gerichtliches Planabstimmungsverfahren ...................................................... 5 1. Entsprechende Anwendbarkeit des § 240 InsO.............................................. 6 1.1 Berechtigung zur Planänderung ..... 7 1.2 Taggleichheit von Planänderung und Abstimmung............................. 9 1.3 Änderung „einzelner Planregelungen“ .................................... 12 2. Verfahrensmäßige Behandlung von Planänderungen................................... 15 2.1 Verfahren bei Änderungen eines Insolvenzplans...................... 18 2.1.1 Zurückweisung der Planänderung......................................... 19 2.1.2 Zulassung der Planänderung ......... 20 2.2 Verfahren bei Restrukturierungsplanänderungen .................... 22 2.2.1 Keine Vorprüfung entsprechend § 231 InsO ..................................... 23 2.2.2 Mehrheitliche Ablehnung des geänderten Plans ..................... 25 2.2.3 Mehrheitliche Annahme des geänderten Plans ..................... 29 2.2.4 Vorprüfung der Planänderung gemäß § 46 StaRUG...................... 33 2.2.5 Vorprüfung der Planänderung gemäß § 47 StaRUG...................... 36 2.2.6 Lückenschließlich durch gerichtliche Vorprüfung gemäß § 139 ZPO...................................... 37 III. Außergerichtliche Planabstimmungsverfahren .................................................... 43 1. Planänderungen in der Planbetroffenenversammlung............................................... 44

1.1

2.

Planänderungs- und Planvorschlagsberechtigung................. 44 1.2 Frist zur Einreichung von Änderungsvorschlägen .................. 46 1.3 Vorschlagsrecht und Anspruch auf Planänderung ........................... 47 1.4 Inhaltliche Reichweite der Planänderungsbefugnis.................. 49 1.4.1 Planänderungen aufgrund der Erörterungen in der Versammlung................................. 50 1.4.2 Abstimmung über die Planänderung in derselben Versammlung ....................................... 51 1.4.3 Abstimmung über Planänderungen „in einzelnen Punkten“ ........................................ 52 1.5 Methoden und Strategien zur Risikobegrenzung ................... 56 1.5.1 Risikobegrenzung durch Verfahrensfairness ......................... 57 1.5.2 Risikobegrenzung durch Probeabstimmungen ..................... 63 1.5.3 Risikobegrenzung im Verfahren der Vorprüfung.............................. 64 1.5.4 Risikobegrenzung durch neue Planbetroffenenversammlung.................................. 68 Planänderungen in versammlungslosen Planabstimmungsverfahren ....................... 70 2.1 Bindung an das Planangebot bis zum Ablauf der Annahmefrist........ 72 2.2 Abgrenzung: Versammlung der Planbetroffenen zur Abstimmung ....................................... 73 2.3 Wegfall der Bindung in der Erörterungsversammlung ................. 76

Literatur: Frind, Die Grenze zwischen Gestaltung und Manipulation im Insolvenzplanverfahren, NZI 2007, 374; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Haarmeyer, Vergütungsregelungen im Insolvenzplan, ZInsO 2016, 1622; Hiebert, Zur verfahrensrechtlichen Behandlung von Planänderungen im Erörterungs- und Abstimmungstermin – zwischen Gläubigerautonomie und gerichtlicher Verfahrensleistung, ZInsO 2015, 113; Madaus, Anmerkung zu einer Entscheidung des LG Düsseldorf (Beschluss vom 20.12.2019, 25 T 665/19) – Zur fehlenden Abstimmungsmöglichkeit über einen im Kern geänderten, zuvor bereits eingereichten Insolvenzplan, NZI 2020, 436; Madaus, Die zeitliche Grenze des Rechts zur Rücknahme eines Insolvenzplans durch den Planinitiator, KTS 2012, 27; Martini/Horstkotte, Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985.

Barnert

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§ 32 I.

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Begriff und Bedeutung der Planänderung

1 Das Planänderungsrecht befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Schuldner im laufenden Planabstimmungsverfahren über einen geänderten Plan abstimmen lassen darf, ohne das Verfahren neu durchführen zu müssen. Die Frage hat einen rechtspraktisch zentralen Rang für das Planabstimmungsrecht. 2 Denn der Plan ist nicht unumstößlich, sondern ist Anpassungen im Laufe der Verhandlungen und Erörterungen bei Bedarf und jederzeit zugänglich, sei es etwa wegen einer sich abzeichnenden Nichtannahme des Plans in der Planbetroffenenversammlung bzw. im gerichtlichen Abstimmungstermin oder sei es als Reaktion auf Änderungsvorschläge Planbetroffener oder einfach nur wegen neuer Erkenntnisse des Schuldners im laufenden Abstimmungsprozess. Das Szenario der Planänderung hat insbesondere Relevanz für den Schuldner, wenn das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache von Amts wegen aufzuheben beabsichtigt, weil das Vorhaben keine Umsetzungschance hat. Das ist vornehmlich der Fall, wenn infolge der erkennbar gewordenen ernsthaften und endgültigen Ablehnung des Plans durch Planbetroffene nicht davon ausgegangen werden kann, dass die für eine Planannahme erforderlichen Mehrheiten erreicht werden können (§ 32 Abs. 4 i. V. m. § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG)1). In dieser Lage eröffnet die Planänderung dem Schuldner die Chance einer Widerherstellung der Konsensfähigkeit. 3 Für die außergerichtliche Abstimmung i. R. der Planbetroffenenversammlung regelt das StaRUG eine Planänderungsbefugnis des Schuldners in § 20 Abs. 4 StaRUG. § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG dehnt zudem die insolvenzplanrechtlichen Vorschriften in § 240 InsO auf eine entsprechende Anwendbarkeit im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren aus. Für das versammlungslose schriftliche Planabstimmungsverfahren übergeht das StaRUG eine Planänderungsbefugnis des Schuldners und verweist über § 21 Abs. 3 StaRUG nur auf § 20 Abs. 3 StaRUG, nicht aber auf § 20 Abs. 4 StaRUG. 4 Nachfolgende Darstellung widmet sich zunächst der Planänderung im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§§ 45 f. StaRUG). Die Darstellung des Planänderungsrechts des Schuldners für die Abstimmung i. R. einer Planbetroffenenversammlung und die versammlungslose schriftliche Planabstimmung schließt sich daran an. II.

Gerichtliches Planabstimmungsverfahren

5 Die Regularien der gerichtlichen Planabstimmung (§§ 45 f. StaRUG) stellen dem Schuldner eine gerichtliche Verfahrenshilfe (Instrument) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zur „kollektiv-privatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise“2) zur Verfügung, die sich am insolvenzplanrechtlichen Vorbild in § 235 Abs. 1 Satz 1 und an 2 StaRUG orientiert3). Eingeleitet wird das gerichtliche Planabstimmungsverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StaRUG durch den Antrag an das Restrukturierungsgericht auf Terminbestimmung für die Erörterung des Restrukturierungsplans und das Stimmrecht der Planbetroffenen sowie das anschließende Votum über den Plan (Erörterungs- und Abstimmungstermin). Dem Antrag an das Restrukturierungsgericht ist der vollständige Restrukturierungsplan mit allen erforderlichen Anlagen für die Abstimmung der zugeladenen Planbetroffenen beizufügen (§ 45 Abs. 2 und 3 StaRUG). ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 86; Gehrlein, BB 2021, 66, 67. 3) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147.

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§ 32

Planänderung 1.

Entsprechende Anwendbarkeit des § 240 InsO

Nach § 45 Abs. 4 StaRUG finden auf das gerichtliche Planabstimmungsverfahren die §§ 239 6 bis 242 InsO und damit auch § 240 InsO über eine Änderung des Insolvenzplans entsprechende Anwendung. § 240 Satz 1 InsO dient ebenso wie sein restrukturierungsrechtliches Pendant für die außergerichtliche Planabstimmung (§ 20 Abs. 4 StaRUG) der Verfahrenseffektivität und -beschleunigung (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 1)4) und berechtigt den Planvorlegenden einzelne Regelungen des Plans aufgrund der Ergebnisse im Erörterungs- und Abstimmungstermin inhaltlich zu ändern. Nach § 45 Abs. 4 StaRUG i. V. m. § 240 Satz 2 InsO darf über den geänderten Plan noch in demselben Termin abgestimmt werden. 1.1

Berechtigung zur Planänderung

Nach § 240 Satz 1 InsO ist zur Vornahme einer Planänderung nur berechtigt, wer den Plan 7 vorgelegt hat (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 24 m. w. N.). Insolvenzplanrechtlich kommen als Planvorlageberechtigte und damit Planvorlegende i. S. des § 240 Satz 1 InsO der Schuldner (§ 218 Abs. 1 Satz 1 InsO) und der Insolvenzverwalter in Betracht (§ 218 Abs. 1 Satz 1, § 157 Satz 2 InsO). Im Anwendungsbereich der gerichtlichen Verfahrenshilfen (Instrumente) des Stabilisie- 8 rungs- und Restrukturierungsrahmens kann Planvorlegender i. S. des § 240 Satz 1 InsO a priori nur der Schuldner sein (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 30 Abs. 1 StaRUG), weil die Inanspruchnahme der Instrumente außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens stattfindet. Planbetroffene haben kein Recht auf Planänderung, da das Planinitiativrecht ausschließlich dem Schuldner zusteht (§ 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG), weshalb auch nur der Schuldner ein gerichtliches Planabstimmungsverfahren beantragen kann (§ 45 Abs. 1 StaRUG). Planbetroffene dürfen i. R. eines Erörterungs- und Abstimmungstermins nicht anders als im Insolvenzplanverfahren nur Anregungen zur Änderung des Restrukturierungsplans ohne Bindung des Schuldners äußern (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 24 m. w. N.). Auch das Restrukturierungsgericht darf Planänderungen im Verfahren der Planabstimmung nur anregen (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 24 m. w. N.). 1.2

Taggleichheit von Planänderung und Abstimmung

§ 240 Satz 1 InsO dient der Verfahrenseffektivität und -beschleunigung (siehe Pleister/ 9 Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 1). Diese Maxime leitet im Insolvenzplanrecht der praktisch wichtigste Fall, dass der Schuldner Planänderungen aufgrund der Ergebnisse und Verhandlungen im Erörterungs- und Abstimmungstermin zu Protokoll des Gerichts erklärt (§ 4 Satz 1 InsO i. V. m. § 160 Abs. 2 ZPO), so dass anschließend in demselben Termin über den geänderten Plan abgestimmt werden kann. § 240 Satz 2 InsO besagt nur, dass in demselben Termin abgestimmt werden kann, d. h. also nicht muss. § 241 Abs. 1 Satz 1 InsO ergänzt dazu die Befugnis des Gerichts, einen gesonderten Termin zur Abstimmung festzusetzen. Die Vorschrift gilt vermöge der Verweisung in § 45 Abs. 4 StaRUG auch für die gerichtliche Planabstimmung.5) Bestimmt das Gericht einen gesonderten Abstimmungstermin, hat es gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 241 Abs. 2 Satz 5 InsO in der Terminsladung auf die Planänderung besonders hinzuweisen, um in einem justizförmigen Verfahren die Nichtteilnehmer an der Erörterung von der Planänderung in Kenntnis zu setzen. Kontrovers ist die Frage, ob hinter § 240 Satz 2 InsO eine Art Beschleunigungsmaxime 10 steht, die es dem Richter gebietet, nur ganz ausnahmsweise einen gesonderten Termin zur ___________ 4) Madaus, KTS 2012, 27, 28. 5) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148.

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§ 32

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Abstimmung zu bestimmen, wie z. B. bei sehr komplexen oder unübersichtlichen Planänderungen. Die insolvenzplanrechtliche Literatur favorisiert überwiegend, der Richter habe Verschiebungen des Abstimmungstermins tunlichst zu vermeiden. Die Beschleunigungsmaxime solle Abstimmungen möglichst unter dem Eindruck des Erörterungstermins forcieren und einen Sinneswandel zwischen Erörterungs- und Abstimmungstermin bei Verhandlungsteilnehmern verhindern (siehe Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 9; Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 22, jeweils m. w. N.).6) Die gegenteilige Auffassung will Terminverschiebungen geradezu zum Regelfall machen, weil andernfalls die Abstimmung auf ausreichend überlegter Grundlage nicht gewährleistet sei.7) 11 Beide Auffassungen finden für ihre Richtigkeit im Gesetz keine genügende Stütze. § 240 Satz 2 InsO besagt nur, dass über den geänderten Plan in demselben Termin abgestimmt werden „kann“. Ist dies aus zeitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich ist, „kann“ das Gericht gemäß § 241 Abs. 1 Satz 1 InsO in einem gesonderten Termin abstimmen lassen. Lediglich § 241 Abs. 2 InsO gibt ein Beschleunigungskriterium als Soll-Bestimmung vor, weil der Zeitraum zwischen Erörterungs- und Abstimmungstermin nicht mehr als einen Monat betragen soll. Die Kontroverse dürfte in der Praxis dadurch entschärft werden, dass dem Richter ein nicht rechtsmittelfähiger Ermessenspielraum zusteht. Gemäß § 6 Abs. 1 InsO und § 40 Abs. 1 StaRUG unterliegen Entscheidungen des Insolvenz- oder Restrukturierungsgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die InsO oder das StaRUG die sofortige Beschwerde vorsieht. Dies ist indes bei der Bestimmung eines gesonderten Abstimmungstermins nicht der Fall.8) 1.3

Änderung „einzelner Planregelungen“

12 Die Reichweite der Planänderungsbefugnis des Schuldners ist gemäß § 240 Satz 1 InsO auf Änderungen für „einzelne Regelungen“ des Plans aufgrund der Erörterung im Erörterungsund Abstimmungstermin beschränkt. § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG verweist für die gerichtliche Planabstimmung nicht nur auf § 240 Satz 1 InsO, sondern auch auf die im Insolvenzplanrecht umstrittene Frage, was unter „einzelnen Regelungen“ zu verstehen ist und wie diese sachgerecht vom sog. „Kern eines Insolvenzplans“ abzugrenzen sind (siehe Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 35 ff.; Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 2 ff.).9) Allgemeingültige Abgrenzungskriterien haben sich dazu bisher noch nicht herauskristallisiert, weil es naturgemäß so viele Kernbereiche eines Insolvenzplans gibt, wie es Insolvenzpläne selbst gibt. 13 Einigkeit besteht nur, dass weder die Gesetzestexte noch die Gesetzesmaterialien klar definieren, was § 240 Satz 1 InsO unter „einzelnen Regelungen“ versteht. Die Planänderungsbefugnis dürfe nicht zu eng, aber auch nicht zu weit gefasst werden, und der Plan müsse in seinem Kern erhalten bleiben (siehe dazu Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 2 ff.).10) Auch das drückt nicht mehr als die Notwendigkeit zu kasuistischer Entscheidung aus, ob

___________ 6) Vgl. etwa Hiebert, ZInsO 2015, 113, 116; Frind, NZI 2007, 374, 375. 7) Vgl. etwa Rattunde in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 240 Rz. 18. 8) LG Göttingen v. 21.8.2000 – 10 T 68/00, ZIP 2000, 1945. S. a. OLG München v. 27.6.2016 – 15 W 920/16, ZIP 2016, 2088 – zur Rechtsmittelunfähigkeit einer Entscheidung des Gerichts, den Verhandlungstermin gemäß § 227 Abs. 4 ZPO zu vertagen. 9) S. dazu nur Hintze in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 6 ff.; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 3; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4 f. 10) Die Formulierung „Kern des Insolvenzplans“ geht zurück auf den Rechtsausschuss, Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 183. Vgl. dazu Hintze in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 6 ff.; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 3; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4 f.; Hiebert, ZInsO 2015, 113, 114; Martini/Horstkotte, ZInsO 2017, 1913, 1923.

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Planänderung

einzelne Änderungen dem Inhalt eines Insolvenzplans einen gänzlich anderen oder völlig neuen Charakter geben (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 3 ff.).11) Abzugrenzen sind die „einzelnen Regelungen“ i. S. des § 240 Satz 1 InsO vom Wortlaut 14 des § 20 Abs. 4 StaRUG. Hiernach hat der Schuldner das Recht, den Restrukturierungsplan aufgrund der Erörterungen in der Planbetroffenenversammlung in „einzelnen Punkten“ zu ändern. Diese Vorschrift ist begrifflich weiter gefasst, denn die änderungsbedürftigen „Punkte“ eines Plans können die „Regelungen“ sowohl des gestaltenden (§ 7 StaRUG) als auch des darstellenden Teils des Plans (§ 6 StaRUG) betreffen. Nach ganz h. M. umfasst die Formulierung: „einzelne Regelungen“, in § 240 Satz 1 InsO aber auch den darstellenden Teil, so dass sich § 20 Abs. 4 StaRUG von seinem insolvenzplanrechtlichen Pendant nicht nennenswert unterscheiden dürfte (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 2).12) 2.

Verfahrensmäßige Behandlung von Planänderungen

Erklärt der Schuldner im Erörterungs- und Abstimmungstermin eine Planänderung zu Pro- 15 tokoll des Gerichts, hat sich bei Insolvenzgerichten die Praxis herausgebildet, Insolvenzplanänderungen mit Blick auf ein späteres Bestätigungsverfahren (§ 250 Nr. 1 InsO) einer sog. Vorprüfung auf ihre Bestätigungsfähigkeit zu unterziehen.13) Das Vorprüfungsrecht für eine Änderung von Insolvenzplänen stützt die Praxis auf § 231 16 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Hiernach hat das Insolvenzgericht einen originalen oder geänderten Insolvenzplan von Amts wegen zurückzuweisen, wenn dieser offensichtlich keine Aussicht auf Bestätigung durch das Gericht hat. Für den Schuldner hat diese Vorprüfung wegen der begrifflichen Unschärfe des § 240 Satz 1 InsO erheblichen Nutzen, weil frühzeitig auslotbar wird, ob sich die Planänderung nach Ansicht des Gerichts noch innerhalb dieser Grenzen bewegt oder bereits den Kernbereich des Plans berührt. Der Schuldner gewinnt somit einen Ausweg, sich vor der unliebsamen Überraschung zu 17 bewahren, erst nach Abstimmung über den geänderten Plan aus dem Bestätigungsbeschluss des Gerichts die Grenzüberschreitung des § 240 Satz 1 InsO und die Versagung der Planbestätigung wegen eines erheblichen Verfahrensmangels zu erfahren. Nachfolgend sind zunächst verschiedene Verfahrensszenarien wegen einer Insolvenzplanänderung und sodann deren Übertragbarkeit auf Restrukturierungspläne darzustellen. 2.1

Verfahren bei Änderungen eines Insolvenzplans

Insolvenzplanrechtlich hat das Gericht – wie bei erstmals oder neu eingereichten Insolvenz- 18 plänen – an erster Stelle eine Vorprüfung14) entsprechend § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO durchzuführen und zu Protokoll erklärte Planänderungen zu prüfen, ob sie den Anforderungen des § 240 Satz 1 InsO genügen, d. h. also ob der Plan trotz der durchgeführten Änderungen in seinem Kern erhalten bleibt.15) Ist das nicht der Fall, erteilt das Gericht gemäß § 4 Satz 1 ___________ 11) Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 5. Zur Fallgruppenbildung vgl. Hintze in: MünchKommInsO, § 240 Rz. 9. 12) Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 5; Hintze in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 9. 13) Vgl. dazu nur den Fall AG Düsseldorf v. 8.10.2019 – 513 IK 220/17, NZI 2020, 435; bestätigt durch LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 6. 14) Zum Verfahren vgl. Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 35 ff. 15) AG Düsseldorf v. 8.10.2019 – 513 IK 220/17, NZI 2020, 435; LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144. Streitig ist, ob sich die Prüfungspflicht nur auf § 240 InsO oder eine Neuprüfung des § 231 Abs. 1 InsO erstreckt, vgl. dazu Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 26; Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 39; Geiwitz/v. Danckelmann in: BeckOK-InsR, § 240 InsO Rz. 8; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 7; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 13; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 6; Frank in: Braun, InsO, § 240 Rz. 4.

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InsO i. V. m. § 139 ZPO einen richterlichen Hinweis und fordert in einer Zwischenverfügung zur Mängelbehebung auf. Dieser Vorprüfung durch das Gericht liegt keine nur summarische Prüfung zugrunde, sondern die abschließende Prüfung der Bestätigungsfähigkeit der Planänderung am Maßstab des § 240 Satz 1 InsO (siehe Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 39).16) 2.1.1 Zurückweisung der Planänderung 19 Misslingt dem Schuldner die Mängelbehebung, weist das Gericht die Planänderung wegen Nichtbeachtung des § 240 Satz 1 InsO entsprechend § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO durch Beschluss zurück.17) Die Zurückweisung erfolgt jedoch nur im Umfang der Planänderung. Der Insolvenzplan in seiner ursprünglichen Fassung bleibt Gegenstand des Erörterungsund Abstimmungstermins und muss vom Gericht zur Abstimmung gestellt werden (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 28).18) Will der Schuldner die Abstimmung vermeiden, kann er den Plan bis zur Abstimmung, nach anderer Ansicht bis zur Rechtskraft der Planbestätigung, zurückzunehmen und ggf. einen neuen Plan mit den zurückgewiesenen Änderungen vorlegen (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 12).19) 2.1.2 Zulassung der Planänderung 20 Hält sich die Planänderung in den Grenzen des § 240 Satz 1 InsO, lässt das Gericht die Änderung zu und stellt den geänderten Plan zur Abstimmung (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 28 m. w. N.). Eines besonderen Zulassungsbeschlusses bedarf es dafür anders als bei Zurückweisung der Planänderung nicht. In der Rechtsprechung des BGH20) hat die Zulassung der Planänderung durch das Insolvenzgericht keine rechtliche Bindungswirkung für das spätere Bestätigungsverfahren, d. h. das Insolvenzgericht könnte die Bestätigung des geänderten Plans noch immer nach § 250 Nr. 1 InsO versagen. § 318 ZPO, der nach § 4 Satz 1 InsO auch auf das Insolvenzplanverfahren anwendbar wäre, gilt nach Ansicht des BGH nicht für das Bestätigungsverfahren, weil die sofortige Beschwerde nur gegen die Zurückweisung statthaft ist (§ 231 Abs. 3 InsO). Die Zulassung der Planänderung unterläge dann keinerlei Kontrolle mehr in der Rechtsmittelinstanz, weil auch die sofortige Beschwerde gemäß § 253 Abs. 1 InsO angesichts der Bindungswirkung nicht mehr auf eine Nichtbeachtung des § 240 InsO gestützt werden könnte. 21 Die Zulassung der Planänderung lässt aber zumindest faktisch eine gewisse Bindungswirkung für das spätere Planbestätigungsverfahren insofern entstehen, als Gerichte mitunter dazu neigen, von ihrem einmal kundgetanen Rechtsstandpunkt nicht ohne Grund abzurücken. Revidiert das Insolvenzgericht jedoch wider Erwarten seinen Rechtsstandpunkt und versagt dem geänderten Insolvenzplan wegen Nichtachtung der Grenzen des § 240 ___________ 16) BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, ZIP 2015, 1346; AG Köln v. 6.4.2016 – 74 IN 45/15, ZIP 2016, 1240; AG Düsseldorf v. 8.10.2019 – 513 IK 220/17, NZI 2020, 435; bestätigt durch LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144. 17) Vgl. dazu etwa den Fall AG Düsseldorf v. 8.10.2019 – 513 IK 220/17, NZI 2020, 435; bestätigt durch LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144. Gegen die Zurückweisung der Planänderung soll kein Rechtsmittel, auch nicht die sofortige Beschwerde gemäß § 231 Abs. 3 InsO gegeben sein (Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 40; Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 27). Dagegen hat das LG Düsseldorf die sofortige Beschwerde gegen eine Zurückweisung von Planänderungen unproblematisch zugelassen, vgl. LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144 m. Anm. Madaus, NZI 2020, 436 ff. 18) LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144 m. Anm. Madaus, NZI 2020, 436 ff. 19) Martini/Horstkotte, ZInsO 2017, 1913, 1924. 20) BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 14, ZIP 2017, 260; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 13, NZI 2018, 691 = BeckRS 2018, 9510. Zur Kritik vgl. Haarmeyer, ZInsO 2016, 1622, 1624 f.

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Satz 1 InsO die Bestätigung gemäß § 250 Nr. 1 InsO, steht dem Schuldner gegen den Versagungsbeschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§ 253 Abs. 1 InsO). Erwächst die Versagung der Bestätigung in Rechtskraft, wird das Verfahren als Regelinsolvenzverfahren fortgesetzt (siehe dazu Westpfahl, HRI II, § 37 Rz. 32 m. w. N.). 2.2

Verfahren bei Restrukturierungsplanänderungen

Auf das gerichtliche Planabstimmungsverfahren (§§ 45 f. StaRUG) lässt sich das geschilderte 22 insolvenzplanrechtliche Prozedere nicht unbesehen übertragen. § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG erklärt zwar die §§ 239 bis 242 InsO für entsprechend anwendbar, nicht aber das insolvenzplanrechtliche Vorprüfungsverfahren gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO. 2.2.1 Keine Vorprüfung entsprechend § 231 InsO Die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Anwendbarkeit des § 231 InsO ist an sich 23 folgerichtig. Denn die Vorprüfung, ob ein Insolvenzplan i. S. des § 250 InsO bestätigungsfähig ist, verfolgt den Zweck, Verzögerungen des Regelinsolvenzverfahrens durch Vorlage nicht bestätigungsfähiger und damit aussichtsloser Insolvenzpläne vorzubeugen.21) Dieser Regelungszweck des § 231 InsO lässt sich nicht auf das gerichtliche Planabstim- 24 mungsverfahren übertragen. Es soll dem Schuldner als Verfahrenshilfe (Instrument) des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens gerade außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens zur Krisenüberwindung zur Verfügung stehen (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 45 f. StaRUG). Das Fehlen der Anwendbarkeit des § 231 InsO hat für den Schuldner zumindest den Vorteil, dass er Planänderungen zu Protokoll des Gerichts ohne die Mutmaßung geben kann, das Gericht werde die Planänderung entsprechend § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen Missachtung der Grenzen des § 240 Satz 1 InsO zurückweisen. Für das weitere Prozedere sind folgende elektive Szenarien zu unterscheiden: 2.2.2 Mehrheitliche Ablehnung des geänderten Plans Stimmen die Planbetroffenen mehrheitlich gegen eine Annahme des geänderten Restruk- 25 turierungsplans, ist das gerichtliche Planabstimmungsverfahren beendet. Liegen die Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung vor 26 (§ 26 StaRUG), kann der Schuldner den geänderten Plan im gerichtlichen Bestätigungsverfahren gemäß §§ 60 ff. StaRUG bestätigen zu lassen. Dazu gibt ihm § 60 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ein Antragsrecht noch im Erörterungs- und Abstimmungstermin. Fehlen die Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung, bleibt 27 dem Schuldner nur die Möglichkeit, einen neuen Plan in einem neuen gerichtlichen Planabstimmungsverfahren gemäß §§ 45 f. StaRUG zur Abstimmung zu stellen. Denkbar ist auch, dass der Schuldner ein neues Verfahren einleitet und dabei nochmals 28 die Ausgangsversion des Plans zur Abstimmung stellt. Das ist möglich, weil die mehrheitliche Ablehnung des geänderten Plans sich nicht in eine Annahme der Ausgangsversion umdeuten lässt. Denn der Plan kann nur im Ganzen angenommen oder abgelehnt werden, wie er letztlich vom Schuldner im Verfahren der gerichtlichen Planabstimmung zur Abstimmung gestellt wird.22) Anders als etwa bei der Zurückweisung einer Planänderung im insolvenzplanrechtlichen Verfahren ist der Restrukturierungsplan in seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr Gegenstand des Erörterungs- und Abstimmungstermins, weil die gerichtliche Planabstimmung mit der Abstimmung über den geänderten Plan beendet ist. Im ___________ 21) BGH. v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 16, ZIP 2017, 260. 22) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147.

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insolvenzplanrechtlichen Verfahren hingegen erfolgt die Zurückweisung zu einem Zeitpunkt, in dem weder über den geänderten noch über den Ursprungsplan überhaupt eine Abstimmung der Beteiligten stattgefunden hatte (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 21).23) 2.2.3 Mehrheitliche Annahme des geänderten Plans 29 Nach mehrheitlicher Annahme des geänderten Restrukturierungsplans durch die Planbetroffenen, hat das Restrukturierungsgericht in dem anschließenden Bestätigungsverfahren von Amts wegen zu prüfen, ob die Planänderung die Grenzen des § 240 Satz 1 InsO beachtet oder den ursprünglichen Restrukturierungsplan bereits in seiner Kerngestaltung verändert hat. In diesem Prozedere verbirgt sich das Risiko, dass das Gericht trotz mehrheitlicher Annahme des geänderten Plans dessen veränderte Kerngestaltung annimmt und von Amts wegen dem geänderten Plan die Bestätigung versagt (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Gegen diese Versagung ist die sofortige Beschwerde des Schuldners statthaft (§ 66 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Erwächst die Versagung der Bestätigung jedoch in Rechtskraft, bleibt dem Schuldner nur der Antrag auf eine neue gerichtliche Planabstimmung unter Vorlage des nun geänderten Restrukturierungsplans. 30 Die insolvenzplanrechtliche Praxis hilft solchen „unerbittlichen“ Verfahrenskonstellationen in gewissen Umfang durch Vorprüfung der Bestätigungsfähigkeit einer Planänderung entsprechend § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO ab. Denn das Insolvenzgericht darf die Planänderung nicht sofort wegen Nichtbeachtung des § 240 Satz 1 InsO als unzulässig zurückweisen. Es hat dem Schuldner in einer Hinweisverfügung (§ 4 Satz 1 InsO i. V. m. § 139 ZPO) vorab Gelegenheit für die Mangelbehebung zu geben. 31 Die Verfahrenslage ändert sich erst dann, wenn ein Abstimmungstermin über den geänderten Plan bereits stattgefunden hatte. Dann liegt ein unbehebbarer Verfahrensmangel vor, der das Gericht verpflichtet, dem geänderten Plan von Amts die Bestätigung zu versagen (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).24) Aber auch insofern ist zu beachten, dass die Zulassung der Planänderung im Vorprüfungsverfahren zwar keine rechtliche,25) aber eine in der Gerichtspraxis „faktische Bindungswirkung“ auf das anschließende Bestätigungsverfahren ausstrahlt. 32 Von diesem insolvenzplanrechtlichen Prozedere weicht das StaRUG ab, denn es hat sich gegen die Durchführung eines Vorprüfungsverfahrens, wie es § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO für den Insolvenzplan und dessen Änderung vorsieht, entschieden. Wie bereits ausgeführt, finden auf die gerichtliche Planabstimmung nach der ausdrücklichen Anordnung in § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG nur die §§ 239 bis 242 InsO entsprechende Anwendung. 2.2.4 Vorprüfung der Planänderung gemäß § 46 StaRUG 33 Stattdessen eröffnet nunmehr § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 StaRUG dem Schuldner die gerichtliche Klärung aller Fragen, die für die spätere Bestätigungsfähigkeit des Restrukturierungsplans essentiell sind, in einem sog. Vorprüfungstermin für den Restrukturierungsplan vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin. § 46 Abs. 1 StaRUG orientiert sich zwar an der Vorprüfung gemäß § 231 InsO, unterscheidet sich aber wesentlich von den Regelungen der insolvenzplanrechtlichen Vorprüfung. Die Vorprüfung setzt grundsätzlich einen Antrag des Schuldners voraus und bei fehlender Bestätigungsfähigkeit unterbleibt die Planzurückweisung, vielmehr ergeht nur ein gerichtlicher Hinweis auf die Mängel, ___________ 23) LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144 m. Anm. Madaus, NZI 2020, 436 ff. 24) BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, ZIP 2018, 1141. 25) BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 14, ZIP 2017, 260; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 13, NZI 2018, 691 = BeckRS 2018, 9510. Zur Kritik vgl. Haarmeyer, ZInsO 2016, 1622, 1624 f.

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derentwegen die Bestätigungsfähigkeit nach Auffassung des Gerichts fehlt (§ 46 Abs. 2 StaRUG). § 46 Abs. 1 StaRUG schließt sonach die Lücke, dass § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG für die gerichtliche Planabstimmung nicht auf § 231 InsO verweist. Offen bleibt aber ein Antragsrecht des Schuldners für einen Vorprüfungstermin gemäß § 46 34 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, das auf die gerichtliche Feststellung einer in den Grenzen des § 240 Satz 1 InsO korrekt zu Protokoll erklärten Planänderung gerichtet ist. § 46 Abs. 1 StaRUG geht von einer Vorprüfung der Planänderung vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin aus. § 240 Satz 1 InsO konzentriert sich dagegen auf einen Änderungsbedarf, der erst aufgrund der Erörterungen im Erörterungs- und Abstimmungstermin entsteht. Eine Vorprüfung gemäß § 46 Abs. 1 StaRUG käme daher allenfalls in Betracht, wenn sich der Schuldner vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin Planänderungen zurechtlegt, die er später in die Erörterungen einbringen will. Allerdings lässt § 46 Abs. 3 StaRUG auch einen von Amts wegen gerichtlich bestimmten 35 Vorprüfungstermin aus Gründen der Zweckmäßigkeit und zur Entlastung des späteren Erörterungs- und Abstimmungstermins zu.26) Das soll der Fall sein, wenn das Gericht von sich aus erkennt, dass solche Materien streitig, zweifelhaft und erörterungsbedürftig sind, welche die künftige Bestätigungsfähigkeit des Restrukturierungsplans bedingen könnten. Deutlich formuliert die Begründung zum Referentenentwurf in diese Richtung, dass dem Schuldner Gelegenheit gegeben werden soll, zweifelhafte Regelungen möglichst noch vor diesem Termin zu ändern.27) § 46 Abs. 3 StaRUG meint damit ebenfalls nur eine Vorprüfung vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin, passt also nicht auf einen Planänderungsbedarf, der i. S. des § 240 Satz 1 InsO erst aufgrund dieser Erörterungen entsteht und sodann im Termin zu Protokoll des Gerichts erklärt wird 2.2.5 Vorprüfung der Planänderung gemäß § 47 StaRUG Neben der in § 46 StaRUG geregelten Vorprüfung lässt § 47 StaRUG eine weitere gericht- 36 liche Vorprüfung der Bestätigungsfähigkeit von Restrukturierungsplänen zu, wenn der Plan nicht in der gerichtlichen Abstimmung, sondern in einem außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren zur Abstimmung gebracht werden soll. Auch diese Verfahrensvariante eignet sich nicht für eine Vorprüfung des § 240 Satz 1 InsO, da die Vorprüfung gerade unabhängig von einem gerichtlichen Planabstimmungsverfahren durchgeführt werden soll. Ist in § 46 StaRUG die Vorprüfung im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren vorgesehen, so regelt § 47 StaRUG die gerichtliche Vorprüfung der Bestätigungsfähigkeit von Restrukturierungsplänen, wenn ein Plan in einem außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren zur Abstimmung gebracht werden soll. Auch die Verfahrensvariante gemäß § 47 StaRUG eignet sich nicht für eine Vorprüfung i. S. des § 240 Satz 1 InsO, da die Vorprüfung gerade unabhängig von einem gerichtlichen Planabstimmungsverfahren durchgeführt werden soll. 2.2.6 Lückenschließlich durch gerichtliche Vorprüfung gemäß § 139 ZPO Es hat den Anschein, als gäbe es für Änderungen eines Restrukturierungsplans i. S. des 37 § 240 Satz 1 InsO, die bei einem gerichtlichen StaRUG-Planabstimmungsverfahren aufgrund Erörterungstermins zu Protokoll gegeben werden sollen, keine gerichtliche Vorprüfungsmöglichkeit. Der Schuldner sähe sich dann in der misslichen Lage, mit hohem Aufwand Restrukturierungspläne in einem „pompösen“ StaRUG-Verfahren zur Abstimmungsdisposition zu stellen und damit zu scheitern, wenn das Gericht bereits im Verfahrensverlauf ___________ 26) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149. 27) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 141.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

entdeckte zwingende oder zweifelhafte Hinderungsgründe der Planbestätigung für eine Bekanntgabe am Ende des Verfahrens im Planbestätigungsverfahren reserviert. Das rechtsstaatliche Unbehagen an diesem Szenario ist evident. 38 Anzusetzen ist beim Grundsatz „Lex specialis derogat legi generali“. Das besagt, dass ein Spezialgesetz einem allgemeinen Gesetz in der Anwendung vorgeht. Das StaRUG integriert diesen Fundamentalsatz, ordnet jedoch an, dass für Verfahren in Restrukturierungssachen neben den in den §§ 46, 47 StaRUG speziell geregelten Vorprüfungsverfahren die allgemeinen Vorschriften der ZPO anwendbar bleiben (§ 38 Satz 1 StaRUG). 39 Die gerichtliche Verfahrensförderungspflicht statuiert z. B. § 273 Abs. 1 ZPO als Rechtspflicht ([…] das Gericht hat […]). Diese Rechtspflicht bezieht sich auf das „Ob“ von Vorbereitungsmaßnahmen. Das „Wie“ steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 273 Abs. 2 ZPO). Das „pflichtgemäße Ermessen“ (§ 273 Abs. 2 ZPO) bezweckt insbesondere die Verfahrensförderung. Die materielle Verfahrensförderungsplicht des Gerichts drückt § 139 Abs. 1 ZPO ([…] das Gericht hat […]) aus. Nicht zuletzt führt der nach § 38 Satz 1 StaRUG zulässige Rückgriff auf die allgemeine Regelungssystematik der ZPO: Vorbereitung des Haupttermins (§ 272 Abs. 2 ZPO) und früher erster Termin als Vorschalttermin (§ 275 ZPO) sowie schriftliches Verfahren (§ 276 ZPO). Diese Systematik der ZPO und zulässigen Vorbereitungsmaßnahmen sind Ausdruck einer Pflicht zur Verfahrensförderung durch umfassende Vorbereitung mit Hinweispflichten. 40 Speziell § 139 ZPO dient mit seinen Aufklärungs- (§ 139 Abs. 1 ZPO) und Hinweispflichten (§ 139 Abs. 2 und 3 ZPO) der Pflicht, die Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten umfassend zu erörtern, mithin der Erfüllung des Anspruchs auf rechtliches Gehör,28) der Gewährleistung eines fairen Verfahrens und der Erzielung eines richtigen Verfahrensergebnisses.29) Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt nicht zuletzt für alle an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Anspruch darauf, sich zu dem in Rede stehenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern und vor allem Fragen an das Gericht zu stellen.30) Dem entspricht das Verbot von Überraschungsentscheidungen und die Verpflichtung des Gerichts, die Verfahrensbeteiligten auf solche Gesichtspunkte rechtlicher oder tatsächlicher Art hinzuweisen, die das Gericht voraussichtlich als entscheidungserheblich ansieht, welche die Beteiligten aber entweder erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten haben oder die das Gericht anders beurteilt als die Beteiligten.31) Vor diesem Hintergrund stellen die in den §§ 46, 47 f. StaRUG geregelten Vorprüfungen und Hinweispflichten des Restrukturierungsgerichts (§§ 46 Abs. 2, 48 Abs. 2 Satz 1 StaRUG) nur spezialgesetzliche Ausprägungen der sich aus Art. 103 Abs. 1 GG und der ZPO ergebenden richterlichen Aufklärungs-, Hinweis- und Erörterungspflichten dar. Sie unterscheiden sich vom Vorprüfungsverfahren gemäß § 231 InsO nur darin, dass sie zwecks Entlastung des Erörterungs- und Abstimmungstermins in einem eigens dafür anzuberaumenden Vorprüfungstermin erfüllt werden und in den Fällen fehlender Bestätigungsfähigkeit keine Zurückweisung des Plans oder der Planänderung erfolgen kann, sondern nur ein gerichtlicher Hinweis (§§ 46 Abs. 2, 48 Abs. 2 StaRUG). 41 Letzteres ist nur die Konsequenz, dass die insolvenzplanrechtliche Zurückweisung des Plans oder der Planänderung gemäß § 231 Abs. 1 InsO vornehmlich auch den Zweck verfolgt, der Verzögerung eines Regelinsolvenzverfahrens durch Vorlage nicht bestätigungs___________ 28) BVerfG v. 12.6.2003 – 1 BvR 2285/02, BVerfGK 1, 211 = NJW 2003, 2524; BGH v. 29.5.2018 – VI ZR 370/17, Rz. 8, NJW 2018, 3652. 29) Fritsche in: MünchKomm-ZPO, § 139 Rz. 2 m. w. N. 30) BVerfG v. 17.5.1983 – 2 BvR 731/80, Rz. 31, BVerfGE 64, 135. 31) BGH v. 13.3.2008 – I ZB 59/07, Rz. 13, NJW 2008, 1742.

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fähiger und damit aussichtsloser Insolvenzpläne vorzubeugen.32) Derartige Verzögerungen sind jedoch bei Verfahren in Restrukturierungssachen nicht zu befürchten, weshalb es auch keiner Zurückweisung des Plans bedarf. Ansonsten hat das Restrukturierungsgericht aber auch i. R. des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens die Bestätigungsfähigkeit der eingebrachten Restrukturierungspläne und -planänderungen zu prüfen und – falls dem nicht so sein sollte – einen Hinweis gemäß § 139 ZPO zu geben und ggf. zur Mängelbehebung aufzufordern. Dies gilt auch für die Bestätigungsschädlichkeit von Verstößen gegen § 240 Satz 1 InsO, da insoweit mit Blick auf das Verfahren gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG Überraschungsentscheidungen im Raum stehen. Das bedeutet, dass die Rolle des Restrukturierungsgerichts im StaRUG-Verfahren nicht frei ist von den allgemeinen Verfahrensmaximen, die Ausprägungen des Art. 103 Abs. 1 GG sind. Eine andere Frage ist es, ob richterliche Hinweise in Restrukturierungssachen angesichts 42 der spezialgesetzlich in § 46 Abs. 2 und § 48 Abs. 2 StaRUG geregelten Hinweispflichten Bindungswirkung (§ 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 318 ZPO) für ein späteres Bestätigungsverfahren entfalten. Diese Frage lässt das StaRUG offen, so dass auch insoweit die Rechtsprechung des BGH33) zu fehlender Bindungswirkung maßgeblich sein dürfte.34) Einer gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 139 Abs. 2 und 3 ZPO kommt aber jedenfalls insofern Bedeutung zu, als das Gericht von Amts wegen prüfen muss, ob die zu Protokoll erklärte Planänderung § 240 Satz 1 InsO beachtet. Ist das nicht der Fall, muss das Gericht einen richterlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO und dem Schuldner Gelegenheit geben, einen Mangel ggf. durch Nachbesserung zu beheben. III.

Außergerichtliche Planabstimmungsverfahren

Für Planänderungen i. R. eines außergerichtlichen Planabstimmungsverfahrens unterscheidet 43 das StaRUG zwischen der Abstimmung in der Planbetroffenenversammlung und der der versammlungslosen schriftlichen Planabstimmung. Nach § 20 Abs. 4 StaRUG kann in der Planbetroffenenversammlung auch dann über den Plan abgestimmt werden, wenn dieser aufgrund der Erörterungen in der Versammlung inhaltlich in einzelnen Punkten abgeändert wurde. Die Vorschrift orientiert sich deutlich an § 240 InsO, gilt jedoch nur für die Abstimmung i. R. einer Planbetroffenenversammlung, da § 21 Abs. 3 StaRUG für das versammlungslose schriftliche Planabstimmungsverfahren insoweit nur auf § 20 Abs. 3 StaRUG verweist. 1.

Planänderungen in der Planbetroffenenversammlung

1.1

Planänderungs- und Planvorschlagsberechtigung

Insoweit eindeutig regelt § 20 Abs. 3 Satz 3 StaRUG das ausschließliche Recht des Schuld- 44 ners zur Planänderung, Planbetroffenen steht nur ein Vorschlagsrecht zu. Das Vorschlagsrecht der Planbetroffenen im außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren geht über das gerichtliche Planabstimmungsverfahren (§§ 45 f. StaRUG) hinaus, weil die Planbetroffenen in letzterem Planänderungen nur anregen können (zum Insolvenzplanverfahren siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 24 m. w. N.). Hintergrund des Regelungsunterschieds ist, dass das StaRUG außergerichtlichen Planab- 45 stimmungen (vgl. nur § 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG) wegen Fehlens einer gerichtlichen Kontrolle des Abstimmungsprozesses von vorneherein eher reserviert gegenübersteht. Mit der ___________ 32) BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 16, ZIP 2017, 260. 33) BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 14, ZIP 2017, 260; BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 13, NZI 2018, 691 = BeckRS 2018, 9510. Zur Kritik vgl. Haarmeyer, ZInsO 2016, 1622, 1624 f. 34) So etwa Thole, ZIP 2020, 1985, 1994.

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Gewährung eines Vorschlagsrechts korrespondiert daher ein Anspruch des Planbetroffenen auf Erörterung seines Änderungsvorschlags, dessen Erfüllung durch den Schuldner die Besorgnis antreiben soll, dass bei Verletzungen der Erörterungspflicht die Versagung der Planbestätigung droht (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG).35) 1.2

Frist zur Einreichung von Änderungsvorschlägen

46 Änderungsvorschläge sind dem Schuldner mindestens einen Tag vor der Versammlung in Textform (§ 126b BGB) zugänglich zu machen. Für die Berechnung der Frist ist § 187 Abs. 1 BGB maßgebend. Es wird nur nach vollen Tagen gerechnet. Der Tag in dessen Lauf der für die Fristberechnung maßgebende Zeitpunkt fällt wird nicht mitgerechnet. Soll die Versammlung am 8.12. um 14.00 Uhr beginnen, müssen dem Schuldner Änderungsvorschläge am 6.12. bis spätestens 00:00 Uhr in Textform (z. B. per Fax oder E-Mail) zugänglich gemacht werden. Der Fristberechnung kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil der Planbetroffene nur nach fristgerechter Einreichung seiner Änderungsvorschläge einen Anspruch hat, dass die Vorschläge vom Schuldner einzeln erörtert werden. Verspätete oder erst in der Versammlung unterbreitete Änderungsvorschläge kann der Schuldner zur Diskussion stellen, muss es aber nicht.36) 1.3

Vorschlagsrecht und Anspruch auf Planänderung

47 Das Vorschlagsrecht der Planbetroffenen ist von einem Anspruch auf Planänderung zu unterscheiden. Planbetroffene haben nach § 20 Abs. 3 Satz 3 und 4 StaRUG nur Anspruch auf Erörterung in der Versammlung für fristgerecht eingegangene Änderungsvorschläge, nicht aber auf einen Plan in Gemäßheit ihrer Vorschläge. Berechtigt zur Planänderung ist nur der Schuldner, er hat die Wahl zwischen Übernahme oder Abstandnahme von Änderungsvorschlägen in den Restrukturierungsplan. Widersetzt sich der Schuldner den Änderungsvorschlägen, bleibt der Planbetroffenenversammlung nur eine Abstimmung über den unveränderten Restrukturierungsplan.37) 48 Aus dem Vorschlagsrecht lässt sich kein Recht auf „Endlosdiskussion“ herleiten. Der BGH stellte dazu klar, dass jede Gläubigerversammlung so durchzuführen ist, dass eine geordnete Willensbildung und Abstimmung der Beteiligten möglich sind.38) Verweigert sich der Schuldner den Änderungsvorschlägen, kann er die Diskussion beenden und zur Abstimmung übergehen. Ist der Vorschlagsberechtigte der Auffassung, sein Vorschlag sei nicht ausdiskutiert, steht es ihm frei, die Konsequenzen für seine Abstimmung zu ziehen und gegen den unveränderten Restrukturierungsplan zu stimmen (siehe Stahlschmidt, HRI II, § 33 Rz. 22 m. w. N.). 1.4

Inhaltliche Reichweite der Planänderungsbefugnis

49 Der Schuldner kann in der Planbetroffenenversammlung über Planänderungen abstimmen lassen, wenn der Plan aufgrund der Erörterungen in der Versammlung inhaltlich in einzelnen Punkten abgeändert wird (§ 20 Abs. 4 StaRUG). Die inhaltliche Reichweite dieser Vorschrift wirft ähnliche Frage auf wie ihr Pendant in § 240 InsO.

___________ 35) 36) 37) 38)

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Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. BGH v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, Rz. 34, ZIP 2010, 1499.

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Planänderung 1.4.1 Planänderungen aufgrund der Erörterungen in der Versammlung

Bei kritischer Betrachtung stellt sich die Frage, warum der Schuldner den geänderten Plan 50 zur Abstimmung nur stellen darf, wenn er den Plan „aufgrund der Erörterungen“ in der Versammlung abändert. Entscheidend ist, dass der Schuldner in derselben Versammlung abstimmen lässt, in der die Planänderung zustande kommt, weil gerade dann das Risiko besteht, dass die Planbetroffenen den Planinhalt nicht mehr vollständig überblicken. Deshalb beschränkt § 20 Abs. 4 StaRUG die Änderungsbefugnis auf „einzelne Punkte“ des Plans. Die leitenden Motive für die Planänderung und das Gewicht denkwürdiger Erörterungen, dürfte daneben belanglos sein. Insofern lässt sich der Gesetzeswortlaut: „aufgrund der Erörterungen in der Versammlung“ allenfalls als einfacher Hinweis verstehen, dass vor einer Abstimmung über den geänderten Restrukturierungsplan die Änderungen in der Planbetroffenenversammlung erörtert werden müssen (zum Insolvenzplan siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 21).39) 1.4.2 Abstimmung über die Planänderung in derselben Versammlung § 20 Abs. 4 StaRUG regelt keine generelle Beschränkung der Planänderungsbefugnis des 51 Schuldners. Betroffen ist nur der oben unter Rz. 9 ff. angesprochene, freilich rechtspraktisch wichtigste Fall, dass Planänderung und Abstimmung taggleich stattfinden. Unberührt bleibt das Recht des Schuldners, nicht nur „einzelne Punkte“ als beschränkte Planänderungen aus der Planbetroffenenversammlung vorzuschlagen, sondern Erweiterungen mit neuer Zielrichtung des Plans oder der geänderten Konzeption eines anderen oder völlig neuen Plans. Der Schuldner darf nur nicht taggleich über diese Änderungen abstimmen lassen, sondern muss nach § 20 Abs. 1 Satz 1 StaRUG unter Beachtung der Ladungsfrist eine neue Planbetroffenenversammlung einberufen und dem Einberufungsschreiben den nun geänderten neuen Plan beifügen (§ 20 Abs. 1 Satz 5 StaRUG).40) 1.4.3 Abstimmung über Planänderungen „in einzelnen Punkten“ Soweit § 20 Abs. 4 StaRUG die Änderungsbefugnis auf „einzelne Punkte“ des Plans be- 52 schränkt, führt dies unmittelbar zu der aus dem Insolvenzplanrecht bekannten Streitfrage, was § 240 Satz 1 InsO unter „einzelnen Regelungen“ versteht (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 2 ff. m. w. N.).41) § 240 Satz 1 InsO untersagt dem Planvorlegenden die Änderung des gesamten Insolvenz- 53 plans, gestattet aber Modifikation „einzelner Regelungen“. Weder der Gesetzestext, noch die Gesetzesmaterialien definieren Art, Umfang und Grenzen „einzelner Regelungen“. Die Gesetzesmaterialien zu § 240 Satz 1 InsO fordern für die Praxis kaum griffig, dass der „Kern des ursprünglichen Plans“ inhaltlich erhalten bleiben müsse.42) Die Regierungsbegründung zum StaRUG überlässt es Rechtsprechung und Wissenschaft, 54 die Formulierung „einzelne Punkte“ näher zu präzisieren und verweist zur Abgrenzung auf die Rechtsprechung zu § 240 InsO.43) Das ist jedoch kaum hilfreich, weil es zu § 240 InsO gerade keine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung gibt und die inhaltliche Reichweite dieser Norm auch insolvenzplanrechtlich nicht zweifelsfrei geklärt ist. Die ___________ 39) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 40) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 41) Vgl. nur Hintze in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 6 ff.; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 3; Lüer/ Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4 f. 42) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 183. Vgl. auch Hiebert, ZInsO 2015, 113, 114; Martini/Horstkotte, ZInsO 2017, 1913, 1923. 43) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123.

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begriffliche Unschärfe hinterlässt dem Schuldner Risiken vor allem bezüglich der Bestätigungsfähigkeit der von ihm vorgenommenen Planänderungen. Denn nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG ist dem geänderten Plan die Bestätigung u. a. zu versagen, wenn die Vorschriften über die verfahrensmäßige Behandlung des Plans in einem wesentlichen Punkt unbeachtet blieben. Nach § 47 Satz 3 StaRUG gehören dazu die Anforderungen, die an das Planabstimmungsverfahren nach den §§ 17 bis 22 StaRUG zu stellen sind, d. h. also insbesondere auch die Anforderung des § 20 Abs. 4 StaRUG. 55 Das Risiko verdichtet sich, wenn die Planbetroffenenversammlung zwar den vom Schuldner zur Abstimmung gestellten geänderten Plan mehrheitlich annimmt, das Restrukturierungsgericht aber von Amts wegen nachträglich dem Plan die Bestätigung versagt, weil der Schuldner die inhaltliche Reichweite seiner Änderungsbefugnis aus § 20 Abs. 4 StaRUG verkannt habe. Hinzutritt, dass nach der Abstimmung die eingetretene Rechtslage gewissermaßen unumkehrbar geworden ist, denn der Verfahrensmangel könnte selbst nach einer entsprechenden Aufforderung durch das Restrukturierungsgericht nicht mehr behoben werden. Es läge damit ein nicht behebbarer Verfahrensmangel vor, der das Gericht trotz mehrheitlicher Planannahme gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG verpflichtet, dem geänderten Plan von Amts wegen der Bestätigung zu versagen.44) 1.5

Methoden und Strategien zur Risikobegrenzung

56 Ausgehend von dem Befund, dass praktisch jede Planänderung § 20 Abs. 4 StaRUG mit dem Risiko der Bestätigungsunfähigkeit belastet ist, stellt sich aus der Sicht des Schuldners die Frage, welche Methode oder Verfahrenstaktik für die Risikobegrenzung verfügbar und sinnvoll ist. 1.5.1 Risikobegrenzung durch Verfahrensfairness 57 Die insolvenzplanrechtliche Literatur45) zeigt eine wachsende Tendenz, auf Begrifflichkeiten wie „einzelne Regelungen“, „einzelne Punkte“ oder „Kernbereich“ eines Insolvenzplans überhaupt zu verzichten. Sie stellt in den Fokus, ob der Plan in einem fairen Verfahren geändert wurde. Dieser Lösungsansatz lässt prinzipiell alle Planänderungen zu, sofern diese 

die grundsätzliche Zielrichtung des Plans nicht verändern,46)



die Änderungen des Plans nach Art und Umfang kein Ausmaß annehmen, dass der Plan seine Verständlichkeit und Übersichtlichkeit verliert47) und der Schuldner



sicherstellt, dass die Planänderungen in einer Versammlung diskutiert und erörtert werden, an der jeder Planbetroffene zur Teilnahme und Rechtewahrnehmung befugt ist (siehe nur Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 4 m. w. N.).

58 Anhand dieser Maßstäbe gilt ein geänderter Restrukturierungsplan bereits dann als bestätigungsfähig, wenn der Schuldner die in § 20 Abs. 1, 2, 3 und 5 StaRUG geregelten Anforderungen an ein formal ordnungsgemäßes Planabstimmungsverfahren beachtet, der geänderte Plan klar und verständlich bleibt und auch seine grundsätzliche Zielrichtung nicht verliert, was etwa der Fall wäre, wenn der Schuldner statt eines Restrukturierungsplans einen Insolvenzplan (§ 217 InsO) zur Abstimmung stellt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen erübrigt die Prüfung, ob sich die Änderungen auf „einzelne Punkte“ be___________ 44) BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, ZIP 2018, 1141. 45) Vgl. etwa Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 2 ff.; Hintze in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 9; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 240 Rz. 4; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4. 46) Bspw. wäre es unzulässig einen Sanierungs- in einen Liquidationsplan zu ändern. 47) Vgl. Hintze in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 10 m. w. N.

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schränken oder darüber hinausgehen, so dass auch umfangreiche Planänderungen bestätigungsfähig sind, weil sie auf einem „fairen Verfahren“ beruhen (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 3). Dieser Lösungsansatz leidet rechtsmethodisch, weil die rechtliche Verfahrensfairness ein 59 selbstverständliches Axiom darstellt. Er erklärt nicht die Gründe für die Entbehrlichkeit der in § 20 Abs. 4 StaRUG an das Planabstimmungsverfahren explizit gestellten Anforderungen. Als Ausweg werden daher Fallgruppen für die inhaltliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit bestimmter Planänderungsmaßnahmen gebildet (siehe Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 9 ff.). Das grenzt aber an einen Selbstwiderspruch. Wahrt nämlich der Schuldner schlicht den Grundsatz eines fairen Verfahrens, müssten eigentlich alle Planänderungen und nicht nur einige bestätigungsfähig sein. So sollen etwa nachträgliche Änderungen der Gruppenund Abstimmungsstruktur in jedem Fall unzulässig sein (siehe dazu Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 10), obwohl natürlich auch solche nachträglichen Änderungen auf einem formal fairen Verfahren beruhen könnten. Nicht minder fragwürdig ist die „lebensnahe“ Ansicht, Planbetroffenen fehle für Planände- 60 rungen die Schutzwürdigkeit. Die zu einer Planbetroffenenversammlung Geladenen müssten nämlich a priori damit rechnen, dass der Plan aufgrund der Erörterungen in der Versammlung ggf. auch weitreichend oder umfangreich geändert wird (siehe nur Pleister/Theusinger, HRI II, § 34 Rz. 4). Das ist eine weitreichende, empirisch nicht belegte Unterstellung einer Erwartungshaltung, die Planbetroffene real nicht haben müssen, wenn ihnen mit der Einberufung zu einer Abstimmungsversammlung ein bereits in vollständiger Form abgefasster Restrukturierungsplan zustimmungsfähig übersandt wurde (§ 17 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 Satz 5 StaRUG). § 20 Abs. 4 StaRUG drückt insofern geradezu das Gegenteil dieser Erwartungshaltung aus. Denn hiernach haben die Planbetroffenen allenfalls damit zu rechnen, dass der Plan „in einzelnen Punkten“ i. S. des § 20 Abs. 4 StaRUG geändert wird. Anderes könnte erwägbar sein, wenn der Schuldner verpflichtet wäre, die Planbetroffenen 61 im Planangebot oder im Einberufungsschreiben explizit darauf hinzuweisen, der Plan müsse aufgrund der Erörterungen in der Versammlung ggf. auch substantiell geändert werden. Allerdings sehen die § 64 Abs. 4 Satz 2 und § 66 Abs. 3 Satz 1 StaRUG eine solche Belehrungspflicht des Schuldners gerade nicht vor. Und im Fall einer solchen Belehrungspflicht bliebe erneut die Frage, mit „wieviel“ Änderung die Planbetroffenen i. R. der Abstimmungsversammlung zu rechnen hätten. Vor diesem Hintergrund hält die instanzgerichtliche Rechtsprechung für die insolvenz- 62 planrechtliche Änderungsbefugnis aus § 240 Satz 1 InsO aktuell derzeit daran fest, dass der einen Insolvenzplan Vorlegende zur inhaltlichen Änderung einzelner Regelungen des Insolvenzplans aufgrund der Erörterung im Termin nur unter der Voraussetzung berechtigt ist, dass der „Kern des ursprünglichen Insolvenzplans“ erhalten bleibt.48) Ob die Gerichte § 20 Abs. 4 StaRUG abweichend interpretieren und im Grundsatz alle Planänderungen zulassen werden, sofern diese die Grenzen eines fairen Verfahrens und die erforderliche Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit beachten, bleibt abzuwarten. Bis dahin dürfte jedoch gelten, dass Änderungen eines Restrukturierungsplans mit dem Risiko belastet sind, dass Gerichte dem geänderten Plan wegen Nichtbeachtung des § 20 Abs. 4 StaRUG die Bestätigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG versagen.

___________ 48) AG Hamburg v. 19.4.2016 – 67c IN 232/13, ZIP 2016, 2492; AG Düsseldorf v. 8.10.2019 – 513 IK 220/17, NZI 2020, 435; bestätigt durch LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZIP 2020, 2144.

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1.5.2 Risikobegrenzung durch Probeabstimmungen 63 Die insolvenzplanrechtliche Literatur schlägt zum Teil vor, Probeabstimmungen durchzuführen.49) Hat der Schuldner aufgrund der Erörterungen in der Planbetroffenenversammlung Anlass zur Planänderung, lässt er zunächst über den Plan ursprünglicher Fassung probeweise abstimmen. Findet der Plan die Mehrheit der Stimmen, stellt er diesen zur Abstimmung, andernfalls lässt er über den geänderten Plan abstimmen. Diese verfahrenstaktische Variante hilft im vorliegenden Zusammenhang kaum weiter, weil es gerade um die Vermeidung von Risiken geht, die aus einer Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4 StaRUG auf den geänderten Restrukturierungsplan resultieren können. 1.5.3 Risikobegrenzung im Verfahren der Vorprüfung 64 Nach § 47 StaRUG kann der Schuldner dem Restrukturierungsgericht den Plan in einem Vorprüfungsverfahren zur Frage der Bestätigungsfähigkeit des Plans vorlegen, bevor er die Planbetroffenen in einer Planbetroffenenversammlung über den Plan abstimmen lässt. Gegenstand einer solchen Vorprüfung können gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 StaRUG insbesondere die Anforderungen sein, die an das Planabstimmungsverfahren nach §§ 17 bis 22 StaRUG, d. h. also an sich auch an § 20 Abs. 4 StaRUG gestellt werden. 65 § 47 StaRUG erfasst nach dem Vorbild des § 48 StaRUG in erster Linie Vorprüfungen im Vorfeld der eigentlichen Planbetroffenenversammlung. Vor Durchführung dieser Versammlung kann der Schuldner Fragen zum Verfahren der privatautonom organisierten Planabstimmung einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.50) Die Vorschrift ist daher nicht auf die Fallkonstellation in § 20 Abs. 4 StaRUG zugeschnitten, bei der ein Planänderungsbedarf ad hoc erst während der Planbetroffenenversammlung entsteht. 66 Zielsetzung und Zeitraum beider Vorschriften weichen also elementar voneinander ab. § 48 StaRUG ermöglicht eine gerichtliche Klärung von Fragen vor Durchführung einer Planbetroffenenversammlung. § 20 Abs. 4 StaRUG lässt unter bestimmten Voraussetzungen eine Planänderung noch in der Planbetroffenenversammlung zu, um eine möglichst rasche Beschlussfassung über den Restrukturierungsplan herbeizuführen. Im Blick auf diese differenzierte Gesetzessystematik ist § 48 StaRUG in den meisten Fällen des § 20 Abs. 4 StaRUG eine wohl kaum sinnvolle Verfahrensvariante für den Schuldner, wenn ein Änderungsbedarf erst während der Planbetroffenenversammlung entsteht. 67 Andererseits schließt § 48 StaRUG nicht aus, dass der Schuldner dem Gericht Fragen zu seiner Planänderungsbefugnis aus § 20 Abs. 4 StaRUG vorlegt. Dies ist denkbar, wenn der Änderungsbedarf in der Interimsphase zwischen der Abgabe des Planangebots (§ 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) und der bereits einberufenen Planbetroffenenversammlung entsteht und der Schuldner nun die Absicht hat, den Änderungsbedarf in die Versammlung einzubringen. In diesem Fall könnte allerdings der Verzicht auf eine gerichtliche Vorprüfung mit Anhörungsverfahren (§ 48 Abs. 1 StaRUG) und auf eine Terminladung (§ 48 Abs. 2 Satz 3 StaRUG) zugunsten der Einberufung einer neuen Versammlung unter Vorlage des geänderten Plans sinnvoller sein (§ 20 Abs. 1 Satz 1 und 5 StaRUG). 1.5.4 Risikobegrenzung durch neue Planbetroffenenversammlung 68 § 20 Abs. 4 StaRUG betrifft nur die Konstellation, wenn in ein und derselben Planbetroffenenversammlung wegen Verfahrensbeschleunigung sowohl die Abänderung des Plans aufgrund der Erörterungen in der Versammlung als auch die Abstimmung über den geän___________ 49) Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 240 Rz. 4. 50) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149.

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derten Plan inmitten stehen. Dazu grenzt § 20 Abs. 4 StaRUG die Änderungsbefugnis des Schuldners auf „einzelne Punkte“ des Plans ein, schließt aber i. Ü. nicht aus, dass der Schuldner überschießende Planänderungen jenseits der erforderlichen Taggleichheit von Planänderung und Abstimmung vornimmt. § 20 Abs. 1 StaRUG gilt über die Einberufung einer Planbetroffenenversammlung mit 69 entsprechender Abstimmung über den Restrukturierungsplan hinaus auch für mehrfache Einberufungen einer solchen Versammlung unter Vorlage verschiedener wie auch abgeänderter Restrukturierungspläne.51) Bei Zweifeln, ob sich Planänderungen noch innerhalb der Grenzen des § 20 Abs. 4 StaRUG bewegen, kann der Schuldner eine neue Versammlung unter Beachtung der Einberufungsfristen bestimmen und der schriftlichen Einberufung den nun geänderten Restrukturierungsplan beifügen (§ 20 Abs. 1 Satz 5 StaRUG).52) Für diese Fallkonstellation gelten die Änderungsbeschränkungen des § 20 Abs. 4 StaRUG auf „einzelne“ Punkte nicht, weil die Einberufung einer neuen Planbetroffenenversammlung mit beigefügter Planänderung anzusehen ist, als hätte der Schuldner der Versammlung erstmals einen Plan zur Abstimmung vorgelegt. Nach aktueller Gesetzeslage stellt diese Verfahrensweise derzeit wohl die sicherste Variante dar, um der Bestätigungsschädlichkeit des § 20 Abs. 4 StaRUG aus dem Weg zu gehen. 2.

Planänderungen in versammlungslosen Planabstimmungsverfahren

Der Restrukturierungsplan ist ebenso wie der Insolvenzplan ein Instrument zur „kollektiv- 70 privatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise“.53) Wegen dieser funktionalen Übereinstimmung und weil die Einleitung eines versammlungs- 71 losen Planabstimmungsverfahrens gemäß §§ 17 ff. StaRUG ein rechtsgeschäftliches Planangebot des Schuldners an die Planbetroffenen auf rechtsgeschäftliche Planannahme voraussetzt (§ 17 Abs. 1 Satz 1, § 19 StaRUG), finden die Vorschriften über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen (§§ 104 ff. BGB) auf das Planangebot und auf die zu seiner mehrheitlichen Annahme erforderlichen Stimmabgaben (§ 25 Abs. 1 StaRUG) Anwendung, soweit sich aus §§ 17 ff. StaRUG nichts Abweichendes ergibt.54) 2.1

Bindung an das Planangebot bis zum Ablauf der Annahmefrist

Da die Vorschriften über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen anzuwenden sind, gelten 72 für das Planangebot die Vorschriften über das Wirksamwerden von Willenserklärungen gegenüber Abwesenden (§ 130 Abs. 1 BGB).55) Daher ist das an die Planbetroffenen gerichtete Angebot des Schuldners auf Annahme des Restrukturierungsplans (§ 17 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) für den Schuldner grundsätzlich unwiderruflich und unabänderlich bindend (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Bindungswirkung beginnt beim versammlungslosen schriftlichen Planabstimmungsverfahren mit dem Zugang des Planangebots beim ersten Planbetroffenen und endet mit Ablauf der vom Schuldner gesetzten Annahmefrist beim letzten Planbetroffenen (§ 19 Satz 1, § 21 Abs. 4, § 22 Abs. 1 StaRUG). 2.2

Abgrenzung: Versammlung der Planbetroffenen zur Abstimmung

Das StaRUG regelt zwei Varianten einer Planbetroffenenversammlung: die Versammlung 73 der Planbetroffenen zur Abstimmung über den Plan (§ 20 StaRUG) und die Versamm___________ 51) 52) 53) 54) 55)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Allg. Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 86; Gehrlein, BB 2021, 66, 67. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140.

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lung zum Zweck der gemeinschaftlichen Erörterung des Plans (§ 17 Abs. 3, § 21 StaRUG). Verzichtet der Schuldner auf die Einberufung einer Versammlung zur Abstimmung, ist auf Verlangen eines Planbetroffenen eine Versammlung zum Zweck der gemeinschaftlichen Erörterung des Plans abzuhalten (§§ 17 Abs. 3, § 21 StaRUG). 74 Will der Schuldner die Bindung an sein Planangebot bis zum Ablauf einer Annahmefrist (§ 19 StaRUG) vermeiden, hat er gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 StaRUG wahlweise das Recht, anstelle der Durchführung einer versammlungslosen schriftlichen Abstimmung sogleich eine Versammlung der Planbetroffenen zur Planabstimmung einzuberufen. Für diese ist der Schuldner nicht an sein Planangebot gebunden, denn die Vorschriften über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, d. h. also auch § 130 BGB kommen nur insoweit zur Anwendung, wie sich aus den §§ 17 ff. StaRUG nichts Abweichendes ergibt.56) 75 In der Planbetroffenenversammlung zur Abstimmung kann nach § 20 Abs. 4 StaRUG auch dann über den Plan abgestimmt werden, wenn der Schuldner den Plan in einzelnen Punkten abändert, sei es durch Übernahme eines Änderungsvorschlags nach § 20 Abs. 3 Satz 3 StaRUG, sei es aufgrund der Erörterungen in der Versammlung oder aus sonstigen Gründen. Gehen die Änderungen darüber hinaus, kann der Schuldner ein neues Planangebot abgeben oder nach § 20 Abs. 1 StaRUG eine neue Planbetroffenenversammlung unter Beifügung des nun geänderten Plans einberufen.57) 2.3

Wegfall der Bindung in der Erörterungsversammlung

76 Findet eine Abstimmung i. R. einer Versammlung der Planbetroffenen nicht statt, ist eine Versammlung zur Erörterung des Plans einzuberufen. Die erfolgt jedoch nur auf Verlangen eines Planbetroffenen (§ 17 Abs. 3, § 21 Abs. 1 StaRUG). 77 Für die Versammlung der Planbetroffenen zur Erörterung des Plans gelten die Vorschriften über ihr Vorschlagsrecht zur Abänderung des Plans entsprechend (§ 21 Abs. 3 i. V. m. § 20 Abs. 3 Satz 3 und 4 StaRUG). Fristgerecht eingegangene Änderungsvorschläge muss der Schuldner, verspätet eingegangene Vorschläge kann er zur Erörterung stellen.58) Der Schuldner darf Änderungsvorschläge übernehmen, ein Zwang dazu besteht jedoch nicht, d. h. er kann nach Versammlungsschluss das schriftliche Planabstimmungsverfahren weiterhin so durchführen, wie ursprünglich geplant. 78 Beabsichtigt der Schuldner die Annahme von Änderungsvorschlägen, darf er in der Erörterungsversammlung aber nicht über einen geänderten Plan abstimmen lassen. § 21 Abs. 3 StaRUG verweist nur auf § 20 Abs. 3, nicht auf § 20 Abs. 4 StaRUG. Er kann in der Erörterungsversammlung selbst dann nicht über eine Planänderung oder einen geänderten Plan abstimmen lassen, wenn er diesen nur in einzelnen Punkten abändert, weil die Versammlung nur der Planerörterung, nicht der Abstimmung dient. Dem Schuldner stehen dann nach Durchführung der Versammlung drei Wege offen: 

Beabsichtigt er die Nichtannahme von Änderungsvorschlägen, setzt er das schriftliche Planabstimmungsverfahren fort und stellt den Plan in seiner ursprünglichen Fassung wie bisher zur schriftlichen Abstimmung. In diesem Fall verlängert sich die Annahmefrist bis zum Ablauf des Tags der Versammlung oder bis zu dem Termin, den der Schuldner bis zum Ende der Versammlung bestimmt hat, wenn die Erörterungsversammlung nach Ablauf einer zur Planannahme gesetzten Frist stattfindet (§ 21 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG verlieren bis dahin abgegebene

___________ 56) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. 57) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. 58) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123.

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§ 32

Planänderung

Stimmen der Planbetroffenen ihre Gültigkeit, wenn diese aufgrund der Erörterungen in der Erörterungsversammlung nun anders abstimmen wollen. 

Sieht der Schuldner kein Hindernis für die Annahme der Änderungsvorschläge, kann er den Planbetroffenen ein neues Planangebot gemäß §§ 17 ff. StaRUG unterbreiten.



Schließlich kann er auch eine Versammlung der Planbetroffenen zur Abstimmung einberufen und dem Einberufungsschreiben an die Planbetroffenen den nunmehr geänderten Restrukturierungsplan beifügen (§ 20 Abs. 1 Satz 5 StaRUG).

Die Entschließung zur Fortsetzung des ursprünglich geplanten versammlungslosen schrift- 79 lichen Planabstimmungsverfahrens hängt ab von der Konsensfähigkeit des ursprünglichen Restrukturierungsplans nach Kenntnis des Pro und Contra aus der Erörterungsversammlung. Zudem ist zu bedenken, dass aufgrund der Erörterungen die Bindung der Planbetroffenen an eine eventuelle bereits vollzogene Stimmabgabe entfällt (§ 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Das Gesetz räumt damit den Planbetroffenen ein gewisses Reurecht ein, welches den Schuldner aufgrund der Erörterungen in der Versammlung in der Schwebe hält, ob der Plan in seiner ursprünglichen Fassung die zur Annahme erforderliche Dreiviertel-Mehrheit in den Gruppen erreichen kann.

Barnert

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§ 33 Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG Denkhaus

I. 1.

Gruppenbildung ......................................... 1 Beteiligte Gläubiger ..................................... 6 1.1 Gestaltbare Rechtsverhältnisse....... 7 1.2 Sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen....................... 11 1.2.1 Im Insolvenzverfahren vollständig zu erfüllende Forderungen (§ 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG)......................................... 13 1.2.2 Ursachenabhängige Auswahl (§ 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG)............ 16 1.2.3 Gesamtrestrukturierung (§ 8 Satz 2 Nr. 3 StaRUG)............ 20 2. Möglichkeiten bei der Gruppenbildung ... 21 3. Gesetzlich vorgeschriebene Gruppen....... 24 3.1 Inhaber von Absonderungsanwartschaften (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG) ................... 26 3.2 Einfache Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG) .............................. 34 3.3 Nachrangige Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG) ................... 38 3.4 Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG) ................... 42 3.5 Gläubiger aus gruppeninternen Drittsicherheiten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) ............................. 46 3.6 Kleingläubiger (§ 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG) ............................. 51 4. Weitere Gruppen nach § 9 Abs. 2 StaRUG ...................................................... 55 4.1 Wirtschaftliche Interessen als Maßstab .................................... 57 4.2 Sachgerechte Abgrenzung ............ 60 5. Darstellung im Plan ................................... 74 6. Die Gleichbehandlung von Planbetroffenen ................................................. 77 7. Folgen fehlerhafter Gruppenbildung........ 81 8. Taktische Überlegungen bei der Gruppenbildung............................. 82 II. Stimmrechte und ihre Festsetzung ........ 90 1. Überblick.................................................... 90 1.1 Bedeutung der Stimmrechte ......... 91

1.2

2. 3. 4.

5.

6. 7.

Anforderungen der Restrukturierungsrichtlinie ........................... 96 Art und Weise der Stimmrechtsfestsetzung........................................................ 99 Zeitpunkt der Stimmrechtsbestimmung.............................................. 108 Berechnung der Stimmrechte.................. 112 4.1 Restrukturierungsforderungen... 113 4.1.1 Maßgeblichkeit des Forderungsbetrags, § 24 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG........................................ 113 4.1.2 Ergänzende Regelungen für die Bestimmung von Restrukturierungsforderungen (§ 24 Abs. 2 StaRUG)................. 115 4.1.2.1 Bedingte Forderungen ................ 116 4.1.2.2 Unverzinsliche Forderungen...... 118 4.1.2.3 Unbestimmter Geldbetrag, ausländische Währung oder Rechnungseinheit ........................ 120 4.1.2.4 Auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Forderungen .............. 125 4.2 Absonderungsanwartschaften und gruppeninterne Drittsicherheiten.................................. 128 4.3 Anteilsinhaber ............................. 132 4.3.1 Personengesellschaften ............... 140 4.3.2 Kapitalgesellschaften (GmbH, AG und SE) ................................. 142 4.3.3 Genossenschaften........................ 149 4.3.4 Verein........................................... 150 4.4 Durch Absonderungsanwartschaften und gruppeninterne Sicherheiten gesicherte Restrukturierungsforderungen ................ 151 Stimmrechtsstreitigkeiten ....................... 153 5.1 Streitigkeiten im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren ... 154 5.2 Streitigkeiten im gerichtlichen Abstimmungsverfahren .............. 164 Wirkung der Stimmrechtsfestsetzung...................................................... 170 Rechtsschutzmöglichkeiten bei fehlerhaft festgelegten Stimmrechten und Rechtsfolgen für die Planwirkung .......... 174

Literatur: Brinkmann, Die Haftung der Geschäftsleiter in der Krise nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), ZIP 2020, 2361; Brünkmans, Geschäftsleiterpflichten und Geschäftsleiterhaftung nach dem StaRUG und SanInsFoG – Nachtrag zu ZInsO 2021, 1 ff., ZInsO 2021, 125; de Bruyn/Ehmke, StaRUG & InsO: Sanierungswerkzeuge des Restrukturierungs- und Insolvenzverfahrens, NZG 2021, 661; Doebert/Krüger, Die strategische Gestaltung

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

von Restrukturierungsplänen – Zugleich erste Erfahrungen aus der StaRUG-Praxis, NZI 2021, 614; Frind, Nutzen und Grenzen der vorgerichtlichen Vorprüfung im StaRUG-Verfahren, NZI 2021, 609; Fuhrmann/Heinen/Schilz, Die gesellschaftsrechtlichen Aspekte des StaRUG, NZG 2021, 684; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Grau/Pohlmann/Radunz, Erste Praxiserfahrungen mit dem StaRUG – Zugleich Besprechung von AG Hamburg (NZI 2021, 544), NZI 2021, 522; Hacker/Weber, Das StaRUG ist in Kraft! Ablauf und praktische Anwendungsfälle des neuen Restrukturierungsverfahrens, WPg 2021, 258; Hoegen/Kranz, Neue Möglichkeiten der Konzernsanierung durch SanInsFoG und StaRUG, NZI 2021, 105; Jungmann, Die Konsequenzen einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde gegen die Planbestätigung des Restrukturierungsgerichts, ZIP 2022, 253; Jungmann, Die Ausrichtung der Pflichten von Gesellschaftsorganen an den Interessen der Residualberechtigten – Zur Notwendigkeit eines rechtsdogmatisch tragfähigen Fundaments des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 209; Lürken, Das StaRUG aus schuldverschreibungsrechtlicher Sicht, ZIP 2021, 1305; Marotzke, Die restrukturierungsrechtliche Plangestaltbarkeit nicht fälliger und nicht auf Geld gerichteter Forderungen, ZInsO 2021, 643; Mulert/ Steiner, Gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen im Insolvenz- und Restrukturierungsplan, NZG 2021, 673; Naujoks/Schönen, Die Anpassung von Einzelbestimmungen in Finanzierungsverträgen nach dem StaRUG, ZRI 2021, 437; Proske/Streit, Rettende Restrukturierung durch Rechtsrahmen? Lob und Kritik zum Regierungsentwurf des StaRUG, NZI 2020, 969; Röper/Denkhaus, Finanzierungsoptionen im Restrukturierungsverfahren, ZRI 2021, 1043; Schäfer, Zur Einbeziehung der Gesellschafter in ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren nach dem Regierungsentwurf eines „StaRUG“, ZIP 2020, 2165; Schülke, Überwindung der Krise: Die Restrukturierung mit dem neuen StaRUG – ein Überblick, DStR 2021, 621; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Spahlinger, Gruppen, Stimmrechte und erforderliche Mehrheiten, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32; Stahlschmidt, Die Möglichkeiten des neuen Sanierungsrechts anhand eines Fallbeispiels, ZInsO 2021, 205; Thole, Anmerkungen zum Beschluss des AG Köln: Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach StaRUG – Gegenstände des Restrukturierungsplans, NZI 2021, 436; Thole, Die Restrukturierung von Schuldverschreibungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2014, 293; Westpfahl/Dittmar, Die Behandlung gruppeninterner Sicherheiten im StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46.

I.

Gruppenbildung

Bei der Aufstellung des Restrukturierungsplans als Herzstück des Restrukturierungsver- 1 fahrens ist die Gruppenbildung von besonderer strategischer Bedeutung.1) Da es sich bei den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens im Unterschied zum Insolvenzverfahren nicht um ein Gesamtverfahren, sondern um teilkollektive Verfahrenshilfen handelt, werden im Regelfall nicht alle Gläubiger vom Restrukturierungsplan betroffen.2) Vielmehr kann der Schuldner zunächst wählen, welche Gläubiger mit welchen Forderungen in den Plan einbezogen werden.3) Vorgaben zur Auswahl der planbetroffenen Gläubiger und Forderungen enthält § 8 Sta- 2 RUG4). Die vom Schuldner zu treffende Auswahl der Planbetroffenen hat nach § 8 Satz 1 StaRUG grundsätzlich nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen. Hierdurch soll die Gefahr von Manipulationen reduziert werden.5) Sind Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung vom Restrukturierungsplan betroffen, 3 hat der Schuldner diese – ähnlich wie in § 222 InsO für den Insolvenzplan vorgesehen – nach § 9 StaRUG in Gruppen einzuteilen. Der Schuldner verfügt bei der Gruppenbildung i. R. der zwingenden Vorgaben des § 9 Abs. 1 StaRUG über einen Ermessensspielraum, durch den er insbesondere auch strategische Überlegungen bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen kann. ___________ 1) 2) 3) 4)

5)

Spahlinger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 32; Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 13. Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117.

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§ 33

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

4 Von besonderer Bedeutung ist insoweit, dass im Restrukturierungsverfahren blockierende Minderheiten sowohl innerhalb einer Gruppe mit einer 75 %-Mehrheit (vgl. § 25 Abs. 1 StaRUG) als auch gruppenübergreifend überstimmt werden können (vgl. § 26 StaRUG, sog. klassenübergreifender Cram-down). Der Schuldner kann also durch entsprechende Gruppenbildung und Zuordnung der Gläubiger die erforderliche Zustimmung zum Restrukturierungsplan und damit die Erfolgsaussichten der von ihm angestrebten Sanierung maßgeblich beeinflussen.6) 5 Durch die Auswahl der Planbetroffenen ist es dem Schuldner zudem möglich, den Restrukturierungsplan auf sein konkretes Restrukturierungsziel hin auszurichten und bestimmte Gläubiger, wie etwa Kunden oder Lieferanten, mit der Restrukturierung nicht zu belasten.7) 1.

Beteiligte Gläubiger

6 Da es sich bei den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens lediglich um teilkollektive Verfahrenshilfen handelt, mit denen nicht zwingend alle Gläubiger vom Restrukturierungsplan betroffen werden,8) muss der Schuldner bei der Aufstellung des Restrukturierungsplans zunächst die Gläubiger auswählen, deren Forderungen in den Plan einbezogen werden sollen. Die Auswahl der Planbetroffenen hat gemäß § 8 Satz 1 StaRUG nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen. Dadurch soll Missbrauch vermieden und eine gerichtliche Nachprüfbarkeit des eingeräumten Auswahlermessens gewährleistet werden.9) Eingeschränkt wird das Auswahlermessen des Schuldners außerdem dadurch, dass einige Rechtsverhältnisse von der Gestaltbarkeit im Restrukturierungsplan bereits gesetzlich ausgenommen sind. 1.1

Gestaltbare Rechtsverhältnisse

7 Welche Rechtsverhältnisse im Restrukturierungsplan gestaltbar sind, regeln die §§ 2 bis 4 StaRUG. Gestaltbar sind insbesondere Forderungen gegen den Schuldner (Restrukturierungsforderungen) sowie Rechte, die in einem Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigen würden (sog. Absonderungsanwartschaften, wie etwa Grundpfandrechte, Sicherungsübereignungen, Globalzessionen und Eigentumsvorbehalte).10) Dies gilt gemäß § 2 Abs. 4 StaRUG insbesondere auch für gruppeninterne Drittsicherheiten zwischen verbundenen Unternehmen i. S. des § 15 AktG.11) 8 In Anlehnung an § 225a InsO erlaubt § 2 Abs. 3 StaRUG ferner die Gestaltung von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten im Restrukturierungsplan, wodurch insbesondere ein Debt Equity Swap mit den Stimmen der Gläubiger gegen die Anteilsinhaber ermöglicht wird.12) In Betracht kommen darüber hinaus auch missbräuchliche Loan-to-own-Strategien.13) Allerdings ist vor Anzeige der Restrukturierungssache im Innenverhältnis die Zu-

___________ Spahlinger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 32. de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 667. Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117. Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 1. Schülke, DStR 2021, 621, 624; vgl. zu den Absonderungsrechten im Insolvenzverfahren: §§ 49 bis 51 InsO. Schülke, DStR 2021, 621, 624; ausführlich: Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 95 ff. Schülke, DStR 2021, 621, 624 f.; Granetzny/Derksen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, L. Rz. 96; Schäfer, ZIP 2020, 2165, 2165. 13) Schülke, DStR 2021, 621, 625; so auch: Proske/Streit, NZI 2020, 969, 970; Brinkmann, ZIP 2020, 2361, 2369.

6) 7) 8) 9) 10) 11) 12)

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

stimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen, so dass die Anzeige einer Restrukturierungssache ihrer Zustimmung bedarf.14) Als Planbetroffene scheiden demgegenüber insbesondere Arbeitnehmer aus, die gegen den 9 Schuldner Forderungen aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung geltend machen (§ 4 Satz 1 Nr. 1 StaRUG). Die Regelung beruht auf der Erwägung, dass die mit der Restrukturierung angestrebte Fortführung des Unternehmens einen funktionierenden operativen Geschäftsbetrieb voraussetzt, der ohne die Mitwirkung der Arbeitnehmer nur schwer vorstellbar ist. Verfügt ein Unternehmen allerdings nicht mehr über die notwendige Liquidität, um die gegenüber den Arbeitnehmern bestehenden Forderungen zu begleichen, hat die Krise erfahrungsgemäß bereits ein solch vertieftes Stadium erreicht, dass diese mit den teilkollektiven Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nicht mehr angemessen bewältigt werden kann.15) Nicht gestaltbar sind außerdem Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten 10 Handlungen (§ 4 Satz 1 Nr. 2 StaRUG) und Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO, also Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 4 Satz 1 Nr. 3 StaRUG). 1.2

Sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen

Die Auswahl der Planbetroffenen hat gemäß § 8 Satz 1 StaRUG nach sachgerechten Krite- 11 rien zu erfolgen und steht damit nicht im freien Ermessen des Schuldners. Vielmehr unterliegt diese einem gebundenen Auswahlermessen. Der Gesetzgeber will dadurch der Gefahr von Manipulationen, die im Fall eines ungebundenen Ermessens des Schuldners bestehen würde, entgegentreten.16) Deshalb sind die sachgerechten Kriterien, auf deren Grundlage die Auswahl der Planbetroffenen erfolgt, im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans anzugeben und zu erläutern (§ 8 Satz 1 StaRUG). Hierdurch soll den Planbetroffenen die Beurteilung der Sachgerechtigkeit und Angemessenheit der Lastentragung ermöglicht werden. Durch die volle Transparenz hinsichtlich des Kreises der einbezogenen und der nicht einbezogenen Gläubiger soll Missbrauch verhindert werden.17) Wann die vom Schuldner getroffene Auswahl sachgerecht ist, konkretisiert der Gesetzgeber 12 in § 8 Satz 2 StaRUG, wobei die Vorschrift keinen abschließenden Charakter hat.18) Gemäß § 8 Satz 2 StaRUG erfolgt die Auswahl „stets und ohne weiteres“19) sachgerecht, wenn 

die nicht einbezogenen Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden (Nr. 1),



die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint,

___________ 14) Demisch/Schwencke in: Morgen, StaRUG, § 43 Rz. 86 ff.; Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 127; Jungmann, ZRI 2021, 209, 213; Desch/Hochdorfer in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 6 Rz. 21. 15) Begr. RegE SanInsFoG z. § 4 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113; vgl. zur Gestaltung von Arbeitnehmerforderungen auch: Granetzny/Derksen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, L. Rz. 98 f. m. w. N. 16) Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117; de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 667. 17) Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117; de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 667. 18) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 8 Rz. 13; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 8 Rz. 6; Smid in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 8 Rz. 11. 19) Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118.

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§ 33

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

insbesondere, wenn ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden oder die Forderungen von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben (Nr. 2) oder 

mit Ausnahme der in § 4 genannten Forderungen sämtliche Forderungen einbezogen werden (Nr. 3).

1.2.1 Im Insolvenzverfahren vollständig zu erfüllende Forderungen (§ 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG) 13 Zu den Forderungen, die in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig befriedigt werden würden und deshalb in einen Restrukturierungsplan nicht einbezogen werden müssen, zählen zunächst Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 InsO.20) Diese Auffassung ist zwar grundsätzlich richtig, hinkt allerdings insoweit, als es im Restrukturierungsverfahren eben mangels Eröffnungsbeschluss nicht zur Begründung der Insolvenzmasse i. S. des § 35 InsO kommt. Insoweit ist der Anwendungsbereich dieser Feststellung nicht gegeben. Im Übrigen ist ein großer Teil der typischen Masseverbindlichkeiten im Restrukturierungsverfahren nicht gestaltbar. Dies betrifft die Forderungen von Arbeitnehmern, die gemäß § 4 Nr. 1 StaRUG nicht gestaltbar sind. Forderungen aus gegenseitigen Verträgen (etwa Mietverträgen) sind nur insoweit gestaltbar, als die Gegenleistung bereits erbracht wurde (§ 3 Abs. 2 StaRUG), bspw. während der Corona-Pandemie gestundete Mietforderungen für vergangene Zeiträume. 14 Unter § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG fallen ferner alle Forderungen von voll besicherten Gläubigern, unabhängig davon, ob diese Gläubiger die Erfüllung aus Sicherungsrechten des Schuldners (Absonderungsrechte, §§ 49 ff. InsO) erlangen können oder ob sie von Dritten werthaltige Sicherheiten erlangt haben.21) Auch bei aussonderungs- und ersatzaussonderungsberechtigten Gläubigern (vgl. §§ 47, 48 InsO) handelt es sich um solche Gläubiger, die im Falle einer Insolvenz mit einer Befriedigung ihrer Forderungen in voller Höhe rechnen können.22) Dabei kann ein Gläubiger mit einer Forderung voll besichert sein und insoweit unter § 8 Satz 2 Nr. 1 StaRUG fallen und mit einer anderen, nicht oder nur teilweise besicherten Forderung Planbetroffener werden. Schließlich können zu den voraussichtlich voll zu erfüllenden Forderungen auch Gläubiger von Rahmenkrediten gemäß § 264 InsO aus einem vorhergehenden Insolvenzplanverfahren zählen, wenn eine entsprechende Befriedigung zu erwarten ist.23) 15 Dass Gläubiger, die im Falle der Insolvenz mit einer vollständigen Befriedigung ihrer Forderungen rechnen können, einem Plan, der in ihre Rechte eingreift, ohnehin nicht zustimmen würden, ist offenkundig. Es erscheint daher sachgerecht, eben diese Gläubiger von einem aufzustellenden Restrukturierungsplan auszunehmen.24) 1.2.2 Ursachenabhängige Auswahl (§ 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG) 16 Eine sachgerechte Auswahl der vom Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger liegt nach § 8 Satz 2 Nr. 2 auch vor, wenn die Auswahl in Anbetracht der zu bewältigenden wirtschaft___________ 20) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 8 Rz. 19; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 8 StaRUG Rz. 14; ähnlich Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 8 Rz. 13, der von einer voraussichtlich vollständigen Erfüllung lediglich im Falle von unechten Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 4 InsO ausgeht. 21) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 8 Rz. 20; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 8 StaRUG Rz. 14. 22) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 8 Rz. 21; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 8 StaRUG Rz. 15. 23) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 8 Rz. 22. 24) Zutreffend: Böhm in: Braun, StaRUG, § 8 Rz. 7; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 8 StaRUG Rz. 10.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

lichen Schwierigkeiten des Schuldners nach den Umständen angemessen erscheint. Gemäß der Gesetzesbegründung richtet sich dies in erster Linie nach den Maßnahmen, die nach den konkreten Umständen erforderlich erscheinen, um die Restrukturierungslösung überhaupt realisieren zu können.25) Eine sachgerechte Auswahl soll nach dem Wortlaut des § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG insbe- 17 sondere dann vorliegen, wenn sich die Restrukturierung auf die Gestaltung von Finanzverbindlichkeiten beschränkt. Der Gesetzgeber erachtet eine solche Auswahl aus mehreren Gründen für angemessen. Zum einen sind an einer solchen Restrukturierung typischerweise ausschließlich professionelle Gläubiger beteiligt, die ohne weiteres in der Lage sind, ihren Interessen im Restrukturierungsprozess wirkungsvoll Geltung zu verschaffen und die Informationen im darstellenden Teil angemessen zu interpretieren.26) Zum anderen findet eine auf die Finanzverbindlichkeiten konzentrierte Restrukturierung ihre Entsprechung in der Praxis der freien Sanierung und wird dabei dem Befund gerecht, dass es wünschenswert sein kann, den operativen Geschäftsbetrieb von jedweden Friktionen im Restrukturierungsprozess freizuhalten.27) Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings nicht, dass nicht auch die Einbeziehung von 18 Forderungen aus Lieferantenkrediten oder anderen Rechtsverhältnissen sachgerecht sein kann, soweit deren Einbeziehung unter Berücksichtigung der Forderungshöhe und des zu erreichenden Restrukturierungsziels erforderlich erscheint.28) Hierbei kann es sich bspw. um einen Schadensersatzanspruch eines einzelnen Auftraggebers handeln, mit dessen Auftrag sich der Schuldner (technisch) übernommen hat. Schließlich normiert § 8 Satz 2 StaRUG explizit die Möglichkeit, mittlere Unternehmen, 19 Klein- und Kleinstunternehmen29), Verbraucher oder andere Gläubiger von den Planwirkungen auszunehmen. Begründet wird die Regelung damit, dass die Sanierungsbeiträge, die von solchen Gläubigern zu erwarten sind, oftmals hinter den Beiträgen zurückbleiben, die von Groß- oder Finanzgläubigern geleistet werden können. Zudem stellen sich bei der Beteiligung von Kleingläubigern besondere Kollektivhandlungsprobleme, die deren Schutzbedürftigkeit erhöhen. Das bedeutet umgekehrt aber nicht, dass die Einbeziehung von Kleingläubigern stets oder auch nur ohne weiteres unsachgemäß ist. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Handelt es sich beim Schuldner selbst um ein Kleinunternehmen, können sich unter seinen Gläubigern auch andere Kleinunternehmen befinden, deren Sanierungsbeiträge benötigt werden.30) 1.2.3 Gesamtrestrukturierung (§ 8 Satz 2 Nr. 3 StaRUG) Die Auswahl der vom Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger ist gemäß § 8 Satz 2 20 Nr. 3 StaRUG schließlich sachgerecht, wenn mit Ausnahme der in § 4 genannten Forderungen sämtliche Forderungen in den Plan einbezogen werden. Aus dieser Regelung kann ___________ 25) 26) 27) 28) 29)

Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. Kleinstunternehmen: bis 9 Beschäftigte und bis 2 Mio. € Umsatz/Jahr; Kleines Unternehmen: bis 49 Beschäftigte und bis 10 Mio. € Umsatz/Jahr und kein kleinstes Unternehmen; Mittleres Unternehmen: bis 249 Beschäftigte und bis 50 Mio. € Umsatz/Jahr und kein kleinstes oder kleines Unternehmen: Empfehlung der Kommission v. 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen, 2003/361/EG, ABl. (EU) L 124/36 v. 20.5.2003, abrufbar unter https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003H0361&from=EN (Abrufdatum: 16.1.2023). 30) Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118; Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 39.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

im Umkehrschluss allerdings nicht abgeleitet werden, dass für eine sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen grundsätzlich alle gestaltbaren Forderungen in den Restrukturierungsplan einbezogen werden müssen. Vielmehr kann sich die Auswahl bzw. Abgrenzung auch aus § 8 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 StaRUG ergeben. Der Gesetzgeber geht im Falle des § 8 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 1 StaRUG lediglich davon aus, dass die Auswahl der Planbetroffenen „stets und ohne weiteres“ angemessen ist.31) 2.

Möglichkeiten bei der Gruppenbildung

21 Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StaRUG sind bei der Festlegung der Rechte der Planbetroffenen im Restrukturierungsplan Gruppen zu bilden, soweit Planbetroffene mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. Entsprechende Vorgaben zur Einteilung der nach § 8 StaRUG ausgewählten Planbetroffenen enthält § 9 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 2 StaRUG. 22 Die Vorschrift ist angelehnt an § 222 InsO, der die Gruppenbildung im Insolvenzplan regelt, und dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 4 Restrukturierungsrichtlinie32) Die Unterscheidung von gesicherten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und ungesicherten Forderungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 3 StaRUG) ist bereits in Art. 9 Abs. 2 Restrukturierungsrichtlinie angelegt.33) 23 Von der Möglichkeit, gemäß Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 3 Restrukturierungsrichtlinie kleine und mittlere Unternehmen von der Verpflichtung zur Gruppenbildung grundsätzlich auszunehmen, macht das StaRUG hingegen keinen Gebrauch. Begründet hat der Gesetzgeber dies damit, dass sich aus der Bildung der in § 9 Abs. 1 StaRUG vorgegebenen Pflichtgruppen keine besonderen Schwierigkeiten ergeben und die Unterscheidung wenigstens der dort genannten Pflichtgruppen im Interesse der transparenten Darstellung der unterschiedlichen wirtschaftlichen Situation der betroffenen Gläubiger und Anteilsinhaber auch bei solchen Schuldnern geboten ist.34) 3.

Gesetzlich vorgeschriebene Gruppen

24 Zwingend zu bilden sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 StaRUG Gruppen 

für Inhaber von Absonderungsanwartschaften (Nr. 1),



einfache Restrukturierungsgläubiger (Nr. 2),



nachrangige Restrukturierungsgläubiger (Nr. 3) und



die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (Nr. 4).

25 Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG bilden Gläubiger aus gruppeninternen Drittsicherheiten eine eigenständige Gruppe, soweit der Restrukturierungsplan Eingriffe in die Rechte dieser Gläubiger vorsieht. Schließlich sind für Kleingläubiger der nach § 9 Abs. 1 StaRUG zu bildenden Gruppen eigene (Unter-)Gruppen zu bilden (§ 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG).

___________ 31) Begr. RegE SanInsFoG z. § 10 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118; so auch: Fridgen in: BeckOKStaRUG, § 8 Rz. 44. 32) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118; Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 33) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118. 34) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG 3.1

§ 33

Inhaber von Absonderungsanwartschaften (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG)

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG sind für planbetroffene Inhaber von Absonderungs- 26 anwartschaften eine oder mehrere eigene Gruppen zu bilden. Eine Legaldefinition der Absonderungsanwartschaften enthält § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG. 27 Demnach sind darunter die an Gegenständen des schuldnerischen Vermögens bestehenden Rechte zu verstehen, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden. Die Definition nimmt aus dieser Gesamtheit wiederum Finanzsicherheiten i. S. des § 1 Abs. 17 KWG aus, ebenso wie Sicherheiten, die dem Betreiber eines Systems nach § 1 Abs. 16 KWG zur Absicherung seiner Ansprüche aus dem System oder der Zentralbank eines Mitgliedstaats der EU oder der Europäischen Zentralbank (EZB) gestellt wurden. Die letzten beiden Arten von Sicherheiten stellen keine Absonderungsanwartschaft i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG und damit auch keine solchen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG dar.35) Die Absonderungsrechte im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden sich wie- 28 derum in den §§ 49 ff. InsO, die von § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG implizit in Bezug genommen werden. Erfasst sind damit etwa 

Grundschulden, Hypotheken,



Rentenschulden,



Reallasten,



die Rechte aus § 10 ZVG,



öffentliche Lasten und i. R. einer Zwangsvollstreckung erlangte Sicherungsrechte (§ 49 InsO),



rechtsgeschäftliche und gesetzliche oder durch Pfändung erlangte Pfandrechte (§ 50 InsO),



Sicherungsübereignungen oder -abtretungen einschließlich verlängerter Eigentumsvorbehalte und u. U. erweiterte Eigentumsvorbehalte,



Zurückbehaltungsrechte an Sachen wegen einer Verwendung auf die jeweilige Sache und



kaufmännische Zurückbehaltungsrechte, sowie



zoll- und steuerpflichtige Sachen, soweit sie Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbände nach den gesetzlichen Vorschriften als Sicherheit für öffentliche Abgaben dienen (§ 51 InsO).36)

Ungeachtet des Wortlauts von § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG, der auf die Inhaberstellung 29 in Bezug auf die Absonderungsanwartschaft und nicht in Bezug auf die besicherte Forderung abstellt, muss für die entsprechende Eingruppierung die besicherte Forderung gerade auch dem einzugruppierenden Gläubiger zustehen. Fallen Inhaberschaft der Sicherheit und der besicherten Forderung auseinander oder besteht die Forderung überhaupt nicht, könnte der Inhaber der Sicherheit auch im Insolvenzverfahren kein Absonderungsrecht geltend machen. Möglicherweise ist deshalb ein Sicherungstreuhänder, der nur das Sicherungsrecht hält, in eine andere Gruppe einzuordnen als der gesicherte Planbetroffene, weil beide eben eine unterschiedliche Rechtsstellung aufweisen.37) ___________ 35) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 52; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 9 StaRUG Rz. 15; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 32. 36) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 53. 37) Zutreffend bereits: Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 54; vgl. zum Sicherungstreuhänder auch Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 34.

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30 Die Inhaber der Absonderungsanwartschaften werden nur i. H. der besicherten Forderungen der Gruppe des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG zugeordnet (vgl. auch § 24 Abs. 3 Satz 2 StaRUG).38) Der gleiche Gläubiger, der noch weitere Forderungen hält, oder dessen Forderung nicht in voller Höhe durch die Absonderungsanwartschaft abgesichert ist, kann sich dadurch auch in verschiedenen Gruppen wiederfinden, etwa i. H. des nicht gesicherten Forderungsanteils in der Gruppe der unbesicherten Gläubiger und i. H. des gesicherten Forderungsanteils in der Gruppe des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG.39) Gleiches kann in der Konstellation vorkommen, in der ein Gläubiger sowohl über gesicherte als auch ungesicherte Forderungen gegen den Schuldner verfügt. Dies zeigt, dass die Gruppenbildung nicht per capita erfolgt, sondern wertsummenmäßig. 31 Die Absonderungsanwartschaft muss gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 StaRUG zum Zeitpunkt der Unterbreitung des Plans (§ 17 StaRUG), im Fall einer Abstimmung im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren zum Zeitpunkt der Antragstellung (§ 45 StaRUG) bestehen. Erwirkt der Schuldner vorher eine Stabilisierungsanordnung nach § 49 StaRUG, muss die Absonderungsanwartschaft zum Zeitpunkt der Erstanordnung bestehen (§ 2 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). 32 Die Gruppe der Inhaber von Absonderungsanwartschaften entfällt, wenn Absonderungsanwartschaften in den Restrukturierungsplan nicht einbezogen werden.40) 33 So wie die h. M. auch beim Insolvenzplan davon ausgeht, dass zwischen Absonderungsanwartschaften und einfachen Restrukturierungsforderungen kein Rangverhältnis besteht,41) muss dies auch im Restrukturierungsverfahren gelten und die Absonderungsanwartschaft als aliud betrachtet werden.42) 3.2

Einfache Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG)

34 Die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG definierten Restrukturierungsforderungen erfassen in Anlehnung an § 38 InsO die nicht nachrangigen und darüber hinaus auch die nachrangigen Restrukturierungsforderungen i. S. von § 39 InsO. Allerdings sind Sanktionsansprüche nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO über § 4 Nr. 3 StaRUG als nicht gestaltbare Rechtsverhältnisse hiervon ausgenommen. Die Gläubiger der Restrukturierungsforderungen sind allerdings gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 StaRUG in unterschiedliche Gruppen einzuteilen, je nachdem ob sie über nicht nachrangige oder nachrangige Forderungen verfügen. 35 Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO zählen Zinsen und Säumniszuschläge, soweit sie auf den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung entfallen, zu den nachrangigen Insolvenzforderungen. Zwar kommt es bei der Abgrenzung der im Restrukturierungsplan gestaltbaren Forderungen ähnlich dem insolvenzrechtlichen Vorbild grundsätzlich ebenfalls darauf an, ob die Forderung zum Zeitpunkt des Planangebots bereits begründet war (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 2 StaRUG).43) Im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens sah der Gesetzgeber aber keinen Bedarf, eine ___________ Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 8; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 9 StaRUG Rz. 17. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 55; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 9 StaRUG Rz. 17. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 58. Skauradzsun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 6 – unter Verweis auf: LG Traunstein v. 27.8.1999 – 4 T 2966/99, NZI 1999, 461, 463; Braun/Frank in: Braun, InsO, § 245 Rz. 10; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 245 Rz. 23; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rz. 24; Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 23; Thies/Lieder in: HambKomm-InsO, § 245 Rz. 13. 42) Zutreffend: Skauradszun, KTS 2021, 1, 70 f.; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 7. 43) Im Fall einer Abstimmung im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren ist gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 StaRUG der Zeitpunkt der Antragstellung (§ 45 StaRUG) maßgeblich. Erwirkt der Schuldner vorher eine Stabilisierungsanordnung (§ 49 StaRUG), tritt an die Stelle des Planangebots oder des Antrags nach § 2 Abs. 5 Satz 2 StaRUG der Zeitpunkt der Erstanordnung.

38) 39) 40) 41)

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

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solchen Nachrangregelung zu kodifizieren, da selbst künftige Zinsansprüche gemäß § 3 Abs. 2 StaRUG auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans gestaltbar sind.44) Die Gläubiger sind entsprechend mit ihren im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht nachrangigen Insolvenzforderungen einschließlich der auf diese entfallenden Zinsen und Säumniszuschläge als Restrukturierungsforderungen in die Gruppe nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 einzuordnen.45) Abzugrenzen sind nach einer Auffassung die einfachen Restrukturierungsforderungen von 36 den in einem alternativ durchgeführten Insolvenzverfahren vorrangig zu erfüllenden Masseverbindlichkeiten nach §§ 53, 55 InsO, für die – soweit solche Forderungen in den Restrukturierungsplan einbezogen werden sollen – eine eigene Gruppe zu bilden ist.46) Hier gelten die vorstehend in Rz. 34 gemachten Ausführungen. Mangels Insolvenzverfahren kommt es nicht zur Begründung der Insolvenzmasse i. S. 37 des § 35 InsO, folglich auch nicht zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs 1 InsO und nicht zu einer Erfüllungswahl nach § 103 InsO, sodass eine Forderung aus einem gegenseitigen Vertrag nicht tatsächlich zu einer Masseverbindlichkeit werden kann. Ob es im Falle eines Insolvenzverfahrens zu einer derartigen Erfüllungswahl käme, bleibt eine spekulative und hypothetische Frage, die selbst wenn sie bejaht werden würde, nichts daran ändert, dass die fragliche Forderung eine einfache Restrukturierungsforderung bleibt, insbesondere auch im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 StaRUG. Soweit dies den wirtschaftlichen Interessen des Schuldners entspricht, kann er für diese Gläubiger nach § 9 Abs. 2 StaRUG (siehe dazu Rz. 55 ff.) allerdings eine eigene Gruppe bilden.47) 3.3

Nachrangige Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG)

Eine weitere gesetzlich vorgeschriebene Gläubigergruppe ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Satz 2 38 Nr. 3 StaRUG für die Inhaber von Forderungen, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 39 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder Abs. 2 InsO als nachrangige Insolvenzforderungen anzumelden wären. Die im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO stehenden Strafen und sonstigen Sanktionen sind einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan nach § 4 Nr. 3 StaRUG nicht zugänglich,48) weshalb sie von der in § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG normierten Gruppe nicht erfasst werden. Da die Gläubiger von Zins- und Säumniszuschlägen i. S. von § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO bereits 39 in die Gruppe der einfachen Restrukturierungsforderungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG fallen (siehe dazu unter Rz. 35), und der Kostenrang des § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Restrukturierungsverfahren keine Anwendung findet, verbleiben als nachrangige Restrukturierungsforderungen die Forderungen auf unentgeltliche Leistungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO), Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) sowie Forderungen mit vereinbartem Rangrücktritt (§ 39 Abs. 2 InsO).49) Im Insolvenzverfahren werden Gesellschafterdarlehensrückforderungen selbst dann als nach- 40 rangige Forderungen behandelt, wenn der Inhaber der Forderung zwar aus dem Schuldner ___________ 44) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118 f.; Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 40. 45) Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 11; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 39; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 9 Rz. 24. 46) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 61. 47) Vgl. auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 61. 48) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 49) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119.

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ausgeschieden ist, aber innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags noch Gesellschafter des Schuldners war.50) Im Restrukturierungsverfahren wird man mangels Alternativen an den Zeitpunkt des § 2 Abs. 5 StaRUG anknüpfen und von diesem ein Jahr zurückrechnen müssen, um zu bestimmen, ob der (ehemalige) Gesellschafter mit seiner Forderung in die Gruppe der nachrangigen Restrukturierungsforderungen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG einzuordnen ist.51) 41 Zu beachten ist schließlich, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG a. E. für jede der Ranggruppen des § 39 Abs. 1 Nr. 4, 5 und Abs. 2 eine eigene Gruppe gebildet werden muss, sofern Gläubiger mit entsprechenden Forderungen vom Restrukturierungsplan betroffen sind.52) 3.4

Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG)

42 § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG regelt die Gruppenbildung für Inhaber von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten dahingehend, dass auch für diese aufgrund ihrer unterschiedlichen Rechtsstellung zwingend eine eigene Gruppe zu bilden ist. 43 Diese gesetzliche Gruppierungsanordnung steht in einem engen Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, die im Restrukturierungsplan vorgenommen werden können (vgl. § 2 Abs. 3, § 7 Abs. 4 StaRUG).53) Sie knüpft – ebenso wie § 222 Abs. 1 Nr. 4 InsO54) – an den Schuldner als Verband an und erfasst alle Rechte, die den Gläubigern gerade aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Verband zustehen und von dieser nicht getrennt werden können.55) Sind die Ansprüche, die aus der Mitgliedschaft entstehen, allerdings von dieser trennbar, so handelt es sich nicht um Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG.56) Dies gilt etwa für Darlehensrückzahlungsansprüche oder Gewinnbezugsrechte.57) Freilich können Gläubiger solcher Forderungen auch als Anteilsinhaber in eine Gruppe nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG aufzunehmen sein, wenn sie eben über Forderungen aus beiden Gründen verfügen.58) Dies verdeutlicht einmal mehr, dass die Gruppeneinteilung nicht pro Kopf, sondern nach der Qualität der jeweiligen Forderung vorzunehmen ist. 44 § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG fordert nach seinem Wortlaut eine separate Gruppenbildung für Kleingläubiger, nicht jedoch für Kleinbeteiligte, wohingegen § 222 Abs. 3 Satz 2 InsO von „Kleingläubigern und geringfügig beteiligten Anteilsinhabern“, also Kleinbeteiligten, spricht. Im Rahmen des Restrukturierungsplans müssen Kleinbeteiligte daher nicht zwangsläufig in einer eigenen Gruppe zusammengefasst werden. Sollten sich deren wirtschaftliche restrukturierungsbezogenen Interessen aber abweichend von denen der Großgesellschafter zeigen, ___________ 50) BGH v. 15.11.2018 – IX ZR 39/18, ZIP 2019, 182; BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86. 51) Zutreffend: Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 66. 52) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 67; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 12; Thies in: Bieg/ Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 56; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 9 StaRUG Rz. 20. 53) Vgl. zu den gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen und Aspekten im Restrukturierungsverfahren etwa: Mulert/Steiner, NZG 2021, 673; Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684. 54) Vgl. zu § 222 Abs. 1 Nr. 4 InsO: Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 222 Rz. 70. 55) Martini in: HambKomm-RestruktR, § 9 StaRUG Rz. 22; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 45. 56) Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 222 Rz. 70. 57) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 71; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 225a Rz. 21. 58) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 71.; s. a. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

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kann eine eigene Gruppe gebildet werden. Dieses kann ggf. bei einer Publikumsgesellschaft geboten sein.59) Ohne Berücksichtigung von Sonder- oder Mehrstimmrechten sowie Stimmrechtsbeschrän- 45 kungen richtet sich das Stimmrecht der Anteilsinhaber und Mitglieder gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG nach dem Anteil am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners (siehe dazu Rz. 134). 3.5

Gläubiger aus gruppeninternen Drittsicherheiten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG)

Der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans (§ 7 StaRUG) kann auch Eingriffe in die 46 Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten vorsehen. Ist dies der Fall, sind die betroffenen Gläubiger nach § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG zwingend einer eigenen Gruppe zuzuordnen. Mit der Zuordnung der gruppeninternen Drittsicherheiten zu einer eigenen Plangruppe will der Gesetzgeber der unterschiedlichen Wirkungsweise von Drittund Eigensicherheiten und der unterschiedlichen wirtschaftlichen Stellung der durch Drittund Eigensicherheiten begünstigten Gläubiger Rechnung tragen.60) § 2 Abs. 4 Satz 1 StaRUG definiert die gruppeninterne Drittsicherheit als eine von einem 47 mit dem Schuldner verbundenen Unternehmen i. S. des § 15 AktG als Bürge, Mitschuldner oder aufgrund einer anderweitig übernommenen Haftung sowie ein Recht an Gegenständen des Vermögens eines solchen (mit dem Schuldner verbundenen) Unternehmens. Gemeint sind folglich sowohl Personal- als auch Realsicherheiten. Hinsichtlich der Konzernverhältnisse, in denen die Sicherheit gestellt wird, lassen sich die gruppeninternen Sicherheiten in Upstream- (z. B. von einer Tochtergesellschaft zugunsten der Muttergesellschaft), Downstream- (z. B. von der Muttergesellschaft zugunsten einer Tochtergesellschaft) sowie Crossund Sidestream-Sicherheiten (z. B. von der Schwestergesellschaft zugunsten einer Schwestergesellschaft) differenzieren.61) Wie allgemein bei besicherten Forderungen gilt, dass wesentlich unterschiedlich gesicherte 48 Forderungen in unterschiedliche Gruppen einzuordnen sind. Die Bildung von Mischgruppen, die Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung in sich vereinen, ist – ebenso wie im Insolvenzplan62) – auch im Restrukturierungsplan unzulässig.63) Die Zuordnung zur Gruppe der vom Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten betroffenen Gläubiger i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG ist zudem konsequenterweise nur i. H. der besicherten Forderung vorzunehmen (vgl. auch § 24 Abs. 3 Satz 2 StaRUG). Mit ihren ungesicherten Forderungsanteilen sind die Gläubiger den entsprechenden anderen Gruppen zuzuweisen. Daraus folgt auch, dass der einzelne Gläubiger Mitglied mehrerer Gruppen sein kann, eben mit unterschiedlich zu berücksichtigenden Forderungen bzw. Forderungsanteilen.64) Gemäß dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG sind die Gläubiger gruppeninterner 49 Sicherheiten in „eigenständige Gruppen“ und nicht etwa mehrere oder alle Gläubiger von ___________ 59) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 72, 86 – unter Verweis auf ErwG 58 der Restrukturierungsrichtlinie. 60) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119; ausführlich zur Behandlung gruppeninterner Sicherheiten im StaRUG: Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46. 61) Vgl. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 101; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 49; vgl. dazu auch: Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 107. 62) Vgl. etwa BGH v. 7.7.2005 – IX ZB 266/04, NZI 2005, 619, 621; Spahlinger in: KPB, InsO, § 222 Rz. 53; Rühle in: Nerlich/Römermann, InsO, § 222 Rz. 5. 63) Zutreffend: Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 77; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 58; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 12; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 9 StaRUG Rz. 34; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 9 Rz. 48. 64) Vgl. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 77.

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gruppeninternen Drittsicherheiten in „eine eigenständige Gruppe“ einzuteilen. Daraus folgt, dass offenbar keinesfalls mehrere Gläubiger aus gruppeninternen Drittsicherheiten in einer Gruppe zusammengefasst werden können.65) Zur Begründung könnte man auf die Individualität der jeweiligen Gewährung von Drittsicherheiten abstellen, jedenfalls soweit es unterschiedliche Drittsicherheitengeber gibt. Diesem Gedanken folgend wäre es dann so, dass bei unterschiedlichen Gläubigern aus (unterschiedlichen) gruppeninternen Drittsicherheiten in jedem Fall unterschiedliche Rechtsstellungen gegeben sein müssten, sodass jeweils einzelne Gruppen mit je einem Mitglied zu bilden sind. Nichtsdestoweniger bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz des Differenzierungsverbots. Sollten die rechtliche Stellung und die wirtschaftlichen Interessen wesentlich gleich sein, ist allein auf der Grundlage der Unterschiedlichkeit der Gläubiger oder der Drittsicherungsgeber keine eigene Gruppe zu bilden.66) 50 § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG gibt dem Schuldner schließlich auf, den Eingriff in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten durch eine angemessene Entschädigung zu kompensieren.67) 3.6

Kleingläubiger (§ 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG)

51 Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG sind Kleingläubiger i. R. der nach § 9 Abs. 1 StaRUG zu bildenden Gruppen zwingend zu eigenständigen Gruppen zusammenzufassen. Damit unterscheidet sich die Vorschrift von § 222 Abs. 3 Satz 2 InsO, der für Kleingläubiger lediglich eine fakultative Gruppenbildung vorsieht.68) 52 Diese obligatorische Bildung von Untergruppen für Kleingläubiger liegt in den vom Insolvenzrecht abweichenden Mehrheitserfordernissen begründet und soll die Kleingläubiger vor einer ungerechtfertigten Majorisierung durch Großgläubiger schützen.69) Die Gefahr einer solchen Überstimmung wäre gegenüber dem Insolvenzplanverfahren ohne die Bildung von Kleingläubigergruppen deshalb erhöht, weil anders als § 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Norm des § 25 Abs. 1 StaRUG, welche die Stimmmehrheit von mindestens drei Viertel der Stimmrechte in jeder Gruppe statuiert, keine Kopfmehrheit der Gläubiger vorsieht, sodass es nur auf die Forderungshöhe ankäme.70) 53 Im Gegensatz zu § 222 Abs. 3 Satz 2 InsO nennt § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG – mutmaßlich aufgrund seines europarechtlichen Ursprungs71) – keine betrags- oder verhältnismäßigen Größenordnungen als Anhaltspunkt für die Qualifizierung als Kleingläubiger i. S. der Norm. Ausweislich der Gesetzesbegründung bestimmt sich der Kreis der Kleingläubiger nicht nach für alle Arten von Unternehmen gleichartigen Kriterien. Es kommt vielmehr auf die Gläubigerstruktur des Unternehmens im Einzelnen an. Zu dieser Bestimmung sollen relative Kriterien, wie bspw. der Anteil der Verbindlichkeiten gegenüber dem betroffenen Gläubiger an der Gesamtsumme aller Verbindlichkeiten des Schuldners herangezogen werden, ebenso wie absolute Kriterien, so etwa die absolute Höhe der Forderung des betrof___________ 65) So jedenfalls: Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 77; Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46, 47. 66) Zutreffend: Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 78; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 49. 67) Martini in: HambKomm-RestruktR, StaRUG, § 9 Rz. 26; zur Bestimmung der Angemessenheit: Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 103 ff. 68) Vgl. de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 669; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 24. 69) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 70) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119; vgl. auch Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 41; Spahlinger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 32. 71) So Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 85, der deshalb eine analoge Anwendung der Kriterien des § 222 Abs. 3 Satz 2 InsO ablehnt; a. A. Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 54, wonach die Grundsätze im Insolvenzplanverfahren (§ 222 Abs. 3 Satz 2 InsO) jedenfalls einen ersten Anhaltspunkt dafür bieten können, wer „Kleingläubiger“ ist.

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fenen Gläubigers.72) Unerheblich ist hingegen, ob es sich bei den Gläubigern um „kleine“ Unternehmen handelt. Maßgeblich ist vielmehr, dass „kleine“ Forderungen der Gläubiger betroffen sind.73) Angesichts des Wortlauts der Norm („im Rahmen der nach Absatz 1 zu bildenden Gruppen“ 54 und „eigenständige[n] Gruppen“) und der Idee der Majorisierungsvermeidung74) ist davon auszugehen, dass innerhalb der sonstigen Pflichtgruppen des § 9 Abs. 1 StaRUG jeweils Untergruppen für die Kleingläubiger zu bilden sind, auch wenn jeweils nur ein Kleingläubiger in die jeweilige Untergruppe Eingang finden würde.75) Unbestreitbar erhöht es die Komplexität der Gruppenbildung insgesamt, wenn für Kleingläubiger in jeder Gruppe eine eigene Untergruppe gebildet werden muss. Darüber hinaus birgt eine solche Untergruppenbildung auch die Gefahr von Abgrenzungsproblemen. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Rechtsprechung insofern Ausnahmen für die Restrukturierung kleinerer Unternehmen entwickeln wird.76) 4.

Weitere Gruppen nach § 9 Abs. 2 StaRUG

Wie im Insolvenzplan (§ 222 Abs. 2 InsO), können auch im Restrukturierungsplan nach § 9 55 Abs. 2 StaRUG weitere Gruppen gebildet werden.77) Die Einteilung weiterer Gruppen ist grundsätzlich fakultativ. Wird die Einteilung vorgenommen, sind die so gebildeten Gruppen allerdings vollwertige Gruppen i. S. der §§ 25 ff. StaRUG und nicht lediglich Untergruppen von Gruppen mit Gläubigern gleicher Rechtsstellung.78) Die fakultative Gruppenbildung unterliegt – ebenso wie bei der Gruppenbildung nach 56 § 222 Abs. 2 Satz 2 InsO – einer Sachgerechtigkeitskontrolle (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Wie bei § 222 Abs. 2 Satz 3 InsO sind die Abgrenzungskriterien im Restrukturierungsplan anzugeben, um den Planbetroffenen bei der Abstimmung eine vollständige Informationsgrundlage zu verschaffen und dem Restrukturierungsgericht bei der Planbestätigungsentscheidung eine Überprüfung zu ermöglichen.79) 4.1

Wirtschaftliche Interessen als Maßstab

Die Unterteilung der nach unterschiedlicher Rechtstellung gebildeten Gruppen in weitere 57 Untergruppen hat gemäß (§ 9 Abs. 2 Satz 1 StaRUG) anhand der wirtschaftlichen Interessen der Planbetroffenen, die in diese Gruppen eingeteilt werden sollen, zu erfolgen. Planbetroffene mit gleicher Rechtsstellung i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 StaRUG dürfen bei unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden, wenn diese sachgerecht abgegrenzt sind. Im Gegensatz dazu dürfen Planbetroffene mit unterschiedlicher Rechtsstellung nicht in die gleiche Gruppe einsortiert werden.80)

___________ 72) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 73) Vgl. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 81; ähnlich Martini in: HambKomm-RestruktR, § 9 StaRUG Rz. 29; ausführlich zu den Abgrenzungskriterien Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 9 Rz. 39 ff. 74) S. dazu auch Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 4 Restrukturierungsrichtlinie. 75) Vgl. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 82. 76) Ähnliche Probleme sieht auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 83. 77) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 78) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 27. 79) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119. 80) Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 10.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

58 Im Insolvenzplanverfahren ist die Gruppenbildung anhand der insolvenzbezogenen Interessen der Planbetroffenen vorzunehmen.81) Diesen Grundsatz wird man in modifizierter Form auf den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen übertragen können. Maßgeblich sind demnach die restrukturierungsbezogenen Sanierungsinteressen der Planbetroffenen. Da der Schuldner den Plan aufstellt und die Gruppenbildung vornimmt, wird aber insoweit auf seine Kenntnis von diesen Interessen der Planbetroffenen abzustellen sein. Der Schuldner hat keine Pflicht, die Planbetroffenen nach ihren Interessen zu befragen oder ihnen ein Wahlrecht bezüglich ihrer Gruppenzuordnung zu gewähren.82) Für die (planbetroffenen) Gläubiger kann es daher empfehlenswert sein, ihre (Sanierungs-)Interessen bereits im Vorfeld der Einleitung eines Sanierungs- und Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG beim Schuldner zu platzieren. Selten wird ein Sanierungs- oder Restrukturierungsverfahren vom Schuldner ohne Vorankündigung gegenüber den planbetroffenen Gläubigern eingeleitet werden. Schließlich liegt es in der Regel auch im Interesse des Schuldners im Vorfeld eine möglichst hohe Zustimmungsbereitschaft bei den Planbetroffenen zu schaffen. 59 Wie bereits ausgeführt (siehe dazu unter Rz. 51), müssen Kleingläubiger wegen der im Vergleich zu § 222 Abs. 3 Satz 2 InsO anderen Formulierung des § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG zwingend in einer eigenen Gruppe zusammengefasst werden. Dies gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift jedoch nicht für sog. Kleinbeteiligte. Möglicherweise werden sich deren sanierungsbezogenen Interessen anders darstellen als die Interessen von Großgläubigern, etwa bei einer Publikumsgesellschaft. Dann können insofern eigene Gruppen gebildet werden.83) 4.2

Sachgerechte Abgrenzung

60 Es ist eine Vielzahl von sachgerechten Abgrenzungskriterien denkbar. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit können genannt werden:84) 

Art der Leistung (z. B. Geld- oder Sachforderung),



Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderungen,



Werthaltigkeit der Forderungen,85)



Waren- und Geldkredite,



kurzfristige und langfristige Geschäftsbeziehungen,



Forderungen privater und öffentlicher Gläubiger.

61 Das Interesse an der Anspruchserfüllung teilen sich alle (planbetroffenen) Gläubiger. Es taugt daher nicht zur sachgerechten Abgrenzung der Gläubigergruppen.86) 62 Im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden eine Vielzahl von staatlichen Leistungen an Unternehmen ausgekehrt. Der Umstand, dass Forderungen im Zusammenhang ___________ 81) S. nur BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, ZIP 2015, 1346; Spahlinger in: KPB, InsO, § 222 Rz. 33; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 222 Rz. 84; Rühle in: Nerlich/Römermann, InsO, § 222 Rz. 15. 82) So auch: Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 28; vgl. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, Rz. 27, ZIP 2021, 806, 808 = ZRI 2021, 377, wonach die Zustimmung oder der Widerspruch zum Restrukturierungsverfahren kein geeignetes Abgrenzungskriterien sind (siehe ausführlich dazu unter Rz. 65). 83) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 86. 84) Ähnlich Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 64. 85) A. A. wohl Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 9 Rz. 32 f., der die Werthaltigkeit der Forderung für sich genommen nicht als geeignetes Abgrenzungskriterium erachtet. 86) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 28 ff.; Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 12; vgl. zum Insolvenzplan etwa Braun/Frank in: Braun, InsO, § 222 Rz. 7 f.; Spahlinger in: KPB, InsO § 222 Rz. 34 ff.; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 222 Rz. 19; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 222 Rz. 102 ff.; Rühle in: Nerlich/Römermann, InsO, § 222 Rz. 18; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 222 Rz. 24.

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mit solchen staatlichen Leistungen stehen, ist für sich allein kein geeignetes Kriterium für die Einbeziehung in den Restrukturierungsplan oder die sachgerechte Gruppeneinteilung. Insofern unterbindet nämlich § 7 COVInsAG eine entsprechende Gruppenbildung.87) Analog zu den für den Insolvenzplan entwickelten Kriterien88) wird die Aufteilung in ver- 63 schiedene Gruppen immer dann zulässig sein, wenn es dafür entweder eine rechtliche oder wirtschaftliche Begründung gibt. Plausibel erscheinen etwa eigene Gruppen für Lieferanten, Vermieter und Dienstleister. Eine Grenze ist dort zu ziehen, wo die Vermutung naheliegt, dass die Gruppenbildung einzig aus dem Grund erfolgt, Abstimmungsmehrheiten in den einzelnen Gruppen herbeizuführen (vgl. § 26 StaRUG, siehe dazu ausführlich Rz. 4 f.), indem die dem Restrukturierungsplan wohlgesonnene Planbetroffene in beliebig viele Gruppen eingeteilt werden, um die Zahl der zustimmenden Gruppen zu erhöhen.89) In der Praxis dürfte das Restrukturierungsgericht die Anforderungen an die Begründung zur sachgerechten Abgrenzung umso höher anlegen, je näher ein solcher Verdacht liegt.90) Mit der sachgerechten Gruppeneinteilung hatte sich in der ersten zum StaRUG veröffent- 64 lichten Entscheidung eines Restrukturierungsgerichts das AG Köln zu befassen.91) Das AG Köln verneinte zwar eine sachgerechte Gruppenbildung, weil in dem zugrunde liegenden Fall drei Gruppen anstatt nur eine Gruppe gebildet worden waren und es insoweit ein Verstoß gegen das auch im Restrukturierungsverfahren geltende Differenzierungsverbot92) bejahte.93) Dennoch stellte das AG Köln fest, dass eine nicht sachgerechte Einteilung nicht zu beanstanden ist, weil diese aufgrund von identischen Beteiligten und Stimmrechten in jeder Gruppe im Ergebnis unschädlich sei.94) Faktisch liege in dieser Konstellation ein „EinGruppen-Plan“ vor, in der keiner der Planbetroffenen einfacher oder schwieriger überstimmt werden könne, als dies bei der sachgerechten Bildung nur einer Gruppe der Fall wäre. Das AG Köln hat darüber hinaus die Ansicht eines Planbetroffenen zurückgewiesen, der 65 sich deshalb eines unterschiedlichen wirtschaftlichen Interesses im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern berühmte, weil er anders als letztere bereits im Vorfeld dem angedachten Sanierungsweg widersprochen hatte. Die Inanspruchnahme eines Restrukturierungsverfahrens setze regelmäßig voraus, dass die Beteiligten vorgerichtlich keine Einigung herbeiführen konnten. Eine Einteilung der Planbetroffenen in zwei Gruppen – dem Plan voraussichtlich oder in vorangegangenen Gesprächen zustimmende und dem Plan voraussichtlich oder in vorangegangenen Gesprächen widersprechende Planbetroffene – sei absurd.95) Besonderheiten bei der Gruppenbildung ergeben sich, wenn Forderungen von Anleihegläu- 66 bigern in den Restrukturierungsplan einbezogen werden sollen. Grundsätzlich bleibt die Restrukturierung von Schuldverschreibungen auf Grundlage des SchVG möglich.96) Je ___________ 87) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 90; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 56 f.; ausführlich Denkhaus in: HambKomm-COVInsAG, § 7 Rz. 2 ff. 88) Vgl. insofern abermals Braun/Frank in: Braun, InsO, § 222 Rz. 8 ff.; Spahlinger in: KPB, InsO, § 222 Rz. 34 ff.; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 222 Rz. 19; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 222 Rz. 102 ff.; Rühle in: Nerlich/Römermann, InsO, § 222 Rz. 18; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 222 Rz. 24. 89) So auch Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 12; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 19. 90) Böhm in: Braun, StaRUG, § 9 Rz. 12. 91) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806 = ZRI 2021, 377. 92) Vgl. zur sachgerechten Gruppenbildung und zur Geltung des Differenzierungsverbots beim Insolvenzplan etwa: AG Köln v. 6.4.2016 – 74 IN 45/15, NZI 2015, 537 = NJW-Spezial 2016, 502. 93) Krit. Thole, NZI 2021, 436, 437. 94) Vgl. auch Proske, EWiR 2021, 309 (Urteilsanm.). 95) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, Rz. 27, ZIP 2021, 806, 808 = ZRI 2021, 377. 96) Begr. RegE SanInsFoG z. § 2 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 112.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

nachdem, ob in den Anleihebedingungen für die Anwendbarkeit der §§ 5 ff. SchVG optiert wurde,97) erfolgt die Restrukturierung nach dem SchVG entweder durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern nach § 4 SchVG oder durch Mehrheitsbeschluss nach § 5 SchVG, soweit dieser nicht angefochten (§ 20 SchVG) oder durch das Oberlandesgericht freigegeben wurde (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG).98) 67 In Betracht kommt jedoch auch, dass die Schuldverschreibungen nach dem StaRUG restrukturiert werden.99) Finden die §§ 5 ff. SchVG aufgrund entsprechender Optierung in den Anleihebedingungen („Opt-in“) Anwendung, gelten allerdings auch im Restrukturierungsverfahren über § 19 Abs. 6 SchVG die besonderen Regelungen des § 19 Abs. 1 bis 5 SchVG.100) 68 Möglich ist außerdem eine Verknüpfung der Restrukturierung der Schuldverschreibungen nach §§ 5 ff. SchVG, indem ein entsprechender Beschluss i. S. von § 5 SchVG als Bedingung in den Restrukturierungsplan aufgenommen wird.101) Eine Bestätigung des Restrukturierungsplans erfolgt dann nur, wenn die Bedingung erfüllt ist. 69 Sind nach den Anleihebedingungen die §§ 5 ff. SchVG anwendbar, sind bei der Restrukturierung der Schuldverschreibungen nach dem StaRUG i. R. der Gruppenbildung und Stimmrechtsfestsetzung (siehe ausführlich zur Stimmrechtsfestsetzung Rz. 90 ff.) folgende Besonderheiten zu beachten: 70 Nach § 19 Abs. 2 i. V. m. § 19 Abs. 6 SchVG können die Anleihegläubiger einen gemeinsamen Vertreter für alle Anleihegläubiger bestellen. Hierzu hat das für den Emittenten zuständige Restrukturierungsgericht eine Gläubigerversammlung nach den Vorschriften des SchVG einzuberufen, wenn ein solcher noch nicht bestellt worden ist (§ 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG).102) Der gemeinsame Vertreter kann nach § 19 Abs. 3 SchVG die Rechte der Anleihegläubiger im Restrukturierungsverfahren geltend machen.103) 71 Im Restrukturierungsplan sind den Anleihegläubigern die gleichen Rechte anzubieten (§ 19 Abs. 4 SchVG). Dies bedeutet für das Restrukturierungsverfahren, dass den Anleihegläubigern jedenfalls in ihrer Gruppe gleiche Rechte anzubieten sind.104) Dies kann z. B. die einheitliche Verlängerung der Laufzeit der Schuldverschreibung sein.105) 72 Es ist möglich, aufgrund der besonderen Interessen eine eigene Gruppe nach § 9 Abs. 2 StaRUG vorzusehen. Aufgrund der Sondervorschriften dürfte in der Regel eine sachgerechte Abgrenzung möglich sein.106) Es besteht keine Pflicht eine Sondergruppe für Anleihegläubiger zu bilden.107) Anleihegläubiger können somit auch mit anderen Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung und ähnlichen wirtschaftlichen Interessen in einer Gruppe zu___________ 97) Vgl. zum Insolvenzverfahren: LG Hamburg v. 12.10.2017 – 326 T 157/16 (KTG Agrar SE), ZIP 2017, 2418; AG Neuruppin v. 8.12.2016 – 15 IN 250/16, NZI 2017, 464. 98) Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1049; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 68; Westpfahl/Dittmar in: Flöther, StaRUG, § 2 Rz. 48. 99) Begr. RegE SanInsFoG z. § 2 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 112. 100) Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1049. 101) Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1050; Naujoks/Schönen, ZRI 2021, 437, 442; Skauradszun in: BeckOKStaRUG, § 2 Rz. 71. 102) Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 21. 103) Hacker/Weber, WPg 2021, 258, 261; vgl. zur Bestellung des gemeinsamen Vertreters auch AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31 m. Anm. Skauradszun/Blum. 104) Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1050; Lürken, ZIP 2021, 1305, 1311; Skauradszun in: BeckOKStaRUG, § 2 Rz. 70; Cranshaw in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Anh. Teil 3 Rz. 66. 105) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 70. 106) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 70; ähnlich auch: Lürken, ZIP 2021, 1305, 1311. 107) Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1050; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 70; Cranshaw in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Anh. Teil 3 Rz. 45; zum Insolvenzplanverfahren: Thole, ZIP 2014, 293, 295.

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sammengefasst werden.108) Andersherum können Anleihegläubiger auch in unterschiedliche Gruppen einsortiert werden, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen sich unterscheiden. Dies kann z. B. bei einem Debt Equity Swap sinnvoll sein,109) wenn entweder die Option einer Barabfindung oder eines Umtausches in Anteile angeboten wird. Schwierigkeiten bei der Gruppenbildung können sich i. Ü. dann ergeben, wenn ein gemein- 73 samer Vertreter bestellt und Drittsicherheiten vom Restrukturierungsplan betroffen sind. Dann stellt sich die Frage, ob der gemeinsame Vertreter in der Gruppe der für die Anleihegläubiger bestellten Drittsicherheiten abstimmen kann.110) 5.

Darstellung im Plan

Die Auswahl der Planbetroffene hat gemäß § 8 Satz 1 StaRUG nach „sachgerechten Kri- 74 terien“ zu erfolgen. Die Auswahl selbst sowie die Kriterien sind im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern.111) Weitere Darstellungspflichten ergeben sich aus § 5 Satz 2 StaRUG i. V. m. Nr. 4 der Anlage zu § 5 Satz 2 StaRUG, wonach die gebildeten Gruppen und die auf die Forderungen und Rechte der Planbetroffenen entfallenden Stimmrechte im Plan anzugeben sind. § 9 Abs. 2 Satz 3 StaRUG fordert die Angabe der Kriterien für die sachgerechte Abgren- 75 zung i. R. der Gruppenbildung. Trotz seiner systematischen Stellung in Abs. 2 wird man nach Sinn und Zweck davon auszugehen haben, dass er sich auf die Gruppenbildung insgesamt und damit auch auf Abs. 1 bezieht.112) Im außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren muss sich bereits aus dem Planangebot 76 nach § 17 Abs. 2 StaRUG ergeben, welchen Gruppen die Planbetroffenen zugeordnet sind und welche Stimmrechte die ihnen zustehenden Forderungen und Rechte gewähren. Die detaillierten Angaben im Restrukturierungsplan soll den Planbetroffenen die Beurteilung der Sachgerechtigkeit und Angemessenheit der Lastentragung ermöglichen.113) 6.

Die Gleichbehandlung von Planbetroffenen

§ 10 StaRUG regelt den Grundsatz der Gleichbehandlung von Planbetroffenen. Demnach 77 sind innerhalb jeder Gruppe allen Planbetroffenen die gleichen Rechte anzubieten (§ 10 Abs. 1 StaRUG). Ausnahmsweise ist eine unterschiedliche Behandlung der Planbetroffenen in einer Gruppe jedoch zulässig, wenn alle Planbetroffenen, zu deren Lasten die unterschiedliche Behandlung geht, zustimmen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StaRUG). § 10 Abs. 1 StaRUG ist angelehnt an § 226 Abs. 1 InsO. Gleichzubehandeln sind die zu einer 78 Gruppe zusammengefassten Planbetroffenen. Zulässig ist hingegen die unterschiedliche Behandlung von Betroffenen, die unterschiedlichen Gruppen angehören. Darüber hinaus wird wohl regelmäßig eine unterschiedliche Behandlung von Planbetroffenen und der nicht in den Plan einbezogenen Gläubigern bestehen. Die Ungleichbehandlung muss sich stets über das ___________ 108) Vgl. Becker/Pospiech in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, A. IV. Rz. 45. 109) Lürken, ZIP 2021, 1305, 1311. 110) Dazu ausführlich Lürken, ZIP 2021, 1305, 1312. 111) Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 38; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 26; vgl. dazu auch den Entwurf einer Checkliste für Restrukturierungspläne gemäß § 16 StaRUG des BMJ (Stand: 16.1.2023), ZRI 2022, 191. 112) A. A. wohl Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 27, wonach die Abgrenzungskriterien nach § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 StaRUG nur dann im Restrukturierungsplan anzugeben sind, wenn dieser fakultative Untergruppen nach § 9 Abs. 2 StaRUG vorsieht, so auch Martini in: HambKomm-RestruktR, StaRUG, § 9 Rz. 35; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 9 Rz. 88. 113) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119; so auch Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 41.

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Kriterium der Sachgerechtigkeit rechtfertigen lassen, welche die Auswahl der Planbetroffenen (§ 8 StaRUG) und die Einteilung der Gruppen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 StaRUG) steuert.114) 79 Auf das gruppeninterne Gleichbehandlungsgebot können Planbetroffene nach § 10 Abs. 2, wie auch unter § 226 Abs. 2 InsO, verzichten. Ist ein Planbetroffener mit einer ungünstigeren Behandlung einverstanden und wird dies durch eine dem Restrukturierungsplan beigefügte Zustimmungserklärung rechtssicher dokumentiert (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 StaRUG), besteht kein Grund, eine solche Ungleichbehandlung zum Anlass zu nehmen, dem Plan die Bestätigung zu versagen.115) Es können etwa Kleingläubiger durch eine höhere Quote günstiger als Großgläubiger gestellt werden.116) 80 Gemäß § 10 Abs. 3 StaRUG ist jede Vereinbarung des Schuldners oder eines Dritten mit einzelnen Planbetroffenen, wodurch diesen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird, nichtig. Die Vorschrift schützt, entsprechend dem insolvenzrechtlichen Vorbild in § 226 Abs. 3 InsO, die Transparenz und Integrität des Abstimmungsprozesses117) und soll sicherstellen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht durch Nebenabreden umgangen wird.118) In diesem Falle kann die Planbestätigung nach § 63 Abs. 4 StaRUG versagt werden.119) 7.

Folgen fehlerhafter Gruppenbildung

81 Die vom Schuldner vorgenommene Gruppenbildung wird spätestens i. R. der Planbestätigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG gerichtlich überprüft. Gegebenenfalls erfolgt eine gerichtliche Kontrolle bereits i. R. der Vorprüfung nach §§ 46 Abs. 1 Nr. 1, 48 StaRUG.120) Ist die vom Schuldner vorgenommene Gruppenbildung fehlerhaft, erteilt das Gericht einen entsprechenden Hinweis. Der Schuldner erhält Gelegenheit zur Nachbesserung. Bleibt eine Nachbesserung aus, hebt das Gericht das Verfahren nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG auf.121) Wird die fehlerhafte Gruppenbildung erst im Planbestätigungsverfahren erkannt, folgt hieraus nicht die Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens, sondern die Versagung der Planbestätigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, weil im Bestätigungsverfahren eine Nachbesserung nicht mehr möglich ist.122) Ist Grund für die Bestätigungsversagung jedoch, dass infolge unzutreffender Bewertung des Unternehmens die Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung nach den §§ 26 – 28 StaRUG nicht gegeben sind, kann die Bestätigung nur versagt werden, wenn der Planbetroffene dies beantragt (vgl. § 63 Abs. 2 StaRUG). ___________ 114) Begr. RegE SanInsFoG z. § 11 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119; Gehrlein, BB 2021, 66, 69; Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 42. 115) Begr. RegE SanInsFoG z. § 12 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 119; vgl. auch Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 10 Rz. 23; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 10 Rz. 5. 116) Gehrlein, BB 2021, 66, 69. 117) Begr. RegE SanInsFoG z. § 12 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. 118) Böhm in: Braun, StaRUG, § 10 Rz. 5; Martini in: HambKomm-RestruktR, § 10 StaRUG Rz. 13. 119) Böhm in: Braun, StaRUG, § 10 Rz. 5; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 16; de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 669; vgl. auch Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 53; Martini in: HambKommRestruktR, § 10 StaRUG Rz. 17. 120) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 91; vgl. zur Überprüfung der Gruppenbildung i. R. der Vorprüfung nach §§ 46 Abs. 1 Nr. 1, 48 StaRUG: AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806 = ZRI 2021, 377; AG Hamburg v. 17.1.2022 – 61c RES 1/21, NZI 2022, 434 m. Anm. Mock = ZRI 2022, 236. 121) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 91; Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 36; Smid in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 15; vgl. auch Denkhaus/v. Kaltenborn-Stachau in: HambKommRestruktR, StaRUG, § 33 Rz. 46; Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 140. 122) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 92; vgl. zur Überprüfung der Gruppenbildung i. R. der Planbestätigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG: AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, NZI 2021, 544 = ZRI 2021, 473.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG 8.

§ 33

Taktische Überlegungen bei der Gruppenbildung

Abgesehen von den nicht dispositiven gesetzlichen Vorgaben, kommt dem Schuldner bei 82 der Gruppenbildung nach § 9 StaRUG ein gegenüber § 222 InsO wesentlich weiteres Ermessen zu.123) Er kann daher grundsätzlich auch strategische Überlegungen anstellen und die Gruppenbildung so gestalten, dass die ausreichende Zustimmung zu dem von ihm aufgestellten Restrukturierungsplan gesichert und die Erfolgsaussichten der von ihm angestrebten Restrukturierung erhöht werden.124) Bei der Initiierung des Restrukturierungsverfahrens steht der Schuldner allerdings unter 83 Zeitdruck. Er sollte unverzüglich beginnen, mit seinen Gläubigern den Restrukturierungsplan so abzustimmen, dass dieser eine realistische Chance hat, eine Dreiviertelmehrheit zu erzielen. Bessere Aussichten hat der Schuldner wohl sicherlich, wenn zumindest die wichtigsten einzubeziehenden Gläubiger vorab ihre Zustimmung signalisieren oder zumindest kundgetan haben, dass sie einer Restrukturierung prinzipiell wohlwollend gegenüberstehen. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn die konsensuale Restrukturierung am Veto eines Kreditgebers scheitert, der weniger als 25 % der Restrukturierungsforderungen hält und betrifft dann auch die Gruppenbildung. Wenn der Schuldner das Verfahren also erst beantragt, wenn er relativ sicher sein kann, die 84 erforderlichen Mehrheiten zu erreichen, muss das Verfahren nur noch technisch abgewickelt werden. Sollen die Mehrheiten erst im Laufe des Verfahrens gewonnen werden, könnten sich sträubende Gläubiger durch Verweigerung das Verfahren aussitzen, mit dem Ergebnis, dass aus der drohenden Zahlungsunfähigkeit schnell eine Zahlungsunfähigkeit wird.125) Der Schuldner muss sich also auch bei der Gruppenbildung bewusst machen, dass er in einem engen Zeitfenster operiert.126) Die Einteilung der Gruppen kann dabei für den erfolgreichen Abschluss des Planabstim- 85 mungsverfahrens höchst entscheidend sein. Sie darf deshalb in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Durch Zuordnung von opponierenden Gläubigern zu mehrheitlich zustimmenden Gruppen können Mehrheitsentscheidungen i. S. des Schuldners gesichert werden. Das StaRUG will gerade das Hold-out-Problem dadurch minimieren, dass es den Lästigkeitswert von „Störgläubigern“ reduziert, indem es diese auf die gemeinsame Sanierung des Schuldners verpflichtet. Es verlangt dann allen einzubeziehenden Gläubigern Sanierungsbeiträge ab.127) Zu beachten ist, dass nach § 10 Abs. 1 StaRUG die Planbetroffenen innerhalb jeder Gruppe 86 gleichzubehandeln sind, aber den Angehörigen verschiedener Gruppen auch unterschiedliche Rechte, insbesondere unterschiedliche Befriedigungsquoten offeriert werden können (siehe dazu unter Rz. 78). Dabei kann es passieren, dass eine den Kriterien des § 9 StaRUG nicht genügende Zuordnung eines Gläubigers zu einer bevorzugten Gruppe gleichzeitig die willkürliche Bevorzugung eines Gläubigers durch Zuwendung einer nicht gerechtfertigten Befriedigungsquote bedeutet. Die Gruppenbildung ändert nämlich nicht die zur Ver___________ 123) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544; Grau/Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522; Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205, 207. 124) Spahlinger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 32; vgl. dazu auch Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205, 207; de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 669; Tasma in: Flöther, StaRUG, § 9 Rz. 16 f.; Martini in: HambKommRestruktR, § 9 StaRUG Rz. 5; ausführlich zu der strategischen Gestaltung von Restrukturierungsplänen sowie zu der taktischen Auswahl der Planbetroffenen und Einteilung in Gruppen Doebert/Krüger, NZI 2021, 614; 618. 125) Braun in: Braun, StaRUG, Statt einer Einführung. 126) Zur Änderung und Kontrolle der Gruppenbildung im Laufe des Verfahrens: Fridgen in: BeckOKStaRUG, § 9 Rz. 8 ff. 127) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 18.

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§ 33

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

teilung insgesamt zur Verfügung stehende Masse. Dadurch führt die Bevorzugung des einen Gläubigers mittelbar zur Benachteiligung aller nicht dieser Gruppe zugeordneten Gläubiger.128) 87 Auch wenn er dazu nicht verpflichtet ist (siehe dazu Rz. 58), kann der Schuldner den Gläubigern Wahlrechte hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit anbieten. Spätestens im Zeitpunkt der Abstimmung muss allerdings feststehen, in welcher Gruppe jeder einzelne Gläubiger mitstimmt.129) 88 Eine ungerade Anzahl von Gläubigergruppen ist sinnvoll, um die Zustimmung der Mehrheit bei einer Beschlussfassung zu erreichen. 89 Stets zu berücksichtigen ist schließlich, dass sämtlichen taktischen Erwägungen bei der Gruppenbildung Grenzen gesetzt sind durch das Gebot der Abgrenzung nach sachlichen Kriterien, das Gleichbehandlungsgebot des § 10 StaRUG und das Differenzierungsverbot. II.

Stimmrechte und ihre Festsetzung

1.

Überblick

90 In §§ 24 bis 28 StaRUG finden sich die Regelungen für die Bestimmung der Stimmrechte der Planbetroffenen und diejenigen für die erforderlichen Mehrheiten zur Annahme des Plans. Diese Regelungen finden sowohl für das außergerichtliche als auch das gerichtliche Planabstimmungsverfahren Anwendung.130) 1.1

Bedeutung der Stimmrechte

91 Durch die Festlegung der Stimmberechtigungen wird entschieden, wer über das Zustandekommen oder die Ablehnung des Restrukturierungsplans mitentscheiden darf.131) Insoweit kommt der Festlegung und Bestimmung der Stimmrechte sowohl aus Sicht des Schuldners als auch aus Sicht der Planbetroffenen eine wesentliche Bedeutung zu. 92 Das festgesetzte Stimmrecht ist auch dafür relevant, ob eine Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebots nach § 27 Abs. 1. Nr. 3 StaRUG sachgerecht i. S. von § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ist sowie später für die Frage, ob der Schuldner erheblich in Rückstand mit der Erfüllung des Restrukturierungsplans geraten ist (§ 70 Abs. 2 StaRUG).132) 93 Die Zuteilung der Stimmrechte regelt § 24 StaRUG. Stimmberechtigt nach § 24 StaRUG können nur Planbetroffene sein. Dies ergibt sich mittelbar aus §§ 17 ff. StaRUG und entspricht Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 Restrukturierungsrichtlinie.133) Wer Planbetroffener sein kann, richtet sich nach § 7 Abs. 1 StaRUG, der wiederum in Zusammenhang mit § 4 StaRUG zu sehen ist, aus dem sich die von einer Restrukturierung nach dem StaRUG ausgenommenen Rechtsverhältnisse ergeben. 94 Für die Bestimmung der Stimmrechte gelten die insolvenzrechtlichen Grundsätze.134) ___________ 128) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 19. 129) S. zu den Details auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 88 f.; Böhm in: Braun, StaRUG, § 10 Rz. 7. 130) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24, Einl.; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, Vorb. §§ 24 ff. StaRUG Rz. 1; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 114. 131) Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 1. 132) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 3. 133) Spahlinger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 33; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 2; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 3. 134) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

Anders als im Insolvenzplanverfahren, in dem formelle Voraussetzung für die Teilnahme 95 am Insolvenzplanverfahren die rechtzeitige Anmeldung zur Insolvenztabelle ist (vgl. § 237 Abs. 1 Satz 1. i. V. m. § 77 Abs. 1 Satz 1 InsO), hängt die Teilnahme am Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren davon ab, ob der Schuldner die Forderung eines Gläubigers im Restrukturierungsplan als Restrukturierungsforderung bzw. als Absonderungsanwartschaft berücksichtigen und in diese eingreifen will. Grundsätzlich von der Restrukturierung ausgenommen sind die in § 4 StaRUG aufgezählten Rechtsverhältnisse (siehe dazu Rz. 9 f.). Nicht im Restrukturierungsplan berücksichtigte Forderungen oder nichtgestaltbare Rechtsverhältnisse erhalten demnach auch kein Stimmrecht. 1.2

Anforderungen der Restrukturierungsrichtlinie

Die Regelung des § 24 StaRUG zu den Stimmrechten setzt Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 und 96 ErwG 43 Restrukturierungsrichtlinie um. Danach müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die betroffenen Parteien über den Restrukturierungsplan und dessen Zustandekommen abstimmen können. Von der Möglichkeit, einzelnen Planbetroffenen kein Stimmrecht zuzuweisen, hat der Gesetzgeber kein Gebrauch gemacht.135) Die Stimmrechte sind von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zu prüfen, was durch 97 § 63 Abs. 3 StaRUG umgesetzt wird. Die von der Restrukturierungsrichtlinie vorgesehene Möglichkeit einer früheren Prüfung wird durch die Option, eine Vorprüfung gemäß §§ 46 und 47 StaRUG durchzuführen, umgesetzt. Ein i. R. der Vorprüfung ergehender Hinweisbeschluss des Gerichts soll nach dem Willen des Gesetzgebers aber keine Bindungswirkung für spätere Entscheidungen des Gerichts entfalten.136) Teilweise wird bezweifelt, dass eine fehlende Bindungswirkung zu den Feststellungen zu Stimmrechten und Gruppenbildung mit der Restrukturierungsrichtlinie tatsächlich vereinbar ist.137) Die erste vom AG Köln138) getroffene Entscheidung war ein Hinweisbeschluss i. S. des § 47 Abs. 2 StaRUG, der im Ergebnis zu einer dann außergerichtlichen Einigung der vorgesehenen Planbetroffenen führte, so dass die Restrukturierungssache zurückgenommen werden konnte. Auch in der noch jungen Praxis seit Inkrafttreten des StaRUG zeigt allein dessen Existenz eine größere Einigungsbereitschaft einzelner, zunächst opponierender Gläubiger, insbesondere von Kreditgebern.139) Wie mit streitigen Forderungen umzugehen ist, regeln § 24 Abs. 4 Satz 1, § 63 Abs. 3 Satz 2 98 StaRUG und § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG und erfüllen damit ErwG 46 der Restrukturierungsrichtlinie.140) 2.

Art und Weise der Stimmrechtsfestsetzung

Welches Stimmrecht den einzelnen Planbetroffenen zugewiesen wird, hat der Schuldner 99 im außergerichtlichen Planverfahren bereits im Restrukturierungsplan anzugeben (vgl. § 17 Abs. 2 StaRUG). Deren Bestimmung richtet sich nach § 24 StaRUG. Entscheidet sich der Schuldner nach § 23 StaRUG für die Durchführung eines gerichtlichen 100 Planabstimmungsverfahrens finden die §§ 17 bis 22 StaRUG keine Anwendung. Das Planabstimmungsverfahren richtet sich nach §§ 45 und 46 StaRUG. ___________ 135) 136) 137) 138) 139) 140)

Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 7; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 2. Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148 f. So etwa Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 9. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806 = ZRI 2021, 377. Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1051. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 10.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

101 Gemäß § 2 Abs. 5 StaRUG ist im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren die Stellung des Antrags auf Durchführung des Erörterungs- und Abstimmungstermins nach § 45 Abs. 1 StaRUG der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung der Stimmrechte.141) Für unverzinsliche Forderungen ist dieser Zeitpunkt i. S. des § 24 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG (Tag der Planvorlage) für die Abzinsung der Forderungen bedeutsam.142) 102 Nach § 45 Abs. 4 StaRUG werden die Vorschriften für die gerichtliche Dokumentation und das technische Vorgehen nach §§ 239 bis 242 InsO für entsprechend anwendbar erklärt, während es für die Bestimmung des Stimmrechts und die (gruppenübergreifende) Mehrheitsentscheidungen auf die §§ 24 bis 28 StaRUG ankommt. Mithin besteht zwischen den Regelungen zum außergerichtlichen Abstimmungsverfahren ein Gleichlauf.143) 103 Das Restrukturierungsgericht hat demnach für die Abstimmung über den Restrukturierungsplan eine gesonderte Stimmrechtsliste zu führen. Im Erörterungstermin werden die Stimmrechte erörtert und festgelegt. Dies ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in der Stimmrechtsliste festzuhalten. Die Stimmrechtsliste gliedert sich nach den einzelnen Gruppen und deren einzelnen Mitgliedern mit dem ihnen jeweils zugewiesenen Stimmrecht. Bei Absonderungsanwartschaften und gruppeninternen Drittsicherheiten sind auch deren Rechtsgrundlagen aufzuführen.144) 104 Zieht der Restrukturierungsrichter keinen Urkundsbeamten hinzu, kann er auch selbst im Erörterungs- und Abstimmungstermin die Stimmliste anfertigen.145) Ist ein Stimmrecht streitig, dokumentiert das Gericht auch die Hintergründe des Stimmrechtsstreits.146) 105 Es kann sinnvoll sein, dem Restrukturierungsgericht in Vorbereitung des Erörterungs- und Abstimmungstermins bereits einen Entwurf der Stimmrechtsliste zukommen zu lassen.147) Hierzu ist eine frühzeitige Abstimmung des Schuldners mit dem Restrukturierungsgericht empfehlenswert.148) 106 In der Praxis wird sich regelmäßig die Durchführung eines gerichtlichen Abstimmungsverfahrens empfehlen, um Streitigkeiten zum ordnungsgemäßen Ablauf des Abstimmungsverfahrens zu vermeiden149) und das Vertrauen in das Verfahren bei den Planbetroffenen zu erhöhen. 107 An die Erörterung der Stimmrechte schließt sich die Abstimmung über den Plan an (siehe dazu Rz. 164 ff.). Bestimmt das Restrukturierungsgericht hierfür analog § 241 InsO einen gesonderten Termin, z. B. weil im Restrukturierungsplan Änderungen analog § 240 InsO notwendig sind, kann auch schriftlich abgestimmt werden.150)

___________ 141) Vgl. dazu Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 39; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 4. 142) Vgl. dazu Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 40; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 4. 143) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 32. 144) Zum Insolvenzplanverfahren so auch Geiwitz/v. Danckelmann in: BeckOK-InsO, § 239 Rz. 2. 145) Zum Insolvenzplanverfahren: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 239 Rz. 2. 146) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 147) So zum Insolvenzplanverfahren: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 239 Rz. 3; Pleister in: KPB, InsO, § 239 Rz. 3; Thies/Lieder in: HambKomm-InsO, § 239 Rz. 1. 148) So zum Insolvenzplanverfahren auch Kebekus/Wehler in: Graf-Schlicker, InsO, § 239 Rz. 1; Geiwitz/ v. Danckelmann in: BeckOK-InsO, § 239 Rz. 3; vgl. zur Probeabstimmung BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 16, ZRI 2021, 186 = NZI 2021, 177. 149) Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 53. 150) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG 3.

§ 33

Zeitpunkt der Stimmrechtsbestimmung

Das StaRUG enthält keine ausdrückliche Regelung dazu, auf welchen Zeitpunkt für die 108 Bestimmung des Stimmrechts abzustellen ist. Als Anknüpfungspunkt kann jedoch die Regelung des § 24 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG zur Abzinsung von Forderungen herangezogen werden.151) Nach dieser Vorschrift hat die Abzinsung auf den Tag der Vorlage des Restrukturierungsplans zu erfolgen. Ebenso kann § 2 Abs. 5 StaRUG herangezogen werden, der ebenfalls auf den Zeitpunkt der Planvorlage abstellt.152) Nach diesem Zeitpunkt liegende Änderungen sind unbeachtlich. Im außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren ist damit der Zeitpunkt der Planunterbreitung gemäß § 17 StaRUG relevant. Bei einem gerichtlichen Planabstimmungsverfahren ist der Zeitpunkt der Stellung des Antrags nach § 45 StaRUG maßgeblich. Insoweit kommt es auf den Zeitpunkt der Einbeziehung der Gläubiger und Inhaber von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten in das Restrukturierungsverfahren und den Plan an.153) Konkret ist jeweils auf den Zeitpunkt der Absendung des Planangebots bzw. des Antrags auf Planabstimmung abzustellen.154) Erst dann steht endgültig fest, wer die Planbetroffenen i. S. von § 7 StaRUG sind und welche Rechtsverhältnisse i. S. von § 2 StaRUG gestaltet werden sollen. Die Anzeige des Restrukturierungsverfahrens nach § 31 StaRUG ist hingegen kein geeig- 109 neter Anknüpfungspunkt als Zeitpunkt für die Bestimmung der Stimmrechte. Anders als im Insolvenzverfahren der Insolvenzantrag155) eines Schuldners handelt es sich bei der Restrukturierungsanzeige nicht um einen Sachantrag, der auf eine bestimmte gerichtliche Sachentscheidung abzielt.156) Kramer spricht bei der Restrukturierungsanzeige von einer „verfahrensrechtlichen Erwirkungshandlung“.157) Die Anzeige gibt zunächst nur den Entschluss des Schuldners wieder, die vom StaRUG für eine Sanierung und Restrukturierung zur Verfügung gestellten Verfahrenshilfen nutzen zu wollen.158) Eine tatsächliche Einbeziehung der Gläubiger findet zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht statt, auch wenn der Restrukturierungsanzeige nach § 31 Abs. 2 StaRUG bereits ein erster Entwurf des Restrukturierungsplans oder zumindest ein Konzept für die Restrukturierung (Nr. 1) sowie eine Darstellung zum Verhandlungsstand mit den wesentlichen Gläubigern (Nr. 2) und der Restrukturierungsfähigkeit (Nr. 3) enthalten soll. Gab es bereits im Vorfeld des Restrukturierungsverfahrens bzw. vor Planvorlage eine Eini- 110 gung zwischen Gläubiger und Schuldner über die Höhe einer Restrukturierungsforderung bzw. über den Wert einer Absonderungsanwartschaft und wurde diese Einigung bestenfalls dokumentiert, kann der Schuldner bei der Bestimmung des Stimmrechts auf die Einigung abstellen. Diese muss aber zumindest im Zeitpunkt der Planvorlage Bestand haben. Gibt es keinen Nachweis über eine entsprechende Einigung kann es zu einer Stimmrechtsstreitigkeit kommen, die das Restrukturierungsverfahren verzögern kann (siehe zu den Stimmrechtsstreitigkeiten Rz. 153 ff.). ___________ 151) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 34; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 4; a. A. etwa Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 8, der unter Verweis auf den Insolvenzplan auf den Zeitpunkt der Abstimmung abstellt. 152) Spahlinger, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 33; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 34; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 4. 153) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114, S. 147. 154) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 114, S. 147. 155) Zum Insolvenzantrag als förmlicher Sachantrag: BGH v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, Rz. 7, NZI 2010, 441. 156) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 31 Rz. 4; ähnlich Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 10 Rz. 7; Hofmann/ Braun in: Flöther, StaRUG, § 31 Rz. 2; Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 31 Rz. 16. 157) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 31 Rz. 4. 158) Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, § 10 Rz. 7; Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, § 31 Rz. 10.

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§ 33

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

111 Auch bei Saldenausgleichvereinbarungen des Schuldners mit den finanzierenden Banken wird für die Einbeziehung der Forderungen in ein Restrukturierungsverfahren auf den § 2 Abs. 5 StaRUG abzustellen sein. Für die Bestimmung der Stimmrechte ist dann wieder der Zeitpunkt der Planvorlage bzw. der Stellung des Antrags auf Abstimmung über den Plan maßgeblich. Für die finanzierenden Banken und den Schuldner empfiehlt es sich wohl daher, zukünftig in etwaigen Vereinbarungen über einen Saldenausgleich nicht nur auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung oder bei außerordentlicher Kündigung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Kündigung abzustellen, sondern auch die Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens zu berücksichtigen und als maßgebliche Zeitpunkte für den Saldenausgleich auch die Zeitpunkte des § 2 Abs. 5 StaRUG zu berücksichtigen.159) 4.

Berechnung der Stimmrechte

112 Bei verzinslichen Forderungen bestimmt sich das Stimmrecht nach dem Betrag der Forderungen (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Für Absonderungsanwartschaften oder gruppeninterne Drittsicherheiten ist der Wert der Sicherheit maßgeblich (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG bestimmt sich das Stimmrecht für Inhaber von Mitgliedschaftsund Anteilsrechten nach der Beteiligung am Kapital oder Vermögen des Schuldners. Bedingte, noch nicht fällige unverzinsliche Forderungen oder Forderungen über unbestimmte Geldbeträge sind entsprechend der jeweilige Forderungshöhe nach §§ 41 ff. InsO zu bestimmen (§ 24 Abs. 2 StaRUG). 4.1

Restrukturierungsforderungen

4.1.1 Maßgeblichkeit des Forderungsbetrags, § 24 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG 113 Für Restrukturierungsforderungen bestimmt sich das Stimmrecht vorbehaltlich der Sonderregelungen in § 24 Abs. 2 StaRUG nach dem Forderungsbetrag. 114 Fraglich ist, wie sich die Stimmrechte für in den Restrukturierungsplan einbezogene Einzelbestimmungen oder Bedingungen gemäß § 2 Abs. 2 StaRUG bestimmen lassen. Das Gesetz sieht hierfür keine gesonderte Regelung vor, so dass es ebenfalls auf § 24 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ankommt.160) Da die Bestimmung eines Einzelwerts in der Praxis häufig nicht möglich sein wird, kommt es ebenfalls auf die hinter diesen Einzelbestimmungen oder Bedingungen stehenden Restrukturierungsforderungen an. Für Planbetroffene nach § 2 Abs. 2 StaRUG ist eine eigene Gruppe zu bilden.161) 4.1.2 Ergänzende Regelungen für die Bestimmung von Restrukturierungsforderungen (§ 24 Abs. 2 StaRUG) 115 In § 24 Abs. 2 StaRUG finden sich Sonderbestimmungen zur Bestimmung des Stimmrechts bei Restrukturierungsforderungen, die nicht fällig, bedingt oder ihrer Höhe nach noch nicht bestimmbar sind.162) 4.1.2.1

Bedingte Forderungen

116 § 24 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG nimmt Bezug auf § 3 Abs. 1 StaRUG, nach dem im Restrukturierungsplan auch bedingte Forderungen, bspw. aus Avalkrediten gestaltet werden können.163) ___________ 159) 160) 161) 162) 163)

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Vgl. Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1051. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 13. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 13. Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125. Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

Bei der Bestimmung wird nicht nur der Nominalbetrag der Forderung berücksichtigt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts. Die Forderung weicht damit von dem im Insolvenzverfahren geltenden § 42 InsO ab.164) Maßgeblich für die Bestimmung des Stimmrechts bei auflösend oder aufschiebend bedingten Forderungen ist der Nominalwert der Forderung unter Gewichtung des Eintritts der Bedingung. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die der Schuldner vorzunehmen hat. Ihm steht ein Beurteilungsspielraum zu.165) Der Schuldner muss im Restrukturierungsplan entsprechende Angaben zur Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts und den dafür maßgeblichen Umständen machen.166) Der Gläubiger selbst sollte ebenfalls entsprechende Tatsachen, die maßgeblich für die Be- 117 stimmung der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts vorhalten, um sich ggf. gegen die Stimmrechtszuweisung wehren zu können. 4.1.2.2

Unverzinsliche Forderungen

Unverzinsliche Forderungen sind nach dem Rechtsgedanken des § 41 Abs. 2 InsO auf den 118 Tag der Planvorlage abzuzinsen (vgl. § 24 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).167) Dabei wird in der Insolvenzpraxis die Hoffman‘sche Formel angewandt.168) Ist der Fälligkeitszeitpunkt noch ungewiss, ist dieser vor der Abzinsung zu schätzen.169) 4.1.2.3

119

Unbestimmter Geldbetrag, ausländische Währung oder Rechnungseinheit

Damit alle Forderungen gleichbehandelt werden, können Stimmrechte nur auf Forderungen 120 in inländischer Währung gewährt werden.170) Die Bestimmung des § 24 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG verweist hinsichtlich der Stimmrechtsfestlegung bei unbestimmten Geldbeträgen, ausländischen Währungen oder Rechnungseinheiten auf die Umrechnungsregelung des § 45 InsO. Forderungen, deren Geldbetrag nach § 45 Satz 1 InsO unbestimmt ist,171) sind mit dem 121 Wert geltend zu machen, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. Die Schätzung obliegt dem Schuldner; er hat auch hier einen Beurteilungsspielraum.172) Nach § 45 Satz 2 InsO sind Forderungen in ausländischer Währung oder Rechnungs- 122 einheit (z. B. Bitcoins)173) nach dem Kurswert, der zur Zeit der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist, in die inländische Währung umzurechnen. Der maßgebliche Zeitpunkt im Restrukturierungsverfahren ist jeweils der Tag der Plan- 123 vorlage (vgl. § 24 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).174) ___________ 164) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. 165) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 22; vgl. Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 20 f. 166) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 22. 167) So auch Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 16; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 12. 168) Zur Anwendung und Erläuterung der Formel: Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 17; mit Verweisungen auf die InsO auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 23; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 9; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 24 Rz. 14. 169) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 18; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 23. 170) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 19; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 10; Smid in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 24 Rz. 17. 171) Dazu ausführlich: Bitter in: MünchKomm-InsO, § 45 Rz. 10 ff. 172) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 28; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 23. 173) Dazu vgl. Bitter in: MünchKomm-InsO, § 45 Rz. 24a. 174) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 27; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 10.

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§ 33

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

124 Nicht auf Geld gerichtete Forderungen hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG nicht ausdrücklich aufgenommen. Dies ist aber wohl auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen.175) Insoweit ist auch hier eine Umrechnung in Geld vorzunehmen.176) 4.1.2.4

Auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Forderungen

125 Bei auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Forderungen ist auf § 46 InsO abzustellen. Dahinter steht der Zweck der Kapitalisierung noch nicht fälliger Forderungen auf einen bestimmten Stichtag, um eine Vergleichbarkeit der Forderungen bei der Stimmrechtsverteilung zu erreichen.177) Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt des § 2 Abs. 5 StaRUG.178) Das Stimmrecht wird auf den Betrag der Forderung bestimmt, der sich ergibt, wenn die noch ausstehenden Leistungen unter Abzug des § 41 Abs. 2 InsO bezeichneten Zwischenzinses zusammengefasst werden. 126 Bei Leistungen mit unbestimmter Dauer gilt § 45 Satz 1 InsO entsprechend. Hier steht dem Schuldner wieder ein Beurteilungsspielraum zu.179) 127 Je nachdem, ob Betrag und/oder Dauer der wiederkehrenden Einzelleistungen bestimmt sind, ist zu unterscheiden.180) 4.2

Absonderungsanwartschaften und gruppeninterne Drittsicherheiten

128 Planbetroffenen mit einer Absonderungsanwartschaft steht ein sich nach dem Wert der Absonderungsanwartschaft zu bemessenes Stimmrecht zu. Dies entspricht § 76 Abs. 2 Halbs. 2 InsO.181) 129 Maßgeblich ist der Wert, der dem Planbetroffenen im Falle einer Verwertung der Sicherheit zufließen würde. Insoweit handelt es sich um eine Prognoseentscheidung und bedarf im Falle der naturgemäß noch nicht erfolgten Verwertung des Absonderungsrechts einer Schätzung unter Berücksichtigung der voraussichtlich für die Verwertung noch anfallenden Kosten.182) Die Bestimmung des Werts richtet sich danach, was mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei einer Verwertung der Sicherung zu erzielen ist. Als Anhaltspunkt wird hier das in der Vergleichsrechnung zugrunde gelegte Vergleichsszenario maßgeblich sein. Kann ein Wert nicht tatsächlich festgestellt werden, ist der mutmaßliche Wert anzusetzen. Hierbei ist auf § 24 Abs. 3 StaRUG abzustellen (siehe dazu auch unten Rz. 30). Für Inhaber von Absonderungsrechten empfiehlt es sich daher grundsätzlich Tatsachen und konkrete Anhaltspunkte für eine Bewertung der Absonderungsanwartschaft für den Fall der gerichtlichen Erörterung der Stimmrechte i. R. einer gerichtlichen Planabstimmung nach § 45 StaRUG gegenüber dem Schuldner anzugeben.183) Die gerichtliche Erörterung der Stimmrechte und die gerichtliche Planabstimmung werden in der Praxis mutmaßlich der Regelfall sein. Gibt es Unstimmigkeiten über die Festsetzung des Stimmrechts entscheidet gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG das Gericht (siehe dazu Rz. 153 ff.). ___________ 175) Marotzke, ZInsO 2021, 643, 653. 176) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 20; Marotzke, ZInsO 2021, 643, 653; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 115. 177) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 24; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 29. 178) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 24; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 17. 179) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 29; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 17; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 30. 180) Hierzu mit Beispielen und w. N. zur InsO: Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 25. 181) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 24 Rz. 4. 182) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 8; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 4. 183) Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 8.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

Bei einer persönlichen Haftung des Schuldners gegenüber dem Anwartschaftsinhaber kann 130 es zu einer Aufspaltung des Stimmrechts kommen.184) Im Insolvenzplanverfahren entspricht das der Regelung des § 237 Abs. 1 Satz 2 InsO. Bei einem Verzicht aus der Anwartschaft oder einem voraussichtlichen Ausfall mit dieser Forderung, ist eine Berücksichtigung des Gläubigers mit seiner gegen den Schuldner gerichteten Forderung in dieser Gruppe mit einem Stimmrecht i. H. der voraussichtlichen Ausfallforderung neben seinem Stimmrecht als Inhaber der Anwartschaft möglich (§ 24 Abs. 3 StaRUG, siehe dazu ausführlicher Rz. 30). Für die gruppeninternen Drittsicherheiten gelten die gleichen Maßstäbe wie bei Abson- 131 derungsanwartschaften.185) Auch im Insolvenzplanverfahren sind nunmehr Eingriffe in konzerninterne Drittsicherheiten möglich (vgl. §§ 217 Abs. 2, 223a, 238b InsO n. F.). Um den Inhabern von Rechten aus gruppeninternen Drittsicherheiten – wie auch den anderen Planbetroffenen – ausreichenden Schutz zu gewähren, sind diese natürlich auch bei der Bildung von Gruppen und des Zuweisung der Stimmrechte gesondert zu berücksichtigen.186) Absonderungsanwartschaften und gruppeninterne Sicherheiten sind insoweit vergleichbar, da ein Eingriff in das Sicherungsrecht beim Gläubiger nur zu einer wirtschaftlichen Betroffenheit führt, wenn aus der Verwertung der Sicherheit überhaupt eine Befriedigung zu erwarten wäre.187) Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ist für gruppenintern Drittsicherheiten eine gesonderte Gruppe zu bilden (siehe dazu Rz. 46 ff.). 4.3

Anteilsinhaber

Die Regelung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG zur Bestimmung des Stimmrechts der Inhaber 132 von Anteilen und Mitgliedschaftsrechten ist der Regelung des § 238a Abs. 1 InsO nachgebildet (zu den Stimmrechten von Anteilsinhabern im Insolvenzplanverfahren siehe Kolmann, HRI II, § 35 Rz. 53 ff.).188) Die gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte können von den Stimmrechten der Anteilsinhaber im Insolvenzplanverfahren abweichen.189) Gleiches gilt auch für den Restrukturierungsplan; satzungsrechtliche Abweichungen bleiben außer Betracht.190) Bereits aus der Restrukturierungsanzeige folgt eine weitgehende Suspendierung der mitgliedschaftlichen Rechte der Anteilseigner, die durch die besonderen Regelungen des StaRUG zu Stimmrechten, Mehrheitserfordernissen, Gleichbehandlung und Minderheitenschutz ersetzt werden.191) Wie im Insolvenzplanverfahren ist es möglich, im Restrukturierungsplan gemäß § 7 Abs. 1, 4 133 StaRUG in die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter einzugreifen. Für die Anteilsinhaber ist zwingend eine eigene Gruppe zu bilden, § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG (siehe dazu Rz. 42). Das Stimmrecht der Anteilsinhaber bestimmt sich allein nach der Beteiligung am gezeich- 134 neten Kapital oder Vermögen;192) etwaige der Beteiligung darüber hinaus zuzurechnende ___________ 184) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125; Kaldenbach in: HambKommRestruktR, § 24 StaRUG Rz. 34; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 12; Smid in: Pannen/Riedemann/ Smid, StaRUG, § 24 Rz. 4. 185) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125. 186) Zur Behandlung der gruppeninternen Sicherheiten im StaRUG insgesamt: Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46. 187) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125. 188) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125, 126. 189) Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 8; vgl. zu § 238a InsO Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/ 5712, S. 33; Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 3; Rühle/Ober in: Nerlich/Römermann, InsO, § 238a Rz. 1. 190) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. 191) Ausführlich dazu: Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 685. 192) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126.

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§ 33

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Vermögenspositionen sind irrelevant.193) Hinsichtlich des Insolvenzplanverfahrens wurde diese Einschränkung damit begründet, dass wegen der Insolvenz lediglich nur noch eine Anknüpfung an den Kapitalanteil möglich ist.194) Da zumindest jedoch denkbar ist, dass den Anteilsrechten in einem Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, welches dem Insolvenzverfahren zeitlich vorgelagert ist, noch ein über den Wert des Kapitalanteils hinausgehender Wert zugemessen werden kann, lässt sich die Begründung zum ESUG nicht ohne weiteres übertragen. Trotzdem hat der Gesetzgeber diese Vereinfachung für die Bestimmung der Stimmrechte im Verfahren nach dem StaRUG übernommen. 135 Irrelevant sind auch etwaige Stimmrechtsbeschränkungen aus vertraglichen, gesellschaftsvertraglichen oder gar gesetzlichen Bestimmungen.195) 136 Wie in § 238a InsO bestimmt § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG das Stimmrecht in einer oder mehrerer Gruppen von Anteilsinhabern. Für Gesellschaftsformen ohne Anteile, wie z. B. Genossenschaften oder Vereine ist das Mitgliedschaftsrecht ausreichend.196) 137 Die Vereinfachung des Gesetzgebers, dass es lediglich auf die Beteiligung ankommt, kann wie auch bereits im Insolvenzplanverfahren für Personen problematisch sein, die nicht am Vermögen der Gesellschaft beteiligt aber Gesellschafter sind, so wie es z. B. bei der GmbH & Co. KG hinsichtlich der Komplementär-GmbH oft der Fall ist (siehe dazu unten Rz. 141). 138 Ist im Restrukturierungsplan ein Eingriff in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte nicht vorgesehen, besteht schon mangels (Abstimmungs-)Gruppe natürlich auch kein Stimmrecht der Anteilsinhaber und Mitglieder bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan und wird auch nicht festgelegt. 139 Je nachdem um welche Gesellschaftsform es sich handelt, gibt es Unterschiede bei der Berechnung der Stimmrechte. 4.3.1 Personengesellschaften 140 Das Stimmrecht der Gesellschafter bei Personengesellschaften bestimmt sich nach der Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft, nicht nach Köpfen. Maßgeblich für die Stimmrechtsfestsetzung ist bei der Planabstimmung nur der feste Kapitalanteil (Kapitalkonto I).197) 141 Bei einer fehlenden Kapitalbeteiligung, sowie z. B. häufig bei einer Komplementär-GmbH einer KG, steht diesem Gesellschafter grundsätzlich keine Stimme zu198) – dies gilt auch für das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG. Teilweise gibt es Bedenken, dass dies, vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Mitgliedschaftsrechte aus Art. 9 Abs. 1 GG jedenfalls bei einer nicht personenidentischen GmbH & Co. KG zulässig ist und in einem solchen Fall eine verfassungsrechtliche Auslegung erfolgen müsse, so dass man in diesem Fall auch der Komplementär-GmbH ein Stimmrecht gewähren müsse.199) ___________ 193) Zu § 238a InsO: Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 238 Rz. 1; Madaus in: MünchKomm-InsO, § 238a Rz. 3. 194) Vgl. dazu: Begr. RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 33. 195) Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 8; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 24 Rz. 9; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 117; Madaus in: MünchKomm-InsO, § 238a Rz. 3. 196) Madaus in: MünchKomm-InsO, § 238a Rz. 5. 197) Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 8; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 17; zum Insolvenzplanverfahren Madaus in: MünchKomm-InsO, § 238a Rz. 8; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 238a Rz. 9; a. A. Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 238a Rz. 22. 198) Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 17; Madaus in: MünchKomm-InsO, § 238a Rz. 6. 199) Madaus in: MünchKomm-InsO, § 238a Rz. 6.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

4.3.2 Kapitalgesellschaften (GmbH, AG und SE) Grundsätzlich bestimmt sich das Stimmrecht bei Kapitalgesellschaften nach dem eingetra- 142 genen Haftkapital.200) Die Beteiligung eines Gesellschafters an der GmbH bemisst sich über seinen Anteil am 143 eingetragenen Stammkapital der GmbH. Maßgeblich ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GmbH der Nennbetrag der Geschäftsanteile, die jeweils auf volle Euro lauten. Gesellschaftsrechtlich gewährt jeder volle Euro eine Stimme. Dies gilt auch für die Abstimmung im Insolvenzplanverfahren201) und damit auch für das Abstimmungsverfahren über den Restrukturierungsplan. Satzungsrechtliche Anpassungen des Stimmrechts sind für die Abstimmung über den Restrukturierungsplan unbeachtlich.202) Für die Bestimmung des Stimmrechts von Anteilsinhabern bei einer AG ist der Anteil am 144 gezeichneten Grundkapital, welches gemäß § 1 Abs. 2 AktG in Aktien aufgeteilt ist, maßgeblich. Entweder ist also auf den Nennwert abzustellen oder aber bei Stückaktien auf die Stückzahl (vgl. § 134 Abs. 1 Satz 1 AktG).203) Während es für den Gesellschafter ein GmbH unerheblich ist, ob die Stammeinlage tatsäch- 145 lich erbracht wurde, ist dies bei der Aktiengesellschaft zwingende Voraussetzung nach § 134 Abs. 2 Satz 1 AktG. Als Stimmrechtsvoraussetzung wird dies jedoch aus Vereinfachungsgründen für das Insolvenzplanverfahren nicht angesehen.204) Wegen des Gleichlaufs des § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG zu § 238a InsO gilt dies auch für die Stimmrechte im Restrukturierungsverfahren. Kapitalgesellschaftsrechtliche Stimmrechtsausschlüsse (§ 136 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 47 Abs. 4 146 GmbHG) greifen nicht.205) Da Stimmrechtsbeschränkungen außer Acht bleiben, erhalten auch Inhaber stimmrechts- 147 loser Vorzugsaktien bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan ein Stimmrecht; gleiches gilt auch für Höchststimmrechte (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG).206) Das Vorstehende gilt nach Art. 63 SE-VO auch für die Abstimmung über einen Restruk- 148 turierungsplan über das Vermögen einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE).207) 4.3.3 Genossenschaften § 43 Abs. 3 GenG regelt die Stimmrechte für Genossenschaften. Nach § 43 Abs. 3 Satz 1 149 GenG hat jedes Mitglied grundsätzliche eine Stimme. Abweichende Regelungen zu den Stimmrechten nach § 43 Abs. 3 GenG sind für das Abstimmungsverfahren nach dem StaRUG irrelevant.208)

___________ 200) Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 8; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 16; zum Insolvenzplanverfahren: Begr RegE ESUG z. § 238a InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 33. 201) Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 7. 202) Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 8. 203) Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 238a Rz. 5. 204) Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 8; Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 238a Rz. 9. 205) Ausführlicher Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 238a Rz. 10. 206) Zum Insolvenzplanverfahren u. a. Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 8; Madaus in: MünchKommInsO, § 238a Rz. 11; Thies/Lieder in: HambKomm-InsO, § 238a Rz. 18. 207) Hirte in: KPB, InsO, § 238a Rz. 12. 208) Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 12; Thies/Lieder in: HambKomm-InsO, § 238a Rz. 25.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

4.3.4 Verein 150 Obwohl die Mitglieder eines Vereins weder am Kapital noch am Vermögen eines Vereins beteiligt sind, führt dies nicht zu dem Ergebnis, dass § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG nicht auf Vereine anwendbar ist. Für das Insolvenzplanverfahren gilt, dass jedes Mitglied eines Vereins eine Stimme erhält;209) gleiches gilt damit auch für das Stimmrecht von Vereinsmitgliedern nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG. Der fehlende Bezug auf das Vereinsrecht beim Insolvenzplanverfahren wurde u. a. mit einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers begründet, da der Verein in der Gesetzesbegründung zum ESUG zumindest Erwähnung findet.210) Gründe, warum im Verfahren nach dem StaRUG etwas anderes gelten soll, sind nicht ersichtlich. 4.4

Durch Absonderungsanwartschaften und gruppeninterne Sicherheiten gesicherte Restrukturierungsforderungen

151 Planbetroffenen, denen neben ihrer Forderung auch ein Absonderungsrecht bzw. eine Absonderungsanwartschaft zusteht oder sie durch eine gruppeninterne Sicherheit gesichert sind, können bei der Abstimmung in einer Gruppe einbezogener Restrukturierungsforderungen nur insoweit stimmberechtigt sein, wie sie auf eine abgesonderte Befriedigung verzichten oder wie sie zukünftig bzw. mutmaßlich mit ihrer Forderung ausfallen (vgl. § 24 Abs. 3 StaRUG). Die Regelung entspricht inhaltlich § 237 Abs. 1 Satz 2 InsO.211) Das Stimmrecht kann dann in beiden Gruppen zusammen höchstens dem Nominalbetrag der Forderung entsprechen.212) Somit kann es zu einer Aufteilung des Stimmrechts kommen.213) Bei Restrukturierungsforderungen, die durch gruppeninterne Sicherheiten abgesichert sind, können diese nur i. H. der voraussichtlich nicht gesicherten Teils der Forderung in einer Gruppe von Restrukturierungsforderungen ein Stimmrecht haben.214) Für die Bestimmung kommt es daher maßgeblich auf den mutmaßlichen Wert der Sicherheit an und den Zusammenhang von Wert des Absonderungsrechts und Ausfallforderung.215) Für die Bestimmung des „mutmaßlichen Ausfalls“ ist auf den mutmaßlichen Wert abzustellen, der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i. R. einer Verwertung realisiert werden kann. Der Schuldner hat bei der Bestimmung des „mutmaßlichen Ausfalls“ einen Beurteilungsspielraum.216) 152 Für den Schuldner empfiehlt es sich bei der Stimmrechtszuweisung hinsichtlich von in den Restrukturierungsplan einbezogene Absonderungsanwartschaften und Drittsicherheiten, sich vorab mit den Planbetroffenen abzustimmen und einen Konsens zu suchen.217) Zwar sollen Stimmrechtsstreitigkeiten das Verfahren nach § 24 Abs. 4 StaRUG das Verfahren nicht verzögern; das Gericht kann jedoch i. R. des Planbestätigungsverfahrens die Stimmrechtszuweisung prüfen (zu den Stimmrechtsstreitigkeiten siehe unten Rz. 153).218) Bei ___________ Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 13; Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 238a Rz. 17. Begr. RegE ESUG z. § 238a InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 32; Pleister in: KPB, InsO, § 238a Rz. 13. Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125. Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. Dazu ausführlich Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 29; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 116; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 24 Rz. 4. 216) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 15; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 116. 217) So auch: Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 29. 218) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. 209) 210) 211) 212) 213) 214) 215)

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

der Abstimmung im gerichtlichen Verfahren setzt das Gericht bei Stimmrechtsstreitigkeiten die Stimmrechte verbindlich fest, wenn die Beteiligten sich uneinig sind (§ 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG) (siehe dazu unten Rz. 164 ff.). 5.

Stimmrechtsstreitigkeiten

Besteht zwischen dem Schuldner und einem Planbetroffenen Streit über die Höhe des 153 Stimmrechts, das dem Schuldner bei der Planabstimmung zusteht, liegt eine Stimmrechtsstreitigkeit vor.219) Hierbei ist zwischen Streitigkeiten im außergerichtlichen und Streitigkeiten im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren zu unterscheiden. Stimmrechtsstreitigkeiten im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren finden ihren normativen Anknüpfungspunkt in § 24 Abs. 4 StaRUG, während § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG Stimmrechtsstreitigkeiten im gerichtlichen Abstimmungsverfahren betrifft. 5.1

Streitigkeiten im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren

Gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 StaRUG kann der Schuldner, wenn das auf eine Forderung oder 154 ein Recht entfallende Stimmrecht streitig ist, bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan das Stimmrecht zugrunde legen, das er dem Planbetroffenen zugewiesen hat. Allerdings ist der Schuldner nach §§ 24 Abs. 4 Satz 2, 22 Abs. 1 Satz 2 StaRUG verpflichtet, in der Dokumentation der Planabstimmung zu vermerken, inwieweit und aus welchem Grund das Stimmrecht streitig ist. Eine solche Dokumentation dient der Vorbereitung des gerichtlichen Planbestätigungsverfahrens und ist dem Antrag auf Planbestätigung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG beizufügen. Sie bildet die Grundlage für die gerichtliche Überprüfung des Planabstimmungsprozesses. Der Schuldner muss daher nicht nur den Umstand, dass es zu einem solchen Streit kam, dokumentieren, sondern auch die wesentlichen von den Beteiligten vorgebrachten sachlichen Argumente.220) Die Vorschrift soll verhindern, dass die Planabstimmung durch einen Streit über die Höhe 155 des Stimmrechts verzögert wird.221) Zu diesem Zweck wird die Klärung dieses Streits von dem außergerichtlichen Abstimmungsverfahren in das gerichtliche Planbestätigungsverfahren (§§ 60 ff. StaRUG) verlagert. Im Rahmen der außergerichtlichen Planabstimmung kann der Schuldner deshalb – vorbe- 156 haltlich einer späteren gerichtlichen Klärung – zunächst das Stimmgewicht zugrunde legen, welches er dem Inhaber der streitigen Forderung oder des streitigen Rechts zugewiesen hatte.222) Der Schuldner kann aber der Abstimmung auch ein anderes Stimmgewicht zugrunde legen. Hierdurch kann der Schuldner dem über die Höhe des Stimmrechts bestehenden Streit bereits im Abstimmungsverfahren Rechnung tragen.223) Führt er in diesem Zusammenhang Gespräche mit den Planbetroffenen und gewinnt dabei neue Erkenntnisse, so kann er diese durch eine Änderung des Stimmrechts berücksichtigen.224) Eine solche Änderung soll nach dem Willen des Gesetzgebers dann zulässig sein, wenn er 157 diese im Zuge der Planabstimmung den Planbetroffenen offenlegt.225) Spahlinger akzeptiert dies nur für den Fall, dass die Abstimmung in einer Versammlung der Planbetroffenen ___________ 219) Vgl. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 70 Rz. 5; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 37. 220) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126 f.; Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 33; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 39, § 22 Rz. 14; Pehl in: Braun, StaRUG, § 22 Rz. 4. 221) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. 222) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126. 223) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 37. 224) Vgl. Herzig in: Braun, StaRUG, § 24 Rz. 31. 225) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 126.

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§ 33

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

(§ 20 StaRUG) erfolgt. Bei einer Abstimmung außerhalb einer Versammlung lässt er es hingegen genügen, wenn der Schuldner die Planbetroffenen erst nach der Abstimmung über die Änderung informiert und im Anschluss in der Dokumentation der Abstimmung einen entsprechenden Vermerk einfügt (vgl. § 24 Abs. 4 Satz 2 StaRUG), was plausibel ist.226) 158 Für den Fall, dass die Streitigkeit fortbesteht oder erst nach der Abstimmung entsteht, erfolgt eine gerichtliche Überprüfung der Stimmrechtsfestsetzung nach § 63 Abs. 3 Satz 2 StaRUG im Zuge des Planbestätigungsverfahrens,227) welches durchgeführt werden muss, damit der Restrukturierungsplan auch gegenüber Planbetroffenen wirksam wird, die das Planangebot nicht angenommen haben (vgl. §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Das Restrukturierungsgericht stellt das Abstimmungsergebnis in der jeweiligen Gruppe, in der das Stimmrecht streitig ist, neu fest und prüft, ob das in § 25 StaRUG vorgegebene Mehrheitserfordernis gewahrt ist. Dabei entfaltet der Maßstab des § 24 StaRUG zwar Bindungswirkung für das Restrukturierungsgericht, nicht hingegen aber die Einschätzungen des Schuldners.228) Dessen Einschätzung kommt nur im Ausnahmefall bindender Charakter zu, nämlich dann, wenn dem Schuldner bei der Stimmrechtsermittlung einen Beurteilungsspielraum eröffnet ist.229) 159 Der Schuldner sollte demnach bei der Festsetzung der Stimmrechte höchste Sorgfalt walten lassen. Unterläuft ihm hierbei ein Fehler, gefährdet er die von ihm angestrebte Restrukturierung, weil das Restrukturierungsgericht dem Restrukturierungsplan bei einer fehlerhaften Stimmrechtsfestsetzung die gerichtliche Bestätigung versagen wird.230) Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG gehen Zweifel an der ordnungsgemäßen Annahme des Restrukturierungsplans durch die Planbetroffenen im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren stets zulasten des Schuldners, weil bei der außergerichtlichen Planabstimmung eine gerichtliche Vorabkontrolle und die Begleitung des Abstimmungsprozesses fehlt.231) 160 Aus Sicht des Schuldners kann es daher nur zweckmäßig sein, die gerichtliche Planabstimmung nach § 45 StaRUG, jedenfalls aber beim Restrukturierungsgericht nach §§ 47, 46 StaRUG einen Antrag auf Vorprüfung des Restrukturierungsplans zu stellen.232) Gemäß § 47 Satz 1 StaRUG führt das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners nämlich auch dann eine Vorprüfung durch, wenn der Restrukturierungsplan nicht im gerichtlichen Verfahren zur Abstimmung gebracht werden soll. 161 Gegenstand einer solchen Vorprüfung kann dabei jede Frage sein, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich ist (§ 47 Satz 2 StaRUG). Nach § 47 Satz 3 i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG prüft das Restrukturierungsgericht insbesondere auch die

___________ 226) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 36; a. A. Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 41. 227) Begr. RegE SanInsFoG z. § 26 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127. 228) Begr. RegE SanInsFoG z. § 70 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 15; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 38; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 51; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 15. 229) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 38; z. B. bei der Ermittlung des Werts von Absonderungsanwartschaften (anhand des zu erwartenden Verwertungserlöses) und gruppeninterne Drittsicherheiten, bei Angaben zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Bedingung und der dafür relevanten Umstände bei bedingten Forderungen, bei der Schätzung von Fälligkeitszeitpunkten oder unbestimmten Geldbeträgen (vgl. § 45 Satz 1 InsO); Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 24 StaRUG Rz. 45. 230) So auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 38; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 15. 231) Begr. RegE SanInsFoG z. § 70 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162; vgl. dazu ausführlich Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 46 ff. 232) Vgl. auch Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 57.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

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Zuordnung von Stimmrechten für eine Restrukturierungsforderung, eine Absonderungsanwartschaft oder ein Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht.233) Das Gericht fasst das Ergebnis seiner Vorprüfung nach §§ 48 Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 2 162 StaRUG in einem Hinweisbeschluss zusammen. Dieser entfaltet für das weitere Verfahren zwar keine Bindungswirkung.234) Allerdings erhält der Schuldner so die Gelegenheit, die Festsetzung der Stimmrechte nachzubessern, bevor diese i. R. der Planbestätigung vom Restrukturierungsgericht verbindlich überprüft werden.235) Freilich lassen sich durch eine solche Vorprüfung Unwägbarkeiten und Risiken nicht gänz- 163 lich ausschließen, sondern – gerade aufgrund der fehlenden Bindungswirkung des Hinweisbeschlusses – bestenfalls erheblich reduzieren. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine solche Vorprüfung das Restrukturierungsvorhaben zeitlich verzögern kann. Schließlich setzt die Vorprüfung voraus, dass der Schuldner das Restrukturierungsvorhaben zuvor gegenüber dem Restrukturierungsgericht i. S. des § 31 StaRUG angezeigt hat.236) All dies hat der Schuldner zu bedenken, wenn er eine gerichtliche Vorprüfung des von ihm aufgestellten Restrukturierungsplans in Erwägung zieht. 5.2

Streitigkeiten im gerichtlichen Abstimmungsverfahren

Anders als im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren, verfügt bei der gerichtlichen 164 Planabstimmung das Restrukturierungsgericht gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG über die Festsetzungskompetenz.237) Von dieser wird es allerdings nur bezüglich der streitigen Stimmrechte Gebrauch machen. Zu nicht streitigen Stimmrechten oder zu solchen Stimmrechten, die zwar zunächst streitig sind, hinsichtlich derer sich die Beteiligten aber im Termin einigen können, bedarf es keiner Stimmrechtsentscheidung durch das Restrukturierungsgericht. In diesem Fall ist das vom Schuldner angesetzte Stimmrecht bzw. das Stimmrecht, auf das sich die Beteiligten im Termin geeinigt haben, für das Abstimmungsergebnis dauerhaft gültig.238) Nicht verbindlich ist die Festsetzung des Stimmrechts allerdings für die Frage, in welcher 165 Höhe der Planbetroffene sein Recht gegenüber dem Schuldner geltend machen kann. So bleibt es dem Planbetroffenen auch nach der Festsetzung des Stimmrechts durch das Restrukturierungsgericht unbenommen, etwa i. R. eines außerhalb der Restrukturierungssache zu führenden Rechtsstreits von dem zuständigen Prozessgericht eine abweichende Feststellung herbeizuführen. Eine solche wirkt sich zwar nicht auf das Abstimmungsergebnis, wohl aber auf die Höhe, in der die Forderung oder das Recht gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden kann (vgl. § 70 Abs. 1 StaRUG) aus.239) Dieses zeigt den Nachteil des StaRUG gegenüber der absoluten Bindungswirkung eines Insolvenzplans. Führt der Schuldner bspw. deswegen ein Restrukturierungsverfahren durch, um Schadensersatzverbindlichkeiten aus einem fehlkalkulierten Großauftrag zu kalkulieren, bei denen über die Höhe erhebliche Ungewissheit und Streitigkeiten bestehen, prallen das Interesse des prozentual ___________ 233) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 47 Rz. 7 ff., § 45 Rz. 33; Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 57; vgl. zum Insolvenzplan BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, NZI 2021, 177. 234) Begr. RegE SanInsFoG z. § 50 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 149; Hirte in: Braun, StaRUG, § 46 Rz. 8; Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 57. 235) Vgl. zum Vorprüfungsbeschluss AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, NZI 2021, 893; Frind, NZI 2021, 609. 236) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 40; de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 668. 237) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 34; Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 118. 238) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 239) Begr. RegE SanInsFoG z. § 70 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147 f.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

möglichst hohen Quotenangebots auf das Risiko einer Quotenverwässerung bei Ansatz des maximalen Schadens als Restrukturierungsforderung und auf das Risiko, dass eine zu niedrig angesetzte Restrukturierungsforderung (aus dem Schadensersatzanspruch) wegen der Regelung des § 70 Abs. 1 StaRUG eine nachhaltige und abschließende Restrukturierung verhindert. 166 Demgemäß wirkt die restrukturierungsgerichtliche Stimmrechtsfestsetzung nach § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG nicht absolut bindend in Bezug auf die Forderung oder das Recht selbst.240) Freilich wird der Gläubiger in den meisten Fällen sich nicht mit der Feststellungsklage begnügen, sondern direkt die Leistungsklage bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit anhängig machen. Dies ist umso mehr zu erwarten, da es anders als im Insolvenzverfahren kein (dementsprechendes) Feststellungsverfahren gibt.241) 167 Darüber hinaus, kann ein vom Restrukturierungsgericht fehlerhaft festgelegtes Stimmrecht von dem Planbetroffenen sowohl im gerichtlichen Planbestätigungsverfahren, als auch im Beschwerdeverfahren (vgl. § 66 StaRUG, siehe dazu ausführlich Rz. 176 f.) gerügt werden. Rügt der Planbetroffene die Festsetzung im Planbestätigungsverfahren, besteht die Gefahr, dass das Restrukturierungsgericht die Planbestätigung unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG versagt.242) Hierbei sind die Besonderheiten des neuen § 63 Abs. 2 StaRUG zu beachten! 168 In entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 4 Satz 2 StaRUG hält das Restrukturierungsgericht im gerichtlichen Protokoll über den Erörterungs- und Abstimmungstermin fest, inwieweit und aus welchem Grund Stimmrechte streitig waren.243) Diese Protokollierung ist etwa i. R. von § 70 Abs. 2 StaRUG, der den Rückstand in Bezug auf die Erfüllung des Restrukturierungsplans regelt, von Bedeutung, da die Stimmrechtsfestsetzung auch Auswirkungen auf den Rückstand mit der Erfüllung des Restrukturierungsplans hat.244) 169 Auch i. R. des gerichtlichen Abstimmungsverfahrens kann der Schuldner gemäß § 46 StaRUG schließlich einen Antrag auf Vorprüfung des Restrukturierungsplans stellen, um seine im Zusammenhang mit der Festsetzung der Stimmrechte bestehenden Risiken zu reduzieren. Die gerichtliche Vorprüfung nach §§ 46, 47 f. StaRUG entspricht in gewissen Teilen der in § 231 InsO geregelten Vorprüfung im Insolvenzplanverfahren und eröffnet dem Schuldner die Möglichkeit, wesentliche Aspekte, von denen die Bestätigungsfähigkeit des Restrukturierungsplans abhängt, vorab gerichtlich klären zu lassen (siehe zu den mit einer Vorprüfung verbundenen Nachteilen unter Rz. 163).245) Allerdings unterscheidet sich die in §§ 46, 47 f. StaRUG normierte Vorprüfung insoweit von der Vorprüfung nach § 231 InsO, als dass diese nur auf Antrag des Schuldners erfolgt und dass im Falle der fehlenden Bestätigungsfähigkeit des Plans das Gericht diesen nicht zurückweist, sondern lediglich einen Hinweisbeschluss erlässt, in dem es auf die Mängel, auf denen die fehlende Bestätigungsfähigkeit beruht, hinweist (vgl. §§ 46 Abs. 2, 47 Abs. 2 StaRUG).246) 6.

Wirkung der Stimmrechtsfestsetzung

170 Anders als im Insolvenzverfahren (vgl. § 178 Abs. 3 InsO), sieht das StaRUG für das Restrukturierungsverfahren keine bindende Feststellung der Restrukturierungsforderungen ___________ 240) 241) 242) 243) 244) 245) 246)

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Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 17; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 18. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 70 Rz. 8, 10; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 70 Rz. 6. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 4. Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 35; ausführlich: Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 70 Rz. 21. Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 61; Gehrlein, BB 2021, 66, 73. Gehrlein, BB 2021, 66, 73.

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Gruppenbildung und Stimmrechte nach dem StaRUG

§ 33

vor. Die Stimmrechtsfestsetzung wirkt demnach nur in Bezug auf die für die Planannahme erforderlichen Mehrheiten bindend (siehe Rz. 166).247) Auf den materiell-rechtlichen Bestand und die Höhe der streitigen Restrukturierungs- 171 forderungen hat die Festsetzung der Stimmrechte keinen Einfluss. Hierüber wird außerhalb des Restrukturierungsverfahrens entschieden.248) Verdeutlicht wird dies auch von § 70 Abs. 1 StaRUG, wonach streitige Restrukturierungsforderungen den Regelungen des Restrukturierungsplans nur insoweit unterliegen, wie sie dem Plan zugrunde gelegt wurden.249) Der Gläubiger einer streitigen Restrukturierungsforderung ist also auch nach Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans nicht daran gehindert, einen über den im Plan angesetzten Forderungsbetrag gegen den Schuldner etwa mit einer Klage vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen und ohne die Einschränkungen des bestätigten Restrukturierungsplans durchzusetzen.250) Hat der Schuldner im Restrukturierungsplan eine zu hohe Forderung zugrunde gelegt, un- 172 terliegt lediglich die reduzierte Forderung den Regelungen des Plans.251) Dadurch will der Gesetzgeber sicherstellen, dass der betroffene Gläubiger im Ergebnis nicht stärker belastet wird als die anderen Gläubiger, die derselben Gruppe zugeordnet waren.252) Von Bedeutung ist die Festsetzung der Stimmrechte auch für § 70 Abs. 2 StaRUG. Die 173 Norm enthält eine dem § 256 Abs. 1 InsO weitgehend entsprechende Regelung. Bei noch nicht endgültig feststehenden, aber gleichwohl einzubeziehenden Forderungen soll der Forderungswert, den das Gericht bei der Stimmrechtsbemessung herangezogen hat, auch für die Einordnung des Rückstandes nach § 69 StaRUG herangezogen werden. Gleiches gilt für Ausfallforderungen. Der Schuldner legt die einzubeziehenden Forderungen und die einbezogenen Absonderungsanwartschaften fest. Maßstab für die Planleistungen des Schuldners ist die vorläufig einbezogene Forderungshöhe. § 45 Abs. 4 StaRUG macht insofern die Vorgabe, dass sich diese nach den gerichtlichen Feststellungen bestimmt. Hat das Gericht keine Entscheidung über das Stimmrecht getroffen hat, stellt es gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 StaRUG auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers im Nachhinein fest, in welcher Höhe der Schuldner die jeweilige Forderung vorläufig anzusetzen hat.253) 7.

Rechtsschutzmöglichkeiten bei fehlerhaft festgelegten Stimmrechten und Rechtsfolgen für die Planwirkung

Damit die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen auch gegenüber denjenigen Plan- 174 betroffenen eintreten, die gegen den Restrukturierungsplan gestimmt oder an der Abstim___________ 247) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148. 248) Begr. RegE SanInsFoG z. § 77 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 167; Skauradzun, KTS 2021, 1, 14, Fn. 75; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 70 Rz. 5. 249) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 41; ein Beispiel dazu findet sich bei Bauch in: Braun, StaRUG, § 70 Rz. 2: Verfügt der Planbetroffene über eine streitige Forderung i. H. 100.000 €, legt der Schuldner im Restrukturierungsplan aber nur 60.000 € zugrunde, bleibt der überschießende Betrag i. H. von 40.000 € von den Wirkungen des Plans unberührt und kann vom Planbetroffenen gegen den Schuldner weiterhin, etwa durch Klage vor den ordentlichen Gerichten, geltend gemacht werden; krit. zu § 70 StaRUG Skauradszun, KTS 2021, 1, 14; krit. auch Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 18 ff. 250) Begr. RegE SanInsFoG z. § 77 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 167. 251) Begr. RegE SanInsFoG z. § 77 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 167; Bauch in: Braun, StaRUG, § 70 Rz. 3, mit folgendem Beispiel: Setzt der Schuldner eine Forderung mit 100.000 € an, obwohl sich diese tatsächlich nur auf 60.000 € beläuft, und wird im Plan eine Kürzung der Forderung um 50 % vereinbart, ist diese Kürzung lediglich auf die 60.000 € anwendbar, sodass der Planbetroffene noch 30.000 € gegen den Schuldner durchsetzen kann. 252) Begr. RegE SanInsFoG z. § 77 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 167. 253) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 70 Rz. 21; insgesamt krit. zur Übertragung von Regelungen zur Behandlung streitiger Forderungen aus der InsO ins StaRUG Skauradzun, KTS 2021, 1, 14.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

mung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilgenommen haben, ist die Bestätigung des Plans durch das Restrukturierungsgericht nach Maßgabe der §§ 60 ff. StaRUG erforderlich (§ 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).254) Im Rahmen des Planbestätigungsverfahrens überprüft das Restrukturierungsgericht auch die ordnungsgemäße Festsetzung der Stimmrechte (siehe Rz. 158). 175 Nimmt das Restrukturierungsgericht die fehlerhafte Festsetzung der Stimmrechte an, versagt es dem Schuldner unter den Voraussetzungen von § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG von Amts wegen die Planbestätigung. Gegen die Versagung steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.255) 176 Bestätigt das Restrukturierungsgericht den Plan, kann der Gläubiger der streitigen Restrukturierungsforderung den Bestätigungsbeschluss mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 66 StaRUG unter den dort normierten Voraussetzungen angreifen.256) Diese entfaltet in der Regel aber keine aufschiebende Wirkung. Anders als im Insolvenzverfahren (vgl. § 254 Abs. 1 InsO n. F.) treten die im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans festgelegten Wirkungen bereits mit der Verkündung des Bestätigungsbeschlusses nach § 65 Abs. 1 StaRUG ein.257) Ausgenommen hiervon ist allerdings die Vollstreckbarkeit des Restrukturierungsplans, die nach § 71 Abs. 1 StaRUG erst aus dem rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan möglich ist.258) 177 Ausnahmsweise259) ordnet das Gericht nach § 66 Abs. 4 StaRUG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an, wenn der Vollzug des Restrukturierungsplans mit schwerwiegenden, insbesondere nicht rückgängig zu machenden Nachteilen für den Beschwerdeführer einhergeht, die außer Verhältnis zu den Vorteilen des sofortigen Planvollzugs stehen.260) 178 Schließlich wirkt die Festsetzung der Stimmrechte für den materiell-rechtlichen Bestand und die Höhe der streitigen Restrukturierungsforderungen nicht bindend. Dem Planbetroffenen steht es somit frei, seine Forderung außerhalb des Restrukturierungsverfahrens vor den ordentlichen Gerichten gegen den Schuldner geltend zu machen (siehe Rz. 171).

___________ 254) de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 668 f.; ausführlich zum Erfordernis der Planbestätigung: Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 60 Rz. 13 ff. 255) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 63 Rz. 59; Brackmann/Langer in: Morgen, StaRUG, § 63 Rz. 85. 256) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 24 Rz. 4; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 66 Rz. 1; vgl. ausführlich zur sofortigen Beschwerde gemäß § 66 StaRUG Jungmann, ZIP 2022, 253. 257) de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 670; Leichtle in: HambKomm-RestruktR, § 66 StaRUG Rz. 12. 258) Begr. RegE SanInsFoG z. § 74 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 165; Fendel in: Braun, StaRUG, § 66 Rz. 12. 259) So auch: de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 670; Leichtle in: HambKomm-RestruktR, § 66 StaRUG Rz. 13. 260) Vgl. dazu ausführlich Fendel in: Braun, StaRUG, § 66 Rz. 12; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 66 Rz. 62; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 66 Rz. 8; Leichtle in: HambKomm-RestruktR, § 66 StaRUG Rz. 13; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 66 Rz. 37 ff.

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§ 34 Mehrheiten und Obstruktionsverbot Graf-Schlicker

I.

Erforderliche Mehrheiten bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan ..................................................... 1 1. Grundlagen der Abstimmung...................... 1 2. Annahme des Restrukturierungsplans ........ 8 2.1 Einstimmigkeit aller Gruppen ........ 8 2.2 Erforderliche Mehrheiten bei dissentierenden Gläubigern ...... 9 2.2.1 Inhaltliche Regelung des § 25 StaRUG............................................ 9 2.2.2 Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie ........................... 12 2.2.3 Festlegung der Mehrheit ............... 14 2.3 Abstimmungsverfahren................. 15 2.3.1 Außergerichtliches Abstimmungsprozedere ............................ 16 2.3.1.1 Abstimmung ohne Versammlung ....................... 20 2.3.1.2 Abstimmung in einer Versammlung ................... 27 2.3.2 Gerichtliches Abstimmungsprozedere ....................................... 36 2.3.2.1 Voraussetzungen des gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermins.................... 36 2.3.2.2 Terminsbestimmung ..................... 39 2.3.2.3 Festlegung der Stimmrechte ......... 41 2.3.2.4 Abstimmung .................................. 43 II. Obstruktionsverbot (§ 26 StaRUG) ....... 46 1. Zweck und Hintergrund............................ 46 1.1 Zweck ............................................. 46 1.2 Hintergrund................................... 49 2. Gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen (Cross-Class Cram-down) ............................................... 51 2.1 Schlechterstellungsverbot ............. 52 2.1.1 Funktion des Schlechterstellungsverbots und Verhältnis zum Minderheitenschutz .............. 53 2.1.2 Wirtschaftliche Betrachtungsweise ............................................... 56 2.1.3 Vergleichsszenario......................... 61

2.1.3.1 Zusammenhang von Vergleichsrechnung und Schlechterstellungsverbot............................... 61 2.1.3.2 Nächstbestes Alternativszenario .. 63 2.1.4 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung des Schlechterstellungsverbots ............................. 74 2.1.5 Gerichtlicher Prüfungsumfang und Darlegungs- und Beweislast..... 75 2.2 Angemessene Beteiligung am Planwert – Absolute Priorität....... 78 2.2.1 Angemessene Beteiligung einer Gläubigergruppe (§ 27 Abs. 1 StaRUG) ........................................ 81 2.2.1.1 Verbot der Überbefriedigung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) ......... 84 2.2.1.2 Gebot der Rangwahrung (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) ......... 90 2.2.1.3 Gebot der Gleichbehandlung innerhalb eines Rangs (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG) ....... 101 2.2.2 Angemessene Beteiligung für eine Gruppe von Anteilsinhabern (§ 27 Abs. 2 StaRUG) ...107 2.2.3 Durchbrechung der absoluten Priorität ........................................ 115 2.2.3.1 Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebots (§ 28 Abs. 1 StaRUG) ................. 116 2.2.3.2 Durchbrechung des Rangwahrungsgebots (§ 28 Abs. 2 StaRUG) ................. 122 2.2.3.2.1 Mitwirkung an der Fortführung (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) .................................. 125 2.2.3.2.2 Geringfügiger Eingriff in die Rechte der Gläubiger (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG)... 135 2.3 Besonderheiten bei nur zwei Gruppen.................. 138 2.4 Zustimmungsfiktion nach § 26 Abs. 2 StaRUG ........... 142

Literatur: de Bruyn/Ehmke, StaRUG & InsO: Sanierungswerkzeuge des Restrukturierungs- und Insolvenzverfahrens, NZG 2021, 661; Deppenkemper, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1.1.2021!, ZIP 2020, 2432; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Distler, Das Schlechterstellungsverbot gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG in Theorie und Praxis, ZIP 2021, 1033; Doebert/Krüger, Die strategische Gestaltung von Restrukturierungsplänen – Zugleich erste Erfahrungen aus der StaRUGPraxis, NZI 2021, 614; Frind, Das „plötzliche“ StaRUG-Verfahren – Probleme und Verwendungsgrenzen, ZInsO 2021, 1093; Frind, Überreguliert statt saniert?, ZInsO 2020, 2241; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Grau/Pohlmann/Radunz, Erste Praxiserfahrungen mit dem StaRUG, NZI 2021, 522;

Graf-Schlicker

775

§ 34

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Herweg/Wirth, Der Restrukturierungsplan – Kernstück der präventiven Sanierung, DB 2021, 886; Hoegen/Kranz, Neue Möglichkeiten der Konzernsanierung durch SanInsFoG und StaRUG, NZI 2021, 105; Lürken, Das StaRUG aus schuldverschreibungsrechtlicher Sicht, ZIP 2021, 1305; Marotzke, Die restrukturierungsrechtliche Plangestaltbarkeit nicht fälliger und nicht auf Geld gerichteter Forderungen, ZInsO 2021, 643; Naujoks/Schönen, Die Anpassung von Einzelbestimmungen in Finanzierungsverträgen nach dem StaRUG, ZRI 2021, 437; Proske/Streit, Rettende Restrukturierung durch Rechtsrahmen? Lob und Kritik zum Regierungsentwurf des StaRUG, NZI 2020, 969; Röper/Denkhaus, Finanzierungsoptionen im Restrukturierungsverfahren, ZRI 2021, 1043; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung, Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Ringelspacher/FehlWeileder, Die Vergleichsrechnung und Erfahrungen oder Business as usual, ZRI 2022, 210; Smid, Anforderungen an das außergerichtliche Planangebot und seine Annahme – Essentialia der §§ 17 ff. StaRUG, DZWIR 2021, 119; Spahlinger, Gruppen, Stimmrechte und erforderliche Mehrheiten, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32; Stahlschmidt, Die Möglichkeiten des neuen Sanierungsrechts anhand eines Fallbeispiels, ZInsO 2021, 205; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Thole, Die Restrukturierung von Schuldverschreibungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2014, 293; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, (Teil 1), ZInsO 2020, 2579, (Teil 2), ZInsO 2020, 2677; Westpfahl/Dittmar, Die Behandlung gruppeninterner Sicherheiten im StaRUG, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 46; Wieneke/Hoffmann, Der Erhalt der Börsennotierung beim echten und unechten Debt Equity Swap in der Insolvenz der börsennotierten AG, ZIP 2013, 697.

I.

Erforderliche Mehrheiten bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan

1.

Grundlagen der Abstimmung

1 Grundlage der Abstimmung ist der Restrukturierungsplan, der das Kernelement des StaRUG bildet. Er ist im Wesentlichen den Regelungen des Insolvenzplans (§§ 217 ff. InsO) nachgebildet. Durch ihn bestimmt der Schuldner, wer gemäß § 8 StaRUG in die Restrukturierung einbezogen wird (Planbetroffene)1) und wie deren Rechte neu geregelt werden sollen. Der Restrukturierungsplan ist in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil zu untergliedern (§§ 5 – 7 StaRUG) und hat die in der Anlage zum StaRUG notwendigen Angaben zu enthalten (§ 5 Satz 2 StaRUG).2) 2 Für die Festlegung der Rechte der Planbetroffenen sind – ebenso wie beim Insolvenzplan – vom Schuldner3) Gruppen zu bilden (§ 9 StaRUG),4) deren Zusammensetzung erhebliche Auswirkungen für die Planbestätigung haben können.5) Deshalb kann die Gruppenbildung auf Antrag des Schuldners Gegenstand einer gerichtlichen Vorprüfung sein, und zwar sowohl bei einem außergerichtlichen (§§ 47, 48 StaRUG) als auch bei einem gerichtlichen Abstimmungsverfahren (§ 46 StaRUG). Zur Vorprüfung des Restrukturierungsgerichts im Einzelnen siehe Graf-Schlicker, HRI I, § 30.

___________ 1)

2) 3) 4)

5)

776

Zur Auswahl der Planbetroffenen vgl. AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31 m. Anm. Skauradszun/Blum; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, Nr. 3, ZRI 2021, 377, 379 = ZIP 2021, 806, 807; AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 18, ZRI 2021, 473, 474 = ZIP 2021, 1354, 1355. Herweg/Wirth, DB 2021, 886, 887. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 7. Zur Gruppenbildung AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31 m. Anm. Skauradszun/ Blum; AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, Nr. 5a, ZRI 2021, 377, 379 = ZIP 2021, 806, 807; AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 19, ZRI 2021, 473, 474 = ZIP 2021, 1354, 1355, dazu Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522; Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205, 207; Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32. Herweg/Wirth, DB 2021, 886, 888; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 9 Rz. 18.

Graf-Schlicker

§ 34

Mehrheiten und Obstruktionsverbot

Entsprechend den Vorgaben aus Art. 9 Abs. 4 Satz 2 der Restrukturierungsrichtlinie6) ist 3 zunächst zwischen gesicherten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und ungesicherten Forderungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 3 StaRUG) zu unterscheiden. Konkret sieht § 9 Abs. 1 Satz 2 StaRUG zwingende Gruppen für 

die Inhaber von Absonderungsanwartschaften (Nr. 1),



einfache Restrukturierungsgläubiger (Nr. 2),



nachrangige Restrukturierungsgläubiger (Nr. 3) und



die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (Nr. 4) vor.

Kleingläubiger sind i. R. dieser Gruppen zu eigenständigen Gruppen zusammenzufassen 4 (§ 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG). Bei Eingriffen in die Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten, ist für diese ebenfalls eine eigenständige Gruppe zu bilden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). Auch für Anleihegläubiger kann eine Gruppe gebildet werden, denn ihre wirtschaftlichen 5 Interessen unterscheiden sich aufgrund der Sondervorschriften im Schuldverschreibungsgesetz in der Regel von anderen Planbetroffenen.7) Nach § 19 Abs. 6 i. V. m. § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG können die Anleihegläubiger zur Wahrung ihrer Rechte durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter bestellen. Welche Mehrheitsverhältnisse für diese Vertreterbestellung erforderlich sind, ist streitig. Diskutiert wird, ob die einfache Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmrechte gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 SchVG maßgebend ist, die Mehrheit von mindestens 75 % der teilnehmenden Stimmrechte nach § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG oder aber eine Mehrheit von mindestens 75 % der Stimmrechte der Gruppe nach § 25 Abs. 1 StaRUG notwendig ist.8) Die Mehrheitsverhältnisse für die Bestellung des gemeinsamen Vertreters richten sich nicht nach § 25 Abs. 1 StaRUG, weil diese Norm die erforderliche Mehrheit bei der Abstimmung über den Plan, nicht aber für die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters regelt.9) Dafür sind die Mehrheitsverhältnisse nach dem SchVG maßgebend.10) Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 SchVG genügt für die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger die einfache Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmrechte, wie der Gesetzgeber mit der Formulierung „Mehrheitsbeschluss“ in § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat.11)

___________ 6) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 7) Vgl. dazu Anm. Skauradszun/Blum, NZI 2022, 31, 33 (Urteilsanm. z. AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31). 8) Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 69a; Skauradszun/Blum, NZI 2022, 31, 33 (Urteilsanm. z. AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31). 9) Im Ergebnis ebenso Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 69a; Skauradszun/Blum, NZI 2022, 31, 33 (Urteilsanm. z. AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31); Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 11a; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 24; Röper/ Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1050; Lürken, ZIP 2021, 1305, 1309; krit. Naujoks/Schönen, ZRI 2021, 437, 441. 10) Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 24. 11) Thole, ZIP 2014, 293, 297 – zu Insolvenzverfahren. Im Ergebnis ebenso Skauradszun in: BeckOKStaRUG, § 2 Rz. 69a; Skauradszun/Blum, NZI 2022, 31, 33 (Urteilsanm. z. AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31); Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 11a; Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 24; Röper/Denkhaus, ZRI 2021, 1043, 1050; Lürken, ZIP 2021, 1305, 1309.

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§ 34

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

6 Über die Annahme des Restrukturierungsplans haben die Planbetroffenen abzustimmen, wie der Überschrift des Abschnitts 3 (§§ 17 ff. StaRUG) zu entnehmen ist. Ihr Stimmrecht richtet sich nach § 24 StaRUG. Danach sind für verzinsliche Forderungen deren Betrag, für Absonderungsanwartschaften oder gruppeninterne Drittsicherheiten der Wert der Sicherheit, für Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der Anteil am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners maßgebend (§ 24 Abs. 1 StaRUG). Besondere Regelungen gelten für die Festsetzung des Stimmrechts bedingter und unverzinslicher Forderungen sowie für solche, die auf Geldbeträge unbestimmter Höhe oder auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, ferner für Forderungen, die in ausländischen Währungen oder Rechnungseinheiten ausgedrückt sind (§ 24 Abs. 2 StaRUG). 7 Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan kann sowohl außergerichtlich (§§ 17 – 22 StaRUG) als auch in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen (§§ 23, 45, 46 StaRUG). Eine wirksame Annahme des Restrukturierungsplans setzt voraus, dass die erforderlichen Mehrheiten erreicht werden. Diese bestimmen sich nach §§ 25 – 28 StaRUG. 2.

Annahme des Restrukturierungsplans

2.1

Einstimmigkeit aller Gruppen

8 Soll ein Restrukturierungsplan ohne gerichtliche Bestätigung angenommen werden, ist Einstimmigkeit in allen Gruppen notwendig, um eine Bindungswirkung für alle Planbetroffenen zu erzielen.12) Fehlt ein einstimmiges Votum für die Annahme des Restrukturierungsplans können dissentierende Gläubiger nur über ein gerichtliches Bestätigungsverfahren wirksam eingebunden werden. 2.2

Erforderliche Mehrheiten bei dissentierenden Gläubigern

2.2.1 Inhaltliche Regelung des § 25 StaRUG 9 Nach § 25 Abs. 1 StaRUG ist zur Annahme des Restrukturierungsplans eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 75 % der Forderungssummen in jeder Gruppe notwendig, es sei denn, die fehlende Mehrheit kann gruppenübergreifend nach §§ 26 ff. StaRUG ersetzt werden.13) Anders als im Insolvenzplan (§ 244 Abs. 1 InsO), kommt es für die Annahme des Restrukturierungsplans also nicht auf die Kopf- und Summenmehrheit der Planbetroffenen an.14) 10 Gemeinschaftlich gehaltene Forderungen oder Rechte von Planbetroffenen werden – in Anlehnung an § 244 Abs. 2 InsO – nur einmal berücksichtigt (§ 25 Abs. 2 StaRUG).15) Dabei handelt es sich z. B. um solche 

von Gesamtgläubigern (§ 428 BGB),



von Gesamthandsgläubigern (§ 432 BGB),



von Gesellschaftern einer GbR, die auch in Form von Sicherheiten-Pools agieren können16) (§§ 718, 719 BGB),

___________ 12) Vgl. dazu auch bereits BGH v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, Rz. 10, ZIP 1992, 191, 192; Smid, DZWIR 2021, 119, 124. 13) Vgl. dazu AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 REs 2/21, Rz. 12 ff., NZI 2021, 893, 894. 14) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 11; Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127. 15) Krit. dazu Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 25 Rz. 7, die meinen, die Norm sei überflüssig, weil sie angesichts der fehlenden Möglichkeit nach Köpfen abzustimmen, Selbstverständliches regele. Ebenso Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 32. 16) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 13.

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§ 34

Mehrheiten und Obstruktionsverbot 

von Ehepaaren in Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB) sowie



von Miterben (§ 2032 BGB).17)

Ist ein Recht mit einem Pfandrecht (rechtsgeschäftliches oder gesetzliches) oder einem 11 Nießbrauch belastet, können die Berechtigten ihr Stimmrecht ebenfalls nur gemeinsam ausüben (§ 25 Abs. 2 StaRUG).18) Das gilt allerdings nur bis zum Eintritt der Pfandreife, weil der Schuldner gemäß § 1281 Satz 1 BGB lediglich bis dahin gemeinschaftlich an Pfandgläubiger und Gläubiger leisten kann. Ab diesem Zeitpunkt (§ 1228 Abs. 2 BGB) ist der Pfandgläubiger zur Einziehung der Forderung berechtigt, der Schuldner kann nur noch an ihn leisten (§ 1282 Abs. 1 Satz 1 BGB), dem Pfandgläubiger steht daher auch das Stimmrecht allein zu.19) Entsprechendes gilt für einen Pfandgläubiger, dem gemäß § 835 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO eine Forderung an Zahlungs statt überwiesen wurde, denn diese Forderung geht gemäß § 835 Abs. 2 ZPO an den Gläubiger über und hat schuldbefriedigende Wirkung.20) 2.2.2 Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie Mit der Regelung in § 25 StaRUG sind die Vorgaben aus der Restrukturierungsrichtlinie21) 12 zur Annahme von Restrukturierungsplänen beachtet worden. Die Richtlinie lässt dem Umsetzungsgesetzgeber erheblichen Spielraum bei der Gestaltung der Mehrheitserfordernisse für die wirksame Annahme eines Restrukturierungsplans. Nach Art. 9 Abs. 6 Unterabs. 1 Satz 1 Restrukturierungsrichtlinie kann für die Planannahme bereits die einfache Forderungsmehrheit genügen, den Mitgliedstaaten ist es aber auch gestattet eine zusätzliche Kopfmehrheit festzulegen (Art. 9 Abs. 6 Unterabs. 1 Satz 2 Restrukturierungsrichtlinie). Gemäß Art. 9 Unterabs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie dürfen die Mehrheitserfordernisse aber 75 % der Forderungen bzw. der Anzahl der betroffenen Personen nicht überschreiten. Diesen Gestaltungsspielraum nutzt das StaRUG nicht umfassend, sondern legt grundsätz- 13 lich – ausgenommen bei einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung nach §§ 26 – 28 StaRUG – eine Summenmehrheit von 75 % in jeder Gruppe fest.22) Auf eine zusätzliche Kopfmehrheit hat der deutsche Gesetzgeber bewusst verzichtet, um Manipulationsmöglichkeiten,23) z. B. durch Aufteilung von Forderungen auf mehrere Köpfe, von vornherein den Boden zu entziehen.24) Die notwendige qualifizierte Summenmehrheit in den Gruppen und die Bildung separater Gruppen für Kleingläubiger (§ 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG) soll nach dem Willen des Gesetzgebers einer Dominanz von Großgläubigern bei der Abstimmung entgegenwirken.25) ___________ 17) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 12. 18) Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 41; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 17; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 244 Rz. 15, 16. 19) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 18; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 244 Rz. 7. 20) Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 25 Rz. 42; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 18; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 244 Rz. 17; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 244 Rz. 7. 21) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 22) Skauradszun, KTS 2021, 1, 59, spricht bei diesem Mehrheitserfordernis von einer hohen Marktkonformität. 23) Das ist ebenfalls Ziel der Restrukturierungsrichtlinie, vgl. ErwG 47 Restrukturierungsrichtlinie. Dazu auch Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 25 Rz. 3. 24) Begr. RegE SanInsFoG z. § 27 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127; Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 25 Rz. 3, weisen darauf hin, dass solche Manipulationen aus dem Insolvenzplanverfahren bekannt sind. 25) Begr. RegE SanInsFoG z. § 27 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127.

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§ 34

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

2.2.3 Festlegung der Mehrheit 14 Das Stimmgewicht einer Forderung oder eines Rechts richtet sich nach § 24 StaRUG. Entscheidend für die Frage, ob die notwendige Summenmehrheit in einer Gruppe erzielt wird, ist die Bezugsgröße für die Festlegung der Mehrheit. Nach § 25 Abs. 1 StaRUG ist dies die Summe der Stimmrechte, die auf die Forderungen und Rechte der Mitglieder einer Gruppe entfallen. Anders als im Insolvenzplanverfahren, kommt es daher für die Mehrheitsbildung nicht auf die abstimmenden Planbetroffenen an, sondern auf das Gesamtvolumen der Forderungen und Rechte, also auf die Stimmrechte aller Mitglieder einer Gruppe an.26) Demnach wirken sich nicht abgegebene Stimmen oder Enthaltungen27) wie Ablehnungen aus.28) Zustimmungsfiktionen bei den Gruppen nachrangiger Gläubiger oder Anteilseigner – wie in §§ 246 Nr. 2, 246a InsO – sieht das StaRUG nicht vor.29) 2.3

Abstimmungsverfahren

15 Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan kann sowohl in einem gerichtlichen Prozedere (§§ 23, 45 f. StaRUG) erfolgen als auch außergerichtlich durch eine privatautonome Gestaltung der Rechtsverhältnisse in Form eines Vergleichs30) des Schuldners mit zumindest einer qualifizierten Mehrheit (75 %) der in den Plan einbezogenen Gläubiger. Welcher Weg beschritten wird, entscheidet allein der Schuldner. 2.3.1 Außergerichtliches Abstimmungsprozedere 16 Für das außergerichtliche Planannahmeverfahren sind §§ 17 – 22 StaRUG maßgebend. Der Schuldner hat den Planbetroffenen gemäß § 17 Abs. 1 StaRUG ein Planangebot zu unterbreiten, das der Schriftform bedarf (§ 17 Abs. 4 StaRUG), sofern mit den einzelnen Planbetroffenen nichts anderes, z. B. die Textform (§ 126b BGB),31) vereinbart ist. Die gesetzlich festgesetzte Schriftform erfordert, dass das Angebot namentlich vom Aussteller eigenhändig unterzeichnet worden ist (§ 126 BGB).32) Bei einer abweichenden Vereinbarung von dieser Form gilt es zu bedenken, dass Zweifel an dem ordnungsgemäßen Zustandekommen des Restrukturierungsplans gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 StaRUG zulasten des Schuldners gehen. Von der gesetzlichen Schriftform abweichende Vereinbarungen mit den Planbetroffenen sollten daher vom Schuldner dokumentiert werden.33) 17 Aus diesem Angebot müssen die einbezogenen Forderungen und Rechte der Planbetroffenen, die Zuweisung zu den einzelnen Gruppen und die Stimmrechte hervorgehen (§ 17 Abs. 2 StaRUG). Das Planangebot muss außerdem mit dem Hinweis verbunden werden, dass es im Falle der mehrheitlichen Annahme durch die Planbetroffenen und der gericht___________ 26) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 25 Rz. 10; Herzig in: Braun, StaRUG, § 25 Rz. 95. 27) Herzig in: Braun, StaRUG, § 25 Rz. 4. 28) Vgl. dazu Begr. RegE SanInsFoG z. § 21 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122, 123, und z. § 47 StaRUG, S. 147. 29) Westpfahl/Knapp in: Flöther, StaRUG, § 25 Rz. 6. 30) Begr. RegE SanInsFoG z. § 18 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121; Smid, DZWIR 2021, 119, 120; Desch, BB 2020, 2498, 2503; Gehrlein, BB 2021, 66, 70; Vallender, ZInsO 2020, 2677; Thole, ZIP 2020, 1985, 1989. 31) Begr. RegE SanInsFoG z. § 19 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 49; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 17 Rz. 15; Jensen in: HambKomm-RestruktR, § 17 StaRUG Rz. 87, der auch die Vereinbarung der Formfreiheit bejaht, was im Hinblick auf den Nachweis der Einhaltung des Formerfordernisses bei der gerichtlichen Bestätigung des Plans (§ 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) zweifelhaft erscheint. 32) Begr. RegE SanInsFoG z. § 19 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 122; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 17 Rz. 15. 33) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 17 Rz. 49.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

lichen Bestätigung des Plans auch für nicht zustimmende Gläubiger gilt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Nach der Auslegungsregelung in § 18 StaRUG steht das Planangebot im Zweifel unter der 18 Bedingung, dass sämtliche Planbetroffene zustimmen oder der Plan gerichtlich bestätigt wird. Die Abstimmung über die Annahme oder Ablehnung des Plans kann nach Wahl des Schuld- 19 ners versammlungslos oder in einer Versammlung erfolgen. 2.3.1.1

Abstimmung ohne Versammlung

Will der Schuldner auf eine Versammlung verzichten, hat er den Planbetroffenen eine Frist 20 zur Annahme des Plans zu setzen, die vierzehn Tage zu betragen hat (§ 19 Satz 2 StaRUG), damit die Betroffenen ausreichend Zeit haben, das Planangebot zu prüfen. Ausnahmsweise darf die Frist kürzer sein, wenn dem übersandten Restrukturierungsplan ein Konzept zugrunde liegt, dass den Planbetroffenen bereits seit vierzehn Tagen in Textform vorliegt (§ 19 Satz 3 StaRUG). Voraussetzung dafür ist aber, dass dieses Konzept im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich aus seinen Bestimmungen und Erläuterungen ergibt, wie die Rechtsstellung der Betroffenen im Plan gestaltet werden soll.34) Den Beginn der Annahmefrist kann der Schuldner – entsprechend seiner privatautonomen 21 Gestaltungsmacht – selbst bestimmen, er kann dafür z. B. den tatsächlichen Zugang des Planangebots festlegen.35) Das könnte zu einem unterschiedlichen Fristbeginn bei den Planbetroffenen führen. Um einen einheitlichen Beginn der Annahmefrist zu erreichen, sollte der Schuldner auf § 41 Abs. 1 Satz 3 StaRUG abstellen, wonach ein Schriftstück drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt.36) Diese Regelung findet auch Anwendung, sofern der Schuldner den Fristbeginn nicht selbst bestimmt. Auf Verlangen eines Planbetroffenen hat er – sofern vor der Abgabe des Planangebots 22 keine Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Erörterung des Plans oder des Restrukturierungskonzepts bestanden hat – einen Erörterungstermin anzuberaumen. Auf dieses Recht sind die Planbetroffenen im Planangebot hinzuweisen (§ 17 Abs. 3 StaRUG). Die Annahmeerklärung jedes einzelnen Planbetroffenen muss ebenfalls in Schriftform 23 erfolgen, es sei denn der Schuldner hat dazu im Planangebot eine andere Regelung vorgesehen, z. B. die Textform (§ 126b BGB).37) Sie könnte wie folgt formuliert werden: „Ich nehme das Planangebot des [Name des Schuldners] vom [Datum] an“ oder „Ich stimme dem Planangebot des [Name des Schuldners] vom [Datum] zu.“38) Eine Annahmeerklärung, die unter einer Bedingung abgegeben wird, stellt eine Ablehnung 24 des Planangebots dar. Für die Abgabe und Annahme des Angebots gelten die allgemeinen Regelungen zu Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB, also auch § 158 BGB.39) Abänderungsmöglichkeiten vor der Abstimmung – wie in § 20 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 StaRUG bei einer Versammlung – bestehen also nicht. Das Prozedere dürfte daher in der Praxis eher die Ausnahme sein.

___________ 34) 35) 36) 37) 38) 39)

Begr. RegE SanInsFoG z. § 21 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 19 Rz. 8. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 19 Rz. 9 ff. Smid, DZWIR 2021, 119, 123. Vgl. dazu auch Smid, DZWIR 2021, 119, 122. Smid, DZWIR 2021, 119, 122.

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25 Mit dem fristgerechten Zugang40) der Annahmeerklärung gibt jeder Planbetroffene seinem Willen Ausdruck, sich an den mit dem Restrukturierungsplan unterbreiteten Vergleich binden zu wollen, sofern auch die übrigen Planbetroffenen daran gebunden werden.41) Die Annahme durch alle Planbetroffenen in allen Gruppen stellt einen Vergleich (§ 779 BGB) dar.42) Gelingt es nicht, die Zustimmung aller Planbetroffenen in den gebildeten Gruppen zu erreichen, ist es, um eine Bindungswirkung für opponierende Gläubiger im Planbestätigungsverfahren erreichen zu können, notwendig, dass in jeder Gruppe eine Zustimmung von 75 % der auf die Planbetroffenen entfallenden Stimmrechte erzielt wird. Sofern in einer Gruppe diese Mehrheit nicht erreicht wird, ist unter den Voraussetzungen des § 26 StaRUG eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung möglich (klassenübergreifender Cramdown); siehe dazu Näheres bei Rz. 51 ff. 26 Der Schuldner hat gemäß § 22 Abs. 1 StaRUG den Ablauf des Planannahmeverfahrens und das Ergebnis der Abstimmung nach Ablauf der Annahmefrist unverzüglich schriftlich gemäß § 126 BGB43) zu dokumentieren.44) Sind Fragen der Auswahl der Planbetroffenen, deren Einteilung in Gruppen oder die Zuweisung von Stimmrechten streitig gewesen, ist dies in der Dokumentation zu vermerken. Diese Dokumentation ist den Planbetroffenen gemäß § 22 Abs. 2 StaRUG unverzüglich zugänglich zu machen. Eine Regelung, in welcher Form dies zu geschehen hat, enthält die Norm nicht. Ausreichend ist daher eine Mitteilung in Textform (§ 129b BGB). Nach Sinn und Zweck der Norm, die Planbetroffenen zu informieren und ihnen eine Kontrolle über die Dokumentation zu ermöglichen, reicht dagegen der Verweis auf die Einsichtsmöglichkeit beim Schuldner nicht aus.45) 2.3.1.2

Abstimmung in einer Versammlung

27 Alternativ kann der Schuldner gemäß § 20 StaRUG eine Versammlung zur Abstimmung über den Restrukturierungsplan einberufen.46) Die Einladung dazu kann er mit der Übersendung des Planangebots, aber auch später aussprechen. Sie hat schriftlich (§ 126 BGB) zu erfolgen, die Schriftform kann gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden. Notwendig ist in diesem Fall, dass das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird. Eine einfache E-Mail reicht daher für die Einberufung der Versammlung nicht aus.47) 28 Zwischen dem Zugang des Einladungsschreibens,48) der entsprechend § 41 Abs. 1 Satz 3 StaRUG bei im Inland ansässigen Planbetroffenen drei Tage nach Aufgabe zur Post (siehe ___________ 40) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 19 Rz. 8. 41) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 19 Rz. 9 – unter Berufung auf Begr. RegE SanInsFoG z. § 18 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 121; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 17 Rz. 12. 42) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 17 Rz. 13. 43) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 19 Rz. 4; Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 22 Rz. 3; a. A. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 22 Rz. 15, der die Schriftform nur bei dem Ergebnis der Planabstimmung für notwendig hält; Frind, ZInsO 2020, 2241, 2242 – zum RefE SanInsFoG, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 14.2.2023), der eine eidesstattliche Versicherung fordert. 44) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 19 Rz. 4. 45) A. A. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 22 Rz. 17, der es für ausreichend hält, wenn der Schuldner über das Ergebnis der Abstimmung informiert und i. Ü. die Dokumentation zur Einsichtnahme durch die Planbetroffenen bereithält. 46) Vgl. zur Einberufung der Versammlung AG München v. 21.10.2021 – 1542 RES 2180/21, NZI 2022, 31 m. Anm. Skauradszun/Blum. 47) Thole, ZIP 2020, 1985, 1989; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 6; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 5. 48) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 6.

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dazu Rz. 21) fingiert werden sollte,49) und der Versammlung müssen 14 Tage liegen (§ 20 Abs. 1 Satz 3 StaRUG), um den Planbetroffenen eine ausreichende Überlegungsfrist einzuräumen, sie vor einer „Überrumpelung“ zu bewahren und Ihnen genügend Zeit zu lassen, ihre Reise zum Versammlungsort zu planen.50) Der Fristbeginn setzt deshalb voraus, dass den Planbetroffenen der vollständige Restrukturierungsplan mit Anlagen zur Verfügung steht.51) Die Einberufungsfrist kann bei elektronischer Teilnahmemöglichkeit an der Versamm- 29 lung auf sieben Tage verkürzt werden (§ 20 Abs. 1 Satz 4 StaRUG), weil die Zeit für die Reiseplanung entfällt. Diese Frist betrifft aber nicht die Prüfungsfrist für den Restrukturierungsplan, die auch in diesem Fall mindestens vierzehn Tage betragen muss.52) Die Versammlung ist in erster Linie als persönliches Zusammentreffen zwischen Schuldner 30 und Planbetroffenen konzipiert.53) Der Schuldner kann in seinem Planangebot aber auch eine elektronische Teilnahme (§ 20 Abs. 2 StaRUG), z. B. i. R. einer Videokonferenz,54) vorsehen. In diesem Fall hat er die technischen Voraussetzungen zu verantworten.55) Das Recht eines Planbetroffenen, persönlich an der Versammlung teilzunehmen, kann der Schuldner durch die Ermöglichung einer elektronischen Teilnahme aber nicht beschneiden.56) Den Vorsitz in dieser Versammlung führt der Schuldner (§ 20 Abs. 3 Satz 1 StaRUG) oder 31 im Falle des § 76 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG der Restrukturierungsbeauftragte. Vor der Abstimmung über den Restrukturierungsplan ist den Planbetroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, außerdem sind ihre relevanten Fragen zu beantworten (§ 20 Abs. 3 Satz 2 StaRUG). Ist streitig, ob und mit welchem Stimmgewicht (§ 24 StaRUG) ein Planbetroffener an der Abstimmung über den Restrukturierungsplan teilnimmt, kann der Schuldner seine Auffassung dazu zugrunde legen. Letztlich hat aber das Restrukturierungsgericht gemäß § 63 Abs. 4 Satz 2 StaRUG bei seiner Entscheidung über die Bestätigung des Restrukturierungsplans nach Maßgabe des § 24 StaRUG darüber zu befinden. An die Stimmrechtsregelung des Schuldners ist es dabei nicht gebunden.57) Der Schuldner kann dazu aber vorab gemäß § 47 StaRUG eine Vorprüfung durch das Restrukturierungsgericht beantragen.58) Zu den Einzelheiten einer solchen Vorprüfung siehe Graf-Schlicker, HRI I, § 30. Änderungsvorschläge zum Restrukturierungsplan kann der Schuldner berücksichtigen, wenn 32 sie sich auf einzelne Punkte beziehen, und den geänderten Plan zur Abstimmung stellen. Ansonsten ist eine neue Abstimmungsversammlung notwendig (§ 20 Abs. 4 StaRUG). Hinsichtlich des Abstimmungsprozederes legt § 20 Abs. 5 Satz 1 StaRUG zwingend fest, 33 dass die Stimmabgabe über den Restrukturierungsplan getrennt nach Gruppen zu erfolgen ___________ 49) A. A. wohl Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 9, der in Anlehnung an die Rspr. zur Einladung zu einer Versammlung der Gesellschafter einer GmbH auf den Zeitpunkt des regelmäßig zu erwartenden Zugangs abstellt. Da dieser aber von Ort zu Ort verschieden ist, erscheint das Kriterium heute nicht mehr sachgerecht; ebenso unter Berufung auf Spahlinger: Radunz in: HambKomm-RestruktR, § 20 StaRUG Rz. 16; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 6, stellt auf den tatsächlichen Zugang der Ladung ab; für Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 20 Rz. 4 i. V. m. § 19 Rz. 8, ist der Versand der Einladung durch den Schuldner maßgebend. 50) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 51) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 52) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 53) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 8. 54) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 55) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 56) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 123. 57) Begr. RegE SanInsFoG z. § 70 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 162. 58) Zu den Bedenken gegen diese Möglichkeit im Hinblick auf § 41 DRiG, Frind, ZInsO 2020, 2241, 2244; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2680.

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hat. Ist ein Planbetroffener mit seinen Forderungen und Rechten in verschiedenen Gruppen vertreten, kann er in den Gruppen unterschiedlich abstimmen.59) 34 Im Übrigen kann der Schuldner gemäß § 20 Abs. 5 Satz 2 StaRUG die Modalitäten der Abstimmung selbst festlegen, also bspw. bestimmen, dass die Abstimmung durch Handheben oder durch das Ausfüllen eines Abstimmungszettels zu erfolgen hat.60) Diese Befugnis geht bei Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 nicht auf diesen über.61) Bei einer elektronischen Stimmabgabe hat der Schuldner den Zugang der Stimme elektronisch zu bestätigen (§ 20 Abs. 5 Satz 3 StaRUG), damit sicher ist, dass diese berücksichtigt wird.62) 35 Der Ablauf des Planannahmeverfahrens, das Ergebnis der Abstimmung sowie etwaige Streitigkeiten über die Gruppeneinteilung und die Stimmrechte der Planbetroffenen sind gemäß § 22 Abs. 1 StaRUG vom Schuldner bzw. vom Restrukturierungsbeauftragten (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 StaRUG) unverzüglich schriftlich zu dokumentieren. Diese Dokumentation ist den Planbetroffenen vom Schuldner sodann gemäß § 22 Abs. 2 StaRUG unverzüglich zuzuleiten (siehe dazu auch die Ausführungen unter Rz. 26). 2.3.2 Gerichtliches Abstimmungsprozedere 2.3.2.1

Voraussetzungen des gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermins

36 Der Schuldner kann gemäß § 23 StaRUG den Restrukturierungsplan auch in einem gerichtlichen Verfahren zur Abstimmung stellen. Dieses Verfahren richtet sich nach § 45 StaRUG. Es gehört zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Demnach kann es nur eingeleitet werden, wenn der Schuldner zuvor das Restrukturierungsverfahren gemäß § 31 StaRUG beim zuständigen Restrukturierungsgericht angezeigt hat und er drohend zahlungsunfähig ist (§ 18 Abs. 2 InsO). Beide Voraussetzungen hat das Restrukturierungsgericht von Amts wegen zu prüfen (siehe dazu Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 81 ff., 89).63) 37 Das gerichtliche Abstimmungsverfahren findet nur auf Antrag des Schuldners statt. Dem Antrag ist gemäß § 45 Abs. 2 StaRUG der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beizufügen. 38 Vor der gerichtlichen Planabstimmung kann der Schuldner gemäß § 46 StaRUG Fragen, von denen die Bestätigung des Plans abhängt, vom Restrukturierungsgericht vorprüfen lassen. Der Hinweisbeschluss des Gerichts, mit dem es das Ergebnis seiner Prüfung zusammen zu fassen hat, entfaltet allerdings keine Bindungswirkung für das spätere Verfahren.64) Soweit es dies für zweckmäßig erachtet, kann das Restrukturierungsgericht einen Vorprüfungstermin auch von Amts wegen anberaumen (§ 46 Abs. 3 StaRUG).65) Zur Vorprüfung ___________ 59) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 60) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 18. 61) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 20 Rz. 29; Madaus in: Flöther, StaRUG, § 20 Rz. 17; a. A. Radunz in: HambKomm-RestruktR, § 20 StaRUG Rz. 42. 62) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. 63) Montag in: HambKomm-RestruktR, § 45 StaRUG Rz. 9 ff.; a. A. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 12, der – ohne auf die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 einzugehen – eine Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht für erforderlich hält, weil diese in § 45 StaRUG nicht gefordert werde; Deppenkemper, ZIP 2020, 2432, 2433, der eine Glaubhaftmachung der drohenden Zahlungsunfähigkeit für ausreichend hält, allerdings ohne dafür den rechtlichen Anknüpfungspunkt zu nennen. 64) Begr. RegE SanInsFoG z. § 48 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 148; Thole, ZIP 2020, 1985, 1994. 65) AG Hamburg (Hinweisbeschl.) v. 17.1.2022 - 61c RES 1/21, ZVI 2022, 116, 117; krit. zur Anberaumung eines Termins von Amts wegen Frind, ZInsO 2020, 2241, 2245.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

im Einzelnen siehe Graf-Schlicker, HRI I, § 30. Nach § 38 Satz 1 StaRUG, § 139 ZPO hat das Gericht den Schuldner i. R. des Vorprüfungstermins auch auf Gesichtspunkte hinzuweisen, die er erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat.66) 2.3.2.2

Terminsbestimmung

Das Gericht bestimmt – wenn die zuvor genannten Einleitungsvoraussetzungen vorliegen – 39 einen Termin, in dem der Restrukturierungsplan und das Stimmrecht der Planbetroffenen erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Zu diesem Erörterungs- und Abstimmungstermin hat es die Planbetroffenen zu laden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). Um der Blockade einzelner Planbetroffener entgegenzuwirken,67) hat das Gericht die Ladung mit dem Hinweis zu verbinden, dass der Termin und die Abstimmung über den Plan auch dann durchgeführt werden können, wenn nicht alle Planbetroffenen teilnehmen (§ 45 Abs. 3 Satz 3 StaRUG). Eine fehlende Beteiligung an der Planabstimmung wirkt sich wegen der notwendigen Summenmehrheit von 75 % (§ 25 StaRUG) wie eine Ablehnung des Plans aus.68) Darüber hinaus hat das Restrukturierungsgericht weitere Hinweise nach § 64 Abs. 4 Satz 3 StaRUG und nach § 66 Abs. 3 StaRUG sowie ggf. nach § 38 Satz 2 StaRUG zu erteilen.69) Die Ladungsfrist beträgt mindestens 14 Tage (§ 45 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Sie beginnt 40 mit der Zustellung der Ladung, die das Gericht gemäß § 41 Abs. 1 StaRUG70) vorzunehmen hat. Die Zustellung gilt drei Tage nach Aufgabe zur Post als bewirkt. Das Gericht kann gemäß § 41 Abs. 3 StaRUG stattdessen auch den Schuldner mit der Zustellung beauftragen. Für diese Zustellung gelten sodann die §§ 191 – 194 ZPO, d. h. der Schuldner muss die Schriftstücke zwecks Zustellung dem Gerichtsvollzieher überlassen, der die Zustellung durch Aufgabe zur Post vornehmen kann. Der Schuldner selbst ist dazu nicht befugt.71) Dadurch können u. U. ungewollte Verzögerungen eintreten, so dass das Gericht diese Aufgabe selbst übernehmen sollte,72) es sei denn, es hat gemäß § 73 StaRUG einen Restrukturierungsbeauftragten bestellt, dem es die Zustellungen übertragen kann (§ 76 Abs. 6 StaRUG). 2.3.2.3

Festlegung der Stimmrechte

Den Vorsitz in dem Erörterungs- und Abstimmungstermin führt der Restrukturierungs- 41 richter.73) Besteht Streit über Stimmrechte, der im Erörterungstermin nicht beigelegt werden kann, hat das Restrukturierungsgericht das Stimmrecht vor der Abstimmung festzusetzen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 239 InsO 42 eine Stimmliste zu führen und festzuhalten, welche Stimmrechte den Planbetroffenen nach dem Ergebnis der Erörterungen zustehen (siehe dazu auch die Ausführungen von ___________ 66) AG Hamburg (Hinweisbeschl.) v. 17.1.2022 - 61c RES 1/21, ZVI 2022, 116, 117, dazu EWiR 2022, 439 (Körner), und m. Anm. Mock, NZI 2022, 436, der allerdings nicht zu berücksichtigen scheint, dass die Vorprüfung gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist, das nur nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens in Anspruch genommen werden kann (§ 31 StaRUG), die gemäß § 31 Abs. 3 zur Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache führt. 67) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 68) Begr. RegE SanInsFoG z. § 47 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 69) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 6. 70) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 45 Rz. 25, hält darüber hinaus eine Zustellung per Zustellungsurkunde oder Empfangsbekenntnis für möglich. 71) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 18; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 8. 72) Im Ergebnis ebenso Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 8; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 45 Rz. 20. 73) Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2678.

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Denkhaus, HRI I, § 33 Rz. 99 ff.). Das Gericht hat gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1, § 24 Abs. 4 Satz 2 StaRUG im gerichtlichen Terminsprotokoll auch zu dokumentieren, inwieweit und weshalb Stimmrechte streitig waren. Diese Stimmrechtsfestsetzung ist für die Abstimmung verbindlich, es sei denn, das Beschwerdegericht trifft im Verfahren nach § 66 StaRUG gegen die Planbestätigung eine anderweitige Entscheidung74) Sie wirkt sich aber nicht auf den materiell-rechtlichen Bestand und die Höhe der Forderung aus. Streitigkeiten darüber sind im Prozesswege vor den dafür zuständigen Gerichten auszutragen (siehe dazu auch die vertiefenden Ausführungen bei Denkhaus, HRI I, § 33 Rz. 164 ff.).75) Allerdings ist die Stimmrechtsentscheidung gemäß § 70 Abs. 2 StaRUG bis zur endgültigen Klärung der Forderungsberechtigung maßgebend für die Frage, ob ein Rückstand mit der Erfüllung des Restrukturierungsplans besteht.76) 2.3.2.4

Abstimmung

43 Abgestimmt wird über den Restrukturierungsplan, den der Schuldner vorlegt. Nur er kann – z. B. auf Wunsch oder Anregung der Planbetroffenen im Erörterungstermin – Änderungen vornehmen, die sich gegenüber dem mit der Einladung übersandten Restrukturierungsplan aber lediglich auf einzelne Regelungen beziehen dürfen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 240 Abs. 1 InsO), der Kern des Plans muss erhalten bleiben.77) 44 Die Abstimmung kann in dem angesetzten oder einem gesondert vom Gericht festzusetzenden Termin erfolgen, der nicht später als einen Monat nach dem Erörterungstermin stattfinden soll (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 241 Abs. 1 InsO). Im letzteren Fall ist auch eine schriftliche Abstimmung möglich (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 241 Abs. 1 InsO). Die den Planbetroffenen vom Gericht zur Verfügung gestellten Stimmzettel, die ihr Stimmrecht ausweisen, müssen spätestens einen Tag vor dem Abstimmungstermin bei Gericht eingehen. Darauf sind die Planbetroffenen bei der Übersendung der Stimmzettel hinzuweisen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 StaRUG, § 240 Abs. 2 InsO). 45 Die Abstimmung hat nach Gruppen zu erfolgen. Der Restrukturierungsplan ist angenommen, wenn auf die Mitglieder in jeder Gruppe drei Viertel der Stimmrechte entfallen. Ausnahmsweise kommt nach den §§ 26 ff. StaRUG eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung in Betracht (siehe dazu näher Rz. 46 ff.). Denkhaus

II.

Obstruktionsverbot (§ 26 StaRUG)

1.

Zweck und Hintergrund

1.1

Zweck

46 Wie im Insolvenzplanverfahren gemäß § 245 InsO dient das in § 26 StaRUG geregelte Obstruktionsverbot primär der Verhinderung des missbräuchlichen Abstimmungsverhaltens von Gläubiger- bzw. Anteilsinhabergruppen (siehe Becker, HRI II § 36 Rz. 1). Insoweit entspricht der § 26 Abs. 1 StaRUG weitestgehend dem § 245 InsO,78) so dass unter Berücksichtigung des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung sowie unter Berück___________ 74) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147. 75) Begr. RegE SanInsFoG z. § 22 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 147, 148, 168; Skauradzun, KTS 2021, 1, 14 (dort Fn. 75); Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 70 Rz. 5; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 70 Rz. 5. 76) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 17. 77) Blankenburg in Morgen, StaRUG, § 45 Rz. 42; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 45 Rz. 14; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 4 Rz. 25; LG Düsseldorf v. 20.12.2019 – 25 T 665/19, ZVI 2020, 190, 191. 78) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

sichtigung der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG79) die Auslegungsergebnisse zu § 245 InsO auf § 26 Abs. 1 StaRUG übertragen werden können.80) Nach § 26 StaRUG kann ein Restrukturierungsplan nach den normierten Voraussetzungen auch dann wirksam zustande kommen und vom Restrukturierungsgericht bestätigt werden, wenn in den einzelnen Gruppen nicht die für die Zustimmung erforderliche Mehrheit erreicht wurde. Im StaRUG wird dies als „gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung“ und in Art. 11 47 der Restrukturierungsrichtlinie81) als klassenübergreifender Cram-down bezeichnet. Die fehlende Zustimmung bestimmter Gläubiger kann so durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Einzelinteressen von Planbetroffenen und Anteilsinhabern sollen das Restrukturierungsvorhaben nicht gefährden.82) Anders als bei einer außergerichtlichen Sanierung (außerhalb des StaRUG), bei der es bisher keine Pflicht der Gläubiger gab, auf Rechte zu verzichten,83) können nun einzelne Gläubiger auch zu einem Verzicht gezwungen werden, obwohl andere Gläubiger ihre Ansprüche in voller Höhe behalten.84) Das Obstruktionsverbot soll vermeiden, dass ein Restrukturierungsplan scheitert, obwohl er höhere oder zumindest gleichwertige Ergebnisse für die Planbetroffenen bietet als eine Sanierung ohne den Restrukturierungsplan oder im Insolvenzszenario. Für die Fiktion der Zustimmung müssen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 48 StaRUG kumulativ vorliegen.85) Durch die für die Zustimmungsersetzung erforderlichen Voraussetzungen bietet die Vorschrift mittelbar auch Individualschutz für die Planbetroffenen. Der Schutz kann allerdings nur durch die einzelnen überstimmten Planbetroffenen bzw. Anteilsinhaber über den Minderheitenschutzantrag nach § 64 StaRUG geltend gemacht werden. Nach § 64 StaRUG steht es überstimmten Planbetroffenen bzw. Anteilsinhabern frei, zu beantragen, dass der Restrukturierungsplan nicht bestätigt wird, wenn der Antragsteller durch den Plan schlechtergestellt wird, als er ohne den Plan stünde (siehe dazu unten Rz. 52 ff.). Die §§ 27 f. StaRUG ergänzen den § 26 StaRUG und die Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung.86) Mit § 27 StaRUG übernimmt der Gesetzgeber die bereits aus dem Insolvenzrecht bekannte absolute Prioritätsregel, wonach eine nachrangige Gläubigergruppe erst dann Werte erhalten darf, nachdem die vorrangigen Gruppen vollständig befriedigt wurden.87) Durch § 28 StaRUG schränkt der Gesetzgeber diese Regel jedoch für einzelne Fallgestaltungen ein.88) Denkhaus

1.2

Hintergrund

Die §§ 26 ff. StaRUG dienen der Umsetzung von Art. 11 Restrukturierungsrichtlinie, der 49 sich mit dem klassenübergreifenden Cram-down befasst.89) Der Art. 11 Restrukturierungs___________ 79) Distler, ZIP 2021, 1033, 1034. 80) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 3. 81) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 82) Vgl. zu § 245 InsO u. a. Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 4. 83) BGH v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, ZIP 1992, 191. 84) Distler, ZIP 2021, 1033, 1034. 85) Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 33; zu § 245 InsO: OLG Köln v. 5.1.2001 – 2 W 228/00, NZI 2001, 660, 662. 86) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Vor Rz. 1. 87) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 6. 88) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 6. 89) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127.

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richtlinie sieht vor, dass es im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen – wie auch bereits im Insolvenzplanverfahren – möglich sein muss, einen Plan trotz Ablehnung einer Gruppe Planbetroffener bestätigen zu lassen. § 245 InsO entsprach bzw. entspricht bereits weitestgehend den Anforderungen aus Art. 11 Restrukturierungsrichtlinie, die an eine solche Zustimmungsfiktion zu stellen sind,90) so dass der Gesetzgeber sich an der Vorschrift des § 245 InsO orientiert hat. Die Vorschrift bedurfte letztendlich nur einer Ergänzung dahingehend, dass sichergestellt werden muss, dass zu den der Planlösung zustimmenden Gruppen mindestens auch eine Gruppe von Inhabern von Absonderungsanwartschaften oder von nichtnachrangigen Restrukturierungsgläubigern gehört.91) § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO lässt hingegen nur die Zustimmung der Mehrheit der Gruppen ausreichen. 50 Die Vorschrift des Art. 11 Restrukturierungsrichtlinie lässt es zu, dass die Mitgliedstaaten eine Planbestätigung gegen das Votum einer ablehnenden Gruppe ausschließen, sobald einer nachrangigen Gruppe ein Wert zugewiesen wurde (sog. absolute Prioritätsregel).92) Zudem ist es auch zulässig, die absolute Prioritätsregel zugrunde zu legen und einzelne Durchbrechungsmöglichkeiten vorzusehen (Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 Restrukturierungsrichtlinie). Für diesen Weg hat sich auch der deutsche Gesetzgeber entschieden: In § 27 StaRUG legt er die absolute Prioritätsregel zugrunde und sieht unter bestimmten Voraussetzungen Durchbrechungsmöglichkeiten vor (§ 28 StaRUG).93) Insoweit besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner oder ein geschäftsführender Anteilsinhaber sich an dem Restrukturierungsplan und dessen Umsetzung beteiligen kann. Darüber hinaus sind geringfügige Eingriffe in die Rechte der ablehnenden Gläubiger ebenfalls nicht maßgeblich, insbesondere dann, wenn die Eingriffe nur eine Fälligkeitsverschiebung betreffen. Weiter können Gruppen gleichen Rangs unterschiedlich behandelt werden, wenn die Ungleichbehandlung angemessen ist. 2.

Gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen (Cross-Class Cram-down)

51 Liegen die Voraussetzungen der §§ 26 f. StaRUG vor, kann ausnahmsweise die fehlende Zustimmung einer bestimmten Gruppe von Planbetroffenen ersetzt werden. Grundsätzlich ist nach § 25 StaRUG zur Annahme des Restrukturierungsplans erforderlich, dass in jeder Gruppe mindestens 75 % der Stimmrechte (siehe Denkhaus, HRI I, § 33) zustimmen. Liegen die erforderlichen Mehrheiten nicht vor, kann die Zustimmung unter den Voraussetzungen der §§ 27, 28 StaRUG fingiert werden. Für die Ersetzung der Zustimmung bedarf es einer richterlichen Entscheidung (siehe zum Insolvenzplan Becker, HRI II, § 36 Rz. 3). 2.1

Schlechterstellungsverbot

52 Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ist für die Fiktion der Zustimmung zunächst Voraussetzung, dass die Planbetroffenen der Gruppe, deren Zustimmung ersetzt werden soll, mit dem Restrukturierungsplan nicht schlechtergestellt werden, als sie ohne den Plan stünden. Es gilt somit das sog. Schlechterstellungsverbot. Die Regelung deckt sich mit § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO.94)

___________ 90) 91) 92) 93) 94)

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Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127. Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 127. Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128. Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128. Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

2.1.1 Funktion des Schlechterstellungsverbots und Verhältnis zum Minderheitenschutz Durch den Restrukturierungsplan wird in die Rechte der Planbetroffenen eingegriffen. 53 Diese Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie auf einer ausreichenden Legitimationsgrundlage erfolgen.95) Hierfür kommt es wesentlich darauf an, dass die Planbetroffenen Gläubiger nicht schlechtergestellt werden dürfen, als sie ohne den Restrukturierungsplan stünden.96) Etwaige Verstöße können die Planbetroffenen über den Minderheitenschutzantrag nach § 64 StaRUG geltend machen, wenn sie schlechtergestellt werden und die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 StaRUG erfüllt sind. Dieses Schlechterstellungsverbot wird aber ebenfalls für die Zulässigkeit einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung herangezogen und ist Voraussetzung des § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG. Während sich i. R. des Minderheitenschutzes (§ 64 StaRUG) die Prüfung auf die Schlechter- 54 stellung des einzelnen Planbetroffenen beschränkt, ist i. R. der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung auf die jeweilige Gruppe abzustellen, deren Zustimmung ersetzt werden soll. Anders als beim Minderheitenschutzantrag ist kein gesonderter Antrag eines Planbetrof- 55 fenen oder der betroffenen Gruppe erforderlich. Es besteht aber die Möglichkeit für die Planbetroffenen, eine mögliche Schlechterstellung im Planbestätigungsverfahren vorzutragen; einen solchen Vortrag hat das Restrukturierungsgericht zu berücksichtigen.97) 2.1.2 Wirtschaftliche Betrachtungsweise Wie auch im Insolvenzplanrecht98) kommt es ausschließlich auf eine wirtschaftliche Be- 56 trachtungsweise an.99) Es ist die wirtschaftliche Situation der Planbetroffenen für den Fall der Annahme des Plans mit ihrer wirtschaftlichen Situation ohne den Restrukturierungsplan zu vergleichen. Maßgeblich für die Vergleichsrechnung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 StaRUG, welche für die Bewertung, ob eine Schlechterstellung vorliegt, erforderlich ist, sind die „Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen“100).101) Es kommt dabei nur auf die Gruppe der Planbetroffenen an, deren Zustimmung nach § 26 StaRUG ersetzt werden soll.102) Das Restrukturierungsgericht muss eine Prognoseentscheidung treffen. Diese bezieht sich 57 auf die Feststellung, ob die Schlechterstellung der Gruppe von Planbetroffenen, deren Zustimmung ersetzt werden soll, gegenüber dem Vergleichsszenario wahrscheinlicher ist.103) Da Sanierungen regelmäßig zeitkritisch sind, bedarf es einer „pragmatisch, einfachen und 58 schnellen Bewertungsmethodik“.104) Für die Vornahme der Bewertung könnte u. a. ein aus einer Unternehmensbewertung abgeleiteter hypothetischer Kaufpreis anzusetzen sein,105) sofern dieser realisierbar ist. Die Einholung einer Unternehmensbewertung kann jedoch ___________ 95) 96) 97) 98) 99) 100) 101) 102) 103) 104) 105)

Skauradszun, KTS 2021, 1, 52. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 9. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 11. LG Traunstein v. 27.8.1999 – 4 T 2966/99, NZI 1999, 461; Thies in: HambKomm-InsO, § 245 Rz. 7; Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 11; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rz. 7. Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 26 Rz. 30; Herzig in Braun, StaRUG, § 26 Rz. 11; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 17. Skauradszun, KTS 2021, 1, 29. So auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 17. Distler, ZIP 2021, 1033, 1035. Zu § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO: Thies in: HambKomm-InsO, § 245 Rz. 6; Rühle in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 Rz. 7. So: Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 8. Langer/Wolf in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 14 Rz. 36; a. A. Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 9.

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nicht zwingend vorausgesetzt werden. Es kann auch nicht zwingende Voraussetzung sein, einen strukturierten M&A-Prozess durchzuführen, da dies dem nichtöffentlichen Charakter des Verfahrens widersprechen würde.106) Sowohl die anfallenden, teilweise nicht unerheblichen Kosten für ein Dual-Track-Verfahren als auch die Aussagekraft der Ergebnisse des Dual-Track-Verfahrens, wenn die Marktteilnehmer erkennen, dass es sich um einen bloßen „Markttest“ handelt, sprechen in diesem Fall gegen die zwingende Notwendigkeit eines solchen Verfahrens.107) Maßgeblich wird aber insbesondere auch die dem Plan nach § 14 Abs. 2 StaRUG beizufügende Ergebnis- und Finanzplanung für die Bewertung des möglichen Alternativszenarios sein.108) 59 Bei der Ermittlung, ob eine Schlechterstellung vorliegt, kann das Gericht auf die Mittel zurückgreifen, die i. R. des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) zur Verfügung stehen, insoweit bestünde zumindest auch die Möglichkeit auf einen Sachverständigen zurückzugreifen. Dies erscheint jedoch, wie auch bereits im Insolvenzverfahren, nicht unbedingt erforderlich zu sein, da es nur auf eine Beurteilung des Insolvenzgerichts ankommt.109) Allerdings würde die Hinzuziehung des Sachverständigen in der Regel das Verfahren verzögern, was letztlich einer meist zeitkritischen Sanierung und Restrukturierung zuwiderlaufen würde. 60 Um den Plan erfolgreich und schnell umsetzen zu können, sollte der Planersteller dem Gericht sämtliche für die Entscheidung erforderlichen Informationen im Plan darlegen. So kann vermieden werden, dass beim Gericht Zweifel an der Nicht-Schlechterstellung auftreten. 2.1.3 Vergleichsszenario 2.1.3.1

Zusammenhang von Vergleichsrechnung und Schlechterstellungsverbot

61 Maßgeblich für die Feststellung, ob eine Schlechterstellung einer Gruppe vorliegt, ist die Beurteilung der Frage, ob die Planbetroffenen ohne den Restrukturierungsplan besserstünden. Dabei stellt sich jedoch die Frage, welches Vergleichsszenario heranzuziehen ist. Die Voraussetzungen, die an das anzusetzende Vergleichsszenario zu stellen sind, entsprechen dem für den Minderheitenschutz nach § 64 Abs. 1 StaRUG und dem für die Vergleichsrechnung nach § 6 Abs. 2 StaRUG.110) Die Vergleichsrechnung soll zeigen, dass die Planbetroffenen durch den Restrukturierungsplan nicht schlechtergestellt werden, als sie ohne den Plan stünden.111) Bei der Auslegung des § 6 Abs. 2 StaRUG ist dies zu berücksichtigen, da sich das nicht unmittelbar aus der Vorschrift ergibt. 62 Der Vorschrift kommt somit eine „Hilfsfunktion für das Schlechterstellungsverbot“112) i. S. des § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG und § 64 Abs. 1 StaRUG zu. Nach § 6 Abs. 2 StaRUG ist als Alternativszenario grundsätzlich ein Fortführungsszenario, um die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen ohne Plan zu ermitteln. Eine solche Regelung enthält nun auch § 220 Abs. 2 InsO n. F., welche ihrem Wortlaut nach auf die „voraussichtliche“ Befriedigung der Gläubiger abstellt und den Zusatz „in der Regel“ enthält.113) Dies wird man allerdings auch in die Vorschrift des § 6 Abs. 2 StaRUG hineinlesen müssen, so dass aus___________ 106) Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097; Herzig in: Braun: StaRUG, § 26 Rz. 8; Knapp in: Flöther, StaRUG, § 26 Rz. 19. 107) So auch: Knapp in: Flöther, StaRUG, § 26 Rz. 19. 108) Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 8. 109) Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 13. 110) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 12. 111) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 12. 112) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 12. 113) Dazu auch Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 68.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

nahmsweise auch ein Liquidationsszenario anzusetzen sein kann.114) Von Bedeutung ist diese Regel insbesondere dafür, dass einer gängigen Praxis im Insolvenzplanverfahren, die Vergleichsquote „klein zu rechnen“, entgegengetreten werden soll.115) 2.1.3.2

Nächstbestes Alternativszenario

Nach dem Gesetzgeber soll das „nächstbeste Alternativszenario“ herangezogen werden.116) 63 Gleiches gilt für § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO, auch wenn dort nicht die Bezeichnung „nächstbestes Alternativszenario“ benutzt wird.117) Das zugrunde zu legende Vergleichsszenario muss sich aus der nach § 6 Abs. 2 StaRUG 64 erforderlichen Vergleichsrechnung ergeben (zur Vergleichsrechnung siehe u. a. Rz. 71). Wie sich § 6 Abs. 2 StaRUG entnehmen lässt, kommen als Alternativszenarien der Verkauf des Unternehmens oder anderweitige Fortführungsszenarien in Betracht.118) Möglich sind auch Szenarien zur Vermeidung einer drohenden Insolvenz.119) In zeitlicher Hinsicht kann sich die Vergleichsrechnung problematischer als im Insolvenzplanverfahren darstellen, da der „zeitliche Horizont“ weiter und schlechter eingrenzbar sein kann.120) Im Rahmen der Bestimmung eines Fortführungsszenarios als Vergleichsszenario kann man 65 sich die Frage stellen, ob eine übertragende Sanierung nach einer hypothetischen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Fortführungs- oder vielmehr als Liquidationsszenario zu verstehen ist.121) Die Gesetzesbegründung lässt darauf schließen, dass es dem Gesetzgeber wohl darauf ankam, ob Fortführungs- oder Liquidationswerte anzusetzen sind.122) Bei einer übertragenden Sanierung kann man daher von einem Fortführungsszenario sprechen, da bei Unternehmensverkäufen, unabhängig, ob innerhalb oder außerhalb einer Insolvenz grundsätzlich Fortführungswerte anzusetzen sind.123) Fortführungs- oder Verkaufsszenarien, die nicht „aussichtslos“, aber voraussichtlich nicht 66 umsetzbar sind, können keine tauglichen Vergleichsszenarien sein.124) Das Liquidations-/Insolvenzszenario kann anders als im Insolvenzplanverfahren grund- 67 sätzlich nicht einfach so als Vergleichsmaßstab herangezogen werden.125) Das ist die Situation, die vorläge, wenn der Restrukturierungsplan nicht angenommen wird.126) Das Liquidationsszenario darf nur dann angesetzt werden, wenn der Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung des Unternehmens keine Aussicht auf Erfolg haben.127) Dabei wäre sodann aber auch z. B. ein Insolvenzplanverfahren-Szenario zu berücksichtigen, ___________ 114) Zur Auslegung auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 12. 115) Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 69; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 26 StaRUG Rz. 10; zum Insolvenzplanverfahren hatte auch der BGH bereits entschieden, dass eine Betriebseinstellung nicht pauschal als Vergleichsszenario herangezogen werden kann, BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, ZIP 2015, 1346. 116) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128. 117) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 18. 118) Zu denkbaren Vergleichsszenarien auch: Knapp in: Flöther, StaRUG, § 26 Rz. 14. 119) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 21. 120) Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 65. 121) Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617; Ringelspacher/Fehl-Weileder, ZRI 2022, 210, 214. 122) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. 123) Dazu auch ausführlich: Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 617. 124) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 23; Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 33; so zum Verkaufsprozess auch: Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 26 Rz. 52. 125) Begr. RegE SanInsFoG z. § 8 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. 126) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128. 127) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128.

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wenn dieses bessere Befriedigungsaussichten für die Planbetroffenen bietet. Das Gericht hat also auch zu prüfen, ob eine Insolvenz in der Zukunft überwiegend wahrscheinlich ist.128) Szenarien ohne Insolvenzbezug müssen jedenfalls nach überwiegender Wahrscheinlichkeit auch dazu geeignet sein, die Insolvenzgefahr, d. h. die drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Wird das Liquidationsszenario als Vergleichsszenario angesetzt, ist dies fundiert zu begründen.129) 68 Ansonsten ist ein Vergleichsszenario anzusetzen, welches von der Fortführung des Unternehmens (Going-Concern) ausgeht.130) Aus den Annahmen des Gesetzgebers lässt sich schließen, dass davon auszugegangen werden soll, dass grundsätzlich ein Going-ConcernSzenario für die Planbetroffenen als Vergleichsszenario heranzuziehen ist und das Liquidationsszenario als Vergleichsszenario nur selten in Betracht kommen wird. Die Begründung, warum ausgerechnet das im Restrukturierungsplan angesetzte Alternativszenario heranzuziehen ist, wird dem Schuldner in der Regel einfacher fallen, wenn er die (möglicherweise auch verschiedenen) in Betracht kommenden Alternativszenarien im Vorfeld mit den Planbetroffenen erörtert hat, um auch die Akzeptanz des Plans und der darin enthaltenden Eingriffe und ihre Notwendigkeit zur Rettung des Unternehmens zu fördern.131) 69 Das AG Hamburg132) hat in seiner Entscheidung vom 12.4.2021 jedoch ausgeführt, dass es für die Heranziehung eines Insolvenzszenarios bereits genügen soll, wenn „kein konkretes und verlässliches Alternativszenario unter Ansatz von Fortführungswerten“ darstellbar ist. Es bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte ein ähnlich weites Verständnis ansetzen werden. Jedenfalls ist für die Darstellung des Alternativszenarios – egal ob Fortführungs- oder Liquidationsszenario – Einfallsreichtum und gute Argumentation gefragt.133) Bei der Darstellung ist auch zu berücksichtigen, dass bei einem Insolvenzplanszenario ggf. andere Gruppen zu bilden sein können als im Restrukturierungsplan. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich bei den Verfahrenshilfen nach dem StaRUG nur um teilkollektive Verfahrenshilfen handelt, während bei einem Insolvenzplanverfahren alle Gläubiger des Schuldners in den Plan einbezogen werden. 70 Ein Insolvenzszenario als Vergleichsszenario kann daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die – wie häufig – Arbeitnehmer- und Pensionsverbindlichkeiten einen erheblichen Teil der Verbindlichkeiten des Unternehmens ausmachen. Da nach § 4 Nr. 1 StaRUG Forderungen von Arbeitnehmern aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung nicht zu den gestaltbaren Rechtsverhältnissen gehören, kann es sein, dass aufgrund des Stehenbleibens dieser Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner, die im Restrukturierungsplan einbezogenen Gläubiger einen deutlich größeren Eingriff in ihre Forderungen hinnehmen müssten als in einem Insolvenzverfahren, so dass diese in einem Insolvenzverfahrensszenario eventuell bessergestellt sein können. 71 Bei der Vergleichsrechnung angesetzte Konzepte und Werte müssen realisierbar sein.134) Beispielhaft wird von Spahlinger angeführt, dass ein Ergebnis eines M&A-Prozesses, welches als Vergleichsszenario zugrunde gelegt wurde, nicht allein durch ein von einem Planbetroffenen vorgelegtes Gutachten, welches einen das Angebot des Höchstbietenden im M&A___________ 128) 129) 130) 131) 132) 133) 134)

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Distler, ZIP 2021, 1033, 1038. Begr. RegE SanInsFoG z. § 8 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 116. Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 6. So etwa auch Doebert/Krüger, NZI 2021, 614. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = ZIP 2021, 1354. So auch: Herzig in: Braun, InsO, § 26 Rz. 7. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz 24.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

Prozess deutlich übersteigendenden rechnerischen Unternehmenswert ausweist, widerlegt werden und damit eine Schlechterstellung darlegen und beweisen kann.135) Eine Schlechterstellung läge in diesem Fall nur vor, wenn sich der aus dem Gutachten ergebende Wert auch umsetzen ließe. Ein anderer möglicherweise vorteilhafterer Plan ist kein relevantes Vergleichsszenario.136) 72 Insoweit ist § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG eindeutig, da die voraussichtliche Situation der Planbetroffenen mit einer Situation ohne den Plan zu vergleichen ist. Dies entspricht auch dem Schlechterstellungsverbot i. R. des Minderheitenschutzes. Der zu § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG abweichende Wortlaut des § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist auf ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen.137) Es gibt somit keinen Anspruch für die Planbetroffenen auf einen besseren Plan; ein solcher lässt sich auch nicht aus § 6 Abs. 2 StaRUG herleiten.138) Die beiden Szenarien – das Planszenario und das hypothetische Vergleichsszenario – und 73 die Ergebnisse, die sich dabei für die Gruppe der Planbetroffenen, deren Zustimmung ersetzt werden soll, ergeben, sind zu vergleichen. Maßgeblich ist, ob die Planbetroffenen voraussichtlich nicht schlechtergestellt werden. Unerheblich ist, ob die Planbetroffenen durch den Plan bessergestellt werden.139) 2.1.4 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung des Schlechterstellungsverbots Für die Feststellung, ob eine Schlechterstellung der Gruppe, deren Zustimmung ersetzt 74 werden soll, vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Maßgeblich ist damit die Entscheidung des Gerichts über die beantragte Planbestätigung; im Beschwerdeverfahren ist auf den Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Beschwerde ergeht, abzustellen.140) Dies ergibt sich daraus, dass der Restrukturierungsplan gemäß §§ 60 ff. StaRUG erst seine Rechtswirkungen gegenüber den Planbetroffenen voll entfaltet, wenn das Restrukturierungsgericht diesen bestätigt. Im Zusammenhang mit der Prüfung, ob die Bestätigung zu versagen ist, hat das Gericht u. a. auch zu prüfen, ob die erforderlichen Mehrheiten gegeben sind, ob die Zustimmungsfiktion des § 26 StaRUG eingreift oder, ob dies z. B. nicht der Fall ist, weil das Schlechterstellungsverbot i. S. des § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG vom Schuldner missachtet wurde.141) 2.1.5 Gerichtlicher Prüfungsumfang und Darlegungs- und Beweislast Die Beweislast dafür, dass eine Schlechterstellung nicht vorliegt, liegt grundsätzlich beim Plan- 75 verfasser und damit beim Schuldner (zum Insolvenzplanverfahren siehe Becker, HRI II, § 36 Rz. 41). Dies gilt insbesondere auch für den Umstand, welches Vergleichsszenario heranzuziehen ist.142) Kann das Gericht also nicht überzeugt werden, dass eine Schlechterstellung nicht vorliegt, gehen Zweifel zulasten des Plans bzw. des Schuldners.143) Es empfiehlt sich in der Praxis, zu erwartende Einwände von Planbetroffenen im Plan aufzuführen, um ___________ 135) Beispiel aus: Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 24; Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 34. 136) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 14; a. A. Knapp in: Flöther, StaRUG, § 26 Rz. 17, diff. Ringelspacher/Fehl-Weileder, ZRI 2022, 210, 213. 137) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 15. 138) Skauradszun, KTS 2021, 1, 64; Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 33. 139) Distler, ZIP 2021, 1033, 1040. 140) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 25. 141) Dazu ausführlich Distler, ZIP 2021, 1033, 1035, Fn. 13. 142) Frind, ZInsO 2021, 1093, 1098. 143) Distler, ZIP 2021, 1033, 1040.

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dem Gericht bereits die Argumente, warum eine Schlechterstellung gerade nicht gegeben ist, zu liefern. 76 Das Restrukturierungsgericht hat zunächst den Inhalt des Restrukturierungsplans zu analysieren.144) Dabei ist zu ermitteln, wer die Planbetroffenen sind und wie sie durch den Plan gestellt werden würden, d. h. welche Eingriffe der Plan in ihre Rechte vorsieht. 77 Der Prüfungsrahmen des Gerichts für die Frage, ob eine Schlechterstellung vorliegt, ergibt sich aus den Vorgaben des § 63 StaRUG, aus dem sich ergibt, unter welchen Voraussetzungen das Gericht die Bestätigung des Restrukturierungsplans zu versagen hat.145) Dies ist nämlich nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG auch dann der Fall, „wenn die Ansprüche, die den Planbetroffenen durch den gestaltenden Teil des Plans zugewiesen werden, und die durch den Plan nicht berührten Ansprüche der übrigen Gläubiger offensichtlich nicht erfüllt werden können“. Letztendlich prüft das Gericht somit nur, ob ein Plan offensichtlich nicht durchführbar ist. Der gleiche Maßstab muss auch i. R. des § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG angesetzt werden,146) um eine einheitliche Handhabung im Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG zu gewährleisten. 2.2

Angemessene Beteiligung am Planwert – Absolute Priorität

78 Wird in einer Gruppe die nach § 25 StaRUG erforderliche Mehrheit nicht erreicht, kann der Restrukturierungsplan unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StaRUG trotzdem angenommen werden. Insbesondere ist nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG erforderlich, dass die Mitglieder der überstimmten Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert, der auf der Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (Planwert), beteiligt werden. 79 Wann eine angemessene Beteiligung der überstimmten Gruppe am Planwert anzunehmen ist, regelt § 27 StaRUG. Die hiernach anzuwendende Regel der absoluten Priorität wird sodann durch § 28 StaRUG in konkreten Ausnahmefällen wiederum eingeschränkt.147) 80 In Anlehnung an § 245 Abs. 2 InsO soll § 27 StaRUG damit die Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c und d Restrukturierungsrichtlinie umsetzen.148) 2.2.1 Angemessene Beteiligung einer Gläubigergruppe (§ 27 Abs. 1 StaRUG) 81 Gemäß § 27 Abs. 1 StaRUG ist eine Gläubigergruppe angemessen am Planwert beteiligt, wenn 

kein anderer planbetroffener Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen (Verbot der Überbefriedigung, Abs. 1 Nr. 1),



weder ein planbetroffener Gläubiger, der ohne einen Plan in einem Insolvenzverfahren mit Nachrang gegenüber den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, noch der Schuldner oder eine an dem Schuldner beteiligte Person einen nicht durch Leistung in das Vermögen des Schuldners vollständig ausgeglichenen wirtschaftlichen Wert erhält (Gebot der Rangwahrung, Abs. 1 Nr. 2) und

___________ 144) Distler, ZIP 2021, 1033, 1035. 145) Distler, ZIP 2021, 1033, 1035, 1036, dort auch eine ausführliche Darstellung m. w. N. zum Streitstand i. R. des Insolvenzplanverfahrens, inwieweit das Gericht den Insolvenzplan bei seiner Prüfung einfach zugrunde legen kann oder, ob auch eine realistische Umsetzbarkeit zu prüfen ist. 146) Distler, ZIP 2021, 1033, 1036. 147) Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 34; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Vor Rz. 1. 148) Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot 

kein planbetroffener Gläubiger, der in einem Insolvenzverfahren gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, bessergestellt wird als diese Gläubiger (Gebot der Gleichbehandlung von gleichrangigen Gläubigergruppen, Abs. 1 Nr. 3).

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.149)

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Handelt es sich bei der den Plan ablehnenden Gruppe um Inhaber von Rechten aus gruppen- 83 internen Drittsicherheiten, gilt § 27 Abs. 1 StaRUG nur, wenn die Mitglieder dieser Gruppe für den zu erleidenden Rechtsverlust entsprechend den Vorgaben des § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG angemessen entschädigt wurden (siehe dazu ausführlich unter Rz. 142 ff.). Gleiches gilt entgegen dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 StaRUG auch, wenn durch den Restrukturierungsplan die Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters beschränkt wird (siehe unter Rz. 144). 2.2.1.1

Verbot der Überbefriedigung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG)

Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG darf kein anderer planbetroffener Gläubiger mehr als 84 den vollen Betrag seines Anspruchs erhalten. Dies bedeutet, dass die ablehnende Gruppe auch dann nicht angemessen am Planwert beteiligt ist, wenn für eine andere Gruppe im Plan eine höhere Befriedigung als deren ursprüngliche Forderung vorgesehen ist. Mit der Vorschrift hat der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Unter- 85 abs. 1 lit. c und d Restrukturierungsrichtlinie umgesetzt, wonach keine Klasse betroffener Parteien nach dem Restrukturierungsplan mehr erhalten oder behalten kann als den vollen Betrag ihrer Forderungen oder Beteiligungen. Sie entspricht § 245 Abs. 2 Nr. 1 InsO,150) weshalb die zu dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze für § 27 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG herangezogen werden können (ausführlich zu § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO: Becker, HRI II, § 36 Rz. 11, 30). Zur Ermittlung der Befriedigungsobergrenze ist allein auf den dem jeweiligen Gläubiger 86 vertragsgemäß zustehenden Anspruch abzustellen.151) Zinsen und Säumniszuschläge sind als Restrukturierungsforderungen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG bei der Ermittlung der Befriedigungsobergrenze zu berücksichtigen, soweit diese bis zum jeweils nach § 2 Abs. 5 StaRUG relevanten Zeitpunkt entstanden sind.152) Im Restrukturierungsplan vorgesehene zukünftige Geldleistungen sind abzuzinsen; anschließend ist der abgezinste Wert mit dem Anspruch des jeweiligen Gläubigers zu vergleichen.153) Praxisrelevanter als eine Überzahlung dürfte die Gefahr einer Überbefriedigung bei Sach- 87 leistungen, etwa i. R. eines Debt Equity Swaps, sein.154) Übersteigt der Wert der Beteiligung, welche der Gläubiger am Schuldner erwirbt, den Nominalbetrag seiner Forderung, liegt ein ___________ 149) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 7. 150) Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129. 151) So auch Herzig in: Braun, StaRUG, § 27 Rz. 4; Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 74; a. A. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 10, der auf den tatsächlich realisierbaren (Markt-)Wert abstellt, und einen durch Gutachten ermittelten und begründbaren wirtschaftlichen Wert, der sich noch gar nicht realisieren ließe, für irrelevant hält; vgl. zur restrukturierungsrechtlichen Plangestaltbarkeit nicht fälliger und nicht auf Geld gerichteter Forderungen: Marotzke, ZInsO 2021, 643. 152) Relevanter Zeitpunkt der Begründung der Restrukturierungsforderungen ist nach § 2 Abs. 5 StaRUG die Unterbreitung des Planangebots (§ 17 StaRUG), bei Abstimmung im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren die Antragstellung (§ 45 StaRUG) und bei Erwirken einer Stabilisierungsanordnung (§ 49 StaRUG) die Erstanordnung des Gerichts. 153) Herzig in: Braun, StaRUG, § 27 Rz. 4. 154) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 10; vgl. zum Debt Equity Swap im Insolvenzplanverfahren: LG Bonn v. 10.7.2014 – 6 T 178/14 (IVG Immobilien AG), ZInsO 2015, 43.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Verstoß gegen das Verbot der Überbefriedigung vor. Die Bewertung der Beteiligung erfolgt sodann nach Grundsätzen einer Unternehmensbewertung i. S. des IDW S 1155).156) 88 Ebenso wie im Insolvenzplanverfahren, bleibt aber auch im Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG unklar, ob der Wert der Beteiligung vor oder nach der Restrukturierung maßgeblich ist.157) Richtigerweise kann nur der Wert der Beteiligung auf Basis des verteilungsfähigen Vermögens zum Zeitpunkt vor Umsetzung des Plans maßgeblich sein.158) Würde man das Szenario eines restrukturierten und fortgeführten Unternehmens zugrunde legen, würde im Gegensatz zu den Wertzuweisungen an andere Gläubiger, welche in Form von Auszahlungen aus dem verteilungsfähigen Vermögen bei Umsetzung des Plans erfolgt, ein unterstellter Restrukturierungserfolg eingepreist. Auch stünde einer prognostizierten Wertsteigerung der Anteile das Risiko eines späteren Wertverlustes gegenüber.159) 89 Im Gegensatz zu den Geboten der Rangwahrung (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) und Gleichbehandlung (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG), kann das Verbot der Überbefriedigung auch nicht gemäß § 28 StaRUG durchbrochen werden. Demgemäß bedarf es einer sorgfältigen Prüfung, welcher Wert den Beteiligungen der Gläubiger im Verhältnis zu ihren Forderungen zukommen soll. 2.2.1.2

Gebot der Rangwahrung (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG)

90 Gemäß § 27 Abs. 1 StaRUG ist eine Gläubigergruppe angemessen am Planwert beteiligt, wenn weder ein nachrangiger planbetroffener Gläubiger, der Schuldner oder ein Anteilsinhaber einen wirtschaftlichen Wert erhält, der nicht durch Leistung in das Vermögen des Schuldners vollständig ausgeglichen wird. Die Vorschrift entspricht § 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO (ausführlich zu § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO: Becker, HRI II § 36 Rz. 43) und erfährt durch § 28 Abs. 2 StaRUG (Durchbrechung der absoluten Priorität) eine wichtige Einschränkung (siehe dazu ausführlich unter Rz. 115). 91 Die rechtliche Rangfolge ist bei der Befriedigung der Kapitalgeber unbedingt zu beachten. Erhält ein nachrangiger Gläubiger oder der Schuldner einen wirtschaftlichen Wert, obwohl die Forderungen eines vorrangigen Gläubigers nicht voll befriedigt werden, greift die Zustimmungsfiktion des § 27 StaRUG nicht.160) 92 Es bleibt die Frage, wie der Begriff des Wertes zu definieren ist, der dem Schuldner bzw. seinen geschäftsführenden Gesellschaftern durch den Insolvenzplan zukommt. Ist Liquidität, die in dem durch den Restrukturierungsplan entschuldeten, schuldnerischen Unternehmen verbleibt, bereits ein Wert i. S. des § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG? Nicht nur ein Zufluss stellt eine Wertzuweisung in diesem Sinn dar, sondern auch ein Behalten kann eine solche Wertzuweisung darstellen. Dies wird bereits durch die Formulierung in der vergleichbaren Vorschrift des § 245 Abs. 2 Satz 2, 3 InsO deutlich, nach der der Schuldner oder eine an dem Schuldner beteiligte Person unter bestimmten Voraussetzungen auch ___________ 155) IDW Standard, Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i. d. F. 2008), Stand: 4.7.2016, WPg Supplement 3/2008, S. 68 ff., IDW Life 8/2016, S. 731. 156) A. A Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 11, der auch in diesem Fall nur den tatsächlich realisierbaren Wert der Beteiligung für bedeutsam erachtet und einen durch ein Gutachten ermittelten oder bestätigten theoretischen Wert, der sich tatsächlich gar nicht realisieren ließe, für unbeachtlich erklärt. 157) Vgl. zum Insolvenzplanverfahren: Braun/Frank in: Braun, InsO, § 245 Rz. 20 f.; Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 27; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 245 Rz. 20. 158) So auch zum Insolvenzplanverfahren: Braun/Frank in: Braun, InsO, § 245 Rz. 16 f.; Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 27. 159) Zum Insolvenzplanverfahren: Wieneke/Hoffmann, ZIP 2013, 697, 701; Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 27. 160) Herzig in: Braun, StaRUG, § 27 Rz. 7.

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bei Nichterbringung einer Ausgleichsleistung einen Wert erhalten bzw. beteiligt bleiben kann. Fraglich ist, ob hierin die Zuwendung eines wirtschaftlichen Wertes gesehen werden kann. Bei § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG muss man sich dies erst recht fragen, da hier eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens angestrebt wird, und die Geschäftsanteile somit grundsätzlich nicht von vornherein wertlos sind.161) In der Gesetzesbegründung zum § 245 InsO stellte der Gesetzgeber aber klar, dass nicht 93 allein durch die im Plan angestrebte Unternehmensfortführung zwangsläufig die Zuwendung eines wirtschaftlichen Werts an den Schuldner vorliegt. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Es kommt vor allem darauf an, ob die Leistungen, die der Schuldner nach dem Plan zu erbringen hat, den noch vorhandenen Wert des Unternehmens aufwiegen. Ist nur der Schuldner und kein Dritter bereit, das Unternehmen zu den im Plan vorgesehenen Bedingungen fortzuführen, ist im Zweifel nicht davon auszugehen, dass der Schuldner durch den Plan „einen wirtschaftlichen Wert erhält“.162) Liegen die i. R. eines M&A-Prozesses abgegebenen (bindenden) Angebote bei maximal 94 null oder liegt die auf Grundlage des besten Angebotes eines anderen Bieters zu erwartende Quote unterhalb der Quote, die die Insolvenzgläubiger bzw. Planbetroffenen auf Grundlage des Plans erhalten, der das Unternehmen beim Schuldner bzw. den geschäftsführenden Gesellschaftern belässt, ist dieses mit dem in der Gesetzesbegründung genannten Fall eines fehlenden Angebotes vergleichbar. Wurde kein Angebot abgegeben, ist ein M&A-Prozess im Einzelfall nicht möglich oder 95 nicht hinreichend fortgeschritten, sollte jedoch eine IDW S 1-Bewertung oder jedenfalls eine Fairness Opinion eingeholt werden.163) Mindestens sollte eine bilanzielle und damit statische Betrachtung durch eine Substanzwert- 96 ermittlung zum Stichtag erfolgen, d. h. die beim Schuldner verbleibenden Aktiva werden den zu übernehmenden Passiva (auch aus den Restlaufzeiten der Dauerschuldverhältnisse) gegenübergestellt. Ist der so ermittelte Saldo null oder negativ, ist kein Mehrwert gegeben. Auch die Erhöhung des inhärenten Optionswerts durch Minderung des negativen Eigenkapitalwertes durch den Schuldenschnitt kann in diesem Fall nicht als Wertzufluss i. S. des § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG angesehen werden, da der wirtschaftliche Wert des Unternehmens unverändert null beträgt. Sofern der Substanzwert positiv ist, führt dies nicht zwangsläufig zu einem (Mehr-)Wert. 97 Vielmehr sind in diesen Fällen die prognostizierbaren Ergebnisse nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit einzubeziehen (Ertragswert).164) Allerdings dürfen Ertragswert und Substanzwert nicht schlicht zu einem Gesamtsaldo zu- 98 sammengerechnet werden,165) sondern können lediglich nebeneinander abgewogen werden. Auch ein gewichteter Durchschnitt aus Substanz- und Ertragswert ist möglich (sog. Praktiker-Methode). Damit wird deutlich, dass auch möglicherweise stehengelassenes Startkapital in Form von 99 freier Liquidität nicht per se eine Wertzuweisung darstellt. Entweder kann i. R. eines M&AProzesses festgestellt worden sein, dass trotz dieses Startkapitals kein Dritter bereit ist, ___________ 161) Herzig in: Braun, StaRUG, § 27 Rz. 8; zu dieser Problematik auch: Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 27 Rz. 71 ff. 162) Begr. RegE z. § 245 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 209, s. a. Geiwitz/v. Danckelmann in: BeckOK-InsO, § 245 Rz. 11. 163) Ringelspacher/Fehl-Weileder, ZRI 2022, 210, 213. 164) Thies in: HambKomm-InsO, § 245 Rz. 14 – unter Verweis auf Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rz. 27; Braun/Frank in: Braun, InsO, § 245 Rz. 13. 165) So ggf. missverständlich: Thies in: HambKomm-InsO, § 245 Rz. 13.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

anstelle des Schuldners das Unternehmen fortzuführen, oder die übernommenen Passiva übersteigen den Gesamtwert der beim Schuldner verbleibenden Vermögensgegenstände (alternativ Ertragswert ist null oder negativ). 100 Wird ein Wert für das Unternehmen größer null ermittelt, muss der Schuldner bzw. dessen Anteilseigner insoweit einen Investorbeitrag als Wertausgleich leisten. 2.2.1.3

Gebot der Gleichbehandlung innerhalb eines Rangs (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG)

101 Eine unangemessene Benachteiligung der den Plan ablehnenden Gruppe liegt auch dann vor, wenn andere planbetroffene Gläubiger im Verhältnis zu den Gläubigern der ablehnenden Gruppe bessergestellt werden, obwohl sie in einem Insolvenzverfahren gleichrangige Ansprüche hätten. 102 Anders als in § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO sind in die Vergleichsbetrachtung nur die planbetroffenen Gläubiger einzubeziehen, während eine Ungleichbehandlung gegenüber Gläubigern nicht einbezogener Forderungen wegen des teilkollektiven Charakters des Restrukturierungsplans ausdrücklich in Kauf genommen wird.166) Missbräuchen soll über die Sachgerechtigkeitskontrolle des § 8 StaRUG begegnet werden.167) 103 Wie beim Überbefriedigungsverbot nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG kommt es darauf an, welche Werte die gleichrangigen Gläubiger anderer Gruppen durch den Restrukturierungsplan erhalten sollen.168) Es stellen sich daher hier die gleichen Fragen bei der Bewertung (siehe dazu Rz. 86). Bewertungsfragen stellen sich, wenn anstelle von Quotenzahlungen Sachwerte,169) insbesondere Beteiligungen am Schuldner i. R. eines Debt Equity Swaps, zugewiesen werden (siehe auch Rz. 87 ff.). Solche Probleme würden sich von vornherein vermeiden lassen, wenn den gleichrangigen Gläubigern im Plan die Möglichkeit eingeräumt wird, sich jeweils zu gleichen Bedingungen zu beteiligen.170) 104 Auch wenn für gleichrangige Gläubigergruppen unterschiedliche Quotenzahlungen oder Zahlungsfristen vorgesehen sind, stellt sich die Frage der Ungleichbehandlung. Werden unbegründet gleichrangigen Gruppen unterschiedliche Quoten zugeordnet, ist ein Verstoß leicht festzustellen.171) Gleiches gilt, wenn der Plan für Großgläubiger eine geringere Befriedigungsquote vorsieht als für Kleingläubiger, mit der Begründung, letzteren seien im Verhältnis höhere Kosten entstanden.172) 105 Schwieriger ist die Abgrenzung, wenn für eine Gruppe Ratenzahlungen vorgesehen sind und für eine Gruppe eine sofortige Befriedigung. Die mit der Ratenzahlung einhergehende Stundung und der dadurch entstehende Vermögensnachteil im Verhältnis zur sofortigen Befriedigung ist jedenfalls durch eine Verzinsung auszugleichen, die auch dem Ausfallrisiko der späteren Raten Rechnung trägt.173) 106 Eine angemessene Beteiligung am Planwert kann trotz einer Ungleichbehandlung der Gläubiger und damit einer Abweichung von § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG vorliegen, wenn die Regelung sachgerecht i. S. des § 8 StaRUG ist. Es muss für diese Ungleichbehandlung eine ___________ 166) 167) 168) 169) 170) 171) 172)

Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129. Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 22. Kowalewski/Praß in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 11 Rz. 78. Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 27 Rz. 22. Zum Insolvenzplanverfahren: LG Magdeburg v. 25.4.2001 – 3 T 10/01, NZI 2001, 326, 327. Zum Schuldenbereinigungsplan: AG Saarbrücken v. 20.4.2001 und 2.7.2001 – 61 IK 177/00, ZInsO 2002, 340. 173) So auch Drukarczyk/Schüler in: MünchKomm-InsO, § 245 Rz. 51; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 245 Rz. 12.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

sachliche Rechtfertigung geben; zudem muss sie angemessen sein (siehe dazu ausführlich unten Rz. 116 ff.).174) 2.2.2 Angemessene Beteiligung für eine Gruppe von Anteilsinhabern (§ 27 Abs. 2 StaRUG) Die angemessene Beteiligung einer Gruppe von Anteilsinhabern i. S. des § 26 Abs. 1 Nr. 2 107 StaRUG setzt voraus, dass die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StaRUG kumulativ vorliegen. Die Regelung ist an § 245 Abs. 3 InsO angelehnt.175) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass § 27 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG anders als § 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO eine Durchbrechung der absoluten Priorität zulässt. Eine angemessene Beteiligung am Planwert für eine Gruppe der an dem Schuldner betei- 108 ligten Personen liegt vor, wenn nach dem Plan 

kein planbetroffener Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen (Abs. 2 Nr. 1), und



vorbehaltlich § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG keine an dem Schuldner beteiligte Person, die ohne Plan den Mitgliedern der Gruppe gleichgestellt wäre, einen wirtschaftlichen Wert behält (Abs. 2 Nr. 2).

Das Verbot der Überbefriedigung aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG hinsichtlich der planbe- 109 troffenen Gläubiger findet somit auch bei der Zustimmungsfiktion der Gruppe der Anteilsinhaber Anwendung. Insoweit kann auf die dortige Darstellung der Bewertungsprobleme verwiesen werden (siehe Rz. 84 ff.). Auch das Gleichbehandlungsgebot ist innerhalb der Gruppe der Anteilsinhaber zu be- 110 achten. Allerdings steht das Gleichbehandlungsgebot unter dem Vorbehalt der Einschränkung durch § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG (siehe dazu ausführlich Rz. 101 ff.). Vorbehaltlich der besonderen Vorschriften des § 28 StaRUG können, wie im Insolvenz- 111 planverfahren sämtliche gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen im Restrukturierungsplan umgesetzt werden, ohne dass es der Zustimmung eines Anteilsinhabers bedarf.176) Bei der Bewertung ist zu berücksichtigen, dass anders als im Insolvenzverfahren, in einem Restrukturierungsverfahren nicht automatisch von einer Entwertung der Geschäftsanteile ausgegangen werden kann (siehe dazu Rz. 91). Regelmäßig dürfte die rechtliche Gleichstellung unter den Anteilsinhabern vorliegen, wenn 112 nicht im Gesellschaftsvertrag hiervon ausdrücklich abgewichen wurde.177) Dies ergibt sich aus dem im Gesellschaftsrecht geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz, welcher die willkürliche und sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung von Gesellschaftern verbietet.178) Eine Ungleichbehandlung unter den gleichgestellten Anteilsinhabern kann sowohl in wirt- 113 schaftlicher als auch in mitgliedschaftlicher Hinsicht bestehen. Der Restrukturierungsplan kann eine Ungleichbehandlung durch eine Entwertung einer Beteiligung und der Mitbestimmungsrechte eines Anteilsinhabers durch Kapitalerhöhung, Umwandlung und Ein-

___________ 174) 175) 176) 177)

Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129. Begr. RegE SanInsFoG z. § 29 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129. Herzig in: Braun, StaRUG, § 27 Rz. 14. Wie zum Insolvenzplanverfahren bereits Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 29; Thies in: HambKommInsO, § 245 Rz. 18. 178) Zu § 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 29.

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führung von Vinkulierungsregeln enthalten.179) Auch können Bezugs- und Stimmrechte unterschiedlich verteilt werden, nur einzelne Anteilsinhaber mit oder ohne Abfindung ausscheiden oder als Gesellschafter verbleiben. Letztlich ist aber wirtschaftlich zu bewerten, ob eine Ungleichbehandlung gegenüber gleichgestellten Anteilsinhabern besteht.180) 114 Keine Ungleichbehandlung von gleichgestellten Anteilsinhabern ist i. Ü. darin zu sehen, wenn ein Anteilsinhaber nach den Bestimmungen des Plans Geschäftsführer bleibt und hierfür eine Vergütung erhält, da diese Vergütung nicht qua Gesellschafterstellung, sondern durch das Geschäftsführeramt verdient wird.181) 2.2.3 Durchbrechung der absoluten Priorität 115 Ein wesentlicher Unterschied zum Insolvenzplanverfahren besteht darin, dass § 28 StaRUG die Durchbrechung der in § 27 StaRUG normierten absoluten Prioritätsregel ermöglicht.182) Die Vorschrift beruht auf Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 Restrukturierungsrichtlinie183) und bietet dem Schuldner im Vergleich zum Insolvenzplanverfahren auch an dieser Stelle einen größeren Gestaltungsspielraum. 2.2.3.1

Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebots (§ 28 Abs. 1 StaRUG)

116 Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 StaRUG besteht, abweichend von § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG, die Möglichkeit einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung zulasten einer den Plan ablehnenden Gruppe auch dann, wenn planbetroffene Gläubiger, deren Forderungen in einem Insolvenzverfahren gleichrangig wären, unterschiedlich behandelt werden.184) Damit können also in einem Insolvenzverfahren gleichrangige planbetroffene Gläubiger u. U. bessergestellt werden, als die Gläubiger der planablehnenden Gruppe. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG allerdings, dass die im Plan vorgesehene abweichende Regelung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht ist. 117 § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG stellt insoweit klar, dass die Durchbrechung des in § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG verankerten Gleichbehandlungsgebots im Verhältnis von gleichrangigen Gruppen jedenfalls dann nicht sachgerecht ist, wenn die überstimmten Gläubiger die Hauptlast der von den Gläubigern der betroffenen Rangklasse insgesamt zu leistenden Sanierungsbeiträge zu tragen haben. Entfallen gruppenübergreifend betrachtet auf die überstimmten Gläubiger mehr als 50 % der in der Rangklasse betroffenen Restrukturierungsforderungen, so ist eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den übrigen Gruppen von Gläubigern derselben Rangklasse nicht möglich.185) 118 Umgekehrt folgt aus dieser Begrenzung jedoch nicht, dass eine Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebots stets und ohne weiteres sachgerecht ist, wenn auf die überstimmte Gruppe weniger als 50 % der betroffenen Restrukturierungsforderungen der betroffenen Rangklasse entfallen. Auch in diesem Fall kann die Grenze der Sachgerechtigkeit über___________ 179) So im Fall des BGH zum Insolvenzplanverfahren, BGH v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14, Rz. 42, NZI 2014, 751, 756. 180) So zu § 245 Abs. 3 Nr. 2 InsO Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 245 Rz. 35. 181) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61 a RES 1/21, NZI 2021, 544, 545; s. zu der Entscheidung auch unter Rz. 68. 182) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129. 183) Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 1. 184) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129; Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 2. 185) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7; Gehrlein, BB 2021, 66, 71.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

schritten sein, wenn sich die zusätzlichen Lasten, die der überstimmten Gruppe aufgebürdet werden, als übermäßig darstellen.186) Auch der Umstand, dass die betroffenen Forderungen im Zusammenhang mit staatlichen 119 Fördermaßnahmen stehen, die zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19Pandemie gewährt wurden, rechtfertigt für sich genommen eine im Widerspruch zu § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG stehenden Belastung im Vergleich zu den bessergestellten Gläubigern nicht.187) Ob eine im Plan enthaltene Besserstellung sachgerecht ist, bestimmt sich im Grundsatz 120 nach denselben Kriterien, nach denen der Schuldner bei der Auswahl der Planbetroffenen gemäß § 8 Satz 2 Nr. 2 StaRUG sein Ermessen auszuüben hat (siehe dazu ausführlich unter Denkhaus, HRI I, § 33 Rz. 6 ff.).188) Mit der Vorschrift will der Gesetzgeber im Restrukturierungsverfahren flexible Lösungen 121 ermöglichen und vermeiden, dass der Schuldner starre Entscheidungen über die Einbeziehung oder Nicht-Einbeziehung bestimmter Gläubiger in den Restrukturierungsplan treffen muss. Zu diesem Zweck wird mit § 28 Abs. 1 StaRUG die Möglichkeit geschaffen, das Erfordernis der strikten Gleichbehandlung zwischen Gläubigern dort zu relativieren, wo dies angesichts der konkreten Restrukturierungsaufgabe und der Umstände angemessen erscheint.189) So kann etwa Kleingläubigern eine höhere Quote als anderen, insbesondere Finanzgläubigern angeboten werden. Die Sachgerechtigkeit könnte sich in diesem Fall daraus ergeben, dass auch die durch den Restrukturierungsplan schlechtergestellten Gläubiger besserstehen, als sie in einem Insolvenzverfahren stünden.190) Zudem ergibt sich aus dem Verweis auf die „wirtschaftlichen Schwierigkeiten“, dass, wenn sich besondere Probleme hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs ergeben, Eingriffe in Rechte einzelner, für die Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlicher Gläubiger ausnahmsweise nicht in Betracht kommen können.191) 2.2.3.2

Durchbrechung des Rangwahrungsgebots (§ 28 Abs. 2 StaRUG)

Nach § 28 Abs. 2 StaRUG ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, den Inhabern 122 von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten entgegen § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG Werte zuzuweisen.192) Voraussetzung ist, dass ihre Mitwirkung an der Fortführung des Unternehmens zur Realisierung des Planwertes erforderlich ist und sie sich auch zu dieser Mitwirkung verpflichten, woran der Gesetzgeber jeweils wiederum eigene Anforderungen stellt (§ 28 ___________ 186) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7; Gehrlein, BB 2021, 66, 71. 187) Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/25353, S. 7; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 8; gemäß § 7 COVInsAG ist der Umstand, dass die betroffenen Forderungen im Zusammenhang mit Fördermaßnahmen stehen, die zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie gewährt wurden auch kein geeignetes Kriterium für die Einbeziehung in den Restrukturierungsplan (§ 8 StaRUG) oder die Gruppenbildung (§ 9 StaRUG); s. dazu auch Denkhaus, HRI I, § 33 Rz. 62, sowie ausführlich zu § 7 COVInsAG: Denkhaus in: HambKommCOVInsAG, § 7 Rz. 7 ff. 188) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129; Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 4, 7; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 6. 189) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130; Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 80. 190) Zutreffend Proske/Streit, NZI 2020, 969, 971; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 7. 191) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 28 Rz. 5; a. A. wohl Kowalewski/Praß in Morgen, StaRUG, § 28 Rz. 15, die in der Konkretisierung „nach Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht“ keinen zusätzlichen Regelungsgehalt sehen. 192) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Abs. 2 Nr. 1 StaRUG).193) Die Durchbrechung des Rangwahrungsgebots ist außerdem möglich, wenn die Eingriffe in die Rechte der dissentierenden Gläubigergruppe geringfügig sind (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). 123 Folglich besteht nach § 28 Abs. 2 StaRUG für den Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person die Möglichkeit, die Beteiligung bei Vorliegen der in § 28 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StaRUG normierten Voraussetzungen zu behalten, ohne dass dies einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung entgegensteht.194) 124 Auf Forderungen aus Gesellschafterdarlehen ist die Vorschrift allerdings nicht anwendbar.195) 2.2.3.2.1 Mitwirkung an der Fortführung (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG) 125 Gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG wird das in § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG und § 27 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG verankerte Prinzip der absoluten Priorität zugunsten des Schuldners oder eines Anteilsinhabers durchbrochen, sofern dessen Mitwirkung an der Planumsetzung erforderlich ist und er sich außerdem zur Mitwirkung verpflichtet hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist in diesen Fällen die auch im Interesse der Gläubiger liegende Realisierung des Planmehrwerts ohne den Schuldner oder den Anteilsinhaber nicht möglich. Ein starres Festhalten an den Prioritätsregeln, die gerade auch die Gläubiger schützen sollen, erscheint demnach insbesondere in Fällen, in denen das alleinige Know-how für den Geschäftsbetrieb, z. B. aufgrund spezieller Entwicklungen beim Gesellschafter/Geschäftsführer liegt,196) nicht sachgerecht.197) 126 Zudem schafft die Regelung einen wirtschaftlich sinnvollen Anreiz für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens, weil die eingeschränkte Priorität die eigene Risikoanalyse des geschäftsführenden Gesellschafters zugunsten einer Entscheidung für eine Restrukturierung wirtschaftlich bestärkt und über den Abschluss der Planabstimmung und -bestätigung hinaus den geschäftsführenden Gesellschafter an das schuldnerische Unternehmen bindet.198) 127 Das Gesetz knüpft sowohl an die Erforderlichkeit der Mitwirkung als auch an die Verpflichtung zur Mitwirkung zusätzliche Anforderungen.199) Erforderlich ist, dass die Mitwirkung des Schuldners oder des Anteilsinhabers an der Fortführung des Unternehmens infolge besonderer, in seiner Person liegender Umstände unerlässlich ist, um den Planwert zu verwirklichen. Insofern dürfen die vorgesehenen Beiträge nicht durch eine andere Person erbracht bzw. ersetzt werden können. Für den Fall, dass die Beiträge substituierbar sind, darf die Person, die in der Lage ist, die Beiträge des Schuldners oder der an ihm beteiligten Person zu ersetzen, nicht bereit sein, entsprechende Beiträge zu erbringen.200) 128 Das Gesetz lässt offen, was eine für die Fortführung und Verwirklichung des Planwerts notwendige „Mitwirkung“ sein kann. Herzig will Standardbegründungen, wie etwa Marktkenntnisse, Kundenbindungen, Know-how, Mitarbeiterbindung etc. nicht ausreichen lassen, sondern verlangt besondere, konkrete personenbezogene Umstände, die ohne ein erhebliches ___________ 193) So auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 15. 194) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130. 195) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130; so auch Desch in: Desch, Das neue Restrukturierungsrecht, § 3 Rz. 79. 196) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 28 Rz. 5. 197) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130. 198) So bereits: de Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 670. 199) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 15. 200) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130.

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Risiko für die Umsetzung des Plans nicht ersetzbar und für die Unternehmensfortführung und das Erreichen des Sanierungsziels kausal sind.201) Es spricht jedoch vieles dafür, die besonderen, in der Person des Schuldners oder der ge- 129 schäftsführenden Gesellschafter liegenden Umstände grundsätzlich weit zu fassen.202) Bei jeder Leistung und jedem Beitrag des Schuldners bzw. Anteilsinhabers kann es sich demnach um eine für die Unternehmensfortführung erforderliche Mitwirkung i. S. des § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG handeln. Als Mitwirkung kommt z. B. die Tätigkeit als Geschäftsführer oder eine sonstige Mitarbeit im Unternehmen oder die Bereitstellung von betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen.203) Auch die Bereitschaft des Schuldners oder des geschäftsführenden Gesellschafters, nach 130 einem i. Ü. erfolglosen M&A-Prozess, das schuldnerische Unternehmen auf Grundlage einer plausiblen, aber ggf. ambitionierten Unternehmensplanung fortzuführen, dürfte ein in der Person des Schuldners oder der geschäftsführenden Gesellschafter liegender Umstand sein, der für die Realisierung des Planwertes unerlässlich ist, da damit den Gläubigern die im Fall der Insolvenz als Masseverbindlichkeiten zu qualifizierenden Auslaufkosten während der Kündigungsfristen für Arbeitnehmer und Vermieter gemäß §§ 55, 109, 113, 123 InsO bei zumeist sinkenden Umsätzen erspart werden. Allgemein sollte jedoch – entgegen dem Wortlaut der Gesetzesbegründung – für den Fall, 131 dass die Beiträge des Schuldners bzw. des Anteilsinhabers substituierbar sind, nicht ohne weiteres die Erforderlichkeit der Mitwirkung verneint werden können. In der Praxis sollte im Interesse der Gläubiger und zur Erreichung von Sanierungserfolgen auch berücksichtigt werden, ob eine Mitwirkung des Schuldners oder der Anteilsinhaber etwaige Nachteile bei der Umsetzung des Restrukturierungsplans überwiegen. Erst wenn diese Abwägung ergibt, dass die Leistungserbringung durch einen Dritten voraussichtlich vorteilhafter ist und bessere Sanierungschancen verspricht, sollte § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG keine Anwendung finden.204) Als zweite Voraussetzung normiert § 28 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, dass der Schuldner bzw. 132 der Anteilsinhaber sich im Plan zu der erforderlichen Mitwirkung verpflichtet. Zugleich muss er sich dazu verpflichten, die erhaltenen oder belassenen Werte für den Fall zurückzugewähren oder zu übertragen, dass seine Mitwirkung am Planvollzug aus von ihm zu vertretenen Gründen vor dem Ablauf von fünf Jahren endet. Ist der Planvollzug auf einen kürzeren Zeitraum angelegt, so tritt dieser an die Stelle des fünfjährigen Zeitraums. Wie die Verpflichtung des Schuldners bzw. des Anteilsinhabers ihrem Inhalt und Umfang 133 nach ausgestaltet sein muss, lässt der Gesetzgeber offen. Die Verpflichtung sollte jedoch zumindest die besonderen, in der Person des Schuldners bzw. des Anteilsinhabers liegenden Umstände einbeziehen. Zeitlich ist die erforderliche Mitwirkung auf die Dauer des Planvollzugs angelegt, höchstens jedoch fünf Jahre, wie sich aus dem Umkehrschluss der Vorschrift ergibt.205) Die Gründe für die Beendigung der Mitwirkung muss nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG der Schuldner bzw. der Anteilsinhaber zu vertreten haben. Offen gelassen hat der Gesetzgeber, was geschieht, wenn der Schuldner bzw. der Anteilsinhaber später gegen seine Mitwirkungspflichten verstößt.206) ___________ Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 10. So auch Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 19. Vgl. dazu die Aufzählung in: Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 19. Zutreffend Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 17; a. A.; Bork, ZRI 2021, 358; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 28 StaRUG Rz. 11. 205) Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 11. 206) Proske/Streit, NZI 2020, 969, 971.

201) 202) 203) 204)

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

134 Die in § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG normierten Voraussetzungen müssen kumulativ vorlegen und sind vom Planersteller genau darzulegen und zu begründen.207) Ob die Realisierung des Planwerts von der Mitwirkung des Schuldners bzw. eines Anteilsinhabers abhängt, wird auf Basis einer entsprechenden Prognose zu beurteilen sein. Ergibt eine Abwägung der Interessen, dass die Mitwirkung von Schuldner oder Anteilsinhaber zur Realisierung des Planwerts „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ erforderlich ist, sollte dies für die Anwendbarkeit von § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG ausreichen.208) 2.2.3.2.2 Geringfügiger Eingriff in die Rechte der Gläubiger (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) 135 Die Durchberechnung der absoluten Priorität ist nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG auch dann zulässig, wenn die Eingriffe in die Rechte der dissentierenden Gläubigergruppe geringfügig sind. In einem solchen Fall wäre eine vollständige Verdrängung des Schuldners oder der an ihm beteiligten Personen unverhältnismäßig.209) 136 Um einen geringfügigen Eingriff soll es sich nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere dann handeln, wenn die Rechte der Gläubiger durch den Plan nicht verkürzt oder die Fälligkeit der Forderung nur kurz- und mittelfristig verschoben wird. Eine kurz- oder mittelfristige Fälligkeitsverschiebung liegt bei Verschiebungen von bis zu 18 Monaten vor.210) 137 Neben bloßen Fälligkeitsverschiebungen kommen auch andere Sachverhalte211) wie etwa geringfügige Forderungsverzichte von Kleingläubigern mit geringem Anteil am Restrukturierungserfolg212) oder längeren Stundungen213) in Betracht.214) 2.3

Besonderheiten bei nur zwei Gruppen

138 Wird in einer Gruppe die nach § 25 StaRUG erforderliche Mehrheit nicht erreicht, kann der Restrukturierungsplan auch unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StaRUG angenommen werden. Erforderlich ist nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG etwa, dass eine Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zustimmt. 139 Die Vorschrift ist angelehnt an § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO.215) Eine Abweichung besteht allerdings für die Fälle, in denen nur zwei Gruppen gebildet wurden. Dann gilt die Zustimmung zu dem vorgelegten Restrukturierungsplan nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StaRUG bereits als erteilt, wenn nur eine der beiden Gruppen zugestimmt hat.216) ___________ 207) Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 9 f. 208) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 16. 209) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130; Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 15. 210) Begr. RegE SanInsFoG z. § 30 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 130. 211) Hübler in: Nerlich/Römermann, InsO, § 28 StaRUG Rz. 18; Kaldenbach in: HambKomm-RestruktR, § 28 StaRUG Rz. 18. 212) Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 16. 213) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 24. 214) Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 16; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 24; wohl auch Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 28 Rz. 8; Thies in: Bieg/Borchard/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, Teil 2, B. VII. Rz. 124; a. A. Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 28 Rz. 36. 215) Ausführlich zu § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO: Braun/Frank in: Braun, InsO, § 245 Rz. 24; Kebekus/Wehler in: Graf-Schlicker, InsO, § 245 Rz. 2 ff.; Thies in: HambKomm-InsO, § 245 Rz. 22 f.; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 245 Rz. 18; Pleister in: KPB, InsO, § 245 Rz. 30 ff.; Drukarczyk/Schüler in: MünchKomm-InsO, § 245 Rz. 24 ff.; Rühle in: Nerlich/Römermann, InsO, § 245 Rz. 26; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO § 245 Rz. 39 f. 216) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128.

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Mehrheiten und Obstruktionsverbot

Ihren Ursprung findet diese Regelung in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b Restrukturierungs- 140 richtlinie. Zur Umsetzung dieser Vorschrift hat der Richtliniengeber den nationalen Gesetzgebern aufgegeben, in Fällen mit nur zwei Klassen (Gruppen) unter den Voraussetzungen eines Cross-Class Cram-down (siehe dazu ausführlich Rz. 51 ff.) die Zustimmung von zumindest einer Klasse (Gruppe) als ausreichend gelten zu lassen.217) Allerdings muss unter der Mehrheit der zustimmenden Gruppen auch zumindest eine 141 Gruppe von Inhabern einfacher Restrukturierungsforderungen i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG (siehe dazu ausführlich Denkhaus, HRI I, § 33 Rz. 34) vertreten sein. Wesentlich ist, dass die zustimmende Gruppe nicht ausschließlich aus Anteilsinhabern oder nachrangigen Restrukturierungsgläubigern i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG (siehe dazu ausführlich Denkhaus, HRI I, § 33 Rz. 38) gebildet besteht.218) 2.4

Zustimmungsfiktion nach § 26 Abs. 2 StaRUG

Nach § 26 Abs. 2 StaRUG setzt die Zustimmungsfiktion bei einer Gruppe von Inhabern 142 der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten zusätzlich voraus, dass die Entschädigung für die Mitglieder dieser Gruppe für den zu erleidenden Rechtsverlust entsprechend den Vorgaben des § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG angemessen ist.219) Da die tatsächliche Kompensationspflicht sich aus § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG ergibt, hat § 26 Abs. 2 StaRUG insoweit nur eine klarstellende Funktion.220) Über seinen eindeutigen Wortlaut hinaus findet die Vorschrift nach dem Willen des Ge- 143 setzgebers auch dann Anwendung, wenn nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StaRUG im Restrukturierungsplan die Haftung eines persönlichen Gesellschafters beschränkt oder vollständig ausgeschlossen wird. Nach der Gesetzesbegründung soll auch in diesem Fall eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung nur dann in Betracht kommen, wenn der Plan für den Eingriff eine angemessene Entschädigung vorsieht,221) weil ein kompensationsloser Ausschluss der Haftung die Gläubiger des Schuldners unangemessen benachteiligen würde.222) Ob die Entschädigung angemessen i. S. des § 2 Abs. 4 StaRUG ist, richtet sich nach der 144 Werthaltigkeit des Sicherungsrechts223) bzw. der Werthaltigkeit der Forderung gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter224) und wird vom Restrukturierungsgericht überprüft.225) Hierfür kann das Gericht nach § 73 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen.226) Entscheidend ist der tatsächlich realisierbare Wert des Sicherungsrechts227) bzw. der Forderung. ___________ 217) ErwG 54 Restrukturierungsrichtlinie. 218) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128; Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 34; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 28 Rz. 26; Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 21. 219) Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 34; vgl. zur angemessenen Entschädigung i. S. des § 2 Abs. 4 StaRUG: Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 107 f.; Westphal/Dittmar, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 46. 220) Knapp in: Flöther, StaRUG, § 26 Rz. 27; Westphal/Dittmar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46, 47. 221) Begr. RegE SanInsFoG z. § 28 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 128; Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 35. 222) Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 24. 223) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. § 4 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 113. 224) Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 24. 225) Spahlinger, NZI-Beilage z. Heft 5/2021, S. 32, 35; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 29. 226) Herzig in: Braun, StaRUG, § 26 Rz. 25; Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 30; für die Notwendigkeit einer sachverständigen Begutachtung: Proske/Streit, NZI 2020, 969, 971. 227) Spahlinger in: BeckOK-StaRUG, § 26 Rz. 30.

Denkhaus

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§ 35 Planbestätigung Gehrlein

I. 1.

Grundlagen.................................................. 1 Restrukturierungsrichtlinie ......................... 1 1.1 Notwendigkeit einer Planbestätigung....................................... 2 1.2 Inhaltliche Prüfung ......................... 4 2. Nationale Umsetzung.................................. 8 II. Verfahrensmäßige Anforderungen an Planbestätigung ................................... 10 1. Antrag des Schuldners ............................... 10 1.1 Antragsrecht .................................. 10 1.2 Vorlage von Unterlagen................ 11 1.3 Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter............... 12 2. Anhörung ................................................... 14 2.1 Gerichtliche Abstimmung ............ 16 2.2 Außergerichtliche Abstimmung .... 17 2.3 Ladungsfrist ................................... 18 3. Eintritt von Planbedingungen ................... 19 3.1 Bedingungen .................................. 20 3.2 Keine gerichtliche Fristsetzung.... 24 3.3 Gerichtliche Entscheidung ........... 25 III. Bestätigung................................................ 26 1. Fehlende drohende Zahlungsunfähigkeit.... 29 1.1 Eintrittsvoraussetzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ........ 30

1.2

Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ..................... 32 1.3 Sonderfall der Fortführung des Verfahrens trotz Insolvenzreife ... 33 2. Inhalts- und Verfahrensfehler ................... 35 2.1 Inhalt.............................................. 38 2.2 Verfahren ....................................... 44 2.3 Annahme des Plans ....................... 45 2.3.1 Auswahl der Planbetroffenen ....... 48 2.3.2 Gruppenbildung ............................ 49 2.3.3 Mehrheiten .................................... 52 2.3.3.1 Keine Schlechterstellung............... 54 2.3.3.2 Angemessene Beteiligung an Planwert .................................... 57 2.4 Wesentlichkeit eines Mangels....... 58 3. Bestandsfähigkeit ....................................... 60 4. Erfüllbarkeit gestalteter Ansprüche.......... 61 5. Neue Finanzierung .................................... 63 6. Zweifel an ordnungsgemäßer außergerichtlicher Planabstimmung .................. 65 7. Unlauterkeit ............................................... 67 IV. Bekanntgabe der Entscheidung .............. 74 1. Verkündung................................................ 75 2. Beizufügende Unterlagen.......................... 78

Literatur: Bork, Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach § 29 StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 38; Brinkmann, Die Haftung der Geschäftsleiter in der Krise nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), ZIP 2020, 2361; Commandeur/Utsch, Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzrecht, NZG 2020, 1338; Cranshaw/Portisch, Paradigmen des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG) nach dem Regierungsentwurf aus Gläubigersicht (Teil 2), ZInsO 2020, 2617; Deppenkemper, Der präventive Restrukturierungsrahmen: Schweizer Taschenmesser oder zahnloser Tiger?, ZIP 2020, 595; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Frind, Das „plötzliche“ StaRUG-Verfahren – Probleme und Verwendungsgrenzen, ZInsO 2021, 1093; Frind, Nutzen und Grenzen der gerichtlichen Vorprüfung im StaRUG-Verfahren, NZI 2021, 609; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Lürken, Das StaRUG aus schuldverschreibungsrechtlicher Sicht, ZIP 2021, 1305; Proske/Streit, Rettende Restrukturierung durch Rechtsrahmen? Lob und Kritik zum Regierungsentwurf des StaRUG, NZI 2020, 969; Rechtmann, Eingriffe in Kreditforderungen und Kreditsicherheiten im Rahmen des StaRUG, WM 2021, 520; Schelo, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), WM 2021, 513; Skauradszun, Die Vergleichsrechnung nach § 220 Abs. 2 InsO n. F., ZIP 2021, 1091; Skauradszun, Ein Umsetzungskonzept für den präventiven Restrukturierungsrahmen, KTS 2019, 161; Stahlschmidt, Die Möglichkeiten des neuen Sanierungsrechts anhand eines Fallbeispiels, ZInsO 2021, 205; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG-RefE), ZIP 2020, 1985; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsgerichts nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Teil 2), ZInsO 2020, 2677; Wilkens, Der präventive Restrukturierungsrahmen – Eine Bestandsaufnahme aus Sicht der Finanzgläubiger, WM 2021, 573; Ziegenhagen, Sechs Monate StaRUG – Bewertung der ersten Rechtsprechung zur Anwendung des neuen Restrukturierungsgesetzes, ZInsO 2021, 2053.

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Gehrlein

§ 35

Planbestätigung I.

Grundlagen

1.

Restrukturierungsrichtlinie

Die Richtlinie (EU) 2019/1023 (nachfolgend: Restrukturierungsrichtlinie)1) enthält in 1 Art. 10 rechtliche Vorgaben zur Notwendigkeit einer Planbestätigung und der dabei zu prüfenden rechtlichen Gesichtspunkte. 1.1

Notwendigkeit einer Planbestätigung

Grundsätzlich ist die Bestätigung eines Restrukturierungsplans nicht stets geboten. Eine 2 Bestätigung ist nach Art. 10 Abs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie für solche Restrukturierungspläne notwendig,  die Forderungen oder Beteiligungen ablehnender betroffener Parteien beeinträchtigen (Abs. 1 lit. a),  die eine neue Finanzierung vorsehen (Abs. 1 lit. b) oder  zum Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führen, sofern dieser Verlust nach nationalem Recht zulässig ist (Abs. 1 lit. c). Da nahezu jeder Restrukturierungsplan die Rechtsstellung ablehnender Planbetroffener be- 3 einträchtigen kann, dürfte die Notwendigkeit einer Planbestätigung, selbst wenn man neue Finanzierungen und den Verlust von Arbeitsplätzen insoweit nicht eigens würdigt, beinahe den Regelfall darstellen. Die Planbestätigung, auch Homologation genannt, geht über die bloße Feststellung der Annahme des Plans hinaus, weil die Bestätigung besondere Rechtsfolgen, etwa die Vollstreckbarkeit (§ 71), begründet.2) 1.2

Inhaltliche Prüfung

Als Mindestanforderung verlangt Art. 10 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie die Prü- 4 fung, ob  der Restrukturierungsplan im Einklang mit Art. 9 angenommen wurde (Abs. 2 lit. a),  Gläubiger mit ausreichenden gemeinsamen Interessen in derselben Klasse im Verhältnis zu ihren Forderungen gleichbehandelt werden (Abs. 2 lit. b),  der Restrukturierungsplan allen betroffenen Parteien im Einklang mit nationalem Recht übermittelt wurde (Abs. 2 lit. c),  der Restrukturierungsplan mit Rücksicht auf ablehnende Gläubiger das Kriterium des Gläubigerinteresses erfüllt (Abs. 2 lit. d),  eine neue Finanzierung zur Umsetzung des Restrukturierungsplans erforderlich ist und die Interessen der Gläubiger nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt (Abs. 2 lit. e). Die angemessene Berücksichtigung der Gläubigerinteressen (Abs. 1 lit. d) muss gemäß 5 Art. 10 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie nur im Falle einer Beanstandung kontrolliert werden. Die Bestätigung eines Restrukturierungsplans ist schließlich gemäß Art. 10 Abs. 3 der Re- 6 strukturierungsrichtlinie abzulehnen, wenn keine vernünftige Aussicht besteht, dass der Plan die Insolvenz des Schuldners verhindern oder die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten würde. Nach Art. 10 Abs. 4 der Restrukturierungsrichtlinie ist sicherzustellen, ___________ 1)

2)

Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 1.

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§ 35

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

dass die Entscheidung mit Blick auf eine zügige Bearbeitung der Angelegenheit auf effiziente Weise getroffen wird. 7 Damit gibt die Richtlinie einen umfassenden Prüfungskatalog vor. Durch den Verweis auf Art. 9 der Restrukturierungsrichtlinie werden insbesondere die komplexen Vorgaben zur Planannahme in die Prüfung einbezogen. 2.

Nationale Umsetzung

8 Diesen rechtlichen Vorgaben hat der nationale Gesetzgeber i. R. der §§ 60 bis 66 StaRUG3) entsprochen. Die Planbestätigung wurde neben der gerichtlichen Planabstimmung (§§ 45, 46 StaRUG), der Vorprüfung des Restrukturierungsplans (§§ 47, 48 StaRUG),4) der Anordnung von Vollstreckungs- und Verwertungssperren (§§ 49 ff. StaRUG) dogmatisch als vierte Verfahrenshilfe ausgestaltet. Das Restrukturierungsgericht kann auf Antrag des Schuldners den Restrukturierungsplan, den die Planbetroffenen zuvor mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen haben, nach Maßgabe der §§ 60 ff. StaRUG bestätigen und auf diese Weise die Wirkungen der §§ 67 ff. StaRUG herbeiführen. Das Verfahren orientiert sich wie das gesamte StaRUG auch in diesem Bereich an dem Insolvenzplanverfahren der InsO.5) Die Bestätigung ist möglich, gleich ob es sich um ein privatautonomes oder ein gerichtliches Abstimmungsverfahren gehandelt hat.6) Die Planbestätigung bezweckt, eine gerichtliche Überprüfung des Restrukturierungsplans sicherzustellen. Auf diese Weise sollen die Belange der überstimmten Minderheit, aber auch der Gesamtheit der Restrukturierungsgläubiger und des Schuldners gewahrt werden. Da die Planbestätigung auch im Falle der Zustimmung aller Beteiligten notwendig ist, um die Rechtswirkungen der §§ 67 ff. StaRUG, insbesondere die Vollstreckbarkeit, aber auch den Zugang zu neuen Finanzierungen (§ 12 StaRUG), auszulösen, dient das Verfahren zudem öffentlichen Belangen.7) 9 Selbstverständlich muss das Bestätigungsverfahren angesichts der den Beteiligten eingeräumten Verfahrensautonomie nicht zwingend durchgeführt werden. Wenn sich Schuldner und Gläubiger ohne Gegenstimme auf den Restrukturierungsverfahren verständigen, kann die Notwendigkeit einer Bestätigung zum Zweck der Einbindung widersprechender Gläubiger entfallen.8) Auch ein einvernehmlich beschlossener Plan bedarf freilich der Bestätigung, um daraus vollstrecken zu können. II.

Verfahrensmäßige Anforderungen an Planbestätigung

1.

Antrag des Schuldners

1.1

Antragsrecht

10 Auf Antrag des Schuldners bestätigt das Gericht gemäß des § 60 Abs. 1 Satz 1 StaRUG den von den Planbetroffenen angenommenen Restrukturierungsplan durch Beschluss.9) Der ___________ 3)

4) 5) 6) 7) 8) 9)

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Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Vgl. Frind, NZI 2021, 609. Thole, ZIP 2020, 1985, 1997; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2678; Commandeur/Utsch, NZG 2020, 1338, 1340; Stahlschmidt, ZInsO 2021, 205, 210; Bork, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 38, 39. Thole, ZIP 2020, 1985, 1997; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2678; Gehrlein, BB 2021, 66, 74; Bork, NZI z. Heft 5/2021, S. 38, 39. Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 1. Bork, NZI z. Heft 5/2021, S. 38, 39; Schelo, WM 2021, 513, 516; Wilkens, WM 2021, 573, 579. AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61˺a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 545; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 16.

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§ 35

Planbestätigung

Schuldner hat nach § 13a Abs. 1 GKG einen Kostenvorschuss zu zahlen.10) Die mehrheitliche Annahme des Plans vor dem Antrag wird von dem Gesetz vorausgesetzt.11) Die Bestimmung stellt klar, dass eine gerichtliche Bestätigung eines von den Planbetroffenen mit den erforderlichen Mehrheiten angenommenen Restrukturierungsplans nur auf Antrag des Schuldners zulässig ist.12) Das Restrukturierungsgericht darf weder auf Antrag einzelner Gläubiger oder Anteilsinhaber oder des Restrukturierungsbeauftragten noch aufgrund eines Beschlusses der Mehrheit der Planbetroffenen oder sogar auf einstimmigen Wunsch aller Planbetroffenen einen Restrukturierungsplan bestätigen, wenn kein Antrag des Schuldners vorliegt.13) Dabei ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen das Restrukturierungsgericht die Planbestätigung zu versagen hat, aus § 63 StaRUG. Der Antrag kann nach § 60 Abs. 1 Satz 2 StaRUG auch im Erörterungs- und Abstimmungstermin gestellt werden, sogar mündlich zu Protokoll (§ 38 StaRUG, § 297 Abs. 1 Satz 3 ZPO).14) 1.2

Vorlage von Unterlagen

Ist die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren nach § 45 StaRUG erfolgt, hat der 11 Schuldner gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 StaRUG dem Antrag auf Bestätigung des Restrukturierungsplans neben dem zur Abstimmung gestellten Plan und seinen Anlagen die Dokumentation über das Abstimmungsergebnis sowie sämtliche Urkunden und sonstigen Nachweise beizufügen, aus denen sich ergibt, wie die Abstimmung durchgeführt wurde und zu welchem Ergebnis sie geführt hat.15) Daraus ergibt sich, dass der Antrag erst nach der Abstimmung gestellt werden kann, dieser ansonsten aber keiner Fristenbindung unterliegt.16) Die Bestimmung stellt mit den Vorlagepflichten sicher, dass in dem Fall, dass kein gerichtlicher Erörterungs- und Abstimmungstermin stattgefunden hat, der Schuldner dem Restrukturierungsgericht mit dem Bestätigungsantrag alle Informationen und Unterlagen zu übermitteln hat, die für die Bestätigungsentscheidung benötigt werden.17) Im Gegenschluss folgt aus der Norm, dass diese Unterlagen nicht benötigt werden, falls eine gerichtliche Abstimmung nach § 45 StaRUG stattgefunden hat.18) 1.3

Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter

Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder um 12 eine KGaA, bedarf nach § 60 Abs. 2 Satz 1 StaRUG der Antrag auf Bestätigung eines Restrukturierungsplans, der die persönlich haftenden Gesellschafter nicht von deren Haftung für die durch den Plan gestalteten Forderungen und Rechte befreit, der Zustimmung aller persönlich haftenden Gesellschafter. Gemeint sind die Fälle, in denen die Bestätigung des Plans nicht durch eine besondere Bestimmung im Plan gemäß § 11 Satz 2 StaRUG ausnahmsweise zum Ausschluss der Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter führt.19) Den Gesellschaftern darf nicht eine Neufinanzierung aufgezwungen werden. Darum können ___________ 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19)

Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 17. Fendel in: Braun, StaRUG, § 60 Rz. 3. Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2683; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 5. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185; Fendel in: Braun, StaRUG, § 60 Rz. 2; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 5; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 5. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 7. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 8. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 6. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 7. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 10; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 8.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

sich Kreditgeber neuer Finanzierungen nicht darauf verlassen, dass die Gesellschafter nach der Befreiung der Gesellschaft von ihren Verbindlichkeiten eine Auffangfinanzierung vornehmen.20) Einer Zustimmung bedarf es nach § 60 Abs. 2 Satz 2 StaRUG nicht, soweit es sich bei den unmittelbar oder mittelbar persönlich haftenden Gesellschaftern nicht um natürliche Personen handelt.21) 13 Natürliche Personen sind i. R. der Bestätigung des Plans bei gleichzeitig fortbestehender persönlicher Haftung besonders schutzwürdig.22) Die Gläubiger und der Schuldner bzw. seine Geschäftsführer23) könnten etwa im Plan Bestimmungen treffen, wonach die Gläubiger dem Schuldner einen Teil der Schulden erlassen. Gleichzeitig könnten sich die Gläubiger anschließend bei den unmittelbar oder mittelbar persönlich haftenden Gesellschaftern und ihrem Privatvermögen schadlos halten. Eine solche Regelung würde die unmittelbar oder mittelbar persönlich haftenden Gesellschafter belasten und wäre vor dem Hintergrund der grundsätzlich akzessorisch ausgestalteten persönlichen Haftung problematisch. Aus diesem Grund müssen die unmittelbar oder mittelbar persönlich haftenden Gesellschafter – sofern es sich bei ihnen um natürliche Personen handelt – dem Antrag zur Bestätigung des Plans zustimmen.24) Kein Zustimmungserfordernis besteht, falls die Haftung eine juristische Person trifft.25) Wird die gebotene Zustimmungserklärung nicht vorgelegt, ist der Plan als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es einer Prüfung nach § 63 StaRUG bedarf.26) 2.

Anhörung

14 Die Regelung des § 61 StaRUG begründet Anhörungsrechte, denen als Ausfluss des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vor der Bestätigung des Plans zu genügen ist.27) Vor der Entscheidung über die Planbestätigung müssen die Planbetroffenen,28) die Inhaber von Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaften, von Rechten an gruppeninternen Drittsicherheiten und Inhaber von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt haben. Gleiches gilt – soweit vorhanden – für den Restrukturierungsbeauftragten29) Die Anhörung der Planbetroffenen ist durch § 61 Satz 1 StaRUG im Grundsatz als bloße Sollvorschrift ausgestaltet. Die Anhörung kann bereits im gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin stattfinden. Eine erneute Anhörung ist dann im Interesse einer zügigen Bearbeitung nicht geboten.30) Zwingend ist die Anhörung nach § 61 Satz 2 StaRUG, wenn die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren erfolgt ist.31) 15 Der Verweis des Satzes 3 auf § 45 Abs. 3 StaRUG bedeutet, dass die Planbetroffenen vom Restrukturierungsgericht zu laden sind. Der Termin ist unabhängig davon, ob die Gelade-

___________ Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 11. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185; Fendel in: Braun, StaRUG, § 60 Rz. 4. Fendel in: Braun, StaRUG, § 60 Rz. 6. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 11. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185; Fendel in: Braun, StaRUG, § 60 Rz. 6. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 14 f.; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 9. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 60 Rz. 12. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 61 Rz. 1. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 61 Rz. 2. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185; Gehrlein, BB 2021, 66, 74; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 61 Rz. 2. 30) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 61 Rz. 4. 31) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 61 Rz. 4.

20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29)

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§ 35

Planbestätigung

nen anwesend sind, durchzuführen.32) Der Schuldner kann mit der Vornahme der Ladungen beauftragt werden. Die Ladungsfrist beträgt nach § 46 Abs. 1 Satz 3 StaRUG sieben Tage.33) 2.1

Gerichtliche Abstimmung

Soweit Planbetroffene die Gelegenheit hatten, an einem gerichtlichen Erörterungs- und 16 Abstimmungstermin teilzunehmen, in dem die anwesenden Planbetroffenen hätten Stellung nehmen können, muss diesen Planbetroffenen nach § 61 Satz 1 StaRUG im Interesse einer zügigen Bearbeitung der Angelegenheit auf effiziente Weise keine erneute Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.34) Dies gilt auch für die Planbetroffenen, die trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht an diesem Termin teilgenommen haben. Hat die Planabstimmung im gerichtlichen Verfahren stattgefunden, steht das Ob und Wie einer Anhörung deshalb im Ermessen des Restrukturierungsgerichts.35) Es empfiehlt sich, den Beteiligten nach der Abstimmung nochmals ausdrücklich rechtliches Gehör zu geben und dies im Sitzungsprotokoll zu vermerken.36) Eine weitere Anhörung kann gleichwohl durchgeführt werden. Dann bietet es sich an, den Planbetroffenen die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu eröffnen.37) Eine nachträgliche, möglichst mündliche Anhörung ist geboten, falls der Plan im Abstimmungstermin überhaupt nicht erörtert wurde.38) Im Beschleunigungsinteresse sollte eine Erörterung freilich stets stattfinden, selbst wenn Zweifel bestehen, ob der Schuldner einen Bestätigungsantrag stellen wird. 2.2

Außergerichtliche Abstimmung

Ist die Abstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren erfolgt, muss dagegen gemäß § 61 17 Satz 2 StaRUG eine Anhörung der Planbetroffenen stattfinden, und diese hat i. R. eines Anhörungstermins zu erfolgen.39) Aus der entsprechenden Anwendung von § 45 Abs. 3 StaRUG ergibt sich, dass die Planbetroffenen zu laden sind, der Termin, worauf in der Ladung hinzuweisen ist, auch ohne Anwesenheit aller geladenen Planbetroffenen durchgeführt werden kann. Das Gericht kann auch den Schuldner mit den Ladungen beauftragen.40) Eine Anhörung nur im schriftlichen Verfahren wäre unzureichend.41) 2.3

Ladungsfrist

Der Verweis des § 61 Satz 3 StaRUG auf § 46 Abs. 1 Satz 4 StaRUG stellt klar, dass die 18 Ladungsfrist mindestens sieben Tage beträgt.42) Diese Frist wird als ausreichend erachtet, weil sich die Planbetroffenen schon im Zuge der Abstimmung mit dem Plan befassen konnten. Der Termin kann stattfinden, auch wenn nicht alle Geladenen erschienen sind (§ 45 Abs. 3 Satz 2 StaRUG).43) Das Gericht kann den Schuldner oder den Restrukturierungsbeauftragten mit den Zustellungen beauftragen. Es empfiehlt sich, den Restrukturierungsbe___________ 32) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 61 Rz. 6. 33) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 61 Rz. 7. 34) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 17, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff.; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 61 Rz. 2. 35) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185; Fendel in: Braun, StaRUG, § 61 Rz. 2. 36) Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679. 37) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 61 Rz. 3. 38) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 61 Rz. 4. 39) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 61 Rz. 5. 40) Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679. 41) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 61 Rz. 5. 42) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 185. 43) Fendel in: Braun, StaRUG, § 61 Rz. 4.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

auftragten einzuschalten, weil dieser sich anders als der Schuldner der vereinfachten Zustellung durch Aufgabe zur Post bedienen kann.44) 3.

Eintritt von Planbedingungen

19 Ist im Restrukturierungsplan vorgesehen, dass vor dessen Bestätigung bestimmte Leistungen erbracht oder andere Maßnahmen verwirklicht werden sollen, wird der Plan nach § 62 StaRUG nur bestätigt, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und Versagungsgründe nicht vorliegen. Es handelt sich also nicht um einen bedingten Plan, sondern einen Plan, der erst nach Eintritt bestimmter Bedingungen bestätigt werden kann.45) Die an § 249 InsO orientierte Regelung46) bietet allen Beteiligten den Vorteil, nicht in Vorlage treten zu müssen, bevor Bedingungen eingetreten oder sonstige Leistungen erbracht sind. Bedingungen betreffen regelmäßig sowohl das Zustandekommen des Plans als auch seine Bestätigung.47) 3.1

Bedingungen

20 Die Vorschrift ist § 249 InsO nachgebildet und beruht auf dem Gedanken, dass die Durchführung eines Restrukturierungsplans häufig nur Sinn macht, wenn Dritte unterstützend eingreifen. Es entspricht daher häufig einem Bedürfnis der Planbetroffenen, ihre Zustimmung zu dem Planverfahren nur dann zu erteilen, wenn die Erbringung der Leistungen durch Dritte auch wirklich sichergestellt ist. Durch soll sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Planbestätigung geschaffen werden, die im Plan selbst genannt werden und die nur durch zusätzliche Beiträge der Beteiligten oder dritter Personen erfüllt werden können. Typische Fälle sind das Verhalten eines Gesellschafters oder die in Aussicht gestellten Leistungen eines Dritten, insbesondere die Bestellung von Sicherheiten und die Bereitstellung neuer Kredite. Im Übrigen kann jede zivilrechtlich denkbare Leistung vereinbart werden, die für die Entscheidung über die Annahme des Plans maßgeblich ist.48) 21 Zu den Bedingungen, an welche der Restrukturierungsplan gebunden werden kann, gehört etwa die Umsetzung von solchen Restrukturierungsmaßnahmen, welche außerhalb des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans stehen,49) z. B. die Veräußerung von Vermögensgegenständen.50) Leistungen von denen die Planbestätigung nach § 62 StaRUG abhängt, können die Gewährung von Sanierungskrediten, die Bestellung neuer Sicherheiten, die Beendigung bestimmter Arbeiten oder staatliche Unterstützungen sein.51) Als weitere Bedingungen kommen gesellschaftsrechtliche Maßnahmen wie eine Kapitalherabsetzung verbunden mit einer Kapitalerhöhung, eine Satzungsänderung, die Gründung einer Übernahmegesellschaft oder Zahlungen von Vorzugsaktionären52) oder ein Fortsetzungsbeschluss53) in Betracht. Als Bedingung kann auch vorgesehen werden, gemäß § 89 AO eine verbindliche

___________ Laroche in: Flöther, StaRUG, § 61 Rz. 6. Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 249 Rz. 4. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 62 Rz. 2. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 62 Rz. 1. LG Mainz v. 2.11. 2015 – 8 T 182/15, NZI 2016, 255, 258. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 62 Rz. 2. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 186; Deppenkemper, ZIP 2020, 595, 600; Fendel in: Braun, StaRUG, § 62 Rz. 2; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 249 Rz. 3; Smid in: Pannen/ Riedemann/Smid, StaRUG, § 62 Rz. 5. 51) Fendel in: Braun, StaRUG, § 62 Rz. 2; Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 249 Rz. 3. 52) BGH v. 15.4.2010 – IX ZR 188/09, Rz. 23, BGHZ 185, 206 = ZBB 2010, 312. 53) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 62 Rz. 4.

44) 45) 46) 47) 48) 49) 50)

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§ 35

Planbestätigung

Auskunft des Finanzamts einzuholen.54) Ferner gehört zu den Bedingungen die Änderung von Anleihebedingungen durch einen Beschluss nach § 5 SchVG. Denn eine Änderung der Anleihebedingungen einer Schuldverschreibung kann nach § 19 Absatz 6 SchVG auch außerhalb des gestaltenden Teils des Restrukturierungsplans nach den Vorschriften des SchVG vorgenommen werden.55) Es ist keine Bedingung für die Planbestätigung, dass das Restrukturierungsvorhaben den 22 Planbetroffenen vorab angekündigt wird und/oder mit diesen zuvor (erfolglos) Alternativlösungen gesucht werden. Weder dem Gesetz selbst noch der Gesetzesbegründung lässt sich eine solche Anforderung entnehmen. Soweit nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens eine Darstellung des Standes von Verhandlungen mit Gläubigern, an dem Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen beizufügen ist, soll dies ausweislich der Gesetzesbegründung dem Restrukturierungsgericht eine Einschätzung ermöglichen, ob und welchen Rückhalt das Restrukturierungsvorhaben hat und mit welchen Widerständen zu rechnen ist; damit dient die Vorschrift nur Informationszwecken.56) Die Regelung ist nicht anwendbar, wenn der Plan nur eine Verpflichtung begründen soll, die nach seinem Wirksamwerden erfüllt werden soll oder der Plan zwar bestätigt werden soll, aber seine Wirkung durch die bestimmten Leistungen oder Maßnahmen bedingt ist. Gleiches gilt, wenn der Plan im gestaltenden Teil Willenserklärungen enthält, die mit seiner Rechtskraft wirksam werden sollen.57) Ein Restrukturierungsplan entbehrt möglicherweise der erforderlichen Klarheit und Wi- 23 derspruchsfreiheit, wenn zwar eine feste Insolvenzquote bestimmt wird, ihre Fälligkeit aber von aufschiebenden Bedingungen abhängt, die tatsächlich nicht eintreten können und die gebotene Vollstreckungsfähigkeit in Frage stellen. Eine unmögliche Bedingung liegt vor, wenn eine Übereinkunft mit einer Bedingung verbunden wird, von der feststeht, dass sie nicht verwirklicht werden kann. Die Unmöglichkeit des Bedingungseintritts bedeutet im Falle einer auflösenden Bedingung die unbedingte Gültigkeit des Geschäfts. Hingegen führt die Unmöglichkeit des Bedingungseintritts bei einer aufschiebenden Bedingung zur Unwirksamkeit des Geschäfts, weil es keine Geltung erlangen kann.58) Jedenfalls könnte ein Restrukturierungsplan nicht vollstreckbar sein, wenn die Zahlung der Quote von Fälligkeitszeitpunkten abhinge, die nicht eintreten können. Eine Vollstreckung kann nur stattfinden, wenn das maßgebliche Ereignis einer aufschiebenden Bedingung ungewiss ist, aber eintreten kann. Fehlt es daran, ist der Titel nicht vollstreckungsfähig.59) 3.2

Keine gerichtliche Fristsetzung

Das Gesetz sieht davon ab, in Anlehnung an § 249 Satz 2 InsO die Planbestätigung zu 24 versagen, wenn eine Bedingung nicht innerhalb einer dafür bestimmten gerichtlichen Frist eintritt.60) Da der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen – anders als das Insolvenzverfahren – auf eine weitgehend nicht verfahrensförmig ausgestaltete, bloße gerichtliche Unterstützung einer im Kern von dem Schuldner und den Planbetroffenen eigenverantwortlich zu gestaltenden Sanierung ausgelegt ist, und weil die Planbestätigung nur auf ge___________ 54) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 Rz. 16 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff. 55) Vgl. Lürken, ZIP 2021, 1305. 56) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 14, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff.; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 62 Rz. 5. 57) Haas in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 249 Rz. 3. 58) BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 43, ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. 59) BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 47 ff., ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. 60) Fendel in: Braun, StaRUG, § 62 Rz. 3; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 62 Rz. 3.

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§ 35

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

sonderten Antrag des Schuldners in Betracht kommt, erscheint es nicht geboten, eine § 249 Satz 2 InsO entsprechende Regelung zur Versagung der Planbestätigung wegen Nichteintritts einer Bedingung nach Ablauf einer vom Gericht gesetzten Frist vorzusehen. Etwaige Verzögerungen sind hinzunehmen. Der Schuldner kann ohnehin mangels Verfahrenseröffnung seine werbende Tätigkeit ungeachtet einer Planbestätigung fortsetzen.61) Der Schuldner ist regelmäßig gehalten, den Bestätigungsantrag erst zu stellen, nachdem die Bedingungen für die Bestätigung eingetreten sind.62) Allerdings wird man ihm im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung nicht verwehren können, den Bestätigungsantrag noch vor Bedingungseintritt zu stellen.63) 3.3

Gerichtliche Entscheidung

25 Entscheidend ist, dass das Gericht dem Antrag nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erst nach Bedingungseintritt stattgeben darf. Deswegen wird es die Bearbeitung bis zum Eintritt der Bedingung zurückstellen. Planbedingung können nur solche Umstände sein, die vor der Bestätigung des Insolvenzplans eintreten können. Deshalb müssen die Voraussetzungen, von denen die Bestätigung des Plans abhängen soll, erfüllt sein, bevor das Gericht den Insolvenzplan bestätigen darf.64) III.

Bestätigung

26 Die Planbestätigung ist ein staatlicher Hoheitsakt, der dem Sanierungsplan unabhängig von bereits eingetretenen vertraglichen Bindungen der Parteien eine allgemeine Verbindlichkeit zuweist.65) Allgemeine Gesetze werden durch den Inhalt des Restrukturierungsplans nicht überwunden. Dies gilt etwa für die §§ 35 bis 41 GWB im Hinblick auf die Zusammenschlusskontrolle, aber auch für zwingende Vorschriften des Gesellschafts- und Registerrechts.66) Die Vorschrift des § 63 StaRUG regelt – als Gegenstück zu § 250 InsO67) – Tatbestände, deren Eintritt die Bestätigung des Insolvenzplans verbietet.68) Damit normiert die Bestimmung Voraussetzungen für die Bestätigung des Restrukturierungsplans, die als Versagungsgründe und damit als negative Bestätigungsvoraussetzungen ausgestaltet sind.69) 27 Das Gericht prüft 

den ordnungsgemäßen Ablauf des Abstimmungsverfahrens,



das Vorliegen der erforderlichen Mehrheiten und,



ob der Plan geeignet ist, die Insolvenz des Schuldners zu verhindern oder die Bestandsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten;70)



§ 63 Abs. 2 StaRUG statuiert besondere zusätzliche Anforderungen, sofern der Plan eine neue Finanzierung vorsieht.71)

___________ 61) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 62 Rz. 3. 62) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 186; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 62 Rz. 6. 63) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 62 Rz. 5. 64) BGH v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, Rz. 43, BGHZ 214, 78 = ZIP 2017, 482; Silcher in: Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, InsR, § 249 InsO Rz. 2. 65) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 1. 66) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 60 Rz. 4. 67) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 5. 68) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 1. 69) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 186; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 1; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 1; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 1. 70) Schelo, WM 2021, 513, 516. 71) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 1.

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§ 35

Planbestätigung

Falls ein Versagungsgrund eingreift, ist die Bestätigung von Amts wegen abzulehnen. Im 28 Blick auf die Amtsprüfung kann das Gericht Ermittlungen tätigen und Auskünfte einholen. Sofern kein Versagungsgrund besteht, muss der Plan ohne gerichtliches Ermessen bestätigt werden.72) Dem Schuldner ist zu raten, sich vor dem Antrag auf Bestätigung das Institut der Vorprüfung (§§ 46 ff.) nutzbar zu machen, um rechtliche Fehler zu vermeiden, welche die Sanierung gefährden können.73) 1.

Fehlende drohende Zahlungsunfähigkeit

Die Bestätigung des Restrukturierungsplans ist gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG von Amts 29 wegen zu versagen, wenn der Schuldner nicht drohend zahlungsunfähig (§ 18 InsO) ist. 1.1

Eintrittsvoraussetzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit

Eintrittsvoraussetzung für die Wahrnehmung einer Restrukturierung ist gemäß § 29 Abs. 1 30 StaRUG die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) des Schuldners. Der Eingriff in die Rechte der Planbetroffenen durch den Restrukturierungsplan ist aufgrund des Vorliegens einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gerechtfertigt. Liegt keine drohende Zahlungsunfähigkeit vor, ist die Planbestätigung nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG von Amts wegen zu versagen.74) Dies folgt aus der § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG zu entnehmenden Erwägung, dass ein Restrukturierungsverfahren nur durchgeführt werden kann, wenn der Schuldner drohend zahlungsunfähig (§ 18 InsO) ist. Zweck des Restrukturierungsverfahrens ist gemäß § 29 Abs. 1 StaRUG, die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nachhaltig zu beseitigen. Deshalb ist für eine Planbestätigung kein Raum, wenn der Schuldner zahlungsunfähig (§ 17 InsO) oder überschuldet (§ 19 InsO) und damit insolvenzreif ist. Gleiches gilt, wenn das Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit noch nicht erreicht ist. Ein Eingriff in die Rechte der Planbetroffenen ist nur gerechtfertigt, wenn der Schuldner drohend zahlungsunfähig (§ 18 InsO) ist.75) Abweichend von dieser eindeutigen rechtlichen Bewertung soll nach der nicht überzeu- 31 genden Auffassung des AG Dresden die Verwirklichung der Zahlungsunfähigkeit der Bestätigung nicht entgegenstehen. Nach seiner Würdigung ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, dass entsprechend dem Willen des Gesetzgebers das Instrument der Planbestätigung nach dem StaRUG nur in Betracht komme, wenn der Schuldner mindestens drohend zahlungsunfähig sei. Laut der Gesetzesbegründung seien Eingriffe in die Rechte der Planbetroffenen durch den Restrukturierungsplan nur aufgrund des Vorliegens einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gerechtfertigt. Damit soll nach Auffassung des Gerichts ausgeschlossen werden, dass Eingriffe in die Rechte der Planbetroffenen vorgenommen werden, wenn die Schuldnerin noch nicht so weit in die Krise geraten ist, dass ein Insolvenzgrund vorliegt.76) Das entscheidende Abgrenzungskriterium sei, ob überhaupt ein Insolvenzgrund vorliege (§ 18 InsO) oder ob die Schuldnerin zahlungsfähig sei.77) Dieser Würdigung kann vor dem Hintergrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung, die eine Sanierung insolventer Unternehmen nur in einem Insolvenzverfahren gestattet, nicht beigetreten werden. Eine andere, mit dem AG Dresden zu vereinbarende Beurteilung ist nur möglich, wenn die zu___________ Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 1. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 2. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 186; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 5. Desch, BB 2020, 2498, 2504; Thole, ZIP 2020, 1985, 1997; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679; Gehrlein, BB 2021, 66, 74; Wilkens, WM 2021, 573, 575; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 3; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 5. 76) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, ZInsO 2021, 1398, 1399 = NZI 2021, 893. 77) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, ZInsO 2021, 1398, 1400 = NZI 2021, 893. 72) 73) 74) 75)

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§ 35

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

vor drohend zahlungsunfähige Schuldnerin im Laufe des Restrukturierungsverfahrens zahlungsunfähig geworden ist. Dann kann unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG von der Aufhebung des Verfahrens abgesehen werden.78) 1.2

Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit

32 Das Restrukturierungsgericht kann gemäß § 73 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG durch den Restrukturierungsbeauftragten prüfen lassen, ob bei dem Schuldner drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt.79) Bei seiner Prüfung kann der Restrukturierungsbeauftragte auf die von dem Schuldner gemäß § 31 Abs. 2 StaRUG vorzulegenden, eine drohende Zahlungsunfähigkeit ausweisenden Unterlagen zugreifen.80) Das Gericht kann aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 39 Abs. 1 Satz 2 StaRUG) auch einen Sachverständigen mit der Prüfung betrauen.81) Grundsätzlich ist für die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) die volle richterliche Überzeugung erforderlich, die i. R. der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 Satz 1 StaRUG zu bilden ist. An der Überzeugung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit fehlt es danach, wenn es einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % entbehrt, dass Kredite über den Ablauf von 24 Monaten hinaus nicht verlängert werden sollen.82) Die Abgrenzung kann schwierig sein, ob schon oder noch drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt.83) 1.3

Sonderfall der Fortführung des Verfahrens trotz Insolvenzreife

33 Eine Bestätigung erscheint hingegen möglich, wenn das Gericht nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von einer Aufhebung des Verfahrens absieht. Das Gericht kann gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG nach Anzeige der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von der Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens Abstand nehmen, wenn entweder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegt oder wenn die Forderung, die die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ausgelöst hat, einer Gestaltung unterworfen wird. Es soll eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einem fortgeschrittenen Stadium der Restrukturierung, in dem der Restrukturierungsplan bereits von den Planbetroffenen angenommen worden ist, nicht mehr zur Versagung der Planbestätigung führen, wenn die Wirkungen der Planbestätigung die Zahlungsunfähigkeit beseitigen (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG).84) Dies gilt, wenn nach Durchführung des Vorprüftermins und weiterer Verhandlungen der Beteiligten die streitigen Fragen im Wesentlichen ausgeräumt wurden und die Zahlungsunfähigkeit auf einer Forderung beruht, die der Plangestaltung unterworfen wurde, indem der Gläubiger im Plan darauf verzichtet. Die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG würde ins Leere laufen, wenn zwar der Erörterungs- und Abstimmungstermin durchgeführt werden könnte, jedoch die Bestätigung des Restrukturierungsplanes zu versagen wäre.85) 34 Richtigerweise ist davon auszugehen, dass in derartigen Konstellationen der Fortführung des Verfahrens rechtlich keine Insolvenzreife vorliegt. Denn Zahlungsunfähigkeit (§ 17 ___________ Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2057. Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679. Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 4. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 23. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868 = ZRI 2021, 377; krit. Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2054. 83) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 6. 84) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 8. 85) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, ZInsO 2021, 1398, 1400 = NZI 2021, 893; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 3.

78) 79) 80) 81) 82)

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§ 35

Planbestätigung

InsO) ist nicht gegeben, wenn den Gläubigern trotz einer Liquiditätslücke von mindestens 10 % ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.86) Derartige Umstände greifen ein, wenn die Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Bestätigung des Restrukturierungsplans ausgeräumt wird. Ebenso liegt keine Überschuldung (§ 19 InsO) vor, weil dank des fortgesetzten Restrukturierungsverfahrens dem Schuldner eine positive Fortbestehensprognose zu stellen ist.87) 2.

Inhalts- und Verfahrensfehler

Ferner greift nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG ein Versagungsgrund ein, wenn die Vorschrif- 35 ten über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans sowie über die Annahme des Plans durch die Planbetroffenen in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind und der Schuldner den Mangel nicht beheben kann oder innerhalb einer angemessenen, vom Restrukturierungsgericht gesetzten Frist nicht behebt. Die Vorschrift orientiert sich an § 250 Nr. 1 InsO. Es genügt entgegen dem möglicherweise missverständlichen Wortlaut, wenn ein Inhaltsmangel oder ein Verfahrensfehler vorliegt.88) Allerdings setzt die Vorschrift voraus, dass die einschlägigen Vorschriften in einem wesent- 36 lichen Punkt missachtet wurden.89) Weniger gewichtige Mängel schaden also nicht.90) Ein wesentlicher Verstoß liegt stets vor, wenn es sich um einen Mangel handelt, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben kann. Es muss nicht feststehen, sondern lediglich ernsthaft in Betracht kommen, dass der Mangel tatsächlich Einfluss auf die Annahme des Plans hatte.91) Handelt es sich nur um die Verletzung von Hinweispflichten, dürfte kein wesentlicher Verstoß vorliegen. Anders verhält es sich indessen, wenn zwingende Normen missachtet werden.92) Vom Restrukturierungsgericht ist der ordnungsmäßige Ablauf des Abstimmungsverfahrens 37 und das Vorliegen der erforderlichen Mehrheiten zu prüfen. Dies kann insbesondere bei einem privatautonom durchgeführten Abstimmungsverfahren im Blick auf ordnungsgemäße Ladungen, Stimmrechte und Vollmachten erheblichen Kontrollaufwand bedeuten.93) Zudem ist sicherzustellen, dass das Restrukturierungsgericht die Bestätigung des Restrukturierungsplans ablehnen kann, wenn keine vernünftige Aussicht besteht, dass der Plan die Insolvenz des Schuldners verhindern oder die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten würde. Insoweit verweist § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG auf die Vorschriften zum Inhalt des Plans und damit auch auf § 16 StaRUG und die dort als Plananlage geforderte begründete Erklärung. Dabei sind unwesentliche Mängel unbeachtlich. Behebbare wesentliche Mängel sind nur dann beachtlich, wenn sie innerhalb einer angemessenen, vom Restrukturierungsgericht gesetzten Frist nicht behoben werden.94) 2.1

Inhalt

Die im Blick auf den Inhalt des Restrukturierungsplan zu beachtenden Vorschriften ergeben 38 sich aus §§ 2 bis 15 StaRUG. Ein spezielles Augenmerk ist auf die Bestimmtheit und Klar___________ 86) 87) 88) 89) 90) 91) 92) 93) 94)

BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 145 f. = ZBB 2006, 42. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 7. Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 10. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 14. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 14; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 9. BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 54, ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 9, ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 10. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 186.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

heit des gestaltenden Teils (§ 7 StaRUG),95) die Beachtung der Vorgaben für die Gruppenbildung (§ 9 StaRUG) und die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 10 StaRUG) zu legen.96) Das Gericht prüft unter Berücksichtigung sämtlicher rechtlicher Gesichtspunkte, ob die gesetzlichen Bestimmungen über das Vorlagerecht und den Inhalt des Plans beachtet sind. Es prüft, ob 

der gestaltende Teil des Plans für die unmittelbare Gestaltungswirkung und die Vollstreckbarkeit bestimmt genug ist, ob



die Informationen im darstellenden Teil für die Entscheidung der Beteiligten und des Gerichts ausreichen und ob



die Plananlagen vollständig und richtig sind.97)

39 Der Grundsatz der Klarheit gebietet den Verzicht auf mehrdeutige und folglich irreführende Regelungen, die einen falschen Eindruck erwecken können. Die Planvorschläge erfordern eine widerspruchsfreie Konzeption und müssen ihrem Inhalt nach so gefasst werden, dass sie weder Widersprüche noch Zweifel aufkommen lassen, welche etwa die künftige Vollstreckbarkeit beeinträchtigen können. Die einzelnen Regelungen des gestaltenden Teils müssen Art, Zeit und Umfang der Gläubigerbefriedigung eindeutig und umfassend festlegen.98) Unschädlich ist die Verwendung genereller und abstrakter Anordnungen mit Normcharakter, sofern sie auslegungsfähig sind. Zu beanstanden ist ein Restrukturierungsplan, der hinsichtlich der Verteilung des Erlöses in sich widersprüchlich ist und deshalb die Gefahr birgt, nicht ausgelegt werden zu können.99) 40 Der Plan muss einen darstellenden und einem gestaltenden Teil enthalten. Der darstellende Teil eines Restrukturierungsplans muss alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind. Da das Gesetz auf dem Grundgedanken beruht, dass kein Beteiligter durch den Restrukturierungsplan schlechter als ohne ihn gestellt werden darf, erläutert die Vergleichsrechnung den Umfang der Gläubigerbefriedigung bei einer Verwertung der Masse mit und ohne Plan und unterrichtet die Gläubiger folglich, inwieweit der Plan ihre Befriedigungsaussichten verbessert.100) 41 Daneben sind die in § 5 Satz 3, §§ 14, 15 StaRUG bezeichneten Unterlagen (Erklärung zur Bestandsfähigkeit; Vermögensübersicht; Ergebnis- und Finanzplan) beizufügen.101) Ein Konsortialkreditvertrag und eine Sanierungsvereinbarung können durch einen Restrukturierungsplan umfassend geändert werden. Eine Beschränkung auf die für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderlichen Änderungen ist weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich vielmehr, dass es für die Phase der Umsetzung der Restrukturierung zweckmäßig (nicht: erforderlich) sein kann, übermäßig restriktive Bedingungen und Nebenbestimmungen zu lockern oder an die Restrukturierungssituation anzupassen. Möglich sind damit auch Regelungen mit einer ___________ 95) 96) 97) 98) 99) 100)

BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 41 ff., ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 6. BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 8, ZInsO 2015, 1398 = NZI 2015, 697. BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 41 ff., 47 ff., ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 40, ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 33, ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404; Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 101) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 10, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff.; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 11; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 13.

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§ 35

Planbestätigung

„überschießenden Tendenz“, da keine Erforderlichkeit, sondern nur eine Zweckmäßigkeit für eine Änderung vorliegen muss.102) Nähere Angaben sind darum für die Vergleichsrechnung (§ 6 Abs. 2 StaRUG) erforder- 42 lich, inwieweit der Plan die Befriedigungschancen der Gläubiger verändert.103) Hierbei ist der Umfang der Masse von wesentlicher Bedeutung. Anzugeben sind jedenfalls die Werte, die im Verhältnis zur Größe des Verfahrens von Bedeutung sind für die Meinungsbildung der Gläubiger und des Gerichts.104) Es sind die generierbaren Werte vollständig einzustellen.105) Die Vergleichsrechnung ist nicht zu beanstanden, wenn die „absolute“ Untergrenze – ein Vergleich mit den Werten, die sich bei der Liquidation im Insolvenzverfahren ergeben – eingehalten ist. Wird ein alternatives Fortführungsszenario oder die Möglichkeit einer Veräußerbarkeit 43 ohne Planeingriffe von der Schuldnerin verneint, müssen solche Möglichkeiten, wenn sie nicht ohne weiteres ersichtlich sind, von den widersprechenden Planbetroffenen dargelegt werden. Wer sich dann darauf beruft, dass es auch ohne die Insolvenz glimpflicher für die Gläubiger ausgehen würde, muss dies entsprechend belegen.106) Hingegen ist eine Vergleichsrechnung unschlüssig, wenn sie nur auf die beiden Szenarien „Fortführung auf einer Stand-alone-Basis mit Verkaufs- und Verwertungsprozess betreffend die E-Gruppe“ und „Fortführung unter Akquisition einer Zielgesellschaft mit Verkaufs- und Verwertungsprozess betreffend die E-Gruppe“ (Restrukturierungsszenario) abstellt. Es ist das Restrukturierungsszenario auch mit dem Szenario „Fortführung auf einer Stand-alone-Basis ohne Verkaufs- und Verwertungsprozess betreffend die E-Gruppe“ als möglicherweise nächstbestem Szenario zu vergleichen.107) Eine Vergleichsrechnung ist nicht unschlüssig, soweit die Schuldnerin das Restrukturierungszenario nicht mit einem Szenario eines anderen Restrukturierungsplans vergleicht. Dies würde entgegen dem Willen des Gesetzgebers dazu führen, dass eine Überprüfung jeder Planregelung auf seine Erforderlichkeit hin vorzunehmen wäre.108) 2.2

Verfahren

Das außergerichtliche Verfahren über die außergerichtliche Planabstimmung wird durch 44 §§ 17 bis 22 StaRUG ausgestaltet.109) Der Plan kommt nach diesen Bestimmungen durch ein Planangebot und die Planannahme zustande. Als Alternative eröffnet das Gesetz das gerichtliche Abstimmungsverfahren bei dem gemäß § 23 StaRUG die Bestimmungen der §§ 17 bis 22 StaRUG keine Anwendung finden. Vielmehr ist bei dieser Verfahrensweise den Anforderungen der §§ 45, 46 StaRUG zu genügen.110) Bei einem außergerichtlichen Abstimmungsverfahren hat das Gericht insbesondere zu untersuchen, ob die Fristen der § 19 StaRUG (Annahmefrist), § 20 Abs. 1 StaRUG (Ladungsfrist zur Abstimmung) und § 21 Abs. 2 StaRUG (Ladungsfrist zur Erörterung des Plans) StaRUG eingehalten wurden. ___________ 102) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868 = ZRI 2021, 377; Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2054. 103) Vgl. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 104) BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 33, ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. 105) Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 106) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 11, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff. 107) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 870 = ZRI 2021, 377. 108) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 870 = ZRI 2021, 377. 109) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 12. 110) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 12.

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§ 35

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Ferner ist zu prüfen, ob den Anforderungen an die Dokumentation nach § 22 StaRUG genügt ist.111) 2.3

Annahme des Plans

45 Zur Annahme des Restrukturierungsplans durch die Planbetroffenen ist gemäß § 25 Abs. 1 StaRUG erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen. Einer Kopfmehrheit bedarf es demgegenüber nicht.112) Einer Prüfung bedürfen insbesondere 

das Stimmrecht (§ 24 StaRUG),



gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen (§ 25 StaRUG) und



die Beachtung der absoluten Priorität (§ 27 StaRUG) bzw. ihrer Durchbrechung (§ 28 StaRUG).113)

46 Gerade in diesem Bereich liegen erhebliche Fallstricke, die eine eingehende gerichtliche Prüfung nahelegen.114) 47 Die Vorgehensweise, eine Einigung oder eine gerichtliche Entscheidung über die Stimmrechtsfestsetzung zunächst zurückzustellen, eine Abstimmung unter Beteiligung aller anwesenden Gläubiger unabhängig von ihrer Stimmberechtigung durchzuführen und erst nachträglich über die Stimmrechtsfestsetzung zu entscheiden, begründet einen wesentlichen Verfahrensmangel. Die Erörterung und Festsetzung der Stimmrechte der Beteiligten ist Teil des Erörterungstermins oder des entsprechenden Teils eines einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermins. Die Festsetzung der Stimmrechte der Gläubiger durch das Insolvenzgericht muss vor dem Beginn der Abstimmung über den Insolvenzplan abgeschlossen sein.115) Waren bei Durchführung der Abstimmung die Stimmrechtsverhältnisse ungeklärt, handelt es sich lediglich um eine Probeabstimmung; die eigentliche Abstimmung nach der Festsetzung der Stimmrechte hat das Gericht dann aber noch nicht durchgeführt.116) Die nach der durchgeführten Abstimmung vorgenommene Festsetzung des Stimmrechts führt nicht dazu, dass rückwirkend vom Vorliegen einer Stimmberechtigung im Zeitpunkt der Abstimmung ausgegangen werden kann.117) Da eine ordnungsgemäße Abstimmung nicht stattgefunden hat, ist das Gericht auch daran gehindert, ein Abstimmungsergebnis festzustellen und auf dieser Grundlage dem Restrukturierungsplan die gerichtliche Bestätigung zu versagen.118) 2.3.1 Auswahl der Planbetroffenen 48 Die Auswahl der Planbetroffenen hat den Vorgaben des § 8 StaRUG zu genügen. Es ist unschädlich, wenn der von der Schuldnerin vorgelegte Restrukturierungsplan nur die Kreditgeberinnen eines Konsortialkreditvertrags durch einen Eingriff in ihre Rechte, nicht jedoch auch Anteilseigner bzw. Anteilsrechte oder nachrangige Gesellschafterdarlehen betrifft.

___________ 111) Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 7. 112) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 4, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff. 113) Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 7. 114) Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 7. 115) BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 14 f., ZRI 2021, 186 = DB 2021, 171. 116) BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 17, ZRI 2021, 186 = DB 2021, 171. 117) BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 18, ZRI 2021, 186 = DB 2021, 171. 118) BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 38/18, Rz. 22, ZRI 2021, 186 = DB 2021, 171.

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§ 35

Planbestätigung

Weder § 2 Abs. 3 StaRUG noch § 8 StaRUG erfordern eine Planbetroffenheit von Anteilseignern bzw. Eingriffe in Anteilsrechte oder nachrangige Gesellschafterdarlehen.119) 2.3.2 Gruppenbildung § 9 Abs. 1 StaRUG sieht vor, dass bei der Festlegung der Rechte der Planbetroffenen im 49 Restrukturierungsplan Gruppen zu bilden sind, soweit Planbetroffene mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. Im Regelfall sind vier Gruppen einzurichten. Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen 

Inhabern von Absonderungsanwartschaftsrechten (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StaRUG),



den Inhabern von Forderungen, die im Falle einer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als nicht nachrangige Insolvenzforderungen geltend zu machen wären nebst darauf entfallender Zinsen und Säumniszuschläge (einfache Restrukturierungsgläubiger, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StaRUG),



den Inhabern in einem Insolvenzverfahren gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 InsO nachrangigen Forderungen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StaRUG) und



den Inhabern von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StaRUG).

Eine weitere Gruppe ist im Blick auf Gläubiger aus gruppeninternen Drittsicherheiten 50 zu bilden, wenn der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans Eingriffe in die Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten vorsieht (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG).120) Werden Kreditgeberinnen eines Konsortialkredits drei verschiedenen Gruppen zugeteilt, 51 widerspricht dies dem auch für einen Restrukturierungsplan anzunehmenden Differenzierungsverbot.121) Ausnahmsweise ist diese nicht sachgerechte Einteilung jedoch unschädlich. Die Zusammensetzung aller drei Gruppen und die anteiligen Stimmrechte in jeder der drei Gruppen sind identisch, so dass faktisch ein „Ein-Gruppen-Plan“ vorliegt. Da keine weiteren Gruppen mit weiteren Planbetroffenen vorliegen und die Zusammensetzung aller drei Gruppen und die anteiligen Stimmrechte in jeder der drei Gruppen identisch sind, kann keiner der Planbetroffenen einfacher oder schwieriger überstimmt werden, als dies bei der sachgerechten Bildung nur einer Gruppe der Fall wäre.122) 2.3.3 Mehrheiten Dem insolvenzplanrechtlichen Vorbild folgend (§ 243 InsO) stimmt gemäß § 25 StaRUG 52 jede der nach § 9 StaRUG gebildeten Gruppen gesondert über den Restrukturierungplan ab. In jeder dieser Gruppen muss daher, vorbehaltlich der Möglichkeit einer gruppenübergreifenden Überstimmung von Minderheiten nach § 26 StaRUG, die nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Summenmehrheit von drei Viertel – unabhängig von der Anwesenheit in der Versammlung – erreicht werden.123) Das Stimmgewicht, das eine Forderung oder ein Recht gewährt, ist nach Maßgabe des § 24 StaRUG zu bestimmen. Die Summe der Stimmrechte, die auf die in einer Gruppe zusammengefassten Forderungen oder Rechte entfallen, bildet den Bezugswert für die Bestimmung der erforderlichen Mehrheit der dem ___________ 119) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 869 = ZRI 2021, 377. 120) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 869 = ZRI 2021, 377. 121) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 869 = ZRI 2021, 377; Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2054. 122) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 869 = ZRI 2021, 377. 123) Desch, BB 2020, 2498, 2504; Proske/Streit, NZI 2020, 969, 970; Cranshaw/Portisch, ZInsO 2020, 2617, 2624; Brinkmann, ZIP 2020, 2361, 2362; Thole, ZIP 2020, 1985, 1990; Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2678.

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§ 35

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Plan zustimmenden Voten. Eine lediglich auf die Summe der Stimmrechte der erschienenen Gruppenmitglieder bezogene Mehrheit ist demgegenüber unzureichend.124) 53 Gemäß § 26 Abs. 1 StaRUG gilt die Zustimmung in einer Plangruppe, in der die nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird, als erteilt, wenn 

die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechtergestellt werden als sie ohne einen Plan stünden (Abs. 1 Nr. 1),



die Mitglieder dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (Abs. 1 Nr. 2) und



die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat (Abs. 1 Nr. 3).125)

2.3.3.1

Keine Schlechterstellung

54 Bei der Prüfung, ob überstimmte Planbetroffene durch den Restrukturierungsplan schlechtergestellt werden als ohne diesen Plan, kann als Vergleichsmaßstab nicht ohne weiteres ein Insolvenzverfahren mit einem Liquidationsszenario herangezogen werden, sondern es ist vielmehr grundsätzlich auf das nächstbeste Alternativszenario126) abzustellen. Sofern sich aber kein konkretes und verlässliches Alternativszenario unter Ansatz von Fortführungswerten darstellen lässt, ist die Insolvenz des Schuldners Vergleichsmaßstab. Haben sämtliche überstimmte Planbetroffene Forderungen, die in einem Insolvenzverfahren nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig wären, würden sie auch in einem solchen Szenario aller Voraussicht nach keine Befriedigung ihrer Forderungen zu erwarten haben.127) 55 Als nächstbestes Alternativszenario maßgeblich ist die Situation, in der sich der Gläubiger im Fall des Scheiterns des Plans wiederfinden würden; eine Liquidation als bestes Alternativszenario darf nur dann unterstellt werden, wenn ein Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung aussichtslos ist.128) Nächstbestes Alternativszenario ist die Liquidation, wenn Auftraggeber die Geschäftsbeziehung nicht mit einem in Insolvenz befindlichen Unternehmen fortsetzen werden und ein Übernahmeinteressent nicht vorhanden ist.129) 56 Eine Ungleichbehandlung eines Planbetroffenen liegt nicht vor, wenn die Option, eine Sicherung für eine neue Finanzierung zu erhalten, allen Kreditgebern gleichermaßen eingeräumt wird. Dass ein Planbetroffener diese Option nicht wahrnehmen möchte, ist für die Frage einer Ungleichbehandlung unerheblich. Unerheblich ist auch, dass diese Option den hierfür optierenden Kreditgebern zugleich eine nachrangige Absicherung der Verbindlichkeiten aus dem bestehenden Konsortialkreditvertrag verschafft, den nicht hierfür optierenden Kreditgebern hingegen nicht.130)

___________ 124) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 143 f. 125) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 5, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff. 126) Vgl. Skauradszun, ZIP 2021, 1091, 1092. 127) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 7, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff. 128) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, ZInsO 2021, 1398 = NZI 2021, 893; vgl. Skauradszun, KTS 2019, 161, 186. 129) AG Dresden v. 7.6.2021 – 574 RES 2/21, ZInsO 2021, 1398 = NZI 2021, 893. 130) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 869 = ZRI 2021, 377.

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§ 35

Planbestätigung 2.3.3.2

Angemessene Beteiligung an Planwert

Dem überstimmten Planbetroffenen fließt ein angemessener Planwert zu (§ 26 Abs. 1 Nr. 2, 57 § 27 Abs. 1 StaRUG), wenn kein anderer planbetroffener Gläubiger durch den Restrukturierungsplan wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen. Auch das Gebot der Rangwahrung (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) ist einzuhalten. Schließlich darf kein planbetroffener Gläubiger, der mit den Mitgliedern der überstimmten Gruppe gleichrangig zu befriedigen wäre, bessergestellt werden als diese Gläubiger. Insoweit ist bei Gesellschaftern auf die Gesellschafterstellung abzustellen. Außer Betracht hat zu bleiben, wenn ein Gesellschafter für die Wahrnehmung des Geschäftsführeramts eine Vergütung erhält.131) 2.4

Wesentlichkeit eines Mangels

Die Bestätigung des Restrukturierungsplans darf von dem Gericht bei Inhalts- und Ver- 58 fahrensfehlern nach Maßgabe des § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG nur versagt werden, wenn ein wesentlicher Mangel vorliegt und der Schuldner diesen nicht beheben kann. Ein wesentlicher Verstoß liegt stets vor, wenn es sich um einen Mangel handelt, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben kann. Es muss nicht feststehen, sondern lediglich ernsthaft in Betracht kommen, dass der Mangel tatsächlich Einfluss auf die Annahme des Plans hatte.132) Ein Mangel ist nicht behebbar, wenn er bis zur Verkündung der gerichtlichen Entscheidung über die Planbestätigung nicht beseitigt oder geheilt werden kann. Ebenso verhält es sich nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, wenn der Mangel heilbar wäre, dies von dem Schuldner innerhalb einer ihm gesetzten richterlichen Frist jedoch nicht beseitigt wird. Eine Abhilfe dürfte nur möglich sein, soweit es sich um formelle Mängel wie fehlende oder 59 unvollständige Zustellungs- und Vollmachtsnachweise sowie eine unzureichende Dokumentation der privatautonomen Abstimmung (§ 22 StaRUG) handelt.133) Ebenso dürfte eine Abhilfe möglich sein, soweit Schuldner oder Gläubiger auf sie begünstigende Regelungen verzichten.134) Ferner ist zu beachten, dass bei einer gerichtlichen Planabstimmung Bedenken des Gerichts durch weitreichende Änderungen nachgekommen werden kann.135) 3.

Bestandsfähigkeit

Im Rahmen der Bestätigungsprüfung sind auch die wirtschaftlichen Annahmen des Plans 60 zu prüfen. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG auf die Vorschriften zum Inhalt des Plans. Diese Verweisung bezieht sich nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf die Plananlagen und damit u. a. auf § 14 StaRUG und die dort als Plananlage geforderte begründete Erklärung.136) Allerdings ist der gerichtliche Prüfungsmaßstab hinsichtlich der wirtschaftlichen Annahmen des Plans deutlich reduziert. Es hat anstelle einer Amtsprüfung lediglich eine Schlüssigkeitskontrolle zu erfolgen. Der Maßstab entspricht dem aus dem Insolvenzplanverfahren bekannten Prüfungsmaßstab.137) Darum besteht keine Verpflichtung des Gerichts, das Plankonzept in seinen Einzelheiten zu überprü___________ 131) AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 8, ZRI 2021, 473 = NZI 2021, 544 m. Anm. Grau/ Pohlmann/Radunz, NZI 2021, 522 ff. 132) BGH v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, Rz. 54, ZIP 2018, 1141 = ZInsO 2018, 1404. 133) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 19. 134) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 19. 135) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 19. 136) Vgl. Desch, BB 2020, 2498, 2505; Gehrlein, BB 2021, 66, 74. 137) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 870 = ZRI 2021, 377; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 13.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

fen.138) Die Schlüssigkeitskontrolle ist stets vorzunehmen, selbst dann, wenn alle Gläubiger dem Plan zugestimmt haben.139) 4.

Erfüllbarkeit gestalteter Ansprüche

61 Nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG hat das Gericht die Bestätigung zu versagen, wenn die Ansprüche, die den Planbetroffenen durch den gestaltenden Teil des Plans zugewiesen werden, und die durch den Plan nicht berührten Ansprüche der übrigen Gläubiger offensichtlich nicht erfüllt werden können. Allerdings beschränkt sich die Kontrolle auf eine Offenkundigkeitsprüfung,140) die Durchführbarkeit des Plans insoweit zu überprüfen, als es um die Erfüllbarkeit der durch den Plan gestalteten Ansprüche und der nicht einbezogenen Ansprüche der Planbetroffenen und der nicht Planbetroffenen geht.141) Jenseits dieser Offensichtlichkeitskontrolle ist eine gerichtliche Überprüfung der Erfolgsaussichten und der Wirtschaftlichkeit des dem Plan zugrunde liegenden Restrukturierungskonzepts ebenso wie im Insolvenzplanrecht nicht vorgesehen.142) 62 Im Rahmen dieses Versagungsgrundes gilt nicht der Amtsermittlungsgrundsatz des § 39 StaRUG, so dass für die Prüfung die Planinhalte und die Anlagen maßgeblich sind.143) Angesichts des beschränkten Prüfungsmaßstabs sieht das Gesetz abweichend von § 73 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG davon ab, im Blick auf die Erfüllbarkeit eine Vorprüfung durch den Restrukturierungsbeauftragten vorzuschalten.144) 5.

Neue Finanzierung

63 Die Bestimmung des § 63 Abs. 2 StaRUG regelt die Voraussetzungen der Planbestätigung, soweit der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung vorsieht. Als neue Finanzierung sind nach der Legaldefinition des § 12 Satz 1 StaRUG Darlehen oder sonstige Kredite anzusehen, die zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Restrukturierungsplans erforderlich sind. Als neue Finanzierung gilt nach § 12 Satz 2 StaRUG auch deren Besicherung. Aufgrund einer weiten Auslegung kommen als neue Finanzierung neben der Gewährung liquider Mittel und Bürgschaften Dritter auch die Bereitstellung von Waren, Vorräten, Rohstoffen und Versorgungsdienstleistungen einschließlich Factoring in Betracht.145) 64 Sieht der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung vor, ist die Bestätigung nach § 63 Abs. 2 StaRUG zu versagen, wenn das dem Plan zugrunde liegende Restrukturierungskonzept unschlüssig ist oder wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelt.146) Das Eingreifen einzelner Alternativen, Unschlüssigkeit, Nichtbeachtung tatsächlicher Gegebenheiten oder keine Erfolgsaussichten, schließt bereits die Bestätigung aus.147) Mit der Prüfung soll den Interessen der Gläubiger Rechnung getragen ___________ 138) 139) 140) 141) 142) 143) 144) 145) 146) 147)

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Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 17. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 18. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 18; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 20. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 186; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 11; Gehrlein, BB 2021, 66, 74. Wilkens, WM 2021, 573, 580. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 20. Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 11. Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 12. Desch, BB 2020, 2498, 2505; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 13; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 19. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 19.

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§ 35

Planbestätigung

werden.148) Auch insoweit ist das Gericht anstelle einer Amtsprüfung auf eine Schlüssigkeitskontrolle und die Berücksichtigung offensichtlicher Mängel beschränkt.149) Dem Gericht obliegt mangels Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes keine Nachforschungspflicht, was auch einer Prüfung durch Sachverständige entgegensteht.150) 6.

Zweifel an ordnungsgemäßer außergerichtlicher Planabstimmung

Ist die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren, sondern privatautonom nach 65 Maßgabe der §§ 17 bis 22 StaRUG durchgeführt worden, gehen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 StaRUG Zweifel an der ordnungsgemäßen Annahme des Restrukturierungsplans durch die Planbetroffenen zulasten des Schuldners. Da die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren erfolgt, fehlt eine gerichtliche Vorabkontrolle und Begleitung des Abstimmungsprozesses.151) Deshalb gehen Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Planabstimmungsprozesses und am Zustandekommen des Abstimmungsergebnisses zulasten des Schuldners.152) Besteht Streit über das einem Planbetroffenen zustehende Stimmrecht, legt das Gericht 66 nach § 63 Abs. 3 Satz 2 StaRUG seiner Entscheidung das nach Maßgabe des § 24 StaRUG zu bestimmende Stimmrecht zugrunde.153) Im gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin wird das Stimmrecht nach § 45 Abs. 4 Satz 2 StaRUG verbindlich vom Restrukturierungsgericht festgelegt, soweit keine Einigung der erschienenen Beteiligten erzielt werden kann. Erfolgt die Planannahme dagegen nicht im gerichtlichen Verfahren, kann im Falle eines Streits bei der Abstimmung das dem einzelnen Gläubiger von dem Schuldner zugewiesene Stimmrecht zugrunde gelegt werden (§ 22 Abs. 4 StaRUG). Dann hat das Gericht die Stimmrechte i. R. der Planbestätigung nach Maßgabe von § 26 StaRUG festzustellen und ist dabei nicht an die vorläufige Festlegung durch den Schuldner in der Dokumentation des Abstimmungsergebnisses nach § 24 Abs. 1 StaRUG und bei der Zugrundelegung des Stimmrechts nach § 26 Abs. 4 StaRUG gebunden.154) Gegen diese rechtlichen Unwägbarkeiten kann der Schuldner mit Hilfe einer Vorprüfung nach § 47 Satz 2 StaRUG Vorsorge treffen.155) 7.

Unlauterkeit

Die Bestätigung ist schließlich gemäß § 63 Abs. 4 StaRUG zu versagen, wenn die Annahme 67 des Restrukturierungsplans unlauter herbeigeführt worden ist, insbesondere durch Begünstigung eines Planbetroffenen.156) Nach dem Vorbild von § 250 Nr. 2 InsO soll missbräuchlichen Praktiken im Zuge der Planverhandlungen und der Planabstimmung entgegengewirkt werden.157) ___________ 148) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 21. 149) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 187; Schelo, WM 2021, 513, 516; Rechtmann, WM 2021, 520, 525; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 14; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 21; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 22. 150) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 22. 151) Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 15; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 22; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 24. 152) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 187; Gehrlein, BB 2021, 66, 74. 153) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 23. 154) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 187; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 15; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 24; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 25. 155) Laroche in: Flöther, StaRUG, § 63 Rz. 25. 156) Desch, BB 2020, 2498, 2505; Rechtmann, WM 2021, 520, 526. 157) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 187.

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§ 35

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

68 Unlauterkeit ist bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben gegeben.158) In dieser Weise verhält es sich, wenn 

es zu einer Begünstigung von Planbetroffenen kommt, die Zustimmung zum Plan durch Drohung oder Täuschung erwirkt wird,



Vermögenswerte bzw. Einkommenserwartungen verheimlicht werden,



Forderungs- und Stimmkäufe erfolgen.159)

69 Bedeutungslos ist es, ob dem Schuldner, einem Planbetroffenen, dem Restrukturierungsbeauftragten oder einem Dritten ein Unlauterkeitsverstoß anzulasten ist.160) 70 Aufforderungen, das Stimmrecht in bestimmter Weise auszuüben, eine Stimmrechtsvollmacht zu erteilen oder einen Vorschlag zur Änderung des Restrukturierungsplans zu unterstützen, sind nicht als unlauter zu bewerten.161) Unlauterkeit liegt ebenfalls noch nicht vor, wenn ein Planbetroffener anders als die übrigen Planbetroffenen vom Informationsfluss im Vorfeld der Anzeige des Restrukturierungsverfahrens abgeschnitten wurde. Etwaige Verpflichtungen der Beteiligten vor Anzeige des Restrukturierungsvorhabens sind dem StaRUG nicht zu entnehmen. Sie wären auch nicht von § 63 Abs. 4 StaRUG erfasst, der lediglich die unlautere Herbeiführung der Annahme eines Restrukturierungsplans erfasst. Unerheblich für das Restrukturierungsverfahren wäre es, wenn Informations- und Treuepflichten im Innenverhältnis eines Konsortiums verletzt worden wären, solange dies nicht weitere Folgen nach sich zieht. 71 Die auch im Restrukturierungsverfahren geltenden Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs stellen letztlich sicher, dass jeder Verfahrensbeteiligte im laufenden Restrukturierungsverfahren seine Rechte wahren kann.162) 72 Zwischen der Unlauterkeit und der Planannahme muss ein Zurechnungszusammenhang bestehen. 73 Kauft ein Insolvenzgläubiger oder ein Dritter einzelnen anderen Insolvenzgläubigern deren Forderungen zu einem Preis ab, der die in einem vorgelegten Insolvenzplan vorgesehene Quote übersteigt, um mit der so erlangten Abstimmungsmehrheit die Annahme des Restrukturierungsplans zu bewirken, ist der Forderungskauf wegen der mit dem Kauf verbundenen Begünstigung nichtig, falls der Restrukturierungsplan zustande kommt.163) Das Gericht darf den Plan nicht bestätigen, wenn dessen Annahme auf dem Forderungskauf beruhen kann.164) Die Herbeiführung der Annahme eines Restrukturierungsplans durch einen Forderungskauf, der einzelnen Gläubigern besondere Vorteile bietet, ist unlauter unabhängig davon, ob der Forderungskauf heimlich durchgeführt wird; etwas anderes kann nur gelten, wenn er offen in dem Restrukturierungsplan ausgewiesen wird.165) Ein Forderungskauf, der nur für den Fall der rechtskräftigen Bestätigung des Restrukturierungsplans gelten soll, ist auch dann „im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren“ vereinbart, wenn er ausschließlich dem Zweck dient, die Annahme dieses Plans zu sichern.166) Die Annahme ___________ 158) Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 16. 159) BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 288 = ZInsO 2005, 487; Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 16; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 25; Thies in: HambKomm-InsO, § 250 Rz. 13; Silcher in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsR, § 250 Rz. 16 ff. 160) Fendel in: Braun, StaRUG, § 63 Rz. 16. 161) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 63 Rz. 26. 162) AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZInsO 2021, 868, 870 = ZRI 2021, 377. 163) BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290 ff. = ZInsO 2005, 487. 164) BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290 = ZInsO 2005, 487. 165) BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290, 291 = ZInsO 2005, 487. 166) BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290, 292 = ZInsO 2005, 487.

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§ 35

Planbestätigung

eines Restrukturierungsplans kann durch einen Forderungskauf auch dann herbeigeführt sein, wenn dessen Wirksamkeit auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans aufgeschoben ist, zugleich aber dem Käufer eine sofort wirksame Abstimmungsvollmacht erteilt wird, die dieser unabhängig von Weisungen des Verkäufers ausüben kann.167) Die Annahme eines Restrukturierungsplans beruht auf einem Forderungskauf, wenn sie ohne die Stimmen des Forderungskäufers nicht zustande gekommen wäre.168) IV.

Bekanntgabe der Entscheidung

Die an § 252 InsO orientierte Vorschrift169) des § 65 StaRUG befasst sich mit dem Zeit- 74 punkt und der inhaltlichen Form der Entscheidung, die über den Antrag auf Bestätigung des Restrukturierungsplans ergeht. Durch die Verkündung der Entscheidung wird der Zeitpunkt des Beginns der Rechtsmittelfrist festgelegt.170) Bereits mit der Verkündung und nicht erst der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses treten die im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans festgelegten Wirkungen ein, weil eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat.171) 1.

Verkündung

Das Restrukturierungsgericht entscheidet durch Beschluss (§ 66 Abs. 1 Satz 1 StaRUG) über 75 den Antrag auf Planbestätigung.172) Wie der Beschluss, in dem über die Bestätigung eines Insolvenzplans entschieden wird (§ 252 Abs. 1 InsO), ist auch der Beschluss mit der Entscheidung über die Bestätigung eines Restrukturierungsplans zu verkünden, also in einem Gerichtstermin bekannt zu geben.173) Wird die Entscheidung über den Antrag auf Bestätigung des Restrukturierungsplans nicht im Anhörungstermin oder im Erörterungs- und Abstimmungstermin verkündet, ist sie nach § 65 Abs. 1 StaRUG in einem alsbald zu bestimmenden besonderen Termin zu verkünden.174) Das Merkmal „alsbald“ unterstreicht die Notwendigkeit einer zügigen Bearbeitung.175) Die Verkündung hat mündlich zu erfolgen (§ 38 StaRUG, § 329 ZPO).176) Der Beschluss bedarf einer inhaltlichen Begründung. Das Restrukturierungsgericht kann den Beschluss entweder in einem gesonderten Verkündungstermin verkünden oder, wenn ein solcher nicht stattgefunden hat, im Erörterungs- und Abstimmungstermin nach § 45 StaRUG oder im Anhörungstermin nach § 61 StaRUG.177) Nur wenn der Schuldner nach § 84 Abs. 1 Satz 1 StaRUG einen Antrag auf Vornahme öf- 76 fentlicher Bekanntmachungen gestellt hat, ist der Beschluss nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG öffentlich bekannt zu machen.178) Mit der Verkündung bzw. der öffentlichen Bekanntgabe beginnt die Rechtsmittelfrist zu 77 laufen (§ 40 Abs. 2 StaRUG). Die Rechtsmittelfristen werden gemäß § 40 Abs. 2 StaRUG ___________ 167) 168) 169) 170) 171) 172) 173) 174) 175) 176) 177) 178)

BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290, 293 = ZInsO 2005, 487. BGH v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290 = ZInsO 2005, 487. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 64 Rz. 2; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 1. Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. 1. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 189 f; Bork, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 38, 39; Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. 8. Vallender, ZInsO 2020, 2677, 2679. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 1. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 64 Rz. 3, 5; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 1 f. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 2. Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. 2. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 64 Rz. 3. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 188; Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. 2; Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 64 Rz. 6.

Gehrlein

827

§ 35

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

mit der Verkündung der Entscheidung in Lauf gesetzt, entgegen § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht erst mit ihrer Zustellung.179) Dies soll selbst dann gelten, wenn die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft ist.180) In diesem Fall wäre aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 2.

Beizufügende Unterlagen

78 Wird der Restrukturierungsplan bestätigt, so ist den Planbetroffenen nach § 65 Abs. 2 Satz 1 StaRUG unter Hinweis auf die Bestätigung ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts zuzusenden.181) Einer förmlichen Zustellung bedarf es nicht.182) Die Zusammenfassung ist von dem Schuldner zu erstellen.183) Bei Widersprüchen zwischen dem Plan und der Zusammenfassung genießt der bestätigte Plan Vorrang.184) Die Vorschrift orientiert sich an § 252 Abs. 2 InsO, wobei im Restrukturierungsverfahren eine Übersendung eines Planabdrucks oder einer Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts nur an die Planbetroffenen zu erfolgen hat, weil auch nur diese nach § 66 Abs. 1 StaRUG beschwerdeberechtigt sind.185) Die Übersendung hängt nicht davon ab, ob die Planbetroffenen an der Abstimmung teilgenommen haben oder ihnen ein Stimmrecht gewährt wurde.186) Für an dem Schuldner beteiligte Aktionäre oder Kommanditaktionäre gilt die Informationspflicht nicht; börsennotierte Gesellschaften haben nach § 65 Abs. 2 Satz 2 StaRUG eine Zusammenfassung des Plans auf ihre Internetseite einzustellen.187) 79 Die Übersendung eines Abdrucks des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts kann gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 StaRUG unterbleiben, wenn der vor der Abstimmung übersendete Plan unverändert angenommen wurde. Die Regelung soll ebenso wie § 252 Abs. 2 InsO der Verfahrensvereinfachung dienen. Wenn der Plan inhaltlich unverändert bestätigt wird, genügt die Mitteilung hierüber und es bedarf keiner erneuten Übersendung des Plans oder einer Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts.188) Einer Übersendung bedarf es darum nur, wenn Planänderungen nach § 20 Abs. 4 oder § 45 Abs. 4 StaRUG vorgenommen wurden. Da alle Planbetroffenen den vollständigen Entwurf erhalten haben, dürfte es genügen, wenn lediglich Änderungen oder Ergänzungen in unmissverständlicher Form mitgeteilt werden.189)

___________ 179) 180) 181) 182) 183) 184) 185) 186) 187) 188) 189)

828

Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 3. Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. 3. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 64 Rz. 8. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 4. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 64 Rz. 9. Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. 4; Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 4. Fendel in: Braun, StaRUG, § 65 Rz. 6. Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 64 Rz. 11. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 188. Laroche in: Flöther, StaRUG, § 65 Rz. 4.

Gehrlein

§ 36 Minderheitenschutz, Rechtsmittel Prütting

I. 1. 2. 3. 4. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einführung .................................................. 1 Sanierung als Verfahrensziel ....................... 2 Restrukturierungsplan ................................. 4 Planbestätigung ............................................ 8 Die Restrukturierungsrichtlinie .................. 9 Minderheitenschutz.................................. 10 Gesetzliche Regelung................................. 10 Normzweck ................................................ 11 Verbot der Schlechterstellung ................... 14 Die Vergleichsrechnung............................. 15 Prognoseentscheidung ............................... 22 Zulässigkeit des Antrags ............................ 25 Wertverlust für Absonderungsanwartschaften............................................ 28 Rechtsfolge ................................................. 29

9. III. 1. 2. 3. 4.

Hinweispflichten........................................ 30 Rechtsmittel und Rechtsbehelf ............... 31 Rechtsmittelbegriff .................................... 31 Die Regelung im StaRUG ......................... 33 Normzweck ................................................ 34 Die sofortige Beschwerde nach § 66 Abs. 1 StaRUG........................................... 35 5. Zulässigkeit................................................. 38 6. Hinweispflichten........................................ 43 7. Aufschiebende Wirkung ............................ 44 8. Sofortige Zurückweisung........................... 45 9. Rechtsbeschwerde...................................... 47 10. Sonstige Rechtsbehelfe .............................. 48 11. Verfassungsbeschwerde ............................. 49

Literatur: Fiebig, StaRUG – eine Auswertung der ersten praktischen Fälle, ZRI 2021, 561; Frind, Das „plötzliche“ StaRUG-Verfahren – Probleme und Verwendungsgrenzen, ZInsO 2021, 1093; Jungmann, Die Konsequenzen einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde gegen die Planbestätigungsentscheidung des Restrukturierungsgerichts, ZIP 2022, 253; Schäfer, Zur Einbeziehung der Gesellschafter in ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren nach dem Regierungsentwurf eines „StaRUG“, ZIP 2020, 2164.

I.

Einführung

Um die speziellen Fragen des Minderheitenschutzes und der damit zusammenhängenden 1 Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Einzelnen zu erfassen, bedarf es zunächst eines Blicks auf das Grundkonzept des StaRUG (siehe Bork, HRI I, § 1 Rz. 5 ff.). 1.

Sanierung als Verfahrensziel

Mit dem neugeschaffenen StaRUG1) als Art. 1 des SanInsFoG2) vom 22.12.2020 wird die 2 EU-Richtlinie 2019/1023 (Restrukturierungsrichtlinie)3) in das nationale Recht umgesetzt. Eingeführt werden wird europaweit ein präventiver Restrukturierungsrahmen, also ein Sanierungsinstrument, das zeitlich dem Insolvenzverfahren vorgelagert ist und dieses nach Möglichkeit vermeiden soll. Das StaRUG kommt nur zum Tragen, wenn der Schuldner dies anstrebt und beantragt (§§ 17 Abs. 1, 20 Abs. 1, 23, 29 Abs. 3, 30 Abs. 1, 31, 45 Abs. 1, 46 Abs. 1, 47 Abs. 1, 49 Abs. 1, 60 Abs. 1). Es stellt also eine vorinsolvenzliche Schuldnerhilfe dar. Eine solche gesetzliche Regelung hat es in Deutschland vor dem 1.1.2021 nicht gegeben. Die Notwendigkeit der Einführung eines solchen präventiven Restrukturierungsrahmens lässt sich (abgesehen von der allgemeinen Pflicht zur Umsetzung einer EU-Richtlinie) vor allem daraus entnehmen, dass die durch das StaRUG ermöglichten Eingriffe in ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 3) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.

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§ 36

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Gläubigerrechte voraussetzen, dass beim Schuldner eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Eine solche drohende Zahlungsunfähigkeit ist aber gemäß § 18 InsO auch Auslösetatbestand für ein Insolvenzverfahren. Dem drohend zahlungsunfähigen Schuldner steht also eine Wahlmöglichkeit offen, ob er eine präventive Restrukturierung anstrebt oder einen Insolvenzantrag stellt. Die dem Gläubiger drohenden Eingriffsmöglichkeiten sind im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit also auch dann eröffnet, wenn der Schuldner nicht den Weg über das StaRUG wählt. Der deutsche Gesetzgeber war daher sehr gut beraten, diesen Gleichklang der Auslösetatbestände herzustellen (siehe Holzer, HRI I, § 9 Rz. 2). 3 Angesichts der Regelungsnähe von außergerichtlichem Restrukturierungsverfahren nach StaRUG und vorläufiger Eigenverwaltung nach der InsO liegt es auf der Hand, dass gewisse Instrumente des Gläubigerschutzes wie der Minderheitenschutz und die Rechtsbehelfe der Gläubiger nach beiden Verfahren notwendig sind und zwangsläufig Parallelen aufweisen. 2.

Restrukturierungsplan

4 Das Herzstück des präventiven Restrukturierungsrahmens ist der Restrukturierungsplan mit der Planbestätigung. Er ist in seinen theoretischen Grundlagen im ersten Kapitel des zweiten Teils (§§ 2 – 28 StaRUG) und in den einzelnen Instrumenten im zweiten Kapitel (§§ 29 – 72 StaRUG) näher geregelt. Dabei bietet das Gesetz dem Schuldner in der modularen Form (vgl. § 29 Abs. 3 StaRUG) eine größere Anzahl von Sanierungsinstrumenten an. Im Einzelnen werden zunächst 

die gestaltbaren Rechtsverhältnisse definiert (§§ 2 – 4 StaRUG);



sodann werden Aufbau und Inhalt des Restrukturierungsplans näher festgelegt (§§ 5 – 16 StaRUG);



die einzelnen Schritte des Schuldners sind anschließend das Planangebot mit dem Abstimmungsverfahren (§§ 17 – 28 StaRUG),



die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsvorhabens mit der Anzeige des konkreten Vorhabens (§§ 29 – 44 StaRUG),



die Planabstimmung mit einer Vorprüfung (§§ 45 – 48 StaRUG) und



die Möglichkeit, eine Stabilisierungsanordnung zu erwirken (§§ 49 – 59 StaRUG).

5 Abgeschlossen wird dieses zweite Kapitel mit der Planbestätigung (§§ 60 – 72 StaRUG). Dieser letzte Regelungsabschnitt umfasst zugleich 

die Aspekte des Minderheitenschutzes (§ 64 StaRUG) und



eine Rechtsmittelregelung (§ 66 StaRUG).

6 Die Planbestätigung ist als eines von vier im Gesetz genannten Instrumenten in § 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG aufgeführt. Die Bestätigung setzt die Annahme des Plans durch jeweils mindestens 75 % Zustimmung der in jeder Gruppe vorhandenen Stimmrechte voraus (§ 25 StaRUG). 7 Der kurze Überblick zeigt, dass die im fünften Abschnitt geregelte Planbestätigung (§§ 60 – 72 StaRUG) also einen Kernbereich der in § 29 aufgeführten Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente den Rahmen des vorliegenden Abschnitts bildet. 3.

Planbestätigung

8 Der kurze Überblick über den Restrukturierungsplan als Herzstück des StaRUG macht bereits deutlich, dass innerhalb der gesamten Regelung die entscheidenden Wirkungen mit der Planbestätigung eintreten (siehe Gehrlein, HRI I, § 35 Rz. 1 ff.). Diese Wirkungen sind in

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Prütting

§ 36

Minderheitenschutz, Rechtsmittel

den §§ 67 – 71 StaRUG niedergelegt. Die Planbestätigung kommt nur auf Antrag des Schuldners zustande und wird durch Beschluss des Restrukturierungsgerichts ausgeführt (§ 60 StaRUG). Die Planbetroffenen haben vor der gerichtlichen Planbestätigung Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 61 StaRUG). Das Gericht prüft die Voraussetzungen und Versagungsgründe von Amts wegen (§ 63 StaRUG). In diesem Zusammenhang kann ein Gläubiger, der Planbetroffener ist und gegen den Restrukturierungsplan gestimmt hatte, einen Antrag auf Minderheitenschutz stellen (§ 64 StaRUG). Die gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 65 StaRUG bekannt zu geben. Daran schließt sich dann die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde nach § 66 StaRUG an, bevor das Gesetz abschließend die Rechtswirkungen der Planbestätigung (§§ 67 – 71 StaRUG) sowie die Planüberwachung (§ 72 StaRUG) regelt. 4.

Die Restrukturierungsrichtlinie

Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem StaRUG die Restrukturierungsrichtlinie umgesetzt. 9 Mit deren Veröffentlichung am 26.7.2019 im EU-Amtsblatt begann eine zweijährige Umsetzungsfrist, die der deutsche Gesetzgeber inhaltlich und zeitlich ausgefüllt hat. Die Richtlinie hatte den Restrukturierungsplan mit seinen Mindestanforderungen in Art. 8 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie vorgesehen. Seine Annahme ist in Art. 9 Restrukturierungsrichtlinie niedergelegt. Die Planbestätigung und ihre Voraussetzungen sind in Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 Restrukturierungsrichtlinie im Einzelnen geregelt. Der deutsche Gesetzgeber ist teilweise über die EU-Anforderungen hinausgegangen. Die Planbestätigung in den §§ 60 – 66 StaRUG hat der Gesetzgeber mit Ausnahme von Art. 10 Abs. 1 lit. c der Richtlinie (Restrukturierungsplan, der zum Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führt) umgesetzt. Speziell der Minderheitenschutz findet in Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. d der Richtlinie seine Grundlage. II.

Minderheitenschutz

1.

Gesetzliche Regelung

Angesichts der Eingriffsmöglichkeiten in Gläubigerpositionen durch den Restrukturierungs- 10 plan und ebenso durch den Insolvenzplan bedarf es eines Minderheitenschutzes. Diesen Schutz regelt für den Restrukturierungsplan § 64 StaRUG, für den Insolvenzplan der ähnlich gestaltete § 251 InsO. Im Einzelnen sieht § 64 Abs. 1 StaRUG den Antrag eines Planbetroffenen vor, der bereits gegen den Restrukturierungsplan gestimmt haben muss. Die Bestätigung des Plans ist sodann zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechtergestellt wird als ohne Plan. § 64 Abs. 2 StaRUG regelt die Zulässigkeit des Antrags. Ergänzend hierzu enthält § 64 Abs. 3 StaRUG eine Nachbesserungsklausel. Abschließend sind in § 64 Abs. 4 StaRUG verschiedene Hinweispflichten normiert. 2.

Normzweck

Das StaRUG enthält eine vorinsolvenzliche Schuldnerhilfe (siehe Rz. 2), die zwangsläufig 11 in Gläubigerrechte eingreift. Deshalb muss jedem Gläubiger der Wert seiner Forderungen und Rechte verbleiben, den alle diese Rechtspositionen im Zeitpunkt des Beginns der schuldnerischen Aktivitäten zur Inanspruchnahme von StaRUG-Instrumenten aufweisen. Der Minderheitenschutz des § 64 ist also ein notwendiges Gegengewicht und Korrektiv zu den Schuldnerschutzvorschriften. Dabei schützt § 64 StaRUG zunächst den planbetroffenen Antragsteller innerhalb seiner Gläubigergruppe, von anderen Gruppenmitgliedern überstimmt zu werden und dadurch zu einer ihm nachteiligen Planannahme verpflichtet zu werden. Darüber hinaus enthält § 26 StaRUG aber auch die gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung (Cross-Class Cram-down). Prütting

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§ 36

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

12 Dieser Gedanke eines maßvollen Gläubigerschutzes kommt bereits in § 10 Abs. 1 StaRUG (Gleichbehandlung aller Planbetroffenen) zur Geltung. Im Zusammenhang mit den für die Annahme des Restrukturierungsplans erforderliche Mehrheiten sieht sodann § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG (keine Schlechterstellung einer Gläubigergruppe) und in gewisser Weise auch § 26 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 27, 28 StaRUG (angemessene Beteiligung am Planwert) den Gläubigerschutz vor. Darüber hinaus hat der Schuldner bereits i. R. der Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens einen Hinweis zu geben, falls er damit rechnen muss, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Widerstand einer Gläubigergruppe zu erreichen ist (§§ 31 Abs. 2 Satz 3, 32 Abs. 4 StaRUG). Im Rahmen des Verfahrens zur Planbestätigung ist schließlich die beantragte Bestätigung von Amts wegen zu versagen, wenn Ansprüche, die den Planbetroffenen zugewiesen sind, offensichtlich nicht erfüllt werden können (§ 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). 13 Ist der Antrag eines Planbetroffenen auf Minderheitenschutz i. R. des § 64 StaRUG nicht erfolgreich, so bleibt ihm gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG die sofortige Beschwerde, mit der er glaubhaft machen kann, dass er durch den Plan wesentlich schlechtergestellt wird als ohne Plan. 3.

Verbot der Schlechterstellung

14 Das zentrale Kriterium des Minderheitenschutzes ist das Verbot der Schlechterstellung des Planbetroffenen, der einen Antrag nach § 64 Abs. 1 StaRUG auf Minderheitenschutz gestellt hat. Dieses Verbot der Schlechterstellung gilt sowohl innerhalb der einzelnen Gruppe eines Planbetroffenen als auch darüber hinaus (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Die Frage der Schlechterstellung setzt eine objektiv-wirtschaftliche Betrachtung voraus und verlangt nach einem Vergleich der ökonomischen Situation des Schuldners ohne Restrukturierungsplan und mit einem solchen Plan. Die Prüfung der Schlechterstellung erzwingt daher eine Vergleichsrechnung mit und ohne Restrukturierungsplan. Der Gesetzgeber hat deshalb bereits im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans eine solche Vergleichsrechnung als zwingenden Inhalt vorgesehen (§ 6 Abs. 2 StaRUG). 4.

Die Vergleichsrechnung

15 Der Vergleichsrechnung als zwingendem Bestandteil des darstellenden Teils des Restrukturierungsplans kommt die tragende Funktion bei der Entscheidung über den Minderheitenschutz zu. Es ist daher nicht gänzlich bedenkenfrei, dass der Gesetzgeber die Einzelheiten der Vergleichsrechnung und der Vergleichsbasis nur sehr rudimentär geregelt hat.4) Formaler Ausgangspunkt kann der Gliederungsvorschlag aus dem IDW Standard S 25) zum Insolvenzplan sein. Danach ergibt sich als Vergleichsrechnung: I. Voraussichtliche Ergebnisse bei Nichtannahme des Plans 1. Voraussichtlicher weiterer Verlauf 2. Ergebnisse für die Gläubiger je Gruppe II. Ergebnis bei Annahme des Plans 1. Darstellung des weiteren Geschäftsverlaufs 2. Ergebnisse für die Gläubiger je Gruppe 3. Ergebnisse für Arbeitnehmer. ___________ 4) Frind, ZInsO 2021, 1093, 1097. 5) IDW Standard, Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW S 2), Stand: 18.11.2019, IDW Life 1/2020, S. 45.

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§ 36

Minderheitenschutz, Rechtsmittel

Weder das Gesetz noch eine solche formale Gliederung geben aber darüber Auskunft, welche 16 denkbaren Szenarien des weiteren ökonomischen Verlaufs einander gegenüberzustellen sind. Anders als im Insolvenzverfahren kann man im StaRUG-Verfahren als Szenario nicht die Fortführung des Unternehmens dem Scheitern des Plans und der daraus folgenden Liquidation des Unternehmens unter Insolvenzbedingungen gegenüberstellen. Vielmehr gibt es hier eine größere Zahl von Alternativen, die beim Scheitern des StaRUG-Verfahrens denkbar sind: 

In Betracht kommt der Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens oder eines Insolvenzplanverfahrens,



ebenso in Betracht kommt die Unternehmensfortführung mit dem schuldnereigenen Versuch der privatautonomen Überwindung der drohenden Zahlungsunfähigkeit.



Eine weitere Möglichkeit wäre die (außergerichtliche) Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens als Ganzes oder in aufgespaltenen Teilen.



Denkbar wäre auch ein weiterer Anlauf zu einem zweiten StaRUG-Verfahren (eventuell mit anderen Planbetroffenen), wobei der Prognosezeitraum von 24 Monaten für die Einschätzung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit zeitlichen Spielraum gibt.



Ebenso in Betracht kommt als Alternative eine stille Liquidation.

Im Rahmen einer Vergleichsrechnung gibt es also eine größere Auswahl für eine Vergleichs- 17 basis. Wird im Restrukturierungsplan eine Fortführung des Unternehmens vorgesehen, so verlangt § 6 Abs. 2 Satz 2 StaRUG, dass bei Ermittlung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger ohne Plan ebenfalls von einer Fortführung des Unternehmens auszugehen ist. Der Schuldner soll sich also nicht auf der Basis von Liquidationswerten arm rechnen können. Die größere Anzahl von Alternativen als Vergleichsbasis für die vorzunehmende Vergleichs- 18 rechnung führt dazu, dass zwischen den verschiedenen Fortführungsszenarien abzuwägen ist, welche Alternative als nächstbester Weg nach dem gescheiterten Bestätigungsverfahren in Betracht kommt. Bei dieser Abwägung muss eine Liquidation an letzter Stelle stehen. Sie setzt voraus, dass weder eine privatautonome Unternehmensfortführung noch eine Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens als Ganzes oder in aufgespaltenen Teilen in Betracht kommt und dass auch Bemühungen um ein erneutes StaRUG-Verfahren chancenlos erscheinen. Teil der Vergleichsrechnung ist zwingend eine vollständige Darstellung der vorhandenen 19 Werte und der wertbestimmenden Faktoren im Bereich des Schuldners. Es dürfen in die Vergleichsrechnung nur generierbare Werte eingestellt werden. Die angegebenen einzelnen Vermögenswerte müssen auf Nachfrage erläuterbar und überprüfbar sein.6) In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine überfallartig wirkende Anzeige nach § 31 StaRUG die Planbetroffenen in große Schwierigkeiten führen kann. Zu verlangen ist deshalb eine transparente Vorbereitung der Basis für eine Vergleichsrechnung. Dazu gehört je nach Einzelfall eine vom Schuldner eingeholte valide Unternehmensbewertung mit einer Marktchancenanalyse für das schuldnerische Unternehmen.7) Insgesamt sind die Verteidigungsmöglichkeiten des Antragstellers eines Minderheiten- 20 schutzes gemäß § 64 StaRUG durchaus eingeschränkt. Seine Möglichkeiten der Überprüfung einer vorgelegten Vergleichsrechnung werden zeitlich und inhaltlich an Grenzen stoßen. Der Gedanke liegt daher nahe, dem Planbetroffenen als wirksamstes Mittel zu empfehlen, den gesamtem Restrukturierungsplan an seiner Grundvoraussetzung scheitern zu lassen, ___________ 6) AG Köln v. 15.5.2019 – 72 IN 269/17, NZI 2019, 711 = ZInsO 2019, 1754. 7) Frind, ZInsO 2021, 1093, 1099.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

indem er die zentrale Zugangsschwelle, also die drohende Zahlungsunfähigkeit, erfolgreich bestreitet. Diese Argumentation bedeutet, die Behauptung aufzustellen, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit noch nicht vorliegt8) oder dass die Schwelle zur eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist.9) 21 Die Suche nach der jeweils nächstbesten Alternative zu einer Vergleichsrechnung auf der Basis des Restrukturierungsplans wird in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen. Erforderlich ist dabei eine möglichst einfache und schnelle Bewertungsmethode.10) Wie diese Methode praktisch durchzuführen ist, ist umstritten.11) Im Ergebnis wird man den möglichen (fiktiven) Kaufpreis, der sich aus einer Unternehmensbewertung ableiten lässt, mit dem ökonomischen Ergebnis des Planbetroffenen bei einer Umsetzung des Restrukturierungsplans vergleichen müssen. 5.

Prognoseentscheidung

22 Das Restrukturierungsgericht wird gemäß § 64 Abs. 1 StaRUG die Bestätigung des Plans versagen, wenn der Antragsteller durch den Plan „voraussichtlich“ schlechtergestellt wird. Das wirft für das Gericht die Frage nach dem Beweismaß auf. Ausgangspunkt ist gemäß § 38 StaRUG i. V. m. § 286 Abs. 1 ZPO die Forderung, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit der behaupteten Tatsachen gewinnt (Regelbeweismaß). Allerdings enthält die Vergleichsrechnung zur Ermittlung einer möglichen Schlechterstellung des Antragstellers eine Prognoseentscheidung. Das Wort „voraussichtlich“ betont den Prognosecharakter dieser Entscheidung. Die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit des Ergebnisses der Vergleichsrechnung und ihrer Vergleichsbasis liegt also in der Zukunft. Die Überzeugung des Richters liegt bei einer Prognose in der heutigen Einschätzung eines Sachverhalts mit der Gefahr künftiger Veränderungen der Entwicklung. Das in § 64 StaRUG geltende Regelbeweismaß bedeutet daher, dass der Richter aus heutiger Sicht den Eintritt künftiger Ereignisse bejaht.12) 23 An dieser Feststellung von der richterlichen Überzeugung ändert es nichts, dass der Richter die relevanten Umstände von Amts wegen zu ermitteln hat (§ 39 Abs. 1 StaRUG). Die Pflicht des Schuldners, Auskünfte zu erteilen und das Gericht bei der Amtsermittlung zu unterstützen (§ 39 Abs. 2) macht aber deutlich, dass der Schuldner gehalten ist, eine fundierte Begründung für den Restrukturierungsplan und für die Behauptung abzugeben, der Antragsteller sei nicht schlechtergestellt. Der Schuldner trägt im Hinblick auf seinen Antrag und seine Inanspruchnahme der Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 Abs. 1 StaRUG) also die Darlegungslast für die Voraussetzungen des Antrags. 24 Kommt das Gericht aufgrund der Darlegungen des Schuldners zu dem Ergebnis, die Nichtschlechterstellung des Antragstellers sei wahrscheinlicher als die Schlechterstellung, geht allerdings die subjektive Beweislast auf den Antragsteller über. Er muss dann gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 StaRUG glaubhaft machen, dass der Plan ihn schlechterstellt. Glaubhaftmachung bedeutet insoweit, dass der Antragsteller durch den Plan mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schlechtergestellt wird.13) Auch das setzt eine substantiierte Darlegung voraus. Die Amtsermittlung des Gerichts gestattet es diesem dabei, alle präsenten Beweismittel heranzuziehen (§ 294 ZPO). Daher kommen Zeugen, Sachverständige, Urkunden sowie eine ___________ Vgl. AG Köln v. 3.3.2021 – 83 RES 1/21, ZRI 2021, 377 = NZI 2021, 433 m. Anm. Thole. Vgl. Fiebig, ZRI 2021, 561, 565. Langer/Wolf in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 14 Rz. 35. Fendel in: Braun, StaRUG, § 64 Rz. 9; Langer/Wolf in: Morgen, StaRUG, § 64 Rz. 74 ff.; Knapp in: Flöther, StaRUG, § 64 Rz. 31 ff.; Skauradszun in: Fridgen, StaRUG, § 64 Rz. 20 ff. 12) Prütting in: MünchKomm-ZPO, § 286 Rz. 47. 13) Vgl. Prütting in: MünchKomm-ZPO, § 294 Rz. 24.

8) 9) 10) 11)

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Minderheitenschutz, Rechtsmittel

Parteivernehmung in Betracht. Im Zweifel wird das Restrukturierungsgericht mangels eigener Sachkunde jedoch einen Sachverständigen beiziehen müssen. Dazu bietet sich nach dem Gesetz die Bestellung eines Restrukturierungbeauftragten an, damit dieser Prüfungen im Hinblick auf § 64 Abs. 1 StaRUG als Sachverständiger vornimmt (§ 73 Abs. 3 StaRUG). 6.

Zulässigkeit des Antrags

Der Minderheitenschutz des § 64 StaRUG setzt zwingend den Antrag eines Planbetrof- 25 fenen voraus. Ein Verfahren zum Minderheitenschutz von Amts wegen gibt es nicht. Der Antragsteller muss seine Schlechterstellung behaupten (siehe oben Rz. 14, 24). Er muss geltend machen, dass er ein Planbetroffener ist (vgl. § 7 Abs. 1 StaRUG). Er muss also die Rechtsstellung als Inhaber einer Restrukturierungsforderung, einer Absonderungsanwartschaft oder die Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten oder aus Anteils- oder Mitgliedschafsrechten aufweisen, die durch den Plan geändert werden sollen. Weiterhin setzt der Antrag gemäß § 64 Abs. 2 StaRUG voraus, dass der Antragsteller bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen und damals schon geltend gemacht hat, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er ohne Plan stünde. Hält das Gericht seine Behauptung der Schlechterstellung nach Prüfung von Amts wegen 26 nicht für überwiegend wahrscheinlich, muss der Antragsteller seine Behauptung glaubhaft machen (Abs. 2 Satz 2). Auch wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss das Gericht den Antrag gemäß § 64 Abs. 3 StaRUG abweisen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans eine Nachbesserungsklausel oder eine Vorsorgeklausel enthalten ist, um eine nachgewiesene Schlechterstellung auszugleichen. Dabei ergibt sich aus Absatz 3 Satz 2, dass die Abweisung des Antrags nicht davon abhängt, ob die bereitgestellten Mittel an den Antragsteller ausgekehrt werden. Es genügt, dass eine Nachbesserungs- oder Vorsorgeklausel existiert, die einen konkreten Betrag benennt und als ausreichende Kompensation in Aussicht stellt. Eine Antragsfrist für den Minderheitenschutz kennt das Gesetz nicht. Daher ist der Antrag 27 bis zur Verkündung der Bestätigungsentscheidung durch das Gericht zulässig. 7.

Wertverlust für Absonderungsanwartschaften

Hat der Schuldner gegen den Inhaber einer Absonderungsanwartschaft eine Stabilisierungs- 28 anordnung (also eine Vollstreckungs- oder Verwertungssperre gemäß § 49 Abs. 1 StaRUG) erwirkt, die den Inhaber des Rechts an der Verwertung hindert, so bleiben Minderungen im Wert der Anwartschaft, die sich während der Dauer der Anordnung ergebe, für die Bestimmung der Stellung des Berechtigten ohne Plan außer Betracht, es sei denn, die Wertminderung hätte sich auch ohne Anordnung ergeben. Diese Regelung gilt nicht für den Fall einer Verwertungssperre, bei der ein durch die Nutzung des Schuldners eingetretener Wertverlust durch Zahlung an den Gläubiger gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ausgeglichen wird. 8.

Rechtsfolge

Hat der Antragsteller gemäß § 64 StaRUG einen zulässigen Antrag auf Minderheitenschutz 29 gestellt und seine voraussichtliche Schlechterstellung glaubhaft gemacht oder hat das Gericht gemäß § 63 StaRUG die Bestätigung des Plans von Amts wegen versagt, so entscheidet das Restrukturierungsgericht durch Beschluss, dass die Bestätigung zu versagen ist. Die Entscheidung wird verkündet (§ 65 Abs. 1 StaRUG), ebenso ergeht die Entscheidung, die den Restrukturierungsplan bestätigt, durch einen Beschluss, der unter Bekanntgabe des Planinhalts verkündet wird (§ 65 Abs. 2 StaRUG). Der Beschluss ist nach allgemeinen Regeln zu begründen und zu protokollieren (§ 38 StaRUG i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO sowie § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog, da ein Rechtsmittel statthaft ist). Prütting

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§ 36 9.

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Hinweispflichten

30 § 64 Abs. 4 StaRUG enthält zum Schutz der Planbetroffenen drei verschiedene Hinweispflichten. Danach muss 

erstens im Planangebot besonders auf das Erfordernis der Geltendmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan im Abstimmungsverfahren hingewiesen werden, wenn weder eine Versammlung der Planbetroffenen (§ 20 StaRUG) noch ein Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 45 StaRUG) stattgefunden hat. Andernfalls gelten die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 64 Abs. 2 Satz 1 nicht.



Zweitens muss im Einberufungsschreiben besonders auf das Erfordernis der Geltendmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan im Abstimmungsverfahren hingewiesen werden, wenn eine Versammlung der Planbetroffenen stattgefunden hat. Andernfalls gelten auch in diesem Fall die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 64 Abs. 2 Satz 1 nicht.



Drittens wird vom Antragsteller die Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung (§ 64 Abs. 2 Satz 2) nur verlangt, wenn in der Ladung zu einem gerichtlichen Erörterungsund Abstimmungstermin auf das Erfordernis der Glaubhaftmachung besonders hingewiesen wurde. Diese Regelung läuft leer, wenn das Gericht es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass eine Schlechterstellung des Antragstellers nicht gegeben ist.

III.

Rechtsmittel und Rechtsbehelf

1.

Rechtsmittelbegriff

31 Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfragen sind im Insolvenzrecht und vergleichbar im Restrukturierungsrecht sehr eigenständig geregelt. Grundnormen sind § 40 StaRUG sowie § 6 InsO. Angesprochen wird vom Gesetzgeber in allen Fällen nur die sofortige Beschwerde, nicht die Rechtsbeschwerde oder andere Rechtsmittel oder Rechtsbehelfsmöglichkeiten. 32 Das deutsche Recht geht von einem engen Rechtsmittelbegriff aus. Kennzeichen sind danach der Suspensiveffekt (Aufschub des Eintritts der formellen Rechtskraft) und der Devolutiveffekt (Entscheidung über das Rechtsmittel in der höheren Instanz).14) Nach diesem engen Rechtsmittelbegriff kennt das deutsche Recht nur drei Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde). Fehlt eines der genannten Merkmale, sprechen wir im weiteren Sinn von Rechtsbehelfen (Erinnerung, Widerspruch, Einspruch, Gegenvorstellung, Dienstaufsichtsbeschwerde). 2.

Die Regelung im StaRUG

33 Wie im Insolvenzrecht geht der Gesetzgeber auch im Restrukturierungsrecht von dem Grundgedanken aus, Verzögerungen durch Rechtsmittel möglichst zu vermeiden. Daher macht § 40 Abs. 1 StaRUG (wie § 6 InsO) deutlich, dass Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Restrukturierungsgerichts ausgeschlossen sind (Grundsatz). In Betracht kommen sie nur in den Einzelfällen, in denen das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Das StaRUG kennt weder Berufung noch Revision und auch keine sonstigen Rechtsbehelfe. In vier besonderen Fällen ist jedoch die sofortige Beschwerde ausdrücklich vorgesehen und damit für statthaft erklärt: 

Wird eine Restrukturierungssache durch das Restrukturierungsgericht von Amts wegen aufgehoben, kann sich der Schuldner dagegen mit der sofortigen Beschwerde wenden (§ 33 Abs. 4 StaRUG).

___________ 14) Gerken in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Vor § 511 Rz. 1 ff.

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§ 36

Minderheitenschutz, Rechtsmittel 

Beantragt der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung (§ 49 Abs. 1 StaRUG) und weist das Gericht den Antrag zurück, so steht dem Schuldner gegen den Zurückweisungsbeschluss die sofortige Beschwerde offen (§ 51 Abs. 5 Satz 2 StaRUG).



Im Falle des Verfahrens der Planbestätigung entscheidet das Gericht durch Beschluss und kann dabei den Plan bestätigen oder die Bestätigung ablehnen. In beiden Fällen sieht § 66 Abs. 1 StaRUG eine sofortige Beschwerde vor, im Fall der Planbestätigung für jeden Planbetroffenen, im Fall der Ablehnung der Bestätigung für den Schuldner.



Schließlich kennt das StaRUG die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73 – 83 StaRUG). Wird dieser Beauftragte gemäß § 75 Abs. 2 StaRUG aus wichtigem Grund vom Gericht aus dem Amt entlassen, so steht dem Beauftragten die sofortige Beschwerde offen (§§ 75 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). Möglich ist auch eine Entlassung auf Antrag (§ 75 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Wird dieser Antrag auf Entlassung vom Gericht abgelehnt, so steht dem Antragsteller wiederum die sofortige Beschwerde zu (§ 75 Abs. 3 Satz 2 StaRUG).

3.

Normzweck

Der Grundgedanke des § 40 StaRUG (Ausschluss aller Rechtsmittel, soweit nicht im Einzel- 34 fall ausdrücklich eingeräumt) und die engen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 66 StaRUG (vgl. § 66 Abs. 2 StaRUG zur Zulässigkeit) lassen deutlich erkennen, dass der Gesetzgeber auch im vorinstanzlichen Verfahrensbereich Rechtsmittel als Ausnahme ansieht und soweit als möglich die Entscheidung über die Planbestätigung von Verzögerungen freihalten will. Die gesetzgeberische Wertung im Insolvenzverfahren (§ 6 InsO) und im präventiven Restrukturierungsrahmen unterliegt also einem einheitlichen Normzweck. 4.

Die sofortige Beschwerde nach § 66 Abs. 1 StaRUG

§ 66 Abs. 1 StaRUG eröffnet gegen eine Entscheidung über die Planbestätigung die sofortige 35 Beschwerde, regelt also ihre Statthaftigkeit. Die grundlegenden Fragen der allgemeinen Zulässigkeit sowie der funktionellen Zuständigkeit ergeben sich aus § 38 StaRUG, der auf die §§ 567 – 572 ZPO verweist. Die Beschwerdegründe sind in § 66 StaRUG ebenso wenig wie in den §§ 567 ff. ZPO genannt. Aus § 38 StaRUG i. V. m. § 571 Abs. 2 ZPO lässt sich aber entnehmen, dass die Beschwerdeinstanz eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz ist. Das Beschwerdegericht überprüft die Tatsachen und alle Rechtsverletzungen. Insoweit gilt der Rechtsgedanke des § 513 ZPO (ohne seine Einschränkung bei der Tatsachenprüfung). Im konkreten Fall prüft daher das Beschwerdegericht neben den Tatfragen, ob eine Vorschrift des Planbestätigungsverfahrens gemäß §§ 60-65 StaRUG verletzt ist. Die funktionelle Zuständigkeit ergibt sich aus § 72 Abs. 1 GVG. Da das Restrukturierungs- 36 gericht stets das Amtsgericht ist (§ 34 Abs. 1 StaRUG), ist Beschwerdegericht in allen Fällen das Landgericht. Rechtsmittelführer kann im Fall der Planbestätigung jeder Planbetroffene sein, im Fall der Ablehnung der Planbestätigung kann es nur der Schuldner sein (Beschwerdebefugnis). Ein Abhilfeverfahren, wie es in der allgemeinen Beschwerde gemäß § 572 Abs. 1 Satz 2 ZPO 37 vorgesehen ist, findet im Fall des § 66 StaRUG nicht statt (§ 66 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG). 5.

Zulässigkeit

Das Gesetz regelt in § 66 Abs. 2 StaRUG nur drei besondere Gründe der Zulässigkeit. 38 Die allgemeinen Zulässigkeitsmerkmale ergeben sich aus den §§ 567 ff. ZPO. Adressat der Beschwerde ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 StaRUG stets das Restrukturierungsgericht, nicht

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§ 36

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

das Beschwerdegericht (so aber § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Frist zur Einlegung ist eine Notfrist und beträgt zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese Frist beginnt mit der Verkündung der angegriffenen Entscheidung (§ 40 Abs. 2 StaRUG). Für die Berechnung der Frist gilt § 222 ZPO. 39 Die Beschwerde wird durch eine schriftliche Beschwerdeschrift eingereicht (§ 569 Abs. 2 ZPO). Sie muss die angefochtene Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Beschwerde eingelegt wird (§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Einreichung unterliegt nicht dem Anwaltszwang (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Einreichung der Beschwerde ist auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle möglich (§ 569 Abs. 1 Satz 3 ZPO). 40 Gemäß § 66 Abs. 2 StaRUG muss der Beschwerdeführer dem Plan im Abstimmungsverfahren widersprochen haben, weiterhin gegen den Plan gestimmt haben und glaubhaft machen, dass er durch den Plan schlechtergestellt wird,15) sowie dass kein Fall von § 64 Abs. 3 StaRUG vorliegt. 41 Die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine Beschwer aufweist.16) Die allgemeinen Voraussetzungen einer formellen Beschwer (beim Antragsteller) sowie einer materiellen Beschwer (beim Antragsgegner) sind allerdings durch § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG sehr stark eingeschränkt. Greift ein Planbetroffener die Bestätigungsentscheidung an, so muss er glaubhaft machen, dass er durch den Plan wesentlich schlechtergestellt wird als er ohne den Plan stünde. In diesem Fall reicht eine andere materielle Beschwer nicht aus.17) Im Beschwerdeverfahren muss daher der planbetroffene Beschwerdeführer seine Schlechterstellung substantiiert darlegen und zur überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Gerichts beweisen. Die Anforderungen an Darlegung und Beweisführung des Planbetroffenen sind dadurch noch deutlich verschärft, dass es nunmehr nicht genügt, dass er darlegt, er werde durch den Plan „voraussichtlich“ schlechtergestellt. Vielmehr muss er darlegen und beweisen, dass die Schlechterstellung sicher gegeben sei und dass sie „wesentlich“ sei. Hierdurch wird das mögliche Störpotential durch einzelne Planbetroffene erheblich reduziert. 42 Das Gesetz sagt nichts darüber aus, wann die Schwelle der Wesentlichkeit überschritten ist. Hier wird man sicherlich die Rechtsprechung zum gleichartig geregelten § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO heranziehen können. Danach soll die Grenze der Wesentlichkeit dort liegen, wo die Abweichung vom Wert, den der Antragsteller ohne Plan erhielte, bei 10 % liegt.18) 6.

Hinweispflichten

43 § 66 Abs. 3 StaRUG enthält im Anschluss an die Hinweispflichten des § 64 Abs. 4 StaRUG spezielle Hinweispflichten zum Schutz des planbetroffenen Beschwerdeführers, die die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 66 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StaRUG abmildern. Danach muss auf die Notwendigkeit des Widerspruchs gegen den Plan (Abs. 2 Nr. 1) sowie auf die erforderliche Ablehnung des Plans (Abs. 2 Nr. 2) im Einberufungsschreiben oder in der Ladung zum Termin ausdrücklich hingewiesen werden. Hatte weder eine Versammlung der Planbetroffenen noch ein Erörterungs- und Abstimmungstermin stattgefunden, so muss dieser Hinweis im Planangebot enthalten gewesen sein.

___________ 15) 16) 17) 18)

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LG Dresden v. 1.7.2021 – 5 T 363/21, ZIP 2021, 2596 = ZRI 2021, 868, dazu EWiR 2022, 87 (Harig). BGH v. 14.9.2017 – I ZB 9/17, Rz. 8, NJW-RR 2018, 384. Fendel in: Braun, StaRUG, § 66 Rz. 9. Kebekus/Wehler in: Graf-Schlicker, InsO, § 253 Rz. 2.

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§ 36

Minderheitenschutz, Rechtsmittel 7.

Aufschiebende Wirkung

Die sofortige Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Zu diesem Grundsatz gibt 44 es in § 570 ZPO eine besondere Regelung für das allgemeine Beschwerdeverfahren. Auch § 66 Abs. 4 StaRUG enthält für das Planbestätigungsverfahren eine Sonderregel, die ebenfalls vom Grundsatz ausgeht, dass keine aufschiebende Wirkung eintritt. Auf Antrag des Beschwerdeführers kann jedoch das Gericht eine aufschiebende Wirkung anordnen. Dies setzt voraus, dass der Vollzug des Restrukturierungsplans mit schwerwiegenden, insbesondere nicht rückgängig zu machenden Nachteilen für den Beschwerdeführer einhergeht, die außer Verhältnis zu den Vorteilen des sofortigen Planvollzugs stehen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der „schwerwiegenden“ sowie der „nicht rückgängig zu machenden Nachteile“, die „außer Verhältnis zu den Vorteilen“ des Planvollzugs stehen, verdeutlichen, dass der Gesetzgeber unter allen Umständen den sofortigen Planvollzug durchsetzen will. Ein erfolgreicher Antrag des Beschwerdeführers dürfte voraussetzen, dass er im Falle der Ablehnung unter Existenzgefährdung steht.19) 8.

Sofortige Zurückweisung

Nach § 66 Abs. 5 Satz 1 StaRUG weist das Beschwerdegericht die Beschwerde gegen die 45 Bestätigung des Restrukturierungsplans auf Antrag des Schuldners unverzüglich zurück, wenn die alsbaldige Rechtskraft der Planbestätigung vorrangig erscheint, weil die Nachteile eines verzögerten Planvollzugs die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen. Hier verlangt das Gesetz nicht, dass „schwerwiegende“ Nachteile beim Schuldner vorliegen, es genügt, dass die Nachteile des Schuldners die Nachteile des Beschwerdeführers überwiegen. Im Fall der sofortigen Zurückweisung nach § 66 Abs. 5 Satz 1 StaRUG gibt das Gesetz dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf Schadensersatz (§ 66 Abs. 5 Satz 3 StaRUG). Der Schadensersatzanspruch ist beim Landgericht anhängig zu machen, das die Beschwerde zurückgewiesen hat (ausschließliche Zuständigkeit). Der Schadensersatz ist in Geld zu leisten. Eine Naturalrestitution scheidet aus (§ 66 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2 StaRUG). An die Regelung der sofortigen Zurückweisung nach § 66 Abs. 5 Satz 1 StaRUG und an 46 den Ausschluss des Abhilfeverfahrens am Ende von Satz 1 schließt sich in § 66 Abs. 5 Satz 2 StaRUG die Einschränkung an: „Dies gilt nicht, wenn ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt.“ Die inhaltliche Reihung in Satz 1 und 2 ist missglückt. Die Ausnahme des schweren Rechtsverstoßes kann sich sprachlich auf die sofortige Zurückweisung in Satz 1 oder auf den Ausschuss des Abhilfeverfahrens in Halbs. 2 oder auf beides beziehen. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung wird man § 66 Abs. 5 Satz 2 StaRUG auf beide Aussagen des Satzes 1 beziehen können. Sowohl die sofortige Zurückweisung als auch ein verweigertes Abhilfeverfahren erscheinen höchst problematisch, wenn das Beschwerdegericht einen Rechtsverstoß von solchem Gewicht und solcher Bedeutung feststellt, dass seine Korrektur dringlich erscheint. Angesprochen sind verfassungsrelevante Verstöße (Verletzung des rechtlichen Gehörs, Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters) oder Verstöße, die man früher unter der Rubrik der greifbaren Gesetzwidrigkeit erfassen wollte.20) 9.

Rechtsbeschwerde

Das StaRUG sieht gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts keine Rechtsbeschwerde 47 vor. Es folgt damit den Vorgaben der InsO, die den früheren § 7 InsO zur Rechtsbeschwerde ersatzlos gestrichen hat. Allerdings ist auch hier § 38 StaRUG zu beachten, der auf die all___________ 19) Zu den Konsequenzen einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde vgl. Jungmann, ZIP 2022, 253. 20) Vgl. dazu BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924, und BVerfG v. 16.1.2007 – 1 BvR 2803/06, NJW 2007, 2538.

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§ 36

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

gemeine Regelung der Rechtsbeschwerde in § 574 ZPO verweist. Danach ist auch hier eine Rechtsbeschwerde statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht in seinem Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Diese Zulassung setzt eine grundsätzliche Bedeutung oder die Möglichkeit einer Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung voraus (§ 574 Abs. 3 ZPO). 10.

Sonstige Rechtsbehelfe

48 Außerhalb der sofortigen Beschwerde sind für die Beteiligten eines StaRUG-Verfahrens form- und fristlose Rechtsbehelfe wie die Gegenvorstellung und die Dienstaufsichtsbeschwerde denkbar. Unabhängig von der häufig zitierten Fruchtlosigkeit solcher Rechtsbehelfe ist aber zu bedenken, dass der Gesetzgeber bereits die sofortige Beschwerde in ihrem Umfang in ungewöhnlicher Weise eingeschränkt hat. So wird davon gesprochen, dass sich § 66 StaRUG wie ein Instrumentarium zur schrittweisen Verhinderung von Rechtsmitteln liest.21) Vor diesem Hintergrund kann man ausschließen, dass weitergehende Rechtsbehelfe in einem StaRUG-Verfahren Bedeutung gewinnen können. 11.

Verfassungsbeschwerde

49 Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts nach § 66 Abs. 5 Satz 1 StaRUG ist eine Verfassungsbeschwerde möglich, sofern der Rechtsweg erschöpft ist.22)

___________ 21) Fendel in: Braun, StaRUG, § 66 Rz. 1; Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2167. 22) Skauradszun in: Skauradszun/Fridgen, StaRUG, § 66 Rz. 92.

840

Prütting

§ 37 Wirkungen des bestätigten Plans Pleister/Raschke

I. II. III. 1. 2.

Parallelität zu Regelungen der InsO ........ 1 Erfasste Restrukturierungspläne............... 2 Zeitpunkt des Eintritts der Wirkungen ...... 6 Gesetzliche Regelung................................... 6 Eintritt der Wirkungen bei konsensualen Plänen............................................................ 8 3. Eintritt der Wirkungen bei bedingten Plänen.......................................................... 10 4. Eintritt der vollstreckungsrechtlichen Wirkungen .................................................. 11 5. Risiken bei Vollzug vor Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ...................... 12 6. Erfasste Regelungen................................... 17 IV. Auslegung des Planes ............................... 19 V. Formelle Wirkungen ................................ 23 1. Heilung von Willens- und Verfahrensmängeln....................................................... 23 2. Formwirksamkeit von im Plan enthaltenen Erklärungen...................................... 29 2.1 Anwendungsbereich ...................... 30 2.2 Dingliche Erklärungen .................. 34 2.3 Beschlüsse und sonstige Willenserklärungen .................................... 38 2.4 Ladungen und Bekanntmachungen ..................................... 40 2.5 Verpflichtungserklärungen ........... 42 VI. Materielle Wirkungen .............................. 44 1. Keine Novation bestehender Forderungen ............................................... 44 2. Fortbestand erlassener Forderungen als Naturalobligation.................................. 45 3. Zulässigkeit von Aufrechnungen mit erlassenen Forderungen ...................... 50 VII. Personeller Wirkungsbereich ................. 54 1. Wirkungen für den Schuldner ................... 54 2. Wirkungen für planbetroffene Gläubiger.... 57 2.1 Planbetroffene Gläubiger.............. 57 2.2 Widersprechende und nicht abstimmende Gläubiger ................ 59 2.3 Ordnungsgemäße Beteiligung ...... 60 2.4 Verjährungshemmung ................... 65 3. Wirkungen für Neukreditgeber................. 66

4. 5.

Wirkungen für Gesellschafter ................... 68 Haftungsbefreiung persönlich haftender Gesellschafter (§ 67 Abs. 2 StaRUG) ....... 72 6. Wirkungen für das Registergericht ........... 80 VIII. Drittsicherheiten.................................... 84 1. Wirkungen für Drittsicherungsgeber........ 85 2. Gruppeninterne Sicherheiten .................... 91 IX. Übererfüllung von Forderungen ............ 92 X. Ausschluss Differenzhaftung beim Debt Equity Swap ............................ 95 XI. Wiederaufleben, Nichterfüllung des Plans ..................................................... 99 1. Überblick und Anwendungsbereich ......... 99 2. Erheblicher Rückstand des Schuldners mit der Erfüllung...................................... 100 2.1 Relevante Planregelungen ........... 101 2.2 Erfasste Restrukturierungsforderungen ................................. 104 2.3 Erheblicher Erfüllungsrückstand... 106 2.4 Wiederaufleben ............................ 112 3. Insolvenz vor vollständiger Planerfüllung.................................................... 116 4. Abweichende Regelungen........................ 123 XII. Behandlung von streitigen Forderungen und Ausfallforderungen ........... 124 1. Planwirkungen für streitige Forderungen (§ 70 Abs. 1 StaRUG)................. 125 2. Zahlung zur Vermeidung eines Wiederauflebens (§ 70 Abs. 2 StaRUG) ............. 130 3. Ausgleichszahlungen nach endgültiger Feststellung (§ 70 Abs. 3 und 4 StaRUG)................................................... 135 XIII. Vollstreckung aus dem Plan................ 140 1. Überblick.................................................. 140 2. Vollstreckung gegen den Schuldner (§ 71 Abs. 1 StaRUG).............................. 141 3. Vollstreckung gegen Dritte (§ 71 Abs. 2 StaRUG).............................. 145 4. Vollstreckung nach Wiederaufleben (§ 71 Abs. 3 StaRUG).............................. 150 5. Ersetzung bisheriger Vollstreckungstitel (§ 71 Abs. 4 StaRUG) ...................... 152

Literatur: Bork, Neue Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZRI 2021, 345; Brünkmans/GreifWerner, Die Prüfung gesellschaftsrechtlicher Regelungen im Insolvenzplan durch Insolvenzgericht und Registergericht, ZInsO 2015, 1585; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Hofmann, Der Restrukturierungsplan im künftigen deutschen Restrukturierungsverfahren – Restrukturierungs- vs. Insolvenzplan?, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 22; Madaus, Die (begrenzte) Insolvenzfestigkeit des Restrukturierungsplans, der Planleistungen sowie unterstützender Rechtshandlungen während der Restrukturierungssache, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35; Ringelspacher/Ruch, Der Restrukturierungsplan – Das Herzstück des StaRUG-Entwurfs im Überblick, ZRI 2020, 636.

Pleister/Raschke

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§ 37 I.

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Parallelität zu Regelungen der InsO

1 Die Regelungen des StaRUG1) zu den Wirkungen des Restrukturierungsplans sind stark an den Regelungen der InsO zum Insolvenzplan angelehnt. Erwägungen und Rechtsprechung sind daher in vielerlei Hinsicht auch auf die Regelungen zum Restrukturierungsplan übertragbar. Abweichungen ergeben sich allerdings dort, wo dies infolge der Besonderheiten des Restrukturierungsverfahrens erforderlich ist. Solche Erfordernisse resultieren insbesondere daraus, dass es sich bei dem Restrukturierungsverfahren anders als bei Insolvenzverfahren nicht um ein Kollektivverfahren handelt. Stattdessen obliegt es dem Schuldner zu entscheiden, welche Gläubiger mit welchen Forderungen in das Verfahren einbezogen werden. Die vom Schuldner zu treffende Auswahl muss dabei sachgerecht (§ 8 StaRUG) sowie zur nachhaltigen Überwindung der drohenden Zahlungsunfähigkeit geeignet sein (§ 29 Abs. 1 StaRUG).2) II.

Erfasste Restrukturierungspläne

2 Die Regelungen des StaRUG hinsichtlich der Wirkungen des Restrukturierungsplanes setzen grundsätzlich einen gerichtlich bestätigten Plan voraus. Die Bestätigung erfordert einen entsprechenden Antrag des Schuldners, § 60 StaRUG. 3 Für nicht gerichtlich bestätigte Restrukturierungspläne gelten die Regelungen der §§ 67 ff. StaRUG hingegen lediglich punktuell. Zwar können auch nicht bestätigte Restrukturierungspläne grundsätzlich Wirkungen entfalten. Dies ist dann der Fall, wenn die planbetroffenen Gläubiger den Restrukturierungsplan einstimmig angenommen haben oder wenn der Plan entgegen der Vermutungsregel des § 18 StaRUG gegenüber den zustimmenden Gläubigern auch dann Wirkungen entfalten soll, wenn nicht alle Gläubiger zustimmen. Diese Wirkungen fußen dann aber ausschließlich auf vertragsrechtlicher Grundlage. Ohne zusätzliche gerichtliche Bestätigung sind die Regelungen der §§ 67 ff. StaRUG auf solche Pläne grundsätzlich nicht anwendbar. Insbesondere eine Bindung opponierender Gläubiger ist ausschließlich nach gerichtlicher Planbestätigung möglich. Aber auch der Ausschluss von Rückgriffsrechten seitens Mitschuldnern und Bürgen, § 67 Abs. 3 Satz 2 StaRUG, greift im Falle eines Planes ohne gerichtliche Bestätigung nicht. Ein solcher Eingriff lässt sich ohne Eingreifen der gerichtlichen Kontrollfunktion nicht rechtfertigen. 4 Eine gerichtliche Planbestätigung dürfte in der Regel nicht nur für den Schuldner, sondern auch für die Gläubiger sinnvoll sein. So setzt z. B. der Anfechtungsausschluss für i. R. des Planvollzuges erhaltene Leistungen in § 90 Abs. 1 StaRUG eine solche voraus. Auch der Ausschluss der Differenzhaftung in § 67 Abs. 5 StaRUG im Falle eines Debt Equity Swaps greift nur im Falle einer gerichtlichen Bestätigung. Letztlich gelten auch die Vollstreckungserleichterungen des § 71 StaRUG ausschließlich für rechtskräftig gerichtlich bestätigte Pläne. Gläubiger sollten daher auf Aufnahme einer Regelung im Restrukturierungsplan drängen, die eine gerichtliche Bestätigung zur Bedingung der Wirksamkeit des Planes macht. 5 Unklar sind hingegen die Wirkungen des § 69 StaRUG zum Wiederaufleben gestundeter oder erlassener Forderungen bei erheblichem Rückstand des Schuldners oder Eintritt einer Insolvenz. Eine Anwendung dieser Regelung ausschließlich auf gerichtlich bestätigte Re___________ 1)

2)

842

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Soweit gerichtliche Zwangseingriffe einschließlich einer gerichtlichen Bestätigung des Restrukturierungsplans erfolgen sollen, vgl. Bork, ZRI 2021, 345, 348.

Pleister/Raschke

§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

strukturierungspläne erscheint nicht sachgerecht. Hier ist nicht ersichtlich, warum planbetroffene Gläubiger eines konsensualen Restrukturierungsplanes ohne gerichtliche Bestätigung weniger schutzwürdig sein sollten. Diese Regelung findet daher trotz ihrer systematischen Stellung auch auf Restrukturierungspläne ohne gerichtliche Bestätigung Anwendung (siehe dazu unten Rz. 46 f.). Gleiches gilt für die Anordnung der Formwirksamkeit von im Plan enthaltenen Erklärungen nach § 68 StaRUG. Diese ist ebenfalls auf konsensuale Pläne ohne gerichtliche Bestätigung anzuwenden (siehe dazu unten Rz. 30 ff.). III.

Zeitpunkt des Eintritts der Wirkungen

1.

Gesetzliche Regelung

Die Wirkungen des Restrukturierungsplanes treten bereits im Zeitpunkt seiner Bestäti- 6 gung ein, § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. Dies weicht von der Regelung des § 254 Abs. 1 InsO zum Insolvenzplan ab, welche den Eintritt der Wirkungen erst an die Rechtskraft der Planbestätigung knüpft. Diese Abweichung beruht auf Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 der Restrukturierungsrichtlinie3), die für Rechtsmittel gegen den Planbestätigungsbeschluss eine aufschiebende Wirkung nicht vorsieht. Dementsprechend entfaltet auch eine gegen den Bestätigungsbeschluss erhobene sofortige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Eine solche muss bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 Abs. 4 StaRUG stattdessen explizit durch das Gericht angeordnet werden. Damit sollen Verzögerungen bei der Planumsetzung und damit eine Gefährdung des Erfolgs der Restrukturierung weitestmöglich vermieden werden.4) Die Planwirkungen treten damit bereits mit Verkündung des gerichtlichen Bestäti- 7 gungsbeschlusses ein. Diese erfolgt nach § 65 Abs. 1 StaRUG entweder direkt im Erörterungs- und Abstimmungstermin (sofern ein solcher stattgefunden hat), in einem Anhörungstermin nach § 61 StaRUG oder in einem gesonderten Verkündungstermin.5) 2.

Eintritt der Wirkungen bei konsensualen Plänen

Nicht eindeutig im Gesetz geregelt erscheint der Zeitpunkt der Wirksamkeit eines ein- 8 stimmig angenommenen Restrukturierungsplanes, der auch gerichtlich bestätigt wird. Machen die Planregelungen den Eintritt der Wirkungen nicht explizit von einer gerichtlichen Bestätigung abhängig oder sind diese aus anderen Gründen so auszulegen, dass die Wirksamkeit des Planes eine gerichtliche Bestätigung nicht voraussetzt,6) so treten die Wirkungen abweichend von § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG bereits im Zeitpunkt der Zustimmung aller Planbetroffenen ein.7) Diese Wirkung basiert dann ausschließlich auf vertragsrechtlicher Grundlage. Dies korrespondiert mit dem Zeitpunkt des Wirkungseintritts eines konsensualen Planes bei welchem der Schuldner keinen Antrag auf gerichtliche Planbestätigung stellt. Da es sich hierbei um ein fakultatives Element des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG) handelt, ist der Schuldner zu einer solchen Antragstellung nicht verpflichtet. ___________ 3)

4) 5) 6) 7)

Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 164. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 164. Z. B., weil dies im Hinblick auf Drittsicherheiten erforderlich ist, vgl. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 4; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 15. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 14.

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§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

9 Die Wirkungen eines konsensualen Planes sind ohne gerichtliche Bestätigung jedoch auf das vertraglich Vereinbarte begrenzt. Darüberhinausgehende Wirkungen greifen erst bei Vorliegen einer Planbestätigung. Das gilt z. B. für den Erlass von Regressansprüchen von Mitschuldnern oder Bürgen nach § 67 Abs. 3 Satz 2 StaRUG (jedenfalls sofern diese nicht selbst als Planbetroffene einbezogen wurden) oder für die anfechtungsrechtlichen Privilegierungen nach § 90 Abs. 1 StaRUG. Für konsensuale, gerichtlich bestätigte Pläne sind daher zwei verschiedene Wirkungszeitpunkte relevant. 3.

Eintritt der Wirkungen bei bedingten Plänen

10 Sofern der Restrukturierungsplan Bedingungen enthält, von deren Eintritt die Wirksamkeit einzelner oder aller Regelungen im Plan abhängt, so ist dies zulässig und steht § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG nicht entgegen. Dies bedeutet auch keinen Widerspruch zur Restrukturierungsrichtlinie.8) Wie beim Insolvenzplan sind auch hier allerdings Bedingungen für die Regelungen im Plan i. S. von § 158 BGB und Bedingungen für die Planbestätigung zu unterscheiden. Im letzteren Fall ist der Bedingungseintritt Voraussetzung für die gerichtliche Planbestätigung. Bei Bedingungen i. S. von § 158 BGB kann eine Planbestätigung hingegen auch vor Bedingungseintritt bereits erfolgen. Bei der Aufnahme von Bedingungen i. S. von § 158 BGB ist jedoch die Bedingungsfeindlichkeit bestimmter Rechtsgeschäfte, insbesondere gesellschaftsrechtlicher Beschlüsse, zu beachten.9) 4.

Eintritt der vollstreckungsrechtlichen Wirkungen

11 Seine Wirkung als Titel mit der damit einhergehenden Vollstreckbarkeit erlangt der Restrukturierungsplan hingegen erst mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses, § 71 Abs. 1 StaRUG.10) Titel von Planbetroffenen, die bereits vor Bestätigung oder Rechtskraft des Restrukturierungsplanes ergangen sind, verlieren ihre Vollstreckbarkeit auch erst mit Rechtskraft des Beschlusses, § 71 Abs. 4 StaRUG. Schutz gegen die Vollstreckung aus bereits existierenden Titeln kann der Schuldner bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich i. R. einer Stabilisierungsanordnung erlangen. 5.

Risiken bei Vollzug vor Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses

12 Die Anknüpfung der Wirkungen des Restrukturierungsplanes bereits an den Bestätigungsbeschluss, ohne dass dieser bereits rechtskräftig sein muss, birgt gewisse Vollzugsrisiken und wirft auch rechtstechnische Fragen auf. Sollte der Bestätigungsbeschluss infolge einer erhobenen Beschwerde aufgehoben werden, entfiele damit die Wirksamkeit der im Plan vorgesehenen Maßnahmen. Nicht geregelt ist, zu welchem Zeitpunkt die Wirkung entfällt. Hier kommt entweder ein rückwirkender Wegfall oder ein Wegfall im Zeitpunkt der Aufhebung des Beschlusses in Betracht. Dogmatisch dürfte hier eine mit dem Institut der Anfechtung von Willenserklärungen vergleichbare Situation bestehen. Die wirksame Anfechtung einer Willenserklärung vernichtet diese mit rückwirkender Kraft, § 142 Abs. 1 BGB. Dementsprechend gelten auch im Plan enthaltene Willenserklärungen mit Aufhebung des Beschlusses als von Anfang an nicht wirksam. Eine im Plan erlassene Forderung gilt in diesem Fall als von Anfang an nicht erlassen. 13 Eventuelle Zinsen sind damit auch für den Zeitraum zwischen gerichtlicher Planbestätigung und Aufhebung des Bestätigungsbeschlusses zu entrichten. Hingegen dürfte es für die Annahme eines Verzuges des Schuldners in diesem Zeitraum am Vertretenmüssen ___________ 8) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 3. 9) Vgl. dazu Brünkmans in: Brünkmans/Thole, Hdb. Insolvenzplan, § 8 Rz. 448. 10) Bauch in: Braun, StaRUG, § 67 Rz. 3.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

fehlen. Verzug kann damit erst (wieder) mit Aufhebung des Bestätigungsbeschlusses eintreten. Bereits vorgenommene Umsetzungsmaßnahmen wären im Fall der Aufhebung des Bes- 14 tätigungsbeschlusses wieder rückgängig zu machen. Dies gilt z. B. für bereits im Handelsregister eingetragene gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, wie z. B. Kapitalerhöhungen. Das Handelsregister ist im Fall der Beschlussaufhebung entsprechend zu berichtigen. In diesem Zusammenhang geleistete Zahlungen sind grundsätzlich auf bereicherungsrechtlicher Grundlage an den Inferenten zurückzuerstatten. Tritt mit Beschlussaufhebung jedoch die Insolvenz der Gesellschaft ein, z. B. weil die positive Fortführungsprognose entfällt, wären entsprechende Rückzahlungen unzulässig bzw. im Fall einer Ausführung anfechtbar. Die Umsetzung von Kapitalmaßnahmen bereits vor Rechtskraft des gerichtlichen Bestätigungsbeschlusses birgt für den Inferenten daher ein nicht unerhebliches Risiko. Dieser wird seine Leistungspflicht daher in der Regel von der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses abhängig machen. Die Regelung der Restrukturierungsrichtlinie sowie des § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, welche eine Vermeidung von Verzögerungen bei der Planumsetzung bezwecken, erweisen sich an dieser Stelle als ungenügend. Im Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde durch das Ge- 15 richt gemäß § 66 Abs. 4 StaRUG entfallen die Wirkungen des Planes mit der Anordnung zunächst ebenfalls. Auch in diesem Fall sind z. B. auf eine im Plan vorgesehene Kapitalerhöhung bereits geleistete Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet, sodass dem Inferenten ein Bereicherungsanspruch zusteht. Wird die Beschwerde letztlich zurückgewiesen, treten die Wirkungen des Planes im Zeitpunkt der Zurückweisung ein. Eine rückwirkende Wirkungserstreckung dürfte hingegen nicht in Betracht kommen. 16 Die Einlage wurde somit bereits vor Wirksamkeit des Einlagebeschlusses geleistet. Tatsächlich eingelegt wird in solchen Fällen der Voreinzahlung nicht der Zahlungsbetrag, sondern die bestehende Bereicherungsforderung. Es handelt sich mithin um eine Sacheinlage und nicht um eine Bareinlage. Der Wert der Bereicherungsforderung ist i. R. der Anrechnungslösung (§ 19 Abs. 4 GmbHG) auf die Einlageverpflichtung anzurechnen.11) Damit kommt es für die Erfüllung der Einlagepflicht auf die Werthaltigkeit der Bereicherungsforderung im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister an. Bleibt diese hinter der Höhe der Einlageverpflichtung zurück, haftet der Inferent für die Differenz, §§ 56 Abs. 2, 19 Abs. 4, 9 GmbHG. Allerdings wird im Fall der Zurückweisung einer Beschwerde gegen den Planbestätigungsbeschluss regelmäßig von einer Werthaltigkeit der Bereicherungsforderung auszugehen sein. Schließlich ist es gerade Ziel des Planes, die bestehende Krisensituation zu beseitigen. Eine Differenzhaftung wird daher nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Eine Haftungsprivilegierung, insbesondere entsprechend § 67 Abs. 5 StaRUG zum Debt Equity Swap, gibt es hingegen nicht. Sollte die Bereicherungsforderung daher ausnahmsweise nicht voll werthaltig sein, ist der Inferent auf Basis der Differenzhaftung zur Erbringung des Fehlbetrages verpflichtet. 6.

Erfasste Regelungen

Wirkungen entfalten ausschließlich die im gestaltenden Teil des Restrukturierungspla- 17 nes enthaltenen Regelungen, §§ 67 Abs. 1 Satz 1, 7 StaRUG. Welche Rechtsverhältnisse gestaltet werden können regelt § 2 StaRUG. Der gestaltende Teil eines Restrukturierungsplanes wird häufig Regelungen zum Erlass oder zur Stundung von Forderungen, zum Umgang mit Absonderungsrechten und gruppeninternen Drittsicherheiten oder zur An___________ 11) Vgl. zum Thema der Voreinzahlung Raschke/Warneke in: HambKomm-RestruktR, Teil 1 Abschn. 4, Rz. 205 ff.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

passung von Einzelbestimmungen in mehrseitigen Rechtsverhältnissen12) enthalten. Diese werden grundsätzlich mit gerichtlicher Bestätigung des Restrukturierungsplanes wirksam. Im darstellenden Teil enthaltene Regelungen entfalten hingegen keine Wirkungen. Sie können allenfalls zur Auslegung der Regelungen im gestaltenden Teil herangezogen werden. 18 Soweit neben den entsprechenden Willenserklärungen zur Wirksamkeit einzelner Rechtsgeschäfte noch zusätzliche Vollzugsakte erforderlich sind, müssen diese noch durchgeführt werden. Der Plan ersetzt diese nicht. Dies betrifft z. B. konstitutive Eintragungen im Handelsregister bei bestimmten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, wie Kapitalmaßnahmen oder sonstigen Satzungsänderungen, oder die zur Übereignung von Grundstücken erforderliche Eintragung im Grundbuch. Die entsprechenden Rechtsänderungen treten auch erst mit Vollzug dieser zusätzlichen konstitutiven Umsetzungsakte ein.13) IV.

Auslegung des Planes

19 Auf die im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplanes enthaltenen Erklärungen sind die Regelungen über Willenserklärungen anzuwenden, sofern sich aus §§ 19 ff. StaRUG nichts anderes ergibt.14) Dies folgt aus der Qualifikation des Restrukturierungsplanes als mehrseitiges (kollektives) Rechtsgeschäft.15) Jedenfalls für den Restrukturierungsplan ohne gerichtliche Bestätigung liegen diese Qualifikation und die Anwendung der Regelungen über Willenserklärungen auf der Hand. Eine abweichende Behandlung des Restrukturierungsplanes für den Fall einer gerichtlichen Bestätigung erschiene inkonsistent. Anwendung finden daher insbesondere die Regelungen der §§ 133, 157 BGB zur Auslegung von Willenserklärungen.16) 20 Dies gilt jedenfalls für nicht vollstreckbare Teile des Planes.17) Für vollstreckbare Teile sind der jeweilige Wortlaut und ergänzend die weiteren Ausführungen des Planes maßgebend.18) 21 Zu beachten sind zudem im StaRUG konkret vorgesehene Auslegungsregeln. So ist ein Planangebot gemäß § 18 StaRUG im Zweifel so zu verstehen, dass es unter der Bedingung der Zustimmung aller Planbetroffenen oder der gerichtlichen Bestätigung des Plans steht. Soll ein Restrukturierungsplan im Zweifel auch nur mit den zustimmenden Gläubigern zustande kommen, so ist dies ausdrücklich im Restrukturierungsplan vorzusehen. 22 Entsprechendes gilt gemäß § 11 StaRUG für den Eintritt einer Erlasswirkung bei Restrukturierungsforderungen. Sieht der Plan nicht explizit den Erlass der einbezogenen Forderungen zu einem früheren Zeitpunkt vor, so erfolgt dieser erst mit Befriedigung der Gläubiger entsprechend den Regelungen des Restrukturierungsplanes. Im Zeitraum zwischen Wirksamkeit des Planes und Befriedigung der Gläubiger besteht eine Durchsetzungssperre für die betroffenen Forderungen.19)

___________ 12) 13) 14) 15) 16)

Vgl. § 2 Abs. 2 StaRUG. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 30. Desch, BB 2020, 2498, 2503. Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 36. Zum Insolvenzplan: BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 26, ZIP 2015, 1346 – trotz Einordnung des Insolvenzplanes nicht als Vertrag im herkömmlichen Sinne, sondern als spezifisch insolvenzrechtliches Instrument. 17) Hofmann, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 22, 23; zum Insolvenzplan: BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 26, ZIP 2015, 1346. 18) Hofmann, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 22, 23. 19) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 12.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans V.

Formelle Wirkungen

1.

Heilung von Willens- und Verfahrensmängeln

§ 67 Abs. 6 StaRUG enthält eine Heilungsvorschrift für Mängel im Verfahren der Planab- 23 stimmung sowie für Willensmängel bei Planangebot und Planannahme. Dies soll Rechtssicherheit für den Schuldner und für Planbetroffene schaffen.20) Ein rechtskräftig bestätigter Restrukturierungsplan kann wegen solcher Mängel nicht mehr angegriffen werden. Eine Entsprechung im Insolvenzplanrecht findet diese Regelung nicht. Gleichwohl ist eine Heilungswirkung des rechtskräftigen Bestätigungsbeschlusses auch dort allgemein anerkannt.21) Mit § 67 Abs. 6 StaRUG hat der Gesetzgeber dies für den Restrukturierungsplan explizit geregelt. Die Heilungswirkung tritt erst mit Rechtskraft des gerichtlichen Bestätigungsbeschlus- 24 ses ein, § 67 Abs. 6 StaRUG, nicht bereits mit der Bestätigung selbst. Dies führt zu einem gewissen Spannungsverhältnis mit § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, welcher den Eintritt der Wirkungen des Planes bereits an die gerichtliche Bestätigung knüpft. Das gilt auch bei Vorliegen entsprechender Willens- oder Verfahrensmängel. Dies ist jedoch durch die i. R. der Bestätigung erfolgende gerichtliche Kontrolle gerechtfertigt, die gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG auch Vorschriften über die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplanes sowie über die Annahme des Planes umfasst. Planbetroffene können Willens- und Verfahrensmängel bereits im Vorfeld der Planbestätigung gegenüber dem Restrukturierungsgericht geltend machen, um die Bestätigung des Planes zu verhindern. Das Vorliegen solcher Mängel ist zudem – bei Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen – i. R. der Begründetheit einer nach § 66 StaRUG erhobenen sofortigen Beschwerde zu prüfen.22) Von der Heilungswirkung erfasst werden sowohl Mängel im Verfahren der Planabstim- 25 mung als auch Willensmängel bei Planangebot und -annahme. Regelungen zum Verfahren der Planabstimmung finden sich in §§ 17 ff. StaRUG. In Betracht kommen dabei z. B. Fristmängel, Ladungsmängel oder Mängel im Abstimmungsverfahren. § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG bleibt hiervon jedoch unberührt. Danach entfaltet der Restrukturierungsplan keine Wirkungen für Gläubiger, die nicht ordnungsgemäß am Abstimmungsverfahren beteiligt wurden, wenn sie gegen den Plan gestimmt oder an der Abstimmung nicht teilgenommen haben. § 67 Abs. 6 StaRUG führt nicht zu einer Wirkungserstreckung auf diese Gläubiger. Die Heilungswirkung des § 67 Abs. 6 StaRUG findet ihre Grenzen im personellen Wirkungsbereich des Planes nach § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG.23) Willensmängel bei Planangebot und Planannahme erfassen insbesondere Willensmängel 26 gemäß §§ 116 ff. BGB24) sowie Mängel der Vertretungsbefugnis25). Eine Anfechtung wegen Willensmängeln nach §§ 119 ff. BGB ist nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses damit ausgeschlossen.26) Zuvor kann eine erfolgte Anfechtung i. R. einer zulässigen sofortigen Beschwerde geltend gemacht werden.

___________ 20) 21) 22) 23) 24)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 166. Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rz. 9; Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 13. Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 66 Rz. 46 f. So auch Bauch in: Braun, StaRUG, § 67 Rz. 16. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 25; abweichend für Anfechtung nach § 123 BGB: Bauch in: Braun, StaRUG, § 67 Rz. 17. 25) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 24. 26) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 56.

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§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

27 Zur – gesetzlich nicht kodifizierten – Heilungswirkung von Insolvenzplänen wird allgemein angenommen, dass diese auch inhaltliche Mängel des Planes erfasst.27) Eine Grenze findet dies dort, wo Regelungen jeder gesetzlichen Grundlage entbehren oder an einem offensichtlichen und schwerwiegenden Fehler leiden. Das erfasst z. B. Regelungen, welche die gesetzlich vorgeschriebene Haftungsverfassung von Gesellschaftsformen ändern oder Dritten Verpflichtungen auferlegen, denen diese nicht zugestimmt haben.28) Solche Regelungen sind nichtig. Andere inhaltliche Fehler sind mit Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplanes hingegen nicht mehr angreifbar. 28 Anders als für Willens- und Verfahrensmängel hat der Gesetzgeber in § 67 Abs. 6 StaRUG eine Heilung für inhaltliche Mängel des Restrukturierungsplanes jedoch nicht vorgesehen. Daher stellt sich die Frage, ob eine Heilung hier in Abweichung von der zu Insolvenzplänen bestehenden allgemeinen Auffassung nicht erfolgen soll. Das erscheint allerdings nicht sachgerecht. Dogmatische Grundlage einer solchen Heilungswirkung ist hier wie da die materielle Rechtskraft des gerichtlichen Bestätigungsbeschlusses29). Dies gilt unabhängig von einer expliziten gesetzlichen Regelung. Die Möglichkeit der späteren Geltendmachung inhaltlicher Fehler würde diese Rechtskraft in unzulässiger Weise durchbrechen. Die Heilungswirkung erfasst daher auch inhaltliche Mängel des Restrukturierungsplanes.30) Ausgenommen sind wie im Insolvenzplanrecht nichtige Regelung im Restrukturierungsplan. Diese entfalten keine Wirkung. Eine Gesamtnichtigkeit des Restrukturierungsplanes folgt hieraus hingegen nicht. § 139 BGB findet hier keine Anwendung.31) 2.

Formwirksamkeit von im Plan enthaltenen Erklärungen

29 § 68 StaRUG fingiert die Formwirksamkeit der im Restrukturierungsplan enthaltenen Willenserklärungen und Beschlüsse. Ersetzt werden damit neben der Schriftform insbesondere eine erforderliche notarielle Beurkundung oder Beglaubigung. Daneben gelten nach § 68 Abs. 2 Satz 2 StaRUG gesellschaftsrechtlich erforderliche Ladungen, Bekanntmachungen und sonstige Maßnahmen als in der vorgeschriebenen Form bewirkt, sodass diese gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse durch die verfahrensrechtlichen Vorgaben des StaRUG ersetzt werden. 2.1

Anwendungsbereich

30 Die systematische Stellung des § 68 im Unterabschnitt „Wirkungen des bestätigten Plans; Überwachung der Planerfüllung“ legt eine Anwendbarkeit ausschließlich auf gerichtlich bestätigte Restrukturierungspläne nahe. Konsensuale, nicht bestätigte Restrukturierungspläne wären damit nicht erfasst. Die Regelung entspricht im Wesentlichen § 254a InsO. Infolge seiner Ausgestaltung als Kollektivverfahren kennt die InsO einen Insolvenzplan ohne gerichtliche Beteiligung nicht. Die Frage der Formwirksamkeit von Willenserklärungen in konsensualen Plänen ohne gerichtliche Bestätigung ist daher ein auf das Restrukturierungsverfahren beschränktes Problem.

___________ U. a. Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rz. 9; Spahlinger in: KPB, InsO, § 254 Rz. 6a m. w. N. Spahlinger in: KPB, InsO, § 254 Rz. 6a f. m. w. N. Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 13. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 25; wohl auch Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 56. 31) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 25; zum Insolvenzplan: Spahlinger in: KPB, InsO, § 254 Rz. 6a; BGH v. 7.5.2015 – IX ZB 75/14, Rz. 27, ZIP 2015, 1346.

27) 28) 29) 30)

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Wirkungen des bestätigten Plans

Für eine Anwendbarkeit der Formvorschrift ausschließlich auf gerichtlich bestätigte 31 Restrukturierungspläne könnte neben der systematischen Stellung des § 68 StaRUG ein Blick auf § 127a BGB sprechen. Nach dieser Norm kann eine erforderliche notarielle Beurkundung durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich ersetzt werden. Dieser Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass eine dem Notar obliegende Aufklärungs- und Beratungsfunktion auch durch ein Gericht gewahrt werden kann.32) Die Einbeziehung eines Gerichtes in die Willensbildung bzw. -kundgabe erfolgt im Restrukturierungsverfahren jedoch allenfalls bei gerichtlicher Planabstimmung nach § 45 StaRUG. Dass eine solche durchgeführt wird ist allerdings weder nach dem Wortlaut des § 68 StaRUG für die angeordnete Formersetzung erforderlich noch wird dies durch dessen systematische Stellung nahegelegt. Als möglicher Anknüpfungspunkt käme hiernach allenfalls die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplanes in Betracht. Einer Aufklärungs- und Beratungsfunktion und damit einem Übereilungsschutz wird al- 32 lerdings durch die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplanes kaum genüge getan sein. Sofern nicht ein gerichtliches Planabstimmungsverfahren durchgeführt wird, erfolgt die Abgabe der entsprechenden Willenserklärungen allein gegenüber dem Schuldner und nicht in Anwesenheit des Gerichtes. Die ggf. nachfolgende gerichtliche Bestätigung des Planes vermag eine solche Aufklärung und Beratung und folglich einen Übereilungsschutz dann nicht mehr zu gewährleisten. Die gerichtliche Prüfung erschöpft sich in der inhaltlichen Prüfung sowie der verfahrensmäßigen Behandlung des Plans. Hinsichtlich der abgegebenen Willenserklärungen hat das Restrukturierungsgericht lediglich zu prüfen, ob diese wirksam abgegeben wurden. Aufklärung, Beratung und Übereilungsschutz sind damit nicht verbunden. Vermag aber auch die gerichtliche Bestätigung die mit einer notariellen Beurkundung be- 33 absichtigten Schutzzwecke der Aufklärung und Beratung und den damit verbundenen Schutz vor Übereilung nicht zu erreichen, ist nicht erklärbar, warum die Fiktion des § 68 StaRUG dann an diese gerichtliche Bestätigung anknüpfen soll. Auch der Wortlaut des § 68 StaRUG setzt eine gerichtliche Bestätigung des Planes nicht voraus. Im Ergebnis erscheint es daher naheliegender, § 68 StaRUG auch auf konsensuale, nicht gerichtlich bestätigte Restrukturierungspläne anzuwenden. Um Risiken in diesem Zusammenhang zu vermeiden dürfte es in der Praxis allerdings ratsam sein, vorsorglich auch bei konsensualen Plänen eine gerichtliche Bestätigung zu beantragen. 2.2

Dingliche Erklärungen

Absatz 1 des § 68 StaRUG fingiert die Formwirksamkeit zunächst soweit Rechte an 34 Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben und soweit Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abgetreten werden sollen. Diese Regelung entspricht § 254a Abs. 1 InsO zum Insolvenzplan und erfasst dingliche Erklärungen bzw. Verfügungen. Der Begriff Verfügung ist dabei weit zu verstehen und betrifft alles, was Gegenstand von Rechten sein kann,33) neben beweglichen Vermögensgegenständen und Grundstücken mithin auch immaterielle Gegenstände wie Forderungen, Anteile, Immaterialgüterrechte und sonstige Vermögensrechte.34) Beispiele, in denen insbesondere die vorgeschriebene notarielle Beurkundung durch den Restrukturierungsplan ersetzt wird, sind u. a. Erklärungen betreffend Grundstücke, wie z. B. die Auflassungserklärung ___________ 32) Wendtland in: BeckOK-BGB, § 127a Rz. 1. 33) Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 254a Rz. 4. 34) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 68 Rz. 3; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 68 Rz. 3; Bauch in: Braun, StaRUG, § 68 Rz. 3.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

nach § 925 Abs. 1 BGB,35) und Erklärungen zur Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH nach § 15 Abs. 3 GmbHG. 35 Erfasst werden ausschließlich im Restrukturierungsplan aufgenommene Willenserklärungen.36) Erklärungen, die zwar anlässlich, aber außerhalb des Planes abgegeben werden, sind in der jeweils vorgeschriebenen Form abzugeben. § 68 StaRUG greift insoweit nicht. 36 Soweit noch weitere Vollzugs- oder Publizitätsakte erforderlich sind, um die gewünschte Rechtsänderung herbeizuführen, solche Akte also konstitutiv sind, sind diese noch gesondert vorzunehmen.37) Die beabsichtigte Rechtsänderung tritt dann nicht bereits mit Wirksamkeit des Planes ein, sondern erst mit Vornahme dieser Vollzugs- bzw. Publizitätsakte. Dies gilt bspw. für die Eintragung einer beschlossenen Kapitalerhöhung im Handelsregister, für die Eintragung im Grundbuch bei Rechtsänderungen an Grundstücken oder für die Besitzübertragung bei Übereignung beweglicher Vermögensgegenstände. Insoweit erforderliche Willenserklärungen, wie z. B. eine Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO, können hingegen bereits in den Restrukturierungsplan aufgenommen werden.38) Der Nachweis i. S. des § 29 GBO erfolgt sodann durch Vorlage des gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplanes in beglaubigter Form. Ein Rechtskraftvermerk ist hingegen nicht erforderlich, da der Plan bereits mit gerichtlicher Bestätigung seine Wirkungen entfaltet, § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG.39) 37 Im Fall eines konsensualen Planes ohne gerichtliche Bestätigung wäre hingegen ein separater Nachweis der Eintragungsbewilligung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde zu erbringen. § 68 StaRUG fingiert diesen Nachweis nicht, da es hierbei nicht um die wirksame Abgabe einer solchen Willenserklärung geht, sondern lediglich um deren Nachweis. 2.3

Beschlüsse und sonstige Willenserklärungen

38 Für Beschlüsse und sonstige Willenserklärungen, die in den Restrukturierungsplan aufgenommen sind, regelt § 68 Abs. 2 Satz 1 StaRUG eine entsprechende Fiktion der vorgeschriebenen Form. Welche gesellschaftsrechtlichen Regelungen und damit insbesondere welche gesellschaftsrechtlichen Beschlüsse in den Restrukturierungsplan aufgenommen werden können, ergibt sich aus § 2 Abs. 3 sowie § 7 Abs. 4 StaRUG. Zulässig ist danach jede Regelung, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, insbesondere der Beschluss von Kapitalmaßnahmen, der Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung einer Abfindung an bisher am Schuldner beteiligte Personen, die nun ausscheiden. Ersetzt wird dabei insbesondere die notarielle Beurkundung, die im Zusammenhang mit vielen dieser Maßnahmen vorgesehen ist, z. B. § 53 GmbHG, § 130 AktG. 39 Die Regelung des § 68 Abs. 2 Satz StaRUG ist an § 254a Abs. 2 Satz 1 InsO angelehnt, weicht jedoch im Wortlaut zum Teil hiervon ab. Nach der Gesetzesbegründung ist zum einen berücksichtigt, dass anders als im Insolvenzverfahren nur ein Teil der Gläubiger planbetroffen ist. Die Auswahl der Planbetroffenen liegt grundsätzlich im Ermessen des Schuldners, muss allerdings sachgerecht sein, § 8 StaRUG. Zum anderen erfasst die Fiktion des § 68 Abs. 2 Satz 1 StaRUG Beschlüsse und sonstige Willenserklärungen auch dann, wenn Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht in den Restrukturierungsplan einbe___________ 35) 36) 37) 38) 39)

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Bauch in: Braun, StaRUG, § 68 Rz. 3. Ringelspacher/Ruch, ZRI 2020, 636, 637. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 68 Rz. 2; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 30, § 68 Rz. 6. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 68 Rz. 8. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 68 Rz. 2.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

zogen sind.40) Zu letzterem ist jedoch zunächst festzustellen, dass gesellschaftsrechtliche Beschlüsse nicht Bestandteil eines Restrukturierungsplanes sein können, ohne dass damit auch Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte einbezogen sind.41) Soweit sonstige Willenserklärungen betroffen sind, stellt sich die Frage, welche dies neben den Verfügungen gemäß § 68 Abs. 1 StaRUG und den Verpflichtungserklärungen nach § 68 Abs. 3 StaRUG noch sein sollen, wenn es nicht zu einer Einbeziehung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten kommt. Im Rahmen des § 254a Abs. 2 InsO, welcher ausschließlich im Fall der Einbeziehung entsprechender Rechte eingreift, geht es bei solchen sonstigen Willenserklärungen z. B. um Abtretungserklärungen betreffend Anteile, um Übernahmeerklärungen oder im Falle eines Debt Equity Swaps um Einbringungs- oder Verzichtserklärungen – mithin sämtlich Erklärungen, die einer Umsetzung der Änderung in den Anteils- bzw. Mitgliedschaftsrechten dienen.42) Diese sind auch von § 68 Abs. 2 Satz 1 StaRUG erfasst. Alle diese Fälle setzen jedoch eine Einbeziehung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten voraus. Ohne eine solche Einbeziehung ist i. R. des § 68 Abs. 1 Satz 1 StaRUG daher nicht ersichtlich, welche Art von Willenserklärungen von der Formfiktion erfasst sein soll. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Regelung für Fälle, in denen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht einbezogen werden, ein tatsächlicher Regelungsgehalt zukommt und die nach der Gesetzesbegründung angedachte Erweiterung des Anwendungsbereiches gegenüber § 254a Abs. 2 Satz 1 InsO damit zum Tragen kommt. 2.4

Ladungen und Bekanntmachungen

Nach § 68 Abs. 2 Satz 2 StaRUG gelten zudem gesellschaftsrechtlich erforderliche La- 40 dungen, Bekanntmachungen und sonstige Maßnahmen als in der vorgeschriebenen Form bewirkt. Das gesellschaftsrechtlich vorgeschriebene Verfahren wird damit von den verfahrensrechtlichen Vorgaben des StaRUG, insbesondere von den Regelungen zur Planabstimmung überlagert.43) Auch im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Maßnahmen sind über die entsprechenden 41 Beschlüsse oder Erklärungen hinausgehende konstitutive Vollzugs- und Publizitätsakte noch gesondert umzusetzen. Dies gilt z. B. für die Eintragung von Kapitalmaßnahmen im Handelsregister. Diese werden erst mit Umsetzung der jeweiligen Vollzugs- und Publizitätsakte wirksam. Die Formfiktion des § 68 Abs. 2 StaRUG lässt die Notwendigkeit der Umsetzung solcher weiteren konstitutiven Akte nicht entfallen. 2.5

Verpflichtungserklärungen

Letztlich wird nach § 68 Abs. 3 StaRUG die Einhaltung der vorgeschriebenen Form auch 42 für in den Restrukturierungsplan aufgenommene Verpflichtungserklärungen fingiert, denen Maßnahmen nach § 68 Abs. 1 und 2 StaRUG zugrunde liegen. Diese Regelung entspricht § 254a Abs. 3 InsO. Damit werden Verpflichtungserklärungen erfasst, welche die schuldrechtliche Causa für die dinglichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Rechtsgeschäfte nach § 68 Abs. 1 und 2 StaRUG bilden und somit Grundlage für deren Kondiktionsfestigkeit sind.44) Relevant wird diese Formfiktion z. B. bei Verpflichtungen zur Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen (§ 15 Abs. 3 GmbHG) und Verpflichtungen zur Übertragung von Grundstücken (§ 311 b BGB). ___________ 40) 41) 42) 43) 44)

Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 166. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 68 Rz. 5. Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254a Rz. 11. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 68 Rz. 7. Zum Insolvenzplan: Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254a Rz. 14 f.

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851

§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

43 § 68 Abs. 3 StaRUG ist jedoch weit zu verstehen. Erfasst werden nicht lediglich solche Verpflichtungserklärungen, „die einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2 zugrunde liegen“, sondern sämtliche damit in Zusammenhang stehende Erklärungen.45) Voraussetzung ist ein Bezug zu ohnehin vom Restrukturierungsplan erfassten Vermögensgegenständen, also insbesondere Restrukturierungsforderungen, Absonderungsanwartschaften sowie Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte, vgl. § 2 StaRUG. Erfasst werden damit z. B. auch Erklärungen, mit denen Planbetroffene neue Verpflichtungen übernehmen, z. B. neue Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Eine solche Verpflichtung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen und ist dem Restrukturierungsplan als Plananlage beizufügen. In diesem Fall ist die Formfiktion des § 68 Abs. 3 StaRUG auf die beigefügte Verpflichtungserklärung analog anzuwenden.46) Darüber hinaus werden auch dem Restrukturierungsplan beigefügte Verpflichtungserklärungen Dritter (§ 15 Abs. 3 StaRUG) von der Analogie der Fiktionswirkung des § 68 Abs. 3 StaRUG erfasst.47) Dies betrifft selbstverständlich nur tatsächlich abgegebene Willenserklärungen. Fehlende Erklärungen können über § 68 Abs. 3 StaRUG nicht geheilt werden.48) VI.

Materielle Wirkungen

1.

Keine Novation bestehender Forderungen

44 Wie beim Insolvenzplan führen Regelungen im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplanes in Bezug auf Rechte, die (teilweise) bestehen bleiben sollen, nicht zu einer Novation der betroffenen Forderungen, sondern lediglich zu einer Änderung der bestehenden Rechtsverhältnisse. Der Restrukturierungsplan schafft damit keinen neuen Schuldgrund. 2.

Fortbestand erlassener Forderungen als Naturalobligation

45 Im Rahmen des Restrukturierungsplans erlassene Forderungen bestehen als erfüllbare, nicht erzwingbare Naturalobligationen fort.49) Dies entspricht der geltenden Auffassung zu i. R. eines Insolvenzplanes erlassenen Forderungen.50) Soweit Forderungen erlassen sind, verlieren diese mit Wirksamkeit des Restrukturierungsplanes ihre Durchsetzbarkeit. Im Falle einer dennoch erfolgenden Leistung an den entsprechenden Gläubiger bildet eine solche Forderung den Rechtsgrund der Leistung. Ein Bereicherungsanspruch entsteht folglich nicht. Der Gläubiger ist nicht zur Rückerstattung von Leistungen verpflichtet, die er über das im Restrukturierungsplan festgelegte Maß hinaus erhalten hat. Dies ordnet § 67 Abs. 4 StaRUG explizit an. Diese Regelung entspricht der Parallelnorm des § 254 Abs. 3 InsO zum Insolvenzplan. 46 Unklar ist hingegen, ob dies auch im Fall eines konsensualen Restrukturierungsplanes gilt, bei dem der Schuldner keinen Antrag auf gerichtliche Bestätigung stellt. Für die Annahme, dass i. R. eines Insolvenzplans erlassene Forderungen als Naturalobligationen fortbestehen, stützt sich der BGH insbesondere auf einen Umkehrschluss aus §§ 254 Abs. 3, 255 Abs. 1 Satz 1 InsO.51) Das StaRUG enthält mit § 67 Abs. 4 und § 69 Abs. 1 ___________ 45) Zum Insolvenzplan: Spahlinger in: KPB, InsO § 254a Rz. 8. 46) Insgesamt hierzu zum Insolvenzplan: Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254a Rz. 15. 47) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 68 Rz. 16; zum Insolvenzplan – allerdings unter Annahme einer direkten Anwendung des § 254a Abs. 3 InsO – Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254a Rz. 16 f. 48) Bauch in: Braun, StaRUG, § 68 Rz. 17. 49) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 166. 50) Vgl. u. a. Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 21, sowie BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08, Rz. 8, NZI 2011, 538 = ZIP 2011, 1271; BGH v. 10.5.2012 – IX ZR 206/11, Rz. 9, NZI 2013, 84 = NJW-RR 2012, 1255. 51) BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08, Rz. 8, NZI 2011, 538 = ZIP 2011, 1271.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

Satz 1 entsprechende Regelungen. Diese Regelungen scheinen anhand ihrer systematischen Stellung in Teil 2 Kapitel 2 Unterabschnitt 2 des StaRUG „Wirkungen des bestätigten Plans; Überwachung der Planerfüllung“ allerdings lediglich für gerichtlich bestätigte Restrukturierungspläne zu gelten. In diesem Fall wäre ein Umkehrschluss wie vom BGH zu Insolvenzplänen vorgenommen, für konsensuale Restrukturierungspläne ohne gerichtliche Bestätigung nicht möglich. Gegen einen Fortbestand betroffener Forderungen als Naturalobligationen könnte zudem die vertragsrechtliche Grundlage der Wirkungen eines konsensualen Planes sprechen. Ein außerhalb eines Restrukturierungsvorhabens vereinbarter Forderungserlass ist in der Regel nicht dahingehend auszulegen, dass die erlassene Forderung als erfüllbare, aber nicht erzwingbare Naturalobligation fortbesteht. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Gläubigern im Falle von konsen- 47 sualen Restrukturierungsplänen ohne gerichtliche Bestätigung i. Ü. geltende Schutzmechanismen vorenthalten wollte. Ein vermindertes Schutzniveau für die Gläubiger i. R. solcher Pläne erscheint auch nicht gerechtfertigt. Das Schutzbedürfnis dieser Gläubiger ist nicht geringer als jenes der zustimmenden Gläubiger im Falle der Einholung einer gerichtlichen Planbestätigung. Im Falle einer gerichtlichen Planbestätigung gewährt der Gesetzgeber aber nicht nur den opponierenden Gläubigern, sondern auch den zustimmenden Gläubigern entsprechende Schutzmechanismen. Insbesondere § 69 Abs. 1 Satz 1 StaRUG, welcher ein Wiederaufleben von Forderungen bei erheblichem Erfüllungsrückstand des Schuldners vorsieht, gilt für sämtliche planbetroffene Gläubiger und ist nicht auf Gläubiger beschränkt, die gegen den Plan gestimmt haben. § 69 StaRUG schützt daher auch die zustimmenden Gläubiger. Es ist nicht erklärbar, warum dieser dann nicht auch auf konsensuale Pläne ohne gerichtliche Bestätigung anzuwenden sein sollte. Damit findet der vom BGH angenommene Umkehrschluss auch für konsensuale Pläne ohne gerichtliche Bestätigung einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Die Beschränkung der vertragsrechtlichen Möglichkeit zur Vereinbarung eines „echten“ Forderungserlasses i. R. eines Restrukturierungsplanes dürfte sich vorliegend mit der Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens rechtfertigen lassen und bereits an die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht gemäß § 31 StaRUG anknüpfen. Der Ausschluss einer Erstattungspflicht gilt allerdings nur bis zur Höhe der ursprüngli- 48 chen Forderungen. Für Leistungen, die über diese ursprüngliche Forderung hinausgehen fehlt es an einem Rechtsgrund, sodass i. H. der Differenz ein Bereicherungsanspruch besteht und der Gläubiger daher zur Erstattung verpflichtet ist. Zu welchem Zeitpunkt die überobligatorische Leistung erfolgt, insbesondere ob dies vor 49 oder nach gerichtlicher Bestätigung des Planes erfolgt, ist irrelevant. Eine Rückerstattungspflicht des betroffenen Gläubigers besteht in keinem Fall. Vor gerichtlicher Bestätigung hat der Restrukturierungsplan ggf. noch gar keine Wirkungen entfalten, sodass ein Forderungserlass ohnehin noch nicht greift. Bei einer Leistung nach gerichtlicher Bestätigung besteht die erlassene Forderung als Naturalobligation fort und bildet damit den Rechtsgrund der Leistung. Eine Begleichung von Forderungen über den im Plan vorgesehenen Betrag hinaus noch während der Rechtshängigkeit des Restrukturierungsvorhabens könnte jedoch mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers unvereinbar sein und damit ggf. eine Aufhebung des Verfahrens gemäß §§ 33 Abs. 3 Nr. 3, 32 StaRUG nach sich ziehen.52)

___________ 52) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 20.

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§ 37 3.

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Zulässigkeit von Aufrechnungen mit erlassenen Forderungen

50 Sofern Forderungen i. R. des Restrukturierungsplanes erlassen werden, kann der Gläubiger mit ihnen trotz des Fortbestandes als Naturalobligation nicht mehr aufrechnen. Dies folgt aus §§ 387, 390 BGB, wonach eine Aufrechnung das Bestehen einer durchsetzbaren Forderung voraussetzt53). Eine solche ist mit Erlass der Forderung im Restrukturierungsplan nicht mehr gegeben. 51 Zum Insolvenzplan hat der BGH jedoch entschieden, dass eine Aufrechnung mit im Insolvenzplan erlassenen Forderungen in Abweichung von den zivilrechtlichen Regelungen weiterhin möglich ist, sofern die Aufrechnungslage bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand.54) Er knüpft dabei an den in § 94 InsO vorgesehenen Schutz einer bei Insolvenzeröffnung bereits bestehenden Aufrechnungslage an. Die Regelung des § 94 InsO ist vor dem Hintergrund des Insolvenzverfahrens als Gesamtvollstreckungsverfahren zu verstehen, in welchem eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen grundsätzlich ausgeschlossen sein soll, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen. Ausgenommen von diesem grundsätzlichen Aufrechnungsausschluss sind lediglich die in §§ 94, 95 InsO explizit geregelten Ausnahmen. Der in § 94 InsO vorgesehene Schutz einer bei Insolvenzeröffnung bereits bestehenden Aufrechnungslage kann nach der Auffassung des BGH auch nicht durch Erlass der betroffenen Forderung im Insolvenzplan verloren gehen. Diese Rechtsprechung hat in der Literatur Widerspruch erfahren.55) Insbesondere wird dagegen angeführt, dass es eines solchen Schutzes nicht bedürfe, da der Gläubiger bereits über das Verbot der Schlechterstellung durch den Insolvenzplan (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO) hinreichend geschützt sei. 52 Eine § 94 InsO entsprechende Norm findet sich im StaRUG nicht. Dies ist konsequent, da das StaRUG anders als die InsO schon per se keine Einschränkungen der zivilrechtlichen Aufrechnungsregeln vorsieht. Dementsprechend war auch die Aufnahme einer Rückausnahme nicht erforderlich. Damit fehlt es für die Sichtweise des BGH zum Insolvenzplan im StaRUG an einer entsprechenden Anknüpfungsnorm, sodass sich ein Fortbestand der Aufrechnungsbefugnis entgegen den Regelungen der §§ 387, 390 BGB hier nicht analog begründen lässt.56) 53 Dies führt zu dem Ergebnis, dass Gläubiger durch einen Erlass im Restrukturierungsplan ihre Aufrechnungsbefugnis verlieren, während Gläubigern eine solche trotz Erlasses im Insolvenzplan erhalten bleibt. Dieses Ergebnis erscheint seltsam, sodass nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsprechung auch für in einem Restrukturierungsplan erlassene Forderungen den Fortbestand der Aufrechnungslage annehmen wird, wenn auch mit abweichender Begründung. Richtigerweise ist weder für den Insolvenzplan noch für den Restrukturierungsplan eine Abweichung von den zivilrechtlichen Aufrechnungsregeln erforderlich. Wie im Falle eines Insolvenzplanes sind entsprechende Gläubiger auch bei einem Restrukturierungsplan i. R. des Minderheitenschutzes nach § 64 StaRUG vor einer Schlechterstellung durch den Plan geschützt. Dieser Schutz ist ausreichend und bedarf keiner zusätzlichen Aufrechterhaltung der Aufrechnungsbefugnis.

___________ 53) 54) 55) 56)

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Vgl. dazu u. a. Schlüter in: MünchKomm-BGB, § 387 Rz. 36. BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08, NZI 2011, 538 = ZIP 2011, 1271. U. a. Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO § 254 Rz. 22. So auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 11 Rz. 32.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans VII. Personeller Wirkungsbereich 1.

Wirkungen für den Schuldner

Die im Restrukturierungsplan vorgesehenen Regelungen entfalten grundsätzlich mit gericht- 54 licher Bestätigung des Planes Wirkungen für den Schuldner (zu den Einzelheiten siehe vorstehend Rz. 6 ff.). Soweit Gläubiger i. R. des Planes auf einbezogene Forderungen verzichten, bestehen diese jedoch als Naturalobligationen fort und sind Rechtsgrund für geleistete Zahlungen, sodass im Falle von Leistungen über das im Restrukturierungsplan vorgesehene Maß hinaus ein Bereicherungsanspruch des Schuldners nicht besteht, vgl. § 67 Abs. 4 StaRUG (siehe dazu vorstehend Rz. 45 ff.). Gemäß § 11 Satz 1 StaRUG ist ein entsprechender Verzicht auf Forderungen auch dann 55 anzunehmen, wenn dies im Plan nicht explizit geregelt und stattdessen lediglich festgelegt ist, welchen Teil der Schuldner auf die einbezogenen Forderungen noch zu leisten hat. § 11 Satz 1 StaRUG dient damit, wie seine Parallelregelung § 227 Satz 1 InsO, als Auslegungshilfe für den Restrukturierungsplan. In der Praxis ist allerdings von der Aufnahme konkreter Regelungen zum Verzicht im Plan auszugehen. Dies schon deshalb, weil anderenfalls unsicher wäre, zu welchem Zeitpunkt die erklärten Verzichte wirken. Zu § 227 Satz 1 InsO ist der Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit umstritten. Während nach überwiegender Auffassung die Verzichtswirkungen bereits mit Rechtskraft der Planbestätigung eintreten,57) folgert eine gegenteilige Ansicht aus dem Wortlaut der Norm, dass eine Befreiung von den übrigen Verbindlichkeiten erst im Zeitpunkt der plangemäßen Befriedigung der betroffenen Forderungen erfolgt.58) Bis zu diesem Zeitpunkt hätte der Schuldner die einbezogenen Forderungen daher noch in voller Höhe zu passivieren. Zudem wäre auch der Zeitpunkt der steuerlichen Wirkungen der Verzichte entsprechend herausgeschoben (zu den steuerlichen Wirkungen siehe Uhländer, HRI I, § 44 Rz. 145 ff.). Um für alle Parteien Klarheit zu schaffen, wird sich die in Insolvenzplänen etablierte Praxis, hier explizite Regelungen aufzunehmen, auch für Restrukturierungspläne durchsetzen. Neben dem Entfallen der Passivierungspflicht in der Bilanz sind die Restrukturierungs- 56 forderungen mit Wirksamkeit des Planes auch in der Liquiditätsplanung nur noch in der im gestaltenden Teil vorgesehenen Höhe und zu den dort vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkten zu berücksichtigen. Damit entfällt in aller Regel auch die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist und auf deren Beseitigung die entsprechenden Instrumente zielen, § 29 Abs. 1 StaRUG. 2.

Wirkungen für planbetroffene Gläubiger

2.1

Planbetroffene Gläubiger

Von den Wirkungen des Restrukturierungsplans sind ausschließlich Planbetroffene er- 57 fasst, also diejenigen, die der Schuldner in den Plan einbezieht. Hier liegt ein entscheidender Unterschied zum Insolvenzplan, der wegen der Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens als Gesamtvollstreckungsverfahren in seinen Wirkungen naturgemäß alle Gläubiger und sonstigen Beteiligten erfasst. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ist hingegen ein partielles Verfahren. Welche Gläubiger und sonstigen Beteiligten hier einbezogen werden, entscheidet der Schuldner unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben ___________ 57) U. a. Breuer in: MünchKomm-InsO, § 227 Rz. 8; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 227 Rz. 9; zu § 11 StaRUG entsprechend, allerdings vor dem Hintergrund von § 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG bereits auf die Planbestätigung abstellend: Tasma in: Flöther, StaRUG, § 11 Rz. 3. 58) Spahlinger in: KPB, InsO, § 227 Rz. 3.

Pleister/Raschke

855

§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

hierzu, insbesondere §§ 2, 8 StaRUG.59) Auch in welcher Höhe Restrukturierungsforderungen einbezogen werden, legt der Schuldner fest. Wirkungen entfaltet der Restrukturierungsplan allein im Umfang der Einbeziehung. Bestehen Forderungen über den in den Plan einbezogenen Betrag hinaus, ist dieser übersteigende Betrag von den Wirkungen des Planes nicht erfasst.60) 58 In den Plan einbezogen werden können: 

Restrukturierungsforderungen,



Absonderungsanwartschaften,



Rechte aus gruppeninternen Sicherheiten sowie



Anteils- und Mitgliedschaftsrechte,

vgl. § 2 StaRUG. 59 Eine Einbeziehung erfolgt, wenn entsprechende Rechtsbeziehungen im gestaltenden Teil des Planes geändert werden. § 7 Abs. 1 StaRUG definiert die Einbezogenen als Planbetroffene. 2.2

Widersprechende und nicht abstimmende Gläubiger

60 Wirkungen entfaltet der Restrukturierungsplan auch für solche Planbetroffene, die gegen den Plan gestimmt haben oder die an der Abstimmung nicht teilgenommen haben. Voraussetzung für die Wirkungserstreckung auch auf Planbetroffene, die an der Abstimmung nicht teilgenommen haben ist jedoch, dass sie ordnungsgemäß am Abstimmungsverfahren beteiligt wurden, § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. 2.3

Ordnungsgemäße Beteiligung

61 Voraussetzung für die Bindung auch solcher Planbetroffener, die nicht an der Abstimmung teilgenommen haben, ist eine ordnungsgemäße Beteiligung am Abstimmungsverfahren, § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. Wann eine solche ordnungsgemäße Beteiligung erfolgt ist, regelt das Gesetz nicht explizit. Im Fall einer gerichtlichen Planabstimmung sind hiervon die Regelungen des § 45 StaRUG erfasst, insbesondere die Regelung zur Mindest-Ladungsfrist, zur Zustellung sowie zum Hinweis, dass eine Durchführung des Termins und eine Abstimmung auch erfolgen kann, wenn nicht alle Planbetroffenen teilnehmen. Dies sichert die Möglichkeit der Planbetroffenen, im Erörterungs- und Abstimmungstermin entsprechend Stellung beziehen und ggf. Einfluss auf das Abstimmungsverhalten anderer Planbetroffener nehmen zu können. Am Abstimmungsergebnis ändert sich hingegen nichts, da es – anders als beim Insolvenzplan, bei dem es auf die Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger ankommt61) – für die Annahme des Restrukturierungsplanes einer Mehrheit von 75 % der Stimmrechte in jeder Gruppe bedarf, unabhängig davon wie viele der planbetroffenen Gläubiger an der Abstimmung teilnehmen. 62 Erscheinen Planbetroffene nicht und stimmen daher nicht ab, wirkt dies letztlich wie eine Nein-Stimme. Werden also trotz Nichtteilnahme der nicht ordnungsgemäß geladenen Planbetroffenen die erforderlichen Mehrheiten erreicht, hätten diese Planbetroffenen dieses Abstimmungsergebnis auch im Falle ihrer Teilnahme nicht durch ihr bloßes Abstimmungsverhalten ändern können. Die Regelung kann daher ausschließlich der Sicherung der Möglichkeit zur Stellungnahme und Einflussnahme dienen. ___________ 59) Vgl. dazu Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 2; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 19. 60) Für streitige Forderungen vgl. hierzu explizit § 70 Abs. 1 StaRUG. 61) Vgl. § 244 Abs. 1 InsO.

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Pleister/Raschke

§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

Im Falle eines öffentlichen Verfahrens ersetzt die öffentliche Bekanntmachung die Zu- 63 stellungen für bestimmte Gruppen von Planbetroffenen, nämlich Aktionäre, Kommanditaktionäre und Inhaber von Schuldverschreibungen, § 85 Abs. 2 StaRUG. Auf diese Weise kann eine Bindung an den Restrukturierungsplan auch für unbekannte Planbetroffene erreicht werden, sofern sie zu einer dieser Gruppen gehören. Ohne ein öffentliches Verfahren ist eine Bindung unbekannter Gläubiger an den Restrukturierungsplan ausgeschlossen.62) Sofern eine gerichtliche Abstimmung nicht durchgeführt wird, ist die Einhaltung der Re- 64 gelungen in §§ 17 bis 21 StaRUG maßgebend für die Frage, ob eine ordnungsgemäße Beteiligung am Abstimmungsverfahren erfolgt ist. Nicht relevant sein dürfte hingegen die Einhaltung der Dokumentationspflichten gemäß § 22 StaRUG. Diese Vorschrift dient nicht der Sicherstellung von Beteiligungsrechten Planbetroffener, sondern ist Grundlage der gerichtlichen Überprüfung des Planabstimmungsprozesses bzw. dient der Information der Planbetroffenen über das Abstimmungsergebnis.63) Für Gläubiger, die nicht ordnungsgemäß i. S. des § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG beteiligt 65 wurden, entfaltet der Restrukturierungsplan keine Wirkung. Eine Bindung nicht ordnungsgemäß Beteiligter kann auch nicht durch die Heilungswirkung des § 67 Abs. 6 StaRUG erreicht werden. Diese Heilungswirkung ist auf den durch § 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG vorgegebenen personellen Wirkungsbereich des Restrukturierungsplanes begrenzt. Nicht ordnungsgemäß Beteiligten steht mangels Bindungswirkung ein Beschwerderecht gegen den Plan nach § 66 Abs. 2 StaRUG nicht zu. Sie werden vielmehr wie unbeteiligte Dritte behandelt.64) 2.4

Verjährungshemmung

Für Gläubiger eines Schuldners, der ein Restrukturierungsvorhaben anzeigt und Instrumente 66 des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nimmt, ist zu beachten, dass allein dies nicht zu einer Hemmung der Verjährung der bestehenden Forderungen führt. Im Insolvenzverfahren führt bereits die Anmeldung der entsprechenden Forderung zur Hemmung der Verjährung, § 204 Abs. 10 BGB. Im Rahmen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahrens gibt es ein solches Anmeldeverfahren nicht. Darüber hinaus verhindert die bloße Restrukturierungsanzeige die Durchsetzung bestehender Forderungen nicht. Im Insolvenzverfahren besteht mit Eröffnung des Verfahrens ein generelles Vollstreckungsverbot, § 89 InsO. Im Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren kann der Schuldner eine Durchsetzung nur durch Erwirken einer Vollstreckungssperre i. R. einer Stabilisierungsanordnung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG erreichen. Diese kann er auf konkrete Gläubiger beschränken. Folgerichtig ordnet § 204 Abs. 1 Nr. 10a BGB eine Hemmung der Verjährung im Falle einer solchen Vollstreckungssperre an, sofern sie sich gegen den betroffenen Gläubiger richtet. Sofern eine solche Vollstreckungssperre nicht angeordnet ist und dem Gläubiger Verjährung seiner Forderung droht, muss dieser verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen. 3.

Wirkungen für Neukreditgeber

In den Restrukturierungsplan können auch Zusagen für Neukredite aufgenommen werden, 67 die zur Finanzierung des Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, § 12 Satz 1 StaRUG. Zudem kann eine Aufnahme von Regelungen zur Besicherung solcher Neukredite erfolgen, § 12 Satz 2 StaRUG. Die hierzu erforderlichen Erklärungen des Neukreditgebers sind dem ___________ 62) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 9. 63) Madaus in: Flöther, StaRUG, § 22 Rz. 1. 64) Bauch in: Braun, StaRUG, § 67 Rz. 4.

Pleister/Raschke

857

§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Restrukturierungsplan als Anlage beizufügen, § 15 Abs. 3 StaRUG. Auf diese Erklärungen sowie die sonstigen Regelungen zu Neukrediten finden insbesondere die Formerleichterungen des § 68 StaRUG Anwendung. 68 Entsprechende Rechtshandlungen genießen zudem die Privilegierungen der §§ 89, 90 StaRUG. Insbesondere können allein an die Kenntnis der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens keine negativen haftungsrechtlichen (Beitrag zur Insolvenzverschleppung) oder anfechtungsrechtlichen Konsequenzen (Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz) geknüpft werden, § 89 Abs. 1 StaRUG. Gleiches gilt für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sofern das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache nach entsprechender Anzeige nicht aufhebt, § 89 Abs. 2 StaRUG. Darüber hinaus sind im gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplan aufgenommene Rechtshandlungen sowie Rechtshandlungen, die im Vollzug des Planes erfolgen, bis zur nachhaltigen Restrukturierung der schuldnerischen Gesellschaft einer Anfechtung nicht zugänglich. Dies betrifft insbesondere die Gewährung von Sicherheiten für Neukredite. Das gilt nur dann nicht, wenn die Planbestätigung auf Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dies dem Neukreditgeber bekannt war, § 89 Abs. 1 StaRUG. 4.

Wirkungen für Gesellschafter

69 Die Einbeziehung von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten ist auch im Restrukturierungsplan möglich, §§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 4 StaRUG. Das StaRUG orientiert sich dabei an den Regelungen zum Insolvenzplan.65) Im Rahmen des Restrukturierungsplanes können damit insbesondere Kapitalmaßnahmen (einschließlich eines Debt Equity Swap) oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten vorgesehen werden. Gesellschafter können ihre Beteiligung also verlieren oder verwässert werden.66) Im Restrukturierungsplan aufgenommen werden kann jede Regelung, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, § 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG. 70 Für entsprechende Maßnahmen gelten die Formerleichterungen des § 68 StaRUG. Insbesondere wird also eine ggf. erforderliche notarielle Beurkundung durch den Restrukturierungsplan ersetzt. Gesellschaftsrechtliche Ladungen, Bekanntmachungen und sonstige Maßnahmen, die zur Umsetzung der im Restrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen erforderlich sind, gelten als in der vorgeschriebenen Form bewirkt, § 68 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben werden insoweit durch die verfahrensrechtlichen Regelungen zum Restrukturierungsplan überlagert (siehe dazu bereits vorstehend Rz. 38 ff.). 71 Die im Restrukturierungsplan enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen werden mit gerichtlicher Bestätigung des Planes wirksam. Im Falle konsensualer Pläne ohne gerichtliche Bestätigung treten die Wirkungen bereits mit Zustimmung der Gläubiger ein. Bei solchen Plänen ist jedoch fraglich, ob die Form- und Verfahrenserleichterungen des § 68 StaRUG gelten (siehe dazu oben Rz. 30 ff.). Um Umsetzungsrisiken zu vermeiden sollte daher eine gerichtliche Bestätigung eingeholt werden. 72 Sofern für die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen noch weitere konstitutive Umsetzungsschritte erforderlich sind (z. B. Anmeldung von Kapitalmaßnahmen zum Handelsregister und deren Eintragung), müssen diese noch durchgeführt werden. Die entsprechenden Maßnahmen werden erst mit Durchführung dieser Schritte wirksam. Der Prüfungsumfang des ___________ 65) §§ 217 Abs. 1 Satz 2, 225a InsO. 66) Westphal/Dittmar in: Flöther, StaRUG, § 2 Rz. 59.

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Pleister/Raschke

§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

Registergerichts ist bei Eintragung von im Restrukturierungsplan enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen jedoch eingeschränkt (siehe dazu unten Rz. 81 ff.). 5.

Haftungsbefreiung persönlich haftender Gesellschafter (§ 67 Abs. 2 StaRUG)

§ 67 Abs. 2 StaRUG regelt neben § 11 Satz 2 StaRUG die Haftungsbefreiung persönlich 73 haftender Gesellschafter einer schuldnerischen Gesellschaft. Für Verbindlichkeiten, von denen der Schuldner i. R. des Restrukturierungsplanes befreit wird, können auch seine persönlich haftenden Gesellschafter nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die Regelungen des StaRUG hierzu entsprechen § 227 Abs. 2 InsO zum Insolvenzplan. Die Haftungsbefreiung folgt bereits aus dem Prinzip der Akzessorietät der Haftung der 74 persönlich haftenden Gesellschafter zu den Verbindlichkeiten der schuldnerischen Gesellschaft.67) Dies hat der Gesetzgeber in §§ 11 Satz 2 und 67 Abs. 2 StaRUG noch einmal klargestellt und damit insbesondere deutlich gemacht, dass es sich bei persönlich haftenden Gesellschaftern nicht um Dritte i. S. des § 67 Abs. 3 StaRUG handelt, deren Haftung durch den Restrukturierungsplan unberührt bleibt und damit trotz Erlasses der Verbindlichkeiten des schuldnerischen Unternehmens fortbesteht. Persönlich haftende Gesellschafter können sich zur Abwehr entsprechender Haftungsansprüche unmittelbar auf den Restrukturierungsplan berufen.68) Die Regelungen der §§ 11 Satz 2 und 67 Abs. 2 StaRUG erfassen Gesellschaften ohne 75 Rechtspersönlichkeit sowie KGaA. Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind entsprechend § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO oHG, KG, PartG, GbR, Partenreedereien sowie EWIV. Die KGaA ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Daher war eine gesonderte Erwähnung notwendig. Irrelevant für die Anwendung der Vorschrift ist, ob eine natürliche Person persönlich haftet oder ob es ausschließlich um die Haftung von Gesellschaften geht. Die Regelung erfasst beide Konstellationen. Nicht explizit geregelt ist, ob die Haftungsbefreiung gemäß §§ 11 Satz 2, 67 Abs. 2 StaRUG 76 ausschließlich die persönliche Haftung der Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter erfasst, mithin also insbesondere eine Haftung nach §§ 128, 161 HGB, oder ob eine Haftungsbefreiung auch darüber hinaus für weitere durch die persönlich haftenden Gesellschafter bestellte Sicherheiten, wie z. B. Bürgschaften gilt. Im Insolvenzplanrecht ist dies umstritten. Überwiegend wird eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der insolvenzrechtlichen Parallelnorm (§ 227 Abs. 2 InsO) auf rein gesellschaftsrechtliche Haftungssachverhalte, also insbesondere eine Haftung aus §§ 128, 161 HGB, angenommen.69) Das lässt sich so weder dem Wortlaut des § 227 Abs. 2 InsO noch des § 67 Abs. 2 StaRUG entnehmen. Und auch der nach der Gesetzesbegründung zu § 67 Abs. 2 StaRUG mit der Haftungsbefreiung verfolgte Zweck könnte auf den ersten Blick eine weite Auslegung nahelegen. Nach der Gesetzesbegründung soll ein weiterer Haftungszugriff auf das Vermögen der 77 persönlich haftenden Gesellschafter vermieden werden, um diesen keinen Anreiz zu geben, an die Gläubiger zu zahlende Beträge aus der Gesellschaft zu entnehmen. Zudem soll eine doppelte Belastung der Gesellschafter verhindert werden, die sich im Falle eines Eingriffs in Anteilsrechte und einer parallelen Haftung ergeben könnte.70) Ein solcher Anreiz bzw. ___________ 67) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 13; Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 11 Rz. 17; zum Insolvenzplan: BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, Rz. 26, NZI 2016, 445 = ZIP 2016, 274. 68) Bauch in: Braun, StaRUG, § 67 Rz. 6. 69) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 227 Rz. 12; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 227 Rz. 18; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 227 Rz. 6; Spahlinger in: KPB, InsO, § 254 Rz. 13; a. A.: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO; § 254 Rz. 28. 70) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 165 f.

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§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

eine solche Doppelbelastung können auch bei einer Haftung des Gesellschafters aus sonstigen Gründen, also z. B. aus einer Bürgschaft bestehen, sodass eine weite Auslegung zunächst naheliegend erscheint. Allerdings trifft dies auch auf sonstige – nicht persönlich haftende – Gesellschafter zu. In personeller Hinsicht ist die Regelung des § 67 Abs. 2 StaRUG jedoch explizit auf persönlich haftende Gesellschafter begrenzt. Es wäre allerdings nicht erklärbar, warum eine Inanspruchnahme eines persönlich haftenden Gesellschafters aus einer Bürgschaft ausgeschlossen sein soll, während die Inanspruchnahme anderer Gesellschafter weiterhin möglich ist. Angesichts dessen ist einer engeren Auslegung von § 67 Abs. 2 StaRUG der Vorzug zu geben. Sofern betroffene Gesellschafter aus anderen Schuldgründen haften, wie z. B. aus übernommenen Bürgschaften oder aus dinglichen Sicherheiten, erstreckt sich die Haftungsbefreiung hierauf nicht. Insoweit sind persönlich haftende Gesellschafter wie Dritte zu behandeln und können auch weiterhin von den Gläubigern in Anspruch genommen werden.71) 78 Gesetzlich nicht geregelt ist die Frage, ob die Haftungsbefreiung auch Gesellschaftern zugutekommt, die bereits vor Planbestätigung ausgeschieden sind. Für ausgeschiedene persönlich haftende Gesellschafter besteht eine gesetzlich angeordnete Nachhaftung für bestimmte Verbindlichkeiten der Gesellschaft, insbesondere gemäß § 160 HGB, § 736 Abs. 2 BGB. Für die parallele Regelung zur Haftungsbefreiung persönlich haftender Gesellschafter im Insolvenzplanrecht (§ 227 Abs. 2 InsO) und hieraus abgeleitet auch für §§ 11 Satz 2, 67 Abs. 2 StaRUG wird eine Haftungsbefreiung auch für ausgeschiedene Gesellschafter überwiegend angenommen.72) Dies ist überzeugend. Zum einen lässt sich dem Wortlaut der §§ 11 Satz 2, 67 Abs. 2 StaRUG nicht entnehmen, dass die angeordnete Haftungsbefreiung auf gegenwärtige Gesellschafter begrenzt sein soll. Zum anderen wäre auch kaum vermittelbar, dass ausgeschiedene Gesellschafter, die weder Einfluss auf die schuldnerische Gesellschaft noch auf das Restrukturierungsverfahren und den Restrukturierungsplan mehr haben, weiter vollumfänglich haften sollen, während gegenwärtige Gesellschafter in den Genuss einer Haftungsbefreiung kommen.73) Auch für ausgeschiedene Gesellschafter ist daher eine Inanspruchnahme ausgeschlossen, soweit entsprechende Forderungen gegen die Gesellschaft im Restrukturierungsplan erlassen werden. 79 Im Restrukturierungsplan kann von §§ 11 Satz 2, 67 Abs. 2 StaRUG Abweichendes, also insbesondere ein Fortbestand der Haftung, vorgesehen werden. Eine solche Möglichkeit zu abweichenden Regelungen sieht auch das Insolvenzplanrecht vor (§ 227 InsO). Zum Insolvenzplanrecht ist umstritten, inwieweit bei einer solch abweichenden Regelung die Einbeziehung der persönlich haftenden Gesellschafter in die Gruppenbildung und Abstimmung erforderlich ist.74) Eine solche Einbeziehung ist allerdings weder im Insolvenzplanrecht noch i. R. eines Restrukturierungsverfahrens notwendig. Die Aufnahme einer Regelung in den Restrukturierungsplan, die den Fortbestand der Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter trotz Erlasses der Forderungen gegenüber der schuldnerischen Gesellschaft vorsieht, würde zu einer Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips führen. Eine solche Durchbrechung nimmt das Gesetz jedoch bereits an anderer Stelle, nämlich mit § 67 Abs. 3 StaRUG für Bürgen und Mitschuldner vor. Eine Anordnung des Haftungsfortbestandes würde damit lediglich eine für Bürgen und Mitschuldner bereits per Gesetz ___________ 71) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 35; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 14. 72) Zum Insolvenzplanrecht: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 227 Rz. 19; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 227 Rz. 5; Ober in: Nerlich/Römermann, InsO, § 227 Rz. 9; zum StaRUG: Tasma in: Flöther, StaRUG, § 11 Rz. 7; Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 11 Rz. 20; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 34; a. A. Breuer in: MünchKomm-InsO, § 227 Rz. 13; Thies in: HambKomm-InsO, § 227 Rz. 8. 73) Knapp/Wilde in: Morgen, StaRUG, § 11 Rz. 20. 74) Für ein Zustimmungserfordernis: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 227 Rz. 20; Thies in: HambKommInsO, § 227 Rz. 9; dagegen: Spahlinger in: KPB, InsO, § 227 Rz. 8.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

bestehende Rechtslage herstellen. Auch Bürgen und Mitschuldner sind am Abstimmungsverfahren zum Restrukturierungsplan jedoch nicht zu beteiligen. Strukturell lässt sich eine Vorrangigkeit der Haftung von Bürgen und Mitschuldnern im Vergleich zu persönlich haftenden Gesellschaftern nicht erkennen. Darüber hinaus führt die Anordnung eines Fortbestandes der Haftung der persönlich haf- 80 tenden Gesellschafter im Restrukturierungsplan nicht zu einem Eingriff in bestehende Rechtsverhältnisse. Die persönliche Haftung der Gesellschafter bestünde auch ohne den Restrukturierungsplan grundsätzlich uneingeschränkt fort. Die Anordnung der Haftungsfortgeltung im Restrukturierungsplan erhält diesen Zustand lediglich aufrecht und entzieht dem persönlich haftenden Gesellschafter allein die i. R. eines Restrukturierungsplanes bestehende Chance auf Besserstellung. Eine Beteiligung der persönlich haftenden Gesellschafter am Abstimmungsverfahren allein wegen Anordnung der Fortgeltung der persönlichen Haftung ist daher nicht erforderlich. In praktischer Hinsicht dürfte eine solche Konstellation allerdings ohnehin nur im Ausnahmefall relevant werden. Sofern persönlich haftende Gesellschafter ausreichend solvent erscheinen und Gesellschaftsgläubiger die Durchsetzung ihrer Forderungen daher für aussichtsreich erachten, dürfte wenig Anreiz für die Zustimmung solcher Gläubiger zu einem Restrukturierungsplan bestehen. 6.

Wirkungen für das Registergericht

Ob für im Restrukturierungsplan enthaltene gesellschaftsrechtliche Regelungen eine um- 81 fassende Prüfungskompetenz des Registergerichts besteht ist umstritten.75) Das Registergericht wird mit den im Plan enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen befasst, weil diese in der Regel eine Eintragung in das Handelsregister erfordern. Diese Eintragung hat häufig auch konstitutive Wirkung. Richtigerweise ist eine solche Prüfungskompetenz abzulehnen, soweit entsprechende Regelungen bereits der Prüfungskompetenz des Restrukturierungsgerichts unterfallen oder im Restrukturierungsverfahren unbeachtlich sind. Unbeachtlich sind insbesondere Regelungen, die ausschließlich dem Schutz der Altgesellschafter dienen, wie z. B. die Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Ausschluss des Bezugsrechts oder die Voraussetzungen einer Einziehung. Dies folgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers auch die Gestaltung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten im Restrukturierungsplan zuzulassen, § 2 Abs. 3 StaRUG.76) Möglich sind grundsätzlich alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelungen. Gemäß § 63 82 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG hat das Restrukturierungsgericht u. a. zu prüfen, ob Vorschriften über den Inhalt des Restrukturierungsplans in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet wurden. Dazu gehört auch die Zulässigkeit im Plan aufgenommener gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen. Die Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses erstreckt sich damit auch auf die Rechtmäßigkeit der im Plan enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen.77) Eine nochmalige Prüfung durch das Registergericht ist daher unzulässig. Dies gilt auch, soweit Eintragungsanträge bereits vor Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses gestellt werden. Insoweit dürfte der Gedanke der Rechtshängigkeit fruchtbar zu machen sein und einer inhaltlichen Befassung des Registergerichts mit den im Plan enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen entgegenstehen. ___________ 75) Bejahend für den Insolvenzplan: AG Berlin-Charlottenburg v. 9.2.2015 – HRB 153203 B, NZI 2015, 415 = ZIP 2015, 394; abl. für Insolvenzplan: Madaus/Huber in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 14; Rühle/Ober in: Nerlich/Römermann, InsO § 254a Rz. 6; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 254a Rz. 11; Spahlinger in: KPB, InsO § 254a Rz. 7. 76) Für Insolvenzplan: Brünkmans/Greif-Werner, ZInsO 2015, 1585, 1589; a. A. zu den Voraussetzungen einer Einziehung: AG Berlin-Charlottenburg v. 9.2.2015 – HRB 153203 B, NZI 2015, 415 = ZIP 2015, 394. 77) Für Insolvenzplan: Brünkmans/Greif-Werner, ZInsO 2015, 1585, 1593.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

83 Etwas anderes gilt selbstverständlich im Falle von rein konsensualen Plänen ohne gerichtliche Bestätigung. Mangels entgegenstehender Rechtskraft besteht in diesen Fällen umfassende Prüfungskompetenz des Registergerichts für im Plan enthaltene gesellschaftsrechtliche Regelungen. 84 In jedem Fall sind vom Registergericht die formellen Voraussetzungen der jeweiligen Eintragung zu prüfen, wie z. B. Berechtigung des Anmeldenden sowie die Form der Anmeldung und die beizufügenden Unterlagen. Sind neben dem Restrukturierungsplan selbst weitere Umsetzungsakte erforderlich, erfolgt die Prüfung der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit dieser Umsetzungsakte ebenfalls durch das Registergericht.78) VIII. Drittsicherheiten 85 § 67 Abs. 3 StaRUG sieht den Fortbestand von zugunsten von Gläubigern bestellten Drittsicherheiten trotz des Erlasses entsprechender Forderungen gegen den Schuldner vor. Ausgenommen sind lediglich gruppeninterne Drittsicherheiten, sofern diese i. R. des Restrukturierungsplanes gestaltet werden. Die betroffenen Drittsicherungsgeber verlieren jedoch ihren Regressanspruch gegen den Schuldner. 1.

Wirkungen für Drittsicherungsgeber

86 Sofern für Forderungen Sicherheiten bestellt werden, sind diese Sicherheiten mit den entsprechenden Forderungen entweder im Wege der Akzessorietät verknüpft oder über eine Sicherungsabrede verbunden. Aus dieser Verknüpfung folgt in der Regel, dass die Inanspruchnahme einer bestellten Sicherheit dann ausgeschlossen ist, wenn die besicherte Forderung nicht mehr besteht, also z. B. erlassen wurde. Dieser Grundsatz der Akzessorietät bzw. im Falle nicht-akzessorischer Sicherheiten die über die Sicherungsabrede bestehende Verknüpfung werden durch § 67 Abs. 3 StaRUG durchbrochen. Danach werden Sicherungsrechte durch den Restrukturierungsplan nicht berührt. Trotz einer Gestaltung der betroffenen Restrukturierungsforderungen durch den Restrukturierungsplan (also insbesondere trotz eines Erlasses der gesicherten Forderung) können die besicherten Gläubiger weiterhin vollumfänglich gegen die Drittsicherungsgeber vorgehen. Auf einen im Restrukturierungsplan gewährten Forderungserlass oder auf sonstige Gestaltungen der besicherten Forderungen können sich die Drittsicherungsgeber nicht berufen. Die Regelung entspricht § 254 Abs. 2 InsO.79) 87 Im Bereich der Personalsicherheiten sind hiervon Ansprüche gegen Mitschuldner und Bürgen erfasst. Eine Mitschuldnerschaft kann sich dabei aus einer gesetzlichen Mithaftung, einer gesamtschuldnerischen Haftungsübernahme oder aus der Übernahme einer Garantie ergeben.80) Nicht erfasst sind hingegen interne harte Patronatserklärungen, da bei diesen kein Anspruch des Gläubigers gegen den Patron besteht, sondern es sich ausschließlich um einen Anspruch des Schuldners handelt.81) 88 Die Regelung gilt zudem für dingliche Sicherungsrechte an Gegenständen, die nicht zum Vermögen des Schuldners gehören. Dies betrifft sowohl Mobilien als auch Immobilien. In Betracht kommen dabei insbesondere Rechte aus einer Sicherungsübereignung, einer Siche___________ 78) Brünkmans/Greif-Werner, ZInsO 2015, 1585, 1591. 79) In der seit 1.1.2021 geltenden Fassung. 80) Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 27; für den Restrukturierungsplan: Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 17. 81) Für den Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 29; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 254 Rz. 8; für den Restrukturierungsplan: Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 17; Backes/Arends in: Morgen, StaRUG, § 67 Rz. 87; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 38.1.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

rungsabtretung, aus Pfandrechten, aus einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld.82) Erfasst sind zudem Rechte aus einer Vormerkung, die sich auf nicht zum Vermögen des Schuldners gehörende Gegenstände bezieht. Soweit Gesellschafter des schuldnerischen Unternehmens aufgrund ihrer Gesellschafter- 89 stellung den Gläubigern des Unternehmens gegenüber persönlich haften, wird die Regelung des § 67 Abs. 3 StaRUG von § 67 Abs. 2 StaRUG verdrängt. Eine Befreiung des Schuldners im Restrukturierungsplan wirkt auch zugunsten seiner persönlich haftenden Gesellschafter. Dies gilt allerdings ausschließlich für gesellschaftsrechtliche Sachverhalte, also insbesondere eine Haftung aus §§ 128, 161 HGB, nicht jedoch für eine auf anderen Schuldgründen (z. B. der Übernahme einer Bürgschaft) beruhende Haftung (siehe dazu oben Rz. 76 f.). Eine Inanspruchnahme solcher Sicherheiten durch die Gläubiger bleibt also weiterhin möglich, auch wenn diese durch einen persönlich haftenden Gesellschafter gewährt wurden. Im Falle der Inanspruchnahme eines Drittsicherungsgebers steht diesem in aller Regel ein 90 Regressanspruch gegen den Schuldner zu bzw. geht die gesicherte Forderung auf diesen über, z. B. aus §§ 426 Abs. 1, 774 Abs. 1, 1143 Abs. 1 BGB oder aus der entsprechenden Sicherungsabrede. § 67 Abs. 3 Satz 2 StaRUG schließt einen solchen Regressanspruch des Sicherungsgebers gegen den Schuldner aus bzw. begrenzt diesen auf den Betrag, welchen der Schuldner gemäß dem Restrukturierungsplan an den entsprechenden Gläubiger zu zahlen gehabt hätte. Ohne eine solche Regresssperre wäre der im Restrukturierungsplan vorgenommene Erlass für den Schuldner wirkungslos, weil dieser anstatt mit der ursprünglichen Forderung nun mit einem Regressanspruch in gleicher Höhe belastet wäre. Mit Ausschluss des Regressanspruches realisiert sich das Ausfallrisiko des Sicherungsgebers.83) Ein Verzicht auf entsprechende Drittsicherheiten kann nach § 2 Abs. 1 StaRUG im Re- 91 strukturierungsplan nicht gestaltet werden, da es sich insoweit nicht um Forderungen gegen den Schuldner bzw. Vermögensgegenstände des Schuldners handelt. Für einen solchen Verzicht bedarf es vielmehr der ausdrücklichen Zustimmung des Sicherungsnehmers.84) Etwas anderes gilt jedoch für gruppeninterne Drittsicherheiten, §§ 2 Abs. 4, 67 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG. 2.

Gruppeninterne Sicherheiten

Nach § 2 Abs. 4 StaRUG können auch gruppeninterne Sicherheiten i. R. eines Restruktu- 92 rierungsplanes gestaltet werden. Eine entsprechende Regelung fehlte bisher im Insolvenzplanrecht, was in derartigen Konstellationen einzelne Sicherungsnehmer veranlasst hat, die Gewährung von Sondervorteilen zu verlangen, um die Umsetzung einer Gesamtlösung mitzutragen. Mit Einführung des StaRUG wurde eine entsprechende Regelung nicht nur dort, sondern nun auch im Insolvenzplanrecht (§ 223a InsO) aufgenommen. Danach kann im Plan insbesondere die Freigabe entsprechender Drittsicherheiten vorgesehen werden. Dementsprechend sieht § 67 Abs. 3 Satz 1 StaRUG eine Ausnahme für gruppeninterne Drittsicherheiten vor. Rechte aus diesen Sicherheiten bleiben vom Restrukturierungsplan nicht unberührt, soweit eine Gestaltung im Plan erfolgt. Dies macht die Durchführung multipler Restrukturierungs- bzw. Insolvenzverfahren entbehrlich und ermöglicht so eine Gesamtlösung für die betroffene Unternehmensgruppe. Entsprechende Eingriffe sind nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG angemessen zu entschädigen. ___________ 82) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 17. 83) Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 33; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rz. 21. 84) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 43a; Bauch in: Braun, StaRUG, § 67 Rz. 12.

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§ 37 IX.

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Übererfüllung von Forderungen

93 Im Rahmen eines Restrukturierungsplanes erlassene Forderungen bestehen als erfüllbare, nicht erzwingbare Naturalobligation fort (siehe oben Rz. 45 ff.). Im Falle einer Befriedigung über das im Restrukturierungsplan vorgesehene Maß hinaus bildet der erlassene Forderungsteil weiterhin eine Rechtsgrundlage der erhaltenen Leistung. Dementsprechend bestätigt § 67 Abs. 4 StaRUG explizit, dass eventuelle Rückforderungsansprüche ausgeschlossen sind. 94 Allerdings erstreckt sich die anfechtungsrechtliche Privilegierung des § 90 StaRUG nicht auf solche überobligatorischen Leistungen.85) Soweit ein Gläubiger daher weitergehend als im Restrukturierungsplan vorgesehen befriedigt wurde, unterliegt er mit diesem Leistungsteil den normalen Anfechtungsregeln. 95 Fraglich ist, ob zwischen den planbetroffenen Gläubigern im Falle einer solchen Übererfüllung Ausgleichsansprüche bestehen. Für den Insolvenzplan wird das Bestehen solcher Ausgleichsansprüche teilweise bejaht und dies auf den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gestützt.86) Dem Insolvenzplanrecht entsprechende Regelungen zur Sicherstellung einer Gleichbehandlung von Gläubigern finden sich mit § 10 und § 27 Abs. 1 Nr. 3 auch im StaRUG. Die Frage des Bestehens von Ausgleichsansprüchen unter den (planbetroffenen) Gläubigern wird daher für beide Verfahren einheitlich zu beantworten sein. Tatsächlich fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage für einen solchen Ausgleichsanspruch. Eine solche dürfte für einen Eingriff in bestehende Forderungen, wenngleich diese auch nur als Naturalobligationen fortbestehen, erforderlich sein. Ein solche Regelung – etwa dem in § 426 BGB vorgesehenen Gesamtschuldnerinnenausgleich entsprechend – enthalten weder die InsO noch das StaRUG. Einen Ausgleichsanspruch der planbetroffenen Gläubiger untereinander im Fall der Übererfüllung gibt es daher nicht.87) X.

Ausschluss Differenzhaftung beim Debt Equity Swap

96 Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 StaRUG können im Plan Restrukturierungsforderungen in Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt werden (sog. Debt Equity Swap). Aus Fremdkapital wird damit Eigenkapital. Bei Kapitalgesellschaften erfolgt dies über eine Sachkapitalerhöhung (in Sanierungssituationen häufig verbunden mit einer vorhergehenden Kapitalherabsetzung). Anstelle einer Bareinlage erbringt der Forderungsinhaber eine Sacheinlage, indem er die bestehende Forderung einlegt. Das erfolgt entweder durch Abtretung der Forderung an die Gesellschaft, wodurch diese im Wege der Konfusion erlischt, oder durch Verzicht auf die bestehende Forderung.88) Für den Inferenten besteht dabei grundsätzlich das Risiko einer sog. Differenzhaftung für den Fall, dass der tatsächliche Wert der Sacheinlage den Nennbetrag der dafür übernommenen Anteile nicht erreicht. Für die GmbH ergibt sich eine solche Differenzhaftung aus §§ 9 Abs. 1, 56 Abs. 2 GmbHG. Für die AG fehlt eine entsprechende Regelung. Eine solche Differenzhaftung ist aber auch dort allgemein anerkannt. Maßgebend ist dabei der tatsächliche Wert der eingelegten Forderungen. Nach überwiegender Auffassung ist dabei auf den „wirklichen Wert“ der Forderung abzustellen, dessen Bestimmung insbesondere in Sanierungssituationen jedoch mit Schwierigkeiten behaftet ist.89) Für den Inferenten besteht damit das Risiko einer Überbewertung der Forderung und damit eine potentielle Nachschusspflicht. ___________ 85) 86) 87) 88) 89)

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Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 47; Bauch in: Braun, StaRUG, § 67 Rz. 12. Braun/Frank in: Braun, InsO, § 254 Rz. 6; a. A. Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 37. Im Ergebnis so auch Bauch in: Braun, InsO, § 67 Rz. 11. Vgl. hierzu Raschke/Warneke in: HambKomm-RestruktR, Teil 1, Abschn. 4, Rz. 224 ff. Vgl. hierzu Raschke/Warneke in: HambKomm-RestruktR, Teil 1, Abschn. 4, Rz. 228 f.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

§ 67 Abs. 5 StaRUG schließt die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer solchen 97 Differenzhaftung nach gerichtlicher Planbestätigung aus. Der die Restrukturierungsforderung einlegende Gläubiger ist damit dem Risiko aus einer möglichen Überbewertung der Forderung nicht ausgesetzt. Dies verschafft dem Gläubiger Planungs- und Kalkulationssicherheit und erhöht damit die Attraktivität eines Debt Equity Swap im Restrukturierungsverfahren.90) Diese Regelung entspricht § 254 Abs. 4 InsO. Ausgeschlossen sind sämtliche Ansprüche, die auf einer Überbewertung der eingelegten 98 Forderung basieren. Neben Ansprüchen aus §§ 9 Abs. 1, 56 Abs. 2 GmbHG (analog) erfasst dies auch Ansprüche gegen Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB.91) Ausgeschlossen sind zudem alle sonstigen Ansprüche, die auf einer Überbewertung der eingelegten Forderung basieren, so z. B. Ansprüche wegen falscher Angaben durch den Anmelder (§§ 57 Abs. 4, 9a, 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG), sofern die Fehlerhaftigkeit der Angaben aus der Überbewertung der eingelegten Forderung resultiert.92) Sofern sich Restrukturierungsgläubiger neben der Einlage von Restrukturierungsforderun- 99 gen zu weiteren Sacheinlagen verpflichten, gilt § 67 Abs. 5 StaRUG für diese weiteren Sacheinlagen nicht.93) XI.

Wiederaufleben, Nichterfüllung des Plans

1.

Überblick und Anwendungsbereich

Für den Fall eines erheblichen Rückstandes des Schuldners mit der Erfüllung des Planes 100 sieht § 69 Abs. 1 StaRUG das Wiederaufleben der Forderung des betroffenen Gläubigers vor. Diese Regelung dient dem Schutz der planbetroffenen Gläubiger sowie der Disziplinierung des Schuldners.94) Zudem fallen im Restrukturierungsplan vorgesehene Stundungen und Erlasse im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor vollständiger Planerfüllung weg, § 69 Abs. 2 StaRUG. Damit soll eine Doppelbelastung der Planbetroffenen dadurch verhindert werden, dass deren Forderungen zunächst i. R. des Restrukturierungsplanes gestaltet werden und anschließend im Insolvenzverfahren nur in geminderter Höhe zur Insolvenztabelle angemeldet werden dürfen.95) Von beiden Regelungen können im Restrukturierungsplan Abweichungen vorgesehen werden, jedoch nicht zum Nachteil des Schuldners, § 69 Abs. 3 StaRUG. Neben gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplänen findet § 69 StaRUG auch auf konsensuale Pläne ohne gerichtliche Bestätigung Anwendung (siehe dazu oben Rz. 46 f.). 2.

Erheblicher Rückstand des Schuldners mit der Erfüllung

Im Falle eines erheblichen Rückstandes des Schuldners mit der in den Plan einbezogenen Re- 101 strukturierungsforderung eines Gläubigers werden die im Plan vorgesehene Stundung oder der Erlass für den Gläubiger hinfällig, § 69 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. Diese Regelung erfasst ausschließlich den Gläubiger, dem gegenüber ein erheblicher Erfüllungsrückstand besteht. Die im Hinblick auf andere Restrukturierungsforderungen vereinbarten Stundungen und ___________ 90) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 22; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 67 Rz. 52; zum Insolvenzplan: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rz. 25; Spahlinger in: KPB, InsO, § 254 Rz. 23. 91) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 67 Rz. 23; für Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKommInsO, § 254 Rz. 41. 92) Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 41; Spahlinger in: KPB, InsO, § 254 Rz. 26. 93) Backes/Arends in: Morgen, StaRUG, § 67 Rz. 111. 94) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 166 f. 95) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 166 f.

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§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

Erlasse bleiben hiervon unberührt. Das Wiederaufleben erfolgt – sofern im Restrukturierungsplan nichts Abweichendes vorgesehen ist (§ 69 Abs. 3 StaRUG) – automatisch. Weder ist dazu eine Regelung im Restrukturierungsplan erforderlich noch – neben der Mahnung – eine weitere Erklärung des betroffenen Gläubigers. 2.1

Relevante Planregelungen

102 Eine Stundung liegt vor, wenn die Fälligkeit der Forderung hinausgeschoben wurde. Ein Erlass erfolgt im Falle eines Verzichtes auf die betreffende Forderung. Im Rahmen des § 69 Abs. 1 StaRUG ist dabei ausschließlich ein Teilverzicht relevant. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm („[…] oder teilweise erlassen worden“). Im Fall eines vollständigen Verzichtes wäre ein Rückstand mit der Erfüllung der verbliebenen Forderung auch nicht denkbar.96) 103 Fraglich ist allerdings, ob § 69 Abs. 1 StaRUG auch dann Anwendung finden soll, wenn dem Gläubiger für den gewährten Teilerlass im Restrukturierungsplan eine andere Leistung gewährt wird, z. B. die Beteiligung an einer Verwertungsgesellschaft, und der Schuldner mit dieser Leistung in Rückstand gerät. In diesem Fall würde eine Anwendbarkeit des § 69 Abs. 1 Satz 1 StaRUG dazu führen, dass sowohl die teilweise erlassene Forderung wieder auflebt als auch die neue Verpflichtung fortbesteht. § 69 Abs. 1 Satz 1 StaRUG hätte in diesem Fall den Charakter einer Vertragsstrafe. Ein solches Verständnis ist aber weder dem Wortlaut der Norm noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. § 69 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist daher nicht auf Teilerlasse anzuwenden, wenn dem Gläubiger i. R. des Restrukturierungsplanes zum Ausgleich eine andere Leistung zugesagt wird. Dies erfasst auch den Fall eines Debt Equity Swaps – sofern bei diesem nicht ohnehin bereits mit Wirksamkeit des Planes Erfüllung durch Gewährung der Anteile eingetreten ist.97) 104 Eine analoge Anwendung des § 69 Abs. 1 StaRUG soll auch bei Gestaltung von Einzelbestimmungen nach § 2 Abs. 2 StaRUG in Betracht kommen, sofern die Intensität des Eingriffs einer Stundung gleichkommt.98) Das ist jedoch allein bei solchen Bestimmungen denkbar, die ausschließlich eine Regelung im Verhältnis zum Schuldner treffen. Sofern Regelungen zwischen Gläubigern betroffen sind, also z. B. Regelungen in Intercreditor Agreements, ist ein Wiederaufleben der bisherigen Regelung ausgeschlossen, da dies nicht nur nachteilig für den Schuldner, sondern auch für einzelne Gläubiger sein dürfte. 2.2

Erfasste Restrukturierungsforderungen

105 Der Erfüllungsrückstand muss sich auf in den Plan einbezogene Restrukturierungsforderungen beziehen. Erfasst sind hiervon ausschließlich Zahlungsansprüche jeglicher Art, nicht jedoch sonstige Verbindlichkeiten. Das ergibt sich bereits aus § 69 Abs. 1 Satz 2 StaRUG, der das Vorliegen eines erheblichen Rückstandes u. a. daran knüpft, dass der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit nicht „bezahlt“ hat.99) Nicht erfasst werden zudem dingliche Rechte, die auf Basis der Regelungen im Plan zunächst erloschen sind, da es sich hierbei

___________ 96) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 9. 97) So auch Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 2; Arends/Backes in: Morgen, StaRUG, § 69 Rz. 15. 98) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 10; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 2. 99) So zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 17; s. a. Schultze, HRI II, § 41; a. A. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 3; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 10; zum Insolvenzplan: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 255 Rz. 2.

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nicht um „Restrukturierungsforderungen“ handelt.100) Ein Wiederaufleben kommt hier nach § 69 Abs. 1 StaRUG nicht in Betracht. Restrukturierungsgläubiger können sich diesbezüglich jedoch häufig absichern, indem sie auf eine Ausgestaltung der Regelung zur Sicherheitenfreigabe im Restrukturierungsplan dahingehend drängen, als eine Freigabe nur unter der aufschiebenden Bedingung der Erfüllung der ihnen nach dem Plan zustehenden Forderungen erfolgt. Die relevante Restrukturierungsforderung muss zudem in den Plan einbezogen worden sein, 106 d. h. i. R. des gestaltenden Teils des Planes gestaltet worden sein. Nicht einbezogene Forderungen sind i. R. des § 69 StaRUG unbeachtlich. Nach § 69 Abs. 1 StaRUG beachtlich sind zudem ausschließlich Ansprüche, die der Schuldner selbst zu erfüllen hat. Nicht erfasst sind hingegen Verbindlichkeiten, die von Dritten wie z. B. einem Investor zu erfüllen sind, auch wenn diese dem Plan als Anlage nach § 15 Abs. 3 StaRUG beigefügt wurden.101) Soweit streitige Forderungen in den Plan einbezogen sind ist für eine Anwendung des § 69 Abs. 1 StaRUG nicht erforderlich, dass der Gläubiger die streitige Forderung gerichtlich verfolgt (siehe dazu unten Rz. 135). 2.3

Erheblicher Erfüllungsrückstand

Voraussetzung für ein Wiederaufleben der betroffenen Forderung ist ein erheblicher Rück- 107 stand des Schuldners mit der Erfüllung des Plans gegenüber dem relevanten Gläubiger, § 69 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. Wann ein solcher Rückstand besteht, wird in § 69 Abs. 1 Satz 2 StaRUG präzisiert. Voraussetzung ist hierfür zunächst, dass die betroffene Forderung nach den Regelungen des Planes fällig ist. Sie muss zudem einredefrei sein. Dem Schuldner darf mithin kein Leistungsverweigerungsrecht zustehen.102) Mit der Erfüllung einer solchen fälligen und einredefreien Forderung muss der Schuldner 108 in Rückstand sein. Dabei kommt es auf die jeweilige Hauptleistungspflicht bzw. wesentliche Nebenpflichten an. Ein Rückstand im Hinblick auf unwesentliche Nebenpflichten ist hingegen irrelevant.103) Ein solcher rechtfertigt ein Wiederaufleben der Forderung nicht. Im Falle von bestrittenen Restrukturierungsforderungen oder bei Ausfallforderungen, deren Höhe noch nicht feststeht, ist allerdings die Sonderregelung des § 70 Abs. 2 StaRUG zu beachten. Ein Rückstand ist danach nicht anzunehmen, wenn der Schuldner die Forderung bis zur endgültigen Feststellung in der Höhe berücksichtigt, die der Entscheidung über das Stimmrecht bei der Abstimmung über den Plan entspricht. Für die Frage, ob ein Rückstand erheblich ist, kommt es allein auf eine zeitliche Betrach- 109 tung an. Ein erheblicher Rückstand liegt danach vor, wenn der Gläubiger den Schuldner nach Fälligkeit der Forderung schriftlich gemahnt hat, ihm dabei eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat und diese Nachfrist abgelaufen ist. Die Mahnung kann der Gläubiger frühestens ab Fälligkeit übermitteln. Eine vorherige Mahnung genügt nicht und führt folglich nicht zum Wiederaufleben der Forderung. Die Mahnung muss schriftlich erfolgen. Damit sind die Anforderungen des § 126 BGB zu erfüllen. Alternativ ist eine Übermittlung in elektronischer Form gemäß § 126a BGB möglich, welche allerdings eine elektronische Signatur erfordert. Textform i. S. des § 126b BGB genügt dem Schriftform___________ 100) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 3 und Rz. 7; zum Insolvenzplan: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 255 Rz. 2; Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 15. 101) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 3. 102) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 4. 103) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 4; zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKommInsO, § 255 Rz. 18.

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erfordernis nicht.104) Auch die Erhebung einer Klage oder der Erlass eines Mahnbescheides ersetzen die schriftliche Mahnung nicht.105) 110 Die vom Gläubiger gesetzte Frist muss mindestens zwei Wochen betragen. Die Frist beginnt mit Zugang der Mahnung beim Schuldner. Um diesen Zeitpunkt sicher bestimmen zu können empfiehlt sich eine Zustellung mit entsprechendem Zustellungsnachweis, also per Boten oder per Einschreiben/Rückschein. Für die Berechnung der Frist gelten §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Eine zu kurz gesetzte Frist löst die Rechtsfolge des § 69 Abs. 1 Satz 1 StaRUG nicht aus. Diese tritt auch nicht nach Ablauf der gesetzlich erforderlichen Mindestfrist ein. Stattdessen ist eine erneute Mahnung mit einer Fristsetzung von mindestens zwei Wochen erforderlich.106) Der Restrukturierungsplan kann eine Verlängerung der Mindestfrist von zwei Wochen vorsehen. Eine Verkürzung der Zwei-Wochen-Frist ist hingegen unzulässig, § 69 Abs. 3 StaRUG. 111 Auf die Höhe des Rückstandes kommt es für die Qualifikation eines solchen als erheblich nicht an. Ein erheblicher Rückstand i. S. des § 69 Abs. 1 Satz 2 StaRUG kann daher auch bestehen, wenn der Schuldner lediglich mit der Erfüllung eines geringfügigen Teils der betroffenen Forderung in Rückstand ist. Quantitative Aspekte hinsichtlich der ausstehenden Forderung spielen mithin bei der Frage der Erheblichkeit keine Rolle. 112 Unerheblich ist auch, ob der Schuldner den Rückstand mit der Erfüllung zu vertreten hat. § 69 Abs. 1 StaRUG ist – anders als der Verzug – verschuldensunabhängig ausgestaltet.107) Ein Wiederaufleben von Forderungen nach § 69 Abs. 1 StaRUG ist daher auch dann denkbar, wenn sich der Schuldner nicht im Verzug befindet. 2.4

Wiederaufleben

113 Sind die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 StaRUG erfüllt, lebt die betroffene Forderung automatisch wieder auf. Der Gläubiger kann seine Forderung damit wieder in voller Höhe durchsetzen – selbstverständlich abzüglich bereits erhaltener Zahlungen. Ein Wiederaufleben erfolgt jeweils nur im Hinblick auf den betroffenen Gläubiger. Die Forderungen anderer Gläubiger bleiben hiervon unberührt. Sofern einem Gläubiger mehrere Forderungen zustehen, die auch in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden, ist das Bestehen eines erheblichen Rückstandes für jede Forderung separat zu prüfen. Ein Wiederaufleben erfolgt nur für solche Forderungen, für die ein erheblicher Rückstand besteht. Auf die anderen Forderungen des Gläubigers wirkt sich dies hingegen nicht aus. Für diese Forderungen festgelegte Erlasse bzw. Stundungen bleiben bestehen.108) 114 Die wiederauflebende Forderung wird nicht neubegründet. Diese bestand ohnehin als erfüllbare, nicht erzwingbare Naturalobligation fort. Die Forderung wird infolge des Wiederauflebens jedoch wieder in voller Höhe durchsetzbar. Bis zum Zeitpunkt des Wiederauflebens ist die Durchsetzung ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wirkungen des Erlasses infolge entsprechender Planregelung bereits mit Bestätigung des Restrukturierungsplanes eintreten oder erst mit der im Plan vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger. Im ersten Fall fehlt es bis zum Wiederaufleben bereits grundsätzlich an einer er___________ 104) Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 21. 105) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 17; zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 23. 106) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 18. 107) Bauch in: Braun, StaRUG, § 69 Rz. 3; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 13; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 4; zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 17; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 255 Rz. 6; Thies in: HambKomm-InsO, § 255 Rz. 8. 108) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 3; Arends/Backes in: Morgen, StaRUG, § 69 Rz. 28; zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 29; s. a. Schultze, HRI II, § 41.

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Wirkungen des bestätigten Plans

zwingbaren Forderung, im zweiten Fall besteht bis zum Wiederaufleben eine prozessuale Durchsetzungssperre (siehe dazu oben Rz. 22). Die Vollstreckung der wiederaufgelebten Forderung kann der Gläubiger auf Grundlage 115 des Restrukturierungsplanes durchführen. Zur Erteilung der Vollstreckungsklausel und zur Durchführung der Vollstreckung hat er nach § 71 Abs. 3 StaRUG die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft zu machen. Ein weiterer Beweis für den Rückstand des Schuldners ist hingegen nicht zu erbringen. Neben der Verfolgung seiner Forderung in der ursprünglichen Höhe kommt auch die Gel- 116 tendmachung eines Verzugsschadens nach §§ 286, 280 BGB durch den Gläubiger in Betracht. Die Voraussetzung eines Verzuges sind jedoch separat zu prüfen. Sie sind nicht mit den Voraussetzungen eines erheblichen Rückstandes i. S. des § 69 Abs. 1 StaRUG deckungsgleich. Insbesondere ist diese Regelung im Vergleich zum Verzug verschuldensunabhängig ausgestaltet. 3.

Insolvenz vor vollständiger Planerfüllung

Für den Fall, dass vor vollständiger Erfüllung des Restrukturierungsplanes ein Insolvenz- 117 verfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird, ordnet § 69 Abs. 2 StaRUG das Wiederaufleben für die Forderungen aller Gläubiger an. Diese Regelung dient dem Schutz der Planbetroffenen vor einer doppelten Benachteiligung. Diese sollen nicht erst im Restrukturierungsplan eine Kürzung ihrer Forderung hinnehmen müssen und im anschließenden Insolvenzverfahren nur diese verminderte Forderung zur Insolvenztabelle anmelden dürfen.109) Voraussetzung für ein Wiederaufleben nach § 69 Abs. 2 StaRUG ist die Eröffnung eines 118 Insolvenzverfahrens. Das bloße Stellen eines Insolvenzantrages löst die Rechtsfolge des § 69 Abs. 2 StaRUG noch nicht aus. Auch eine Abweisung des Antrages mangels Masse genügt nicht, da Zweck des § 69 Abs. 2 StaRUG der Schutz der Restrukturierungsgläubiger in einem sich anschließenden Gesamtverfahren ist. Ein solches findet im Falle der Abweisung mangels Masse jedoch nicht statt.110) In diesem Fall kann der Gläubiger jedoch ein Wiederaufleben nach § 69 Abs. 1 StaRUG herbeiführen und auf dieser Grundlage entsprechende Vollstreckungsversuche unternehmen. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darf noch keine vollständige Erfül- 119 lung des Restrukturierungsplanes erfolgt sein. Dabei ist es unerheblich, ob die betroffenen Forderungen überhaupt schon fällig waren. Um die Rechtsfolgen des § 69 Abs. 2 StaRUG auszulösen reicht es aus, wenn lediglich eine nach dem Restrukturierungsplan zu erbringende Forderung noch nicht erfüllt ist.111) Bei Eintritt der Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 StaRUG entfallen im Restrukturierungs- 120 plan geregelte Stundungen und Teilerlasse für alle Gläubiger. Hierbei ist zu beachten, dass anders als bei der Parallelregelung zum Insolvenzplan, § 255 Abs. 2 InsO, der Gesetzestext einen expliziten Bezug auf die Stundungen und Erlasse „im Sinne des Absatzes 1“ enthält. Eine Erläuterung hierzu enthält die Gesetzesbegründung nicht. Offenbar sollte durch diesen Verweis für das StaRUG die für das Insolvenzplanverfahren geführte Dis___________ 109) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 166 f.; zur Parallelregelung des § 255 Abs. 2 InsO auch BGH v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, Rz. 26, BGHZ 199, 344 = NZI 2014, 262. 110) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 10; Arends/Backes in: Morgen, StaRUG, § 69 Rz. 36; zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 33; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 255 Rz. 19; a. A. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 23; Thies in: HambKomm-InsO, § 255 Rz. 14. 111) Zum Insolvenzplan: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 255 Rz. 19.

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kussion, ob das Wiederaufleben auch vollständig erlassene Forderungen erfasst,112) entschieden werden. Wie auch i. R. des § 69 Abs. 1 StaRUG kommt ein Wiederaufleben nur für zum Teil erlassene Forderungen in Betracht. Vollständig erlassene Forderung leben hingegen nicht wieder auf. 121 Soweit Forderungen wieder aufleben sind auf diese Forderungen geleistete Zahlungen anzurechnen. Der Gläubiger kann lediglich den noch unerfüllten Teil im Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle anmelden. Dies gilt allerdings nur, wenn und soweit entsprechend geleistete Zahlungen nicht angefochten werden. Für die Frage, ob eine Anfechtung möglich ist, müssen dabei auch die in §§ 89, 90 StaRUG enthaltenen Privilegierung berücksichtigt werden. 122 Fraglich ist allerdings, ob auch solche Forderungen wieder aufleben, auf welche der Schuldner bereits die volle Planquote geleistet hat. Diese Gläubiger haben (sofern die erhaltene Zahlung nicht wirksam angefochten wird) letztlich genau das erhalten, was ihnen nach dem Restrukturierungsplan zustand. Diese Position verschlechtert sich durch das nachfolgende Insolvenzverfahren nicht. Andererseits ergäbe sich so ein Wertungswiderspruch im Vergleich zu solchen Gläubigern, deren nach dem Restrukturierungsplan bestehende Forderungen nur teilweise erfüllt wurden. Diese dürfen die erhaltenen Zahlungen behalten (soweit nicht anfechtbar) und können die wiederaufgelebte Forderung i. Ü. in voller Höhe zur Insolvenztabelle anmelden. Auch mit Blick auf die übrigen Insolvenzgläubiger, deren Forderungen nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen waren, erscheint ein Bestand des im Restrukturierungsplan vorgesehenen Erlasses nicht geboten. Die Planbetroffenen haben den Sanierungsversuch des Schuldners mit entsprechenden Sanierungsbeiträgen, insbesondere Verzichten unterstützt. Dieser Sanierungsversuch lag auch im Interesse der übrigen Gläubiger. Es erscheint nicht sachgerecht, dass diese übrigen Gläubiger von diesem gescheiterten Sanierungsversuch nun insoweit profitieren, als danach erlassene Forderungen i. R. des Insolvenzverfahrens unberücksichtigt bleiben. Im Ergebnis leben daher auch solche Forderungen wieder auf, auf welche der Schuldner bereits die volle Planquote geleistet hat.113) 123 Mit Ausnahme des Wiederauflebens von Forderungen nach § 69 Abs. 2 StaRUG bleiben alle übrigen Wirkungen des Restrukturierungsplanes auch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen. Das gilt insbesondere für im Plan enthaltene Verfügungsgeschäfte, wie z. B. Abtretungen oder gesellschaftsrechtliche Maßnahmen.114) 4.

Abweichende Regelungen

124 Von den Regelungen zum Wiederaufleben von Forderungen lässt das Gesetz Abweichungen im Restrukturierungsplan zu, § 69 Abs. 3 StaRUG. In Bezug auf ein Wiederaufleben wegen erheblichen Erfüllungsrückstandes des Schuldners schließt § 69 Abs. 3 Satz 2 StaRUG jedoch Abweichungen zum Nachteil des Schuldners aus. Dies bedeutet insbesondere, dass auf die vorgeschriebene Nachfrist von mindestens zwei Wochen nicht verzichtet und diese auch nicht verkürzt werden kann. Auch ein Verzicht auf das Schriftformerfordernis ist unzulässig115) sowie eine Erweiterung des Wiederauflebens auch auf andere Restruktu___________ 112) So z. B. Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 36. 113) So auch Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 11; zum Insolvenzplan: Thies in HambKommInsO, § 255 Rz. 12; a. A. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 19a; Bauch in: Braun, InsO, § 255 Rz. 4; zum Insolvenzplan: Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 255 Rz. 20; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 255 Rz. 14; Rühle in: Nerlich/Römermann, InsO, § 255 Rz. 13. 114) Vgl. zum Insolvenzplan u. a. Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 36; Spahlinger in: KPB, InsO, § 255 Rz. 20. 115) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 69 Rz. 13.

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rierungsforderungen.116) Möglich sind jedoch Abweichungen zugunsten des Schuldners, mithin sämtliche Regelungen, die ein Wiederaufleben erschweren117) oder – wie zumindest in der Insolvenzplanpraxis häufig vorgesehen – gar ausschließen. XII. Behandlung von streitigen Forderungen und Ausfallforderungen Den Umgang mit streitigen Forderungen sowie mit Ausfallforderungen im Restrukturie- 125 rungsverfahren regelt § 70 StaRUG. Dabei geht es zum einen um die Frage, in welchem Umfang streitige Forderungen den Wirkungen des Restrukturierungsplanes unterliegen. Zum anderen gibt das Gesetz vor, in welcher Höhe vorläufige Leistungen i. R. des Restrukturierungsplanes auf streitige Forderungen und Ausfallforderungen zu erbringen sind, um ein Wiederaufleben der betroffenen Forderungen nach § 69 Abs. 1 StaRUG zu vermeiden. Letztlich werden Regelungen zu erfolgten Über- oder Unterzahlungen nach endgültiger Feststellung der jeweiligen Forderungshöhe getroffen. Die Regelung entspricht in weiten Teilen ihrer Parallelnorm zum Insolvenzplan, § 256 InsO. Abweichungen hiervon ergeben sich jedoch aus dem Umstand, dass es sich bei einem Restrukturierungsverfahren nicht um ein Kollektivverfahren handelt. 1.

Planwirkungen für streitige Forderungen (§ 70 Abs. 1 StaRUG)

Nach § 70 Abs. 1 StaRUG unterfallen streitige Forderungen den entsprechenden Rege- 126 lungen des Restrukturierungsplanes in der Höhe, in der sie später festgestellt werden, höchstens aber in der Höhe in der sie dem Plan zugrunde gelegt wurden. Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass es dem Schuldner obliegt, auf Grundlage sachgerechter Kriterien zu entscheiden, welche Forderungen in welcher Höhe in den Restrukturierungsplan einbezogen werden. Dabei kann sich der Schuldner auch für eine nur teilweise Einbeziehung von Forderungen entscheiden. Ein Verfahren zur Forderungsanmeldung und zur Forderungsfeststellung wie im Insolvenzverfahren gibt es im Restrukturierungsverfahren daher auch nicht. Allerdings besteht auch bei einer solch selektiven Einbeziehung von Forderungen häufig ein Bedürfnis des Schuldners, auch streitige Forderungen mit in den Restrukturierungsplan einzubeziehen und auch insoweit eine Gestaltungswirkung zu erzielen. Zwar werden Bestand und Höhe einer Forderung im Restrukturierungsplan nicht verbind- 127 lich festgelegt.118) Aus einem rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan kann der Gläubiger jedoch gemäß § 71 Abs. 1 StaRUG gegen den Schuldner vollstrecken, sofern die betroffene Forderung nicht als bestritten ausgewiesen ist. Der Schuldner muss die betroffene Forderung im Plan daher als streitig kennzeichnen. Eine Feststellung des Bestandes und/oder der Höhe der Forderung erfolgt dann außerhalb des Restrukturierungsverfahrens vor den jeweils zuständigen Gerichten. Dabei muss der Gläubiger eine entsprechende Leistungsklage erheben. Anders als im Insolvenzverfahren genügt die Erhebung einer bloßen Klage auf Feststellung des Bestehens der Restrukturierungsforderung nicht zur Schaffung eines vollstreckbaren Titels, weil im StaRUG eine dem § 257 Abs. 1 Satz 2 InsO vergleichbare Regelung fehlt.119) Auch bei erfolgreicher Feststellung kann der Gläubiger daher nicht auf Basis des Restrukturierungsplanes vollstrecken. Alternativ kann der Schuldner ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung des Nichtbe- 128 stehens der Forderung betreiben. Dies kann sich insbesondere infolge der Zahlung nach § 70 Abs. 2 StaRUG als notwendig erweisen, welche der Schuldner auf die streitige Forde___________ 116) 117) 118) 119)

Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 38. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 69 Rz. 27. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 167. Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 70 Rz. 6; a. A. wohl Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 70 Rz. 10.

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rung vorläufig leisten muss, um die Gestaltungswirkung des Planes für die streitige Forderung nicht zu gefährden (siehe dazu unten Rz. 131 ff.). In diesem Fall kann der Schuldner Leistungsklage auf Rückzahlung des vorläufig gezahlten Betrages erheben. 129 Wird die Forderung i. R. eines gerichtlichen Verfahrens oder aber auch im Wege eines Vergleiches letztlich in geringerer Höhe festgestellt als im Restrukturierungsplan angenommen, so finden die Regelung des Planes nur auf diesen verminderten Betrag Anwendung. Insbesondere eine prozentuale Forderungskürzung orientiert sich dann am endgültig festgestellten Betrag. Andererseits unterliegt die streitige Forderung allenfalls in der Höhe den Wirkungen des Planes, in welcher sie dem Plan zugrunde gelegt wurde. Hierdurch soll ein Missbrauch des Schuldners durch zu geringe Bezifferung des Forderungsbetrages und eine daraus folgende geringere Stimmrechtszuweisung verhindert werden.120) Sofern der letztlich festgestellte Forderungsbetrag den dem Plan zugrunde gelegten Betrag übersteigt, kann der Gläubiger den übersteigenden Teil weiterhin ungekürzt geltend machen.121) Dieser Teil der Forderung unterliegt den Wirkungen des Planes nicht. 130 Für die Frage, in welcher Höhe eine streitige Forderung dem Plan zugrunde gelegt wurde, kommt es auf die Bezifferung der streitigen Forderung im Restrukturierungsplan an. Unerheblich ist hingegen, welches Stimmrecht der Schuldner oder das Restrukturierungsgericht dem Gläubiger i. R. des Abstimmungsverfahrens einräumen.122) Dies ergibt sich bereits aus den Regelungen des § 70 Abs. 2 und 3 StaRUG. Danach kann der Schuldner ein Wiederaufleben streitiger Forderungen gemäß § 69 Abs. 1 StaRUG verhindern, indem er zunächst Zahlungen auf Basis der erfolgten Stimmrechtsfestsetzung an den Gläubiger leistet. Nach § 70 Abs. 3 StaRUG hat der Schuldner dann den noch fehlenden Differenzbetrag zu leisten, wenn sich nach endgültiger Feststellung ergibt, dass er zu wenig gezahlt hat. Zu einer solchen Unterzahlung könnte es aber nicht kommen, wenn die Einbeziehung der Forderung in den Plan auf die Höhe der Stimmrechtsfestsetzung begrenzt wäre. Denn in diesem Fall hätte der Gläubiger in jedem Fall bereits den vollen ihm nach dem Plan zustehenden Betrag erhalten. Jeder über die Stimmrechtsfestsetzung hinausgehende Betrag wäre den Planwirkungen überhaupt nicht unterworfen. Die Annahme der Möglichkeit einer Unterzahlung in § 70 Abs. 3 StaRUG setzt daher zwingend voraus, dass die Stimmrechtsfestsetzung für die streitige Forderung hinter dem im Plan zugrunde gelegten Betrag i. S. des § 70 Abs. 1 StaRUG zurückbleiben kann. 2.

Zahlung zur Vermeidung eines Wiederauflebens (§ 70 Abs. 2 StaRUG)

131 Vor endgültiger Feststellung ihrer Höhe ist bei streitigen Forderungen unklar, welchen Betrag der Schuldner auf Basis des Restrukturierungsplanes auf diese Forderungen zu leisten hat. Gleiches gilt bei Ausfallforderungen solange die Höhe des Ausfalls noch nicht feststeht. Diese Unsicherheit soll jedoch nicht dazu führen, dass der Schuldner Gefahr läuft, die Gestaltungswirkungen des Planes für diese Forderungen zu verlieren. Das wäre jedoch der Fall, wenn der Gläubiger Planleistungen auf die nach seiner Auffassung bestehende Forderungshöhe verlangen und den Schuldner entsprechend mahnen würde. Würde der Schuldner dann nicht in entsprechender Höhe zahlen und würde die durch den Gläubiger geltend gemachte Forderungshöhe letztlich doch endgültig festgestellt, würde der im Plan festgelegte Teilerlass nach § 69 Abs. 1 StaRUG hinfällig. Um dies zu verhindern müsste der Schuldner vorläufig immer Leistungen in der Höhe erbringen, die sich bei vollem Bestand der strei___________ 120) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 167. 121) Desch, BB 2020, 2498, 2505. 122) A. A. offenbar Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 24 Rz. 18 ff.; wohl auch Arends/Backes in: Morgen, StaRUG, § 70 Rz. 13.

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tigen Forderung nach dem Plan ergeben würden. Dem soll § 70 Abs. 2 StaRUG entgegenwirken. Danach hat der Schuldner streitige Forderungen und Ausfallforderungen zunächst nur mit dem Betrag zu berücksichtigen, für den eine Stimmrechtsfestsetzung bei der Abstimmung über den Plan erfolgte. Leistet er diesen Betrag an den Gläubiger und wird die streitige Forderung später mit einer über dem Stimmrechtsbetrag liegenden Höhe festgestellt, führt dies nicht zu einem Wiederaufleben der Forderung. Ein solches kann sich erst mit Feststehen der zu leistenden Nachzahlung ergeben, wenn der Gläubiger den Schuldner insoweit nach endgültiger Klärung gemahnt, diesem eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt und der Schuldner innerhalb dieser Frist nicht gezahlt hat. Insoweit gelten die Anforderungen des § 69 Abs. 1 StaRUG. Sofern eine Stimmrechtsfestsetzung bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan 132 nicht erfolgt ist, z. B., weil eine gerichtliche Planabstimmung nicht erfolgt ist oder weil die Beteiligten sich auf ein Stimmrecht geeinigt haben (vgl. § 45 Abs. 4 StaRUG),123) hat das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers nachträglich festzustellen, in welchem Ausmaß der Schuldner die Forderung vorläufig zu berücksichtigen hat, § 70 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Eine solche Feststellung dürfte jedenfalls dann auch im Interesse des Schuldners liegen, 133 wenn dieser eine Mahnung des Gläubigers i. S. des § 69 Abs. 1 StaRUG erhalten hat. Um nicht dem Risiko eines Wiederauflebens der streitigen Forderung ausgesetzt zu sein, müsste er entweder Planleistungen auf Basis der vom Gläubiger geltend gemachten Forderungshöhe erbringen oder einen Antrag nach § 70 Abs. 2 Satz 2 StaRUG stellen. Stellt er den Antrag vor Ablauf der durch den Gläubiger gesetzten Frist, kann ein Wiederaufleben auf die erfolgte Mahnung nicht gestützt werden. Dem Antrag des Schuldners kommt insoweit ein Suspensiveffekt zu.124) Zur Parallelnorm im Insolvenzplanrecht (§ 256 Abs. 1 InsO) wird ganz überwiegend ver- 134 treten, dass ein Rückstand mit der Erfüllung des Planes bei bestrittenen Forderungen überhaupt nur dann entstehen kann, wenn der betreffende Gläubiger die Feststellung der Forderung auch tatsächlich betreibt und dies fristgerecht nachgewiesen hat.125) Dies folgt aus dem im Insolvenzrecht vorgesehen Verfahren der Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle. Nur dort festgestellte und damit letztlich im Verteilungsverzeichnis aufgenommene Forderungen nehmen an der Verteilung i. R. des Insolvenzverfahrens teil. Ein solches Forderungsfeststellungsverfahren gibt es im Stabilisierungs- und Restruk- 135 turierungsrahmen jedoch nicht. Eine unterbliebene Anmeldung und Verfolgung von Forderungen führt daher nicht zu einem Ausschluss der betroffenen Gläubiger von der Verteilung. Daher kann die gerichtliche Verfolgung der streitigen Forderung durch den Gläubiger für das Wiederaufleben der Forderung nach § 69 Abs. 1 StaRUG nicht Voraussetzung sein. Eine anderweitige Auslegung des § 69 Abs. 1 StaRUG wird sich nur schwer begründen lassen. Dies hat jedoch missliche Konsequenzen für den Schuldner, will er sich dem Risiko des Wiederauflebens nicht aussetzen. Denn in diesem Fall muss er eine entsprechende Zahlung gemäß § 70 Abs. 2 StaRUG leisten, auch ohne dass der Gläubiger seine Forderung tatsächlich gerichtlich geltend macht. Dies zwingt den Schuldner ggf. dazu nunmehr selbst aktiv zu werden und die zur Erhaltung der Gestaltungswirkungen des Planes vorläufig geleistete Zahlung nun selbst per Leistungsklage gerichtlich zurückzufordern. Ein solcher Wechsel der Obliegenheiten dürfte durch die Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens kaum gerechtfertigt sein. Die Aufnahme einer gesetzlichen Regelung, ___________ 123) Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, § 70 Rz. 8. 124) So zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 256 Rz. 18. 125) BGH v. 15.7.2010 - IX ZB 65/10, Rz. 16, NZI 2010, 734, 735 = ZIP 2010, 1499.

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§ 37

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

welche die Möglichkeit eines Wiederauflebens an die tatsächliche gerichtliche Verfolgung der streitigen Forderung durch den Gläubiger knüpft, wäre daher wünschenswert. 3.

Ausgleichszahlungen nach endgültiger Feststellung (§ 70 Abs. 3 und 4 StaRUG)

136 Steht die Höhe der streitigen Forderung oder der Ausfallforderung fest, sind erfolgte Überoder Unterzahlungen auszugleichen. Entsprechende Regelungen hierzu enthalten § 70 Abs. 3 und 4 StaRUG. 137 Die Höhe einer streitigen Forderung steht nach rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung oder nach Abschluss eines Vergleiches hierzu fest. Eine endgültige Feststellung einer Ausfallforderung kann nach Abschluss der Verwertung erfolgen126) – jedenfalls soweit kein Streit hinsichtlich der angefallenen Verwertungskosten besteht. 138 Ergibt die endgültige Feststellung, dass der Schuldner bisher zu wenig an den Gläubiger gezahlt hat, muss er den Differenzbetrag nachzahlen. Dieser Differenzbetrag wird mit endgültiger Feststellung fällig. Mahnt der Gläubiger den Schuldner nach Fälligkeit unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 StaRUG und leistet der Schuldner innerhalb der gesetzten Nachfrist nicht, führt dies – soweit nicht Abweichendes im Plan bestimmt ist – zum Wiederaufleben der gesamten Forderung nach § 69 Abs. 1 StaRUG. 139 Ergibt die endgültige Feststellung, dass der Schuldner an den Gläubiger zu viel bezahlt hat, muss der Gläubiger den Differenzbetrag erstatten, § 70 Abs. 4 StaRUG. Dies bedeutet eine Durchbrechung des in § 67 Abs. 4 StaRUG statuierten Grundsatzes, dass ein Gläubiger Leistungen, die über das nach dem Plan zu Leistende hinausgehen, behalten darf. Grundlage hierfür ist der Fortbestand der im Plan erlassenen Forderungen als Naturalobligation, die Rechtsgrund für das Behaltendürfen sind und eine Kondiktion damit ausschließen. Dies soll aber bei lediglich vorläufigen Zahlungen gemäß § 70 Abs. 2 StaRUG, die zur Abwendung eines Wiederauflebens erbracht werden, nicht gelten. Diese soll der Schuldner zurückfordern können. 140 Um ein unnötiges Hin- und Herzahlen zu vermeiden, soll der Schuldner aber solche Beträge nicht zurückfordern können, die dem Gläubiger nach dem Plan zustehen aber noch nicht fällig sind, § 70 Abs. 4 StaRUG. XIII. Vollstreckung aus dem Plan 1.

Überblick

141 Aus einem rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan können Gläubiger wie aus einem Urteil vollstrecken. Dies sowohl gegen den Schuldner selbst (§ 71 Abs. 1 StaRUG) als auch gegen Dritte, die für die Erfüllung des Planes Verpflichtungen übernommen haben (§ 71 Abs. 2 StaRUG). Für den Fall des Wiederauflebens regelt § 71 Abs. 3 StaRUG die Modalitäten zur Erteilung der Vollstreckungsklausel. § 71 Abs. 4 StaRUG regelt letztlich die Ersetzung bereits bestehender vollstreckbarer Titel durch den Restrukturierungsplan. 2.

Vollstreckung gegen den Schuldner (§ 71 Abs. 1 StaRUG)

142 Der rechtskräftig bestätigte Restrukturierungsplan ist Vollstreckungstitel. Aus ihm können die Gläubiger, deren Forderungen in den Plan einbezogen wurden, wie aus einem Urteil vollstrecken. Die Regelung orientiert sich an der Parallelnorm zum Insolvenzplan, § 257 Abs. 1 StaRUG. Allerdings gibt es im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kein Forderungsfeststellungsverfahren und auch keine Tabelle, aus welcher sich nach Feststellung die den Planwirkungen unterworfene Forderung ergibt. Die einbezogenen Restrukturierungs___________ 126) Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 256 Rz. 23.

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Wirkungen des bestätigten Plans

forderungen ergeben sich hier stattdessen direkt aus dem Plan. Diese hat der Schuldner im Plan entsprechend zu benennen und zu beziffern. Vollstreckungstitel ist hier folglich der Restrukturierungsplan allein. Ein Tabellenauszug oder ähnliche Unterlagen sind daneben nicht erforderlich. Hat der Schuldner Forderungen lediglich mit einem Teilbetrag in den Restrukturierungsplan einbezogen, erfasst die Titulierungswirkung des Planes auch nur diesen Teilbetrag.127) Darüber hinausgehende Beträge können auf Basis des Restrukturierungsplanes nicht vollstreckt werden. Voraussetzung für eine Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan ist, dass die betref- 143 fende Forderung in diesem nicht als bestritten ausgewiesen ist. Für als bestritten ausgewiesene Forderungen ist deren Berechtigung – sofern es später nicht zu einer vergleichsweisen Einigung kommt – vor den jeweiligen Fachgerichten festzustellen. Einen Vollstreckungstitel (unter Berücksichtigung der Planwirkungen) muss der Gläubiger dann in einem solchen Verfahren erlangen. Um die Titulierungswirkung des § 71 Abs. 1 StaRUG zu verhindern, muss der Schuldner aus seiner Sicht nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe bestehende Forderungen im Restrukturierungsplan klar als streitige Forderungen kennzeichnen. Für nicht als streitig gekennzeichnete Forderungen kommt der Restrukturierungsplan für den Schuldner letztlich einer Vollstreckungsunterwerfung gleich.128) Zum Eintritt der Titulierungswirkung des § 71 Abs. 1 StaRUG ist die Rechtskraft des 144 Planbestätigungsbeschlusses erforderlich. Anders als bei den übrigen Wirkungen des Restrukturierungsplanes129) genügt die bloße Bestätigung des Restrukturierungsplanes nicht. Für eine Vollstreckung ist daher der Restrukturierungsplan i. V. m. dem gerichtlichen Bestätigungsbeschluss vorzulegen. Der gerichtliche Bestätigungsbeschluss muss mit einem Rechtskraftvermerk versehen sein. Auf dieser Grundlage kann eine entsprechende Vollstreckungsklausel erteilt werden.130) Für die örtliche Zuständigkeit für Klagen auf Klauselerteilung, für Klauselgegenklagen sowie 145 für Vollstreckungsabwehrklagen verweist § 71 Abs. 1 Satz 2 StaRUG auf § 202 InsO. Ausschließlich örtlich zuständig ist damit das Amtsgericht, bei dem das Restrukturierungsverfahren anhängig ist oder war bzw. das Landgericht, zu dessen Bezirk dieses Amtsgericht gehört. 3.

Vollstreckung gegen Dritte (§ 71 Abs. 2 StaRUG)

Eine Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan ist auch gegen Dritte möglich, wenn diese 146 durch schriftliche Erklärung für die Erfüllung des Planes Verpflichtungen übernommen haben. Für solche Plangaranten gelten die gleichen Regelungen wie für eine Vollstreckung gegen den Schuldner. Erfasst werden ausschließlich Verpflichtungen, die sich auf die Erfüllung des Planes bezie- 147 hen. Dies betrifft also im Wesentlichen die Zahlung der zugesagten Planquoten. Inhalt der Verpflichtung ist mithin die Übernahme einer persönlichen Haftung für die Planerfüllung, also eine Bürgschaft, eine Garantie oder ein Schuldbeitritt. Die Gewährung dinglicher Sicherheiten für die Planerfüllung ist hingegen nicht erfasst.131) Die Verpflichtung des Plangaranten kann begrenzt sein und sich z. B. nur auf bestimmte Planquoten oder Teile hiervon beziehen.132) Sie ist dann auch nur in diesem Umfang vollstreckbar. ___________ 127) 128) 129) 130) 131) 132)

Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 71 Rz. 8; Bauch in: Braun, StaRUG, § 71 Rz. 2. Bauch in: Braun, StaRUG, § 71 Rz. 2. Vgl. dazu § 67 Abs. 1 StaRUG. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 71 Rz. 3a. Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 257 Rz. 45 f. Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 257 Rz. 45 f.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

148 Voraussetzung für eine Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan ist eine schriftlich beim Restrukturierungsgericht eingereichte Erklärung des Plangaranten. Hierbei wird es sich in der Regel um eine Plananlage gemäß § 15 Abs. 3 StaRUG handeln. Eine lediglich mündliche Erklärung genügt nicht. 149 Eine Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan gegen den Plangaranten ist ausgeschlossen, wenn dessen Verpflichtung unter dem Vorbehalt der Einrede der Vorausklage steht. § 771 BGB definiert die Einrede der Vorausklage i. R. des Bürgschaftsrechts. Eine Inanspruchnahme des Bürgen ist danach erst möglich, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner erfolglos versucht hat. Wegen § 771 BGB besteht im Falle einer Bürgschaft der Vorbehalt der Einrede der Vorausklage immer dann, wenn nicht ausdrücklich auf diesen verzichtet wurde. Im Falle einer Garantie oder eines Schuldbeitritts muss ein solcher Vorbehalt hingegen ausdrücklich erklärt werden.133) 150 Ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage haftet der Plangarant gleichrangig neben dem Schuldner. Damit ist gegen ihn eine Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan möglich. Auch insoweit gilt die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichtes bzw. des entsprechenden Landgerichtes. Hat sich der Plangarant hingegen die Einrede der Vorausklage ausdrücklich vorbehalten oder hat er im Falle einer Bürgschaft nicht darauf verzichtet, kann ein Titel gegen ihn ausschließlich i. R. eines Klageverfahrens erwirkt werden. Das gilt selbst dann, wenn der Restrukturierungsgläubiger zuvor erfolglos die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner versucht hat.134) 4.

Vollstreckung nach Wiederaufleben (§ 71 Abs. 3 StaRUG)

151 Auch im Fall des Wiederauflebens der Restrukturierungsforderung nach § 69 Abs. 1 StaRUG kann der Gläubiger die Vollstreckung auf den Restrukturierungsplan stützen. Allerdings ist die Vollstreckungsklausel auf die gesamte Restrukturierungsforderung – soweit diese in den Plan einbezogen ist – auszuweiten.135) Die im Plan vorgenommenen Gestaltungen, insbesondere Erlasse sind mithin außer Acht zu lassen. Dies ist in der Vollstreckungsklausel klarzustellen. 152 Für die Erteilung einer entsprechenden Vollstreckungsklausel muss der Gläubiger die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft machen i. S. des § 294 ZPO. Ein weiterer Beweis für den Rückstand des Schuldners ist nicht zu erbringen. Entsprechende Einwände muss der Schuldner im Wege der Erinnerung nach § 732 ZPO oder der Klauselgegenklage nach § 768 ZPO geltend machen.136) 5.

Ersetzung bisheriger Vollstreckungstitel (§ 71 Abs. 4 StaRUG)

153 Soweit für eine einbezogene Restrukturierungsforderung bereits ein vollstreckbarer Titel vorliegt, tritt der rechtskräftig bestätigte Restrukturierungsplan an dessen Stelle, § 71 Abs. 4 StaRUG. Eine weitere Vollstreckung aus dem bisherigen Titel ist insoweit unzulässig. 154 Dies gilt nur wenn und soweit Forderungen in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden. Sofern nur ein Teilbetrag einer bereits titulierten Forderung einbezogen wurde, gilt die Regelung des § 71 Abs. 4 StaRUG nur für diesen Teilbetrag. Für den darüberhinausgehenden Betrag ist eine Vollstreckung aus dem bisherigen Titel weiterhin möglich.137) Die ___________ 133) Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 257 Rz. 47. 134) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 71 Rz. 30. 135) Zum Insolvenzplan: Huber/Madaus in: MünchKomm-InsO, § 257 Rz. 63 – m. Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Vollstreckungsklausel; ebenso Schultze, HRI II, § 41. 136) Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 257 Rz. 27. 137) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169.

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§ 37

Wirkungen des bestätigten Plans

Regelung des § 71 Abs. 4 StaRUG gilt nicht für im Plan als bestritten ausgewiesene Forderungen. Für diese ist bereits nach § 71 Abs. 1 StaRUG eine Vollstreckung aus dem Restrukturierungsplan nicht möglich. Eine Ersetzung erfolgt nur für vollstreckbare Titel, die im Zeitpunkt der Rechtskraft der 155 Planbestätigung bereits bestanden. Soweit Titel nach diesem Zeitpunkt ergehen, findet § 71 Abs. 4 StaRUG keine Anwendung. Solche nachträglichen Titel sind insbesondere im Hinblick auf bestrittene Forderungen denkbar, für die eine Titelwirkung des Planes ohnehin nicht gegeben ist. Der Gesetzgeber verweist insoweit darauf, dass eine Vollstreckung aus solchen Titeln nur unter Beachtung der nach § 70 Abs. 1 StaRUG zu bestimmenden Gestaltungswirkungen des Planes möglich ist.138) Diese Gestaltungswirkungen dürften i. R. des nachträglichen Titels in einer Vielzahl der Fälle bereits berücksichtigt sein. So ist z. B. der im Plan vorgesehene teilweise Forderungserlass i. R. eines nachträglichen Leistungsurteils über eine bestrittene Forderung bereits zu beachten. Das Urteil kann in diesem Fall nur über die entsprechend verminderte Forderung ergehen. Ein nachträglicher Titel über eine unbestrittene Forderung könnte sich jedoch z. B. bei 156 Steuerforderungen ergeben. Ist eine Steuerforderung als unbestritten in den Restrukturierungsplan einbezogen wurden, stand der Steuerbeschied jedoch noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und ergeben sich z. B. i. R. einer Betriebsprüfung Anpassungen, entsteht mit Anpassung ein neuer Vollstreckungstitel. Eine Vollstreckung hieraus kann nur unter Beachtung der Gestaltungswirkungen des Planes erfolgen. Ergibt sich i. R. der Neufestsetzung eine höhere Forderung, als dem Plan zugrunde gelegt war, unterfällt diese lediglich i. H. ihrer Einbeziehung den Gestaltungswirkungen.139) Die Möglichkeit der Vollstreckung aus bereits bestehenden Vollstreckungstiteln entfällt 157 erst mit Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses. Bis zu diesem Zeitpunkt kann trotz Anhängigkeit des Restrukturierungsvorhabens weiter hieraus vollstreckt werden. Eine generelle Vollstreckungssperre sieht der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nicht vor. Soll eine Vollstreckung verhindert werden, um den Sanierungserfolg nicht zu gefährden, muss der Schuldner i. R. einer Stabilisierungsanordnung eine Vollstreckungssperre gegen den betreffenden Gläubiger erwirken. Nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses kann der Schuldner gegen die Vollstreckung aus einem Alttitel mit der Titelgegenklage nach § 767 ZPO analog vorgehen.140)

___________ 138) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. 139) Vgl. zur Problematik der nachträgichen Änderung von Steuerbescheiden insgesamt Wilke in: BeckOKStaRUG, § 71 Rz. 18 ff. 140) Bauch in: Braun, StaRUG, § 71 Rz. 8; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 71 Rz. 12.

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§ 38 Planüberwachung und Planerfüllung Pleister/Raschke

I. II. III. IV. 1.

Einleitung .................................................... 1 Anordnung der Überwachung.................. 4 Gegenstand der Überwachung.................. 6 Person des Überwachers........................... 10 Überwachung durch Restrukturierungsbeauftragten................................................ 10 2. Überwachung durch Dritte ....................... 12 3. Verhältnis zu Gläubigerbeitrat und Insolvenzgericht......................................... 13 V. Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten ........ 14 1. Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten................................................ 15 1.1 Überwachung der tatsächlichen Erfüllung von Ansprüchen ........... 19 1.2 Prognose über die Erfüllbarkeit von Ansprüchen ............................ 21 2. Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten................................................ 25 2.1 Auskunftsanspruch ....................... 26 2.2 Einsichtsrecht ................................ 28 2.3 Unterstützungsanspruch .............. 30

I.

2.4 Kein Betretungsrecht .................... 31 2.5 Keine Eingriffsbefugnisse ............. 32 2.6 Durchsetzung der Befugnisse....... 35 3. Anzeige der (drohenden) Nichterfüllung ..................................................... 36 3.1 Zweck der Anzeige........................ 37 3.2 Zeitpunkt und Adressaten der Anzeige.................................... 38 3.3 Anzuzeigende Sachverhalte .......... 40 VI. Dauer der Überwachung.......................... 45 1. Aufhebung nach Erfüllung oder Gewährleistung der Erfüllung................... 47 2. Aufhebung nach Zeitablauf....................... 50 3. Aufhebung bei Insolvenz des Schuldners ... 54 4. Form der Aufhebung................................. 55 VII. Aufsicht des Restrukturierungsgerichtes..................................................... 58 1. Fortdauer der Aufsichtspflicht für die Dauer der Überwachung ............... 58 2. Ausübung der Aufsicht ............................. 59 3. Beschlüsse des Restrukturierungsgerichts ....................................................... 63

Einleitung

1 Wie auch im Insolvenzplanrecht hat der Gesetzgeber für den Restrukturierungsplan die Möglichkeit einer Planüberwachung vorgesehen. Dementsprechend sind die Regelungen des § 72 StaRUG an § 260 Abs. 1 und 2 sowie § 268 InsO angelehnt.1) Ziel einer solchen Überwachung ist die Erfüllung bzw. Erfüllbarkeit der Ansprüche der Gläubiger, die diesen nach dem gestaltenden Teil des Restrukturierungsplanes zustehen. Die Überwachung erfolgt durch einen Restrukturierungsbeauftragten. Diesem stehen Auskunfts- und Überprüfungsrechte zu.2) Eingriffsrechte oder Zustimmungsvorbehalte sind mit einer solchen Überwachung nicht verbunden. Der Restrukturierungsbeauftragte ist mithin bloße Kontrollinstanz, welche eine frühzeitige Information der Gläubiger und des Restrukturierungsgerichts im Fall der Nichterfüllung oder Nichterfüllbarkeit der Ansprüche sicherstellen soll. 2 Die Regelung einer Überwachung im Restrukturierungsplan kann das notwendige Vertrauen der Gläubiger an die Erfüllung des Restrukturierungsplanes durch den Schuldner erhöhen.3) Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Erfüllung solcher Ansprüche für einen Zeitpunkt vorgesehen ist, der deutlich nach der Aufhebung der Restrukturierungssache gemäß § 33 StaRUG liegt und insbesondere von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldners abhängt. Eine Planüberwachung bietet sich auch dann an, wenn das Entstehen entsprechender Ansprüche für die Gläubiger nicht ohne weiteres

___________ 1) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. 2) Zum Insolvenzplan Pleister in: KPB, InsO, § 260 Rz. 13. 3) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 6; Curtze/Doebert in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung- und Betriebsfortführung, Teil 2 Abschn. B. VI. Rz. 79.

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§ 38

Planüberwachung und Planerfüllung

nachvollziehbar ist, etwa weil die Höhe der Ansprüche von künftigen Zuflüssen oder Erträgen des Schuldners abhängt.4) Anders als im Insolvenzplanrecht (§ 267 InsO) wird die Festlegung einer Überwachung 3 nicht veröffentlicht, sodass mögliche Auswirkungen einer Überwachung auf die Bonität des Schuldners (siehe dazu Mönning, HRI II, § 42 Rz. 12 ff.) begrenzt sein dürften. II.

Anordnung der Überwachung

Die Anordnung der Überwachung kann nur im gestaltenden Teil des Restrukturierungs- 4 planes erfolgen. Sie ist fakultativ.5) Der Planersteller wird eine Überwachung entweder eigenständig als vertrauensbildende Maßnahme in den Plan aufnehmen oder dies auf entsprechende Forderung der planbetroffenen Gläubiger tun, um deren Zustimmung zum Plan zu erhalten.6) Entscheidet sich der Planersteller gegen die Aufnahme einer Überwachung in den Plan, können Gläubiger ihren Wunsch nach Anordnung einer solchen nur durchsetzen, indem sie ankündigen, ihre Zustimmung zum Plan ohne eine solche Regelung nicht zu erteilen. Die Anordnung einer Überwachung durch das Restrukturierungsgericht ist nicht mög- 5 lich. Das Restrukturierungsgericht kann daher die Entscheidung des Planerstellers gegen eine Überwachung nicht ersetzen. Folglich ist auch die nachträgliche Anordnung einer Überwachung, also nach gerichtlicher Bestätigung des Plans, ausgeschlossen.7) Konsensuale Vereinbarungen zwischen Schuldner und Gläubiger, die eine Überwachung vorsehen, sind allerdings auch nach diesem Zeitpunkt noch möglich. Sie unterliegen jedoch nicht den Regelungen des § 72 StaRUG. III.

Gegenstand der Überwachung

Gegenstand der Überwachung ist nach § 72 Abs. 1 StaRUG die Erfüllung der den Gläu- 6 bigern nach dem gestaltenden Teil des Restrukturierungsplanes zustehenden Ansprüche. Dies zielt in erster Linie auf durch den Schuldner zu leistende Quotenzahlungen. Denkbar sind aber auch andere Pflichten des Schuldners gegenüber den Gläubigern, die sich aus dem gestaltenden Teil des Plans ergeben,8) wie z. B. Zahlungen auf Absonderungsanwartschaften oder Bestellung neuer Sicherheiten. Die Klärung und Erfüllung streitiger Ansprüche ist ebenfalls Gegenstand der Überwachung.9) Nicht erfasst sind hingegen Ansprüche nicht planbetroffener Gläubiger oder nicht in den Plan einbezogene Ansprüche sowie im darstellenden Teil des Planes vorgesehene Restrukturierungsmaßnahmen.10) Auch Ansprüche der Gläubiger gegen Dritte, z. B. gegen Plangaranten, sind nicht Gegenstand der Überwachung.11) Eine umfassende, auf sämtliche Planansprüche der Gläubiger ausgerichtete Überwachung ist 7 keinesfalls zwingend. Die Überwachung kann auf bestimmte Ansprüche begrenzt wer___________ Harig in: Kluth/Harder/Harig/Kunz, Das neue Restrukturierungsrecht, § 10 Rz. 66. Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 2. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 1. Naumann in: Flöther, StaRUG, § 72 Rz. 3; Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 3. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 4; zum Insolvenzplan vgl. Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 260 Rz. 7. 9) Vgl. zum Insolvenzplan Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 260 Rz. 7; Pleister in: KPB, InsO, § 260 Rz. 10. 10) Entsprechend zum Insolvenzplan Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 260 Rz. 6; Pleister in: KPB, InsO, § 260 Rz. 11. 11) Vgl. zum Insolvenzplan Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 260 Rz. 7; Pleister in: KPB, InsO, § 260 Rz. 12; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 260 Rz. 22. 4) 5) 6) 7) 8)

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§ 38

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

den.12) Eine solche Begrenzung muss im Plan klar geregelt werden. Ohne eine solche klare Regelung ist von einer Überwachung sämtlicher Ansprüche auszugehen, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil des Planes zustehen. 8 Fraglich ist, ob eine Erweiterung der Überwachung auch auf nicht in den Plan einbezogene Ansprüche oder auf sonstige vorgesehene Restrukturierungsmaßnahmen möglich ist. Zwar dürfte eine solch erweiternde Auslegung nicht mehr dem Sinn und Zweck des § 72 Abs. 1 StaRUG entsprechen. Die Gefahr einer für den Schuldner inakzeptablen Beschränkung ergibt sich daraus hingegen nicht. Vielmehr signalisiert der Schuldner mit Vorlage eines solche Erweiterungen enthaltenden Planes sein Einverständnis mit diesen Regelungen.13) 9 Daneben kann im Plan auch die Form der Überwachung konkret ausgestaltet werden. So kann es sich bspw. anbieten, konkrete Berichtspflichten des Schuldners an den Restrukturierungsbeauftragten vorzusehen. IV.

Person des Überwachers

1.

Überwachung durch Restrukturierungsbeauftragten

10 Die Überwachung erfolgt durch einen Restrukturierungsbeauftragten, § 72 Abs. 2 StaRUG. Wenn ein solcher im Verfahren bereits bestellt wurde, ist diesem die Überwachung zu übertragen.14) Ist das nicht der Fall, erfolgt gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StaRUG eine Bestellung von Amts wegen durch das Restrukturierungsgericht. 11 Die durch den Gesetzgeber vorgenommene Zuweisung der Überwachung zur Person des Restrukturierungsbeauftragten erweist sich zumindest in den Fällen als zweckmäßig, in denen der Restrukturierungsbeauftragte bereits zuvor im Verfahren bestellt wurde und dieses daher kennt (siehe zur Zuweisung der Überwachung beim Insolvenzplan an den Insolvenzverwalter Mönning, HRI II, § 42 Rz. 76). In diesem Fall ist der Restrukturierungsbeauftragte mit dem Schuldner sowie den Regelungen des Restrukturierungsplanes vertraut. Es wird ihm entsprechend leichter fallen, die i. R. der Überwachung erforderlichen Informationen in geeigneter Form vom Schuldner abzufordern und zu bewerten. Wird ein Restrukturierungsbeauftragter hingegen erst zum Zwecke der Überwachung bestellt, besteht ein solcher Informationsvorsprung nicht. In diesem Fall spricht lediglich die nach § 74 Abs. 1 StaRUG erforderliche Unabhängigkeit des Restrukturierungsbeauftragten vom Schuldner und den Gläubigern für eine Zuweisung an diesen. 2.

Überwachung durch Dritte

12 Grundsätzlich möglich ist auch eine Überwachung durch eine andere Person als einen Restrukturierungsbeauftragten. Eine solche Überwachung unterliegt dann jedoch nicht dem Regime des § 72 StaRUG.15) Bei Überwachung durch eine andere Person als einen Restrukturierungsbeauftragten sind daher die Übernahme der Überwachung, die Rechte und Pflichten des Überwachers sowie die Kostentragung separat vertraglich zu regeln. Die Ausgestaltung wird dabei in der Regel als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) für die planbetroffenen Gläubiger erfolgen müssen (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 172). ___________ 12) Naumann in: Flöther, StaRUG, § 72 Rz. 4; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 4; Brackmann in: Morgen, StaRUG, § 72 Rz. 5. 13) Zur Zulässigkeit von Abweichungen von § 260 InsO auch zum Nachteil des Schuldners mit dessen Zustimmung vgl. Pleister in: KPB, InsO, § 260 Rz. 17. 14) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. 15) Vgl. zum Insolvenzplan Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 261 Rz. 2.

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Pleister/Raschke

§ 38

Planüberwachung und Planerfüllung 3.

Verhältnis zu Gläubigerbeitrat und Insolvenzgericht

Im Gesetz nicht geregelt ist das Verhältnis des Restrukturierungsbeauftragten als Über- 13 wacher zu einem ggf. nach § 93 StaRUG eingesetzten Gläubigerbeirat.16) Anders als im Insolvenzplanrecht (§ 261 Abs. 1 Satz 2 InsO) ist der Fortbestand der Ämter der Mitglieder des Gläubigerbeirates sowie der Aufsicht des Restrukturierungsgerichtes bei angeordneter Überwachung im StaRUG nicht geregelt. Grundsätzlich endet die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 2 StaRUG mit Rechtskraft der Entscheidung über die Planbestätigung. Damit dürften auch die Ämter der Mitglieder eines Gläubigerbeirates enden. Eine Zusammenarbeit des Restrukturierungsbeauftragten mit dem Gläubigerbeirat kommt im Zeitraum der Überwachung daher nicht in Betracht. Die Aufsicht des Restrukturierungsgerichts besteht im Fall der Überwachung allerdings auch über das Ende der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache hinaus fort (siehe dazu unten Rz. 58). V.

Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten

Die Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten i. R. der Überwachung 14 können und sollten im Restrukturierungsplan konkret ausgestaltet werden. Denkbar sind z. B. die Regelung konkreter Berichtspflichten des Schuldners an den Restrukturierungsbeauftragten,17) die Aufnahme konkreter Einsichtsrechte oder auch Vorgaben zur Prüfungsintensität (bloße Plausibilisierung vs. umfassende Prüfung). Eine konkrete Ausgestaltung vermeidet eventuelle Unklarheiten und beugt möglichen Haftungsrisiken,18) insbesondere einer Haftung nach § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG vor. 1.

Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

Sofern der Restrukturierungsplan keine konkreten Vorgaben enthält, hat der Restruktu- 15 rierungsbeauftragte Art und Umfang der Überwachung nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Überwachung ist i. S. einer beobachtenden Kontrolle zu verstehen (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 81), wobei sich diese Kontrolle auf die Erfüllung der gemäß dem Plan zu überwachenden Ansprüche beschränkt. Nicht zu überwachen sind sonstige Maßnahmen, wie z. B. im darstellenden Teil des Planes vorgesehene Restrukturierungsmaßnahmen,19) auch wenn deren Umsetzung für die Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung der Planansprüche relevant sein mag. Auch sonstige Geschäftsführungsmaßnahmen des Schuldners unterliegen nicht der Überwachung durch den Restrukturierungsbeauftragten (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 89).20) Lediglich die Auswirkungen solcher Maßnahmen (oder deren Unterlassung) sind für den Restrukturierungsbeauftragen u. U. relevant, soweit sich diese in der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Schuldners niederschlagen und die Fähigkeit des Schuldners, die den Gläubigern nach dem Plan zustehenden Ansprüche erfüllen zu können, hierdurch beeinflusst wird. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Planansprüche der Gläubiger aus künftigen Erträgen des Schuldners bedient werden sollen. Der Restrukturierungsbeauftragte kann diese Auswirkungen jedoch lediglich zur Kennt- 16 nis nehmen und i. R. seiner zu treffenden Prognose hinsichtlich der Erfüllbarkeit der An___________ Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 8. Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 3. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 9; vgl. zum Insolvenzplan: Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 262 Rz. 11. Vgl. zum Insolvenzplan Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 260 Rz. 6; Pleister in: KPB, InsO, § 260 Rz. 11; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 260 Rz. 23; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 260 Rz. 6. 20) Vgl. zum Insolvenzplan Pleister in: KPB, InsO, § 260 Rz. 11; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 260 Rz. 23.

16) 17) 18) 19)

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

sprüche bewerten (siehe hierzu unten Rz. 21 ff.). Prüfungs- oder Kontrollbefugnisse für die einzelnen Maßnahmen erwachsen ihm hieraus nicht. Auch die Beratung des Schuldners oder die Abgabe von Empfehlungen gehören nicht zu seinen Aufgaben (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 82). 17 Zur Durchführung der ihm übertragenen Überwachungsaufgabe hat der Restrukturierungsbeauftragte die für seine Überwachung erforderlichen Informationen und Unterlagen beim Schuldner einzufordern, diese auszuwerten und im Falle von Unklarheiten oder einer Unvollständigkeit ergänzende Auskunft bzw. Unterlagen zu verlangen. 18 Gemäß § 72 Abs. 3 StaRUG ist der Restrukturierungsbeauftragte verpflichtet, den Gläubigern und dem Restrukturierungsgericht anzuzeigen, wenn der Schuldner Planansprüche der Gläubiger nicht erfüllt oder erfüllen kann (siehe hierzu unten Rz. 36 ff.). 1.1

Überwachung der tatsächlichen Erfüllung von Ansprüchen

19 Zur Prüfung, ob die den Gläubigern nach dem Restrukturierungsplan zustehenden Ansprüche erfüllt wurden, hat sich der Restrukturierungsbeauftragte vom Schuldner entsprechende Belege vorlegen zu lassen. Handelt es sich um Zahlungen, die der Schuldner zu leisten hat, kann der Restrukturierungsbeauftragte die Fristgemäßheit und Vollständigkeit der Zahlungen in der Regel anhand von Kontoauszügen überprüfen (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 87). Im Falle anderweitiger Leistungen, wie z. B. der Bestellung von Sicherheiten, sind jeweils geeignete Belege zu fordern. 20 Bei streitigen Forderungen hat sich der Restrukturierungsbeauftragte Unterlagen zur Klärung der Streitigkeit, wie z. B. Vergleichsvereinbarungen oder rechtskräftige Urteile vorlegen zu lassen, anhand derer er den Umfang der Einbeziehung der Forderung in den Plan und die sich daraus ergebenden Ansprüche des Gläubigers beurteilen kann. Für die Erfüllung der sich für die streitigen Forderungen nach dem Plan ergebenden Ansprüche sind wiederum geeignete Belege zu fordern und zu prüfen. 1.2

Prognose über die Erfüllbarkeit von Ansprüchen

21 Nach § 72 Abs. 3 StaRUG besteht eine Anzeigepflicht des Restrukturierungsbeauftragten auch dann, wenn dieser feststellt, dass von ihm zu überwachende Ansprüche nicht erfüllt werden können. Der Restrukturierungsbeauftragte hat damit eine Prognose über die Fähigkeit des Schuldners zu treffen, die betroffenen Ansprüche zu erfüllen.21) Relevant ist eine solche Prognose in Fällen, in denen zwischen Wirksamkeit des Restrukturierungsplanes und Fälligkeit der zu erbringenden Leistungen ein gewisser Zeitraum liegt, in welchem sich die Leistungsfähigkeit des Schuldners ändern kann. 22 Im Fall von Zahlungsansprüchen muss sich der Restrukturierungsbeauftragte daher ein Bild über die künftige Liquiditätslage des Schuldners verschaffen. Hierzu muss er die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Schuldners kontinuierlich überwachen und kritisch würdigen.22) Ausgehend von der dem Restrukturierungsplan gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 StaRUG beizufügenden Unternehmensplanung des Schuldners23) muss der Restrukturierungsbeauftragte die laufende Entwicklung durch regelmäßige Prüfung der betriebswirtschaftlichen Auswertungen und ggf. weiterer Unterlagen verfolgen24) und Abweichungen von der Unternehmensplanung entsprechend würdigen. ___________ 21) 22) 23) 24)

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Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 9. Vgl. zum Insolvenzplan Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 262 Rz. 3. Vgl. zum Insolvenzplan Stephan in: MünchKomm-InsO, § 261 Rz. 7. Vgl. zum Insolvenzplan Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 262 Rz. 8 f.; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 261 Rz. 7.

Pleister/Raschke

§ 38

Planüberwachung und Planerfüllung

Eine fortgeschriebene und ggf. angepasste Unternehmensplanung des Schuldners hat der 23 Restrukturierungsbeauftragte lediglich auf Plausibilität zu prüfen (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 89). Die Erstellung einer „richtigeren“ oder „besseren“ Planung gehört hingegen nicht zu seinen Aufgaben. Im Falle einer unplausiblen Planung hat er die aus seiner Sicht abweichenden Ergebnisse jedoch zu ermitteln und zu würdigen. Um mögliche Haftungsgefahren für den Restrukturierungsbeauftragten zu vermeiden25) 24 und auch die Erwartungshaltung der Gläubiger hinsichtlich der Überwachung zu konkretisieren, sollten die Befugnisse und Pflichten des Restrukturierungsbeauftragten insbesondere für die von ihm zu treffende Prognose im Plan möglichst detailliert geregelt werden. Dies betrifft z. B. die von ihm zu prüfenden Unterlagen bzw. durchzuführenden Kontrollmaßnahmen sowie zeitliche Vorgaben für die Prüfungshäufigkeit (z. B. monatliche oder quartalsweise Prüfung). 2.

Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten

Welche Befugnisse dem Restrukturierungsbeauftragten zustehen, regelt § 76 Abs. 5 StaRUG. 25 Diese Regelung gilt für sämtliche Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten. Sie erfasst damit auch die Überwachung der Erfüllung der den Gläubigern nach dem Restrukturierungsplan zustehenden Ansprüche nach § 72 StaRUG. Gemäß § 76 Abs. 5 StaRUG ist der Schuldner verpflichtet, dem Restrukturierungsbeauftragten die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, ihm Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gewähren und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Der Gesetzgeber hat diese Regelung im Wesentlichen analog zu §§ 22 Abs. 3, 97 InsO ausgestaltet.26) 2.1

Auskunftsanspruch

Der Schuldner hat dem Restrukturierungsbeauftragten die i. R. der Überwachung erfor- 26 derlichen Auskünfte zu erteilen. Welche Auskünfte dies sind, bestimmt der Restrukturierungsbeauftragte anhand der zu überwachenden Planansprüche nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Auskunftserteilung kann schriftlich, mündlich, telefonisch oder in elektronischer Form erfolgen. Die Form der Auskunftserteilung legt der Restrukturierungsbeauftragte fest (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 100). Dabei wird er auf eine ordnungsgemäße Dokumentation seiner Überwachungstätigkeit achten, um die Erfüllung seiner Pflichten im Zweifel belegen zu können. Die erforderlichen Auskünfte können auch in den Geschäftsräumen des Schuldners erteilt 27 werden. Dies erfordert jedoch das Einverständnis des Schuldners, da dem Restrukturierungsbeauftragten kein Betretungsrecht für die Geschäftsräume des Schuldners zusteht (siehe dazu unten Rz. 31). 2.2

Einsichtsrecht

Der Schuldner ist zudem verpflichtet, dem Restrukturierungsbeauftragten Einsicht in seine 28 Bücher und Geschäftspapiere zu gewähren, § 76 Abs. 5 StaRUG. Die Reichweite des Einsichtsrechtes ist ebenfalls anhand der zu überwachenden Planansprüche zu bestimmen. Der Restrukturierungsbeauftragte legt die von ihm einzusehenden Bücher und Geschäftspapiere i. R. seines pflichtgemäßen Ermessens fest. Von seinem Einsichtsrecht umfasst sind sämtliche Belege für die Erfüllung der zu überwachenden Planansprüche. Im Hinblick auf ___________ 25) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 9; vgl. zum Insolvenzplan Jaffé in: FK-Wimmer, FK-InsO, § 262 Rz. 11. 26) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 174.

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6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

streitige Forderungen erfasst dies Unterlagen zum Stand der Streitigkeit bzw. zu deren Beilegung, wie Vergleichsvereinbarungen oder rechtskräftige Urteile. 29 Für die von ihm zu treffende Prognoseentscheidung bezüglich der künftigen Erfüllbarkeit von Planansprüchen wird dies in der Regel zumindest die betriebswirtschaftlichen Auswertungen des Schuldners, fortgeschriebene Unternehmensplanungen sowie weitere Unterlagen umfassen, mit denen sich der Restrukturierungsbeauftragte ein Bild von der Entwicklung der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Schuldners verschaffen kann. 2.3

Unterstützungsanspruch

30 Neben der Erteilung von Auskünften und der Gewährung von Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere ist der Schuldner nach § 76 Abs. 5 StaRUG verpflichtet, den Restrukturierungsbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Zweck dieser Unterstützungspflicht ist es, dem Restrukturierungsbeauftragten eine ordnungsgemäße und effiziente Erfüllung seiner Aufgabe zu ermöglichen. Die vom Schuldner zu erbringende Unterstützung kann inhaltlicher Art sein, indem z. B. Übersichten zu bestimmten Sachverhalten angefertigt werden. In Betracht kommt zudem eine technische Unterstützung, wie z. B. die Zurverfügungstellung von Zugangsdaten zu bestimmten Systemen (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 101). Auch das Ermöglichen des Austausches mit Dritten, wie z. B. dem Sanierungsgutachter des Schuldners, ist eine denkbare Unterstützungsleistung. 2.4

Kein Betretungsrecht

31 Dem Restrukturierungsbeauftragten steht kein Recht zum Betreten der Geschäftsräume des Schuldners zu. Ein solches war in Entsprechung zu § 22 Abs. 3 InsO im Referentenentwurf zum StaRUG noch vorgesehen, wurde im Regierungsentwurf jedoch gestrichen.27) Daraus ist zu schlussfolgern, dass dem Restrukturierungsbeauftragten ein Betretungsrecht nicht zustehen soll.28) Damit kann er insbesondere keine eigenen Nachforschungen in den Geschäftsräumen des Schuldners anstellen. Seine Rechte bleiben damit hinter denen eines Insolvenzverwalters im Zusammenhang mit der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplanes zurück. 2.5

Keine Eingriffsbefugnisse

32 Eingriffsbefugnisse in die Geschäftsführung des Schuldners stehen dem Restrukturierungsbeauftragten ebenfalls nicht zu.29) Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners liegt allein bei diesem. Eingriffsrechte des Restrukturierungsbeauftragten sieht das StaRUG nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur in eng begrenztem Umfang vor. So kann das Restrukturierungsgericht diesem gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2b) StaRUG das Kassenführungsrecht übertragen oder nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG einen Zustimmungsvorbehalt für Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs anordnen. Beides gilt jedoch nur für den Zeitraum der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache, welche jedoch gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 2 StaRUG mit Rechtskraft der Entscheidung über die Planbestätigung endet. ___________ 27) Begr. RefE SanInsFoG z. § 80 Abs. 6 StaRUG, S. 47, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 14.2.2023). 28) Ebenso Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 76 Rz. 48; Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 76 Rz. 30; a. A. Dankert-Gellert in: Nerlich/Römermann, InsO, § 76 StaRUG Rz. 50. 29) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 7a; Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 5.

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Pleister/Raschke

§ 38

Planüberwachung und Planerfüllung

Für den Zeitraum der Planüberwachung finden diese Regelungen aber auch deshalb keine 33 Anwendung, weil die Festlegung einer solchen Überwachung nicht der Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichtes unterfällt. Die Anordnung einer Planüberwachung kann ausschließlich im Restrukturierungsplan erfolgen, welchen der Schuldner erstellt. Sie ist rein fakultativ. Die Kompetenz des Restrukturierungsgerichtes, Anordnungen nach § 76 Abs. 2 StaRUG zu treffen, erfasst den Zeitraum dieser fakultativen Maßnahme daher nicht mehr. Auch der Restrukturierungsplan selbst kann entsprechende Eingriffsbefugnisse nicht 34 vorsehen. Im Vergleich zum Insolvenzplanrecht fehlt es im StaRUG an einer § 263 InsO entsprechenden Regelung. Es ist daher auch nicht möglich, im Restrukturierungsplan die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Restrukturierungsbeauftragten zu knüpfen. 2.6

Durchsetzung der Befugnisse

Der Restrukturierungsbeauftragte kann die ihm zustehenden Befugnisse gegenüber dem 35 Schuldner nicht zwangsweise durchsetzen.30) Auch dem Restrukturierungsgericht stehen Zwangsmittel hierfür nicht zur Seite. § 76 Abs. 5 StaRUG begründet zwar entsprechende Verpflichtungen des Schuldners, nicht aber durchsetzbare Rechte des Restrukturierungsbeauftragten. Als Konsequenz der Weigerung des Schuldners, erforderliche Auskünfte zu erteilen oder Einsicht zu gewähren bzw. den Restrukturierungsbeauftragten zu unterstützen bleibt damit lediglich die Anzeige einer solchen Weigerung durch den Restrukturierungsbeauftragten gegenüber den Gläubigern und dem Restrukturierungsgericht. Eine solche Anzeige dürfte gleichsam nachteilige Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb des Schuldners befürchten lassen wie die Anzeige der Nichterfüllung oder Nichterfüllbarkeit von Planansprüchen. Die Möglichkeit einer solchen Anzeige dürfte daher im Regelfall als Mittel der Durchsetzung der Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten durchaus wirkungsvoll sein. 3.

Anzeige der (drohenden) Nichterfüllung

Der Restrukturierungsbeauftragte ist nach § 72 Abs. 3 StaRUG verpflichtet, dem Restruk- 36 turierungsgericht und den planbetroffenen Gläubigern anzuzeigen, wenn er feststellt, dass zu überwachende Ansprüche nicht erfüllt werden oder nicht erfüllt werden können. Diese Regelung korrespondiert mit § 262 InsO. 3.1

Zweck der Anzeige

Ziel dieser Anzeige ist eine möglichst frühzeitige Unterrichtung der Gläubiger über die 37 (drohende) Nichterfüllung der diesen nach dem gestaltenden Teil des Planes zustehenden Ansprüche, damit diese entsprechende Maßnahmen in Erwägung ziehen können. Neben der Einleitung von Maßnahmen zum Wiederaufleben der planbetroffenen Forderung oder der Einleitung der Zwangsvollstreckung aus dem Plan kann dies insbesondere die Stellung eines Insolvenzantrages betreffend den Schuldner sein.31) Denkbar ist auch die Wiedereröffnung der Verhandlung mit dem Schuldner über eine anderweitige Erfüllung der Planansprüche32). ___________ 30) Morgen in: Morgen, StaRUG, § 76 Rz. 41; Dankert-Gellert in: Nerlich/Römermann, InsO, § 76 StaRUG Rz. 50; wohl auch Flöther/Eckelt in: Flöther, StaRUG, § 76 Rz. 49. 31) Brackmann in: Morgen, StaRUG, § 72 Rz. 14; vgl. zum Insolvenzplan Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 261 Rz. 10 f. sowie § 262 Rz. 4. 32) Brackmann in: Morgen, StaRUG, § 72 Rz. 14.

Pleister/Raschke

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§ 38 3.2

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf Zeitpunkt und Adressaten der Anzeige

38 Die Anzeige des Restrukturierungsbeauftragten hat unverzüglich zu erfolgen, mithin ohne schuldhaftes Zögern. Um zu einer solchen unverzüglichen Anzeige in der Lage zu sein, ist eine laufende Überwachung der künftigen Leistungsfähigkeit des Schuldners durch den Restrukturierungsbeauftragten erforderlich. Dem Restrukturierungsbeauftragten ist jedoch ausreichend Zeit zuzugestehen, um die ihm vorliegenden Informationen sorgfältig prüfen können und auf dieser Grundlage zu einer fundierten Einschätzung zu gelangen (siehe dazu unten Rz. 42). Erst nach einer solchen angemessenen Prüfungsfrist besteht eine Anzeigepflicht. 39 Adressaten einer solchen Anzeige sind die Gläubiger, denen nach dem gestaltenden Teil des Plans Ansprüche gegen den Schuldner zustehen und das Restrukturierungsgericht. Ein ggf. gemäß § 93 StaRUG bestellter Gläubigerbeirat ist nicht Adressat einer solchen Anzeige. Die Ämter der Mitglieder des Gläubigerbeirats bestehen nach Rechtskraft der Bestätigung des Restrukturierungsplanes und somit während des Zeitraums der Planüberwachung nicht fort (siehe dazu oben Rz. 13). Die Regelung des § 72 Abs. 3 StaRUG ist daher im Vergleich zu § 262 InsO entsprechend modifiziert. 3.3

Anzuzeigende Sachverhalte

40 Eine Anzeige hat durch den Restrukturierungsbeauftragten zu erfolgen, wenn von ihm zu überwachende Ansprüche nicht erfüllt werden. Hierzu genügt bereits die Nichterfüllung eines einzelnen Anspruches. 41 Der Restrukturierungsbeauftragte muss aber auch anzeigen, wenn der Schuldner Planansprüche nicht erfüllen können wird. Dies erfordert eine Prognose des Restrukturierungsbeauftragten über die künftige Leistungsfähigkeit des Schuldners. Dabei hat der Restrukturierungsbeauftragte eine Anzeige nicht bereits dann zu erstatten, wenn ihm die Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung der Planansprüche zweifelhaft erscheint oder ihm die Leistungsunfähigkeit möglich erscheint. Vielmehr muss der Restrukturierungsbeauftragte auf Grundlage der von ihm durchgeführten Prüfungen mit hinreichender Zuverlässigkeit zu dem Schluss kommen, der Schuldner werde zur Erfüllung der Planansprüche nicht in der Lage sein.33) 42 Bei seiner Beurteilung agiert der Restrukturierungsbeauftragte in einem Spannungsfeld. Zum einen kann er mit einer leichtfertigen, verfrühten Anzeige Schaden anrichten und damit die Erfüllung der Planansprüche erst recht gefährden.34) So können Finanzgläubiger ggf. Kredite fälligstellen oder Lieferanten Vorkasse verlangen. Zum anderen sieht er sich im Falle einer verspäteten Anzeige möglichen Haftungsansprüchen der Gläubiger nach § 75 Abs. 4 Satz 3 StaRUG ausgesetzt. Grundlage einer entsprechenden Anzeige muss daher in jedem Fall eine fundierte Analyse der maßgeblichen Umstände durch den Restrukturierungsbeauftragten sein.35) Diesem ist daher auch ausreichend Zeit für die Durchführung einer entsprechend sorgfältigen Prüfung zuzugestehen, bevor eine Anzeigepflicht besteht. 43 Letztlich besteht eine Anzeigepflicht auch dann, wenn der Schuldner seinen Pflichten zur Auskunftserteilung, zur Gewährung von Einsicht und/oder zur Unterstützung gegenüber dem Restrukturierungsbeauftragten in erheblichem Umfang nicht nachkommt. Zwar sieht das Gesetz eine solche Anzeigepflicht nicht vor. Der Schuldner kann die nachteiligen Auswirkungen einer Anzeige durch den Restrukturierungsbeauftragten jedoch nicht durch ___________ 33) Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 262 Rz. 3. 34) Vgl. zum Insolvenzplan Pleister in: KPB, InsO, § 262 Rz. 10; Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 262 Rz. 3. 35) Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 262 Rz. 4.

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Pleister/Raschke

§ 38

Planüberwachung und Planerfüllung

Verweigerung der Informationsgewährung an diesen verhindern. Da dem Restrukturierungsbeauftragten keine Zwangsmittel zur Durchsetzung der Pflichten des Schuldners zur Verfügung stehen, hat er die Gläubiger und das Restrukturierungsgericht zu informieren, wenn der Schuldner die Überwachung durch mangelnde Mitwirkung vereitelt. Anders als das Insolvenzrecht sieht das StaRUG keine jährliche Berichterstattung durch 44 den Restrukturierungsbeauftragten an das Restrukturierungsgericht und die planbetroffenen Gläubiger vor. Eine Entsprechung zu § 261 Abs. 2 InsO fehlt. Die Pflichten des Restrukturierungsbeauftragten beschränken sich daher auf eine anlassbezogene Anzeigepflicht. VI.

Dauer der Überwachung

Die Überwachung beginnt mit Rechtskraft des Beschlusses zur Bestätigung des Restruk- 45 turierungsplanes und dauert bis zur Aufhebung durch das Restrukturierungsgericht an. Das gilt auch im Fall einer Anzeige des Restrukturierungsbeauftragten über die Nichterfüllung oder Nichterfüllbarkeit von Planansprüchen. Eine solche Anzeige lässt die Wirksamkeit des Restrukturierungsplanes nicht entfallen und führt daher auch nicht zu einer vorzeitigen Beendigung der Überwachung. Die Überwachung dauert folglich auch nach einer entsprechenden Anzeige an. Im Falle neuer anzeigerelevanter Sachverhalte hat der Restrukturierungsbeauftragte die Gläubiger und das Restrukturierungsgericht erneut zu informieren.36) Gleiches gilt im Falle des Wiederauflebens planbetroffener Forderungen nach § 69 StaRUG. Auch hierdurch verliert der Plan seine Wirksamkeit grundsätzlich nicht und die Überwachung dauert fort.37) Die Überwachung endet erst mit deren Aufhebung durch das Restrukturierungsgericht. 46 Wann eine solche Aufhebung zu erfolgen hat, regelt § 72 Abs. 4 StaRUG. 1.

Aufhebung nach Erfüllung oder Gewährleistung der Erfüllung

Die Aufhebung der Überwachung hat zu erfolgen, wenn alle Ansprüche, deren Erfüllung 47 der Restrukturierungsbeauftragte zu überwachen hat, tatsächlich erfüllt sind. Zu diesem Zeitpunkt ist der Zweck der Überwachung erreicht. Eine Aufhebung hat auch dann zu erfolgen, wenn gewährleistet ist, dass die zu überwa- 48 chenden Ansprüche erfüllt werden. Eine solche Gewährleistung kann sich insbesondere aus der Stellung von Sicherheiten ergeben.38) Denkbar sind hier sowohl dingliche Sicherheiten als auch Personalsicherheiten. Voraussetzung für die Aufhebung der Überwachung ist jedoch, dass die Erfüllung der Planansprüche infolge der gewährten Sicherheit zweifellos feststeht. Lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit der Erfüllung ist nicht ausreichend.39) Kommt eine Bestellung von Sicherheiten zur Gewährleistung der Erfüllung in Betracht, bietet es sich an bereits im Plan zu regeln, welche Sicherheiten als ausreichend erachtet werden, um die Erfüllung der Planansprüche gewährleisten.40) Hierdurch werden rechtliche Unsicherheiten vermieden. Der Restrukturierungsbeauftragte hat das Restrukturierungsgericht über die vollständige 49 Erfüllung der Ansprüche bzw. die Gewährleistung der Erfüllung zu informieren,41) sodass dieses die Aufhebung der Überwachung beschließen kann. Zwar ist eine solche In___________ Brackmann in: Morgen, StaRUG, § 72 Rz. 15. Vgl. zum Insolvenzplan Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 261 Rz. 12. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 11. Brackmann in: Morgen, StaRUG, § 72 Rz. 19. Vgl. zum Insolvenzplan Jaffé in: Wimmer, FK-InsO, § 268 Rz. 2; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, § 268 Rz. 3; Pleister in: KPB, InsO, § 268 Rz. 4. 41) Brackmann in: Morgen, StaRUG, § 72 Rz. 19; a. A. Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 7. 36) 37) 38) 39) 40)

Pleister/Raschke

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§ 38

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

formationspflicht im Gesetz nicht explizit verankert. Diese ergibt sich jedoch aus der Tatsache der Zweckerreichung der Überwachungsaufgabe des Restrukturierungsbeauftragten. Alternativ kann auch der Schuldner das Restrukturierungsgericht über die Erfüllung bzw. Gewährleistung der Erfüllung informieren und diesem entsprechende Nachweise vorlegen.42) Dieses wird jedoch im Zweifel eine Stellungnahme des Restrukturierungsbeauftragten verlangen. Hierzu ist dieser gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 StaRUG verpflichtet. 2.

Aufhebung nach Zeitablauf

50 Die Überwachung ist mit Ablauf von drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Restrukturierungsplanes aufzuheben, § 72 Abs. 4 Nr. 2 StaRUG. In Rechtskraft erwächst allerdings nicht der Restrukturierungsplan, sondern der gerichtliche Beschluss zur Bestätigung des Restrukturierungsplanes gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. Maßgebend für den Beginn der Drei-Jahres-Frist ist daher dieser Zeitpunkt.43) 51 Die Anordnung einer Planüberwachung ist auch in einem konsensualen Plan möglich, bei welchem der Schuldner eine gerichtliche Bestätigung des Planes nicht beantragt. In diesem Fall beginnt die Drei-Jahres-Frist mit Wirksamkeit des Restrukturierungsplanes, mithin mit Annahme durch den letzten planbetroffenen Gläubiger. 52 Hintergrund der im Gesetz vorgesehenen zeitlichen Begrenzung ist die Annahme, dass nach Ablauf eines Zeitraums von drei Jahren typischerweise davon auszugehen ist, dass sich die bis dahin ordnungsgemäße Planerfüllung auch über diesen Zeitraum hinaus fortsetzt.44) § 72 Abs. 4 Nr. 2 StaRUG ist – wie auch die korrespondierende Regelung des § 268 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Insolvenzplanrecht – dispositiv. Der Restrukturierungsplan kann daher einen kürzeren Zeitraum für die Überwachung vorsehen. 53 Fraglich ist jedoch, ob auch eine Verlängerung dieses Zeitraumes zulässig ist. Für die insolvenzrechtliche Parallelnorm wird dies in Literatur und Rechtsprechung überwiegend als unzulässig erachtet.45) Diese Unzulässigkeit wird damit begründet, dass die Überwachung die Interessen der Neugläubiger und die wettbewerbliche Handlungsfreiheit des Schuldners tangiert.46) Dies ergibt sich insbesondere aus § 263 InsO (Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte) und § 264 InsO (Kreditrahmen). Entsprechende Regelungen sieht das StaRUG jedoch nicht vor. Eine Unzulässigkeit der Verlängerung des Überwachungszeitraumes lässt sich für das StaRUG so daher nicht begründen. Hinzu kommt, dass i. R. des StaRUG ausschließlich der Schuldner planvorlageberechtigt ist. Er wird einen Restrukturierungsplan, welcher eine Überwachung für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren vorsieht, nur dann vorlegen, wenn er damit einverstanden ist. Angesichts dessen kann im Restrukturierungsplan auch eine Verlängerung der Drei-Jahres-Frist vorgesehen werden.47) 3.

Aufhebung bei Insolvenz des Schuldners

54 Die Überwachung der Erfüllung der Planansprüche ist zudem mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners oder mit dessen Abweisung mangels Masse aufzuheben, § 72 Abs. 4 Nr. 3 StaRUG. Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind im Plan vorgesehene Stundungen und Erlasse gemäß § 69 Abs. 2 StaRUG hinfällig. ___________ 42) 43) 44) 45) 46) 47)

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Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 11; Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 7. A. A. Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 8, der auf die Fassung des Bestätigungsbeschlusses abstellt. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 169. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 268 Rz. 9 m. w. N. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 268 Rz. 9 m. w. N. Naumann in: Flöther, StaRUG, § 72 Rz. 11; a. A. Brackmann in: Morgen, StaRUG, § 72 Rz. 21; Harig in: Kluth/Harder/Harig/Kunz, Das neue Restrukturierungsrecht, § 10 Rz. 66.

Pleister/Raschke

§ 38

Planüberwachung und Planerfüllung

Eine Begleichung von Forderungen ist zudem nur noch i. R. der Vorgaben der InsO zulässig. Eine Überwachung erübrigt sich daher. Im Falle der Abweisung der Eröffnung des Verfahrens mangels Masse ist eine Überwachung ebenfalls nicht mehr sinnvoll, da entsprechende Mittel zur Erfüllung der bestehenden Forderungen zweifelsfrei nicht zur Verfügung stehen. 4.

Form der Aufhebung

Die Aufhebung der Überwachung erfolgt durch einen förmlichen Beschluss des Restruk- 55 turierungsgerichtes. Dieser förmliche Aufhebungsakt schafft Rechtsklarheit bei allen Beteiligten über das Ende der Überwachung. Die Voraussetzungen der Aufhebung prüft das Restrukturierungsgericht von Amts wegen. 56 Der Antrag eines Beteiligten ist hierzu nicht erforderlich.48) Liegen die Aufhebungsvoraussetzungen vor, steht dem Gericht kein Ermessen zu.49) In diesem Fall hat es den Aufhebungsbeschluss zu fassen. Da bereits die Anordnung der Überwachung im Restrukturierungsplan nicht veröffent- 57 licht wird, erfolgt auch keine Veröffentlichung des Aufhebungsbeschlusses. Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss bestehen nicht.50) VII. Aufsicht des Restrukturierungsgerichtes 1.

Fortdauer der Aufsichtspflicht für die Dauer der Überwachung

Der Restrukturierungsbeauftragte untersteht gemäß § 75 Abs. 1 StaRUG der Aufsicht des 58 Restrukturierungsgerichtes. Diese dauert im Falle einer Planüberwachung fort, obwohl die Restrukturierungssache gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 2 StaRUG mit Rechtskraft der Entscheidung über die Planbestätigung ihre Rechtshängigkeit verliert. Einen Fortbestand der Aufsicht des Restrukturierungsgerichtes für den Zeitraum der Überwachung sieht das StaRUG nicht explizit vor.51) Ein solcher Fortbestand ist jedoch zum einen aus den Regelungen des § 72 StaRUG abzuleiten, welcher neben den planbetroffenen Gläubigern auch das Restrukturierungsgericht als Adressaten einer Anzeige über die Nichterfüllung oder die Nichterfüllbarkeit von Planansprüchen vorsieht. Zum anderen sieht die Regelung des § 75 Abs. 1 StaRUG eine zeitliche Begrenzung auf die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache nicht vor. Die Aufsicht des Restrukturierungsgerichtes dauert damit an solange ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt und dessen Amt nicht beendet ist. Im Falle einer Planüberwachung dauert die Aufsicht bis zur Aufhebung der Überwachung an. 2.

Ausübung der Aufsicht

§ 72 StaRUG sieht eine regelmäßige Berichtspflicht des Restrukturierungsbeauftragten 59 während des Zeitraums der Überwachung nicht vor. Um seiner Aufsichtspflicht nachzukommen, wird das Restrukturierungsgericht dennoch in regelmäßigen Abständen einen Sachstandsbericht des Restrukturierungsbeauftragten fordern. Dazu ist es nach § 75 Abs. 1 Satz 2 StaRUG berechtigt. Nur dann ist das Gericht in der Lage zu prüfen, ob der Restrukturierungsbeauftragte seinen Pflichten nachkommt. Hinsichtlich des Abstandes für entsprechende Sachstandsberichte wird sich das Restrukturierungsgericht an den Planfor___________ 48) 49) 50) 51)

Naumann in: Flöther, StaRUG, § 72 Rz. 9; Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 10. Bauch in: Braun, StaRUG, § 72 Rz. 6. Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 10. Anders als das Insolvenzrecht in § 261 Abs. 1 Satz 2 InsO.

Pleister/Raschke

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§ 38

6. Teil Restrukturierungsplan – Verfahrensablauf

derungen zu orientieren haben, deren Erfüllung bzw. Erfüllbarkeit der Restrukturierungsbeauftragte zu überwachen hat. 60 Das Restrukturierungsgericht prüft, ob die ihm übermittelten Sachstandsberichte ein zutreffendes Bild über die Erfüllung bzw. Erfüllbarkeit der zu überwachenden Planforderungen vermitteln und kann bei Bedarf zusätzliche Auskünfte verlangen(siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 148). 61 Im Falle gravierender Pflichtverletzungen durch den Restrukturierungsbeauftragten kann das Gericht diesen nach § 75 Abs. 2 StaRUG entlassen. Eine solche Entlassung ist jedoch ultima ratio (siehe zum Insolvenzplan Mönning, HRI II, § 42 Rz. 146). 62 Funktionell hat die Überwachung des Restrukturierungsbeauftragten durch den Richter zu erfolgen. Eine Übertragung auf den Rechtspfleger (entsprechend § 3 Nr. 2 lit. e RPflG für Insolvenzsachen) ist für Angelegenheiten des StaRUG nicht erfolgt. 3.

Beschlüsse des Restrukturierungsgerichts

63 Die Anordnung der Überwachung erfolgt im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplanes. Eine Anordnung der Überwachung durch das Restrukturierungsgericht ist damit weder erforderlich noch zulässig. Das Restrukturierungsgericht hat jedoch von Amts wegen über die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten zu beschließen, sofern ein solcher bisher noch nicht bestellt war, vgl. § 73 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG. Mit der Bestellung setzt das Restrukturierungsgericht gemäß § 81 Abs. 4 StaRUG zugleich die Stundensätze des Restrukturierungsbeauftragten fest sowie einen Höchstbetrag für dessen Honorar. 64 Die Planüberwachung hebt das Restrukturierungsgericht durch förmlichen Beschluss nach Maßgabe des § 72 Abs. 4 StaRUG auf. Ein Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss ist im Gesetz nicht vorgesehen.52) 65 Auf Antrag des Restrukturierungsbeauftragten hat das Restrukturierungsgericht nach § 82 Abs. 1 StaRUG zudem dessen Vergütung durch Beschluss festzusetzen. 66 Funktionell zuständig für die jeweilige Beschlussfassung ist der Richter. Eine Übertragung entsprechender Aufgaben auf den Rechtspfleger hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen (siehe dazu oben Rz. 62).

___________ 52) Wilke in: BeckOK-StaRUG, § 72 Rz. 10.

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Pleister/Raschke

E. Formulare § 39 Musterrestrukturierungsplan und Planrechnungen Nickert

I. II. 1. 2.

Allgemeine Hinweise ................................. 1 Wesentliche Unterschiede ......................... 4 Planbetroffene .............................................. 4 Darstellung der Vermögens-, Ertragsund Finanzlage und der Maßnahmen zur Überwindung der Krise......................... 9

III. Mustergliederung mit einzelnen Formulierungsvorschlägen...................... 13

Literatur: Ganter, Die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine zuverlässige Fortführungsprognose bei der Sanierungsprüfung, NZI 2014, 673.

I.

Allgemeine Hinweise

Der Restrukturierungsplan ist sehr stark an den Insolvenzplan angelehnt. Insoweit darf und 1 muss ergänzend zu der umfangreichen Literatur zum Insolvenzplan verwiesen werden. Bezüglich der Planrechnung wird auf Nickert, HRI I, § 21 und auf die Ausführungen von Rendels/Zabel, HRI II, § 45 verwiesen. Der Restrukturierungsplan unterscheidet sich zum einen dadurch, dass das Verfahren kein 2 Gesamtvollstreckungs-, sondern ein Sanierungsverfahren ist. Zum anderen besteht der Unterschied in der Gläubigerbetroffenheit. Dem Schuldner steht es frei, alle Gläubiger in den Plan einzubeziehen oder nur Teile der Gläubiger. Das nachstehende Muster zeigt eine Gliederung als Orientierung und erläutert nur diejenigen Passagen, die sich vom Insolvenzplan unterscheiden. Das Verfahren unterscheidet sich aber auch durch die weitreichende Privatautonomie und 3 die fehlende gerichtliche Überwachung. Auch wird nicht zwingend ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt und auch kein Bericht gemäß § 156 InsO bzw. bzw. eine Stellungnahme gemäß § 232 InsO erstellt. Daher müssen die Gläubiger in die Lage versetzt werden, allein aufgrund des Plans angemessen entscheiden zu können. Folglich sind sämtliche Informationen zu liefern, die für eine informierte Entscheidung1) erforderlich sind (Gebot der Planklarheit). Dies sind sämtliche Informationen, die für eine Investitions- oder Desinvestitionsentscheidung benötigt werden. Insoweit sind die Anforderungen an die Darstellung und Begründung höher als beim Insolvenzplan.2) II.

Wesentliche Unterschiede

1.

Planbetroffene

Das Verfahren ist teilautonom, kann aber auch sämtliche Gläubiger umfassen. Eine Aus- 4 nahme gilt für Forderungen gemäß § 4 StaRUG3). Die planbetroffenen Gläubiger sind ebenso aufzuführen, wie deren hinreichend konkret 5 bezeichneten Forderungen. Im Zweifel sind die Beteiligten und deren Forderungen so zu ___________ 1) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 32. 2) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 32 f. 3) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256).

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§ 39

6. Teil Restrukturierungsplan – Formulare

bestimmen, als wären sie Gegenstand einer Zahlungsklage. Das heißt, die Anforderungen entsprechen denen der Bezeichnung der Prozessparteien und des Klagegegenstands im Zivilprozess, da die Gläubiger gemäß § 71 StaRUG einen vollstreckungsfähigen Titel erhalten können. 6 Zunächst ist die Gruppenbildung darzustellen und so zu erläutern, dass zweifelsfrei erkennbar ist, welche Forderung in welcher Gruppe zu berücksichtigen ist. Daher bietet es sich an, dass die Forderung in einem zur besseren Lesbarkeit gesonderten Gläubigerverzeichnis mit Einzelforderungen aufgenommen wird und in einer gesonderten Spalte die Gruppenzugehörigkeit geregelt wird. 7 Die Gruppenbildung ist zu erläutern, weil hier das Ermessen des Planerstellers insoweit eingeschränkt ist, dass die Gruppenbildung nach sachlichen Kriterien zu erfolgen hat. 8 Besonders anzugeben und zu begründen ist, wenn in bestehende Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht eingegriffen wird.4) 2.

Darstellung der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage und der Maßnahmen zur Überwindung der Krise

9 Die Darstellung der wirtschaftlichen Lage verlangt nicht nur die gemäß § 14 StaRUG abzugebende begründete Erklärung sowie eine Vermögensübersicht. Vielmehr muss eine Gesamtschau analog der Rechtsprechung des BGH zu den Sanierungskonzepten erfolgen.5) Danach muss ein Sanierungskonzept6) 

den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe erkennen lassen,



ein in sich schlüssiges Konzept sein, das



die Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners,



und seine dauerhafte wirtschaftliche Stabilisierung



in überschaubarer Zeit zum Ziel hat,



das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, sich insbesondere auf konkret benennbare, nachvollziehbare Umstände stützt, die wirtschaftliche Lage des Schuldners i. R. seiner Wirtschaftsbranche analysiert und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst,



das nicht offensichtlich undurchführbar ist und auf der Seite des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg rechtfertigt,



das von einem unvoreingenommenen, branchenkundigen Fachmann stammt, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen,



das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist.

10 All dies ist im darstellenden Teil und in den Erklärungen gemäß § 14 StaRUG darzustellen. 11 Wie beim Insolvenzplan ist dem Restrukturierungsplan eine Vergleichsrechnung im darstellenden Teil beizufügen. Diese dient einerseits der Transparenz und anderseits dem Werben für die Planlösung. Dem darstellenden Teil und den Erklärungen und Unterlagen gemäß § 14 StaRUG obliegt es, darzulegen, dass eine ausgewogene Lösung zwischen den berechtigten Belangen der Gläubiger und dem Bestandsinteresse des schuldnerischen Unternehmens gefunden wurde. ___________ 4) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 45 ff. 5) Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 33. 6) Vgl. die Zusammenfassung m. umfangr. Nachw. aus der Rspr. der Bundesobergerichte: Ganter, NZI 2014, 673 (Hervorhebungen durch d. Verf.).

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§ 39

Musterrestrukturierungsplan und Planrechnungen

Dabei muss der Vergleich grundsätzlich unter gleichen Prämissen erfolgen. Es ist daher 12 nur ausnahmsweise zulässig das Planszenario der Fortführung mit einer Liquidationsalternative zu vergleichen. Hierzu muss m. E.7) nicht zwingend ein Dual-Track angestoßen werden, denn diese Kosten würden wiederum das zur Verteilung fähige Vermögen schmälern. Außerdem würde wegen der hierdurch ausgelösten Kosten das Verfahren nach dem StaRUG de facto den KMU entzogen werden, was gerade nicht von der Restrukturierungsrichtlinie8) und auch nicht vom nationalen Gesetzgeber gewollt ist. Insbesondere in Fällen, in denen die Gesellschafter die Fortführung verhindern können, weil z. B. Immobilien oder Markenrechte von ihnen kontrolliert werden, kann ein Absehen opportun sein. III.

Mustergliederung mit einzelnen Formulierungsvorschlägen Restrukturierungsplan

13

[ABC GmbH, Köln] I. Übersicht Allgemeine Angaben Bemerkung Firma Namen und Vornamen und Geburtsdatum Registergericht und Registernummer Geschäftszweig (WZ 2008) oder Beschäftigung Gewerbliche Niederlassungen (Hauptniederlassung [mit * zu markieren], Zweigniederlassung) oder Wohnung des Schuldners Restrukturierungssache Gericht und Az. Stabilisierungsmaßnahmen Anzeige Restrukturierungssache an das Gericht Gläubigerbeirat Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (detaillierte Erläuterungen s. u.) Summe Vermögenswerte Summe Verbindlichkeiten Krisenstadium Anzahl Arbeitnehmer (Personen) Anzahl Arbeitnehmer (Vollzeitäquivalent)

___________ 7) A. A. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, S. 37. 8) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.

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§ 39

6. Teil Restrukturierungsplan – Formulare

Betriebsrat (Ja/Nein) Wenn ja: Anzahl Mitglieder und Vorsitzender Zugehörigkeit Arbeitgeberverband Tarifbindung (Ja/Nein) Planbetroffene und Gruppen (detaillierte Erläuterungen s. u.) Anzahl Köpfe

Anzahl Summe

Alle Gläubiger (Ja/Nein) Anzahl der Gruppen Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Nicht einbezogene Gläubiger Mitgliedschaftsrechte Sanierungsmaßnahmen Gläubiger (Schuldenschnitt, Stundung/ Ratenzahlung, Wandlung in Eigenkapital) Weitere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen (Ja/Nein) Restrukturierungsbeauftragter (soweit bestellt) Name Anschrift Personalmaßnahmen (detaillierte Erläuterungen s. u.) Geplant (Ja/Nein) Neue Finanzierung (detaillierte Erläuterungen s. u.) Geplant (Ja/Nein) Name(n) Finanzierer

II. Darstellender Teil 1. Allgemeines a) Schuldner […] aa) Geschäftszweck […] bb) Historie des Unternehmens […] cc) Bei Beteiligungen/Gruppen/Konzern: Organigramm mit Erläuterung […] dd) Am Schuldner unmittelbar und mittelbar beteiligte Gesellschafter/Anteilsinhaber […] b) Organisatorische Vorkehrungen im Hinblick auf die Restrukturierungssache […]

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Musterrestrukturierungsplan und Planrechnungen

§ 39

c) Gang des Verfahrens […] d) Bereits ergriffene Sanierungsmaßnahmen […] 2. Vermögens, Finanz- und Ertragslage a) Darstellung und Analyse der Jahresabschlüsse […] b) Vermögenswerte des Schuldners zum Zeitpunkt der Vorlage des Restrukturierungsplans […] c) Verbindlichkeiten des Schuldners zum Zeitpunkt der Vorlage des Restrukturierungsplans […] d) Beschreibung der wirtschaftlichen Situation […] e) Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten […] f) Beschreibung der Position der Arbeitnehmer […] 3. Planbetroffene [Var. 1:] Der Plan sieht die Einbeziehung sämtlicher Gläubiger vor. Vom Plan sind daher alle Gläubiger betroffen. [Var. 2:] Vom Plan sind nur die Finanzgläubiger betroffen. Zum einen handelt es sich um die in einem Insolvenzverfahren nachrangigen Gesellschafterdarlehen, zum anderen handelt es sich um Mezzaninedarlehen sowie besicherte Bankdarlehen. Die einbezogenen Verbindlichkeiten sind zur besseren Lesbarkeit des Plans nach Gläubiger mit ladungsfähiger Anschrift, Forderungsgrund mit Angabe des Vertrages, dem aktuellen Forderungsstand per [TT.MM.JJJJ] und der jeweiligen Gläubigergruppe bezeichnet und in dem diesem Restrukturierungsplan beiliegenden und unterzeichneten Verzeichnis der einbezogenen Gläubiger aufgenommen, welches Teil dieses Restrukturierungsplans ist, Anlage Nr. […]. Bei den besicherten Hausbankdarlehen wurden die Sicherheiten mit Wert in das Verzeichnis aufgenommen. 4. Gruppen [In welche die Planbetroffenen für die Zwecke der Annahme des Restrukturierungsplans unterteilt wurden, und die auf deren Forderungen und Rechte entfallenden Stimmrechte.] a) Gruppenbildung Folgende Gruppen wurden gebildet: […] aa) Absonderungsgläubiger In die Gruppe der Absonderungsgläubiger wurden die beiden Hausbanken des Schuldners aufgenommen.

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§ 39

6. Teil Restrukturierungsplan – Formulare

bb) Einfache Restrukturierungsgläubiger In die Gruppe der einfachen Restrukturierungsgläubiger wurde das Mezzanine-Darlehen der […] aufgenommen. In dem Darlehensvertrag ist vereinbart, dass dieses Darlehen nachrangig nach den einfachen Insolvenzgläubigern, aber vorrangig vor etwaigen Nachrangdarlehen berücksichtigt wird. cc) Nachrangige Restrukturierungsgläubiger Die nachrangigen Restrukturierungsgläubiger wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Zum einen in die vertraglich nachrangigen Gläubiger und zum anderen in die kraft Gesetzes nachrangigen Gläubiger, §§ 135, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO. b) Begründung der Gruppenbildung Die Hausbanken sind zugleich Absonderungsgläubiger. Für sie ist eine eigene Gruppe zu bilden. Die einbezogenen nicht nachrangigen Gläubiger (Mezzanine-Darlehensgeber) sind aufgrund der vertraglichen Rangfolge in einer gesonderten Gruppe zu regeln. Die nachrangigen Restrukturierungsgläubiger sind wegen ihrer unterschiedlichen Finanzierungsverantwortung in gesonderten Gruppen zu regeln. Die Gesellschafter haben schon eine Finanzierungsverantwortung kraft Gesetz, §§ 135, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO, was eine Schlechterstellung gegenüber den vertraglich nachrangigen Restrukturierungsgläubigern begründet. 5. Gläubiger, Inhaber von Absonderungsanwartschaften […] 6. Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten a) Beschreibung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte An der Schuldnerin sind Herr A und Frau B mit jeweils 50 % beteiligt. Die Gesellschafter überlassen der Schuldnerin über ihre Immobilien GmbH & Co. KG die Betriebsimmobilie zu einem Mietzins i. H. von […] € (Mietvertrag vom [TT.MM.JJJJ]). Die Miete wurde aufgrund der Ertragslage in der Vergangenheit von fremdüblichen […] € p. M. auf […] € reduziert. Der Mietvertrag ist ordentlich mit sechs Monaten zum Quartalsende kündbar. b) Begründung für die unterbliebene Einbeziehung In die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter wird nicht eingegriffen. Zum einen verzichten die Gesellschafter auf die Gesellschafterdarlehen. Zum anderen haben sich die Gesellschafter verpflichtet, zu den aktuellen, reduzierten Konditionen für die Laufzeit des im gestaltenden Teil geregelten Besserungsscheins weiterhin die Immobilie der Schuldnerin zur Nutzung zu überlassen. Dies vermeidet Umzugskosten i. H. von rd. […] €. 7. Sanierungsmaßnahmen a) Sanierungsmaßnahmen im Restrukturierungsplan […] b) Sanierungsmaßnahmen außerhalb des Sanierungsplans […] c) Bewertung der Sanierungserfolgswahrscheinlichkeit Die Geschäftsleitung geht davon aus, dass mit den Maßnahmen im und außerhalb des Restrukturierungsplans der Fortbestand hinreichend sicher ist, mithin das Vorhaben Aussicht 896

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§ 39

Musterrestrukturierungsplan und Planrechnungen

auf Erfolg hat. Bereits in Jahr 2 nach Abschluss der Restrukturierungssache weist die Sanierungsplanung eine Einjahresausfallwahrscheinlichkeit von lediglich […] % aus. Wegen der Sanierungserfolgswahrscheinlichkeit wird auf die begründete Erklärung gemäß § 14 Abs. 1 StaRUG Bezug genommen. d) Vergleichsrechnung […] aa) Vergleichsszenario […] bb) Restrukturierungsplan […] cc) abschließende Bewertung […] 8. Name und Anschrift des Restrukturierungsbeauftragten […] [sofern ein solcher bestellt ist] 9. Auswirkungen des Restrukturierungsvorhabens auf die Beschäftigungsverhältnisse a) Allgemein […] b) Entlassungen […] c) Kurzarbeiterregelungen […] d) Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretung […] 10. Neue Finanzierung (§ 12) a) Finanzierer und Konditionen […] b) Gründe für die Erforderlichkeit dieser Finanzierung […] III. Gestaltender Teil § […] – Forderungsverzicht Hausbanken Die beiden Hausbanken haben nachfolgende Kreditvolumina ausgereicht und folgende Sicherheiten erhalten, woraus der ausgewiesene Blanko-Anteil resultiert: Bank

Betrag per [TT.MM.JJJJ]

Sicherheiten

Wert Sicherheiten Blanko-Anteil

Die Einzelaufstellung befindet sich im Gläubigerverzeichnis. Mit sofortiger Wirkung verzichten hiermit die Hausbanken auf […] % des Blanko-Anteils einschließlich aufgelaufener rückständiger Zinsen, § 397 BGB.

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§ 39

6. Teil Restrukturierungsplan – Formulare

Für die verbleibenden oder wiederauflebenden Forderungen haften die Sicherheiten weiterhin. § […] – Besserungsschein Der Erlass gemäß § […] ist jedoch auflösend bedingt. Die Bedingung tritt jeweils zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres in dem Umfang ein, wie nach der Handelsbilanz die Forderung des Darlehensgebers gegen den Darlehensnehmer wieder aufleben kann, ohne dass das satzungsmäßige Stammkapital i. S. des § 30 GmbHG zuzüglich eines Betrags i. H. von […] € zur angemessenen Vermögensausstattung angegriffen wird. Die Laufzeit des Besserungsscheins ist bis zum [TT.MM.JJJJ] begrenzt. Soweit der Schuldner das Geschäftsjahr umstellt, endet die Laufzeit des Besserungsscheins zum Ende des am [TT.MM.JJJJ] laufenden Geschäftsjahrs. Für den Fall des Bedingungseintritts sind auch die für die Zeit des Forderungsverzichts aufgelaufenen Zinsen nachzuzahlen. Lebt die Forderung aufgrund Bedingungseintritts jeweils zum Jahresende nur teilweise auf, so bezieht sich dies vorrangig auf den Zinsanspruch und erst nach Verbrauch des jeweiligen Zinsanspruchs auf den Stammanspruch. Der wiederrauflebende Betrag wird zum 1.1. des auf das Ende des Geschäftsjahrs folgenden Jahres dem Kredit Nr. […] (Bank 1) und Nr. […] (Bank 2) im Verhältnis ihrer Blankoanteile gutgeschrieben ohne dass sich für den Schuldner die monatliche Annuität hierdurch ändert. Bei der Ermittlung des Bilanzgewinns werden nur solche Vermögensverminderungen an nahe Angehörige berücksichtigt, die einem Drittvergleich standhalten. Der Schuldner verpflichtet sich, die Angemessenheit von seinem Steuerberater/Wirtschaftsprüfer jährlich zusammen mit der Jahresabschlusserstellung bescheinigen zu lassen. Sollte eine solche Bescheinigung nicht zusammen mit dem Jahresabschluss vorgelegt werden, gelten sämtliche Zahlungen/ Vermögensminderungen als nicht angemessen und werden zur Ermittlung des Besserungsvolumens wieder hinzugerechnet. Ferner verpflichtet sich der Schuldner für die Dauer des Bestehens des Besserungsscheins keine offenen oder verdeckten Gewinnausschüttungen vorzunehmen, durch welche die Rückzahlungsmöglichkeit auf den Besserungsschein vermindert wird. Sollte eine solche offene oder verdeckte Gewinnausschüttung vorgenommen werden, wird diese zur Ermittlung des Besserungsvolumens wieder hinzugerechnet. Dies gilt auch dann, wenn eine offene oder verdeckte Gewinnausschüttung erst nach Ablauf des Besserungsscheins bekannt wird. § […] – Forderungsverzicht einfacher Restrukturierungsgläubiger (Mezzanine-Kapitalgeber) Mit sofortiger Wirkung verzichten hiermit die einfachen Restrukturierungsgläubiger auf […] % ihrer jeweiligen Forderungen einschließlich aufgelaufener rückständiger Zinsen, § 397 BGB. § […] – Forderungsverzicht nachrangiger vertraglicher Restrukturierungsgläubiger Mit sofortiger Wirkung verzichten hiermit die nachrangigen vertraglichen Restrukturierungsgläubiger auf […] % ihrer jeweiligen Forderungen einschließlich aufgelaufener rückständiger Zinsen, § 397 BGB. § […] – Forderungsverzicht nachrangiger gesetzlicher Restrukturierungsgläubiger Mit sofortiger Wirkung verzichten hiermit die nachrangigen gesetzlichen Restrukturierungsgläubiger vollständig auf ihre Forderungen einschließlich aufgelaufener rückständiger Zinsen, § 397 BGB. IV. Anlagen […] 898

Nickert

7. Teil Anfechtungsrecht § 40 Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen Skauradszun

I.

Überblick, Genese und Zweck der Sondervorschriften .............................. 1 1. Regelungsgegenstand und -zweck............... 1 2. Europarechtlicher Hintergrund .................. 6 2.1 Schutz neuer Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen gemäß Art. 17 der Restrukturierungsrichtlinie ............................. 8 2.2 Schutz sonstiger Transaktionen gemäß Art. 18 der Restrukturierungsrichtlinie ........................... 15 2.3 Umsetzungsbedarf im deutschen Recht.................................... 17 II. Anfechtungs- und Haftungsbeschränkungen in der Phase der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (§ 89 StaRUG)........................................... 20 1. Kenntnis von der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung (§ 89 Abs. 1 StaRUG) ..................................................... 22 1.1 Relevante Rechtshandlungen ........ 24 1.2 Grundkenntnis .............................. 25 1.3 Folge- und Zusatzkenntnis ........... 29 1.3.1 Keine automatische Folgekenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit...................... 31 1.3.2 Keine automatische Folgekenntnis vom Inhalt des Restrukturierungskonzepts............... 32 1.3.3 Zusatzkenntnis durch Informationen des Schuldners............... 33 1.3.4 Zusatzkenntnis Insolvenzreife ..... 34 1.4 Beispielsfälle für eine Zusatzkenntnis.......................................... 35 2. Sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung (§ 89 Abs. 1 StaRUG)....... 38 3. Verschlechterungen der Restrukturierungssache durch Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung (§ 89 Abs. 2 StaRUG)................................ 42 3.1 Anzeigepflicht bei Insolvenzreife................................................. 43 3.2 Anfechtungsschutz und dessen Rechtfertigung ............................... 45 3.3 Betroffene Anfechtungstatbestände.......................................... 50

3.4

Sonderfall öffentliche Restrukturierungssachen............................ 51 4. Haftungsbeschränkung für Zahlungen bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache .................................................. 52 4.1 Grundsätze..................................... 52 4.2 Sonderfall Nichtaufhebung........... 55 4.3 Sonderfall zurückhaltbare Zahlungen ...................................... 57 III. Anfechtungsschutz für Planfolgen und Planvollzug (§ 90 StaRUG) ............. 58 1. Grundsatz des Anfechtungsschutzes und dessen Rechtfertigung ........................ 59 1.1 Geschützte Rechtshandlungen ..... 61 1.2 Rechtfertigung des Anfechtungsschutzes................................. 67 2. Anfechtungsschutz „bis zur nachhaltigen Restrukturierung“........................ 69 3. Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast.................................................... 72 4. Ausnahme für Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen ........ 75 4.1 Beispielsfall .................................... 77 4.2 Zu den Wertungen hinter der Ausnahme für Gesellschafterdarlehen und Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen .................. 78 4.3 Darlegungs- und Beweislast für diese Ausnahme ....................... 81 4.4 Sonderfälle nach § 39 Abs. 4 und 5 InsO..................................... 82 5. Ausnahme wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben .......................... 85 6. Sonderfall Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder wesentlicher Teile davon (§ 90 Abs. 2 StaRUG)..................................................... 91 IV. Berechnung von Fristen (§ 91 StaRUG)........................................... 95 V. Anfechtungsschutz für den gerichtlich bestätigten Sanierungsvergleich (§ 97 Abs. 3 StaRUG) ............................... 99

Skauradszun

899

§ 40

7. Teil Anfechtungsrecht

Literatur: Arnold/Slawik, „La boîte à outils française“ und seine Einflüsse auf das StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 79; Bitter, Geschäftsleiterhaftung in der Insolvenz – Alles neu durch SanInsFoG und StaRUG?, ZIP 2021, 321; Bork, Die Regelungen zur Insolvenzanfechtung im StaRUG, ZInsO 2020, 2177; Desch, Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Praxis, BB 2020, 2498; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Hölzle/Curtze, Eine Krise – Ein Verfahren! – Folgen eines vorangegangenen Restrukturierungsverfahrens nach StaRUG in der späteren Insolvenz, ZIP 2021, 1293; Jungmann, Gerichtliche Bestätigung von Restrukturierungsplänen mit neuen Finanzierungen, WM 2022, 353; Knauth, Revolvierende Kreditsicherheiten und vorinsolvenzliche Restrukturierung nach Maßgabe des StaRUG, NZI 2021, 158; Kümpel, Schutz vor nicht marktkonformen Gestaltungen im (gerichtsfreien) Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, KTS 2022, 341; Madaus, Die (begrenzte) Insolvenzfestigkeit des Restrukturierungsplans, der Planleistungen sowie unterstützender Rechtshandlungen während der Restrukturierungssache, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35; H.-F. Müller, Die Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen – Kritische Anmerkungen zum StaRUG-RegE, ZIP 2020, 2253; Schelo, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), WM 2021, 513; Schoppmeyer, Sanierungsprivilegien im Insolvenzanfechtungsrecht nach dem StaRUG, ZIP 2021, 869; Skauradszun, Restructuring Companies During and After the Covid-19 Pandemic: A Law & Economics Approach, NIBLeJ 9 (2021), 1; Skauradszun, Grundfragen zum StaRUG – Ziele, Rechtsnatur, Rechtfertigung und Schutzinstrumente, KTS 2021, 1; Skauradszun/Amort, Krisenfrüherkennung und -management, Organkompetenzen und die Frage nach der Restrukturierungsverschleppungshaftung, DB 2021, 1317; Thole, Die Geschäftsleiterhaftung im StaRUG und nach § 15b InsO n. F., BB 2021, 1347; Thole, Der Entwurf des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRuG-RefE), ZIP 2020, 1985; Thole, Die „neue Ausrichtung“ der Vorsatzanfechtung durch den BGH, ZRI 2021, 609.

I.

Überblick, Genese und Zweck der Sondervorschriften

1.

Regelungsgegenstand und -zweck

1 Die in den §§ 89 ff. StaRUG1) enthaltenen Sondervorschriften sollen Anfechtungs- und Haftungsrisiken reduzieren, um Rechtshandlungen, wie finanzielle Hilfen in der Restrukturierung, zu erleichtern.2) Die von einer etwaigen Anfechtung per se ausgehende abschreckende Wirkung für die unterstützenden Beteiligten, soll abgemildert werden.3) Erweitert werden Anfechtungsrechte also nicht.4) Sie betreffen dabei die Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO (innerhalb des Insolvenzverfahrens), §§ 1 ff. AnfG (außerhalb des Insolvenzverfahrens), die rechtsformneutrale Haftungsvorschrift des § 15b InsO, die vollstreckungsrechtliche Rückschlagsperre nach § 88 Abs. 1 InsO sowie allgemeine Nichtigkeitsvorschriften wie § 138 BGB. Mittelbar geht von den §§ 89 ff. StaRUG eine Motivationswirkung5) aus, das Restrukturierungsvorhaben anzuzeigen und den Restrukturierungsplan gerichtlich bestätigen zu lassen (siehe Rz. 3). Denn den Anfechtungsschutz des § 89 StaRUG kann nur derjenige Schuldner auslösen, der das Restrukturierungsvorhaben angezeigt hat und die Restrukturierungssache damit rechtshängig geworden ist (siehe schon die Überschrift des § 89 StaRUG sowie § 31 Abs. 3 StaRUG, Rz. 21); der Anfechtungsschutz des § 90 StaRUG ist rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplänen vorbehalten (siehe Rz. 59). 2 Im Grundsatz sind Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen auf der einen und Insolvenzverfahren auf der anderen Seite zu trennen, da sie zwei unterschiedliche Subsysteme des Zivilverfahrensrechts darstellen, auf unterschiedlichen theoretischen Konzepten beruhen ___________ 1)

2) 3) 4) 5)

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Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 1; Schelo, WM 2021, 513, 519; Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 1. Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, Kap. 5 (Anfechtungs- und Haftungsrecht), BT-Drucks. 19/24181, S. 181; so schon zum Telos der Art. 17 f. Restrukturierungsrichtlinie Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 870. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 14. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 10, spricht bei § 90 StaRUG davon, dass der gerichtlich bestätigte Restrukturierungsplan privilegiert werde.

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und unterschiedliche Ziele verfolgen.6) Durch die Anknüpfung an das Anfechtungs- und Haftungsrecht berühren sich bei den §§ 89 ff. StaRUG jedoch beide Subsysteme. Grundsätzlich zielen die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens auf einzelne Gläubiger ab (teilkollektives Verfahren, §§ 4, 8 Satz 1 StaRUG). Im Gegensatz dazu betreffen die Regelungen der §§ 89 ff. StaRUG jedoch alle Gläubiger, da die mit ihnen verknüpften Regelungen der §§ 15b, 129 ff. InsO, §§ 1 ff. AnfG die (Insolvenz-)Masse insgesamt und damit die Gläubigergleichbehandlung betreffen.7) Eine solche Beachtung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache findet sich nur in wenigen anderen Normen, bspw. in den §§ 43 Abs. 1 und 59 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 StaRUG, und ist daher im Grunde genommen für teilkollektive Verfahren systemfremd. Da das Restrukturierungsvorhaben allerdings scheitern, und auf Antrag (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO) als Insolvenzverfahren fortgeführt werden kann, oder aber auch ohne Insolvenzverfahren anfechtungswürdige Rechtshandlungen nach dem AnfG korrigiert werden können, geht es bei den §§ 89 ff. StaRUG um einen Ausgleich zwischen dem Schutz derjenigen, die sich redlich mit Rechtshandlungen in der Restrukturierungssache engagiert haben,8) und dem Schutz der etwaigen späteren Insolvenzmasse und damit der Gläubigergesamtheit. Ein Anfechtungsschutz ist aus ökonomischer Sicht im Grundsatz vertretbar, da von ihm eine Anreizwirkung zugunsten der sich aktiv Beteiligenden ausgeht. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, Rechtshandlungen aus solchen Restrukturierungssachen einer Korrektur zugänglich zu machen, bei denen im konkreten Einzelfall der Anfechtungsschutz unbillig ist (siehe insbesondere Rz. 75 ff.).9) Die Regelungen der §§ 89, 90 StaRUG unterscheiden zwei Phasen: Während § 89 StaRUG 3 Regelungen ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache betrifft, beziehen sich die Erleichterungen des § 90 StaRUG auf die Umsetzungsphase eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans. Diese Privilegierung durch den Anfechtungsschutz eines bestätigten Restrukturierungsplans stellt eine Motivation dar, ein gerichtliches Bestätigungsverfahren zu beantragen (§ 60 StaRUG). Anders gewendet kann in der Beratungspraxis der Anfechtungsschutz des § 90 StaRUG ein Argument für das Durchlaufen eines Restrukturierungsverfahrens mit gerichtlicher Planbestätigung sein (vgl. ErwG 68 Satz 8 der Restrukturierungsrichtlinie)10). Neben dem Anfechtungsschutz sieht § 89 Abs. 3 StaRUG eine Absicherung der Geschäfts- 4 leiter für Zahlungen in der Phase ab der Anzeige des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 32 Abs. 3 StaRUG bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG vor und nimmt in diesem Zeitraum bestimmte Zahlungen von der Haftung nach § 15b InsO aus. Sowohl die Anfechtungstatbestände der §§ 3 – 6a AnfG, §§ 130 – 136 InsO als auch die Rück- 5 schlagsperre nach § 88 InsO enthalten im objektiven Tatbestand Fristen. Wie diese Fristen zu berechnen sind, wenn zuvor eine Restrukturierungssache rechtshängig war, regelt § 91 ___________ 6) Ausführlich zu den Subsystemen Skauradszun, KTS 2021, 1, 36 ff.; Bork, ZInsO 2020, 2177, 2182, spricht deshalb zu Recht davon, dass hier verschiedene Grundprinzipien aufeinanderprallen, insbesondere der in den §§ 130–132 InsO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung schon in Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen relevant wird. 7) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869. 8) Denn diese sind „das erhöhte Risiko“ eingegangen, „das mit einer Investition in einen rentablen Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten verbunden ist“, ErwG 68 Satz 8 Restrukturierungsrichtlinie. 9) Überzeugende Wertungen bei Schoppmeyer, ZIP 2021, 869. 10) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019.

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7. Teil Anfechtungsrecht

StaRUG. Die Zeit der Rechtshängigkeit i. S. von § 31 Abs. 3 StaRUG soll bei diesen Fristen nicht eingerechnet werden. Dadurch verlängern sich die oben angesprochenen Fristen entsprechend (siehe Rz. 95 ff.). 2.

Europarechtlicher Hintergrund

6 Restrukturierungen lösen in der Regel zunächst einen Restrukturierungsaufwand aus, welcher etwa durch die für die Erstellung des Restrukturierungsplans notwendige Sanierungsberatung anfallen kann.11) Darüber hinaus muss der Betrieb des Unternehmens während der Restrukturierungsverhandlungen aufrechterhalten werden und einige im Restrukturierungsplan vorgesehene Maßnahmen können ebenfalls zu Ausgaben führen. Beispielhaft sind hier Ausgaben für operative Maßnahmen wie die Verlagerung von Produktions- oder Lagerstätten zu nennen. All dies kann einen erheblichen Finanzierungsbedarf ergeben, wodurch das Erreichen des Restrukturierungsziels insbesondere in der anfänglichen Umsetzungsphase von finanziellen Hilfen abhängt (vgl. ErwG 66 Satz 1 der Restrukturierungsrichtlinie). Zu den finanziellen Hilfen i. S. d. ErwG 66 Satz 2 der Restrukturierungsrichtlinie gehören insbesondere die Bereitstellung von finanziellen Mitteln, Bürgschaften Dritter, Waren, Vorräten und Rohstoffen sowie Versorgungsdienstleistungen z. B. durch längere Rückzahlungszeiträume. Die Richtlinie wollte finanzielle Hilfen also weit verstanden haben (ErwG 66 Satz 2), was praktisch dazu führt, dass nahezu jeder Gläubiger mit dem Anfechtungsschutz der §§ 89 ff. StaRUG zu tun haben kann und diesen ggf. geltend zu machen versucht.12) 7 Die Bereitstellung dieser Hilfen könnte durch nationale Vorschriften, welche die Anfechtung oder sonstige Sanktionierung ermöglichen, gefährdet werden, da bspw. Kreditgeber prüfen werden, ob die erhaltenen Kreditsicherheiten anfechtungsfest sind. Deshalb verlangen die Art. 17 und 18 der Restrukturierungsrichtlinie einen Mindestschutz für „neue Finanzierungen“, „Zwischenfinanzierungen“ und „sonstige Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung“, indem diese nicht allein deshalb, weil solche Finanzierungen die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen, für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden oder ihre Geber einer zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlichen Haftung unterliegen. Im Umkehrschluss dürfen also solche Insolvenzanfechtungs- oder Haftungstatbestände anwendbar bleiben, die neben der Gläubigerbenachteiligung „zusätzliche“ Voraussetzungen enthalten (vgl. Art. 17 Abs. 1 a. E. der Richtlinie).13) Es handelt sich also um eine sog. Mindestharmonisierung (vgl. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie: „zumindest“).14) 2.1

Schutz neuer Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen gemäß Art. 17 der Restrukturierungsrichtlinie

8 Neue Finanzierungen werden nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 der Restrukturierungsrichtlinie definiert als eine „von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger zur Umsetzung eines Restrukturierungsplans bereitgestellte neue finanzielle Unterstützung, die in diesem Restrukturierungsplan enthalten ist“. Entscheidend ist also die Aufnahme der Finanzierung in den Restrukturierungsplan. Nach ErwG 66 Satz 2 der Richtlinie ist der Begriff der „neue[n] Finanzierung“ weit auszulegen, sodass hierunter auch Gesellschafterdarlehen oder Gesellschaftersicherheiten fallen.15) Demgegenüber versteht der Richtliniengeber nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 der Restrukturierungsrichtlinie unter Zwischenfinanzierungen eine ___________ 11) Zu dem Konflikt zwischen der Restrukturierungsrichtlinie und dem deutschen Abzugsverbot nach § 3c Abs. 4 EStG für Betriebsausgaben durch Sanierungsberatung s. Skauradszun/Kwauka, DStR 2020, 953. 12) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 870. 13) Bork in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 17 Rz. 23, 25. 14) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869. 15) Bork in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 17 Rz. 11 ff.

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„[…] von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger bereitgestellte neue finanzielle Unterstützung, die mindestens finanzielle Unterstützung während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen umfasst sowie angemessen und unverzüglich notwendig ist, damit das Unternehmen des Schuldners seinen Betrieb fortsetzen kann oder um den Wert dieses Unternehmens zu erhalten oder zu steigern“. Zwischenfinanzierungen betreffen folglich den Zeitraum vor der Umsetzung des Restruk- 9 turierungsplans,16) insbesondere den der Aussetzung nach Art. 6 der Restrukturierungsrichtlinie, während die Definition der „neuen Finanzierung“ auf die Umsetzungsphase abstellt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 lit. g Ziff. vi der Restrukturierungsrichtlinie: die neue Finanzierung und die Gründe für deren Erforderlichkeit sind ein Pflichtbestandteil des Restrukturierungsplans).17) Beide Begriffe setzen also zu unterschiedlichen Zeitpunkten im präventiven Restrukturierungsrahmen an. Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. b der Restrukturierungsrichtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, 10 dass ein Restrukturierungsplan, welcher eine neue Finanzierung vorsieht, für die Parteien nur verbindlich ist, wenn er durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde. Dies gilt auch für den Fall, dass alle Planbetroffenen den Restrukturierungsplan angenommen haben, denn die neue Finanzierung führt zu einem eigenständigen Bestätigungserfordernis. Ohne die Planbestätigung kann ein Restrukturierungsplan mit neuer Finanzierung also keine Bindungswirkung entfalten.18) Art. 17 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, 11 den Schutz neuer Finanzierungen von der Bestätigung des Restrukturierungsplans abhängig zu machen. Diese Möglichkeit stellt jedoch keine Pflicht dar (vgl. ErwG 68 der Richtlinie). Ohne eine solche nationale Regelung darf der Schutz des Art. 17 der Restrukturierungsrichtlinie grundsätzlich schon dann greifen, wenn die neue Finanzierung zwar in den Restrukturierungsplan aufgenommen wurde, die Planbestätigung nach Art. 10 Restrukturierungsrichtlinie später aber versagt wird.19) Dies entspricht auch dem Zweck der Regelung, nämlich dem Geber einer neuen Finanzierung die Sorge vor einer möglichen Anfechtung zu nehmen. Bei Zwischenfinanzierungen verhält es sich ähnlich. Hier wissen die Parteien nicht, ob der 12 Restrukturierungsplan schließlich bestätigt wird oder nicht. Daher sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, den Schutz von Zwischenfinanzierungen auf die Fälle zu beschränken, in denen der Plan von den betroffenen Parteien angenommen oder bestätigt wird (ErwG 68 Satz 1 und 2 der Richtlinie). Art. 17 Abs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie enthält die Möglichkeit, den Schutz für Zwi- 13 schenfinanzierungen einzuschränken, wenn diese zu einem Zeitpunkt gewährt wurden, in dem bereits die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten ist. Damit nimmt der Richtliniengesetzgeber Rücksicht auf nationale Regelungen, die den Grundsatz enthalten, dass ab Eintritt der Insolvenzreife keine Leistungen mehr erbracht werden dürfen.20) Für neue Finanzierungen gilt Art. 17 Abs. 3 der Restrukturierungsrichtlinie hingegen nicht.21) Tritt nach einer im bestätigten Restrukturierungsplan enthaltenen neuen Finanzierung die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens ein, ist zu prüfen, ob nach nationalem Recht eine Antragspflicht besteht. In Deutschland ist die Rechtsgrundlage hierzu § 15a InsO. ___________ Bork, ZInsO 2020, 2177, 2180. Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 90. Zur unzureichenden Umsetzung dieser Vorgabe im StaRUG Jungmann, WM 2022, 353, 354. Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 92; Bork in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 17 Rz. 15. 20) Skauradszun in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Hdb. Insolvenz, Fach 4 Kap. 6 Rz. 93. 21) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869.

16) 17) 18) 19)

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7. Teil Anfechtungsrecht

14 Art. 17 Abs. 4 der Restrukturierungsrichtlinie enthält eine weitere Öffnungsklausel, um den Mitgliedstaaten ein besonderes Rangprivileg für neue Finanzierungen oder Zwischenfinanzierungen zu ermöglichen. Die Geber dieser Hilfen dürfen in späteren Insolvenzverfahren vorrangig gegenüber anderen Gläubigern Zahlungen erhalten, die andernfalls höher- oder gleichrangige Forderungen hätten. 2.2

Schutz sonstiger Transaktionen gemäß Art. 18 der Restrukturierungsrichtlinie

15 Neben dem Schutz neuer Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen gemäß Art. 17 Restrukturierungsrichtlinie, sieht Art. 18 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie einen solchen Schutz auch für „sonstige Transaktionen“ vor, die „angemessen und unmittelbar notwendig für die Aushandlung eines Restrukturierungsplans sind“. Diese dürfen folglich nicht allein aufgrund einer Gläubigerbenachteiligung für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden. ErwG 69 Satz 1 der Richtlinie nennt als Ziel, eine Kultur fördern zu wollen, in der präventive Restrukturierungsrahmen frühzeitig in Anspruch genommen werden. Den genauen Zeitpunkt, ab dem sonstige Transaktionen zu schützen sind, können die Mitgliedstaaten festlegen (ErwG 69 Satz 5 der Richtlinie). Diese könnten also etwa auch schon den Zeitraum vor Anordnung einer Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen und vor Bestätigung des Restrukturierungsplans erfassen. Art. 18 Abs. 5 Restrukturierungsrichtlinie erweitert den Anfechtungsschutz auf angemessene und notwendige Transaktionen in der Umsetzungsphase eines bestätigten Restrukturierungsplans. 16 Eine Definition des Begriffs „sonstige Transaktion“ legt der Richtliniengeber nicht fest. Es sollten wohl all jene Rechtshandlungen des Schuldners umfasst sein, bei welchen schuldnerisches Vermögen übertragen wird.22) Einen nicht abschließenden Katalog, welche Transaktionen der europäische Gesetzgeber erfasst haben wollte, liefert Art. 18 Abs. 4 Restrukturierungsrichtlinie. Besonders praxisrelevant sind die Zahlungen auf Honorare für die Beratung, die in engem Zusammenhang mit der Restrukturierung stehen (Art. 18 Abs. 4 lit. b Restrukturierungsrichtlinie), wie etwa die Beratungen in der Vorbereitungsphase, bezüglich des Restrukturierungsplans oder auch jene in der Umsetzungsphase. Daneben müssen die Transaktionen angemessen und notwendig sein (Art. 18 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie). Das Erfordernis der unmittelbaren Notwendigkeit zur Aushandlung bzw. Umsetzung des Plans ist ausweislich des Katalogs des Art. 18 Abs. 4 Restrukturierungsrichtlinie nicht an eine zwingende Kausalität gebunden und kann bereits bei Transaktionen i. R. des gewöhnlichen Geschäftsgangs gegeben sein (Art. 18 Abs. 4 lit. d Restrukturierungsrichtlinie). Zur Ermittlung der Angemessenheit können nach ErwG 69 Satz 2 der Restrukturierungsrichtlinie Prognosen und Kostenschätzungen berücksichtigt werden. 2.3

Umsetzungsbedarf im deutschen Recht

17 Im Zuge der Umsetzungsdebatte wurde von vielen deutschen Autoren angenommen, dass das deutsche Recht schon de lege lata den Art. 17 und 18 der Restrukturierungsrichtlinie entspreche.23) Eine bloße Gläubigerbenachteiligung ohne ein weiteres objektives oder subjektives Tatbestandsmerkmal genüge für keinen Anfechtungstatbestand. Hierbei wurde offenbar der in Art. 17 und 18 der Richtlinie verwendete Passus „Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt“ mit der deutschen Wendung „Insolvenzgläubiger benachteiligt“ gleichge-

___________ 22) Bork in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 18 Rz. 4. 23) Etwa Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178 – kein anfechtungsrechtlicher Handlungsbedarf; H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2257; Gehrlein, BB 2021, 66, 77.

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setzt, wie sie etwa in § 129 Abs. 1 InsO verwendet wird.24) Diese Autoren scheinen davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber vor Augen hatte, was dem deutschen Rechtsanwender in den Sinn kommt, wenn er von einer Gläubigerbenachteiligung liest. Damit wurden die europäischen Normen letztlich mit deutschen Normen ausgelegt. Schoppmeyer hat dieser Auslegung entgegengehalten, dass die europäische Restrukturierungsrichtlinie autonom ausgelegt werden müsse.25) Das Erfordernis einer autonomen Auslegung von Verordnungen und Richtlinien ist in Rechtsprechung und Schrifttum im Grundsatz unbestritten26) und darf auch bei Art. 17 und 18 Restrukturierungsrichtlinie nicht in Vergessenheit geraten. Ob die autonome Auslegung auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, lässt sich allerdings derzeit noch nicht abschließend beurteilen, da noch kaum diskutiert wurde, wie die Benachteiligung der Gläubigergesamtheit autonom ausgelegt werden muss.27) Der deutsche Gesetzgeber legte das europäische Tatbestandsmerkmal der Benachteiligung 18 der Gesamtheit der Gläubiger ebenfalls nicht autonom aus, sondern verstand es deckungsgleich mit der Gläubigerbenachteiligung nach deutschem Recht.28) Er ging daher davon aus, dass eine Anfechtung nach der InsO oder dem AnfG allein aufgrund einer Gläubigerbenachteiligung im deutschen Anfechtungsrecht nach den §§ 129 ff. InsO bzw. den §§ 1 ff. AnfG nicht vorgesehen sei. Neben der Benachteiligung der (Insolvenz-)Gläubiger (§ 129 Abs. 1 InsO, § 1 Abs. 1 AnfG) verlangten diese Vorschriften wenigstens ein weiteres Merkmal (§§ 130 ff. InsO, §§ 3 ff. AnfG). Die von der Restrukturierungsrichtlinie angesprochene Nichtigkeit trete im deutschen Recht deshalb nicht ein, da es keine Vorschrift gebe, die allein deshalb Rechtshandlungen für nichtig erklärt, da diese die Gesamtheit der späteren Insolvenzgläubiger benachteiligen. Insbesondere gebe es kein entsprechendes Verbotsgesetz i. S. von § 134 InsO. Auch das deutsche Vollstreckungsrecht kenne kein Vollstreckungshindernis, insbesondere keine Vorschrift über das Einstellen oder eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 775 ZPO), wenn eine Einzelzwangsvollstreckung die Gesamtheit der späteren Insolvenzgläubiger benachteiligen sollte. Folglich war der deutsche Gesetzgeber der Auffassung, dass der in den Art. 17 und 18 Restrukturierungsrichtlinie geforderte Mindestschutz bereits vor Umsetzung der §§ 89 ff. StaRUG grundsätzlich erfüllt war.29) Dennoch hat sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschieden, das bestehende Anfech- 19 tungs- und Haftungsrecht um drei weitere Vorschriften zu erweitern. Die §§ 89 ff. StaRUG bezeichnete er zwar als „klarstellende Regelung“,30) die Vorschriften enthalten aber über eine reine Klarstellung hinausgehende Rechtssätze.31) Daher sollten die §§ 89 ff. StaRUG nicht als überflüssige Redundanzen verstanden werden. Erstens geht von § 89 StaRUG eine für Zweifelsfälle wichtige Botschaft aus, nämlich die Geber finanzieller Hilfen angemessen ___________ 24) Bork in: Morgen, Präventive Restrukturierung, Art. 17 Rz. 23: „Zurückzugreifen ist auf den aus dem nationalen Anfechtungsrecht bekannten Begriff der Gläubigerbenachteiligung“; Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178; H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2257; Gehrlein, BB 2021, 66, 77; Fridgen in: BeckOKStaRUG, § 89 Rz. 3. 25) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 870. 26) Vgl. EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-396/09, Rz. 42, ZIP 2011, 2153 m. w. N.; EuGH v. 18.11.2020 – Rs. C147/19, Rz. 33, WRP 2021, 322 m. w. N.; Wegener in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rz. 13. 27) Lynch Fannon in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 17 Rz. 17, erwähnt Rechtshandlungen „which are detrimental to creditors“ ebenfalls nur knapp. 28) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, Kap. 5 (Anfechtungs- und Haftungsrecht), BT-Drucks. 19/24181, S. 181. 29) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, Kap. 5 (Anfechtungs- und Haftungsrecht), BT-Drucks. 19/24181, S. 181. 30) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, Kap. 5 (Anfechtungs- und Haftungsrecht), BT-Drucks. 19/24181, S. 181; ebenso etwa Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 8. 31) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2182; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 874, 881; Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 33.

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7. Teil Anfechtungsrecht

schützen zu wollen. Zweitens sind die deutschen Anfechtungs- und Haftungsvorschriften richtlinienkonform auszulegen, was aufgrund der umfangreichen Art. 17 und 18 Restrukturierungsrichtlinie sowie der ausführlichen ErwG 67 – 69 der Restrukturierungsrichtlinie durchaus zu Neubewertungen führen kann. Drittens kann aus §§ 89, 90 StaRUG ein nennenswertes Argument dafür abgeleitet werden, das Restrukturierungsvorhaben anzuzeigen bzw. einen Restrukturierungsplan rechtskräftig durch das Bestätigungsverfahren zu bringen, um allseits eine höhere Planungssicherheit zu erlangen, falls zu einem späteren Zeitpunkt doch noch ein Insolvenzverfahren eröffnet werden muss. II.

Anfechtungs- und Haftungsbeschränkungen in der Phase der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (§ 89 StaRUG)

20 Ähnlich der Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme hilft es auch bei § 89 Abs. 1 StaRUG, genau zwischen dem Schuldner mit seiner Handlung oder seinem Unterlassen und der Teilnahme eines Beteiligten daran zu differenzieren. § 89 Abs. 1 StaRUG thematisiert zwei missbilligte Rechtshandlungen des Schuldners, nämlich die Insolvenzverschleppung und eine Rechtshandlung, die mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen wurde. Daran kann sich ein Dritter beteiligen, nämlich durch einen „sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung“ (siehe Rz. 38 ff.) oder durch seine Kenntnis vom „Vorsatz einer Benachteiligung der Gläubiger“ (siehe Rz. 22 ff.). Vergleichbar mit dem allgemeinen Verhältnis zwischen Täterschaft und Teilnahme erübrigen sich beim Teilnehmer im Regelfall alle Prüfungen, wenn es schon keine Haupttat gibt. Bei § 89 Abs. 1 StaRUG hilft daher die Überlegung, dass zunächst nach einer Insolvenzverschleppung oder einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung zu fragen ist. Erst wenn diese vorliegt, ist in einem zweiten Schritt zu fragen, ob ein Beteiligter hierzu einen Beitrag geleistet hat bzw. hiervon Kenntnis hatte. Ist dies der Fall, ist in einem dritten Schritt auf Grundlage von § 89 Abs. 1 StaRUG zu entscheiden, ob dieser Beitrag bzw. diese Kenntnis sich allein aus einem in § 89 Abs. 1 StaRUG genannten Grund ergibt und damit kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Bei diesen Beteiligungen geht es allen voran um subjektive Beiträge, sprich darum, was der Beteiligte gewusst hat. Hier kann unterschieden werden zwischen einer Grund-, Folge- und Zusatzkenntnis. 21 All dies ist unabhängig von der Bestätigung des Restrukturierungsplans, insbesondere der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses,32) wie sich im Umkehrschluss aus § 90 Abs. 1 StaRUG ergibt, der im Tatbestand ein solches Erfordernis vorsieht. Allerdings muss es sich um Rechtshandlungen während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache handeln; für Rechtshandlungen vor der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG bzw. nach der Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG bleibt es bei den allgemeinen Anfechtungsvorschriften der InsO bzw. des AnfG. § 89 Abs. 1 StaRUG kann über seinen Wortlaut hinaus nicht auf die Vorbereitungsphase vor der Anzeige ausgedehnt werden.33) Daher wurde oben (siehe Rz. 1) von einer Motivation gesprochen, die mit der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache einhergeht, da diese zu einem gewissen Anfechtungsschutz führt. 1.

Kenntnis von der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung (§ 89 Abs. 1 StaRUG)

22 Ausdrücklich adressiert der Anfechtungsschutz des § 89 Abs. 1 StaRUG nur die Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung.34) Denn Rechtshandlungen, „die mit ___________ 32) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2181; Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 13; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 89 Rz. 8. 33) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 876. 34) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2181; Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 29; Knauth, NZI 2021, 158, 160; Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 37; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 10, 15; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 874.

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dem Vorsatz einer Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen wurden“, werden von § 3 AnfG bzw. § 133 InsO erfasst, nicht aber ohne weiteres von den übrigen Anfechtungstatbeständen. Auch die Gesetzesbegründung spricht nur die Anfechtung wegen Benachteiligungsvorsatzes an.35) § 89 Abs. 1 StaRUG hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Anfechtungstatbestände der §§ 130 – 132, 134 – 136 InsO, §§ 4, 6, 6a AnfG.36) Sind diese Anfechtungstatbestände tatbestandlich erfüllt, führen sie zu Anfechtungsansprüchen nach § 143 Abs. 1 InsO bzw. § 11 Abs. 1 AnfG. Die durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der 23 InsO und nach dem AnfG vom 29.3.201737) reformierten Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung und die Neufassung des Bargeschäftsprivilegs gemäß § 142 InsO werden – unabhängig von § 89 Abs. 1 StaRUG – in vielen Fällen kongruenter Deckung und in solchen Fällen, die unter das Bargeschäftsprivileg fallen, dazu führen, dass die Rechtshandlung ohnehin nicht nach § 133 InsO anfechtbar ist.38) Insbesondere die Rückausnahme vom Bargeschäftsprivileg, wenn der Schuldner unlauter gehandelt und der Anfechtungsgegner dies erkannt hat, liegt nur selten vor, sodass viele Fälle schon nach allgemeinen anfechtungsrechtlichen Regeln gelöst werden können. 1.1

Relevante Rechtshandlungen

Das Tatbestandsmerkmal der „Rechtshandlung“ in § 89 Abs. 1 StaRUG ist weit zu verste- 24 hen. Es erfasst ein Tun oder Unterlassen. Insbesondere Zahlungen, auch auf Darlehensverträge, werden von diesem Tatbestandsmerkmal erfasst.39) 1.2

Grundkenntnis

Bei den Anfechtungstatbeständen aus § 133 InsO und § 3 AnfG muss der Anfechtungs- 25 gegner zur Zeit der Handlung den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gekannt haben. Werden Ansprüche nach § 143 Abs. 1 InsO bzw. § 11 Abs. 1 AnfG auf diese Anfechtungstatbestände gestützt, steht meist weniger die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung innerhalb der vier- bzw. zehnjährigen Anfechtungsfrist als vielmehr der subjektive Tatbestand im Streit. Um die subjektiven Tatbestandsmerkmale zu beweisen – Benachteiligungsvorsatz beim Schuldner und Kenntnis hiervon beim Anfechtungsgegner – sind regelmäßig Indizien und Gegenindizien zu bewerten.40) Hierzu wird regelmäßig aus diesen Indizien und Gegenindizien auf die Vorstellung der Beteiligten geschlossen. Aufgrund der besonderen Regelung des § 89 Abs. 1 StaRUG kann zwischen der Grundkenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder in Anspruch genommenen Instrumenten, ___________ 35) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, Kap. 5 (Anfechtungs- und Haftungsrecht), BT-Drucks. 19/24181, S. 181. 36) Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 37; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 874; Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 23. S. bei Schoppmeyer aber die wichtige Einschränkung bei § 89 Abs. 2 StaRUG, der auch auf § 130 InsO zu erstrecken sei. Dies ist zwar vom Wortlaut nicht gedeckt, lässt sich bezüglich der Wertung der Vorschrift aber gut vertreten. Warum sollte die Vorsatzanfechtung sogar bei Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen, die Deckungsanfechtung aber weiter möglich sein; siehe unten Rz. 50. Ebenso für § 89 Abs. 1 StaRUG Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1301. 37) Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz, v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 654. 38) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2182; insbesondere § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO entschärft das Risiko etwas, Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 872. 39) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 874. 40) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 872; ähnlich schon Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178; Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 4. Prozessual handelt es sich um objektive Hilfstatsachen, BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, Rz. 11, ZRI 2021, 645 = BeckRS 2021, 16902; BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, Rz. 9, ZRI 2022, 334 = NJW 2022, 1457.

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einer etwaigen Folgekenntnis und einer möglichen Zusatzkenntnis von weiteren Tatsachen unterschieden werden. 26 Die Beteiligten einer Restrukturierungssache können alsbald von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache und ggf. gestellten Instrumentenanträgen erfahren. Gegebenenfalls informiert sie der Schuldner sogar selbst von der Anzeige nach § 31 Abs. 1 StaRUG, um die ausgewählten Betroffenen aktiv einzubinden und – ungeachtet der Vertraulichkeit des Verfahrens41) – mit seiner transparenten Verfahrensorganisation zu werben. Teils sehen die Instrumente Anhörungen der Beteiligten vor (etwa §§ 45 f., 48 Abs. 2 Satz 3, 61 Satz 2 StaRUG). Die gerichtlichen Entscheidungen werden i. Ü. zugestellt (vgl. bei der Stabilisierungsanordnung § 51 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). In all diesen Fällen erhalten die Beteiligten folglich eine „Grundkenntnis“ von der Restrukturierung. Zwar werden die Beteiligten ggf. mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens oder eines beantragten Instruments wie der Vorprüfung oder Stabilisierung nicht die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder die Inanspruchnahme eines Instruments i. S. eines Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Verbindung bringen, es ist aber nicht erforderlich, dass die Beteiligten die richtigen prozess- und restrukturierungsrechtlichen Kategorien kennen. Auch ein Laie wird verstehen, dass die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Gericht zu einem wie auch immer ausgestalteten Verfahren führt und ein Instrumentenantrag in irgendeiner Weise etwas mit der Restrukturierung des Schuldners zu tun hat. Allerdings wird ein Laie nicht automatisch die Folgenkenntnis haben, dass dies zu einer Gefährdung der Gläubigerbenachteiligung führen kann (siehe Rz. 31). § 89 Abs. 1 StaRUG regelt, dass die Annahme eines sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung oder einer Rechtshandlung, die mit dem Vorsatz einer Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen wurde, nicht allein auf diese (Grund-)Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten gestützt werden kann. 27 Beispiel 1: Der Schuldner beantragt gegen seine Bank B eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre, mithin das Instrument der Stabilisierung nach § 29 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 49 StaRUG. Die Bank B kann für zwei Monate aus einer vollstreckbaren Urkunde nicht vollstrecken und eine Grundschuld nicht verwerten. Die Stabilisierungsanordnung wird der Bank B nach § 51 Abs. 4 Satz 1 StaRUG zugestellt, womit sie die Grundkenntnis erlangt. Der Schuldner leistet vertragsgemäß weiter Tilgung und Zinsen auf das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen. Sollte ein Jahr später ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, sind die gezahlten Tilgungen und Zinsen nicht nach § 133 InsO anfechtbar. Weder die rechtshängige Restrukturierungssache noch das Instrument der Stabilisierung (hier als Grundkenntnis bezeichnet) können ausreichende Indizien für die Kenntnis der Bank B von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sein (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 89 Abs. 1 StaRUG). Diese Kenntnis kann auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO vermutet werden. Die Bank B hat hier genau das erhalten, was ihr versprochen worden war, mithin kongruente Leistungen, weshalb sie nach § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der jeweiligen Zinszahlung hätte Kenntnis haben müssen. In dem dargestellten Fall lag allerdings keine Zahlungsunfähigkeit vor, sodass die Bank B davon folglich auch keine Kenntnis haben konnte. 28 Beispiel 2: In Monat 1 erstellt der Schuldner das Restrukturierungskonzept und zeigt sein Restrukturierungsvorhaben an (damit wird § 89 Abs. 1 StaRUG zeitlich anwendbar). Darüber spricht er mit Lieferant L (die bloße Grundkenntnis von der rechtshängigen Restrukturierungssache ist für die Kenntnis i. S. von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO irrelevant, § 89 Abs. 1 StaRUG). In Monat 2 bittet der Schuldner seinen Lieferant L um eine neue Lieferung. Um L hierzu zu ___________ 41) In den öffentlichen Restrukturierungssachen (§§ 84 ff. StaRUG, Art. 25 Abs. 3 SanInsFoG) sind sämtliche gerichtliche Entscheidungen öffentlich bekannt zu machen (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). Hier kann die Kenntnis der Beteiligten noch detaillierter sein.

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bewegen, übereignet der Schuldner dem L zur Sicherheit sein Warenlager (dies stellt eine Rechtshandlung i. S. des § 129 Abs. 1 InsO bzw. § 1 AnfG dar)42). In Monat 3 stellt der Schuldner den Restrukturierungsplan zur Abstimmung, erreicht die erforderlichen Mehrheiten (vgl. § 25 StaRUG) jedoch nicht. Ein Jahr später beantragt der Schuldner die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (damit liegt die Sicherungsübereignung außerhalb der Anfechtungsfristen der §§ 130 – 132 InsO). Die Sicherungsübereignung ist im Ergebnis auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar. Ob der Schuldner überhaupt mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat, ist in solchen Fällen sehr fraglich,43) jedenfalls fehlt es an der Kenntnis des Lieferanten L vom etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners i. S. von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO. Die Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache genügt nicht (§ 89 Abs. 1 StaRUG). Die spätere Sicherungsübereignung wurde im Zuge eines neuen Vertrags vereinbart und war damit kongruent.44) Damit hätte der Lieferant L, will der Insolvenzverwalter alternativ die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nutzen, von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit wissen müssen (§ 133 Abs. 3 Satz 1 InsO). Dies war nicht der Fall. 1.3

Folge- und Zusatzkenntnis

Allerdings kann zu der Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder 29 der Inanspruchnahme von Instrumenten (Grundkenntnis) noch eine weitere Kenntnis von Tatsachen betreffend die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder betreffend ein in Anspruch genommenes Instrument hinzukommen (Folgekenntnis). Es ist ferner möglich, dass ein Beteiligter ggf. sogar Kenntnis von einer anderen Tatsache erhält, die zusätzlich zur Grund- und Folgekenntnis hinzukommt (Zusatzkenntnis). Durch den Wortlaut in § 89 Abs. 1 StaRUG („nicht allein darauf gestützt werden“) wird deutlich, dass eine Anfechtung möglich ist, wenn zu der Grundkenntnis eine Folge- oder Zusatzkenntnis hinzukommt.45) Im Bereich der Folge- oder Zusatzkenntnis ist es z. B. fraglich, 

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ob ein Beteiligter aus der Grundkenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten auf die drohende Zahlungs-

___________ 42) Kayser/Freudenberg in: MünchKomm-InsO, § 129 Rz. 16; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rz. 38. 43) Für ein starkes Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn der Schuldner seine eigene (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt, bislang BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, NZI 2015, 369, 370; BGH v. 8.1.2015 • IX ZR 198/13, Rz. 9, NZI 2015, 222, 223; dagegen schon Ganter/Weinland in: K. Schmidt, InsO, § 133 Rz. 59; Borries/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rz. 95a. Seit BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, ZRI 2021, 645 = BeckRS 2021, 16902, lässt der Senat nicht mehr genügen, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkannt hatte, (drohend) zahlungsunfähig zu sein (bestätigt durch BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, Rz. 19, ZRI 2022, 267 = NZI 2022, 385). Er muss zusätzlich gewusst oder jedenfalls billigend in Kauf genommen haben, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können. Für den Vollbeweis (also nicht § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) müsste der Anfechtungsgegner ebenfalls nicht nur die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erkannt haben, sondern zusätzlich wissen, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können (1.-3. LS). In Rz. 39 der genannten Entscheidung wird die bisherige Rechtsprechungslinie ausdrücklich aufgegeben. Zur genauen Trennung zwischen dem für § § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erforderlichen Vollbeweis und der gesetzlichen Vermutung nach Satz 2 Thole, ZRI 2021, 609. In BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 53/19, Rz. 11, ZRI 2022, 334 = NJW 2022, 1457, wird zwar bestätigt, dass es ein zulässiges Beweisanzeichen sein kann, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kannte; dies ist ausweislich BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, Rz. 20, ZRI 2022, 267 = NZI 2022, 385, aber so zu verstehen, dass dies nicht allein genügt, sondern weitere Umstände hinzutreten müssen. 44) Raupach in: BeckOK-InsR, § 131 Rz. 12 ff. 45) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178; Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 26; Desch, BB 2020, 2498, 2506; Gehrlein, BB 2021, 66, 78; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 89 Rz. 11; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 875; Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1301; Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 28; Henkel in: HambKomm-RestruktR, § 89 StaRUG Rz. 23; wohl auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 19.

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unfähigkeit des Schuldners und damit womöglich sogar auf eine Gläubigerbenachteiligung schließen kann oder muss (Folgekenntnis), ob die Zusatzkenntnis von einem weiteren Instrument, einer Erweiterung des Instruments oder die Kenntnis von einer gerichtlichen Entscheidung in diesem Instrumentenverfahren in der Gesamtschau46) eine Anfechtung rechtfertigen kann.

1.3.1 Keine automatische Folgekenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit 31 Im Regelfall liegt im Moment der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vor.47) Gleiches gilt im Moment des Instrumentenantrags, denn ein jedes Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens dient definitionsgemäß zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit i. S. von § 18 InsO (§ 29 Abs. 1 StaRUG). Gleichwohl wird man nicht automatisch die Folgekenntnis annehmen können, dass die Kenntnis von der Anzeige oder einem Instrumentenantrag bei einem Beteiligten gleichbedeutend mit der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist.48) Andernfalls würde man dem Laien eine Kenntnis unterstellen, die sich diesem aus der bloßen Anzeige des Restrukturierungsvorhabens oder dem bloßen Instrumentenantrag nicht ohne weiteres erschließen kann. Konsequenterweise hat ein Beteiligter nicht automatisch Kenntnis von einer Gefährdung der vollständigen Befriedigung der Gläubiger.49) Dies mag sich im Laufe der Zeit wandeln, wenn allgemein bekannt geworden sein sollte, dass ein Restrukturierungsvorhaben bei drohender Zahlungsunfähigkeit angezeigt bzw. ein Instrument bei drohender Zahlungsunfähigkeit beantragt werden kann, bis dahin kann dies aber noch nicht als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden.50) 1.3.2 Keine automatische Folgekenntnis vom Inhalt des Restrukturierungskonzepts 32 Aus der bloßen Kenntnis von der Rechtshängigkeit des Restrukturierungskonzepts kann ferner nicht automatisch auf die Folgekenntnis geschlossen werden, dass der Beteiligte von dem Restrukturierungskonzept oder gar dem Entwurf des Restrukturierungsplans des Schuldners Kenntnis hatte.51) Wollen Beteiligte die Anforderungen des BGH aus dessen Rechtsprechung zu Sanierungskonzepten erfüllen, werden diese sogar aktiv eine Einsicht in das Restrukturierungskonzept verlangen.52) Nach dieser Rechtsprechung soll die Voraussetzung zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO sein, dass zu der Zeit der angefochtenen Rechtshandlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorlag, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat ___________ 46) Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 28 – Gesamtwürdigung. 47) Ist die Insolvenzreife durch bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erreicht, steht der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nicht mehr zur Verfügung, Kramer in: BeckOKStaRUG, § 29 Rz. 6. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner gleichwohl ein Restrukturierungsvorhaben anzeigt und mangels Entscheidung über einen Instrumentenantrag die nur drohende Zahlungsunfähigkeit erst einmal nicht geprüft wird. 48) Im Ergebnis wie hier Bork in: Morgen, StaRUG, § 89 Rz. 23; Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 28. Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 37, setzt offenbar die Kenntnis der „Nutzung des Rahmens“ mit der für § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO erforderlichen Kenntnis gleich. Auch Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 875, will einen „lebensnahen Schluss“ ziehen, dass dem anderen Teil die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt ist. Allerdings legt er § 89 Abs. 1 StaRUG über den Wortlaut hinaus so aus, dass auch diese Kenntnis für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht genügt. 49) So die Wendung in Allg. Begr. RegE, SanInsFoG, „wesentlicher Inhalt des Entwurfs des SanInsFoG“, BT-Drucks. 19/24181, S. 86. 50) Vgl. Kümpel, KTS 2022, 341, 348 f. 51) Überzeugend Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 10. 52) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 873, verlangt, dass der andere Teil vom Schuldner einfordert, das Sanierungskonzept darzulegen. In BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, ZRI 2022, 267 = NZI 2022, 385, hat der Senat einen großzügigen Maßstab zugelassen, wenn für das Sanierungskonzept neue gesetzliche Regelungen relevant seien. Es seien dann die Rechtsauffassungen relevant, die zur Zeit der Umsetzung bestehen.

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umgesetzt wurde und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.53) Über die wesentlichen Grundlagen des Konzepts muss der Beteiligte informiert sein.54) Soweit der BGH über Jahrzehnte verlangte, dass das Sanierungskonzept mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt sein muss,55) verzichtet der BGH auf diese Voraussetzung für den Fall, in dem der Schuldner Zahlungen an den Sanierungsberater tätigt.56) 1.3.3 Zusatzkenntnis durch Informationen des Schuldners Wenngleich nach dem hier vorgestellten Verständnis die Grundkenntnis von der Rechts- 33 hängigkeit der Restrukturierungssache oder von den in Anspruch genommenen Instrumenten nicht automatisch zu einer Folgekenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder dem Inhalt des Restrukturierungskonzepts bzw. Entwurf des Restrukturierungsplans führt, kann ein Beteiligter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit etwa durch eine Information des Schuldners oder durch einen Vorprüfungstermin erhalten. In diesem Falle wird einem Beteiligten auch bewusst sein, dass Rechtshandlungen wie Zahlungen auf Verbindlichkeiten oder die Einräumung von neuen Sicherheiten die späteren Insolvenzgläubiger benachteiligen können, wenn das Restrukturierungsvorhaben fehlschlägt und in der Folge auf Antrag ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Fließen nämlich Mittel aus dem Vermögen des Schuldners, wird dieses mit Rechten belastet oder leistet der Schuldner zugunsten des Beteiligten, nimmt die spätere Insolvenzmasse ab, was die ungesicherten Gläubiger benachteiligt.57) Damit sinken auch deren Befriedigungsaussichten. Das Problem besteht nun darin, diese Folgekenntnis bei der Prüfung der Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit richtig einzuordnen. Die Grundkenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten genügt für eine Anfechtung nicht, was unmittelbar aus § 89 Abs. 1 StaRUG folgt. Wie aber eine Zusatzkenntnis zu bewerten ist, regelt § 89 Abs. 1 StaRUG nicht ausdrücklich. Die Gläubigerbenachteiligung als Zusatzkenntnis ist nur dann allein kein Anfechtungsgrund, wenn es sich um eine neue Finanzierung handelt und diese in einem rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplan enthalten ist. Denn der deutsche Gesetzgeber hat von der Öffnungsklausel des Art. 17 Abs. 2 der Restrukturierungsrichtlinie Gebrauch gemacht und in § 90 Abs. 1 StaRUG zahlreiche Rechtshandlungen von der Anfechtung ausgenommen. § 90 Abs. 1 StaRUG ist allerdings vor der rechtskräftigen Bestätigung des Restrukturierungsplans noch nicht anwendbar. Durch den Wortlaut in § 89 Abs. 1 StaRUG („nicht allein darauf gestützt werden“) wird aber deutlich, dass eine Anfechtung dann möglich ist, wenn zu der Grundkenntnis eine Zusatzkenntnis hinzukommt.58) 1.3.4 Zusatzkenntnis Insolvenzreife Einen besonderen Fall stellt die Zusatzkenntnis von der Anzeige der Insolvenzreife dar. 34 Wenn der Schuldner während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache dem Restrukturierungsgericht den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 17 InsO oder ___________ 53) BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, LS 2, NZI 2018, 840. 54) Denn der BGH formuliert im Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, LS 2, NZI 2016, 636, zu Recht, dass der Gläubiger nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen kann, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzepts informiert ist. Diese Rspr. wird auch i. R. der §§ 89, 90 StaRUG als die maßgebliche Entscheidung gesehen, Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 872. 55) BGH v. 14.6.2018 – IX ZR 22/15, LS 2, NZI 2018, 840; zur Rechtsprechungsentwicklung BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, Rz. 79, ZRI 2022, 267 = NZI 2022, 385. 56) BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, Rz. 72, ZRI 2022, 267 = NZI 2022, 385. 57) Kayser/Freudenberg in: MünchKomm-InsO, § 129 Rz. 77; Raupach in: BeckOK-InsR, § 129 Rz. 41. 58) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178; Desch, BB 2020, 2498, 2506; Gehrlein, BB 2021, 66, 78; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 89 Rz. 11; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 875; wohl auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 19.

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Überschuldung gemäß § 19 InsO anzeigt und ein Beteiligter davon Kenntnis erhält, kann allein darauf ebenfalls keine Anfechtung gestützt werden (§ 89 Abs. 2 StaRUG). Die nachfolgenden Beispiele sollen helfen, typische Folge- und Zusatzkenntnisse stimmig zu bewerten und insoweit den Regelungsumfang von § 89 Abs. 1 StaRUG auszulegen. 1.4

Beispielsfälle für eine Zusatzkenntnis

35 Beispiel 3: Der Schuldner beantragt zunächst eine punktuelle Vollstreckungs- und Verwertungssperre, wovon die Bank B weiß (Grundkenntnis). Einige Wochen später jedoch beantragt der Schuldner eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre gegen alle Gläubiger (§§ 49 Abs. 2 Satz 2, 52 StaRUG). Die Bank B erfährt, dass dieser Antrag aufgrund der drohenden Vollstreckung des Finanzamts, des Zolls (Art. 113 UZK i. V. m. §§ 3 Abs. 3, 249 ff. AO) und der Stadtwerke als Energielieferant gestellt wurde (Zusatzkenntnis). Sie lässt sich nun vom Schuldner eine weitere Sicherheit einräumen. Es handelt sich zwar nach wie vor um ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, was nach dem Wortlaut des § 89 Abs. 1 StaRUG allein kein ausreichendes Indiz für eine entsprechende Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sein darf. Die weiteren, zumal sehr starken Indizien sprechen nun aber dafür, dass der Schuldner die weitere Sicherheit mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz eingeräumt hat und die Bank B diesen Vorsatz kannte, denn nur kurze Zeit nach der ersten Anordnung musste der Schuldner diese massiv erweitern und sogar die Vollstreckung von öffentlichen Gläubigern und des Energielieferanten unterbinden lassen. Hätte man den Schuldner im Moment der Einräumung der weiteren Sicherheit gefragt, ob damit die Gesamtheit der Gläubiger geschützt wird und die Gläubiger gleichbehandelt werden (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG), hätte der Schuldner dies verneinen und einräumen müssen, dass die weitere Sicherheit allein der Bank B diente. Er handelte folglich mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Aus diesen Indizien kann die Kenntnis der Bank vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bei der Einräumung der weiteren Sicherheit geschlossen werden. Die Bank B ließ sich die weitere Sicherheit nur deshalb einräumen, weil sie erkannte, dass sie andernfalls ausfallen dürfte und offenbar nicht gleich schlecht stehen wollte wie andere Gläubiger. In einem etwaigen Insolvenzverfahren wäre die eingeräumte Sicherheit nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die Wendung in § 89 Abs. 1 StaRUG „kann nicht allein darauf gestützt werden“ zeigt also, dass weitere Indizien gewürdigt werden können.59) Diese Indizien können nach der hier vertretenen Auffassung auch daraus resultieren, dass ein Instrument mehrfach und ggf. massiv ausweitend in Anspruch genommen wird. 36 Beispiel 4: Der Schuldner zeigt ein Restrukturierungsvorhaben an und beginnt mit der Ausarbeitung des Restrukturierungsplans. Wöchentlich erhält er von Lieferanten Rohstoffe und zahlt entsprechende Rechnungen. Nach Fertigstellung des Restrukturierungsplans beantragt der Schuldner eine gerichtliche Vorprüfung nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 47 StaRUG, wovon die Bank B weiß (Grundkenntnis). Beides – die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache und die Inanspruchnahme des Instruments der Vorprüfung – sind allein keine Indizien für eine Anfechtung der wöchentlichen Zahlungen nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, wenn später auf Antrag ein Insolvenzverfahren eröffnet werden sollte. Denn aus der Grundkenntnis kann nach § 89 Abs. 1 StaRUG nicht auf die Kenntnis der Bank B von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 InsO ist i. Ü. nicht erfüllt, da die Bank B keine Kenntnis von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit hatte. Auf das Bargeschäftsprivileg des § 142 Abs. 1 InsO kommt es gar nicht erst an. ___________ 59) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178; Desch, BB 2020, 2498, 2506; Gehrlein, BB 2021, 66, 78; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 89 Rz. 11; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 875; wohl auch Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 19.

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§ 40

Beispiel 5: Im Termin der Vorprüfung führt der Geschäftsführer einer GmbH aus, dass er u. a. 37 die Forderungen von allen Lieferanten um 80 % (!) kürzen will (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Er fragt das Gericht, ob darüber hinaus eine Gestaltung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zulässig sei, wonach alle erweiterten Eigentumsvorbehalte der Rohstofflieferanten aufgehoben werden würden, da die Rohstoffe durch einen hohen Ausschuss in der Produktion ohnehin verloren seien. Das Gericht erteilt im Instrumentenverfahren einen – objektiv zutreffenden – Hinweis nach § 38 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO,60) dringend die Anzeigepflichten bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit nach §§ 32 Abs. 3, 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG zu prüfen. Die geladenen Lieferanten (§§ 48, 45 Abs. 3 StaRUG) hören im Termin der Vorprüfung die beabsichtigten, äußerst weitreichenden Gestaltungen sowie die richterlichen Hinweise und schließen daraus, dass der Schuldner zahlungsunfähig sein muss (Zusatzkenntnis). Obwohl der Schuldner nach dem richterlichen Hinweis die Zahlungsunfähigkeit prüft und diese erkennt, leistet er an die Lieferanten noch weitere Zahlungen. Diese Zahlungen sind innerhalb der vierjährigen Anfechtungsfrist des § 133 Abs. 2 InsO anfechtbar. Auch hier steht die Wendung in § 89 Abs. 1 StaRUG „kann nicht allein darauf gestützt werden“ einer Würdigung von Indizien nicht entgegenstehen, die daraus resultieren, dass im Zuge eines Instruments Tatsachen bekannt werden, die deutlich für eine Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sprechen. Die Zahlungen zu einem Zeitpunkt, zu dem der Schuldner seine Lieferanten als zu 80 % aus dem Geld bewertet und einen richterlichen Hinweis auf die Anzeigepflichten bei Zahlungsunfähigkeit erhalten hat, wurden mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen. Denn dem Schuldner war bewusst, dass die gleichwohl getätigten Zahlungen die späteren Insolvenzgläubiger, zu denen auch die ungesicherten Lieferanten gehören (§ 52 InsO), benachteiligen. Selbst wenn diese Zahlungen unter das Bargeschäftsprivileg fielen, handelte der Schuldner aufgrund des erhaltenen Hinweises unlauter61) i. S. von § 142 Abs. 1 InsO. Im Zeitpunkt des Empfangs der Zahlungen kannten die Lieferanten den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Unlauterkeit der Zahlungen. Für § 89 Abs. 2 StaRUG ist mangels Anzeige der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner und der Nichtaufhebung der Restrukturierungssache durch das Restrukturierungsgericht kein Raum. 2.

Sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung (§ 89 Abs. 1 StaRUG)

§ 89 Abs. 1 StaRUG betrifft ferner sittenwidrige Beiträge zur Insolvenzverschleppung 38 i. S. von § 15a Abs. 1, 4 und 5 InsO. Die Entscheidung des BGH vom 12.4.201662) bildet nach Inkrafttreten des StaRUG die maßgebliche Grundlage für Rechtshandlungen, die während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache vorgenommen werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung hatte sich der Gesetzgeber an den Wertungen dieser Entscheidung orientiert.63) Typisch sind Fallkonstellationen, in denen eine Hausbank ein Restrukturierungskonzept vorgelegt bekommt, deshalb ein (weiteres) Darlehen gewährt oder eine Kreditlinie offenlässt und zur Absicherung weitere oder andere Sicherheiten erhält. Der sittenwidrige Beitrag zur Insolvenzverschleppung kann also u. a. in dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts liegen. Wie auch bei anderen Rechtsgeschäften gilt, dass ein Rechtsgeschäft, welches gegen die guten Sitten i. S. von § 138 Abs. 1 BGB verstößt, kraft Gesetzes nichtig ist. Zu prüfen ist, ob das Rechtsgeschäft in der Gesamtschau aus Inhalt, ___________ 60) § 139 ZPO ist anwendbar, so auch Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 38 Rz. 34. 61) Vgl. zu den Vorstellungen des Gesetzgebers von diesem Tatbestandsmerkmal Begr. RegE Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz z. § 142 InsO, BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 62) BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, BGHZ 210, 30 = ZIP 2016, 1058. 63) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, Kap. 5 (Anfechtungs- und Haftungsrecht), BT-Drucks. 19/24181, S. 181.

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7. Teil Anfechtungsrecht

Beweggrund und Zweck mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist.64) 39 Der in § 89 Abs. 1 StaRUG genannte Beitrag zur Insolvenzverschleppung ist zunächst vom Anfechtungsrecht abzugrenzen. Für Benachteiligungen der Gesamtheit der (Insolvenz-) Gläubiger sehen die §§ 129 ff. InsO bzw. §§ 1 ff. AnfG zahlreiche Anfechtungstatbestände vor. Diese Vorschriften gehen als speziellere Regeln den allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 138 Abs. 1 BGB, vor (lex specialis derogat legi generali). Liegen ausschließlich Umstände vor, die Tatbestandsmerkmale der §§ 129 ff. InsO bzw. §§ 1 ff. AnfG erfüllen, sind allein die Anfechtungstatbestände heranzuziehen.65) Kommen über die Gläubigerbenachteiligung und die Merkmale der Anfechtungstatbestände aber „weitere Umstände“ hinzu, können allgemeine Vorschriften wie § 138 Abs. 1 BGB anwendbar sein.66) Bei diesen „weiteren Umständen“ i. S. der Rechtsprechung des BGH kann aufgrund von § 89 Abs. 1 StaRUG aber nicht auf die Kenntnis des Beteiligten von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens abgestellt werden. Möglich sind aber andere weitere Umstände.67) 40 Das Interesse eines Kreditgebers an Sicherheiten ist nicht sittenwidrig und auch die Vereinbarung einer Nachbesicherung ist für sich genommen noch kein Sittenverstoß. Die hier relevanten und vom BGH entschiedenen Fallgruppen betrafen vielmehr solche Rechtsgeschäfte, welche die Insolvenz des Schuldners verschleppten oder die Befriedigungsaussichten der Gesamtheit der späteren Insolvenzgläubiger gefährdeten oder andere Gläubiger über die Kreditwürdigkeit täuschten. Diese Fälle sind typischerweise so charakterisiert: 

Ein Kreditgeber gewährt deshalb einen Kredit, da damit der Zusammenbruch des Schuldners verzögert wird. Die Sanierung wird nicht bezweckt, denn die Insolvenz des Schuldners ist unvermeidlich. Andere Gläubiger werden durch diesen Kredit über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht und nehmen in der Folge selbst Schaden. Der Kreditgeber verschließt sich dieser Erkenntnis mindestens leichtfertig oder die Situation ist ihm sogar bewusst.68)



Ein Kreditgeber lässt sich (fast) das gesamte freie Vermögen des Schuldners zur Sicherung übertragen. Das Darlehensgeschäft wird abgeschlossen, um andere gegenwärtige oder künftige Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners zu täuschen und diese zu motivieren, ebenfalls Kredite zu gewähren.69)

41 In solchen Fällen ist die Intention der Vertragsparteien zu prüfen. Wie in der Praxis üblich, wird eine sittenwidrige Intention typischerweise zwar nicht dokumentiert, allerdings lassen sich die Beweggründe häufig aus einer Vielzahl von Indizien ableiten, die das Gericht in der Gesamtschau zu würdigen hat (vgl. § 286 ZPO).70) Daher sollten alle Beteiligten insbesondere frühzeitig für diese Wertungen des BGH sensibilisiert werden und sodann mit unbedarft ausgetauschten E-Mails sowie sonstigen Text- und Sprachnachrichten zurückhaltend sein. All dies wird später forensisch ausgewertet und erlaubt dann Rückschlüsse auf die Beweggründe der Vertragsparteien. Jedenfalls genügt die Kenntnis von der rechtshängigen Restrukturierungssache oder von in Anspruch genommenen Instrumenten (Grund___________ 64) BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, BGHZ 210, 30 = ZIP 2016, 1058 (noch vor dem StaRUG); Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 8. 65) BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, Rz. 43, BGHZ 210, 30 = ZIP 2016, 1058. 66) BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, Rz. 43, BGHZ 210, 30 = ZIP 2016, 1058. 67) Ähnlich Tashiro in: Braun, StaRUG, § 89 Rz. 16 – für betrügerisches oder bösgläubiges Verhalten. 68) BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, Rz. 40, BGHZ 210, 30 = ZIP 2016, 1058. 69) BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, Rz. 41, BGHZ 210, 30 = ZIP 2016, 1058. 70) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 872 – zu § 133 InsO.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen

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kenntnis) für die Annahme eines sittenwidrigen Beitrags nicht (§ 89 Abs. 1 StaRUG). Bekommt aber der im ersten Spiegelstrich genannte Gläubiger bspw. den Entwurf des Restrukturierungsplans vorgelegt, der inhaltlich völlig unzureichend ist (Zusatzkenntnis), und verzögert der Kreditgeber durch Ausgabe eines neuen Darlehens nun den Zusammenbruch des Schuldners, wodurch andere Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden und selbst Schaden nehmen, wird diese Zusatzkenntnis in der Gesamtschau eine Nichtigkeit des Darlehensvertrags nach § 138 BGB rechtfertigen. Der Nichtigkeit steht dann auch Art. 17 Abs. 1 lit. a Restrukturierungsrichtlinie nicht entgegen, da zur Gläubigerbenachteiligung die genannte Zusatzkenntnis und der sittenwidrige Beitrag des Kreditgebers hinzukamen. 3.

Verschlechterungen der Restrukturierungssache durch Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung (§ 89 Abs. 2 StaRUG)

Einige Anfechtungstatbestände sind erst dann anwendbar, wenn der Schuldner zahlungs- 42 unfähig geworden ist. Dies ist etwa bei der kongruenten Deckung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, der inkongruenten Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO und bei unmittelbar nachteiligen Rechtshandlungen nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Fall. Hat der Schuldner Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, besteht ein starkes Indiz für seinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz i. S. von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG. Zwar sind Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nicht für zahlungsunfähige oder überschuldete Schuldner geeignet,71) da diese nur drohend zahlungsunfähig sein dürfen, die Restrukturierungssache kann sich allerdings während der Rechtshängigkeit verschlechtern. 3.1

Anzeigepflicht bei Insolvenzreife

Tritt während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache Zahlungsunfähigkeit oder 43 – sofern einschlägig – Überschuldung ein, sind der Schuldner und die Antragspflichtigen i. S. von § 15a Abs. 1 bis 3 InsO und § 42 Abs. 2 BGB verpflichtet, die Insolvenzreife dem Restrukturierungsgericht unverzüglich anzuzeigen (§§ 32 Abs. 3 Satz 1, 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Das Zeitfenster, in dem Rechtshandlungen vorgenommen werden können, die einem besonders hohen Anfechtungsrisiko unterliegen, kann aus zwei Gründen relativ groß sein. Zum einen vergeht zwischen Eintritt der Insolvenzreife und der Anzeige beim Restrukturierungsgericht72) bzw. zwischen Eingang der Anzeige und der Entscheidung über die Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG Zeit, zum anderen kann es sein, dass das Restrukturierungsgericht von der Aufhebung der Restrukturierungssache ausnahmsweise absieht und damit weitere Rechtshandlungen in der Restrukturierungssache vorgenommen oder sogar noch Instrumente73) des Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmens in Anspruch genommen werden. ___________ 71) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 29 Rz. 6. Vgl. die zugrunde liegenden Art. 1 Abs. 1 lit. a Restrukturierungsrichtlinie (Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten bei einer wahrscheinlichen Insolvenz), Art. 4 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie (Schuldner bei einer wahrscheinlichen Insolvenz) und ErwG 24 Satz 2 Restrukturierungsrichtlinie (Restrukturierungsrahmen, bevor ein Schuldner nach nationalem Recht insolvent wird). Mangels Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Zusammenhang mit der Anzeige des Schuldners i. S. des § 31 StaRUG kann aber grundsätzlich auch der bereits insolvenzreife Schuldner ein Restrukturierungsvorhaben anzeigen; zur Gefahr missbräuchlicher Restrukturierungsvorhaben für die Gläubiger vgl. Kümpel, KTS 2022, 341. 72) Das Merkmal der Unverzüglichkeit lässt also solche Prüfungen und Maßnahmen zu, die die Anzeige nicht schuldhaft verzögern. 73) Nicht generell ausgeschlossen, Begr. RegE SanInsFoG z. § 96 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182.

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44 Eine solche Nichtaufhebung steht im Ermessen74) des Restrukturierungsgerichts. Zuvorderst ist zu prüfen, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG).75) Von der Aufhebung kann ferner abgesehen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 3 StaRUG). 3.2

Anfechtungsschutz und dessen Rechtfertigung

45 § 89 Abs. 2 StaRUG ist so zu verstehen, dass die für die Anfechtung unschädliche Grundkenntnis (siehe Rz. 25) um eine Tatsache anwachsen darf, nämlich die Kenntnis von der Insolvenzreife. Damit kann die Kenntnis eines Beteiligten i. S. von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO weder auf die Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache, der Inanspruchnahme der Instrumente noch der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestützt werden. Dieses Privileg greift aber nur, wenn der Schuldner die Insolvenzreife tatsächlich auch angezeigt hat und das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache nach der Sondervorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG nicht aufhebt. Damit wird deutlich, dass § 89 Abs. 2 StaRUG in diesem Fall keine bloß klarstellende Regelung ist, sondern den Anwendungsbereich von § 133 InsO einschränkt76) und folglich eine nicht verallgemeinerungsfähige77) Sonderregelung darstellt. Liegt nämlich Zahlungsunfähigkeit vor und weiß der Schuldner, dass er seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können, so vollzieht er Rechtshandlungen, die die Insolvenzgläubiger benachteiligen, mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Weiß der Beteiligte von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, wird normalerweise vermutet, dass der Beteiligte Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners hatte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 InsO). 46 Dieser besondere Anfechtungsschutz beruht auf folgender Wertung: Die Anfechtung nach InsO oder AnfG soll zwar die Gesamtheit der Gläubiger schützen und die Haftungsmasse für die Gläubiger wiederherstellen,78) die Gesamtheit der Gläubiger ist aber nach der Einschätzung des Restrukturierungsgerichts nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG besser geschützt, wenn die Restrukturierungssache weiter betrieben wird und noch im Restrukturierungsverfahren das Restrukturierungsziel durch den Restrukturierungsplan erreicht wird, nämlich die (nunmehr eingetretene) Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen und die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicherzustellen.79) 47 Aus § 89 Abs. 2 StaRUG lässt sich nicht ablesen, ob der Anfechtungsschutz nur dann besteht, wenn das Restrukturierungsgericht über die Nichtaufhebung entschieden hat („Nichtaufhebungsentscheidung“). Gewiss nicht ausreichen kann das bloße Nichttätigwerden des Gerichts.80) Da auch die Aufhebungsentscheidung durch förmlichen Beschluss ergeht,81) ___________ Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 24. Ausführlich zur Prüfung dieses Ermessens Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 28 ff. Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 876, wendet § 89 Abs. 2 StaRUG zudem auf § 130 InsO an. Thole, ZIP 2020, 1985, 1999. K. Schmidt in: K. Schmidt, InsO, § 129 Rz. 1. Begr. RegE SanInsFoG z. § 96 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182: Anfechtungsrisiko scheine widersprüchlich, da Gericht die Verfahrensaufhebung nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit sieht. 80) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 24; Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 51, verlangen einen Beschluss. 81) Kramer in: BeckOK-StaRUG, § 33 Rz. 68.

74) 75) 76) 77) 78) 79)

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen

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ist nicht ersichtlich, warum über die Nichtaufhebung nicht auch entschieden werden muss. Ohne Bekanntgabe der Nichtaufhebungsentscheidung weiß weder der Schuldner noch ein Beteiligter von der Nichtaufhebung und damit, ob trotz Insolvenzreife ein Anfechtungsschutz besteht.82) Das gesetzgeberische Ziel, das Anfechtungsrisiko zu beseitigen, kann daher vor Bekanntgabe der Nichtaufhebungsentscheidung nicht erreicht werden. Daher ist § 89 Abs. 2 StaRUG so auszulegen, dass der Anfechtungsschutz ab Bekanntgabe der förmlichen Nichtaufhebungsentscheidung besteht. Wird die Nichtaufhebungsentscheidung bekannt gegeben, dürfte § 89 Abs. 2 StaRUG dann 48 aber zeitlich so zu verstehen sein, dass der Anfechtungsschutz 

nicht nur die Rechtshandlungen ab Bekanntgabe der Nichtaufhebungsentscheidung



sowie zwischen Anzeige und Bekanntgabe der Nichtaufhebungsentscheidung,83)



sondern auch Rechtshandlungen vor der Anzeige nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG erfasst (aber während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache).84)

§ 89 Abs. 2 StaRUG wirkt folglich in die Phase vor der Anzeige zurück. Dies scheint deshalb 49 stimmig, da der Grund für die Nichtaufhebung – das Interesse der Gesamtheit der Gläubiger am Fortgang der Restrukturierungssache bzw. das Erreichen des Restrukturierungsziels mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit Gestaltung der die Insolvenzreife auslösenden Forderung – die Restrukturierungssache insgesamt und nicht nur ein bestimmtes Zeitfenster ab der Anzeige oder gar erst ab der Bekanntgabe der Nichtaufhebungsentscheidung betrifft. 3.3

Betroffene Anfechtungstatbestände

Der Anfechtungsschutz des § 89 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StaRUG betrifft nach dem Wort- 50 laut die Vorsatzanfechtung, nicht aber andere Anfechtungstatbestände.85) Zeigt der Schuldner während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung an, hebt das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG nicht auf und stellt der Schuldner später doch noch einen Eröffnungsantrag nach § 13 InsO, sind Rechtshandlungen, die innerhalb der Anfechtungsfristen anderer Anfechtungstatbestände vorgenommen oder unterlassen wurden, anfechtbar. Schoppmeyer hat sich dafür ausgesprochen, § 89 Abs. 2 StaRUG über seinen Wortlaut hinaus auch auf die Deckungsanfechtung nach § 130 InsO anzuwenden.86) Bei der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vor und der Gläubiger hat Kenntnis von dieser. Genau dies betrifft den Fall des § 89 Abs. 2 StaRUG. Daher überzeugt es, dass sich § 89 Abs. 2 StaRUG auch auf § 130 InsO erstreckt. Dem könnte entgegengehalten werden, dass sich bei der Deckungsanfechtung die angefochtene Rechtshandlung in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Eröffnungsantrag befindet. Wenn aber sogar die Vorsatzanfechtung bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen ist, wäre es kaum begründbar, warum aber die Deckungsanfechtung möglich sein soll, bei der der Anfechtungsgegner das erhält, was er beanspruchen konnte. Der Gesetzgeber wollte offenbar Anfechtungen basierend auf einer Zahlungsunfähigkeit und der Kenntnis des Gläubigers von der Insolvenzreife ausschließen. ___________ Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 89 Rz. 24. So Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 55. Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877. Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 874; Knauth, NZI 2021, 158, 160; Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 37; noch zum RefE Bork, ZInsO 2020, 2177, 2178. 86) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 876; ihm folgend Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 89 Rz. 53. A. A. Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1301.

82) 83) 84) 85)

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§ 40 3.4

7. Teil Anfechtungsrecht Sonderfall öffentliche Restrukturierungssachen

51 Für die öffentlichen Restrukturierungssachen nach §§ 84 ff. StaRUG (anwendbar gemäß Art. 25 Abs. 3 SanInsFoG seit dem 17.7.2022, ausführlich hierzu Skauradszun, HRI I, § 14) ist noch nicht geklärt, ob die gerichtliche Entscheidung über die Nichtaufhebung nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG bekannt zu machen ist.87) Dafür spricht der weite Wortlaut der Norm, der von „sämtliche[n] gerichtliche[n] Entscheidungen“ spricht. Da der Nichtaufhebungsbeschluss wegen § 89 Abs. 2 StaRUG auch Auswirkungen auf den Anfechtungsschutz hat, spricht auch der Sinn und Zweck der Norm für eine Bekanntmachung. Folgt man dem, gilt die Bekanntmachung der Nichtaufhebung als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind (§ 86 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Die Bekanntmachungen sind auf der Internetseite https://restrukturierungsbekanntmachung.de einsehbar (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). 4.

Haftungsbeschränkung für Zahlungen bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache

4.1

Grundsätze

52 Die Mitglieder des Vertretungsorgans des Schuldners in der Rechtsform einer juristischen Person sind mit Eintritt der Insolvenzreife einem ähnlichen Risiko ausgesetzt, da sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und/oder – sofern einschlägig – der Überschuldung keine Zahlungen mehr für die juristische Person vornehmen dürfen (§ 15b Abs. 1 Satz 1 InsO). Zahlungen, die unter Verstoß gegen das Zahlungsverbot getätigt wurden, sind von den Antragspflichtigen der juristischen Person zu erstatten (§ 15b Abs. 4 Satz 1 InsO).88) Zwar gilt das Zahlungsverbot nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 15b Abs. 1 Satz 2 InsO), allerdings sind solche Zahlungen in der Regel nicht sorgfaltsgemäß, wenn diese nach Verstreichen des für die rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitpunkts (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO)89) getätigt wurden (§ 15b Abs. 3 InsO). 53 § 89 Abs. 3 Satz 1 StaRUG betrifft die Phase zwischen der Anzeige nach § 32 Abs. 3 StaRUG und dem Aufhebungsbeschluss des Restrukturierungsgerichts nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG.90) Nur für diesen Zeitraum gelten kraft Gesetzes Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, insbesondere Zahlungen, die zur Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar. 54 § 32 Abs. 3 StaRUG betrifft die Anzeigepflicht des Schuldners, § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG hingegen die Anzeigepflicht für die sonst für den Insolvenzantrag Antragspflichtigen. Obwohl § 89 Abs. 3 Satz 1 StaRUG den Schutz der Geschäftsleiter bezweckt, knüpft die Norm nicht an die Anzeige nach § 42 Abs. 3 Satz 1 StaRUG an. Allerdings kann die Geschäftsleitung mit der Anzeige für den Schuldner zugleich ihrer eigenen Anzeigepflicht nachkommen, sodass praktisch meist ein Gleichlauf beider Anzeigen besteht.

___________ 87) Bejahend Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 85 Rz. 15. 88) Ausführliche Analyse zu dem durch das SanInsFoG rechtsformneutral formulierten Zahlungsverbot mit all seinen Ausnahmen und Rückausnahmen Bitter, ZIP 2021, 321, 324 ff. 89) § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO: „Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen“. 90) Thole, BB 2021, 1347, 1352 – Wartezeit.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen 4.2

§ 40

Sonderfall Nichtaufhebung

Keinen besonderen Haftungsschutz bietet der Wortlaut des § 89 Abs. 3 Satz 1 StaRUG für 55 den Fall, dass der Schuldner zwar die Insolvenzreife nach § 32 Abs. 3 StaRUG anzeigt, das Restrukturierungsgericht nach der Anzeige die Restrukturierungssache aber nicht aufhebt (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG), weil es die Nichtaufhebung als offensichtlich im Interesse der Gläubigergesamtheit sieht. In diesem Fall ist das Zeitfenster, in dem Zahlungen trotz Insolvenzreife getätigt werden bzw. getätigt werden müssen sogar noch größer, ohne dass direkt aus § 89 Abs. 3 Satz 1 StaRUG ein Haftungsschutz folgt. Das Problem lässt sich so lösen, dass § 15b Abs. 2 Satz 1 InsO so ausgelegt wird, dass 56 solche Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind, die nach Bekanntgabe des Nichtaufhebungsbeschlusses zur Erreichung des Restrukturierungsziels getätigt wurden. Denn durch die Nichtaufhebungsentscheidung gibt das Restrukturierungsgericht zu verstehen, dass die Gläubigergesamtheit besser geschützt ist, wenn die Restrukturierungssache weiter betrieben und das Restrukturierungsziel im Restrukturierungsverfahren erreicht wird. Es wäre dann widersprüchlich, wenn gerade solche Zahlungen für die Geschäftsleiter zu einem Haftungsrisiko nach § 15b InsO führen würden, die für die Erreichung des Restrukturierungsziels erforderlich sind. Da in der Gesetzesbegründung ausdrücklich der Fall der Fortführung im Restrukturierungsverfahren erörtert wurde,91) offenbar aber vergessen wurde, diesen Fall auch im Wortlaut des § 89 Abs. 3 Satz 1 StaRUG zum Ausdruck zu bringen, dürfte es dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, die Haftung nach § 15b InsO für diesen Fall restriktiv auszulegen. 4.3

Sonderfall zurückhaltbare Zahlungen

Der Haftungsschutz aus § 89 Abs. 3 Satz 1 StaRUG ist i. Ü. für solche Zahlungen einge- 57 schränkt, die bis zu der absehbar zu erwartenden Entscheidung des Restrukturierungsgerichts zurückgehalten werden können, ohne dass damit Nachteile für eine Fortsetzung des Restrukturierungsvorhabens verbunden sind (§ 89 Abs. 3 Satz 2 StaRUG).92) Gemeint sind bspw. Zahlungen, die mangels Fälligkeit bzw. aufgrund einer Stundung gegenwärtig nicht geleistet werden müssten,93) also etwa Zahlungen, bei denen ein Zahlungsziel ausgenutzt werden kann, oder solche Zahlungen, die der Gläubiger gegenwärtig nicht ernsthaft einfordert. Gegenbeispiel sind solche Zahlungen, die für die Fortsetzung des Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, wie etwa Zahlungen auf Rohstofflieferungen, Energielieferungen und Lohnzahlungen einschließlich der besonders geschützten Beiträge zur Sozialversicherung. Unklar ist, ob aus § 89 Abs. 3 Satz 2 StaRUG eine Pflicht abgeleitet werden kann, dass sich die Geschäftsleiter um eine Stundung oder Ratenzahlung bemühen müssen.94) Fernliegend erscheint dies nicht, da Verhandlungen über Stundungen und Ratenzahlungen zu den geeigneten Gegenmaßnahmen im Krisenmanagement nach § 1 Abs. 1 Satz 3 StaRUG gehören.95) III.

Anfechtungsschutz für Planfolgen und Planvollzug (§ 90 StaRUG)

Wurde ein Restrukturierungsplan bestätigt, schließt sich über einige Wochen, Monate oder 58 gar Jahre die Umsetzungsphase an. In dieser Zeit kann es zu einem Insolvenzverfahren ___________ 91) Begr. RegE SanInsFoG z. § 96 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 92) Diese Einschränkung fand sich im RefE noch nicht und geht auf die Empfehlung von Thole, ZIP 2020, 1985, 1999, zurück. 93) Tashiro in: Braun, StaRUG, § 89 Rz. 20. 94) Dies zu Recht fragend Tashiro in: Braun, StaRUG, § 89 Rz. 19. 95) Ausführlicher zum Krisenmanagement nach § 1 Abs. 1 StaRUG Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1318.

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7. Teil Anfechtungsrecht

kommen (hier als Folgeinsolvenz bezeichnet). Mit den sich dann stellenden anfechtungsrechtlichen Fragen befasst sich § 90 StaRUG. Dieser setzt gedanklich voraus, dass in einer Folgeinsolvenz der Insolvenzverwalter eine Rechtshandlung i. S. von § 129 InsO ausmacht, die die Insolvenzgläubiger benachteiligt, und zumindest ein Anfechtungstatbestand der §§ 130 ff. InsO erfüllt ist.96) Ist dies schon nicht der Fall, kommt es auf § 90 StaRUG nicht mehr an. Entsprechendes gilt für die Anfechtung nach dem AnfG. 1.

Grundsatz des Anfechtungsschutzes und dessen Rechtfertigung

59 Noch weitreichender als § 89 StaRUG, der nur die Phase der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache betrifft, schützt § 90 Abs. 1 StaRUG die Beteiligten, wenn der Restrukturierungsplan rechtskräftig bestätigt wurde.97) Der Schuldner muss also einen Antrag auf Bestätigung des, von den Planbetroffenen mehrheitlich angenommenen, Restrukturierungsplans gestellt haben (§ 60 Abs. 1 StaRUG).98) Den Planbetroffenen muss rechtliches Gehör gewährt worden sein (§ 61 StaRUG), die Planbedingungen müssen eingetreten sein (§ 62 StaRUG), Versagungsgründe dürfen nicht vorliegen (§ 63 StaRUG) und ein Antrag auf Minderheitenschutz darf nicht zulässig und begründet gewesen sein (§ 64 StaRUG). 60 Im Grundsatz sind die Planfolgen und der Planvollzug mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses nicht anfechtbar (Anfechtungsausschluss)99). Der Anfechtungsschutz wirkt damit auch rückwirkend100) in die gesamte Phase der Rechtshängigkeit. Anders als § 89 StaRUG, der § 133 InsO und § 3 AnfG in den Blick nimmt, modifiziert § 90 Abs. 1 StaRUG alle Anfechtungstatbestände. Damit sollen sowohl der Schuldner als auch die Planbetroffenen davon ausgehen dürfen, dass der Plan die im gestaltenden Teil vorgesehenen Wirkungen entfalten kann und der Vollzug des Plans nicht durch das Anfechtungsrecht korrigiert werden kann.101) Ohne einen solchen Anfechtungsschutz würde jeder Beteiligte das Risiko einer Folgeinsolvenz kalkulieren und abwägen, welche Rechtshandlungen in diesem Falle anfechtbar sein könnten. 1.1

Geschützte Rechtshandlungen

61 Zu den Planfolgen gehören die Regelungen des gestaltenden Teils. Im Zuge des Planvollzugs können i. Ü. Rechtshandlungen vorzunehmen bzw. zu unterlassen sein. Diese Regelungen und Rechtshandlungen i. S. von § 90 Abs. 1 StaRUG können in der Folgeinsolvenz Rechtshandlungen i. S. des § 129 Abs. 1 InsO sein und als solche die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit benachteiligen.102) Dies sind allen voran im Restrukturierungsplan vorgesehene Besicherungen103) an Vermögensgegenständen des Schuldners sowie Zahlungen des Schuldners an Planbetroffene während des Vollzugs des Restrukturierungsplans.

___________ 96) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 6. 97) Krit. zu dieser Privilegierung etwa H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2257. 98) Ein Bestätigungserfordernis besteht auch bei einer neuen Finanzierung i. S. von § 12 InsO und bei einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung, Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 60 Rz. 16 f. 99) Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 1. § 90 Abs. 1 StaRUG stellt also keine Einwendung dar. Mit den §§ 119 ff. BGB hat § 90 StaRUG im Übrigen nichts zu tun, Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 2. 100) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 879. 101) Begr. RegE SanInsFoG z. § 97 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 102) Deshalb ist unklar, warum Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 3, hier an Prolongationen und Stundungen denkt, die das Vermögen des Schuldners schonen und nicht mindern. 103) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2180; H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2257; Gehrlein, BB 2021, 66, 78; Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 36; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen

§ 40

Ob auch spätere Rückzahlungen auf neue Finanzierungen, die in den Restrukturierungs- 62 plan aufgenommen wurden, erfasst sind, ist sehr streitig.104) In der Begründung des Regierungsentwurfs wurde hierzu eine Einschränkung formuliert: „Handlungen zum Vollzug des Plans sind solche, die die Umsetzung des Plans ermöglichen. In Bezug auf Darlehen ist dies bspw. dessen Auszahlung, nicht jedoch dessen spätere Rückführung“105). Dafür, dass auch Rückzahlungen, einschließlich Zinszahlungen,106) unter den Anfechtungsschutz des § 90 Abs. 1 StaRUG fallen, spricht, dass der Anfechtungsschutz gerade in der Zeit bis zur nachhaltigen Restrukturierung benötigt wird und damit in der Zeit nach Aufhebung der Restrukturierungssache.107) Nicht die Darlehensgewährung ist das drängende Problem, da hier Liquidität in die Masse gelangt, sondern die Rückzahlung, die anfechtungsrechtlich relevant ist und regelmäßig nicht unter das Bargeschäftsprivileg fällt.108) Würde man Rückzahlungen als nicht von § 90 Abs. 1 StaRUG erfasst ansehen, könnte ein Wertungswiderspruch zu § 89 Abs. 1 StaRUG entstehen. Von § 89 Abs. 1 StaRUG werden nämlich unzweifelhaft Rückzahlungen auf Darlehen erfasst,109) obwohl hier noch gänzlich offen ist, ob das Restrukturierungsvorhaben zum Abschluss kommt.110) Da im Anwendungsbereich des § 90 Abs. 1 StaRUG sogar schon die Rechtskraft des Beschlusses auf Planbestätigung erreicht wurde, wäre es stimmig, dass der Anfechtungsschutz dann erst recht greift. Dagegen spricht, dass die Rückzahlung des Darlehens nicht mehr den Planvollzug betrifft,111) sondern Rechtshandlungen in Folge des Planvollzugs. Die Rechtshandlung im Vollzug des Restrukturierungsplans wäre also die Auszahlung des Darlehens an den Schuldner, dessen Rückzahlung einschließlich der Zinszahlung die Rechtshandlung nach dem Planvollzug. Zudem ist der Darlehensgeber dann geschützt, wenn er seinen Darlehensrückzahlungsanspruch absichern lässt und diese Sicherheit im Vollzug des Restrukturierungsplans gewährt wird; dann genießt dieser Anfechtungsschutz nach § 90 Abs. 1 StaRUG.112) Stellungnahme: Die Argumentation der Befürworter ist durchaus nachvollziehbar. Auf- 63 grund der eindeutigen Aussage in der Begründung des Regierungsentwurfs wäre eine Auslegung, wonach auch Rückzahlungen auf Darlehen unter § 90 Abs. 1 StaRUG fallen, jedoch eine Auslegung gegen den Willen des Gesetzgebers. Auch wenn die Begründung „mit heißer Nadel gestrickt“ wurde und auch an anderen Stellen Unzulänglichkeiten aufweist, hat sich der Bundestag die Begründung des Regierungsentwurfs zu eigen gemacht. Wenn der Rechtsausschuss des Bundestages die Rückzahlung auf Darlehen entgegen der Bundesregierung unter § 90 Abs. 1 StaRUG hätte subsumieren wollen, hätte er auf die Begründung reagieren und in § 90 Abs. 1 StaRUG eine entsprechende Formulierung aufnehmen müssen. De lege ferenda wäre es gut vorstellbar, auch Rückzahlungen auf Darlehen Anfechtungsschutz zu gewähren, de lege lata wäre eine solche Auslegung aber methodisch nicht richtig. Dies hat Folgen auch für weitere wichtige Plangestaltungen, bei denen nach ___________ 104) Dafür Bork, ZInsO 2020, 2177, 2181 (anders später Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 12); Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 36; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 6; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877; Hoegen/Herding in: Flöther, StaRUG, § 90 Rz. 29; Henkel in: HambKomm-RestruktR, § 90 StaRUG Rz. 9. Dagegen Thole, ZIP 2020, 1985, 1999; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 32, 32a.2; Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 12. 105) Begr. RegE SanInsFoG z. § 97 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 106) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877. 107) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2181; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877. 108) Daher für den Anfechtungsschutz Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877. 109) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 874. 110) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 875. 111) Thole, ZIP 2020, 1985, 1999; Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 32a.2; Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1302. 112) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 32a.4.

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§ 40

7. Teil Anfechtungsrecht

der Gestaltung während der Planvollzugsphase Zahlungen vom Schuldner geleistet werden. Wird etwa eine Verbindlichkeit in Mezzaninekapital getauscht (Debt Mezzanine Swap)113) und leistet der Schuldner auf das Mezzaninekapital,114) sind diese Zahlungen nicht vom Anfechtungsschutz erfasst (siehe zudem Rz. 75 für ausgenommene Forderungen). 64 Im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans können Willenserklärungen115) vorgesehenen sein (§ 7 Abs. 1 StaRUG), auch solche zur Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse (§ 13 StaRUG), die mit Bestätigung des Restrukturierungsplans (nicht erst im Moment der Rechtskraft) als in der vorgeschriebenen Form abgegeben gelten (§ 68 Abs. 1 StaRUG).116) Diese Willenserklärungen werden vom Anwendungsbereich des § 90 Abs. 1 StaRUG erfasst. Schließlich gehören zu den Rechtshandlungen Übertragungsakte zum Vollzug des Restrukturierungsplans.117) 65 Vom Wortlaut des § 90 Abs. 1 StaRUG ist der Schutz des Restrukturierungsplans als solches nicht zweifelsfrei umfasst, da der Plan von den Planfolgen und dem Planvollzug zu unterscheiden ist. Einige Stimmen haben sich jedoch zu Recht dafür ausgesprochen, aus § 90 Abs. 1 StaRUG den gesetzgeberischen Willen abzulesen, auch den Restrukturierungsplan zu schützen, sollte dieser als solches von einem Anfechtungstatbestand erfasst werden.118) Daher ist § 90 Abs. 1 StaRUG auch so zu verstehen, dass das Angebot des Schuldners i. S. von § 17 Abs. 1 StaRUG und die Annahme durch einen Planbetroffenen dem Anfechtungsschutz des § 90 Abs. 1 StaRUG unterliegen. Ob der Restrukturierungsplan als solches von einem Anfechtungstatbestand erfasst wird, hängt mit der Frage zusammen, ob der Plan als Rechtsgeschäft zu verstehen ist. Dann könnte er unter das Tatbestandsmerkmal des „Rechtsgeschäfts“ in § 132 Abs. 1 InsO subsumiert werden. Noch einen Schritt weitergehend müssten diejenigen, die den Restrukturierungsplan als Vertrag interpretieren, den Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 4 InsO erwägen, mit dem ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden, anfechtbar ist.119) Fraglos ist die Position derer stärker geworden, die sich für eine solch vertragsrechtliche Sichtweise aussprechen, da die Begrifflichkeiten in § 17 Abs. 1 StaRUG – Angebot und Annahme des Plans – gewisse Ähnlichkeiten mit den §§ 145 ff. BGB aufweisen.120) 66 Ausnahmen vom Anfechtungsschutz bestehen nur für 

Rechtshandlungen wie Zahlungen auf Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) (siehe ausführlich Rz. 75 ff.),121)

___________ 113) Dies ist von § 2 Abs. 3 StaRUG erfasst, Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 2 Rz. 90; ebenso zur Restrukturierungsrichtlinie Paulus/Dammann in: Paulus/Dammann, European Preventive Restructuring, Art. 2 Rz. 4. 114) Zu diesen Zahlungen, der Darstellung in der Handels- und Steuerbilanz und zur Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben etwa Wolfersdorff, StuB 2018, 801. 115) Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35. 116) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2180. 117) Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 36. 118) Bork, ZInsO 2020, 2177, 2180; Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 9; Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877; s. a. Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 11, der die Anfechtung des gesamten Plans für möglich erachtet. 119) Vorreiter dieser Vertragstheorie ist Madaus, Der Insolvenzplan, S. 427 ff.; für eine Doppelnatur aus materiell-rechtlichem Vertrag und Prozessvertrag Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 217 Rz. 33. 120) Ausführlicher zur Rechtsnatur der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zwischen vertraglichem Nukleus und verfahrensrechtlichen Band und mit zahlreichen Nachweisen Skauradszun, KTS 2021, 1, 30 ff. 121) Diese Ausnahme geht auf die Kritik von Bork, ZInsO 2020, 2177, 2183, zurück, der gezeigt hatte, dass der Entwurf zu Unrecht keine Ausnahme für die Forderungen im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorsieht.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen 



1.2

§ 40

Sicherheitsleistungen für die Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens, die nach § 135 InsO bzw. den §§ 6 und 6a AnfG anfechtbar sind (siehe ausführlich Rz. 75 ff.) und die Fälle, in denen die Bestätigung des Restrukturierungsplans durch das Restrukturierungsgericht auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständige Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil dies bekannt war (siehe ausführlich Rz. 85 ff.). Rechtfertigung des Anfechtungsschutzes

Der sehr weite Anfechtungsschutz durch § 90 Abs. 1 StaRUG ist gerechtfertigt, wenn 67  erstens der Restrukturierungsplan angenommen wurde und damit in jeder Gruppe die absolute qualifizierte Mehrheit nach § 25 StaRUG erreicht oder die zahlreichen Voraussetzungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung nach §§ 26, 27 StaRUG erfüllt wurden;  zweitens der Restrukturierungsplan nach umfangreicher Prüfung im Bestätigungsverfahren gerichtlich bestätigt wurde (§§ 60 ff. StaRUG), der Schuldner also tatsächlich drohend zahlungsunfähig ist (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), der Restrukturierungsplan in Form und Inhalt keine wesentlichen Mängel aufweist (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Ansprüche der übrigen Gläubiger offensichtlich nicht erfüllt werden können (§ 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG) und im Falle von neuen Finanzierungen das Restrukturierungskonzept auch nicht unschlüssig ist und keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder sonst keine begründete Aussicht auf Erfolg hat (§ 63 Abs. 3 StaRUG); ferner darf kein Planbetroffener einen begründeten Antrag auf Minderheitenschutz gestellt haben, weil er voraussichtlich durch den Restrukturierungsplan schlechtergestellt wird als er ohne den Plan stünde (§ 64 StaRUG);  drittens der Planbestätigungsbeschluss rechtskräftig geworden ist, weil das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 66 StaRUG nicht oder nicht innerhalb der Frist oder sonst nicht zulässig und begründet erhoben wurde. Der Restrukturierungsplan hat sich nach alldem erfolgreich dem Marktkonformitätstest122) 68 gestellt, wurde also vom Markt, der durch die Planbetroffenen gebildet wird, als marktkonform eingeschätzt. Dieser Marktkonformitätstest wurde anschließend im staatlichen Kontrollverfahren auf seine verfahrensmäßig ordnungsmäßige Abwicklung hin überprüft (Ladung, Beteiligung und Anhörung der Planbetroffenen). Auf dieser Grundlage ist die Wertung des Gesetzgebers gerechtfertigt, dass die Planfolgen und der Planvollzug keiner Anfechtung unterliegen sollen. 2.

Anfechtungsschutz „bis zur nachhaltigen Restrukturierung“

§ 90 Abs. 1 StaRUG nimmt die Planfolgen und den Planvollzug von der Anfechtung „bis 69 zur nachhaltigen Restrukturierung“ aus.123) Der Gesetzgeber hatte offenbar einen nicht weiter definierten Zeitraum vor Augen, in welchem die Planfolgen eintreten und der Planvollzug geschieht und der sich aus dem individuellen Restrukturierungskonzept ergibt. Er ___________ 122) Ausführlich dazu Skauradszun, KTS 2021, 1, 56 ff.; Skauradszun, NIBLeJ 9 (2021), 1, 23 ff.; Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, Einl. Rz. 24 ff.; zust. Kümpel, KTS 2022, 341, 351 ff., der aber auch auf Aspekte der Verhaltensökonomik aufmerksam macht, welche zur Annahme eines eigentlich nicht marktkonformen Plans führen können. 123) Krit. mit Blick auf die Einschränkung der Vorgaben der Richtlinie Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 10. Diese Einschränkung geht auf die Kritik von Bork, ZInsO 2020, 2177, 2183 f., zurück, der einen Wertungswiderspruch aufgezeigt hatte, wenn das Schuldnerunternehmen – nachdem das Schiff wieder flott gemacht wurde – wegen neuer Umstände in die Krise gerät, dann aber Rechtshandlungen, die Anfechtungstatbestände erfüllen, nicht korrigiert werden könnten.

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§ 40

7. Teil Anfechtungsrecht

wollte aber nicht, dass ein Anfechtungsschutz für den Zeitraum danach besteht.124) Das flexible, aber unbestimmte Tatbestandsmerkmal der „nachhaltigen“ Restrukturierung ist streitanfällig.125) Eine genauere Definition sollte wohl dem Schrifttum und der Rechtsprechung überlassen werden, was allerdings erst langfristig zu erreichen ist. Vorlage bei der Aufnahme des Nachhaltigkeitsvorbehalts könnte die „nachhaltige Sanierung“ i. S. von § 39 Abs. 4 InsO gewesen sein.126) Der Gesetzgeber dürfte Fälle wie das folgende Beispiel vor Augen gehabt haben, bei denen kein Anfechtungsschutz gewährt werden soll. 70 Beispiel 6: Der Schuldner sah im Restrukturierungsplan eine Kürzung der ungesicherten Lieferantenforderungen um 20 % vor. Nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses zahlte der Schuldner weiter Raten auf die restlichen Lieferantenforderungen. Nach einem Jahr droht die Zahlungsunfähigkeit erneut, der Schuldner ergreift jedoch keine Gegenmaßnahmen i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG. In einem Telefonat mit dem Lieferanten L räumt der Schuldner ein, dass ihm die Kraft für einen weiteren Turnaround fehlt.127) Der Schuldner zahlt noch weitere sechs Monate, bevor er einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt. Nach der Insolvenzverfahrenseröffnung ficht der Insolvenzverwalter die Ratenzahlungen dieser letzten sechs Monate an (§§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Zahlungen stellen Rechtshandlungen dar, die die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit benachteiligen (§ 129 Abs. 1 InsO), da sie die Masse verkürzten. Sie waren kongruent und wurden in den letzten vier Jahren vor dem Eröffnungsantrag getätigt (vgl. § 133 Abs. 2 InsO). Der Schuldner wusste von seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit und dass er seine übrigen Gläubiger künftig nicht vollständig befriedigen können wird, was nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz genügt.128) Jedenfalls hatte er im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen seinen Restrukturierungswillen aufgegeben. Hiervon wusste der Lieferant L durch das Telefonat mit dem Schuldner. Ihm war damit klar, dass der Schuldner seine Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können. Auf die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO kommt es folglich nicht mehr an.129) § 90 Abs. 1 StaRUG führt für diese Zahlungen zu keinem Anfechtungsschutz. Denn hier geht es um Rechtshandlungen, nachdem die Restrukturierung durch Aufgabe des Restrukturierungswillens gescheitert ist. Die angefochtenen Rechtshandlungen liegen nicht mehr innerhalb des Zeitraums der „nachhaltigen Restrukturierung“ i. S. von § 90 Abs. 1 StaRUG. Freilich sollen die Beteiligten von der Stabilität der im Planvollzug vorgenommenen Handlungen ausgehen dürfen.130) Doch lässt sich die Nichtanfechtung von Rechtshandlungen ab dem Moment nicht mehr rechtfertigen, ab dem der Schuldner den Willen zur nachhaltigen Restrukturierung aufgibt. 71 Umgekehrt fallen diejenigen Rechtshandlungen in den Anfechtungsschutz des § 90 Abs. 1 StaRUG, die während der nachhaltigen Restrukturierung vorgenommen bzw. unterlassen wurden. Einen Anhaltspunkt dafür, welcher Zeitraum hiervon erfasst ist, liefert der Re___________ 124) Begr. RegE SanInsFoG z. § 97 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. 125) Ähnlich krit. Desch, BB 2020, 2498, 2506; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 11; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 878 – Regelung missglückt. 126) So Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 9; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 878. 127) Nun ist die Restrukturierung als gescheitert anzusehen, vgl. Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 879. 128) BGH v. 3.3.2022 – IX ZR 78/20, Rz. 19, 21, ZRI 2022, 267 = NZI 2022, 385; BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, LS 2, ZRI 2021, 645 = BeckRS 2021, 16902; BGH v. 8.1.2015 • IX ZR 198/13, Rz. 9, NZI 2015, 222, 223. 129) Der Insolvenzverwalter muss die gesetzliche Vermutung nach § 133 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 InsO nicht nutzen, sondern kann ungeachtet dieser Vermutungen die Tatbestandsmerkmale des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO darlegen und im Bestreitensfalle beweisen (BGH v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20, Rz. 9, ZRI 2021, 645 =BeckRS 2021, 16902). Der Anfechtungsgegner ist – wie immer – verpflichtet, seine Erklärungen der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 138 Abs. 1 ZPO), darf also nicht wahrheitswidrig bestreiten. 130) Begr. RegE SanInsFoG z. § 97 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen

§ 40

strukturierungsplan, der das Restrukturierungskonzept und damit auch eine zeitliche Planung enthält. Teils wird vertreten, dass die Nachhaltigkeit der Restrukturierung erst nach mehreren Geschäftsjahren beurteilt werden kann131) und bis dahin § 90 Abs. 1 StaRUG anwendbar ist. Einen Anhaltspunkt liefert insoweit § 33 Abs. 2 Satz 3 StaRUG, wo der Gesetzgeber die nachhaltige Sanierung mit einem Dreijahreszeitraum in Verbindung bringt. Insoweit empfiehlt es sich, im Restrukturierungsplan zu definieren, welcher Zeitraum für den Planvollzug avisiert und ab wann von einer nachhaltigen Restrukturierung ausgegangen wird.132) 3.

Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast

Macht der Insolvenzverwalter einen Insolvenzanfechtungsanspruch nach §§ 143, 129 ff. 72 InsO geltend, greifen für diesen Anspruch zunächst die sonst üblichen Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Im Regelfall hat der Insolvenzverwalter also die Tatsachen für die ihn günstigen Tatbestandsmerkmale darzulegen und zu beweisen.133) Der Anfechtungsgegner kann dann den für ihn günstigen Anfechtungsschutz des § 90 Abs. 1 StaRUG geltend machen und im Falle des ausdrücklichen Bestreitens (§ 138 Abs. 3 ZPO) die Tatsachen beweisen.134) Der Anfechtungsgegner hat darzulegen, dass 

der Restrukturierungsplan rechtskräftig bestätigt wurde,135)



es sich um eine Regelung des Restrukturierungsplans oder eine Rechtshandlung im Vollzug des Restrukturierungsplans handelt und



die Planfolge bzw. der Planvollzug im Zeitraum der nachhaltigen Restrukturierung liegt, die Restrukturierung also im Zeitpunkt der Planfolge bzw. des Planvollzugs noch nicht nachhaltig war.136)

Der Insolvenzverwalter kann diesen Vortrag ausdrücklich i. S. von § 138 Abs. 3 ZPO 73 bestreiten, z. B. durch einen substantiierten Vortrag dazu, dass die Rechtshandlung außerhalb des Zeitraums der nachhaltigen Restrukturierung liegt, da ein neues Ereignis das Restrukturierungsvorhaben zum Scheitern gebracht hat. Den Anfechtungsgegner trifft dann bezüglich des Anfechtungsschutzes die Beweislast. Bei Anfechtungen nach dem AnfG ist jeder Gläubiger zur Anfechtung berechtigt, der einen 74 vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, dass sie nicht dazu führen würde (§ 2 AnfG). Der Gläubiger hat dann die Voraussetzungen des Anfechtungsanspruchs nach ___________ 131) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 34; ähnlich auch Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 20. Dies ist nicht fernliegend. Auch Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 878 versteht durch den Begriff „nachhaltig“ den Zeitraum, in dem der Erfolg der Sanierung noch unklar ist. Dies kann ohne weiteres ein mehrjähriger Zeitraum sein. 132) Ebenso Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 22. 133) Kirchhof/Piekenbrock in: MünchKomm-InsO, § 143 Rz. 171; Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 36. Nach der Rosenberg’schen Normentheorie trifft jede Partei die Beweislast für die ihr günstigen Normen, s. etwa BGH v. 19.2.2019 – VI ZR 505/17, Rz. 12, BGHZ 221, 139 = NJW-RR 2019, 467; Gottwald in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 116 Rz. 9; Schilken, Zivilprozessrecht, § 11 Rz. 503; Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, § 286 Rz. 34. 134) Im Ergebnis ebenso Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 880; Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 36. 135) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 880; Henkel in: HambKomm-RestruktR, § 90 StaRUG Rz. 25. 136) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 880; Henkel in: HambKomm-RestruktR, § 90 StaRUG Rz. 25. Die Beweisführung ist also eher einfach, wenn die angefochtene Rechtshandlung zeitlich nahe am Bestätigungsbeschluss liegt bzw. eher schwer, wenn viel Zeit zwischen Bestätigung des Restrukturierungsplans und der angefochtenen Rechtshandlung vergangen ist (beachte § 140 Abs. 1 InsO: der Moment ist entscheidend, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten).

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7. Teil Anfechtungsrecht

§ 11 AnfG darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen. Sodann gelten die Ausführungen oben (siehe Rz. 69 f.) entsprechend. 4.

Ausnahme für Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen

75 § 90 Abs. 1 StaRUG enthält eine Ausnahme für bestimmte nachrangige Insolvenzgläubiger, nämlich solche mit Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), sowie Sicherheitsleistungen, die für solche Forderungen gewährt wurden und daher nach § 135 InsO bzw. den §§ 6 und 6a AnfG anfechtbar sein können. Die ursprüngliche Fassung des StaRUG erwähnte § 6a AnfG nicht, wobei es sich allerdings offensichtlich um ein Redaktionsversehen handelte. § 6a AnfG baut nach seinem Wortlaut auf § 6 AnfG auf, der ausdrücklich vom Anfechtungsschutz ausgenommen ist. Eine Parallelbetrachtung bei § 135 InsO bestätigt dies, dessen Absatz 2 von § 90 Abs. 1 StaRUG erfasst ist und § 6a AnfG entspricht.137) Dieses Redaktionsversehen hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vom 20.7.2022138) korrigiert und § 6a in den Wortlaut des § 90 Abs. 1 StaRUG aufgenommen. 76 Gesetzestechnisch ist die gesellschaftsrechtliche Ausnahme in § 90 Abs. 1 StaRUG aus Sicht des Rechtsanwenders schwer verständlich. Gemeint sind vor allem Befriedigungen von bzw. Sicherheitsleistungen für Forderungen bestimmter Gesellschafter, die mit ihren Forderungen in den Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallen, also etwa, weil sie der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hatten und dessen Rückgewähr verlangen können. Das folgende Beispiel soll veranschaulichen, welche Fälle der Gesetzgeber vor Augen hatte. 4.1

Beispielsfall

77 Beispiel 7: Im Restrukturierungsplan wird vorgesehen, dass Gesellschafter 1 der SchuldnerGmbH ein Darlehen über 50.000 € zur Verfügung stellt und Gesellschafter 2 die aufgelaufene Miete für eine Lagerhalle für zwei Jahre stundet. Es handelt sich um die beiden einzigen Gesellschafter. § 39 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 InsO (Sanierungs- und Kleinbeteiligungsprivileg, siehe Rz. 82 ff.) findet keine Anwendung. Es handelt sich bei dem Darlehen um eine neue Finanzierung i. S. von § 12 StaRUG, die zur Finanzierung der Restrukturierung auf Grundlage des Restrukturierungsplans erforderlich ist.139) Die Bestätigung des Restrukturierungsplans wird nicht nach § 63 Abs. 3 StaRUG versagt (besonderer Versagungsgrund bei neuen Finanzierungen ist u. a. ein unschlüssiges Restrukturierungskonzept), sondern der Plan wird rechtskräftig bestätigt. Vereinbarungsgemäß leistet die GmbH sodann an Gesellschafter 1 monatlich 1.000 € und, obwohl die Miete gestundet wurde, an Gesellschafter 2 monatlich 500 €. 18 Monate später kündigt die Hausbank die Geschäftsbeziehung, woraufhin die GmbH innerhalb von sechs Wochen zahlungsunfähig wird. Zwei Wochen später stellt die Geschäftsführung einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Bis dahin wurden an die beiden Gesellschafter monatlich 1.500 € überwiesen (= 20 Monate seit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses). ___________ 137) Überzeugend Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 877. 138) Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften, v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166. 139) Zum Gelddarlehen Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 12 Rz. 17. Der Mietvertrag fällt nicht unter § 12 StaRUG. Er stellt weder ein Sachdarlehen (wegen § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB: Rückerstattung durch Sachen gleicher Art, Güte und Menge) noch einen Warenkredit dar.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen

§ 40

Diese beiden Zahlungen stellen Rechtshandlungen dar, die die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit benachteiligen (§ 129 Abs. 1 InsO). Hinsichtlich Gesellschafter 1 handelt es sich um die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens i. S. von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Vom Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein Jahr zurückzurechnen (§ 139 Abs. 1 InsO), denn die Anfechtungsfrist für zurückgewährte Gesellschafterdarlehen beträgt ein Jahr vor dem Eröffnungsantrag (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Die Befriedigung des Rückgewähranspruchs aus dem Gesellschafterdarlehensvertrag im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag ist folglich nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Nicht anfechtbar ist die Befriedigung vor diesem Zeitraum, hier mithin die acht Raten zwischen rechtskräftiger Bestätigung des Restrukturierungsplans und der Jahresfrist. Gesellschafter 1 hat keine Sicherheitsleistung erhalten, sondern eine Befriedigung. Es handelt sich um eine Forderung im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Rechtshandlungen hinsichtlich solcher Forderungen genießen grundsätzlich keinen Anfechtungsschutz.140) Gesellschafter 2 hat zwar kein Gesellschafterdarlehen gewährt, die Zahlungen auf gestundete Mietforderungen entsprechen aber wirtschaftlich der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens.141) Daher sind die Zahlungen auf diesen Mietvertrag im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Auch diese Befriedigungen im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag genießen keinen Anfechtungsschutz nach § 90 Abs. 1 StaRUG. 4.2

Zu den Wertungen hinter der Ausnahme für Gesellschafterdarlehen und Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen

Die Restrukturierungsrichtlinie sieht keine Einschränkung für Gesellschafterdarlehen 78 vor. Daher wird die deutsche Ausnahme im Schrifttum teils skeptisch gesehen.142) Die Ausnahme des § 90 Abs. 1 StaRUG für Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen und Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen bzw. Sicherungen für solche Forderungen beruht offenbar auf der Wertung, dass in der Planvollzugsphase die nachhaltige Restrukturierung noch nicht gewährleistet ist, sondern sich das Restrukturierungskonzept in der Umsetzungsphase vielmehr erst noch bewähren muss. Daher scheint es nicht billig, wenn der Schuldner gegenüber seinen Anteilsinhabern Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich entsprechende Forderungen erfüllt und im Falle einer Folgeinsolvenz diese Rechtshandlungen nicht angefochten werden können. § 90 Abs. 1 StaRUG nimmt nicht sämtliche Forderungen von dem Anfechtungsschutz aus, 79 die im Falle einer Folgeinsolvenz nachrangig wären. Nicht einmal Forderungen nach § 39 Abs. 2 InsO, für die Gläubiger und Schuldner einen Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart haben, werden ausgenommen. Diese Nachrangforderungen stehen im Rang noch schlechter als die Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Aus § 90 Abs. 1 StaRUG kann daher die Wertung abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber Anteilsinhabern in der Planvollzugsphase weiterhin eine gewisse Unsicherheit und ein höheres (Anfechtungs-)Risiko zumuten will.143) Praktisch relevant ist dieser Unterschied etwa für einen Debt Mezzanine Swap, bei dem die Verbindlichkeit vereinbarungsgemäß einen insolvenzrechtlichen Nachrang erhält und das Genussrecht Eigenkapitalcharakter erhalten soll.144) In der Handelsbilanz wird sogar der Ausweis als Eigenkapital erlaubt. Dieser Konstellation ___________ 140) Ebenso Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 18. 141) Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 135 Rz. 19; Prosteder/Dachner in: BeckOK-InsR, § 39 Rz. 83; Hirte in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rz. 37. 142) Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 14 – keine Stütze in der Richtlinie und „Begründung ist nicht erkennbar“. 143) Zu Recht krit. Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 15. 144) Krumm in: Brandis/Heuermann, EStR, § 5 EStG Rz. 957 f.

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7. Teil Anfechtungsrecht

liegt zwar eine Vereinbarung i. S. von § 39 Abs. 2 InsO zugrunde, der Debt Mezzanine Swap soll den Gläubiger aber zu einem Quasi-Gesellschafter145) machen, weshalb die Forderung des Gläubigers wirtschaftlich der Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens entspricht (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 InsO). Wer dem folgt, muss Forderungen aus einem Debt Mezzanine Swap vom Anfechtungsschutz des § 90 Abs. 1 StaRUG ausnehmen. 80 Die hinter § 90 Abs. 1 StaRUG stehende Wertung für Gesellschafterdarlehen gilt auch für solche Fälle, in denen Gesellschafter Leistungen auf Forderungen auf Rückgewähr der Gesellschafterdarlehen erhalten, die Leistungsempfänger aber im Zeitpunkt der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr Gesellschafter sind. Im Zeitpunkt der Rechtshandlung handelte es sich um eine Forderung im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, sodass diese auch dann „verstrickt“ bleibt,146) wenn der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben hat. 4.3

Darlegungs- und Beweislast für diese Ausnahme

81 Zu den Grundsätzen siehe zunächst Rz. 72. Der Anfechtungsgegner trägt die Darlegungsund Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 StaRUG, denn er will mit § 90 Abs. 1 StaRUG eine ihm günstige Norm geltend machen.147) Der Insolvenzverwalter trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Ausnahme für Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.148) Denn diese Rückausnahme ist für die von ihm verwaltete Insolvenzmasse günstig. Ist diese Ausnahme erfüllt, können Forderungen nachrangiger Gläubiger im Regelfall nicht einmal angemeldet werden (§ 174 Abs. 3 Satz 1 InsO) und würden im Insolvenzplanverfahren im Regelfall als erlassen gelten (§ 225 Abs. 1 InsO). 4.4

Sonderfälle nach § 39 Abs. 4 und 5 InsO

82 § 90 Abs. 1 StaRUG äußert sich nicht dazu, ob der Anfechtungsschutz in allen Fällen einer Forderung im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. einer entsprechenden Sicherheitsleistung ausgeschlossen ist, oder ob die Sonderfälle nach § 39 Abs. 4 und 5 InsO zu beachten sind und damit bestimmte Forderungen nicht als solche im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gelten. Das Kleinbeteiligungsprivileg nach § 39 Abs. 5 InsO betrifft Gesellschaften, bei denen weder eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter noch eine Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Wichtigste Anwendungsfälle sind die GmbH, die AG und die GmbH & Co. KG.149) § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit 10 % oder weniger am Haftkapital beteiligt ist (§ 39 Abs. 5 InsO). 83 Fridgen hat sich dafür ausgesprochen, dass das Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 5 InsO auch i. R. des § 90 Abs. 1 StaRUG Anwendung finden müsse.150) Dem wird hier ge___________ 145) Rohde in: Beck’sches Steuerberater Hdb., W. IV. 9. Rz. 169. 146) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 19. 147) In allgemeiner Form Kirchhof/Piekenbrock in: MünchKomm-InsO, § 143 Rz. 171. Nach der Rosenberg’schen Normentheorie trifft jede Partei die Beweislast für die ihr günstigen Normen, s. etwa BGH v. 19.2.2019 – VI ZR 505/17, Rz. 12, BGHZ 221, 139 = NJW-RR 2019, 467; Gottwald in: Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 116 Rz. 9; Schilken, Zivilprozessrecht, § 11 Rz. 503; Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, § 286 Rz. 34. 148) Bork in: Morgen, StaRUG, § 90 Rz. 37. 149) Prosteder/Dachner in: BeckOK-InsR, § 39 Rz. 50, 54. 150) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 16.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen

§ 40

folgt. Die hinter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO stehenden Wertungen überzeugen nur, wenn Kleinbeteiligungen der nicht geschäftsführenden Gesellschafter ausgenommen sind. Deshalb genießen Planfolgen und Planvollzug betreffend einen solchen Kleingesellschafter also Anfechtungsschutz nach § 90 Abs. 1 StaRUG. Soweit Fridgen i. R. des § 90 Abs. 1 StaRUG auch das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 84 Satz 2 InsO anwendet,151) überzeugt auch dies. Das Sanierungsprivileg ist für Fälle wichtig, in denen ein Gläubiger bei drohender Zahlungsunfähigkeit Anteile zum Zweck der Sanierung der Gesellschafter erwirbt. Bis zur nachhaltigen Sanierung findet § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf die Forderung des Gläubigers aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, keine Anwendung. Planfolgen und Planvollzug, bei denen das Sanierungsprivileg greift, genießen also ebenfalls nach § 90 Abs. 1 StaRUG Anfechtungsschutz. 5.

Ausnahme wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben

§ 90 Abs. 1 StaRUG nimmt vom Anfechtungsschutz solche Rechtshandlungen aus, die 85 infolge oder im Vollzug eines Restrukturierungsplans vorgenommen wurden, dessen Bestätigung auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht, wenn dies dem Anfechtungsgegner bekannt war. Dies geht auf ErwG 67 Satz 3 der Restrukturierungsrichtlinie zurück. Schuldner und Anfechtungsgegner verdienen diesen Anfechtungsschutz nicht, da der Schuldner unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hatte und dem Anfechtungsgegner diese Tatsache bekannt waren. Das Restrukturierungsgericht hat den Restrukturierungsplan damit irrtümlich bestätigt, was den Restrukturierungsplan als solches aber nicht unwirksam macht. Wo die Angaben i. Ü. unrichtig oder unvollständig waren, also etwa im darstellenden Teil 86 – insbesondere in der Vergleichsrechnung nach § 6 Abs. 2 StaRUG – oder in den Erklärungen nach §§ 14 f. StaRUG152) – insbesondere in der Vermögensübersicht –, ist irrelevant, denn der Restrukturierungsplan mitsamt seinen Erklärungen bildet die Entscheidungsgrundlage für die Planbetroffenen und das Restrukturierungsgericht. Im Schrifttum wird, wie durch die Verwendung des Begriffs des „kollusiven“ Zusammen- 87 wirkens, dem der „Täuschung“ und des Bildes des „Erschleichens“ deutlich wird, die Ausnahme in § 90 Abs. 1 StaRUG offenbar so verstanden, dass dem Schuldner die unrichtige oder unvollständige Angabe bewusst gewesen sein, er diese gar gewollt haben muss.153) Dies könnte sich mit ErwG 67 Satz 3 der Restrukturierungsrichtlinie decken, da die dort genannten Beispiele „Betrug“ und „Bösgläubigkeit“ nach europäischem Verständnis offenbar voraussetzen, dass dem Schuldner die unrichtigen oder unvollständigen Angaben bewusst waren. Allerdings enthält § 90 Abs. 1 StaRUG für diese Ausnahme beim Schuldner kein subjektives Tatbestandsmerkmal. Der Wortlaut verlangt weder, dass der Schuldner die unrichtigen oder unvollständigen Angaben gewollt hat, sie ihm bekannt gewesen sind oder er mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Nach der hier vertretenen Auffassung muss der Anfechtungsschutz daher immer dann entfallen, wenn der Schuldner unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat – gleich, ob vorsätzlich oder fahrlässig – und dies dem anderen Teil bekannt war.154) Der entscheidende Grund für das Nichtgewähren des Anfech___________ 151) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 16. 152) Ebenso für die Plananlagen Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 17. 153) Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 16. Ausdrücklich offengelassen, ob auch ein fahrlässiger Fehler genügt: Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 97 Rz. 21. 154) Ebenso Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 24; Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1303.

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7. Teil Anfechtungsrecht

tungsschutzes ist also, dass ein Anfechtungsgegner, der die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit kannte, keines Schutzes bedarf. 88 § 90 Abs. 1 StaRUG ist allerdings teleologisch zu reduzieren, wenn die unrichtige oder unvollständige Angabe für die Annahme des Planangebots und die anschließende Bestätigung durch das Restrukturierungsgericht irrelevant ist.155) Es kann vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein, dass der Anfechtungsschutz ausgeschlossen ist, wenn dem anderen Teil zwar bekannt war, dass eine Angabe im Restrukturierungsplan oder in einer Anlage unrichtig oder unvollständig war, diese Angabe aber keinen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Planbetroffenen oder die Prüfung der Bestätigungsvoraussetzungen durch das Restrukturierungsgericht haben konnte. Enthält der darstellende Teil des Restrukturierungsplans bspw. Angaben zur Belegschaft und zählt der Schuldner irrtümlich zwei leitende Angestellte i. S. von § 14 Abs. 2 KSchG nicht als Arbeitnehmer mit, ist dies zwar objektiv unrichtig,156) jedoch lässt dies den Anfechtungsschutz nicht entfallen, auch wenn der andere Teil diese Unrichtigkeit kennt. Forderungen von Arbeitnehmern können ohnehin nicht gestaltet werden (§ 4 Nr. 1 StaRUG), sodass diese auch nicht stimmberechtigt i. S. von § 24 StaRUG sind und die richtige Zählweise zur Belegschaft daher weder für die Annahme noch die Bestätigung relevant ist. 89 Sollte der Anfechtungsschutz gegenüber einem bestimmten Anfechtungsgegner aufgrund dessen Kenntnis von der unrichtigen oder unvollständigen, relevanten Angabe des Schuldners verloren gehen, hat dies für andere Beteiligte keine Folgen. Andere Anfechtungsgegner können sich gleichwohl auf den Anfechtungsschutz des § 90 Abs. 1 StaRUG berufen. 90 Zu den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast siehe zunächst Rz. 72. Der Anfechtungsgegner trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 StaRUG.157) Denn der Anfechtungsgegner will mit § 90 Abs. 1 StaRUG eine ihm günstige Norm geltend machen.158) Der Insolvenzverwalter trägt die Darlegungsund Beweislast für das Vorliegen der Ausnahme wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners und Kenntnis des anderen Teils hiervon.159) Denn diese Rückausnahme ist für die von ihm verwaltete Insolvenzmasse günstig. Der Insolvenzverwalter muss jedoch nicht nachweisen, dass die unrichtige oder unvollständige Angabe kausal für die Planannahme und Planbestätigung war.160) Der Anfechtungsgegner hingegen kann darlegen und beweisen, dass die unrichtige oder unvollständige Angabe des Schuldners für die Bestätigung des Restrukturierungsplans durch das Restrukturierungsgericht irrelevant war.

___________ 155) Überzeugend Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 26; Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 879 – geringfügige Fehler und Auslassungen können den Anfechtungsschutz gefährden, müssen aber „mitursächlich“ sein, also „Einfluss auf die Bestätigung des Plans“ haben. Im Ergebnis ferner ähnlich Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1303, wenn die Angabe unter keinen Umständen geeignet war, die Entscheidung der Planbetroffenen zu beeinflussen. 156) Kiel in: ErfK, § 14 KSchG Rz. 7. 157) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 880; Henkel in: HambKomm-RestruktR, § 90 StaRUG Rz. 25. 158) In allgemeiner Form Kirchhof/Piekenbrock in: MünchKomm-InsO, § 143 Rz. 171. Nach der Rosenberg’schen Normentheorie trifft jede Partei die Beweislast für die ihr günstigen Normen, s. etwa BGH v. 19.2.2019 – VI ZR 505/17, Rz. 12, BGHZ 221, 139 = NJW-RR 2019, 467; Gottwald in: Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 116 Rz. 9; Schilken, Zivilprozessrecht, § 11 Rz. 503; Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, § 286 Rz. 34. 159) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 880; Henkel in: HambKomm-RestruktR, § 90 StaRUG Rz. 26. 160) Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 27.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen 6.

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Sonderfall Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder wesentlicher Teile davon (§ 90 Abs. 2 StaRUG)

Die Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens an einen Erwerber kann eine 91 Gestaltung im Restrukturierungsplan sein, die der übertragenden Sanierung im Insolvenzverfahren ähnelt. Häufig wird nicht das gesamte schuldnerische Vermögen übertragen, sondern nur diejenigen Vermögensgegenstände, die der Erwerber übernehmen will und hierfür einen Kaufpreis zu zahlen bereit ist. Auch umwandlungsrechtliche Maßnahmen können hiervon erfasst sein,161) bei denen sowohl das gesamte Vermögen (etwa bei der Verschmelzung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) oder im Wege der Abspaltung ein Teil oder mehrere Teile des Vermögens übertragen werden (§ 123 Abs. 2 UmwG). Daher erfasst § 90 Abs. 2 StaRUG zu Recht auch die Übertragung wesentlicher Teile des schuldnerischen Vermögens. In diesen Fällen haben alle Gläubiger, die nicht planbetroffen sind, das Risiko, dass die Haftungsmasse verlorengeht.162) Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Kaufpreis tiefer als der Verkehrswert des Kaufgegenstands ist oder das Vermögen übertragen wird, der Kaufpreis aber noch aussteht. Solche Risiken sind nicht nur theoretischer Natur, da bei der Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder wesentlicher Teile betriebswirtschaftlich das Unternehmen oder ein Unternehmensteil verkauft wird und daher ein angemessener Kaufpreis nicht einfach zu bestimmen ist. Neben der Unternehmensbewertung kann dies über einen Markttest ermittelt werden. Die Dokumentation der Unternehmensbewertung und ggf. der Marktansprache empfiehlt sich nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Anfechtungsschutzes,163) sondern ihr bedarf es auch für die Vergleichsrechnung und für einen etwaigen Minderheitenschutzantrag.164) In Fällen, in denen den nicht planbetroffenen Gläubigern die Haftungsmasse nicht erhalten 92 bleibt, wäre ein Anfechtungsschutz in der Folgeinsolvenz unbillig. Denn die nicht planbetroffenen Gläubiger können auf den Restrukturierungsplan und die anschließende Übertragung keinen Einfluss nehmen. Sollte es zu einer Insolvenz kommen, muss es zumindest im Grundsatz dabei bleiben, dass der Insolvenzverwalter Insolvenzanfechtungsansprüche durchsetzen kann. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, in diesen Fällen den umfangreichen Anfechtungsschutz für die Planfolgen und den Planvollzug nach § 90 Abs. 1 StaRUG nur dann zu gewähren, soweit sichergestellt ist, dass sich die nicht planbetroffenen Gläubiger gegenüber den Planbetroffenen vorrangig aus der dem Wert des Gegenstands der Übertragung angemessenen Gegenleistung befriedigen können. Die nicht planbetroffenen Gläubiger müssen auch vollständig befriedigt werden, da deren Rechtsverhältnisse nicht gestaltet werden und es daher beim Grundsatz pacta sunt servanda bleibt. Wäre schon im Bestätigungsverfahren offensichtlich, dass die nicht planbetroffenen Gläubiger nicht befriedigt werden könnten, wäre die Bestätigung des Restrukturierungsplans schon nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG von Amts wegen zu versagen. Dies führt praktisch dazu, dass im Restrukturierungsplan ein besonderer Rang für Plan- 93 betroffene vorgesehen werden muss, der schlechter ist als der Rang der nicht planbetroffenen Gläubiger, wenn die Planfolgen und der Planvollzug den Anfechtungsschutz nach § 90 Abs. 1 StaRUG genießen sollen.165) Ob dies mit dem Schlechterstellungsverbot kolli___________ Fridgen in: BeckOK-StaRUG, § 90 Rz. 37. Begr. RegE SanInsFoG z. § 97 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 182. Ebenso Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 24. Ausführlicher zu Bewertungsgutachten und einer konkreten Marktansprache bei der Prüfung des Schlechterstellungsverbots aufgrund eines Minderheitenschutzantrags Skauradszun in: BeckOK-StaRUG, § 64 Rz. 31 m. w. N. 165) Ein besserer Rang für die nicht planbetroffenen Personen kann nicht eingeräumt werden, da diese ja nicht vom Plan betroffen sind.

161) 162) 163) 164)

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7. Teil Anfechtungsrecht

diert (§§ 26 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 StaRUG), wurde noch nicht diskutiert. Die praktische Umsetzung im Plan ist deshalb aufwendig, da gleichzeitig die Planbetroffenen verlangen können, nicht schlechtergestellt zu werden als im nächstbesten Alternativszenario. Sieht der Restrukturierungsplan keine Sicherstellung der nicht planbetroffenen Gläubiger vor, wird zwar der Anfechtungsschutz nach § 90 Abs. 1 StaRUG nicht erlangt, ein Bestätigungshindernis liegt jedoch nicht vor.166) Deshalb darf die anfechtungsrechtliche Voraussetzung in § 90 Abs. 2 StaRUG nicht als Bestätigungsvoraussetzung des § 63 StaRUG interpretiert werden. 94 Die Sicherstellung der vorrangigen Befriedigung der nicht planbetroffenen Gläubiger und insbesondere die Angemessenheit der Gegenleistung können zwischen Insolvenzverwalter und Anfechtungsgegner streitig sein. Zu den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast siehe zunächst Rz. 72. Der Anfechtungsgegner trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 StaRUG. Denn der Anfechtungsgegner will mit § 90 Abs. 1 StaRUG eine ihm günstige Norm geltend machen.167) Der Insolvenzverwalter trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Ausnahme des § 90 Abs. 2 StaRUG.168) Denn diese Rückausnahme ist für die von ihm verwaltete Insolvenzmasse günstig, da dann eine die Insolvenzmasse erhöhende Anfechtung möglich sein kann. Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erscheint hier auch deshalb stimmig, da der Anfechtungsgegner weder Kenntnis über die Sicherstellung der vorrangigen Befriedigung der nicht planbetroffenen Gläubiger noch über die Angemessenheit der Gegenleistung hat. Würde man den Anfechtungsgegner für das Nichtvorliegen der Ausnahme des § 90 Abs. 2 StaRUG darlegungsbelastet sehen, wäre dem Anfechtungsgegner hierzu meist kein weiterer Vortrag möglich. Wenngleich das deutsche Zivilprozessrecht keine allgemeine Auskunftspflicht der Partei kennt, die nicht darlegungs- und beweisbelastet ist,169) würde sich die Frage stellen, ob das Gericht hier dem Insolvenzverwalter eine sekundäre Darlegungslast auferlegen müsste. Dies setzt im Grundsatz voraus, dass die Partei, welche die primäre Darlegungslast trägt, dieser nachgekommen ist, ihr aber weiterer Vortrag nicht möglich und zumutbar ist, da die Tatsachen außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs liegen, während der anderen Partei der Vortrag unschwer möglich und zumutbar ist.170) Da sich der Insolvenzverwalter, wenn er die Ausnahme nach § 90 Abs. 2 StaRUG geltend machen will, auf eine ihm günstige Norm beruft und er durch die Daten beim Schuldner unschwer beurteilen oder beurteilen lassen kann, ob die Befriedigung der nicht planbetroffenen Gläubiger sichergestellt und die Gegenleistung angemessen war, spricht alles dafür, den Insolvenzverwalter für die Ausnahme des § 90 Abs. 2 StaRUG darlegungs- und beweisbelastet anzusehen. IV.

Berechnung von Fristen (§ 91 StaRUG)

95 Alle Anfechtungstatbestände nach der InsO und dem AnfG sehen Anfechtungsfristen vor, die zwischen einem Monat und zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag betragen. Ferner enthält die vollstreckungsrechtliche Rückschlagsperre nach § 88 Abs. 1 InsO eine Frist ___________ 166) Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35. 167) In allgemeiner Form Kirchhof/Piekenbrock in: MünchKomm-InsO, § 143 Rz. 171. Nach der Rosenberg’schen Normentheorie trifft jede Partei die Beweislast für die ihr günstigen Normen, s. etwa BGH v. 19.2.2019 – VI ZR 505/17, Rz. 12, BGHZ 221, 139 = NJW-RR 2019, 467; Gottwald in: Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 116 Rz. 9; Schilken, Zivilprozessrecht, § 11 Rz. 503; Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, § 286 Rz. 34. 168) Tashiro in: Braun, StaRUG, § 90 Rz. 21; Henkel in: HambKomm-RestruktR, § 90 StaRUG Rz. 27. 169) BGH v. 19.2.2019 – VI ZR 505/17, BGHZ 221, 139 = NJW-RR 2019, 467, 468. 170) Aus der Zivilrechtsprechung exemplarisch BGH v. 19.2.2019 – VI ZR 505/17, BGHZ 221, 139 = NJW-RR 2019, 467, 468.

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Anfechtungsschutz für Restrukturierungsmaßnahmen

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von einem Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für die Berechnung dieser Fristen sieht § 91 StaRUG vor, dass die Zeit der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache nicht eingerechnet wird. § 91 StaRUG führt folglich zu einer Verlängerung der Anfechtungsfristen bzw. der Frist 96 für die vollstreckungsrechtliche Rückschlagsperre. Aus § 31 Abs. 4 Nr. 4 StaRUG wird ersichtlich, dass die Zeit der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache im Regelfall bis zu sechs Monate beträgt oder, sofern der Schuldner die Anzeige zuvor erneuert hat, zwölf Monate. Damit erweitert § 91 StaRUG die Fristen um bis zu zwölf Monate171) und damit im Vergleich zu den Monats- bzw. Drei-Monats-Fristen einiger Anfechtungstatbestände der InsO teils überproportional. Die Vorschrift ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der Gesetzgeber die Gesamtheit der Gläubiger in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren zu schützen versucht.172) Taktisch führt die Vorschrift für potenzielle Anfechtungsgegner dazu, dass diese den 97 Schuldner nicht allein der Anfechtung wegen zu einer Restrukturierungssache zu motivieren brauchen, da sich die Anfechtungsgegner nicht in die Restrukturierungssache flüchten173) können, um dort auf den Ablauf der Fristen der Anfechtungstatbestände zu hoffen. Tatsächlich können Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen teils erheblich später unwirksam werden, was das folgende Beispiel deutlich machen soll: Beispiel 8: In der ersten Juniwoche des Jahres 1 lässt der Gläubiger G1 das Patentrecht des 98 Schuldners pfänden (= Sicherheit i. S. von § 88 InsO; Pfändung nach §§ 857 Abs. 1, 851, 829 ZPO, § 15 PatG) und Gläubiger G2 lässt eine Zwangshypothek eintragen (§ 867 ZPO). In der vierten Juniwoche zeigt der Schuldner ein Restrukturierungsvorhaben nach § 31 Abs. 1 StaRUG an. Er beantragt eine Vollstreckungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG und erhält diese für drei Monate (§ 53 Abs. 1 StaRUG). Ende September unterbreitet er den Gläubigern ein Planangebot und rechnet redlicherweise mit der Planannahme innerhalb eines Monats. Deshalb beantragt und erhält er eine Folgeanordnung bis Ende Oktober (§ 53 Abs. 2 StaRUG). Der Plan erreicht die nach § 25 Abs. 1 StaRUG notwendigen Mehrheiten jedoch nicht, weshalb er in der ersten Novemberwoche einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt. Das Insolvenzgericht erlässt in der zweiten Novemberwoche vorläufige Maßnahmen nach § 21 InsO. Das Restrukturierungsgericht hebt zeitgleich die Restrukturierungssache auf (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Die Monatsfrist des § 88 InsO ist noch nicht abgelaufen, da der Zeitraum zwischen der Anzeige in der vierten Juniwoche und der Aufhebung der Restrukturierungssache in der zweiten Novemberwoche nicht eingerechnet werden (§ 91 StaRUG). Die Pfändung des Patentrechts und die Zwangshypothek sind kraft Gesetzes unwirksame Sicherheiten (§ 88 Abs. 1 InsO). Die Verstrickung wäre aufzuheben, die Zwangshypothek aus dem Grundbuch zu löschen. V.

Anfechtungsschutz für den gerichtlich bestätigten Sanierungsvergleich (§ 97 Abs. 3 StaRUG)

Vergleichsweise einfach lässt sich der Anfechtungsschutz des § 90 StaRUG erreichen, wenn 99 der Schuldner mit seinen Gläubigern einen Sanierungsvergleich i. R. der Sanierungsmoderation nach §§ 94 ff. StaRUG schließt und dieser vom Restrukturierungsgericht bestätigt wird (§ 97 Abs. 1 Satz 1 StaRUG).174) Diese Bestätigung wird nur von Amts wegen versagt, wenn das dem Vergleich zugrunde liegende Sanierungskonzept nicht schlüssig ist oder nicht ___________ 171) Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 881. 172) Begr. RegE SanInsFoG z. § 98 StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 183. 173) Madaus, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 35, 36; Tashiro in: Braun, StaRUG, § 91 Rz. 2 – keine „Flucht in die Restrukturierung“. 174) Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293, 1301.

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§ 40

7. Teil Anfechtungsrecht

von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder keine vernünftige Aussicht auf Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).175) Der Sanierungsmoderator nimmt eine sachverständige Rolle ein und nimmt nach § 97 Abs. 2 StaRUG zu diesen Voraussetzungen schriftlich Stellung. Ab der Bestätigung des Sanierungsvergleichs ist dieser ausweislich § 97 Abs. 3 StaRUG nur unter den Voraussetzungen des § 90 StaRUG anfechtbar. 100 § 97 Abs. 3 StaRUG dürfte so zu verstehen sein, dass nicht nur der bestätigte Sanierungsvergleich einem Anfechtungsschutz unterfallen soll, sondern auch die Rechtshandlungen, die in Vollzug176) des Sanierungsvergleichs vorgenommen oder unterlassen werden, insbesondere also Zahlungen des Schuldners.177) Hier wie auch bei § 90 Abs. 1 StaRUG ist der Vollzug bis zur nachhaltigen Sanierung gemeint. Die etwas knappe Formulierung in § 97 Abs. 3 StaRUG dürfte also so zu verstehen sein, dass § 90 StaRUG vollständig in Bezug genommen werden sollte. 101 Die Voraussetzungen für die Erlangung des Anfechtungsschutzes sind folglich eher gering. Zudem wird der Anfechtungsschutz schon erreicht, wenn der Bestätigungsbeschluss erlassen wurde. Rechtskraft wird in § 97 StaRUG nicht verlangt. Ob der so gegen die Anfechtung geschützte Sanierungsvergleich zugleich ein Vollstreckungstitel ist, ist noch nicht geklärt. 102 Der Sanierungsvergleich ist nur anfechtbar, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil dies bekannt war.178) Auch die fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angabe lässt den Anfechtungsschutz entfallen, wenn dem Vertragspartner des Sanierungsvergleichs die unrichtige oder unvollständige Angabe bekannt war.179) Denn dann verdient dieser Anfechtungsgegner keinen Anfechtungsschutz. 103 Aus § 97 Abs. 3 StaRUG lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die in § 90 Abs. 1 und 2 StaRUG genannten Sonderfälle ebenfalls anwendbar sind, also ob ein Sanierungsvergleich über eine Forderung im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. eine Sicherheitsleistung, die nach § 135 InsO bzw. den §§ 6 und 6a AnfG anfechtbar ist, vom Anfechtungsschutz ausgenommen sind. Dies muss aber so sein,180) da die Wertungen die gleichen sind. Ebenso nicht eindeutig ist, ob ein Sanierungsvergleich, der die Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder wesentlicher Teile davon vorsieht, nur dann Anfechtungsschutz genießt, soweit sichergestellt wird, dass die Gläubiger, die nicht Vertragspartner des Sanierungsvergleichs sind, sich gegenüber den Vertragspartnern des Sanierungsvergleichs vorrangig aus dem Wert des Gegenstands der Übertragung angemessenen Gegenleistung befriedigen können. Da die zu § 90 Abs. 2 StaRUG angestellten Wertungen aber auch hier überzeugen, ist dies anzunehmen.181) Ohne diese Ausnahme könnte der anfechtungsfeste Sanierungsvergleich ein ungewünschtes Missbrauchspotential entwickeln.182)

___________ 175) 176) 177) 178) 179) 180) 181) 182)

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Ähnlich Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 881. Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 881. Ausdrücklich offengelassen von Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 97 Rz. 24. Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 97 Rz. 21. Ausdrücklich offengelassen von Blümle/Erbe in: Braun, StaRUG, § 97 Rz. 21. Ebenso Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 881. So schon Schoppmeyer, ZIP 2021, 869, 881. Dieses Missbrauchspotential erörtern Arnold/Slawik, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 79, 81.

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8. Teil Konzern § 41 Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG Prusko

I. Einführung .................................................. 1 II. Besonderheiten der Restrukturierung einer Unternehmensgruppe: ..................... 6 1. Bildung und Finanzierung der Unternehmensgruppe ............................................ 8 1.1 Bildung von Unternehmensgruppen ............................................ 9 1.2 Mittel und Grenzen der Konzernbildung ...................... 13 1.3 Außenfinanzierung der Unternehmensgruppe ................... 17 2. Herausforderungen für die Restrukturierung unter dem StaRUG.................... 18 3. Der Begriff der Unternehmensgruppe im StaRUG ................................................. 21 3.1 Verbundene Unternehmen nach § 15 AktG.............................. 22 3.2 Unternehmensgruppe nach § 3e InsO............................... 26 III. StaRUG im Kontext der Instrumente zur Restrukturierung der Unternehmensgruppe .............................. 30 1. Etablierte Regeln für die Gruppenrestrukturierung ......................................... 32 1.1 Gesetzgeberischer Hintergrund..... 32 1.2 Koordination als internationaler Standard ......................................... 33 1.3 Verfahrenskonsolidierung als Ausnahmeerscheinung............. 35 1.4 Einheitlicher Konzerngerichtsstand nur im nationalen Kontext............ 38 2. Positionierung der gruppenbezogenen Instrumente unter dem StaRUG............... 41 2.1 Rechtsträgerbezug ......................... 42 2.2 Keine Regelungen zur Verfahrenskoordination ...................... 45 2.3 Gruppen-Gerichtsstand ................ 48 2.4 Kein Gruppen-Restrukturierungsbeauftragter ...................... 50

2.5

Rechtsträgerbezogener Restrukturierungsplan................... 52 2.5.1 Selektiver gesellschaftsübergreifender Eingriff in Drittsicherheiten .................................... 53 2.5.2 Gestaltung multilateraler Verhältnisse.................................... 57 IV. Das Restrukturierungsverfahren im Konzern ................................................ 58 1. Konzernleitung und deren Einschränkung ................................................. 59 2. Bestimmung des Restrukturierungsgerichts........................................................ 61 3. Restrukturierungsbeauftragter .................. 64 4. Stabilisierungsanordnungen ...................... 67 V. Der Restrukturierungsplan im Konzern ................................................ 70 1. Der Restrukturierungsplan der Obergesellschaft .................................. 72 1.1 Ausgangspunkt für die Finanzrestrukturierung ............................ 74 1.2 Restrukturierung gruppeninterner Forderungen gegen die Obergesellschaft ...................... 77 2. Der Restrukturierungsplan einer Konzernunter- oder -mittelgesellschaft ..................................................... 80 2.1 Stellung der Obergesellschaft im Verfahren und Plan .................. 81 2.2 „Wasserfall“ und Ausnahmen für den Konzernerhalt................... 82 3. Kombination von Restrukturierungsplänen.......................................................... 87 4. Allokation von Werten über das Entity Priority Model............................................ 92 VI. Kritische Würdigung: Ungehobenes Potential bei der Gruppenrestrukturierung und Ansätze de lege ferenda ...... 96

Literatur: Bea/Dressler, Business Judgement Rule versus Gläubigerschutz? – Praktische Erwägungen zur Organhaftung im Kontext des StaRUG, NZI 2021, 67; Blumberg, Limited Liability and Corporate Groups, (1986) 11 J. CORP. L. 573; ýulinoviü-Herc/Zuboviü/Filipoviü, The preventive restructuring of companies in difficulties – one size fits-all or tailor made solutions?, Zbornik Pravnog fakulteta Sveuþilišta u Rijeci (Zb. Prav. fak. Sveuþ. u Rij.), Vol. 39/2018, br. 4 (Posebni broj), 1447, abrufbar unter https://hrcak.srce.hr/clanak/318644 (Abrufdatum: 16.1.2023); Eidenmüller, Verfahrenskoordination bei Konzerninsolvenzen, ZHR 169 (2005) 528; Freudenberg, Internationale Zuständigkeit bei

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§ 41

8. Teil Konzern

Vermögensvermischung, NJW-Spezial 2012, 182; Hoegen/Kranz, Neue Möglichkeiten der Konzernsanierung durch SanInsFoG und StaRUG, NZI 2021, 105; Hopt, Groups of Companies – A Comparative Study on the Economics, Law and Regulation of Corporate Groups, ECGI Law Working Paper No 286/2015, S. 1 ff.; Kiefner/Bochum, Aufsteigende Sicherheiten bei GmbH und AG im Lichte der neuen Rechtsprechung des BGH zur Kapitalerhaltung, NZG 2017, 1292; Luerken, Das StaRUG aus schuldverschreibungsrechtlicher Sicht, ZIP 2021, 1305; Kokorin, The Rise of „Group Solution“ in Insolvency Law and Bank Resolution, EBOR 22/2021, 781; Meyer-Löwy/Schmidt, J./Shubina, Der erforderliche Umfang der Gesellschafterfinanzierung zwecks Abwendung der Insolvenz, ZIP 2014, 2478; Moyer, Distressed Debt Analysis, 2005; Paulus/Bähr/Hackländer, Konzernweite Restrukturierungen – Hilft das StaRUG?, ZIP 2021, 1085; Prosteder, Der Begriff der Unternehmensgruppe – § 3e InsO n. F., NZI Beilage z. Heft 8/2018, S. 9; Prusko/Weiland/Crawford, Case Study: Restructuring Systematically Important, Multinational Agrokor D.D., Journal of Corporate Renewal, 6/2019 (25), S. 24 abrufbar unter https://turnaround.org/jcr/2019/06/case-study-restructuring-systemically-important-multinationalagrokor-dd (Abrufdatum: 16.1.2023); Ringelspacher/Ruch, Der Restrukturierungsplan – Das Herzstück des StaRUG-Entwurfs im Überblick, ZRI 2020, 636; Schmidt, J., Die Konzerninsolvenz im Rahmen der EuInsVO 2015, KTS 2018, 1; Schülke, Überwindung der Krise: Die Restrukturierung mit dem neuen StaRUG – ein Überblick, DStR 2021, 621; Schulz/Steiger, § 302 III 3 AktG als Sanierungshindernis bei insolvenzlichen Sanierungen mittels Insolvenzplan?, NZI 2016, 335; Spindler, Konzernfinanzierung, ZHR 171 (2007) 245; Steffan/Oberg/Poppe, Vom Grobkonzept zum Vollkonzept – Anforderungen an die betriebswirtschaftlichen Konzepte in Restrukturierungsplan, Eigenverwaltungsplanung und Insolvenzplan, ZIP 2021, 617; Undritz/Degenhard, Banksicherheiten im Insolvenzverfahren – die Limitation Language in Zeiten des MoMiG, NZI 2015, 348; Vallender, Konzernsanierung durch Aufrechterhaltung der (faktischen) Leitungsmacht mittels Eigenverwaltung, NZI 2020, 761; Westpfahl/ Dittmar, Die Behandlung gruppeninterner Sicherheiten im StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46.

I.

Einführung1)

1 Unternehmensgruppen sind – mit Hopt gesprochen – die moderne Realität der Unternehmung, und dies meist auch multinational.2) Die Restrukturierung von Unternehmensgruppen ist daher eine der zentralen Herausforderungen im modernen Restrukturierungsrecht. Dieses Kapitel geht auf die praktisch relevanten Gestaltungsfragen ein und zeigt Lösungen auf, für die der Instrumentenkasten des StaRUG herangezogen werden kann. 2 Vorweggeschickt sei, dass die Diskussion, wie Restrukturierung von Unternehmensgruppen innerhalb oder außerhalb der Insolvenz gesetzlich ermöglicht werden sollte, nicht als abgeschlossen angesehen werden kann. Die jüngsten Initiativen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene für insolvenzrechtliche Reformen in den letzten Jahren geben hierfür einen eindrucksvollen Beleg. Eine etablierte Herangehensweise für die gesellschaftsübergreifende Sanierung innerhalb einer Unternehmensgruppe hat sich über die verschiedenen Gesetzeswerke hinweg bisher nicht eingestellt. 3 Für die vorinsolvenzliche Restrukturierung unter dem StaRUG3) ist die Unternehmensgruppe als Objekt weitgehend Neuland. Die Restrukturierungrichtlinie4) selbst greift zwar die Herausforderungen bei der Restrukturierung von Unternehmensgruppen auf, schreibt für die nationale Umsetzung jedoch keine konkreten Gestaltungsmittel vor.5) Mit dem ___________ 1) 2) 3)

4)

5)

936

Für die Durchsicht und Hinweise danke ich Dr. Andreas Sandberger, LL.M. (University of Chicago). Hopt, Groups of Companies – A Comparative Study on the Economics, Law and Regulation of Corporate Groups, ECGI Law Working Paper No 286/2015, S. 2. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. Etwa ErwGe 7, 15 und 24 der Restrukturierungsrichtlinie.

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG

§ 41

SanInsFoG6) hat der deutsche Gesetzgeber einen neuartigen Mittelweg beschritten, der sich sowohl im StaRUG als auch entsprechend in der InsO für den Insolvenzplan findet. Das SanInsFoG ermöglicht beschränkt materiell-rechtliche Regelungen für Gruppengesellschaften im Restrukturierungsplan, soweit diese Sicherheiten für den Schuldner gegeben haben, ohne jedoch die Unternehmensgruppe insgesamt zum Gegenstand des Restrukturierungsverfahrens zu machen. Wie die Praxis unter dem StaRUG aussehen wird, ist aktuell noch in der Entwicklung beg- 4 riffen und mangels praktischer Fälle in vielen Bereichen offen. Gleichwohl geben jedoch Fallbeispiele unter dem Insolvenzplan oder anderen Restrukturierungsregimen hilfreiche Hinweise für erforderliche Erwägungen und mögliche Lösungsansätze unter dem StaRUG. Ausgangspunkt der Ausführungen ist der in Deutschland ansässige Konzern mit nach 5 deutschem Recht inkorporierten Gesellschaften. Die Rechtswirklichkeit freilich ist regelmäßig von grenzübergreifenden Sachverhalten geprägt. Entsprechend folgen nach den Ausführungen zum deutschen Recht die Spezialfragen für jurisdiktionen-übergreifende Restrukturierungen (siehe dazu Prusko, HRI I, § 42). II.

Besonderheiten der Restrukturierung einer Unternehmensgruppe:

Die Besonderheiten der Unternehmensgruppe gebieten, den für die Restrukturierung rele- 6 vanten Fragen ein eigenes Kapitel zu widmen. Diese Spezialitäten in der Krise gehen auf die rechtliche und insbesondere wirtschaftliche Natur der Unternehmensgruppe zurück. Sie bewegt sich in unterschiedlichem Ausmaß zwischen der juristischen Eigenständigkeit der Einzelgesellschaften und einer engen wirtschaftlichen und organisatorischen Verflechtung bis hin zur finanziellen Integration der Gruppe oder bestimmter Teilgruppen. Die folgenden Ausführungen sollen nicht nahelegen, dass ein bestimmter Typus der Unter- 7 nehmensgruppe für die Fragen der Restrukturierung pauschal maßgeblich sein sollte. Zu unterschiedlich sind die Ausgestaltungen aufgrund von Zielsetzung, finanziellen Begebenheiten und nicht zuletzt historischen Zufälligkeiten. Vielmehr gibt die konkrete Situation den Ausgangspunkt für die Restrukturierung vor, die aus einer Kombination von kommerzieller Einigung und juristischen Instrumenten umzusetzen ist. 1.

Bildung und Finanzierung der Unternehmensgruppe

Die Bildung von Unternehmensgruppen und gruppenspezifische Finanzierungslösungen 8 prägen die ökonomische Realität. Für die Restrukturierung sind beide erheblich, geht es doch um die Maximierung der verfügbaren Werte, die in der integrierten Unternehmensgruppe gesellschaftsübergreifend verteilt sind.7) Die Finanzierung und die vertragliche Umsetzung geben die Anrechte der Gläubiger – oder jedenfalls Finanzierungsgläubiger – auf diese Werte vor und sind Grundlage für das Verhältnis von Unternehmensgruppe und anderen Stakeholdern. 1.1

Bildung von Unternehmensgruppen

Die Verflechtung von Unternehmen ist regelmäßig das Ergebnis von unternehmerischen 9 Entscheidungen und historischen Entwicklungen des jeweiligen Unternehmens bzw. deren Gesellschafter. Im Grundsatz geht es den wirtschaftlichen Eigentümern um eine optimale

___________ 6) 7)

Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 800.

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§ 41

8. Teil Konzern

Kombination aus Governance und Risikoabschirmung für die Verfolgung einer wirtschaftlichen Unternehmung.8) 10 Für die Aufteilung der Unternehmung auf verschiedene Rechtsträger lassen sich zahlreiche weitere Gründe anführen, wie z. B. regulatorische Anforderungen, steuerliche Gestaltungen und Kooperationsstrukturen zwischen Unternehmungen.9) Die internationale Ausdehnung von Unternehmungen ist ein weiterer Treiber der Konzernbildung. Die Ausbreitung der Geschäfte auf andere Märkte erfordert regelmäßig eigene Managementrollen, die auf Geschäftsführungsebene der lokalen Töchter eingesetzt werden. Zugleich ist im Konzern durch Weisungen und Reporting-Linien eine zentralisierte Führung und Leitung umsetzbar. 11 Blickt man auf den „Haftungsschirm“, so erlaubt die Isolierung bestimmter Unternehmungen in einer haftungsbeschränkten Einheit, in Deutschland meist in Form einer GmbH, das einhergehende Risiko von der übrigen Gruppe abzuschirmen. Wirtschaftliche Verluste schlagen sich lediglich bis zur Grenze des Eigenkapitals auf die sonstigen Gruppengesellschaften durch. Die Gläubiger einer Einheit haben in diesem Modell keinen Rückgriff auf sonstiges Vermögen in der Mutter- oder Tochtergesellschaft, sollte ihr direkter Schuldner in die Insolvenz rutschen. 12 Der wirtschaftliche Wert der Gruppe geht dabei über die Ansammlung von einzelnen Rechtsträgern hinaus. Synergien durch institutionelles Know-how, Bündelung von Forschung und Entwicklung, Skaleneffekte u. a. bei Beschaffung von Finanz- und Produktionsmittel und Marktzugang sowie viele weitere Faktoren kennzeichnen den Wert des Konzerns insgesamt. Der Verbund prägt die Grundlage für dessen Wertermittlung, etwa wenn konsolidierte Konzernzahlen maßgeblich sind für die Gruppenbewertung. Die Hebung von Synergien und die Integration in die Prozessabläufe der Gruppe lassen die Grenzen des Rechtsträgers und der Jurisdiktionen im Unternehmensalltag regelmäßig in den Hintergrund treten. 1.2

Mittel und Grenzen der Konzernbildung

13 Die Konzernbildung wird nicht nur über die jeweiligen Anteilsverflechtungen gebildet. Gesellschaftsrechtliche Weisungsverhältnisse werden bspw. über Unternehmensverträge (§ 291 AktG) sichergestellt. Über den Beherrschungsvertrag kann die Obergesellschaft unmittelbar Einfluss nehmen und die Leitungsmacht ausüben (§ 308 AktG). Gewinnabführungsverträge erlauben die Gewinne der Gesellschaften bei der Obergesellschaft zu bündeln. 14 Die Kehrseite der Eingriffsbefugnisse ist eine besondere Verantwortlichkeit der herrschenden Gesellschaft gegenüber der beherrschten Gesellschaft. Die Vermögens- und sonstige Interessen von außenstehenden Minderheitsgesellschaften oder auch Gläubigern werden auf diesem Weg besonders geschützt. Die Vereinbarung von Unternehmensverträgen räumt daher einen Verlustausgleichsanspruch gegen die Mutter ein (§ 302 AktG). Bei Ausübung von Leitungsmacht können zudem Ausgleichsansprüche resultieren (§§ 311, 317 AktG). 15 Neben den konzernrechtlichen Mitteln wird die Integration durch verschiedene schuldrechtliche Instrumente gebildet. Für die Restrukturierung spielen neben den operativen Verflechtungen insbesondere Instrumente der Innenfinanzierung eine Rolle. Über Cashpool-Systeme etwa wird die Liquidität im Konzern gesteuert, um überschüssige Liquidität und Liquiditätsbedarf kosteneffizient auszugleichen. Aus dem Cashpool-System können ___________ 8) 9)

938

Vgl. Blumberg, (1986) 11 J. CORP. L. 573. Vgl. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, Einl. §§ 291 ff. Rz. 19 ff.

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG

§ 41

sich zudem Ausgleichs- oder Rückzahlungsansprüche ergeben, die über viele Jahre anwachsen und in der Krise sorgfältiger Analyse bedürfen. Grenzen finden Cashpool-Systeme in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht im Kapitalschutz der einzelnen Rechtsträger. Nur solange auch die Rückzahlung erwartet werden kann, der Anspruch also vollwertig ist, lässt das Gesetz außerhalb eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags entsprechende Verschiebungen zu.10) Finanzierungsmittel von Dritten (siehe dazu sogleich Rz. 17) werden im Konzern entweder als Eigenkapital oder in Form von Gesellschafterdarlehen weitergereicht. Krisennah sind zudem regelmäßig Patronatserklärungen vorzufinden, worüber die Obergesellschaft einer Tochter hinreichende Mittelausstattung im Krisenfall zusagt.11) Die rechtliche Eigenständigkeit wird mithin durch gesetzliche Schutzvorschriften durch- 16 brochen, aber auch durch die konkrete Ausgestaltung der Verflechtung etwa in finanzieller Hinsicht. Je nach Komplexität des Konzerns lassen sich solche Strukturen in Teilkonzernen mit unterschiedlich ausgeprägter Verknüpfung untereinander finden. 1.3

Außenfinanzierung der Unternehmensgruppe

Für die Restrukturierung ist die gruppenweite Finanzierung durch außenstehende Finan- 17 zierer von besonderer Relevanz. Diese ist maßgeblich für die Gläubigerstruktur, die bei einem Restrukturierungsplan im Fokus steht. Sowohl was die Wahl der Finanzierungsinstrumente als auch die Schuldner- und Sicherheitenstruktur betrifft, sind die Varianten zahlreich. Die „Konzernfinanzierung“ kann es daher nicht geben. Gleichwohl haben sich im Markt bestimmte Strukturelemente etabliert, die in unterschiedlichen Spielarten vorzufinden sind.12) 

Zentralisierung/Bündelung: Große Finanzierungen werden regelmäßig zentral auf der Ebene der Holding bzw. Obergesellschaft oder über spezielle Finanzvehikel in der Gruppe aufgenommen. Die gebündelte Aufnahme von Fremdkapital ermöglicht es auch hier, Skaleneffekte zu erzielen und die Synergien über die Gruppe hinweg zu nutzen.



Mix an Instrumenten: Eine Finanzierung setzt sich dabei regelmäßig aus verschiedenen Instrumenten zusammen, die je nach Kapitalquelle und -einsatz variieren.13) Die Finanzierungspraxis hat hierbei verschiedene Vertragswerke nach dem Recht unterschiedlicher Jurisdiktionen entwickelt. Neben der „klassischen“ Bankfinanzierung im Syndikat haben sich Schuldscheine, Anleihen oder sonstige Schuldverschreibungen etabliert. Für die operative Finanzierung werden revolvierende Kreditlinien oder Garantielinien abgeschlossen. Die Bankfinanzierung im Syndikat unterliegt häufig englischem Recht, wenn diese unter dem LMA-Standard abgeschlossen wurde. Anleihen aus dem High-Yield-Segment werden, wenn nicht nach deutschem, regelmäßig unter New Yorker Recht ausgegeben. Für Schuldscheine wird typischerweise deutsches Recht vereinbart.



Covenants: Je nach Instrument enthält die Kreditdokumentation eine Reihe verschiedener Auflagen des Kreditnehmers und der weiteren Unternehmensgruppe. Solche bestehen aus Handlungs- und Unterlassungspflichten. Der Verstoß dagegen kann unterschiedliche Rechtsfolgen haben, oftmals berechtigt ein solcher nach Ablauf einer Heilungsfrist die Kreditgeber zur Kündigung. Die Einhaltung von bestimmten Finanzkennzahlen wie Verschuldungsgrad (Leverage Ratio) oder Zinsdeckungsgrad (Coverage

___________ 10) Vgl. § 30 Abs. 1 GmbHG, § 57 Abs. 1 AktG; dazu ausführlich Avvento, Das Gebot der Vollwertigkeit im GmbH- und Aktienrecht. 11) Dazu Meyer-Löwy/J. Schmidt/Shubina, ZIP 2014, 2478, 2480 ff. 12) Zum Thema insgesamt Spindler, ZHR 171 (2007) 245 ff. 13) Vgl. Etzel/Schmidt in: Knecht/Hommel/Wohlenberg, Hdb. Unternehmensrestrukturierung, S. 1401 ff.; für die Akquisitionsfinanzierung, Diem/Jahn, Akquisitionsfinanzierung, Teil A. Überblick § 5 Rz. 1 ff.

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§ 41

8. Teil Konzern

Ratio) wird dabei mit Referenz auf die Unternehmensgruppe (bzw. die als relevant vereinbarte Teilgruppe, dazu sogleich) getestet. 



Schuldbeitritte und Besicherung: Diese Finanzierungen werden regelmäßig besichert durch Schuldbeitritte, Garantien und/oder Sachsicherheiten. Die Ratio hierbei ist i. R. der rechtlichen Grenzen den Konzernwert insgesamt oder in wesentlichen Teilen dem Zugriff der Gläubiger zu unterwerfen (Credit Support) als Kehrseite der gebündelten Kreditaufnahme. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen, die gerade in der Restrukturierung maßgeblich sind. Hervorzuheben sind: 

Wesentliche Tochtergesellschaften bilden zusammen mit dem primären Kreditnehmer und ggf. weiteren Gruppengesellschaften die relevante Teilgruppe (sog. Restricted Group). Sie sind entweder selbst Schuldner oder treten über Personalsicherheiten in Form von Garantien dem Haftungsverband bei. Als solche unterliegen sie wesentlichen Beschränkungen des Kreditvertrags ähnlich wie der primäre Kreditnehmer selbst. Zahlungen oder andere Vermögensverschiebungen aus der Teilgruppe heraus sind regelmäßig i. R. der vereinbarten Covenants nur in bestimmter Höhe zulässig (Restricted Payments; Permitted Investments).



Die Konzerngesellschaften geben zudem regelmäßig dingliche Sicherheiten in Form von Pfandrechten oder Sicherungsübertragungen an ihren Vermögensgegenständen. Eine Sonderrolle kommt dabei der Verpfändung von Anteilsrechten zu, die bei Verwertung den direkten Zugriff auf die betreffende Gesellschaft ermöglicht. In der Insolvenz unterliegen die Werte aus den Sicherheiten entsprechend vorrangig grundsätzlich dem Zugriff der Finanzierungsgläubiger.



Rechtlich finden die Garantien und Sicherheiten ihre Grenzen in den Vorschriften der Kapitalerhaltung: Die Besicherung der Schuld der Muttergesellschaft, sog. Upstream-Sicherheiten, stellen nach h. M. eine wirtschaftliche Leistung an den Gesellschafter dar. Um den Anforderungen an die Kapitalerhaltung gleichwohl zu genügen, wird der effektiv hierunter einforderbare Betrag vertraglich in der sog. Limitation Language beschränkt. Auszahlbar ist daher lediglich das das Stammkapital übersteigende Nettovermögen. Bestimmte Ausnahmen greifen etwa bei Weiterleitung der Finanzierungsmittel an die betroffene Gesellschaft (On-lending), bei Bestehen von Unternehmensverträgen und – nach vereinzelter Ansicht – generell im Insolvenzverfahren.14) Unter der Limitation Language kann sich die durchsetzbare Schuld für die Gläubiger erheblich reduzieren und als strukturell nachrangig gegenüber ansonsten gleichrangigen anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, etwa Pensionsverbindlichkeiten, erweisen.

Verhältnis der Finanzgläubiger untereinander: Das Verhältnis der Gläubiger untereinander und der jeweilige Zugriff auf Sicherheiten ist detailliert geregelt in sog. Intercreditor-Vereinbarungen. Auch hier hat sich der LMA-Standard häufig nach englischem Recht bei Finanzierungen in Deutschland, jedenfalls bei internationalen Komponenten, etabliert. Die Ausübung der Gläubigerrechte im Verhältnis zu den betroffenen Gruppengesellschaften ist engmaschig geregelt und sichert den relativen Vorrang bestimmter Tranchen oder Instrumente der Finanzierung ab. Bestimmte Gruppen haben mit in der Intercreditor-Vereinbarung und weiteren Kreditdokumentation festgelegten Mehrheiten und Verfahren das Vorrecht, die Vollstreckung der Sicherheiten zu bestimmen. Die Erlösverteilung ist in einem sog. „Wasserfall“ in allen Einzelheiten geregelt. Die Intercreditor-Vereinbarung kann deswegen auch als vertragliches Restrukturierungs- oder

___________ 14) Dazu Undritz/Degenhard, NZI 2015, 348 (mit Analyse des OLG Frankfurt/M. v. 8.11.2013 – 24 U 80/13, NZI 2014, 363); Kiefner/Bochum, NZG 2017, 1292.

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG

§ 41

Krisenregime verstanden werden (nicht zuletzt aufgrund der in der Intercreditor-Vereinbarung enthaltenen Veräußerungs- und Freigabevorschriften im Hinblick auf das Sicherungsgut).15) 2.

Herausforderungen für die Restrukturierung unter dem StaRUG

In der Restrukturierung spielt die Kombination von juristischem Ansetzen an der Einzel- 18 gesellschaft („Eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz“16) einerseits und andererseits an der wirtschaftlichen und organisatorischen Verflechtung eine sehr bedeutende Rolle. Das StaRUG bricht nicht mit diesem Grundsatz der InsO, versteht das Restrukturierungsverfahren rechtsträgerbezogen und setzt dies gleichsam voraus, wenn etwa § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG von Forderungen gegen eine „restrukturierungsfähige Person (Schuldner)“ spricht. § 30 StaRUG verweist für die Restrukturierungsfähigkeit auf die Insolvenzfähigkeit; diese bestimmt sich nach § 11 InsO und bezieht sich auf eine Einzelgesellschaft. Folglich ist auch die Restrukturierung der Unternehmensgruppe unter dem StaRUG mit 19 diesen kennzeichnenden Herausforderungen konfrontiert: Wie können die Synergien der Gruppe im Interesse aller Gläubiger bestmöglich erhalten werden („Maximierung des Kuchens“) und wie sind die Werte auf die Gläubiger der unterschiedlichen Rechtsträger auf Grundlage bestehender Rechtspositionen aufzuteilen („Verteilung des Kuchens“).17) Freilich sind die Eingriffe in den laufenden Wirtschaftsbetrieb i. R. des StaRUG nicht vergleichbar tiefgreifend wie bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Insbesondere kennt das StaRUG keine Fälligkeitsfiktion vergleichbar § 41 Abs. 1 InsO.18) Vielmehr setzt das StaRUG darauf, dass die relevanten Verbindlichkeiten selektiert werden. Der Fokus liegt auf Finanzierungsverbindlichkeiten.19) Im Kontext des StaRUG bedeutet das, diese Besonderheiten in der gegebenen Situation zu 20 analysieren und frühzeitig bei der Entwicklung eines Restrukturierungskonzepts miteinfließen zu lassen: 

Wie sind die rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Krisengesellschaften mit anderen Teilen im Konzern? 

Welche Gesellschaften stehen mit den Krisengesellschaften in einem Haftungsverbund?



Wie verhalten sich die identifizierten Haftungsverbünde in der Restrukturierung, u. a. im Hinblick auf Haftungsbegrenzungen, Limitation Language?



Welche Arten von Verbindlichkeiten sind betroffen?



Welchen Gläubigern erwachsen daraus Restrukturierungsforderungen? Wie verteilen sich diese Gläubiger oder Gläubigergruppen über die betroffenen Gruppengesellschaften?

___________ 15) Dazu Plank/Prusko in: Knecht/Hommel/Wohlenberg, Hdb. Unternehmensrestrukturierung, S. 2063, 2067 f. 16) Vgl. RegE zu Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 15; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 217 ff. Rz. 36 ff. 17) Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 17 ff.; Prusko, Die Gesellschafterstellung in der Insolvenz, S. 6 ff. 18) Esser in: Braun, StaRUG, § 3 Rz. 5. 19) Der Eingriff in deliktische Verbindlichkeiten, bestimmte Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO wie auch solche gegenüber Arbeitnehmern einschließlich der Rechte auf betriebliche Altersversorgung sind vom Anwendungsbereich ohnehin ausgeschlossen, § 4 StaRUG. Ausführlich dazu Prusko in: MünchKomm-StaRUG, § 4 Rz. 1 ff.

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Welche Vermögensgüter stehen zur Verfügung und welche Werte können diesen beigemessen werden?  Welche Sicherheiten bestehen und welche gruppenweiten Verbindlichkeiten besichern diese? Wie sind die verfügbaren Werte mit Konzernfunktionen, -beziehungen und -synergien für den Going Concern verknüpft? Diese Erkenntnisse sind in das zu erstellende Restrukturierungskonzept20) aufzunehmen (siehe dazu Berner/Werner, HRI I, § 17 Rz. 47). Das Restrukturierungskonzept sollte die Konzernverflechtungen ausdrücklich behandeln und im Hinblick auf die betroffenen Gesellschaften darstellen:  Die Besonderheiten der Gruppen sind in die betriebswirtschaftliche Analyse ebenso aufzunehmen wie in das Zielmodell der sanierten Gruppe.  Alternativen für das vorgeschlagene Konzept können gleichfalls unter Berücksichtigung der Konzerngegebenheiten entwickelt und dargestellt werden.  Eine erste Vorstellung, welchen Gläubigern welche Werte zuzuordnen sind, lässt sich häufig erst über ein im Detail ausgearbeitetes Entity Priority Model (EPM) darstellen (siehe dazu unten Rz. 92 ff.). Hierin ist der Verteilungswasserfall unter Berücksichtigung der rechtlichen Eigenständigkeit und haftungsrechtlichen Grenzen dargestellt. Die relevanten Gläubigergruppen und Verhandlungsbeiträge können ebenfalls auf dieser Grundlage dargestellt werden. Die Schritte zur Umsetzung des Restrukturierungskonzepts sind in einem oder mehreren Restrukturierungsplänen21) auszuarbeiten (siehe dazu HRI I, 6. Teil). Die prozessualen Möglichkeiten (einheitlicher Gerichtsstand) sind dabei ebenso für das Konzept einzuplanen wie die materiellen Eingriffe in Sicherungsrechte. Die Frage, ob das StaRUG das (einzige) Mittel der Wahl für die Implementierung des Restrukturierungskonzepts ist oder andere Wege alternativ oder in Ergänzung beschritten werden sollten, ist dabei freilich zu klären. 





3.

Der Begriff der Unternehmensgruppe im StaRUG

21 Das StaRUG verwendet zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten im Hinblick auf die Restrukturierung der Unternehmensgruppe: Für die materiell-rechtliche Gestaltung im Restrukturierungsplan (siehe Rz. 53) nimmt § 2 Abs. 4 StaRUG auf den aktienrechtlichen Begriff des verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) Bezug (siehe dazu Rz. 22). Für die Bündelung der Zuständigkeit am Gruppen-Gerichtsstand (siehe unten Rz. 48) verweist § 37 StaRUG auf die entsprechenden Regelungen in der InsO (§§ 3a ff. InsO), siehe Rz. 26. 3.1

Verbundene Unternehmen nach § 15 AktG

22 Die Reichweite des Restrukturierungsplans in der Unternehmensgruppe bestimmt sich nach den aktienrechtlichen Vorschriften über verbundene Unternehmen, die verbreitet auch als „Konzernrecht“22) bezeichnet werden. Verbundene Unternehmen i. S. des § 15 AktG sind rechtlich selbständige Unternehmen, die  im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16 AktG),  abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17 AktG), ___________ 20) Vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG; dazu Steffan/Oberg/Poppe, ZIP 2021, 617. 21) Zum Aufbau und Inhalt Ringelspacher/Ruch, ZRI 2020, 636, 637 f. 22) Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Einl. Rz. 1.

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG 

Konzernunternehmen (§ 18 AktG),



wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19 AktG) oder



Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292 AktG) sind.

§ 41

Die Begriffe sind jeweils in der aktienrechtlichen Literatur und Rechtsprechung hinreichend 23 beleuchtet. Abgrenzungsfragen sind daher speziell im Hinblick auf das StaRUG nicht zu erwarten. Mit Bezugnahme auf das Konzernrecht ist das StaRUG neutral im Hinblick auf die Rechtsform der betroffenen Gesellschaft. Im Überblick erfasst das StaRUG mithin folgende Unternehmen: § 15 AktG erfasst Rechtsträger unabhängig von ihrer Rechtsform etwa AG, GmbH oder 24 Personengesellschaft.23) Vom Regelungsgehalt umfasst sind die fünf Arten der Unternehmensverbindung, die sich ihrerseits wiederum überschneiden:24) 

Mehrheitsbeteiligung (§ 16 AktG): Hierüber ist ein Unternehmen mit einem anderen verbunden, wenn das andere Unternehmen die Mehrheit der Anteils- (§ 16 Abs. 2 AktG) oder Stimmrechte (§ 16 Abs. 3 AktG) hält. Über § 16 Abs. 4 AktG ist zudem die Mehrheitsbeteiligung in mehrstufigen Konstellationen umfasst, wenn die Beteiligung einem abhängigen Unternehmen i. S. des § 17 AktG (dazu sogleich) gehört oder von einem Dritten für Rechnung gehalten wird.



Beherrschung (§ 17 AktG): Unmittelbarer oder mittelbarer beherrschender Einfluss macht die Unternehmen zu abhängigen und herrschenden Unternehmen. Eine Mehrheitsbeteiligung nach § 16 AktG begründet eine Vermutung. Erfasst ist die mehrstufige Abhängigkeit. Abgestellt wird auf maßgeblichen Einfluss bei der Besetzung der Verwaltungsorgane, also die Personalentscheidungsgewalt25).



Konzernierung (§ 18 AktG): Einen Konzern bilden ein herrschendes und ein (oder mehrere) abhängiges Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AktG). Für die Bestimmung der einheitlichen Leitung sind differenzierte Merkmale entwickelt (enger und weiter Konzernbegriff)26); praktisch kommt diesen regelmäßig nur beschränkte Relevanz zu im Hinblick auf die Regelvermutung in § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG, nämlich dass abhängige Unternehmen mit dem herrschenden einen Konzern bilden.



Wechselseitige Beteiligung (§ 19 AktG): Gehören jedem Unternehmen mehr als 25 % der Anteile am anderen Unternehmen, liegt eine einfache wechselseitige Beteiligung vor (§ 19 Abs. 1 AktG); als qualifiziert wird diese bei Mehrheitsbeteiligung oder beherrschendem Einfluss angesehen (§ 19 Abs. 2 und 3 AktG).27)



Verbindung durch Unternehmensvertrag (§§ 291, 292 AktG): Zuletzt wird mittels eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags eine relevante Beziehung begründet.

Der Regierungsentwurf hatte zunächst in § 4 Abs. 4 StaRUG-E den Begriff der Tochter- 25 unternehmen i. S. des § 290 HGB herangezogen.28) Der Rechtsausschuss ersetzte „Tochterunternehmen“ zugunsten des weiteren Begriffs des „verbundenen Unternehmens“. Auf den Begriff „Tochterunternehmen“ ist entsprechend nicht näher einzugehen.29) Im Ergebnis ___________ 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29)

Hierzu vgl. etwa Koch in: Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rz. 8. Hierzu vgl. etwa Koch in: Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rz. 1. Grigoleit in: Grigoleit, AktG, § 17 Rz. 7. Koch in: Hüffer/Koch, AktG, § 18 Rz. 9. Koch in: Hüffer/Koch, AktG, § 19 Rz. 2 ff. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 127. Hierzu vgl. etwa Böcking/Gros/Schurbohm in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 290 Rz. 7 ff.

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§ 41

8. Teil Konzern

hätte dies die materiell-rechtliche Anwendung deutlich eingeschränkt auf sog. UpstreamSicherheiten (siehe dazu oben Rz. 17). 3.2

Unternehmensgruppe nach § 3e InsO

26 Das StaRUG greift mit § 37 für die Bündelung der Zuständigkeit auf den Begriff der Unternehmensgruppe nach § 3e InsO zurück. Diesen führte der Gesetzgeber als eigenständigen Gruppenbegriff durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen30) in die InsO ein. Der Begriff ist nach Ansicht des Gesetzgebers an die handelsrechtliche Bestimmung des § 290 HGB angelehnt, nicht jedoch zwingend deckungsgleich.31) § 3e InsO erfasst etwa Unternehmensgruppen unabhängig von der Gesellschaftsform der Muttergesellschaft.32) 27 Eine Unternehmensgruppe i. S. von § 3e InsO besteht aus rechtlich selbständigen Unternehmen, die 

den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und



die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind



durch die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder



eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung.

28 Die Möglichkeit der Ausübung herrschenden Einflusses ist an § 290 HGB angelehnt und nach den dort verankerten Kriterien zu bestimmen, soweit nicht § 3e InsO weitergehend zu verstehen ist.33) § 290 HGB sieht in Abs. 2 einen Katalog an Kriterien vor, die beherrschenden Einfluss begründen. Anders als im Aktienrecht, gibt es mithin keine widerlegliche Vermutung. Festzuhalten ist, dass die Mehrheit der Stimmrechte beherrschenden Einfluss begründet (§ 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB) ebenso wie das Recht des Gesellschafters, die Mehrheit des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen (§ 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB). 29 An die Eingangsprüfung der Unternehmensgruppe wird insbesondere aufgrund des Merkmals der „Möglichkeit“ für die Frage der Zuständigkeit eine eher niedrigere Schwelle anzusetzen sein als für die materiell-rechtliche Reichweite über den aktienrechtlichen Konzernbegriff.34) Hierdurch soll eine aufwändige Prüfung vermieden werden.35) III.

StaRUG im Kontext der Instrumente zur Restrukturierung der Unternehmensgruppe

30 Für die Beurteilung, ob der Restrukturierungsplan unter dem StaRUG den optimalen Lösungsweg im Vergleich zu anderen Optionen bereithält, lohnt der Blick auf die sonst üblichen und verfügbaren Instrumente in Bezug auf die Unternehmensgruppe. Ein solcher Vergleich wird regelmäßig für die Entscheidungsfindung des Managements sowohl intern wie auch für die Verhandlungen mit externen Stakeholdern anzustellen sein. 31 Für die Restrukturierung der Unternehmensgruppe gibt es verschiedene gesetzgeberische Instrumente. Die Regelungen des StaRUG erlauben beschränkte materielle Eingriffe mit ___________ 30) Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866. 31) Vgl. RegE zu Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 23 f. 32) Vgl. RegE zu Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 24. 33) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 37 Rz. 19 ff. 34) Vgl. Pape in: Uhlenbruck, InsO, § 3e Rz. 2 f. 35) Bruhn in: MünchKomm-InsO, § 3e Rz 2.

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG

§ 41

gesellschaftsübergreifendem Bezug. Diese Lösung stellt eine Besonderheit dar im Kontext der sonstigen gruppenspezifischen Instrumente. 1.

Etablierte Regeln für die Gruppenrestrukturierung

1.1

Gesetzgeberischer Hintergrund

Im vergangenen Jahrzehnt war die Insolvenz bzw. Restrukturierung der Unternehmens- 32 gruppe, bzw. von mehreren Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe, Gegenstand der Gesetzgebung auf unterschiedlichen normgebenden Ebenen36): 

So führte nicht nur der deutsche Gesetzgeber nach mehrjähriger Arbeit mit der InsOReform von 2017 zur „Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen“ einen Siebten Teil: „Koordination der Verfahren von Schuldnern, die derselben Unternehmensgruppe angehören“ ein.37)



Derselben Periode lassen sich zudem zuordnen die Reform der EuInsVO im Jahr 201538) mit Einfügung des Kapitels V: „Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe“ sowie



die Arbeiten der Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht (UNCITRAL) mit Verabschiedung des UNICTRAL Legislative Guide on Insolvency Laws, Part three: „Treatment of enterprise groups in insolvency“, 2010/12 (Legislative Guide)39).40) Die Arbeiten wurden fortgesetzt und mündeten in das Modellgesetz „UNCITRAL Model Law on Enterprise group insolvency“, 2019/2041), im Folgenden: „Modellgesetz“.



Deutsches Recht setzt die Restrukturierungsrichtlinie im SanInsFoG um, das die Sonderregelung für den Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten neben dem StaRUG (§ 2 Abs. 4 StaRUG) auch für den Insolvenzplan in § 217 Abs. 2 InsO vorsieht. Die Restrukturierung von Konzernen bzw. die Gruppensanierung sollen dadurch erleichtert werden.42)



Die Restrukturierungsrichtlinie selbst greift die Unternehmensgruppe demgegenüber nur sehr selektiv auf.43) Konkrete Mindestvorgaben macht die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht.



Daneben gibt es vereinzelte Sondergesetze auf nationaler Ebene in Europa, die die Unternehmensgruppe adressieren. Als Beispiel kann hier das kroatische Spezialgesetz zur außerordentlichen Verwaltung in Unternehmen von systemischer Bedeutung von

___________ 36) Dazu auch Kokorin, EBOR 22/2021, 781. 37) Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, v. 13.4.2017, BGBl. I 2017, 866. Der RegE datiert vom 30.1.2014 (RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407). Dazu J. Schmidt, KTS 2018, 1; Prusko, Neue Möglichkeiten der Sanierung mit Einführung der Konzerninsolvenz, Börsen-Zeitung v. 24.6.2017, S. 9. 38) Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlament und des Rates v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), ABl. (EU) L 141/1 v. 5.6.2015. 39) Abrufbar unter https://uncitral.un.org/en/texts/insolvency (i. d. F. 7/2012) (Abrufdatum: 16.1.2023). 40) Der deutsche Gesetzesentwurf nimmt auf diese Arbeiten Bezug (RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 15). 41) Abrufbar unter https://uncitral.un.org/en/texts/insolvency (i. d. F. 2/2020) (Abrufdatum: 16.1.2023). 42) RegE SanInsFoG z. StaRUG/InsO, BR-Drucks. 619/20, S. 127, 231. 43) ErwG 24 der Restrukturierungsrichtlinie stellt es den Mitgliedstaaten frei, den Restrukturierungsrahmen für Gruppen von Unternehmen zu öffnen.

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201744) angesehen werden, das zur Restrukturierung des Agrokor-Konzerns zum Einsatz kam.45) Italien kennt ein ähnliches Gesetz seit den größeren Restrukturierungen von Parmalat und Alitalia.46) 1.2

Koordination als internationaler Standard

33 Vor dem Hintergrund der zeitlichen Nähe und der sich sicherlich überschneidenden, teils mehrjährigen Entstehungsprozesse überrascht es nicht, dass die jeweils normierten Lösungsansätze im Grundsatz deutliche Ähnlichkeiten bei wesentlichen Strukturprinzipien aufweisen. 34 Zunächst ist festzuhalten, dass die genannten Kodifikationen vom Prinzip „eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz“ nicht abrücken, und damit einer Konsolidierung der Verfahren oder gar der Massen eine Absage erteilen.47) Ausnahmen im Hinblick auf eine Verfahrenskonsolidierung finden sich lediglich in bestimmten Sondergesetzen. Gleichwohl soll es jedoch geboten sein, die Verschränkung zwischen den Gruppengesellschaften in betrieblicher und finanzieller Sicht angemessen i. S. einer Wertmaximierung zu berücksichtigen.48) Dies soll durch Koordination, Kooperation und Kommunikation insbesondere in den folgenden Bereichen erfolgen: 

Verwalter: Dem Insolvenzverwalter als zentrale Figur im Insolvenzverfahren ist aufgetragen, mit seinen Gegenübern in Kontakt zu treten, sich abzustimmen und zusammenzuarbeiten. Dies sehen Art. 56 EuInsVO, § 269a InsO und Art. 14 Modellgesetz in vergleichbarer Weise vor. In allen drei Kodifikationen kann zudem eine Person als Koordinator eingesetzt werden (Art. 61 Abs. 3 lit. a EuInsVO, Art. 269e InsO, Art. 19 Modellgesetz).



Gericht: Gleiches gilt über Art. 57 EuInsVO, § 269b InsO und Art. 9 Modellgesetz für die Zusammenarbeit und Kommunikation der Insolvenzgerichte. Ziel ist insbesondere die Erleichterung einer wirksamen Verfahrensdurchführung (vgl. Art. 57 Abs. 1 EuInsVO).



Gestaltung einer Restrukturierung: Für das eigentliche Kernstück der Restrukturierung, die Umsetzung einer Lösung oder eines Plans, beschränken sich Art. 70 EuInsVO und § 269h InsO auf einen unverbindlichen Koordinationsplan mit Empfehlungscharakter für die jeweiligen einzelgesellschaftlichen Verfahren.49) Das Modellgesetz drängt zu

___________ 44) Zakon o postupku izvanredne uprave u trgovaþkim društvima od sistemskog znaþaja za Republiku Hrvatsku, NN 32/17, 7.4.2017. Dazu etwa ýulinoviü-Herc/Zuboviü/Filipoviü, Zb. Prav. fak. Sveuþ. u Rij., Vol. 39/2018, br. 4 (Posebni broj), 1447 – 1478. 45) Prusko/Weiland/Crawford, Journal of Corporate Renewal, 6/2019 (25), S. 24. 46) Legge 27 Ottobre 2008, N. 166, Conversione in legge, con modificazioni, del decreto-legge 28 agosto 2008, n. 134, recante disposizioni urgenti in materia di ristrutturazione di grandi imprese in crisi. 47) RegE Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 15 ff; ausdrücklich gegen eine Konsolidierung vgl. Art. 72 Abs. 3 EuInsVO. Zu den Erwägungen und einer etwaigen Durchbrechung des Grundsatzes im UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law, Part three: Treatment of enterprise groups in insolvency, 2012, vgl. dort S. 54 ff. (abrufbar unter https://uncitral.un.org/en/texts/insolvency/legislativeguides/insolvency_law [Abrufdatum: 16.1.2023]). Das Modellgesetz hält am Grundsatz fest; vgl. dazu Kokorin, EBOR 22/2021, 781, 800. 48) Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005) 528, 529. 49) Die EuInsVO verfolgt dabei den Ansatz „Comply-or-Explain“, bei Abweichungen muss der jeweilige Verwalter also eine Begründung liefern (Art. 70 Abs. 2 EuInsVO); vgl. dazu J. Schmidt in: Mankowski/ Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 70 Rz. 2.

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG

§ 41

diesem Thema stärker auf eine „Group Insolvency Solution“50), wenngleich es den nationalen Gesetzgebern obliegt, die Regeln für die Implementierung einer solchen zu setzen.51) Die EuInsVO und die InsO übertragen die Aufgabe zur Entwicklung des Koordinationsplans einem Koordinator. 1.3

Verfahrenskonsolidierung als Ausnahmeerscheinung

Die verfahrensrechtliche Konsolidierung, also die Restrukturierung von mehreren Grup- 35 pengesellschaften in einem einheitlichen Verfahren, findet in Deutschland keine Anwendung. Auch bei einheitlichem Verwalter mit einheitlichem Gruppengerichtsstand findet verfahrensrechtlich keine Zusammenlegung der jeweiligen Verfahren statt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich ausdrücklich gegen eine verfahrensrechtliche Zusammenfassung entschieden.52) Ein solches einheitliches Verfahren bleibt auch international die Ausnahme, das italienische und das kroatische Sondergesetz für Großinsolvenzen sind als Beispiele zu nennen. Die Gruppengesellschaften können in die außerordentliche Verwaltung einbezogen werden.53) Das Modellgesetz legt immerhin für die jeweiligen Gruppenverfahren nahe, ein Planning Procedure für die Entwicklung der Group Insolvency Solution anzuerkennen.54) Eine Ausnahme bildet das kroatische Sondergesetz etwa auch bei der Annahme des Restruk- 36 turierungsplans. Hier geht die verfahrensrechtliche Konsolidierung so weit, dass über die Planannahme gruppenweit abgestimmt wird. Unter Art. 43 (14) des kroatischen Sondergesetzes ist der Plan angenommen, wenn entweder eine Mehrheit insgesamt und in allen Gruppen oder Gläubiger mit zwei Dritteln aller Ansprüche für den Plan gestimmt haben. Gegenwärtig muss dieser Weg allerdings weiterhin als Ausnahme angesehen werden. Dies 37 gilt insbesondere für die Voraussetzungen für die Annahme etwa des Restrukturierungsplans, die in jedem Verfahren eigenständig durch das Gericht zu prüfen sind. Entsprechend eröffnet etwa die InsO keinen Weg, einen Insolvenzplan durch die „Gruppengläubiger“ annehmen zu lassen, oder den Vergleichstest auf das „Gruppenvermögen“ oder den „Gruppenwert“ zu beziehen. Als eingeschränkte Durchbrechung der grundsätzlichen Verfahrenstrennung nach Vermögensmassen kann die Gestaltung von Drittsicherheiten, also von Rechten ___________ 50) Art. 2 lit. f UNCITRAL-Modellgesetz on Enterprise Group: „’Group insolvency solution’ means a proposal or set of proposals developed in a planning proceeding for the reorganization, sale or liquidation of some or all of the assets and operations of one or more enterprise group members, with the goal of protecting, preserving, realizing or enhancing the overall combined value of those enterprise group members.” Abrufbar unter https://uncitral.un.org/sites/uncitral.un.org/files/media-documents/uncitral/ en/19-11346_mloegi.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023). 51) Art. 26 (Approval of a group insolvency solution) UNCITRAL-Modellgesetz on Enterprise Group: „1. Where a group insolvency solution affects an enterprise group member that has the centre of its main interests or an establishment in this State, the portion of the group insolvency solution affecting that enterprise group member shall have effect in this State once it has received any approvals and confirmations required in accordance with the law of this State.“, abrufbar unter https://uncitral.un.org/ sites/uncitral.un.org/files/media-documents/uncitral/en/19-11346_mloegi.pdf (Abrufdatum: 20.1.2023). 52) RegE zu Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 17. S. hierzu auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 38. 53) Vgl. Art. 5 des kroatischen Sondergesetzes. 54) Art. 2 lit. g UNCITRAL-Modellgesetz on Enterprise Group: „‚Planning proceeding‘ means a main proceeding commenced in respect of an enterprise group member provided: (i) One or more other enterprise group members are participating in that main proceeding for the purpose of developing and implementing a group insolvency solution; (ii) The enterprise group member subject to the main proceeding is likely to be a necessary and integral participant in that group insolvency solution; and (iii) A group representative has been appointed. Subject to the requirements of subparagraphs (g)(i) to (iii), the court may recognize as a planning proceeding a proceeding that has been approved by a court with jurisdiction over a main proceeding of an enterprise group member for the purpose of developing a group insolvency solution within the meaning of this Law.“, abrufbar unter https://uncitral.un.org/ sites/uncitral.un.org/files/media-documents/uncitral/en/19-11346_mloegi.pdf (Abrufdatum: 20.1.2023).

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an Vermögensgütern verbundener Unternehmen angesehen werden, die das SanInsFoG im StaRUG und der InsO eingeführt hat (siehe unten Rz. 53 ff.). 1.4

Einheitlicher Konzerngerichtsstand nur im nationalen Kontext

38 Wenn auch die Verfahren über die Gruppe hinweg jeweils eigenständig sind, stellt die Begründung eines einheitlichen Gruppengerichtsstands an einem einheitlichen Gericht ein effektives Mittel zur Verfahrenskoordination dar. 39 Diesen Weg etwa geht die InsO mit dem 2017 in Kraft getretenen Gruppengerichtsstand und entsprechenden Verweisungsregeln in §§ 3a ff. InsO. Nach dem Prioritätsprinzip kann ein solcher Gerichtsstand am Sitz wesentlicher Gruppengesellschaften begründet werden; der Gesetzgeber hat sich gegen eine Ausschließlichkeit etwa am Sitz der Holding entschieden. Für nationale Sachverhalte nach der InsO ist damit die Koordination erleichtert. Der Gesetzgeber sieht hierin die Vereinfachung einer effektiven Abstimmung.55) Dieses Instrument findet in der Praxis Anwendung.56) An diesem Konzept hat der Gesetzgeber für das StaRUG festgehalten (§ 37 StaRUG), siehe dazu Rz. 48. 40 Ein einheitlicher Konzerngerichtsstand hat sich demgegenüber international bislang nicht durchgesetzt. Das Modellgesetz belässt die gerichtliche Zuständigkeit ausdrücklich im jeweiligen Sitzstaat; eine Verdrängung der Zuständigkeit findet nicht statt.57) Für die EuInsVO hat der EuGH bereits klargestellt, dass an der Zuständigkeit nach COMI auch dann festzuhalten ist, wenn eine enge Verknüpfung mehrerer Gesellschaften vorliegt.58) Ein Gerichtsstand abweichend vom COMI lässt sich mithin darüber grenzüberschreitend nicht begründen.59) Hieran hat auch die spätere Neufassung der EuInsVO i. d. F. der Verordnung (EU) 2015/848 mit der Einführung gruppenbezogener Vorschriften nichts geändert.60) 2.

Positionierung der gruppenbezogenen Instrumente unter dem StaRUG

41 Eine Restrukturierung nach StaRUG kann für einen Konzern eine gute Option darstellen, sei es als Hauptinstrument oder als Baustein eines umfassenderen Konzepts. Das StaRUG greift dabei typische Merkmale der Konzernrestrukturierung auf. Die weitreichende Verfahrenskontrolle auf Unternehmensseite und beschränkte Einbindung des Gerichts ermöglichen eine zielgerichtete Steuerung und Verzahnung mit anderen Maßnahmen der Sanierung. Im Kontext der Unternehmensgruppe sind die folgenden Charakteristika des Verfahrens prägend: 2.1

Rechtsträgerbezug

42 Das StaRUG regelt ein rechtsträgerbezogenes Restrukturierungsinstrument, wie es auch die Restrukturierungsrichtlinie für den präventiven Restrukturierungsrahmen vorsieht. Es bleibt im Grundsatz dabei, dass für jeden Rechtsträger ein eigenes Restrukturierungsver___________ 55) RegE zu Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 19. 56) Etwa die Insolvenzverfahren der Fintyre Gruppe: https://www.juve.de/nachrichten/deals/2020/05/verkaufaus-gruppeninsolvenz-bridgestone-kauft-fintyre-tochter-reiff-reifen (Abrufdatum: 16.1.2023). 57) Art. 4 UNCITRAL-Modellgesetz on Enterprise Group, „Where an enterprise group member has the centre of its main interests in this State, nothing in this Law is intended to: (a) Limit the jurisdiction of the courts of this State with respect to that enterprise group member; (b) Limit any process or procedure (including any permission, consent or approval) required in this State in respect of that enterprise group member’s participation in a group insolvency solution being developed in another State; (c) Limit the commencement of insolvency proceedings in this State, if required or requested; or (d) Create an obligation to commence an insolvency proceeding in this State in respect of that enterprise group member when no such obligation exists.“, abrufbar unter https://uncitral.un.org/sites/uncitral.un. org/files/media-documents/uncitral/en/19-11346_mloegi.pdf (Abrufdatum: 20.1.2023). 58) EuGH v. 15.12.2011 – Rs. C-191/10 (Rastelli Davide), ABl. (EU) C 2011/838 – bei Vermögensvermischung. 59) Freudenberg, NJW-Spezial 2012, 182. 60) Vgl. Kap. V EuInsVO.

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG

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fahren durchzuführen ist.61) Die Vorschriften des StaRUG beziehen sich stets auf eine einzelne Schuldnergesellschaft; die gruppeninternen Drittsicherheiten bilden eine beschränkte Ausnahme (siehe dazu Rz. 70 ff.). Folglich gelten in Bezug auf den Rechtsträger die für das StaRUG in Umsetzung des prä- 43 ventiven Restrukturierungsrahmens geltenden Merkmale, nicht für die Gruppe insgesamt: 

Der frühzeitige Zugang vor Eintritt einer materiellen Insolvenz (drohende Zahlungsunfähigkeit)62) mit optionaler Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen63) ist für jeden Rechtsträger eigenständig zu beantworten.



Die Flexibilität der wirtschaftlich betroffenen Stakeholder bei der Erarbeitung einer Lösung in Form des Restrukturierungsplans mit Einbindung von Gericht und Verwalter nur bei besonderer Erforderlichkeit64) beschränkt sich auf die jeweilige Gruppengesellschaft.



Ein Restrukturierungsplan zur Gestaltung der Verbindlichkeiten gegenüber den betroffenen Parteien mit 75 % Mehrheitsabstimmung pro Klasse und nötigenfalls klassenübergreifendem Cram-down65) kann nicht für die Gruppe einheitlich umgesetzt werden.

Ungeachtet der vorstehend dargestellten Entwicklungen der letzten Dekade bietet die 44 Restrukturierungsrichtlinie mithin selbst keine Instrumente zur Erstreckung des Restrukturierungsverfahrens auf die Unternehmensgruppe an (auf die Anwendbarkeit der Gruppenvorschriften der EuInsVO wird unten, siehe Prusko, HRI I, § 42 Rz. 68, näher eingegangen).66) 2.2

Keine Regelungen zur Verfahrenskoordination

Für mehrere Restrukturierungsverfahren unter dem StaRUG sieht dieses eine Koordina- 45 tion nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht vor. Eine gesetzlich geregelte Kooperation wie im Insolvenzverfahren enthält das StaRUG nicht. Die Kooperationsregelungen aus dem Insolvenzverfahren der §§ 269a ff. InsO werden im StaRUG etwa auch nicht für anwendbar erklärt (eine Ausnahme bildet der Gerichtsstand, dazu sogleich). Eine dem Gruppen-Gläubigerausschuss (§ 269c InsO) vergleichbare Regelung ist für den Gläubigerbeirat in § 93 StaRUG nicht vorgesehen. Diese Auslassung scheint jedoch im Kontext des StaRUG durchaus planvoll, die Erforder- 46 lichkeit derartiger Normen darf bezweifelt werden. Das Gesetz beschränkt die Verfahrensvorgaben aus gutem Grund auf ein Minimum, die Anwender sollen i. R. der gebotenen Mindestvorgaben weitgehende Gestaltungsfreiheit haben. Der Schuldner selbst behält weitgehende Kontrolle über Ablauf und Ziele der Restrukturierung. Entsprechend lassen sich die Ziele einer Kooperation in den Fällen, in denen möglicher- 47 weise mehrere Restrukturierungsverfahren parallel geführt werden, weitgehend durch die Unternehmensgruppe selbst herbeiführen. Die Konzernstruktur – wie sie für die Gruppe charakteristisch ist – gibt dafür regelmäßig die Instrumente i. R. der gruppenspezifischen Governance-Struktur etwa über Weisungsrechte in die Hand. Die Gesellschafterrechte sind im Restrukturierungsverfahren nicht suspendiert, wenngleich für das Management der jeweiligen Gruppengesellschaft nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens, etwa bei der ___________ Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1087. Art. 4 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie; § 29 Abs. 1 StaRUG. Art. 6 Abs. 1 Restrukturierungsrichtlinie; § 49 Abs. 1 StaRUG. Art. 5 Restrukturierungsrichtlinie; vgl. etwa die Antragsrechte für die Einleitung des Verfahrens wie auch die Stabilisierungsmaßnahmen §§ 29, 49 StaRUG. 65) Art. 8 – 11 sowie ErwG 15 ff. Restrukturierungsrichtlinie; §§ 20, 24 ff. StaRUG. 66) ErwG 15 Restrukturierungsrichtlinie.

61) 62) 63) 64)

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Inanspruchnahme von Restrukturierungsmaßnahmen, das Interesse der Gläubiger zunehmend in den Fokus rückt (siehe dazu Fritz, HRI I, § 10 Rz. 65).67) 2.3

Gruppen-Gerichtsstand

48 Mit der Möglichkeit, einen Gruppen-Gerichtsstand zu begründen, greift das StaRUG die Gruppenvorschriften der InsO in einem wesentlichen Punkt auf. Wie dargestellt, liegt hierin ein effektives Mittel der Abstimmung zwischen mehreren Verfahren (siehe dazu oben Rz. 38). Dabei ist die Zuständigkeit grundsätzlich nur für Gesellschaften mit COMI in Deutschland eröffnet. § 35 StaRUG regelt die örtliche Zuständigkeit, wird aber – vergleichbar mit § 3 InsO – auch für die internationale Zuständigkeit herangezogen.68) Mithin wird sich der Begriff des COMI wie in der InsO69) am europarechtlichen Begriff in Art. 3 EuInsVO orientieren. Gemäß Art. 3 Abs. 2 EuInsVO ist Mittelpunkt der Interessen der Ort, an dem die Gesellschaft gewöhnlich der Verwaltung ihrer Interessen nachgeht und der für Dritte erkennbar ist.70) Art. 3 Abs. 1 EuInsVO weist die Zuständigkeit auch für Auslandsgesellschaften mit Inlandssitz der deutschen Gerichtsbarkeit zu, diese unterfallen mithin der deutschen Gruppendefinition. 49 Eine Schuldnergesellschaft kann Antrag auf Begründung des Gruppengerichtsstands stellen. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in § 37 StaRUG unter weitegehender Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 3a ff. InsO (siehe dazu Pleister/Theusinger, HRI II, § 43 Rz. 14 ff.):  Nach § 37 Abs. 1 StaRUG erklärt sich das angerufene Restrukturierungsgericht auf Antrag eines Schuldners, der einer Unternehmensgruppe i. S. des § 3e InsO angehört (gruppenangehöriger Schuldner), für Restrukturierungssachen anderer gruppenangehöriger Schuldner (Gruppen-Folgeverfahren) für zuständig, wenn dieser Schuldner einen zulässigen Antrag in der Restrukturierungssache gestellt hat und er nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist.  § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3a Abs. 1 Satz 2 bis 4 InsO: Der Verweis bringt die Vermutungsregel im Hinblick auf die Relevanz der antragstellenden Gesellschaft zur Anwendung. Keine „untergeordnete Bedeutung“ i. S. des § 3a Satz 2 InsO liegt bei einer antragstellenden Gesellschaft in der Regel vor, wenn diese mindestens 15 % der im Jahresdurchschnitt bei der Unternehmensgruppe beschäftigen Arbeitnehmer und entweder mehr als 15 % der Umsatzerlöse oder mehr als 15 % der Bilanzsumme auf die Gruppe gerechnet aufweist. Außerhalb dieser Kriterien oder bei Zweifeln über die Priorität der Anträge ist die Gesellschaft mit den meisten Arbeitnehmern maßgeblich.  § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3a Abs. 2 InsO: Das Gericht kann den Antrag ablehnen, wenn Zweifel daran bestehen, ob die Verfahrenskonzentration im gemeinsamen Interesse der Gläubiger ist.  § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3b InsO: Ein einmal begründeter Gerichtsstand bleibt unabhängig davon bestehen, ob das Verfahren der antragstellenden Gesellschaft weiterhin anhängig ist, solange nur eines einer Gruppengesellschaft anhängig ist.  § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3c Abs. 1 InsO: Für Gruppen-Folgeverfahren bleibt die Abteilung innerhalb des Gerichts zuständig, in dem der Gruppen-Gerichtsstand eröffnet ___________ 67) Vgl. die Pflichten und Haftung der Organe unter Wahrung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger § 43 StaRUG. 68) Blankenburg in: Morgen, StaRUG, § 35 Rz. 37; Vuia in: MünchKomm-StaRUG, § 35 Rz. 47. 69) Vgl. etwa Prosteder, NZI Beilage z. Heft 8/2018, S. 9. 70) Zu den Streitfragen kurzfristiger Sitzverlegung im Zuge einer Restrukturierung etwa zuletzt die Vorlagefrage zum EuGH v. 24.3.2022 – Rs. C-723/20 (Galapagos BidCo. Sàrl), ABl. (EU) C 2022/209 – vorgelegt durch BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 72/19, ZIP 2021, 90.

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wurde. Gemäß § 36 StaRUG ist die Abteilung zuständig, die für die erste Entscheidung zuständig war. § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 InsO: Auf Antrag der betroffenen Gruppengesellschaft kann ein bereits angerufenes Restrukturierungsgericht an das Gericht am Gruppengerichtsstand verweisen. § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 13a InsO: Die Formalien des Antrags sind in § 13a InsO geregelt. Es sind bestimmte Informationen über die Unternehmensgruppe, die Gründe für die Verfahrenskonzentration, die Fortführung der Gruppe sowie etwaige andere Verfahren in der Gruppe anzugeben – unter Beifügung des konsolidierten Jahresabschlusses oder der Abschlüsse der wesentlichen Gesellschaften. Kein Gruppen-Restrukturierungsbeauftragter

Als Instrument der Koordination hat sich unter der InsO etabliert, dass die Insolvenzge- 50 richte von der Möglichkeit des § 56b InsO Gebrauch machen und sich über die Einsetzung desselben Insolvenzverwalter in mehreren Gesellschaften abstimmen. Dies soll im Hinblick auf das Gläubigerinteresse durch die Gerichte beurteilt werden (§ 56b Abs. 1 Satz 1 InsO). Zu prüfen ist dabei insbesondere, ob der einheitliche Verwalter alle Verfahren mit der gebotenen Unabhängigkeit wahrnehmen kann und mögliche Interessenkonflikte über Sonderinsolvenzverwalter adressiert werden können (§ 56b Abs. 1 Satz 2 InsO). Mit der Neuregelung im Jahr 2018 führte der Gesetzgeber eine bereits von den Insolvenzgerichten geübte Praxis in die InsO ein.71) Das StaRUG kennt keine vergleichbare Vorschrift für die Einsetzung des Restrukturie- 51 rungsbeauftragten. Ein Umkehrschluss, dass das StaRUG die Einsetzung in mehreren Verfahren verbieten würde, lässt sich dem Gesetz jedoch ebenso wenig entnehmen.72) Ob ein und dieselbe Person als Restrukturierungsbeauftragter in mehreren Gruppenverfahren eingesetzt werden kann, ist unter den gegebenen Kriterien, namentlich der Unabhängigkeit von Schuldner und Gläubigern, zu beurteilen. 2.5

Rechtsträgerbezogener Restrukturierungsplan

Der Restrukturierungsplan ist das Herzstück der Sanierung unter dem StaRUG (siehe dazu 52 oben Berner/Werner, HRI I, § 19 Rz. 1 ff.). Er ist das wesentliche Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens. Die Umgestaltung der Rechtsverhältnisse ermöglicht der Gesetzgeber ausschließlich unter dem Instrument des Restrukturierungsplans. Noch im Gesetzesentwurf war vorgesehen, dass auch das Restrukturierungsgericht rechtsgestaltend gegenseitige und noch nicht erfüllte Verträge beenden kann; diese Vertragsbeendigung ist jedoch für die finale Beschlussfassung im Bundestag gestrichen worden.73) Ausgehend vom Rechtsträgerbezug sind für die Konzernrestrukturierung zwei Aspekte hervorzuheben: 2.5.1 Selektiver gesellschaftsübergreifender Eingriff in Drittsicherheiten Der Gesetzgeber beschreitet mit dem SanInsFoG Neuland und lässt erstmals den Eingriff 53 in Sicherheiten von verbundenen Unternehmen durch den Restrukturierungs- oder Insolvenzplan zu (zum Begriff des verbundenen Unternehmens, siehe oben Rz. 22). Die beschränkte Reichweite des Insolvenzplans war seit längerem kritisiert worden hinsichtlich ___________ 71) RegE zu Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 30 – mit dem Hinweis, dass auch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters allgemein anerkannt war. 72) Ebenso Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 108 f. 73) Vgl. Beschlussempfehlung d. Ausschusses R/V z. § 31 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG, BT-Drucks. 19/25303, S. 32. Krit. hierzu Schülke, DStR 2021, 621, 625.

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der fortbestehenden Risiken bei Konzernsituationen.74) Die Neuerung findet Einzug parallel in die InsO (§ 217 Abs. 2 InsO) wie auch das StaRUG (§ 2 Abs. 4 StaRUG). Zur Absicherung dieser Möglichkeit erlaubt § 49 Abs. 3 StaRUG die Anwendung der Stabilisierungsinstrumente auch im Hinblick auf gruppeninterne Drittsicherheiten. 54 Folglich können Rechte von verbundenen Unternehmen in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, die als Bürge, Mitschuldner oder aufgrund einer anderweitig übernommenen Haftung oder an Gegenständen ihres Vermögens gegen das verbundene Unternehmen gerichtet sind. Der Anwendungsbereich ist im StaRUG weiter gefasst worden, als dies noch unter dem Regierungsentwurf vorsehen war; lediglich die Rechte gegen Tochterunternehmen i. S. des § 290 HGB sollten nach dem Regierungsentwurf gestaltbar sein.75) 55 Sieht der Restrukturierungsplan Eingriffe in diese Rechte vor, so ist der Eingriff angemessen zu kompensieren (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StaRUG). Der Restrukturierungsplan muss die Verhältnisse und Änderungen entsprechend darstellen (§ 6 Abs. 3 bzw. § 7 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Die Rechte der betroffenen Gläubiger werden über das Erfordernis von eigenständigen Gruppen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG) geschützt. § 26 Abs. 2 StaRUG stellt ausdrücklich klar, dass eine Annahmefiktion bei Nichterreichen der 75 % Zustimmungsquote in der betroffenen Gruppe nur bei entsprechender Entschädigung erfolgt. Einzelnen Gläubigern ist zudem der Minderheitenschutz über § 64 Abs. 1 StaRUG eröffnet bei Verstoß gegen die Entschädigungspflicht. Weder die InsO noch das StaRUG enthalten Regelungen zum Konflikt, welchem Verfahren der Vorrang gebührt, sollten beide betroffenen Gesellschaften einen Insolvenz- oder Restrukturierungsplan vorschlagen. 56 Im Hinblick auf die akzessorische Schuld wird aufgeworfen,76) ob die Reduktion der Hauptschuld gegen den Schuldner nicht ohnehin den gegen das verbundene Unternehmen vollstreckbaren Sicherungsbetrag reduziert. Auf § 2 Abs. 4 StaRUG müsste in diesem Fall nicht zurückgegriffen werden, da das StaRUG gerade keine Durchbrechung der Akzessorietät wie § 254 Abs. 2 InsO anordnet.77) 2.5.2 Gestaltung multilateraler Verhältnisse 57 Abschließend sei auf eine neue Gestaltungsregel für multilaterale Schuldverhältnisse hingewiesen. Diese Regelung des § 2 Abs. 2 StaRUG ist nicht spezifisch gruppenbezogen, sondern betrifft die Rechtsverhältnisse von Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften insgesamt (siehe ausführlicher Barnert, HRI I, § 22 Rz. 52 ff.). Es können nach § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 StaRUG bestimmte Bestimmungen etwa von Anleihebedingungen oder Schuldscheinen geändert werden. Satz 3 erweitert die Eingriffsmöglichkeit über die Verbindlichkeit hinaus auf Absprachen zwischen den Gläubigern. Diese Regelung dürfte nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 4 StaRUG auch in Bezug auf verbundene Unternehmen gelten.78) Damit stehen die bei Konzernfinanzierung üblichen Intercreditor-Vereinbarungen (siehe oben Rz. 17) im Zugriff des Restrukturierungsplans. Auf die Grenzen bei internationalen Sachverhalten wird unten, siehe Prusko, HRI I, § 42 Rz. 46 f., eingegangen.

___________ 74) Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 217 ff. Rz. 36 ff. 75) S. die Beschlussempfehlungen d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25303, S. 18. Hierzu auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 39. 76) Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46, 47. 77) Im Verhältnis zu dem Drittschuldner bestehen die Verbindlichkeiten als sog. Naturalobligationen fort, können als erfüllt werden ohne ein Risiko der Rückforderung/Kondiktion, vgl. Lüer/Streit in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rz. 18. 78) Knapp/Wilde/Tresselt in: Morgen, StaRUG, § 2 Rz. 61; Prusko in MünchKomm-StaRUG, § 2 Rz. 70.

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Das Restrukturierungsverfahren im Konzern

Nach der Konzeption des StaRUG hat die Schuldnergesellschaft weitreichende Gestaltungs- 58 mittel für den Ablauf des Restrukturierungsverfahrens. Außerhalb der gesetzlichen Antragspflicht des Insolvenzverfahrens kann die Schuldnergesellschaft etwa den Zeitpunkt der ersten gerichtlichen Entscheidung flexibel bestimmen. Der Antrag hat für die Schuldnergesellschaft und die gesellschaftsrechtliche Struktur keine vergleichbar einschneidenden Auswirkungen. Bestimmte Einschränkungen gelten bei Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten. Für das Restrukturierungsverfahren im Konzern ergeben sich aus den allgemeinen und gruppenspezifischen Regelungen im StaRUG folgende Wesenselemente: 1.

Konzernleitung und deren Einschränkung

Aus Sicht der Konzernleitung ist zunächst zu bestimmen, in welcher Weise die Leitungs- 59 macht durch die Obergesellschaft und die bestehenden weiteren Governance-Strukturen durch die Einleitung einer Restrukturierung nach StaRUG beeinträchtigt werden. Dabei ist im Einklang mit dem Ablauf des Restrukturierungsverfahrens des Weiteren zu unterscheiden, ob die Restrukturierungssache bereits anhängig ist.79)  Vor Anhängigkeit: Der Restrukturierungsplan kann nach dem StaRUG ohne gerichtliche Einbindung vorbereitet, mit den Gläubigern besprochen und zur Abstimmung gebracht werden. In dieser vorgerichtlichen Phase kommt das Gericht erst bei der Planbestätigung zum Zuge. In dieser Phase bleibt es bei der üblichen Governance, insbesondere bei der über die Gesellschafterstellung der herrschenden Gesellschafter vermittelten Position in der Unternehmensgruppe. Die Vorbereitung wie auch Umsetzung einer Restrukturierung mit Ausarbeitung des Konzeptes und Wahl der Instrumente liegt im regulären Ermessen der Konzernleitung unter Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Grenzen. Den im Entwurf noch vorgesehenen Shift of fiduciary Duties, also eine Verschiebung der Treuepflichten zugunsten der Gläubiger, hat der Gesetzgeber im Vorfeld der Restrukturierung nicht in das StaRUG übernommen.80) Das mittels Unternehmensverträgen bestehende Leitungsrecht besteht weiterhin fort, für eine Beendigung oder wesentliche Einschränkung ist regelmäßig in diesem außergerichtlichen Stadium kein Anlass. Freilich gilt, dass die Geschäftsführer diese üblicherweise krisennahe Situation bei der Bewertung, etwa der Werthaltigkeit eines Anspruchs gegen die Obergesellschaft, in Betracht zu ziehen (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GmbHG) haben. Die entlastende Wirkung von Gesellschafterbeschlüssen findet für die Geschäftsführer zudem in § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG seine Grenzen.  Differenzierter stellt sich das Bild dar, wenn die Restrukturierungssache anhängig ist. Ab gerichtlicher Anhängigkeit der Restrukturierungssache sind die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren (§§ 32 Abs. 1, 43 Abs. 1 StaRUG)81). Dabei ist die Gesamtheit der Gläubiger weiterhin auf den betroffenen Rechtsträger zu beziehen, eine Ausweitung des Pflichtenkreises auf die weiteren Gläubiger im Konzern ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Aus diesem Bruch kann sich ein Spannungsverhältnis ergeben, wenn – zumindest vermeintlich – die Interessen der Gläubiger auf Ebene einer bestimmten Gesellschaft von den Interessen der Unternehmensgruppe insgesamt oder jedenfalls anderer wesentlicher Gruppengesellschaften abweichen. Im Hinblick auf die Leitungsmacht unter den Unternehmensverträgen sind die Auswirkungen zu ___________ 79) Vgl. zu dieser Diskussion Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105 ff. 80) Vgl. die Streichung von §§ 2, 3 StaRUG-E durch die Beschlussempfehlung d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25303, S. 15 f.; dazu Bea/Dressler, NZI 2021, 67. 81) Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 106, weisen auf den unklaren Konflikt zwischen Weisungsgebundenheit und Gläubigerschädigung aufgrund des Fehlens einer gläubigerschützenden Vorschrift im StaRUG vergleichbar mit § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, § 15b Abs. 4 Satz 3 InsO hin.

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prüfen, wenn die Restrukturierungssache jedenfalls auf Ebene der herrschenden Gesellschaft anhängig ist: Während im Insolvenzverfahren die Ansicht vorherrscht, dass Unternehmensverträge durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet oder jedenfalls Verpflichtungen suspendiert werden,82) dürfte die Restrukturierungssache selbst jedenfalls nicht zu einer Beendigung führen. Zu einer – wie in der BGH-Entscheidung angenommenen83) – Zweckänderung der herrschenden Gesellschaft kommt es durch das StaRUG-Verfahren regelmäßig nicht. Wenn zudem für die abhängige Gesellschaft ein Restrukturierungsverfahren anhängig ist, wird zu prüfen sein, inwiefern die Befolgung der Weisungen ggf. mit den Interessen der Gläubiger kollidiert und zurückgewiesen werden kann. 60 Hieraus ergibt sich ein gewisses Spannungsverhältnis für die Konzernleitung im StaRUGVerfahren in der Unternehmensgruppe. Sofern keine gerichtlichen Maßnahmen vor Planbestätigung erforderlich sind, greifen die strengeren Haftungsvorschriften des StaRUG nicht. Spätestens jedoch bei Inanspruchnahme der gerichtlichen Planbestätigung (§§ 29 Abs. 2 Nr. 4, 32 Abs. 1, 3 StaRUG) finden die Schutzpflichten zugunsten der Gläubiger Anwendung. Praktisch sollte dies i. S. der Restrukturierung der Unternehmensgruppe nur beschränkten Einfluss auf die Inhalte des Restrukturierungsplans (siehe zu den Planvariationen unten Rz. 70) haben.84) Die Gefahr, dass die Geschäftsleiter gegen die Gläubigerinteressen verstoßen, nämlich der „gebotene Krisenbewältigungsprozess missbraucht“85) wird, ist strukturell bei einer lauteren Restrukturierung gering: Formell kommt den Gläubigern i. R. der Planabstimmung die Letztentscheidung über die Annahme des Plans auf Ebene des betroffenen Rechtsträgers zu. Die Risiken, manifest gegen deren Interessen zu verstoßen, sind damit regelmäßig bereits durch die Konzeption des StaRUG und die verfügbaren Rechtsmittel adressiert. Zudem – und die Ausprägung ist von der Situation im Einzelfall abhängig – ist ein koordiniertes Vorgehen in der Unternehmensgruppe im Interesse der Wertmaximierung und damit üblicherweise auch im Interesse der Gläubigergesamtheit. Der Nachweis eines durch koordiniertes Vorgehen hervorgerufenen Nachteils dürfte damit meist mit hohen Anforderungen einhergehen. 2.

Bestimmung des Restrukturierungsgerichts

61 Wie dargestellt (siehe oben Rz. 48) ermöglicht das StaRUG für unterschiedliche Gesellschaften mit COMI in Deutschland die Begründung eines einheitlichen Gerichtsstands. Für die Wahl des zuständigen Restrukturierungsgerichts unter § 37 StaRUG gilt das Prioritätsprinzip.86) In zeitlicher Hinsicht begründet die erste gerichtliche Entscheidung gemäß § 36 StaRUG die gerichtliche Zuständigkeit. Je nach Zeitpunkt der ersten gerichtlichen Anrufung (z. B. Sicherungsmaßnahmen oder auch erst zur Planbestätigung) kann mithin auch der Gruppengerichtsstand beantragt werden. 62 Für die Planung des Gruppengerichtsstands kommt dieser ersten Gerichtsentscheidung in der Unternehmensgruppe mithin wesentliche Bedeutung zu.87) Maßgeblich in die Entscheidung werden die Erfahrungswerte bei bestimmten Gerichten mit Gruppensachen in die Erwägungen miteinfließen. Wenngleich die Parameter für die Bestimmung des Gerichts___________ 82) Vgl. noch zur Konkursordnung BGH v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1327 = ZIP 1988, 229; Specovius/van Wilcken in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 95 Rz. 87 ff. m. w. N. Ausführlich Vallender, NZI 2020, 761 ff. 83) BGH v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1327 = ZIP 1988, 229. 84) Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 106 f., plädieren gar für ein weites Gläubigerverständnis. 85) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. § 34 Abs. 1 StaRUG-E (§ 32 StaRUG), BR-Drucks. 619/20, S. 155. 86) Pannen in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, § 37 Rz. 12; Baumert in: Braun, StaRUG, § 37 Rz. 1. 87) Sollte sich der geeignete Gruppengerichtsstand erst später herauskristallisieren, können über die Verweisung die Verfahren entsprechend gebündelt werden, § 37 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 3d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 InsO.

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stands gesetzlich vorgegeben sind, sollten etwaige Unsicherheiten frühzeitig adressiert werden. Der Antrag auf Gruppengerichtsstand kann bei Zweifeln abgelehnt werden, dass die Konzentration im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt (§ 3a Abs. 2 InsO). Ist beabsichtigt, das Gericht erst zur Bestätigung von Restrukturierungsplänen anzurufen, 63 so liegt es nahe, die Gruppenzuständigkeit bereits vor einem Antrag etwa auf Planbestätigung zu klären. Eine Gerichtsentscheidung kann bspw. durch die gerichtliche Vorprüfung, als die Vorklärung von für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblichen Fragen, herbeigeführt werden (§§ 29 Abs. 2 Nr. 2, 47 f. StaRUG). 3.

Restrukturierungsbeauftragter

Im Ausgangspunkt hat das StaRUG – anders als die InsO – keine Sonderregeln für die 64 Einsetzung des Restrukturierungsbeauftragten in der Unternehmensgruppe (siehe dazu oben Rz. 50). Das Erfordernis und die Möglichkeit der Einsetzung ist für jede Gesellschaft im Restrukturierungsverfahren individuell nach §§ 73 ff. StaRUG zu bestimmen (siehe Fritz, HRI I, § 11 Rz. 25 ff.). Zunächst ist die Unternehmensgruppe für die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragen 65 zum einen dahingehend relevant, als das Gericht diesen zur Prüfung der angemessenen Entschädigung bei einem Eingriff in gruppeninterne Sicherungsrechte bestellen kann (§§ 73 Abs. 3 Nr. 2, 76 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 StaRUG). Auch in diesem Fall geht jedoch die Rechtsstellung des Restrukturierungsbeauftragten nicht über das eigentliche Schuldnerverfahren hinaus, der Restrukturierungsbeauftragte ist nur im Verfahren der einen Schuldnergesellschaft bestellt, die von der Möglichkeit des Eingriffes Gebrauch macht. Sofern die Einsetzung eines einheitlichen Restrukturierungsbeauftragten aus anderen Grün- 66 den ausnahmsweise erforderlich sein sollte, ist eine einheitliche Person für mehrere Gesellschaften zu erwägen. Regelmäßig wird bei einer reinen Finanzrestrukturierung bereits kein Erfordernis gemäß § 73 StaRUG vorliegen. Auch ohne ausdrückliche Regelung eines „Gruppen-Restrukturierungsbeauftragen“ sollte in diesem Fall dessen Einsetzung im Grundsatz zulässig sein, wie dies für die InsO vor Einführung der Gruppenvorschriften anerkannt war (siehe dazu oben Rz. 51). Entsprechend den anerkannten Grundsätzen für den Insolvenzverwalter88) lässt die Bestellung in mehreren Verfahren alleine die Unabhängigkeit nach § 74 Abs. 1 StaRUG nicht entfallen. Im Rahmen des StaRUG ist ein solcher Interessengegensatz im Hinblick auf die beschränkten Aufgaben regelmäßig nicht anzunehmen; die mögliche Einsetzung bei Eingriff in gruppeninterne Sicherheiten zeigt zudem, dass ein Restrukturierungsbeauftragter ohnehin die Gläubigerinteressen auch im Hinblick auf andere Gesellschaften im Auge haben darf oder gar muss. Es ist im Interesse der Verfahrenseffizienz, im Grundsatz von einer einheitlichen Person für mehrere Verfahren in der Gruppe auszugehen. 4.

Stabilisierungsanordnungen

Die Instrumente der Stabilisierung sind im Grundsatz rechtsträgerbezogen. Die schuld- 67 nerische Gesellschaft kann zur Absicherung des Restrukturierungsverfahrens das Restrukturierungsgericht anrufen (§ 49 Abs. 1). Das Gericht untersagt sodann die Vollstreckung oder stellt diese einstweilig ein (Vollstreckungssperre); zudem kann es die Durchsetzung von Sicherungsrechten an beweglichem Vermögen durch die Gläubiger unterbinden bzw. ___________ 88) RegE zu Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/407, S. 30, verweist auf ein Entfallen, wenn konzerninterne Interessenkonflikte die Unabhängigkeit des Verwalters gefährden und diese durch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters nicht ausreichend begegnet werden kann.

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dem Schuldner deren Einsatz ermöglichen, soweit diese von erheblicher Bedeutung sind (Verwertungssperre). 68 Eine über den Rechtsträger hinausgehende Kompetenz hat das Restrukturierungsgericht nach § 49 Abs. 3: Die vorgenannten Anordnungen können zugunsten von mithaftenden verbundenen Unternehmen zur Absicherung des Eingriffs in gruppeninterne Rechte erlassen werden. Hier kann es zu einer sich überschneidenden Kompetenz kommen, wenn über die zweite Gruppengesellschaft ebenfalls ein Restrukturierungsverfahren anhängig ist. 69 Neben diesem gesetzlich geregelten Sonderfall dürfte regelmäßig kein Raum für die Anwendung der Stabilisierungsinstrumente über die konkrete Schuldnergesellschaft hinaus sein. Vielmehr ist auf Grundlage des Gruppengerichtsstands ein koordiniertes Vorgehen des zuständigen Restrukturierungsgerichts geboten, sollte die Anwendung derartiger Maßnahmen zur Verwirklichung der Restrukturierungsziele i. R. des § 49 Abs. 1 StaRUG erforderlich sein. Die erheblichen gruppeninternen Aspekte sind entsprechend bei der Antragstellung des jeweiligen Rechtsträgers aufzunehmen. V.

Der Restrukturierungsplan im Konzern

70 Der Restrukturierungsplan ist das Herzstück des StaRUG-Verfahrens. Die Instrumente unter dem StaRUG sind auf die erfolgreiche Umsetzung des Plans zugeschnitten. In einem frühen Stadium ist der Plan selbst noch nicht erforderlich, das Gesetz verlangt aber jedenfalls ein Konzept für die Restrukturierung, aus welchem sich das Restrukturierungsziel und die dafür erforderlichen Maßnahmen ergeben (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Dieses Konzept ist für den ersten Zugang zum Gericht, etwa auch für Stabilisierungsanordnungen nach § 49 Abs. 1 StaRUG, Voraussetzung (ausführlich zum Konzept siehe Holzer, HRI I, § 7 Rz. 44 ff.). 71 Mithin muss für die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens die Umsetzbarkeit der kommerziellen Ziele im Restrukturierungsplan bereits tragender Teil der Analyse sein. Für ein Konzept bzw. den Plan einer Unternehmensgruppe gibt es unterschiedliche Varianten. Je nach Fallkonstellation sind ein oder mehrere Restrukturierungspläne auf unterschiedlichen Ebenen in der Unternehmensgruppe denkbar. Dabei erlauben die Durchbrechungen des Rechtsträgerbezugs (siehe oben Rz. 42) Gestaltungen in der Unternehmensgruppe über die einzelne Gesellschaft hinaus in nur einem Restrukturierungsplan. Sollen umfangreichere Finanzierungsmaßnahmen über verschiedenen Gesellschaften hinweg koordiniert umgesetzt werden, müssen mehrere Pläne in Abstimmung aufeinander umgesetzt werden. 1.

Der Restrukturierungsplan der Obergesellschaft

72 Der Ausgangspunkt ist üblich die Prüfung, ob eine Restrukturierung durch Maßnahmen lediglich auf Ebene der Obergesellschaft umgesetzt werden kann. Aus Gründen der Verfahrenseffizienz und der geschilderten Friktionen mehrerer Verfahren ist die Beschränkung auf ein Restrukturierungsverfahren regelmäßig vorzugswürdig, wenn dies bereits zur Erreichung der Ziele hinreichend ist. Das operative Geschäft der Tochtergesellschaften wird hierdurch möglichst gering beeinträchtigt. Indirekte Kosten etwa durch Verunsicherung von Kunden oder Mitarbeitern sollen vermieden werden. Die Möglichkeit zum Eingriff in die gruppeninternen Sicherheiten ist ein wesentliches Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. 73 Der Restrukturierungsplan der Obergesellschaft kann insbesondere in dem Fall bereits hinreichend sein, wenn dort die wesentliche zentralisierte Finanzierung angesiedelt ist. Teil des Plans können zudem bestimmte Ansprüche innerhalb der Gruppe sein. Für die erforderliche Bewertung ist auf der Vermögensseite zunächst lediglich der Wert der Obergesellschaft relevant, darunter die Beteiligungen an und Forderungen gegen Tochtergesellschaften. Diese fließen damit in die Wertbemessung ein. Im Rahmen des Eingriffs in gruppeninterne Drittsicherheiten ist zudem der Wert bestimmter einzelner Gruppengesellschaften erheblich. 956

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Konzernrestrukturierung unter dem StaRUG 1.1

§ 41

Ausgangspunkt für die Finanzrestrukturierung

Für eine Restrukturierung mit Fokus auf die Finanzverbindlichkeiten ist der Restruktu- 74 rierungsplan auf Ebene der Obergesellschaft der typische Ausgangspunkt. Der Restrukturierungsplan auf Ebene der Obergesellschaft ist besonders relevant, wenn hier die üblichen Finanzierungsinstrumente wie Bankkredit oder Schuldscheine aufgesetzt sind, sei es auch strukturiert über mehrere Instrumente mit Intercreditor-Vereinbarungen (siehe oben Rz. 17). Die verbreitete Struktur der Akquisitionsfinanzierung sei hierbei gesondert hervorgehoben: In einfacheren Fällen beschränkt sich die Struktur auf eine Kombination von Termin- und Betriebsmittelkreditlinien; je nach Komplexität finden sich Terminkreditlinien mit unterschiedlichem Rang oder weitere Instrumente wie hochverzinsliche (High-Yield)Anleihen.89) Für Zwecke dieses Kapitels wird die Anwendbarkeit deutschen Rechts bei in Deutschland 75 ansässigen Tochtergesellschaften angenommen. Praktisch ist freilich die Wahl von oder Kombinationen mit englischem oder U.S.-Recht und einer europäisch oder international verzweigten Gesellschaftsstruktur regelmäßig vorzufinden. Auf die damit einhergehenden internationalen Besonderheiten geht das nachfolgende Kapitel ein. Im Hinblick auf die Restrukturierung innerhalb der Unternehmensgruppe sind die fol- 76 genden Aspekte hervorzuheben: 

Gruppeninterne Drittsicherheiten: Für den Plan der Obergesellschaft erweitert der optionale Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten nach dem StaRUG die vorhandenen Gestaltungsoptionen.90) Bei Akquisitionsfinanzierungen etwa sind die von Tochtergesellschaften begebenen Schuld- oder Vertragsbeitritte als zusätzlicher Schuldner, Garantiegeber oder Sicherungsgeber relevant.91) Diese Verhältnisse sind typischerweise von § 2 Abs. 4 StaRUG umfasst.92) Sieht der Restrukturierungsplan einen solchen Eingriff vor, sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG eigenständige Gruppen zu bilden. Bei umfassenderen Finanzierungen kommen mithin mehrere Gruppen in Betracht.93) Der Maßstab sollte auch hier die unterschiedliche Rechtsstellung (§ 9 Abs. 1 StaRUG) sein: Je nach Ausgestaltung der Sicherheiten können die Anrechte durchaus erhebliche Unterschiede vorweisen und eine gesonderte Einteilung gebieten. Oftmals etwa ist der Sicherheitentreuhänder der Begünstige der Sicherungsabrede,94) Garantien werden zugunsten der einzelnen Kreditgeber bestellt. Der Restrukturierungsplan hat eine angemessene Entschädigung für die Eingriffe vorzusehen, die wiederum für die Planbestätigung gegen den Willen der Betroffenen Voraussetzung ist (§ 26 Abs. 2 StaRUG). Der Restrukturierungsbeauftragte kann zur Prüfung der Angemessenheit durch das Gericht bestellt werden (§ 73 Abs. 3 Nr. 2 StaRUG). Der Bestimmung der Angemessenheit kommt bei derartigen Eingriffen in einem kontroversen Umfeld mithin entscheidende Bedeutung zu. Die Bestimmung ist gesetzlich nicht näher festgelegt; maßgeblich ist entsprechend nach den allgemeinen Maßstäben eine Bewertung des jeweiligen Rechtever-

___________ 89) Diem/Jahn, Akquisitionsfinanzierung, Teil A Überblick § 5 Rz. 1 ff.; Ingenhoven in: Jesch/Striegel/ Boxberger, Rechtshandbuch Private Equity, § 15. 90) Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46, und Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 38. 91) Diem/Jahn, Akquisitionsfinanzierung, Teil F § 41 Rz. 2 ff. 92) Zur Bereinigung der Haftungsverhältnisse kann es zudem angezeigt sein, die Restrukturierung gesetzlicher Mithaftungsansprüche gegen Tochtergesellschaften zu prüfen. Solche entstehen etwa als Resultat von umwandlungsrechtlichen Maßnahmen im Konzern: So haftet ein Rechtsträger i. R. einer Spaltung gesamtschuldnerisch (§ 133 UmwG) für solche Verbindlichkeiten, die dem anderen Rechtsträger zugewiesen werden, soweit diese bereits begründet waren und innerhalb von fünf Jahren fällig werden. 93) Parzinger/Knebel in: MünchKomm-StaRUG, § 9 Rz. 79. 94) Diem/Jahn, Akquisitionsfinanzierung, Teil I § 52 Rz. 24.

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lusts.95) Hier ist das Entity Priority Model (EPM) ein etablierter Standard (siehe dazu unten Rz. 92 ff.). Multilaterale Vereinbarungen: Die Attraktivität des StaRUG-Restrukturierungsplans für Konzernfinanzierungen wird durch die Erweiterung in § 2 Abs. 2 StaRUG gesteigert. Sowohl vertragliche Einzelbestimmungen aus Konsortialfinanzierungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 StaRUG) als auch aus Schuldverschreibungen oder Schuldscheindarlehen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 StaRUG) sind erfasst (siehe ausführlich oben Rz. 57).96) Regelmäßig wird dabei auch von der Möglichkeit, die Nebenbestimmungen, wie sie in Intercreditor-Vereinbarungen enthalten sind, zu ändern, Gebrauch zu machen sein (§ 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG).97) Nicht ausdrücklich regelt das Gesetz, welche Wirkung derartige Änderungen im Hinblick auf sonstige Gruppengesellschaften entfalten, die – sofern sie Sicherheiten stellen oder in den Haftungsverbund einbezogen sind – Partei solcher Vereinbarungen sind. Im Sinne der Effektivität der Vorschrift im Zusammenspiel mit den Eingriffsbefugnissen des § 2 Abs. 4 StaRUG sprechen gute Gründe für eine Erstreckung der Gestaltungswirkung (siehe oben Rz. 57). Spiegelbildlich sollte der Plan den Ausgleich unter Berücksichtigung solcher Vertragsänderungen bemessen. Praktisch liegt bei der Verhandlung mit den Gläubigergruppen hier ein Schwerpunkt der Vorarbeiten des Restrukturierungsplans. Neue Finanzierung: Eine neue Finanzierung wird regelmäßig Bestandteil der Restrukturierung sein, die auch im Plan nach § 12 StaRUG abgebildet werden kann und unter § 89 StaRUG anfechtungsrechtlich privilegiert ist. Eine solche kann etwa über die Erweiterung bestehender oder Einziehen einer vorrangigen Liquiditätslinie erfolgen.98) Die Zusagen der Betroffenen sind gesondert beizubringen sowohl im Hinblick auf die Kreditgeber als auch die Sicherungsgeber. Die Eingriffsvorschriften in gruppeninterne Drittsicherheiten zielen nicht darauf ab, neue Sicherheiten durch andere Gruppengesellschaften ohne deren Zustimmung zu bestellen. Eine neue Finanzierung kann ggf. jedoch bereits unter den bestehenden Finanzierungsverträgen zulässig sein und dem Sicherungszweck unterfallen, ohne dass es einer Vertragsänderung dahingehend bedürfte. Finanzzusagen Dritter können auch dazu eingesetzt werden, eine bestimmte Art der Restrukturierung umzusetzen. Da gegen den Willen eines Gläubigers keine Anteilsrechte zugeteilt werden dürfen (§ 7 Abs. 4 Satz 2 StaRUG), können Debt-to-EquityGestaltungen unter einem Restrukturierungsplan unterschiedliche Instrumente für die Gläubiger zur Auswahl stellen. Ist ein Barbetrag in bestimmter Höhe zu finanzieren, kann dieser von Dritten als sog. Backstop, also als variabler Betrag mit Höchstgrenze zugesagt werden. Je nach Auswahl ist diese Zusage zu ziehen. Restrukturierung gruppeninterner Forderungen gegen die Obergesellschaft

77 Neben Finanzierungsforderungen können Forderungen der Tochtergesellschaften gegen die Mutter als Verbindlichkeiten zu berücksichtigen zu sein. Die Gesellschaften treten damit selbst als Gläubiger auf. Sondervorschriften für die Gruppeneinteilung bei gruppeninternen Gläubigern sieht das StaRUG nicht vor. 78 Stimmen die Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft selbst im Restrukturierungsplan ab, stellt sich die Frage einer möglichen Pflichtenkollision zwischen Weisungsmacht der Mutter und den selbständigen Interessen der Tochtergesellschaft als eigenständiger Rechtsträger. Hier gilt das oben Gesagte zu den Pflichten der Geschäftsleiter (siehe Rz. 59). Das ___________ 95) So auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 55. 96) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 124; speziell zu Schuldverschreibungen s. Luerken, ZIP 2021, 1305. 97) Vgl. Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 125; so auch Esser in: Braun, StaRUG, § 2 Rz. 17. 98) Parzinger/Knebel in: MünchKomm-StaRUG, § 12 Rz. 122.

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Erreichen des Restrukturierungsziels, namentlich das Fortbestehen des Konzerns unter einer stabilen Obergesellschaft ist in die Abwägung einzubeziehen. Im Hinblick auf die Tochtergesellschaften sind bestimmte Ansprüche gegen die Oberge- 79 sellschaft zu berücksichtigen. Aus der Konzernierung resultieren regelmäßig besondere Verbindlichkeiten, die für die Aufstellung des Restrukturierungsplans einzubeziehen sind:  Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG: Bestehen ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag, so hat die Muttergesellschaft den Jahresfehlbetrag der Tochtergesellschaft auszugleichen (§ 302 Abs. 1 AktG). Der Anspruch kann üblich erst drei Jahre nach beendetem Unternehmensvertrag mittels Verzichts oder Vergleichs restrukturiert werden (§ 303 Abs. 3 Satz 1 AktG).99) Abweichendes gilt über einen sog. Abwendungsvergleich (§ 303 Abs. 3 Satz 2 AktG): Hier hat der Gesetzgeber neben dem bereits geregelten Insolvenzplan auch den Restrukturierungsplan im Zuge des SanInsFoG in das AktG aufgenommen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll über diese Gleichstellung des Restrukturierungsplans mit dem Insolvenzplan die abhängige Gesellschaft einen Beitrag für die Restrukturierung der herrschenden Gesellschaft leisten können.100)  Ausgleichsansprüche: Auch außerhalb der Beherrschungsverträge kann die abhängige Gesellschaft Vorteilsausgleich oder Ersatz gegen die herrschende Gesellschaft für solche Schäden verlangen, die ihr aus der Veranlassung von nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen (§§ 311, 317 AktG) entstanden sind. 2.

Der Restrukturierungsplan einer Konzernunter- oder -mittelgesellschaft

Ist die zu restrukturierende Finanzierung nicht gebündelt auf der Obergesellschaft oder 80 ist jedenfalls nur eine bestimmte Unter- oder Mittelgesellschaft in der Gruppe betroffen, kommt eine insolierte Restrukturierung der entsprechenden Gesellschaft in Betracht. Im Grunde orientiert sich das Vorgehen an den dargestellten Grundsätzen. Entsprechend ist auf wenige Besonderheiten gegenüber der erstgenannten Fallgruppe, wenn Gegenstand des StaRUG-Verfahrens eine Mittel- oder Untergesellschaft in der Gruppe ist, hinzuweisen. 2.1

Stellung der Obergesellschaft im Verfahren und Plan

Aus Konzernsicht ist die Stellung der Ober- oder anderer direkt übergeordneter Gesell- 81 schaften in der Funktion als Gesellschafter relevant. Bedeutung kommt dieser Rolle sowohl für das Restrukturierungsverfahren als auch den Restrukturierungsplan zu. Soll die Gesellschaft die Restrukturierung i. S. der Unternehmensgruppe verfolgen, müssen Planung und Ausführung das Zusammenspiel zwischen rechtlicher Eigenständigkeit und Konzernstellung in Einklang bringen:  Verfahren: Wie ausgeführt rücken insbesondere nach Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache die Interessen aller Gläubiger in den Vordergrund und sind bei Betreibung des Verfahrens zu beachten. Daraus können sich Grenzen für die Weisungsmacht der Obergesellschaft ergeben.  Restrukturierungsplan: Durch den Plan können nach § 2 Abs. 3 StaRUG die Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte gestaltet werden. Entsprechend ist nach der Konzeption des StaRUG die Einbeziehung optional. Eine eigene Gruppe für die Gesellschafter ist damit nicht zwingend, bei Einbezug sieht § 9 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG eine eigene Gruppe vor. Selbiges gilt mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG für etwaige nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangige Gesellschafterforderungen. Bei einem innerhalb des Konzerns abgestimmten Restrukturierungsplan ist ohnehin nicht davon auszugehen, dass die betroffene Ge___________ 99) Dazu etwa Schulz/Steiger, NZI 2016, 335. 100) Begr. RegE SanInsFoG z. AktG, BR-Drucks. 619/20, S. 258.

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sellschaft von der Möglichkeit des „Cram-down“, also der Annahmefiktion gegen den Willen einer Gruppe/von Gruppenmitgliedern nach § 26 StaRUG, Gebrauch machen. Freilich kann jedoch die Gesellschaftergruppe Teil der zustimmenden Gruppen sein, die eine solche gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung ermöglichen. Alleine kann diese eine einzige Gläubigergruppe nicht überstimmen (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 StaRUG). 2.2

„Wasserfall“ und Ausnahmen für den Konzernerhalt

82 Bei der Erstellung des Restrukturierungsplans ist der „Wasserfall“ zu beachten. Die Obergesellschaft ist dabei regelmäßig nachrangig im Plan der Tochtergesellschaft im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen und ihre Stellung als Anteilseigner (§ 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StaRUG)101). Die Gesellschafter dürfen im Grunde mit ihren Anteilen erst dann am Gesellschaftswert partizipieren, wenn die vorrangigen Gläubiger vollständig bedient sind.102) Dabei spielt es dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG nach keine Rolle, ob die Anteilseigner selbst eine planunterworfene Gruppe darstellen oder anderweitig unter dem Plan Werte erhalten. Anders als § 27 Abs. 2 StaRUG stellt Absatz 1 Nr. 2 nicht auf die Gruppe oder die Planbetroffenheit des Anteilseigners ab. 83 Dieses Kriterium stellt eine Herausforderung für eine integrierte Restrukturierung des Konzerns dar. Bricht der Wert – wie häufig in der Restrukturierung – oberhalb des Equity, wären die Gesellschafter „aus dem Geld“ und damit die Konzernverbindung über die Anteile unter dem Restrukturierungsplan auszuschließen. Zur Wertbestimmung siehe oben Graf-Schlicker/Denkhaus, § 34 Rz. 89 ff. 84 Das StaRUG normiert jedoch mit § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zudem, dass der Gesellschafter bei Wertausgleich weiterhin beteiligt bleiben kann. Leistet der Gesellschafter den unter dem Restrukturierungsplan erhaltenen Wert vollständig in das Vermögen des Schuldners, liegt bereits keine Schlechterstellung der Gläubiger in Abweichung der absoluten Priorität vor. Der Gesetzgeber hat damit eine Regelung vergleichbar mit der unter dem US Bankruptcy Code Chapter 11, als „new value exception“ bekannten Regelung, normiert.103) Der Begriff der Leistung in das Vermögen ist weiter gefasst, als es bspw. eine Zahlung verlangen würde. In der Konzernkonstellation stehen entsprechend vielseitige Möglichkeiten zu Verfügung, eine Leistung – jenseits der Zeichnung von Anteilen oder Zahlung in die Kapitalrücklage – zu begründen, vorausgesetzt die Leistung erfolgt in das Vermögen der Gesellschaft.104) Die engeren gesellschaftsrechtlichen Kriterien der Kapitalaufbringung werden diese nur zu erfüllen haben, wenn gleichzeitig über die Wertzufuhr eine Sacheinlage bewirkt werden soll. Eine Beschränkung ähnlich der Sacheinlage nach § 27 Abs. 2 AktG, § 5 Abs. 4 GmbHG enthält das StaRUG nicht. Gleichwohl ist der Wert für die Frage des Wertausgleichs zu ermitteln und für die Planbegründung erheblich. 85 Eine Durchbrechung zugunsten des Gesellschafters sieht ferner § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG vor: Liegen in der Person des Gesellschafters Umstände vor, die zur Verwirklichung des Planwerts unerlässlich sind, sieht das Gesetz die fortdauernde Beteiligung nicht als Verstoß bei der Wertverteilung zulasten vorrangiger Gläubiger. Die Person muss sich allerdings im Restrukturierungsplan zur Mitwirkung sowie hilfsweise zum späteren Wertersatz verpflichten. Erkennbar hat die Vorschrift den Charakter einer sehr eng zu fassenden Ausnahme. Ob diese Vorschrift vom persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich im Konzern Geltung erlangen kann, gibt das Gesetz nicht klar zu erkennen: Eine ausdrückliche Beschrän___________ 101) 102) 103) 104)

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Vgl. dazu AG Hamburg v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, Rz. 13 f., NZI 2021, 544. Dazu Herweg in MünchKomm-StaRUG, § 27 Rz. 24 ff. Dazu Prusko, Die Gesellschafterstellung in der Insolvenz, S. 74 f. m. w. N. Kowalewski/Praß in: Morgen, StaRUG, § 27 Rz. 58.

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kung auf natürliche Personen enthält die Vorschrift nicht. Die Gesetzesbegründung legt nahe, dass der Gesetzgeber den „geschäftsführenden Anteilsinhaber“105) vor Augen hatte, ohne dass diese Einschränkung Niederschlag im Gesetz gefunden hat. Entsprechend werden spezielles Know-how oder andere persönliche Fähigkeiten als derartig qualifizierende Umstände in sachlicher Hinsicht angeführt.106) Auch wenn bei juristischen Personen die Gesellschafterstellung regelmäßig substituierbar ist und damit die Anwendung der § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG ausschließen wird, ist in Konzernsituationen das Vorliegen derart spezieller Umstände jedenfalls denkbar. Die Bejahung wird jedoch – wenn überhaupt – sehr außergewöhnlichen Sachverhalten vorenthalten bleiben, zudem, nicht zuletzt im Hinblick auf die Übertragungsverpflichtung, üblicherweise keine gangbare Gestaltung sein. Zuletzt sieht § 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG vor, dass die fortdauernde Beteiligung der Gesell- 86 schafter nicht der angemessenen Beteiligung einer überstimmten Gruppe entgegensteht, wenn der Eingriff „lediglich“ in der Verschiebung der Fälligkeit um bis zu 18 Monate besteht. Dies eröffnet sicherlich verschiedene Gestaltungsvarianten, sofern etwa der Plan zur Überwindung von temporären Refinanzierungslücken herangezogen werden soll. 3.

Kombination von Restrukturierungsplänen

Bereits für den Insolvenzplan hat sich die Praxis von koordinierten Plänen im Konzern 87 entwickelt. Hiernach werden mehrere Insolvenzpläne inhaltlich aufeinander abgestimmt; die Regelung kann über eine verfahrensrechtliche Bedingung für die Planbestätigung (§ 249 InsO) aufgenommen werden107) oder als echte Rechtsbedingung i. S. von § 158 BGB.108) Mit diesem Mittel sollen die Schwächen des Einzelplans aufgrund der begrenzten Reichweite überwunden und die wertmaximierte Sanierung rechtsträgerübergreifend gleichwohl ermöglicht werden.109) Die Pläne erlangen folglich nur dann Wirkung, wenn die auf die anderen Pläne bezogenen Wirkungen ebenfalls eingetreten sind. Klar ist, dass diese Praxis unter Geltung des früheren § 254 Abs. 2 InsO entwickelt wurde, also ohne die jüngsten Erweiterungen auf Sicherheiten verbundener Unternehmen unter § 223a InsO zu berücksichtigen. Beide Wege stehen damit künftig zur Auswahl. Im Restrukturierungsverfahren ist eine solche Gestaltung ebenfalls denkbar. § 62 StaRUG 88 ermöglicht vergleichbar mit § 249 InsO110) die Aufnahme einer Bestätigungsbedingung. Eine Rechtsbedingung gemäß § 158 BGB wird alternativ als zulässig erachtet. Nun muss jedoch die Praxis zeigen, ob es für diese Gestaltung im Hinblick auf die Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten einen Anwendungsbereich im Restrukturierungsverfahren gibt. In der internationalen Gruppe kann sich dieser Weg über die Bedingung anbieten, wenn sich der Planersteller nicht auf die Erstreckung unter dem StaRUG auf die nicht in Deutschland belegenen Töchter einlassen kann oder will (siehe dazu unten Prusko, HRI I, § 42 Rz. 61). Das erhebliche Ereignis, auf das die Bedingung abstellt, kann schlicht die Annahme und 89 Wirksamkeit eines anderen Plans oder mehrerer anderer Pläne sein. Bei komplexeren Restrukturierungen kommen zudem bestimmte Annahmeschwellen in Betracht, etwa wenn es um die individuelle Zustimmung zur Anteilsübernahme geht. Praktisch werden solche ___________ 105) Begr. RefE SanInsFoG z. StaRUG, S. 140, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 16.1.2023); Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 144. 106) Herzig in: Braun, StaRUG, § 28 Rz. 10. 107) Geiwitz/v. Danckelmann in: BeckOK-InsR, § 249 InsO Rz. 3. 108) Brünkmans in: Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan, § 39 Rz. 33 ff. 109) Dazu Vallender, NZI 2020, 761, 765. 110) Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BR-Drucks. 619/20, S. 186: Die Aufnahme der Fristenregel von § 249 Satz 2 InsO ins StaRUG wurde als nicht geboten angesehen.

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Unwägbarkeiten durch Absprachen mit Ankerinvestoren abgesichert (Backstop Arrangement), die jedoch üblicherweise auf bestimmte Höchstbeträge begrenzt sind und daher eine Mindestteilnahme anderer Betroffener erfordern. 90 Die Koordination von Restrukturierungsplänen im Konzern wird durch die flexible Verfahrensführung unter dem StaRUG gegenüber dem Insolvenzverfahren wesentlich erleichtert. Die schuldnerische Gesellschaft selbst hat es in der Hand, die Abstimmung über den Restrukturierungsplan zu organisieren. Sie kann sich dabei technischer Möglichkeiten bedienen. Diese Freiräume erlauben es in der Praxis, auch komplexere Abstimmungs- und Auswahlentscheidungen den Gläubigern zu präsentieren und zur Wahl zu stellen. 91 Gestaltungsvariante: Über die Verknüpfung von Restrukturierungsplänen lässt sich jedenfalls eine Entschuldung über mehrere Gesellschaften hinweg erzielen. Vergleichbar mit der Agrokor-Restrukturierung können Forderungen einer Vielzahl von Gläubigern unterschiedlicher Gruppengesellschaften in einer neuen Holding gebündelt werden, die wiederum Gesellschafterin der Konzerntöchter wird. Eine solche Gestaltung bietet sich etwa an, wenn die verschiedenen Finanzierungskomponenten heterogen über die Konzerngesellschaften hinweg sind. Die neue Holding kann sodann Eigenkapital und/oder Schuldinstrumente ausgeben, die für den Gläubiger den entsprechenden Anteil am Gesamtkonzern vermitteln. Dabei können bestimmte Gläubiger etwa aufgrund der Art der Forderung oder unterhalb eines Forderungsbetrags (Kleingläubiger) durch Finanzierungsmittel neuer Investoren über einen Geldpool ausbezahlt werden. 4.

Allokation von Werten über das Entity Priority Model

92 Für die Umsetzung des Restrukturierungsplans oder mehrerer Restrukturierungspläne im Konzern ist die Allokation der Werte maßgeblich. Die Vernetzung der einzelnen Rechtsträger durch Innenfinanzierung und Beteiligungen wie auch die überlappenden Beziehungen sind eine Herausforderung für die Berechnung des „Wasserfalls“, also die Allokation der vorhandenen Werte auf die einzelnen Gläubigergruppen. Die Allokation der Werte in einem Going-Concern- oder Liquidationsszenario wiederum ist Grundlage für die Ermittlung der jeweilig konkreten Instrumente oder Zahlungen, die für die jeweilige Gruppe oder Art von Gläubigern vorzusehen ist.111) In der Verhandlung des Restrukturierungskonzepts mit den Gläubigergruppen kommt dieser Analyse daher maßgebliche Bedeutung zu. 93 Ein solches Entity Priority Model (EPM) ist mithin praktisch sowohl für die Verhandlungen der verschiedenen Stakeholder als auch für die rechtssichere Umsetzung wesentlich. So lassen sich in komplexen Strukturen Kompromisse zwischen den Gruppen im Wege der Verhandlung dann erzielen, wenn es einen gemeinsamen Referenzpunkt oder jedenfalls -rahmen für die verteilungsfähigen Werte und die Anrechte der jeweiligen Gruppen gibt. Die Verhandlungsposition wird freilich durch die Nichteinigungsalternative beeinflusst, die sog. BATNA (Best Alternative to a Negotiated Agreement): Die jeweils besten Alternativen der Verhandelnden bestimmen den Einigungsbereich, innerhalb dessen eine einvernehmliche Restrukturierungslösung möglich ist.112) Und hier kommt der Cram-downMechanismus unter dem StaRUG ins Spiel: Die gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung nach § 26 StaRUG erlaubt die Planbestätigung auch ohne die Zustimmung einer Gruppe, wenn u. a. keine Schlechterstellung durch den Plan erfolgt und die Gruppe angemessen am Planwert beteiligt ist (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StaRUG). Welche Wertschwellen jeweils erfüllt sein müssen, erfordert jedoch aufgrund der Konzernsituation eine gründliche ___________ 111) Zur modellhaften Auswirkung der Konzernstruktur auf die Verteilung s. etwa Moyer, Distressed Debt Analysis, S. 146 ff. 112) Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 490 f.; zum Einfluss von Insolvenzrecht auf die Verhandlungen s. Baird/Gertner/Picker, Game Theory and the Law, S. 232 ff.

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Analyse in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die nachvollziehbare Darstellung für Parteien und Gericht bspw. mittels eines sog. EPM. Praktisch ist dies nur durch enge Zusammenarbeit der unternehmensseitigen Ressourcen mit den wirtschaftlichen und rechtlichen Beratern zu erzielen. Folgende Parameter sind bei der Entwicklung des EPM im Konzern in Betracht zu ziehen: 

Going-Concern-Wert der Gruppe insgesamt und der jeweiligen Rechtsträger



Unterscheidung nach besicherten und unbesicherten Forderungen 







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Identifikation des jeweiligen relativen Rangs, sei es aufgrund von gesetzlicher Rangordnung (z. B. Gesellschafterdarlehen) oder infolge schuldrechtlicher Absprachen (Intercreditor Agreement)

Identifikation von Sicherungsrechten und Garantien 

Bestimmung der durchsetzbaren Beträge unter den Sicherungsrechten und Garantien im Hinblick auf kapital- und schuldrechtliche Beschränkungen unter der limitation language.



Bestimmung etwaiger Rückgriffsansprüche des Sicherungsgebers gegen den begünstigten Schuldner sowie deren rechtliche Behandlung. Vgl. etwa die Undurchsetzbarkeit derartiger Ansprüche nach § 254 Abs. 2 Satz 2 InsO.



In internationalen Gruppen können hier erhebliche Unterschiede zwischen den betroffenen Jurisdiktionen bestehen, die wiederum in die Berechnung einfließen werden.

Identifikation von Haftungsverbünden, insbesondere im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung (§ 421 BGB) und deren Behandlung. Die Kriterien für die Haftungshöhe sind herauszuarbeiten und anzuwenden. Hierin liegt praktisch eine erhebliche Herausforderung: 

Die Insolvenzordnung erlaubt etwa die Einforderung des Gesamtbetrags gegen jeden einzelnen Schuldner, vgl. § 43 InsO.



Das Innenverhältnis kann zu gleichen Teilen oder abweichend geregelt sein (§ 426 BGB).



Ausgleichsansprüche und deren Beschränkungen zwischen den Gesamtschuldner sind wiederum zu berücksichtigen (vgl. §§ 44, 254 Abs. 2 Satz 2 InsO).

Zuletzt sind die gesetzlichen Durchbrechungen unter dem StaRUG in die Analyse einzubeziehen, wie etwa die Wertung, dass eine Verschiebung der Fälligkeit um bis zu 18 Monate eine angemessene Beteiligung nicht ausschließt, selbst wenn die Gesellschafter beteiligt bleiben (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).

Praxisbeispiel: Als Beispiel soll die internationale Restrukturierung in den Jahren 2017 – 2019 95 des hauptsächlich in Kroatien ansässigen Lebensmittelkonzern Agrokor, 2019 unter dem Namen Fortenova fortgeführt, dargestellt werden. Im Zuge der Restrukturierung wurden Grundsätze der konzernweiten Wertallokation entwickelt, die öffentlich über das Internet abrufbar sind.113) Das sog. EPM-Guidebook verfährt nach folgenden Grundsätzen: 1. Verteilbare Werte setzen sich auf Ebene einer Gesellschaft wie folgt zusammen:114) a) Unternehmenswert auf der Grundlage von Bewertungsmethoden wie Discounted Cash Flow, multiples bzw. vergleichbare Markttransaktionen; ___________ 113) EPM (Entity Priority Model)-Guidebook, abrufbar unter https://nagodba.agrokor.hr/storage/2018/ 03/EPM-Guidebook-1.pdf (Abrufdatum: 16.1.2023). 114) EPM-Guidebook, Section 5.

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b) Barmittel über das erforderliche Working Capital hinaus; c) nicht betriebsnotwendige Vermögensgüter; d) gruppeninterne Forderungen; e) gruppeninterne Beteiligungen; f) besicherte Gegenstände werden in Abzug gebracht. 2. Den „Wasserfall“ beschreibt das EPM-Guidebook wie folgt: a) außerhalb des „Wasserfalls“ stehen vor Verfahrenseröffnung begründete besicherte Ansprüche, soweit sie vom Wert des Sicherungsgut abgedeckt sind; b) innerhalb des Wasserfalls stehen im ersten Rang die Masseansprüche; c) dem folgen sog. SPFA Claims, also die im Verfahren mit Super Seniority aufgenommene Finanzierung – die Tilgung dieser Beträge folgt wiederum einer bestimmten Priorisierung der Quellen, in erster Linie über die Weiterreichungsforderungen; d) vor Verfahrenseröffnung begründete unbesicherte Forderungen sowie weitere Kategorien, wie z. B. Garantieforderungen; e) zuletzt Zahlungen auf die Gesellschaftsanteile. 3. Gesamtschuld: Das EPM-Guidebook beschreibt zudem, wie mit der Spezialfrage, der gesamtschuldnerischen Haftung, umgegangen wurde. Zunächst wird der gleiche Betrag vom Schuldner und den Garantiegebern eingefordert. Sofern daraus ein rechnerischer Übererlös erzielt wird, findet eine Rückverteilung an die Garantiegeber statt, nicht jedoch den Schuldner (begründet mit dem Rückgriffanspruch gegen diesen). Die Rückverteilung findet dabei im Verhältnis der jeweils geleisteten Beiträge statt. Das EPM-Guidebook nennt als Beispiel einen Erlös von 160 ¼ auf eine Forderung von 100 ¼ von drei Garantiegebern Nr. 1: 100 ¼, Nr. 2: 60 ¼, Nr. 3: 0 ¼. Das überschießende Delta würde hierbei zu 37,5 ¼ (62,5 %) an Nr. 1, zu 22,5 ¼ (37,5 %) an Nr. 2 und zu 0 ¼ (0 %) an Nr. 3 zurückfließen. 4. Wertzuteilung: Für die Wertzuteilung auf die einzelnen Gruppen unterscheidet das EPMGuidebook im Einklang mit dem Restrukturierungskonzept. Soweit die betreffende Gesellschaft als „solvent“ eingestuft wird, bleibt die Forderung gegen diese Gesellschaft bestehen. Soweit die betreffende Gesellschaft als „insolvent“ eingestuft wird, findet eine Bündelung auf Ebene einer neuen Holdinggesellschaft statt. Der zugewiesene Wert in Form von neuen Instrumenten reflektiert das Anrecht auf den so berechneten Anteil an der Gesamtgruppe. VI.

Kritische Würdigung: Ungehobenes Potential bei der Gruppenrestrukturierung und Ansätze de lege ferenda

96 Der Restrukturierungsrahmen des StaRUG bringt für die Konzernrestrukturierung Erleichterung bei der Planung und Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen.115) Diese Erleichterung ist insbesondere in der Möglichkeit von Eingriffen in gruppeninterne Drittsicherheiten zu sehen. Daneben erlaubt die flexible Verfahrensführung komplexere Kombinationen aus mehreren Plänen, die zielgerichtet und differenziert aufeinander abgestimmt werden können. 97 Im Hinblick auf die Konzernleitung verbleiben in Grenzfragen Unsicherheiten, wie weit die Untergesellschaft den Weisungen der Obergesellschaft folgen darf oder ab wann die Interessen der Gläubiger beim jeweiligen Rechtsträger überwiegen. Speziell ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache normiert das StaRUG ein eigenes Pflichtenregime, das Fragen im Konflikt mit dem Konzerninteresse aufwirft. Die Rechtsprechung kann hier ___________ 115) So auch Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1090, im Ergebnis mit Analyse eines fiktiven Praxisfalls.

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§ 41

für Klarheit sorgen, dass die Verfolgung des wertschöpfenden Gruppeninteresses regelmäßig nicht gegen das Interesse der Gläubiger auf Ebene der Einzelgesellschaft verstößt. Wünschenswert wäre es in einer Weiterentwicklung, eine gruppenweit einheitliche Lö- 98 sung unter dem StaRUG zu ermöglichen anstelle des Wegs paralleler, auf Ebene der jeweiligen Gruppengesellschaften entworfener und umzusetzender Restrukturierungspläne. Noch ist jeder einzelne Plan nach den jeweiligen Verfahrensvorschriften von den Gläubigern des entsprechenden Rechtsträgers abzustimmen und sodann gerichtlich zu bestätigen.116) Die Umsetzung der Maßnahmen wird damit immer das Risiko in sich tragen, dass es eine „Holdout“-Gesellschaft gibt, mithin eine Gläubigerzusammensetzung in einzelnen Gesellschaften, die ein Blockadepotential in sich haben kann. Die potentielle Wertschöpfung einer Restrukturierung der Gruppe insgesamt läuft damit Gefahr, nicht gehoben zu werden. Dies erhöht die direkten und indirekten Restrukturierungskosten.117) Demgegenüber sprechen gute Gründe dafür, die Möglichkeit zu gruppenübergreifenden 99 Lösungen in Zukunft in das StaRUG aufzunehmen. Das StaRUG könnte hier aufgrund der Konzeption einen Schritt weiter gehen, als es in der InsO naheliegend erscheint. Konzeptionell könnte diese Erweiterung auf dem gruppenweiten Eingriffsrecht in Drittsicherheiten aufsetzen. Die gesellschaftsübergreifende Wertermittlung und Integration i. R. der Abstimmung ist bereits nach geltendem Recht wie dargestellt innerhalb der Unternehmensgruppe angelegt. Entweder als Teil eines konzernweiten integrierten Plans oder als Rahmen für mehrere Pläne von Konzerngesellschaften ist ein übergreifender Mehrheitsmechanismus wünschenswert. Beispielsweise kann eine Super Majority vorgesehen werden, also ein bestimmtes Zustimmungslevel gerechnet auf die aggregierten Forderungsbeträge, bei deren Erreichen die Zustimmung insgesamt als erteilt gilt. Alternativ – den Vorschlag Eidenmüllers zum Insolvenzplan aufgreifend – kann ein Gruppen-Obstruktionsverbot die Zustimmung einer Gruppengesellschaft zu gruppenübergreifenden Maßnahmen fingieren, wenn deren Beteiligte nicht schlechtergestellt werden.118) Voraussetzung freilich hierfür ist die Einhaltung des Minderheitenschutzes, die über einen entsprechenden Werte- und Verteilungstest zu gewährleisten ist.

___________ 116) Zum Risiko der Überlagerung von Entscheidungsebenen und Asymmetrien in anderem insolvenzrechtlichem Kontext, s. Prusko, Gesellschafterstellung in der Insolvenz, S. 128 ff. 117) Dazu Prusko, Gesellschafterstellung in der Insolvenz, S. 14 ff. 118) Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 217 ff. Rz. 41.

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§ 42 Internationale Konzernrestrukturierung Prusko

I. II.

III. IV. V. 1. 2. VI. 1. 2.

3. 4.

Internationale Konzernrestrukturierung ......................................... 1 Vorbemerkung zur Internationalität der außerinsolvenzlichen Restrukturierung.......................................................... 2 Ausgangssituation der internationalen Konzernrestrukturierung .......................... 6 COMI in der internationalen Unternehmensgruppe ................................ 9 Internationaler Wettbewerb über alternative Anknüpfungstatbestände .... 15 Bislang etablierter Weg zu den englischen Gerichten ................................. 16 Neue Wettbewerber unter der Restrukturierungsrichtlinie .................................... 20 Internationale Anerkennung des Restrukturierungsplans..................... 24 Öffentliche Restrukturierungssache als EuInsVO-Verfahren............................. 25 Nicht-öffentliche Restrukturierungssache zwischen EuInsVO und EuGVVO.................................................... 29 Weitere Ansätze der Anerkennung nach Unionsrecht....................................... 36 Autonome Anerkennung über die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen..... 38

4.1

Deutsche autonome Anerkennung................................. 39 4.2 UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency (1997).... 40 4.3 Das englische internationale Insolvenzrecht ............................... 43 4.4 U.S.-Anerkennung im Wege des Chapter 15 BC ........................ 49 VII. Internationale Gestaltungswirkung des Restrukturierungsplans..................... 55 1. Vermögen: Inlandswirkung bei Vermögensgegenständen unter der EuInsVO..... 56 2. Verbindlichkeiten: Einzelfallabhängige Gestaltung von ausländischen Instrumenten ........................................................ 60 3. Internationale Reichweite von gruppenübergreifenden Regelungen....................... 61 VIII. Restrukturierungsplan im Zusammenspiel mit internationalen Restrukturierungsinstrumenten ................. 63 1. Verknüpfung mit anderen Restrukturierungsplänen ................................................ 64 2. Koordinationsinstrumente der EuInsVO.............................................. 68 3. Internationale Koordinationsinstrumente .......................................................... 71

Literatur Bailey, The Insolvency of Groups of Companies in English Law, IILR 2015, 344; Couwenberg/ Lubben, Good Old Chapter 11 in a Pre-insolvency World: The Growth of Global Reorganization Options, North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation, Vol. 45, 2020, S. 8; Dodt, Zum Anwendungsbereich der RL 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten – zugleich Besprechung der Urteile des Supreme Court des United Kingdom vom 4.7.2018 und des OLG München vom 25.6.2018, WM 2019, 529; Eidenmüller/Frobenius, Die internationale Reichweite eines englischen Scheme of Arrangement, WM 2011, 1210; Eidenmüller/Frobenius/Prusko, Regulierungswettbewerb im Unternehmensinsolvenzrecht: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, NZI 2010, 545; Herding/Kranz, Dutch Scheme und UK Restructuring Plan – Wie gut sind die neuen Sanierungstools?, ZRI 2021, 123; Hoegen/Kranz, Neue Möglichkeiten der Konzernsanierung durch SanInsFoG und StaRUG, NZI 2021, 105; Kern, Ein Wettbewerb der Rechtsordnungen? Vergleich des niederländischen und des deutschen Umsetzungsgesetzes zur Restrukturierungsrichtlinie, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 74; Lappe/Dunki/Vroom, The race is on to be the Europe’s „preferred candidate“ for restructurings, Journal of Corporate Renewal, March 2021, S. 20; Mevorach/Walters, The Characterization of Pre-insolvency Proceedings in Private International Law, EBOR 21/2020, 855; Morgen/ Arends/Scherhorn, Sanierungsmittel der Wahl – Insolvenzplan nach InsO n. F. oder Restrukturierungsplan nach StaRUG?, ZRI 2021, 305; Paulus, StaRUG und die Internationalität deutschen Rechts, ZIP 2020, 2363; Paulus/Bähr/Hackländer, Konzernweite Restrukturierungen – Hilft das StaRUG?, ZIP 2021, 1085; Payne, Cross-border schemes of arrangement and forum shopping, EBOR 14/2013, 563; Sax/Berkner/Saed, Anerkennungsmöglichkeiten des englischen Part 26A-Restrukturierungsplans in Deutschland post Brexit, NZI 2021, 517; Schiller, Zehn Jahre Chapter 15 in den USA – Praktischer Umgang mit der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren in den USA, NZI 2015, 744; Schlöder/ Parzinger/Knebel, Der Restrukturierungsplan nach dem StaRUG im Lichte grenzüberschreitender Restrukturierungen – praxistaugliches Anerkennungsregime oder ein Fall für die obersten Gerichte?, ZIP 2021, 1041; Schmidt, J., Präventiver Restrukturierungsrahmen: Internationale Zuständigkeit, Anerkennung und anwendbares Recht, ZInsO 2021, 654; Schulz, Die Bestimmung des COMI nach Art. 3 EuInsVO aF bei Immobilien-SPV, NZI 2017, 142; Swierczok/Sax, Die Anerkennung des englischen Scheme of Arrangement in Deutschland post Brexit, ZIP 2017, 601; Tashiro, Die Richtlinie im Kontext

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§ 42

Internationale Konzernrestrukturierung

internationaler Entwicklungen, insbesondere in den USA, Großbritannien und Singapur, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 84; Westpfahl/Dittmar, Die Behandlung gruppeninterner Sicherheiten im StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46; Westpfahl/Knapp, Die Sanierung deutscher Gesellschaften über ein englisches Scheme of Arrangement, ZIP 2011, 2033.

I.

Internationale Konzernrestrukturierung

Mit der Restrukturierung von Konzernen gehen regelmäßig grenzüberschreitende Sach- 1 verhalte einher. Solche Bezüge können sich auf Unternehmensseite insbesondere aus dem Sitz der jeweiligen Konzerngesellschaften ergeben. Selbst wenn die betroffenen Konzerngesellschaften ausschließlich in Deutschland ansässig sind, führen internationale Finanzierungen im Hinblick auf das anwendbare Recht oder die Ansässigkeit der Geldgeber häufig zu grenzübergreifenden Sachverhalten. Dieses Kapitel baut auf den Grundsätzen im vorangegangenen Kapitel zur Konzernrestrukturierung auf und ergänzt diese, indem speziell Fragestellungen um die Anwendbarkeit des StaRUG im internationalen Kontext behandelt werden. II.

Vorbemerkung zur Internationalität der außerinsolvenzlichen Restrukturierung

Ein Restrukturierungsplan nach StaRUG1) kann ein wesentlicher Baustein für ein interna- 2 tionales Restrukturierungskonzept von Unternehmensgruppen darstellen. Bei der internationalen Perspektive geht es sowohl um die grenzüberschreitende Anerkennung von Maßnahmen unter einem StaRUG-Restrukturierungsplan als auch um die Kombination mit Restrukturierungsinstrumenten in anderen Jurisdiktionen. Eine solche Kombination von Instrumenten in verschiedenen Jurisdiktionen ist bei internationalen Restrukturierungen üblich und erforderlich, um die volle Wirksamkeit der vereinbarten Maßnahmen erreichen zu können.2) Ausgangspunkt ist wiederum die Finanzstruktur, deren grenzüberschreitende Bezüge Besonderheiten aufwerfen.3) Ziel wird auch hier immer sein, ein kommerziell erstrebtes Resultat unter verfügbaren vertraglichen wie gesetzlichen Instrumenten mit möglichst geringen direkten und indirekten Kosten sowie mit hoher Rechtssicherheit zu implementieren. Bei den Kosten spielen Marktusancen ebenso eine Rolle wie Rechtssicherheit aus Sicht der unterschiedlichen Beteiligten. Der Weg über einen StaRUG-Restrukturierungsplan steht damit immer in Konkurrenz zu alternativen Mechanismen in anderen Jurisdiktionen, die in die Auswahlentscheidung bei der Restrukturierungsplanung einzubeziehen sind.4) ___________ 1)

2)

3) 4)

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). Bspw. wurde das kroatische Restrukturierungsverfahren von Agrokor 2017 – 2019 primär unter dem kroatischen Gesetz zur außerordentlichen Restrukturierung (s. oben Prusko, HRI I, § 41 Rz. 35 f.) durchgeführt. Flankierend gab es Anerkennungsverfahren u. a. im Vereinigten Königreich unter den Cross Border Insolvency Regulations 2006, in den USA unter Chapter 15 BC und der Schweiz (dazu und den weiteren teils erfolglosen Anerkennungsverfahren, Agrokor Settlement Plan, S. 47 ff., abrufbar unter https://nagodba.agrokor.hr/storage/2018/06/Settlement-Plan-Amended-25-June-2018.pdf [Abrufdatum: 14.2.2023]) sowie zuletzt eine Kombination mit einem Scheme of Arrangement (s. dazu unten Rz. 66). Ein weiteres Beispiel ist der internationale Automobilzulieferer Syncreon, der 2019 unter einem englischen Scheme of Arrangement restrukturiert wurde mit Anerkennung in den USA und Canada; s. dazu etwa https://www.pwc.com/ca/en/services/insolvency-assignments/syncreon-group-b-v--and-syncreon-automotive--uk--ltd--.html (Abrufdatum: 14.2.2023). Zu internationalen Finanzierungsstrukturen in Unternehmenskrisen allgemein Grell/Klockenbrink in: Knecht/Hommel/Wohlenberg, Hdb. Unternehmensrestrukturierung, S. 2105. S. zum Regulierungswettbewerb im Unternehmensinsolvenzrecht Eidenmüller/Frobenius/Prusko, NZI 2010, 545.

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8. Teil Konzern

3 Vorab hervorzuheben ist, dass die Restrukturierungsrichtlinie5) den Anstoß und Vorgaben für die Umsetzung des StaRUG in Deutschland gegeben hat. Eine parallele Entwicklung findet dem gesetzgeberischen Instrument der Restrukturierungsrichtlinie6) entsprechend in den anderen Mitgliedstaaten statt. Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie war bis zum 17.6.2021 vorzunehmen.7) Folglich werden auf dem „Markt für Restrukturierungsinstrumente“ nach Umsetzung in allen Mitgliedstaaten alleine innerhalb der EU mehr als zwei Dutzend ähnliche Instrumente in nationalen Rechten verankert sein. Daneben finden sich etablierte Instrumente im Vereinigten Königreich in der Form des Scheme of Arrangement8) und dessen Weiterentwicklung in der Form des Restrukturierungsplans nach Part 26A9). Diese bemühen sich um die internationalen Fälle in mehr oder weniger ausgeprägter Weise.10) Etablierten und international getesteten Restrukturierungsinstrumenten wird bei sonst wesentlich gleichen Ergebnissen häufig der Vorzug eingeräumt werden. 4 Die Restrukturierungsrichtlinie ist als Instrument der Harmonisierung der nationalen Rechte anzusehen.11) Anders als bei der EuInsVO geht es bei dieser nicht um die Konfliktfälle von Zuständigkeit und Anerkennung im Gemeinschaftskontext. Dies wird bei der folgenden Betrachtung der internationalen Fragestellungen deutlich, wenn grenzüberschreitende Situationen nicht schlicht unter Rückgriff auf die Richtlinie oder deren Vorgaben klar zu beantworten sind. Auf die Unternehmensgruppe im EU-Kontext angewendet wird schnell klar, dass grenzübergreifende Konzernsachverhalte nicht im Fokus des europäischen Gesetzgebers standen.12) 5 Folglich ist es nicht überraschend, dass in diesem Kapitel regelmäßig auf die allgemeinen Regelungen zur internationalen Anerkennung von Restrukturierungsinstrumenten zurückzukommen sein wird. Traditionell wurden diese Instrumente und Vereinbarungen für die internationale Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen und Insolvenzverfahren entwickelt.13) Die präventive oder außerinsolvenzliche Restrukturierung – wie sie die Restrukturierungsrichtlinie proklamiert14) – nimmt eine Zwischenrolle ein, deren Einordnung unter dem jeweiligen Anerkennungsregime nicht immer klar ist und je nach nationaler Umsetzung und Anwendung divergieren kann. Hier ist es mittelfristig sicherlich für die praktische Anwendung wünschenswert und mit steigender Fallzahl auch zu erwarten, dass bestehende Unklarheiten und Regelungslücken im internationalen Kontext mit dem Ziel einer effizienten und rechtssicheren Restrukturierung rasch reduziert werden. ___________ 5) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 6) Art. 288 Abs. 3 AEUV. 7) Art. 34 der Restrukturierungsrichtlinie, mit Ausnahmen und Verlängerungsmöglichkeit um ein Jahr. 8) Part 26 Companies Act 2006 („Arrangements and reconstructions: general“); s. den Überblick bei Schlegel in: MünchKomm-InsO, Länderbericht England und Wales Rz. 80 ff. 9) Part 26A Companies Act 2006 (“Arrangements and reconstructions: companies in financial difficulty”); s. den Überblick bei Schlegel in: MünchKomm-InsO, Länderbericht England und Wales Rz. 84 ff. 10) Dazu Lappe/Dunki/Vroom, Journal of Corporate Renewal, March 2021, S. 20 ff.; Tashiro, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 84. 11) Art. 114 AEUV; ErwG 8 der Restrukturierungsrichtlinie. 12) Vgl. J. Schmidt, ZInsO 2021, 654. 13) Auf die EuInsVO, die in der Neufassung von 2015 (Verordnung (EU/EG) 2015/848 des Europäischen Parlament und des Rates v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren, ABl. (EU) L 141/19 v. 5.6.2015) die Entwicklung zur präventiven Restrukturierung und Restrukturierungsrichtlinie bereits aufnahm, wird unten zurückzukommen sein (s. Rz. 25 ff.); vgl. auch ErwG 12 ff. Restrukturierungsrichtlinie. 14) ErwG 1 – 3 der Restrukturierungsrichtlinie.

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§ 42

Internationale Konzernrestrukturierung III.

Ausgangssituation der internationalen Konzernrestrukturierung

Als internationale Erweiterung der im vorhergehenden Kapitel behandelten Konzernrestruk- 6 turierung sind zunächst die dort ausgeführten Grundsätze für die Unternehmensgruppe weiterhin maßgeblich: 

Ausgangspunkt der Entwicklung eines Restrukturierungskonzepts ist das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher sowie organisatorischer Einheit und der rechtlichen Selbständigkeit des Rechtsträgers und seines jeweiligen Haftungsverbunds.



Der StaRUG-Restrukturierungsplan wie auch üblicherweise internationale Instrumente der Restrukturierung einschließlich der präventiven Restrukturierung knüpfen am einzelnen Rechtsträger an, auch wenn es – wie beim Gerichtsstand und dem gruppenweiten Eingriff in Drittsicherheiten unter dem StaRUG – Durchbrechungen von diesem Grundprinzip im Einzelfall geben kann.



Für die Restrukturierung von Unternehmensgruppen gibt es verschiedene Ansätze, die die wirtschaftliche und organisatorische Einheit stärker in den Vordergrund rücken. Verbreitet sind dabei lediglich Instrumente der Koordination und Zusammenarbeit, echte Konsolidierung von Verfahren oder gar Massen von Schuldnern sind die Ausnahme.



Für die Bestimmung des für den betroffenen Rechtsträger anwendbaren Rechts ist Ausgangspunkt unter dem StaRUG der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Interessen, also Center of Main Interest (COMI). International ist der COMI als Anknüpfungspunkt für ein gerichtliches Restrukturierungsverfahren etabliert, teilweise erlauben Gesetze und Gerichte (wie etwa in England) weitere Kriterien, die eine Zuständigkeit auch abweichend vom COMI begründen können.



Die Reichweite der internationalen Anerkennung ist zuletzt ein wesentliches Kriterium für die Bewertung der Tauglichkeit des Restrukturierungswegs und -instruments. Hier kann es Unsicherheiten je nach Fallkonstellation und betroffener Jurisdiktionen geben, die möglichst im Restrukturierungskonzept zu adressieren sind.

Naturgemäß sind bei der Konzernrestrukturierung zahlreiche internationale Konstellatio- 7 nen unter dem StaRUG denkbar. Modellhaft15) sind die folgenden praktisch relevanten Ausgangslagen und Zielsetzungen in den Fokus zu rücken, die eine „Outbound“-Konstellation darstellen, also die Reichweite von Verfahren unter dem StaRUG im Ausland: 

In Deutschland durchgeführtes StaRUG-Verfahren einer Gruppengesellschaft mit Schuldinstrumenten nach ausländischem Recht. Kann der Restrukturierungsplan eine Umgestaltung der nicht-deutschem Recht unterliegenden Schuldinstrumente bewirken?



In Deutschland durchgeführtes StaRUG-Verfahren für eine Gruppengesellschaft mit COMI in Deutschland und im Ausland belegenem Vermögen. Können Gläubiger nach einem in Deutschland nach den Regeln des StaRUG wirksamen Restrukturierungsplan auf das Auslandsvermögen der Gruppengesellschaft zugreifen?



In Deutschland durchgeführtes StaRUG-Verfahren mit Regelung nach § 2 Abs. 4 StaRUG, also Restrukturierungsplan mit Regelungen über gruppeninterne Sicherheiten für eine im Ausland ansässige Gesellschaft, die Sicherheiten zugunsten des deutschen Schuldners begeben hat. Wird die Haftung der ausländischen Gruppengesellschaft durch den StaRUG Restrukturierungsplan wirksam gestaltet?

___________ 15) S. für eine Überprüfung der neuen Vorschriften des StaRUG mit nationalem und internationalem Sachverhalt auch Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085.

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8. Teil Konzern

8 In abgewandelter Form kommen diese Konstellationen als „Inbound“-Fälle vor, also mit dem umgekehrten Szenario, in dem die Restrukturierungsverfahren im europäischen oder weiteren Ausland durchgeführt werden mit Ziel der Anerkennung und Wirksamkeit in Deutschland. Da hier das StaRUG regelmäßig nur eine untergeordnete Rolle spielen wird, werden diese Fallgruppen nicht ausführlich behandelt. Die dargestellten Grundsätze der Anerkennung können hierfür aber herangezogen werden. IV.

COMI in der internationalen Unternehmensgruppe

9 Für die Anwendung des StaRUG auf die internationale Unternehmensgruppe bleibt zunächst die Anknüpfung am COMI der betreffenden Gesellschaft maßgeblich.16) § 35 StaRUG sieht die örtliche Zuständigkeit am allgemeinen Gerichtsstand, sofern nicht der COMI an einem anderen Ort belegen ist. Die Regelung ist damit wortgleich mit § 3 Abs. 1 InsO. Zur Frage der Bestimmung kann mithin auf die Ausführungen von Graf-Schlicker, HRI I, § 8 Rz. 15 ff. verwiesen werden. 10 Über die internationale Zuständigkeit enthält das StaRUG keine ausdrückliche Regelung. Blickt man auf die Bestimmung für Insolvenzverfahren nach der InsO, so ermittelt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Insolvenzgerichte zunächst über die vorrangig anzuwendende EuInsVO; außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO wird die örtliche Zuständigkeit nach § 3 InsO analog für Begründung des deutschen Gerichtsstands herangezogen.17) 11 Entsprechendes gilt für die internationale Zuständigkeit des StaRUG-Restrukturierungsverfahrens: Dieses kann in den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen, wenn es sich um ein öffentliches Verfahren nach §§ 84 ff. StaRUG handelt; die Vorschriften traten zum 17.7.2022 in Kraft.18) Daneben werden die Restrukturierungsgerichte ihre Zuständigkeit analog zu § 35 StaRUG ermitteln. Voraussetzung für die Bejahung der örtlichen Zuständigkeit innerhalb Deutschlands ist die internationale Zuständigkeit. 19) 12 Sachlich ist damit sowohl für Art. 3 EuInsVO als auch für § 35 StaRUG der COMI maßgeblich. § 35 StaRUG enthält anders als § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO keine Vermutungsregel für die Zuständigkeit, wonach diese am Sitz der betroffenen Gesellschaft vermutet wird, sofern der Sitz nicht erst innerhalb von drei Monaten in den Mitgliedstaat verlegt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist von Amts wegen zu ermitteln. 13 Für Konzernsachverhalte gelten im Ausgangspunkt mithin keine abweichenden Regeln bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für eine bestimmte Gesellschaft. In tatsächlicher Hinsicht kann die Bestimmung des COMI, bspw. für eine reine Finanzholding, zu Fragen führen, etwa wenn am eingetragenen Sitz nur begrenzt personelle und organisatorische Kapazitäten im Einsatz sind.20) Ähnlich ist etwa die Verlagerung des COMI praktisch im Konzern sicherlich mit weniger Aufwand zu realisieren, wenn bereits die erforderliche Infrastruktur an einem anderen Ort (Räumlichkeiten, ansässige Manager) vorhanden ist. Tatsächlich ist jedoch die anwendbare Jurisdiktion in steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Hinsicht regelmäßig auch und gerade bei reinen Finanzierungsgesell___________ 16) Krit. zur beschränkten Internationalität aufgrund der engen Anknüpfung unter dem StaRUG Paulus, ZIP 2020, 2363. 17) Ganter/Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 22 ff. 18) Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Anhang A EuInsVO (i. d. F. der Verordnung (EU) 2021/2260 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Ersetzung der Anhänge A und B, ABl. (EU) L 455/4 v. 20.12.2021): Deutschland – Die öffentliche Restrukturierungssache. 19) Zu den Durchführungsbestimmungen s. § 88 StaRUG i. V. m. Art. 102c §§ 1 ff. EGInsO. 20) Zum COMI von reinen Zweckgesellschaften Schulz, NZI 2017, 142.

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Internationale Konzernrestrukturierung

schaften mit Bedacht gewählt, weshalb der Sitz in – zumal präventiven – Restrukturierungssituationen nicht ohne spezifische Planung der Auswirkungen einer Sitzverlegung auf andere relevante Bereiche verlegt wird. Der Gruppengerichtsstand nach § 37 StaRUG setzt über § 3e InsO ebenfalls einen Mittel- 14 punkt der hauptsächlichen Interessen der betreffenden Gruppengesellschaft im Inland voraus.21) Die internationale Zuständigkeit knüpft mithin an vergleichbare Kriterien wie § 35 StaRUG an. Die Konzernzuständigkeit wird nicht über § 37 StaRUG auf im Ausland ansässige Gruppengesellschaften ausgeweitet.22) Ob eine Ausweitung ggf. über einen auf § 2 Abs. 4 StaRUG gestützten Eingriff in ausländische Sicherheiten erzielt werden kann, ist fraglich; darauf wird unten zurückzukommen sein (siehe Rz. 61). V.

Internationaler Wettbewerb über alternative Anknüpfungstatbestände

Mit Ermittlung des COMI in Deutschland ist jedoch andersherum noch nicht gesagt, dass 15 die Restrukturierung ausschließlich nach StaRUG vorzunehmen sein wird. Einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, dass gerade für Konzernsituationen mit internationalen Bezügen von einem Wettbewerb der Rechtsordnungen, konkret um das vorzugswürdige Forum für die Restrukturierung, gesprochen werden kann.23) Bei der Planung der Restrukturierung in der internationalen Gruppe kommt diesen alternativen Instrumenten regelmäßig eine wesentliche Bedeutung zu, wenn es um die Bestimmung des besten Weges für die Implementierung eines Restrukturierungskonzepts geht. 1.

Bislang etablierter Weg zu den englischen Gerichten

Englische Gerichte praktizieren regemäßig im Zusammenhang mit internationalen Restruk- 16 turierungen eine internationale Anknüpfung abweichend vom COMI. Die Attraktivität des Forums in England war in der Vergangenheit speziell für europäische Fälle unangefochten.24) Hier fand das Scheme of Arrangement in mannigfaltigen Konstellationen Anwendung bei der Restrukturierung internationaler Gesellschafts- und Finanzierungsstrukturen.25) Eine Zuständigkeit haben englische Gerichte generell bei hinreichendem Bezug zum eng- 17 lischen Recht, sog. „sufficient connection with England and Wales“, in Verknüpfung mit weiteren Kriterien anerkannt.26) Die englischen Gerichte akzeptieren eine solche hinreichende Verbindung bei Anwendbarkeit englischen Rechts auf die Finanzierungsverträge im Grundsatz, wobei sie sich gleichzeitig Ausnahmen etwa bei missbräuchlicher Rechtsänderung vorbehalten. Die Fälle Rodenstock27) und später Apcoa28) stehen hier als vielfach ___________ 21) Dazu Bruns in: MünchKomm-InsO, § 3e Rz. 7. 22) Da das StaRUG keine eigenen Vorschriften zur Koordination von Gruppenverfahren kennt (s. oben Prusko, HRI I, § 41 Rz. 45 ff.), kommt der Verweisung auf § 3e InsO im Zusammenhang mit Art. 102 § 22 Abs. 2 EGInsO keine Bedeutung zu, wonach dem Gruppenverfahren nach EuInsVO Vorrang vor dem Gruppenverfahren der InsO eingeräumt wird. Nach § 88 StaRUG findet diese Vorschrift keine Anwendung. 23) Dazu auch Eidenmüller/Frobenius/Prusko, NZI 2010, 545; Prusko in: Armour/Eidenmüller, Negotiating Brexit, S. 57, 58 f. 24) Prusko in: Armour/Eidenmüller, Negotiating Brexit, S. 57. 25) Ausführlich dazu Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033; Payne, EBOR 14/2013, 563 – 589. 26) Schlegel in: MünchKomm-InsO, Länderbericht England und Wales Rz. 82; vgl. etwa in Re Noble Group Ltd. [2018] EWHC 2911 (Ch), die Diskussion der Voraussetzung in Rz. 66 ff. 27) Re Rodenstock GmbH, [2011] EWHC 1104 (Ch). 28) Re Apcoa Parking (UK) Ltd. & Ors, [2014] EWHC 997 (Ch).

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8. Teil Konzern

besprochene Anwendungsfälle für Unternehmen mit einem gesellschaftsrechtlichen und operativen Schwerpunkt in Deutschland und anderen europäischen Ländern, die unter Zuhilfenahme eines Scheme of Arrangement restrukturiert wurden. Die Anknüpfung erlaubte das auf bestimmte Finanzierungsverträge anwendbare englische Recht, das – im Fall von Rodenstock – ursprünglich vereinbart war oder – im Fall von Apcoa – nachträglich über eine Mehrheitsentscheidung für anwendbar erklärt wurde.29) 18 Zeitlich mit der Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie synchron (technisch bedurfte es keiner Umsetzung im Vereinigten Königreich) ergänzt der Corporate Insolvency and Governance Act 2020 (CIGA 2020) das Scheme of Arrangement durch ein neues Verfahren, der sog. Part 26A „restructuring plan“ (Restructuring Plan).30) Dieses ebenfalls im Companies Act 2006 angesiedelte Verfahren, ermöglicht – vergleichbar mit den Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie – eine gruppenübergreifende Planannahme, den sog. CrossClass Cram-down.31) Der Restructuring Plan kam bereits mehrfach zur Anwendung und war Gegenstand der englischen Rechtsprechung.32) Mithin bietet das englische Recht nun zwei Verfahren, die im europäischen Kontext weiterhin im Wettbewerb zur jeweiligen Umsetzungen der Restrukturierungsrichtlinie im den Mitgliedstaaten stehen werden. 19 Ob das Scheme of Arrangement oder nun neu der Restructuring Plan weiterhin für europäische Restrukturierungen die Vorrangstellung behalten oder erzielen können, gilt nach dem Brexit noch nicht als geklärt. Für das Scheme of Arrangement tritt nun stärker die Frage der Anerkennung in den Mitgliedstaaten in den Mittelpunkt. Bislang wurde die Ankerkennung regelmäßig als Zivilurteil unter der EuGVVO als faktisch vorausgesetzt angenommen; das Scheme of Arrangement war nicht in Anhang A der EuInsVO einbezogen. Entsprechend dreht sich die Frage darum, ob nach Wirksamwerden des Brexits und dem damit verbundenen Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus dem Regime der EuGVVO die Anerkennung weiterhin gegeben ist.33) Praktisch zeigen erste „post-Brexit“Anwendungsfälle wie bspw. die Restrukturierung der LöwenPlay-Gruppe 2021/2022, dass weiterhin auf das Scheme of Arrangement auch für in Deutschland ansässige Unternehmensgruppen zurückgegriffen wird. Ähnliche Fragen stellen sich bei der grenzüberschreitenden Anerkennung des Restructuring Plan, zumal jüngst in Sachen Gategroup34) dessen Rechtsnatur – abweichend von der Charakterisierung des Scheme of Arrangement – als Insolvenzverfahren angesehen wurde. Auf die Kriterien der Anerkennung wird unten zurückzukommen sein (siehe Rz. 39). 2.

Neue Wettbewerber unter der Restrukturierungsrichtlinie

20 Mit Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie und den mit dem Brexit aufgekommenen Fragen unter dem Scheme of Arrangement zielen nun auch andere Mitgliedstaaten auf eine Ausweitung der Zuständigkeit ihrer Restrukturierungsinstrumente jenseits des COMI ab, um damit um die Gunst des Restrukturierungsmarktes in ihrem Land werben. 21 Ähnlich zeitnah wie Deutschland haben die Niederlande bereits zu Beginn 2021 ein Restrukturierungsgesetz in Kraft gesetzt, das sog. WHOA.35) Vergleichbar mit der deutschen ___________ Bailey, IILR 2015, 344, 358 f. Sax/Berkner/Saed, NZI 2021, 517. § 901G Companies Act 2006. S. z. B. Re Virgin Atlantic Airways Ltd., [2020] EWHC 2376 (Ch); Re DeepOcean 1 UK Ltd., [2021] EWHC 138 (Ch); Re Virgin Active Holdings Ltd., [2021] EWHC 1246 (Ch); Re Hurricane Energy Plc, [2021] EWHC 1759 (Ch). 33) Dazu Swierczok/Sax, ZIP 2017, 601. 34) Re Gategroup Guarantee Ltd., [2021] EWHC 304 (Ch). 35) Wet homologatie onderhands akkoord, Staatsblad 2020, Nr. 414 und 415.

29) 30) 31) 32)

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Internationale Konzernrestrukturierung

Umsetzung, erlaubt das WHOA eine private und eine öffentliche Variante.36) In der privaten Variante setzt das WHOA für die Zuständigkeit auf einen Weg wie die englischen Gerichte unter dem Scheme of Arrangement und knüpft die Zuständigkeit schon bei einem hinreichenden Bezug zu den Niederlanden an.37) Damit geht die private Verfahrensvariante über den Anwendungsbereich des StaRUG hinaus. Daneben wird das Scheme of Arrangement unter irischem Recht als Alternative zu den 22 englischen Gerichten gehandelt. Irland kennt ein dem Scheme of Arrangement unter englischem Recht ähnliches Restrukturierungsinstrument. Dieses Instrument der vorinsolvenzlichen Restrukturierung findet sich in Part 9 des Companies Act 2014.38) Mit dem NordicAviation-Fall sorgte das irische Scheme of Arrangement in jüngster Zeit für internationale Aufmerksamkeit; der Eingriff in gruppeninterne Sicherheiten wurde hierunter als zulässig angesehen.39) Welchen Platz die genannten Instrumente für die Konzernrestrukturierung mit deutschen 23 Bezügen einnehmen werden, lässt sich gegenwärtig noch nicht hinreichend einschätzen. Die Niederlande, wie ggf. auch Irland als Sitz vieler Holdinggesellschaften für europäische Beteiligungen, können – so die Erwartung – regelmäßig Teil der Prüfung werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sich das jeweilige Regime insgesamt praxistauglich und verlässlich erweist. Daneben bleibt abzuwarten, welche Rolle weitere Jurisdiktionen in Europa für die Restrukturierung künftig einnehmen werden, wie etwa Luxemburg als ein weiterer bedeutender Holdingstandort. Die Planung der Konzernrestrukturierung sollte die jeweils verfügbaren alternativen Restrukturierungsinstrumente in anderen Jurisdiktionen stets im Blick behalten. VI.

Internationale Anerkennung des Restrukturierungsplans

Bei der Ausarbeitung eines Restrukturierungskonzepts unter StaRUG ist bei grenzüber- 24 schreitenden Bezügen der Unternehmensgruppe oder deren Finanzierung die internationale Anerkennung integral mitzuprüfen. Bei der Abwägung, die Instrumente unter dem StaRUG im Restrukturierungsplan alternativ oder kumulativ zu anderen internationalen Instrumenten anzuwenden, sollte stets der Blick auf die internationale Effektivität der verfolgten Lösung geworfen werden. Die Anerkennung des StaRUG und die Gestaltungsreichweite des Restrukturierungsplans ist bezüglich einiger Fragen sowohl innerhalb der EU als auch im weiteren internationalen Kontext aktuell nicht abschließend geklärt, was die Entscheidungsfindung in diesem frühen Entwicklungsstadium der präventiven gerichtlichen Restrukturierung erschweren kann. 1.

Öffentliche Restrukturierungssache als EuInsVO-Verfahren

Eine klare Regelung für die Anerkennung in der EU ist für den öffentlichen Restrukturie- 25 rungsplan von Gruppengesellschaften mit COMI in Deutschland gegeben. Das StaRUG sieht in §§ 84 bis 88 ein öffentlich geführtes Restrukturierungsverfahren vor, das in den Anwendungsbereich der EuInsVO und deren Anerkennungsregelungen fallen soll. Diese Vorschriften des StaRUG sind ab 17.7.2022 anwendbar.40) ___________ 36) J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 655 m. w. N. 37) Kern, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 74, S. 76 m. w. N.; Lappe/Dunki/Vroom, Journal of Corporate Renewal, March 2021, S. 20, S. 23. 38) Vgl. den Überblick von Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Teil 2. B. Länderbericht Irland; Day/Pierse/Hermann/Schlegel in: MünchKomm-InsO, Länderbericht Irland Rz 16. 39) Smid in: Pannen/Riedemann/Smid, StaRUG, Teil 2. B. Länderbericht Irland Rz. 11 f. 40) Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 SanInsFoG.

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8. Teil Konzern

26 Verfahren, die in Annex A aufgeführt sind, genießen den Status eines Insolvenzverfahrens unter der EuInsVO und als solche automatische Anerkennung im Anwendungsbereich der EuInsVO. Diese Wirkung gilt mit der tatsächlichen Aufnahme in Annex A.41) Die Aufnahme der öffentlichen Restrukturierungssache und des Restrukturierungsberaters in Annex A und Annex B erfolgte durch Verordnung (EU) 2021/2260 v. 15.12.2021.42) 27 Für Konzernsachverhalte gelten im Anwendungsbereich des öffentlichen Restrukturierungsverfahrens infolge der Aufnahme in Annex A der EuInsVO deren Zuständigkeitsvorgaben. Wesentliche Abweichungen zu den Regelungen des StaRUG ergeben sich daraus nicht, da bereits §§ 35, 37 StaRUG den COMI der betreffenden Gruppengesellschaft in Deutschland erfordern. Die hierunter zu prüfenden Kriterien sind bereits an Art. 3 EuInsVO angelehnt. 28 Unter der EuInsVO sind die Entscheidungen über die Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens unter Art. 19, 20 EuInsVO sowie die Bestätigung eines gerichtlichen Vergleichs (Art. 32 EuInsVO) im Restrukturierungsverfahren in der EU (ausgenommen Dänemark) automatisch anzuerkennen.43) 2.

Nicht-öffentliche Restrukturierungssache zwischen EuInsVO und EuGVVO

29 Für nicht-öffentliche Restrukturierungssachen ist die Anerkennung bisher nicht geklärt, da die EuInsVO ohne die Aufnahme in Annex A nicht direkt anwendbar wäre.44) Die Aufnahme in den Annex A der EuInsVO ist offenbar gegenwärtig nicht beabsichtigt, nicht zuletzt da bei fehlender Öffentlichkeit eines der Kriterien für eine Aufnahme fehlen würde.45) Dies lässt die Frage offen, welche Anerkennung ein solcher Restrukturierungsplan innerhalb der EU genießt. 30 Im Schrifttum wird die Anerkennung über die EuGVVO (Brüssel Ia-VO)46), also nach der Anerkennung von Gerichtsentscheidungen, befürwortet (siehe dazu Skauradszun, HRI I, § 14 Rz. 90 ff.).47) Diese Argumentation ist im Bereich Restrukturierungsentscheidungen nicht neu, wurde sie doch regelmäßig für die Anerkennung des englischen Scheme of Arrangement im Schrifttum herangezogen (Skauradszun, HRI I, § 14 Rz. 103 m. w. N.). Eine gerichtliche Praxis hat sich dazu bisher nicht etabliert. Zweifelsfrei ist diese Form der Anerkennung unter der EuGVVO daher nicht. Sie kann nämlich nur Geltung erlangen, wenn der Restrukturierungsplan nicht unter die Bereichsausnahme für Insolvenzverfahren der EuGVVO fällt: Nach Art. 2 Abs. 2 lit. b EuGVVO wäre das Anerkennungsregime nicht auf Entscheidungen eines Gerichts auf Konkurse, Vergleiche oder ähnliche Verfahren anwendbar. Die fehlende Aufnahme in den Annex A der EuInsVO ist allenfalls indiziell für diese Frage, da „Rechtslücken [zwischen den beiden Verordnungen] soweit wie möglich vermieden werden sollen“48). Letztlich trifft die fehlende Aufnahme in die EuInsVO aber ___________ 41) Entsprechende Änderungen können im Gesetzgebungsverfahren mit qualifizierter Mehrheitsentscheidung unter Art. 238, 81 AEUV vorgenommen werden. 42) Verordnung (EU) 2021/2260 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Ersetzung der Anhänge A und B, ABl. (EU) L 455/4 v. 20.12.2021. 43) Dazu J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 656. 44) S. hierzu auch Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 109. 45) Krit. zu diesem Kriterium Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1043. 46) Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. (EU) L 351/1 v. 20.12.2012. 47) Dazu ebenso Madaus in: MünchKomm-StaRUG, § 84 Rz. 138; J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657. 48) ErwG 7 EuInsVO; dazu Mankowski in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 98.

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Internationale Konzernrestrukturierung

keine Aussage über die Anwendbarkeit der EuGVVO.49) Ob das Restrukturierungsverfahren nach StaRUG unter die Bereichsausnahme fällt und mithin die EuGVVO als Anerkennungsregime ausfällt, ist gegenwärtig nicht geklärt.50) Die Restrukturierungsrichtlinie verhält sich – anders als zur EuInsVO – nicht zum Verhältnis der EuGVVO. Für die parallele Regelung im Lugano Abkommen in Art. 1 Abs. 2 lit. b, die eine Bereichs- 31 ausnahme für Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren regelt, hatte der englische High Court of Justice eine wichtige Entscheidung gefällt: Das Gericht entschied in der Rechtssache Gategroup, dass das Restrukturierungsverfahren nach Part 26A Companies Act 2006 unter die Bereichsausnahme aufgrund der Natur als konkursähnliches Verfahren fällt.51) Das Gericht stützte die Entscheidung wesentlich auf die folgenden Herleitungen, die sich Part 26A vom Scheme of Arrangement und dessen anderweitigen Einordnung abgrenzen:52) 



Zum einen weise das Verfahren die besonderen Merkmale („peculiarities“) eines Insolvenzerfahrens u. a. mit Rückgriff auf die Bestimmungen des UNCITRAL Model Law zur grenzüberschreitenden Insolvenz auf:53) –

Das insolvenzrechtliche Charakteristikum der Universalität bzw. modifizierten Universalität liege vor. Der Restructuring Plan unter Part 26A Companies Act 2006 ziele auf die Lösung des Kollektivkonflikts ab, wonach jedenfalls die Möglichkeit eines Wettstreits der Gläubiger um die unzureichenden Vermögensgüter des Schuldners besteht.



Hervorzuheben ist die deutliche Ansicht des Gerichts, dass der modifizierte Universalismus unvereinbar ist mit der Konzeption des Lugano Übereinkommens im Hinblick auf die daraus resultierenden Gerichtsstände. Unter Verweis auf die Art. 2 – 7 des Lugano Übereinkommens ergäben sich letztlich unterschiedliche Gerichtsstände je nach den konkreten Umständen der betroffenen Gläubiger und Ansprüche.54)



Part 26A Companies Act 2006 knüpfe in vergleichbarer Weise an den finanziellen Schwierigkeiten an mit einer Wahrscheinlichkeit, die Verbindlichkeiten nicht vollständig bedienen zu können.55)

Zum anderen prüfte und bejahte das Gericht, unabhängig von der Tatsache, dass Part 26A Companies Act 2006 nicht in Annex A der EuInsVO aufgenommen sei, die – unter der EuInsVO nicht konstitutiven – Kriterien des Insolvenzverfahrens in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO.56) Auch unter diesem Maßstab sah das Gericht u. a. die Kollektivität, den Insolvenzbezug und die gerichtliche Überwachung bzw. Einbindung als gegeben an.

Wenngleich der Entscheidung des High Court keine direkte Autorität im Hinblick auf 32 die Einordnung des StaRUG unter der EuGVVO oder des Lugano Übereinkommens zukommt, so ist die Entscheidung in ihrer Klarheit doch zu beachten. Das Part 26A Verfahren des Companies Act 2006 weist wesentliche Parallelen auch zum StaRUG Verfahren auf, die auch als charakteristisch unter der Restrukturierungsrichtlinie genannt werden können. Namentlich geht es um die vom High Court bei der Einordnung herangezo___________ 49) Ebenso Schlöder/Parzinger/Knebel, ZIP 2021, 1041, 1043. 50) Krit. bezüglich einer Anerkennung unter der EuGVVO, Hoegen/Kranz, NZI 2021, 105, 109, und Madaus, Stellungnahme v. 12.11.2020 z. RegE SanInsFoG, S. 10. Die verschiedenen Argumente abwägend Morgen/ Arends/Scherhorn, ZRI 2021, 305, 312 f. 51) Gategroup Guarantee Ltd., [2021] EWHC 304 (Ch). 52) Vgl. auch Sax/Berkner/Saed, NZI 2021, 517, 520. 53) Gategroup Guarantee Ltd., [2021] EWHC 304 (Ch), Rz. 91 ff. 54) Gategroup Guarantee Ltd.,[2021] EWHC 304 (Ch), Rz. 96 ff. 55) Gategroup Guarantee Ltd., [2021] EWHC 304 (Ch), Rz. 102. 56) Gategroup Guarantee Ltd., [2021] EWHC 304 (Ch), Rz. 104 ff.

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genen Aspekte wie Eingangshürde bei drohenden finanziellen Schwierigkeiten und beschränktem Universalismus. Eben diese Aspekte erlauben die Einordnung der öffentlichen Variante unter Annex A der EuInsVO. 33 Demgegenüber tritt das deutsche Schrifttum stärker für die Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen des StaRUG-Verfahrens unter der EuGVVO ein. Die lückenlose Zuordnung zu EuInsVO oder EuGVVO ist dabei die tragende Begründung (siehe oben Skauradszun, HRI I, § 14 Rz. 102).57) Entsprechend dieser Begründung fällt das private Restrukturierungsverfahren stets unter die EuGVVO. Um die – in der GategroupEntscheidung problematisierte58) – Zersplitterung von Gerichtsständen zu vermeiden, befürwortet Jessica Schmidt die Anwendung des ausschließlichen gesellschaftsrechtlichen Gerichtsstands nach Art. 24 Nr. 2 EuGVVO. Außerhalb des insolvenzrechtlichen Charakters unter der EuInsVO sei das StaRUG gesellschaftsrechtlich einzuordnen, was die Anwendung von Art. 24 Nr. 2 EuGVVO gebiete.59) 34 Eine vergleichbare Frage stellt sich ferner unter dem Haager Übereinkommen für Gerichtsstandsvereinbarungen. Vergleichbar mit der EuGVVO und dem Lugano Übereinkommen würde dieses bei Einschlägigkeit einen Weg darstellen, wie die gerichtliche Bestätigungsentscheidung Geltung im jeweiligen Zielland erlangen könnte. Dieser völkerrechtliche Vertrag enthält wiederum eine vergleichbare Bereichsausnahmen für Insolvenzverfahren in Art. 2 Abs. 2 lit. e des Haager Übereinkommens, wonach vom Anwendungsbereich ausgenommen „Insolvenz, insolvenzrechtliche Vergleiche und ähnliche Angelegenheiten“ sind. Mithin stellen sich ähnliche Fragen wie unter der EuGVVO und dem Lugano Übereinkommen (siehe oben Skauradszun, HRI I, § 14 Rz. 133). 35 Die Anerkennung des Restrukturierungsplans über die gerichtliche Planentscheidung muss man schließlich als nicht final geklärt ansehen. Für die Planung einer internationalen Restrukturierung stellen die vorgenannten Gründe – wäre die Wirksamkeit von der Anerkennung unter den genannten Regimen abhängig – eine Hürde für die Rechtssicherheit des Restrukturierungskonzepts dar. 3.

Weitere Ansätze der Anerkennung nach Unionsrecht

36 Dem Restrukturierungsplan kann eine materielle Gestaltungswirkung im Hinblick auf die deutsch-rechtlichen Rechtsverhältnisse zukommen. Eine gerichtliche Klärung der Voraussetzung und Reichweite steht auch hier gegenwärtig aus. Das StaRUG ist nach diesem Ansatz als Teil des Vertragsstatuts i. S. des Art. 1 Abs. 1 der Rom I-VO anzusehen.60) Eine Gestaltung unter dem Restrukturierungsplan könnte bei Vorliegen der Voraussetzungen im Wege der Rom I-VO in der EU Anerkennung beanspruchen (zur Rechtsnatur des Restrukturierungsplans siehe oben Berner, HRI I, § 19 Rz. 6 [dort „Vergleich“, aber offengelassen]).61) Die Gestaltung durch den Restrukturierungsplan ist danach eine als dem deutschen Recht immanente Möglichkeit anzusehen, bestehende Vertragsbeziehungen über eine Kombination von Mehrheitsabstimmung und gerichtlicher Bestätigung zu ändern. Unter der Rom I-VO ist in den Mitgliedstaaten das Vertragsstatut u. a. für „die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen“ (Art. 12 Abs. 1 lit. d Rom I-VO) maßgeblich. Dieser Begründungsweg ist nicht neu für die vorinsolvenzliche Restrukturierung. ___________ Ebenso J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 657. Die Gategroup-Entscheidung selbst war jedoch (noch) nicht Gegenstand der Analyse bei J. Schmidt. J. Schmidt, ZInsO 2021, 654, 660 f. Eine Ausnahmen für das Vertragsstatut gelten u. a. über das gesellschaftsrechtliche Statut nach Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO. 61) Madaus in: MünchKomm-StaRUG, § 84 Rz. 162.

57) 58) 59) 60)

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Internationale Konzernrestrukturierung

Für die Anerkennung des Scheme of Arrangement wurde und wird weiterhin argumentiert, dass es sich dabei um eine vertragliche Gestaltung der Rechtsverhältnisse handelt.62) Voraussetzung ist hierfür, dass die Zuständigkeit auf der Anwendbarkeit englischen Rechts auf die zugrunde liegenden Verträge beruht.63) Überträgt man diese Voraussetzung auf das StaRUG-Verfahren, sind freilich nur solche Rechtsverhältnisse erfasst, die ihrerseits deutschem Recht unterliegen. Argumente für die unionsweite Wirksamkeit im Hinblick auf ausländische Rechtsbezie- 37 hungen lassen sich neben der Einordnung unter die EuInsVO oder die EuGVVO auf die Richtlinie selbst stützen. ErwG 13 der Restrukturierungsrichtlinie nennt als Ziel der Richtlinie „die grenzüberschreitende Anerkennung dieser Verfahren und die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Urteile zu erleichtern“. Ob diese Anerkennung ausschließlich unter der EuInsVO stattfinden soll, lässt die Richtlinie selbst nicht erkennen. Das zurückhaltend formulierte Verhältnis zwischen beiden Instrumenten in diesem Erwägungsgrund legt ein weitergehendes Verständnis nahe. Die Annahme nämlich erscheint fernliegend, dass vom europäischen Gesetzgeber zwar eine Harmonisierung der Restrukturierungsregime stattfinden sollte, deren Anwendung bei grenzüberschreitenden Fällen jedoch nicht gesichert wäre. Dahingehend könnte auch der Appell im ErwG 14 zu verstehen sein, dass bestimmte Beschränkungen auch für Verfahren außerhalb der strengen Anknüpfungsregeln des Art. 3 EuInsVO gelten sollten; diesem Auftrag an die jeweiligen Gesetzgeber kommt speziell im grenzüberschreitenden Kontext Bedeutung zu. Es sprechen daher gute Gründe dafür, i. S. einer effektiven Anwendung der Richtlinie die Ziele der Richtlinie selbst jedenfalls i. R. der Auslegung von Vorschriften bei der unionsweiten Anerkennung als Grundlage heranzuziehen.64) 4.

Autonome Anerkennung über die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen

Außerhalb der genannten europarechtlichen oder internationalen Anerkennungsnormen 38 kommen zudem autonome Normen des jeweiligen nationalen Rechts für die Anerkennung in Betracht. Diese sind für jede relevante Jurisdiktion im Anwendungsfall zu prüfen. Sie sind relevant für die Anerkennung ausländischer Verfahren (insbesondere aus NichtEU-Mitgliedstaaten) in Deutschland wie für die Anerkennung des deutschen Restrukturierungsverfahrens im Ausland, soweit nicht die supranationalen Regelungen einschlägig sind. Setzen sich Konzernrestrukturierungen aus mehreren internationalen Restrukturierungsinstrumenten zusammen, ist sowohl die Anerkennung von ausländischen Instrumenten in Deutschland als auch jeweils international erheblich.

___________ 62) Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1216; Sax/Barkner/Saed, NZI 2021, 517, 521 – auch für den Restructuring Plan nach Part 26A Companies Act 2006. 63) So bereits Schillig in: BeckOK-InsR, Int. Insolvenzrecht, England Rz. 39. 64) Im Bereich der Restrukturierung von Kreditinstituten stützte der EuGH etwa in C-85/12 (EuGH v. 24.10.2013 – Rs. C-85/12 (Kepler Capital Markets SA), ABl. (EU) C 2013/697 v. 30.5.2013) die Anerkennung von Reorganisationsmaßnahmen auf den Zweck der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. (EU) L 125/15 v. 5.5.2001; anders als die Restrukturierungsrichtlinie hatte diese jedoch die Anerkennung ausdrücklich zum Gegenstand (dort etwa Art. 3). Der englische Supreme Court bezog sich hierauf in [2018] UKSC 34 in Re Goldman Sachs International et al v Novo Banco SA für die Wirksamkeit von Restrukturierungsmaßnahmen unter der Abwicklungsrichtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. S. dazu Dodt, WM 2019, 529.

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§ 42 4.1

8. Teil Konzern Deutsche autonome Anerkennung

39 In der InsO und der ZPO wird ausländischen Insolvenzverfahren bzw. Gerichtsentscheidungen über §§ 335 ff. InsO bzw. § 328 ZPO in Deutschland Geltung verliehen. Diese deutsch-rechtlichen Normen können für die Anerkennung vergleichbarer Restrukturierungsverfahren anderer Mitgliedstaaten eine Rolle spielen, soweit nicht andere vorrangige Instrumente wie die EuInsVO oder die EuGVVO greifen. Über § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO werden ausländische Insolvenzverfahren in Deutschland ohne weitere Anerkennungsentscheidung anerkannt.65) Voraussetzung ist u. a., dass das Gericht nicht unzuständig war aus deutscher Sicht (Satz 2), die betroffene Gesellschaft also ihren COMI im betroffenen Land hatte (i. V. m. § 3 InsO). Auch § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfordert, dass das entscheidende Gericht international zuständig war (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und Reziprozität (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) gewährleistet ist. In welchem Maße Restrukturierungspläne und präventive Restrukturierungsmaßnahmen unter den autonomen deutschen Normen anzuerkennen sind, ist derzeit offen, wird aber als möglich angesehen.66) Die in Sachen Gategroup entwickelte Argumentation des High Court bietet jedoch Ansätze dafür, dass das Part 26A Restructuring-Plan-Verfahren unter dem Companies Act 2006 (anders als beim solventen Scheme of Arrangement)67) sowie ggf. die unter der Restrukturierungsrichtlinie entwickelten Verfahren, die Charakteristika von „Insolvenzverfahren“ in diesem Sinne vorweisen. 4.2

UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency (1997)

40 Ein zentraler Bereich für die künftige internationale Anerkennung des deutschen Restrukturierungsverfahrens aber natürlich auch der sonstigen europäischen Richtlinienumsetzungen wird die Einordnung unter dem UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency (Model Law 1997) sein. Dieses Model Law 1997 stand Pate für die autonomen Regime zur Anerkennung in bislang 49 Staaten und 53 Jurisdiktionen.68) In jüngster Zeit wurde die Regelungsmaterie des Model Law 1997 mit dem UNCITRAL Model Law on Recognition and Enforcement of Insolvency-Related Judgments (2018) durch ein weiteres Modellgesetz ergänzt, um etwaige Anwendungslücken im Hinblick auf insolvenzbezogene Gerichtsentscheidungen zu schließen.69) Für die tatsächliche Anwendung ist freilich die jeweilige Umsetzung in geltendes nationales Rechts maßgeblich, das Model Law 1997 selbst hat keinen Gesetzescharakter. 41 Für die Anerkennung setzt das Model Law 1997 auf eine Anerkennungsentscheidung. Anders als unter § 343 InsO ist mithin der Antrag auf Anerkennung eines ausländischen Verfahrens bei einem zuständigen nationalen Gericht erforderlich, das über die Anerkennung des Verfahrens entscheidet. Vergleichbar mit der vorangegangenen Diskussion wird jeweils maßgeblich sein, wie ein Restrukturierungsverfahren zu charakterisieren ist. Das Model Law 1997 erfordert dabei ein Verfahren „relating to insolvency“.70) Mithin werden ___________ 65) 66) 67) 68)

Für das U.S. Chapter 11-Verfahren BGH v. 13.10.2009 – X ZR 79/06, LS 1, ZIP 2009, 2217. Thole in: MünchKomm-InsO, § 343 Rz. 14, 19. BGH v. 15.2.2012 – IV ZR 194/09, ZIP 2012, 740 = WM 2012, 806. Übersicht abrufbar unter https://uncitral.un.org/en/texts/insolvency/modellaw/cross-border_insolvency/ status (Abrufdatum: 14.2.2023). 69) Abrufbar unter https://uncitral.un.org/en/texts/insolvency/modellaw/mlij (Abrufdatum: 14.2.2023). Hierin werden ausdrücklich solche Gerichtsentscheidungen behandelt und grundsätzlich der Anerkennung unterworfen, die den Bestand der Forderungen betreffen und über einen gerichtlich bestätigten Vergleich zustande kommen (s. dort Rz. 60 lit. e). 70) Art. 2 a Model Law 1997: „‘Foreign proceeding’ means a collective judicial or administrative proceeding in a foreign State, including an interim proceeding, pursuant to a law relating to insolvency in which proceeding the assets and affairs of the debtor are subject to control or supervision by a foreign court, for the purpose of reorganization or liquidation” (Hervorhebung durch d. Verf.). Für einen weiten Einbezug von vorinsolvenzlichen Verfahren Mevorach/Walters, EBOR 21/2020, 855 ff.

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§ 42

Internationale Konzernrestrukturierung

sich jeweils Fragen nach dem maßgeblichen Charakter des Restrukturierungsverfahrens stellen. So kann zum einen aus Sicht des Model Law 1997 für die gerichtliche Überwachung ausreichend sein, wenn der Restrukturierungsplan gerichtlich bestätigt ist (Rz. 75 Model Law). Dies spricht für die Anwendbarkeit, zumal dies eben keine rein vertragliche Grundlage (Rz. 78 Model Law) darstellt. Die Beschränkung auf bestimmte Gläubiger ist für sich gesehen ebenfalls kein Ausschluss (Rz. 69 Model Law). Die Regelung zu ausgenommenen Rechtsverhältnissen unter § 4 StaRUG sollte daher die Bejahung von „collective proceeding“ nicht von vornherein ausschließen (Rz. 70 Model Law). Für die Frage, ob das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG eine Aussicht auf 42 Anerkennung unter dem Model Law 1997 hat, lohnt der Blick auf zwei für die deutsche Restrukturierung wesentliche Nationen, die Gesetze zur Umsetzung des Model Law 1997 oder in Anlehnung daran erlassen haben, namentlich das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten.71) 4.3

Das englische internationale Insolvenzrecht

Das Vereinigte Königreich hat mit den Cross-Border Insolvency Regulations 2006 (CBRI 43 2006) das Model Law 1997 umgesetzt (Art. 2 Abs. 1 Model Law).72) Für die Frage, ob ein Gericht im Vereinigten Königreich auf Anerkennung erkennt, ist ein breiter Rückgriff auf die Materialien zum Model Law 1997 zulässig, einschließlich der Berichte aus der Arbeitsgruppe (Art. 2 Abs. 2 Model Law). Vor diesem Hintergrund hatten sich die Gerichte mit der Begriffsauslegung auf dem Model Law 1997 befasst. In 2017 entschied der High Court bspw. unter Rückgriff auf vorangegangene Entschei- 44 dungen über die Anerkennung des kroatischen Sondergesetzes als anwendbares Verfahren und führte u. a. zu folgenden Merkmalen aus,73) die auch für die Einordnung des Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG bedeutsam sein können:  Drohende Insolvenz („impending insolvency“) war als alternative Eintrittsschwelle zu eingetretener Insolvenz für das Verfahren hinreichend, um als das Merkmal „relating to insolvency“ zu bejahen (Rz. 73 ff. Model Law). Aus Sicht des Restrukturierungsverfahrens könnte mithin die drohende Zahlungsunfähigkeit ein hinreichendes Merkmal sein, selbst wenn bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung das StaRUG regelmäßig (§§ 33 Abs. 2 Nr. 1, 42 Abs. 1 StaRUG) nicht länger Anwendung findet. Jedoch stützte sich das englische Gericht auf die Tatsache, dass das Gesetz in beiden Fällen von Insolvenz Anwendung finden würde. Die isolierte Prüfung der drohenden Insolvenz als Eintrittsschwelle war daher nicht Gegenstand der Prüfung durch den High Court.  Ferner war es nicht schädlich, dass es sich um ein vorinsolvenzliches Verfahren handelte, das – wenn kein Restrukturierungsplan zustande kommt – entweder ohne Sanierungsmaßnahmen beendet oder in ein Insolvenzverfahren übergeleitet wird (Rz. 106 Model Law); das Kriterium „for the purpose of reorganization or liquidation“ sah das Gericht als erfüllt an. Mithin sprechen auch für das Restrukturierungsverfahren gute Gründe dafür, dass der Restrukturierungzweck zu bejahen ist, auch wenn das Verfahren in ein gesondertes Insolvenzverfahren münden kann. ___________ 71) Innerhalb der EU haben das Model Law 1997 gegenwärtig nur die Mitgliedstaaten Griechenland, Polen, Slowenien und Rumänien umgesetzt, vgl. https://uncitral.un.org/en/texts/insolvency/modellaw/crossborder_insolvency/status (Abrufdatum: 14.2.2023). 72) Abrufbar unter https://www.legislation.gov.uk/uksi/2006/1030/regulation/2 (Abrufdatum: 14.2.2023). Diese haben Geltung in Schottland sowie England und Wales. In Nordirland gelten die Cross-Border Insolvency Regulations (Northern Ireland) 2007. 73) Vgl. Re Agrokor, [2017] EWHC 2791 (Ch), abrufbar unter https://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/ Ch/2017/2791.html (Abrufdatum: 14.2.2023).

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8. Teil Konzern

45 Im Hinblick auf die Kollektivität hatte sich in Sachen Gategroup74) das englische Gericht damit auseinandergesetzt, ob das Part 26A Verfahren ein Insolvenzverfahren ist. Hier geht es nicht um die Anerkennung unter der CBRI 2006, sondern um die Frage, ob das englische Restrukturierungsverfahren unter die insolvenzbezogene Bereichsausnahme des Lugano Abkommens fällt. Für das Merkmal „collective proceedings“ könnte gleichwohl folgende Feststellung hilfreich sein: Der englische High Court scheint der Aussage unter der EuInsVO (ErwG 14) nicht abgeneigt, dass die Beschränkung auf Finanzgläubiger die Kollektivität des Verfahrens also als Gesamtverfahren nicht ausschließt. 46 Exkurs: Rule in Gibbs als Sanierungsrisiko? Mithin ist aus Sicht des Vereinigten Königreichs die Anerkennung des Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG insgesamt nicht fernliegend. In den praktisch relevanten Fällen von Finanzverträgen unter englischem Recht, stellt die Anerkennung als ausländisches Verfahren nur einen von zwei relevanten Schritten dar. Neben der prozessualen Anerkennung ist nämlich zu klären, ob auch materiell-rechtlich das StaRUG-Verfahren aus Sicht der englischen Gerichte die englisch-rechtlichen Forderungen und Verträge wirksam umgestalten kann.75) Nimmt etwa der Restrukturierungsplan Änderungen am Bestand der Forderungen vor oder ändert die Regelungen der Intercreditor Vereinbarung, muss nicht nur die Wirksamkeit gegenüber dem Schuldnerunternehmen, sondern auch im Verhältnis zwischen den Gläubigern wirksam sein. Ein sich als übervorteilt ansehender Gläubiger könnte etwa ansonsten vor englischen Gerichten versuchen, die Herausgabevorschriften gegenüber einem anderen Gläubiger durchzusetzen oder gegen den Sicherheitenagenten vorzugehen (sog. „turnover“, „redistribution“)76). 47 Englische Gerichte sehen einen solchen Eingriff in englische Rechtsverhältnisse durch ausländische Gerichte traditionell sehr kritisch. Unter der sog. „Rule in Gibbs“77) wird von englischen Gerichten ein Schuldenerlass nur dann anerkannt, wenn er unter der auf den Vertrag anwendbaren Rechtsordnung zustande gekommen ist.78) Eine Ausnahme soll dann gelten, wenn sich ein Gläubiger dem ausländischen Gerichtsverfahren, das englische Rechtsverhältnisse abändern soll, etwa durch Teilnahme am Verfahren oder Forderungsanmeldung unterwirft.79) 48 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Anerkennung eines Restrukturierungsplans nach dem StaRUG ggf. nur eingeschränkt von englischen Gerichten erlangt werden kann. Ohne entsprechende vertragliche Vorschriften bestehen Zweifel im Hinblick auf eine wirksame Entschuldung oder Umgestaltung englischer Forderungen unter dem StaRUG.80) 4.4

U.S.-Anerkennung im Wege des Chapter 15 BC

49 Flexibler bei der umfassenden Anerkennung haben sich in der Vergangenheit die U.S.Gerichte erwiesen: In den USA werden ausländische Insolvenz- und ähnliche Verfahren unter den Voraussetzungen des sog. Chapter 15 des U.S.-amerikanischen Bankruptcy Code (BC) anerkannt.81) Das Gesetz setzt ebenfalls wesentliche Teile des Model Law 1997 um ___________ 74) Vgl. Re Gategroup Guarantee Ltd., [2021] EWHC 304 (Ch), Rz. 109 ff. 75) Zu den Wirkungen der Anerkennung Art. 20, 21 CBRI 2006; dazu auch Re Bakhshiyeva v Sberbank of Russia et al., [2018] EWHC 59 (Ch), Rz. 97 ff. 76) Plank/Prusko in: Knecht/Hommel/Wohlenberg, Hdb. Unternehmensrestrukturierung, S. 2063, 2066. 77) Vgl. bspw. Re Bakhshiyeva v Sberbank of Russia et al., [2018] EWHC 59 (Ch) Rz. 1: „[…] the ‚rule' in Antony Gibbs & Sons v La Société Industrielle et Commerciale des Métaux (1890) LR 25 QBD 399 […]”. 78) Re Bakhshiyeva v Sberbank of Russia et al., [2018] EWHC 59 (Ch), Rz. 44. 79) Re Bakhshiyeva v Sberbank of Russia et al., [2018] EWHC 59 (Ch), Rz. 46. 80) So auch Herding/Kranz, ZRI 2021, 123, 129. 81) Ausführlich zum U.S.-Chapter 15 BC s. etwa Schiller, NZI 2015, 744.

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(s. § 1501(a) BC). Voraussetzung ist auch hier, dass es sich um ein „foreign proceeding“ handelt, dessen Merkmale sehr nahe am Model Law 1997 gehalten sind.82) Praktisch relevant ist dies insbesondere für unter U.S.-Recht begebene Schuldtitel, wie 50 häufig bei Anleihen im sog. High-Yield-Segment, die im vergangenen Finanzierungszyklus regelmäßig als Teil von Private Equity gestützten Finanzierungen (Leveraged Buy-outs) benutzt werden (siehe oben Prusko, HRI I, § 41 Rz. 17). Im Chapter 15 des U.S.-amerikanischen Bankruptcy Code ist etabliert, dass das englische 51 Scheme of Arrangement anerkennungsfähig ist.83) Bei der Reichweite der Wirksamkeit gehen die U.S.-Richter regelmäßig davon aus, dass grundsätzlich auch ausländische Verfahren dem U.S.-Recht unterliegende Rechtsverhältnisse umgestalten können.84) In Europa gängige Finanzierungen mit U.S.-Anleihen waren vor diesem Hintergrund häufig Gegenstand von Restrukturierungen unter dem Scheme of Arrangement in Kombination mit einer Anerkennung nach Chapter 15 BC.85) Selbst eine Drittfreigabe, also Freigabe von Sicherheiten nicht unmittelbar verfahrensbetei- 52 ligter Schuldner, die im zugrunde liegenden Scheme of Arrangement enthalten war, wurde unter einem Chapter 15-Verfahren anerkannt.86) Jedoch sind sog. Third Party Releases bereits im regulären Chapter 11-Plan kontrovers und werden von den Gerichten nicht einheitlich entschieden.87) Die Einholung einer U.S.-Anerkennung nach Chapter 15 BC ist damit nicht nur die Regel 53 bei internationalen Sachverhalten mit U.S.-Schuldinstrumenten, sondern auch empfehlenswert. In den USA ansässige Personen, wie z. B. ein Sicherheitenagent oder Treuhänder unter den New Yorker Anleihen können nach einer Anerkennung das von ihnen geforderte Handeln auf eine Entscheidung eines U.S.-Gerichts stützen.88) Die Anerkennung unter Chapter 15 BC wird mithin eine wesentliche Rolle spielen bei der 54 Etablierung des StaRUG oder anderer Restrukturierungsverfahren unter der Restrukturierungsrichtlinie im internationalen Markt. Aufgrund der Flexibilität und Sachnähe, die U.S.-Gerichte in der Vergangenheit auch bei neuartigen Instrumenten der Restrukturierung gezeigt haben, erscheint die Anerkennung durchaus nicht fernliegend. VII. Internationale Gestaltungswirkung des Restrukturierungsplans Für das Restrukturierungskonzept im internationalen Konzern sind die vorgenannten An- 55 erkennungsgrundsätze praktisch ebenso wesentlich wie die Bestimmungen des Restruktu___________ 82) § 101 (23) Chapter 15 BC: „The term ‘foreign proceeding’ means a collective judicial or administrative proceeding in a foreign country, including an interim proceeding, under a law relating to insolvency or adjustment of debt in which proceeding the assets and affairs of the debtor are subject to control or supervision by a foreign court, for the purpose of reorganization or liquidation”. 83) In Re Avanti Communications Group PLC, 582 B.R. 603 (Bankr. S.D.N.Y. 2018) – m. Hinweisen auf die gängige Spruchpraxis S. 613. S. hierzu auch Paulus/Bähr/Hackländer, ZIP 2021, 1085, 1090. 84) Ausdrücklich in Abwägung der Rule in Gibbs vgl. die Anerkennung des Agrokor Settlement Agreement (einschließlich der Regelungen betreffend U.S.-rechtlicher Anleihen In Re Agrokor d.d., No. 18-12104 (Bankr. S.D.N.Y. Oct. 24, 2018) (MG). 85) Dazu etwa Couwenberg/Lubben, North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation, Vol. 45/2020, S. 8. 86) In Re Avanti Communications Group PLC, 582 B.R. 603 (Bankr. S.D.N.Y. 2018) – m. Hinweisen auf die gängige Spruchpraxis, Rz. 613. 87) S. In Re Millennium Lab Holdings II, LLC, 945 F.3d 126 (3d Cir. 2019); s. zudem in Re Avanti Communications Group PLC, 582 B.R. 603 (Bankr. S.D.N.Y. 2018), die Diskussion m. Hinweisen auf die unterschiedlichen Ansichten ab Rz. 615. 88) S. bspw. der Hinweis auf die sonst fragliche Umsetzung durch den Treuhänder („indenture trustee“) In Re Rede Energia S.A., 515 B.R. 69 (Bankr. S.D.N.Y. 2014), Rz. 93 ff.

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rierungsverfahrens selbst. Aus der Zusammenschau mit den materiellen Regelungsmöglichkeiten des Restrukturierungsplans ergibt sich der Einsatzbereich des Restrukturierungsplans in der internationalen Unternehmensgruppe. Dabei ist offensichtlich, dass gegenwärtig praktisch wesentliche Fragen nicht abschließend geklärt sind und das Anerkennungsregime des präventiven Plans nicht als flächendeckend zuversichtlich bewertet werden kann. Für die Ausarbeitung des internationalen Konzepts unter dem StaRUG für einen Inlandsschuldner sind mithin folgende Aspekte maßgeblich: 1.

Vermögen: Inlandswirkung bei Vermögensgegenständen unter der EuInsVO

56 Für das öffentliche Restrukturierungsverfahren beschränkt die EuInsVO die Anerkennung der Verfahrenswirkung auf im Inland belegene Vermögensgegenstände der schuldnerischen Gesellschaft (Art. 8 EuInsVO). Rechte am Auslandsvermögen unterliegen damit regelmäßig nicht der Gestaltungswirkung des Restrukturierungsplans. 57 Nach Art. 8 Abs. 1 EuInsVO wird das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners, die in einem anderen Mitgliedstaat belegen sind, von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt. Bei der Finanzrestrukturierung der Unternehmensgruppe ist diese Einschränkung insbesondere dann zu bedenken, wenn etwa ausländische Bankguthaben, z. B. i. R. eines Cashpools, oder andere zentrale Finanzierungsfunktionen auf Ebene der Holding vorhanden sind.89) Hier besteht die Gefahr, dass weder der Restrukturierungsplan selbst noch bereits zuvor die Sicherungsmaßnahmen die Vermögensgegenstände vor dem Zugriff der Gläubiger sichern. 58 Besteht im betroffenen Mitgliedstaat eine Niederlassung der schuldnerischen Gesellschaft, kann nach den Regeln der EuInsVO ein Sekundärverfahren gemäß Art. 3 Abs. 2 EuInsVO eröffnet werden. Die Restrukturierungsrichtlinie enthält keine Vorgaben, wie ein solches Sekundärverfahren aussehen soll. Entsprechend offen sind aktuell die näheren Details. Hier ist zu prüfen, ob dieses Sekundärverfahren ggf. Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf die betroffenen Vermögensgegenstände zulässt. 59 Daneben sind Sicherungsmaßnahmen i. R. der internationalen Anerkennung zu prüfen. Das Model Law 1997 – mithin etwa auch das Recht im Vereinigten Königreich (siehe oben Rz. 43 ff.) oder in den Vereinigten Staaten (siehe oben Rz. 49 ff.) – sieht vor, dass das Gericht im Anerkennungsstaat Sicherungsmaßnahmen erlassen kann (Art. 19 ff. Model Law 1997). Entsprechend kann das Vermögen jedenfalls temporär vor dem Zugriff geschützt werden, bis ein Restrukturierungsplan und die hierunter umgesetzte Gestaltung der Gläubigerforderungen wirksam wird. 2.

Verbindlichkeiten: Einzelfallabhängige Gestaltung von ausländischen Instrumenten

60 Im Hinblick auf eine Umgestaltung oder Entschuldung von ausländischen Rechtsordnungen unterliegenden Schuldinstrumenten ist die Wirkung des Restrukturierungsplans von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig. Die Effektivität für die jeweilige Fallgestaltung ist entsprechend sorgfältig zu prüfen und vorzubereiten. 

Innerhalb der EU (zur Reichweite und Ausnahme für Dänemark siehe Rz. 28): –

Im Anwendungsbereich der EuInsVO wirkt ein Restrukturierungsplan für und gegen die Planunterworfenen, sofern der Restrukturierungsplan über einen in Deutschland

___________ 89) Belegenheitsort von Bankguthaben s. Art. 2 Nr. 9 lit. c; dazu J. Schmidt in: Mankowski/Müller/ J. Schmidt, EuInsVO, Art. 8 Rz. 16, Art. 2 Rz. 34 ff.

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ansässigen Schuldner erstellt und im Wege des – ab 17.7.2022 geltenden – öffentlichen Verfahrens nach dem StaRUG zustande gekommen ist. Die Gestaltungen des Restrukturierungsplans werden entsprechend automatisch anerkannt. –



3.

Außerhalb der Anwendung der EuInsVO ist die Anerkennung der Gerichtsentscheidung fraglich und insbesondere unter der EuGVVO nicht abschließend geklärt. Je nach Wirksamkeit verbleibt auch bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Fragen zur Anerkennung unter autonomen nationalen Regelungen.

Außerhalb der EU: –

Zu prüfen ist jeweils eine internationale Anerkennung unter den anwendbaren autonomen Anerkennungsregeln, die insbesondere unter der jeweiligen Umsetzung des UNCITRAL Model Law 1997 umgesetzt sind, wie bspw. im Vereinigten Königreich (CBIR) und den Vereinigten Staaten (Chapter 15 BC).



Die Anerkennung eines Schuldenerlasses oder einer sonstigen Umgestaltung der Rechtsinstrumente unter dem Restrukturierungsplan ist jedoch auch bei Anerkennung des Verfahrens abhängig von der jeweiligen Rechtsordnung. Die Vereinigten Staaten erkennen regelmäßig die Wirkung auch für U.S.-rechtliche Instrumente an. Das Vereinigte Königreich ist hier im Hinblick auf die Rule in Gibbs deutlich zurückhaltender bei der Umgestaltung englisch-rechtlicher Instrumente durch ein – aus Sicht etwa der englischen Gerichte – ausländisches Verfahren.



Für englisch-rechtliche Finanzierungsverträge oder Intercreditor-Vereinbarungen gibt es mithin bislang keinen etablierten Anerkennungsweg für einen deutschen Restrukturierungsplans. Hier kann ein – ggf. parallel durchzuführendes – Scheme of Arrangement oder neuerdings zusätzlicher Restructuring Plan in England höhere Rechtssicherheit erzielen.



Ergänzend kommt die Anerkennung als gerichtliche Entscheidung internationalen Abkommen wie unter dem Lugano Abkommen oder den jeweiligen autonomen nationalen Anerkennungsnormen in Betracht, dieser Weg der Anerkennung ist jedoch nicht abschließend geklärt (siehe oben Rz. 31). Internationale Reichweite von gruppenübergreifenden Regelungen

Ebenfalls als unklar muss gegenwärtig die internationale Reichweite bei gruppenüber- 61 greifenden Regelungen hinsichtlich Drittsicherheiten bezeichnet werden. Das durch das SanInsFoG90) neu aufgeworfene Sonderproblem, das sich im StaRUG (und parallel in der InsO) ergibt, ist in den dargestellten Kategorien schwer zu verorten. Wie ausgeführt kann der Restrukturierungsplan einer Gesellschaft Regelungen im Hinblick auf verbundene Unternehmen treffen, die als Mitschuldner, Bürge, Garant oder Sicherungsgeber für die schuldnerische Gesellschaft fungieren (Prusko, HRI I, § 41 Rz. 53). Das StaRUG knüpft für die Reichweite dieser Regelung an den aktienrechtlichen Begriff 62 des verbundenen Unternehmens an und ist mithin nicht auf in Deutschland inkorporierte oder ansässige Gesellschaften beschränkt.91) Zudem begrenzt das StaRUG selbst die gruppenweite Freigabe nicht ausdrücklich auf in Deutschland ansässige Gesellschaften. Entsprechend offen ist, ob das StaRUG effektiv auf Auslandsgesellschaften anwendbar ist: 

Das StaRUG knüpft für die internationale Zuständigkeit am COMI der schuldnerischen Gesellschaft an. Für die Gruppenzuständigkeit ist ausdrücklich ein inländischer

___________ 90) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256. 91) Vgl. Westpfahl/Dittmar, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 46.

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COMI vorgesehen. Keine Aussage enthält das StaRUG, ob diese inländischen Anknüpfungen i. R. der gruppenweiten Regelungen einer grenzüberschreitenden Reichweite entgegenstehen. Die für den Schuldner typischen Regelungen, wie sie mit der eigenen Abstimmungsgruppe und Wertermittlung für die gruppeninterne Drittschuldnerin angewendet werden, müssten dann auf die ausländische Gesellschaft Anwendung finden. 

In materieller Hinsicht bleiben nach Art. 8 Abs. 1 EuInsVO dingliche Rechte an Gegenständen des Schuldners im Ausland unberührt. Die Reichweite ist mithin dahingehend territorial begrenzt. Im umgekehrten Fall von Inlandsvermögen einer ausländischen Gesellschaft könnte es demgegenüber eine Zuständigkeit für deutsche Gerichte geben. Diese beschränkte Wirkung hat das StaRUG unabhängig davon, ob sich der COMI einer Gesellschaft im In- oder Ausland befindet.



Sollte das deutsche Gericht den grenzüberschreitenden Planinhalt als zulässig ansehen (z. B. i. R. des § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) und bestätigen, ist die Frage der Reichweite wiederum über die Anerkennung zu beantworten (siehe oben Rz. 24). Im Anwendungsbereich der EuInsVO wirft der fehlende COMI der betroffenen Gesellschaft Fragen bei der Anerkennung auf, wenngleich jedoch die Erstreckung des § 2 Abs. 4 StaRUG kein Insolvenzverfahren bezüglich der betroffenen Gruppengesellschaft darstellt. Ein einheitlicher unionsweiter Gerichtsstand ist unter der EuInsVO für gruppenanhängige Gesellschaften nicht vorgesehen.92) Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich demgegenüber aus der Vertragsdokumentation selbst ergeben.93) Für eine englischrechtlich konstituierte Mithaft oder Garantie begegnet die Anerkennung den dargestellten Bedenken, zumal wenn die Zuständigkeit englischer Gerichte vereinbart ist. Unter Chapter 15 BC ist hervorzuheben, dass U.S.-Gerichte einen Third Party Release unter dem englisch-rechtlichen Scheme of Arrangement anerkannt haben.

VIII. Restrukturierungsplan im Zusammenspiel mit internationalen Restrukturierungsinstrumenten 63 Die beschränkte Anwendung und Wirksamkeit des Restrukturierungsplans bei der internationalen Unternehmensgruppe erfordern in bestimmten Gestaltungen eine Kombination von internationalen Restrukturierungsinstrumenten. Eine solche wird bspw. dann erforderlich sein, wenn das konzernweite Restrukturierungskonzept mehrere, aufeinander abgestimmte Pläne in unterschiedlichen Jurisdiktionen vorsieht. Dazu können die jeweiligen Restrukturierungspläne verknüpft werden oder bereits Koordinationsinstrumente im Verfahren angewendet werden. 1.

Verknüpfung mit anderen Restrukturierungsplänen

64 Die Wirksamkeit eines Restrukturierungsplans kann von anderen Plänen abhängig gemacht werden. Die in dem vorgehenden Kapitel ausgeführte Möglichkeit der Verknüpfung von Restrukturierungsplänen ist nicht auf inländische Bedingungen beschränkt. Dabei kann entweder bereits die Bestätigung des Restrukturierungsplan auf den Eintritt bestimmter Ereignisse bedingt sein oder aber der Planinhalt enthält bestimmte aufschiebende Bedingungen. 65 Ein solches Vorgehen bietet sich an, wenn komplexe und mehrstufige Plankonzepte umgesetzt werden sollen, deren Eintritt nicht vollständig in der Jurisdiktion des primären Restrukturierungsplans rechtssicher erzielt werden kann. Gerade bei internationalen Finan___________ 92) Mankowski in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, EuInsVO, Art. 3 Rz. 112; J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art. 56 Rz. 4 ff. 93) Madaus in: MünchKomm-StaRUG, § 84 Rz. 138.

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zierungen können, wie ausgeführt, insbesondere im Hinblick auf englische Finanzierungsinstrumente Zweifel bei der wirksamen Gestaltung der Instrumente durch einen Restrukturierungsplan nach dem StaRUG bestehen. Als Beispiel einer jurisdiktionenübergreifenden Bedingung lässt sich der Settlement Plan 66 unter kroatischem Recht in Sachen Agrokor anführen: Dieser enthielt ein aufschiebende Bedingungen u. a. im Hinblick auf die im Verfahren aufgenommene vorrangige Rettungsfinanzierung unter englischem Recht.94) Die Wirksamkeit des Plans – vorbehaltlich eines nach einem festgelegten Verfahren erklärten Bedingungsverzichts – hing daran, dass diese Verbindlichkeiten refinanziert oder die Finanzierung in die unter dem Plan neu kreierte Konzernstruktur überführt ist. Als Mittel einer solchen Überführung durch Vertragsänderung erlaubte der Settlement Plan ein entsprechendes Scheme of Arrangement, wovon erfolgreich für die Inkraftsetzung des Settlement Plan Gebrauch gemacht wurde. Künftig ist es denkbar, von den Vorteilen der unionsweiten Harmonisierung Gebrauch zu 67 machen und die Wirksamkeit bestimmter Restrukturierungspläne in anderen Mitgliedstaaten als Bedingung in Bezug zu nehmen. Freilich ist die steigende Komplexität und Interdependenz in Betracht zu ziehen, wenn unterschiedliche Restrukturierungsinstrumente miteinander verknüpft und deren Wirkung vom Eintreten externer Umstände abhängig gemacht werden. Die Zuverlässigkeit des englischen Scheme of Arrangement und des rasch in der Praxis Gestalt annehmenden Restructuring Plan sowie deren Absehbarkeit des gerichtlichen Bestätigungsverfahrens reduzieren die hiermit verbundenen Unwägbarkeiten. 2.

Koordinationsinstrumente der EuInsVO

Die EuInsVO sieht mit den Koordinationsinstrumenten einen weiteren Weg für das Zu- 68 sammenspiel des Restrukturierungsverfahrens mit vergleichbaren Verfahren innerhalb der EU vor. Aus Verfahrenssicht gilt dies freilich nur, soweit die jeweiligen Verfahren selbst wiederum unter den Anwendungsbereich EuInsVO fallen, wie etwa das öffentlich geführte Restrukturierungsverfahren. Dies ist entsprechend abhängig von der nationalen Umsetzung in den jeweils für die Unternehmensgruppe betroffenen Jurisdiktionen. Eine Konsolidierung mehrerer Verfahren hingegen verbietet Art. 72 Abs. 3 EuInsVO.95) 

Die Restrukturierungsrichtlinie eröffnet die Anwendung unter der EuInsVO für die drei Koordinationsbereiche Verwalter, Gericht und Plan, vorausgesetzt das jeweilige Verfahren und die Funktion des Verwalters oder Restrukturierungsbeauftragten sind in Annex A bzw. Annex B der EuInsVO aufgenommen: Betreffend das deutsche Verfahren unter dem StaRUG sind die öffentliche Restrukturierungssache wie auch der Restrukturierungsbeauftragte ergänzt worden.96)

Für die Verwalterkoordination setzt Art. 56 EuInsVO voraus, dass ein Verwalter in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Mitglieds einer Unternehmensgruppe bestellt worden ist. Neben dem Restrukturierungsbeauftragten müssten daher auch die in den anderen Mitgliedstaaten involvierten vergleichbaren Rollen unter den Verwalterbegriff des Art. 2 Nr. 5 EuInsVO fallen. Vergleichbar mit dem Mechanismus für das „Insolvenzverfahren“ sieht die EuInsVO für den Verwalter eine abschließende Aufzählung in Annex B vor.97) Insofern hängt die Anwendbarkeit davon ab, ob der ___________



94) Sec. 28.2.5 des Settlement Plan, abrufbar unter https://nagodba.agrokor.hr/storage/2018/06/Settlement-Plan-Amended-25-June-2018.pdf (Abrufdatum: 14.2.2023). 95) Madaus in: MünchKomm-StaRUG, § 84 Rz. 32. 96) Anhang A bzw. Anhang B EuInsVO (jeweils i. d. F. der Verordnung (EU) 2021/2260 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Ersetzung der Anhänge A und B, ABl. (EU) L 455/4 v. 20.12.2021). 97) J. Schmidt in: Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, EuInsVO, Art. 2 Rz. 15.

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jeweilige Mitgliedstaat die Person aufnehmen lässt. Dass die Aufnahme im Grundsatz in der Restrukturierungsrichtlinie vorgesehen ist, legt deren Art. 26 nahe.98) Ohne ausdrücklich die Rolle des Restrukturierungsbeauftragten zu benennen, ist der Verwalterbegriff nicht auf Insolvenzverfahren beschränkt, sondern bezieht sich weit formuliert auf Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren. Dessen Ernennung durch eine Verwaltungs- oder Justizbehörde deckt sich mit der Definition des Restrukturierungsbeauftragten in Art. 2 Nr. 12 der Restrukturierungsrichtlinie. Die Aufnahme des Restrukturierungsbeauftragten für Deutschland in Annex B der EuInsVO bestätigt diese Möglichkeit. 

Die Gerichtskoordination nach Art. 57 EuInsVO soll seitens eines Gerichts erfolgen, das ein Insolvenzverfahren eröffnet hat bzw. damit befasst ist. Unter Art. 2 Nr. 6 lit. b EuInsVO ist als Gericht das Justizorgan und jede sonstige Stelle eines Mitgliedstaats erfasst, die befugt ist, i. R. des Insolvenzverfahrens Entscheidungen zu treffen. Art. 2 Nr. 7 lit. b EuInsVO definiert die „Entscheidung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ als die zur gerichtlichen Bestellung eines Verwalters. Unter der Restrukturierungsrichtlinie kann dies der Einsetzung des Restrukturierungsbeauftragten nach Art. 5 Abs. 2 Restrukturierungsrichtlinie entsprechen.99) Enger gefasst ist gemäß Art. 2 Nr. 6 lit. a EuInsVO der Gerichtsbegriff für die Zwecke des Gruppen-Koordinationsverfahren nach den Art. 61 bis 77. Nur ein Justizorgan erfüllt demnach die Voraussetzungen.



Die Anwendung des Koordinationsplan nach Art. 70 EuInsVO setzt voraus, dass das Gruppen-Koordinationsverfahren nach Art. 61 EuInsVO insgesamt einschließlich der Einsetzung eines Koordinators eröffnet ist. Das Gruppen-Koordinationsverfahren erfordert lediglich einen Antrag eines Verwalters bei einem Gericht, das für ein Gruppenmitglied zuständig ist, zusammen mit einem Vorschlag des Koordinators. Der Koordinationsplan wäre sodann Teil der Aufgaben eines ernannten Koordinators.

69 Wenn nach den vorstehenden Kriterien die Anwendung der Koordinationsvorschriften denkbar ist, gelingt dies bereits in der Theorie nicht ohne Störgefühl an verschiedenen Stellen. So zielen die Aufgaben des Koordinators etwa inhaltlich auf die Überwindung der Insolvenz ab.100) In Verfahrenssachen hat der Koordinator bspw. das Recht, eine Aussetzung der Verfahren für bis zu sechs Monate zu beantragen, die Restrukturierungsrichtlinie geht hingegen bei der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen von einer Regeldauer von nicht über vier Monaten aus (Art. 6 Abs. 6 der Restrukturierungsrichtlinie).101) Zuletzt wirft die Kompetenzverteilung Fragen im Hinblick auf die Rolle des Koordinators auf, da die wesentlichen Verantwortlichkeiten beim eigenverwaltenden Schuldner und nicht beim Restrukturierungsbeauftragten liegen. Diese Frage ist jedoch bereits unter der EuInsVO in Anbetracht der eigenverwalteten Insolvenzverfahren beantwortet, indem die Bestimmungen ohne weitere Sondervorschriften analog anzuwenden sind (siehe Art. 76 EuInsVO). 70 Auch wenn zu erwarten ist, dass jedenfalls einige der nationalen Umsetzungen unter die EuInsVO fallen werden, so erscheint der Einsatzbereich der bestehenden Gruppenvor___________ 98) Enthalten in Titel IV der Restrukturierungsrichtlinie (Maßnahmen zur Steigerung der Effizient von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren). 99) Befürwortend unter dem StaRUG für die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten von Amts wegen Madaus in: MünchKomm-StaRUG, § 84 Rz. 14. 100) Wenngleich auch hier die EuInsVO eine mögliche Auslegung bietet, als es in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 heißt, dass bei vorinsolvenzlichen Verfahren der Verfahrenszweck entsprechend in der Vermeidung der Insolvenz liegt. 101) Jedoch ist die Richtlinie in dieser Hinsicht wiederum flexibel, als die Maßnahmen in besonderen Umständen verlängert werden können und schließlich zwölf Monate nicht überschreiten dürfen (Art. 6 Abs. 7, Abs. 8 der Restrukturierungsrichtlinie).

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schriften der EuInsVO bei der vorinsolvenzlichen Restrukturierung von Unternehmensgruppen nur beschränkt zu sein. Für Verwalter und Gerichte bieten sich hilfreiche Koordination- und Kooperationsmöglichkeiten in einigen Bereichen an: 

Etwa im Hinblick auf die gerichtliche Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen kann ein Gleichlauf der Aussetzungszeiträume über verschiedenen Gruppengesellschaften hinweg förderlich für eine erfolgsversprechende Restrukturierung sein. Hilfreich ist dies bei Garantien oder dinglichen Sicherheiten von Tochtergesellschaften, sofern nicht bereits die Aussetzung in einem Verfahren eine hemmende Wirkung zur Durchsetzung der ggf. fällig gewordenen Ansprüche entfaltet.102)



Ähnliches gilt für die zeitliche Planung der Bestätigung von Restrukturierungsplänen (Art. 10 der Restrukturierungsrichtlinie). Die Restrukturierungsbeauftragten sind mithin über Art. 56 EuInsVO dazu angehalten, den Austausch bei der Ausübung ihrer – unter der Richtlinie nur skizzierten – Unterstützung des Schuldners mit ihresgleichen zu suchen. Der Nutzen hängt von der jeweiligen Stellung und Einflussnahme des Restrukturierungsbeauftragten ab, und ist auf die Bereiche beschränkt, in welchen die Unternehmensgruppe selbst nicht die maßgeblichen Schritte koordinieren kann.



Weniger Relevanz dürfte dem Koordinator und dem erwarteten Nutzen eines GruppenRestrukturierungsplans zukommen. Solange die Unternehmensgruppe diesen in den jeweiligen Gruppengesellschaften in Eigenverwaltung ausarbeitet und in Absprache mit den Gerichten umzusetzen sucht, dürften die Aufgaben des Koordinators von der Konzernleitung regelmäßig abzudecken sein.



Hilfreich könnte das Institut des Koordinators hingegen in solchen Fällen sein, in denen etwa die Konzernmutter und einige Töchter über ein präventives Verfahren restrukturiert werden sollen, über einige Konzerngesellschaften jedoch bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Hier kann der Koordinator zur Verzahnung der unterschiedlichen Verfahrensarten, etwa über einen Gruppen-Koordinationsplan zur ganzheitlichen Restrukturierung beitragen.

3.

Internationale Koordinationsinstrumente

Abschließend für die internationale Konzernrestrukturierung sei darauf hingewiesen, dass 71 es mit der EuInsVO vergleichbare Instrumente der Koordination in anderen Jurisdiktionen geben kann. Deren Anwendbarkeit und Nutzen ist im Einzelfall zu prüfen. Das UNCITRAL Model Law 2012 empfiehlt eine generelle Kooperation in internationalen Insolvenzen von Unternehmensgruppen.103) Entsprechend hängt es vom jeweiligen nationalen Recht ab, ob und in welcher Weise die Empfehlungen umgesetzt und auf präventive Restrukturierungen anwendbar sind.104)

___________ 102) Den Vorteil einer gruppenweiten Aussetzung bei entsprechenden Finanzierungen diskutiert auch der UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law, Part three: Treatment of enterprise groups in insolvency, dort S. 35 Rz. 40, abrufbar unter https://uncitral.un.org/sites/uncitral.un.org/files/mediadocuments/uncitral/en/leg-guide-insol-part3-ebook-e.pdf (Abrufdatum: 14.2.2023). 103) UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law, Part three: Treatment of enterprise groups in insolvency, ab S. 83. 104) S. Empfehlung 239 Model Law 2012 über Zugang zu Gerichten und Gläubigern sowie Anerkennung; Empfehlung 240 – 245 und 246-252 Model Law 2012 u. a. zur Kooperation von Gerichten und den Insolvenzvertretern sowie entsprechender Kommunikation, sowie Empfehlung 253 – 254 Model Law 2012 zu übergreifenden Vereinbarungen und deren gerichtlicher Bestätigung.

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9. Teil Arbeitsrecht § 43 Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen Göpfert

I.

Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen nach Einführung des StaRUG ................................................. 1 1. Kein eigenes Beteiligungsverfahren ............ 3 1.1 Inhalt und Zeitpunkt der Beteiligung................................. 4 1.2 Folgen fehlerhafter Beteiligung der Arbeitnehmervertreter.............. 7 1.3 Ordnungsmäße Dokumentation durch den Arbeitgeber .................... 9 2. Sonderform: Gläubigerbeirat (§ 93 StaRUG) ........................................... 11 2.1 Einsetzung des Gläubigerbeirats.... 13 2.2 Verfahren im Gläubigerbeirat....... 16 II. Aufhebungsvertrag in der Krise: Freiwilligen- und Anspracheprogramme, Vorschaltevereinbarungen zur Kündigungsvermeidung ................... 17 1. Einführung ................................................. 17 2. Freiwilligen- und Anspracheprogramme ... 22 2.1 Implementierung eines Freiwilligen- und Anspracheprogramms..................................... 26 2.1.1 Anwendungsbereich...................... 29 2.1.2 Vereinbarung von „Vorschaltevereinbarungen“ ............................ 32 2.1.3 Doppelte Freiwilligkeit ................. 35 2.1.4 Windhund- und Losprinzip .......... 37 2.1.5 Leistungsträger .............................. 40 2.1.6 Anreiz für die betroffenen Arbeitnehmer ................................ 43 2.1.6.1 Festlegung der Grundprinzipien .... 45 2.1.6.2 Vergleich finanzieller Abfindungspakete ............................................. 46 2.1.6.3 Berücksichtigung des betrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatzes .................................... 49 2.1.6.4 Vereinbarung einer Turboprämie ... 50 2.2 Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Freiwilligen- und Anspracheprogramms ................... 53 2.2.1 Individualrechtliche Aspekte........ 53 2.2.2 Kollektivrechtliche Aspekte ......... 56 2.2.2.1 Unterstützung durch den Betriebsrat.................... 57

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2.2.2.2 Beteiligung beim Interessenausgleich und Sozialplan ............... 60 2.2.2.3 Beteiligung beim Massenentlassungsanzeigeverfahren......... 62 III. Information, Konsultation und Massenentlassungsanzeigeverfahren ...... 65 1. Überblick.................................................... 65 2. Voraussetzungen einer Massenentlassung ................................................... 70 2.1 Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG............................................ 70 2.2 Entlassungsbegriff i. S. des § 17 Abs. 1 KSchG ................................ 71 2.2.1 Veranlasste Eigenkündigungen und Aufhebungsverträge .............. 73 2.2.2 Zugang der „Entlassungen“ .......... 74 2.3 Zeitraum der Entlassungen........... 77 3. Einzelne Komponenten des Massenentlassungsverfahrens ................................ 78 3.1 Information und Konsultation des Betriebsrates............................ 79 3.1.1 Informationsverfahren.................. 83 3.1.2 Konsultationsverfahren................. 88 3.2 Massenentlassungsanzeige ............ 91 3.2.1 Anforderungen an die Massenentlassungsanzeige ........................ 92 3.2.2 Rechtsfolgen der Massenentlassungsanzeige ........................ 98 3.2.2.1 Rechtsfolgen einer wirksamen Massenentlassungsanzeige ............ 99 3.2.2.2 Rechtsfolgen einer unwirksamen Massenentlassungsanzeige .......... 102 IV. Beschäftigungssicherung nach § 92a BetrVG..................................................... 104 1. Überblick.................................................. 104 2. Betriebs- und beschäftigtenbezogenes Vorschlagsrecht........................................ 110 3. Vorschlagsrechte des § 92a Abs. 1 BetrVG .................................................... 112 4. § 92a BetrVG i. R. des BetrVG ............... 117 4.1 Maßnahmen der Berufsbildung (§ 97 BetrVG).............................. 118 4.2 Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG ............................. 122

Göpfert

§ 43

Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen 5.

Durchführung des Beschäftigungssicherungsverfahrens (§ 92a BetrVG)..... 124 5.1 Abschnitt 1 – Erstellen eines Vorschlages und Aufforderung, diesen zu beraten ........................ 126 5.2 Abschnitt 2 – Durchführung der Beratungen über den Vorschlag ....130 5.3 Abschnitt 3 – Stellungnahme des Arbeitgebers (ggf. schriftlich) .... 135

6. 7.

8.

Auswirkungen bei Verstößen auf das Kündigungsschutzverfahren ....... 138 Beschäftigungssicherung und Personalmaßnahmen................................ 141 7.1 Eigenständigkeit des Beschäftigungssicherungsverfahrens ......... 142 7.2 Verschleppungsschutz................. 144 Fazit .......................................................... 145

Literatur: Annuß, Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des BetrVG, NZA 2001, 367; Giese/Jungbauer, Arbeitsrechtliche Implikationen des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens nach der Restrukturierungsrichtlinie und dem StaRUGRegierungsentwurf, BB 2020, 2679; Göpfert/Brune, Die Rechtsstellung der Arbeitnehmer im vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahren, NZI Beilage z. Heft 5/2017, S. 43; Göpfert/Giese, Die Arbeitnehmer im Gefüge des StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55; Göpfert/Giese, Die EU-Richtlinie im Arbeitsrecht: Verschärfte Konsultationspflichten in der vorinsolvenzlichen Sanierung?, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 29; Göpfert/Giese, Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung – New Rules of the Game für Personalabbaumaßnahmen, NZA 2016, 463; Göpfert/Meyerhans, Agile Workspace – Co-Location und Co-Operation in agilen Arbeitsmodellen, Arbeitswelt 4.0, in: Arbeitswelt 4.0, 2017, S. 143; Meyer/Röger, Freiwillige vor? Rechtliche und strategische Aspekte von Freiwilligenprogrammen beim Personalabbau, NZA-RR 2011, 393; Schipp/Aberle, Freiwilligenprogramme als Alternative zu betriebsbedingten Kündigungen, ArbRB 2015, 212.

I.

Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen nach Einführung des StaRUG

Bei der Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen im vorinsolvenzlichen Sanierungsver- 1 fahren lautet die maßgebliche Vorschrift des § 92 StaRUG1): „Verpflichtungen des Schuldners gegenüber den Arbeitnehmervertretungsorganen und deren Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleiben von diesem Gesetz unberührt.“ Betrachtet man sich die Ausführungen zum Recht der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und 2 Anhörung entsprechend Art. 13 Abs. 1 lit. b der Restrukturierungsrichtlinie2), mag die Formulierung des § 92 StaRUG zunächst verknappt wirken. Sie gibt jedoch – auch wenn entsprechend der Restrukturierungsrichtlinie weitere arbeitsrechtliche Neuerungen möglich gewesen wären – den Leitgedanken der Restrukturierungsrichtlinie wieder: Umfassender Schutz der Arbeitnehmer- und Arbeitnehmervertreterrechte soll auch dann gewährleistet bleiben, wenn das Restrukturierungsvorhaben Maßnahmen oder Umstände beinhaltet, welche die Aufgaben, Rechte und Befugnisse des Betriebsrats, des Wirtschaftsausschusses oder anderer Arbeitnehmervertretungsgremien und die Pflichten des Arbeitgebers diesen gegenüber betreffen.3) Die Regelung stellt klar, dass die bestehenden Beteiligungsrechte durch die Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nicht verkürzt werden.4) ___________ 1) Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256 (= Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts [Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG], v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256). 2) Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) – Restrukturierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 172/18 v. 26.6.2019. 3) Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55; Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 183. 4) Göpfert/Giese in: Flöther, StaRUG, § 92 Rz. 18; Begr. RegE SanInsFoG z. StaRUG, BT-Drucks. 19/24181, S. 183.

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§ 43 1.

9. Teil Arbeitsrecht Kein eigenes Beteiligungsverfahren

3 Durch die Einführung des § 92 StaRUG schafft der Gesetzgeber – mit Ausnahme des kurzfristig hinzugefügten, nach § 93 StaRUG zu bildenden Gläubigerbeirats – keine neuen, für die präventive Restrukturierung spezifischen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungsgremien.5) Es verbleibt bei den bereits existenten nationalen Vorschriften, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind. Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren beschränkt sich also auf eine „ausgelagerte Beteiligung“.6) Das sind insbesondere die §§ 106 ff., 111 ff. BetrVG.7) Obwohl durch das StaRUG kein eigenes Beteiligungsverfahren impliziert wird, werden die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beteiligung von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss aufgrund einer die Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie umsetzenden unionsrechtskonformen Auslegung der §§ 106 ff., 111 ff. BetrVG voraussichtlich steigen.8) 1.1

Inhalt und Zeitpunkt der Beteiligung

4 In einem ersten Schritt ist, sobald der Arbeitgeber beschließt, ein vorinsolvenzrechtliches Sanierungsverfahren einzuleiten, der Wirtschaftsausschuss gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 1, 10 BetrVG zu unterrichten. Die Angelegenheit ist mit ihm zu beraten,9) wobei die Unterrichtung sofort zu erfolgen hat.10) Handelt es sich um ein Kleinunternehmen ohne Wirtschaftsausschuss, in welchem jedoch in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigte ständige Arbeitnehmer beschäftigt sind, erfolgt eine Unterrichtung gegenüber der Belegschaft gemäß § 110 Abs. 2 BetrVG. Auslöser der Unterrichtungspflicht dürfte erst die interne Festlegung eines Planangebotes gemäß § 17 StaRUG sein.11) 5 Unter Berücksichtigung der Anforderungen der Restrukturierungsrichtlinie ist jedoch eine Vorverlagerung der Betriebsratsbeteiligung gemäß § 111 BetrVG im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des Begriffs der Betriebsänderung nicht auszuschließen.12) 6 Trotz des schmalen Wortlautes des § 92 StaRUG spricht vieles dafür, dass sich auch der Unterrichtungsumfang i. R. eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens und die in diesem Zusammenhang geltenden Arbeitgeberpflichten erweitern und nicht lediglich „von diesem Gesetz unberührt“ bleiben.13) ErwG 61 der Restrukturierungsrichtlinie fordert, dass Arbeitnehmervertreter in dem Maße einbezogen werden, wie dies zur Erfüllung der Anhörungserfordernisse notwendig ist, und dass sie Informationen zu dem vorgeschlagenen Restrukturierungsplan erhalten, damit sie die verschiedenen Szenarien eingehend prüfen können. Eine noch strengere, unionsrechtskonforme Auslegung würde gar dafür sprechen, dass die Arbeitnehmerbeteiligung i. R. der vorinsolvenzlichen Sanierung eine noch weitergehende Konsultation als bisher – insbesondere bezüglich des Wirtschaftsausschusses – verlangt.14) Die von der Restrukturierungsrichtlinie geforderte umfassende Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses könnte sogar eine Informationsbeschaffungspflicht oder einen Informationsdurchgriff im Konzern stützen. § 106 BetrVG würde insofern nicht länger mit ___________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14)

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Röger in: Morgen, StaRUG, § 92 Rz. 14. Göpfert/Giese in: Flöther, StaRUG, § 92 Rz. 20; Giese/Jungbauer, BB 2020, 2679, 2683. Göpfert/Brune, NZI Beilage z. Heft 5/2017, S. 43; Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 29. Giese/Jungbauer, BB 2020, 2679, 2683. Göpfert/Brune, NZI Beilage z. Heft 5/2017, S. 43; Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 29. Giese/Jungbauer, BB 2020, 2679, 2683. Göpfert/Giese in: Flöther, StaRUG, § 92 Rz. 21. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 29, 30. Göpfert/Giese in: Flöther, StaRUG, § 92 Rz. 23. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 29, 31.

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§ 43

Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

einer Grenzziehung im „Unternehmen“ auszulegen sein, sondern unionsrechtskonform auch im Konzernkontext.15) 1.2

Folgen fehlerhafter Beteiligung der Arbeitnehmervertreter

Bei Verstößen gegen § 5 StaRUG i. V. m. Anlage zu § 5 Abs. 2 StaRUG besteht unmittelbar 7 das Risiko einer gerichtlichen Versagung der Planbestätigung (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Die spezifisch arbeitsrechtlichen Angaben im Restrukturierungsplan gemäß § 5 StaRUG i. V. m. Anlage zu § 5 Abs. 2 StaRUG stellen zugleich auch eine Informationsgrundlage für die Arbeitnehmervertretungsgremien in den selbständigen kollektivarbeitsrechtlichen Beteiligungsverfahren nach §§ 106 ff., 111 ff. BetrVG dar. Versäumt der Arbeitgeber eine entsprechende Unterrichtung bzw. Beratung hinsichtlich der vorgegebenen Mindestinhalte, drohen bei insoweit ungenügender Plangestaltung ebenso wie bei sonstigen Konsultationsmängeln eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit (§ 121 BetrVG) und andere kollektivarbeitsrechtliche Sanktionen.16) Ein – jedenfalls nach unionskonformer Auslegung bestehender – Unterlassungsanspruch 8 des Betriebsrates gegen die weitere Durchführung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens dürfte weiterhin zu verneinen sein.17) 1.3

Ordnungsmäße Dokumentation durch den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber ist nicht nur im Hinblick auf die Vollständigkeit seines Restrukturierungs- 9 plans, sondern auch hinsichtlich der Rechtzeitigkeit und des hinreichenden Umfangs seiner Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern darlegungs- und beweisbelastet. Dies gilt rechtlich gegenüber einem Gericht, das über die Bestätigung des Restrukturierungsplans entscheiden muss. Es gilt aber auch gegenüber Gläubigern, deren Bereitschaft zu einem teilweisen Forderungsverzicht auch davon abhängen wird, dass arbeitsrechtliche Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden. Es wird insofern ein Interesse daran bestehen, dass ein etwaig erforderlicher Stellenabbau sorgfältig und ordnungsgemäß durch Verfahren zum Interessenausgleich, Sozialplan sowie ggf. auch einem Sanierungstarifvertrag durchgeführt wurde.18) Findet die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern frühzeitig und umfassend statt, 10 können zeitliche Verzögerungen durch Blockadehaltungen der betroffenen Arbeitnehmervertretungsgremien und somit eine Gefährdung der vorinsolvenzlichen Sanierung verhindert werden. 2.

Sonderform: Gläubigerbeirat (§ 93 StaRUG)

Reglungen über die Einführung eines Gläubigerbeirates suchte man in den Gesetzesent- 11 würfen zum StaRUG vergeblich. Die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD haben am 15.12.2020 mit einem Änderungsantrag in letzter Minute kurz vor dessen Verkündung eine ergänzte Arbeitnehmerbeteiligung für das neue vorinsolvenzliche Sanierungsverfahrens umgesetzt.19) Obwohl der Gesetzgeber erkannt hat, dass es sich bei dem vorinsolvenzlichen Sanierungs- 12 verfahren nach dem StaRUG eben gerade nicht um ein Gesamtverfahren wie beim Insol___________ 15) 16) 17) 18) 19)

Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 16 – 17/2019, S. 29, 31. Giese/Jungbauer, BB 2020, 2679, 2684. Göpfert/Giese in: Flöther, StaRUG, § 92 Rz. 26. Göpfert/Brune, NZI Beilage z. Heft 5/2017, S. 43, 45. Göpfert/Giese in: Flöther, StaRUG, § 93 Rz. 1.

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§ 43

9. Teil Arbeitsrecht

venzverfahren handelt, sind nach Auffassung des Gesetzgebers Fälle denkbar, in denen das Verfahren aus Sicht der Gläubigerschaft Züge aufweisen kann, die einem (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren ähneln.20) Insbesondere könne es eine inhomogene Gläubigerschaft erforderlich machen, die unterschiedlichen Interessen und Betroffenheiten mithilfe eines Gläubigerbeirats, dort ggf. unter Zuhilfenahme eines Restrukturierungsbeauftragten, zu koordinieren.21) 2.1

Einsetzung des Gläubigerbeirats

13 Gemäß § 93 Abs. 1 StaRUG kann das Gericht auf Grundlage einer Ermessensentscheidung einen Gläubigerbeirat einsetzen, wenn die Restrukturierungssache gesamtverfahrensartige Züge aufweist und dabei eine Vielzahl von Gläubigern mit inhomogenen Interessen vertreten ist. Eine inhomogene Interessenlage ist nicht gegeben, wenn sich die Gläubigerschaft ausschließlich aus wenigen Gläubigern mit vergleichbaren Interessen zusammensetzt.22) Die Voraussetzungen des § 93 StaRUG werden immer dann gegeben sein, wenn im Zuge einer Refinanzierung eigene Sanierungsbeiträge der Beschäftigten erforderlich werden, etwa in einem Interessenausgleich, Sozialplan, Sanierungstarifvertrag oder durch vergleichbare Einkommensverzichte.23) 14 Wird der Gläubigerbeirat eingesetzt, gilt gemäß § 93 Abs. 2 StaRUG § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO entsprechend, der die Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren regelt. § 93 Abs. 1 Satz 3 StaRUG stellt klar, dass im Gläubigerbeirat auch solche „Gläubiger“ vertreten sein können, die nicht vom Plan betroffen sind. Diese Klarstellung ist erforderlich, da über den Verweis des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO auf § 67 InsO folgt, dass dem Gläubigerbeirat auch ein Vertreter der Arbeitnehmer angehören soll. Arbeitnehmerforderungen sind im StaRUG vor planbasierten Eingriffen allerdings geschützt, sodass ohne die Klarstellung hätte angenommen werden müssen, dass der Gläubigerbeirat ohne Arbeitnehmervertreter zusammentritt.24) 15 Ob aus der ebenfalls zum 1.1.2021 in Kraft getretenen Ergänzung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO, der nun ebenfalls auf § 67 Abs. 3 InsO verweist, zwingend folgt, dass dem vorinsolvenzlichen Gläubigerbeirat auch Gewerkschaftsvertreter angehören, ist unklar. Dass auch solche Personen zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses bestellt werden können, die keine Gläubiger sind, ist dem Gläubigerbeirat nach § 93 StaRUG bereits immanent und wird durch § 93 Abs. 1 Satz 3 StaRUG bestätigt. Weshalb nun auch Gewerkschaften in den Beirat berufen werden sollen, liegt dabei gerade nicht auf der Hand, wird aber im Zuge von ausstehenden Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag („Pforzheim“) sinnvoll sein.25) 2.2

Verfahren im Gläubigerbeirat

16 Für die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten ist nach Errichtung eines Gläubigerbeirats nicht länger der gemeinschaftliche Vorschlag der Planbetroffenen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 StaRUG entscheidend, sondern der einstimmige Beschluss des Gläubigerbeirats. Die dem Gläubigerbeirat nach § 93 Abs. 3 Satz 1 StaRUG zugesprochenen Aufgaben entsprechen denen eines Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren. Er hat den Schuldner bei der Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. Gleichzeitig tritt nach § 93 ___________ 20) 21) 22) 23) 24) 25)

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Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 10. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55, 56. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 11. Göpfert/Giese in: Flöther, StaRUG, § 93 Rz. 7. Bericht d. Ausschusses R/V z. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/25353, S. 11. Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55, 57.

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§ 43

Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

Abs. 3 Satz 2 StaRUG eine weitere Verpflichtung für den Schuldner hinzu, der zufolge er dem Beirat jegliche Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens anzuzeigen hat.26) II.

Aufhebungsvertrag in der Krise: Freiwilligen- und Anspracheprogramme, Vorschaltevereinbarungen zur Kündigungsvermeidung

1.

Einführung

Der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen erfolgt auch in Krisenzeiten oft- 17 mals nur als letztes Mittel zur Personalreduzierung und zwar dann, wenn mit einem dauerhaften Beschäftigungsrückgang zu rechnen ist. Kündigungen werden zudem ganz allgemein als stigmatisierend empfunden und deshalb nur ausgesprochen, wenn andere Maßnahmen zur substantiellen Kostenanpassung vollständig ausgeschöpft sind. Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen mittels betriebsbedingter Kündigung von Teilen der eigenen Stammbelegschaft wird sich zumeist als die risikoreichste sowie zeit- und kostenintensivste Handlungsalternative zur Umsetzung einer erforderlichen Personalrestrukturierung darstellen. Bei reinen konjunkturellen Schwankungen kommt neben der Möglichkeit zur Anordnung 18 von Betriebsferien im Krisenzeitraum zunächst auch eine intensive Nutzung flexibler Arbeitszeitmodelle in Betracht: In konjunkturellen „Hochzeiten” wird mehr gearbeitet und ein Arbeitszeitguthaben erworben, welches dann in Krisenzeiten wieder abgebaut werden kann. Da das Arbeitsentgelt regelmäßig jeden Monat in unveränderter Höhe anfällt, bringen flexible Arbeitszeitmodelle zwar keine unmittelbare finanzielle Entlastung für den Arbeitgeber. Flexible Arbeitszeitmodelle haben allerdings den großen Vorteil, sehr kurzfristig und anpassungsfähig auf Schwankungen beim Arbeitsanfall reagieren zu können. Bei nur zeitweiligem Beschäftigungsmangel sollte vorrangig geprüft werden, ob im gesamten 19 Betrieb oder in einzelnen Abteilungen zunächst Kurzarbeit zur vorübergehenden Absenkung der Arbeitszeit eingeführt oder mit einzelnen Mitarbeitern ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum oder die Gewährung von unbezahltem Langzeiturlaub oder einem Sabbatical vereinbart werden kann. In diesen Fällen bleiben die Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum dem Unternehmen fern, obgleich damit das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet wird. Wird das Ruhen des Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum vereinbart, ist der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitserbringung verpflichtet und erhält deshalb andererseits grundsätzlich auch keine Vergütung. Sofern sich der Beschäftigungsbedarf im Unternehmen wieder erhöht, stehen diese Mitarbeiter ohne längere Einarbeitungszeiten wieder zur Verfügung. Ist eine dauerhafte Reduktion des Personalbestandes erforderlich, müssen Beschäftigungs- 20 verhältnisse beendet werden. Leiharbeiter sind nach dem ultima-ratio-Prinzip als erstes freizusetzen, bevor die eigene Stammbelegschaft reduziert wird. Befristete Arbeitsverträge werden nicht (mehr) verlängert. In Betracht kommen ferner der Abschluss von Altersteilzeitvereinbarungen sowie die Einrichtung einer Transfergesellschaft. Ergibt die Prognose des Arbeitgebers, dass der Beschäftigungsmangel dauerhaft bzw. für eine unüberschaubar lange Zeit besteht, kann es zum Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen kommen. Dabei hat die Arbeitgeberseite unter Umständen die Vorschriften des KSchG zu beachten. Voraussetzung der Anwendbarkeit ist, dass der betroffene Betrieb den in § 23 Abs. 1 KSchG geregelten Schwellenwert überschreitet und der betroffene Arbeitnehmer die sechsmonatige Wartezeit entsprechend § 1 Abs. 1 KSchG erreicht hat. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung u. a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende be___________ 26) Göpfert/Giese, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 55, 57.

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§ 43

9. Teil Arbeitsrecht

triebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. 21 § 1 Abs. 3 KSchG erfordert darüber hinaus die ordnungsgemäße Durchführung einer Sozialauswahl. Gegenstand dieser Sozialauswahl ist nicht mehr die Frage, ob gekündigt werden darf, sondern wem gegenüber der Arbeitgeber die Kündigung auszusprechen hat. Im Rahmen der für eine betriebsbedingte Kündigung erforderliche Sozialauswahl sind nach wie vor insbesondere die Kriterien Alter bzw. die Bildung von Altersgruppen in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten und stellen für den Arbeitgeber, der eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen möchte, erhebliche Risikofaktoren dar. Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz der §§ 1 ff. KSchG kann beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch der besondere Kündigungsschutz zu berücksichtigen sein, bspw. bei schwerbehinderten Mitarbeitern gemäß § 168 SGB IX, bei Arbeitnehmern in Elternzeit gemäß § 18 Abs. 1 BEEG oder bei schwangeren Arbeitnehmerinnen gemäß § 17 Abs. 1 MuSchG. 2.

Freiwilligen- und Anspracheprogramme

22 Auch wenn Freiwilligen- und Anspracheprogramme die Erforderlichkeit von betriebsbedingten Beendigungskündigungen in der Regel nicht immer ausschließen können, haben sie gegenüber dem Personalabbau durch einseitige betriebsbedingte Beendigungskündigung zahlreiche Vorteile. Dazu gehört neben der (begrenzten) Steuerbarkeit gegenüber teilnehmenden Mitarbeitern insbesondere die Einvernehmlichkeit der Parteien bei der Trennung. Die Begrenzung der Steuerbarkeit resultiert aus der weiterhin zu beachtenden Sozialauswahl seitens des Arbeitgebers. Darüber hinaus ist die Gefahr von Reputationsschäden für das Unternehmen geringer, weil Mitarbeiter, die das Unternehmen freiwillig und einvernehmlich verlassen, diesem gegenüber besser eingestellt sind, als wenn ihnen gegenüber eine Kündigung ausgesprochen wird. Auch in der Öffentlichkeit erregt dies weniger Aufsehen, da der Aufschrei bei einer Kündigungswelle größer ist als bei einvernehmlichen Beendigungsformen. Schließlich bieten Ansprache- und Freiwilligenprogramme dem Unternehmen auch in rechtlicher sowie in finanzieller Hinsicht schneller Sicherheit, als wenn dieses einzelne Kündigungen erst noch über zwei Instanzen vor der Arbeitsgerichtsbarkeit verteidigen muss – von der dann bei Unterliegen des Arbeitgebers ggf. noch bestehende Pflicht zur Nachzahlung des Annahmeverzugslohns und der Pflicht zur Weiterbeschäftigung mal abgesehen. 23 Hinzu kommen die bereits angesprochenen erheblichen Risikofaktoren von betriebsbedingten Beendigungskündigungen, die die Attraktivität von Freiwilligen- und Anspracheprogrammen weiter anregen. Jenseits der theoretischen Anforderungen an eine wirksame Beendigungskündigung erschwert sich der Nachweis dieser Voraussetzungen in einem Gerichtsverfahren, je komplexer eine Restrukturierung ist. Störfaktoren wie bspw. unvollständige oder falsche Informationen über die eigenen Mitarbeiter erschweren diesen Prozess in der Praxis noch weiter, insbesondere wenn es um das Thema der Sozialauswahl geht. Auch die Darlegung des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs sowie der fehlenden Möglichkeit der Weiterbeschäftigung stellen praktische Hürden im Gerichtsprozess dar. Schließlich können es sich Unternehmen außerhalb von Krisenzeiten auch oft nicht erlauben, mit dem Begriff der betriebsbedingten Beendigungskündigung in Verbindung gebracht zu werden. 24 Zu beachten ist, dass leistungsstarke, junge und flexible Arbeitnehmer mit guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt eher bereit sind, eine Aufhebungsvereinbarung abzuschließen. Da sie häufig dem Betrieb noch nicht lange angehören, haben sie vielfach eine geringere emotionale Bindung an das Unternehmen. Die Trennung fällt ihnen leichter und sie fühlen sich gegenüber dem Unternehmen nicht so verpflichtet, wie ein Mitarbeiter, der bereits

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§ 43

Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

viele Jahre bei demselben Arbeitgeber ist. Hinzu kommen der allgemeine Fachkräftemangel und das Wissen derartiger junger Leistungsträger, ohne große Mühe eine Anschlussbeschäftigung bei konkurrierenden Unternehmen zu bekommen. Es werden sich deshalb viele Mitarbeiter für eine Aufhebungsvereinbarung entscheiden, die der Arbeitgeber eigentlich halten will. Hat der Arbeitgeber es versäumt, den Anwendungsbereich seines Freiwilligen- und Anspra- 25 cheprogramms richtig zu begrenzen, das Programm zeitlich oder insbesondere die Anzahl der abzubauenden Stellen zu begrenzen, läuft er Gefahr, dass er – bspw. mangels der Vereinbarung einer doppelten Freiwilligkeit – mehr Arbeitsplätze abbauen muss, als eigentlich gewollt. Vor allem bei „zu“ attraktiven Abfindungspaketen besteht die Gefahr, dass mehr Arbeitnehmer diese für sich in Anspruch nehmen wollen, als dies seitens der Arbeitgeberseite gewünscht ist. Die Durchführung eines solchen Freiwilligen- und Anspracheprogramms will also gut durchdacht sein. Hierbei helfen die folgenden Überlegungen: 2.1

Implementierung eines Freiwilligen- und Anspracheprogramms

Bei der Art und Weise der Implementierung von Freiwilligen- und Anspracheprogrammen 26 gibt es für den Arbeitgeber viele Möglichkeiten. Das Ziel derartiger Programme, die innerbetrieblich meist im Wege einer Betriebsvereinbarung beschlossen werden, ist in der Regel der Abschluss von Aufhebungsverträgen, die im Vergleich zu Beendigungskündigungen für den Arbeitgeber rechts- und kostensicherer sind. Denkbar ist aber auch, dass Arbeitnehmer ausscheiden, indem sie eine Eigenkündigung aussprechen, die durch den Arbeitgeber „veranlasst“ ist. Sowohl bei „Freiwilligenprogrammen“ als auch bei „Anspracheprogrammen“ geht es darum, für die Mitarbeiter einen Anreiz zu schaffen, sich einvernehmlich und damit freiwillig von ihrem Arbeitgeber zu trennen. Während bei Anspracheprogrammen die Initiative vom Arbeitgeber ausgeht, indem er die einzelnen Mitarbeiter direkt „anspricht“, geht es bei den Freiwilligenprogrammen darum, dass ein bestimmter Mitarbeiterkreis von sich aus bereit ist, das Arbeitsverhältnis zu beenden. In beiden Fällen sollte sich die Arbeitgeberseite bei der Vielzahl an Gestaltungsmöglich- 27 keiten frühzeitig bewusst sein und festlegen, welche Ziele sie mit der Personalmaßnahme verfolgt und welche Anforderungen sie an diese stellt. Diese müssen sodann klar definiert und kommuniziert werden. Unklarheiten bei diesem Prozess gehen zulasten des Arbeitgebers, spätestens wenn er sich in einem gerichtlichen Prozess mit einzelnen Arbeitnehmern über Unklarheiten eines solchen Programmes streiten muss. Neben den oben bereits angesprochenen Zielen von Ansprache- und Freiwilligenprogram- 28 men, muss sich der Arbeitgeber auch auf konkrete Bedingungen für die ausscheidenden Mitarbeiter festlegen und wie die Arbeitsverhältnisse mit diesen abgewickelt werden sollen. Diese Bedingungen sind von Fall zu Fall unterschiedlich zu bewerten. Anzudenken sind Unterscheidungen, ob Arbeitsverhältnisse unverzüglich oder nach Einhaltung einer Kündigungsfrist enden sollen, welche Leistungen die Mitarbeiter erhalten (Abfindung, Outplacement, besondere Prämien, Nachteilsausgleiche, Zeugnisse, Wiedereinstellungsklauseln), ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote aufrechterhalten sollen usw. Der Arbeitgeber tut gut daran, sich dieser Überlegungen vor der eigentlichen Implementierung des jeweiligen Programmes bewusst zu werden. 2.1.1 Anwendungsbereich Zu den Themen, auf die sich der Arbeitgeber bei der Durchführung von Freiwilligen- und 29 Anspracheprogrammen festlegen muss, gehört insbesondere die Frage, von welchen Mitarbeitern er sich im Wege der Freiwilligen- und Anspracheprogramme trennen möchte/ muss. Konkret geht es um die Frage, für welche Mitarbeiter das Programm „Anwendung“ Göpfert

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9. Teil Arbeitsrecht

finden soll. Eine klare Festlegung der Voraussetzungen, welche Mitarbeiter/Betriebe oder Geschäftsbereiche unter den sachlichen Anwendungsbereich fallen, erspart dem Arbeitgeber insbesondere Abgrenzungsschwierigkeiten und sorgt gleichzeitig für Klarheit auf beiden Seiten. Es empfiehlt sich konkret zu bezeichnen, welche Abteilungen oder Bereiche, sogar konkret welche Funktionen und Positionen in dem Programm berechtigt sind und welche nicht. Diese Granularität empfiehlt sich, um überflüssige (ggf. gerichtliche) Streitigkeiten über die tatsächliche Zuordnung einer Funktion/Position zu den betroffenen Abteilungen oder Bereichen zu vermeiden. Dies darf (und muss) der Arbeitgeber entscheiden. 30 Richtet sich der Arbeitgeber mit seinem Programm an alle seine Arbeitnehmer und trifft er im Vorfeld keine Eingrenzung, spricht man von einem sog. „offenen Angebotsverfahren“. Davon zu unterscheiden ist das „selektive Angebotsverfahren“, bei dem der Arbeitgeber im Vorfeld festlegt, welche Bereiche welche Berufsgruppen unter den Anwendungsbereich eines Anspracheprogramms fallen sollen. Das „offene Angebotsverfahren“ ist gegenüber dem „selektiven Angebotsverfahren“ weniger steuerbar, da es sich ohne nähere Einschränkung an einen größeren Empfängerkreis richtet. In der Praxis kommen solche offenen Angebotsverfahren daher hauptsächlich bei endgültigen Betriebsstilllegungen zur Anwendung. Andernfalls wird das Unternehmen das Risiko, wichtige und zentrale Funktionen zu verlieren, welche es für den Fortbestand des Betriebs benötigt, nicht eingehen. 31 Richtet sich das Programm nicht an alle Mitarbeiter, kann ggf. eine Differenzierung nach Merkmalen i. S. des § 1 AGG vorgenommen worden sein. In der Regel stellt dies jedoch keine Ungleichbehandlung i. S. des § 7 AGG dar, sodass auch die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen ausbleiben. Nach objektivem Maßstab liegt in der Regel nämlich keine weniger günstige Behandlung der betroffenen Person vor.27) Das gilt auch für die gänzliche Herausnahme von älteren Arbeitnehmern.28) Beim Anwendungsbereich eines entsprechenden Programmes geht es darum, mit wem ggf. das Arbeitsverhältnis beendet wird. Die Herausnahme aus diesem Adressatenkreis stellt sicher, dass ältere Mitarbeiter nicht von dem Programm betroffen sind und damit für die Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht in Betracht kommen. Das entspricht dem Ziel des Diskriminierungsschutzes, ältere Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis zu halten.29) Werden betriebsbedingte Beendigungskündigungen erforderlich, schützen die Vorschriften des KSchG die betroffenen Arbeitnehmer ausreichend. Dieser Gedanke lässt sich auch auf die anderen Merkmale des § 1 AGG übertragen. 2.1.2 Vereinbarung von „Vorschaltevereinbarungen“ 32 Sollte sich herausstellen, dass das begehrte Abbauziel durch Freiwilligen- und Anspracheprogramme nicht erreichbar war, führt in der Regel kein Weg mehr vorbei am Ausspruch von betriebsbedingten Beendigungskündigungen. In der Praxis stellt dies den Regelfall dar, sodass bereits i. R. der Freiwilligen- und Anspracheprogramme sog. „Vorschaltevereinbarungen“ verhandelt werden. Diese haben zum Ziel, dass betriebsbedingte Kündigungen erst zu einem festgelegten Zeitpunkt initiiert werden dürfen, soweit das begehrte Abbauziel bis dahin nicht erreicht wurde. 33 Insoweit kann man sich die Frage stellen, warum sich das Unternehmen die Mühe machen sollte, vor dem Ausspruch von Beendigungskündigungen noch ein Ansprache- und Freiwilligenprogramm vorzubereiten und durchzuführen, wenn es am Ende dennoch zum Ausspruch von Kündigungen kommen muss. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass, auch wenn ___________ 27) Bauer/Krieger/Günther, AGG/EntgTranspG, § 3 AGG Rz. 8. 28) BAG v. 25.2.2010 – 6 AZR 911/08, ZIP 2010, 1145 = ArbRAktuell 2010, 272 m. Anm. Krieger. 29) BAG v. 25.2.2010 – 6 AZR 911/08, ZIP 2010, 1145 = ArbRAktuell 2010, 272 m. Anm. Krieger.

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das jeweilige Abbauziel bei Freiwilligen- und Anspracheprogrammen nicht gänzlich erreicht wird, nach der Durchführung eines solchen Programmes Kündigungen gegenüber einer geringeren Anzahl an Mitarbeitern ausgesprochen werden müssen. Für das Unternehmen bietet das eine größere Planungssicherheit, weil es nach der Durchführung eines solchen Programmes weiß, wie viele Mitarbeiter bereits freiwillig und endgültig aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Zudem wird das Unternehmen zwangsläufig weniger Kündigungsschutzprozesse führen, weil es weniger Kündigungen aussprechen muss. Das wirkt sich sowohl kostentechnisch positiv für das Unternehmen aus als auch hinsichtlich des rechtlichen Risikos, im Prozess einer Kündigungsschutzklage zu unterliegen. Für die Belegschaft besteht der Vorteil von vorgeschalteten Ansprache- und Freiwilligen- 34 programmen vor allem darin, zu klar geregelten und in der Regel besseren Konditionen aus dem Unternehmen auszuscheiden. Darüber hinaus haben sie länger Zeit, sich um eine Weiterbeschäftigung zu bemühen, als wenn sie weiterhin an ihrer Beschäftigung festhalten und – sollte bspw. eine Outplacement-Beratung Teil des Abfindungspaketes gewesen sein – auch bessere Chancen, eine solche zu finden. 2.1.3 Doppelte Freiwilligkeit Kernelement von Freiwilligen- und Anspracheprogrammen sind dabei neben den bereits 35 genannten Vorschaltevereinbarungen insbesondere sog. „doppelte Freiwilligkeitsvorbehalte“.30) Wie bereits dem Namen dieses Vorbehaltes zu entnehmen ist, müssten Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit dem abzuschließenden Aufhebungsvertrag einverstanden sein. Damit haben beide Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich keinen Anspruch auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages, solange nicht beide damit einverstanden sind. Ein Anspruch auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Arbeitnehmer aber auch nicht zu.31) Diese Reglung bietet den Vorteil, dass der Arbeitgeber das Angebot eines Mitarbeiters zur 36 Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ohne nähere Begründung ablehnen kann.32) Als Ausfluss der Vertragsfreiheit sind solche Freiwilligkeitsklauseln wirksam, solange sie nicht gegen das AGG verstoßen oder die Auswahl aus sonstigen Gründen unzulässig ist. 2.1.4 Windhund- und Losprinzip Zulässig ist neben dem doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt auch die Vereinbarung eines 37 „Windhundprinzips“ oder des „Losverfahrens“. Zur Anwendung kommen diese vor allem bei offenen Angebotsverfahren, wenn es dem Arbeitgeber darum geht, eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern abzubauen. Bei dem Windhundprinzip wählt der Arbeitgeber i. R. einer Personalabbaumaßnahme die 38 Arbeitnehmer nach der Priorität der Meldung aus, denen er die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses anbieten will.33) Es gilt das Motto „First come first serve“. Wichtig ist dabei, dass – insbesondere aus Gründen der Fairness – dass alle vom Anwendungsbereich erfassten Mitarbeiter über die Möglichkeit des Freiwilligenprogrammes und des Windhundprinzips informiert werden und sie damit die gleichen Chancen haben, das Angebot ihres Arbeitgebers in Anspruch zu nehmen. Sicherlich löst dieses Vorgehen bei den angesprochenen Mitarbeitern, die grundsätzlich Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben, einen gewissen Druck aus, weil sie in der Regel nicht wissen, wie viele Kolleginnen und ___________ 30) Etwa Meyer/Röger, NZA-RR 2011, 393, 394; Schipp/Aberle, ArbRB 2015, 212 ff. 31) Im Ergebnis Schipp/Aberle, ArbRB 2015, 212, 214; LAG München v. 3.3.2009 – 6 Sa 927/08, juris; LAG Düsseldorf v. 12.4.2016 – 14 Sa 1344/15, ZIP 2016, 1691. 32) Meyer/Röger, NZA-RR 2011, 393, 394. 33) LAG Düsseldorf v. 12.4.2016 – 14 Sa 1344/15, ZIP 2016, 1691.

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Kollegen das Angebot ebenfalls annehmen wollen bzw. es bereits angenommen haben, sodass sie sich fragen, ob sie das Angebot noch erhalten, wenn sie weiter zögern. Nichtsdestotrotz spiegelt dieses Prinzip den Grundsatz der Freiwilligkeit gut wieder, weil ein Mitarbeiter, der sein Arbeitsverhältnis freiwillig nicht beenden möchte, sich auch nicht bei seinem Arbeitgeber melden wird. 39 Bei dem Losverfahren entscheidet, wie bereits der Name sagt, der Zufall unter allen Interessenbekundungen. Beides ist in gleicher Weise zulässig und stellt keine treuwidrige Auswahlentscheidung an sich dar.34) Dem Arbeitgeber stehen damit – je nach Ziel der Maßnahme – zahlreiche Möglichkeiten bei der Auswahl der anzusprechenden Arbeitnehmer zur Verfügung. 2.1.5 Leistungsträger 40 Denkbar ist auch die Vereinbarung einer Leistungsträgerliste, die aber in der Regel zwischen den (Betriebs-)Parteien geheimgehalten wird. Mit den Mitarbeitern auf einer solchen Leistungsträgerliste35) möchte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis fortführen, sodass mit ihnen kein Aufhebungsvertrag geschlossen wird. 41 Je nach Attraktivität des Programmes werden die Mitarbeiter auf der Leistungsträgerliste ggf. auch gegen ihren Willen von der Teilnahme am Programm ausgeschlossen. Auf der Liste stehen die Mitarbeiter, an deren Weiterbeschäftigung das Unternehmen ein besonderes Interesse hat. Dieses besondere Interesse ergibt sich häufig aus einer hervorragenden Berufserfahrung, Spezialkenntnissen und -fähigkeiten, wichtigen Kundenkontakten oder einer guten Ausbildung – alles Qualifikationen, mit denen die Mitarbeiter innerhalb kürzester Zeit einen neuen Arbeitgeber finden könnten. Hierüber sind sich diese auch bewusst. Anders als die Kollegen außerhalb der Leistungsträgerliste möchte der Arbeitgeber ihnen aber nicht die Möglichkeit geben, eine attraktive Abfindung zu erhalten. 42 Damit diese Herausnahme aus dem Anwendungsbereich mit den Grundsätzen der allgemeinen Gleichbehandlung in Einklang gebracht werden kann, muss der Arbeitgeber begründen können, warum die auf der Liste stehenden Mitarbeiter vom Anwendungsbereich herausgenommen wurden. Eine willkürliche Herausnahme der Leistungsträger aus dem allgemeinen Anwendungsbereich eines Freiwilligen- und Anspracheprogramms kommt nicht in Betracht. Der Arbeitgeber muss darlegen können, warum die Aufgabe des einzelnen ausgewählten Mitarbeiters für das Unternehmen wichtig ist oder warum er unverzichtbar ist bzw. warum dessen Ausscheiden für das Unternehmen unzumutbar wäre. Die Antworten auf diese Fragen sollte der Arbeitgeber bei Erstellung der Leistungsträgerliste sorgfältig dokumentieren und aufbewahren. Die Antworten müssen inhaltlich schlüssig und nachvollziehbar sein. Vor allem bei Mitarbeitern auf der Leistungsträgerliste, die nicht schon eine herausragende Position im Betrieb innehaben, sodass deren Eigenschaft als Leistungsträger auf der Hand liegt, sollte die Begründung dieser Eigenschaft über die pauschale und abstrakte Angabe von Gründen, die nicht konkret auf den einzelnen Mitarbeiter abzielen, hinausgehen. 2.1.6 Anreiz für die betroffenen Arbeitnehmer 43 Der Arbeitgeber muss in jedem Fall einen Anreiz schaffen, der die adressierten Mitarbeiter überzeugt, sich freiwillig und einvernehmlich vom Arbeitgeber loszulösen. Ein solcher Anreiz ist finanziell ausgestaltet, wobei Geld allein heutzutage nicht mehr ausreicht.

___________ 34) LAG Düsseldorf v. 12.4.2016 – 14 Sa 1344/15, ZIP 2016, 1691. 35) Meyer/Röger, NZA-RR 2011, 393, 394.

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Gleichzeitig muss klar sein, dass der im Unternehmen durchzuführende Personalabbau un- 44 ausweichlich ist und die Alternative zum Freiwilligen- und Anspracheprogramm der – wenn auch zeitlich etwas spätere – Erhalt einer betriebsbedingten (Beendigungs-)Kündigung ist. Als „Gegenleistung“ für die für den Arbeitgeber einhergehende Rechtssicherheit gegenüber dem Ausspruch einer Kündigung geht es in der Praxis also um die konkrete Ausgestaltung eines Abfindungspaketes für den konkreten Adressatenkreis. Hierbei hat der Arbeitgeber – erneut – viele Aspekte zu berücksichtigen und es gibt viele Hürden, an denen der Erfolg eines konkreten Plans scheitern kann. 2.1.6.1

Festlegung der Grundprinzipien

Das richtige Abfindungspaket ist ein bzw. der wesentliche Erfolgsfaktor für jede Personal- 45 maßnahme, die durch ein Freiwilligen- und Anspracheprogramm umgesetzt werden soll. Erfolgt die Personalmaßnahme wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers, stehen dem Unternehmen meist nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Andererseits muss es dem Unternehmen gelingen, einen Anreiz für die Mitarbeiter zu schaffen, sich freiwillig auf die Maßnahme einzulassen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass das Unternehmen bei „zu“ attraktiven Abfindungspaketen die Erwartungshaltung der Belegschaft bei zukünftigen Personalmaßnahmen zu hoch setzt. Ist das Angebot zu attraktiv und fehlt eine Begrenzung des Angebots, werden im Zweifel auch mehr Mitarbeiter den Weg der einvernehmlichen Auflösung einschlagen als dies seitens des Unternehmens gewollt ist. Eine generelle Formel bei der Berechnung eines attraktiven Abfindungspaketes gibt es nicht; eine solche wäre nicht praxisgerecht. Vielmehr bedarf es eines auf den konkreten Einzelfall zugeschnittenen Paketes, welches sämtliche Umstände im Moment der Maßnahme berücksichtigt. Dabei muss der Arbeitgeber die folgenden Aspekte berücksichtigen: 2.1.6.2

Vergleich finanzieller Abfindungspakete

Zunächst sollte sich der Arbeitgeber fragen, ob es im Unternehmen oder im Konzern be- 46 reits in der Vergangenheit Programme gab, die mit der aktuell geplanten Maßnahme vergleichbar sind. Das Unternehmen muss sich bewusst sein, dass Belegschaft und Arbeitnehmervertretung das nun unterbreitete Angebot mit früheren Programmen – natürlich vor allem in finanzieller Hinsicht – vergleichen. Zu beachten ist, dass eine „Vergleichbarkeit“ mit früheren Programmen häufig unterschied- 47 lich bewertet wird. Selbst wenn objektiv nachvollziehbare Gründe vorliegen, weshalb ein Programm (in finanzieller Hinsicht) nicht an ein früheres Programm anknüpft, sollte die Arbeitgeberseite nicht davon ausgehen, dass jeder betroffene Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmervertretung die Gründe für ein entsprechendes Abweichen früherer (ggf. besserer) Konditionen nachvollzieht und sich mit einer vermeintlich geringeren Abfindung zufrieden gibt. Auch Vergleichswerte aus der jeweiligen Branche sind zu berücksichtigen. Gerade hier zeigt sich, dass Mitarbeiter und Arbeitnehmervertretungen sehr gut vernetzt und informiert sind und für ihre Bewertung sofort Vergleichsdaten parat haben. Weicht das aktuelle Ansprache- und Freiwilligenprogramm also (erheblich) von früheren 48 Programmen – in finanzieller – Hinsicht ab, muss das Unternehmen dies gut und nachvollziehbar begründen können. Lediglich vorgeschobene Gründe werden Belegschaft und Arbeitnehmervertretungen nicht überzeugen können. 2.1.6.3

Berücksichtigung des betrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatzes

Bei der Höhe des Abfindungspaketes ist schließlich auch der betriebliche Gleichbehand- 49 lungsgrundsatz gemäß § 75 BetrVG zu beachten. Dieser verbietet eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vergleichbarer Mitarbeiter. Diese Grundsätze müssen auch bei der Göpfert

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Gewährung des Abfindungspaketes berücksichtigt werden, vor allem wenn das Abfindungspaket vom Verzicht des jeweiligen Arbeitnehmers auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht wird.36) Freiwillige Sonderzahlungen als zusätzlicher Anreiz sollten nicht im Sozialplan selbst, sondern in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG geregelt werden.37) 2.1.6.4

Vereinbarung einer Turboprämie

50 Geht es dem Arbeitgeber darum, möglichst schnell für Rechtssicherheit zu sorgen, ist an die Vereinbarung einer sog. „Turboprämie“ zu denken. Das eigentliche Abfindungspaket erhöht sich bei der Anwendung solcher Prämien, wenn die Mitarbeiter das Angebot bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angenommen haben. 51 Wichtig ist dabei, dass dieser Zeitpunkt nicht zu kurz angesetzt wird. Eine gewisse Bedenkzeit ist den angesprochenen Mitarbeitern zuzugestehen, da die Wirkung einer solchen Turboprämie sonst leerliefe, wenn sie von keinem in Anspruch genommen wird. Für den einzelnen Arbeitnehmer geht es beim Aufhebungsvertrag um die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Der durchschnittliche Arbeitnehmer, der von einem solchen Freiwilligenund Anspracheprogramm betroffen ist, hat nicht ohne weiteres weitere Beschäftigungsangebote in der Hintertasche und wartet nur darauf, dass der Arbeitgeber ihm für die Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses noch eine Abfindung zahlt. Die betroffenen Arbeitnehmer müssen eine gewisse Bedenkzeit haben, ihre Optionen und Möglichkeiten mit ihren Familienangehörigen durchzusprechen und abzuwägen. Am Ende geht es dabei häufig um die Frage, ob man den (schnellen) Schritt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wagen will oder ob man für den Verzicht der Turboprämie nicht noch etwas mehr Bedenkzeit erhält. 52 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass zu kurz gesetzte Fristen aus Sicht der Arbeitnehmer die Seriosität einer Abbaumaßnahme in Frage stellen. In einem solchen Fall kommt unweigerlich der Gedanke auf, der eigene Arbeitgeber wolle einen nur schnellstmöglich loswerden und gebe einem selbst nicht einmal die Möglichkeit, sich das Angebot gut durch den Kopf gehen zu lassen. Denkbar ist jedoch auch die Vereinbarung mehrerer aneinandergereihter Turboprämien, sodass es nicht nur einen Stichtag für die Inanspruchnahme einer Turboprämie gibt. Natürlich müssen dabei aber auch die Prämien für die Inanspruchnahme des jeweiligen Abbaupaketes gestaffelt sein. Es empfiehlt sich, nicht zu viele Stichtage zu vereinbaren, da dies den Arbeitnehmern immer die Möglichkeit gibt, ohne zu große Abstriche im Abfindungspaket auf den nächsten Stichtag zu warten. Das ist kein Anreiz, den der Arbeitgeber eigentlich bezwecken will. 2.2

Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Freiwilligen- und Anspracheprogramms

2.2.1 Individualrechtliche Aspekte 53 Neben der konkreten Ausgestaltung und Implementierung eines Freiwilligen- und Anspracheprogramms müssen zur nachhaltigen Umsetzung der Personalmaßnahme selbstverständlich auch rechtswirksame Aufhebungsverträge geschlossen werden. Andernfalls drohen Rechtsstreitigkeiten, die zulasten des Unternehmens ausgehen können und den eigentlichen Sinn und Zweck von Freiwilligen- und Anspracheprogrammen im Nachgang entgegenstehen.

___________ 36) BAG v. 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, NZA 2022, 281. 37) BAG v. 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, NZA 2022, 281.

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Zunächst ist dabei die Schriftform nach § 126 BGB zu achten, welche für die Beendigung 54 von Arbeitsverhältnissen und damit auch für die Aufhebung zu beachten ist – die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen, § 623 Halbs. 2 BGB. Schriftform i. S. des § 126 Abs. 1 BGB bedeutet, dass die vertretungsberechtigten Personen eigenhändig ihre Originalunterschrift auf dem Originaldokument leisten. Das Verwenden einer eingescannten Unterschrift oder das Hin- und Her-Faxen eines Dokumentes bei der Unterzeichnung ist damit ausgeschlossen. Der Streit über einzelne Rechtsfragen, wie bspw. die Einhaltung der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB, kommt dabei nur auf, wenn sich ein Arbeitnehmer im Nachgang an den Abschluss des Aufhebungsvertrages dagegen zu Wehr setzt. Solche Fälle sind in der Regel selten, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich und freiwillig erfolgte. Erfolgt das Freiwilligen- und Anspracheprogramm allerdings als offenes Angebotsverfahren vor einer vollständigen Betriebsstilllegung, siehe oben Rz. 30, sind derartige Rechtsstreitigkeiten wahrscheinlicher. Die bereits angesprochenen Grenzen des AGG sind bei der Auswahl des Adressatenkreises 55 zu beachten. Die Auswahlentscheidung darf auch nicht aus anderen Gründen treuwidrig sein. 2.2.2 Kollektivrechtliche Aspekte Neben den individualrechtlichen Aspekten stellt sich auch die Frage, ob die jeweilige Arbeit- 56 nehmervertretung beim Abschluss der Aufhebungsverträge einbezogen werden muss, damit diese wirksam sind. Grundsätzlich steht es Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeder Zeit frei, ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates folgen hieraus nicht unmittelbar. Auch das StaRUG hat hieran nichts geändert. 2.2.2.1

Unterstützung durch den Betriebsrat

Das ändert jedoch nichts daran, dass es für den Arbeitgeber grundsätzlich wichtig ist, dass 57 der Betriebsrat die Maßnahme unterstützt oder zumindest nicht blockiert. Andernfalls wird die Maßnahme keinen Erfolg versprechen. Die Belegschaft wird einem Freiwilligenund Anspracheprogramm weniger skeptisch gegenübertreten, wenn der Betriebsrat inhaltlich hinter den Regelungen steht und diese gegenüber der Belegschaft fördert. Umgekehrt werden große Teile der Arbeitnehmer auch auf ein an sich attraktives Angebot nicht eingehen, wenn der Betriebsrat davon abrät. Fehlende Erfahrung und fehlende Rechtskenntnisse auf Seiten der Belegschaft bringt diese dazu, eher dem Betriebsrat zu vertrauen, auch wenn es sich um ein sehr gutes und faires Aufhebungsangebot handelt. Daneben spielen aber auch andere kollektivrechtliche Mitbestimmungsrechte bei der Um- 58 setzung eines Freiwilligen- und Anspracheprogramms eine (indirekte) Rolle. Zwar ergeben sich bei der Aufhebung von Arbeitsverträgen keine unmittelbaren Beteili- 59 gungsrechte des Betriebsrates (siehe oben Rz. 56). Liegen aber die Voraussetzungen einer interessenausgleichspflichtigen Restrukturierungsmaßnahme gemäß §§ 111 ff. BetrVG vor und überschreitet die Maßnahme die Zahlengrenzen einer Massenentlassung nach § 17 KSchG, ist der jeweils zuständige Betriebsrat, bei Vorliegen der Voraussetzungen der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, am Verfahren zu beteiligen. 2.2.2.2

Beteiligung beim Interessenausgleich und Sozialplan

Unterlässt der Arbeitgeber die erforderlichen Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den 60 Abschluss eines Interessenausgleichs, steht den Arbeitnehmern unter den Voraussetzungen des § 113 BetrVG ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zu. Der Arbeitgeber riskiert darüber hinaus ein einstweiliges Verfügungsverfahren, das der Betriebsrat anstoßen kann (str.).

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61 Gegen die Möglichkeit des Betriebsrates, einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens anzustoßen, spricht, dass der Gesetzgeber in § 113 Abs. 3 BetrVG und dem dort geregelten Nachteilsausgleich eine ausdrückliche Sanktion für die Nichtbeteiligung der Arbeitnehmervertretung vorgesehen hat, was bspw. in § 87 BetrVG nicht geregelt ist.38) Darüber hinaus weisen die §§ 111, 112 BetrVG dem Betriebsrat lediglich einen Verhandlungsanspruch zu, der entweder im Abschluss eines Interessenausgleichs oder im Festhalten des Scheiterns der Verhandlungen liegt. Ein die Beteiligung des Betriebsrates sichernder Unterlassungsanspruch darf dem Betriebsrat aber keine Rechte zuweisen, die über den Gehalt des jeweiligen Beteiligungsrechts hinausgehen. Insoweit besteht kein Anspruch auf die Verhinderung einer Betriebsänderung.39) In der Praxis wird die Möglichkeit eines solchen Unterlassungsanspruches40) im einstweiligen Verfügungsverfahren von den Instanzgerichten allerdings unterschiedlich bewertet.41) 2.2.2.3

Beteiligung beim Massenentlassungsanzeigeverfahren

62 Neben der Beteiligung des Betriebsrates bei Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen kommt eine Beteiligung i. R. des Massenentlassungsanzeigeverfahrens in Betracht, welches in § 17 KSchG geregelt ist. Der Wortlaut des § 17 KSchG spricht dabei gerade nicht von einseitigen Beendigungen durch den Arbeitgeber, sondern stellt bei den in Absatz 1 genannten Grenzen auf „Entlassungen“ ab, wobei entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 den Entlassungen auch andere Beendigungen gleichstehen, die vom Arbeitgeber veranlasst wurden. 63 In den Anwendungsbereich des § 17 KSchG fallen folglich auch Aufhebungsverträge, die i. R. eines Freiwilligen- und Anspracheprogrammes geschlossen werden sollen. Liegen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG vor, sind die in diesem Zusammenhang geschlossenen Aufhebungsverträge nur wirksam, wenn der Arbeitgeber vor Abschluss dieser Verträge eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit erstattet hat. Der Betriebsrat ist gemäß § 17 Abs. 2 KSchG vor Abgabe der Massenentlassungsanzeige zu beteiligen. 64 Ist unklar, ob die Grenzen einer Massenentlassung, die in § 17 Abs. 1 KSchG geregelt sind, erreicht werden und ist dies nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, ist es ratsam, die Massenentlassungsanzeige vorsorglich zu erstatten. Angesichts der im Zweifel drohenden Unwirksamkeit der Aufhebungsverträge bei fehlender Anzeige ist die Durchführung dieser Anzeige und die damit verbundene Einbeziehung des Betriebsrates wohl das kleinere Übel. III.

Information, Konsultation und Massenentlassungsanzeigeverfahren

1.

Überblick

65 Mit einer Restrukturierung und Sanierung einhergehend ist auch meist der Begriff der Massenentlassung. Während sich aus den zuvor angesprochenen Aufhebungsverträgen keine unmittelbaren Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ergeben, muss der Arbeitgeber bei Überschreiten der in § 17 Abs. 1 KSchG geregelten Schwellenwerte den Betriebsrat informieren und konsultieren (Konsultationsverfahren) sowie gegenüber der (zuständigen) ___________ 38) 39) 40) 41)

Kania in: ErfK, BetrVG, § 111 Rz. 27. Spirolke in: NK-ArbR, BetrVG, § 111 Rz. 29. Kania in: ErfK, BetrVG, § 111, Rz. 27a. Dafür: LAG Düsseldorf v. 6.1.2021 – 4 TaBVGa 6/20, BeckRS 2021, 2240; LAG Hamm v. 17.2.2015 – 7 TaBVGa 1/15, NZA-RR 2015, 247; LAG Schleswig-Holstein v. 15.12.2010 – 3 TaBVGa 12/10, FD-ArbG 2011, 314998; LAG München v. 22.12.2008 – 6 TaBVGa 6/08, BB 2010 S. 896. Dagegen: LAG RheinlandPfalz v. 27.8.2014 – 4 TaBVGa 4/14, NZA-RR 2015, 197; LAG Baden-Württemberg v. 21.10.2009 – 20 TaBVGa 1/09, BeckRS 2010, 66550; LAG Köln v. 27.5.2009 – 2 TaBVGa 7/09, BeckRS 2009, 66807.

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Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

Agentur für Arbeit Anzeige erstatten (Anzeigeverfahren). Das Konsultationsverfahren zielt in erster Linie auf den Bestandsschutz im Betrieb ab, während das Anzeigeverfahren der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben soll, eine Massenentlassung ggf. verhindern zu können oder sich zumindest frühzeitig auf Entlassungen im größeren Umfang einstellen zu können (arbeitsmarktpolitische Zwecke). Beide Verfahren sind im Grundsatz eigenständig und getrennt zu betrachten, weil sie in 66 unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz nach § 17 KSchG verfolgten Ziels dienen und eigene Wirksamkeitsvoraussetzungen haben.42) Sie überschneiden sich jedoch inhaltlich an einzelnen Stellen. Kommt es zu Fehlern bei der Erstattung der Anzeige oder bei der Konsultation des Betriebsrates, kann dies zur Unwirksamkeit der einzelnen Maßnahmen (Entlassungen) führen, auf deren Grundlage der Arbeitgeber das Massenentlassungsverfahren durchzuführen hatte.43) § 17 KSchG setzt die Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie – MERL)44) in 67 deutsches Recht um. Bei Unklarheiten im Zusammenhang mit § 17 KSchG sind diese mit Rücksicht auf die Vorgaben der MERL durch Auslegung zu lösen. Zu solchen Unklarheiten gehören z. B. die Fragen, ob Leiharbeitnehmer im Betrieb des 68 Entleihers als Arbeitnehmer i. S. des § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen sind oder ob der Fremdgeschäftsführer vom Ausschlusstatbestand des § 17 Abs. 5 KSchG (berechtigterweise) erfasst wird. Ob Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer i. S. des § 17 Abs. 1 KSchG gelten,45) hatte das BAG dem EuGH als Frage vorgelegt,46) der diese Frage jedoch wegen Erledigung der Sache nicht mehr entscheiden musste. Diese Frage ist wohl zu verneinen. Die „Entlassung“ eines Leiharbeitnehmers im Entleiherbetrieb hat nicht zur Folge, dass dieser Leiharbeitnehmer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Vielmehr kehrt er zum Entleiher zurück. Diese Situation ist nicht mit einem normalen Arbeitnehmer zu vergleichen. In Bezug auf den Fremdgeschäftsführer vertritt der EuGH die Auffassung, dass § 17 Abs. 5 69 Nr. 1 KSchG insoweit gegen Unionsrecht verstößt.47) Unabhängig von der Frage, wie die nationale Rechtsprechung mit dieser Auffassung umzugehen vermag, sollte der Arbeitgeber, der eine Massenentlassungsanzeige durchzuführen hat, zumindest gegenüber der Agentur für Arbeit Fremdgeschäftsführer in die Anzeige miteinbeziehen. 2.

Voraussetzungen einer Massenentlassung

2.1

Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG

Wann den Arbeitgeber die Pflicht zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige trifft, 70 richtet sich nach § 17 Abs. 1 KSchG und den darin geregelten Schwellenwerten. Danach liegt eine Massenentlassung vor, wenn der Arbeitgeber innerhalb von 30 Kalendertagen 

in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,

___________ 42) BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14, ZIP 2016, 633 = NZA 2016, 490; BAG v. 13.6.2019 – 6 AZR 459/18, ZIP 2019, 1929 = NZA 2019, 1638. 43) BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, ZIP 2013, 742 = DB 2013, 1029. 44) Richtlinie 98/59/EG des Rates v. 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie – MERL), ABl. (EU) L 225/16 v. 12.8.1998. 45) Abl.: LAG Düsseldorf v. 8.9.2016 – 11 Sa 705/15, BeckRS 2016, 116155; zust.: Fuhlrott/Fabritius, NZA 2014, 122. 46) BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 90/17, ZIP 2018, 241 = NZA 2018, 245. 47) EuGH v. 9.7.2015 – Rs. C-229/14 (Balkaya), ECLI:EU:C:2015:455 = ZIP 2015, 1555.

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in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,



in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer

„entlässt“. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden, § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG. 2.2

Entlassungsbegriff i. S. des § 17 Abs. 1 KSchG

71 Für die Schwellenwerte relevant ist insbesondere die Frage, wann von einer „Entlassung“ i. S. des § 17 KSchG auszugehen ist. Früher stellte man noch auf die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Eine Entlassung lag erst dann vor, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist endete. Seit der Junk-Entscheidung des EuGH und deren Übernahme durch das BAG, ist diese Ansicht jedoch überholt. Der EuGH hatte den Begriff der Entlassung als Kündigungserklärung ausgelegt,48) was mit der bisherigen Sichtweise nicht zu vereinen war. 72 Nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung versteht man unter dem Begriff „Entlassung“ den Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses.49) Das betrifft sowohl den Ausspruch einer Beendigungskündigung als auch den einer Änderungskündigung, weil der Arbeitgeber unabhängig von der Reaktion des Arbeitnehmers auf das Änderungsangebot eine Beendigungskündigung ausgesprochen hat.50) 2.2.1 Veranlasste Eigenkündigungen und Aufhebungsverträge 73 Eine Entlassung kann auch bei einem Aufhebungsvertrag51) oder bei einer Eigenkündigung vorliegen. Dies stellt § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG klar. Voraussetzung ist, dass diese durch den Arbeitgeber „veranlasst“ wurden. Diese Veranlassung erfordert bei der Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt hat und dieser der Beendigungskündigung durch den Arbeitgeber durch den Ausspruch einer Eigenkündigung lediglich zuvorkommen wollte.52) Über die tatsächliche Veranlassung einer Eigenkündigung kann man lange streiten. Eine Veranlassung durch den Arbeitgeber wird im Regelfall ausscheiden, wenn der Arbeitnehmer diese zu einem Zeitpunkt ausspricht, zu dem weder die Maßnahme an sich final beschlossen war oder deren konkreter Umfang festlag. Denkbar ist die Vereinbarung einer Stichtagsregelung zwischen den Betriebsparteien, die zumindest für solche Eigenkündigungen Klarheit schafft, die nach dem Stichtag ausgesprochen werden. Der Ausspruch von Eigenkündigungen und deren Anzahl lassen sich vor der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige nur schwer vorhersagen. Es empfiehlt sich – erneut – die Erstattung einer vorsorglichen Massenentlassungsanzeige. 2.2.2 Zugang der „Entlassungen“ 74 Da es sich bei der Kündigung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die gegenüber Abwesenden bei Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam wird, ___________ 48) 49) 50) 51) 52)

EuGH v. 27.1.2005 – Rs. C-188/03 (Irmtraut Junk/Wolfgang Kühnel), NZA 2005, 213 = EuZW 2005, 145. BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, ZIP 2006, 1644 = NZA 2006, 971. BAG v. 10.3.1982 – 4 AZR 158/79, BAGE 38, 106 = NJW 1982, 2839. BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, ZIP 1999, 1568 = NZA 1999, 761. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, ZIP 2012, 1822 = NZA 2012, 1029; BAG v. 6.12.1973 – 2 AZR 10/73, BAGE 25, 430 = AP Nr. 1 zu § 17 KSchG 1969.

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Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

ist dies der maßgebliche Zeitpunkt i. R. des § 17 KSchG, ab dem von einer „Entlassung“ gesprochen werden kann. Hinsichtlich der Arbeitnehmer in Elternzeit gilt eine Besonderheit: Arbeitnehmer, deren 75 Kündigung allein deshalb außerhalb des Dreißig-Tage-Zeitraums erfolgt, weil zuvor ein anderes behördliches Verfahren, das keinen dem Massenentlassungsschutz gleichwertigen Schutz bietet, durchgeführt werden musste, sind so zu behandeln, wie Arbeitnehmer, für deren Kündigungen § 17 KSchG gilt. Darum gilt der Dreißig-Tage-Zeitraum in solchen Fällen auch dann als gewahrt, wenn die Antragstellung auf Zustimmung der zuständigen Behörde innerhalb dieses Zeitraums erfolgt ist.53) Endet das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag, ist maßgeblicher Zeitpunkt 76 die zum Abschluss des Vertrages führende Willenserklärung des Arbeitgebers. 2.3

Zeitraum der Entlassungen

Die in § 17 Abs. 1 KSchG geregelten Entlassungen müssen innerhalb von 30 Kalendertagen 77 vorgenommen werden, wobei die Frist mit jedem Tag neu beginnt, an dem es zu mindestens einer Kündigung kommt, auch wenn die Kündigung auf einem neuen eigenständigen Kündigungsschluss beruht. Bei einheitlich geplanten Entlassungen, welche lediglich stufenweise umgesetzt werden, folgt ebenfalls eine Anzeigepflicht des Arbeitgebers. Werden die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie zulässig sind (§ 18 Abs. 1, Abs. 2 KSchG), durchgeführt, bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG der erneuten Anzeige. 3.

Einzelne Komponenten des Massenentlassungsverfahrens

Das Massenentlassungsverfahren nach § 17 KSchG untergliedert sich in das Konsultations- 78 verfahren gegenüber dem Betriebsrat und dem Anzeigeverfahren gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit. 3.1

Information und Konsultation des Betriebsrates

Liegen die Voraussetzungen zur Durchführung des Massenentlassungsanzeigeverfahrens 79 vor, hat der Arbeitgeber die gesetzlich vorgesehenen Vorgaben des § 17 KSchG einzuhalten. Gegenüber dem Betriebsrat bedeutet das entsprechend § 17 Abs. 2 KSchG, dass wenn der Arbeitgeber die Durchführung einer massenentlassungsanzeigepflichtigen Maßnahme beabsichtigt, er diesen rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen hat und ihn schriftlich insbesondere über die in § 17 Abs. 2 KSchG genannten Regelbeispiele zu unterrichten hat (Informationsverfahren). Der Arbeitgeber hat mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat die Möglichkeit zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (Konsultationsverfahren), § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG. Welcher Betriebsrat für die konkret geplante Maßnahme zuständig ist, richtet sich nach den 80 Vorschriften des BetrVG und hängt vom Einzelfall der jeweiligen Maßnahme ab. Dabei haben Gesamt- und Konzernbetriebsrat in der Regel keine originäre Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 bzw. § 58 Abs. 1 BetrVG – eine solche kann sich aber ergeben, wenn der Personalabbau auf einem konzern- oder unternehmenseinheitlichen Konzept durchgeführt wird.54)

___________ 53) BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 442/16, ZIP 2017, 692 = NZA 2017, 577. 54) BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11, NZA 2013, 1040.

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9. Teil Arbeitsrecht

81 Unheilbare Fehler i. R. des Konsultationsverfahrens haben die Unwirksamkeit der Entlassungen zur Folge, für die der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige durchzuführen hatte.55) 82 Möchte sich der betroffene Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess auf die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige berufen, obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast, wobei an diese keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Sind die Voraussetzungen für das Erfordernis einer Massenentlassungsanzeige schlüssig vorgetragen, ist es Sache des Arbeitgebers, die ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG darzulegen und zu beweisen. Ergibt sich aus seinem Vortrag, mit welchem Inhalt er den Betriebsrat konsultiert und der Agentur für Arbeit die Massenentlassung angezeigt hat, darf sich der Arbeitnehmer nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Durchführung des Massenentlassungsverfahrens pauschal zu bestreiten. 3.1.1 Informationsverfahren 83 Der Arbeitgeber hat dem zuständigen Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere über 

die Gründe der geplanten Entlassungen,



die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,



die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,



den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,



die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,



die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien zu unterrichten,

wobei die Einhaltung der Textform nach § 126b BGB zur Einhaltung der vorgegebenen Schriftform genügt.56) 84 Formfehler bei der Unterrichtung durch den Arbeitgeber können durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrates geheilt werden. Damit macht der Betriebsrat deutlich, dass er sich für ausreichend unterrichtet hält und die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen will.57) 85 Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Arbeitgeber den Prozess jedoch ordnungsgemäß und sorgfältig dokumentieren. Es ist nicht auszuschließen, dass er gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG den Zugang der Unterrichtung beim Betriebsrat glaubhaft machen und den Stand der Beratungen darlegen muss. 86 Aus dem Wortlaut des Absatzes folgt, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist („insbesondere“). Die Zweckdienlichkeit der Auskünfte in Bezug auf die Massenentlassung begrenzt die Auskunftspflicht des Arbeitgebers. Dies hängt wiederum von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. 87 Entsprechend § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG hat der Arbeitgeber „gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten“. 3.1.2 Konsultationsverfahren 88 Neben dem bereits thematisierten Informationsverfahren hat der Arbeitgeber auch das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchzuführen. Dabei geht es um die Beratung, ___________ 55) BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14, ZIP 2016, 633 = NZA 2016, 490. 56) BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, NZA 2017, 175 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 52. 57) BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, ZIP 2012, 2412 = NZA 2013, 32.

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Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

wie Entlassungen vermieden oder eingeschränkt und ihre Folgen gemindert werden können. Die Beratung setzt die Auskunft und Unterrichtung voraus und geht über eine bloße Anhörung hinaus. Die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Durchführung dieser Beratungen entfällt auch dann nicht, wenn wegen der Stilllegung des Betriebes alle Arbeitnehmer dort entlassen werden sollen.58) Der Arbeitgeber unterliegt im Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG keinem 89 Einigungszwang. Es reicht aus, wenn er mit dem ernstlichen Willen zur Einigung in die Verhandlungen mit dem Betriebsrat geht und bereit ist, sich mit dessen Vorschlägen auseinanderzusetzen.59) Aus § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG folgt, dass das gesetzgeberische Ziel des Konsultationsverfahrens eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates ist. Eine Pflicht des Betriebsrates besteht insoweit nicht. Unterlässt der Betriebsrat eine Stellungnahme, kann der Arbeitgeber gleichwohl die Anzeige unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erstatten. Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG ersetzt ein Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, 90 also ein Interessenausgleich mit Namensliste, die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 KSchG. 3.2

Massenentlassungsanzeige

Die konkreten Voraussetzungen an die Anzeige der Massenentlassung gegenüber der Agen- 91 tur für Arbeit regelt § 17 KSchG in den Absätzen 1 und 3. 3.2.1 Anforderungen an die Massenentlassungsanzeige Weiterer Teil des in § 17 KSchG geregelten Verfahrens ist die Anzeige der Massenentlas- 92 sung selbst. Das Anzeigeverfahren bei der zuständigen Agentur für Arbeit folgt auf das Beteiligungsverfahren des zuständigen Betriebsrates und ist vor Vornahme der geplanten Entlassungen durchzuführen. Die Anzeige selbst ist vom Arbeitgeber bzw. einem von diesem Bevollmächtigten zu er- 93 statten und das gegenüber der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der von der Massenentlassung betroffene Betrieb liegt. Bei Unklarheit über die örtliche Zuständigkeit ist es auch möglich, die Massenentlassungsanzeige bei mehreren in Frage kommenden Arbeitsagenturen zu erstatten. Zu beachten gilt es dabei jedoch, die Mitteilung der für die Zuständigkeitsbestimmung maßgebenden Tatsachen aufzunehmen, die Agenturen also darauf hinzuweisen, dass und aus welchen Gründen die Anzeige bei mehreren Agenturen einging.60) Es obliegt den Agenturen für Arbeit, endgültig über ihre Zuständigkeitsbestimmung zu entscheiden. Fristauslösendes Ereignis für § 18 KSchG ist der Eingang der Anzeige bei der Agentur für 94 Arbeit. Diese sollte sich der Arbeitgeber jeweils bestätigen lassen, verbunden mit der Mitteilung, dass die Unterlagen vollständig sind. Der Arbeitgeber hat entsprechend § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG die Schriftform zu wahren. Das BAG hat sich bisher nicht festgelegt, ob die Anzeige die Schriftform nach § 126 BGB erfordert.61) Eine (fern)mündliche Anzeige genügt bspw. nicht. Um Streitigkeiten über die Einhaltung der „Schriftform“ i. S. des § 17 KSchG zu vermeiden, sollte die Anzeige dem Schriftformerfordernis nach § 126 Abs. 1 BGB gerecht werden. ___________ 58) 59) 60) 61)

BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, NZA 2017, 175 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 52. BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, NZA 2017, 175 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 52. BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, NZA 2017, 175 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 52. BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, ZIP 2012, 2412 = NZA 2013, 32.

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95 Beim Inhalt der Anzeige unterscheidet § 17 KSchG zwischen den sog. „Soll“-Angaben und den „Muss“-Angaben. Vorhanden sein müssen die Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG und die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 2 KSchG. Die Aufzählung der „Muss-“Angaben ist abschließend und steht nicht zur Disposition. 96 Über § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG hinausgehende Angaben soll die Anzeige enthalten, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat ein Einvernehmen hierüber hergestellt haben. Entsprechend des Urteils des BAG vom 19.5.2022 führt das Fehlen der sog. „Soll-Angaben“ in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG nicht zur Unwirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit.62) Gleichwohl schadet deren Angabe nicht. Vielmehr unterstützen diese die Agentur für Arbeit bei der Arbeitsvermittlung. Darüber hinaus erspart man sich (überflüssige) Diskussionen in späteren Gerichtsverfahren. 97 In zeitlicher Hinsicht hat die Anzeige nach den Beratungen mit dem Betriebsrat und vor Ausspruch der Kündigungen bzw. vor Vornahme der Entlassungen zu erfolgen. 3.2.2 Rechtsfolgen der Massenentlassungsanzeige 98 Die Rechtsfolge der Massenentlassungsanzeige hängt davon ab, ob diese ordnungsgemäß und damit wirksam erstattet wurde oder nicht. 3.2.2.1

Rechtsfolgen einer wirksamen Massenentlassungsanzeige

99 Hat der Arbeitgeber eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet, regelt § 18 KSchG die Rechtsfolgen. Mit Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit beginnen die Fristen des § 18 KSchG zu laufen. Gemäß § 18 Abs. 1 KSchG („Sperrfrist“) werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam. Gemäß § 18 Abs. 4 KSchG („Freifrist“) bedarf es, soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach § 18 Abs. 1, Abs. 2 KSchG zulässig sind, durchgeführt werden, unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG der erneuten Anzeige. 100 Zu beachten ist somit die in § 18 Abs. 1 KSchG geregelte „Mindestkündigungsfrist“, der zufolge anzeigepflichtige Entlassungen ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige nicht wirksam werden. Die Monatsfrist endet nach § 188 BGB mit Ablauf des Tages des Folgemonats, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Anzeige bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist. § 18 Abs. 2 KSchG erlaubt insoweit die Verlängerung der der Sperrzeit von Amts wegen. Die Anordnung muss dem Arbeitgeber vor Ablauf der Monatsfrist des § 18 Abs. 1 KSchG zugegangen sein. 101 § 18 Abs. 4 KSchG regelt dahingegen, dass die anzeigepflichtigen Entlassungen innerhalb von 90 Tagen vorgenommen werden müssen. Die Freifrist beginnt zu laufen, wenn die Sperrfrist abgelaufen ist. Diese Vorschrift dient dazu, dass die angezeigten Entlassungen nicht zu irgendeinem Zeitpunkt erfolgen und damit die Agentur für Arbeit eine gewisse Planungssicherheit hat. Innerhalb dieser Frist kann der Arbeitgeber die Entlassungen vornehmen. Diese Möglichkeit steht dem Arbeitgeber nur einmal zu, danach ist diese Möglichkeit verbraucht.63) Gegebenenfalls ist unter den Voraussetzungen des § 17 KSchG eine neue Anzeige zu erstatten. ___________ 62) BAG v. 19.5.2022 – 2 AZR 467/21, ZRI 2022, 756 = NZA 2022, 1051. 63) BAG v. 22.4.2010 – 6 AZR 948/08, ZIP 2010, 1566 = FD-InsR 2010, 306855.

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§ 43

Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen 3.2.2.2

Rechtsfolgen einer unwirksamen Massenentlassungsanzeige

Ist die Massenentlassungsanzeige nicht wirksam, hängt die Rechtsfolge von dem konkreten 102 Grund der Unwirksamkeit ab. Geht die Anzeige bei der falschen Agentur für Arbeit ein, führt dies zur Unwirksamkeit der Anzeige. Gleiches gilt, wenn nicht alle „Muss“-Angaben enthalten sind oder die Stellungnahme des Betriebsrates nicht beigefügt ist. Unvollständigkeiten einer i. Ü. fehlerfreien Anzeige führen nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Anzeige. Es können sich allein die in der Anzeige fehlerhaft nicht aufgeführten Arbeitnehmer auf die 103 Unwirksamkeit berufen.64) IV.

Beschäftigungssicherung nach § 92a BetrVG

1.

Überblick

Eine im BetrVG schon seit langer Zeit existierende, aber nach wie vor (zu) wenig beachtete 104 Vorschrift ist die in § 92a BetrVG geregelte Beschäftigungssicherung, die dem Betriebsrat eine Möglichkeit zur Anregung struktureller Änderungen im Betrieb gibt. Sie soll dazu beitragen, dass der Meinungsbildungsprozess im Betrieb zu Fragen der Sicherung und Förderung der Beschäftigung in Gang gehalten wird und der Arbeitgeber sich den Vorschlägen des Betriebsrates stellen muss, auch wenn sie den Bereich der Unternehmensführung betreffen.65) Die fehlende Berücksichtigung der hierin enthaltenen Möglichkeiten verwundert angesichts des eigentlichen Potentials der Norm. Der im Jahr 2001 durch das BetrVerf-ReformG vom 23.7.2001 eingeführte § 92a BetrVG 105 konkretisiert die in § 80 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG festgelegte Aufgabe des Betriebsrates und gibt diesem ein eigenes Initiativrecht an die Hand, das den Arbeitgeber zur Beratung der Vorschläge mit dem Betriebsrat verpflichtet. Hält der Arbeitgeber die Vorschläge für ungeeignet, hat er die Ablehnung zu begründen, § 92a Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Taugliche Sanktionen lässt die Norm jedoch vermissen – verweigert der Arbeitgeber tatsächlich die Beratung, bleibt dies sanktionslos und begründet keinen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Maßnahme des Arbeitgebers. Ein eigenes Mitbestimmungsrecht stellt § 92a BetrVG auch nicht dar.66) Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG können über § 92a BetrVG nicht verzögert und auch nicht blockiert werden.67) Das in § 92a BetrVG vorgesehene Verfahren wird in der Praxis meist erst i. R. eines Kon- 106 sultationsprozesses eingeleitet, wenn für den Arbeitgeber das „Ob“ einer Personalabbaumaßnahme oft schon feststeht. Die Durchführung des Verfahrens zur Beschäftigungssicherung kann zwar auch in diesen Fällen oft noch den Erhalt einzelner Arbeitsplätze ermöglichen – sinnvoller wäre die Initiative des Betriebsrates jedoch meist im Vorfeld derartiger Maßnahmen. Streitigkeiten im Zusammenhang mit § 92a BetrVG, ob der Arbeitgeber ordnungsgemäß 107 mit dem Betriebsrat beraten hat, sind im Beschlussverfahren zu klären. Der Betriebsrat hat einen Erfüllungsanspruch auf Beratung und Erteilung einer entsprechenden Begründung.68) Diesen kann er mit einem Leistungsantrag durchsetzen. Geht es um die Frage, ob die Beratungen oder eine Begründung des Arbeitgebers den Vorgaben des § 92a BetrVG genügen, ist es erforderlich, dass aus dem Antrag und der gerichtlichen Entscheidung hervorgeht, welchen Pflichten der Arbeitgeber konkret nachzukommen hat. Dieses Erfordernis ergibt ___________ 64) 65) 66) 67) 68)

BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, ZIP 2012, 1822 = NZA 2012, 1029. Begr. RegE BetrVG-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/5741, 49. LAG Hamm v. 20.3.2009 – 10 TaBV 17/09, BeckRS 2009, 73750. LAG Hamm v. 20.3.2009 – 10 TaBV 17/09, BeckRS 2009, 73750. Annuß, NZA 2001, 367.

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9. Teil Arbeitsrecht

sich aus dem allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz. Grundsätzlich kann das ArbG den Arbeitgeber aber auch zur Beratung zwingen.69) 108 Geht es dem Betriebsrat um die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Unterlagen kann ein solcher Anspruch aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG folgen – er muss aber darlegen, warum diese für eine Initiative nach § 92a BetrVG erforderlich sind. Missachtungen des Arbeitgebers gegen seine in § 92a BetrVG geregelten Pflichten führen nicht zur Unwirksamkeit von einzelnen Maßnahmen, zu deren Schutz der Betriebsrat von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch gemacht hat. Hintergrund dessen ist, dass § 92a BetrVG nur die Betriebsparteien bindet und keine unmittelbare Rechtswirkung zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer entfaltet.70) 109 Strittig ist, ob dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch gegen Maßnahmen zusteht, die noch nicht hinreichend beratene Vorschläge des Betriebsrats gegenstandslos machen. Dies ist wohl zu verneinen.71) Das gilt folglich auch für die einstweilige Verfügung in diesem Zusammenhang.72) Schließlich stellt die Verletzung der in § 92a BetrVG geregelten Pflichten durch den Arbeitgeber keine Ordnungswidrigkeit i. S. des § 121 Abs. 1 BetrVG dar. 2.

Betriebs- und beschäftigtenbezogenes Vorschlagsrecht

110 Gemäß § 92a BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge zur „Sicherung und Förderung der Beschäftigung“ machen. Ziel der Vorschrift ist die Sicherung der Beschäftigung der vorhandenen Belegschaft, nicht jedoch eine generelle arbeitsmarktpolitische Beschäftigungsförderung. Die belegschaftsorientierte Ausrichtung der Norm ergibt sich aus der systematischen Zuordnung der Vorschrift zu den personellen Angelegenheiten. 111 Grenze des Initiativrechts ist schließlich auch der Kernbereich der unternehmerischen Entscheidung. Zwar beabsichtigt § 92a BetrVG durchaus, dass der Betriebsrat dadurch eine Einflussnahmemöglichkeit auf die Unternehmensführung erhält. Der Kernbereich der unternehmerischen Entscheidung ist hiervon jedoch nicht erfasst. § 92a BetrVG darf darüber hinaus auch nicht vom Betriebsrat missbraucht werden, etwa wenn Themen bereits abschließend geklärt sind. Dann kann der Betriebsrat ein solches Thema über diese Norm nicht noch einmal aufgreifen. 3.

Vorschlagsrechte des § 92a Abs. 1 BetrVG

112 Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen. Was der Gesetzgeber genau unter den Begriffen „Sicherung“ und „Förderung“ versteht, geht aus der Norm selbst nicht hervor. Primär geht es um den Ausbau von Beschäftigungsmöglichkeiten. Dafür nennt er einzelne Regelbeispiele, die derartige Vorschläge zum Gegenstand haben können. Aus dem Wort „insbesondere“ folgt, dass die Aufzählung nicht abschließend ist und dem Betriebsrat dadurch einen weiten Spielraum hinsichtlich seiner Vorschläge zuschreibt. 113 Das Element der „Beschäftigungssicherung“ bezieht sich dabei auf den Erhalt der im Betrieb bestehenden Arbeitsplätze sowie die Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen. Das Element der „Beschäftigungsförderung“ bezieht sich bspw. auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Konkret nennt der Gesetzgeber die Themen 

der flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit,

___________ 69) 70) 71) 72)

Schulze-Doll in: Düwell, BetrVG, § 92a Rz. 34 m. w. N. BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 434/05, NZA 2007, 552. Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92a Rz. 20. Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92a Rz. 20.

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Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen 

der Förderung von Teilzeitarbeit und Altersteilzeit,



neue Formen der Arbeitsorganisation,



Änderungen der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe,



der Qualifizierung der Arbeitnehmer,



Alternativen zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen sowie



Produktions- und Investitionsprogramme.

Dabei überschneiden sich einzelne der ausdrücklich genannten Initiativen inhaltlich. Auf- 114 grund der beispielhaften Aufzählung ist dies jedoch nicht schlimm. Die Aufzählung verdeutlicht aber, dass die Vorschläge des Betriebsrates einen Bezug des in § 92a Abs. 1 Satz 1 BetrVG genannten Zweckes (Sicherung und Förderung der Beschäftigung) haben müssen. Zu berücksichtigen ist, dass der Betriebsrat jederzeit einen entsprechenden Vorschlag unter- 115 breiten kann. Er kann also präventiv tätig werden und muss nicht erst abwarten, dass der Arbeitgeber mit einer Personalmaßnahme auf ihn zukommt. Dadurch kann er (theoretisch) frühzeitig auf eventuelle Missstände im Betrieb hinweisen. Das Vorschlagsrecht ist auch an keine besonderen Voraussetzungen gebunden. Eine Form für diese Vorschläge sieht das Gesetz bspw. nicht vor. Das soll dem Betriebsrat eventuelle Hürden in der Unterbreitung eines entsprechenden Angebotes nehmen. Neben den ausdrücklich genannten Initiativen kommt bspw. ein Vorschlag zu dem Thema 116 der agilen Arbeitsmodelle in Betracht.73) Der Betriebsrat kann aber den Arbeitgeber aber auch auf ggf. bestehende Möglichkeiten der internen Weiterqualifizierung der Arbeitnehmer aufmerksam machen, wenn derartige Weiterqualifikationen geeignet sind, die Beschäftigung zu sichern, etwa weil es sich um vermittelte Fähigkeiten handelt, auf die der Betrieb zukünftig angewiesen sein wird. Der Kreativität sind insoweit kaum Grenzen gesetzt. Zu beachten ist aber, dass der Betriebsrat über § 92a BetrVG keine Möglichkeit hat, über allgemeine Themen im Betrieb zu diskutieren. 4.

§ 92a BetrVG i. R. des BetrVG

Wie bereits angesprochen, konkretisiert § 92a BetrVG die in § 80 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nor- 117 mierte Aufgabe des Betriebsrates, die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern. Ein eigenes Mitbestimmungsrecht folgt aus § 92a BetrVG jedoch nicht. Dennoch steht diese Norm im Zusammenhang mit zahlreichen weiteren Normen des BetrVG, vor allem im Hinblick auf die in den §§ 92 ff. BetrVG geregelten personellen Angelegenheiten sowie mit dem Interessenausgleichsverfahren nach § 112 BetrVG. 4.1

Maßnahmen der Berufsbildung (§ 97 BetrVG)

Aufgrund der möglichen Initiativen im Zusammenhang mit § 92a BetrVG sowie aufgrund 118 der Zielsetzung der Verfahrens – Maßnahmen zur Förderung und Sicherung der Beschäftigung – überschneidet sich die Vorschrift mit dem in §§ 97 Abs. 2, 98 BetrVG geregelten Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Fraglich ist das Verhältnis der beiden Normen zueinander. Es stellt sich insoweit allgemein die Frage, ob das Initiativrecht nach § 92a BetrVG neben 119 einer spezielleren Mitbestimmung besteht. Relevant ist diese Frage, weil § 92a BetrVG einerseits inhaltlich begrenzt ist und andererseits auch nicht an das Vorliegen besonderer Vo___________ 73) Dazu Göpfert/Meyerhans, Arbeitswelt 4.0, S. 143 f.

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9. Teil Arbeitsrecht

raussetzungen gebunden ist. Hinsichtlich der in §§ 97 Abs. 2, 98 BetrVG geregelten Mitbestimmung wird man wohl davon ausgehen können, dass beide nebeneinander bestehen. 120 Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Folgen der beiden Normen. Während es i. R. der Maßnahmen zur Berufsbildung (§ 97 Abs. 2 BetrVG) um die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen geht und selbst an spezielle Voraussetzungen gebunden ist, zielt § 92a BetrVG „nur“ auf das Vorschlagsrecht des Betriebsrates ab. Damit hat der Betriebsrat in Rahmen des § 97 Abs. 2 BetrVG nicht die Möglichkeit, unabhängig von konkret geplanten oder durchgeführten Maßnahmen des Arbeitgebers, die die Tätigkeit der Arbeitnehmer ändern und dazu führen, dass ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen, Vorschläge zur Beschäftigungssicherung zu unterbreiten. 121 Gerade das kann der Betriebsrat aber über § 92a BetrVG erreichen, welcher jedoch kein Mitbestimmungsrecht darstellt und auch nicht gerichtlich durchsetzbar ist. Eine Überscheidung ist damit nicht anzunehmen, sodass die beiden Normen nebeneinander bestehen können.74) Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 BetrVG vorliegen, weil der Arbeitgeber bereits eine entsprechende Maßnahme geplant bzw. durchgeführt hat. In diesem Fall ist kein Platz mehr für § 92a BetrVG. Insoweit ist § 97 Abs. 2 BetrVG als lex specialis anzusehen. 4.2

Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG

122 Eine Überschneidung ist auch zwischen der in § 87 Abs. 1 BetrVG geregelten Mitbestimmung und § 92a BetrVG denkbar. Der Betriebsrat kann bei Einschlägigkeit seines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 BetrVG entscheiden, ob er den Weg des Initiativrechts einschlägt oder ohne Umwege sein Mitbestimmungsrecht geltend macht. In Betracht kommen angesichts der in § 92a BetrVG geregelten Beschäftigungssicherung vor allem die Tatbestände der Nr. 2 (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage) sowie der Nr. 6 (Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen). Denkbar ist auch, dass der Betriebsrat das Vorschlagsrecht vorab nutzt, um einzelne Vorfragen mit dem Arbeitgeber zu klären. 123 Für welchen Weg sich der Betriebsrat entscheidet hängt davon ab, wie das Verhältnis zwischen den Betriebsparteien ist. Der Betriebsrat wird dabei insbesondere berücksichtigen, ob und wie der Arbeitgeber bei früheren Initiativen nach § 92a BetrVG reagiert hat. Soweit der Betriebsrat das Gefühl hat, dass ein früherer Vorschlag nicht ernst genommen wurde oder ohne weiteres vom Arbeitgeber abgelehnt wurde, wird der Betriebsrat wohl eher den harten Weg des Mitbestimmungsrechts einschlagen. Umgekehrt können positive Erfahrungen aus der Vergangenheit den Betriebsrat dazu bewegen, seine Bedürfnisse erneut über sein Initiativrecht beim Arbeitgeber zu platzieren. Dieser Weg dürfte von den Betriebsparteien bei Erfolg auch besser kommunizierbar sein, weil es belegt, dass beide Betriebsparteien an einem Strang ziehen. 5.

Durchführung des Beschäftigungssicherungsverfahrens (§ 92a BetrVG)

124 § 92a BetrVG gibt weder vor, was genau unter den Begriffen „Sicherung“ und „Förderung“ der Beschäftigung zu verstehen ist noch, wie das Verfahren der Beschäftigungssicherung abzulaufen hat. Klarstellende Hinweise lässt die Norm insoweit vermissen. Dies geht mit den geringen Voraussetzungen einher, die an das Verfahren zu stellen sind. Dadurch wird die Handlungsfreiheit der Betriebsparteien möglichst wenig beeinträchtigt. ___________ 74) Schulze-Doll in: Düwell, BetrVG, § 92a Rz. 9.

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Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

Stellt man sich die Frage, wie das Verfahren nach § 92a BetrVG ablaufen sollte, lassen sich 125 aus dem Aufbau der Norm drei Verfahrensabschnitte abbilden: 

§ 92a Abs. 1 Satz 1 BetrVG: Erstellen eines Vorschlages i. S. des § 92a BetrVG und Aufforderung des Arbeitgebers, diesen Vorschlag zu beraten,



§ 92a Abs. 2 Satz 1 BetrVG: Durchführung der Beratungen über den Vorschlag,



§ 92a Abs. 2 Satz 2 BetrVG: Stellungnahme des Arbeitgebers (ggf. schriftlich).

5.1

Abschnitt 1 – Erstellen eines Vorschlages und Aufforderung, diesen zu beraten

Der Betriebsrat hat bei der Themenfindung für seine Initiative die Grenzen der Beschäf- 126 tigungssicherung und -förderung zu beachten. Im Übrigen ist er hinsichtlich der Themen jedoch weitestgehend frei. Der Kreativität sind kaum Grenzen gezogen. Im Zweifel muss der Betriebsrat aber darlegen können, inwieweit zwischen der Initiative und der Beschäftigungssicherung und -förderung ein Zusammenhang besteht und sich die Initiative hierauf auswirken kann. Das gilt insbesondere, wenn sich einem dieser Zusammenhang nicht unmittelbar ergibt.75) Frei ist der Betriebsrat auch in der Art und Weise, wie er mit seinem Vorschlag auf den 127 Arbeitgeber zugeht. Besondere Anforderungen sieht § 92a BetrVG hierfür nicht vor. Der Vorschlag muss nicht einmal schriftlich abgefasst sein. Abhängig vom Verhältnis der Betriebsparteien kann auch die Aufforderung, über ein bestimmtes Thema zu verhandeln, ausreichen. Andererseits kann es bei einem angespannten Verhältnis der Parteien zueinander auch angezeigt sein, dieses „reach-out“ zu verschriftlichen. Zwar stellt das Gesetz keine Anforderungen an die Ausgestaltung des jeweiligen Vorschlages. 128 Soweit nicht aus zeitlichen oder anderen wichtigen Gründen die Erstellung eines gut ausgearbeiteten Vorschlages unmöglich ist, sollte das Konzept des Betriebsrats bei der Aufforderung des Arbeitgebers gut ausgearbeitet, strukturiert und durchdacht sein. Je ungenauer und oberflächiger das Konzept, desto leichter wird es für den Arbeitgeber seine Gründe zu finden, die gegen die Übernahme bzw. Umsetzung des Vorschlages sprechen. Hat der Betriebsrat bereits ein Konzept ausgearbeitet, das er dem Arbeitgeber vorlegt, muss 129 dieser entsprechend § 92a Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit ihm darüber beraten. Wie eine solche Beratung aussieht und wie umfangreich diese sein muss, gibt das Gesetz nicht vor. Sinnvoll wird es im jeden Fall sein, den Arbeitgeber mit einem Vorschlag nicht zu überrumpeln. Um eine ordentliche Beratung ermöglichen zu können, ist es ratsam, dem Arbeitgeber die Möglichkeit einzuräumen, sich über den Vorschlag Gedanken zu machen und sich hierüber eine erste Meinung zu bilden. Ein Überrumpeln des Arbeitgebers wird in der Regel nicht im Interesse des Betriebsrates sein, der den Weg des § 92a BetrVG einschlägt. 5.2

Abschnitt 2 – Durchführung der Beratungen über den Vorschlag

Der Arbeitgeber hat die unterbreiteten Vorschläge mit dem Betriebsrat zu beraten, § 92a 130 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Voraussetzung dieser Beratungspflicht ist, dass dieser die Beschäftigungssicherung und -förderung zum Thema hat.76) Wie diese Beratung gestaltet sein muss, gibt das Gesetz nicht vor. Auch nicht ihren Umfang. Insoweit sind Arbeitgeber und Betriebsrat frei über den Lauf der Beratungen zu entscheiden. Das Gesetz trennt die Verfahrensstufen „Beratung“ und „Stellungnahme“. Daraus und aus dem Wortsinn von „Beratung“ wird klar, dass diese grundsätzlich zusammen zu erfolgen haben. ___________ 75) Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92a Rz. 7. 76) Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92a Rz. 9.

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131 Bildlich gesprochen sollen die Betriebsparteien also an einem gemeinsamen Tisch sitzen und sich gegenseitig zu ihren Ansichten zu der Initiative austauschen. Ein sozialer Dialog77) setzt voraus, dass der Arbeitgeber seine Ansichten zum Vorschlag des Betriebsrates offenlegt und der Betriebsrat dadurch die Gelegenheit hat, hierauf einzugehen.78) Hierbei ist es sinnvoll, wenn der Arbeitgeber vorab bereits genug Zeit hatte, sich Gedanken zu dem Vorschlag zu machen und sich hierzu eine erste Meinung zu bilden. Konstruktive Beratungen wären andernfalls nur schwer vorstellbar. 132 Entsprechend § 92a Abs. 2 Satz 3 BetrVG können der Arbeitgeber und der Betriebsrat zu den Beratungen einen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzuziehen. Je mehr die Betriebsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, desto mehr Erfahrung haben die zuständigen Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit und desto besser können sie ihr Wissen und ihre Erfahrung in anderen Beschäftigungssicherungsverfahren einbringen.79) 133 Daneben besteht die Möglichkeit für den Betriebsrat, dass sich dieser eines wirtschaftlichen Beraters bedient, §§ 40, 80 BetrVG. Insbesondere bei komplexen Vorschlägen aber vor allem auch dann, wenn das Verfahren nach § 92a BetrVG erst i. R. einer Interessenausgleichsverhandlung stattfindet, bei der der Arbeitgeber bereits ein konkretes Maßnahmenkonzept vorlegt, kommt die Unterstützung eines wirtschaftlichen Beraters in Betracht und erscheint sinnvoll. 134 In solchen Fällen wird man auch von einer „Erforderlichkeit“ dieses Beraters ausgehen können, sodass die Kosten insoweit vom Arbeitgeber getragen würden. Der Umfang der Erforderlichkeit richtet sich dabei jedoch maßgeblich nach der konkret absehbaren beschäftigungspolitischen Maßnahme. Gefordert werden hier oft viel zu hoch angesetzte Beratungsbudgets, die in Wirklichkeit nicht erforderlich sind. Zur Vermeidung von unangenehmen Diskussionen und gerichtlichen Auseinandersetzungen ist es ratsam, sich einen Kostenvoranschlag zu Beginn der Beratungen einzuholen und diesen inhaltlich zu überprüfen. Ein frühzeitiger Dialog über dieses Thema ist empfehlenswert. 5.3

Abschnitt 3 – Stellungnahme des Arbeitgebers (ggf. schriftlich)

135 Führen die Beratungen über den Vorschlag zu einer Einigung der Betriebsparteien, stellt § 92a BetrVG ebenfalls keine Anforderungen an die Form der Einigung. Je nach Thema der Initiative und je nach Inhalt der Beratung steht es den Betriebsparteien frei, sich auf eine Umsetzung zu einigen. In Betracht kommen dabei neben Regelungsabreden und Absichtserklärungen auch freiwillige Betriebsvereinbarungen.80) Letzterer bedarf es immer dann, wenn durch die Einigung den einzelnen Arbeitnehmern einzelne einklagbare Rechte zugesprochen werden sollen. 136 Hält der Arbeitgeber den Vorschlag trotz der Beratungen für ungeeignet, hat er dies zu begründen. In Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten erfolgte die Begründung schriftlich, § 92a Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Für das Quorum der Schriftlichkeit ist auf die aktuelle Belegschaftsstärke bei Stellungnahme abzustellen.81) Aus § 92a Abs. 2 S. 2 BetrVG folgt, dass – anders als bei der Mitbestimmung – eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht erforderlich ist. Mangels der gerichtlichen Durchsetzbarkeit bei der Weigerung des Arbeitgebers sowie mangels einschlägiger Sanktionen ist der Betriebsrat grundsätzlich auf ein Zutun des Arbeitgebers angewiesen. ___________ 77) 78) 79) 80) 81)

Begr. RegE BetrVG-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/5741, S. 29. Schulze-Doll in: Düwell, BetrVG, § 92a Rz. 13. Begr. RegE BetrVG-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/5741, S. 49. Schulze-Doll in: Düwell, BetrVG, § 92a Rz. 19. Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92a Rz. 15.

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Arbeitsrechtliche Sanierungsmaßnahmen

Die vorgesehene Begründungspflicht variiert inhaltlich je nach Vorschlag des Betriebsrates. 137 War die Initiative lediglich abstrakt gehalten und wenig detailliert, wird auch der Umfang der Begründungspflicht des Arbeitgebers überschaubar bleiben. Je detaillierter der Vorschlag und die Beratungen dazu, desto detaillierter muss auch die Begründung des Arbeitgebers ausfallen. In jedem Fall muss die Begründung nachvollziehbar und in sich logisch sein.82) 6.

Auswirkungen bei Verstößen auf das Kündigungsschutzverfahren

Wie so oft stellt sich die Frage, ob Verstöße des Arbeitgebers gegen Vorschriften des BetrVG 138 Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer individuellen Maßnahme wie der einer Kündigung haben und ob sich die betroffenen Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzprozess auf derartige Einwände berufen können. § 92a BetrVG begründet grundsätzlich Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Be- 139 triebsrat und Arbeitgeber. Dagegen entfaltet die Vorschrift keine unmittelbaren Rechtswirkungen für das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer.83) Kommt der Arbeitgeber seinen in § 92a BetrVG niedergeschriebenen Pflichten nicht nach, hat dies grundsätzlich keine Beschränkung des Kündigungsrechts zur Folge.84) Deren Wirksamkeit beurteilt sich nach den allgemeinen Vorschriften. Nach den Erwägungen des BAG ist es jedoch möglich, dass das in § 92a BetrVG geregelte 140 Verfahren im Einzelfall dazu führen kann, dass betriebsbezogen entwickelte Vorschläge zu berücksichtigen sind, die für die Arbeitnehmer weniger belastend sind als betriebsbedingte Kündigungen und dabei keine unzumutbare Alternative für den Arbeitgeber darstellen. Denkbar wäre dies bspw. bei Vorschlägen des Betriebsrates, denen der Arbeitgeber zugestimmt hat. Hieraus kann sich eine Selbstbindung des Arbeitgebers ergeben, welche i. R. des kündigungsrechtlichen ultima-ratio Prinzips zu berücksichtigen sein kann.85) Gegen diese Überlegung des BAG spricht jedenfalls, dass der Arbeitgeber bei einer solchen Handhabung dazu tendieren könnte, allein zur Wahrung seines Kündigungsrechts einem Vorschlag des Betriebsrats nicht zuzustimmen.86) 7.

Beschäftigungssicherung und Personalmaßnahmen

§ 92a BetrVG steht nicht nur in einem engen Verhältnis mit den Mitbestimmungsrechten 141 des Betriebsrates nach §§ 97 Abs. 2, 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 6 BetrVG oder der allgemeinen Aufgabe des Betriebsrates entsprechend § 80 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Das Verfahren spielt eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit den Interessen- und Sozialplanverhandlungen der Betriebsparteien nach §§ 111, 112 BetrVG. Auch wenn die Wirkmächtigkeit des Beschäftigungssicherungsverfahrens vor derartig konkreten Personalabbaumaßnahmen größer ist, spielt die Vorschrift auch in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Sie kombiniert dann einen reaktiven mit einem proaktiven Ansatz. 7.1

Eigenständigkeit des Beschäftigungssicherungsverfahrens

Eine Pflicht des Betriebsrates, eine Initiative nach § 92a BetrVG zu initiieren, sieht das 142 Gesetz nicht vor. Dem Betriebsrat wird insoweit nur ein Recht eingeräumt. Macht er hiervon Gebrauch, steht es ihm weitestgehend frei, wie er dabei vorgehen will. Dies hängt ___________ 82) 83) 84) 85) 86)

Schulze-Doll in: Düwell, BetrVG, § 92a Rz. 15. BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 434/05, NZA 2007, 552. Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92a Rz. 19. BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 434/05, NZA 2007, 552. Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92a Rz. 19.

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maßgeblich von der konkreten Maßnahme und damit jeweils vom konkreten Einzelfall ab. Auch die Beziehung zwischen den Betriebsparteien spielt insoweit eine wichtige Rolle. 143 In der Regel wird der Betriebsrat das Verfahren zur Beschäftigungssicherung bereits zu Beginn der Verhandlungen zu einem Interessen- und Sozialplan ins Spiel bringen. Bestenfalls einigen sich die Betriebsparteien dann bereits zu Beginn der Verhandlungen auf einen gemeinsam abgestimmten Zeitplan. Wie bereits erwähnt sollte auch die Kostenfrage für wirtschaftliche Berater des Betriebsrates geklärt werden und seitens des Betriebsrates ein entsprechender Kostenvoranschlag vorgelegt werden. 7.2

Verschleppungsschutz

144 Wie bereits angesprochen darf das in § 92a BetrVG normierte Verfahren Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG nicht verzögern und auch nicht blockieren.87) Insoweit ist das Beschäftigungssicherungsverfahren nachrangig. Das soll verhindern, dass der Betriebsrat das Verfahren zur Beschäftigungssicherung dazu missbraucht, die eigentlichen Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu einem Interessen- und Sozialplan taktisch zu verzögern und damit zu verschleppen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich die Abstimmung eines gemeinsamen Zeitplans zu Beginn der Verhandlungen. Es ist darauf zu achten, dass die Beratungen nach § 92a BetrVG einen festen Platz im Ablaufplan haben und dass dieser auch eingehalten wird. 8.

Fazit

145 Der Kern des in § 92a BetrVG geregelten Verfahrens der Beschäftigungssicherung ist die gesetzlich vorgegebene Möglichkeit, einen Betriebsrat über ein eigenes Initiativrecht an konkreten Beratungen zu Alternativkonzepten sinnvoll und in verfahrensmäßig vorgegebener Weise zu beteiligen. Das Verfahren nach § 92a BetrVG hat sich in der Praxis als guter Weg erwiesen, die sonst oft schwierigen Diskussionen in Betrieb und Öffentlichkeit sinnvoll zu bündeln, ggf. sogar unter Einschaltung eines Moderators oder eigebettet in ein Interessenausgleichs- oder Einigungsstellenverfahren. Umgekehrt kann der Betriebsrat die Führung oder den Abschluss eines Verfahrens nach §§ 106, 111 BetrVG nicht damit verzögern, indem er nach deren Einleitung ein Verfahren nach § 92a BetrVG beginnt bzw. noch nicht abgeschlossen hat. In diesem Fall ist das hier vorgeschlagene „abgestimmte“ Vorgehen auch und gerade i. R. einer Einigungsstelle für beide Seiten indiziert.88)

___________ 87) LAG Hamm v. 20.3.2009 – 10 TaBV 17/09, BeckRS 2009, 73750. 88) Göpfert/Giese, NZA 2016, 463, 466.

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10. Teil Steuerrecht § 44 Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan Uhländer

I. 1.

2.

Verhältnis Restrukturierung – Steuerrecht ................................................... 1 Restrukturierung – Formelles Besteuerungsverfahren................................. 2 1.1 Rechtsstellung des Restrukturierungsbeauftragten bzw. Sanierungsmoderators ..................... 2 1.2 Festsetzung/Feststellung von Steueransprüchen in der Restrukturierung ............................. 4 1.3 Abgabe von Steuer- bzw. Feststellungserklärungen in der Restrukturierung................. 10 1.4 Berichtigung von Steuerbzw. Feststellungserklärungen in der Restrukturierung................. 12 1.5 Mitwirkung bei Außenprüfungen/Nachschauen in der Restrukturierung................. 14 1.6 Steuererhebungsverfahren in der Restrukturierung................. 16 1.7 Vollstreckungsverfahren in der Restrukturierung................. 23 1.8 Steuerstrafverfahren in der Restrukturierung................. 42 Restrukturierung – Materielles Besteuerungsverfahren............................... 47 2.1 Einkommensteuer in der Restrukturierung................. 47 2.1.1 Passivierung von Verbindlichkeiten in der Restrukturierung......................................... 47 2.1.2 Behandlung von Restrukturierungskosten (§ 3c Abs. 4 EStG)... 59 2.1.3 Betriebsaufgabe von Einzelunternehmen in der Restrukturierung.... 63 2.1.4 Betriebsaufspaltung in der Restrukturierung................. 69 2.1.5 Besonderheiten bei Personengesellschaften in der Restrukturierung......................................... 73 2.1.5.1 Gewerbliche Mitunternehmerschaften in der Restrukturierung ... 73 2.1.5.2 Freiberufliche Mitunternehmerschaften in der Restrukturierung ... 78

Uhländer

2.1.6

Markante Gesetzesänderungen mit Bezug zur Restrukturierung und Insolvenz ................................ 82 2.1.6.1 Insolvenzrechtliche Änderungsgesetze ......................... 82 2.1.6.2 Steuerrechtliche Änderungsgesetze ......................... 84 2.1.6.3 Besonderheit: „Optionsmodell“ zur Körperschaftsteuer ................. 85 2.1.7 Exkurs: Einkünfte des Restrukturierungsbeauftragten.................. 94 2.1.8 Exkurs: Einkünfte des Sanierungsmoderators ........... 101 2.2 Körperschaftsteuer in der Restrukturierung............... 106 2.2.1 Körperschaftsteuerrechtliche Organschaft in der Restrukturierung ...................................... 106 2.2.2 Anwendung der Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) ........ 113 2.2.3 Fortführungsgebundener Verlustvortrag (§ 8d KStG) ........ 119 2.2.4 Abwicklungsbesteuerung (§ 11 KStG).................................. 123 2.2.5 Feststellung Jahresabschluss – Folgen für die Gesellschafter...... 127 2.3 Gewerbesteuer in der Restrukturierung............... 128 2.3.1 Gewerbesteuerrechtliche Organschaft in der Restrukturierung.... 128 2.3.2 Verlustberücksichtigung gemäß § 10a GewStG .................. 130 2.3.3 Gewerbeertrag bei Abwicklung von Unternehmen ....................... 134 2.4 Umsatzsteuer in der Restrukturierung............... 135 2.4.1 Umsatzsteuerrechtliche Organschaft in der Restrukturierung.... 135 2.4.2 Forderungseinzug in der Restrukturierung ............... 141 2.4.3 Vorsteuerkorrektur in der Restrukturierung............... 142 2.4.4 Leistungsaustausch Restrukturierungsbeauftragter – Schuldner ..................................... 143

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§ 44

10. Teil Steuerrecht

2.4.5

Leistungsaustausch Sanierungsmoderator – Schuldner................ 144 II. Restrukturierung – Steuerbefreiung von Sanierungserträgen ......................... 145 1. Abgrenzung Restrukturierungsplan – Sanierungsplan ......................................... 145 2. Einkommensteuerbefreiung gemäß § 3a EStG in der Restrukturierung ......... 148 2.1 Anwendungsbereich des § 3a EStG............................... 148 2.1.1 Schuldenerlass i. S. des § 3a Abs. 1 EStG.......................... 148 2.1.2 Unternehmensbezogene Sanierung i. S. des § 3a Abs. 2 EStG ... 150 2.1.3 Ausübung von steuerlichen Wahlrechten................................. 151

2.2 2.3

3.

4.

Rechtsfolgen des § 3a EStG........ 152 Besonderheiten bei der Restschuldbefreiung gemäß § 3a Abs. 5 EStG ................................. 155 Körperschaftsteuerbefreiung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 3a EStG in der Restrukturierung ................. 156 3.1 Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 3a EStG ..................................... 156 3.2 Rechtsfolgen des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 3a EStG... 157 3.3 Besonderheiten gemäß § 15 Nr. 1a KStG................................. 158 Gewerbesteuerbefreiung gemäß § 7b GewStG in der Restrukturierung............ 159

Literatur: Bacmeister, Aufstellung von Abschlüssen kleiner GmbH vor und in der Corona-Krise – das BGH-Urteil vom 26.1.2017 und die Auswirkungen des CoVInsAG, DStZ 2020, 619; Behnke, Haftungsrisiken im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses bei Krisenmandaten in Zeiten der COVID-19-Pandemie, DB 2020, 1890; Berberich, Analogie zu § 15b Abs. 8 InsO bei der Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 266a StGB), ZInsO 2021, 1313; Bernsau/Beyer, Sanieren mit dem StaRUG: von der Regelung einer finanziellen Schieflage bis zur Durchsetzung eines Gesellschafterwechsels - ein Praxisbericht, BB 2022, 1090; Böing/Dokholian, Steuerliche Erleichterungen im Doppelpack: Die Corona-Steuerhilfegesetze, GmbH-StB 2020, 229; Böing/Groll, COVID-19: Steuerliche Sofortmaßnahme für Mittelstandsunternehmen, GmbH-StB 2020, 147; Brühl/Weiss, „Check the box“ from good old Germany – Die Option zur Besteuerung als Körperschaft nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 889; Desens, Die neue Besteuerung von Sanierungserträgen, FR 2017, 981; Eilers/ Tiemann, Alles geklärt bei der Steuerfreiheit von Sanierungserträgen? Warum der Gesetzgeber nachbessern muss, Ubg 2020, 190; Eisolt/Wolters, Steuerrechtliche Aspekte des StaRUG, ZInsO 2021, 1058; Epler/Petersen, Endlich Rechtssicherheit bei der Sanierung, Stbg 2019, 114; Fischer, Steuerrechtliche Implikationen des StaRUG, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 69; Förster/Hechtner, Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gemäß §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG, DB 2017, 1536; Frintrup, Die (uneffektive) Mehrwertsteuererhebung in der materiellen Insolvenz, ZIP 2020, 801; Frintrup, § 55 Abs. 4 InsO und die unionsrechtliche Pflicht zur effektiven Mehrwertsteuererhebung, ZIP 2019, 1101; Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021, 66; Günther, Änderungen der BOStB zum 1.8.2022 in Kraft getreten, NWB 2022, 2787; Haas, Der Gewinn aus der Restschuldbefreiung – eine Steuerfalle, DStR 2018, 2129; Hantzsch, Das Insolvenzgeschehen im Corona-Jahr, WPg 2021, 248; Heidrich/Steinicke, Die Idee des sog. Qualifizierten Rangrücktritts und die Fallstricke in der Praxis, SanB 2020, 16; Heinrich, Quo Vadis? – Die Insolvenzantragspflicht in Zeiten der COVID-19-Pandemie, NZI 2021, 71; Hey, Verlustrücktrag und Pandemie: Systematische Einordnung und weiterer Handlungsbedarf, DStR 2020, 2048; Hölzle, Die Sanierung des Insolvenzsteuerrechts – oder: Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen, ZIP 2020, 301; Hölzle/Schulenberg, Das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zu Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG)“ – Kommentar, ZIP 2020, 633; Jahn, Am 1.12.2022 entscheidet der Europäische Gerichtshof über mehr als 150 Milliarden selektiver „Staatshilfen“ für deutsche Unternehmen, ZInsO 2022, 2501; Jahn, Verzögerte Corona-Finanzhilfen und die Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht, NZI 2021, 75; Jarchow/Hölken, Das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz sowie weitere Maßnahmen des Gesetzgebers und der Bundesregierung zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, ZInsO 2020, 730; Kahlert, Erste und zweite Berichtigung von Umsatzsteuer und Vorsteuer im (vorläufigen) Insolvenzverfahren nach dem SanInsFoG, DStR 2021, 1505; Kahlert, Steuerliche Aspekte eines Restrukturierungsplans und eines Sanierungsvergleichs, WPg 2021, 867; Kahlert, Die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung in der Insolvenz – Eine kritische Bestandsaufnahme, DStR 2020, 1993; Kahlert, Restschuldbefreiung des Unternehmers von Steuerschulden nach der Richtlinie betreffend die zweite Chance, DStR 2019, 719; Kahlert/Schmidt, A., Die neue Steuerfreiheit des Sanierungsertrags – Fragen und Antworten, DStR 2017, 1897; Kellmann/Schulz, Debt Mezzanine Swap – bilanzsteuerlich präferierte Lösung zur Vermeidung der bilanziellen Überschuldung für Unternehmen in der Krise?, BB 2021, 1392; Möhlenbrock/Gragert, Reform der Besteuerung von Sanierungsgewinnen/-erträgen, FR 2017, 994; Müller/Reinke, Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in Zeiten der Corona-Pandemie, StuB 2021, 54; Pape, Temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der Corona-Krise – Gefahr

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

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der Ansteckung (noch) gesunder Unternehmen durch geschwächte Unternehmen, NWB 2020, 1053; Pape/Laroche/Grote, Drei Jahre Restschuldbefreiung für alle – der Gesetzgeber hat doch noch die Kurve gekriegt, ZInsO 2021, 57; Pföhler/Knappe, Going Concern in Corona-Zeiten, WPg 2021, 354; Piroth, Die umsatzsteuerliche Organschaft in der vorläufigen Eigenverwaltung nach dem SanInsFoG, MwStR 2021, 146; Poertzgen, Der Zweck heiligt die Mittel – ein Zwischenruf zum COVInsAG, ZInsO 2020, 825; Rennar, Vergütungsmodelle für die neuen Umsatzfelder des StaRUG, NWB-BB 2021, 166; Sämisch/Haug, Die volle Entschuldung nach der Restrukturierungsrichtlinie insbesondere in Bezug auf Masseverbindlichkeiten, ZInsO 2020, 580; Schmidt, A., Umsatzsteuer in der vorläufigen Eigenverwaltung – Auswirkungen des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes, DStR 2021, 693; Schmidt, A., Passivierung bei Rangrücktritt und Vermögenslosigkeit, DB 2021, 146; Schmittmann, Besteuerung der Umsätze und Einkünfte des Sanierungsmoderators und des Restrukturierungsbeauftragten, ZRI 2021, 705; Schmittmann, Umsatzsteuer in der Sanierungsmoderation, im Restrukturierungsverfahren und in der vorläufigen Eigenverwaltung, StuB 2021, 418; Schmittmann, Die Neufassung des § 55 Abs. 4 InsO und die Geschäftsleiterhaftung nach § 15b InsO: Wechselwirkung zwischen insolvenzrechtlicher und steuerrechtlicher Haftung, ZInsO 2021, 211; Schumann, Pflichtenkollision zwischen Steuerzahlungspflicht und Restrukturierungspflicht?, ZInsO 2021, 1309; Schumann, Die Besteuerung der Vergütungen des Restrukturierungsbeauftragten, NWB Sanieren 2021, 237; Schülke, Überwindung der Krise: Die Restrukturierung mit dem neuen StaRUG – ein Überblick, DStR 2021, 621; Theiselmann, Insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Aspekte der GF-Haftung in der Unternehmenskrise, GmbH-StB 2020, 112; Thole, Steuerliche Organschaft und Insolvenzanfechtung, ZIP 2019, 1353; Uhländer, Rückwirkender Ansatz des Sanierungsertrags aufgrund einer Restschuldbefreiung auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, DB 2022, 1923; Uhländer, USt-Recht 2022: Unternehmen in der (Corona-)Krise, Restrukturierung bzw. Insolvenz, DB 2022 1152; Uhländer, Aktuelle Aspekte im Bilanzsteuerrecht 2022 von Unternehmen in der (Corona-)Krise, Restrukturierung bzw. Insolvenz, DB 2022, 485; Uhländer, Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzsteuerrecht 2022, DB 2022, 18; Uhländer, BB-Kommentar: Zur Aufteilung der Einkommensteuer in der Insolvenz eines Ehegatten, BB 2021, 1376; Uhländer, Steuervollzug in der Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz, DB 2021, 1027; Uhländer, Weitere markante Rechtsänderungen im Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht 2021, DB 2021, 642; Uhländer, Markante Rechtsänderungen im Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht 2021, DB 2021, 16; Uhländer, Aktuelle Besteuerungsfragen im Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht 2020, DB 2020, 17; Uhländer, 100 Jahre Besteuerung von Mitunternehmern, DB 2019, 2373; Uhländer, Sanierungsgewinne: „Steuerbefreiung“ für Neufälle und auf Antrag für Altfälle, DB 2018, 2788; Uhländer, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen im „Stresstest“, DB 2018, 854; Uhländer, Aktuelle Entwicklungen im Besteuerungsverfahren bei (insolventen) Personengesellschaften, AO-StB 2018, 181; Uhländer, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen im Fokus der Gewaltenteilung, DB 2017, 2761; Uhländer, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen in laufenden Verfahren, DB 2017, 1224; Uhländer, Die Krise des Insolvenzsteuerrechts, DB 2017, 923; Wäger, Kongruente Umsatzbesteuerung im Insolvenzfall, DStR 2021, 825; Waza, Auswirkungen der umsatzsteuerlichen Steuersatzsenkung auf die Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung, BB 2020, 2007; Wengerofsky, Corona-Krise: Praxisfragen für die Änderung von bisherigen Ansatz- und Bewertungsmethoden im Jahresabschluss 2019, StuB 2020, 371; Weyand, Durchsetzung fällig gewordener Bußgelder und laufendes Insolvenzverfahren, ZInsO 2021, 1380; Wipperfürth, „Die Freigabe“ der selbstständigen Tätigkeit gem. § 35 II InsO im Lichte der Gesetzesänderungen, ZInsO 2021, 1148; Witfeld, Die Neufassung von § 55 Abs. 4 InsO durch das SanInsFoG, ZRI 2021, 173; Witfeld, Aktuelle Steuerrechtsfragen in Krise und Insolvenz, NZI 2021, 77; Wollring/ Passenker, Planbedingte Umsatzsteuerrisiken von Restrukturierungsverfahren und praktische Managementkonzepte, ZRI 2022, 308; Wulf, Coronavirus SARS-CoV-2: Auswirkungen auf die Rechnungslegung im Geschäftsjahr 2019 – Praxisbeispiele zu wichtigen Grundsätzen und Angaben im Anhang und Lagebericht, DStZ 2020, 351; Ziegenhagen, Auswirkungen der „Corona-Pandemie“ und erste Maßnahmen der Bundesregierung, ZInsO 2020, 689; Zwirner/Busch/Krauß, IDW-Hinweise zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung, DB 2020, 1241; Zwirner/ Vodermeier/Krauß, Handelsrechtliche Bilanzierung von Corona-Finanzhilfen, DStR 2021, 933.

I.

Verhältnis Restrukturierung – Steuerrecht

Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen 1 (StaRUG) enthält keine ausdrücklichen Regelungen zur Besteuerung von Unternehmen in der Restrukturierung. Nur in wenigen Normen spricht das StaRUG direkt steuerrechtliche Aspekte an (vgl. z. B. § 50 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG i. V. m. § 51 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Bezüge zur handelsrechtlichen Rechnungslegung und zur Buchführung enthält das StaRUG ebenfalls nur in wenigen Regelungen (vgl. z. B. § 50 Abs. 3 Nr. 3, § 59 Abs. 1 Nr. 4b, § 102 StaRUG). Auch der Steuergesetzgeber hat lediglich in § 251 Abs. 2 Satz 2 AO in der Fassung des

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Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes1) die Vollstreckung aus einem Restrukturierungsplan gemäß § 71 StaRUG aufgenommen.2) Die Wechselwirkungen zwischen dem Restrukturierungsverfahren und dem Steuerrecht sind daher mit Blick auf das formelle und materielle Besteuerungsverfahren im jeweiligen konkreten Sachzusammenhang zu würdigen.3) Von erheblicher Bedeutung ist zudem die „Enthaftung“4) gemäß § 15b Abs. 8 AO hinsichtlich des künftigen Anwendungsbereichs der steuerrechtlichen Haftung gemäß § 69 AO.5) 1.

Restrukturierung – Formelles Besteuerungsverfahren

1.1

Rechtsstellung des Restrukturierungsbeauftragten bzw. Sanierungsmoderators

2 Der von Amts wegen bestellte Restrukturierungsbeauftragte gemäß §§ 73 ff. StaRUG ist grundsätzlich kein Vermögensverwalter i. S. des § 34 Abs. 3 AO bzw. Verfügungsberechtigter i. S. des § 35 AO.6) Lediglich im Sonderfall des § 76 Abs. 2 Nr. 2b StaRUG kommt der Restrukturierungsbeauftragte als steuerrechtlicher „Entrichtungspflichtiger“ i. S. des § 34 Abs. 3 AO i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 2 AO in Betracht.7) Hiernach kann das Restrukturierungsgericht dem Restrukturierungsbeauftragten die Befugnis übertragen, von dem Schuldner zu verlangen, dass eingehende Gelder nur von dem Restrukturierungsbeauftragten entgegengenommen und Zahlungen nur von dem Restrukturierungsbeauftragten geleistet werden können. Falls gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG der Schuldner dem Restrukturierungsbeauftragten Zahlungen anzuzeigen hat und Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nur tätigen kann, wenn der Restrukturierungsbeauftragte zustimmt, wird auch hierdurch der Beauftragte kein steuerrechtlicher Vermögensverwalter i. S. des § 34 Abs. 3 AO oder Verfügungsberechtigter i. S. des § 35 AO.8) 3 Der Sanierungsmoderator gemäß §§ 94 ff. StaRUG vermittelt (lediglich) zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten (§ 96 Abs. 1 StaRUG). Eine steuerrechtliche Rechtsposition gemäß §§ 34, 35 AO erhält der Sanierungsmoderator daher nicht.9) ___________ 1) 2) 3)

4) 5) 6)

7) 8) 9)

Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG), v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259. Vgl. Begr. RegE AbzStEntModG, BT-Drucks. 19/27632, S. 87, sowie Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z. AbzStEntModG, BT-Drucks. 19/28925, S. 88. S. hierzu bereits Sonnleitner in: Sonnleitner/Witfeld, Insolvenz- und Sanierungssteuerrecht, S. 457 ff.; Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, S. 1081 ff.; Kahlert, Restrukturierungssteuerrecht, S. 48 ff.; Kahlert/Kayser/Bornemann, Perspektiven für eine kohärente und praxisgerechte Verzahnung von Steuerrecht und Insolvenzrecht, S. 183; Kahlert WPg 2021, 867; Kahlert, DStR 2019, 719; Fischer, NZI Beilage z. Heft 5/2021, S. 69; Eisolt/Wolters, ZInsO 2021, 1058; Witfeld, NZI 2021, 77; Schülke, DStR 2021, 621, 626; Gehrlein, BB 2021, 66, 79; Schmittmann, StuB 2021, 418; Schumann, ZInsO 2021, 1309; Sämisch/Haug, ZInsO 2020, 580; Uhländer, DB 2022, 1923; Uhländer, DB 2022, 1152; Uhländer, DB 2022, 485; Uhländer, DB 2022, 18; Uhländer, DB 2021, 16, 18; Uhländer, DB 2021, 1027; zu den Steuerfolgen der Sanierung durch einen Insolvenzplan vgl. umfassend Kahlert, HRI II, § 47 Rz. 192 ff. Vgl. Gehrlein, BB 2021, 66, 80. Zur analogen Anwendung des § 15b Abs. 8 InsO bei Verletzung der Abführungsverpflichtung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 266a StGB) vgl. Berberich, ZInsO 2021, 1313; m. E. erscheint dies fraglich, da eine planwidrige Regelungslücke dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte gemäß § 77 Abs. 1 StaRUG ist ebenfalls grundsätzlich kein steuerrechtlicher Vermögensverwalter i. S. des § 34 Abs. 3 AO bzw. Verfügungsberechtigter i. S. des § 35 AO. Etwaige zusätzliche Aufgaben des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten bestimmen sich nach § 77 Abs. 2 StaRUG i. V. m. § 76 StaRUG. Im Übrigen unterstützt der fakultative Beauftragte lediglich den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans (§ 79 StaRUG). Vgl. ausführlich Uhländer, DB 2021, 1027. So zutreffend bereits BFH v. 30.12.2004 – VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665; BFH v. 27.5.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 = ZIP 2009, 2255 – zum vergleichbaren Fall des vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt. Vgl. Uhländer, DB 2021, 1027, 1030.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan 1.2

§ 44

Festsetzung/Feststellung von Steueransprüchen in der Restrukturierung

Während eines Restrukturierungsverfahrens richtet sich die Festsetzung von Steueran- 4 sprüchen nach den allgemeinen Grundsätzen. Steuerpflichtiger ist, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat (§ 33 Abs. 1 AO). Steuerpflichtiger ist nicht, wer in fremden Steuersachen Auskunft zu erteilen, Urkunden vorzulegen, ein Sachverständigengutachten zu erstatten oder das Betreten von Grundstücken, Geschäfts- und Betriebsräumen zu gestatten hat (§ 33 Abs. 2 AO). Die restrukturierungsfähige Person i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG bleibt auch während 5 des Restrukturierungsverfahrens Inhaltsadressat von Steuerverwaltungsakten (§§ 122, 124 AO). Die Steuerfestsetzung erfolgt weiterhin durch Steuerbescheid (§§ 155, 157 AO) bzw. im Steueranmeldungsverfahren (§§ 167, 168 AO i. V. m. den Einzelsteuergesetzen).10) Für Restrukturierungsforderungen gelten insoweit keine Besonderheiten, da im Restrukturierungsverfahren keine eigenständige Vermögensmasse entsteht und dergestalt keine Unterbrechung des Besteuerungsverfahrens vergleichbar wie in einem Insolvenzverfahren stattfindet. Die Finanzbehörden haben die Steuern stets nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig fest- 6 zusetzen und zu erheben (§ 85 Satz 1 AO). Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (§ 85 Satz 2 AO). Die Finanzbehörde ermittelt dabei den Sachverhalt von Amts wegen (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO).11) Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 88 Abs. 1 Satz 2 AO).12) Art und Umfang der Ermittlungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit (§ 88 Abs. 2 Satz 1 AO). Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden (§ 88 Abs. 2 Satz 2 AO). Das Risikomanagement der Finanzverwaltung findet auch in Restrukturierungsund Insolvenzverfahren statt. Rechtsgrundlagen hierfür sind § 88 Abs. 5 AO i. V. m. § 249 Abs. 2 AO. Im Restrukturierungsverfahren ist die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrund- 7 lagen ebenso wie das Steuerfestsetzungsverfahren weiterhin uneingeschränkt durchzuführen (§ 157 Abs. 2 AO i. V. m. § 179 Abs. 1 AO). Gegenüber mehreren Beteiligten wird die gesonderte Feststellung gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2 AO einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist (vgl. z. B. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO) oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. Der Feststellungsbescheid richtet sich gegen den Steuerpflichtigen, dem der Gegenstand der Besteuerung zuzurechnen ist (§ 179 ___________ 10) Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 13 AO ist im Restrukturierungsverfahren nicht anwendbar, da die Norm die Anmeldung einer Steuer im Insolvenzverfahren voraussetzt. 11) Für das finanzgerichtliche Verfahren bestimmt § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO, dass das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat. Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt (§ 76 Abs. 4 FGO). Das FG ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO); es entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ermessensentscheidungen der Finanzbehörde sind nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar (§ 102 FGO i. V. m. § 5 AO). 12) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind (§ 89 Abs. 1 Satz 1 AO).

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10. Teil Steuerrecht

Abs. 2 Satz 1 AO). Die restrukturierungsfähige Person i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG bleibt während des Restrukturierungsverfahrens folgerichtig erklärungspflichtig i. S. des § 181 Abs. 2 AO. 8 Für die gesonderte Feststellung gelten die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Bekanntgabe von einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheiden bestimmt § 183 AO. Im Restrukturierungsverfahren ist insbesondere zu prüfen, ob eine Einzelbekanntgabe gemäß § 183 Abs. 2 Satz 1 AO zu erfolgen hat. Die Bekanntgabe gegenüber einem gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten gemäß § 183 Abs. 1 Satz 5 AO ist insoweit nicht möglich, als der Finanzbehörde bekannt ist, dass die Gesellschaft oder Gemeinschaft nicht mehr besteht, dass ein Beteiligter aus der Gesellschaft oder der Gemeinschaft ausgeschieden ist oder dass zwischen den Beteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. In den Fällen des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO ist wiederum § 183 Abs. 3 AO als Ausnahme zu § 183 Abs. 2 AO zu beachten. Für das Insolvenzverfahren bestimmt § 117 Abs. 1 InsO, dass eine vom Schuldner erteilte Vollmacht, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt. Eine vergleichbare Norm enthält das StaRUG für das Restrukturierungsverfahren rechtssystematisch zutreffend nicht. Die Bindungswirkung der Feststellungsbescheide für die Folgebescheide normiert § 182 Abs. 1 AO. 9 Die Änderung von Steuerbescheiden auf Grund von Grundlagenbescheiden ermöglicht § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.13) Ein Steuerbescheid kann bereits erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde (§ 155 Abs. 2 AO); in diesem Fall können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden (§ 162 Abs. 5 AO). Im Einspruchsverfahren gegen Feststellungsbescheide sind weitere verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten (vgl. z. B. §§ 351 Abs. 2, 352, 357 Abs. 2 Satz 2, 360 Abs. 3 AO). 1.3

Abgabe von Steuer- bzw. Feststellungserklärungen in der Restrukturierung

10 Steueransprüche der Finanzbehörden kommen als Restrukturierungsforderungen in Betracht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Ist im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt, wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen aus den in den Plan einbezogenen Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften befreit (§ 11 Satz 1 StaRUG). § 4 StaRUG enthält für Steueransprüche keine Ausnahme der Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan. Der Abgabe von Steuer- und Feststellungserklärungen kommt daher gerade in der Unternehmenskrise eine wichtige Bedeutung zu. § 50 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG und § 270a Abs. 2 Nr. 1 InsO bringen dies ebenfalls zum Ausdruck. Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) haben gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 StaRUG fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht (§ 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Auch mit Blick auf die Krisenfrüherkennung und das Krisenmanagement sowie ___________ 13) Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 10 AO ist zu beachten. Eine gesonderte Feststellung kann auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 1 AO); hierauf ist im Feststellungsbescheid hinzuweisen (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

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die Hinweis- und Warnpflichten i. R. der Abschlusserstellung gemäß § 102 StaRUG14) hat die sorgfältige Aufbereitung des Steuerschuldverhältnisses gegenüber der Finanzverwaltung und die ordnungsgemäße handelsrechtliche Rechnungslegung15) einen hohen Stellenwert für den Gesetzgeber. Von den gesetzlichen Vertretern einer Kapitalgesellschaft sind der Jahresabschluss und der 11 Lagebericht in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufstellen (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB). Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) brauchen den Lagebericht nicht aufstellen; sie dürfen den Jahresabschluss auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB).16) Die handelsrechtlichen Buchführungspflichten finden über § 140 AO auch für die Besteuerung Anwendung. Buchführungserleichterungen gemäß § 148 AO werden in der Unternehmenskrise von der Finanzverwaltung grundsätzlich nicht bewilligt.17) Die Abgabe der sog. E-Bilanz normiert § 5b EStG i. V. m. § 60 Abs. 2 EStDV. § 155 InsO bzw. § 55 Abs. 4 InsO18) sind im Restrukturierungsverfahren weder nach dem Wortlaut noch analog anwendbar. 1.4

Berichtigung von Steuer- bzw. Feststellungserklärungen in der Restrukturierung

Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von 12 ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen (§ 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Verpflichtung trifft auch den Gesamtrechtsnachfolger eines Steuerpflichtigen und die nach den §§ 34, 35 AO für den Gesamtrechtsnachfolger oder den Steuerpflichtigen handelnden Personen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 AO). Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren sind nicht gegenüber den Fi- 13 nanzbehörden zur Berichtigung von Steuererklärungen verpflichtet, da das StaRUG keine umfassende Rechtsstellung i. S. des §§ 34, 35 AO vermittelt. Auch die Sonderregelung des § 76 Abs. 2 Nr. 2b StaRUG für den Restrukturierungsbeauftragten führt nicht zu einer steuerrechtlichen Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen und hiermit korrespondierenden Berichtigungspflichten i. S. des § 153 AO, sondern nur zu einer „Steuerentrichtungspflicht“, die mit der Rechtsstellung eines Sachwalters i. S. des § 275 Abs. 2 InsO vergleichbar ist. Berichtigungspflichtig bleibt im Restrukturierungsverfahren der Restrukturierungsschuldner als Steuerpflichtiger. Es besteht i. Ü. keine Pflicht des Steuerpflichtigen,

___________ 14) Vgl. hierzu Müller/Reinke, StuB 2021, 54; Pföhler/Knappe, WPg 2021, 354; Deubert/Meyer/Bernhardt, Rechnungslegung in der Corona-Krise, S. 177; Uhländer, DB 2021, 1027, 1032. 15) Vgl. z. B. § 50 Abs. 3 Nr. 3 StaRUG, § 270a Abs. 2 Nr. 3 InsO, § 270b Abs. 2 Nr. 3 InsO. 16) Vgl. hierzu die Verlautbarung der BStK v. 13.4.2018 Rz. 76: „Bereits im Zuge der Auftragsannahme ist zu beachten, dass die Aufstellung des Jahresabschlusses bei Unternehmen, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden, innerhalb von 2 bis 3 Monaten nach dem Schluss des Geschäftsjahres zu erfolgen hat. Hat der Steuerberater Kenntnis von der wirtschaftlichen Krise des Auftraggebers, hat er die Erstellung des Jahresabschlusses in dem vorbenannten Zeitraum sicherzustellen. Zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken sind zumindest Bilanz und Inventar innerhalb der verkürzten Frist aufzustellen. Die Aufstellungsfristen nach den §§ 243 Abs. 3 HGB (für alle Kaufleute) bzw. 264 Abs. 1 Satz 4, 2. Halbs. HGB (für kleine Kapitalgesellschaften) sind insoweit unbeachtlich. Dies ist bei der zeitlichen Planung der Auftragsdurchführung zu berücksichtigen.“ 17) Vgl. Uhländer in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1007; zur handelsrechtlichen Bilanzierung von Corona-Finanzhilfen s. Zwirner/Vodermeier/Krauß, DStR 2021, 933. 18) Vgl. Uhländer, DB 2021, 1027, 1030; zust. Schuhmann, ZInsO 2021, 1309, 1310.

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das Finanzamt auf eigene Fehler sowie auf eine sich daraus ergebende Möglichkeit zur Änderung von Steuerbescheiden zulasten des Steuerpflichtigen hinzuweisen.19) 1.5

Mitwirkung bei Außenprüfungen/Nachschauen in der Restrukturierung

14 Im Restrukturierungsverfahren sind Außenprüfungen weiterhin zulässig (§§ 193 ff. AO). Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 196, 197 AO). Abgekürzte Außenprüfungen sind möglich (§ 203 AO). Die Mitwirkungspflichten richten sich gegen den Restrukturierungsschuldner. Die Außenprüfung hat die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind (Besteuerungsgrundlagen), zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen (§ 199 Abs. 1 AO). Der Steuerpflichtige ist während der Außenprüfung über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen zu unterrichten, wenn dadurch Zweck und Ablauf der Prüfung nicht beeinträchtigt werden (§ 199 Abs. 2 AO). 15 Zur Vorbereitung der Vollstreckung können die Finanzbehörden die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln (§ 249 Abs. 2 Satz 1 AO). Diese sog. Liquiditätsprüfungen sind keine Außenprüfungen i. S. der §§ 193 ff. AO. Umsatzsteuer-Nachschauen (§ 27b UStG)20), Kassen-Nachschauen (§ 146b AO)21) und Lohnsteuer-Nachschauen (§ 42g EStG)22) sind im Restrukturierungsverfahren unverändert möglich. 1.6

Steuererhebungsverfahren in der Restrukturierung

16 Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240 AO).23) Die Steueranmeldungen (§ 168 AO) stehen den Steuerbescheiden gleich (§ 218 Abs. 1 AO). ___________ 19) So zutreffend BFH v. 4.12.2012 – VIII R 50/10, BFHE 239, 495 = BB 2013, 1124: „Wer eine fehlerfreie Steuererklärung abgegeben hat, begeht keine Steuerhinterziehung, wenn er in einem Folgejahr einen vom Finanzamt zu Unrecht bestandskräftig festgestellten Verlustvortrag geltend macht. Hat das Finanzamt die erforderlichen Informationen durch die Steuererklärung erhalten, scheidet die Annahme einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus, weil der Steuerpflichtige nicht verpflichtet ist, Fehler des Finanzamts richtig zu stellen.“ 20) Wenn die bei der Umsatzsteuer-Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung (§ 196 AO) zu einer Außenprüfung nach § 193 AO übergegangen werden (§ 27b Abs. 3 Satz 1 UStG). Auf den Übergang zur Außenprüfung wird schriftlich hingewiesen (§ 27b Abs. 3 Satz 2 UStG). 21) Wenn die bei der Kassen-Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer Außenprüfung nach § 193 AO übergegangen werden (§ 146b Abs. 3 Satz 1 AO). Auf den Übergang zur Außenprüfung wird schriftlich hingewiesen (§ 146b Abs. 3 Satz 2 AO). 22) Wenn die bei der Lohnsteuer-Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung (§ 196 AO) zu einer Lohnsteuer-Außenprüfung nach § 42f EStG übergegangen werden (§ 42g Abs. 4 Satz 1 EStG). Auf den Übergang zur Außenprüfung wird schriftlich hingewiesen (§ 42g Abs. 4 Satz 2 EStG). 23) Es entstehen keine Säumniszuschläge, wenn aufgrund einer Anfechtung des Insolvenzverwalters Steuern, die bis zum Ablauf des Fälligkeitstages vom Insolvenzschuldner gezahlt wurden, zurückgewährt werden (BFH v. 22.11.2017 – XI R 14/16, BFHE 260, 300 = ZIP 2018, 1091). Bei Steuerfälligkeiten, die in insolvenzreife Zeit fallen, bleibt das Steuerschuldverhältnis selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt gemäß § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt (BFH v. 22.11.2017 – XI R 14/16, BFHE 260, 300 = ZIP 2018, 1091). Säumniszuschläge entstehen dagegen gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kraft Gesetzes (BFH v. 17.9.2019 – VII R 31/18, BFHE 266, 113 = ZIP 2020, 427).

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche i. S. des Absatz 1 betreffen, 17 entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 Satz 1 AO).24) Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch i. S. des § 37 Abs. 2 AO betrifft (§ 218 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Aufrechnung im Steuerrecht normiert § 226 AO unter Verweis auf §§ 387 ff. BGB. 18 Die insolvenzrechtlichen Regelungen der §§ 94 bis 96 InsO finden im Restrukturierungsverfahren noch keine Anwendung. Für die Aufrechnung im Insolvenzverfahren konnte der BFH eine Vielzahl von Streitfragen25) für die Besteuerungspraxis lösen:  Restschuldbefreiung erlangt der Insolvenzschuldner nicht mit dem Ablauf der sog. Wohlverhaltensphase, sondern erst mit dem die Restschuldbefreiung erteilenden Beschluss des Insolvenzgerichts. Solange dieser aussteht, kann das FA gegen einen Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners die Aufrechnung mit Steuerforderungen erklären.26)  Lohnsteuererstattungsansprüche sind kein „Arbeitseinkommen“. Ein Anspruch auf Erstattung von Lohnsteuer, auch wenn er durch eine steuerpflichtige Tätigkeit des Schuldners während des Insolvenzverfahrens begründet worden ist, gehört daher nicht zum insolvenzfreien Vermögen und kann vom Finanzamt nicht mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden des Insolvenzschuldners verrechnet werden.27)  Ein Anspruch auf Erstattung von Lohnsteuer ist kein Arbeitseinkommen i. S. von § 850 ZPO. Es besteht deshalb kein Pfändungsverbot und Aufrechnungsverbot, selbst wenn das betreffende Arbeitseinkommen unter den Pfändungsgrenzen gelegen haben sollte.28)  Wird eine selbständige Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, ist ein Einkommensteuererstattungsanspruch, der auf Vorauszahlungen beruht, die erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der freigegebenen Tätigkeit berechnet worden sind, nicht i. S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzmasse geschuldet.29)  Die Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG unterliegt weder den Beschränkungen der Insolvenzaufrechnung noch denen der Insolvenzanfechtung.30)  Im Verhältnis zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist die im Festsetzungsverfahren vorgenommene Steuerfestsetzung für das Erhebungsverfahren vorgreiflich. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sind gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 AO Steuerbescheide und Steuervergütungsbescheide. Daher ist im Verfahren über einen Abrechnungsbescheid z. B. nicht über das materiell-rechtliche Bestehen der Gegenforderung des Finanzamts zu entscheiden, da dies Gegenstand des Festsetzungsverfahrens und des dieses Verfahren betreffenden Rechtsbehelfs ist.31) ___________ 24) Für den Erlass eines Abrechnungsbescheids ist die Finanzbehörde zuständig, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, um dessen Verwirklichung gestritten wird, festgesetzt hat. Nachträgliche Änderungen der die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung begründenden Umstände – wie z. B. ein Wohnsitzwechsel des Steuerpflichtigen – führen nicht zu einem Wechsel jener Zuständigkeit (BFH v. 12.7.2011 – VII R 69/10, BFHE 234, 114 = DB 2011, 2075). 25) Zur rechtsgrundsätzlichen Kritik an der BFH-Rechtsprechung s. Kahlert, DStR 2020, 1993; zur Kompetenz der Finanzbehörde bei Insolvenzanfechtung im Drei-Personen-Verhältnis einen Abrechnungsbescheid zu erlassen vgl. FG Düsseldorf v. 11.11.2020 – 4 K 1109/19 Z, ZIP 2021, 863. 26) BFH v. 7.1.2010 – VII B 118/09, BFH/NV 2010, 950. 27) BFH v. 29.1.2010 – VII B 188/09, NZI 2010, 11. 28) BFH v. 29.1.2010 – VII B 192/09, BFH/NV 2010, 1856 = ZVI 2010, 393. 29) BFH v. 26.11.2014 – VII R 32/13, ZIP 2015, 532. 30) BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, BFHE 235, 137 = ZIP 2011, 2481. Die Herstellung einer Aufrechnungslage durch Rechtshandlungen ist ihrerseits eine Rechtshandlung und selbständig anfechtbar (BFH v. 18.2.2020 – VII R 39/18, ZIP 2020, 1822). 31) BFH v. 8.3.2012 – V R 24/11, BFHE 236, 274 = ZIP 2012, 684; s. zudem BFH v. 25.7.2012 – VII R 56/09, BFH/NV 2013, 603.

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Der Rechtsgrund für eine Erstattung von Umsatzsteuer wird auch dann im insolvenzrechtlichen Sinne bereits mit der Leistung der entsprechenden Vorauszahlungen gelegt, wenn diese im Fall einer nicht erkannten Organschaft zunächst gegen die Organgesellschaft festgesetzt und von dieser auch entrichtet worden sind.32)



Die Verrechnung von Insolvenzforderungen des Finanzamts mit einem aus der Honorarzahlung an einen vorläufigen Insolvenzverwalter resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners ist, sofern bei Erbringung der Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters die Voraussetzungen des § 130 InsO oder des § 131 InsO vorgelegen haben, unzulässig.33)



Hinsichtlich des Vorsteuervergütungsanspruchs aus der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters hat das Finanzamt das insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu beachten. Der Insolvenzverwalter kann dieses Aufrechnungsverbot analog § 146 Abs. 1 InsO i. V. m. §§ 195 ff. BGB nur innerhalb einer dreijährigen Verjährungsfrist durchsetzen. Die Verjährungsfrist beginnt frühestens mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem der Vorsteuervergütungsanspruch steuerrechtlich entstanden ist.34)



Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist entscheidend, wann der materiellrechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird. Nicht entscheidend ist, wann die zu berichtigende Steuerforderung begründet worden ist.35)



Eine Verrechnung der Haftungsschuld des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Eigentümers von Gegenständen (§ 74 AO) mit einem diesem zustehenden Steuerguthaben ist unwirksam.36)



Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht nach Einstellung des Insolvenzverfahrens nicht mehr. Das FA kann gegen eine abgetretene Forderung der Insolvenzmasse unter den Voraussetzungen des § 406 BGB auch gegenüber dem neuen Gläubiger die Aufrechnung erklären.37)



Einer Aufrechnung des Finanzamtes gegen den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens während eines vor dem 31.12.2006 eröffneten Insolvenzverfahrens steht das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.38)



Nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren sind die während der Masseunzulänglichkeit geltenden Aufrechnungsverbote nicht mehr anzuwenden.39)

___________ 32) BFH v. 15.10.2019 – VII R 31/17, ZIP 2020, 524. Ob ein Insolvenzgläubiger hinsichtlich § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, bestimmt sich nach der Rspr. des VII. Senats danach, ob der Tatbestand, der den betreffenden Anspruch begründet, nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Entscheidend ist, ob sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erfüllt waren (BFH v. 15.10.2019 – VII R 31/17, Rz. 18, ZIP 2020, 524). Die (verfahrensrechtliche) Festsetzung des Erstattungsanspruchs und ebenso dessen Änderung oder Aufhebung sind für den Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Entstehung nicht maßgeblich (BFH v. 15.10.2019 – VII R 31/17, Rz. 21, ZIP 2020, 524). Das Verhältnis von (unerkannter) umsatzsteuerlicher Organschaft und Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO erörtert instruktiv Thole, ZIP 2019, 1353. 33) BFH v. 2.11.2010 – VII R 62/10, BFHE 232, 290 = ZIP 2011, 730. 34) BFH v. 5.5.2015 – VII R 37/13, BFHE 249, 418 = ZIP 2015, 1598. 35) BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BFHE 238, 307 = ZIP 2011, 1930. 36) BFH v. 28.1.2014 – VII R 34/12, BB 2014, 1429. 37) BFH v. 13.12.2016 – VII R 1/15, ZIP 2017, 934. 38) BFH v. 23.2.2011 – I R 20/10, BFHE 233, 114 = ZIP 2011, 1116; vgl. auch BFH v. 23.2.2011 – I R 38/10, BFH/NV 2011, 1298. 39) BFH v. 17.9.2019 – VII R 31/18, BFHE 266, 113 = ZIP 2020, 427.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

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Steuerschulden, die als Masseverbindlichkeiten entstanden sind, können nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnet werden. Der Verrechnung stehen eine dem Insolvenzverfahren immanente sog. Haftungsbeschränkung bzw. eine Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners nicht entgegen.40) Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung in § 231 AO nimmt bislang noch nicht 19 ausdrücklich auf das Restrukturierungsverfahren Bezug. Die analoge Anwendung des § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AO auf den Restrukturierungsplan erscheint sachgerecht. Die Erweiterung des § 251 Abs. 2 Satz 2 AO auf die Vollstreckung aufgrund des Restrukturierungsplans gemäß § 71 StaRUG hätte eine folgerichtige Klarstellung für die Unterbrechung der Zahlungsverjährung zur Folge haben müssen. Die Stundung von Steueransprüchen normiert § 222 AO, wenn die Einziehung bei Fällig- 20 keit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden (§ 222 Satz 2 AO). Steueransprüche gegen den Steuerschuldner können nicht gestundet werden, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat (§ 222 Satz 3 AO). Die Stundung des Haftungsanspruchs gegen den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, soweit er Steuerabzugsbeträge einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat (§ 222 Satz 4 AO). Das BMF-Schreiben v. 18.3.202141) ermöglicht eine Stundung im vereinfachten Verfahren 21 zur Berücksichtigung der Auswirkungen durch das Coronavirus: 

„1.1 Die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen können bis zum 30. Juni 2021 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Stundung der bis zum 30. Juni 2021 fälligen Steuern stellen. Die Stundungen sind längstens bis zum 30. September 2021 zu gewähren. § 222 Satz 3 und 4 AO bleibt unberührt. 1.2 In den Fällen der Ziffer 1.1 können über den 30. September 2021 hinaus Anschlussstundungen für die bis zum 30. Juni 2021 fälligen Steuern im Zusammenhang mit einer angemessenen, längstens bis zum 31. Dezember 2021 dauernden Ratenzahlungsvereinbarung gewährt werden. 1.3 Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für (Anschluss-)Stundungen nach den Ziffern 1.1 und 1.2 sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Die Anträge sind nicht deshalb abzulehnen, weil die Steuerpflichtigen die entstandenen Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können. 1.4 Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann in den vorgenannten Fällen verzichtet werden.“ Der Steuererlass richtet sich gemäß § 227 AO nach der Unbilligkeit der Einziehung im 22 Einzelfall.42) Besondere Erleichterungen aufgrund der Corona-Krise bestehen nicht.43) Im ___________ 40) BFH v. 28.11.2017 – VII R 1/16, BFHE 260, 26 = ZIP 2018, 593. 41) BMF-Schreiben v. 18.3.2021 – IV A 3 – S 0336/20/10001 :037, BStBl. I 2021, 337. 42) Beantragt der Steuerschuldner währen der insolvenzrechtlichen Wohlverhaltensphase einen Erlass der restlichen Steuern aus persönlichen Billigkeitsgründen (schlechte wirtschaftliche Lage und daraus angeblich resultierende Gesundheitsprobleme), so kann es den daraufhin gewährten Erlass nach § 130 AO zurücknehmen, wenn sich herausstellt, dass der Steuerschuldner im Zeitpunkt des Erlassantrages einen Lottogewinn in Millionenhöhe verschwiegen hat (BFH v. 9.3.2016 – V B 82/15, BFH/NV 2016, 897). 43) Vgl. FAQ Corona-Steuern, Stand 20.10.2022, abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/2020-04-01-FAQ_Corona_Steuern_Anlage.pdf;jsessionid=5283CA7A5E0011B8271F7F11CBDFB38A.delivery1-master?__blob=publicationFile&v=2 (Abrufdatum: 11.12.2022); vgl. hinsichtlich der Voraussetzungen für eine steuerliche Billigkeitsmaßnahme zur „Berücksichtigung der gestiegenen Energiekosten als Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine“, BMF-Schreiben v. 5.10.2022 – IV A 3 – S 0336/22/10004 :001; BStBl. I 2022, 1402: „Die Finanzämter schöpfen den ihnen hierbei zu Verfügung stehenden Ermessensspielraum verantwortungsvoll aus.“

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Lichte der Entscheidung des Großen Senats44) zum Sanierungserlass45) als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung werden allgemeine Verwaltungsanweisungen zum Steuererlass sehr restriktiv gehandhabt. Für die Entscheidung über einen Einigungsversuch zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) hat das BMF im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wichtige Kriterien im BMF-Schreiben v. 27.1.202146) veröffentlicht, die auch hinsichtlich der Mitwirkung der Finanzbehörden bei einem Restrukturierungsplan eine wichtige Auslegungshilfe ermöglichen: „2. Verfahren Die außergerichtliche Schuldenbereinigung erfolgt im Wege von freigestalteten Verhandlungen auf der Grundlage eines vorzulegenden Planes. Als Rechtsgrundlage für einen Verzicht auf Abgabenforderungen kann jedoch nur das Abgabenrecht unter Einbeziehung der Zielsetzung der Insolvenzordnung herangezogen werden (BFH, Urt. v. 26.10.2011, VII R 50/10). Die Frage, ob die Finanzbehörde einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zustimmen kann, ist deshalb nach den gesetzlichen Bestimmungen der AO über die abweichende Festsetzung (§ 163 AO), die Stundung (§ 222 AO), den Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) sowie den Erlass (§ 227 AO) zu beurteilen. Zu den Gesichtspunkten, die in die Ermessenserwägungen einzubeziehen sind, gehört im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren zusätzlich die Zielsetzung der Insolvenzordnung, redlichen Schuldnern unter Einbeziehung sämtlicher Gläubiger eine Schuldenbereinigung als Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Sachliche Billigkeitsgründe werden vom außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren nicht berührt und sind daher vorab zu berücksichtigen. Da nach den Intentionen des Gesetzgebers für einen Verzicht nur persönliche Billigkeitsgründe in Betracht kommen, setzt eine Maßnahme nach §§ 163, 227 AO voraus, dass der Schuldner erlassbedürftig und -würdig ist. Die Auslegung des Begriffs „persönliche Unbilligkeit“ hat sich hierbei an der Zielsetzung der Insolvenzordnung zu orientieren. Wegen der angestrebten Schuldenbereinigung unter Beteiligung sämtlicher Gläubiger ist bei der Anwendung der §§ 163, 227 AO im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren zu beachten, dass der Begriff „persönliche Unbilligkeit“ in diesem Verfahren anders als in anderen Billigkeitsverfahren nach der AO definiert ist. Das bedeutet, dass die Rechtsprechung zu §§ 163, 227 AO insoweit nicht uneingeschränkt angewendet werden kann. Bei der Zustimmung oder Ablehnung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanes durch die Finanzbehörde handelt es sich um einen Verwaltungsakt. […]“47) 1.7

Vollstreckungsverfahren in der Restrukturierung

23 Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken (§ 249 Abs. 1 Satz 1 AO). Dies gilt auch für Steueranmeldungen i. S. des § 168 AO (§ 249 Abs. 1 Satz 2 AO). Im Vollstreckungsverfahren gilt die Körperschaft als Gläubigerin der zu ___________ 44) BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BFHE 255, 482 = ZIP 2017, 338. 45) BMF-Schreiben v. 27.3.2003 – IV A 6 – S 2140 8/03, BStBl. I 2003, 240; ergänzt BMF-Schreiben v. 22.12.2009 – IV C 6 – S 2140/07/10001-01, BStBl. I 2010, 18. 46) BMF-Schreiben v. 27.1.2021 – IV A 3 – S 0550/20/10008 :001, BStBl. I 2021, 152; vgl. zudem BMFSchreiben v. 2.11.2021 – IV A 3 – S 0336/20/10004 :001, BStBl. I 2021, 2153: „Die Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen ist nicht einzuholen, wenn […] einem Restrukturierungsplan oder außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zugestimmt werden soll […]“. 47) Nach Ansicht des BFH begründet selbst ein unmittelbar drohender Widerruf der Rechtsanwaltszulassung nicht die Erlassbedürftigkeit, da angesichts der Verpflichtung des Abgabenschuldners, größtmögliche Anstrengungen zur Begleichung der Schulden zu unternehmen, selbst Tätigkeiten ohne juristische Qualifikationsanforderungen zumutbar sind (BFH v. 26.10.2011 – VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552). Als Rechtsgrundlage für einen vor dem Finanzgericht einklagbaren Anspruch auf Beteiligung des Finanzamts an einem Schuldenbereinigungsverfahren komme allein § 227 AO in Betracht.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

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vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde angehört (§ 252 AO). Vollstreckungsschuldner ist derjenige, gegen den sich ein Vollstreckungsverfahren nach § 249 AO richtet (§ 253 AO). Im Restrukturierungsverfahren ist dies die restrukturierungsfähige Person i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG als Steuerschuldner. Verwaltungsakte können gemäß § 251 Abs. 1 Satz 1 AO vollstreckt werden, soweit nicht 24 ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361 AO; § 69 FGO). Die Vollstreckung darf erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO). Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden 25 (§ 254 Abs. 1 Satz 2 AO). Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein (§ 254 Abs. 1 Satz 3 AO). Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht (§ 254 Abs. 1 Satz 4 AO). Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden (§ 254 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden (§ 254 Abs. 2 Satz 2 AO). Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen (§ 254 Abs. 2 Satz 3 AO). Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entfällt nach 26 der Rechtsprechung des BFH48) erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dies gelte auch für den Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) und gleichzeitiger Untersagung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Anders könne es allenfalls dann sein, wenn darüber hinaus auch die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen einstweilig eingestellt werde (§ 30d Abs. 4 ZVG). Unberührt bleiben die Vorschriften der InsO (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO). Eine Anpassung 27 an das StaRUG erfolgte insoweit nicht im § 251 Abs. 2 Satz 1 AO. § 251 Abs. 2 Satz 2 AO enthält lediglich eine Klarstellung hinsichtlich des § 71 StaRUG. Hiernach ist die Finanzbehörde berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 InsO sowie des § 71 StaRUG gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Voll- 28 streckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen (§ 256 AO). Die Vollstreckung ist gemäß § 257 Abs. 1 AO einzustellen oder zu beschränken, sobald 

die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO weggefallen sind,



der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird,



der Anspruch auf die Leistung erloschen ist,



die Leistung gestundet worden ist.

In den Fällen des § 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO sind bereits getroffene Vollstreckungs- 29 maßnahmen aufzuheben (§ 257 Abs. 2 Satz 1 AO). Ist der Verwaltungsakt durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden, so gilt dies nur, soweit die Entscheidung unanfechtbar geworden ist und nicht auf Grund der Entscheidung ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen ist (§ 257 Abs. 2 Satz 2 AO). Im Übrigen bleiben die Vollstreckungsmaßnahmen ___________ 48) BFH v. 1.8.2012 – V B 59/11.

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bestehen, soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet worden ist (§ 257 Abs. 2 Satz 3 AO). Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben (§ 258 AO). 30 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis dürfen gemäß § 261 AO niedergeschlagen werden, wenn zu erwarten ist, dass die Erhebung keinen Erfolg haben wird oder die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem zu erhebenden Betrag stehen werden. 31 Zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf Vollstreckungsmaßnahmen hat die Finanzverwaltung im FAQ Corona-Steuern49) wie folgt Stellung genommen: „Bei von der Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen soll bei bis zum 30. Juni 2021 fälligen Forderungen (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Lohnsteuer und Umsatzsteuer) auf Antrag hin längstens bis zum 30. September 2021 von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden (Vollstreckungsaufschub im vereinfachten Verfahren). Der Antrag ist beim Finanzamt bis zum 30. Juni 2021 zu stellen. […] Eine Verlängerung dieser Maßnahme bis zum 31. Dezember 2021 ist nur bei Vereinbarung einer angemessenen, längstens bis zum 31. Dezember 2021 dauernden Ratenzahlungsvereinbarung möglich. In den betroffenen Vollstreckungsfällen können außerdem die zwischen dem 19. März 2020 und dem 30. September 2021 beziehungsweise bei Ratenzahlung längstens dem 31. Dezember 2021 kraft Gesetzesverwirkten Säumniszuschläge nach Beendigung des Vollstreckungsaufschubs erlassen werden. Vollstreckungsaufschübe für Steuern, die erst nach dem 30. Juni 2021 fällig werden, sind nur im sonst üblichen Antragsverfahren möglich, unter Erbringung der erforderlichen Nachweise, insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen. Insolvenzanträge, die von den Finanzbehörden bereits vor Beginn der Corona-Krise gestellt wurden, werden nur in begründeten Ausnahmefällen zurückgenommen beziehungsweise für erledigt erklärt, da davon auszugehen ist, dass der Insolvenzgrund bereits vor Ausbruch der Corona-Krise vorgelegen hat.“ 32 Das BMF-Schreiben v. 18.3.202150) ermöglicht auch einen Vollstreckungsaufschub im vereinfachten Verfahren zur Berücksichtigung der Auswirkungen durch das Coronavirus: „2.1 Wird dem Finanzamt bis zum 30. Juni 2021 aufgrund einer Mitteilung des Vollstreckungsschuldners bekannt, dass der Vollstreckungsschuldner nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen ist, soll bis zum 30. September 2021 von Vollstreckungsmaßnahmen bei bis zum 30. Juni 2021 fällig gewordenen Steuern abgesehen werden. In diesen Fällen sind die im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. September 2021 entstandenen Säumniszuschläge grundsätzlich zu erlassen. 2.2 Bei Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung ist in den Fällen der Ziffer 2.1 eine Verlängerung des Vollstreckungsaufschubs für die bis zum 30. Juni 2021 fälligen Steuern längstens bis zum 31. Dezember 2021 einschließlich des Erlasses der bis dahin insoweit entstandenen Säumniszuschläge möglich. ___________ 49) Vgl. FAQ Corona-Steuern, Stand: 31.1.2022, abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/2020-04-01-FAQ_Corona_Steuern_Anlage.pdf;jsessionid=5283CA7A5E0011B8271F7F11CBDFB38A.delivery1-master?__blob=publicationFile&v=2 (Abrufdatum: 14.2.2023). Im FAQ Corona-Steuern, Stand: 20.10.2022, lautet es nunmehr lediglich: „Vollstreckungsaufschübe sind im üblichen Antragsverfahren unter Erbringung der erforderlichen Nachweise, insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, möglich.“, abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/2020-04-01-FAQ_Corona_Steuern _Anlage.pdf;jsessionid=5283CA7A5E0011B8271F7F11CBDFB38A.delivery1-master?__blob=publicationFile&v=2 (Abrufdatum: 11.12.2022). 50) BMF-Schreiben v. 18.3.2021 – IV A 3 – S 0336/20/10001 :037, BStBl. I 2021, 337; aktualisiert und verlängert durch BMF-Schreiben v. 7.12.2021 – IV A 3 – S 0336/20/10001 :045, BStBl. I 2021, 2228, sowie durch BMF-Schreiben v. 31.1.2022 – IV A 3 – S 0336/20/10001 :047, BStBl. I 2022, 132.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

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2.3 Die Finanzämter können den Erlass der Säumniszuschläge durch Allgemeinverfügung (§ 118 Satz 2 AO) regeln.“ Zu den wichtigsten „Restrukturierungshilfen“ in der Restrukturierung gehören der Restrukturierungsplan und die Stabilisierungsanordnungen. Ist im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt, wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen aus den in den Plan einbezogenen Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften befreit (§ 11 Satz 1 StaRUG). Der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans legt fest, wie die Rechtsstellung der Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteilsoder Mitgliedschaftsrechte (Planbetroffenen) durch den Plan geändert werden soll (§ 7 Abs. 1 StaRUG). Soweit Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften gestaltet werden, ist zu bestimmen, um welchen Bruchteil diese gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert und welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen (§ 7 Abs. 2 StaRUG).51) Für den Sanierungsvergleich enthalten §§ 94 ff. StaRUG keine vergleichbaren ausdrücklichen Regelungen. Zu den Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens gehört gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG auch die gerichtliche Anordnung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung). Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können grundsätzlich von jedem insolvenzfähigen Schuldner in Anspruch genommen werden (§ 30 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Für natürliche Personen gilt dies nur, soweit sie unternehmerisch tätig sind (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, ordnet das Restrukturierungsgericht gemäß § 49 Abs. 1 StaRUG auf Antrag des Schuldners an, dass  Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagt oder einstweilen eingestellt werden (Vollstreckungssperre) und  Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, von dem Gläubiger nicht durchgesetzt werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (Verwertungssperre). Auch Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) sind gemäß § 50 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG im Antrag des Schuldners explizit erklärungspflichtig. Die Stabilisierungsanordnung ergeht nur, wenn die von dem Schuldner vorlegten Restrukturierungspläne vollständig und schlüssig sind und keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Erklärung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruhen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Sind Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber den Finanzbehörden bestehen, erfolgt die Stabilisierungsanordnung nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergemeinschaft auszurichten (§ 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StaRUG).52) Das Restrukturierungsgericht hebt gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 4b StaRUG die Stabilisierungsanordnung auf, wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner nicht bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten, insbesondere weil die Rechnungslegung und Buchführung des Schuldners so unvollständig oder mangelhaft sind, ___________ 51) Zu den Wirkungen des bestätigten Restrukturierungsplans vgl. §§ 67 ff. StaRUG sowie § 90 StaRUG. 52) Vgl. § 53 StaRUG zum zeitlichen Umfang der Anordnungsdauer und § 54 StaRUG zu den Folgen einer Verwertungssperre.

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dass sie eine Beurteilung der Restrukturierungsplanung, insbesondere des Finanzplans, nicht ermöglichen. 37 Das Verfahren über den Antrag eines Gläubigers, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, wird für die Anordnungsdauer ausgesetzt (§ 58 StaRUG); dies gilt auch für Insolvenzanträge der Finanzbehörden.53) Der Insolvenzantrag eines Finanzamts ist unzulässig, wenn dessen Forderung zweifelsfrei vollständig dinglich gesichert ist.54) Verfügt der Steuerschuldner über mit Grundpfandrechten belasteten Grundbesitz, so ist der Insolvenzantrag unzulässig, wenn dem Steuerschuldner pfändbare Rückgewähransprüche zustehen, deren Werthaltigkeit nachgewiesen ist.55) Der vom Finanzamt gegen den säumigen Steuerschuldner gestellte Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt keinen Verwaltungsakt dar, so dass vorläufiger Rechtsschutz nach § 114 FGO erlangt werden kann.56) 38 Eine mit dem Schuldner getroffene Ratenzahlungsvereinbarung muss vor der Einleitung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen nicht förmlich widerrufen werden, wenn der Schuldner mit den Zahlungen in Rückstand gerät, der Antrag auf Reduzierung der Ratenhöhe abgelehnt worden ist und Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO abgelehnt wird.57) Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist rechtsmissbräuchlich, wenn er lediglich mit dem Ziel der Existenzvernichtung des Schuldners gestellt wird.58) 39 Sind Personen Gesamtschuldner, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen59) veranlagt worden sind, so kann jeder von ihnen beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO bei einer Aufteilung der Steuern ergibt (§ 268 AO). Der Antrag ist bei dem im Zeitpunkt der Antragstellung für die Besteuerung nach dem Einkommen oder dem Vermögen zuständigen Finanzamt schriftlich oder elektronisch zu stellen oder zur Niederschrift zu erklären (§ 269 Abs. 1 AO). Der Antrag kann frühestens nach Bekanntgabe des

___________ 53) Zum finanzgerichtlichen Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts s. z. B. BFH v. 26.2.2010 – VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122; BFH v. 16.9.2010 – VII B 281/09, BFH/NV 2011, 309; BFH v. 25.2.2011 – VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1071 = DZWIR 2011, 322; BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724; BFH v. 12.8.2011 – VII B 159/10, BFH/NV 2011, 2104; BFH v. 31.8.2011 – VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; BFH v. 1.9.2015 – VII B 178/14, BFH/NV 2015, 1667 = DZWIR 2016, 19; sowie Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rz. 22; Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 25. Ein Insolvenzantrag, den das FA unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner aufgrund bestandskräftiger Steuerbescheide gegebenen Rechtsstellung oder aus sachfremden Erwägungen stellt, ist nach Ansicht des VII. Senats des BFH ermessensfehlerhaft. Ein solcher Antrag wäre insbesondere unzulässig, wenn für das FA von vornherein feststehen würde, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist (BFH v. 8.5.2013 – VII B 36/13, BFH/NV 2013, 1267). 54) BFH v. 16.9.2010 – VII B 281/09, BFH/NV 2011, 309. 55) BFH v. 16.9.2010 – VII B 281/09, BFH/NV 2011, 309. 56) BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724. 57) BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724. 58) BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724. 59) § 44 AO i. V. m. §§ 26 Abs. 1, 26 Abs. 2 Satz 2, 26b EStG; verfahrensrechtlich ergeht ein sog. zusammengefasster Steuerbescheid gemäß § 155 Abs. 3 AO. Eine vereinfachte Bekanntgabe ist gemäß § 122 Abs. 7 AO möglich.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

Leistungsgebots60) gestellt werden (§ 269 Abs. 2 Satz 1 AO). Nach vollständiger Tilgung der rückständigen Steuer ist der Antrag nicht mehr zulässig (§ 269 Abs. 2 Satz 2 AO).61) Der Antrag muss alle Angaben enthalten, die zur Aufteilung der Steuer erforderlich sind, soweit sich diese Angaben nicht aus der Steuererklärung ergeben (§ 269 Abs. 2 Satz 3 AO). Die rückständige Steuer ist nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei Ein- 40 zelveranlagung nach Maßgabe des § 26a EStG und der §§ 271 bis 276 AO ergeben würden (§ 270 Satz 1 AO).62) Dabei sind die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen maßgebend, die der Steuerfestsetzung bei der Zusammenveranlagung zugrunde gelegt worden sind, soweit nicht die Anwendung der Vorschriften über die Einzelveranlagung zu Abweichungen führt (§ 270 Satz 2 AO).63) Solange nicht über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung unanfechtbar entschieden ist, dürfen Vollstreckungsmaßnahmen nur soweit durchgeführt werden, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist (§ 277 AO). Nach der Aufteilung darf die Vollstreckung nur nach Maßgabe der auf die einzelnen Schuldner entfallenden Beträge durchgeführt werden (§ 278 Abs. 1 AO). Werden einem Steuerschuldner von einer mit ihm zusammen veranlagten Person in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet, so kann der Empfänger bis zum Ablauf des zehnten Kalenderjahres nach dem Zeitpunkt des Ergehens des Aufteilungsbescheids über den sich nach § 278 Abs. 1 AO ergebenden Betrag hinaus bis zur Höhe des gemeinen Werts dieser Zuwendung für die Steuer

___________ 60) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO). Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden (§ 254 Abs. 1 Satz 2 AO). Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein (§ 254 Abs. 1 Satz 3 AO). Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden (§ 254 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden (§ 254 Abs. 2 Satz 2 AO). Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen (§ 254 Abs. 2 Satz 3 AO). 61) Sobald das Leistungsgebot bekannt gegeben worden ist und solange die Steuerschuld noch nicht vollständig getilgt ist, kann der Gesamtschuldner, der eine Erstattung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen gemäß § 276 Abs. 6 Satz 2 AO begehrt, regelmäßig den Erlass eines Aufteilungsbescheids verlangen (BFH v. 2.10.2018 – VII R 17/17, BFH/NV 2019, 4). Ein zulässiger Antrag wird durch spätere Aufrechnung oder Verrechnung gegenüber dem anderen Gesamtschuldner nicht unzulässig (BFH v. 2.10.2018 – VII R 17/17, BFH/NV 2019, 4). 62) Die Aufteilung einer Steuerschuld berührt weder den Einkommensteuerbescheid noch die Gesamtschuldnerschaft der zusammen veranlagten Ehegatten (BFH v. 3.11.2010 – X S 28/10, BFH/NV 2011, 203). Die Steuerschuld wird auch nicht in Teilschulden in der Weise aufgeteilt, dass nachträglich getrennte Veranlagungen durchgeführt und Teilsteuern festgesetzt werden (BFH v. 3.11.2010 – X S 28/10, BFH/NV 2011, 203). Vielmehr wird allein für Zwecke der Vollstreckung eine fiktive getrennte Veranlagung durchgeführt und so erreicht, dass jeder Gesamtschuldner nur noch mit dem Steuerbetrag in Anspruch genommen wird, der seinem Anteil am zusammen veranlagten Einkommen entspricht (BFH v. 3.11.2010 – X S 28/10, BFH/NV 2011, 203). 63) Von einem nach Einleitung der Vollstreckung gestellten Aufteilungsantrag der Gesamtschuldner wird die im Zeitpunkt der Einleitung der Vollstreckung geschuldete Steuer erfasst (BFH v. 28.9.2010 – VII B 155/10, BFH/NV 2011, 4). Der Aufteilungsbescheid hat keine über diesen Zeitpunkt hinausgehende Rückwirkung in der Weise, dass vor diesem Zeitpunkt auf die Gesamtschuld geleistete Zahlungen eines Gesamtschuldners, soweit sie den auf ihn entfallenden Aufteilungsbetrag übersteigen, als ohne Rechtsgrund erbracht anzusehen und zu erstatten sind (BFH v. 28.9.2010 – VII B 155/10, BFH/NV 2011, 4).

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10. Teil Steuerrecht

in Anspruch genommen werden (§ 278 Abs. 2 Satz 1 AO).64) Dies gilt nicht für gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke (§ 278 Abs. 2 Satz 2 AO). 41 Über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung ist nach Einleitung der Vollstreckung durch schriftlich oder elektronisch zu erteilenden Aufteilungsbescheid gegenüber den Beteiligten einheitlich zu entscheiden (§ 279 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine Entscheidung ist jedoch nicht erforderlich, wenn keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen oder bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen wieder aufgehoben werden (§ 279 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Aufteilungsbescheid hat die Höhe der auf jeden Gesamtschuldner entfallenden anteiligen Steuer zu enthalten; ihm ist eine Belehrung beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist (§ 279 Abs. 2 Satz 1 AO). Er soll ferner gemäß § 279 Abs. 2 Satz 2 AO enthalten: 

die Höhe der aufzuteilenden Steuer,



den für die Berechnung der rückständigen Steuer maßgebenden Zeitpunkt,



die Höhe der Besteuerungsgrundlagen, die den einzelnen Gesamtschuldnern zugerechnet worden sind, wenn von den Angaben der Gesamtschuldner abgewichen ist,



die Höhe der bei Einzelveranlagung (§ 270 AO) auf den einzelnen Gesamtschuldner entfallenden Steuer,



die Beträge, die auf die aufgeteilte Steuer des Gesamtschuldners anzurechnen sind. Die Änderungsmöglichkeiten des Aufteilungsbescheids normiert § 280 Abs. 1 AO. Nach Beendigung der Vollstreckung ist eine Änderung des Aufteilungsbescheids oder seine Berichtigung nach § 129 AO nicht mehr zulässig (§ 280 Abs. 2 AO).

1.8

Steuerstrafverfahren in der Restrukturierung

42 Steuerstraftaten sind Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind (§ 369 Abs. 1 Nr. 1 AO).65) Für Steuerstraftaten gelten die allgemeinen Gesetze über das Strafrecht, soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen (§ 369 Abs. 2 AO). ___________ 64) Die Zahlung der laufenden Kosten des von Ehegatten gemeinsam bewohnten Hauses durch den Alleinverdiener-Ehegatten stellt auch dann keine unentgeltliche Zuwendung i. S. des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO an den anderen Ehegatten dar, wenn das Haus im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht (BFH v. 17.12.2019 – VII R 18/17, NJW 2020, 1904). Ist der Alleinverdiener-Ehegatte zivilrechtlich verpflichtet, die Zins- und Tilgungsleistungen für das gemeinsam aufgenommene Darlehen vollständig zu begleichen, kommt es mangels Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu einer für eine Zuwendung erforderlichen Vermögensverlagerung (BFH v. 17.12.2019 – VII R 18/17, NJW 2020, 1904). Zahlt der Alleinverdiener-Ehegatte die übrigen laufenden Unterhaltskosten für das im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehende Haus, so handelt es sich um Unterhaltsleistungen nach §§ 1360, 1360a BGB (BFH v. 17.12.2019 – VII R 18/17, NJW 2020, 1904). Über die zunächst als Anfechtungsklage gegen einen Duldungsbescheid erhobene, dem Finanzrechtsweg zugewiesene Klage hat auch nach Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter das Finanzgericht zu entscheiden (BFH v. 10.11.2020 – VII R 8/19, BFH/NV 2021, 1091 = ZRI 2021, 728; im Streitfall erging ein Aufteilungsbescheid gemäß § 268 AO; der Insolvenzschuldner konnte diese Steuernachforderungen nicht bedienen; das Finanzamt erließ gemäß § 4 AnfG i. V. m. § 191 Abs. 1 AO einen Duldungsbescheid). Das Finanzgericht ist für die Entscheidung über den Rechtsstreit auch zuständig, soweit die Leistungsklage aufgrund einer Klageerweiterung nach § 17 Abs. 2 AnfG betragsmäßig über den Inhalt der bisherigen Duldungsbescheide hinausgeht (BFH v. 10.11.2020 – VII R 8/19, BFH/NV 2021, 1091 = ZRI 2021, 728). 65) Steuerordnungswidrigkeiten (Zollordnungswidrigkeiten) sind Zuwiderhandlungen, die nach diesem Gesetz oder den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können (§ 377 Abs. 1 AO). Für Steuerordnungswidrigkeiten gelten die Vorschriften des Ersten Teils des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, soweit die Bußgeldvorschriften dieses Gesetzes oder der Steuergesetze nichts anderes bestimmen (§ 377 Abs. 2 AO). Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht (§ 378 Abs. 1 AO). Die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten nach den §§ 378 bis 380 AO verjährt in fünf Jahren (§ 384 AO).

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer den Finanz- 43 behörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.66) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht 44 rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden (§ 370 Abs. 4 Satz 2 AO). Diese Voraussetzungen sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO; sog. steuerstrafrechtliches Kompensationsverbot). Der Restrukturierungsbeauftragte ist kein Vermögensverwalter i. S. des § 34 Abs. 3 AO 45 und daher nicht zur Berichtigung von Steuererklärungen des Schuldners gemäß § 153 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verpflichtet.67) Auch der Sanierungsmoderator unterfällt nicht § 153 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.68) Berichtigungspflichtig i. S. des § 153 Abs. 1 AO bleibt daher auch im Restrukturierungsverfahren weiterhin der Schuldner als Steuerpflichtiger. Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang 46 die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft (§ 371 Abs. 1 Satz 1 AO).69) Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen (§ 371 Abs. 1 Satz 2 AO).70) Sind Steuerverkürzungen ___________ 66) Der Versuch ist strafbar (§ 370 Abs. 2 AO). In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO). In den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre (§ 376 Abs. 1 AO). 67) Vgl. Uhländer, DB 2021, 1027, 1031; zust. Duda/Schmittmann, Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz, S. 25 Rz. 129. 68) Vgl. Uhländer, DB 2021, 1027, 1031; zust. Duda/Schmittmann, Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz, S. 26 Rz. 136. 69) Vgl. grundlegend zur Selbstanzeige in der Krise Frintrup, Die Selbstanzeige in der Insolvenz, S. 67 ff., S. 112 ff.; zur Durchsetzung fällig gewordener Bußgelder in laufenden Insolvenzverfahren s. Weyand, ZInsO 2021, 1380. 70) Bei Vorliegend der Ausschlussgründe i. S. des § 371 Abs. 2 AO tritt keine Straffreiheit ein. § 398a AO ist in den Fällen des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 AO zu prüfen. Eine etwaige Selbstanzeige wirkt zur im Steuerstrafverfahren. Die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO im Besteuerungsverfahren von zehn Jahren bei einer Steuerhinterziehung ist auch nach einer wirksamen Selbstanzeige anzuwenden. In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist (§ 171 Abs. 7 AO). Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371, 378 Abs. 3 AO, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige (§ 171 Abs. 9 AO). Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; § 171 Abs. 4 Satz 2 AO gilt sinngemäß (§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 AO gilt sinngemäß (§ 171 Abs. 5 Satz 2 AO).

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10. Teil Steuerrecht

bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und die Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet (§ 371 Abs. 3 Satz 1 AO).71) In den Fällen des § 370 Abs. 2a Satz 1 AO gilt dies mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a AO oder § 235 AO unerheblich ist (§ 371 Abs. 3 Satz 2 AO).72) 2.

Restrukturierung – Materielles Besteuerungsverfahren

2.1

Einkommensteuer in der Restrukturierung

2.1.1 Passivierung von Verbindlichkeiten in der Restrukturierung 47 Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 238 Abs. 1 Satz 3 HGB). Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB). 48 Der Jahresabschluss ist vom Kaufmann unter Angabe des Datums zu unterzeichnen (§ 245 Satz 1 HGB). Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). In der Bilanz sind das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern (§ 247 Abs. 1 HGB). Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB).73) Unter der Bilanz sind, sofern sie nicht auf der Passivseite auszuweisen sind, Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln, aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften und aus Gewährleistungsverträgen sowie Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten zu vermerken; sie dürfen in einem Betrag angegeben werden (§ 251 Satz 1 HGB). Haftungsverhältnisse sind auch anzugeben, wenn ihnen gleichwertige Rückgriffsforderungen gegenüberstehen (§ 251 Satz 2 HGB). 49 Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlussstichtag einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu be___________ 71) Zur Anfechtung von Steuernachzahlungen i. S. des § 371 Abs. 3 AO vgl. dezidiert Frintrup, Die Selbstanzeige in der Insolvenz, S. 123 ff. 72) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet (§ 378 Abs. 3 Satz 1 AO). 73) Steuerbilanziell dürfen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht gebildet werden (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG).

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rücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Verbindlichkeiten sind zu ihrem Erfüllungsbetrag und Rückstellungen i. H. des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Steuerrechtlich ist bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften ver- 50 pflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, i. R. der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).74) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG). Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären (§ 5 Abs. 7 Satz 1 EStG).75) Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß (§ 5 Abs. 7 Satz 2 EStG). Verbindlichkeiten waren bislang unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der § 6 51 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG a. F.). Ausgenommen von der Abzinsung waren Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate betrug, und Verbindlichkeiten, die verzinslich waren oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG a. F.). § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. d. F. des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes v. 19.6.2022, BGBl. I 2022, 911, normiert erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2022 enden (§ 52 Abs. 12 Satz 2 EStG), dass Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen sind und schafft damit die steuerrechtliche Abzinsungsverpflichtung ab. Auf Antrag kann § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG n. F. auch für frühere Wirtschaftsjahre angewendet werden (§ 52 Abs. 12 Satz 3 EStG). Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne 52 anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind (§ 5 Abs. 2a EStG). Diese Norm ist bei der Passivierung von Verbindlichkeiten mit einer Rangrücktrittserklärung nach der Rechtsprechung des BFH im Hinblick auf die konkrete Vereinbarung zu prüfen.76) Eine Verbindlichkeit, die nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden ___________ 74) Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG). 75) § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden (§ 5 Abs. 7 Satz 3 EStG). 76) Zur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung einer verbindlichen Auskunft (§ 89 AO) in diesem Zusammenhang vgl. BFH v. 5.2.2014 – I R 34/12, BB 2014, 1318: Eine verbindliche Auskunft könne gerichtlich nur darauf hin überprüft werden, ob die Behörde den zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend erfasst habe und ob dessen rechtliche Einordnung in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft sei. Für die Ermittlung des Abwicklungsendvermögens einer GmbH seien die sich nach den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes ergebenden Werte anzusetzen. Die Rechtsauffassung, in der Liquidationsschlussbilanz sei eine verbliebene Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter mangels wirtschaftlicher Belastung nicht zu passivieren, sei nicht evident rechtsfehlerhaft.

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braucht, kann mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden.77) Eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, unterliegt danach dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG.78) 53 Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus „sonstigem freien Vermögen“ vorsieht, löst nach zutreffender Rechtsprechung des BFH selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird.79) 54 Keine wirtschaftliche Belastung stellt eine Verbindlichkeit dar, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss.80) Für diese Annahme genügt es indes nicht, dass der Schuldner überschuldet ist.81) § 5 Abs. 2a EStG stellt nicht darauf ab, ob freies Vermögen zum maßgeblichen Bilanzstichtag bereits vorhanden ist oder künftig geschaffen werden kann.82) Ein steuerrechtliches Passivierungsverbot ist erst dann zu bejahen, wenn der Rangrücktritt nach Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG in dem Sinne spezifiziert wird, dass die hiervon betroffenen Verpflichtungen nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, und deshalb – so die Rechtsfolge der Vorschrift – deren Passivierung daran gebunden ist, dass die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.83) ___________ 77) BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, BFHE 235, 476 = ZIP 2012, 570 (unter welchen Voraussetzungen eine Verpflichtung, die nur im Liquidationsfall zu erfüllen ist, in der Steuerbilanz auszuweisen ist, bedurfte im Streitfall keiner Entscheidung). Erlässt ein Gläubiger eine Verbindlichkeit mit der Maßgabe, dass die Forderung wieder aufleben soll, wenn künftige Jahresüberschüsse oder ein Liquidationsüberschuss erzielt werden, sei die durch einen solchen Besserungsschein begründete Leistungspflicht beim Schuldner zunächst nicht als Verbindlichkeit zu passivieren. Die Verpflichtung stelle noch keine wirtschaftliche Last dar. Dies gelte nicht nur insoweit, als die Verbindlichkeit aus künftigen Gewinnen bedient werden müsse, sondern auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung aus einem Liquidationsüberschuss. 78) BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFHE 249, 493 = ZIP 2015, 1386. Beruhe der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn auf dem Gesellschaftsverhältnis, sei er durch den Ansatz einer Einlage i. H. des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren. Der I. Senat hält in einem Folgeurteil daran fest, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG unterliegt und der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn, sofern er auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht, durch den Ansatz einer Einlage i. H. des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren ist (BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, BFHE 256, 409 = ZIP 2017, 818). Zur Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf ihren Gesellschafter s. BFH v. 9.4.2019 – X R 23/16, ZIP 2019, 1956; zur Bewertung von Gesellschafterforderungen für Zwecke der Erbschaftsteuer vgl. BFH v. 28.9.2016 – II R 64/14, BFHE 255, 90 = BB 2016, 2965. 79) BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, NZG 2021, 389; vgl. hierzu Schmidt, DB 2021, 146, der auch auf die aktuellen insolvenzrechtlichen Anforderungen nach Maßgabe des BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 = ZIP 2015, 187, Bezug nimmt; zu den Gestaltungsmöglichkeiten durch den Rangrücktritt und den Auswirkungen auf die Bilanzierung sowie Zahlungsunfähigkeit s. instruktiv Heidrich/ Steinicke, SanB 2020, 16. 80) BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, NZG 2021, 389. 81) BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, NZG 2021, 389. 82) BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, NZG 2021, 389. Aus den Gesetzesmaterialien sei jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber in den Regelungsbereich des § 5 Abs. 2a EStG auch Verbindlichkeiten einbeziehen wollte, die nach der getroffenen Rangrücktrittsabrede zwar auch aus sonstigem Vermögen getilgt werden müssten, jedoch infolge des wirtschaftlichen Unvermögens des Schuldners gegenwärtig nicht bedient werden könnten. 83) BFH v. 19.8.2020 – XI R 32/18, NZG 2021, 389.

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Auch in der Insolvenz eines Unternehmens ist eine Verbindlichkeit erst beim tatsächlichen 55 Erlöschen der Schuld auszubuchen.84) In Bezug auf den Insolvenzplan ist nach der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass mit der Rechtskraft der Bestätigung eines solchen Planes nach § 254 Abs. 1 InsO die in dessen gestaltendem Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten eintreten und fortan die allein maßgebliche Grundlage für die gesamte Vermögens- und Haftungsabwicklung der Insolvenzplan bilden.85) Der Schuldner wird nach § 227 Abs. 1 InsO mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern frei.86) Dies führt nicht zu einem Erlöschen der Steuerforderungen i. S. des § 47 AO, berührt also nicht deren Bestand als solchen, sondern nur deren Durchsetzbarkeit.87) Bei dem Anspruch des Finanzamts auf Besteuerung des Sanierungsgewinns aus dem In- 56 solvenzplan handelt es sich nicht um eine Insolvenzforderung, die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle anzumelden wäre.88) Nach dieser Maßgabe folgt für Restrukturierungsverfahren, dass betriebliche Verbindlichkeiten erst mit den rechtsverbindlichen Wirkungen eines Restrukturierungsplans bzw. eines Sanierungsvergleichs nicht mehr zu passivieren sind.89) Die Finanzverwaltung90) ist für Insolvenzverfahren ebenfalls der Ansicht, dass die grund- 57 sätzlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften des Handels- und Steuerrechts weiterhin unverändert anzuwenden sind: „Da die Insolvenzgläubiger ihre restlichen Forderungen auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch geltend machen können (§ 201 Abs. 1 InsO), ist insoweit eine wirtschaftliche Belastung des Schuldners auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterhin anzunehmen. Ob Verbindlichkeiten einer nach der Auflösung (vgl. § 60 GmbHG, § 262 AktG) in der Liquidation befindlichen Kapitalgesellschaft bei der Bewertung des Abwicklungsendvermögens weiterhin mit dem Nennwert zu erfassen sind oder ausnahmsweise außer Ansatz bleiben, weil sie definitiv keine wirtschaftliche Belastung (mehr) darstellen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 5.2.2014, I R 34/12, BFH/NV 2014 S. 1014). Allein in der Beantragung oder Zustimmung des Gläubigers zur Liquidation einer Tochterkapitalgesellschaft ist kein konkludenter Forderungsverzicht zu sehen. Es ist unverändert von einer wirtschaftlichen Belastung durch die Verbindlichkeit beim Schuldner auszugehen. Diese entfällt erst, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr geltend machen wird. Das tatsächliche Erlöschen der Schuld im Rahmen des Insolvenzverfahrens ist gewinnwirksam. Daher kann eine erfolgswirksame Minderung der Verbindlichkeiten erfolgen, 

wenn ein Gläubiger wirksam auf seine Forderung verzichtet. (Hinweis: bei einem gesellschaftsrechtlich veranlassten Verzicht wird regelmäßig in Höhe des noch werthaltigen Teils der Forderung eine verdeckte Einlage anzunehmen sein, vgl. auch BMF vom 2.12.2003, IV A 2 – S 2743 – 5/03, BStBl. 2003 I S. 648)



soweit nach rechtskräftiger Bestätigung des keine abweichenden Regelungen enthaltenden Insolvenzplanes durch das Gericht die Forderungen nachrangiger Gläubiger erlöschen bzw. eine Befreiung gegenüber nicht nachrangigen Gläubigern im gestaltenden Teil des Insolvenzplanes vorgesehen ist. […]

___________ 84) 85) 86) 87) 88) 89)

So folgerichtig BFH v. 15.11.2018 – XI B 49/18, ZIP 2019, 427. BFH v. 15.11.2018 – XI B 49/18, ZIP 2019, 427. BFH v. 15.11.2018 – XI B 49/18, ZIP 2019, 427. BFH v. 15.11.2018 – XI B 49/18, ZIP 2019, 427. BFH v. 15.11.2018 – XI B 49/18, ZIP 2019, 427. Zu den steuerrechtlichen Folgen der entsprechenden Sanierungserträge s. Rz. 148 ff.; zu den bilanzsteuerrechtlichen Folgen des Debt Mezzanine Swap s. Kellmann/Schulz, BB 2021, 1392. 90) OFD NRW, Kurzinformation ESt Nr. 46/2014 (Stand 22.9.2017).

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Ein Buchgewinn, der aufgrund der Erteilung einer Restschuldbefreiung entsteht, ist grundsätzlich im Jahr der Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses zu erfassen. Wurde der Betrieb jedoch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben, liegt ein in das Jahr der Betriebsaufgabe zurückwirkendes Ereignis vor (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2016, X R 4/15, BStBl. 2017 II S. 786). […].“91) 58 Für Restrukturierungsverfahren wird die Finanzverwaltung diese Sichtweise ebenfalls übernehmen müssen, da die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Gleichbehandlung des „Wegfalls“ von Verbindlichkeiten aufgrund eines Insolvenzplans und eines Restrukturierungsplans bzw. Sanierungsvergleichs erfordert. 2.1.2 Behandlung von Restrukturierungskosten (§ 3c Abs. 4 EStG) 59 Restrukturierungskosten im betrieblichen Bereich sind Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG.92) Falls die Aufwendungen mit steuerfreien Sanierungserträgen i. S. des § 3a Abs. 1 EStG beim „Wegfall“ von betrieblichen Verbindlichkeiten aufgrund eines Restrukturierungsplans bzw. Sanierungsvergleichs in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, ist § 3c Abs. 4 EStG zu prüfen.93) 60 Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien Sanierungsertrag i. S. des § 3a EStG in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, dürfen gemäß § 3c Abs. 4 Satz 1 EStG unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum der Sanierungsertrag entsteht, nicht abgezogen werden.94) Dies gilt nicht, soweit Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben zur Erhöhung von Verlustvorträgen geführt haben, die nach Maßgabe der in § 3a Abs. 3 EStG getroffenen Regelungen entfallen (§ 3c Abs. 4 Satz 2 EStG). Zu den Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben i. S. des § 3c Abs. 4 Satz 1 EStG gehören auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Besserungsschein und vergleichbare Aufwendungen (§ 3c Abs. 4 Satz 3 EStG). § 3c Abs. 4 Satz 1 EStG gilt für Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die nach dem Sanierungsjahr entstehen, nur insoweit, als noch ein verbleibender Sanierungsertrag i. S. von § 3a Abs. 3 Satz 4 vorhanden ist (§ 3c Abs. 4 Satz 4 EStG). 61 Wurden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben i. S. des § 3c Abs. 4 Satz 1 EStG bereits bei einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 AO gewinnmindernd berücksichtigt, ist der entsprechende Steuer- oder Fest___________ 91) Die steuerrechtlichen Folgen der Betriebsaufgabe während der Restrukturierung werden unten, s. Rz. 63 ff., behandelt. Zum Gewinn aus einer Restschuldbefreiung als „Steuerfalle“ vgl. auch Haas, DStR 2018, 2129. 92) Eine restriktive Auffassung vertritt Roth zur Berücksichtigung von Insolvenzverfahrenskosten bei natürlichen Personen (Roth, Insolvenzsteuerrecht, S. 491, Rz. 4.310). Hiernach sind die mit einer Insolvenzverwaltung als „Reorganisation der Gesamtverbindlichkeiten“ verbundenen Kosten insgesamt der Privatsphäre und nicht der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen. Dieser Einschätzung kann in der Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Wenn ein Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahren die Veräußerung von Betriebsvermögen betrifft, sind die anteiligen Aufwendungen betrieblich veranlasst. Die Tilgung von privaten Verbindlichkeiten aus dem Veräußerungserlös von Betriebsvermögen ist für die Abzugsfähigkeit der jeweiligen Veräußerungskosten unschädlich (vgl. Uhländer in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 511, Rz. 999). 93) Zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters vgl. umfassend Waza in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 971 ff., Rz. 2096 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 223; zu den Vergütungsmodellen für den Restrukturierungsbeauftragten und den Sanierungsmoderator s. Rennar, NWB-BB 2021, 166, sowie zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen Schmittmann, StuB 2021, 418; Schmittmann, ZRI 2021, 705, und Wollring/Passecker, ZRI 2022, 308; vgl. zudem nachfolgend unter Rz. 152. 94) Zur Abzugsfähigkeit von Sanierungskosten im Anwendungsbereich des § 3c Abs. 4 EStG vgl. Eilers/ Schwahn, Sanierungssteuerrecht, S. 31, Rz. 2.72 – 2.78; Hölzle, ZIP 2020, 301, 308; Eilers/Tiemann, Ubg 2020, 190, 193; Maschlanka in: Heyd/Kautenburger-Behr/Wind, Bilanzierung und Besteuerung in Krise und Insolvenz, S. 214, Rz. 788 – 793; Epler/Petersen, Stbg 2019, 114, 116; Förster/Hechtner, DB 2017, 1536, 1543; Möhlenbrock/Gragert, FR 2017, 994, 997; Desens, FR 2017, 981, 984; zur Anwendung des § 3a EStG beim Debt Equity Swap vgl. Kahlert/A. Schmidt, DStR 2017, 1897, 1900.

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stellungsbescheid insoweit zu ändern (§ 3c Abs. 4 Satz 5 EStG). Das gilt auch dann, wenn der Steuer- oder Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist (§ 3c Abs. 4 Satz 6 EStG). Die Gesetzesbegründung95) rechtfertigt die Abzugsbeschränkung des § 3c Abs. 4 EStG 62 wie folgt: „Stehen Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem Sanierungsgewinn, dürfen sie nicht abgezogen werden. Betriebsvermögensminderungen und Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Sanierungsgewinn stehen, sind insbesondere Zahlungen auf Besserungsscheine und Sanierungskosten. Zu den Sanierungskosten zählen dabei alle Aufwendungen, die unmittelbar der Erlangung von Sanierungsbeiträgen der Gläubiger dienen (z. B. Kosten für den Sanierungsplan und die Sanierungsberatung). Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufwendungen tatsächlich zu einer entsprechenden Betriebsvermögensmehrung führen. Die entsprechenden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben dürfen unabhängig davon, ob sie vor, nach oder im Jahr der Entstehung des Sanierungsgewinns anfallen, nicht abgezogen werden. Sind die Aufwendungen bereits in einem der Sanierung vorangegangenen Veranlagungszeitraum steuermindernd abgezogen worden, ist der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid zu ändern. Soweit kein verbleibender Sanierungsertrag mehr vorhanden ist, sind die Kosten über die Ausnahmeregelung in Satz 4 jedoch abzugsfähig. Zudem enthält § 3c Absatz 4 EStG noch eine eigenständige Änderungsnorm, nach der bislang aufgrund der Nichtberücksichtigung des Betriebsausgabenabzugsverbots fehlerhafte Steuerbescheide geändert werden können.“ 2.1.3 Betriebsaufgabe von Einzelunternehmen in der Restrukturierung Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können grundsätzlich 63 von jedem insolvenzfähigen Schuldner in Anspruch genommen werden (§ 30 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Für natürliche Personen gilt dies nur, soweit sie unternehmerisch tätig sind (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ruht gemäß § 42 Abs. 1 StaRUG die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15 InsO bzw. § 42 Abs. 2 BGB. Das Verfahren über den Antrag eines Gläubigers, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen, wird für die Anordnungsdauer ausgesetzt (§ 58 StaRUG). Wird vor vollständiger Erfüllung des Restrukturierungsplans über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet, so ist die Stundung oder der Erlass im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans einbezogener Restrukturierungsforderungen für alle Gläubiger hinfällig (§ 69 Abs. 2 StaRUG). Allein die Stellung eines Insolvenzantrags bewirkt noch keine Betriebsaufgabe i. S des § 16 64 Abs. 3 Satz 1 EStG.96) Eine Betriebsaufgabe beginnt nach der Rechtsprechung des BFH mit der ersten vom Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist, wie z. B. der Einstellung der produktiven Tätigkeit oder der Veräußerung bestimmter, für die Fortführung des Betriebs unerlässlicher Wirtschaftsgüter.97) Der Abgabe einer Aufgabeerklärung bedarf es – anders als im Fall der Betriebsverpachtung im Ganzen – nicht.98) Der Beginn der Betriebsaufgabe setzt nicht die Veräußerung ___________ 95) Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z. Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, BT-Drucks. 18/12128, S. 34. 96) BFH v. 1.10.2015 – X B 71/15, ZIP 2016, 225; zutreffend stellt der X. Senat des BFH klar, dass der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO nichts daran ändert, dass eine betriebliche Tätigkeit einkommensteuerrechtlich weiterhin dem Schuldner zuzurechnen ist. 97) BFH v. 9.12.2014 – X R 12/12, BFHE 253, 482 = ZIP 2013, 790; s. zudem BFH v. 15.6.2011 – IV B 143/09, BFH/NV 2011, 1694. 98) BFH v. 9.12.2014 – X R 12/12, BFHE 253, 482 = ZIP 2013, 790.

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oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen voraus. Vielmehr markiert auch die Veräußerung beweglichen (sonstigen) Anlagevermögens den Beginn der Betriebsaufgabe, wenn der Steuerpflichtige dadurch für den Gesamtbetrieb den Willen bekundet, die gewerbliche Tätigkeit endgültig einzustellen.99) 65 Eine Betriebsaufgabe ist beendet, wenn die letzte wesentliche Betriebsgrundlage veräußert oder in das Privatvermögen überführt worden ist. Für die Gewinnverwirklichung i. R. einer Betriebsaufgabe ist dabei nach Ansicht des X. Senats nicht der Beginn der Betriebsaufgabe, sondern der Zeitpunkt des einzelnen Aufgabeteilakts relevant, so dass der Betriebsaufgabegewinn in verschiedenen Veranlagungszeiträumen entstehen kann.100) Ebenso kann ein Aufgabegewinn teils vor, teils nach der Insolvenzeröffnung entstanden sein. 66 Ein Buchgewinn, der aufgrund der Erteilung einer Restschuldbefreiung entsteht, ist grundsätzlich im Jahr der Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses zu erfassen.101) Wurde der Betrieb vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben, liegt allerdings ein in das Jahr der Aufstellung der Aufgabebilanz zurückwirkendes Ereignis i. S des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.102) Die nicht erfüllten Forderungen werden ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts, mit dem die Restschuldbefreiung erteilt wird (§ 300 InsO), in unvollkommene Verbindlichkeiten (sog. Naturalobligationen) umgewandelt, deren Erfüllung von da ab – d. h. ex nunc – freiwillig möglich ist, jedoch nicht erzwungen werden kann.103) Wirtschaftlich betrachtet stellen Verbindlichkeiten nach der Restschuldbefreiung keine Belastung mehr dar.104) Die Erteilung einer Restschuldbefreiung führt dazu, dass sich die Werthaltigkeit der betrieblichen Verbindlichkeiten ändert. Diese Änderung entfaltet steuerliche Rückwirkung. Dem muss durch eine Änderung der Steuerfestsetzung im Jahr der Aufstellung der Aufgabebilanz Rechnung getragen werden.105) Die Festsetzungsfrist beginnt insoweit mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO; sog. Anlaufhemmung). Die Steuerbefreiung der Sanierungserträge gemäß § 3a Abs. 5 EStG ist zu beachten.106) 67 Die Ermittlung der Einkünfte aus der Betriebsaufgabe bestimmt sich gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 und 7 EStG i. V. m. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG i. V. m. § 6 Abs. 2 EStDV.107) Für Einkünfte aus selbständiger Arbeit gilt § 16 Abs. 3 EStG entsprechend (§ 18 Abs. 3 Satz 2 EStG).108) Die Sonderregelungen der Realteilung sind zu beachten (§ 16 Abs. 3 Satz 2 bis 5 ___________ 99) 100) 101) 102) 103) 104) 105) 106)

BFH v. 9.12.2014 – X R 12/12, BFHE 253, 482 = ZIP 2013, 790. BFH v. 9.12.2014 – X R 12/12, BFHE 253, 482 = ZIP 2013, 790. BFH v. 13.12.2016 – X R 4/15, BFHE 256, 392 = ZIP 2017, 1767. BFH v. 13.12.2016 – X R 4/15, BFHE 256, 392 = ZIP 2017, 1767. BFH v. 13.12.2016 – X R 4/15, BFHE 256, 392 = ZIP 2017, 1767. BFH v. 13.12.2016 – X R 4/15, BFHE 256, 392 = ZIP 2017, 1767. BFH v. 13.12.2016 – X R 4/15, BFHE 256, 392 = ZIP 2017, 1767. Vgl. Uhländer, DB 2022, 1923; Uhländer, DB 2022, 485; Uhländer, DB 2022, 18; Uhländer, DB 2021, 16, 19; Uhländer, DB 2020, 17, 19; Uhländer, DB 2018, 2788; Uhländer, DB 2017, 923, 929; Uhländer, DB 2017, 1224, 1228; Uhländer, DB 2017, 2761, 2765. 107) Ein in der Aufgabebilanz gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG zu erfassender Veräußerungspreis wird grundsätzlich in vollem Umfang realisiert, unabhängig davon, ob der Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt (BFH v. 21.11.2017 – VIII R 17/15, BB 2018, 1251). Ein Steuerpflichtiger, der i. R. einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann jedoch – wie bei der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge – zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen (BFH v. 29.6.2022 – X R 6/20, FR 2023, 126). 108) Im Falle der Realteilung einer – ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelnden – (freiberuflichen) Mitunternehmerschaft ohne Spitzenausgleich besteht keine Verpflichtung zur Erstellung einer Realteilungsbilanz nebst Übergangsgewinnermittlung, wenn die Buchwerte fortgeführt werden und die Mitunternehmer unter Aufrechterhaltung der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung ihre berufliche Tätigkeit in Einzelpraxen weiterbetreiben (BFH v. 11.4.2013 – III R 32/12, BFHE 241, 346 = NJW 2013, 2988).

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EStG).109) Im Fall der Betriebsaufgabe sind eine letzte Schlussbilanz zur Ermittlung des laufenden Gewinns und eine Aufgabebilanz zur Ermittlung des Aufgabegewinns bzw. -verlusts aufzustellen.110) Die letzte Schlussbilanz schließt die (laufende) gewerbliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen ab.111) In der Betriebsaufgabebilanz werden etwa veräußerte und in das Privatvermögen überführte Wirtschaftsgüter und die verbliebenen Schulden mit den Werten des § 16 Abs. 3 EStG angesetzt.112) Aus dem Vergleich des in ihr ausgewiesenen Betriebsvermögens mit dem Betriebsvermögen der letzten Schlussbilanz, vermindert um die Aufgabekosten, ergibt sich der Aufgabegewinn bzw. -verlust (§ 16 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 EStG).113) Entsteht ein Aufgabegewinn, ist er einkommensteuerrechtlich ggf. um den Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG zu kürzen und i. Ü. gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt zu versteuern.114) Gewerbesteuerrechtlich bleibt ein Aufgabegewinn oder ein Aufgabeverlust bei der Ermittlung des Gewerbeertrags grundsätzlich außer Ansatz.115) Dem Wegfall von betrieblichen Verbindlichkeiten aufgrund eines Restrukturierungs- 68 plans bzw. Sanierungsvergleichs kommt keine rückwirkende Bedeutung zu, da zuvor keine Aufgabebilanz zum Zeitpunkt der Beendigung einer Betriebsaufgabe zu erstellen war. Die Ausbuchung der entsprechenden Verbindlichkeiten ist ein laufender Geschäftsvorfall zum Zeitpunkt der rechtsverbindlichen Wirkung der entsprechenden Restrukturierungspläne bzw. Sanierungsvergleiche (siehe oben Rz. 55 ff.).116) 2.1.4 Betriebsaufspaltung in der Restrukturierung Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine sachliche und 69 personelle Verflechtung zwischen einem Besitz- und einem Betriebsunternehmen voraus.117) Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen entfalten können. Die personelle Verflechtung wird durch eine Mehrheitsbeteiligung des Besitzunternehmens an dem Betriebsunternehmen hergestellt, da die Beteiligung den Gesellschafter in die Lage versetzt, in der Betriebsgesellschaft seinen Willen durchzusetzen.118) Eine Personenidentität in den Organen der Besitz- bzw. Betriebsgesell___________ 109) Vgl. grundlegend BFH v. 16.3.2017 – IV R 31/14, BFHE 257, 292 = ZIP 2017, 1714: „Die Grundsätze der Realteilung gelten sowohl für die Auflösung der Mitunternehmerschaft und Verteilung des Betriebsvermögens („echte Realteilung“) als auch für das Ausscheiden (mindestens) eines Mitunternehmers unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft („unechte Realteilung“). Ob im Einzelfall eine echte oder eine unechte Realteilung vorliegt, richtet sich danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird oder ob sie fortbesteht und nur (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet.“ 110) BFH v. 5.5.2015 – X R 48/13, BB 2016, 48. 111) BFH v. 5.5.2015 – X R 48/13, BB 2016, 48. 112) BFH v. 5.5.2015 – X R 48/13, BB 2016, 48. 113) BFH v. 5.5.2015 – X R 48/13, BB 2016, 48. 114) Vgl. BFH v. 5.2.2014 – X R 22/12, BFHE 244, 49 = BB 2014, 725, zur Anwendung der Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG. 115) BFH v. 5.5.2015 – X R 48/13, BB 2016, 48; vgl. § 7 Satz 2 GewStG sowie §§ 4, 16 GewStDV. 116) S. a. BFH v. 23.10.2018 – VII R 13/17, BFHE 262, 326 = ZIP 2019, 85. 117) BFH v. 25.8.2010 – I R 97/09, BFH/NV 2011, 312; BFH v. 21.11.2017 – VIII R 17/15, BB 2018, 1251; BFH v. 23.3.2011 – X R 45/09, BFHE 233, 416 = ZIP 2011, 1468; vgl. zudem die umfangreiche Darstellung der Rechtsprechung zur persönlichen und sachlichen Verflechtung von Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, S. 19 ff., Rz. 76 ff. sowie S. 72 ff., Rz. 303 ff. 118) BFH v. 25.8.2010 – I R 97/09, BFH/NV 2011, 312; zur Beherrschungsidentität bei mittelbarer Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitz-Personengesellschaft vgl. BFH v. 16.9.2021 – IV R 7/18, DB 2022, 301, sowie BMF-Schreiben v. 21.11.2022 – IV C 6 – S 2240/20/1006 :002, BStBl. I 2022, 1515: „Aus Vertrauensschutzgründen ist eine solche Beteiligung bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu berücksichtigen.“

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schaft ist nicht erforderlich.119) Die personelle Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung liegt auch vor, wenn die personenidentischen Gesellschafter-Geschäftsführer der Besitz-GbR und der Betriebs-GmbH die laufenden Geschäfte der Besitz-GbR bestimmen können und der Nutzungsüberlassungsvertrag der Besitz-GbR mit der BetriebsGmbH nicht gegen den Willen dieser Personengruppe geändert oder beendet werden kann.120) 70 Die sachliche Verflechtung verlangt, dass das Besitzunternehmen der Betriebsgesellschaft Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt, die eine wesentliche Betriebsgrundlage der Besitzgesellschaft darstellen.121) Als funktional wesentlich sind alle Wirtschaftsgüter anzusehen, die für den Betriebsablauf ein erhebliches Gewicht haben, mithin für die Fortführung des Betriebs notwendig sind oder dem Betrieb das Gepräge geben.122) Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung kommen auch dann zur Anwendung, wenn ein inländisches Besitzunternehmen ein im Ausland belegenes Grundstück an eine ausländische Betriebskapitalgesellschaft verpachtet.123) 71 Entfallen die sachliche oder personelle Verflechtung, führt dies nach der Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens.124) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Betriebsgesellschaft bewirkt regelmäßig die Beendigung der personellen Verflechtung mit dem Besitzunternehmen und damit einer bestehenden Betriebsaufspaltung.125) Dieser Vorgang ist – wenn nicht das laufende Insolvenzverfahren mit anschließender Fortsetzung der Betriebsgesellschaft aufgehoben oder eingestellt wird – in der Regel als Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens zu beurteilen mit der Folge, dass die in seinem Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven aufzulösen sind.126) Die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen können auch im Falle einer unechten Betriebsaufspaltung gegeben sein.127) 72 In einem Restrukturierungsverfahren entsteht indes keine gesonderte Vermögensmasse. Weder der Restrukturierungsbeauftragte noch der Sanierungsmoderator sind steuerrechtlich Vermögensverwalter i. S. des § 34 Abs. 3 AO. Die personelle Verflechtung wird daher durch das Restrukturierungsverfahren nicht beendet; selbst ein Beschluss des Restrukturierungsgerichts gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2b StaRUG führt insoweit zu keiner anderen Betrachtung. 2.1.5 Besonderheiten bei Personengesellschaften in der Restrukturierung 2.1.5.1

Gewerbliche Mitunternehmerschaften in der Restrukturierung

73 Personengesellschaften sind keine Steuersubjekte in der Einkommensteuer (zum „Optionsmodell“ gemäß § 1a KStG siehe Rz. 85 ff.).128) Der Gewinn der Gesellschafter (Mitunter___________ 119) BFH v. 25.8.2010 – I R 97/09, BFH/NV 2011, 312. 120) BFH v. 28.5.2020 – IV R 4/17, BB 2020, 2467. 121) BFH v. 21.11.2017 – VIII R 17/15, BB 2018, 1251. Es genügt, wenn sich aufgrund der Befugnis, die Mitglieder der geschäftsführenden Organe der Betriebsgesellschaft zu bestellen und abzuberufen, in der Betriebsgesellschaft auf Dauer nur ein geschäftlicher Betätigungswille entfalten kann, der vom Vertrauen der das Besitzunternehmen beherrschenden Personen getragen ist und demgemäß mit deren geschäftlichen Betätigungswillen grundsätzlich übereinstimmt (BFH v. 23.3.2011 – X R 45/09, BFHE 233, 416 = ZIP 2011, 1468). 122) BFH v. 25.8.2010 – I R 97/09, BFH/NV 2011, 312. 123) BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, BStBl II 2021, 484. 124) BFH v. 21.11.2017 – VIII R 17/15, BB 2018, 1251. 125) BFH v. 6.3.1997 – XI R 2/96, BFHE 183, 85 = ZIP 1997, 1199. Der XI. Senat des BFH begründet dies „durch das Einwirken außersteuerrechtlicher Normen auf den steuerrechtlich relevanten Sachverhalt“. Im Streitfall war dies die Konkurseröffnung, die „den der gewerblichen Tätigkeit i. R. einer Betriebsaufspaltung zugrundeliegenden einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen entfallen läßt.“ 126) BFH v. 6.3.1997 – XI R 2/96, BFHE 183, 85 = ZIP 1997, 1199; vgl. Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, S. 387 Rz. 1662 ff.; Uhländer in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 667, Rz. 1373. 127) BFH v. 17.4.2019 – IV R 12/16, BFHE 264, 306 = BB 2019, 2352; einschränkend noch BFH v. 6.3.1997 – XI R 2/96, BFHE 183, 85 = ZIP 1997, 1199. 128) Gewerbesteuerrechtlich ist die PersG gleichwohl Steuerschuldner gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

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nehmer) ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG transparent zu besteuern.129) Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind hiernach die Gewinnanteile der Gesellschafter einer oHG, einer KG und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Der mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte Gesellschafter steht dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich; er ist als Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen, an der er mittelbar beteiligt ist, wenn er und die Personengesellschaften, die seine Beteiligung vermitteln, jeweils als Mitunternehmer der Betriebe der Personengesellschaften anzusehen sind, an denen sie unmittelbar beteiligt sind (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG). Die mehrstufige Gewinnermittlung durch Erstellung von Gesamthands-, Ergänzungs- und Sonderbilanzen erfordert eine komplexe steuerrechtliche Würdigung der Restrukturierungsmaßnahmen bei Personengesellschaften i. R. der einheitlichen und gesonderten Feststellungserklärungen.130) § 15a EStG ist ebenfalls zu beachten.131) Eine Vielzahl von Sonderformen der gewerblichen Mitunternehmerschaften sind in der 74 Praxis durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen möglich (z. B. mehrstöckige Personengesellschaften132), Schwesterpersonengesellschaften133), mitunternehmerische Be-

___________ 129) Vgl. Uhländer, DB 2019, 2373. 130) Bürgschaftsverbindlichkeiten eines Mitunternehmers zugunsten der Personengesellschaft sowie die Wertlosigkeit etwaiger Ersatzforderungen können nach Ansicht des BFH erst bei Beendigung der Gesellschaft aufwandswirksam werden (BFH v. 19.12.2019 – IV R 53/16, BStBl II 2020, 534 = NZG 2020, 1190). Der Mitunternehmer sei insoweit zu behandeln wie ein Gesellschafter, der eine Einlage in die Personengesellschaft erbringe. Auch eine gewinnmindernde Rückstellung komme nicht in Betracht. 131) Die Gesellschafter können auch von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft die Vorlage steuerlicher Jahresabschlüsse für die Insolvenzmasse verlangen (BGH v. 16.9.2010 – IX ZR 121/09, ZIP 2009, 1824). Entstehen der Insolvenzmasse dadurch Kosten, die sie allein in fremdem Interesse aufwenden muss, kann der Insolvenzverwalter hierfür Ersatz und einen entsprechenden Auslagenvorschuss fordern (BGH v. 16.9.2010 – IX ZR 121/09, ZIP 2009, 1824). 132) Die Gleichstellung des mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligten Gesellschafters mit dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bezieht sich nicht nur auf Sondervergütungen und das Sonderbetriebsvermögen I, sondern auch auf das Sonderbetriebsvermögen II (BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BFHE 256, 32 = BB 2017, 2714). Bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften ist der für den Schlussgesellschafter festgestellte anteilige Gewerbesteuer-Messbetrag zum Zwecke dieser Ermittlung aufzuteilen, soweit er auf verschiedene Mitunternehmerschaften entfällt (BFH v. 20.3.2017 – X R 12/15, BFHE 258, 258 = BB 2017, 2134). 133) Der I. Senat des BFH hat gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1997 i. d. F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als hiernach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert möglich ist (BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BFHE 241, 483 = ZIP 2013, 2051). Für die Entscheidung darüber, ob die Übertragung von Grundstücken auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zu Buchwerten möglich war, ist die dem BVerfG v. 10.4.2013 – I R 80/12, BFHE 241, 483 = ZIP 2013, 2051, vorgelegte Frage vorgreiflich, ob § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als hiernach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert möglich ist (BFH v. 27.12.2013 – IV R 28/12, BFH/NV 2014, 535). Veräußert eine Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut des Gesamthandsvermögens an eine andere Personengesellschaft, an der einer ihrer Gesellschafter ebenfalls als Mitunternehmer beteiligt ist, kann der auf den Doppelgesellschafter entfallende Veräußerungsgewinn unter den Voraussetzungen des § 6b EStG im Umfang des Anteils des Doppelgesellschafters am Gesamthandsvermögen der Schwestergesellschaft auf die Anschaffungskosten des nämlichen Wirtschaftsguts übertragen werden (BFH v. 9.11.2017 – IV R 19/14, BFHE 260, 121 = ZIP 2018, 1401).

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triebsaufspaltungen134), Zebragesellschaften135), atypisch stille Beteiligungen an einem Handelsgewerbe136), atypische stille Unterbeteiligungen an einem Mitunternehmeranteil137) etc.).138) 75 Veränderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft (z. B. Gesellschafterwechsel, Ausscheiden eines Gesellschafters139), Anwachsungsvorgänge etc.) sowie Betriebsaufgaben auf der Ebene der Gesellschaft sind i. R. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 16 Abs. 3 EStG zu prüfen. Einbringungen von Betrieben, Teilbetrieben oder einem Mitunternehmeranteil in eine Personengesellschaft sind gemäß § 24 UmwStG steuerrelevant.140) Für die Einbringung eines ganzen Mitunternehmeranteils nach § 24 Abs. 1 UmwStG reicht es aus, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen der Ausgangsgesellschaft in das Sonderbetriebsvermögen der Zielgesellschaft überführt werden; eine Übertragung in das Gesamthandsvermögen ist nicht erforderlich.141) Die Personengesellschaft hat das eingebrachte Betriebsvermögen in ihrer Bilanz einschließlich der Ergänzungs___________ 134) Überlässt eine GbR, an der Eheleute zu je 1/2 beteiligt sind, eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine GmbH, an der allein der Ehemann beteiligt ist, erfüllt dies mangels personeller Verflechtung nicht die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung (BFH v. 15.6.2011 – X B 255/10, BFH/NV 2011, 1859). Eine den Grundsätzen des § 710 BGB entsprechende Übertragung der gesamten GbR-Geschäftsführungsbefugnis durch den nicht an der GmbH beteiligten Ehegatten auf den anderen Ehegatten ist nicht gegeben, wenn der nicht an der GmbH beteiligte Ehegatte jeweils nur von Fall zu Fall stillschweigend sein Einverständnis mit Geschäftsführungsentscheidungen des anderen Ehegatten erklärt (BFH v. 15.6.2011 – X B 255/10, BFH/NV 2011, 1859). 135) Überträgt ein gewerblich tätiger Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (sog. Zebragesellschaft) ein Wirtschaftsgut seines Betriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen der vermögensverwaltenden Personengesellschaft, führt dies steuerlich nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven bei dem Gesellschafter, soweit dieser an der Zebragesellschaft betrieblich beteiligt ist (BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BFHE 237, 453 = BB 2012, 2108). 136) Die Entstehung einer atypisch stillen Gesellschaft ist ertragsteuerlich wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft i. S. des § 24 UmwStG zu würdigen, soweit der Betrieb des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich der atypisch stillen Gesellschaft zugeordnet wird (BFH v. 21.12.2017 – IV R 44/14, BFH/NV 2018, 407). Für die Dauer deren Bestehens gilt der Gewerbebetrieb des Inhabers des Handelsgewerbes (Prinzipals) als Betrieb der atypisch stillen Gesellschaft; die atypisch stille Gesellschaft wird für steuerliche Zwecke im Ergebnis wie eine im Innenverhältnis bestehende (fiktive) KG behandelt (BFH v. 21.12.2017 – IV R 44/14, BFH/NV 2018, 407). Beteiligt sich der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft an dieser zugleich als atypisch stiller Gesellschafter und verzichtet die Kapitalgesellschaft im Interesse des stillen Gesellschafters auf eine fremdübliche Gewinnbeteiligung, wird der Kapitalgesellschaft bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der atypisch stillen Gesellschaft der angemessene Gewinnanteil zugerechnet (BFH v. 18.6.2015 – IV R 5/12, BFHE 250, 121 = ZIP 2015, 2377). 137) Vgl. AEAO Rz. 4 zu § 179 AO: „In den Fällen der atypisch stillen Unterbeteiligung am Anteil des Gesellschafters einer Personengesellschaft (als Hauptgesellschaft) kann eine besondere gesonderte und einheitliche Feststellung vorgenommen werden (§ 179 Abs. 2 letzter Satz AO). Von dieser Möglichkeit ist wegen des Geheimhaltungsbedürfnisses der Betroffenen regelmäßig Gebrauch zu machen. Die Berücksichtigung der Unterbeteiligung im Feststellungsverfahren für die Hauptgesellschaft ist nur mit Einverständnis aller Beteiligten – Hauptgesellschaft und deren Gesellschafter sowie des Unterbeteiligten – zulässig (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 2.3.1995, IV R 135/92, BStBl II, 531). Das Einverständnis der Beteiligten gilt als erteilt, wenn die Unterbeteiligung in der Feststellungserklärung für die Hauptgesellschaft geltend gemacht wird.“ 138) Zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten vgl. Uhländer, AO-StB 2018, 181. 139) Bei Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft mit abweichendem Wirtschaftsjahr ist der Gewinn in dem Kalenderjahr des Ausscheidens bezogen; § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG ist auf den ausscheidenden Mitunternehmer nicht anwendbar (BFH v. 18.10.2010 – X R 8/07, BFHE 230, 429 = BB 2010, 3071); zum Eingriff in die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte nach Maßgabe des StaRUG vgl. Bernsau/Beyer, BB 2022, 1090. 140) Im Falle der Einbringung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils i. S. des § 20 UmwStG kann das aufnehmende Unternehmen weder durch Anfechtungsklage noch durch Feststellungsklage geltend machen, die seiner Steuerfestsetzung zu Grunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch. Ein solches Begehren kann nur der Einbringende im Wege der sog. Drittanfechtung durchsetzen (BFH v. 8.6.2011 – I R 79/10, BFHE 234, 101 = BB 2011, 2901). 141) BFH v. 17.4.2019 – IV R 12/16, BFHE 264, 306 = BB 2019, 2352.

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bilanzen für ihre Gesellschafter mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Abweichend hiervon kann das übernommene Betriebsvermögen auf Antrag mit dem Buch- 76 wert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Wert i. S. des Satzes 1, angesetzt werden, soweit 

das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und



der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen, die neben den neuen Gesellschaftsanteilen gewährt werden, nicht mehr beträgt als 

25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder



500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG gilt entsprechend (§ 24 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Erhält der Einbringende neben den neuen Gesellschaftsanteilen auch sonstige Gegenleistungen, ist das eingebrachte Betriebsvermögen abweichend von § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mindestens mit dem gemeinen Wert der sonstigen Gegenleistungen anzusetzen, wenn dieser den sich nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ergebenden Wert übersteigt (§ 24 Abs. 2 Satz 4 UmwStG).

Der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Personengesell- 77 schaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter angesetzt wird, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis (§ 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG). § 16 Abs. 4 EStG ist nur anzuwenden, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert angesetzt wird und es sich nicht um die Einbringung von Teilen eines Mitunternehmeranteils handelt; in diesen Fällen ist § 34 Abs. 1 und 3 EStG anzuwenden, soweit der Veräußerungsgewinn nicht nach § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. b in Verbindung mit § 3c Abs. 2 EStG teilweise steuerbefreit ist (§ 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). In den Fällen des § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG gilt § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG entsprechend (§ 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG). Diese Besteuerungsgrundsätze finden auch in einem Restrukturierungsverfahren weiterhin uneingeschränkt Anwendung. 2.1.5.2

Freiberufliche Mitunternehmerschaften in der Restrukturierung

Die transparente laufende Besteuerung von freiberuflichen Mitunternehmerschaften sowie 78 die mehrstufige Gewinnermittlung ist durch den Verweis in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG normiert. Eine Personengesellschaft mit freiberuflichen Einkünften, die keine Bücher führen muss und auch nicht freiwillig Bücher führt, muss den Gewinn im Gesamthandsbereich und in den Sonderbereichen der einzelnen Gesellschafter einheitlich nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln; eine Ermittlung des Gewinns im Gesamthandsbereich nach § 4 Abs. 3 EStG und im Sonderbereich nach § 4 Abs. 1 EStG kommt nicht in Betracht.142) Eine Unterpersonengesellschaft erzielt freiberufliche Einkünfte, wenn neben den unmittel- 79 bar an ihr beteiligten natürlichen Personen alle mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaften über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und in der Unterpersonengesellschaft zumindest in geringfügigem Umfang leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten.143) Die freiberufliche Tätigkeit einer Unterpersonengesellschaft wird nicht bereits dadurch begründet, dass jeder Obergesellschafter zumindest in einer anderen Unterperso___________ 142) BFH v. 24.8.2010 – VIII B 28/10, BFH/NV 2010, 2272. 143) BFH v. 4.8.2020 – VIII R 24/17, ZIP 2021, 77.

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nengesellschaft des Personengesellschaftsverbunds als Freiberufler leitend und eigenverantwortlich tätig wird.144) 80 Der „Wegfall“ von betrieblichen Verbindlichkeiten ist i. R. der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG nach eigenständigen Besteuerungsgrundsätzen zu beurteilen und muss die Verwendung der entsprechenden Mittel berücksichtigen, um den Besonderheiten der Gewinnermittlung des § 4 Abs. 3 EStG Rechnung zu tragen.145) 81 Im Rahmen der freiberuflichen Veräußerungs- und Aufgabetatbestände des § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 16 Abs. 3 EStG erfolgt diese Gewinnermittlung jedoch stets durch Betriebsvermögensvergleich i. S. des § 4 Abs. 1 EStG und führt daher bei einer vorherigen Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu einem Wechsel der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG.146) 2.1.6 Markante Gesetzesänderungen mit Bezug zur Restrukturierung und Insolvenz 2.1.6.1

Insolvenzrechtliche Änderungsgesetze

82 Der Gesetzgeber hat zur wirtschaftlichen Bewältigung der Coronapandemie und zur Fortentwicklung des Insolvenzrechts eine Vielzahl von Änderungsgesetzen147) verabschiedet; vgl. z. B.: 

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenzund Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020,148)



Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes v. 25.9.2020,149)



Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts- Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. 22.12.2020,150)



Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts v. 22.12.2020,151)



Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuer-

___________ 144) BFH v. 4.8.2020 – VIII R 24/17, ZIP 2021, 77. 145) Vgl. dazu umfassend Uhländer, DB 2017, 923, 930. 146) Honorarforderungen eines Steuerberaters können als unwesentliche Betriebsgrundlagen bei einer Einbringung nach § 24 UmwStG zurückbehalten werden (BFH v. 4.12.2012 – VIII R 41/09, BFHE 239, 437 = BB 2013, 469). Entnimmt der Steuerpflichtige die zurückbehaltenen Forderungen nicht ausdrücklich in sein Privatvermögen, verbleiben sie in seinem Restbetriebsvermögen (BFH v. 4.12.2012 – VIII R 41/09, BFHE 239, 437 = BB 2013, 469). Die zur Ermittlung des Einbringungsgewinns erforderliche Übergangsgewinnermittlung erstreckt sich nur auf tatsächlich eingebrachte Wirtschaftsgüter (BFH v. 4.12.2012 – VIII R 41/09, BFHE 239, 437 = BB 2013, 469). Ermittelte der Steuerpflichtige vor der Einbringung seiner Praxis den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so sind die zurückbehaltenen Forderungen als nachträgliche Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG im Zuflusszeitpunkt zu erfassen (BFH v. 4.12.2012 – VIII R 41/09, BFHE 239, 437 = BB 2013, 469). 147) Vgl. Wipperfürth, ZInsO 2021, 1148; Heinrich, NZI 2021, 71; Jahn, NZI 2021, 75; Hantzsch, WPg 2021, 248; Uhländer, DB 2021, 16; Uhländer, DB 2021, 642; Hölzle/Schulenberg, ZIP 2020, 633; Poertzgen, ZInsO 2020, 825; Pape, NWB 2020, 1053; Jarchow/Hölken, ZInsO 2020, 730; Ziegenhagen, ZInsO 2020, 689; Theiselmann, GmbH-StB 2020, 112; Pape/Laroche/Grote, ZInsO 2021, 57. 148) Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVFAbG), v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, 569. 149) Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAGÄndG), v. 25.9.2020, BGBl. I 2020, 2016. 150) Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht (COVRSPÄndG), v. 22.12.2020, BGBl. I. 2020, 3328. 151) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), v. 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

erklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 v. 15.2.2021,152) 

Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften v. 20.7.2022,153)



Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19Insolvenzaussetzungsgesetzes v. 31.10.2022,154)

Aus steuerrechtlicher Sicht ist die Änderung des § 55 Abs. 4 InsO für das vorläufige In- 83 solvenzverfahren von besonderer Bedeutung. Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 4 Satz 1 InsO).155) Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben, bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern, die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und die Lohnsteuer gleich (§ 55 Abs. 4 Satz 2 InsO). Der konkrete Anwendungsbereich der gesetzlichen Neuregelung bei Bestellung eines vorläufigen Sachwalters ist in der Literatur umstritten.156) Die Finanzverwaltung hat hierzu im BMF-Schreiben v. 11.1.2022157) umfassend Stellung genommen, um für die Verfahrensbeteiligten eine zeitnahe Erstauslegung im Steueranmeldungsverfahren zu ermöglichen.158) 2.1.6.2

Steuerrechtliche Änderungsgesetze

Ebenso hat der Steuergesetzgeber seit 2020 zur wirtschaftlichen Bewältigung der Corona- 84 Krise und zur Fortschreibung des Steuerrechts159) einen umfassenden parlamentarischen Gestaltungswillen umgesetzt; vgl. insbesondere: 

Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der CoronaKrise v, 19.6.2021,160)

___________ 152) Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019, v. 15.2.2021, BGBl. I 2021, 237. 153) Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften (EGAktG), v. 20.7.2022, BGBl. I 2022, 1166. 154) Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (GüRegAbG), v. 31.10.2022, BGBl. I 2022, 1966. 155) Rechtsgrundsätzlich zur Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO vgl. Frintrup, ZIP 2019, 1101; Frintrup, ZIP 2020, 801, sowie zur Einziehung von Forderungen im vorläufigen Verfahren s. Waza in: Waza/Uhländer/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 930 ff., Rz. 1982 ff.; Kahlert, DStR 2021, 1505. 156) Vgl. hierzu Witfeld, ZRI 2021, 173; A. Schmidt, DStR 2021, 693; Wäger, DStR 2021, 825; Schmittmann, ZInsO 2021, 211; Kahlert, DStR 2021, 1505; Uhländer, DB 2021, 1027, 1033; zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Sachwalters nach der gesetzlichen Neuregelung des § 276a InsO vgl. BMF-Schreiben v. 22.6.2021 – III C 2 – S 7105/20/10001 :001, BStBl. I 2021, 316 sowie Piroth, MwStR 2021, 146. 157) BMF-Schreiben v. 11.1.2022 – IV A 3 – S 0550/21/10001 :001, BStBl. I 2022, 116. 158) Vgl. Uhländer, DB 2022, 1152. 159) Zu den (bilanz-)steuerrechtlichen Besonderheiten aufgrund der Corona-Krise vgl. Zwirner/Vodermeier/ Krauß, DStR 2021, 933; Müller/Reinke, StuB 2021, 54; Böing/Groll, GmbH-StB 2020, 147; Böing/ Dokholian, GmbH-StB 2020, 229; Bacmeister, DStZ 2020, 619; Behnke, DB 2020, 1890; Hey, DStR 2020, 2048; Wengerofsky, StuB 2020, 371; Wulf, DStZ 2020, 351; Zwirner/Busch/Krauß, DB 2020, 1241; speziell zu den Auswirkungen der umsatzsteuerlichen Steuersatzsenkung auf die Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung s. Waza, BB 2020, 2007. 160) Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz), v. 19.6.2020, BGBl. I. 2020, 1385.

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Zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise v. 29.6.2020,161) Jahressteuergesetz 2020 v. 21.12.2020,162) Drittes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise v. 10.3.2021,163) Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021,164) Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer v. 2.6.2021,165) Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie v. 25.6.2021,166) Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze v. 25.6.2021,167) Steuerentlastungsgesetz 2022 v. 23.5.2022,168) Viertes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise v. 19.6.2022,169) Jahressteuergesetz 2022.170)

2.1.6.3

Besonderheit: „Optionsmodell“ zur Körperschaftsteuer

85 Nach über 100 Jahren der transparenten Besteuerung von Personengesellschaften gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Deutschland hat der Steuergesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021171) ein komplexes Optionsmodell zur Körperschaftsbesteuerung ermöglicht.172) 86 Auf unwiderruflichen Antrag sind für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen eine Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft (optierende Gesellschaft) und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln; § 217 Abs. 1 UmwG gilt sinngemäß (§ 1a ___________ 161) Zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz), v. 29.6.2020, BGBl. I 2020, 1512. 162) Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020), v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3097. 163) Drittes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz), v. 10.3.2021, BGBl. I 2021, 330. 164) Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 165) Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG), v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259. 166) Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtline (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG), v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 167) Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze, v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2056. 168) Steuerentlastungsgesetz 2022, v. 23.5.2022, BGBl. I 2022, 749. 169) Viertes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz), v. 19.6.2022, BGBl. I 2022, 911. 170) BRat, z. BT-Beschluss z. RegE JStG 2022 (v. 10.10.2022, BT-Drucks. 20/3879), v. 2.12.2022, BR-Drucks. 627/22, abrufbar unter https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0601-0700/ 627-22(neu).pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Abrufdatum: 20.1.2023); Beschlussempfehlung und Bericht d. FA, v. 30.11.2022, BT-Drucks. 20/4729; Stellungnahme d. BRat und Gegenäußerung d. BReg, v. 2.11.2022, BT-Drucks. 20/4229. 171) Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftssteuerrechts, v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050; vgl. RegE z. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftssteuerrechts, BT-Drucks. 19/28656; Empfehlungen der Ausschüsse z. RegE Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftssteuerrechts, BR-Drucks. 244/1/21; Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftssteuerrechts, BT-Drucks. 19/29843. 172) Vgl. dazu bereits z. B. Brühl/Weiss, DStR 2021, 889, sowie aus Sicht der Finanzverwaltung BMF-Schreiben v. 10.11.2021 – IV C 2 – S 2707/21/10001 :004, BStBl. I 2021, 2212.

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Abs. 1 Satz 1 KStG).173) Der Antrag ist von der Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung bei dem für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nach § 180 AO zuständigen Finanzamt spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahrs zu stellen, ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll; § 31 Abs. 1a Satz 2 gilt entsprechend (§ 1a Abs. 1 Satz 2 KStG). Erfolgt für die Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft keine gesonderte und 87 einheitliche Feststellung der Einkünfte, ist der Antrag bei dem für die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer des Gesellschafters zuständigen Finanzamt zu stellen (§ 1a Abs. 1 Satz 3 KStG). Erzielt eine Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft ausschließlich Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50a EStG unterliegen und gilt infolgedessen die Einkommensteuer nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG oder die Körperschaftsteuer nach § 32 Abs. 1 KStG als abgegolten, ist der Antrag bei dem Bundeszentralamt für Steuern zu stellen (§ 1a Abs. 1 Satz 4 KStG). Der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung gilt als Formwechsel i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 88 des UmwStG (§ 1a Abs. 2 Satz 1 KStG). Die §§ 1 und 25 UmwStG sind entsprechend anzuwenden (§ 1a Abs. 2 Satz 2 KStG). Als Einbringungszeitpunkt gilt das Ende des Wirtschaftsjahrs, das dem Wirtschaftsjahr i. S. des § 1a Abs. 1 Satz 2 KStG unmittelbar vorangeht; § 9 Satz 3 UmwStG ist nicht anzuwenden (§ 1a Abs. 2 Satz 3 KStG). Das im Einbringungszeitpunkt in der Steuerbilanz auszuweisende Eigenkapital wird auf dem steuerlichen Einlagekonto der optierenden Gesellschaft erfasst (§ 1a Abs. 2 Satz 4 KStG). Die zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Personen gelten als gesetzliche Vertreter der optierenden Gesellschaft (§ 1a Abs. 2 Satz 5 KStG). Aufgrund der Option gilt die Beteiligung an einer optierenden Gesellschaft für Zwecke 89 der Besteuerung nach dem Einkommen als Beteiligung eines nicht persönlich haftenden Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft (§ 1a Abs. 3 Satz 1 KStG). Beim Gesellschafter führen daher insbesondere 

durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einnahmen zu Einkünften i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG,



Einnahmen, die er von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezieht, zu Einkünften i. S. des § 19 EStG,



Einnahmen aus der Hingabe von Darlehen zu Einkünften i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und



Einnahmen aus der Überlassung von Wirtschaftsgütern zu Einkünften i. S. des § 21 oder § 22 EStG (§ 1a Abs. 3 Satz 2 KStG). Die §§ 13 bis 16, 18 und 35 EStG sind vorbehaltlich des § 1a Abs. 3 Satz 4 KStG nicht anzuwenden (§ 1a Abs. 3 Satz 3 KStG). Soweit entsprechende Einnahmen bei einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft anderen Einkunftsarten zuzurechnen wären, gilt abweichend von § 1a Abs. 3 Satz 3 KStG, dass auch die Einnahmen des Gesellschafters der optierenden Gesellschaft zu diesen Einkünften gehören (§ 1a Abs. 3 Satz 4 KStG). Gewinnanteile gelten erst dann als ausgeschüttet, wenn sie entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt werden kann (§ 1a Abs. 3 Satz 5 KStG). § 4 Abs. 3 EStG ist bei einer optierenden Gesellschaft nicht anzuwenden (§ 1a Abs. 3 Satz 5 KStG). In den Fällen des § 1a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KStG gelten die optierende Gesellschaft als lohnsteuerlicher Arbeitgeber und der Gesellschafter als Arbeitnehmer (§ 1a Abs. 3 Satz 6 KStG).

___________ 173) § 1a KStG ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2021 anzuwenden mit der Maßgabe, dass der Antrag erstmals für nach dem 31.12.2021 beginnende Wirtschaftsjahre gestellt werden kann (§ 34 Abs. 1a KStG).

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10. Teil Steuerrecht

90 Eine Gesellschaft, die nach § 1a Abs. 1 KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert hat, kann gemäß § 1a Abs. 4 Satz 1 KStG beantragen, dass sie nicht mehr wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter nicht mehr wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt werden (Rückoption). Die Rückoption gilt als Formwechsel nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG mit der Maßgabe, dass § 9 Satz 3 UmwStG keine Anwendung findet (§ 1a Abs. 4 Satz 2 KStG). § 1a Abs. 1 Satz 2, 3 und 5 KStG gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass der Antrag bei dem für die Körperschaftsbesteuerung zuständigen Finanzamt zu stellen ist; in den Fällen des § 1a Abs. 1 Satz 4 KStG ist der Antrag bei dem Bundeszentralamt für Steuern zu stellen (§ 1a Abs. 4 Satz 3 KStG). § 1a Abs. 4 Satz 1 und 2 KStG finden auch ohne Antrag Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 KStG entfallen (§ 1a Abs. 4 Satz 4 KStG). 91 Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, gilt die optierende Gesellschaft als unmittelbar danach aufgelöst und, sofern der verbleibende Gesellschafter die persönlichen Voraussetzungen eines übernehmenden Rechtsträgers einer Umwandlung einer Kapitalgesellschaft i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 4 UmwStG erfüllt, im Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG als auf den verbleibenden Gesellschafter verschmolzen bzw. gilt im Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwStG das Vermögen der optierenden Gesellschaft als auf den verbleibenden Gesellschafter übertragen mit der Maßgabe, dass jeweils § 2 UmwStG keine Anwendung findet (§ 1a Abs. 4 Satz 5 KStG). Erfüllt der verbleibende Gesellschafter nicht die persönlichen Voraussetzungen eines übernehmenden Rechtsträgers einer Umwandlung einer Kapitalgesellschaft i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 4 UmwStG, gilt die optierende Gesellschaft als aufgelöst und ihr Vermögen als an die Gesellschafter ausgeschüttet; § 11 KStG ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des zur Verteilung kommenden Vermögens der gemeine Wert des vorhandenen Vermögens tritt (§ 1a Abs. 4 Satz 6 KStG). Abweichend von § 1a Abs. 4 Satz 4 KStG gilt die Umwandlung der optierenden Gesellschaft in eine Körperschaft i. S. des Umwandlungssteuergesetzes als Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Körperschaft (§ 1a Abs. 4 Satz 7 KStG). 92 Der Gesetzgeber hat mit dem Optionsmodell zur Körperschaftsteuer eine ausgesprochen unübersichtliche Besteuerung von Personenhandelsgesellschaften bzw. von PartG als Kapitalgesellschaften fingiert. Es findet nicht mehr das Transparenzprinzip, sondern das Trennungsprinzip Anwendung. Die Wechselwirkungen zwischen den bisherigen Verlustfeststellungen gemäß § 15a Abs. 4 EStG und den künftigen Verlustberücksichtigungen erscheinen nicht hinreichend konkretisiert. Die handelsrechtliche Gewinnverteilung erfordert weiterhin sachgerechte Kapitalkontenentwicklungen für den jeweiligen Gesellschafter; das Einlagekonto gemäß § 27 KStG verfolgt eine andere Zielsetzung. Die bilanzsteuerrechtlichen Besonderheiten bei Ergänzungs- und Sonderbilanzen und ihre Fortführung im neuen Besteuerungsmodell sind ebenfalls nicht hinreichend erörtert. 93 Für Restrukturierungsverfahren bedeutet dies jedenfalls, dass optierenden Gesellschaften im Anwendungsbereich des § 1a KStG wie eine Kapitalgesellschaft besteuert werden und die bisherigen Mitunternehmer der Personenhandelsgesellschaft bzw. der Partnerschaftsgesellschaft auf der Ebene als Gesellschafter für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen nicht mehr an einer Personengesellschaft beteiligt sind.174) Der „Wegfall“ von betrieblichen Verbindlichkeiten einer optierenden Gesellschaft unterfällt damit § 3a EStG ___________ 174) Für die Anwendung des GewStG sind eine optierende Gesellschaft i. S. des § 1a KStG als Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln (§ 2 Abs. 8 GewStG). Grunderwerbsteuerrechtlich gilt § 5 Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht für eine Gesamthand, die nach § 1a KStG optiert hat, es sei denn, die Ausübung und Wirksamkeit der Option liegt länger als die in § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG genannte Frist zurück und die jeweilige Beteiligung am Vermögen der Gesamthand besteht länger als die in § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG genannte Frist (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GrEStG); s. zudem § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG sowie § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

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i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG, wenn die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung i. S. des § 3a Abs. 2 EStG vorliegen. Restrukturierungs-, insolvenz- sowie umsatzsteuerrechtlich wird die optierende Gesellschaft gleichwohl unverändert als Personenhandelsgesellschaft bzw. Partnerschaftsgesellschaft behandelt. 2.1.7 Exkurs: Einkünfte des Restrukturierungsbeauftragten Das Restrukturierungsgericht bestellt unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 StaRUG 94 von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten. Auf Antrag des Schuldners bestellt das Restrukturierungsgericht gemäß § 77 Abs. 1 StaRUG einen Restrukturierungsbeauftragten zur Förderung der Verhandlungen zwischen den Beteiligten (sog. fakultativer Restrukturierungsbeauftragter). Der Restrukturierungsbeauftragte steht unter der Aufsicht des Restrukturierungsgerichts (§ 75 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand verlangen (§ 75 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Der Restrukturierungsbeauftragte erfüllt seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt und 95 Gewissenhaftigkeit (§ 75 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Er nimmt seine Aufgaben unparteiisch wahr (§ 75 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Dem Restrukturierungsbeauftragten steht die Entscheidung darüber zu, wie der Restrukturierungsplan zur Abstimmung gebracht wird (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Das Restrukturierungsgericht kann dem Beauftragten bestimmte Befugnisse übertragen (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) und dem Schuldner aufgeben, dem Beauftragten Zahlungen anzuzeigen und Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nur zu tätigen, wenn der Beauftragte zustimmt (§ 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG). Der Beauftragte hat auch die Aufgabe, den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans zu unterstützen (§ 76 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG). Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte unterstützt den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans (§ 79 StaRUG). Die Zuweisung von Aufgaben gemäß § 76 StaRUG ist möglich (§ 77 Abs. 2 StaRUG). Zum Restrukturierungsbeauftragten ist ein für den jeweiligen Einzelfall geeigneter, in Re- 96 strukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bestellen, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist und die aus dem Kreis aller zur Übernahme des Amtes bereiten Personen auszuwählen ist (§ 74 Abs. 1 StaRUG). Hat der Schuldner die Bescheinigung eines in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Schuldner die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und 2 StaRUG erfüllt, kann das Gericht vom Vorschlag des Schuldners nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist; dies ist zu begründen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Der Restrukturierungsbeauftragte hat gemäß § 80 Satz 1 StaRUG Anspruch auf Vergütung 97 (Honorar und Auslagen). Auf Antrag des Restrukturierungsbeauftragten setzt das Restrukturierungsgericht nach Beendigung des Amtes des Restrukturierungsbeauftragten die Vergütung durch Beschluss fest (§ 82 Abs. 1 StaRUG). Falls der Restrukturierungsbeauftragte einen sog. Katalogberuf als Rechtsanwalt, Wirtschafts- 98 prüfer, Steuerberater, beratender Volks- bzw. Betriebswirt, vereidigter Buchprüfer oder Steuerbevollmächtigter ausübt, wird in der Literatur vertreten, dass die Tätigkeit als Re-

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strukturierungsbeauftragter zu den freiberuflichen Einkünften i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehört.175) 99 Die Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied hat der Gesetzgeber gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit zugordnet. Auf Berufsbetreuer176) und Insolvenzverwalter177) bzw. Zwangsverwalter178) ist § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH ebenfalls anzuwenden. 100 Die Tätigkeit als Restrukturierungsbeauftragter ist mit den vorgenannten Tätigkeiten vergleichbar und daher als sonstige selbständige Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu qualifizieren. 2.1.8 Exkurs: Einkünfte des Sanierungsmoderators 101 Auf Antrag eines restrukturierungsfähigen Schuldners bestellt das Gericht eine geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zum Sanierungsmoderator (§ 94 Abs. 1 StaRUG). Die Bestellung des Sanierungsmoderators erfolgt für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten (§ 95 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Auf Antrag des Moderators, welcher der Zustimmung des Schuldners und der in die Verhandlungen einbezogenen Gläubiger bedarf, kann der Bestellungszeitraum um bis zu drei weitere Monate verlängert werden (§ 95 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Wird innerhalb dieses Zeitraums die Bestätigung eines Sanierungsvergleichs nach § 97 StaRUG beantragt, verlängert sich die Bestellung bis zur Entscheidung über die Bestätigung des Vergleichs (§ 95 Abs. 1 Satz 3 StaRUG). 102 Der Sanierungsmoderator vermittelt zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten (§ 96 Abs. 1 StaRUG). Der Sanierungsmoderator erstattet dem Gericht über den Fortgang der Sanierungsmoderation monatlich schriftlich Bericht (§ 96 Abs. 3 Satz 1 StaRUG). Der Sanierungsmoderator steht unter der Aufsicht des Restrukturierungsgerichts (§ 96 Abs. 5 Satz 1 StaRUG). Das Restrukturierungsgericht kann den Sanierungsmoderator aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen (§ 96 Abs. 5 Satz 2 StaRUG). 103 Der Sanierungsmoderator hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§ 98 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Diese bemisst sich nach dem Zeit- und Sachaufwand der mit der Sanierungsmoderation verbundenen Aufgaben (§ 98 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Die §§ 80 bis 83 StaRUG finden entsprechende Anwendung (§ 98 Abs. 2 StaRUG). ___________ 175) Vgl. Duda/Schmittmann, Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz, S. 25 Rz. 128; Schmittmann, ZRI 2021, 705; abl. dagegen Schumann, NWB Sanieren 2021, 237. M. E. hat zwar § 15 Satz 1 Nr. 9 BOStB eine Erweiterung des Kreises der zulässig vereinbaren Tätigkeiten des Steuerberaters um den Restrukturierungsbeauftragten und Sanierungsmoderator ermöglicht (vgl. Günther, NWB 2022, 2787). Gleichwohl führt m. E. die Tätigkeit als Restrukturierungsbeauftragter hierdurch nicht „automatisch“ zu freiberuflichen Einkünften eines Steuerberaters gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. 176) BFH v. 15.6.2010 – VIII R 10/09, BFHE 230, 47 = ZIP 2010, 1858. 177) BFH v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BFHE 232, 162 = ZIP 2011, 582: „Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters wird nicht nur von Rechtsanwälten, sondern auch von Angehörigen anderer freier Berufe wie etwa Steuerberatern ausgeübt […]. Sie kann aber auch von anderen geeigneten Personen ausgeübt werden. … Die Zuordnung der Tätigkeiten des Insolvenz- und des Zwangsverwalters zur sonstigen selbständigen Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und nicht zur rechtsanwaltstypischen Tätigkeit ist ferner deshalb geboten, weil es andernfalls zu einer nicht begründbaren Ungleichbehandlung zwischen hauptberuflichen Insolvenz- und Zwangsverwaltern aus dem Kreis der freien Berufe i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einerseits und solchen käme, die nicht diesen Berufen angehören […]“; s. zudem BFH v. 26.1.2011 – VIII R 29/08, BFH/NV 2011, 1314. 178) BFH v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BFHE 232, 162 = ZIP 2011, 582; BFH v. 26.1.2011 – VIII R 29/08, BFH/NV 2011, 1314.

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Die Sanierungsmoderator hat mit seiner „Vermittlungsfunktion“ zwischen dem Schuldner 104 und seinen Gläubigern eher die Rolle eines „Sanierungsberaters“. Falls der Sanierungsmoderator einen sog. Katalogberuf als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder z. B. vereidigten Buchprüfer ausübt, ist die Sanierungsmoderation dieser Haupttätigkeit zuzuordnen und unterfällt daher § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Diese Wertung bestätigt § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG sowie § 15 Satz 1 Nr. 9 BOStB. Hiernach ist eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten vereinbar. § 2 Abs. 3 Nr. 2 WPO bringt dies ebenfalls zum Ausdruck. Ist der Sanierungsmoderator jedoch nicht zugleich Freiberufler i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 105 Satz 2 EStG, kann die Sanierungsmoderation nicht als sonstige selbständige Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG behandelt werden. Es fehlt hierfür an der Vergleichbarkeit mit den dort genannten „Berufsbildern“, so dass gewerbliche Einkünfte i. S. des § 15 Abs. 2 EStG i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegen. 2.2

Körperschaftsteuer in der Restrukturierung

2.2.1 Körperschaftsteuerrechtliche Organschaft in der Restrukturierung Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, AktG oder KGaA mit Geschäftsleitung 106 im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des EWRAbkommens (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i. S. des § 291 Abs. 1 AktG, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn die folgenden Voraussetzungen gemäß § 14 Abs. 1 KStG erfüllt sind: 

Der Organträger muss an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung). Mittelbare Beteiligungen sind zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung an jeder vermittelnden Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte gewährt.



Organträger muss eine natürliche Person oder eine nicht von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sein. Organträger kann auch eine Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein, wenn sie eine Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt. Die Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG muss im Verhältnis zur Personengesellschaft selbst erfüllt sein. Die Beteiligung i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG an der Organgesellschaft oder, bei mittelbarer Beteiligung an der Organgesellschaft, die Beteiligung i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG an der vermittelnden Gesellschaft, muss ununterbrochen während der gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte i. S. des § 12 AO des Organträgers zuzuordnen sein. Ist der Organträger mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften an der Organgesellschaft beteiligt, gilt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG sinngemäß. Das Einkommen der Organgesellschaft ist der inländischen Betriebsstätte des Organträgers zuzurechnen, der die Beteiligung i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG an der Organgesellschaft oder, bei mittelbarer Beteiligung an der Organgesellschaft, die Beteiligung i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG an der vermittelnden Gesellschaft zuzuordnen ist. Eine inländische Betriebsstätte ist nur gegeben, wenn die dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte sowohl nach innerstaatlichem Steuerrecht als auch nach einem anzuwendenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der inländischen Besteuerung unterliegen.

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Der Gewinnabführungsvertrag muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.179) Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags durch Kündigung ist unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt. Die Kündigung oder Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags auf einen Zeitpunkt während des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft wirkt auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahrs zurück. Der Gewinnabführungsvertrag gilt auch als durchgeführt, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält, sofern  der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist,  die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen und  ein von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler spätestens in dem nächsten nach dem Zeitpunkt der Beanstandung des Fehlers aufzustellenden Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen wird, soweit es sich um einen Fehler handelt, der in der Handelsbilanz zu korrigieren ist. Die §§ 14 bis 16 KStG gelten gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG entsprechend, wenn eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 bezeichnete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens sich wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen i. S. des § 14 KStG abzuführen. Weitere Voraussetzung ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG, dass  eine Gewinnabführung den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreitet und  eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG180) in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart wird. Das Einkommen der Organgesellschaft ist dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG). Das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen werden gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt (§ 14 Abs. 5 Satz 1 KStG). Die Feststellungen sind für die Besteuerung des Einkommens des Organträgers und der Organgesellschaft bindend (§ 14 Abs. 5 Satz 2 KStG). Dies gilt entsprechend für von der Organgesellschaft geleistete Steuern, die auf die Steuer des Organträgers anzurechnen sind (§ 14 Abs. 5 Satz 3 KStG). Zuständig für diese Feststellungen ist das Finanzamt, das für die Besteuerung nach dem Einkommen der Organgesellschaft zuständig ist (§ 14 Abs. 5 Satz 2 KStG). Die Erklärung zu den gesonderten und einheitlichen Feststellungen soll mit der Körperschaftsteuererklärung der Organgesellschaft verbunden werden (§ 14 Abs. 5 Satz 5 KStG). Die Ermittlung des Einkommens bei einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft regelt § 15 KStG, der auch die Anwendungsbestimmungen zur Besteuerung von Sanierungserträgen gemäß § 3a EStG i. V. m. § 3c Abs. 4 EStG im Organkreis enthält. Für Restrukturierungsverfahren ist zu beachten, dass die finanzielle Eingliederung und die Wirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags durch die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten bzw. Sanierungsmoderators nicht berührt wird.181) Die Anerkennung ___________ 

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179) Der im Abwicklungszeitraum (§ 11 KStG) erzielte Gewinn unterliegt nicht der vertraglichen Gewinnabführungsverpflichtung und ist daher von der Organgesellschaft zu versteuern (H 14.6 KStH unter Bezugnahme auf BFH v. 18.10.1967 – I 262/63, BFHE 90, 370 = DB 1968, 379). 180) Zur Anpassung von Gewinnabführungsverträgen in Altfällen aufgrund der Änderung des § 302 AktG zum 1.1.2021 vgl. BMF-Schreiben v. 24.3.2021 – IV C 2 – S 2770/21/10001 :001, BStBl. I 2021, 379. 181) So bereits zutreffend Eisolt/Wolters, ZInsO 2021, 1058, 1060.

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einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft setzt jedoch voraus, dass der Gewinnabführungsvertrag tatsächlich durchgeführt wird.182) Ein Gewinnabführungsvertrag wird dann tatsächlich durchgeführt, wenn die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne entweder durch Zahlung oder aber durch eine zur Anspruchserfüllung führende und der tatsächlichen Zahlung gleichstehende Aufrechnung abgeführt werden.183) Insofern kann eine Befugnis gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b StaRUG bzw. § 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG der tatsächlichen Durchführung des Gewinnabführungsvertrags entgegenstehen. Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil 111 jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind (§ 302 Abs. 1 AktG). Hat eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet oder sonst überlassen, so hat das herrschende Unternehmen jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht (§ 302 Abs. 2 AktG). Die Gesellschaft kann auf den Anspruch auf Ausgleich erst drei Jahre nach dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 HGB bekannt gemacht worden ist, verzichten oder sich über ihn vergleichen (§ 302 Abs. 3 Satz 1 AktG). Dies gilt nicht, wenn der Ausgleichspflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwen- 112 dung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan oder Restrukturierungsplan geregelt wird (§ 302 Abs. 3 Satz 2 AktG). Der Verzicht oder Vergleich wird nur wirksam, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluss zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt (§ 302 Abs. 3 Satz 3 AktG). 2.2.2 Anwendung der Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, 113 können auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an dem Schuldner beteiligten Personen durch den Restrukturierungsplan gestaltet, sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen getroffen sowie Anteils- und Mitgliedschaftsrechte übertragen werden (§ 2 Abs. 3 StaRUG). Restrukturierungsforderungen können auch in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt werden (§ 7 Abs. 4 Satz 1 StaRUG). Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist ausgeschlossen (§ 7 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Insbesondere kann der Plan eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von 114 Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende an dem Schuldner beteiligte Personen vorsehen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 StaRUG). Der Plan kann vorsehen, dass Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte übertragen werden (§ 7 Abs. 4 Satz 4 StaRUG). Im Übrigen kann jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist (§ 7 Abs. 4 Satz 5 StaRUG). § 225a Abs. 4 und 5 InsO ist entsprechend anzuwenden (§ 7 Abs. 4 Satz 6 StaRUG). Werden Restrukturierungsforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner umgewandelt, kann der Schuldner nach der gerichtlichen Bestätigung des Restrukturierungsplans keine Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan gegen die bisherigen Gläubiger geltend machen (§ 67 Abs. 5 StaRUG). ___________ 182) BFH v. 26.4.2016 – I B 77/15, BFH/NV 2016, 1177. 183) BFH v. 26.4.2016 – I B 77/15, BFH/NV 2016, 1177.

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115 Aus körperschaftsteuerrechtlicher Sicht ist insbesondere die Anwendung der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG zu prüfen, um einen schädlichen Beteiligungserwerb i. S. des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG zu vermeiden.184) Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, der Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Einkünfte (nicht genutzte Verluste) vollständig nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG). 116 Für die Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG ist ein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft unbeachtlich (§ 8c Abs. 1a Satz 1 KStG). Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten (§ 8c Abs. 1a Satz 2 KStG). Die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen setzt gemäß § 8c Abs. 1a Satz 3 KStG voraus, dass 

die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt oder



die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet; § 13a Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 4 ErbStG in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2008 (BGBl. I S. 3018) gilt sinngemäß; oder



der Körperschaft durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt wird. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung liegt vor, wenn der Körperschaft innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 % des in der Steuerbilanz zum Schluss des vorangehenden Wirtschaftsjahrs enthaltenen Aktivvermögens entspricht (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 Satz 2 KStG). Wird nur ein Anteil an der Körperschaft erworben, ist nur der entsprechende Anteil des Aktivvermögens zuzuführen (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 Satz 3 KStG). Der Erlass von Verbindlichkeiten durch den Erwerber oder eine diesem nahestehende Person steht der Zuführung neuen Betriebsvermögens gleich, soweit die Verbindlichkeiten werthaltig sind (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 Satz 4 KStG). Leistungen der Kapitalgesellschaft, die innerhalb von drei Jahren nach der Zuführung des neuen Betriebsvermögens erfolgen, mindern den Wert des zugeführten Betriebsvermögens (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 Satz 5 KStG). Wird dadurch die erforderliche Zuführung nicht mehr erreicht, ist § 8c Abs. 1a Satz 1 KStG nicht mehr anzuwenden (§ 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 Satz 6 KStG).

117 Keine Sanierung liegt vor, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgt (§ 8c Abs. 1a Satz 4 KStG). § 3a Abs. 3 EStG ist auf verbleibende nicht genutzte Verluste anzuwenden, die sich nach einer Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG ergeben (§ 8c Abs. 2 KStG). 118 Eine praxisrelevante Auslegungshilfe aus Sicht der Finanzverwaltung enthält die Verwaltungsanweisung der OFD NRW v. 20.12.2018:185) „Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Sanierungsklausel ist, dass der Anteilserwerb zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Körperschaft zumindest droht oder bereits eingetreten ist. Entsprechend der Gesetzesbegründung ___________ 184) Vgl. Eilers/Schwahn, Sanierungssteuerrecht, S. 53, Rz. 2.119; Uhländer in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 780, Rz. 1633. 185) OFD NRW, Anweisung v. 20.12.2018 – S 2745a – 2015/0011 – St 135.

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(BR-Drs. 567/09) sind zur Bestimmung dieses Zeitkorridors die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts vor MoMiG (§ 32a und § 32b GmbHG a. F.) heranzuziehen. Daher können Anteilserwerbe, die bereits vor der Krise erfolgt sind, die Anwendung des § 8c Abs. 1a KStG nicht auslösen. […] Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Sanierungsklausel ist, dass der Anteilserwerb zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Körperschaft zumindest droht oder bereits eingetreten ist. Entsprechend der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 567/09) sind zur Bestimmung dieses Zeitkorridors die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts vor MoMiG (§ 32a und § 32b GmbHG a. F.) heranzuziehen. Daher können Anteilserwerbe, die bereits vor der Krise erfolgt sind, die Anwendung des § 8c Abs. 1a KStG nicht auslösen. […] Die Erstellung eines Sanierungsplans nach den standardisierten Vorgaben des IDW (IDS ES 6) indiziert eine derartige Sanierung, ist aber nicht in allen Fällen zwingend zu fordern. Es ist ggfs. ausreichend, wenn die Körperschaft die konkreten Maßnahmen darlegt, die die Sanierung herbeiführen sollen.“ 2.2.3 Fortführungsgebundener Verlustvortrag (§ 8d KStG) § 8c KStG ist nach einem schädlichen Beteiligungserwerb auf Antrag nicht anzuwenden, 119 wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein Ereignis i. S. von § 8d Abs. 2 KStG stattgefunden hat (§ 8d Abs. 1 Satz 1 KStG).186) Dies gilt gemäß § 8d Abs. 1 Satz 2 KStG nicht 

für Verluste aus der Zeit vor einer Einstellung oder Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs oder



wenn die Körperschaft zu Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG vorausgeht, Organträger oder an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist.

Ein Geschäftsbetrieb umfasst die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getra- 120 genen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und bestimmt sich nach qualitativen Merkmalen in einer Gesamtbetrachtung (§ 8d Abs. 1 Satz 3 KStG). Qualitative Merkmale sind insbesondere die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte, der Kunden- und Lieferantenkreis, die bedienten Märkte und die Qualifikation der Arbeitnehmer (§ 8d Abs. 1 Satz 4 KStG). Der Antrag ist in der Steuererklärung für die Veranlagung des Veranlagungszeitraums zu stellen, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt (§ 8d Abs. 1 Satz 5 KStG). Der Verlustvortrag, der zum Schluss des Veranlagungszeitraums verbleibt, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt, wird gemäß § 8d Abs. 1 Satz 6 KStG zum fortführungsgebundenen Verlust (fortführungsgebundener Verlustvortrag). Dieser ist gesondert auszuweisen und festzustellen; § 10d Abs. 4 EStG gilt entsprechend (§ 8d Abs. 1 Satz 7 KStG). Der fortführungsgebundene Verlustvortrag ist vor dem nach § 10d Abs. 4 EStG festgestellten Verlustvortrag abzuziehen (§ 8d Abs. 1 Satz 8 KStG). § 8d Abs. 1 Satz 8 KStG gilt bei Anwendung des § 3a Abs. 3 EStG entsprechend (§ 8d Abs. 1 Satz 9 KStG). Wird der Geschäftsbetrieb i. S. des § 8d Abs. 1 KStG eingestellt, geht der nach § 8d Abs. 1 121 KStG zuletzt festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag unter; § 8c Abs. 1 Satz 5 bis 8 KStG gilt bezogen auf die zum Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums ___________ 186) Vgl. Eilers/Schwahn, Sanierungssteuerrecht, S. 45, Rz. 2.106; Uhländer in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 788, Rz. 1637.

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vorhandenen stillen Reserven entsprechend (§ 8d Abs. 2 Satz 1 KStG). Gleiches gilt gemäß § 8d Abs. 2 Satz 2 KStG, wenn 

der Geschäftsbetrieb ruhend gestellt wird,



der Geschäftsbetrieb einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird,



die Körperschaft einen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnimmt,



die Körperschaft sich an einer Mitunternehmerschaft beteiligt,



die Körperschaft die Stellung eines Organträgers i. S. des § 14 Abs. 1 KStG einnimmt oder



auf die Körperschaft Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt.

122 Eine umfassende Stellungnahme aus Sicht der Finanzverwaltung zur Anwendung des § 8d KStG enthält das BMF-Schreiben v. 18.3.2021.187) Der Anwendungsbereich, das Antragserfordernis, die materiellen Voraussetzungen, die Rechtsfolgen, der Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrags, die Stille-Reserven-Klausel, das Verhältnis § 8c KStG zu § 8d KStG und der zeitliche Anwendungsbereich werden mit einer Vielzahl von Fallbeispielen dezidiert erörtert. 2.2.4 Abwicklungsbesteuerung (§ 11 KStG) 123 Wird ein unbeschränkt Steuerpflichtiger i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG nach der Auflösung abgewickelt, so ist der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KStG).188) Der Besteuerungszeitraum soll drei Jahre nicht übersteigen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 KStG). Zur Ermittlung des Gewinns ist das Abwicklungs-Endvermögen dem Abwicklungs-Anfangsvermögen gegenüberzustellen (§ 11 Abs. 2 KStG). 124 Abwicklungs-Endvermögen ist das zur Verteilung kommende Vermögen, vermindert um die steuerfreien Vermögensmehrungen, die dem Steuerpflichtigen in dem Abwicklungszeitraum zugeflossen sind (§ 11 Abs. 3 KStG). Abwicklungs-Anfangsvermögen ist das Betriebsvermögen, das am Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahrs der Veranlagung zur Körperschaftsteuer zugrunde gelegt worden ist (§ 11 Abs. 4 Satz 1 KStG). Ist für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine Veranlagung nicht durchgeführt worden, so ist das Betriebsvermögen anzusetzen, das im Fall einer Veranlagung nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisen gewesen wäre (§ 11 Abs. 4 Satz 2 KStG). Das Abwicklungs-Anfangsvermögen ist um den Gewinn eines vorangegangenen Wirtschaftsjahrs zu kürzen, der im Abwicklungszeitraum ausgeschüttet worden ist (§ 11 Abs. 4 Satz 3 KStG). War am Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums Betriebsvermögen nicht vorhanden, so gilt als Abwicklungs-Anfangsvermögen die Summe der später geleisteten Einlagen (§ 11 Abs. 5 KStG). Auf die Gewinnermittlung sind i. Ü. die sonst geltenden Vorschriften anzuwenden (§ 11 Abs. 6 KStG). 125 Unterbleibt eine Abwicklung, weil über das Vermögen des unbeschränkt Steuerpflichtigen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sind § 11 Abs. 1 bis 6 KStG sinngemäß anzuwenden (§ 11 Abs. 7 KStG).189) ___________ 187) BMF-Schreiben v. 18.3.2021 – IV C 2 – S 2745-b/19/10002 :002, BStBl. I 2021, 363. 188) Vgl. hierzu Deubert/Taetzner in: Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen, S. 979 ff., Rz. 425 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 187; Petersen/Winkelhog in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, S. 192. 189) Zur Problematik, ob die den Körperschaftsteuer-Berechnungen für den mehrjährigen Zeitraum der Abwicklung einer Kapitalgesellschaft zugrunde liegenden Insolvenz-Feststellungsbescheide am Ende des Abwicklungszeitraums durch eine Steuerberechnung unter Anwendung des am Ende des Abwicklungszeitraums geltenden Steuersatzes zu ersetzen sind vgl. BFH v. 7.5.2014 – I R 81/12, BFH/NV 2014, 1593.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

Auch im mehrjährigen Besteuerungszeitraum der Abwicklung einer Kapitalgesellschaft nach 126 § 11 Abs. 1 KStG ist der sog. Sockelbetrag der Mindestbesteuerung von 1 Mio. € (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG) nach Ansicht des BFH190) nur einmal und nicht mehrfach – für jedes Kalenderjahr des verlängerten Besteuerungszeitraums – anzusetzen. Wird eine „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ verschmolzen und verrechnet diese die positiven Einkünfte der „Gewinngesellschaft“ des Rückwirkungszeitraums mit ihren eigenen Verlusten, dann stellt dies nach der Rechtslage des Jahres 2008 keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar.191) 2.2.5 Feststellung Jahresabschluss – Folgen für die Gesellschafter Mit der Feststellung des Jahresabschlusses bestätigen die Gesellschafter nicht nur die Rich- 127 tigkeit der Angaben zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft, sondern sie bekräftigen zugleich rechtsverbindlich die im Jahresabschluss ausgewiesenen Rechtsverhältnisse im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander und verzichten auf diesbezügliche Einreden und Einwendungen.192) Der festgestellte Jahresabschluss kann insofern zivilrechtlich die Bedeutung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses haben.193) Haben die Gesellschafter einer GmbH durch Feststellung des Jahresabschlusses untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft rechtsverbindlich bestätigt, dass eine im Jahresabschluss ausgewiesene Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter in der ausgewiesenen Höhe besteht, ist dies auch für die Besteuerung des Gesellschafters von Bedeutung; die Feststellung des Jahresabschlusses spricht dann zumindest indiziell für das Bestehen der Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft dem Grunde und der Höhe nach.194) 2.3

Gewerbesteuer in der Restrukturierung

2.3.1 Gewerbesteuerrechtliche Organschaft in der Restrukturierung Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft i. S. des § 14 KStG oder § 17 KStG, so gilt 128 sie als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die Ausführungen zu den Voraussetzungen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft gelten daher auch für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft. Die Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG hat nicht zur Folge, dass Organträger und Organgesellschaft als einheitliches Unternehmen anzusehen sind; die Ermittlung der Gewerbeerträge hat weiterhin getrennt zu erfolgen.195) Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags bzw. der Verlustübernahme sind auch für die Fortsetzung einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft in der Krise und Restrukturierung von zentraler Bedeutung. Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Ge- 129 meinden unterhalten worden, so ist der Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Das gilt auch in den Fällen, in denen eine Betriebsstätte sich über mehrere Gemeinden erstreckt hat oder eine Betriebsstätte innerhalb eines Erhebungszeitraums von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde verlegt worden ist (§ 28 Abs. 1 Satz 2 GewStG). ___________ 190) 191) 192) 193) 194) 195)

BFH v. 23.1.2013 – I R 35/12, BFHE 240, 140 = BB 2013, 853. BFH v. 17.11.2020 – I 2/18, BB 2021. 1431. BFH v. 2.7.2019 – IX R 13/18, BFHE 265, 333 = BB 2019, 2928. BFH v. 2.7.2019 – IX R 13/18, BFHE 265, 333 = BB 2019, 2928. BFH v. 2.7.2019 – IX R 13/18, BFHE 265, 333 = BB 2019, 2928. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Gewerbesteuerrechts (Gewerbesteuer-Richtlinien 2009 – GewStR 2009), R. 2.3 (1) GewStR.

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10. Teil Steuerrecht

2.3.2 Verlustberücksichtigung gemäß § 10a GewStG 130 Der maßgebende Gewerbeertrag wird bis zu einem Betrag i. H. von 1 Mio. € um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind (§ 10a Satz 1 GewStG). Der 1 Mio. € übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist bis zu 60 % um nach § 10a Satz 1 GewStG nicht berücksichtigte Fehlbeträge der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen (§ 10a Satz 2 GewStG). 131 Im Fall des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG kann die Organgesellschaft den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um Fehlbeträge kürzen, die sich vor dem rechtswirksamen Abschluss des Gewinnabführungsvertrags ergeben haben (§ 10a Satz 3 GewStG). Bei einer Mitunternehmerschaft ist der sich für die Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende Fehlbetrag den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen; Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen (§ 10a Satz 4 GewStG). Für den Abzug der den Mitunternehmern zugerechneten Fehlbeträge nach Maßgabe der § 10a Satz 1 und 2 GewStG ist der sich für die Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende maßgebende Gewerbeertrag sowie der Höchstbetrag nach § 10a Satz 1 GewStG den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag für das Abzugsjahr ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen; Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen (§ 10a Satz 5 GewStG). 132 Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 6 GewStG). Vortragsfähige Fehlbeträge sind die nach der Kürzung des maßgebenden Gewerbeertrags nach Satz 1 und 2 zum Schluss des Erhebungszeitraums verbleibenden Fehlbeträge (§ 10a Satz 7 GewStG). Im Fall des § 2 Abs. 5 GewStG kann der andere Unternehmer den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags des übergegangenen Unternehmens ergeben haben (§ 10a Satz 8 GewStG). § 8 Abs. 8 und 9 Satz 5 bis 8 KStG ist entsprechend anzuwenden (§ 10a Satz 9 GewStG). 133 Auf die Fehlbeträge ist § 8c KStG entsprechend anzuwenden; dies gilt auch für den Fehlbetrag einer Mitunternehmerschaft, soweit dieser  einer Körperschaft unmittelbar oder  einer Mitunternehmerschaft, soweit an dieser eine Körperschaft unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt ist, zuzurechnen ist (§ 10a Satz 10 GewStG). Auf die Fehlbeträge ist § 8d KStG entsprechend anzuwenden, wenn ein fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG gesondert festgestellt worden ist (§ 10a Satz 11 GewStG). Unterbleibt eine Feststellung nach § 8d Abs. 1 Satz 8 KStG, weil keine nicht genutzten Verluste nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vorliegen, ist auf Antrag auf die Fehlbeträge § 8d KStG entsprechend anzuwenden; für die Form und die Frist dieses Antrags gilt § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG entsprechend (§ 10a Satz 12 GewStG). 2.3.3 Gewerbeertrag bei Abwicklung von Unternehmen 134 Ein Gewerbebetrieb, der aufgegeben oder aufgelöst wird, bleibt Steuergegenstand bis zur Beendigung der Aufgabe oder Abwicklung (§ 4 Abs. 1 GewStDV). Die Gewerbesteuerpflicht wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers nicht berührt (§ 4 Abs. 2 GewStDV). Der Gewerbeertrag, der bei einem in der Abwicklung befindlichen Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 2 GewStG im Zeitraum der Abwicklung entstanden ist, ist auf die Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen (§ 16 Abs. 1 GewStDV). Das gilt entsprechend für Gewerbebetriebe, wenn über das Vermögen des Unter1062

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

nehmens ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 16 Abs. 2 GewStDV). Während eines laufenden Restrukturierungsverfahren ohne Abwicklung oder Betriebsaufgabe des Unternehmens finden diese Sondervorschriften folglich keine Anwendung. 2.4

Umsatzsteuer in der Restrukturierung

2.4.1 Umsatzsteuerrechtliche Organschaft in der Restrukturierung Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 135 Abs. 1 Satz 1 UStG). Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht 136 selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person196) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (umsatzsteuerrechtliche Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).197) Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 UStG). Eine finanzielle Eingliederung i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG liegt vor, wenn der 137 Organträger finanziell in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann.198) Für eine wirtschaftliche Eingliederung i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ist es charakteristisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint.199) Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein.200) Der V. Senat des BFH verlangt für das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen und seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen können muss, während der XI. Senat bisher darauf abgestellt hatte, dass der Organträger eine von seinem Willen abweichende Willensbildung bei der Organgesellschaft verhindern kann.201) Für den Bereich der Insolvenz hat der BFH diese allgemeinen Grundsätze bereichsspezifisch weiter konkretisiert und insolvenzrechtlichen Wertungen weitgehend angenähert.202) In Restrukturierungsverfahren liegen die Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen 138 Organschaft grundsätzlich weiterhin vor. Bei Befugnissen gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2b StaRUG für den Restrukturierungsbeauftragten ist die organisatorische Eingliederung jedoch nicht ___________ 196) Zur finanziellen Eingliederung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft in unionsrechtskonformer Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG vgl. Abschn. 2.8 (5a) UStAE; zur grundsätzlichen unionsrechtlichen Problematik vgl. plakativ Jacobi, ZInsO 2022, 2501. 197) Bei einer Organschaft bezieht der Organträger die Eingangsleistung, so dass es für § 13b Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG auf die Außenumsätze des Organkreises ankommt (BFH v. 23.7.2020 – V R 32/19, BB 2020, 2659). 198) BFH v. 27.11.2020 – XI R 35/17, ZIP 2020, 469. 199) BFH v. 27.11.2020 – XI R 35/17, ZIP 2020, 469. 200) BFH v. 27.11.2020 – XI R 35/17, ZIP 2020, 469. 201) BFH v. 27.11.2020 – XI R 35/17, ZIP 2020, 469. 202) BFH v. 27.11.2020 – XI R 35/17, ZIP 2020, 469.

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mehr gegeben.203) Bei Bestellung eines vorläufigen Sachwalters ist Rechtsänderung des § 276a StaRUG das maßgebliche Kriterium für die Beurteilung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH204) hat weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft beendet, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt.205) Trotz Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bestand bislang eine finanzielle Eingliederung, weil § 276a InsO a. F. während der vorläufigen Eigenverwaltung nicht anwendbar gewesen ist. Die Finanzverwaltung diese Thematik durch zwei BMF-Schreiben206) erörtert: „Mit BMF-Schreiben vom 4. März 2021, III C 2 – S 7105/20/10001 :001, BStBl I S. 316 haben die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beschlossen, dass weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft eine Organschaft beenden, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 2019, XI R 35/17, BStBl 2021 II S. 252). Im Rahmen des SanInsFoG vom 22. Dezember 2020 wurde die Insolvenzordnung bezüglich der Regelungen zum Eigenverwaltungsverfahren (§§ 270 ff. InsO) ergänzt. Nach § 276a Abs. 3 InsO in der ab dem 1. Januar 2021 geltenden Fassung findet nunmehr § 276a Abs. 1 InsO auch vor Verfahrenseröffnung Anwendung, wenn die vorläufige Eigenverwaltung oder eine andere Sicherungsmaßnahme angeordnet wurde. Gemäß § 5 Abs. 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) ist § 276a InsO auf Eigenverwaltungsverfahren, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Dezember 2021 beantragt werden, grundsätzlich in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird im Umsatzsteuer-Anwendungserlass […] Abschnitt 2.8. Abs. 12 nach Satz 6 folgender Satz 7 angefügt: 7Satz 6 gilt nicht für vorläufige Eigenverwaltungsverfahren, die nach dem 31.12.2020 angeordnet wurden, es sei denn, diese fallen unter die Anwendung des § 5 Abs. 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG).“ 139 Verfügen mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer GmbH und einer Personengesellschaft, ist die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert.207) Eine GmbH kann auch nicht über zwei gemeinsame Gesellschafter mittelbar finanziell in einer GbR eingegliedert sein.208) 140 Die für die wirtschaftliche Eingliederung i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG erforderliche Verflechtung der Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft kann auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt.209) ___________ So bereits zutreffend Eisolt/Wolters, ZInsO 2021, 1058, 1060. BFH v. 27.11.2020 – XI R 35/17, ZIP 2020, 469. BFH v. 27.11.2020 – XI R 35/17, ZIP 2020, 469. BMF-Schreiben v. 22.6.2021 – III C 2 S 7105/10001 :001, BStBl. I 2021, 316, und BMF-Schreiben v. 4.3.2021 – III C 2 S 7105/10001 :001, BStBl. I 2021, 316; vgl. Uhländer, DB 2022, 1152 ff. 207) BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09, BFHE 229, 433 = ZIP 2010, 1491. 208) BFH v. 10.6.2010 – V R 62/09, BFH/NV 2011, 79. 209) BFH v. 18.9.2019 – XI R 39/17, NJW 2020, 640. 203) 204) 205) 206)

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Rechtsanwalts-GmbH Rechtsanwalts-Dienstleistungen von ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer, einem Rechtsanwalt, bezieht. Zu einer wirtschaftlichen Eingliederung durch Darlehen kann es nur kommen, wenn diese i. R. eines Unternehmens gewährt werden. Darlehen durch entgeltliches Stehenlassen von Ansprüchen reichen nicht.210) 2.4.2 Forderungseinzug in der Restrukturierung Die Rechtsprechung des BFH zum Forderungseinzug211) im vorläufigen Insolvenzverfahren 141 und ab Insolvenzeröffnung ist auf das Restrukturierungsverfahren nicht anwendbar, da es an einer gesonderten Vermögensmasse fehlt.212) 2.4.3 Vorsteuerkorrektur in der Restrukturierung Im vorläufigen Insolvenzverfahren findet eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 142 Satz 1 UStG statt.213) Bislang sieht die Finanzverwaltung keine Vorsteuerkorrektur in der Restrukturierung vor.214) Kahlert215) stellt zur Diskussion, dass eine Vollstreckungssperre von bis zu 60 Tagen keine Vorsteuerkorrektur auslösen könnte; es sei daher zu erwägen, eine etwaige Vorsteuerberichtigung durch eine vorherige Umwandlung in ein Darlehen zu vermeiden. Diese Überlegungen erscheinen sachgerecht, um bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung Berichtigungen gemäß § 153 AO zu vermeiden. 2.4.4 Leistungsaustausch Restrukturierungsbeauftragter – Schuldner? Der selbständige Restrukturierungsbeauftragte erbringt als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 143 UStG umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung an das Restrukturierungsgericht im Leistungsaustausch. Aus Sicht des Schuldnerunternehmens ist daher kein Vorsteuerabzug aus der Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten möglich.216) Diese Fallgestaltung ist nicht mit dem Vorsteuerabzug aus der Rechnung eines Insolvenzverwalters vergleichbar, der das Schuldnerunternehmen fortführt.217) 2.4.5 Leistungsaustausch Sanierungsmoderator – Schuldner? Auch der selbständige Sanierungsmoderator erbringt als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 144 UStG umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung an das Restrukturierungsgericht im Leistungsaustausch. Aus Sicht des Schuldnerunternehmens ist demgemäß kein Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG möglich; diese Eingangsleistung ist nicht mit der Eingangsleistung ___________ 210) BFH v. 13.11.2019 – V R 30/18, ZIP 2020, 614. Hat der Mehrheitsgesellschafter die Umsätze der Tochtergesellschaft für das FA erkennbar in seiner Steueranmeldung erfasst, obwohl die Voraussetzungen für eine Organschaft nicht gegeben sind, beginnt die Festsetzungsfrist bei der Tochtergesellschaft gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Mehrheitsgesellschafter die Steueranmeldung abgegeben hat (BFH v. 13.11.2019 – V R 30/18, ZIP 2020, 614). 211) Vgl. umfassend hierzu Waza in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 924 ff., Rz. 1972 ff. 212) Ebenso Kahlert, WPg 2021, 867, 869. 213) Vgl. dezidiert Waza in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 986 ff., Rz. 2117 ff. 214) Vgl. Abschn. 17.1 (16) UStAE; Wollring/Passecker, ZRI 2022, 308, weisen aber zutreffend darauf hin: „Spätestens mit Rechtskraft des Restrukturierungsplans ist die Vorsteuer um den dauerhaft nicht mehr durchsetzbaren Anteil zu berichtigen.“ 215) Kahlert, WPg 2021, 867, 872. 216) So zutreffend bereits Schmittmann, ZRI 2021, 705; m. E. wird diese Sichtweise durch BFH v. 21.4.2022 – V R 18/19, ZIP 2022, 1879, zum Vorsteuerabzug der Insolvenzmasse aus der Rechnung des Kassenprüfers eher bestätigt, da es im Restrukturierungsverfahren gerade keine eigenständige Vermögensmasse (vergleichbar der Insolvenzmasse) gibt. Der Restrukturierungsbeauftragte ist eher mit einem gerichtlich bestellten Gutachter vergleichbar. 217) Vgl. für das Insolvenzverfahren Waza in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 971 ff., Rz. 2096 ff.

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aus der Rechnung eines Rechtsanwalts vergleichbar, der eine direkte Beratungsleistung für das Schuldnerunternehmen erbringt. II.

Restrukturierung – Steuerbefreiung von Sanierungserträgen

1.

Abgrenzung Restrukturierungsplan – Sanierungsplan

145 Der Restrukturierungsplan besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil (§ 5 Satz 1 StaRUG). Der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans legt fest, wie die Rechtsstellung der Inhaber der Restrukturierungsforderungen, der Absonderungsanwartschaften, der Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte (Planbetroffenen) durch den Plan geändert werden soll (§ 7 Abs. 1 StaRUG). Ist im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt, wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Gläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen aus den in den Plan einbezogenen Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften befreit (§ 11 Satz 1 StaRUG). Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine KGaA, so gilt dies entsprechend für die persönliche Haftung der unbeschränkt haftenden Gesellschafter (§ 11 Satz 2 StaRUG). Mit der Bestätigung des Restrukturierungsplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen ein (§ 67 Abs. 1 Satz 1 StaRUG). Dies gilt auch im Verhältnis zu Planbetroffenen, die gegen den Plan gestimmt haben oder die an der Abstimmung nicht teilgenommen haben, obgleich sie ordnungsgemäß an dem Abstimmungsverfahren beteiligt worden sind (§ 67 Abs. 1 Satz 2 StaRUG). Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine KGaA, wirkt eine Befreiung des Schuldners von Verbindlichkeiten auch zugunsten seiner persönlich haftenden Gesellschafter, sofern im Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt ist (§ 67 Abs. 2 StaRUG). 146 Der Sanierungsmoderator vermittelt zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten (§ 96 Abs. 1 StaRUG). Ein Sanierungsvergleich, den der Schuldner mit seinen Gläubigern schließt und an dem sich auch Dritte beteiligen können, kann auf Antrag des Schuldners durch das Restrukturierungsgericht bestätigt werden. Die Bestätigung wird gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 StaRUG versagt, wenn das dem Vergleich zugrunde liegende Sanierungskonzept 

nicht schlüssig ist oder nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht oder



keine vernünftige Aussicht auf Erfolg hat.

147 Ein gerichtlich bestätigter Sanierungsvergleich ist nur unter den Voraussetzungen des § 90 StaRUG anfechtbar (§ 97 Abs. 3 StaRUG). 2.

Einkommensteuerbefreiung gemäß § 3a EStG in der Restrukturierung

2.1

Anwendungsbereich des § 3a EStG

2.1.1 Schuldenerlass i. S. des § 3a Abs. 1 EStG 148 Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung i. S. des § 3a Abs. 2 EStG (Sanierungsertrag) sind gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG steuerfrei.218) Der „Schuldenerlass“ i. R. eines Restrukturierungsplans bzw. Sanierungsvergleichs ist eine begünstigte Sanierungsmaßnahme i. S. des § 3a EStG, die zu einem „Wegfall“ von betrieblichen Verbindlichkeiten führt.219) ___________ 218) Vgl. Eilers/Schwahn, Sanierungssteuerrecht, S. 16 ff., Rz. 2.36 ff. 219) Vgl. Uhländer, DB 2021, 16, 19.

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Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan

§ 44

Die Gesetzesbegründung220) bestätigt diese Einschätzung:

149

„Ein Sanierungsertrag ist die betrieblich veranlasste Erhöhung des Betriebsvermögens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung durch die vorhandenen Gläubiger (Gläubigerakkord) ganz oder teilweise erlassen werden. Ein begünstigter Schuldenerlass kann u. a. durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, durch die der Gläubiger auf eine Forderung verzichtet (Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB), oder durch ein Anerkenntnis, dass ein Schuldverhältnis nicht besteht (negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 Abs. 2 BGB), vorgenommen werden. Steuerbegünstigt sind auch Betriebsvermögensmehrungen aufgrund von Forderungsverzichten i. R. eines Insolvenzplanverfahrens (§§ 217 ff. InsO), das nicht auf die Zerschlagung des Unternehmens ausgerichtet ist.“ 2.1.2 Unternehmensbezogene Sanierung i. S. des § 3a Abs. 2 EStG Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeit- 150 punkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist (§ 3a Abs. 2 EStG).221) Keine begünstigte Sanierung ist gegeben, „soweit die Schulden erlassen werden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen.“222) 2.1.3 Ausübung von steuerlichen Wahlrechten Sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass steu- 151 erfrei, sind steuerliche Wahlrechte in dem Jahr, in dem ein Sanierungsertrag erzielt wird (Sanierungsjahr) und im Folgejahr im zu sanierenden Unternehmen gewinnmindernd auszuüben (§ 3a Abs. 1 Satz 2 EStG). Insbesondere ist der niedrigere Teilwert, der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG angesetzt werden kann, im Sanierungsjahr und im Folgejahr anzusetzen (§ 3a Abs. 1 Satz 3 EStG). 2.2

Rechtsfolgen des § 3a EStG

Nicht abziehbare Beträge i. S. des § 3c Abs. 4 EStG, die in Veranlagungszeiträumen vor 152 dem Sanierungsjahr und im Sanierungsjahr anzusetzen sind, mindern den Sanierungsertrag (§ 3a Abs. 3 Satz 1 EStG). Dieser Betrag mindert nacheinander die in § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 13 EStG genannten Verluste.223) Bei Zusammenveranlagung sind auch die laufenden Beträge und Verlustvorträge des anderen Ehegatten einzubeziehen (§ 3a Abs. 3 EStG). ___________ 220) Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z. Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, BT-Drucks. 18/12128, S. 32. 221) Zur Auslegung der unternehmensbezogenen Sanierung im Lichte der bisherigen BFH-Rspr. zum Sanierungserlass vgl. BFH v. 27.11.2020 – X B 63/20, NZI 2021, 591. 222) Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z. Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, BT-Drucks. 18/12128, S. 32. 223) „Eine bloße Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns hätte wie die Vorgängerregelung des § 3 Nummer 66 EStG (alt) eine sachlich nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung zur Folge. Der Sanierungsgewinn würde nicht mit negativen Einkünften ausgeglichen und insbesondere nicht um einen etwaigen festgestellten Verlustvortrag nach § 10d Absatz 4 gemindert, der i. Ü. zeitlich unbefristet vorgetragen werden könnte. In Absatz 3 ist daher geregelt, dass bis zur Höhe des um die nicht abziehbaren Sanierungskosten im Sinne von § 3c Absatz 4 EStG geminderten Sanierungsertrags bestehende Verlustverrechnungspotentiale aus den Vorjahren, dem Sanierungsjahr und dem Sanierungsjahr folgenden Jahr verbraucht werden. Es gilt dabei die in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 13 geregelte Reihenfolge des Verlustverbrauchs. Zuerst werden danach die Verlustverrechnungsvolumina, die direkt dem zu sanierenden Unternehmen zugerechnet werden, verbraucht, anschließend gehen die übrigen Verlustverrechnungsvolumina des (Mit-)Unternehmers unter. […]“ (Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z. Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, BT-Drucks. 18/12128, S. 33).

Uhländer

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§ 44

10. Teil Steuerrecht

153 Sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a oder lit. b AO gesondert festzustellen, ist auch die Höhe des Sanierungsertrags nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG sowie die Höhe der nach § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 und 13 EStG mindernden Beträge gesondert festzustellen (§ 3a Abs. 4 Satz 1 EStG). Zuständig für die gesonderte Feststellung ist das Finanzamt, das für die gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zuständig ist (§ 3a Abs. 2 Satz 2 EStG). 154 Wurden verrechenbare Verluste und Verlustvorträge ohne Berücksichtigung des § 3a Abs. 3 Satz 2 EStG bereits festgestellt oder ändern sich die nach § 3a Abs. 3 Satz 2 EStG mindernden Beträge, ist der entsprechende Feststellungsbescheid insoweit zu ändern (§ 3a Abs. 3 Satz 3 EStG). Das gilt auch dann, wenn der Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist; die Feststellungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist des Einkommensteuerbescheids oder Körperschaftsteuerbescheids für das Sanierungsjahr abgelaufen ist (§ 3a Abs. 4 Satz 5 EStG). 2.3

Besonderheiten bei der Restschuldbefreiung gemäß § 3a Abs. 5 EStG

155 § 3a Abs. 5 EStG ist nicht mit Blick auf Restrukturierungsverfahren in seinem Anwendungsbereich verändert worden.224) Nur Erträge aus einer nach den §§ 286 ff. InsO erteilten Restschuldbefreiung, einem Schuldenerlass auf Grund eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans zur Vermeidung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach den §§ 304 ff. InsO oder auf Grund eines Schuldenbereinigungsplans, dem in einem Verbraucherinsolvenzverfahren zugestimmt wurde oder wenn diese Zustimmung durch das Gericht ersetzt wurde, sind, soweit es sich um Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen handelt, ebenfalls steuerfrei, auch wenn die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung i. S. des Abs. 2 nicht vorliegen (§ 3a Abs. 5 Satz 1 EStG). § 3a Abs. 3 EStG gilt entsprechend (§ 3a Abs. 5 Satz 2 EStG). Restrukturierungsverfahren ohne Unternehmensfortführung sind daher weder nach § 3a Abs. 1 EStG i. V. m. § 3a Abs. 2 EStG noch nach § 3a Abs. 5 EStG steuerbegünstigt. 3.

Körperschaftsteuerbefreiung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 3a EStG in der Restrukturierung

3.1

Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 3a EStG

156 Für die Körperschaftsteuer ist § 3a EStG über die allgemeine Verweisungsnorm des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG anwendbar. Sonderregelungen enthalten § 8c Abs. 2 KStG, § 8d Abs. 1 Satz 9 KStG und § 15 Satz 1 Nr. 1a KStG. 3.2

Rechtsfolgen des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 3a EStG

157 Über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG finden die allgemeinen Rechtsfolgen der Steuerbefreiung von Sanierungserträgen auch im Bereich der Körperschaftsteuer Anwendung. 3.3

Besonderheiten gemäß § 15 Nr. 1a KStG

158 Auf einen sich nach § 3a Abs. 3 Satz 4 EStG ergebenden verbleibenden Sanierungsertrag einer Organgesellschaft ist § 3a Abs. 3 Satz 2, 3 und 5 EStG beim Organträger anzuwenden (§ 15 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 KStG). Wird der Gewinn des Organträgers gesondert und einheitlich festgestellt, gilt § 3a Abs. 4 EStG entsprechend (§ 15 Satz 1 Nr. 1a Satz 2 KStG). Dies gilt auch, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 KStG im Sanierungsjahr nicht vorliegen und das Einkommen der Organgesellschaft in einem innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Sanierungsjahr liegenden Veranlagungszeitraum dem Organträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zugerechnet worden ist (§ 15 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 KStG). ___________ 224) Zum Regelungsdefizit des § 3a Abs. 5 EStG vgl. Uhländer, DB 2021, 16, 19.

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Uhländer

Steuerfolgen der Sanierung durch den Restrukturierungsplan 4.

§ 44

Gewerbesteuerbefreiung gemäß § 7b GewStG in der Restrukturierung

Die §§ 3a und 3c Abs. 4 EStG sind vorbehaltlich § 7b Abs. 2 und 3 GewStG bei der Er- 159 mittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden (§ 7b Abs. 1 Satz 1 GewStG).225) Der nach Anwendung des § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG verbleibende geminderte Sanierungsertrag i. S. des § 3a Abs. 3 Satz 1 EStG mindert gemäß § 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG nacheinander 

den negativen Gewerbeertrag des Sanierungsjahrs des zu sanierenden Unternehmens,



Fehlbeträge i. S. des § 10a Satz 3 GewStG und



im Sanierungsjahr ungeachtet des § 10a Satz 2 GewStG die nach § 10a Satz 6 GewStG zum Ende des vorangegangenen Erhebungszeitraums gesondert festgestellten Fehlbeträge; die in § 10a Satz 1 und 2 GewStG genannten Beträge werden der Minderung entsprechend aufgebraucht.

Ein nach § 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG verbleibender Sanierungsertrag mindert die Beträge 160 nach § 7b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GewStG eines anderen Unternehmens, wenn dieses die erlassenen Schulden innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Schuldenerlass auf das zu sanierende Unternehmen übertragen hat und soweit die entsprechenden Beträge zum Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Übertragung bereits entstanden waren (§ 7b Abs. 2 Satz 2 GewStG). Der verbleibende Sanierungsertrag nach § 7b Abs. 2 Satz 2 GewStG ist zunächst um den Minderungsbetrag nach § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 13 EStG zu kürzen (§ 7b Abs. 2 Satz 3 GewStG). Bei der Minderung nach § 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG ist § 10a Satz 4 und 5 GewStG entsprechend anzuwenden (§ 7b Abs. 2 Satz 4 GewStG). In Fällen des § 10a Satz 9 GewStG ist § 8 Abs. 9 Satz 9 KStG entsprechend anzuwenden (§ 7b Abs. 2 Satz 5 GewStG). An den Feststellungen der vortragsfähigen Fehlbeträge nehmen nur die nach Anwendung der § 7b Abs. 2 Satz 1 und 2 GewStG verbleibenden Beträge teil (§ 7b Abs. 2 Satz 6 GewStG). In den Fällen des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG ist § 15 Satz 1 Nr. 1a KStG entsprechend anzuwenden (§ 7b Abs. 3 Satz 1 GewStG).

___________ 225) „Absatz 1 erklärt die Regelungen der §§ 3a und 3c Absatz 4 EStG für gewerbesteuerliche Zwecke grundsätzlich für anwendbar. Dies ist wegen § 7 GewStG insoweit deklaratorisch, als diese einkommensteuerlichen Regelungen Gewinnermittlungsvorschriften sind.“ (Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z. Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, BT-Drucks. 18/12128, S. 37).

Uhländer

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Stichwortverzeichnis Abfindung – Anteilsinhaber/Mitglieder § 25, 53 – Freiwilligen- und Anspracheprogramm § 43, 46 ff. Absatzkrise § 2, 15 f. – Feststellung § 5, 140 ff. – Überwindung § 2, 67 ff. Absolute Priority § 34, 78 ff. – Durchbrechung § 34, 115 ff. Absonderungsanwartschaft – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 11, 48 ff. – Gestaltungsmaßnahmen § 24, 4 ff. – Gruppenbildung § 23, 27 ff.; § 33, 26 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11, 14 ff. – Restrukturierungsforderungen, Betrag § 33, 128 ff. – Restrukturierungsplan § 20, 31 – Restrukturierungsplan, Inhalt § 20, 57 ff. – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 14, 122 ff. – Stabilisierungsanordnung, Wertverlust § 36, 28 – Stimmrechte § 33, 151 f. Abstimmung s. Restrukturierungsplan – Abstimmung; Restrukturierungsplan – Annahme AG – Aktiengattungen § 25, 60 – Entscheidungskompetenz § 29, 95 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5 ff. – Unternehmensverträge § 25, 22 f. Amtsermittlungsgrundsatz § 11, 69 – Insolvenzverfahren § 8, 75 f. – Restrukturierungsverfahren, Aufhebung § 13, 4 – StaRUG-Verfahren § 8, 77 ff. Amtshaftung – Restrukturierungsgericht § 11, 70 Analyse s. Krise; Unternehmensanalyse Anfechtung – Darlegungs-/Beweislast § 40, 72 ff. – Fristen, Berechnung § 40, 95 ff.

– Gesellschafterdarlehen § 40, 66, 75 ff. – Gläubigerbenachteiligung, vorsätzliche § 40, 22 ff. – Insolvenzverschleppung, Beitrag § 40, 38 ff. – Kenntnis über Insolvenzreife § 40, 34 – Kenntnis über Restrukturierungskonzept § 40, 32 – Kenntnis von d. drohenden Zahlungsunfähigkeit § 40, 31 – Kenntnis von d. Restrukturierungssache § 40, 25 ff. – Kleinbeteiligtenprivileg § 40, 83 – Restrukturierungsverfahren § 1, 62 ff. – Sanierungsprivileg § 40, 84 – Sanierungsvergleich § 15, 138 ff. – Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung, Eintritt § 40, 42 ff. Anfechtungsschutz § 40, 1 ff. – Ausnahmen § 40, 66 – Dauer § 40, 69 ff. – erfasste Tatbestände § 40, 50 f. – Falschangaben § 40, 66, 85 ff. – Fristen, Berechnung § 40, 95 ff. – Insolvenzreife § 40, 45 ff. – Phase d. Rechtshängigkeit § 40, 20 ff. – Planfolgen/-vollzug § 40, 58 ff. – Rechtfertigung § 40, 67 ff. – Restrukturierungsrichtlinie § 40, 8 ff. – Sanierungsvergleich § 40, 99 ff. – Übertragung d. gesamten Vermögens § 40, 91 ff., 103 Anhörung – Planbetroffene § 30, 25, 39 ff. – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 35, 14 ff. Anteilsinhaber – Abfindung § 25, 53 – angemessene Beteiligung § 34, 107 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Änderung § 27, 71 ff. – Anteilseinziehung § 27, 78 – Ausschluss § 25, 49 f. – Bezugsrecht § 25, 57 ff. – Debt Equity Swap § 37, 95 ff. – Eingriffe § 25, 43 ff.

1071

Stichwortverzeichnis – Eingriffe im Krisenstadium § 22, 86 ff. – Fremdkapitalinstrumente § 25, 36 – Gesellschafterdarlehen, Rückzahlung § 40, 66, 75 ff. – Gesellschafterkommunikation § 4, 50 f. – Gesellschaftervereinbarungen § 25, 76 f. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 85 ff. – Gestaltungsmaßnahmen § 22, 89 ff.; § 25, 46 ff. – Gruppenbildung § 23, 30; § 33, 42 ff. – Haftungsbefreiung § 37, 72 ff. – Kapitalerhöhung § 25, 48 – Kapitalherabsetzung § 25, 51 – Mehrheitsregelungen § 25, 60 – Mischformen § 25, 42 – mittelbare Gesellschafterstellung § 25, 32 ff. – Nachschusspflichten § 25, 66 – Restrukturierungsbeauftragter, Vorschlagsrecht § 11, 33 – Restrukturierungsplan, Einbeziehung § 20, 78 ff. – Restrukturierungsplan, gesellschaftsrechtl. Erfordernisse § 17, 56 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 57 ff. – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 68 ff. – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 14, 125 f. – Satzung, Änderung § 25, 28 ff., 46 ff. – schuldrechtliche Vereinbarungen § 25, 56 – Sonderrechte, Aufhebung § 25, 47 – stille Gesellschaft § 25, 37 ff. – Stimmrechte § 33, 132 ff. – Unterbeteiligung § 25, 32 ff. – Weisungen § 29, 81; § 31, 11 f. – Weisungen an d. Geschäftsleitung § 10, 91 f. – Zustimmungserklärungen § 31, 37 Anteilsrechte – an Drittgesellschaften, Übertragung § 25, 78 ff. – Anteilspflichten § 25, 85

1072

– Auslandsgesellschaften § 25, 11 – Begriff § 25, 14 ff. – Eingriffe, Prüfung durch d. Gericht § 25, 96 – Eingriffe, Schranken § 25, 86 ff. – Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit § 25, 4 ff. – Gesellschaftervereinbarungen § 25, 24 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 4 ff. – juristische Personen § 25, 4 – Konzern § 25, 13 – Minderheitenschutz, Maßnahmen § 25, 92 – Restrukturierungsrichtlinie § 25, 2 f. – Übertragung § 25, 67 ff. – Vereine § 25, 5 ff. Anwartschaftsrechte s. a. Absonderungsanwartschaft; Aussonderungsanwartschaft – Restrukturierungsplan, Inhalt § 20, 57 ff. Anzeigepflicht – fehlende Erfolgsaussicht § 10, 27 ff. – Geschäftsführung § 10, 69 f., 71 f., 75 – Insolvenzreife § 7, 63; § 8, 120 ff.; § 10, 20 ff., 40 f., 55; § 40, 42 ff., 52 ff. – Restrukturierungsplan, Überwachung § 38, 18, 21, 36 ff. Arbeitgeber – Arbeitnehmervertretungen, Beteiligung § 43, 3 ff. – Aufhebungsvertrag § 43, 17 ff. – Beschäftigungssicherungsverfahren § 43, 104 ff.; s. a. dort – Massenentlassung § 43, 65 ff.; s. a. dort – Verstöße gegen BetrVG, Auswirkungen § 43, 138 ff. Arbeitnehmer – Arbeitnehmervertretungen, Beteiligung § 43, 3 ff. – Aufhebungsvertrag § 43, 17 ff.; s. a. Arbeitsverhältnisse – Aufhebungsvertrag – Beschäftigungssicherungsverfahren § 43, 104 ff.; s. a. dort – Eigenkündigung § 43, 73

Stichwortverzeichnis – Massenentlassung § 43, 65 ff.; s. a. dort – Mitarbeiterkommunikation § 4, 43 ff. Arbeitnehmervertretungen – Beteiligung, Dokumentation § 43, 9 f. – Beteiligung, fehlerhafte § 43, 7 f. – StaRUG-Regelungen § 43, 1 ff.; s. a. Betriebsrat Arbeitsverhältnisse – Arbeitnehmer, Rechtsstellung § 29, 105 – Beschäftigungssicherungsverfahren § 43, 104 ff.; s. a. dort – Betriebsänderungen § 43, 144 – Eigenkündigung § 43, 73 – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 46 f. – Massenentlassung § 43, 65 ff.; s. a. dort – nicht Gestaltbarkeit § 20, 13 ff. – Restrukturierungsplan, Auswirkungen § 19, 46 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 23 ff., 46 – StaRUG-Regelungen § 43, 1 ff. – Verstöße gegen BetrVG, Auswirkungen § 43, 138 ff. Arbeitsverhältnisse – Aufhebungsvertrag – Freiwilligen- und Anspracheprogramm § 43, 22 ff.; s. a. dort – Massenentlassung § 43, 73 – Überblick § 43, 17 ff. Asset Deal § 28, 53 Aufhebung s. Restrukturierungsverfahren – Aufhebung Aufrechnung – erlassene Forderungen § 37, 50 ff. – Planregelung § 27, 66 – Verwertungssperre § 16, 39 Aufsichtsrat – Entscheidungskompetenz § 29, 92 ff. – Haftung § 10, 60 – Krisenfrüherkennungssystem § 5, 20 – Restrukturierungsplan, Regelungen § 27, 76 Auskunftsanspruch – Überwachung d. Planerfüllung § 38, 26 f.

Auslegung – Restrukturierungsplan § 29, 24 f., 57 ff.; § 37, 19 ff. Außergerichtliche Sanierung – Abgrenzung z. Restrukturierungsverfahren § 17, 7 ff. Aussonderungsanwartschaft – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 2 ff.; § 24, 3

Bassin-Vertrag – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 79 ff. Bedingungen – Eintrittszeitpunkt § 37, 10 – Restrukturierungsforderungen § 33, 116 f. – Restrukturierungsplan, aufschiebende Bedingung § 29, 57; § 31, 4 – Restrukturierungsplan, Eintritt § 35, 19 ff. Bekanntgabe – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 35, 74 ff. Bekanntmachung – Restrukturierungsverfahren § 1, 59 ff. Berater – allgemeine Beraterpflichten § 6, 4 ff. Beschäftigungssicherungsverfahren – Berufsbildungsmaßnahmen § 43, 118 ff. – Durchführung § 43, 124 ff. – Mitbestimmung § 43, 122 f. – Überblick § 43, 104 ff. – Verschleppungsschutz § 43, 144 – Verstöße, Auswirkungen § 43, 138 ff. – Vorschlagsrecht § 43, 110 ff. Bestandsgefährdung – Begriff § 5, 29 ff. Besteuerungsverfahren – Berichtigungen § 44, 12 f. – Festsetzungs-/Feststellungsverfahren § 44, 4 ff. – Mitwirkung § 44, 14 f. – Steuererhebungsverfahren § 44, 16 ff. – Steuererklärungen § 44, 10 f. – Vollstreckung § 44, 23 ff. Betriebsänderung – Verschleppungsschutz § 43, 144

1073

Stichwortverzeichnis Betriebsaufgabe – Abwicklungsbesteuerung § 44, 123 ff. – Gewerbesteuer § 44, 134 – steuerliche Behandlung § 44, 59 ff. Betriebsaufspaltung – steuerliche Behandlung § 44, 63 ff. Betriebsgeheimnisse § 27, 12 ff. Betriebsrat – Beschäftigungssicherungsverfahren § 43, 104 ff.; s. a. dort – Beteiligung, Dokumentation § 43, 9 f. – Beteiligung, fehlerhafte § 43, 7 f. – Beteiligungsrechte § 19, 49 – Freiwilligen- und Anspracheprogramm § 43, 57 ff. – Interessenausgleich/Sozialplan § 43, 60 f. – Massenentlassung § 43, 65 ff., 79 ff.; s. a. dort – Massenentlassungsanzeige § 43, 62 ff. – StaRUG-Regelungen § 43, 1 ff. Beweislast – Anfechtung § 40, 72 ff. Bewertung – Vermögenswerte § 27, 39 ff. Bezugsrecht – Gestaltungsmaßnahmen § 25, 57 ff. Bilanz – Bilanzplanung § 2, 90 f. – Buchgewinn durch Forderungsverzicht § 27, 70 – Planverprobungsrechnung § 2, 80 f. Brüssel Ia-VO – Anerkennung in Mitgliedsstaaten § 14, 131 – Gerichtsstand, allgemeiner § 14, 105 f. – Gerichtsstand, ausschließlicher § 14, 110 ff. – Gerichtsstand, besonderer § 14, 107 ff. – internationale Zuständigkeit § 14, 105 ff. – nicht öffentliche Restrukturierungssache § 14, 90 ff. – Vollstreckung v. Entscheidungen § 14, 132 Buchführung – Frühwarnsystem § 6, 13 Buchprüfer – Frühwarnsystem § 6, 8 f.; s. a. dort

1074

COMI – Unternehmensgruppe, grenzüberschreitende § 42, 9 ff. Covenants – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 59 ff. Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff. – Absolute Priority § 34, 78 ff. – Absolute Priority, Durchbrechung § 34, 115 ff. – Alternativszenario § 34, 63 ff. – angemessene Beteiligung § 34, 78 ff. – angemessene Beteiligung, Anteilsinhaber § 34, 107 ff. – Gebot d. Rangwahrung § 34, 90 ff. – gerichtl. Prüfung § 34, 75 ff. – Gleichbehandlungsgebot § 34, 101 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11, 22 ff. – Schlechterstellungsverbot § 34, 52 ff. – Schlechterstellungsverbot, Prüfungszeitpunkt § 34, 74 – Verbot d. Überbefriedigung § 34, 84 ff. – Vergleichsszenario § 34, 61 ff. – wirtschaftliche Betrachtungsweise § 34, 56 ff. – Zustimmungsfiktion § 34, 142 ff. – Zwei-Gruppen-Plan § 34, 138 ff.

Darlegungslast – Anfechtung § 40, 72 ff. Darlehen s. a. Finanzierung; Kredit – Stabilisierungsanordnung § 16, 49 Dauerschuldverhältnis – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 42 Debt Equity Swap § 22, 91; § 27, 80 – Differenzhaftung, Ausschluss § 37, 95 ff. Deliktshaftung § 10, 95 – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 43 ff. – Sanierungsmoderator § 15, 109 Dienstaufsichtsbeschwerde § 36, 48 Dingliche Rechte – Auslandsbelegenheit § 14, 58 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 112

Stichwortverzeichnis Drittsicherheiten – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 84 ff. Drittsicherheiten, gruppeninterne § 41, 53 ff. – Anwendungsbereich § 24, 21 ff. – Entschädigung § 24, 26 ff. – Entschädigung, Angemessenheit § 20, 65 ff.; § 22, 101 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 50, 96 ff. – Gestaltungsmaßnahmen § 24, 20 ff., 36 f. – Gruppenbildung § 23, 31; § 33, 46 ff. – Restrukturierungsforderungen, Betrag § 33, 131, 151 f. – Restrukturierungsplan § 19, 55; § 20, 36, 61 ff. – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 91 – Zustimmung verbundene Unternehmen § 24, 33 ff. Dual-Track-Verfahren § 19, 54

Eigentumsvorbehalt

§ 22, 6 Ein-Gruppen-Plan § 20, 43 Einkommensteuer – Betriebsaufgabe § 44, 63 ff. – Betriebsaufspaltung § 44, 69 ff. – Gesetzesänderungen § 44, 82 ff. – Personengesellschaften § 44, 73 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 44, 94 ff. – Restrukturierungskosten § 44, 59 ff. – Restschuldbefreiung § 44, 155 – Sanierungsertrag § 44, 145 ff. – Sanierungsertrag, Befreiung § 44, 148 ff. – Sanierungsmoderator § 44, 101 ff. – Schuldenerlass § 44, 148 f. – Verbindlichkeiten, Passivierung § 44, 47 ff. – Wahlrechte § 44, 151 Einsichtsrecht – Überwachung d. Planerfüllung § 38, 28 f. Entity Priority Model – Unternehmensgruppen § 41, 92 ff.

Erfolgskrise § 2, 17 ff. – Feststellung § 5, 140 ff. – Überwindung § 2, 65 f. Ergebnisplan – Restrukturierungsplan, Angebot § 31, 32 Erörterungs- und Abstimmungstermin – Abstimmungstermin, gesonderter § 31, 110 ff. – Abstimmungsverfahren § 31, 107 ff. – Antrag § 31, 83 ff. – Belehrung über Rechtsmittel § 31, 94 – Durchführung § 31, 102 ff. – Hinweis über fehlende Betroffene § 31, 92 – Hinweis über Minderheitenschutz § 31, 93 – Hinweis über Ton- und Bildaufzeichnungen § 31, 95 – Kostenvorschuss § 31, 91 – Ladung § 31, 89 f. – Ladung, Anlagen § 31, 96 – Ladung, Zustellung § 31, 97 ff. – Ladungsfrist § 31, 97 – Protokoll § 31, 115 ff. – Stimmrechtsfestsetzung § 31, 105 f. – Vorbereitungen § 31, 87 ff. Erörterungsversammlung – Abgrenzung § 32, 73 – Abstimmungsverfahren § 34, 27 ff. – Antrag durch Planbetroffene § 32, 73, 76 ff. – anwendbare Vorschriften § 29, 123 – Dokumentation, Ablauf § 29, 126 – Dokumentation, Stimmabgabe § 29, 127 ff. – Form § 29, 125 – Hinweis durch Schuldner § 29, 47 ff. – Restrukturierungsplan, Änderung § 32, 50, 78 – Verlangen d. Planbetroffenen § 29, 109 Ertragsplanung § 2, 82 ff. Ertragsteuer s. Einkommensteuer EuGVVO s. Brüssel Ia-VO – Unternehmensgruppe, grenzüberschreitende § 42, 29 ff. EuInsVO – Anerkennung in Mitgliedstaaten § 14, 63 ff. – anwendbares Recht § 14, 53 ff.

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Stichwortverzeichnis – Anwendungsbereich § 14, 49 ff. – Mitglied einer Unternehmensgruppe § 14, 74 ff. – öffentliche Restrukturierungssache, Aufnahme in Anhang A § 14, 10 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 14, 71 ff. – Sekundärrestrukturierungsverfahren § 14, 79 f. – Unternehmensgruppe, grenzüberschreitende § 42, 25 ff. – Vollstreckung v. Entscheidungen § 14, 67 ff. EWIV – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 6

Finanzierung – finanzielle Hilfen, Begriff § 20, 93 – Forderungsverzicht gegen Quotenzahlung § 26, 13 – neue s. Finanzierung, neue – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 8, 111 – Restrukturierungsplan, Inhalt § 20, 59; § 27, 62 – Restrukturierungsplan, Regelung § 26, 38 ff. – StaRUG-Regelungen § 26, 5 – Zwischenfinanzierungen § 20, 92 Finanzierung – Insolvenzverfahren – Insolvenzantrag, Auswirkungen § 3, 53 ff. – Kreditkündigung § 3, 55 f. – Massekredit § 3, 57 ff.; s. a. dort Finanzierung – Restrukturierung – Anfechtungstatbestände § 3, 9 f. – Anzeige d. Restrukturierungsvorhabens, Auswirkungen § 3, 40 ff. – Ausgangsituationen § 3, 3 f. – Besicherung § 3, 27 f. – bestehende Kreditlinien § 3, 36 ff. – erfasste Darlehensarten § 3, 25 f. – Gesellschafterdarlehen § 3, 30 f. – Haftungstatbestände § 3, 6 ff. – Kreditkündigung § 3, 40 ff. – Lösungsklauseln § 3, 41 – Planregelung § 3, 22 ff. – Privilegierung § 3, 11 ff. – Privilegierung, Ausnahmen § 3, 30 f. – Privilegierung, Rechtsfolgen § 3, 32 ff.

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Privilegierung, Zeitrahmen § 3, 19 f. Prolongation/Stundung § 3, 37 Risiken § 3, 5 ff. Rückführungen § 3, 27 f. Sanierungsgutachten § 3, 10, 21, 29 Stabilisierungsanordnung, Auswirkungen § 3, 48 f. – Stabilisierungsanordnung, Sicherheitenverwertung § 3, 50 ff. – Stabilisierungsanordnung, Voraussetzungen § 3, 45 f. – Verwertungssperre § 3, 44 – vor Planbestätigung § 3, 6 ff. Finanzierung, neue § 20, 89 ff. – Begriff § 26, 6 ff., 20 ff. – Erforderlichkeit § 26, 10 – Forderungsverzicht gegen Quotenzahlung § 26, 11 ff. – Planregelung, Ausgestaltung § 26, 23 ff. – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 35, 63 f. – Restrukturierungsplan, Regelung § 26, 23 ff. – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 66 f. – Restrukturierungsrichtlinie § 26, 1 ff.; § 40, 8 ff. – StaRUG-Regelungen § 26, 5 – Umschuldung § 26, 15 ff. – Vorteile § 26, 28 f. – Zweck § 26, 9 Finanzierungsarrangements – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 52 ff. Finanzplan – Restrukturierungsplan, Angebot § 31, 32 Finanzsicherheiten – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 51; § 24, 51 – Stabilisierungsanordnung § 16, 54 Firma – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 17 ff. Firmenänderung – Änderung § 25, 60 Firmensitz – Änderung § 25, 60 – – – – – –

Stichwortverzeichnis Forderungen s. a. Restrukturierungsforderungen – Aufrechnung § 37, 50 ff. – Ausfallforderungen § 37, 125 ff. – Erlass § 37, 45 ff. – nicht bekannte Forderungen § 27, 69 – Rückstand mit Planerfüllung § 37, 100 ff. – streitige Forderungen § 37, 125 ff. – streitige Forderungen, Ausgleichszahlungen § 37, 136 ff. – Übererfüllung § 37, 92 ff. – Verjährungshemmung § 37, 65 – Vollstreckung aus dem Plan § 37, 141 ff. – Wiederaufleben § 37, 113 ff. – Wiederaufleben, Ausschluss § 37, 124 – Wiederaufleben, Vermeidung durch Zahlung § 37, 131 ff. – Wiederaufleben, Vollstreckung § 37, 151 f. Forderungsprüfung – Restrukturierungsbeauftragter § 11, 76 f. Formerfordernisse – Restrukturierungsplan § 37, 29 ff. Fortführungsszenario – Alternativszenario, Begründung § 28, 14 f., 20 – Begründung § 28, 42 – Darstellung § 28, 47 ff. – Eintrittswahrscheinlichkeit § 28, 17 – übertragende Sanierung § 28, 53 ff. Fortführungswert – Vergleichsrechnung, Vorgaben § 28, 12 Forum Shopping – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 21, 62 Freiwilligen- und Anspracheprogramm § 43, 22 ff. – Abfindungspakete § 43, 46 ff. – Anreize § 43, 43 f. – Freiwilligkeit § 43, 35 f. – Gleichbehandlungsprinzip § 43, 49 – Implementierung § 43, 26 ff. – Interessenausgleich/Sozialplan § 43, 60 f. – Leistungsträger § 43, 40 ff. – Massenentlassungsanzeige § 43, 62 ff.

– Turboprämie § 43, 50 ff. – Unterstützung durch Betriebsrat § 43, 57 ff. – Vorschaltevereinbarung § 43, 32 ff. – Windhund-/Losprinzip § 43, 37 ff. – Wirksamkeitsvoraussetzungen § 43, 53 ff. Frühwarnsystem – allgemeine Beraterpflichten § 6, 4 ff. – Anhaltspunkte, Offenkundigkeit § 6, 18 f. – Buchführung § 6, 13 – Jahresabschluss, Erstellung § 6, 10 ff. – Rechtsentwicklung § 6, 1 ff. – Warnhinweis, Musterschreiben § 6, 23 – Warnhinweis, Zeitpunkt § 6, 20 ff. – Zahlungsunfähigkeit, drohende § 6, 14 ff.

GbR – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 6 f. Gegenvorstellung § 36, 48 Geldstrafen – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 37; § 23, 96 – nicht beteiligte Gläubiger § 20, 19 Genossenschaft – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5 ff. Genussrechte – Fremdkapitalinstrumente § 25, 36 Gerichtskosten § 11, 151 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 11, 151 ff. Gerichtsstand s. a. Gruppen-Gerichtsstand – Brüssel Ia-VO § 14, 105 ff. Geschäftsführung – Anfechtungsschutz § 40, 4 f., 52 ff. – Anzeigepflicht, fehlende Erfolgsaussicht § 10, 71 f. – Anzeigepflicht, wesentliche Änderungen § 10, 75 – Anzeigepflicht, Zahlungsunfähigkeit § 10, 69 f. – Entscheidungskompetenz § 29, 80 ff.; § 31, 8 ff. – Entscheidungskompetenz, AG § 29, 95 ff.

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Stichwortverzeichnis – Entscheidungskompetenz, GmbH § 29, 92 ff. – Entscheidungskompetenz, GmbH & Co. KG § 29, 103 – Entscheidungskompetenz, Personengesellschaften § 29, 104 – Haftung nach § 43 GmbHG § 10, 96 f. – Haftung, deliktische § 10, 95 – Haftung, Schadenshöhe § 10, 84 ff. – Haftung, Tatbestand § 10, 79 ff. – Haftung, Vergleich/Verzicht § 10, 93 – Haftung, Verjährung § 10, 90 – Innenhaftung § 10, 57 ff. – Konzernleitung § 41, 59 f. – Krise, Berichterstattung § 5, 149 – Krise, Gegenmaßnahmen § 5, 147 f. – Krisenfrüherkennungssystem § 5, 18 ff. – Krisenfrüherkennungssystem, Haftung § 5, 155 – Pflicht z. Controlling § 10, 73 f. – Pflichten § 10, 61 ff. – Pflichten bzgl. Erklärungen § 10, 76 f. – Planfolgen/-vollzug, Anfechtungsschutz § 40, 58 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 55 f. – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 25 f. – sachgerechte Durchführung d. Verfahrens § 10, 63 ff. – Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverschleppung § 29, 71 ff. – Überwachung § 11, 80 ff. – Unterstützung/Überwachung durch Gläubigerbeirat § 12, 25 ff. – Weisungen § 29, 81; § 31, 11 f. – Weisungen d. Gesellschafter § 10, 91 f. – Zustimmungserklärungen § 31, 35 Geschäftsleiter – Anfechtungsschutz § 40, 4 f., 52 ff. – Anzeigepflicht, fehlende Erfolgsaussicht § 10, 71 f. – Anzeigepflicht, wesentliche Änderungen § 10, 75 – Anzeigepflicht, Zahlungsunfähigkeit § 10, 69 f. – Entscheidungskompetenz § 29, 80 ff.; § 31, 8 ff.

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– Entscheidungskompetenz, AG § 29, 95 ff. – Entscheidungskompetenz, GmbH § 29, 92 ff. – Entscheidungskompetenz, GmbH & Co. KG § 29, 103 – Entscheidungskompetenz, Personengesellschaften § 29, 104 – Haftung nach § 43 GmbHG § 10, 96 f. – Haftung, deliktische § 10, 95 – Haftung, Schadenshöhe § 10, 84 ff. – Haftung, Tatbestand § 10, 79 ff. – Haftung, Vergleich/Verzicht § 10, 93 – Haftung, Verjährung § 10, 90 – Innenhaftung § 10, 57 ff. – Konzernleitung § 41, 59 f. – Krise, Berichterstattung § 5, 149 – Krise, Gegenmaßnahmen § 5, 147 f. – Krisenfrüherkennungssystem § 5, 18 ff. – Krisenfrüherkennungssystem, Haftung § 5, 155 – Pflicht z. Controlling § 10, 73 f. – Pflichten § 10, 61 ff. – Pflichten bzgl. Erklärungen § 10, 76 f. – Planfolgen/-vollzug, Anfechtungsschutz § 40, 58 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 55 f. – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 25 f. – sachgerechte Durchführung d. Verfahrens § 10, 63 ff. – Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverschleppung § 29, 71 ff. – Überwachung § 11, 80 ff. – Unterstützung/Überwachung durch Gläubigerbeirat § 12, 25 ff. – Weisungen § 29, 81; § 31, 11 f. – Weisungen d. Gesellschafter § 10, 91 f. – Zustimmungserklärungen § 31, 36 Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit § 25, 4 Gesellschafter – Abfindung § 25, 53 – angemessene Beteiligung § 34, 107 ff. – Anteile an Drittgesellschaften, Übertragung § 25, 78 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Änderung § 27, 71 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Anteilseinziehung § 27, 78 Anteilspflichten § 25, 85 Anteilsübertragung § 25, 67 ff. Ausschluss § 25, 49 f. Bezugsrecht § 25, 57 ff. Debt Equity Swap § 37, 95 ff. Eingriffe § 25, 43 ff. Eingriffe im Krisenstadium § 22, 86 ff. Eingriffe, Prüfung durch d. Gericht § 25, 96 Eingriffe, Schranken § 25, 86 ff. Entschädigung, Angemessenheit § 22, 110 f. Fremdkapitalinstrumente § 25, 36 Gesellschafterkommunikation § 4, 50 f. Gesellschaftervereinbarungen § 25, 24 ff., 76 f. gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 85 ff., 106 ff. Gestaltungsmaßnahmen § 22, 89 ff.; § 25, 46 ff. Gruppenbildung § 23, 30 Haftung § 22, 106 ff. Haftungsbefreiung § 37, 72 ff. Kapitalerhöhung § 25, 48 Kapitalherabsetzung § 25, 51 Mehrheitsregelungen § 25, 60 Minderheitenschutz, Maßnahmen § 25, 92 Mischformen § 25, 42 mittelbare Gesellschafterstellung § 25, 32 ff. Nachschusspflichten § 25, 66 Organbesetzungsvereinbarungen § 25, 24 ff. persönlich haftende Gesellschafter, Entschädigung § 24, 38 ff. Restrukturierungsbeauftragter, Vorschlagsrecht § 11, 33 Restrukturierungsplan, Einbeziehung § 20, 78 ff. Restrukturierungsplan, gesellschaftsrechtl. Erfordernisse § 17, 56 ff. Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 57 ff. Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 68 ff. Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 14, 125 f.

– Satzung, Änderung § 25, 28 ff., 46 ff. – schuldrechtliche Vereinbarungen § 25, 56 – Sonderrechte, Aufhebung § 25, 47 – stille Gesellschaft § 25, 37 ff. – Stimmbindungsverträge § 25, 24 ff. – Stimmrechte § 33, 132 ff. – Übertragungsbeschränkungen § 25, 24 ff. – Unterbeteiligung § 25, 32 ff. – Weisungen an d. Geschäftsleitung § 10, 91 f. Gesellschafterdarlehen – Finanzierung, neue § 26, 30 f. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 35 – Restrukturierungsplan § 20, 29 – Restrukturierungsverfahren § 3, 30 f. – Rückzahlung § 40, 66, 75 ff. Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen s. StaRUG Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts s. SanInsFoG Gestaltbare Rechtsverhältnisse – Absonderungsanwartschaften § 22, 11, 48 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte § 25, 4 ff. – Anteilsrechte § 22, 85 ff. – Arbeitsverhältnisse § 20, 13 ff.; § 22, 46 f. – Auslandsgesellschaften § 25, 11 – Aussonderungsanwartschaften § 22, 2 ff.; § 24, 3 – Covenants § 22, 59 ff. – Dauerschuldverhältnisse § 22, 42 – dingliche Rechte § 22, 19, 112 – Drittsicherheiten, gruppeninterne § 22, 50, 96 ff. – Finanzierungsarrangements § 22, 52 ff. – Finanzsicherheiten § 22, 51; § 24, 51 – Geldstrafe/Zwangsgelder § 22, 37 – Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit § 25, 6 f. – Gesellschafterdarlehen § 22, 35 – Gesellschafterrechte § 22, 85 ff. – Gesellschaftervereinbarungen § 25, 24 ff.

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Stichwortverzeichnis – höchstpersönliche Ansprüche § 22, 19 – Inter-Creditor-Arrangements § 22, 53 ff. – juristische Personen § 25, 5 ff. – Konzern § 25, 13 – maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt § 20, 84 ff. – maßgeblicher Zeitpunkt § 22, 24 ff. – Mitgliedschaftsrechte § 22, 20, 85 ff. – nachrangige Gläubiger § 22, 33 ff. – numerus clausus § 22, 1 ff. – persönlich haftende Gesellschafter, Entschädigung § 24, 38 ff. – Restrukturierungsforderungen § 22, 16 ff.; s. a. dort – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 24, 52 ff. – Schuldverschreibungen § 22, 72 – schwebende Verträge § 22, 39 ff. – Sicherheiten-/Verwertungstreuhand § 22, 79 ff. – Sicherheitenpool § 22, 73 ff. – stille Gesellschaft § 25, 8 – Sukzessivlieferungs-/Ratenlieferungsverträge § 22, 41 – Überblick § 22, 10 ff. – unerlaubte Handlung § 22, 43 ff. – Unterbeteiligung § 25, 10 – Unternehmensverträge § 25, 22 f. – Vereine § 25, 5 ff. – Verwertungsvereinbarungen § 22, 73 ff. – wiederkehrende Leistungen § 22, 42 – Zinsen/Säumniszuschläge § 22, 36; § 23, 96 Gewerbesteuer – Abwicklungsbesteuerung § 44, 134 – Organschaft § 44, 128 f. – Sanierungsertrag, Befreiung § 44, 159 f. – Verlust, Behandlung § 44, 130 ff. Gläubiger – Absonderungsberechtigte § 24, 4 ff. – Aufrechnung § 37, 50 ff. – Ausfallforderungen § 37, 125 ff. – Benachteiligung, vorsätzliche § 40, 22 ff. – Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff.; s. a. dort

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– Drittsicherheiten, gruppeninterne § 24, 20 ff. – einfache § 23, 18 ff. – Forderungen, Ausschluss d. Wiederauflebens § 37, 124 – Forderungen, Fälligstellen § 10, 51 ff. – Forderungen, Fortbestand § 37, 45 ff. – Forderungen, Übererfüllung § 37, 92 ff. – Forderungen, Wiederaufleben § 37, 113 ff., 131 ff., 151 f. – Gläubigerbefriedigung, gleichmäßige § 23, 107 – Gleichbehandlung § 20, 45 ff.; § 23, 11 f., 105 ff.; § 33, 77 ff. – Gleichbehandlung, Umgehungsgeschäfte § 23, 112 ff. – Haftung, Geschäftsleiter § 10, 78 ff. – Hinweis zu Widerspruch/Ablehnung § 36, 43 – Insolvenzverschleppung, Beitrag § 40, 38 ff. – Kenntnis über Insolvenzreife § 40, 34 – Kenntnis über Restrukturierungskonzept § 40, 32 – Kenntnis von d. drohenden Zahlungsunfähigkeit § 40, 31 – Kenntnis von d. Restrukturierungssache § 40, 25 ff. – Kleingläubiger § 20, 27, 37, 39; § 33, 51 ff. – Minderheitenschutz § 36, 10 ff. – Minderheitenschutz, Antrag § 36, 25 f. – Minderheitenschutz, Maßnahmen § 20, 109 ff. – nachrangige § 22, 33 ff.; § 23, 25 f. – nicht Beteiligte § 20, 13 ff. – Novation § 37, 44 – Planannahme, unlautere Herbeiführung § 23, 99 ff. – Planbetroffene, Auswahl § 17, 37 ff.; § 19, 19, 21 ff.; § 20, 20 ff. – Planbetroffene, Begriff § 20, 8 ff. – Planbetroffene, Gleichbehandlung § 20, 45 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Vorschlagsrecht § 11, 31 f., 105 – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 57 ff.

Stichwortverzeichnis – Rückstand mit Planerfüllung § 37, 100 ff. – Sanierungsvergleich, Beteiligte § 15, 126 ff. – Schaden, Haftung d. Organe § 10, 57 ff. – Schadenshöhe § 10, 84 ff. – Stabilisierungsanordnung, Rechtsfolgen § 16, 40 ff. – Stimmrechte § 18, 12 ff.; § 33, 90 ff.; s. a. dort; s. a. Restrukturierungsplan – Abstimmung – Stimmrechtsvollmachten § 18, 23 – streitige Forderungen § 37, 125 ff. – streitige Forderungen, Ausgleichszahlungen § 37, 136 ff. – Verjährungshemmung § 37, 65 – Verwertungssperre § 16, 31 ff. – Vollstreckung aus dem Plan § 37, 141 ff. – Vollstreckungssperre § 16, 22 ff. – Wahloptionen § 20, 48 f. Gläubigerausschuss, vorläufiger – Massekredit, Zustimmung § 3, 131 ff. Gläubigerbeirat § 43, 11 ff. – Amtsende § 38, 13 – Beschlussfassung § 12, 31 f. – Einsetzung § 12, 7 ff.; § 43, 13 ff. – Haftpflichtversicherung § 12, 39 ff. – Haftung § 12, 33 ff. – Mitbestimmungsrechte § 12, 20 ff. – Mitglieder, Anzahl § 12, 18 f. – Mitglieder, Vergütung § 12, 42 ff. – Mitgliedschaft, Beginn/Ende § 12, 16 – Mitgliedschaft, Entlassung § 12, 17 – Praxisprobleme § 12, 47 f. – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 1, 57 f. – Restrukturierungsbeauftragter, Vorschlagsrecht § 12, 20 ff. – Überblick § 12, 1 ff. – Überwachung d. Geschäftsführung § 12, 27 ff. – Unterstützung d. Geschäftsführung § 12, 25 f. – Verfahrensregeln § 43, 16 – Zusammensetzung § 12, 11 ff. Globalsicherheiten – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 24, 55

GmbH – Entscheidungskompetenz § 29, 83 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5 ff. GmbH & Co. KG – Entscheidungskompetenz § 29, 103 Gruppenbildung § 20, 30 ff. – Absonderungsberechtigte § 23, 27 ff.; § 33, 26 ff. – anhand wirtschaftlicher Interessen § 33, 57 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte § 23, 30 – Auswahl, Planbetroffene § 33, 6 ff. – Auswahl, sachgerechte § 33, 11 ff. – Auswahlermessen, Schranken § 23, 32 ff. – Darstellung im Restrukturierungsplan § 33, 74 ff. – Drittsicherheiten, gruppeninterne § 23, 31 – einfache Gläubiger § 23, 18 ff. – Ein-Gruppen-Plan § 20, 43 – fakultative Gruppen § 20, 38 ff.; § 23, 97 ff. – fehlerhafte § 33, 81; § 35, 49 ff. – Gebot d. sachgerechten Auswahl/ Abgrenzung § 19, 21 – Gläubigerbefriedigung, gleichmäßige § 23, 107 – Gleichbehandlung § 23, 105 ff. – Gleichbehandlung, Planbetroffene § 33, 77 ff. – Gleichbehandlung, Umgehungsgeschäfte § 23, 112 ff. – gruppeninterne Drittsicherheiten § 33, 46 ff. – Kleingläubiger § 33, 51 ff. – Mitgliedschafts-/Anteilsinhaber § 33, 42 ff. – Möglichkeiten § 33, 21 ff. – nachrangige Gläubiger § 23, 25 f. – obligatorische § 20, 30 ff. – Planannahme, unlautere Herbeiführung § 23, 99 ff. – Planbetroffene, Auswahl § 23, 3 – Planbetroffene, Einteilung § 23, 4 ff. – Planbetroffene, Kategorien § 23, 13 ff. – Restrukturierungsforderungen, einfache § 33, 34 ff.

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Stichwortverzeichnis – Restrukturierungsforderungen, nachrangige § 33, 38 ff. – Restrukturierungsplan § 19, 20 – sachgerechte Abgrenzung § 33, 60 ff. – Sachgerechtigkeit § 23, 32 ff. – Sachgerechtigkeit, Auswahlkontrolle § 23, 56 ff. – Sachgerechtigkeit, gerichtl. Prüfung § 23, 86 ff. – StaRUG-Regelungen § 23, 1 ff. – Stimmrechte § 33, 90 ff.; s. a. dort – strategische Überlegungen § 20, 41 ff. – Taktik § 23, 99 ff. – taktische Überlegungen § 33, 82 ff. – Überblick § 33, 1 ff. – vorgeschriebene Gruppen § 33, 24 ff. – Vorüberlegungen § 17, 41 ff. Gruppen-Gerichtsstand § 41, 48 f. – Anordnungshindernis § 8, 60 – Antrag auf einheitlichen § 8, 47 ff. – Antrag, mehrere § 8, 58 f. – gerichtl. Bearbeitung, Kontinuität § 8, 66 f. – Restrukturierungssache, Änderung § 8, 61 – Wahlgerichtsstand § 8, 62 – Zuständigkeitsverknüpfung § 8, 68 ff.

Haftpflichtversicherung – Gläubigerbeirat § 12, 39 ff. Haftung – Debt Equity Swap § 37, 95 ff. – Gläubigerbenachteiligung, vorsätzliche § 40, 22 ff. – Insolvenzantragspflicht § 1, 64 – Kreditgeber § 3, 6 ff. – Massekredit § 3, 99 – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 72 ff. – Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverschleppung § 29, 71 ff. – Schuldner, Planregelungen § 20, 104 ff. Haftungsprivilegierung § 40, 1 ff. – Grundsätze § 40, 52 ff. – Phase d. Rechtshängigkeit § 40, 20 ff., 53

IDW S 6 – Restrukturierungsfähigkeit § 2, 30 f.

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– Sanierungsfähigkeit, Prognose § 2, 95 ff. – Sanierungskonzept, Anforderungen § 2, 26 – Sanierungskonzept, Kernbestandteile § 2, 27 Insolvenz – Anzeigepflicht § 7, 63; § 10, 20 ff., 40 f. – Fortführung trotz Insolvenzreife § 10, 42 ff. – Restrukturierungsverfahren, Ablehnung § 9, 9 ff. – Vermeidung § 2, 62 Insolvenzanfechtung – Restrukturierungsverfahren § 1, 62 ff. – Sanierungsvergleich § 15, 138 ff. Insolvenzantrag – Antragstellung statt Anzeige § 10, 54 – Aufhebung d. Verfahrens § 13, 13 ff. – Auswirkungen auf Kredite § 3, 53 ff. – Insolvenzreife, Anzeigepflicht § 8, 120 ff. – Stabilisierungsanordnung § 3, 47 – Wirkung § 8, 116 Insolvenzantragspflicht – Haftung § 1, 64 – Ruhen § 10, 30 ff. – Suspendierungszeitraum § 10, 33 ff. – Wiederaufleben § 10, 56 Insolvenzeröffnung – Aufhebung d. Verfahrens § 13, 16 Insolvenzplan – Änderung § 32, 15 ff. – Änderung, Zurückweisung § 32, 19 ff. – Änderung, Zustimmung § 32, 20 f. – Synopse Insolvenzplan/Restrukturierungsplan § 19, 11 f. – Vergleich z. Restrukturierungsplan § 17, 13 ff. Insolvenzreife – Anzeige durch Sanierungsmoderator § 15, 102 ff. – Anzeigepflicht § 40, 52 ff. – Eintritt § 13, 22 ff.; § 38, 54 – Eintrittszeitpunkt § 37, 117 ff. – Folgeinsolvenz § 40, 58 ff. – Fortführung d. Restrukturierungsverfahrens § 35, 33 f.

Stichwortverzeichnis – Insolvenzverschleppung, Beitrag § 40, 38 ff. – Kenntnis d. Gläubiger § 40, 34 Insolvenzschuldner – Haftung, Massekredit § 3, 99 Insolvenzszenario § 28, 52 Insolvenzverfahren – Finanzierung § 3, 53 ff.; s. a. Finanzierung – Insolvenzverfahren Insolvenzverschleppung – Beitrag d. Gläubiger § 40, 38 ff. – Kreditgeber § 3, 6 Insolvenzverwalter – Bestellung d. Restrukturierungsbeauftragten § 11, 131 ff. – Haftung, Massekredit § 3, 99, 129 f. Inter-Creditor-Arrangements § 20, 71 – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 53 ff. Interessenausgleich – Beschäftigungssicherungsverfahren § 43, 141 – Betriebsratsbeteiligung § 43, 60 f. Investoren – Investorenkommunikation § 4, 50 f.

Jahresabschluss – Feststellung, Folgen § 44, 127 – Frühwarnsystem § 6, 10 ff. Juristische Personen – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 4 Juristische Personen d. öffentl. Rechts – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5 ff.

Kapitalerhöhung – Gestaltungsmaßnahmen § 25, 48 – Restrukturierungsplan, Regelungen § 27, 79 Kapitalgesellschaft & Co. KG – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 6 ff. Kapitalherabsetzung – Gestaltungsmaßnahmen § 25, 51 – Restrukturierungsplan, Regelungen § 27, 79 Kassenführung – Restrukturierungsbeauftragter § 11, 85

Kennzahlen – Analyse § 5, 54 ff. – Unternehmensanalyse § 2, 49 KG – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 6 ff. Kleinbeteiligtenprivileg § 40, 83 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – Betroffenheit § 7, 54 – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11, 10 ff. Kleingläubiger – Gruppenbildung § 33, 51 ff. – Restrukturierungsplan § 20, 27, 37, 39 Kommunikation – Anwendungsfelder § 4, 25 ff. – Bedarf § 4, 42 – Gesellschafterkommunikation § 4, 50 – Grundlagen § 4, 1 ff. – Investorenkommunikation § 4, 51 – Kommunikationspsychologie, Bedeutung § 4, 52 ff. – Konzepte § 4, 30 ff. – Krisenkommunikation § 4, 82 ff. – Kundenkommunikation § 4, 47 ff. – Mitarbeiterkommunikation § 4, 43 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 4, 158 ff. – Restrukturierungsinstrumente § 4, 131 ff. – Restrukturierungsplan, Abstimmung § 4, 122 ff., 137 ff. – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 4, 154 ff. – Restrukturierungsplan, Gruppenbildung § 4, 119 ff. – Restrukturierungsplan, Vorlage § 4, 119 ff. – Restrukturierungsplan, Vorprüfung § 4, 142 ff. – Restrukturierungsverfahren, Kommunikationsbedarf § 4, 110 ff. – Sanierungsmoderation § 4, 174 ff. – soziale Medien § 4, 105 – Stabilisierungsanordnung § 4, 146 ff. – Veränderungskommunikation § 4, 67 ff. – Zielgruppen § 4, 37 ff.

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Stichwortverzeichnis Konsortialfinanzierung – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 53 ff. Konzern § 41, 1 ff.; s. a. Unternehmensgruppe; Verbundene Unternehmen – Begriff § 41, 22 ff. – Drittsicherheiten, gruppeninterne § 41, 53 ff. – Entity Priority Model, Werteallokation § 41, 92 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 13 – Gruppen-Gerichtsstand § 41, 48 f. – Gruppengerichtsstand, einheitlicher § 8, 47 ff.; s. a. Gruppengerichtsstand; Unternehmensgruppen – Konzernleitung § 41, 59 f. – Krisenfrüherkennungssystem § 5, 22 f. – multilaterale Verträge, Gestaltung § 41, 57 – Restrukturierung, etablierte Regeln § 41, 32 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 41, 50 f., 64 ff. – Restrukturierungsgericht, Zuständigkeit § 7, 37 f.; § 41, 61 ff. – Restrukturierungsplan, Kombinationen § 41, 87 ff. – Restrukturierungsplan, Obergesellschaft § 41, 72 ff. – Restrukturierungsplan, Rechtsträgerbezogenheit § 41, 52 ff. – Restrukturierungsplan, Untergesellschaft § 41, 80 ff. – Restrukturierungspotenziale, andere § 41, 96 ff. – Restrukturierungsverfahren § 41, 58 ff. – Stabilisierungsanordnung § 41, 67 ff. – StaRUG-Regelungen § 41, 41 ff. – Unternehmensgruppen, Begriff § 8, 42 ff. – Verfahrenskonsilidierung § 41, 35 ff. – Verfahrenskoordination § 41, 33 f. – Zustimmungserklärungen verbundener Unternehmen § 31, 39 Konzern, internationaler – COMI § 42, 9 ff. – Restrukturierungsplan, Anerkennung § 42, 24 ff. – Restrukturierungsplan, Gestaltungswirkung § 42, 55 ff.

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– Restrukturierungsplan, Kombination mit anderen Instrumenten § 42, 63 ff. – Restrukturierungssache, nicht öffentliche § 42, 29 ff. – Restrukturierungssache, öffentliche § 42, 25 ff. – Restrukturierungsverfahren § 42, 1 ff. – Restrukturierungswettbewerb § 42, 15 ff. Körperschaftsteuer – Abwicklungsbesteuerung § 44, 123 ff. – Gesetzesänderungen § 44, 85 ff. – Jahresabschlussfeststellung, Folgen § 44, 127 – Organschaft § 44, 106 ff. – Sanierungsertrag, Befreiung § 44, 156 ff. – Sanierungsklausel § 44, 113 ff. – Verlustvortrag, bei Fortführung § 44, 119 ff. Kosten – Gerichtskosten § 11, 151 ff. – Kostenaufstellung § 29, 43 ff.; § 31, 40 f. – Kostenvorschuss § 31, 91 – Sanierungsmoderation § 15, 33 – steuerliche Behandlung § 44, 59 ff., 69 ff. Kredit s. a. Darlehen; Finanzierung – Kreditauflagen (Covenants) § 22, 59 ff. – Massekredit § 3, 57 ff.; s. a. dort – Stabilisierungsanordnung § 16, 49 Kreditgeber – Absicherung, Massekredit § 3, 100 ff. – Haftung § 3, 6 ff. Krise s. a. Frühwarnsystem; Krisenfrüherkennungssystem – Definition § 2, 2 – Erfolgskrise § 2, 17 ff. – Finanzierung, Risiken § 3, 5 ff. – Gegenmaßnahmen § 5, 147 f. – Krisenkommunikation § 4, 82 ff. – Krisenstadien § 5, 5 – Liquiditätskrise § 2, 20 – Produkt-/Absatzkrise § 2, 15 f. – Sanierungsmoderation § 4, 174 ff. – Stakeholderkrise § 2, 8 ff. – Strategiekrise § 2, 11 ff.

Stichwortverzeichnis – Unternehmensanalyse § 2, 32 ff. – Verlauf § 2, 3 ff. Krisenfrüherkennung – Berichterstattung § 5, 149 – Gegenmaßnahmen § 5, 147 f. – Rechtsentwicklung § 5, 10 ff. – StaRUG-Regelung § 5, 1 ff. – Zielsetzung § 5, 3 ff. Krisenfrüherkennungssystem – Absatzkrise § 5, 140 ff. – Ausgestaltungsmöglichkeiten § 5, 49 ff. – Beobachtungsobjekt § 5, 21 ff. – Beobachtungszeitraum § 5, 45 ff. – Berichterstattung § 5, 149 – bestandsgefährdende Entwicklungen § 5, 29 ff. – Einrichtung § 5, 24 ff. – Erfolgskrise § 5, 140 ff. – Grad der Bestandsgefährdung § 5, 35 ff., 84 ff. – integrierte Unternehmensplanung § 5, 61 ff., 112 ff., 145 – Kennzahlenanalyse § 5, 54 ff. – Konzerne § 5, 22 f. – Liquiditätskrise § 5, 143 ff. – Planungsrechnungen § 5, 61 ff. – quantitative Analyse § 5, 84 ff. – Ratings § 5, 37 ff. – Relevanzskala § 5, 69 ff. – Risikoaggregation § 5, 112 ff. – Risikomatrix § 5, 74 ff. – Risikoregister § 5, 67 ff., 109 ff. – Risikosteuerung § 5, 131 ff. – Risikotragfähigkeit, Ermittlung § 5, 122 ff. – Sanierungs- bzw. Restrukturierungspflicht § 29, 75 ff. – strategische Analyse § 5, 134 ff. – Stresstests/Szenarioanalysen § 5, 81 ff. – Überschuldung § 5, 143 ff. – Unternehmensanalyse § 5, 100 ff. – Verpflichtete § 5, 18 ff. – Verpflichtete, Haftung § 5, 155 – Vorteile § 5, 150 ff. – Zahlungsunfähigkeit, drohende § 5, 26 f.

Lieferantenpool § 22, 7 Liquidationsszenario – Alternativszenario, Begründung § 28, 14 f., 20 – Begründung § 28, 16, 42 – Darstellung § 28, 56 ff. Liquidationswert – Liquidationsszenario § 28, 16 – Vergleichsrechnung, Vorgaben § 28, 12 Liquidität – Liquiditätsplanung § 2, 92 ff. Liquiditätskrise § 2, 20 – Feststellung § 5, 143 ff. – Vermeidung § 2, 63 f. Lösungsklauseln – Verbot § 1, 68; § 3, 41; § 16, 40 Massekredit Besicherung § 3, 89 f., 113 ff. echter/unechter § 3, 57 ff. Haftung § 3, 129 f. Haftungsausschluss § 3, 99 Kreditgeber, Absicherung § 3, 100 ff. Kündigung § 3, 95 ff. Laufzeit § 3, 93 rechtliche Qualifikation § 3, 64 ff. Rückführungen § 3, 94 Vertragsinhalte § 3, 63 ff. Wirksamkeitsvoraussetzungen § 3, 84 ff. – Zustimmungserfordernisse § 3, 122 ff. Massenentlassung – Aufhebungsverträge § 43, 73 – Betriebsratsbeteiligung § 43, 79 ff. – Eigenkündigung § 43, 73 – Entlassungsbegriff § 43, 71 f. – Massenentlassungsanzeige § 43, 91 ff. – Schreiben, Zugang § 43, 74 ff. – Schwellenwerte § 43, 70 – Überblick § 43, 65 ff. – Verfahren § 43, 78 ff. – Voraussetzungen § 43, 70 ff. – Zeitraum § 43, 77 Massenentlassungsanzeige – Anforderungen § 43, 91 ff. – Betriebsratsbeteiligung § 43, 62 ff. – – – – – – – – – – –

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Stichwortverzeichnis – Rechtsfolgen § 43, 98 ff. – unwirksame § 43, 102 f. Medien – soziale Medien § 4, 105; s. a. Kommunikation Minderheitenschutz – Absonderungsanwartschaft, Wertverlust § 36, 28 – Alternativszenario, Anzahl § 28, 40 – Antrag § 36, 25 f. – Belehrung über Minderheitenschutz § 29, 34 f., 140 – Eingriffe, Schranken § 25, 92 – erforderliche Maßnahmen § 20, 109 ff. – Hinweis über Minderheitenschutz § 31, 93 – Hinweis über Schlechterstellung § 36, 30 – Kompensation § 20, 119 ff. – Minderheitenschutzverfahren § 28, 76 ff. – Rechtsfolge § 36, 29 – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 8, 113 f. – Schlechterstellungsverbot § 36, 14, 22 ff. – Überblick § 36, 10 – Vergleichsrechnung § 36, 15 ff. – Zweck § 36, 11 ff. Mitgliedschaftsrechte – an Drittgesellschaften, Übertragung § 25, 78 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Änderung § 27, 71 ff. – Anteilseinziehung § 27, 78 – Anteilspflichten § 25, 85 – Auslandsgesellschaften § 25, 11 – Ausschluss § 25, 49 f. – Begriff § 25, 14 ff. – Eingriffe § 25, 43 ff. – Eingriffe im Krisenstadium § 22, 86 ff. – Eingriffe, Prüfung durch d. Gericht § 25, 96 – Eingriffe, Schranken § 25, 86 ff. – Fremdkapitalinstrumente § 25, 36 – Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit § 25, 4 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 20, 85 ff.; § 25, 4 ff.

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– Gestaltungsmaßnahmen § 22, 89 ff.; § 25, 46 ff. – Gruppenbildung § 23, 30; § 33, 42 ff. – juristische Personen § 25, 4 – Konzern § 25, 13 – Mehrheitsregelungen § 25, 60 – Minderheitenschutz, Maßnahmen § 25, 92 – Mischformen § 25, 42 – Nachschusspflichten § 25, 66 – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 57 ff. – Satzung, Änderung § 25, 28 ff., 46 ff. – schuldrechtliche Vereinbarungen § 25, 56 – Sonderrechte, Aufhebung § 25, 47 – stille Gesellschaft § 25, 37 ff. – Stimmrechte § 33, 149 ff. – Übertragung § 25, 67 ff. – Vereine § 25, 5 ff. Moratorium – Restrukturierungsverfahren § 1, 23 ff. – Überblick § 1, 23 ff. – Vertragsrecht § 1, 69

Nachschusspflichten – Gestaltungsmaßnahmen § 25, 66 Nebenabreden § 20, 47 Novation § 37, 44 Nutzungsersatz – Stabilisierungsanordnung § 16, 50 ff.

Obstruktionsverbot – Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff. – gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung § 34, 51 ff.; s. a. CrossClass Cram-down – Zweck § 34, 46 ff. oHG – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 6 ff. Ordnungsgelder – nicht beteiligte Gläubiger § 20, 19 Organbesetzungsvereinbarungen – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 24 ff. Organe – Änderung § 25, 60 – Anzeigepflicht, fehlende Erfolgsaussicht § 10, 71 f.

Stichwortverzeichnis – Anzeigepflicht, wesentliche Änderungen § 10, 75 – Anzeigepflicht, Zahlungsunfähigkeit § 10, 69 f. – Pflicht z. Controlling § 10, 73 f. – Pflichten § 10, 61 ff. – Pflichten bzgl. Erklärungen § 10, 76 f. – Restrukturierungsplan, Regelungen § 27, 75 – sachgerechte Durchführung d. Verfahrens § 10, 63 ff. – Weisungen d. Gesellschafter § 10, 91 f. Organe – Haftung § 27, 4 – deliktische § 10, 95 – Innenhaftung § 10, 57 ff. – nach § 43 GmbHG § 10, 96 f. – Restrukturierungsplan, Regelungen § 25, 63 – Schadenshöhe § 10, 84 ff. – Tatbestand § 10, 79 ff. – Vergleich/Verzicht § 10, 93 – Verjährung § 10, 90 Organschaft – Gewerbesteuer § 44, 128 f. – Körperschaftsteuer § 44, 106 ff. – Umsatzsteuer § 44, 135 ff.

Partenreederei – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 6 PartG – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 6 Personengesellschaft – Entschädigung d. persönlich haftenden Gesellschafters § 24, 38 ff. – Haftungsbefreiung § 37, 72 ff. – KöMoG § 44, 85 ff. – steuerliche Behandlung § 44, 73 ff. Planbetroffene s. a. Gläubiger; Restrukturierungsplan – Absonderungsberechtigte § 23, 27 ff.; § 24, 4 ff. – Anhörung § 30, 25, 39 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte § 23, 30 – Antrag auf Erörterungsversammlung § 32, 73 – Ausfallforderungen § 37, 125 ff. – Auswahl § 23, 3; § 31, 24 – Auswahl, fehlerhafte § 35, 49 ff.

– Benachteiligung, vorsätzliche § 40, 22 ff. – Benennung, Restrukturierungsplan § 29, 42 – Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff.; s. a. dort – Drittsicherheiten, gruppeninterne § 23, 31; § 24, 20 ff. – einfache Gläubiger § 23, 18 ff. – Einteilung in Gruppen § 23, 4 ff. – Erörterungsversammlung, Verlangen § 29, 109 – Forderungen, Ausschluss d. Wiederauflebens § 37, 124 – Forderungen, Wiederaufleben § 37, 113 ff., 131 ff., 151 f. – Gläubigerbefriedigung, gleichmäßige § 23, 107 – Gleichbehandlung § 23, 11 f., 105 ff.; § 33, 77 ff. – Gleichbehandlung, Umgehungsgeschäfte § 23, 112 ff. – Gruppenbildung § 33, 6 ff.; s. a. dort – Hinweis über Schlechterstellung § 36, 30 – Hinweis zu gemeinsamer Erörterungsversammlung § 29, 47 ff. – Hinweis zu Widerspruch/Ablehnung § 36, 43 – Insolvenzverschleppung, Beitrag § 40, 38 ff. – Kategorien § 23, 13 ff. – Kenntnis über Insolvenzreife § 40, 34 – Kenntnis über Restrukturierungskonzept § 40, 32 – Kenntnis von d. drohenden Zahlungsunfähigkeit § 40, 31 – Kenntnis von d. Restrukturierungssache § 40, 25 ff. – Ladung § 30, 15 ff. – Minderheitenschutz § 36, 10 ff. – Minderheitenschutz, Antrag § 36, 25 f. – Minderheitenschutzverfahren § 28, 76 ff. – nachrangige Gläubiger § 23, 25 f. – persönlich haftende Gesellschafter, Entschädigung § 24, 38 ff.

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Stichwortverzeichnis – Planannahme, unlautere Herbeiführung § 23, 99 ff. – Restrukturierungsplan, Abstimmungstermin § 29, 61 ff. – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 57 f. – Rückstand mit Planerfüllung § 37, 100 ff. – Stimmabgabe, Frist § 29, 112 ff. – Stimmabgabe, Fristverkürzung § 29, 119 ff. – Stimmabgabe, Fristverlängerung § 29, 122 f. – Stimmrechte § 33, 90 ff.; s. a. dort – streitige Forderungen § 37, 125 ff. – streitige Forderungen, Ausgleichszahlungen § 37, 136 ff. – Übererfüllung v. Forderungen § 37, 92 ff. – Unterrichtung nach Planbestätigung § 35, 78 f. – Vergleichsrechnung, Prüfung § 28, 64 f. – Verjährungshemmung § 37, 65 – Vollstreckung aus dem Plan § 37, 141 ff. – vorgeschriebene Gruppen § 33, 24 ff. Planbetroffenenversammlung – Abgrenzung § 32, 73 – Ablauf § 29, 141 – Abstimmungsverfahren § 34, 27 ff. – Dokumentation § 29, 152 – Dokumentation d. Abstimmung § 29, 152; § 31, 78 ff. – Durchführung § 29, 133 ff. – Durchführung d. Abstimmung § 31, 49 ff., 66 ff. – Einberufung § 31, 42 ff. – Einberufungsfrist § 29, 134; § 31, 43 – elektronische Teilnahme § 29, 138 f.; § 31, 18, 44 – Feststellung d. Formalien § 31, 53 ff. – Hinweis auf Erörterungsversammlung § 31, 17 – Präsenzversammlung § 29, 135 ff. – Restrukturierungsplan, Abstimmung § 32, 74 – Restrukturierungsplan, Abstimmungsfähigkeit § 31, 63 ff.

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– Restrukturierungsplan, Änderung § 31, 61; § 32, 44 ff., 75 – Restrukturierungsplan, Angebot § 31, 3 ff. – Restrukturierungsplan, Annahme § 31, 69 ff. – Restrukturierungsplan, Erläuterung § 31, 58 ff. – Stimmabgabe § 31, 68 – Teilnahmeberechtigung § 31, 50 f. – Versammlungsleitung § 29, 142 ff. – Versammlungsleitung, qualifizierte § 29, 150 f. – Vorbereitungen § 31, 2 ff. – Wiederholung § 32, 68 f. Planverprobungsrechnung – Basisbilanz § 2, 80 f. – Bilanzplanung § 2, 90 f. – Ertragsplanung § 2, 82 ff. – Liquiditätsplanung § 2, 92 ff. – Planungsstichtag § 2, 80 – Sanierungsmaßnahmen, Effekte § 2, 78 f. – Schwachstellen, Darstellung § 2, 77 – Zweck § 2, 74 ff. Produktkrise § 2, 15 f. – Überwindung § 2, 67 ff. Prolongation § 20, 94

Ratenlieferungsvertrag – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 41 Rating – Krisenfrüherkennungssystem § 5, 37 ff. Rechtsanwälte – Frühwarnsystem § 6, 8 f.; s. a. dort Rechtsbeschwerde § 36, 47 Rechtsmittel – Abhilfeverfahren § 36, 37 – Ausschluss § 36, 33 f. – Belehrung über Beschwerdebefugnis § 29, 36 – Belehrung über Rechtsmittel § 31, 94 – Dienstaufsichtsbeschwerde § 36, 48 – Gegenvorstellung § 36, 48 – Rechtsbeschwerde § 36, 47 – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11, 47

Stichwortverzeichnis – Restrukturierungsverfahren, Aufhebung § 13, 31 f. – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 14, 40 ff. – sofortige Beschwerde § 28, 81 ff. – Statthaftigkeit § 36, 31 ff. – Stimmrechte, Streitigkeiten § 33, 174 ff. – Verfassungsbeschwerde § 36, 49 Registergericht – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 80 ff. Restrukturierungsbeauftragter – als Sachverständiger § 11, 161 ff. – Aufsicht § 1, 55 – Besteuerungsverfahren, Rechtsstellung § 44, 2 f. – Einkommensteuer § 44, 94 ff. – Entlassung § 11, 128 ff. – Folgeinsolvenz § 11, 131 ff. – Funktion § 11, 1 ff. – Gerichtskosten § 11, 151 ff. – Kommunikation § 4, 158 ff. – Rechtsstellung § 11, 52 f. – Restrukturierungsplan, Überwachung § 20, 123 ff. – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 14, 71 ff. – Umsatzsteuer § 44, 143 – Unparteilichkeit § 11, 4 – Unternehmensgruppe § 41, 50 f., 64 ff. – Vergütung § 11, 151 ff.; § 20, 130 ff. – Vergütung, nach Aufwand § 11, 156 ff. – Vergütung, wertbasierte § 11, 164 ff. – Vorschlagsrecht d. Gläubigerbeirats § 12, 20 ff. Restrukturierungsbeauftragter – Aufgaben/Pflichten – Abstimmungsleitung § 11, 73 ff. – als Sachverständiger § 11, 56 ff. – Anzeige d. Aufhebungsreife § 11, 67 ff. – Anzeige d. Aufhebungsreife, Form § 11, 71 – Anzeige d. Insolvenzreife § 40, 43 f. – Anzeigepflicht § 38, 18, 21, 36 ff. – Anzeigepflicht, Nichterfüllung § 38, 36 ff.

Auskunftsanspruch § 38, 26 f. Auskunftspflicht § 11, 63 Berichtspflicht § 11, 64 f. Durchsetzung § 38, 35 Einsichtsrecht § 38, 28 f. Einzelfallabhängigkeit § 11, 54 f. Forderungsprüfung § 11, 76 f. Geschäftsführung, Überwachung § 11, 80 ff. – Grundzüge § 4, 163 ff. – Kassenführung § 11, 85 – Kernaufgabenbereich § 11, 65 ff. – Pflichtverletzung § 38, 61 – Rechtsstellung § 11, 52 f. – Restrukturierungsplan, Stellungnahme § 11, 96 f. – Restrukturierungsplan, Überwachung § 11, 99 f. – Restrukturierungsplan, Unterstützungsleistungen § 11, 88 ff. – Sonderaufgaben bei Schutzbedürftigkeit § 11, 72 ff. – Stabilisierungsanordnung § 11, 91 ff. – Überblick § 1, 53 – Überwachung d. Planerfüllung § 38, 10 f., 14 ff. – wirtschaftliche Lage, Prüfung § 11, 78 f. – Zustellungswesen § 11, 98 – Zustimmungserfordernisse § 11, 86 f. Restrukturierungsbeauftragter – Bestellung – Absonderungsanwartschaften § 11, 14 ff. – als Sachverständiger § 11, 27 – Antrag § 1, 56 – auf Antrag § 11, 101 ff. – Auswahl, Überblick § 1, 54 – Bescheiniger § 11, 36 – Beteiligte § 1, 57 f. – Cross-Class Cram-down § 11, 22 ff. – Eignung § 11, 118 ff. – Eingriff in Rechte Schutzbedürftiger § 11, 9 ff. – Ermessen d. Gerichts § 11, 21 – fakultative s. Restrukturierungsbeauftragter, fakultativer – Grundzüge § 4, 159 ff., 166 ff. – Qualifikation § 11, 119 ff. – – – – – – – –

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Stichwortverzeichnis – Rechtsmittel § 11, 47; § 36, 31 ff. – Restrukturierungsplan, Überwachung § 11, 20 – Sonder-Restrukturierungsbeauftragter § 11, 48 ff. – Stabilisierungsanordnung § 11, 17 ff. – Überblick § 1, 50 ff. – Unabhängigkeit § 11, 37, 40 – von Amts wegen § 1, 51 ff.; § 11, 8 ff. – Vorschlag, Bindungswirkung § 11, 35 ff. – Vorschlag, mehrere § 11, 42 ff. – Vorschlag, ungeeigneter § 11, 38 f. – Vorschlagsrecht d. Anteilsinhaber § 11, 33 f. – Vorschlagsrecht d. Gläubiger § 11, 31 f. – Vorschlagsrecht d. Schuldners § 11, 27 f. Restrukturierungsbeauftragter – Haftung – Schadensersatzpflicht § 11, 143 ff. – Sorgfaltsmaßstab § 11, 140 ff. – steuerrechtliche § 11, 150 – strafrechtliche § 11, 148 ff. – Überwachung d. Planerfüllung § 38, 24 – Verjährung § 11, 147 – Verschulden § 11, 139 – zivilrechtliche § 11, 134 ff. Restrukturierungsbeauftragter, fakultativer – Antrag § 11, 101 ff. – Aufgaben/Pflichten § 11, 111 ff. – Auskunfts-/Berichtspflicht § 11, 111 – Auswahl § 11, 104 ff. – Eignung § 11, 118 ff. – Rechtsstellung § 11, 110 – Unterstützungsleistungen § 11, 112 ff. – Vorschlagsrecht § 11, 105 ff. Restrukturierungsfähigkeit § 22, 21 ff. – Begriff § 1, 19 – Definition § 2, 22 f. – Erfolgskrise § 2, 17 ff. – Geschäftsführung, Überwachung § 11, 80 – Krise, Definition § 2, 2; s. a. Sanierungsfähigkeit – Krisenstadien § 2, 3 ff. – Liquiditätskrise § 2, 20

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– Produkt-/Absatzkrise § 2, 15 f. – Restrukturierungsplan, Angebot § 29, 26 ff. – Stakeholderkrise § 2, 8 ff. – Strategiekrise § 2, 11 ff. – Unternehmensanalyse § 2, 32 ff.; s. a. dort – Verbraucher § 7, 13 Restrukturierungsforderungen – Absonderungsberechtigte § 33, 128 ff. – Aufrechnung § 37, 50 ff. – Ausfallforderungen § 37, 125 ff. – ausländ. Währung § 33, 120 ff. – bedingte § 33, 116 f. – Begriff § 22, 16 ff. – einfache § 20, 32; § 33, 34 ff. – Forderungsbetrag § 33, 113 f. – Forderungsbetrag, unbestimmter § 33, 121 – Forderungsverzicht gegen Quotenzahlung § 27, 5, 67 f. – Fortbestand v. Forderungen § 37, 45 ff. – gesicherte § 33, 151 f. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 16 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse, maßgeblicher Zeitpunkt § 22, 24 ff. – Gleichbehandlung § 33, 77 ff. – gruppeninterne Drittsicherheiten § 33, 131, 151 f. – Kleingläubiger § 33, 51 ff. – Kryptowährungen § 33, 122 – nachrangige § 20, 32 ff.; § 33, 38 ff. – nicht auf Geld gerichtete § 33, 124 – nicht bekannte Forderungen § 27, 69 – Novation § 37, 44 – Restrukturierungsfähigkeit d. Anspruchsgegners § 22, 21 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 20, 51 ff. – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 14, 119 ff. – Rückstand mit Planerfüllung § 37, 100 ff. – Stimmrechte § 33, 90 ff.; s. a. dort – Stimmrechte, Berechnung § 33, 113 ff. – streitige Forderungen § 37, 125 ff. – streitige Forderungen, Ausgleichszahlungen § 37, 136 ff.

Stichwortverzeichnis Übererfüllung § 37, 92 ff. unverzinsliche § 33, 118 f. Verjährungshemmung § 37, 65 Vollstreckung aus dem Plan § 37, 141 ff. – Wiederaufleben § 37, 113 ff. – Wiederaufleben, Ausschluss § 37, 124 – Wiederaufleben, Vermeidung durch Zahlung § 37, 131 ff. – Wiederaufleben, Vollstreckung § 37, 151 f. – wiederkehrende Leistungen § 33, 125 ff. Restrukturierungsgericht – Amtsermittlungsgrundsatz § 8, 75 ff.; § 11, 69 – Amtshaftung § 11, 70 – Anlagen, Prüfung § 8, 86 f. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Eingriffe § 25, 96 – Anzeige, formale Prüfung § 8, 81 ff. – Aufhebung d. Verfahrens § 13, 1 ff.; s. Restrukturierungsverfahren – Aufhebung – Aussichtslosigkeit d. Verfahrens § 8, 123 – Belehrung über Rechtsmittel § 31, 94 – Erörterungs- und Abstimmungstermin, Vorbereitungen § 31, 87 ff. – Funktion § 7, 7 – funktionelle Zuständigkeit § 8, 34 f. – grenzüberschreitende Restrukturierungssache § 14, 21 ff. – Gruppengerichtsstand, einheitlicher § 8, 47 ff.; s. a. Gruppengerichtsstand – GVG, Anwendbarkeit § 8, 132 – Hinweis über fehlende Betroffene § 31, 92 – Hinweis über Minderheitenschutz § 31, 93 – Hinweis über Ton- und Bildaufzeichnungen § 31, 95 – Mitwirkungspflicht d. Schuldners, Überwachung § 13, 21 – negative Kenntnisse § 8, 99 ff. – Rechtshängigkeit § 8, 78 ff. – Rechtsmittel § 36, 31 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11; s. dort – – – –

– Restrukturierungsbeauftragter, Entlassung § 11, 128 ff. – Restrukturierungsinstrumente, Antragsprüfung § 8, 88 ff. – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 8, 105 ff.; § 35, 1 ff.; s. a. dort – Restrukturierungsplan, Überwachung § 38, 10 – Restrukturierungsplan, Vorprüfung § 30, 1 ff.; s. a. Restrukturierungsplan – Vorprüfung – Restrukturierungssache, Aufhebungsgründe § 8, 115 ff. – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 27 ff. – Sanierungsmoderation, Antrag § 15, 10 ff. – Sanierungsmoderation, Entscheidung § 15, 32 – Sanierungsmoderation, Zuständigkeit § 15, 11 ff. – Sanierungsvergleich, Bestätigung § 15, 131 ff. – Spruchkörper, einheitlicher § 8, 36 ff. – Stabilisierungsanordnung, Antragsprüfung § 8, 96 f. – Überwachung d. Planerfüllung § 38, 5 – Unterlagen, Prüfung § 8, 86 f. – Unzuständigkeit § 13, 17 – Verfahrensgrundsätze § 8, 74 ff. – Verfahrenshilfen § 29, 68 ff. – Vergleichsrechnung, Prüfung § 28, 66 ff. – vorangegangene Restrukturierungen § 8, 125 f. – Vorgespräch § 17, 63 ff. – ZPO, Anwendbarkeit § 8, 127 ff. – Zuständigkeit § 7, 17 ff. – Zuständigkeit, Ermittlung § 8, 81 ff. – Zuständigkeit, funktionelle § 38, 62 – Zuständigkeit, internationale § 14, 30 ff. – Zuständigkeit, Konzern § 41, 61 ff. – Zuständigkeit, Konzerne § 7, 37 f. – Zuständigkeit, örtliche § 7, 32 ff., 39 f.; § 8, 15 ff. – Zuständigkeit, sachliche § 7, 27 ff.; § 8, 4 ff.

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Stichwortverzeichnis Restrukturierungsgericht – Aufsicht – Aufhebungsbeschluss § 38, 55 ff. – Beschlüsse im Überwachungszeitraum § 38, 63 ff. – Sanierungsmoderator § 15, 110 ff. – Überwachung d. Planerfüllung § 38, 13, 58 ff. – Zuständigkeit, funktionelle § 38, 62 Restrukturierungsinstrumente – Inanspruchnahme, Prüfung § 8, 88 ff. – Planabstimmung, gerichtl. § 8, 92 Restrukturierungskonzept – Begriffe § 29, 38 – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 46 ff. Restrukturierungsplan – Abgrenzung z. außergerichtlichen Sanierung § 17, 7 ff. – Absonderungsanwartschaft § 11, 14 ff. – Änderungen s. Restrukturierungsplan – Änderung – Anfechtungsschutz § 1, 62 ff. – angemessene Beteiligung § 35, 57 – Annahme ohne Abstimmung § 1, 47 – Annahme, unlautere Herbeiführung § 23, 99 ff. – Arbeitsverhältnisse § 19, 46 ff. – Aufrechnung § 37, 50 ff. – Auslegung § 29, 24 f., 57 ff.; § 37, 19 ff. – Bedingungen s. dort – betriebswirtschaftl. Anforderungen § 19, 29 ff. – betriebswirtschaftl. Vorbereitung § 17, 72 – Buchgewinn durch Forderungsverzicht § 27, 70 – Checkliste d. BMJ § 17, 74 – Drei-Jahres-Frist § 38, 50 ff. – Entwurf zwecks Ankündigung d. Verfahrens § 17, 47 ff. – Erklärung z. Bestandsfähigkeit § 17, 73 – Fälligstellen v. Forderungen § 10, 51 ff. – Folgen/Vollzug, Anfechtungsschutz § 40, 58 ff. – Forderungen, Ausschluss d. Wiederauflebens § 37, 124

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– Forderungen, Wiederaufleben § 37, 113 ff., 131 ff., 151 f. – Formerfordernisse § 37, 29 ff. – Funktion § 19, 1 ff. – gesellschaftsrechtliche Erfordernisse § 17, 56 ff. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 1 ff.; s. a. dort – Gestaltungsmöglichkeiten § 17, 28 ff. – Gläubiger, Gleichbehandlung § 23, 105 ff. – Gleichbehandlung, Umgehungsgeschäfte § 23, 112 ff. – Gruppenbildung § 17, 41 ff.; § 19, 20 – Gruppenbildung, Gebot d. sachgerechten Auswahl/Abgrenzung § 19, 21 – Haftungsbefreiung d. Schuldners § 27, 65 ff. – Hinweis über Schlechterstellung § 36, 30 – Initiativrecht § 18, 1 ff. – Insolvenzreife, Eintritt § 37, 117 ff. – Kollisionsrecht § 14, 117 ff. – Kredite/Darlehen § 19, 42 – Mängel § 29, 19 ff. – Musterplan, Gliederung § 39, 1 ff. – Nebenabreden § 20, 47 – Nichterfüllung § 38, 36 ff. – persönlich haftende Gesellschafter § 24, 38 ff. – Pflichten § 17, 55 – Planbetroffene, Auswahl § 17, 37 ff.; § 19, 19, 21 ff. – Planbetroffene, Begriff § 20, 8 ff. – Planbetroffene, Gleichbehandlung § 20, 45 ff. – Rechtsmissbrauch § 19, 21 ff. – Rechtsmittel § 28, 81 ff. – Rechtsnatur § 19, 6; § 29, 13 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Aufgaben § 11, 88 ff. – Restrukturierungsfähigkeit § 29, 26 ff.; s. a. dort – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 8, 44 f. – Rückstand d. Schuldners § 37, 100 ff. – Stabilisierungsanordnung, Antrag § 16, 17 ff., 63 – Stellungnahme § 11, 96 f.

Stichwortverzeichnis – strategische Überlegungen § 17, 47 ff.; § 18, 4 f. – streitige Forderungen, Ausgleichszahlungen § 37, 136 ff. – Synopse Insolvenzplan/Restrukturierungsplan § 19, 11 f. – Überblick § 1, 42 ff. – Unternehmensgruppe § 41, 70 ff.; s. a. dort – Unternehmensgruppe, grenzüberschreitende § 42, 1 ff. – Verfahrenshilfen § 29, 66 ff. – Vergleich z. Insolvenzplan § 17, 13 ff. – Vergleichsrechnung, Prüfung § 28, 61 ff. – Verhandlungen im Vorfeld § 17, 50 ff. – Verträge, Eingriff § 1, 70 – Vertretung, Mängel § 29, 22 f. – Vollzug vor Bestätigung § 37, 12 ff. – Voraussetzungen § 17, 21 ff. – Vorbereitungen § 17, 1 ff.; § 27, 6 ff. – Vorgespräch mit d. Gericht § 17, 63 ff. – Vorlage, Kommunikationsbedarf § 4, 119 ff. – Vorprüfung § 28, 66 ff. – Vorüberlegungen § 18, 1 ff. – Wettbewerbsverzerrungen § 19, 41 – Willensmängel § 29, 19 ff. – Wirkungen § 37, 1 ff.; s. a. Restrukturierungsplan – Wirkungen – Zahlungsunfähigkeit, drohende § 17, 21 ff. – Zielsetzung/Struktur § 19, 18 – Zwei-Gruppen-Plan § 34, 138 ff. Restrukturierungsplan – Abstimmung – Annahme ohne Abstimmung § 1, 47 – Annahme, unlautere Herbeiführung § 23, 99 ff. – Antrag auf Erörterungsversammlung § 32, 76 ff. – Arten § 31, 1 – außergerichtliche § 17, 64 f.; § 18, 18 ff. – Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff.; s. a. dort – Einstimmigkeit § 34, 8 – Grundlagen § 34, 1 ff. – Gruppenbildung, fehlerhafte § 35, 49 ff.

– Hinweis über Schlechterstellung § 36, 30 – Hinweis zu Widerspruch/Ablehnung § 36, 43 – Kommunikationsbedarf § 4, 122 ff., 137 ff. – Leitung durch Restrukturierungsbeauftragten § 11, 73 ff. – Mehrheiten § 17, 67 ff.; § 18, 15 ff. – Mehrheiten, Festlegung § 34, 14 – Obstruktionsverbot § 34, 46 ff. – Schlechterstellungsverbot § 35, 54 ff. – Stimmrechte § 17, 67; § 18, 12 ff.; § 33, 90 ff.; s. a. dort – Stimmrechtsvollmachten § 18, 23 – Überblick § 1, 47 ff. – unlautere Herbeiführung d. Annahme § 35, 67 ff. – Varianten § 29, 6 ff. – Verfahren § 34, 15 ff. – Verfahren, Auswahl § 18, 4 ff., 18 ff. – Verfahrensfehler § 35, 44 ff. – Verfahrensfehler, Wesentlichkeit § 35, 58 f. – versammlungslose, Planänderungen § 32, 70 ff. – Zustimmungsersetzung § 17, 69; § 34, 51 ff.; s. a. Cross-Class Cram-down Restrukturierungsplan – Abstimmung, gerichtl. – Abgrenzung z. außergerichtlicher § 29, 2 – Abstimmungstermin, gesonderter § 31, 110 ff. – Abstimmungsverfahren § 31, 107 ff. – Änderungen § 32, 5 ff.; s. a. Restrukturierungsplan – Änderung – Annahme ohne Abstimmung § 1, 47 – Antrag § 8, 92; § 31, 83 ff. – Belehrung über Rechtsmittel § 31, 94 – Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff.; s. a. dort – Durchführung § 31, 102 ff. – Einstimmigkeit § 34, 8 – Grundlagen § 34, 1 ff. – Gruppenbildung, fehlerhafte § 35, 49 ff. – Hinweis über fehlende Betroffene § 31, 92

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Stichwortverzeichnis – Hinweis über Minderheitenschutz § 31, 93 – Hinweis über Schlechterstellung § 36, 30 – Hinweis über Ton- und Bildaufzeichnungen § 31, 95 – Hinweis zu Widerspruch/Ablehnung § 36, 43 – Kostenvorschuss § 31, 91 – Ladung § 31, 89 f. – Ladung, Anlagen § 31, 96 – Ladung, Zustellung § 31, 97 ff. – Ladungsfrist § 31, 97 – Mehrheiten, Festlegung § 34, 14 – Obstruktionsverbot § 34, 46 ff. – Protokoll § 31, 115 ff. – Schlechterstellungsverbot § 35, 54 ff. – Stimmrechte, Festlegung § 34, 41 f. – Stimmrechte, Festsetzung § 31, 105 f. – Stimmrechte, Streitigkeiten § 33, 164 ff. – Terminsbestimmung § 34, 39 f. – Überblick § 1, 33 ff. – unlautere Herbeiführung d. Annahme § 35, 67 ff. – Verfahren § 34, 36 ff., 43 ff. – Verfahrensfehler § 35, 44 ff. – Verfahrensfehler, Wesentlichkeit § 35, 58 f. – Vorbereitungen § 31, 87 ff. – Zustellungsnachweise, Erleichterungen § 29, 65 – Zustimmungsersetzung § 34, 51 ff.; s. a. Cross-Class Cram-down Restrukturierungsplan – Abstimmung, privatautonome – Abgrenzung z. gerichtlicher § 29, 2 – Abstimmung, Vorbereitung § 31, 3 ff. – Abstimmungsfähigkeit § 31, 63 ff. – Änderungen § 31, 61; § 32, 43 ff.; s. a. Restrukturierungsplan – Änderung – Annahmefrist § 29, 61 ff., 112 ff. – Annahmefrist, Verkürzung § 29, 119 ff. – Annahmefrist, Verlängerung § 29, 122 f. – Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff.; s. a. dort

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– Dokumentation § 29, 64, 152; § 31, 78 ff. – Dokumentation, Stimmabgabe § 29, 152 – Drei-Viertel d. Stimmrechte § 29, 109 – Durchführung § 31, 49 ff., 66 ff. – Einberufungsfrist § 29, 61 ff. – Einstimmigkeit § 34, 8 – elektronische Teilnahme § 29, 138 f.; § 31, 18, 44 – Erörterungsversammlung § 29, 124 f.; s. a. dort – Feststellung d. Formalien § 31, 53 ff. – Formerfordernisse § 29, 108, 110 f. – Grundlagen § 34, 1 ff. – Gruppenbildung, fehlerhafte § 35, 49 ff. – Hinweis auf Erörterungsversammlung § 31, 17 – Hinweis über Schlechterstellung § 36, 30 – Hinweis zu Widerspruch/Ablehnung § 36, 43 – Mehrheiten, Festlegung § 34, 14 – Nichtigkeit d. Stimmabgabe § 29, 110 – Obstruktionsverbot § 34, 46 ff. – Ordnungsmäßigkeit, Zweifel § 35, 65 f. – Planänderungen § 29, 149 – Planbetroffenenversammlung § 29, 133 ff.; § 31, 2 ff.; s. a. dort – Planbetroffenenversammlung, Ablauf § 29, 141 – Planbetroffenenversammlung, Einberufung § 31, 42 ff. – Planbetroffenenversammlung, qualifizierte Versammlungsleitung § 29, 150 f. – Planbetroffenenversammlung, Versammlungsleitung § 29, 142 ff. – Restrukturierungsplan, Angebot § 31, 3 ff. – Restrukturierungsplan, Annahme § 31, 69 ff. – Restrukturierungsplan, Erläuterung § 31, 58 ff. – Schlechterstellungsverbot § 35, 54 ff. – Stimmabgabe § 29, 107 ff.; § 31, 68

Stichwortverzeichnis – Stimmabgabe, Dokumentation § 29, 127 ff. – Stimmabgabe, Zugang § 29, 113 ff. – Stimmenthaltungen § 29, 109 – Stimmrechte, Streitigkeiten § 33, 154 ff.; § 35, 66 – Stimmverbote § 29, 109 – Teilnahmeberechtigung § 31, 50 f. – unlautere Herbeiführung d. Annahme § 35, 67 ff. – Verfahren § 34, 16 ff. – Verfahrensfehler § 35, 44 ff. – Verfahrensfehler, Wesentlichkeit § 35, 58 f. – versammlungsloses, schriftliches Verfahren § 29, 106 ff. – Widerruf d. Stimmabgabe § 29, 109 – Zustellungsnachweise § 29, 63 ff. – Zustimmungsersetzung § 34, 51 ff.; s. a. Cross-Class Cram-down Restrukturierungsplan – Änderung – Ablehnung § 32, 25 ff. – Begriff § 32, 1 ff. – Berechtigte § 32, 7 f., 47 ff. – Einreichungsfrist § 32, 46 – einzelne Regelungen § 32, 12 ff., 52 ff. – Erörterungsversammlung § 32, 50 – gerichtl. Abstimmungsverfahren § 32, 5 ff. – Lückenschließung durch Vorprüfung § 32, 37 ff. – Planbetroffenenversammlung § 29, 149; § 32, 44 ff., 75 – privatautonomes Abstimmungsverfahren § 31, 61; § 32, 43 ff. – Probeabstimmung § 32, 63 – Risikobegrenzung, Strategien § 32, 56 ff. – taggleiche Abstimmung § 32, 9 ff., 51 – Verfahren § 32, 22 ff. – versammlungslose Abstimmung § 32, 70 ff. – Vorprüfung der Änderung § 32, 33 ff. – Zustimmung § 32, 29 ff. Restrukturierungsplan – Angebot – Abstimmung, Vorbereitung § 31, 3 ff. – Änderungen § 31, 61; s. a. Restrukturierungsplan – Änderung – Anlagen § 29, 37 ff.; § 31, 29 f. – Annahmefrist § 29, 61 ff.

– Arbeitnehmer, Rechtsstellung § 29, 105 – aufschiebende Bedingung § 29, 57; § 31, 4 – Auslegung § 29, 57 ff. – Belehrung über Beschwerdebefugnis § 29, 36 – Belehrung über Minderheitenschutz § 29, 34 f., 140 – Belehrung zur Wirkung gerichtl. Planbestätigung § 29, 30 ff. – Berechtigte § 29, 26 ff.; § 31, 6 ff. – Bindungswirkung § 31, 13 f. – darstellender Teil § 31, 22 ff. – Einberufungsfrist § 29, 61 ff. – Entscheidungskompetenz, Kapitalgesellschaften § 29, 80 ff.; § 31, 8 – Entscheidungskompetenz, Personengesellschaften § 29, 104; § 31, 8 ff. – Ergebnisplan § 31, 32 – Erörterungsversammlung § 29, 124 f.; s. a. dort – Finanzplan § 31, 32 – Form § 31, 5 – Formerfordernisse § 29, 52 ff. – gestaltender Teil § 31, 28 ff. – Hinweis zu gemeinsamer Erörterungsversammlung § 29, 47 ff. – Inhalt § 29, 30 ff.; § 31, 13 ff. – Kostenaufstellung § 29, 43 ff.; § 31, 40 f. – mehrere/konkurrierende § 29, 57 ff. – Planbetroffene, Benennung § 31, 15 f. – Planbetroffenenversammlung, Einberufung § 31, 42 ff. – Restrukturierungsplan § 29, 37 ff. – Restrukturierungsplan, Abstimmungsfähigkeit § 31, 63 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 31, 22 ff. – Vermögensübersicht § 31, 31 – Vertretung § 29, 54 ff. – Zugang § 29, 113 ff. – Zustellungsnachweise § 29, 63 ff. – Zustellungsnachweise, Erleichterungen § 29, 65 – Zustimmungserklärungen Betroffener § 31, 35 – Zustimmungserklärungen verbundener Unternehmen § 31, 39

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Stichwortverzeichnis Restrukturierungsplan – Annahme – Absolute Priority § 34, 78 ff. – Absolute Priority, Durchbrechung § 34, 115 ff. – Abstimmung § 29, 106 ff. – Abstimmungsverfahren § 34, 15 ff. – angemessene Beteiligung § 34, 78 ff.; § 35, 57 – Annahmefrist § 29, 112 ff. – Annahmefrist, Verkürzung § 29, 119 ff. – Annahmefrist, Verlängerung § 29, 122 f. – Cross-Class Cram-down § 34, 51 ff.; s. a. dort – Dokumentation § 29, 152 – Dokumentation, Stimmabgabe § 29, 152 – Drei-Viertel d. Stimmrechte § 29, 109; § 31, 69 ff. – Einstimmigkeit § 34, 8 – Erörterungsversammlung § 29, 124 f.; s. a. dort – Gebot d. Rangwahrung § 34, 90 ff. – Gleichbehandlungsgebot § 34, 101 ff. – Gruppenbildung, fehlerhafte § 35, 49 ff. – Mehrheiten, erforderliche § 34, 9 ff. – Mehrheiten, Festlegung § 34, 14 – Obstruktionsverbot § 34, 46 ff. – Planänderungen § 29, 149 – Planbetroffenenversammlung § 29, 133 ff.; s. a. dort – Planbetroffenenversammlung, Ablauf § 29, 141 – Planbetroffenenversammlung, qualifizierte Versammlungsleitung § 29, 150 f. – Planbetroffenenversammlung, Versammlungsleitung § 29, 142 ff. – Schlechterstellungsverbot § 35, 54 ff. – Stimmrechte § 33, 90 ff.; s. a. dort – unlautere Herbeiführung § 35, 67 ff. – Verbot d. Überbefriedigung § 34, 84 ff. – Verfahrensfehler § 35, 45 ff. – Verfahrensfehler, Wesentlichkeit § 35, 58 f. – Vollzug vor Bestätigung § 37, 12 ff.

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– Wirkungen § 37, 1 ff.; s. a. Restrukturierungsplan – Wirkungen – Zwei-Gruppen-Plan § 34, 138 ff. Restrukturierungsplan – Bestätigung – Anfechtungsschutz § 40, 1 ff. – angemessene Beteiligung § 35, 57 – Anhörung § 35, 14 ff. – Antrag § 35, 10 ff. – beizufügende Unterlagen § 35, 78 f. – Bekanntgabe § 35, 74 ff. – Bestandsfähigkeitserklärung, Prüfung § 8, 108; § 35, 60 – drohende Zahlungsunfähigkeit § 35, 30 ff. – Erfüllbarkeit § 35, 61 f. – Formerfordernisse § 37, 29 ff. – gerichtliche § 29, 3 ff. – Grundlagen § 35, 1 ff. – Haftungsprivilegierung § 40, 1 ff. – Inhaltsfehler § 35, 35 ff. – Inhaltsfehler, Wesentlichkeit § 35, 58 f. – Kommunikationsbedarf § 4, 154 ff. – Mängel, Heilung § 37, 23 ff. – Mängel, Prüfung § 8, 107 ff. – Minderheitenschutz § 36, 10 ff. – Minderheitenschutz, Prüfung § 8, 113 f. – neue Finanzierungen § 35, 63 f. – Planbedingungen, Eintritt § 35, 19 ff. – Prüfung, Umfang § 35, 27 ff. – Rechtsmittel § 36, 31 ff. – Rechtsnatur § 35, 26 – Schlechterstellungsverbot § 36, 14, 22 ff. – Überblick § 1, 37 ff. – unlautere Herbeiführung d. Annahme § 35, 67 ff. – Verfahrensfehler § 35, 44 ff. – Verfahrensfehler, Wesentlichkeit § 35, 58 f. – Vergleichsrechnung § 36, 15 ff. – Verkündung § 35, 75 ff. – Versagungsgründe § 8, 106 ff.; § 35, 29 ff.; § 36, 29 – Vollzug vor Rechtskraft § 37, 12 ff. – Wirkungen § 7, 67; § 37, 1 ff.; s. a. Restrukturierungsplan – Wirkungen – Wirkungen, Anfechtungsschutz § 40, 59 ff.

Stichwortverzeichnis Restrukturierungsplan – Inhalt – Absonderungsanwartschaften § 20, 31, 57 ff. – Abstimmungsfähigkeit § 31, 63 ff. – Aktiengattungen § 25, 60 – Amend & Extend-Lösungen § 20, 75 – Anlagen § 21, 1 ff.; § 28, 1 – Anschrift § 27, 30 – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte an Drittgesellschaften, Übertragung § 25, 78 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Änderung § 27, 71 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Einbeziehung § 20, 12, 35, 78 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Einziehung § 27, 78 – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Gestaltung § 25, 46 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Prüfung durch d. Gericht § 25, 96 – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Schranken § 25, 86 ff. – Anteils-/Mitgliedschaftsrechte, Übertragung § 25, 67 ff. – Anteilsinhaber/Mitglieder, Abfindung § 25, 53 – Anteilsinhaber/Mitglieder, Ausschluss § 25, 49 f. – Arbeitsverhältnisse § 19, 46 ff. – Aufbau § 19, 7 ff. – Aufrechnung § 27, 66 – Ausfallwahrscheinlichkeit § 21, 17 – Bedingungen s. dort – Begründung § 21, 8 ff. – Beschäftigte § 27, 23 ff., 46 – Betriebsgeheimnisse § 27, 12 ff. – betriebswirtschaftl. Anforderungen § 19, 29 ff. – Checkliste d. BMJ § 19, 10 – Darlegung subjektiver Annahmen § 21, 11 – darstellender Teil § 19, 1 ff.; § 27, 10 ff.; § 28, 1 – darstellender Teil, Funktion § 19, 13 ff. – Debt Equity Swap § 27, 80 – Ein-Gruppen-Plan § 20, 43 – Erfolgswahrscheinlichkeit § 19, 36 ff.

– Erklärung über Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit § 21, 6 ff., 16 ff. – Erklärung über Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit § 21, 6 ff. – Erklärungen § 19, 16 – Erklärungen, allg. Anforderungen § 21, 24 f. – Erklärungen, Muster § 21, 26 – Finanzierungen § 20, 59; § 26, 38 ff. – Finanzierungen, neue § 20, 89 ff.; § 26, 6 ff., 23 ff.; s. a. dort – Finanzierungsmaßnahmen § 3, 22 ff. – Finanzierungstruktur § 27, 62 – Finanzkennzahlen § 27, 60 f. – Firma § 27, 17 ff. – Firmenänderung § 25, 60 – Firmensitz § 25, 60 – Forderungen, nicht bekannte § 27, 69 – Forderungsverzicht gegen Quotenzahlung § 26, 11 ff.; § 27, 5, 67 f. – Formerfordernisse § 37, 29 ff. – Geschäftsleitung § 27, 55 f. – Geschäftstätigkeit § 27, 22 – Gesellschafterdarlehen § 20, 29; § 26, 30 f. – Gesellschafterstruktur § 27, 57 ff. – Gesellschaftervereinbarungen § 25, 76 f. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 1 ff.; s. a. dort – gestaltbares Rechtsverhältnis, maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt § 20, 84 ff. – gestaltender Teil § 20, 1 ff.; § 27, 64 ff. – gestaltender Teil, Funktion § 20, 2 ff. – Gestaltungsmaßnahmen, Form § 25, 54 f., 64, 83 f. – GoP 3.0 § 21, 10 – Gruppenbildung § 20, 30 ff.; § 33, 74 ff. – Gruppenbildung, fakultative § 20, 38 ff. – Gruppenbildung, obligatorische § 20, 30 ff. – gruppeninterne Drittsicherheiten § 19, 55; § 20, 36, 61 ff. – Haftung d. Schuldners § 20, 104 ff. – IDW Standard § 19, 31

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Stichwortverzeichnis – integrierte Unternehmensplanung § 19, 35 – Intercreditor-Agreements § 20, 71 – Kapitalerhöhung § 25, 48; § 27, 79 – Kapitalherabsetzung § 25, 51; § 27, 79 – Kleingläubiger § 20, 27, 37, 39 – Krisenursachen § 19, 32 f.; § 27, 47 f. – Mängel § 35, 35 ff. – Mängel, Heilung § 37, 23 ff. – Mängel, Nachbesserung § 35, 35 – Mängel, Wesentlichkeit § 35, 58 f. – Mehrheitsregelungen § 25, 60 – Minderheitenschutz § 36, 10 ff. – Minderheitenschutz, Maßnahmen § 20, 109 ff.; § 25, 92 – Mindestangaben § 19, 9; § 20, 6 f.; § 27, 11 – Musterplan, Gliederung § 39, 1 ff. – Nebenabreden § 20, 47 – Niederlassungen § 27, 27 ff. – Organe, Änderungen § 25, 60; § 27, 75 – Pflichtangaben § 28, 1 – Planbetroffene, Auswahl § 20, 20 ff. – Planbetroffene, Begriff § 20, 8 ff. – Planbetroffene, Gleichbehandlung § 20, 45 ff. – Planüberwachung § 20, 123 ff. – Planungshandbuch § 21, 9 – Planungsrechnung § 21, 14 f., 23 – Planungszeitraum § 21, 12 – Prolongation § 20, 94 – Rechenwerke § 19, 16 – Rechtswahlklausel § 14, 118 – Regelungsstruktur § 19, 18 – Restrukturierungsbeauftragter, Vergütung § 20, 130 ff. – Restrukturierungsforderungen § 20, 32 ff., 51 ff. – sachenrechtl. Verhältnisse § 20, 101 ff. – Satzung, Änderung § 25, 28 ff., 46 ff., 60; § 27, 77 – Schlechterstellungsverbot § 36, 14 – Schuldner, Informationen § 27, 10 ff. – Schuldner, Pflichtangaben § 27, 15 ff. – Schuldverschreibungen § 20, 70 – Sicherheiten, Ablösung § 26, 13 – stille Beteiligungen § 27, 59 – Stundung § 20, 94 – Treuhandschaften § 20, 60; § 27, 58 – Überblick § 1, 43 ff.

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– Übertragungsbeschränkungen § 25, 74 f. – Überwachung d. Planerfüllung § 38, 4 ff. – Umschuldung § 26, 15 ff. – Umwandlung § 25, 61 – Unternehmensgruppen § 27, 52 ff. – Unternehmenszweck § 25, 60 – Verbindlichkeiten § 27, 33 ff. – Vergleichsrechnung § 19, 51 ff.; § 28, 1 ff.; § 36, 15 ff.; s. a. dort – Vergleichsrechnung, Prüfung § 28, 61 ff. – Vermögensübersicht § 21, 21 f. – Vermögenswerte § 27, 33 ff. – Vermögenswerte, Bewertung § 27, 39 ff. – vertragl. Nebenbestimmungen § 20, 70 ff. – Vollzugsakte, zusätzliche § 37, 18 – Wahloptionen § 20, 48 f. – Wiederaufleben v. Forderungen, Ausschluss § 37, 124 – Wirkungen § 37, 17; s. a. Restrukturierungsplan – Wirkungen – wirtschaftliche Lage § 27, 43 ff. – Zwischenfinanzierungen § 20, 92 Restrukturierungsplan – Überwachung – Anordnung § 38, 4 f. – Anzeigepflicht § 38, 18, 21, 36 ff. – Aufhebung § 38, 47 ff. – Dauer § 38, 45 ff. – Drei-Jahres-Frist § 38, 50 ff. – Dritte als Überwacher § 38, 12 – Einsichtsrecht § 38, 28 f. – Gläubigerbeirat § 38, 13 – Insolvenzreife, Eintritt § 38, 54 – Nichterfüllung § 38, 36 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 38, 10 f. – Restrukturierungsbeauftragter, Aufgaben § 11, 99 f.; § 38, 14 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11, 20 – Restrukturierungsgericht, Aufsicht § 38, 13, 58 ff. – Überblick § 20, 123 ff.; § 38, 1 ff. – Umfang § 38, 6 ff. – Umfang, Begrenzung § 38, 7

Stichwortverzeichnis – Umfang, Erweiterung § 38, 8 – Zeitablauf § 38, 50 ff. Restrukturierungsplan – Vorprüfung – Antrag d. Schuldner § 30, 34 f. – Arten § 30, 1 ff. – Bindungswirkung § 30, 30 – gerichtl. Abstimmungsverfahren § 30, 7 ff. – Hinweiserteilung § 30, 26 ff., 47 ff. – Kommunikationsbedarf § 4, 142 ff. – Ladung § 30, 15 ff. – Planbetroffene, Anhörung § 30, 25, 39 ff. – privatautonomes Abstimmungsverfahren § 30, 31 ff. – Terminsbestimmung § 30, 15 – Überblick § 1, 32 – Umfang § 30, 20 ff. – Umfang, Begrenzung § 30, 23 f. – Umfang, bei Schuldnerantrag § 30, 36 ff. – Unterrichtung Betroffener § 30, 29 – von Amts wegen § 30, 14 Restrukturierungsplan – Wirkungen – Anteilsinhaber § 37, 68 ff. – Aufrechnung § 37, 50 ff. – Ausfallforderungen § 37, 125 ff. – Auslegung § 37, 19 ff. – Debt Equity Swap § 37, 95 ff. – Differenzhaftung, Ausschluss § 37, 95 ff. – Drittsicherheiten § 37, 84 ff. – Eintrittszeitpunkt § 37, 6 ff. – erfasste Pläne § 37, 2 ff. – Finanzierungen, neue § 37, 66 f. – Forderungen, Ausschluss d. Wiederauflebens § 37, 124 – Forderungen, Fortbestand § 37, 45 ff. – Forderungen, Übererfüllung § 37, 92 ff. – Forderungen, Wiederaufleben § 37, 113 ff., 131 ff., 151 f. – formelle § 37, 23 ff. – Formerfordernisse § 37, 29 ff. – Haftungsbefreiung § 37, 72 ff. – Insolvenzreife, Eintritt § 37, 117 ff. – konsensuale Pläne § 37, 8 f. – Mängel, Heilung § 37, 23 ff. – materielle § 37, 44 ff. – nicht Planbetroffene § 37, 59

Novation § 37, 44 Planbedingungen, Eintritt § 37, 10 Planbetroffene § 37, 57 f. Registergericht § 37, 80 ff. Rückstand d. Schuldners § 37, 100 ff. Schuldner § 37, 54 ff. streitige Forderungen § 37, 125 ff. streitige Forderungen, Ausgleichszahlungen § 37, 136 ff. – Verjährungshemmung § 37, 65 – vollstreckungsrechtliche § 37, 11, 141 ff. – Vollzug vor Bestätigung § 37, 12 ff. – Vollzugsakte, zusätzliche § 37, 18 – widersprechende Gläubiger § 37, 59 Restrukturierungsrichtlinie – Anfechtungsschutz § 40, 8 ff. – Anteilsinhaber § 25, 2 f. – Finanzierung, neue § 26, 1 ff. – Finanzierungen, Anfechtungsschutz § 40, 8 ff. – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes § 14, 3 ff. – Stabilisierungsanordnung § 16, 4 Restrukturierungsverfahren – Ablauf, Verfahrenswege § 27, 3 – Anfechtungsschutz § 1, 62 ff.; § 40, 1 ff. – Anordnungsvoraussetzungen, formelle § 9, 16 – Anordnungsvoraussetzungen, materielle § 9, 2 ff. – Aufhebung § 13, 1 ff.; s. Restrukturierungsverfahren – Aufhebung – Aufhebungsgründe § 8, 115 ff. – Aufhebungsreife, Anzeige § 11, 67 ff. – Aussichtslosigkeit § 8, 123 – Bekanntmachung § 1, 59 ff. – Besteuerungsverfahren, Auswirkungen § 44, 1 ff.; s. a. Steuern – drohende Zahlungsunfähigkeit § 9, 2 ff. – Fälligstellen v. Forderungen § 10, 51 ff. – Finanzierung § 3, 1 ff.; s. a. Finanzierung – Restrukturierung – Forderungsverzicht gegen Quotenzahlung § 27, 5, 67 f. – Fortführung trotz Insolvenzreife § 9, 15; § 10, 42 ff.; § 35, 33 f. – – – – – – – –

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Stichwortverzeichnis – grenzüberschreitende § 42, 1 ff. – Insolvenzantragspflicht, Ruhen § 10, 30 ff. – Insolvenzreife d. Schuldners § 9, 9 ff. – Kenntnis d. Gläubiger § 40, 25 ff. – Kommunikationsbedarf § 4, 110 ff. – Minderheitenschutzverfahren § 28, 76 ff. – Moratorium § 1, 23 ff., 69 – Pflichtverletzung, schwerwiegende § 8, 124 – Rechtshängigkeit § 8, 78 ff.; § 40, 3 – Rechtshängigkeit, Beendigung § 38, 13 – Restrukturierungsinstrumente, Prüfung § 8, 88 ff. – Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverschleppung § 29, 71 ff. – Sanierungsmoderation § 1, 65 f. – Steuererklärungen § 44, 10 f. – Überblick § 1, 1 ff. – Umsetzungsaussicht, fehlende § 13, 25 – Unternehmensgruppe, grenzüberschreitende § 42, 1 ff. – Verfahrenshilfen § 29, 66 ff. – Vertragsrecht § 1, 67 ff. – Zielsetzung d. Antrags § 1, 21 Restrukturierungsverfahren – Aufhebung § 13, 30 – Amtsermittlungsgrundsatz § 13, 4 – Antragsrecht § 13, 6 ff. – Ausnahmen § 13, 23 f. – Beschluss § 13, 9 ff. – Beschluss, Zustellung § 13, 10 – Beurteilungsspielraum § 13, 5 – Insolvenzantrag § 13, 13 ff. – Insolvenzeröffnung § 13, 16 – Insolvenzreife, Eintritt § 13, 22 ff. – Missachtung d. Gläubigerinteressen § 13, 26 – Pflichtverletzung, schwerwiegende § 13, 18 ff., 26 f. – Rechtsmittel § 13, 31 f.; § 36, 31 ff. – Umsetzungsaussicht, fehlende § 13, 25 – Unzuständigkeit d. Gerichts § 13, 17 – Verfahren § 13, 3 ff. – vorangegangenes Restrukturierungsverfahren § 13, 28 f. – Voraussetzungen § 13, 13 ff.

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Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes – Absonderungsanwartschaften § 14, 122 ff. – analoge Anwendung von § 335 InsO § 14, 128 ff. – Anerkennung in Mitgliedsstaaten § 14, 131 – Anerkennung in Mitgliedstaaten § 14, 63 ff. – Antrag d. Schuldners § 14, 13 ff. – Antrag d. Schuldners, erforderliche Angaben § 14, 18 ff. – anwendbares Recht § 14, 53 ff., 117 ff. – Aufnahme in EuInsVO Anhang A § 14, 10 ff. – Bekanntmachung § 14, 38 f. – Brüssel Ia-VO, Anwendbarkeit § 14, 90 ff. – dingliche Rechte § 14, 58 ff. – Drittstaatenbezug § 14, 133 – Entscheidung d. Gerichts § 14, 21 ff. – EuInsVO, Anwendungsbereich § 14, 49 ff. – gesellschaftsrechtliche Maßnahmen § 14, 125 f. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 24, 52 ff. – internationale Zuständigkeit § 14, 30 ff. – internationale Zuständigkeit nach Brüssel Ia-VO § 14, 105 ff. – Mitglied einer Unternehmensgruppe § 14, 74 ff. – nicht öffentliche Restrukturierungssache § 14, 90 ff. – öffentliche Restrukturierungssache § 14, 9 ff. – Rechtsmittel § 14, 40 ff. – Rechtswahl § 14, 118 – Restrukturierungsbeauftragter § 14, 71 ff. – Restrukturierungsforderungen § 14, 119 ff. – Restrukturierungsrichtlinie § 14, 3 ff. – Sekundärrestrukturierungsverfahren § 14, 79 f. – Überblick § 14, 1 f. – Vollstreckung v. Entscheidungen § 14, 67 ff., 132

Stichwortverzeichnis Restrukturierungsvorhaben – Verfahrensstruktur § 7, 1 ff. Restrukturierungsvorhaben – Anzeige – Absonderungsanwartschaften § 11, 14 ff. – Adressat § 7, 27 ff. – Anfechtungsschutz § 40, 1 ff. – Anlagen § 7, 8, 15 ff., 41 ff. – Anlagen, Bedeutung § 7, 64 – Anlagen, Vollständigkeit § 8, 87 – Anordnungsvoraussetzungen § 9, 1 ff. – Anzeigeberechtigte § 7, 25 f. – Aufhebung d. Sache § 7, 68 – Aussichtslosigkeit § 8, 123 – Berechtigte § 27, 1 f.; § 30, 12 f. – Darstellung d. Verhandlungsstands § 7, 50 f. – Darstellung d. Widerstands einzelner Gruppen § 7, 55 – drohende Zahlungsunfähigkeit § 30, 11 – Form § 7, 22 – Funktion d. Gerichts § 7, 7 – Haftungsprivilegierung § 40, 1 ff. – Inhalt § 7, 23 f. – Insolvenzeintritt, Anzeigepflicht § 7, 63 – materiell-rechtliche Wirkung § 7, 8 f. – Pflichtverletzung, schwerwiegende § 8, 124 – Planabstimmung, gerichtl. § 8, 92 – Rechtsnatur § 7, 3 ff. – Restrukturierungsgericht, Konzernsachverhalte § 7, 37 f. – Restrukturierungsgericht, örtliche Zuständigkeit § 7, 32 ff., 39 f. – Restrukturierungsgericht, sachliche Zuständigkeit § 7, 27 ff. – Restrukturierungsgericht, Zuständigkeit § 7, 17 ff., 27 ff. – Restrukturierungskonzept § 7, 46 ff. – Restrukturierungsplan § 7, 44 f. – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 7, 67 – Rücknahme § 7, 66; § 13, 7 – Sicherstellung d. Pflichtenerfüllung § 7, 52 – Sitzverlegung § 7, 62 – Verbraucher § 7, 13, 25, 53 – Verbraucher, Betroffenheit § 7, 53 f.

– Verfahrensstruktur § 7, 1 ff. – vorangegangene Restrukturierungen § 7, 56 f.; § 8, 125 f. – Vorbereitungen § 7, 11 ff. – Vorgespräch § 7, 19 – Vorprüfung § 8, 93 ff. – Wirkungen § 7, 58 ff. – Wirkungsverlust § 7, 65 ff. – Zeitablauf § 7, 69 – Zweck § 7, 10 Restschuldbefreiung – steuerliche Behandlung § 44, 155 Rücktritt – Stabilisierungsanordnung § 16, 43

Sachverständiger – Aufgaben/Pflichten § 11, 56 ff. – Vergütung § 11, 161 ff. – Vorschlagsrecht § 11, 27 Sachwalter – Bestellung d. Restrukturierungsbeauftragten § 11, 131 ff. Sanierungsertrag § 44, 145 ff. Sanierungsfähigkeit s. a. Restrukturierungsfähigkeit – Definition § 2, 22 f., 28 ff. – Leitbild d. sanierten Unternehmens § 2, 53 ff. – Planverprobungsrechnung § 2, 74 ff. – Prognose § 2, 95 ff. – Sanierungsmaßnahmen § 2, 57 ff.; s. a. dort – Unternehmensanalyse § 2, 32 ff. Sanierungsgutachten – Kreditvergabe § 3, 10, 21, 29 Sanierungsinstrumente – Überblick § 1, 22 ff. Sanierungsklausel – Körperschaftsteuer § 44, 113 ff. Sanierungskonzept – Anforderungen § 2, 26 – Basisbilanz § 2, 80 f. – Berichterstattung/Dokumentation § 2, 132 ff. – Bilanzplanung § 2, 90 f. – dauerhafte Sanierung, Renditeanforderungen § 2, 119 ff. – Erfolgskrise, Überwindung § 2, 65 f. – Ertragsplanung § 2, 82 ff. – IDW S 6 § 2, 26

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Stichwortverzeichnis – Insolvenzvermeidung § 2, 62 – Kernbestandteile § 2, 27 – Leitbild d. sanierten Unternehmens § 2, 53 ff. – Liquiditätskrise, Vermeidung § 2, 63 f. – Liquiditätsplanung § 2, 92 ff. – Planungsstichtag § 2, 80 – Planverprobungsrechnung § 2, 74 ff. – Produkt-/Absatzkrise, Überwindung § 2, 67 ff. – Restrukturierungsfähigkeit § 2, 28 ff. – Sanierungsmaßnahmen § 2, 57 ff.; s. a. dort – Sanierungsmaßnahmen, Effekte § 2, 78 f. – Schwachstellen, Darstellung § 2, 77 – Stakeholderkrise, Überwindung § 2, 72 f. – Strategiekrise, Überwindung § 2, 70 f. – Unternehmensanalyse § 2, 32 ff.; s. a. dort Sanierungsmaßnahmen – Berichterstattung/Dokumentation § 2, 132 ff. – dauerhafte Sanierung, Renditeanforderungen § 2, 119 ff. – Dringlichkeit § 2, 57 – Effekte, Darstellung § 2, 78 f. – Erfolgskrise, Überwindung § 2, 65 f. – Insolvenzvermeidung § 2, 62 – Liquiditätskrise, Vermeidung § 2, 63 f. – Produkt-/Absatzkrise, Überwindung § 2, 67 ff. – Stakeholderkrise, Überwindung § 2, 72 f. – Strategiekrise, Überwindung § 2, 70 f. Sanierungsmoderation – Antrag § 15, 10 ff. – Antrag, Anlagen § 15, 25 ff. – Antrag, Inhalt § 15, 19 ff. – Antrag, Zuständigkeit § 15, 11 ff. – Entscheidung d. Gerichts § 15, 32 – Kosten § 15, 33 – Restrukturierungsbeauftragter, fakultativer § 11, 113 – Sanierungsvergleich § 15, 123 ff.; s. a. dort – Stellung/Aufgaben § 4, 174 ff. – Überblick § 1, 65 f.; § 15, 1 ff.

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– Übergang in Restrukturierungsrahmen § 15, 163 ff. – Verfahrensvoraussetzungen § 15, 16 ff. Sanierungsmoderator – Abberufung/Entlassung § 15, 106, 112 ff., 119 ff. – Aufgaben/Pflichten § 15, 58 ff. – Aufsicht d. Gerichts § 15, 110 ff. – Berichterstattung § 15, 96 ff. – Bestellung, Beschluss § 15, 54 ff. – Bestellungszeitraum § 15, 55 – Eignung § 15, 43 ff. – Einkommensteuer § 44, 101 ff. – Informationsbeschaffung § 15, 64 ff. – Insolvenzreife, Anzeige § 15, 102 ff. – Pflichtverletzung/Haftung § 15, 106 ff., 115 ff. – Pflichtverstoß § 15, 59 f. – rechtliche Einordnung § 15, 61 – Sanierungsvergleich § 15, 123 ff.; s. a. dort – Stellungnahme z. Sanierungsvergleich § 15, 153 ff. – Umsatzsteuer § 44, 144 – Vergütung § 15, 156 ff. – Verhandlungsführung § 15, 73 ff. – Vermittlung einer Sanierungslösung § 15, 62 ff. – Vorauswahl § 15, 37 ff. – Vorschlagsrecht § 15, 51 ff. Sanierungsplan s. a. Sanierungsvergleich – Inhalt § 15, 21 ff. – Sanierungsmoderation § 15, 1 ff.; s. a. dort – Sanierungsmoderator § 15, 37 ff.; s. a. dort – Verantwortlichkeit § 15, 121 – Verhandlungsführung § 15, 73 ff. – Vermittlung einer Sanierungslösung § 15, 62 ff. Sanierungsprivileg § 40, 84 Sanierungsvergleich s. a. Sanierungsplan – Anfechtungsfestigkeit § 15, 138 ff. – Anfechtungsschutz § 40, 99 ff. – Beteiligte § 15, 126 ff. – gerichtl. Bestätigung, Antrag § 15, 131 f. – gerichtl. Bestätigung, Erteilung § 15, 133 ff.

Stichwortverzeichnis – gerichtl. Bestätigung, Rechtsfolgen § 15, 137 ff. – gerichtl. Bestätigung, Versagung § 15, 145 ff. – Inhalt/Struktur § 15, 130 – rechtliche Einordnung § 15, 123 ff. – Stellungnahme d. Sanierungsmoderators § 15, 153 ff. SanInsFoG – Inkrafttreten § 1, 1 Satzung – Änderung § 25, 28 ff., 46 ff., 60 – Restrukturierungsplan, Regelungen § 27, 77 Schadensersatzpflicht s. a. Haftung; Schuldner – Haftung – Haftung, Tatbestand § 10, 78 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Haftung § 11, 143 ff. – Schadenshöhe § 10, 84 ff. Schlechterstellungsverbot – Hinweispflichten § 36, 30 – Minderheitenschutz § 36, 14, 22 ff. – Minderheitenschutz, Antrag § 36, 25 f. – Rechtsfolge § 36, 29 Schuldner – Anfechtungsschutz § 40, 1 ff. – Angaben, darstellender Teil § 27, 10 ff. – Angaben, gestaltender Teil § 27, 64 ff. – Antragsberechtigung § 27, 1 f. – Anzeige d. Verfahrens s. Restrukturierungsverfahren – Anzeige – Anzeige, Rücknahme § 13, 7 – Aufhebung d. Verfahrens s. Restrukturierungsverfahren – Aufhebung – Auskunftspflicht § 38, 26 f. – Besteuerungsverfahren, Mitwirkung § 44, 14 f. – Gläubigerbenachteiligung, vorsätzliche § 40, 22 ff. – Hinweis über Schlechterstellung § 36, 30 – Hinweis zu Widerspruch/Ablehnung § 36, 43 – Informationsrecht d. Sanierungsmoderators § 15, 64 ff. – Insolvenzreife, Eintritt § 37, 117 ff. – Missachtung d. Gläubigerinteressen § 13, 26

– Organhaftung, Regelungen § 25, 63 – Restrukturierungsbeauftragter, Vorschlagsrecht § 11, 27 ff., 106 – Restrukturierungsplan, Angebot § 29, 26 ff. – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 35, 10 ff. – Restrukturierungsplan, Initiativrecht § 18, 1 ff. – Restrukturierungsplan, Pflichtangaben § 27, 15 ff. – Restrukturierungsplanfolgen/-vollzug, Anfechtungsschutz § 40, 58 ff. – Restrukturierungsverfahren, grenzüberschreitendes s. dort – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 2 ff.; s. a. dort – Rückstand mit Planerfüllung § 37, 100 ff. – Sanierungsvergleich, Beteiligte § 15, 126 ff. – Steuererklärungen § 44, 10 f. – Übertragung d. gesamten Vermögens § 40, 91 ff., 103 – Weisungen d. Gesellschafter § 10, 91 f. – wirtschaftliche Lage, Prüfung § 11, 78 f. Schuldner – Aufgaben/Pflichten – Anzeigepflicht, fehlende Erfolgsaussicht § 10, 27 ff. – Anzeigepflicht, Insolvenzreife § 10, 20 ff., 40 f., 55; § 40, 43 f., 52 ff. – Auskunftspflicht, Verletzung § 8, 118 – Eigenverantwortlichkeit § 27, 4 – Falschangaben § 40, 66, 85 ff. – Insolvenzreife, Anzeigepflicht § 8, 120 ff. – Mitteilungspflichten § 10, 15 ff. – Mitwirkungspflicht, Verletzung § 8, 118 – Pflichtverletzung § 10, 14 – Pflichtverletzung, schwerwiegende § 8, 124; § 13, 18 ff., 26 f. – Sanierungs- bzw. Restrukturierungspflicht § 29, 75 ff. – Sorgfaltsmaßstab § 10, 6 ff. – Stabilisierungsanordnung § 10, 18 f. Schuldner – Haftung – Haftungsprivilegierung § 27, 65 ff.; § 40, 1 ff.

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Stichwortverzeichnis – Planregelung § 20, 104 ff. – Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverschleppung § 29, 71 ff. Schuldverschreibungen – Fremdkapitalinstrumente § 25, 36 – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 72 – Restrukturierungsplan, Inhalt § 20, 70 Sicherheiten – Ablösung § 26, 13 – Globalsicherheiten § 24, 55 – Massekredit § 3, 89 f., 113 ff. – Restrukturierungsverfahren § 3, 27 f. – Stabilisierungsanordnung § 3, 50 ff. – Stimmrechte § 33, 151 f. – Verwertungssperre § 3, 44; § 16, 31 ff. – Zustimmungserklärungen Sicherheitengeber § 31, 38 Sicherheitenpool – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 73 ff. Sicherheitentreuhand – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 79 ff. Sicherungsübereignung – Insolvenzantrag, Auswirkungen § 3, 53 ff. Sittenwidrigkeit – Kreditgeber, Haftung § 3, 7 Sitzverlegung – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 62 Sofortige Beschwerde § 28, 81 ff. – aufschiebende Wirkung § 36, 44 – Belehrung über Beschwerdebefugnis § 29, 36 – Belehrung über Rechtsmittel § 31, 94 – Rechtsbeschwerde § 36, 47 – Statthaftigkeit § 36, 31 ff., 35 – Stimmrechte, Streitigkeiten § 33, 176 f. – Widerspruch, Erforderlichkeit § 36, 43 – Widerspruch, Hinweispflichten § 36, 43 – Zulässigkeit § 36, 38 ff. – Zurückweisung § 36, 45 f. – Zuständigkeit § 36, 36 Sozialplan – Beschäftigungssicherungsverfahren § 43, 141 – Betriebsratsbeteiligung § 43, 60 f.

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Stabilisierungsanordnung – Absonderungsanwartschaft, Wertverlust § 36, 28 – Abwehr durch Gläubiger § 3, 47 – Antrag § 16, 11 ff. – Antrag, Anlagen § 16, 17 ff. – Antrag, Prüfung § 8, 96 f. – Aufhebung § 8, 103 – Aufhebung auf Antrag d. Gläubigers § 16, 57 f. – Aufhebung auf Antrag d. Schuldners § 16, 56 – Aufhebung von Amts wegen § 16, 59 ff. – Aufhebung, Ablehnung § 16, 66 f. – Aufrechnungsmöglichkeit § 16, 39 – Auswirkungen auf Kredite § 3, 48 f. – Auswirkungen auf Sicherheitenverwertung § 3, 50 ff. – Beendigung § 16, 68 – Beschluss § 16, 55 – Finanzsicherheiten § 16, 54 – Kommunikationsbedarf § 4, 146 ff. – Kredite/Darlehen § 16, 49 – Leistungspflichten d. Gläubigers § 16, 47 f. – Lösungsklauseln, Verbot § 16, 40 – Missachtung d. Gläubigerinteressen § 16, 64 f. – Mitteilungspflichten § 10, 18 f. – negative Kenntnisse § 8, 99 ff. – Rechtsmittel § 36, 31 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Aufgaben § 11, 91 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11, 17 ff. – Restrukturierungsplan, Bestätigung § 8, 105 ff. – Restrukturierungsplan, Entwurf § 16, 17 ff. – Restrukturierungsplan, Nichteinreichung § 16, 63 – Restrukturierungsrichtlinie § 16, 4 – Rücktrittsrechte § 16, 43 – Überblick § 16, 1 ff. – Übergang in Insolvenzverfahren § 16, 66 f.

Stichwortverzeichnis Unternehmensgruppe § 41, 67 ff. Verfahrensablauf § 16, 5 f. Verwertungssperre § 16, 31 ff. Verwertungssperre, Dauer § 16, 38 Verzugsrechte § 16, 44 Verzugszinsen § 16, 46 Vollstreckungssperre § 16, 22 ff. Vollstreckungssperre, Dauer § 16, 27 Voraussetzungen § 3, 45 f. Wertverluste § 16, 50 ff. Wirkung auf Gläubigerrechte § 16, 40 ff. – Zahlungsunfähigkeit, drohende § 16, 7 ff. – Zinsen § 16, 50 Stakeholderkrise § 2, 8 ff. – Überwindung § 2, 72 f. StaRUG – Anfechtungsschutz § 40, 1 ff. – Antrag § 1, 17 – Anzeige § 1, 16 – Arbeitsverhältnisse § 43, 1 ff. – Dispositionsmaxime § 1, 8 ff. – Finanzierung, neue § 26, 5 – Finanzierungen, Privilegierung § 3, 11 ff. – Frühwarnsystem § 6, 1 ff. – Inkrafttreten § 1, 1 – Krisenfrüherkennung § 5, 1 ff. – Moratorium § 1, 23 ff., 69 – Restrukturierungsfähigkeit § 1, 19 – Restrukturierungsplan § 1, 42 ff. – Restrukturierungsplan, gerichtl. Abstimmung § 1, 33 ff. – Restrukturierungsplan, gerichtl. Bestätigung § 1, 37 ff. – Restrukturierungsplan, Vorprüfung § 1, 32 – Sanierungsinstrumente § 1, 22 ff. – Überblick § 1, 1 ff. – Vertragsrecht § 1, 67 ff. – Voraussetzungen § 1, 15 ff. – Zahlungsunfähigkeit, drohende § 1, 20 – Zielsetzung d. Antrags § 1, 21 – Zuständigkeit § 1, 18 Steuerberater – allgemeine Beraterpflichten § 6, 4 ff. – Frühwarnsystem § 6, 8 f.; s. a. dort – Haftung § 6, 4 ff. – – – – – – – – – – –

Steuerbevollmächtigte – Frühwarnsystem § 6, 8 f.; s. a. dort Steuern – Berichtigungen § 44, 12 f. – Besteuerungsverfahren § 44, 2 ff.; s. a. dort – Einkommensteuer § 44, 47 ff.; s. a. dort – Gesetzesänderungen § 44, 82 ff. – Gewerbesteuer § 44, 128 ff.; s. a. dort – Körperschaftsteuer § 44, 106 ff.; s. a. dort – Restrukturierungsbeauftragter § 44, 94 ff. – Restrukturierungsbeauftragter, Haftung § 11, 150 – Restrukturierungsbeauftragter, Rechtsstellung § 44, 2 f. – Restschuldbefreiung § 44, 155 – Sanierungsertrag § 44, 145 ff. – Sanierungsertrag, Gewerbesteuer § 44, 159 f. – Sanierungsertrag, Körperschaftsteuer § 44, 156 ff. – Sanierungsmoderator § 44, 101 ff. – Steuererhebungsverfahren § 44, 16 ff. – Steuererklärungen § 44, 10 f. – Steuerstrafverfahren § 44, 42 ff. – Umsatzsteuer § 44, 135 ff.; s. a. dort – Verhältnis z. Restrukturierungsverfahren § 44, 1 ff. – Vollstreckung § 44, 23 ff. – Wahlrechte § 44, 151 Steuerstrafverfahren § 44, 42 ff. – nicht beteiligte Gläubiger § 20, 17 f. Stiftung – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5 ff. Stille Gesellschaft – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 8, 37 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 59 Stimmbindungsverträge – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 24 ff. Stimmrechte – Absonderungsberechtigte § 33, 151 f. – Anteilsinhaber § 33, 132 ff. – Bedeutung § 33, 91 ff. – Berechnung § 33, 112 ff.

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Stichwortverzeichnis Festlegung § 34, 41 f. Festsetzung § 33, 99 ff. Festsetzung, Wirkung § 33, 170 ff. Festsetzung, Zeitpunkt § 33, 108 ff., 123 – Genossenschaften § 33, 149 – gesicherte Gläubiger § 33, 151 f. – gruppeninterne Drittsicherheiten § 33, 131, 151 f. – Kapitalgesellschaften § 33, 142 ff. – Mängel § 35, 45 ff. – Mehrheiten, erforderliche § 34, 1 ff.; s. a. Restrukturierungsplan – Abstimmung; Restrukturierungsplan – Annahme – Personengesellschaften § 33, 140 f. – Rechtsmittel § 33, 174 ff. – Restrukturierungsforderungen, Betrag § 33, 113 ff. – Streitigkeiten § 33, 153 ff.; § 35, 66 – Überblick § 33, 90 ff. – Vereine § 33, 150 Straftaten – Anzeigepflicht, Insolvenzreife § 10, 55 – Restrukturierungsbeauftragter, Haftung § 11, 148 ff. – Steuerstrafverfahren § 44, 42 ff. Strategiekrise § 2, 11 ff. – Überwindung § 2, 70 f. Stundung § 20, 94 Sukzessivlieferungsvertrag – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 41 – – – –

Treuhand – doppelnützige § 22, 81 – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 79 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 20, 60; § 27, 58

Überschuldung – Abgrenzung z. drohender Zahlungsunfähigkeit § 9, 13 f. – Eintritt, Anfechtungstatbestände § 40, 42 ff. – Liquiditätskrise § 5, 143 ff. Übertragende Sanierung § 28, 53 ff. UG (haftungsbeschränkt) – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5

1106

Umsatzsteuer – Forderungseinzug § 44, 141 – Leistungsaustausch Schuldner/Restrukturierungsbeauftragter § 44, 143 – Leistungsaustausch Schuldner/Sanierungsmoderator § 44, 144 – Organschaft § 44, 135 ff. – Vorsteuerkorrektur § 44, 142 Umwandlung – Gestaltungsmaßnahmen § 25, 61 – Übertragung d. gesamten Vermögens § 40, 91 ff. UNCITRAL Model Law – Unternehmensgruppe, grenzüberschreitende § 42, 40 ff. Unerlaubte Handlung – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 43 ff. – nicht beteiligte Gläubiger § 20, 13, 16 Unterbeteiligung – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 10, 32 ff. Unternehmensanalyse § 2, 32 ff.; s. Krisenfrüherkennungssystem – Branchenanalyse § 2, 43 – interne Analyse § 2, 46 ff. – Kennzahlen § 2, 49 – Lebenszyklusanalyse § 2, 45 – Leitbild d. sanierten Unternehmens § 2, 53 ff. – Marktanalyse § 2, 33 ff. – PESTL-Analyse § 2, 40 ff. – Planverprobungsrechnung § 2, 74 ff. – SWOT-Analyse § 2, 44 Unternehmensbewertung – IDW S 8 § 28, 49 Unternehmensgruppe § 41, 1 ff.; s. a. Konzern; Verbundene Unternehmen – Antrag, Restrukturierungsinstrumente § 8, 54 ff. – Außenfinanzierung § 41, 17 – Begriff § 8, 42 ff.; § 41, 26 ff.; s. a. Gruppengerichtsstand; Konzern – Bildung § 41, 6 ff. – Drittsicherheiten, gruppeninterne § 41, 53 ff. – Entity Priority Model, Werteallokation § 41, 92 ff. – Finanzierung § 41, 6 ff.

Stichwortverzeichnis – Gruppen-Gerichtsstand § 41, 48 f. – Gruppengerichtsstand, einheitlicher § 8, 47 ff. – Konzernleitung § 41, 59 f. – multilaterale Verträge, Gestaltung § 41, 57 – Restrukturierung, etablierte Regeln § 41, 32 ff. – Restrukturierung, Probleme § 41, 18 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 41, 50 f., 64 ff. – Restrukturierungsgericht, Zuständigkeit § 41, 61 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 52 ff. – Restrukturierungsplan, Kombinationen § 41, 87 ff. – Restrukturierungsplan, Obergesellschaft § 41, 72 ff. – Restrukturierungsplan, Rechtsträgerbezogenheit § 41, 52 ff. – Restrukturierungsplan, Untergesellschaft § 41, 80 ff. – Restrukturierungspotenziale, andere § 41, 96 ff. – Restrukturierungsverfahren § 41, 58 ff. – Stabilisierungsanordnung § 41, 67 ff. – StaRUG-Regelungen § 41, 41 ff. – Verfahrenskonsilidierung § 41, 35 ff. – Verfahrenskoordination § 41, 33 f. – Zustimmungserklärungen verbundener Unternehmen § 31, 39 Unternehmensgruppe, grenzüberschreitende – COMI § 42, 9 ff. – Restrukturierungsplan, Anerkennung § 42, 24 ff. – Restrukturierungsplan, Gestaltungswirkung § 42, 55 ff. – Restrukturierungsplan, Kombination mit anderen Instrumenten § 42, 63 ff. – Restrukturierungssache, nicht öffentliche § 42, 29 ff. – Restrukturierungssache, öffentliche § 42, 25 ff. – Restrukturierungsverfahren § 42, 1 ff. – Restrukturierungswettbewerb § 42, 15 ff.

Unternehmensverträge – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 22 f. Unternehmenszweck – Änderung § 25, 60

Verbindlichkeiten – Erlass, Aufrechnung § 37, 50 ff. – Erlass, steuerliche Behandlung § 44, 148 f. – nicht bekannte Forderungen § 27, 69 – Passivierung § 44, 47 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 33 ff. – Vergleichsrechnung § 28, 30 Verbraucher – Betroffenheit § 7, 53 f. – Restrukturierungsbeauftragter, Bestellung § 11, 10 ff. – Restrukturierungsfähigkeit § 7, 13 – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 25 Verbundene Unternehmen – Begriff § 41, 22 ff.; s. a. Konzern; Unternehmensgruppe – Drittsicherheiten, gruppeninterne § 41, 53 ff. – Entity Priority Model, Werteallokation § 41, 92 ff. – Gruppen-Gerichtsstand § 41, 48 f. – multilaterale Verträge, Gestaltung § 41, 58 ff. – Restrukturierung, etablierte Regeln § 41, 32 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 41, 50 f., 64 ff. – Restrukturierungsgericht, Zuständigkeit § 41, 61 ff. – Restrukturierungsplan, Kombinationen § 41, 87 ff. – Restrukturierungsplan, Obergesellschaft § 41, 72 ff. – Restrukturierungsplan, Rechtsträgerbezogenheit § 41, 52 ff. – Restrukturierungsplan, Untergesellschaft § 41, 80 ff. – Restrukturierungspotenziale, andere § 41, 96 ff.

1107

Stichwortverzeichnis – Restrukturierungsverfahren § 41, 59 f. – Stabilisierungsanordnung § 41, 67 ff. – StaRUG-Regelungen § 41, 41 ff. – Verfahrenskonsilidierung § 41, 35 ff. – Verfahrenskoordination § 41, 33 f. Verbundene Unternehmen, grenzüberschreitende – COMI § 42, 9 ff. – Restrukturierungsplan, Anerkennung § 42, 24 ff. – Restrukturierungsplan, Gestaltungswirkung § 42, 55 ff. – Restrukturierungsplan, Kombination mit anderen Instrumenten § 42, 63 ff. – Restrukturierungssache, nicht öffentliche § 42, 29 ff. – Restrukturierungssache, öffentliche § 42, 25 ff. – Restrukturierungsverfahren § 42, 1 ff. – Restrukturierungswettbewerb § 42, 15 ff. Verein – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5 ff. Verfassungsbeschwerde § 36, 49 Vergleichsrechnung § 28, 1 ff. – Alternativszenario § 19, 53 ff.; § 28, 12 – Alternativszenario, Anzahl § 28, 33 ff. – Alternativszenario, Begründung § 28, 14 f., 20 – Alternativszenario, Darstellung § 28, 33 ff. – Alternativszenario, mehrere § 28, 12 – Alternativszenario, Realisierbarkeit § 28, 22 – Anforderungen, formelle § 28, 23 ff. – Anforderungen, materielle § 28, 28 ff. – Ausschluss der Schlechterstellung § 19, 52 – Auszahlungszeitpunkte § 28, 29 – Befriedigungsaussichten § 28, 13 – Befriedigungsquote § 28, 29 – Bezugszeitpunkt § 28, 25 ff. – Dual-Track-Verfahren § 19, 54 – Einfluss auf Abstimmung § 28, 13 – Erforderlichkeit § 19, 51 – Fortführungsszenario, Arten § 28, 47 – Fortführungsszenario, Darstellung § 28, 47 ff.

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– Fortführungsszenario, Eintrittswahrscheinlichkeit § 28, 17 – Fortführungswerte § 28, 12 – Insolvenzszenario § 28, 52 – Liquidationsszenario § 28, 16 – Liquidationsszenario, Darstellung § 28, 56 ff. – Liquidationswerte § 28, 12 – Mängel § 19, 52 – Minderheitenschutz § 36, 15 ff. – Minderheitenschutzverfahren § 28, 76 ff. – Planbeteiligte, Forderungen § 28, 28 ff. – Planbetroffene § 28, 12 – Planszenario § 28, 13 – Planszenario, Darstellung § 28, 33 ff. – Prüfung durch Planbetroffene § 28, 64 f. – Prüfung, gerichtliche § 28, 66 ff. – Prüfung, Zeitpunkt § 28, 61 ff. – Rechtsmittel § 28, 81 ff. – Restrukturierungsplan, Pflichtangaben § 28, 1, 11 – StaRUG-Regelungen § 28, 5, 11 f. – übertragende Sanierung § 28, 53 ff. – Verbindlichkeiten/Vermögenswerte § 28, 30 – Verkaufsszenario § 28, 53 – Vollständigkeit/Richtigkeit § 28, 23 f. – wirtschaftliche Betrachtungsweise § 28, 21 – Zweck § 28, 1 ff., 13 Vergütung – Gläubigerbeirat § 12, 42 ff. – Restrukturierungsbeauftragter § 11, 151 ff.; § 20, 130 ff. – Sanierungsmoderator § 15, 156 ff. Verjährung – Hemmung § 37, 65 – Restrukturierungsbeauftragter, Haftung § 11, 147 Verkaufsszenario § 28, 53 Verluste – Gewerbesteuer § 44, 130 ff. – Verlustvortrag § 44, 119 ff. Vermögensübersicht – Restrukturierungsplan, Angebot § 31, 31

Stichwortverzeichnis Vermögenswerte – Bewertung § 27, 39 ff. – Restrukturierungsplan, Inhalt § 27, 33 ff. – Vergleichsrechnung § 28, 30 Vertretung – Mängel § 29, 22 f. – Restrukturierungsplan, Angebot § 29, 54 ff. Verwertungssperre – Kreditsicherheiten § 3, 44 Verwertungstreuhand – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 79 ff. Verwertungsvereinbarungen – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 73 ff. Verzug – Stabilisierungsanordnung § 16, 44 Vinkulierung § 25, 74 f. – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 24 ff. VVaG – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 25, 5

Wiederkehrende Leistungen – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 42 – Restrukturierungsforderungen, Betrag § 33, 125 ff. Willenserklärungen – Mängel § 29, 19 ff. Wirtschaftsprüfer – Frühwarnsystem § 6, 8 f.; s. a. dort

Zahlungsunfähigkeit – Abgrenzung z. drohender § 9, 11 f. – Anzeigepflicht d. Organe § 10, 69 f. – Eintritt, Anfechtungstatbestände § 40, 42 ff. Zahlungsunfähigkeit, drohende – Erklärung über Beseitigung § 21, 6 ff. – Fortführung d. Restrukturierungsverfahrens § 35, 33 f. – Frühwarnsystem § 6, 14 ff. – Kenntnis d. Gläubiger § 40, 31 – Krisenfrüherkennungssystem § 5, 26 f. – nachhaltige Beseitigung § 9, 3 – Nachweis d. Vorliegens § 9, 6 ff.

– Planungsrechnung § 21, 14 f., 23 – Restrukturierung, Voraussetzungen § 1, 20 – Restrukturierungsplan, Anzeige § 30, 11 – Restrukturierungsplan, Versagung § 8, 106 – Restrukturierungsplan, Voraussetzung § 17, 21 ff. – Restrukturierungsplanbestätigung, Versagung § 35, 30 ff. – Restrukturierungsverfahren, Voraussetzungen § 9, 2 ff. – Stabilisierungsanordnung § 16, 7 ff. – Zeitpunkt d. Vorliegens § 9, 5 Zinsen – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 36; § 23, 95 – Stabilisierungsanordnung § 16, 46, 50 – unverzinsliche Restrukturierungsforderungen § 33, 118 f. ZPO – Anwendbarkeit § 8, 127 ff. Zuständigkeit – Forum Shopping § 7, 21, 62 – funktionelle § 8, 34 f. – Gruppengerichtsstand, einheitlicher § 8, 47 ff.; s. a. Gruppengerichtsstand – internationale § 14, 30 ff. – internationale Zuständigkeit nach Brüssel Ia-VO § 14, 105 ff. – örtliche § 8, 15 ff. – Restrukturierungssache § 8, 81 ff. – Restrukturierungsverfahren § 1, 18 – Restrukturierungsvorhaben, Anzeige § 7, 17 ff., 27 ff. – sachliche § 8, 4 ff. – Sanierungsmoderation § 15, 11 ff. – Sitzverlegung § 7, 62 – Unzuständigkeit d. Gerichts § 13, 17 Zustimmungserklärungen – Restrukturierungsplan, Angebot § 31, 35 ff. – verbundener Unternehmen § 31, 39 Zwangsgelder – gestaltbare Rechtsverhältnisse § 22, 37; § 23, 96 – nicht beteiligte Gläubiger § 20, 19

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Stichwortverzeichnis Zwangsvollstreckung – gegen d. Schuldner § 37, 142 ff. – gegen Dritte § 37, 146 ff. – nach Wiederaufleben § 37, 151 f. – Restrukturierungsforderungen § 37, 141 ff. – Restrukturierungsplan, Wirkungen § 37, 11

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– Stabilisierungsanordnung § 16, 22 ff. – Steuern § 44, 23 ff. – Titelersetzung § 37, 153 ff. Zwischenfinanzierung § 26, 33 ff. – Restrukturierungsrichtlinie § 26, 1 ff.; § 40, 8 ff. – StaRUG-Regelungen § 26, 5 – StaRUG-Schutzbereich § 26, 35 ff.