Homers Ilias: Band XIII. Faszikel 2. Kommentar 311070336X, 9783110703368

Since Ameis-Hentze-Cauer (1868-1913) no comprehensive, scholarly commentary of Homer's Iliad has been published in

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Homers Ilias: Band XIII. Faszikel 2. Kommentar
 311070336X, 9783110703368

Table of contents :
INHALT
Vorwort
Hinweise zur Benutzung (mit Abkürzungsverzeichnis)
24 Regeln zur homerischen Sprache (R)
Tabellarischer Überblick über die Handlung des 21. Gesangs
Kommentar
Bibliographische Abkürzungen

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HOMERS ILIAS GESAMTKOMMENTAR

SAMMLUNG WISSENSCHAFTLICHER COMMENTARE

HOMERS ILIAS GESAMTKOMMENTAR (BASLER KOMMENTAR / BK) AUF DER GRUNDLAGE DER AUSGABE VON AMEIS-HENTZE-CAUER (1868–1913)

HERAUSGEGEBEN VON

ANTON BIERL UND JOACHIM LATACZ

DE GRUYTER

HOMERS ILIAS GESAMTKOMMENTAR (BASLER KOMMENTAR / BK) HERAUSGEGEBEN VON

ANTON BIERL UND JOACHIM LATACZ BAND XIV EINUNDZWANZIGSTER GESANG ( Φ ) FASZIKEL 2: KOMMENTAR VON MARINA CORAY UND MARTHA KRIETER-SPIRO MIT UNTERSTÜTZUNG VON DAVID ELMER, RUDOLF FÜHRER, FRITZ GRAF, MARTIN A. GUGGISBERG, IRENE DE JONG, SEBASTIAAN R. VAN DER MIJE, RENÉ NÜNLIST, MAGDALENE STOEVESANDT, JÜRGEN v. UNGERN‑STERNBERG UND RUDOLF WACHTER

DE GRUYTER

Die Erarbeitung des Ilias-Gesamtkommentars wird finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Bern, der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, Basel, der Max Geldner-Stiftung, Basel, der Frey-Clavel-Stiftung, Basel, und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Für vielfältige Unterstützung danken wir besonders Herrn Prof. Dr. Peter Blome (Basel).

ISBN 978-3-11-070336-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-070851-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-070856-1 ISSN 1864-3426 Library of Congress Control Number: 2001418330 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Beltz Bad Langensalza GmbH ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

INHALT

Vorwort ……………………………………………………………………… Hinweise zur Benutzung (mit Abkürzungsverzeichnis)

VII

……………………

IX

……………………………………

1

Tabellarischer Überblick über die Handlung des 21. Gesangs ………………

8

24 Regeln zur homerischen Sprache (R)

Kommentar

…………………………………………………………………

Bibliographische Abkürzungen

……………………………………………

11 307

VORWORT Der 21. Gesang setzt Achills Rachefeldzug fort. In einer packenden Schilderung wird erzählt, wie sich ihm die Schutzgottheit der Troer, der Flußgott Skamandros, entgegenstellt und ihn beinahe überwältigt. Im zweiten Teil der Schilderung weitet sich der Kampf zu einer Auseinandersetzung zwischen den Elementen Feuer und Wasser und zu einem Götterkampf aus, bevor am Ende die Situation vor Troia in den Blick genommen wird. Die Kommentierung des Gesangs haben wir in die zwei genannten Hälften unter uns aufgeteilt. Dem vorliegenden Kommentar liegt wie den bisherigen Kommentar-Bänden der griechische Text der Ilias-Ausgabe von Martin L. West zugrunde (Bibliotheca Teubneriana, 1998/2000). * Die Erarbeitung und Herausgabe dieses Kommentars wurde durch große Hilfe und Unterstützung von verschiedenen Seiten ermöglicht: In erster Linie danken wir herzlichst den beiden Herausgebern: Herrn Prof. Joachim Latacz, der uns mit seinem fundierten Wissen an vielen Stellen beraten hat, und Herrn Prof. Anton Bierl, der uns nicht nur unzählige Anregungen für die Interpretation gegeben, sondern sich auch bereit erklärt hat, eine neue Übersetzung des 21. Gesangs in Übereinstimmung mit dem Kommentar anzufertigen. Zu danken haben wir ferner unserem internationalen Expertenteam für wertvolle Hinweise und Korrekturen: David Elmer, Rudolf Führer, Fritz Graf, Martin Guggisberg, Irene de Jong, Sebastiaan van der Mije, René Nünlist, Jürgen von UngernSternberg und Rudolf Wachter. Sie alle haben auch diesmal wieder die Arbeit durch kritische Fragen und weiterführende Ergänzungen in dankenswerter Weise gefördert. Ferner danken wir herzlichst Doris und Pia Degen, Arijana Nevzati und Petra Saner für das sorgfältige Korrekturlesen. An dieser Stelle möchten wir auch unseren langjährigen Projekt-Sponsoren für die großzügige Förderung unseren Dank aussprechen: dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur sowie der Universität Basel.

VIII

Ilias 21

Ebenso dankbar sind wir für den regen wissenschaftlichen Austausch, den wir im ‘Rosshof’, dem Zentrum der Altertumswissenschaften an der Universität Basel, erfahren durften. Den Mitarbeitern der Bibliothek der Altertumswissenschaften und der Universitätsbibliothek Basel danken wir für die unkomplizierte Bereitstellung der homerischen Fachliteratur, dem Verlag Walter de Gruyter, insbesondere Katharina Legutke und Torben Behm, für die sorgfältige Betreuung der Publikation. Unschätzbar für unsere Arbeit war auch die Unterstützung durch unsere Ehemänner. Ihre Freude und ihr Interesse an den Themen und den Erkenntnissen, die sich bei der Kommentierung des 21. Gesangs ergaben, war uns eine große Ermutigung, für die wir überaus dankbar sind. Möge diese Freude nun auch auf andere überspringen!

Basel, im Mai 2021

Marina Coray und Martha Krieter-Spiro

HINWEISE ZUR BENUTZUNG 1. Im Kommentar sind vier Erklärungs-Ebenen graphisch voneinander abgesetzt (vgl. HK 41): a) In Normaldruck erscheinen die wichtigsten Erläuterungen für Benutzer aller Adressatenkreise. Griechischkenntnisse sind hier nicht vorausgesetzt; griechische Wörter werden in Umschrift wiedergegeben (Ausnahme: Lemmata des LfgrE, s. HK 41 [1]). b) In etwas kleinerer Schrift erscheinen genauere Erklärungen zum griechischen Text. Dieser Teil entspricht einem gräzistischen Standardkommentar. c) In Petit-Druck stehen spezifische Informationen zu verschiedenen Teilgebieten der Homer-Forschung. d) Unter einem Trennstrich erscheint am Fuß der Seite der ‘Elementarteil’, der besonders Schülern und Studenten eine Hilfestellung zur ersten Texterschließung bieten will. Der Elementarteil erklärt neben Prosodie und Metrik v.a. die homerischen Wortformen. Er basiert auf den ‘24 Regeln zur homerischen Sprache’ (unten S. 1ff.), auf die mit dem Kürzel ‘R’ verwiesen wird. Sehr häufige Phänomene (z.B. fehlendes Augment) werden nicht durchgängig registriert, sondern ca. alle 100 Verse in Erinnerung gerufen. — Auf Angaben zum homerischen Wortschatz wurde weitgehend verzichtet; hierfür sei auf das Spezialwörterbuch von AUTENRIETH/KAEGI verwiesen. Komplexe Probleme werden sowohl im Elementarteil als auch im Hauptkommentar aufgegriffen; im Elementarteil werden sie kurz zusammengefaßt, im Hauptkommentar ausführlicher diskutiert. Solche Stellen sind im Elementarteil durch Pfeil (↑) kenntlich gemacht. Querverweise im Elementarteil (im Typus ‘vgl. 73n.’) beziehen sich dagegen auf notae innerhalb des Elementarteils, nie auf den Hauptkommentar.

X

Ilias 21

2. Auf die Kapitel des Prolegomena-Bandes wird mit den folgenden Kürzeln verwiesen: FG/FM Zum Figurenbestand der Ilias: Götter/Menschen FOR Formelhaftigkeit und Mündlichkeit G Grammatik der homerischen Sprache HK Einleitung: Zur Homer-Kommentierung GT Geschichte des Textes M Homerische Metrik (samt Prosodie) MYK Wort-Index Homerisch – Mykenisch P Hochgestelltes ‘P’ hinter einem Begriff verweist auf die Begriffsxxx Definitionen in der ‘Homerischen Poetik in Stichwörtern’.* STR Zur Struktur der Ilias In der englischen Ausgabe des Prolegomena-Bandes (Berlin/Boston 2015) ist außerdem folgendes Kapitel enthalten: CG Cast of Characters of the Iliad: Gods NTHS New Trends in Homeric Scholarship 3. Formelsprache Nach dem Vorbild des ‘Ameis-Hentze(-Cauer)’ werden wiederholte Verse und Halbverse regelmäßig registriert (vgl. dazu HK 30); auf andere formelsprachliche Elemente (bes. Versanfangs- und -endformeln) wird nur so häufig hingewiesen, daß der Gesamteindruck von der Formelhaftigkeit der homerischen Sprache vertieft wird. 4. Typische SzenenP Zu jeder Typischen Szene wird im Kommentar an geeigneter Stelle die ‘Idealform’ konstituiert, indem eine kumulative, durchnumerierte Zusammenstellung aller in Ilias und Odyssee vorkommenden charakteristischen Szenen-Elemente vorgelegt wird; die Ziffern der an der kommentierten Stelle tatsächlich aktualisierten Elemente erscheinen fett. Jede weitere Stelle verweist auf die Erstbehandlung und verwendet Numerierung und Fettdruck nach dem gleichen Prinzip.

* Mehrteilige Begriffe wie Dramatische IronieP, Sekundäre FokalisationP und Typische SzeneP

sind in dem alphabetisch angeordneten Kapitel jeweils unter dem Anfangsbuchstaben des – durch die Majuskel als Teil des Begriffs gekennzeichneten – Adjektivs zu finden.

Hinweise zur Benutzung

XI

5. Abkürzungen (a) Bibliographische Abkürzungen Die bibliographischen Abkürzungen s. unten S. 307ff. (b) Primärliteratur (zu den verwendeten Textausgaben s. unten S. 311f.) Aisch. ‘Apollod.’ Apoll. Rhod. Archil. Aristoph. Aristot. Arr. Chrest. Cypr. Eur. Eust. fgrE Hdt. Hes. ‘Hes.’ hom.h. h.Ap., h.Bacch., h.Cer., h.Mart. h.Merc., h.Ven. Il. Il. parv. Nonn. Od. Paus. Pind. Plat. Plut. Porph. Prokl.

Aischylos (Eum. = Eumenides; Pers. = ‘Perser’; Sept. = Septem contra Thebas; Suppl. = Supplices) Apollodor zugeschriebene Werke (Bibl. = Bibliotheke) Apollonios Rhodios (Argon. = Argonautica) Archilochos Aristophanes (Lys. = ‘Lysistrate’) Aristoteles (HA = Historia animalium, ‘Geschichte der Tiere’) Arrian (Anab. = Anabasis; Tact. = Tactica) ‘Chrestomathie’ (Inhalts-Angabe des Proklos zum ‘Epischen Kyklos’) ‘Kyprien’ (im ‘Epischen Kyklos’) Euripides (Andr. = ‘Andromache’; Med. = ‘Medea’) Eustathios frühgriechisches Epos (Sammelbezeichung für Homer, Hesiod und hom. Hymnen) Herodot Hesiod (Op. = Opera, ‘Werke und Tage’; Th. = ‘Theogonie’) Hesiod zugeschriebene Werke (Sc. = Scutum, ‘Schild des Herakles’, fr. = Fragmente) Sammelbezeichnung für die homerischen Hymnen einzelne homerische Hymnen: an Apollon, – an Bacchus/Dionysos, – an Ceres/Demeter, – an Mars/Ares – an Mercurius/Hermes und – an Venus/Aphrodite ‘Ilias’ Ilias parva, ‘Kleine Ilias’ (im ‘Epischen Kyklos’) Nonnus (Dion. = Dionysiaca) ‘Odyssee’ Pausanias Pindar (Nem., Pyth. = ‘Nemeische, Pythische Oden’ [Siegeslieder]) Platon (Crat. = Kratylos; Rep. = De re publica, ‘Staat’) Plutarch (Mor. = Moralia) Porphyrios (Quaest. Hom. = Quaestiones Homericae in Iliadem, ‘Untersuchungen zu Homers Ilias’) Proklos (s.o. s.v. Chrest.)

XII

Ilias 21 Quint. Smyrn. Schol. schol. A (etc.) Soph. Strab. Tac. Verg. Xen.

Quintus von Smyrna Scholion, Scholien scholion in der Handschrift A (etc.) Sophokles (Trach. = ‘Trachinierinnen’) Strabon Tacitus (Ann. = Annales) Vergil (Georg. = ‘Georgica’) Xenophon (Anab. = Anabasis; Cyr. = Cyropaedia, ‘Erziehung des Kyros’, Mem. = Memorabilia)

(c) Übrige Abkürzungen (Die allgemein üblichen Abkürzungen und die unter 2. und 3. genannten Kürzel sind hier nicht aufgenommen.) * < > | ↑

rekonstruierte Form entstanden aus geworden zu markiert Vers-Anfang bzw. Vers-Ende verweist vom Elementarteil auf das entsprechende Lemma im Hauptkommentar a/b nach Verszahl bezeichnet die 1. bzw. 2. Vershälfte a/b nach Verszahlbezeichnet nur im app. crit. angeführte Zusatzverse A 1, B 1 (etc.) bezeichnet Zäsuren im Hexameter (vgl. M 6) abh. abhängig a.E. am Ende ähnl. ähnlich a.O. am (angegebenen) Ort app. crit. apparatus criticus archäol. archäologisch AT Altes Testament att., Att. attisch, das Attische Bed., bed. Bedeutung, bedeutet Bez., bez. Bezeichnung, bezeichnet dir., indir. direkt, indirekt ebd. ebendort ep. episch fgrE frühgriechisches Epos fr. Fragment (fragmentum) geogr. geographisch gr., Gr. griechisch, das Griechische hethit. hethitisch hist. historisch hom. homerisch

Hinweise zur Benutzung Hss. idg. Introd. i.S.v. jd., jm., jn., js. Komp. Lit. metr. myk., Myk. n., nn. NS od. P.Oxy. prosod. Ptz. s. sc. s.d. s.o., s.u. s.v., s.vv. test. t.t. typ. u. urspr. V., Vv. VA VE vgl. VH viell. v.l. Vok. vorl. z.St.

XIII

Handschriften indogermanisch Introduction im Sinne von jemand, jemandem, jemanden, jemandes Kompositum Literatur metrisch mykenisch, das Mykenische lat. nota, notae* Nebensatz oder Oxyrhynchus Papyri prosodisch Partizip siehe scilicet siehe dort* siehe oben, siehe unten sub voce, sub vocibus testimonium terminus technicus typisch und ursprünglich Vers, Verse Vers-Anfang Vers-Ende vergleiche Vers-Hälfte vielleicht varia lectio Vokativ vorliegend zur Stelle

* Mit ‘14n.’ wird auf den Kommentar zu Vers 14 innerhalb des vorliegenden Bandes, mit

1.162n. auf den Eintrag zu V. 162 im 1. Gesang verwiesen. – Mit ‘in 19.126 (s.d.)’ od. ‘vgl. 24.229ff. (s.d.)’ wird primär auf die betr. Stellen im Homer-Text, sekundär auf einen oder mehrere Kommentar-Einträge dazu verwiesen (beim ersten Beispiel ist der relevante Kommentar-Eintrag unter 19.126–127 zu finden, beim zweiten steht Einschlägiges unter 24.229– 234 und 24.229–231).

24 REGELN ZUR HOMERISCHEN SPRACHE (R) Die folgende Zusammenstellung der charakteristischsten Eigenarten der homerischen Sprache legt den Akzent auf die Abweichungen von der attischen Schulgrammatik. Sprachgeschichtliche Erläuterungen sind hier nur ausnahmsweise beigegeben (sie sind in der ‘Grammatik der homerischen Sprache’ [G] im Prolegomena-Band zu finden, auf deren Paragraphen am rechten Rand verwiesen wird). R 1 Die hom. Sprache ist eine Kunstsprache, die geprägt ist durch: 1.1 das Metrum (kann Umgestaltungen aller Art bewirken); 1.2 die Technik der oral poetry (für viele häufig wiederkehrende Inhalte werden Formeln verwendet, oft in metrisch unterschiedlich einsetzbaren Varianten); 1.3 verschiedene Dialekte: Grunddialekt ist das Ionische; dieses ist mit Formen aus anderen Dialekten, insbes. dem Äolischen (sog. Äolismen), durchsetzt, die oft zugleich Varianten nach 1.1 bzw. 1.2 liefern.

G 3 3

2

Lautlehre, Metrik, Prosodie R2

Lautwandel ᾱ > η: Im ion. Dialekt ist älteres ᾱ zu η geworden, im nichtatt. Ion. (also auch bei Homer) auch nach ε, ι, ρ (1.30: πάτρης). Bei Homer dennoch nachzuweisendes ᾱ ist im allgemeinen: 2.1 ‘jung’, d.h. nach dem ion.-att. Lautwandel entstanden (1.3: ψυχάς); 2.2 oder aus der äolischen Dichtungstradition übernommen (1.1: θεά).

R3

Vokalkürzung: Langvokale (v.a. η) vor Vokal (v.a. ο/ω/α) werden im Wortinnern häufig gekürzt, aber nicht durchgängig (z.B. G. Pl. βασιλήων statt metrisch unmöglichem viersilbigem -έων; auch die damit verbundene Quantitätenmetathese [Längung des kurzen zweiten Vokals] tritt oft nicht ein [z.B. G. Sg. βασιλῆος statt -έως]).

Digamma (ϝ): Der ion. Dialekt Homers kannte kein Phonem /w/ (wie in engl. will) mehr. Dieses ist aber 4.1 teils im Mykenischen oder in alphabetschriftlichen Dialekten direkt bezeugt (myk. ko-wa /korwā/, korinth. ϙόρϝα); 4.2 teils etymologisch zu erschließen (z.B. hom. κούρη – mit Ersatzdehnung nach Schwund des Digamma – gegenüber att. κόρη);

5–8

39f.

R4

19 27

2

Ilias 21

4.3 4.4 4.5 4.6 R5 5.1

5.2

5.3

5.4 5.5

5.6 5.7 R6

Häufig ist das Digamma bei Homer zudem aus dem Metrum erschließbar, nämlich bei Hiat (s. R 5) ohne Elision (1.7: Ἀτρεΐδης τε (ϝ)άναξ); Hiat ohne Kürzung des langvokalischen Auslauts (1.321: τώ (ϝ)οι, vgl. R 5.5); Bildung von sog. Positionslänge bei Einzelkonsonanz (1.70: ὃς (ϝ)είδη). Teilweise ist Digamma nicht mehr berücksichtigt (1.21: υἱὸν ἑκηβόλον, urspr. ϝεκ-). Hiat: Zusammenprall von vokalischem Auslaut mit vokalischem Anlaut (hiatus ‘Klaffen’) wird vermieden durch: Elision: Kurzvokale und -αι in Endungen des Mediums werden elidiert (1.14: στέµµατ’ ἔχων; 1.117: βούλοµ’ ἐγώ; 5.33: µάρνασθ’ ὁπποτέροισι), gelegentlich auch -οι in µοι/σοι (1.170). Aus Elision resultierender Hiat wird belassen (1.2: ἄλγε’ ἔθηκεν). Ny ephelkystikon: Nur nach Kurzvokal (ε und ι), v.a. D. Pl. -σι(ν); 3. Sg. Impf./Aor./Perf. -ε(ν); 3. Sg. und Pl. -σι(ν); Modalpartikel κε(ν); Suffix φι(ν), vgl. R 11.4; Suffix -θε(ν), vgl. R 15.1; liefert zugleich metrisch willkommene Varianten. Kontraktion über die Wortfuge hinweg (als Krasis notiert: τἄλλα, χἡµεῖς). Hiat ist v.a. zulässig bei: Schwund des Digamma (vgl. R 4.3); sog. Hiatkürzung: langer Vokal/Diphthong im Auslaut wird gekürzt (1.17: Ἀτρεΐδαι τε καὶ ἄλλοι ἐϋκνήµιδες; 1.15 [mit Synizese: R 7]: ͜ ἀνὰ σκήπτρῳ); χρυσέῳ metrischer Zäsur oder allgemein Sinneinschnitt; nach -ι und ‘kleinen Wörtern’ wie πρό und ὅ.

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30/ 37

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34 35

36 37

Vokalkontraktion (z.B. nach Ausfall eines intervokalischen /w/ [Digamma], /s/ oder /j/) ist in der hom. Sprache häufig nicht durchgeführt (1.74: κέλεαι [2. Sg. Med. statt -ῃ]; 1.103: µένεος [G. Sg. statt -ους]).

43–

R7

Synizese: Gelegentlich müssen zwei Vokale einsilbig gelesen werden, insbesondere bei Quantitätenmetathese (1.1: Πηληϊάδε͜ω: R 3), aber auch beim G. Pl. -έων. (Im Text wird Synizese durch einen Bogen markiert, 1.18: θε͜οί.)

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R8

Zerdehnung (sog. diektasis): Kontrahierte Formen (z.B. ὁρῶντες) werden oft ‘zerdehnt’ wiedergegeben (ὁρόωντες); damit wird die vom Metrum geforderte prosodische Gestalt der älteren, unkontrahierten Formen (*ὁράοντες, ⏖–⏑) künstlich wiederhergestellt. Ähnlich wird im Inf. Aor. -εῖν als -έειν geschrieben (statt älterem *-έεν).

48

45

24 Regeln zur homerischen Sprache (R) Wechsel von Lang- und Kurzkonsonant ergibt metrisch willkommene Varianten (die meist urspr. aus verschiedenen Dialekten stammen: R 1.3): 9.1 τόσ(σ)ος, ποσ(σ)ί, Ὀδυσ(σ)εύς, ἔσ(σ)εσθαι, τελέσ(σ)αι; Ἀχιλ(λ)εύς; ὅπ(π)ως, etc. 9.2 Ähnliche Flexibilität ergibt der Anlautwechsel in π(τ)όλεµος, π(τ)όλις.

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R9

R 10 Adaptation ans Metrum: Drei (oder mehr) kurze Silben hintereinander oder eine einzelne zwischen zwei langen (beides unmetrisch) werden vermieden durch: 10.1 metrische Dehnung (ᾱ̓θάνατος, δῑογενής, οὔρεα statt ὄρεα; µένεα πνείοντες statt πνέ-); 10.2 veränderte Wortbildung (πολεµήϊος statt πολέµιος; ἱππιοχαίτης statt ἱππο-).

17 18 49f.

Formenlehre Die hom. Sprache weist teils vom Attischen abweichende, teils zusätzliche Flexionsformen auf: R 11 Beim Nomen sind insbesondere zu nennen: 11.1 1. Deklination: G. Pl. -άων (1.604: Μουσάων) und -έων (1.273: βουλέων); D. Pl. -ῃσι (2.788: θύρῃσι) und -ῃς (1.238: παλάµῃς); G. Sg. m. -ᾱο (1.203: Ἀτρεΐδαο) und -εω (1.1: Πηληϊάδεω); 11.2 2. Deklination: G. Sg. -οιο (1.19: Πριάµοιο); D. Pl. -οισι (1.179: ἑτάροισι); 11.3 3. Deklination: G. Sg. der i-Stämme: -ιος (2.811: πόλιος) und -ηος (16.395: πόληος); G./D./A. Sg. der ēu-Stämme: -ῆος, -ῆϊ, -ῆα (1.1: Ἀχιλῆος; 1.9: βασιλῆϊ; 1.23: ἱερῆα); D. Pl. -εσσι bei s- und anderen Konsonantstämmen (1.235: ὄρεσσι); 11.4 G./D. Sg./Pl. auf -φι (1.38: ἶφι; 4.452: ὄρεσφι); oft metrisch willkommene Variante (z.B. βίηφι neben βίῃ). R 12 Abweichende Stammbildung (und damit Flexion) zeigen u.a. folgende Nomina: 12.1 νηῦς: G. Sg. νηός, νεός, D. νηΐ, A. νῆα, νέα; N. Pl. νῆες, νέες, G. νηῶν, νεῶν, D. νηυσί, νήεσσι, νέεσσι, A. νῆας, νέας. 12.2 πολύς, πολύ (u-Stamm) und πολλός, πολλή, πολλόν (o/ā-Stamm) werden beide durchdekliniert.

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Ilias 21 12.3 υἱός: G. Sg. υἱέος, υἷος, D. υἱέϊ, υἱεῖ, υἷϊ, A. υἱόν, υἱέα, υἷα; N. Pl. υἱέες, υἱεῖς, υἷες, G. υἱῶν, D. υἱάσι, υἱοῖσι, A. υἱέας, υἷας. 12.4 Ἄρης: G. Ἄρηος, Ἄρεος, D. Ἄρηϊ, Ἄρεϊ, Ἄρῃ, A. Ἄρηα, Ἄρην, V. Ἆρες, Ἄρες. 12.5 Ähnlich komplexe Flexionsreihen noch bei γόνυ (G. γούνατος neben γουνός, N./A. Pl. γούνατα nb. γοῦνα), δόρυ (δούρατος, -τι etc. neben δουρός, -ί etc.); Ζεύς (Διός, Διΐ, Δία nb. Ζηνός, Ζηνί, Ζῆν/Ζῆνα).

R 13 Ungewohnte Steigerungsformen sind u.a.: χερείων, χειρότερος, χερειότερος (neben χείρων); ἀρείων (neben ἀµείνων). Auch zu Substantiven können Steigerungsformen treten, z.B. βασιλεύτερος, βασιλεύτατος. R 14 Abweichende Pronominalformen: 14.1 Personalpronomen: 1. Sg. G. ἐµεῖο, ἐµέο, µεο, ἐµέθεν (sehr selten: µοι, z.B. 1.37) 2. Sg. G. σεῖο, σέο, σεο, σέθεν; D. τοι 3. Sg. G. εἷο, ἕο, ἕθεν, ἑθεν; D. οἷ, ἑοῖ, οἱ; A. ἕ, ἑέ, ἑ, µιν 1. Pl. N. ἄµµες; G. ἡµέων, ἡµείων; D. ἧµιν, ἄµµι; A. ἡµέας, ἄµµε 2. Pl. N. ὔµµες; G. ὑµέων, ὑµείων; D. ὔµµι; A. ὑµέας, ὔµµε 3. Pl. G. σφείων, σφεων; D. σφισι, σφι; A. σφέας, σφε, σφεας, σφας 1. Dual N./A. νώ, νῶϊ; G./D. νῶϊν 2. Dual N./A. σφώ, σφῶϊ; G./D. σφῶϊν 3. Dual N./A. σφωε; G./D. σφωϊν 14.2 Interrogativ-/Indefinitpronomen: G. Sg. τέο/τεο; D. Sg. τεῳ; G. Pl. τέων; entsprechend ὅττεο, ὅτεῳ etc. 14.3 Demonstrativ-anaphorisches Pronomen (= ‘Artikel’, vgl. R 17): gleiche Endungen wie bei den Nomina (R 11.1–2); N. Pl. m./f. oft mit anlautendem τ (τοί, ταί). 14.4 Possessivpronomen: 1. Pl. ᾱ̔µός 2. Sg./Pl. τεός ῡ̔µός 3. Sg./Pl. ἑός, ὅς σφός 14.5 Relativpronomen: Als Relativpronomen fungiert häufig das demonstrativ-anaphorische Pronomen (14.3). R 15 Die kasusähnlichen Adverbbildungen stehen im Grenzbereich Formenlehre/Wortbildung. Sie können metrisch willkommene Varianten zu den echten Kasus bilden: 15.1 ‘Genetiv’: -θεν (woher?, s. auch R 14.1), z.B. κλισίηθεν (1.391); 15.2 ‘Dativ’: -θι (wo?), z.B. οἴκοθι (8.513); 15.3 ‘Akkusativ’: -δε (wohin?), z.B. ἀγορήνδε (1.54).

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24 Regeln zur homerischen Sprache (R) R 16 Beim Verb verdienen besondere Beachtung: 16.1 Augment: fehlt häufig (was zu Assimilation führen kann, z.B. ἔµβαλε statt ἐνέβαλε, κάλλιπον statt κατέλιπον, vgl. R 20.1); dient der Anpassung ans Metrum. 16.2 Personalendungen: 2. Sg. -θα (1.554: ἐθέλῃσθα) 1. Pl. Med. -µεσθα neben -µεθα (1.140: µεταφρασόµεσθα) 3. Pl. Med. (v.a. Perf.) -ᾰται/-ᾰτο neben -νται/-ντο (1.239: εἰρύαται) 3. Pl. -ν (mit vorangehendem Kurzvokal) neben -σαν (mit entsprechendem Langvokal), v.a. Aor. Pass. -θεν neben -θησαν (1.57: ἤγερθεν) Oft liegt der Unterschied zu att. Formen lediglich in der nicht vollzogenen Kontraktion (vgl. R 6) zwischen Verbalstamm und Endung. 16.3 Konjunktiv: bei athemat. Stämmen oft kurzvokalisch (ἴοµεν zu εἶµι, εἴδοµεν zu οἶδα); bei σ-Aoristen dann gleichlautend mit dem Ind. Fut. (1.80: χώσεται). – Ausgang der 3. Sg. Konj. neben -ῃ auch -ησι(ν) (1.408: ἐθέλησιν). 16.4 Infinitiv: äol. -µεν(αι) (v.a. athemat. Verben) neben ion. -ναι (z.B. ἔµ(µ)εν und ἔµ(µ)εναι neben εἶναι); äol. -ῆναι neben ion. -εῖν (2.107: φορῆναι); them. -έµεν(αι) (1.547: ἀκουέµεν; Od. 11.380: ἀκουέµεναι); them. Aor. -έειν (2.393: φυγέειν; 15.289: θανέειν). 16.5 Formen mit -σκ- stehen für wiederholte Handlungen in der Vergangenheit (1.490: πωλέσκετο). 16.6 Als abweichende Formen von εἰµί sind v.a. zu merken: Ind. Präs.: 2. Sg. ἐσσι u. εἶς, 1. Pl. εἰµεν, 3. Pl. ἔασι(ν); Impf.: 1. Sg. ἦα, 3. Sg. ἦεν u. ἔην, 3. Pl. ἔσαν (vgl. 16.1); Fut.: 3. Sg. ἔσ(σ)εται; Ptz. ἐών, -όντος; zum Inf. 16.4.

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Syntax R 17 ὅ, ἥ, τό (zur Flexion R 14.3) ist selten ‘reiner Artikel’, sondern hat überwiegend die ältere, demonstrativ-anaphorische Funktion. R 18 Numerus: 18.1 Der Dual ist relativ häufig; Dual- und Pluralformen können frei kombiniert werden. 18.2 Der Plural dient gelegentlich nur der Anpassung ans Metrum (1.45: τόξα).

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R 19 Kasusgebrauch: 19.1 Akkusativ der Beziehung ist besonders häufig (u.a. im sog. σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ κατὰ µέρος: zwei Akkusative bezeichnen je das Ganze und einen Teil davon, 1.362: τί δέ σε φρένας ἵκετο πένθος;). 19.2 Gelegentlich erfolgen lokale Herkunfts-, Orts- und Richtungsangaben ohne Präposition (1.359: ἀνέδυ … ἁλός; 1.45: τόξ᾿ ὤµοισιν ἔχων; 1.322: ἔρχεσθον κλισίην). R 20 Präpositionen: 20.1 Weisen eine größere Formenvielfalt auf: ἄν (= ἀνά; apokopiert, oft mit Assimilation: ἂµ πεδίον, 5.87; vgl. R 16.1); ἐς (= εἰς); εἰν, ἐνί, εἰνί (= ἐν); κάτ (= κατά; s. zu ἀνά); πάρ, παραί (= παρά); προτί, ποτί (= πρός); ξύν (= σύν); ὑπαί (= ὑπό); 20.2 sind in Verwendung und Stellung unabhängiger (1) in bezug auf das Nomen (d.h. eher adverbiell gebraucht), oft auch nachgestellt als Postposition, sog. Anastrophe (und dann häufig mit Akut auf der Anfangssilbe: z.B. ᾧ ἔπι, 1.162); (2) in bezug auf das Verb (d.h. nicht zwingend als Präverb mit dem zugehörigen Verb verbunden, sog. Tmesis: ἐπὶ µῦθον ἔτελλε, 1.25); dies liefert metrisch willkommene Varianten.

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R 21 Modusgebrauch: 21.1 Der Modusgebrauch und die Verwendung der Modalpartikel (κε/κεν = ἄν) sind weniger streng geregelt, als in der att. Schulgrammatik beschrieben. 21.2 Die Funktionen von Konjunktiv und Futur lassen sich nicht immer scharf trennen.

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R 22 Charakteristisch homerische Konjunktionen sind: 22.1 kondizional: αἰ (= εἰ); 22.2 temporal: εἷος/εἵως (= ἕως, ebenfalls belegt) ‘während’, ἦµος ‘als’, εὖτε ‘als’, ὄφρα ‘während, bis’; 22.3 kausal: ὅ τι, ὅ; 22.4 komparativ: ἠΰτε ‘wie’; 22.5 final: ὄφρα.

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R 23 Diathesenwechsel: Bei manchen Verben werden Akt.- und Med.-Formen als metrisch willkommene Varianten ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied verwendet, z.B. φάτο/ἔφη, ὀΐω/ὀΐοµαι.

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R 24 Partikeln mit teilweise vom späteren Gebrauch abweichenden Verwendungsweisen: 24.1 ἄρα, ἄρ, ῥα, ῥ’: signalisiert oder suggeriert Evidenz, etwa ‘ja, (denn) also, natürlich’; oft wohl v.a. aus metrischen Gründen gesetzt (bes. ῥ’ zur Hiatvermeidung, vgl. R 5).

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24 Regeln zur homerischen Sprache (R) 24.2 ἀτάρ, αὐτάρ (etymolog. zu trennen, aber bei Homer nach metrischen Gesichtspunkten ohne Bedeutungsunterschied verwendet): ‘aber, doch’; teils adversativ (1.127: σὺ µὲν … αὐτὰρ Ἀχαιοί), teils progressiv (1.51: αὐτὰρ ἔπειτα), seltener apodotisch (wie δέ, s.d.). 24.3 Apodotisches δέ: δέ kann nach vorausgehendem Nebensatz (Protasis) den Hauptsatz (Apodosis) einleiten (z.B. 1.58). Gelegentlich werden auch ἀλλά (z.B. 1.82), αὐτάρ (z.B. 3.290, vgl. 1.133) und καί (z.B. 1.494) apodotisch verwendet. 24.4 ἦ: ‘wirklich, in der Tat’; fast ausschließlich in direkten Reden. – Abgeschwächt in den Verbindungen ἤτοι (z.B. 1.68), ἠµὲν … ἠδέ ‘einerseits … andererseits’ und ἠδέ ‘und’. 24.5 κε(ν): = ἄν (vgl. R 21.1). 24.6 µέν: nicht nur als Vorbereitung einer Antithese (mit nachfolgendem δέ), sondern häufig noch in seiner urspr. rein emphatischen Bedeutung (≈ µήν, µάν; z.B. 1.216). 24.7 µήν, µάν: hervorhebend; wenn alleinstehend, bei Homer fast nur in neg. Aussagen (z.B. 4.512) und bei Imperativen (z.B. 1.302); sonst verstärkend bei anderen Partikeln, bes. ἦ und καί (z.B. 2.370, 19.45). 24.8 οὐδέ/µηδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen. 24.9 οὖν: fast nur in Verbindung mit temporalem ἐπεί und ὡς, ‘(als) nun also’ (z.B. 1.57). 24.10 περ: betont das vorangehende Wort; spez. konzessiv, bes. bei Partizipien (1.586: κηδοµένη περ ‘wenn auch betrübt’); steigernd (1.260: ἀρείοσι ἠέ περ ὑµῖν ‘mit noch Besseren als euch’); limitativ-kontrastierend (1.353: τιµήν περ ‘wenigstens Ehre’). 24.11 ‘Episches τε’: steht in generalisierenden Aussagen (z.B. 1.86, 1.218), bes. häufig auch im ‘Wie-Teil’ von Gleichnissen (z.B. 2.90). 24.12 τοι: zur Partikel erstarrter dat. ethicus des Personalpron. der 2. Person (und oft nicht klar von diesem zu unterscheiden); appelliert an die besondere Aufmerksamkeit des Adressaten, etwa ‘⟨denk⟩ dir, ⟨sag’ ich⟩ dir’. 24.13 τοιγάρ: ‘daher’ (von τοι ≈ σοι zu trennen; das Vorderglied gehört zum Demonstrativstamm το-, vgl. τώ ‘darum’); leitet bei Homer stets die Antwort auf eine Bitte ein (z.B. 1.76).

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TABELLARISCHER ÜBERBLICK

ÜBER DIE HANDLUNG DES 21. GESANGS

1–327 1–210 1–33

34–135

136–204

205–210

Achilleus kämpft gegen den Fluß Skamandros Erste Phase des Flußkampfes: Kampf am Fluß und im Wasser: Achilleus tötet viele Troer, die Leichen landen im Fluß. Die Troer flüchten vor Achilleus zum Fluß; viele werden darin getötet, etliche für die Hinrichtung bei Patroklos’ Bestattung gefangengenommen. Achilleus trifft unter den Flüchtenden auf einen Sohn des Priamos, Lykaon, den er schon früher einmal in seine Gewalt bekommen und verkauft hat und dem es gelungen ist, nach Troia zurückzukommen. Lykaon fleht Achilleus um sein Leben an, Achilleus erklärt ihm aber, er müsse wie er selbst früh sterben, tötet ihn und stößt ihn ins Wasser des Skamandros, wobei er ihn, die Troer und indirekt die Flußgottheit verhöhnt. Skamandros ist noch mehr erzürnt und ermutigt Asteropaios zum Kampf gegen Achilleus. Nachdem dieser den Peliden mit dem Hinweis auf seine Abstammung von einem Flußgott herausgefordert und im Kampf verwundet hat, wird er von ihm getötet. Achilleus erklärt in seiner Triumphrede den Sieg als Zeichen der Allmacht von Zeus über Skamandros und überläßt die Leiche den Aasfressern. Achilleus tötet sieben Paioner, die mit ihrem Anführer Asteropaios an den Fluß gelangt waren.

Tabellarischer Überblick über die Handlung 211–327

211–232

233–271

272–304 305–327

328–514 328–382

383–514

515–611

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Zweite Phase des Flußkampfes: Kampf mit dem Wasser: Der Fluß Skamandros greift direkt ein und wehrt sich gegen Achilleus. Es gelingt ihm beinahe, ihn zu überwältigen. Skamandros fährt unmittelbar dazwischen: Er bittet Achilleus, nicht mehr im Fluß zu morden; Achill sagt zu. Skamandros wirft Apollon vor, den Troern nicht zu helfen. Achilleus springt in den Fluß, Skamandros greift ihn an. Achilleus versucht dem Wasser zu entkommen, aber der Flußgott überschwemmt die Ebene und ist daran, ihn zu überwältigen. Achilleus betet verzweifelt zu Zeus; Poseidon und Athene sichern ihm ihre Hilfe zu. Achilleus fühlt sich gestärkt. Skamandros greift den nun wieder gestärkten Achilleus mit voller Energie an und bringt ihn erneut in Todesgefahr. Die Kämpfe der Götter (‘Theomachie’) Erster Kampf unter Göttern, ein höchst dramatischer, mit Hilfe der Naturgewalten Feuer und Wasser ausgetragener Zweikampf: Hera holt Hephaistos zu Hilfe, um Achilleus zu retten; Hephaistos kämpft gegen Skamandros und zwingt ihn zur Kapitulation. Die eigentliche ‘Theomachie’: Die übrigen Götter treffen aufeinander. Flucht der Troer in die Stadt Während die fliehenden Troer sich in die Stadt retten, verhindert Apollon die Erstürmung Troias. Er bedient sich des Troers Agenor, um Achilleus aufzuhalten.

KOMMENTAR Der 21. Gesang bietet eine Mischung von höchst dramatischen Kampfszenen und solchen, die überaus humorvoll gestaltet sind, und bereitet dem Rezipienten ein Wechselbad der Gefühle. Er enthält Ereignisse des vierten und letzten Kampftages der Ilias (d.h. des 27. Tages der Ilias-Handlung insgesamt), mit dem die Offensive der Troer endet, die seit dem 8. Gesang ihr Lager außerhalb der Stadtmauern bezogen haben (STR 21 mit Abb. 1). Dieser vierte Kampftag hat im 19. Gesang mit der Schilderung begonnen, wie der Streit zwischen Achilleus und Agamemnon beigelegt wird und Achilleus sich danach für die Schlacht rüstet. Es ist also die erste und einzige in der Ilias geschilderte Schlacht, an der Achilleus teilnimmt. Sein nun einsetzender Rachezug gegen die Troer und Hektor nimmt den ganzen 20. Gesang und Teile des 21. Gesanges ein und erreicht den Höhepunkt im 22. Gesang, wenn Achilleus und Hektor endlich im Zweikampf vor den Mauern der Stadt aufeinander treffen, Achilleus den verhaßten Feind tötet und die Rache vollziehen kann, die er am Leichnam seines toten Freundes Patroklos versprochen hatte (18.90–93, 18.114–126, 18.333– 342). In der Schilderung dieser Schlacht ist die Struktur der Typisierten EreignissquenzP ‘Ablauf der Feldschlacht’ teilweise erkennbar (4.422–544n. Abschn. B. 3.– 6.): Eintritt in den Massennahkampf 20.75ff., Flucht der Troer und Verfolgung durch Achilleus 20.490–21.227, 21.520b–22.3; die – wohl erst nachhom. gesetzten – Buchgrenzen wirken dabei eher störend (3–16n., 611n.; s. auch STR 21 Anm. 22). Aber in den Kampfschilderungen wird von Beginn an das Hauptgewicht auf Achilleus gelegt, auf seine Jagd nach Hektor (20.75–78) und auf sein Wüten unter den Troern (20.156– 21.236, 21.520b–536), wobei durch die Darstellung der Eindruck entsteht, als ob Achilleus allein gegen die Troer kämpfe; denn die übrigen griechischen Heroen werden ausgeblendet, sie treten erst wieder im 23. Gesang auf (schol. bT zu 269; SCOTT 1974, 117). Das Hauptthema dieser Schlachtschilderung ist also Achills ‘Aristie’ (d.h. die Beschreibung der herausragenden Taten des Heros im Kampf), aus deren Erzählstruktur sich im 21. Gesang neben der Verfolgung des gegnerischen Heeres v.a. die Gefährdung und Rettung des Heros und die Vorbereitung zum Zweikampf mit dem Hauptgegner findet (s. die Typisierte EreignissequenzP ‘Aristie’ 1–327n.); dieser bleibt aber im 21. Gesang noch weitgehend ausgeblendet (Hektor wird nur 21.5 [Rückblick des

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Ilias 21

Erzählers] und 21.95, 225, 279 und 296 [in Figuren-Reden] erwähnt: SCHADEWALDT [1938] 1966, 71). In den Ereignissen, die sich im Zeitraum zwischen den beiden Begegnungen von Hektor und Achilleus 20.419–444 und 22.21ff. abspielen, steigert der ErzählerP die Dramatik: es drohen sogar der Tod des Heros und das Chaos in der Natur. Zudem wird die Situation für die Troer immer gefährlicher, ihre Verluste werden immer größer (Lit. zur Fluchtphase als Erzähl-Element s. 6.1–72n., 16.278– 418n.); Achilleus gebärdet sich erbarmungslos (1–210), er droht die Grenzen, die ihm als Mensch gesetzt sind, zu überschreiten, gerät im Kampf gegen den Flußgott Skamandros schließlich selbst in Todesgefahr und wird durch göttliche Intervention gerettet (Poseidon, Athene, Hera: 211–327), sein Gegner wird von Hephaistos besiegt (328–382). Die Rettungsaktion für den Heros weitet sich zu einem Kampf zwischen Göttern (Hephaistos gegen Skamandros) und den Naturelementen Feuer und Wasser aus, an dessen Ende die natürliche Ordnung, die in längeren Phasen gestört worden ist (234b–327 Überschwemmung, 349–367a brennendes Flußwasser), wiederhergestellt wird (381f.). In dieser Phase der Schlachtbeschreibung führt der ErzählerP mit höchst dramatischen Bildern (mittels einer partiellen Rückprojizierung in eine ChaosStufe mit Motiven der Sintflut und des Kampfes von Naturelementen: 328–382n., bes. Abschn. (2) und (3)) vor Augen, was sich aus dem Streit der beiden Anführer um die Ehre entwickelt, mit dem die Ilias-Handlung begonnen hat: Der Rachefeldzug desjenigen, der sich in seiner Ehre gekränkt fühlt, führt beinahe zur Auflösung der kosmischen Ordnung. Ganz anders gestaltet der ErzählerP die darauf folgende Schilderung der Kämpfe zwischen den übrigen Göttern (383–514). Diese ‘Theomachie’ ist geprägt von slapstickartigen Schlägereien und humorvoll gestalteten Szenen, ohne daß es zu einem wirklichen Götterkampf kommt; die Kontrahenten, die gemäß der Kampfaufstellung in 20.67–72 aufeinander treffen, beschimpfen und schlagen sich, kommen aber ohne größere Blessuren davon; ihre Streitereien gefährden weder die kosmische Ordnung noch die Göttergemeinschaft unter Zeus (518–520a), der diese Szenen zwischen den streitenden Göttern mit Wohlwollen und Freude betrachtet (388b–390). Dieser Teil der ‘Theomachie’ wirkt somit unterhaltend und auflockernd und bietet eine Atempause in dieser Schlachtschilderung voll höchster Dramatik; denn sie ist eingebettet zwischen Szenen auf der menschlichen Ebene, in denen Kämpfer um ihr Leben fürchten und erst durch das Eingreifen von Göttern vor dem Tod gerettet werden (nach Achilleus auch der Troer Agenor 544–598). Umso deutlicher tritt der Kontrast zwischen dem Dasein der Menschen in ihrer Gefährdung und Sterblichkeit und demjenigen der ewiglebenden Götter zu Tage (s. dazu 383–514n., bes. Abschn. (2) und (4)). Ein Thema zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Gesang, nämlich die – von der Erzähltradition vorgegebene – Niederlage der troischen Kriegspartei: (a) die Massenflucht der Troer (1–16, 205–208, 527–536, 540–543, 553–561, 606– 611); (b) das Sterben troischer Kämpfer (20–204, 209f., [218–220, 235b–237, 301f.,

Kommentar

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325 u. 343f. die Leichen der Troer], 520b–525); (c) die Kapitulation bzw. Niederlage von Göttern, welche die troische Kriegspartei unterstützen (357–383 Skamandros, 406–433 Ares und Aphrodite, 479–496 Artemis). Einen Überblick über die Handlung des 21. Gesangs bieten folgende Einträge: tabellarische Übersicht (s.o. S. 8f.), innerhalb der Verskommentierung 1–327n., 1–210n., 328– 514n. (Götterkämpfe insgesamt), 383–514n. Abschn. (1), 515–611n. Einträge zu einzelnen Themen: Flußkampf, Figur des Skamandros: 1–2n., 21n., 130–132n., 136–138n., 211–327n., 214–221n., 233–271n., 328–382n. Götterkämpfe: 383–514n. Abschn. (2)–(4), 387–388a n., 391–415n., 435–469n., 479–496n., 497–503n. Parallelen in altorientalischen Mythen: 328–382n. Abschn. (2)–(4), 504–514n. Personifikation: 412n. Rache: 26b–33n., 28n., 99–113n., 133–135n., 394–399n. Reden im Kontext der Schlacht: 148–160n., 394–399n. (Herausforderungsreden); 122–135n., 184–199n., 410–414n. (Triumphreden) Sterblichkeit und Verhältnis Götter-Menschen überhaupt: 47n., 83n., 110–113n., 184–199n., 211–327n., 214–217n., 264n., 281n., 284–298n., 383–514n. Abschn. (2) a.E. und Abschn. (3), 462–469n. FigurenP: Achilleus: 99–113n., 272–283n. Agenor: 545n., 552–570n. Apollon: 278n., 435–469n., 462–469n. Asteropaios: 139–204n. Lykaon: 34–135n., 35a n., 74–96n. Poetologisches: GleichnisseP und VergleicheP: 12–14n., 22–24n., 29n., 251–256n., 257–264n., 282–283n., 345–348a n., 362–365n., 463–466a n., 483–484n., 493–496n., 520b–525n., 573–580n., 573n. Typische SzenenP und Typisierte EreignissequenzenP (in alphabetischer Reihenfolge): Ablauf der Feldschlacht 328–514n., Aristie 1–327n., Erwägen zweier Möglichkeiten 550–598n., Hikesie 64–73n., Zweikampf 34–135n., 139–204n. ‘Wenn nicht’-SituationenP: 211–213n., 544–549n. ABC-SchemaP: 139–147n.

1–327 Achilleus kämpft gegen den Fluß Skamandros. Der Flußkampf, der den 21. Gesang weitgehend prägt und deshalb seit der Antike für dessen Bezeichnung verwendet wird (‘Schlacht am Fluß’), läuft in drei Stufen ab: In der ersten Phase (1–210) tötet Achilleus viele Troer, darunter prominent Lykaon und Asteropaios, an den Ufern des Flusses und im Flußbett und läßt schließ-

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lich zahlreiche Leichen in seinem Wasser treiben. Das empört den troerfreundlichen Flußgott so, daß er in einer zweiten Phase (211–327) Achilleus direkt angreift. Es gelingt Skamandros beinahe, ihn mit seinen Wassermassen zu überwältigen, so daß in einer dritten Phase (328–382) eine Intervention der Götter nötig wird. Schließlich weist Hephaistos den Fluß in die Schranken, das Wasser wird vom Feuer besiegt. Diese dritte Phase ist gleichzeitig auch der erste Teil der ‘Theomachie’ (328–514n.). Durch die Schilderung der massiven Bedrohung und schließlichen Rettung des Achilleus schafft der Erzähler ein spezielles Ersatzmotiv für die Verwundung des Helden in der Typisierten Ereignissequenz ‘Aristie’, die im Falle Achills über mehrere Gesänge realisiert ist: (1) Anlegen der Waffen (19.364b–391n.), (2) Glanz der Waffen (19.374–383n.), (3) und (4) Ansturm auf die gegnerischen Reihen mit Einzelkämpfen (20.75–20.489), (5) Verfolgung eines Teiles des troischen Heeres (20.490–21.210), (6) äußerste Gefährdung durch Skamandros’ Angriff (211–271), (7) Stärkung des Achilleus durch den Zuspruch Poseidons und Athenes und Rettung durch die Intervention von Hera und Hephaistos (272––382), (5) erneute Verfolgung des troischen Heeres (520b–22.4), (8) siegreicher Zweikampf (22.21– 394); in die Aristie eingeschoben: die Kämpfe der olympischen Götter (eigentliche ‘Theomachie’: 383–520a). Zum Schema s. 16.130–683n., mit Lit.; zu Achilleus’ Aristie speziell KRISCHER 1971, 27. 35. Die Länge der Aristie, das Ersatzmotiv mit dem ungewöhnlichen Schlachtfeld, aber auch die völlige Konzentration auf Achilleus in vielen Szenen (s.o. die Einleitung zum 21. Gesang) unterstreichen die Außergewöhnlichkeit des Feldzuges des besten achaiischen Kämpfers (FM 2). Daß besondere Helden nur über große (spannende) Hindernisse ans Ziel gelangen, ist ein verbreitetes Motiv von Erzählungen (etwa in den Mythen von den Argonauten und von Theseus oder in Märchen): REINHARDT 1961, 423f. 1–210 Erste Phase des Flußkampfes: Kampf am Fluß und im Wasser: Achilleus tötet viele Troer, die Leichen landen im Fluß. 1–210 Nach einer Einführung zum neuen Schauplatz (1–16) wird mit einer Schilderung, wie Achilleus allgemein gegen die Troer am Fluß vorgeht (17–33), ein Rahmen geschaffen, in den sich zwei Einzelszenen einordnen lassen (34–135, 136– 204); dieser, nochmals aufgenommen, schließt sie mit der Schilderung von Massentötungen ab (205–210; STANLEY 1993, 204). Darauf folgt die Darstellung des Kampfes mit dem von Leichen verstopften Fluß (211–327). Diese bildet den krönenden Höhepunkt innerhalb der ganzen Erzählung verschiedener Auseinandersetzungen zwischen Achill und seinen Gegnern, die die Schilderung von Hektors Tod hinauszögert (20.75–21.611).

Kommentar

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1–33 Die Troer flüchten vor Achilleus zum Fluß; viele werden darin getötet, etliche für die Hinrichtung bei Patroklos’ Bestattung gefangengenommen. 1–33 Die Kontinuität zur vorherigen Schilderung von Achilleus’ Tötungen (20.455– 503) zeigt sich auch in der Wiederholung von zwei kurz aufeinanderfolgenden Gleichnissen. Während sie vorher vor allem Achilleus’ Wildheit veranschaulichten (20.490–494, 20.495–499), wird nun aber das Gewicht mehr auf die Panik der Troer gelegt (12–16, 22–26a). Ähnlich werden Gleichnisse bei der Aristie von Agamemnon kombiniert, um seinen Ansturm und die panische Flucht der Troer zu veranschaulichen (11.155–159a, 11.172–180): KRISCHER 1971, 52f. 1–16 Der Kampf verlagert sich nun von der Ebene auf den Bereich am Fluß (1–2n.; zu ägypt. und heth. Berichten von Massakern in einem Fluß RICHARDSON). Skamandros’ Nennung am Anfang (1f.), in der Mitte (8) und am Schluß (15f.) betont exponierend den neuen speziellen Schauplatz des Kampfes (RICHARDSON; TRACHSEL 2007, 69); zugleich tritt der Fluß als dynamische Kraft auf (seine Tiefe, seine Strömung und seine bergenden oder unheimlichen Wirbel), als Schutzgottheit der Troas (1–2n.) und als gefährlicher Gegner des Achilleus (ELLIGER 1975, 72f.). 1–2 = 14.433f., 24.692f.; 1. VH von 1 ≈ 3.264, 4.210, 5.773, 5.780, 7.186, Od. 14.472, 15.101, 16.335; 2. VH von 2 ≈ Il. 2.741. — Der Fluß Xanthos, ein anderer Name für Skamandros (20.74), ist der wichtigste Fluß in der Ebene vor Troia. Er entspringt im Ida-Gebirge, fließt südwestl. an Troia vorbei und mündet in die Dardanellen. Nach der Vorstellung des Erzählers bildet der Fluß Skamandros (den man i.d.R. mit dem Menderes identifiziert) wohl die westliche Grenze des Schlachtfeldes in der Ebene, der zweitwichtigste Fluß Simoeis die östliche (6.4n. mit Lit.; Appendix topographica zum 14. Gesang, S. 250f.). Die Furt am Rande des Schlachtfeldes ist ein topographischer Fixpunkt an der Grenze zwischen dem sicheren und gefährlichen Bereich (14.433n. mit Lit.; die Furt ist nicht sicher lokalisiert, ein Versuch bei LUCE 1998, 119). Hier wird mit der Furt ein Schauplatzund Szenenwechsel markiert (WIESSNER 1940, 109): Die Verfolgung der flüchtenden Troer durch Achilleus kommt zum Stillstand (FENIK 1968, 114; vgl. 8.343– 347, 11.181–217, 16.394–418). – Der Fluß wird hier mit Epitheta als Naturkraft charakterisiert (‘schönfließend’ und ‘reich an Strudeln’, letzteres wohl ein Hinweis auf seine Gefährlichkeit) und zugleich mit dem Hinweis auf seine Herkunft als anthropomorphe Gottheit dargestellt. Die Personifikation von Flüssen ist geläufig und ihr Kult verbreitet (FG 28; zu einem möglichen Einfluss der hom. Dichtung auf die darstellende Kunst WEISS 1984, 11ff.; CLARKE 1999, 274ff.). Die Flüsse, die alle ins Meer münden, gelten als Kinder des Okeanos (195f.), ebenso Skamandros nach Hes. Th. 345; seine Herkunft von Zeus wird hier wohl betont, einerseits, weil 1 ποταµοῖο: zur Flexion R 11.2. — ἷξον: 3. Pl. Aor. zu ἵκω ‘ankommen bei, gelangen zu’. 2 ἀθάνατος: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). — τέκετο: zur augmentlosen Form R 16.1.

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Okeanos im Vergleich zu Zeus nur eine marginale Rolle im Epos spielt (14.201n.; CLARKE a.O. 274 Anm. 28), und andererseits, weil das zu seiner Funktion paßt: Skamandros wird als der mächtigste Fluß in der Troas kultisch verehrt (5.77f., 21.130–132), ist als Schutzgottheit der Troas in den Götter-Kampf eingetreten (20.40, 20.73f.) und tritt nun als ebenbürtiger Gegenspieler dem Zeus-Abkömmling Achilleus (187) entgegen (380 von Hera entsprechend als unsterblicher Gott bezeichnet). Zu Skamandros’ Kult FG 34; NILSSON (1940) 1967, 236–240; idg. Parallelen zum Kult von Flüssen bei WEST 2007, 274–279. ἀλλ’ ὅτε δή: VA-Formel (52× Il., 53× Od., 6× Hes., 5× hom.h.); markiert einen neuen Punkt in der Handlung (Übergangsformel), oft wie hier bei der Ankunft an einem bestimmten Ort, hier dem Fluß mit der Furt (TSAGALIS 2012, 84). — ἷξον: thematischer s-Aorist; in Analogie zu ἷξε enttanden (6.172n.). — ἐϋρρεῖος ποταµοῖο | Ξάνθου δινήεντος: Das Formelsystem zur Bezeichnung von Skamandros ist sehr ausgeprägt: Die Namen Σκάµανδρος/Ξάνθος oder die Umschreibungen ποταµός/ῥόος oder ῥέεθρα werden mit folgenden Epitheta am VA, VE und im Versinnern zu Formeln in allen fünf Kasus kombiniert: ἐϋρρεής/ἐΰρροος (s.u.), δινήεις (s.u.), βαθύρροος (8n.), αἰπύς (9n.), βαθυδίνης/βαθυδινήεις (15n.), κελάδων (16n.), δεινός (25n.), ἀργυροδίνης (130n.), µέγας (192), ἐρατεινός (218–220n.), διοτρεφής/δῖος (223n./12.21, vgl. 39n.), καλός (238n.), διιπετής (268n.), εὐρὺ ῥέων (141n.), ἠϊόεις 5.36 (eine – allerdings nicht ganz vollständige – Übersicht bei RICHARDSON zu 1–2). — ἐϋρρεῖος ποταµοῖο: VE-Formel (s. Iteratverse; außerdem 6.508, 15.265); ἐϋρρεής ‘schön-fließend’ ist ein generisches EpithetonP von Flüssen (immer nach der Zäsur B 2); die Gen.-Form ἐϋρρεῖος ist aus ἐϋρρεέος kontrahiert (WERNER 1948, 43f.). — Ξάνθου: So nennen nach dem Ilias-Dichter die Götter Skamandros (20.74; zur Göttersprache allg. 14.291n.). Der Name, dessen Herkunft nicht klar ist (LfgrE s.v. Ξάνθος), dürfte unter dem Einfluß der Doppelnamigkeit des lykischen Flusses Xanthos/Sirbis entstanden und viell. vom Ilias-Dichter dem sicher nicht-gr. Namen Skamandros beigefügt worden sein (HEUBECK [1949/50] 1984, 95–99; LfgrE s.vv. Ξάνθος bzw. Σκάµανδρος, beide mit Lit.; anders SZEMERÉNYI 1987, 343–350: Ξάνθος und Σκάµανδρος gehen auf den heth. Flußnamen Seha zurück). — δινήεντος: ‘reich an Strudeln’, generisches EpithetonP wichtiger Flüsse, v.a. in Kleinasien, insges. 8× von Xanthos/Skamandros (s.o. die Iteratverse, außerdem 332 Ξάνθον δινήεντα am VA, 124f. in Formelsprengung, 22.148 Σκαµάνδρου δινήεντος am VE; als Epitheton zu ποταµός 206, 8.490). — τέκετο: Der Aor. Med. von τίκτω bezeichnet, wie meist, den Zeugungsakt des Mannes (6.154–155n.).

3–16 Achilleus hatte die nach einer Tötungsserie flüchtenden Troer auf dem Wagen verfolgt (20.498–503; zu dieser Phase des Kampfes LATACZ 1977, 218). Nun erreichen sie den Rand des Schlachtfeldes mit dem Fluß (1–2n.), wo er sie auseinandersprengt und die einen weiterhin über die Ebene zur Stadt jagt (3f.), bis er schließlich den anderen, die sich in den Fluß stürzen, als leichtere Beute nachgeht (7b–9); letztere, so ist wohl gemeint, versuchen, sich an dessen jenseitiges Ufer außerhalb des Kampffeldes in Sicherheit vor dem Verfolger zu bringen (ELLIGER 1975, 50f.). Von der ersten Gruppe wird nur kurz ihre Bedrängnis durch Heras Nebel geschildert

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(6f.), dann gerät sie aus dem Blickfeld des Erzählers, der sich ihr wieder am Ende des Gesangs zuwendet (520ff.: Achilleus verfolgt die Troer bis zur Stadt). 3 1. VH = Od. 3.291; » 12.174. — διατµήξας: ἔτµηξα ist wohl ein sekundär in Analogie zu ἔρρηξα gebildeter Aorist zu τµήγω, Nebenform zu τάµνω (RISCH 251; CHANTR. 1.330); διατµήγω bed. hier ‘abschneiden’, von der Trennung im Kampf wie in 11.468 (Odysseus von den anderen Achaiern durch die Troer), 22.456 (Hektor von der rettenden Stadt durch Achilleus): LfgrE s.v. τµήγω. — ἐδίωκεν: Trans. διώκω bez. öfters das Verfolgen eines Gegners im Sinne eines Treibens, Jagens des Flüchtenden, so auch 602 (Achilleus verfolgt Agenor/Apollon): KURZ 1966, 133 mit Anm. 37; LfgrE s.v. διώκω.

4b–5 Eine der relativ seltenen internen AnalepsenP im Erzählertext (RICHARDSON 1990, 95 mit Stellensammlung S. 227 Anm. 17): Mit dem vorhergehenden Tag ist der dritte Schlachttag gemeint, der in 11.1–18.617 geschildert wird (STR 21 Abb. 1). Der Bezug auf die Panik der Achaier vor den bis ins Schiffslager vordringenden Troern unter deren Anführer Hektor (v.a. im 11. und 15. Gesang erzählt) unterstreicht den Kontrast zur vorl. Situation (DE JONG [1987] 2004, 464 Anm. 87): Nun werden die Troer gejagt, und während vorher Hektor im Kampf wütete (15.605–609, vgl. die Klagen von Hera bzw. Odysseus 8.355f., 9.238), hat nun sein Gegner Achilleus diese Rolle übernommen (was eben noch in 20.493 erwähnt wurde): schol. bT und AT zu 5; LfgrE s.v. µαίνοµαι.

4 ≈ 6.41, 21.554. — ἀτυζόµενοι φοβέοντο: φοβέω ‘jn. in Schrecken versetzen, so daß er flieht, in die Flucht schlagen’ (267) ist wohl Kausativum zu φέβοµαι ‘aufgescheucht weglaufen, fliehen’, wurde aber dann als Denominativum zu φόβος empfunden (LfgrE; RISCH 309 mit Anm. 66; CHANTRAINE [1945] 1991, 240; zur schwierigen Bestimmung der Wortbildung der Verben auf -έω REDARD 1972, 183–189). Das mediale φοβέοµαι hier bezeichnet somit das ‘Fliehen’ mit einer psychologischen Komponente (6.41n., mit Lit.), die ἀτυζόµενος ‘erschrocken, in Panik’ verstärkt (LfgrE). Zur Etymologie von ἀτύζοµαι (idg., heth. Parallelen) PLATH 2000, 414ff.; DELG s.v. ἀτύζοµαι mit Suppl. 5 1. VH ≈ 12.279, 16.385, Hes. Op. 524 (ἤµατι χειµερίῳ/ἤµατ᾿ ὀπωρινῷ, ὅτ(ε)), Od. 7.326 (ἤµατι τῷ αὐτῷ); ferner VA-Formel ἤµατι τῷ, ὅτε (19× Il., 3× Od., 2× Hes., 2× ‘Hes.’; nach der Zäsur A 3 Il. 6.345). — ἐµαίνετο: i.S.v. ‘im Kampf wüten’, nur hier und 15.605 im Erzähler-TextP, sonst in direkten Reden (Figuren-SpracheP, 6.101n., Stellen s. 4b–5n.), hier in Sekundärer FokalisationP (Angst der Achaier). — φαίδιµος Ἕκτωρ: VE-Formel (29× Il.); das generische EpithetonP φαίδιµος hat wohl im Prinzip lediglich ornamentale Bed. (‘strahlend, stattlich’, evtl. auf die Rüstung bezogen: 16.577n.); hier könnte es allenfalls kontextsemantische Bed. haben, wenn es in Sekundärer FokalisationP (Sicht der Achaier in Panik) auf den unheilvollen Glanz in Verbindung mit µαίνεται hinwiese.

3 πεδίονδ(ε): ‘zur Ebene’ (R 15.3). 4 περ: betont ᾗ (R 24.10). — Ἀχαιοὶ ἀτυζόµενοι: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — φοβέοντο: zur unkontrahierten Form R 6. 5 ἤµατι: = ἡµέρᾳ. — προτέρῳ, ὅτ(ε): zum Hiat R 5.6.

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6 1. VH = 15.360. — Nebelschwaden: Daß eine Gottheit Nebel oder gar Dunkelheit über das Schlachtfeld gießt, ist ein typisches Motiv (16.567–568n. mit Parallelen und Lit.). Hier verhindert der dichte (7) Nebel unmittelbar, daß die erste Gruppe der Troer vor Achilleus in die Stadt entkommt und lähmt sie (3–16n.); deshalb ist seine Erwähnung später auch nicht nötig, als Achilleus vor die Stadt kommt und die Troer in die Stadt strömen (KAKRIDIS 1971, 94–96). Der Nebel paßt im übrigen gut zur Umgebung eines Flusses (SALOWEY 2017, 165). — Hera: Die Gattin des Zeus nimmt durchwegs Partei für die Griechen (wohl als Folge des Paris-Urteils): Sie beschützt aktiv die Achaier (etwa auch Achilleus im Flußkampf: 328ff.) und interveniert wie hier zuungunsten der Troer (so ruft sie am gleichen Tag Athene und Poseidon dazu auf, den Troer Aineias zurückzutreiben, 20.119f.): FG 16; 14.153– 353n. οἵ: nimmt τοὺς µέν (3) auf und wird durch γε im Gegensatz zu bloßem Ἀχαιοί (4) betont (AH). — προχέοντο: ‘sie strömten voran, ergossen sich vorwärts’; zum ‘Strömen’ als Bez. von Massenbewegung (wie auch in 610) KURZ 1966, 140; FENNO 2005, 484f. — πεφυζότες: ‘in wilder Flucht’, wie hier nach der Zäsur B 2 noch 528, 532, 22.1, immer von den Troern; nimmt ἀτυζόµενοι φοβέοντο (4) auf (LfgrE; AH). Die Bildung der Form, die im Gegensatz zu πεφευγότες (Od. 1.12) und πεφυγµένος (Il. 6.488, 22.219, Od. 1.18, 9.455, h.Ven. 34) nur als prädikatives Adj. gebraucht ist, ist umstritten, scheint aber als expressives Wort unter dem Einfluß von φύζα ‘Panik, Flucht’ (Il. 14.140) entstanden zu sein (HACKSTEIN 2002, 195f.: statt *πεφυζηότες, denominales Verbum zu φύζα; ähnl. SOLMSEN 1911, 143–146; CHANTR. 1.429; SCHW. 1.771: viell. zu Präsens *φύζω). — ἠέρα δ᾿ Ἥρη: Viell. ist hier schon eine etymologische Namensdeutung zu fassen; später wurde jedenfalls wegen des Anklangs Hera mit der Luft allegorisch identifiziert (Plat., Crat. 404C): RANK 1951, 47; BUFFIÈRE (1956) 1973, 106–110. 7 πίτνα: 3. Sg. Impf. zu πίτνηµι ‘ausbreiten’. Die Endung -ᾱ ist ein Äolismus, den man aber als Kontraktion auffaßte (RISCH 257). Weitere belegte Formen zum Präs.-Stamm mit ne/nInfix: ἔπιτνον ‘Hes.’ Sc. 291, πίτναντο Il. 22.402, Ptz. πιτνάς Od. 11.392; zum Aor. πέτασ(σ)α (115) vgl. δάµνηµι: δάµασα: RISCH 256f., auch zum Vokal -ι-. — πρόσθε: ‘vorn’, d.h. vor den zur Stadt flüchtenden Troern (AH). — δέ: sehr selten am VE, dient immer wie hier zur Anfügung eines neuen Satzes, der nach der Zäsur C 2 beginnt (hier mit ἡµίσεες) und mit integralem EnjambementP mindestens bis zur 1. VH des folgenden Verses reicht (δέ am VE insges. 10× Il., 8× Od., 1× hom.h.; davon 3× nach einem Namen, 4× nach ἀργαλέον, 3× nach ἐγκέφαλος, 2× ἀγχίµολον, 2× ἀργύρεος).

6 ῥ(α): = ἄρα (R 24.1). — οἵ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἠέρα: = ἀέρα. 7 ἐρυκέµεν: final-konsekutiver Inf.; zur Form R 16.4. — ἡµίσεες: zur unkontrahierten Form R 6.

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8 1. VH ≈ Od. 6.59, 7.281; 2. VH ≈ Il. 21.130, ‘Hes.’ fr. 229.18 M.-W. (ergänzt). — εἰλέ͜οντο: Das Mediopass. εἰλέοµαι/εἴλοµαι ‘sich (zusammen-)drängen’ wird öfter in Verbindung mit einem schützenden Ort bei einer Flucht oder einem Rückzug gebraucht, vor allem von den Troern, die in die Stadt fliehen (534, 607, 22.12, 22.47, 24.662), hier in den Fluß (LfgrE s.v. εἰλέω 431.50, 432.6ff.). — βαθύρροον: zu ῥέω, ‘mit tiefen Fluten’, Epitheton von großen Flüssen (v.a. vom Okeanos: s. zur Variante βαθυρρείτης 195n.). — ἀργυροδίνην: immer am VE stehendes generisches EpithetonP von Flüssen (s. Iterathalbverse, außerdem 2.753, Hes. Th. 340, ‘Hes.’ fr. 26.19, 70.17 M.-W., beide ergänzt); Possessivkompositum zu ἄργυρος ‘Silber’ und δίνη ‘Wirbel’, ‘mit silbrigen Wirbeln’; viell. aber schon als verbales Rektionskompositum zu δινέω ‘wirbeln’ empfunden, ‘silbern wirbelnd’ (RISCH 185. 210; RÜEDI 1969, 41–43). Das Epitheton bildet so eine metr. bequeme längere Variante gegenüber δινήεις (1–2n.). Mit dem Silber wird wahrscheinlich das Glitzern gestauten Wassers verglichen, wenn es einen Wirbel bildet, wie in Hes. Th. 791 die Wirbel eines Flusses silbern genannt werden (LfgrE; MÜLLER 1974, 118).

9–10 Der Lärm der in den Fluß platschenden schreienden Troer und des Flusses selbst wird durch eine emphatische Häufung von onomatopoetischen Wörtern unterstrichen (megálō patágō ‘mit großem Getöse’, bráche ‘sie krachten, rauschten’, megál’ íachon ‘sie widerhallten’, alalētṓ ‘mit Angstgeschrei’): schol. T zu 9; KAIMIO 1977, 85. 101; RICHARDSON. Die “symphonie de bruits” (MUGLER 1963, 80) bereitet auf die Tötung vieler Troer am und im Fluß durch Achilleus (17ff.) und auf den gewaltigen Flußkampf vor, wenn sich Skamandros gegen Achilleus erhebt; er ist hier wohl durch den Lärm personifiziert (die Fluten ‘rauschten’, die Ufer ‘widerhallten von den Schreien’; vgl. 237, s.d.; CLARKE 1999, 274; LfgrE s.v. βραχεῖν); an diesen Lärm erinnert auch der Beginn der ‘Theomachie’ (387f., s.d.): KRAPP 1964, 320 Anm. 2; KAIMIO a.O. 101; KITTS 2005, 162. 9 ≈ 387; 1. VH ≈ 16.276, Od. 24.526; 2. VH ≈ Il. 8.369, ‘Hes.’ fr. 150.23 M.-W. — πατάγῳ: onomatopoetisches Wort, ‘Krach, Krachen, Getöse’ (16.769n.); hier dürfte das Platschen der ins Wasser fallenden Kämpfer gemeint sein (TICHY 1983, 181). — βράχε: 3. Sg. Aor. eines defektiven Verbs der Bed. ‘erdröhnte, krachte’; zum onomatopoet. Aor. 19.13n. (mit Lit.). — αἰπὰ ῥέεθρα: formelhaft am VE (s. Iterata). αἰπύς bed. ‘steil aufragend, steil’, hier ‘steil abwärts fließend’, was wohl auf die Gefährlichkeit des Flusses hinweist, der sich tief ins Schwemmland gegraben hat und Strudel bildet (RICHARDSON; LUCE 1998, 157). Die thematische Neutr.-Endung -α ist wohl metrisch bedingt (wie die Fem.-Form αἰπήν [13.625, 4× Od.]): CHANTRAINE 1933, 14; FRISK s.v. αἶπος; BEEKES s.v. αἰπύς. 10 1. VH ≈ 2.305, 23.191; 2. VH = ‘Hes.’ Sc. 382; ≈ 2.149, 16.78. — ἀµφὶ περί: ‘rings um, zu beiden Seiten ringsum’ (2.305n., mit Lit. zur Doppelung von Präp./Adv.; AH). — µεγάλ᾿

8 ἐς: = εἰς (R 20.1). — ποταµὸν (ϝ)ειλέοντο: zur Prosodie R 4.5. — εἰλέ͜οντο: zur Synizese R 7. 9 ἐν … ἔπεσον: zur sog. Tmesis R 20.2. 10 περὶ (µ)εγάλ(α): zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — µεγάλ(α): Adv., ‘laut’. — οἵ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17).

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ἴαχον: variierbare Formel nach der Zäsur B 1 (18.29n.). µεγάλα bez. als Angabe der Quantität die Intensität eines Tones (3.221n.; WILLE 2001, 74), während ἰάχω ‘mit besonderer Intensität aufschreien’, hier vom Widerhall auch der Schreie der Troer ‘widerhallen, tosen’ bedeutet; vgl. 16 κελάδων (LfgrE s.v. ἰάχω 1114.9ff.; KRAPP 1964, 233; KAIMIO 1977, 85). — ἀλαλητῷ: onomatopoetischer Ausdruck für Kampfgeschrei, hier (u. 18.149) für den Angstschrei Fliehender, vgl. 17.759 (2.149n.; KAIMIO 1977, 23 Anm. 1).

11 ≈ Od. 20.28, h.Ap. 361. — Strudeln: deutet auf die Gefährlichkeit des großen Flusses hin (vgl. 1–2n. zum Epitheton ‘reich an Strudeln’); enthält viell. auch etwas von einer wilden Manie (vgl. die wirblige Ekstase bei Dionysos: Hinweis BIERL). ἔννεον: Impf. (viell. de conatu, Hinweis NÜNLIST) zu νέω ‘schwimmen’ (< *ἔ-σνεϝ-ον, G 16; CHANTR. 1.176), nur noch in Od. 5.344, 5.442 belegt (möglicherweise eine Reimbildung zu πλέω: FRISK); Nebenform zu häufigerem νήχω (10× Od., 2× Hes.), zu idg. *snā-, lat. nare (LfgrE; FRISK). — ἔνθα καὶ ἔνθα: formelhaft vor der Zäsur B 2 (s.o.; insges. 5× Il., 4× Od., 1× Hes., 5× hom.h.), am VA (2× Il.) oder am VE (354, insges. 10× Il., 11× Od., 1× ‘Hes.’, 1× hom.h.); die unbest. Angabe ‘hin und her’ wird durch das folgende ἑλισσόµενοι κατὰ δίνας präzisiert (AH). — ἑλισσόµενοι κατὰ δίνας: In einigen Hss. steht περὶ δίνας (app. crit. von WEST; Lesart von AH; FAESI; LEAF), viell. beeinflußt von ähnl. VE (Il. 1.317, 18.372, 22.95: flektiertes ἑλισσόµενος + περί); für die Lesart mit κατά sprechen 25/354 κατὰ ὤ ῥέεθρα und 353 κατὰ δίνας, wie hier am VE (app. crit.).

12–14 Oft werden angegriffene oder flüchtende Kämpfer mit Tieren verglichen, häufig mit Rindern oder Schafen in Herden (16.352–357n.; PAGANI 2008, 402f.). Die nur hier vorkommenden flatternden Heuschrecken verkörpern einen panischen Massenansturm, da sie im Schwarm vor dem Feuer flüchten. Plötzlich auftretende Heuschreckenschwärme, die ganze Ernten vernichten, werden auch in der Bibel als Plage erwähnt (2. Mose 10.12), und es ist wahrscheinlich, daß man Feuer legte, um sie zu vernichten (schol. T, Eust. 1220.37; DAVIES/KATHIRITHAMBY 1986, 140f.). Vergleiche von Heuschrecken mit Kämpfern, in einem Fall auch mit Tieren an einem Fluß, finden sich auch im Orient (assyr. Bsp. bei WEST 1997, 246); zu weiteren Insektengleichnissen 2.87–94n., mit Lit. Das Feuer in seiner nicht endenden Intensität und Energie (12, 14; GRAZ 1965, 257. 303. 329) ist ein Bild für die Unwiderstehlichkeit eines Helden (11.155ff. Agamemnon, 15.605f. Hektor) und ein Leitmotiv in den Gleichnissen und Vergleichen in Achills Aristie; es illustriert neben dem Glanz der Waffen auch seine Aggressivität und zerstörerische Kraft (19.16b–17n., mit Stellen u. Lit.; allg. zu Feuergleichnissen FRÄNKEL 1921, 47–52; SCOTT 1974, 66–68). Das Gleichnis erinnert an den in 20.490ff. nur wenig entfernt vorausgehenden Vergleich von Achilleus mit einem Waldbrand (dort geht es um die Vegetation, hier um Tiere), und wird in 522ff. wieder aufgenommen (s.d.): MOULTON 1977, 109; zu 20.490ff. s. auch 1–33n. Der Kontrast zwischen dem Feuer und dem Wasser weist gleichzeitig auf den bevorstehenden Kampf zwischen Ska11 ἔνθα (ϝ)ελισσόµενοι: zur Prosodie R 4.3.

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mandros und Hephaistos voraus (328–382n.; RICHARDSON zu 12–16; SCOTT 2009, 69). Das Gleichnis ist somit in seine Umgebung, den Kampf am Fluß, eingebettet, ebenso wie das folgende Gleichnis mit dem Delphin und den Fischen (schol. bT zu 22–24; ELLIGER 1975, 81). 12 1. VH ≈ 13.334, 14.414, 23.692 (ὡς δ᾿ ὅθ᾿ ὑπό). — ὑπὸ ῥιπῆς: formelhaft vor der Zäsur B 1 (4× Il., 1× Od., 1× h.Ap.). ῥιπή bed. ‘Wucht’, oft wie hier mit Gen. der in Bewegung gesetzten Sache, deren Wucht wirkt (πυρός): LfgrE s.v. — ἀκρίδες: Das nur hier belegte ἀκρίς bez. die Heuschrecke (Details bei DAVIES/KATHIRITHAMBY 1986, 134ff.). — ἠερέθονται: immer am VE, zu ἀείρω (mit metr. Dehnung des Anlauts: CHANTR. 1.327), mit wohl iterativfrequentativer Bed. des -εθ-Suffixes (zu dessen versch. Deutungen 2.303–304n.): ‘baumeln, flattern’ (2.448 Troddeln, 3.108 im übertr. Sinn), hier von den Heuschrecken: ‘(in die Luft aufgesprungen) flattern, wegfliegen’: LfgrE s.v. ἠερέθοµαι. 13 φλέγει: φλέγω ist ein ererbtes Verb, mit lat. fulgeo verwandt (LIV 86f.), mit der Bed. ‘(ent)flammen, brennen’, hier trans. ‘sengen’ (LfgrE). — ἀκάµατον πῦρ: VE-Formel (noch 341, insges. 7× Il., 2× Od.), prosod. Variante zu θεσπιδαὲς πῦρ (342n.), beide mit der relativ seltenen Stellung eines Einsilblers am VE. ἀκάµατος ist bei Homer distinktives EpithetonP von πῦρ (AUTENRIETH/KAEGI: ‘unermüdlich [lodernd]’) und bez. dessen potentielle Energie (16.122–123n.), hier bei der Verfolgung der Heuschrecken (AH). 14 1. VH = 17.738. — πτώσσουσι: πτώσσω bed. ‘sich (vor Furcht) ducken’ (4.224n.).

15–16 Das Bild des von Leichen vollgestopften Flusses wird im Folgenden immer wieder evoziert (216–220, 234–236; vgl. auch 300–302, 324–327): NEAL 2006, 254.

15 1. VH = 20.498. — ὑπ᾿ Ἀχιλλῆος: zu ὑπό ‘unter der Einwirkung von’ wie in 3.61, 6.73 u.ö. SCHW. 2.528f. — βαθυδινήεντος: βαθυδινήεις, metr. verlängerte Variante von βαθυδίνης, und beide wie ἀργυροδίνης Verlängerungen von δινήεις (8n.; vgl. 22.148 am VE Σκαµάνδρου δινήεντος, vom Xanthos in Lykien 2.877 Ξάνθου ἄπο δινήεντος, 5.479 Ξάνθῳ ἔπι δινήεντι). Formal sind die drei Possessivkomposita, wobei die hier, 603 und h.Bacch. 4 belegten Bildungen mit dem Suffix -ηεντ- aus einer Kombination von δινήεις und βαθυδίνης stammen und als metr. Varianten dienen (WITTE [1912] 1972, 71 Anm. 2; RISCH 154. 186; LfgrE): ‘mit tiefen Strudeln, tief strudelnd’ (vgl. 1–2n. zu δινήεις). Skamandros’ tiefe Strudel werden auch 213 und 239 hervorgehoben (der Fluß spricht aus der Tiefe bzw. rettet die Troer tief unten). Das generische EpithetonP von großen Flüssen steht außer in 603 immer am VE, in der Ilias neben der vorl. St. mit einer Ausnahme (143: Axios gemeint) nach dem als ποταµός bezeichneten Skamandros, z.T. erweitert mit µέγας (ποταµὸς βαθυδίνης 20.73, 21.212, 228, 329, außerdem h.Bacch. 4; βαθυδίνης steht nach

12 ὅθ᾿: = ὅτε. — ὑπὸ (ῥ)ριπῆς: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). 13 φευγέµεναι: zur Form R 16.4. — ποταµόνδε: ‘zum Fluß’ (R 15.3). — τὸ δέ: dazu als Apposition πῦρ. — ἀκάµατον: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 14 ὄρµενον: Ptz. Aor. Med. zu ὄρνυµι (‘das ausgebrochen ist’). — ταί: = αἵ (R 14.3); demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17), bezogen auf die Heuschrecken. 15 ὥς: = οὕτως. — Ἀχιλλῆος: zur Flexion R 11.3.

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einem Namen, vor allem Okeanos oder Alpheios, in Od. 10.511, Hes. Th. 133, 338, Op. 171, ‘Hes.’ fr. 193.9 M.-W., h.Merc. 139): LfgrE s.v. βαθυδινή(εις), βαθυδίνης. 16 2. VH ≈ 11.525, 23.242. — πλῆτο: medialer Wurzelaor. zu πίµπληµι (LfgrE; ALLAN 2003, 170 ‘wurde voll von’). — κελάδων: von Flüssen und Wind ‘lärmend, rauschend’ (18.576n., auch zur Wortbildung), hier daher wohl nicht prädikativ (LfgrE s.v. κελάδων, κελαδῆσαι). — ἐπιµίξ: ‘durcheinander’ (LfgrE).

17–33 Die zusammenfassend erzählten Tötungen im Fluß (17–26a) und die Gefangennahme von zwölf jungen Troern (26b–33) führen zu zwei Einzelszenen (Lykaon 34–135, Asteropaios 136–204). Ähnlich folgen auf allg. erzählte oder als katalogartige Kette von Einzelkämpfen geschilderte Tötungen in Diomedes’, Agamemnons und Patroklos’ Aristien die bedeutenderen Zweikämpfe (16.394–418n.; SCHADEWALDT [1938] 1966, 10). 17 1. VH ≈ Od. 23.306. — Die Lanze braucht Achilleus nicht für den Nahkampf im Wasser, der sich somit abzeichnet. In der Auseinandersetzung mit Lykaon verfügt er wieder über die Lanze (67); wie er sie wieder an sich genommen hat, wird nach dem Prinzip, daß solche Details oft nicht erklärt werden, offen gelassen (LeerstelleP; schol. A; RICHARDSON). ὁ διογενής: διογενής ‘von Zeus abstammend’ ist ein generisches EpithetonP verschiedener Helden, auch solcher (wie Odysseus), die im Epos nicht mit Zeus genealogisch in Verbindung gebracht werden (von Achilleus noch 1.489): 1.337n. Nur hier ist das Wort als Apposition mit determinierendem Artikel anstelle des Namens gebraucht (LEAF, mit Hinweis auf vergleichbares ὁ γεραιός in 1.35, s.d.). Es dürfte kontextsensitiv und “leitmotivisch” verwendet sein (LfgrE s.v. διογενής): Achilleus beruft sich auf seine Herkunft (187–189) in seiner gottgleichen Kampfwut (18) und provoziert damit den Kampf gegen den Flußgott Skamandros, der ebenfalls von Zeus abstammt (1–2n.; 223, s.d.). Dazu paßt auch die Bezeichnung διοτρεφής für Achilleus in 75 (s.d.).

18 1. VH ≈ 22.3. — Tamarisken: Baumart, die noch heute am häufigsten am Skamandros wächst und entsprechend auch beim Brand in 350 erwähnt wird (LfgrE s.v. µυρίκη). — Daimon: Die VE-Formel dáimoni ísos ‘einem Gott gleich’ (9× Il., 1× h.Cer.) wird in der Ilias immer für Helden während ihrer Aristie gebraucht (Diomedes 5.438, 5.459, 5.884; Patroklos 16.705, 16.786), in dem Moment, wenn sie die Grenzen zu überschreiten drohen, meistens in ungestümem Kampf gegen eine Gottheit (16.705n.). Hier (und in 20.447, 20.493, 21.227) kennzeichnet die Formel Achilleus in seiner Kampfwut: Sie übersteigt klar menschliches Maß und führt zum Widerstand des Gottes Skamandros. Achilleus wird auf seine Gottähnlichkeit und durch seine Herkunft von Zeus auf seine Überlegenheit über die

17 αὐτάρ: progressiv, ‘und’ (R 24.2). — αὐτοῦ: ‘ebendort’. 18 µυρίκῃσιν: zur Flexion R 11.1. — ὅ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17). — ἔνθορε: 3. Sg. Aor. zu ἐνθρῴσκω ‘hineinspringen’. — δαίµονι (ϝ)ισος: zur Prosodie R 5.4.

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Flüsse pochen und den Zorn des Flußgottes herausfordern, dem er nicht gewachsen ist (184–199): NEAL 2006, 255. 19 2. VH = 23.176. — schlimme Taten: nicht als subjektive Bewertung des ErzählersP zu deuten, sondern objektiv wie in ähnlichen Aussagen über Achilleus (22.395, 23.24, 23.176) in Bezug auf die Absicht des Handelnden (Aggressivität) und seine Wirkung auf die betroffenen Troer (Sekundäre FokalisationP): DE JONG (1987) 2004, 138. φάσγανον: ‘Schwert’, die Waffe für den Nahkampf; im fgrE ohne Bed.-Unterschied zu ξίφος (von Achilleus’ Waffe noch 1.190, 20.469, 20.481, 21.116, 21.118) und ἄορ (21n.) verwendet: 16.115n., mit Lit. — φρεσί: φρήν/φρένες erscheint wie θυµός, κῆρ und ἦτορ u.a. als Sitz seelisch-geistiger Regungen und intellektueller Prozesse, s. 1.24n., 19.169–170n.; LfgrE s.v. φρένες 1017.10ff., 1029.46ff.; JAHN 1987, 9ff. — µήδετο ἔργα: flektierbare VEFormel (6× Il., 4× Od., 2× Hes., 1× hom.h.), oft ergänzt durch ein Attribut, das eine negative Wirkung ausdrückt, wie hier und Od. 24.199 κακά. 20–21 ≈ 10.483f. (κτεῖνε … | … γαῖα), 20: ≈ Od. 22.308 (τύπτον …), 24.184 (κτεῖνον). 20 ἐπιστροφάδην: Adv. auf -δην zu στρέφω zur Bezeichnung einer begleitenden Handlung, wie etwa ἐπιγράβδην in 166 (RISCH 365): ‘nach allen Seiten hin gewandt’ mit dem hin- und hergewendeten Schwert, weil er als Einzelner der Menge der Troer gegenübersteht (LASER 1958, 415). Die fast gleichzeitigen Tötungen vieler Gegner durch Achilleus sind eine Steigerung gegenüber der schnell aufeinanderfolgenden Tötung zweier troischer Kämpfer in 20.462 (ähnl. SCHEIBNER 1939, 91). — στόνος: vom Stöhnen verwundeter Kämpfer auch 4.445 und 19.214 und in dem oben aufgeführten Formelvers, welcher die Wirkung des Wütens einzelner beschreibt (zum Wortfeld mit Lit. 19.214n.). Nach diesem Stöhnen hatte Achill verlangt, um seinen Freund rächen zu können (19.213f.). — ἀεικής: ‘schmählich’, gehört zur Figuren-SpracheP, hier pathetisch, in Sekundärer FokalisationP mit der Bed. ‘elend’ (DE JONG [1987] 2004, 144f.).

21 rot wurde: Blut wird im fgrE typischerweise als dunkel bezeichnet (oft formelhaft: 1.303n.); die Rötung wird seltener erwähnt (noch 10.484, 11.394, 16.159, 18.538, 23.717, ‘Hes.’ Sc. 159, 194): LfgrE s.v. αἷµα 306.30ff. “There is no comparable image of carnage in the Iliad” (MUELLER [1984] 2009, 61). Die Menge des Blutes weist auf die Kampfkraft des Tötenden hin, hier in Achilleus’ Aristie (HORN 2014, 208), so wie wenn an anderen Stellen die Erde von Blut benetzt wird (eben erst erzählt in 20.494, ein Bild von einem Blutfluß, das hier wieder aufgenommen wird; s. auch den Iteratvers; zur Formel 4.451n.; 11.394f.: Drohung). Wenn hier statt die Erde das Wasser voll Blut wird, kündigt das zugleich den Flußkampf an: Das Blutbad im Fluß, das Vermischen des Wassers mit dem Blut von Skamandros’ Schutzbefohlenen (1–2n.), beschmutzt und besudelt den Fluß, dessen schönes Wasser hervorgehoben wird (Epitheton ‘schönfließend’, 1–2n.; formelhaft ‘schöne Fluten’, 218–220n.), und stellt einen Angriff auf den Flußgott dar (vergleichbar ist Dio19 φρεσί: Ortsangabe ohne Präp. (R 19.2). — µήδετο (ϝ)έργα: zur Prosodie R 4.3.

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medes’ Ansturm gegen die Göttin Aphrodite, die an der Hand blutig verletzt wird, 5.339f.). Dieser Angriff setzt sich noch fort, wenn Lykaon und Asteropaios am Flußufer getötet werden und ihr blutender Leichnam ins Wasser geworfen oder vom Wasser bespült wird (119f.; 202 [Blut implizit]): SEGAL 1971, 32, NEAL 2006, 244– 247. ἄορι: mit metr. Dehnung der Anfangssilbe; oft von Achilleus’ Schwert verwendet (noch 20.290, 20.378, 21.173, 21.179, 21.208): LfgrE s.v. ἄορ 985.60; 986.2ff. — θεινοµένων: Neben dem reduplizierten themat. Wurzelaor. ἔπεφνον ‘tötete’ (55, 96, 135, 280) steht θείνω, beide zur idg. Wurzel *gu̯hen- (dazu auch φόνος in 134, 137, 249, lat. de-fendo): SCHW. 1.748; LIV 218f. Meistens werden diese Formen im Sinne eines tödlichen Hiebs mit dem Schwert verwendet (LfgrE s.v. θείνω 985.25ff.; TRÜMPY 1950, 97f.). — αἵµατι ὕδωρ: Der Hiat ist wohl durch die Modifikation von αἵµατι γαῖα bedingt (zur Anpassung der Erde an das Wasser s.o.); αἵµατι γαῖα steht nicht nur im ähnl. V. 10.484 (s.o.), sondern auch 4.451 und 8.65 am VE (außerdem 3× im Versinnern): RICHARDSON. Der Hiat nach der Dat. Sg.-Endung auf -ι ist verbreitet, z.B. auch in 17.196, 23.278 (G 37; CHANTR. 1.90).

22–24 Das GleichnisP ergänzt das vorhergehende (12–14, s.d.): Wieder ist es der Erzählung mit dem speziellen Schauplatz angepaßt, vorher der Flucht der Troer ins Wasser, nun ihrer Tötung durch Achilleus im Wasser, indem die Landtiere (Heuschrecken) durch Fische und das Feuer durch einen Delphin ersetzt werden (RICHARDSON zu 22–26; auffällig ist auch ihre Menge: Sie füllen den Fluß bzw. den Hafen, 16/23: LONSDALE 1990, 111). Beidemale liegt der Vergleichspunkt auf der panischen Flucht (13, 23; die Heuschrecken ducken sich wie die Menschen: 14/26), und die Opfer, kleine Tiere, werden angesichts der Gewalt des angreifenden Feuers bzw. des gierigen großen Raubtiers als hilflos dargestellt (24; SCOTT 2009, 219 Anm. 67; in Raubtiergleichnissen sind die Opfer immer unterlegen, die Raubtiere mitleidlos: REDFIELD [1975] 1994, 192; RABEL 1997, 186; auch das Gleichnis in der Verfolgungs- und Tötungsszene in Od. 22.302–309 enthält die Elemente Stöhnen und Schutzsuchen der Opfer, dort von Raubvögeln, und ein Blutbad [KRISCHER 1971, 59]; zu Fischen als Opfer in Gleichnissen SCOTT 1974, 75). Auf diese Weise wird die Antithese Achilleus – Troer verstärkt und zusammen mit dem Vergleich des rachsüchtigen, wütenden Achilleus mit einem daímōn (18n.) und demjenigen der gefangenen Troer mit Hirschkälbern (29) ihre radikal ungleiche Position nochmals vor der Szene mit Lykaon (34ff.) unterstrichen (MOULTON 1977, 110; SCOTT 2009, 69). Achilleus wird auch sonst mit fleischfressenden Tieren verglichen (mit einem Löwen in 20.164–173, 18.318–322, 22.262–264, 24.41–43 [s.d.], 24.572, einem Hund 22.189–192, einem Falken 22.139–142). Es ist wohl zu gewagt, daß man beim Bild des Fische fressenden Delphins auch an das Motiv des Rohfleischessens denken sollte (so HEATH 2005, 140), ein Bild für unstillbaren Rachedurst, wie er sich etwa in Achilleus’ Drohung gegen Hektor in 22.346f. zeigt (24.212–213n.); an das Gleichnis erinnert aber sicher in den zwei folgenden Tötungs-Szenen Achilleus’ Ansage, den Leichnam den Fischen zum Fraß vor-

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zuwerfen (122f., Lykaon) bzw. seine gleichgültige Haltung, die den Fraß geschehen läßt (203f., Asteropaios), wodurch die Steigerung der Gewalt signalisiert wird (SEGAL 1971, 32). 22 Delphin: im hom. Epos nur noch Od. 12.96 erwähnt (dort als Opfer der Skylla); in ‘Hes.’ Sc. 209ff. ebenfalls als Jäger nach Fischen. Er wird hier wohl wegen seiner Schnelligkeit als Raubtier aufgeführt (für diese Eigenschaft war er bekannt: DNP s.v. Delphin). Daß er, ein Säugetier, als besonderes Lebewesen im Meer galt, zeigt seine Bezeichnung, die von delphýs ‘Gebärmutter’ abgeleitet ist; jedoch wurde er als fischähnlich empfunden: hier fliehen die ‘anderen Fische’ vor ihm, wie der Falke in Il. 13.64 einen anderen Vogel jagt (LfgrE s.v. δελφίς; LEAF). Zur Darstellung des Delphins in der antiken Lit. und Kunst allg. STEBBINS 1929; zum Delphin als Jäger von Fischen a.O. 89. ὑπὸ δελφῖνος: zur Bed. von ὑπό 15n.; mit φεύγοντες zu verbinden (23). — µεγακήτεος: Kompositum zu µέγας und κῆτος ‘Meeres-Ungeheuer’, das im fgrE in 13.27, 20.147, 5× Od. belegt ist. Als Possessivkompositum mit der Bed. ‘große See-Ungeheuer enthaltend’ dient es als Epitheton von πόντος in Od. 3.158, während es hier als Determinativkompositum mit der Bed. ‘ein großes Meerungeheuer ausmachend/seiend’ gebraucht wird (DELG s.v. κῆτος; KURT 1979, 44f.). Als Epitheton von Schiffen (Il. 8.222, 11.5, 11.600) könnte es viell. wegen des tierhaften Aussehens von Schiffen geprägt worden sein (als Determinativ- oder Possessivkompositum: SOMMER 1948, 184; RISCH 81). Diese waren öfter mit Augen, Fischfiguren, Hörnern, Schnauzen etc. bemalt bzw. zusätzlich versehen (KURT a.O. 45 mit archäol. Lit.; GRAY 1974 passim). Man hat versucht, die unterschiedliche Verwendung des Wortes einfacher, ohne die Annahme versch. Kompositionstypen, zu erklären, indem man von einem Hinterglied ausgeht, das von *κῆτος ‘Höhlung, Schlund’ abgeleitet ist (LfgrE s.v. µεγακήτης mit Lit.; WEST zu Od. 3.158). Das Wort ist aber nie im Griechischen mit dieser Bed. belegt (FRÄNKEL 1921, 88f. Anm. 5; SOMMER a.O.; s. auch 2.581n. zu κητώεις). – Zum nicht oxytonen Akzent von µεγακήτης s. RISCH a.O. 23 λιµένος εὐόρµου: εὔορµος zu ὅρµος ‘Anlaufstelle, mit gutem Liegeplatz’ (d.h. mit genug flacher und sandiger oder geröllhaltiger Landestelle im Naturhafen [λιµήν], um das Schiff heckvoran zu rudern und dort auflaufen lassen zu können): KURT 1979, 190. Das Wort wird nur in Verbindung mit λιµήν gebraucht, hier wohl in einer Modifikation der VA-Formel ἐν δὲ λιµὴν εὔορµος (Od. 4.358, 9.136, ‘Hes.’ Sc. 207), was die Längung der Endsilbe von λιµένος vor εὐόρµου verursacht hat (RUIJGH 1971, 405). 24 ≈ 3.25; 2. VH: vgl. Hes. Th. 773. — δειδιότες: ‘aus Furcht’: emphatisches EnjambementP; darauf folgt die Erläuterung (ähnlich 6.137, 15.628, 24.384). — µάλα: betont in Anfangsstellung, ‘gierig’ (3.25n.). — κατεσθίει: fast immer von Tieren (2.314n.). 25 ≈ Od. 11.157. — δεινοῖο: Die Troer schützt der Fluß, ist aber ein potentiell gefährlicher Gegner, wie nachher Achilleus erfährt (LfgrE s.v. δεινός 236.51f.).

24 δειδιότες: Ptz. zu δέδια (= δέδοικα), < *δεδϝιότες (R 4.2). — τε: ‘episches τε’ (R 24.10). — κε: = ἄν (R 24.5). — λάβησιν: 3. Sg. Konj. (R 16.3). 25 κατὰ δ(ϝ)εινοῖο: zur Prosodie R 4.5.

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26a unter … Uferhänge: Es ist wohl zu verstehen, daß der Fluß steile Uferbänke hat (171) und die Troer sich unter die Zweige der Uferbäume (18 erwähnt) ducken (RICHARDSON; 14, Appendix topographica zum 14. Gesang S. 250). πτῶσσον: 14n. — κρηµνούς: zu κρεµάννυµι ‘hängen’ (RISCH 98; FRISK s.v. κρηµνός; abgelehnt von BEEKES), ‘Hang’, von Skamandros’ Böschung auch 175, 200, 234, 244, vom Graben im Schiffslager 12.54.

26b–33 Achilleus hatte in großer Kampfwut (18) zahlreiche Troer im Fluß getötet (17–26a). Die Gefangennahme der zwölf jungen Troer stellt einen weiteren Schritt des Helden dar, seinen Freund gebührend zu rächen: Achilleus hatte Patroklos aus Trauer und Wut über seinen Tod versprochen, bei dessen Bestattung zwölf Troer zu töten (18.336f.), was er dann ausführt (23.175ff.), nachdem er es in 23.22f. nochmals angekündigt hatte. Die wiederholte Erinnerung an dieses im hom. Epos singuläre Bestattungsritual unterstreicht dessen Bedeutung (HUGHES 1991, 52); die Rache für Gefallene wird sonst nur auf dem Schlachtfeld vollzogen, wie eben erst (17–26a) und in der folgenden Episode mit Lykaons Tod (vgl. bes. 97–135). Das Ritual ehrt Patroklos (28), erleichtert Achilleus’ Wunsch nach Rache (in 18.337 und 23.22f. ist als Begründung sein Zorn genannt) und demonstriert die solidarische Vergeltung vor dem ganzen Heer, das einen guten Kämpfer verloren hat (zu letzterer Funktion speziell HUGHES a.O. 55; zu allen Funktionen des Bestattungsrituals, zu möglicherweise Vergleichbarem im Mythos, zu denkbaren Kenntnissen des ErzählersP von realen rituellen Racheakten bei Bestattungen und zu möglichen Spuren eines solchen Rituals in Griechenland und im Orient 18.336–337n. mit Lit.). Dieser bedeutende Zweck des Rituals spiegelt sich hier wohl in der Ausführlichkeit, mit der die Gefangennahme von Gegnern geschildert wird, ein Akt, der sonst bloß erwähnt wird (RICHARDSON zu 26–32), wobei die Gefangennahme von erbeuteten oder im Krieg besiegten Kämpfern zum Verkauf in die Sklaverei oder zum Loskauf durchaus verbreitet erscheint (40–41n.). Auch wenn die rituelle Rache grundsätzlich wohl nichts mit dem Tieropfer bei Bestattungen zu tun hat (HUGHES a.O. 55f.), dürften einige Aspekte der vorl. Schilderung naturgemäß auch Assoziationen an solche Opfer hervorrufen, was sie auch mit der folgenden Erzählung von Lykaons Tod verbände (114–119n.). 26b–27 müde: erklärt, warum die anstrengenden Schwertstreiche in alle Richtungen beendet werden (19f.). Damit wird eine Zäsur nach der erbitterten Tötung gesetzt: Achilleus scheint ganz rational die Pause dazu zu nutzen, sein Versprechen umzusetzen und eine Auswahl aus den das Massaker überlebenden Troern zu treffen (kurz HUGHES 1991, 54). — Fluß: erinnert vielleicht an eine weitere Demütigung von Skamandros: Die Auswahl gleicht einem Fischzug. — zwölf: Typische ZahlP, 26 χεῖρας: Akk. der Beziehung (R 19.1). 27 δυώδεκα: = δώδεκα. — λέξατο: indirekt reflexiv, ‘sammelte für sich’.

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speziell auch von getöteten oder gefangen genommenen Kriegern (18.230–231a n. mit Lit.), hier wie als kleine, die Troer repräsentierende Gruppe wirkend; da diese Zahl auch bei Opfertieren verbreitet ist (signalisiert Vollständigkeit; 6.93n.; GRAZIOSI/HAUBOLD zu 6.93–4), ist vielleicht wie in der ganzen Passage auch mit Assoziationen an ein Tieropfer zu rechnen (26b–33n.). ἐναίρων, | ζωούς: ἐναίρω zu ἔναρα, bed. urspr. ‘(einem gefallenen Krieger) die Rüstung abnehmen’, dann nur ‘töten’; ebenso in 485 (LfgrE); hier am VE, in Antithese zum emphatisch an den VA gestellten ζωούς: Die unmittelbare Tötung aller Troer wird zugunsten einer späteren aufgeschoben, einige müssen vorerst noch geschont werden. — κούρους: Das jugendliche Alter der Troer geht auch aus Achilleus’ Versprechen in 18.337 (s.d.) Τρώων ἀγλαὰ τέκνα und dem Ritual hervor (23.175/181 Τρώων … υἱέας ἐσθλούς). Sie sind zwar militärisch noch nicht die Tüchtigsten, aber der wichtige Nachwuchs, was das Opfer erhöht (zu κοῦροι allg. ULF 1990, 62–67). Zu ihrer hohen Abkunft 18.336–337n.

28 ≈ Od. 24.77; 2. VH = Il. 17.538, 24.16; ≈ 8.476, 17.120, 17.182, 18.195. — Die Rächung gefallener Kameraden auf dem Schlachtfeld, eine für einen heroischen Kämpfer selbstverständliche Pflicht (14.459–464n.), ist ein geläufiges Motiv in den Kampfszenen der Ilias und beherrscht das letzte Drittel des Epos als Motiv der Vergeltung für Patroklos’ Tod (16.398n.; HELLMANN 2000, 83): Rache an Hektor (18.91b–93, 22.271b f.) und an den übrigen Troern seit Achilleus’ Wiedereintritt in den Kampf (20.41ff.); im 21. Gesang vorher mit den Massentötungen im Fluß allgemein entfaltet (17–26a), anschließend exemplarisch durch die Tötung des Lykaon (explizit 133–135), Asteropaios (136–204) und von dessen Leuten (205ff.). Die ausdrückliche Hervorhebung einer weiteren, diesmal rituellen Rache (poinēn, betont am VA), signalisiert zusammen mit der Nennung des Verstorbenen fast in einem ganzen Vers einen weiteren Höhepunkt in Achilleus’ Reaktion auf den Tod seines Freundes (vgl. 23.22ff./181ff.: Erwähnung der Tötung unmittelbar nach/vor der Ankündigung, Hektor den Hunden vorzuwerfen). — Menoitios-Sohn: Menoitios wird in der Ilias einzig in seiner Rolle als Vater des Patroklos genannt: 16.14n., mit Lit. Der Gebrauch von Patronymika zur näheren Bestimmung einer Person ist ererbt (1.1n.). Emphatischer Vier-Wort-Vers mit vielen Spondeen in der 1. VH (RICHARDSON; zu VierWort-Versen allg. 1.75n.), der die Bedeutung des Aktes unterstreicht (s.o.). — ποινήν: zur Wurzel von τίνω, bed. ‘Preis, Kompensation’, oft ‘Rache’ (sc. für Gefallene durch Tötung eines Angehörigen der Gegenseite auf dem Schlachtfeld; 3.290n.); hier ist damit die rituelle Rache, das Sühnopfer, bei der Bestattung angedeutet (26b–33n.): HUGHES 1991, 53; KITTS 2008, 234. — Πατρόκλοιο Μενοιτιάδαο: gen. obi., der mit dem in der Rechtssphäre verwendeten gen. respectus vergleichbar ist (SCHW. 2.130).

28 ποινήν: prädikativ zu κούρους. — Μενοιτιάδαο: zur Flexion R 11.1.

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29 1. VH ≈ 237; 2. VH ≈ 4.243. — Hirschkälber: Symbol für Ängstlichkeit und Hilflosigkeit, wobei in diesem Vergleich wie in 22.1 nicht gesagt wird, vor wem sie in Furcht erstarrt sind (einem Raubtier oder Jägern mit Hunden): 4.243–246n.; STOEVESANDT 2004, 420 Anm. 1069. Nach den GleichnissenP mit Heuschrecken (die in der Luft flattern, 12–14) und Fischen im Wasser (die sich vor dem gefräßigen Delphin retten, 22–24) folgt nun passend zum Übergang aufs Land ein VergleichP mit Tieren auf dem Land: RICHARDSON. Die Jungtiere entsprechen den jugendlichen Opfern (27); der Vergleich mit Tieren evoziert wohl auch das Bild von Opfertieren (26b–33n.; zum unterschiedlichen Alter von Opfertieren STENGEL [1890] 1920, 153–155; HERMARY/LEGUILLOUX 2004, 99f., vgl. auch die Lämmer für das Eidopfer in 3.103; Hirschkälber als Opfer scheinen allerdings nicht belegt [HERMARY/LEGUILLOUX a.O. 75. 79. 81. 95 erwähnen nur allg. geopferte Hirsche]; die myth. Substitution von Iphigenies Opferung durch eine Hirschkuh hat nichts mit ritueller Rache, sondern mit dem Artemis-Kult zu tun: HUGHES 1991, 83f.). θύραζε: ‘zur Türe’, d.h. ‘aus der Türe’, im übertragenen Sinn ‘aus dem Wasser heraus’ auch in 237, ferner 16.408, Od. 5.410, 12.254. Damit wird nun der Übergang zum Kampf auf dem Land signalisiert, nachdem Achilleus ins Wasser gesprungen war (Il. 21.18). — τεθηπότας: Ptz. zum Perf. τέθηπα, bed. ‘starr, wie gelähmt’, hier, wie oft, vor Schreck; zur Wurzel 4.243n. Die wilde Flucht der Troer (8ff.) ist nun einer Lähmung angesichts einer aussichtslosen Lage gewichen. — ἠΰτε: archaische Vergleichspartikel (SCHW. 2.671; LfgrE).

30–31 Achilleus’ eigenhändige, recht ausführlich erzählte Fesselung der Gefangenen unterstreicht seine Mitwirkung an der rituellen Rächung und ihrer Vorbereitung (26b–33n.).

30 2. VH = 10.567. — ὀπίσσω: ‘nach hinten’ i.S.v. ‘auf den Rücken’ (ähnl. Od. 22.173; AH). — ἐϋτµήτοισιν ἱµᾶσιν: ἐΰτµητος zu τέµνω, ‘gut-geschnitten’, d.h. gut geformt beim Schneiden, nur noch ebenso zu ἱµάς 10.567 und 23.684 sowie zu τελαµών 7.304 und 23.825; vielleicht bezog es sich ursprünglich auf diesen Schulterriemen, der dem Körper anliegen und deshalb sorgfältig geschnitten werden mußte (vgl. die Hervorhebung eines guten Lederschneiders in 7.221): LfgrE. Hier ist mit dem ‘Riemen’ (ἱµάς) vermutlich der Gürtel gemeint (LfgrE s.v. ἱµάς), und das Epitheton könnte die Solidität der als Fesseln verwendeten Gürtel signalisieren.

31 1. VH ≈ 15.646; 2. VH ≈ 5.113. — Daß die Gefangenen mit ihren eigenen Kleidungsstücken und nicht etwa mit Weidenruten oder ähnlichem gefesselt werden (wie in 11.105; Belege für Fesselung von Gefangenen bei WICKERT-MICKNAT 1983, 33 Anm. 3), hebt wohl ihre Demütigung hervor (vgl. schol. bT: pathetisch), möglicherweise allgemeiner die Gefangennahme für den speziellen Zweck, die 29 θύραζε: zur Form R 15.3 (-ζε < *-σδε). — ἠΰτε: ‘wie’ (R 22.4). 30 ὀπίσσω: zum -σσ- R 9.1. — ἐϋτµήτοισιν: zur Flexion R 11.2. 31 τούς: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). — φορέεσκον: zum frequentativen -σκR 16.5.

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später erfolgende Tötung als Teil des Bestattungsrituals; vielleicht soll es aber auch nur erklären, weshalb Achilleus über genug Riemen verfügt (WEST 2011, 375). ἐπὶ στρεπτοῖσι χιτῶσιν: Es ist umstritten, was genau hier und in 5.113 gemeint ist, weil χιτών nicht einheitlich verwendet wird: Es bez. manchmal ein Kleidungsstück unter dem Panzer aus feinem Stoff, manchmal den Panzer selbst (1.371n.). Entsprechend wird στρεπτός, ein Verbaladj. zu στρέφω, entweder verstanden als ‘stark-gezwirnt, starkgewoben’ (vom Stoff eines Untergewands; AH; RICHARDSON) oder aber ‘geflochten’ (von einem mit geflochtenen Lederriemen und evtl. Metallplatten verstärkten Leinen-Panzer: STUBBINGS 1962, 508; FRANZ 2002, 61; zu später belegten Leinenpanzern ähnl. Art ALDRETE u.a. 2013, 39–41. 70); unwahrscheinlich ist ‘umkehrbar, wendbar, drehbar’ (von einem Untergewand; MARINATOS 1967, 7; KIRK zu 5.112–13). Zur Diskussion LfgrE s.v. στρεπτός; KIRK a.O.

32 ≈ 5.26; 1. VH ≈ 16.665. — Ein kleiner Hinweis, daß Achilleus eigentlich nicht ganz allein ist (zur Konzentration auf Achilleus s.o. die Einleitung zum 21. Gesang). Anführer verfügen über Leute, die ihnen Erbeutetes (wie hier Gefangene) abnehmen können (5.25f., 6.52f., 13.640f. u.ö.; HELLMANN 2000, 118). Mit dem Abführen der Gefangenen zum Lager der Achaier ist die wichtige Vorbereitung der rituellen Rächung abgeschlossen, Achilleus kann sich damit wieder den unmittelbaren Tötungen widmen (33). κοίλας ἐπὶ νῆας: flektierbare VE-Formel im Versinnern und nach der Zäsur B 1 (16.664n.). Das Schiffs-EpithetonP κοῖλος bezieht sich eigtl. auf den ‘Hohlraum’ des Schiffsrumpfes (24.336n.). 33 ≈ 3.379, 5.436, 20.442; 2. VH ≈ 20.346, 21.140, 21.170, Od. 10.295, 10.322. — ἐπόρουσε: (augmentloser) Aor. zu ὄρνυµαι, ‘er stürmte an’ (sc. gegen die fliehenden Troer), auch in 144, 251, 392, 593, im Ptz. 182 und 246; zur Bildung des mit lat. ruo vergleichbaren Aor.Stammes mit o-Ablaut DELG u. Beekes s.v. ὄρνυµαι. — δαϊζέµεναι: stark emotional gefärbtes Verb mit der Bed. ‘gewaltsam zerteilen, niedermetzeln’ (24.393n.). Das Präsens weist darauf hin, daß das Morden (wie vor der Szene der Gefangennahme erzählt) weiter geht (AH). — µενεαίνων: als Ptz. immer am VE, Denominativum zu µένος (spez. aggressive Energie), bez. ein heftiges Streben und Wüten (19.58n.), das Achilleus’ Verhalten in den folgenden Szenen vorwegnimmt (der Pelide als Subjekt dieses Verbums auch in 140, 170, 543).

34–135 Achilleus trifft unter den Flüchtenden auf einen Sohn des Priamos, Lykaon, den er schon früher einmal in seine Gewalt bekommen und verkauft hat und dem es gelungen ist, nach Troia zurückzukommen. Lykaon fleht Achilleus um sein Leben an, Achilleus erklärt ihm aber, er müsse wie er selbst früh sterben, tötet ihn und stößt ihn

32 νῆας: zur Flexion R 12.1. 33 ὅ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); gemeint ist Achilleus. — δαϊζέµεναι: zur Form R 16.4.

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ins Wasser des Skamandros, wobei er ihn, die Troer und indirekt die Flußgottheit verhöhnt. Die ungewöhnlich lange Lykaon-Szene ist im großen und ganzen ähnlich aufgebaut wie die Typisierte EreignissequenzP ‘Zweikampf’ (3.340–382n.: Entgegengehen, Herausforderungsreden, Tötung, Triumphrede; SCHEIBNER 1939, 92), ist aber dem Schema einer Bittflehens-Szene (‘Hikesie’, 64–73n.) angepaßt: Auf den ersten einleitenden Teil (34–63: Vorgeschichte 34–52, Achilleus’ Monolog 53–63, verhinderter Versuch einer Tötung und Bittgeste in 64–72) folgt als Höhepunkt der 2. Teil mit den Reden (Lykaons Bitte 73–96, Achilleus’ Absage 97–113), dem sich im 3. Teil (114– 135) die Tötung (114–120) und Achilleus’ Triumphrede anschließen (121–135). Durch diese Struktur, vor allem durch das Dominieren der direkten Reden, erhält diese weitaus längste und eindrucksvollste aller ‘Hikesie’-Szenen im Epos eine große Dramatik, Tiefe und durch die Kombination vieler sonst vereinzelt vorkommender Motive – vor allem in der Vorgeschichte – Anschaulichkeit (schol. bT zu 34; zu dieser Szene als Höhepunkt GRIFFIN 1980, 56 Anm. 12; zur Kombination von Motiven HAINSWORTH 1992, 73; zur Ausarbeitung der ‘Hikesie’-Szene im einzelnen PEDRICK 1975, passim). – Die Szene ist wichtig für die Handlungsentwicklung, denn sie stellt nach den Tötungen im Fluß eine weitere, noch größere Provokation des Flußgottes dar, die schließlich zur Konfrontation führt (1–327n.; 130–132n.). Entsprechend der Funktion von ‘Hikesie’-Szenen, Charakter und Befindlichkeit des jeweils angeflehten Achaiers zu beleuchten (STRASBURGER 1954, 85f.; KELLY 2014, 148), der zur Milde nicht verpflichtet ist (75n.; KELLY a.O. 147f.), dienen vor allem die drei Reden des Achilleus dazu, nach der Schilderung von dessen Rachefeldzug (28n.) einen tieferen Einblick in sein Innenleben zu bieten (SCHADEWALDT [1944] 1965, 289): Zum einen zeigt sie seinen Schmerz über Patroklos’ Tod, seine Fixierung auf den Tod, auch den eigenen, und ganz besonders seinen Rachedurst, der sich schon kurz bei der Tötung des Tros offenbart hat, als dieser ihn anflehen wollte (20.463–472a; die Tros-Szene antizipiert die Lykaon-Szene; FigurendoppelungP, eine spezielle Form der AntizipationP: EDWARDS z.St.; Vergleich der beiden Szenen bei STRASBURGER a.O. 84); diese Gefühle steigern sich nun und eskalieren schließlich in der Ablehnung von Hektors Bitte (22.337–354; Lykaon als FigurendoppelungP von Hektor, erst recht als Priamos-Sohn; zur dreifachen Sequenz Tros–Lykaon–Hektor THORNTON 1984, 138; zur Tötung von Söhnen des Priamos 24.167–168n.; zu Achilleus’ Gefühlen SCHMITT 2013, 466: die Szene werfe ein “grelles Licht auf Achilleus’ veränderte Motivationslage” (d.h. seit Patroklos’ Tod); ZANKER 1994, 106; KIM 2000, 10f.; zur steigernden Funktion KULLMANN [2001] 2002, 85; wegen dieser Steigerung zur Konfrontation mit Hektor und auch zum Flußkampf hin ist ein Anklang spez. an die schon sehr früh belegte und in der Ilias wohl als bekannt vorausgesetzte Erzählung von Troïlos’ Tötung durch Achilleus [so DANEK 2016, bes. 38–40] nicht wahrscheinlich; ein Vergleich bei SCODEL 2002, 14; zum Mythos 24.257n.). Andererseits wird aber vor allem

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durch die wiederholt evozierte Vorgeschichte (35b–48, 57–59, 76–82a), aber auch durch die Nachdenklichkeit in Achilleus’ Absage an Lykaon an sein früheres, humaneres Verhalten erinnert, das schließlich zur Herausgabe von Hektors Leichnam im 24. Gesang führt (DI BENEDETTO [1994] 1998, 68f.; STOEVESANDT 2004, 155f.; differenziert aber gegenüber einer zu einseitigen Sicht auf Achilleus’ Verhalten BIERL 2019a, bes. 59–64. 73; zur Rolle der Lösung und Vergeltung in dieser Szene im Verhältnis zu ihrer Rolle im ganzen Epos WILSON 2002, 14. 32). Dieser zentralen Funktion der Szene in der Darstellung des achaiischen Helden ist zwar die Zeichnung des troischen Opfers als eines ‘Kleinen Kämpfers’ angepaßt (seine Rede scheint im Hinblick auf Achilleus’ Absage verfaßt zu sein: MPEZANTAKOS 1996, 168), aber die ausführliche Vorgeschichte und vor allem die einzig dastehende Bittrede (in sonstigen ‘Hikesie’-Szenen nur erwähnt: EDWARDS 2002, 25) heben auch Lykaons Überlebenswillen und sein umso tragischeres individuelles “Verfallensein an den Tod” hervor (MARG 1976, 15; die Vorgeschichte verleiht Tiefe und Individualität: TSAGARAKIS 1982, 132; ZANKER a.O. 106; Lykaon als besonderer ‘Kleiner Kämpfer’: STRASBURGER a.O. 85). Sein Erscheinen wird denn auch sorgfältig vorbereitet (Tötung des Bruders Polydoros 20.407–418, Paränese Apollons in Gestalt des Lykaon 20.79ff.; PETERS 1922, 54). – Die Szene ist von der Antike an besonders geschätzt worden (s.o. zu den Scholien; VON DER MÜHLL 1952, 312: “vom Ergreifendsten in der ganzen Ilias”); Anklänge an sie finden sich wohl in Od. 22.310ff. (USENER 1990, 131ff.; anders DANEK 1998, 436), vielleicht wurde sie auch in der Ilias Mikra nachgeahmt (Il. parv. fr. 21 West: Tötung des bittflehenden Astynoos durch Neoptolemos; ANDERSON 1997, 44), sicher in Schillers Jungfrau von Orléans (2. Aufzug, 6.–8. Auftritt; RE s.v. Lykaon 2247). 34 ≈ 5.159. — Dardaniden: Priamos ist Urururenkel des Dardanos (FM 8; zur Genealogie vgl. 24.349n., mit Lit.); der Geltungsbereich eines Patronymikons kann auch über den Sohn hinausgehen. υἷι Πριάµοιο: flektierbare Junktur, fast immer in der 1. VH (insges. 17× Il.), außerdem im Versinnern in 2.791 bzw. gesperrt in der 2. VH in 16.738, 21.97; in der 2. VH steht stattdessen öfter die Verbindung von Πριάµοιο mit παῖς (97n.). — Πριάµοιο … Δαρδανίδαο: an derselben Versstelle in 5.159, in der umgekehrten Reihenfolge flektierbare Junktur am VA und im Vers-Inneren (7× Il.). — συνήντετο: Kompositum zu ἄντοµαι ‘auf jn. zugehen, jn. aufsuchen’ mit der Bed. ‘mit jm. zusammentreffen’ (hier unabsichtlich), noch Od. 4.367, 21.31 ebenfalls nach der Zäsur B 2 (LfgrE s.v. ἀντέσθαι). Die Form ἤντετο wird meist als Aor. aufgefaßt, was hier nach ἐπόρουσε (Il. 21.33) auch paßt; zur Verwendung der Form und zur Wortbildung von ἄντοµαι s. 16.788n.

35a 1. VH ≈ 52. — aus dem Fluß: Das Detail knüpft an die vorhergehende Erzählung an (17–33n., 26b–27n.): Vermutlich ist gemeint, daß Lykaon das Ufer jenseits des Schlachtfelds erreichte, auf dem Achilleus die Gefangenen für den Ab34 υἷι: zur Flexion R 12.3.

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transport ins Schiffslager bereitmachte (29–32; AH; WEST 2011, 375; nicht ganz auszuschließen ist, daß er – jung, hoher Abkunft – als ein von Achilleus vorgesehenes Opfer für Patroklos’ Bestattung zu betrachten ist, das sich retten konnte). Gleichzeitig erklärt der in 52 wiederholte Hinweis auf die Überquerung des Flusses die völlige Wehrlosigkeit und damit ein Stückweit Lykaons Verzicht auf Gegenwehr (50n., 51–52n.) und erhöht die Dramatik der beinahe geglückten Flucht (Konzeption des ‘Beinahe/Fast’, s. ‘Wenn nicht’-SituationP Anm. 64). — Lykaon: Sohn des Priamos (34, 20.81, 20.87, 22.46) und der Laothoë (84f.), Bruder des von Achilleus getöteten Polydoros (89ff., 20.407–418), Stiefbruder von Hektor und Paris, dem er seinen Panzer ausleiht (3.333n.): FM 12. Der Name wird auffällig spät und erst nach der Herkunftsbezeichnung im vorausgehenden Vers genannt, was singulär bei den Söhnen des Priamos ist, auch bei Hektor (vgl. 105). Möglicherweise soll mit der Herkunftsangabe in 34 zuerst signalisiert werden, daß der Angetroffene als Angehöriger des Königshauses besonders gefährdet war, bei der gerade geschilderten Gefangennahme unter die zwölf Ausgelesenen zu geraten (vgl. 26b– 27n.). Da kurz vorher Achilleus nach einem Zusammenstoß mit Hektor und dessen unverhoffter Rettung durch Apollon Hektors baldigen Tod angekündigt hatte (20.452f.) und der troische Anführer soeben wieder erwähnt worden war (5), kann allenfalls die verzögerte Nennung des Namens auch zur Spannung bei den Hörern beitragen, die annehmen, der Sohn des Priamos sei Hektor (MORRISON 1992, 46f.; vgl. Falsche ProlepseP); allerdings scheint eine bloße Flucht ohne Gegenwehr durch den Fluß zu dem troischen Protagonisten der Erzählung schlecht zu passen (vgl. die Handlung im 22. Gesang: Hektor flieht nicht in die Stadt). Λυκάονι: Der Name Λυκάων muß eigtl. ein Ethnikon kleinasiatischer Herkunft sein und bezeichnet vermutl. den Bewohner der südöstl. von Troia gelegenen Region, aus der auch Pandaros und dessen Vater Λυκάων stammen (zu dieser Gegend, die nicht mit dem südwestl. von Karien liegenden Lykien gleichzusetzen ist, dessen Bewohner erst bei Xen. Anab. 3.2.23 als Λυκάονες bezeichnet werden, 4.88–89n.): 2.826n.; v. KAMPTZ 162. 327; HEUBECK 1961, 53–55. Eine Beziehung des Namens zu λύκος ‘Wolf’ ist ganz unwahrscheinlich (RUIJGH [1968] 1991, 244. 252; vgl. auch 4.101–102n. zu Λυκηγενής).

35b–48 Der Exkurs zu Lykaon ist wie ein spezieller, besonders langer ‘Nachruf’ auf einen kleineren Kämpfer gestaltet, auch wenn Lykaon natürlich noch lebt (SCHWINGE 1991, 487; zu solchen kurzen Rückblicken allg. 6.12–19n.): In einer externen AnalepseP wird nicht seine Herkunft, sondern das Besondere an seiner Vorgeschichte (TSAGARAKIS 1982, 132), sein erstmaliges Zusammentreffen mit Achilleus, seine Gefangennahme, seine Versklavung, der Loskauf und seine Flucht zurück nach Troia erzählt. Dadurch sind die Hörer auf die ganze folgende Bittflehens-Szene vorbereitet, besitzen alle notwendigen Informationen, um zu verstehen, worauf sich die Figuren in ihren Reden beziehen (54–59, 74–96; ähnl. VorInformationen des Erzählers über eine Figur in 6. 394ff./413ff., 11.122ff./138ff.), und verfügen somit auch über das Hintergrundwissen, das den Figuren fehlt (HEBEL

Kommentar

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1970, 63; DE JONG [1987] 2004, 90): Achilleus’ Überraschung über Lykaon, der in Lemnos verkauft wurde, wird so verständlich (54ff.), ebenso Lykaons Annahme, erneut mit dem Leben davonzukommen, weil er die Wirkung von Patroklos’ Tod auf Achilleus nicht vollständig erfassen konnte (74ff.). Dieses Hintergrundwissen erweitert der Erzähler noch mithilfe von internen ProlepsenP auf Lykaons Tod (46b–48, viell. auch 39), die dadurch das Pathos erhöhen: Lykaon ist sozusagen wieder an den Ausgangspunkt, das Zusammentreffen mit Achilleus zurückgekehrt, diesmal aber mit tödlichen Folgen (DI BENEDETTO [1994] 1998, 66 Anm. 22; PUCCI 1987, 140). τόν ῥά ποτ(ε): Rel.-Pron., gefolgt von ποτε, leiten öfter AnalepsenP ein, wie hier in ‘Nachrufen’ z.B. auch in 4.474, 6.21, 11.104.

35b–38 2.VH v. 35 ≈ ‘Hes.’ fr. 171.7 M.-W. — Von Achills Eroberungszügen ins Umland von Troia ist immer wieder die Rede; sie dienen vor allem dem Erwerb von Beute (Vieh; Frauen): 6.424n.; Liste von Stellen bei JONES 1995, 110 Anm. 8. Achilleus selbst klagt auch speziell über schlaflose Nächte, die mit Kämpfen verbracht wurden (9.325; schol. T zu 37), womit wohl vor allem Überraschungsangriffe aus einem Hinterhalt wie vermutlich hier (37) zu verstehen sind (ähnlich wie in der Dolonie, 10.349ff.; zur vorl. Stelle DUÉ 2012, 176; zum Hinterhalt als Kriegstaktik 18.513n., mit Lit.). Überfälle auf einzelne Troer werden auch in 11.104–106 und 20.90f. erwähnt (die Priamos-Söhne Isos und Antiphos bzw. Aineias werden bei ihren Herden überrascht): FENIK 1968, 82. Daß es sich um einen geplanten Hinterhalt und Überfall bloß auf Lykaon als Alleinunternehmen von Achilleus handelt (DANEK 2016, 18), ist dem Text aber nicht zu entnehmen; es ist normal, daß Begleiter eines Helden nicht aufgeführt sind und daß man erbeutet, was sich gerade anbietet (s.o.). – Daß Königssöhne sich an der Alltagsarbeit, hier am Wagenbau, beteiligen (38), ist die Regel (6.424n.). Die Arbeit ist wohl auch ein Hinweis auf Lykaons fehlende Bewaffnung; er konnte also fast wie eine Frau auf einem Beutezug gefangengenommen werden (KELLY 2014, 457). Die Details zum geplanten Wagenbau erhöhen das Pathos, denn sie geben eine Ahnung von Lykaons Plänen (zu kämpfen), die jäh zunichte gemacht wurden (DI BENEDETTO [1994] 1998, 65; seltene Sekundäre FokalisationP in einer Einführung zu einer Figur: Hinweis DE JONG). 36 λαβών: hier wie öfter mit der Bed. ‘in die Hände bekommen, zu fassen kriegen, gefangennehmen’, speziell im Krieg wie in 20.464 und 11.106 (in dessen Umgebung, in 11.112, wie hier eine Form von ἄγω i.S.v. ‘gefangen fortführen’ steht): LfgrE s.v. λάζο/υµαι, λαβεῖν 1616.29ff. — ἀλωῆς: bez. bepflanztes Land wie einen Obstgarten oder einen Weinberg (18.57n.). — οὐκ ἐθέλοντα: formelhaft am VA, im Versinnern und am VE, sehr häufig mit µάχεσθαι i.S. eines mangelnden Kampfeinsatzes verbunden (14.51n.), hier wie im Gleichnis in 13.572 mit der Implikation eines Widerstands (begründete Notwehr), der Gewalt nach sich 35 τόν: 31n. — ῥα: = ἄρα (R 24.1).

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zieht (ἦγε): schol. bT. Die Wiederaufnahme in der Prolepse in 48 markiert das Ende der Analepse (STANLEY 1993, 205).

37–38 2. VH v. 38 ≈ 5.728. — Feigenbaum: Es gibt zwei Bezeichnungen für den Feigenbaum: einerseits erineós, wie hier und 6.433, 11.167, 22.145 (topographischer Fixpunkt in der Ebene bei der Stadtmauer), Od. 12.103, 12.432 (der F. auf einem Felsen oberhalb der Charybdis), andererseits sykéē (Od. 7.116, 24.341 in Alkinoos’ bzw. Laertes’ Pflanzungen, 11.590 im Mythos von Tantalos, zusammen mit anderen Obstbäumen genannt). Der unterschiedliche Standort der Bäume an den Belegstellen sowie auch spätere Verwendungen beider Bezeichnungen (s. LSJ s.vv. ἐρινεός, ἐρινεόν: Aristot. HA 557b25ff.; Alexis fr. 133.8 K-A) legen nahe, daß erineós den wilden Feigenbaum im Gegensatz zum sykéē genannten gezüchteten Baum bezeichnet, was hier allerdings zu dem Baum in einem Obstgarten (Il. 21.36) schlecht paßt. Viell. ist hier damit nur eine (evtl. verwilderte) Sorte gemeint, die durch besondere Pflege und allenfalls durch eine spezielle Veredelung der sykéē angepaßt werden sollte (FELLNER 1897, 76f.); die Veredelung der im Neolithikum eingeführten Feigenbäume ist jedenfalls schon für das 2. Jtsd. belegt (RICHTER 1968, 141f.; kurz und allg. zu Feigenbäumen in der Antike auch BAUMANN [2007] 2011, 106). Nicht ganz auszuschließen ist auch, daß das Wort erineós auch wegen seines Anklangs an die Garanten der göttlichen Ordnung, oft göttliche Rächerinnen (erinúes, Erinyen, 19.87n.), und die damit verbundenen Assoziationen an Tod und Verderben (39) gewählt wurde, gleich wie in Od. 12.103, 12.432 (zu den Odyssee-Stellen und zu einem solchen mögl. Anklang in einem Mythos mit einer Verbindung zu Persephone MURR 1890, 34f.). Das Holz der Feigenbäume ist besonders zäh und biegsam (wie Pappelholz: 4.486n.), erst recht die jungen Schößlinge (Il. 21.38), und ist daher für Bestandteile von Wagen brauchbar (BUCHHOLZ 1881, 227f.; GOW 1950, zu Theokrit 25.247), hier für den abschwingenden Rand der Brüstung (s.u.), in Theokrit 25.247 für die Felgen von Rädern (LEAF); vgl. auch die myk. Lieferung von Schößlingen für Wagen (VENTRIS/CHADWICK [1956] 1973, 350). Zum Wagenbau MÜLLER 1974, 57–62. — Einfassung: Gr. ántux bez. den ‘Wagenrand’, d.h. den “den oberen geschwungenen Rand der Brüstung […] bildenden Holm des Wagenstuhls” (LfgrE s.v. ἄντυξ 955.67f.). Die Brüstung ist vorne angebracht und verläuft in einer Kurve von vorne nach hinten auf beiden Seiten des Stuhles (deshalb hier, 5.728, 11.535, 20.500, ‘Hes.’ Sc. 64 im Plural genannt), um sich hinten zum Trittbrett abzusenken (LfgrE a.O. 955.72ff.; HELBIG [1884] 1887, 139–144, mit Abb.; WIESNER 1968, 15f. 46 mit Abb. 104; CROUWEL 1981, 59ff.). Zu ántux als Bez. für den äußersten Rand eines Schildes 6.117–118n. προµολών: wohl metr. bequemer Ersatz für das gleichbedeutende, metrisch unbrauchbare προελθών (LfgrE s.v. βλώσκω). Das Präverb προ- kann ‘vorwärts-, hervor-’ od. ‘heran-’

37 προµολών: Ptz. Aor. zu προβλώσκω ‘hervorkommen’. 38 τάµνε: = ἔτεµνε (Impf.: ‘er war dabei, abzuhauen’); zur augmentlosen Form R 16.1.

Kommentar

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bedeuten (SCHW. 2.505), und entsprechend kann sich προµολών hier auf Achills Herkunft aus dem Achaier-Lager (‘ausgerückt, aufgebrochen’) oder nur auf ein paar Schritte innerhalb der Szene beziehen (‘aufgetaucht’): LfgrE a.O. Im ersten Fall könnte man ἐννύχιος nur darauf beziehen (SCHADEWALDT: “nächtlich aufgebrochen”) und Lykaons Tätigkeit und den Überfall selbst als Geschehen bei Tage verstehen (so DANEK 2016, 17f. Anm. 39). Es ist aber nicht einzusehen, warum nur der Aufbruch in der Nacht so wie sonst nie hervorgehoben werden und Lykaon nicht aus Vorsicht in der Nacht arbeiten soll. Ein plötzliches Auftauchen in der Nacht, verbunden mit Sekundärer FokalisationP, wäre dagegen anschaulicher. — ἐρινεὸν … | τάµνε νέους ὅρπηκας: Die zwei Akk. sind ungewöhnlich, da beide sich auf eine Sache beziehen; sie sind wegen der Parallele 1.236f. περὶ … ἑ (Stab) χαλκὸς ἔλεψεν | φύλλα wohl eher als doppelter Akk. bei einem Verbum des Wegnehmens zu betrachten (LA ROCHE 1861, 237; AH) denn als σχῆµα καθ᾿ ὅλον (ἐρινεόν) καὶ κατὰ µέρος (νέους ὅρπηκας) aufzufassen (FAESI; LEAF; allg. zu dieser Verbindung G 97). — ὀξέϊ χαλκῷ: VE-Formel (insges. 25× Il., 11× Od., 1× ‘Hes.’). χαλκός ‘Kupfer, Bronze’ (FORBES 1967, 21f.) steht metonymisch für ein Werkzeug, hier eine ‘Axt’, oder eine ‘Waffe’ (LfgrE s.v. χαλκός 1129.17ff.). — ὅρπηκας: ὅρπηξ ‘Zweig, junger, biegsamer Ast’ ist ein hom. hapaxP, sonst noch Hes. Op. 468 (für eine Gerte) u. später belegt (LSJ s.v. ὄρπηξ); es ist mit dem Suffix -(α)κgebildet, das auch sonst für Pflanzen verwendet wird (z.B. ὄµφακες ‘unreife Trauben’ Od. 7.125, κάλυξ wohl ‘Knospe, Blüte’ Il. 18.401): RISCH 161f.

39 ≈ Od. 3.306; 2. VH ≈ Il. 3.205. — Der kurze Satz in einem Vers schließt wirkungsvoll an die lange einleitende Periode an (34–38; RICHARDSON), und obwohl er unmittelbar auf die Folgen des Überfalls im Obstgarten zu beziehen ist (innerhalb der externen Analepse), nimmt er vielleicht auch die Konsequenzen der zweiten Begegnung vorweg (interne ProlepseP): Jedes Zusammentreffen endet mit Schlechtem (kakón) für Lykaon, d.h. Achilleus nimmt ihm zuerst die Freiheit (40ff.), dann bringt er ihm – besonders erbittert über Lykaons Wiederauftauchen (53ff.) – den Tod (116ff.). Mit der Bemerkung ist keine moralische Wertung von Achilleus’ Verhalten impliziert, sondern das Geschehen aus der Sicht des Opfers festgehalten (Sekundäre FokalisationP; YAMAGATA 1994, 213), was emphatisch wirkt und damit die Anteilnahme der Hörer an der anschließenden Erzählung weckt (schol. bT zu 39–48; SCHEIBNER 1939, 92; RICHARDSON). Der Hinweis auf die überraschende Wirkung auf das Opfer dürfte diese Emphase im Kontext einer Szene des nächtlichen Überfalls oder gar Hinterhalts (35b–38n.) noch verstärken (daß damit Lykaon als naiv und unvorsichtig charakterisiert werden soll [so STOEVESANDT 2004, 150], würde dazu schlecht passen); das Überraschungsmoment verbindet auch die beiden Begegnungen und knüpft an den Beginn der Erzählung an (unvermutetes Zusammentreffen am Fluß, 34, entsprechende Überraschung des Achilleus, 54). ἀνώϊστον: negiertes Verbaladj. zu ὀΐω/ὀΐοµαι mit Dehnung in der Kompositionsfuge, ‘unvermutet, unvorhergesehen’ (LfgrE; zur Dehnung allg. RISCH 225f.); hom. hapaxP neben dem Adv. ἀνωϊστί ‘überraschend’ (nur Od. 4.92). — δῖος Ἀχιλλεύς: VE-Formel (55× Il.,

39 κακόν: prädikativ. — ἤλυθε: = ἦλθε.

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darunter auch 67, 161, 359; am VA im Akk. nur 138, 250; in Verbindung mit ποδάρκης außerdem 49, 149, 265); das generische EpithetonP δῖος drückt höchste Vortrefflichkeit aus (1.7n.; zu δῖος bei geogr. Namen wie in 43 s. 1.141n.).

40–41 Kriegsgefangene und Gefangene aufgrund einer Entführung oder eines Piratenüberfalls wurden oft als Sklaven weiterverkauft (GARLAN 1982, 45; DNP s.v. Sklaverei III). Der käufliche Erwerb von Personen ist bereits für die späte Bronzezeit durch zwei Linear-B-Täfelchen aus Knossos bezeugt (KN B 822 und B 988): OLIVIER 1987. In den hom. Epen ist der Verkauf von Personen faßbar in 7.475 (allg. Sklavenhandel im Rahmen eines großen Handels), wie hier von Lykaon noch 58, 78f., allg. von Söhnen des Priamos 22.44f./24.751–753, von Eumaios (Od. 14.115, 15.387f./483), von Eurykleia (Od. 1.430f.), von Mesaulios (Od. 14.452), von ungenannten Frauen (Od. 14.202, 15.427–429), allg. von Gefangenen (Il. 21.102), als Drohung (Il. 21.454, s.d., Od. 17.250, 20.382f.), als Plan (Od. 14.297): SEAFORD 2004, 25 mit Anm. 19. Der Verkauf auf die näheren Inseln, wie hier (Il. 21.40) und 7.475 und 24.753 nach Lemnos, Samos oder Imbros, aber auch auf die ferner gelegenen (21.454, 22.45), in der Odyssee auch nach Libyen, Phönizien (Od. 14.295ff., 15.431ff.), Sizilien (Od. 20.382f.), war offensichtlich weit verbreitet (WICKERTMICKNAT 1983, 37 Anm. 5); das erschwerte die Rückkehr und verhinderte bei Kriegsgefangenen die Flucht und Rache (vgl. Odysseus’ Begründung für die Tötung des gefangenen Dolon Il. 10.447ff.; KELLY 2014, 157). Daß die meisten versklavten Figuren in der Ilias wie Lykaon als Beute gerade des Achilleus erwähnt werden, ist bezeichnend für dessen überragende Kampftüchtigkeit (SCHEIDTISSINIER 1994, 75). – Lykaons Gefangennahme und Versklavung werden auch in den ‘Kyprien’ erwähnt (Prokl. Chrest. § 11 West); es ist wahrscheinlicher, daß Lykaons Vorgeschichte vom Iliasdichter speziell für die im folgenden erzählte Begegnung zwischen ihm und Achilleus erfunden wurde (zur Funktion der Vorgeschichte 35b–48n.; TAPLIN 1992, 222 Anm. 30; WEST 2011, 375; 2013, 122), als daß die Kyprien nicht einfach der Ilias folgen, sondern auf eine ältere Erzählung zurückgehen (so KULLMANN 1960, 293f.; erwogen von DANEK 2016, 17). 40 verkaufte: Der Verkäufer ist eigtl. Patroklos in Achilleus’ Auftrag: 78n. — Lemnos: Handel zwischen den Achaiern und den wohl schon im Myk. nachweisbaren, früh hellenisierten Bewohnern der Insel im Nordosten der Ägäis wird auch sonst erwähnt (7.467–475). Weiteres zu Lemnos (Mythos von Philoktet u.a., Rolle der Hafenstadt Poliochni und des Gottes Hephaistos, Sprache der Einwohner) 1.593n., 24.753n., jew. mit Lit.; zur Hellenisierung DICKIE 1995, 45. Λῆµνον: Der seltene, in der hom. Sprache nur mit den Verben ἱκνέοµαι / ἵκω / ἱκάνω verbreitete präpositionslose Akk. des Ziels (ganz kurz G 97; sonst CHANTR. 2.45f.; DE BOEL 1988, 56) erklärt sich aus der Bed. von πέρνηµι ‘in die Fremde verkaufen, exportieren’ (s.u.; JACQUINOD 1989, 68, mit weiteren hom. u. nachhom. Bsp. für andere Verben [Elegie, Trag.]);

40 µιν: = αὐτόν (R 14.1). — ἐπέρασσεν: zum -σσ- R 9.1.

Kommentar

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er dient hier offenbar als metr. Variante zur Wendung mit einer Präp. und einem anderen Epitheton (58 und 79 Λῆµνον ἐς ἠγαθέην) als Ergänzung zu demselben Verbum. — ἐϋκτιµένην: Das Kompositum ἐϋ-κτίµενος ist zu einem Wurzelpräsens κτι- mit der urspr. Bed. ‘wohnen’, dann ‘besiedeln, bepflanzen, bebauen’, gebildet (G 91; HAINSWORTH zu Od. 8.283); es ist ein fast immer nach der Zäsur B 2 gesetztes generisches EpithetonP von Städten (433n.), Obstgärten (77) oder Inseln wie hier u.ö. (LfgrE). — ἐπέρασσεν: zur idg. Wz. *perh2- mit der Bed. ‘verkaufen’ (LIV 474); die Formen des sigmatischen Aor.-Stammes (naturgemäß am häufigsten belegt, noch 78, 102, 4× Od., h.Cer. 132) stehen neben dem Präs.-Stamm mit nasalem Infix, πέρνηµι (Il. 18.292, 22.45, 24.752): RISCH 248. 257. Die Aor.-Formen gleichen denjenigen des Verbums περάω ‘durchqueren’ (283 περῶντα), das zur idg. Wz. *per- und πέρην ‘jenseits’ gebildet ist (594 ἐπέρησε, außerdem 9× Il., 5× Od.; LIV 472; DELG s.v. πέρα). Die Verbalstämme und sonstigen Ableitungen von den beiden ähnlichen Wurzeln haben sich schon im hom. Gr. formal und semantisch gegenseitig mannigfach beeinflußt (vgl. 24.752 πέρνασχ᾿ … πέρην, s.d.). So wird z.B. πέρνηµι/ἐπέρα(σ)σα nur im eingeschränkten Sinn ‘in die Fremde verkaufen, exportieren’ verwendet (fast immer wie hier von Gefangenen, nur 18.292 von Dingen; CHANTRAINE 1940, 11f.). Zu mögl. formalen Analogien und Einflüssen 58n. (zum Perf. πεπερηµένος), und 454n. (zu περάαν).

41 2. VH ≈ 23.746, Od. 15.388, 15.429. — Iasons: Iason ist ein thessalischer Heros, der Anführer der Argonauten und auf einer Station des Argonautenzuges Geliebter der Hypsipyle auf Lemnos, die den dort zurückbleibenden Euneos, wohl den späteren Herrscher auf der Insel, gebar (7.468f. [s.d.], 7.471, 23.747): DNP s.vv. Iason; Euneos. Eine weitere Anspielung auf eine Episode des offenbar als bekannt vorausgesetzten Argonauten-Mythos findet sich sonst nur in der Odyssee (Od. 12.72); zu nachhomerischer Epik LfgrE s.v. Ἰήσων und zu möglichen Spuren älterer mündl. Epik KULLMANN 2012, 20–24. — Kaufpreis: d.h. den Tauschwert (WICKERTMICKNAT 1983, 37 Anm. 5; zum Tauschhandel ohne Geld SEAFORD 2004, 27–30): einen silbernen Mischkrug (23.741–747). Gemäß einer Hs. hatte jemand Zweifel an der Echtheit des Verses (app. crit. von WEST); der Urheber der Kritik und der Grund (die Wiederholung von ἔδωκεν in 42? LEAF) sind nicht klar (ERBSE zu schol. 21.41), und die Wiederaufnahme der Aussage in ähnl. Worten in 23.746 spricht jedenfalls dagegen (app. crit. a.O.). — ὦνον: aus idg. *u̯esno-, mit lat. vēnum in venum dare verwandt (LIV 693; zum langen Vokal ō DELG s.v. ὠνέοµαι; BEEKES s.v. ὦνος); bed. ‘Kaufpreis’, v.a. von versklavten Menschen (LfgrE s.v. ὦνος mit Lit.).

42–43 2. VH v. 42 ≈ 24.685; nach der Zäsur C 2 = 11.243, Od. 7.264; 2. VH v. 43 von der Zäsur C 2 an = Il. 2.836. — Der Freikauf von Troern durch ein Lösegeld ist ein auch sonst verwendetes Motiv, so in 6.45–50 (Adrestos), 10.378–381 (Dolon), 11.130–135 (Peisandros und Hippolochos), 22.49–51 (Lykaon und Polydoros); s. WICKERT-MICKNAT 1983, 33–37; WILSON 2002, 13–39 (bes. 26–28) u. 148; zum Freikauf spez. von Frauen 1.13n.; zur Herausgabe von Hektors Leichnam 41 νηυσίν: zur Flexion R 12.1. — ἀτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). 42 κεῖθεν: = ἐκεῖθεν ‘von dort’, d.h. von Lemnos. — ξεῖνος: = ξένος (< ξένϝος: R 4.2).

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und zu Troias ehemaligem Reichtum 2.229–230n. Allerdings ist der vorl. Freikauf ein spezieller Fall: Der Troer ist nicht mehr in der Gewalt eines Achaiers, der ihn gefangengenommen hat, sondern er ist schon versklavt und an Euneos verkauft, und es ist auch nicht wie sonst der Vater des gefangenen Troers derjenige, der unmittelbar das Lösegeld bezahlt, sondern sein Gastfreund Eëtion aus Imbros (sonst werden Gastfreunde der Troer nur als Mitkämpfer in Troia erwähnt: der Achaier Diomedes in 6.215, der Paphlagone Harpalion in 13.661, Sarpedon aus Lykien in 17.150, Phainops aus Abydos in 17.582–584). Die Gastfreundschaft hat einen hohen Stellenwert in der hom. Gesellschaft (3.207n.): Aristokraten aus unterschiedlichen Gemeinden garantieren sich gegenseitige Hilfe, wozu auch ein Freikauf eines Verwandten gehören kann; ähnlich wird in Odysseus’ erfundener Geschichte ein Gefangener durch einen Gastfreund ausgelöst (Od. 17.440ff.). Wenn Lykaon ebenso wie dieser Gefangene aus dem Gewahrsam des Gastfreundes flüchtet (44, Od. 17.444), ist wohl gemeint, daß er aus der “Pfandhaft” flieht, in der er bleiben sollte (aber auch in Sicherheit war, s.u.), bis seine Angehörigen, d.h. Priamos, das Lösegeld zurückzahlten (WICKERT-MICKNAT a.O. 69 [dort auch das Zitat]. 90; WILSON a.O. 170 mit S. 212 Anm. 36 u. 38; beide mit hist. Bsp. für entsprechende vertragliche Bestimmungen für Pfandhaft). Der hohe Preis für den Freikauf (Il. 21.42 pollá ‘viel’), der später noch konkretisiert wird (79), bringt dem Empfänger Euneos mehr ein, so ist vermutlich zu denken, als der Tauschwert dem Erstverkäufer Patroklos bzw. Achilleus (in 40f. kein Hinweis auf die Höhe, erst in 23.741–747, 41n.); er erklärt sich durch den hohen Wert, den der Gefangene für seine Familie darstellt (KÖSTLER 1950, 40f.; SCODEL 2008, 79; zu einem Bsp. für einen Freikaufsbetrag 1.13n.). Die hohe Summe, welche die Familie für Lykaon aufwenden mußte, erhöht auch die Tragik des erneuten Zusammentreffens: Sie wird bald sozusagen verschwendet sein (ähnl. WATHELET 1989, 124). — aus Imbros: Mit der Herkunftsangabe wird deutlich, daß es sich nicht um den Vater der Andromache (s.u.) aus Kilikien handelt (LEAF), sondern um einen Bewohner der Insel in der nordöstl. Ägäis (zu weiteren Erwähnungen von Imbros 14.281n.). Die Insel wurde viell. vom Erzähler assoziativ mit dem soeben (40) erwähnten Lemnos in geogr. Nähe verbunden (in 14.281, 24.753 und h.Ap. 36 sind Lemnos und Imbros nebeneinander genannt): WEST 2011, 376. — Eëtion: nur hier erwähnt; zu den Namensvettern, darunter dem Vater der Andromache, LfgrE s.v. Ἠετίων. — Arisbe: nicht näher lokalisierbare Stadt auf der asiat. Seite des Hellesponts (2.836n.; ausführlich zu den Problemen der Lokalisation LfgrE); von hier aus war deshalb die Flucht nach Troia (44) übers Land möglich (vgl. 58f.; WEST 2011, 376). Der Grund für die Verlegung nach Arisbe ist nicht klar; wahrscheinlich sollte Lykaon dort in Sicherheit bleiben, ähnlich wie sein Bruder Polydoros in Troia eine Zeitlang vom Schlachtfeld ferngehalten wird (20.408; RICHARDSON zu 42–4; WATHELET s.v. Λυκάων I, S. 731).

Kommentar

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Ἠετίων: mit um -ι- erweitertem denominativem -ων gebildeter Name (RISCH 56f.). — δῖαν Ἀρίσβην: zu δῖος 39n.; als Epitheton einer Stadt nur hier und 2.836 (LfgrE s.v. δῖος 313.42ff.).

44 entfloh: Das Motiv wird nicht genannt, dürfte aber ähnlich wie bei Polydoros (20.410f.) darin bestehen, sich im Kampf zu bewähren. ὑπεκπροφυγών: Zwei oder wie hier drei Präverbia gibt es auch in anderen idg. Sprachen (SCHW. 2.428f. mit Anm. 4); ὑπεκπροφυγεῖν bed. ‘heimlich entkommen und nach vorn/vorwärts laufen’, hier absolut (CHANTR. 2.145; zu weiteren Stellen LfgrE s.v. φεύγω 865.60ff.). — ἵκετο δῶµα: VE-Formel (6× Od., ‘Hes.’ fr. 25.25 M.-W. [ergänzt], h.Cer. 96), zur Ergänzung mit πατρώϊον vgl. in Od. 14.319 ἵκετο δώµατα πατρός, ebenfalls in der 2. VH gesetzt und mit der VE-Formel δώµατα πατρός gebildet (18.141n.), sowie πατρώϊον οἶκον Hes. Op. 376.

45–48 Der Gegensatz zwischen der für Lykaon erholsamen, schönen Pause (45–46a) und dem jähen Umschlag am zwölften Tag (46b–48) erhöht das Pathos (RICHARDSON). 45 θυµὸν ἐτέρπετο οἷσι φίλοισιν: ‘erfreute sich das Gemüt an seinen Lieben’; ebenso mediales τέρποµαι in transitiver und indirekt-reflexiver Verwendung mit intensivierend wirkendem Akk. φρένα, aber im Sinne eines ästhetischen Genusses 1.474, 9.186 (LATACZ 1966, 193. 198; zur Austauschbarkeit der Begriffe für seelisch-geistige Instanzen wie φρένα 1.24n.). οἷσι φίλοισιν (ebenso am VE in Od. 8.101, 8.251) ist instrumental wie Il. 7.61 (ἀνδράσι τερπόµενοι), oder, ebenfalls von Familienangehörigen, Od. 13.61f. τέρπεο … | παισί τε καὶ λαοῖσι καὶ Ἀλκινόῳ βασιλῆϊ, 14.244 τεταρπόµενος τεκέεσσιν (LEAF: als Hypothese; ausführlich LATACZ a.O. 198); zum Subst. φίλος mit der Bed. ‘Angehöriger’ LANDFESTER 1966, 71.

46 zwölften: Die 12-Tage-Frist ist eine der Typischen ZahlenP, die eine länger dauernde gleichförmige Handlung vor dem Wendepunkt ausdrückt (zur Funktion von solchen ‘Summaries’P allg. 1.53n.; Richardson 1990, 1721; zu ‘zwölf’ allg. vgl. 27). Zu vorderoriental. Parallelen für durch 3 teilbare ‘Wartefristen’ WEST 1997, 176; es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß dieses Schema der Aufrechnung von ‘elf’ auf die typische Zahl ‘zwölf’ gegenüber der häufigeren von der typischen Zahl ‘neun’ auf ‘zehn’ (2.326–329n.) auf oriental. Einfluß zurückgeht (NILSSON [1911] 1951, 46 Anm. 16; LfgrE s.v. δυώδεκα). Dieselbe Frist, z.T. ebenfalls mit vorhergehender Nennung der Zahl ‘elf’ (wie in 45) findet sich auch in 155f. (Asteropaios’ Anwesenheit in Troia), 1.425/493 (Zeus’ Abwesenheit), 24.31/413/666f./781 (Hektors Tod und Begräbnis), Od. 2.374, 4.588, 4.747 (Benachrichtigung von Telemachos’ Abwesenheit von Ithaka bzw. sein Aufenthalt bei Menelaos); die bloße Stufung elf-zwölf ohne Fristen (von Herden, Söhnen, Städten) auch Od. 14.100/103, ‘Hes.’ fr. 35.7 M.-W., zwölf-elf Il. 9.328f. (LfgrE s.v. ἕνδεκα; GERMAIN 1954, 15). Wegen der funktionalen Typik der Zahl ist der mögliche Widerspruch zu 3.333, wo 45 ἤµατα: = ἡµέρας. — ἐτέρπετο (ϝ)οῖσι: zur Prosodie R 4.3. — οἷσι: Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4).

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Lykaons Abwesenheit von Troia nur fünf Tage vorher viell. vorausgesetzt ist (s.d.), zu vernachlässigen (zur Erzählzeit STR 152, Abb. 1): KULLMANN (1965) 1992, 190 Anm. 25. δυωδεκάτῃ: erg. ἠοῖ oder ἡµέρῃ, entsprechend 80 ἠὼς … | ̣… δυωδεκάτη, 156 ἠὼς ἑνδεκάτη; die Ellipse eines Ausdrucks für ‘Tag’ ist im Gr. verbreitet (24.413n.), bei der Ordinalzahl Zwölf auch Od. 2.374, 4.588; nach der Zäsur B 2 steht diese noch 4× Il., 2× Od. (z.T. formelhaft: 24.31n.).

47 1. VH bis zur Zäsur B 1 = 24.478; ≈ 22.446; 2. VH von der Zäsur C 2 an ≈ 24.85, h.Merc. 15. — Gott: Die unbestimmte Nennung einer Gottheit mit dem Sg. theós findet sich zwar nur hier und in 7.4 (Gleichnis) im Erzähler-Text, kommt aber öfter im Pl. vor (14.464, 16.693, Od. 1.17, 4.7, 4.12), letzteres auch spez. in Gleichnissen, ebenso wie daímōn (‘Gottheit’), in Il. 21.523, Od. 5.397 bzw. Il. 11.480, Od. 5.396; ähnl. in Od. 5.73 (JÖRGENSEN 1904, 363f.). Daß eine Figur in direkten oder indirekten Reden die ihr unbekannte Ursache eines Ereignisses nicht genauer bezeichnet, wie in Il. 21.82f., 93 und 103f. Lykaon bzw. Achilleus die Ursache für das erneute Zusammentreffen, ist dagegen verbreitet (eine enge Parallele dazu 15.468/ 473/489; Jörgensens PrinzipP). Wenn der allwissende ErzählerP die verursachende Gottheit nur vage mit verschiedenen allg. Begriffen benennt, folgt er deshalb wohl einfach einer traditionellen Ausdrucksweise (COLLINS 1998, 61). ἔµβαλεν: ähnl. wie hier mit einer Gottheit als Subj. und in Verbindung mit ἐν χερσίν i.S.v. ‘in die Gewalt’ noch 104 (ἐµῇς ἐν χερσὶ βάλησιν), 82 ἐν χ. ἔθηκε, ‘Hes.’ Sc. 107 ἐς χεῖρας ἄγουσιν (LfgrE s.v. χείρ 1178.10ff.); dieselbe Vorstellung der gewaltsamen Versetzung eines Menschen durch eine Gottheit findet sich 93 ἐπέλασσέ γε δαίµων (erg.: in deine Hände), ‘Hes.’ fr. 176.2 M.-W. (von Aphrodite: κακῇ δέ σφ᾿ ἕµβαλε φήµῃ), hom.h. 7.31 (ἡµῖν ἔµβαλε δαίµων, Obj. unbekannter Dionysos): LfgrE s.v. βάλλω 28.67ff. Öfter wird ἐµβάλλω mit Bezug auf göttliche Impulse verwendet (19.88n.). Zur relativ häufigen formelhaften flektierbaren Verbindung von (ἐµ)βάλλω mit χείρ am VA (hier, allerdings gesperrt), im Versinnern (5.574, 14.218, 17.40) und am VE (104, Od. 1.438, 2.37, 18.103) LfgrE s.v. βάλλω 37ff.

48 2. VH = Od. 15.72; ≈ Il. 10.121. — Hades: “[T]he image of the descent to Hades marks out the full solemnity of death”: CLARKE 1999, 170. Weiteres zu ähnlichen Wendungen 6.19n.; GARLAND 1981, 54 (Liste). Zum Mythos um Hades FG 14. — sollte: gr. émellen, kündigt wie wohl schon V. 39 (s.d.), aber noch etwas konkreter, Lykaons Tod an (interne ProlepseP) und weckt somit Spannung (MORRISON 1992, 16); mit dieser Schicksalsbestimmung des Erzählers (16.46n.) wird auch das Unwissen des Opfers betont und damit das Pathos gehoben (DI BENEDETTO [1994] 1998, 24f.; DE JONG 2007, 25, mit vielen Parallelen wie 16.460f.).

47 ἔµβαλε: = ἐνέβαλε (R 16.1). 48 εἰς Ἀΐδαο: ‘ins ⟨Haus⟩ des Hades’.

Kommentar

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εἰς Ἀΐδαο: ebenfalls nach der Zäsur A 3 in 8.367, 22.213, Od. 11.277, 12.383; am VE steht die Formel δόµον Ἀΐδος εἴσω 3× Il., 1× ‘Hes.’ mit kürzeren Varianten (3.322n., dort auch zu Form u. Etymologie von Gen. Ἄϊδος; das Wort bed. wahrscheinlich ‘der Unsichtbare’). — οὐκ ἐθέλοντα: wörtl. Wiederholung der Erinnerung an die Gewalt in 36 (s.d.), die Lykaon nun noch stärker, mit tödlichen Folgen, erleidet. — νέεσθαι: finaler Inf. zu πέµψειν wie in 18.240 nach πέµψεν (beide Verben an ders. Versstelle), ähnl. am VE kombiniert mit einer Form von πέµπειν und einem Kompositum davon in 21.598, Od. 4.8, 13.206, 21.374, 23.23 (AH; FAESI); hier wie oft in diesen Verbindungen ist die Bed. ‘heimkehren’ abgeschwächt zu bloßem ‘hingehen’ (LfgrE s.v. νέοµαι 325.55ff.; 327.15ff.). Wenn es hier als Verbum der Bewegung nicht wie z.B. in Od. 9.524 πέµψαι δόµον Ἄϊδος εἴσω ausgelassen wird (CHADWICK 1996, 236), so soll es vielleicht Lykaons endgültige Reise am Schluß seiner Odyssee von Troia nach Lemnos, Arisbe und zurück nach Troia kennzeichnen und nochmals die Vergeblichkeit seines ersten Entrinnens vor Achilleus am Schluß der Analepse betonen (ähnl. RICHARDSON zu 47–48).

49–52 Rückkehr nach dem Exkurs zu der in 35b verlassenen Haupthandlung (35b– 48n.), mit Sekundärer FokalisationP, wobei das Wahrgenommene nicht wie sonst oft Bekanntes wiederholt, sondern für den Hörer wichtige zusätzliche Informationen enthält (50; DE JONG [1987] 2004, 105); daran schließt sich eine erklärende Parenthese aus der Sicht des Erzählers an (51f.), bevor die Reaktion auf die Wahrnehmung folgt (53). 49 ≈ 11.599; 1. VH = 3.21. 3.30, 5.95, 11.248. 11.581, Od. 15.59, 24.232, h.Merc. 235; ≈ Il. 5.711, 7.17 (τούς), 21.418 (τήν), 3.396 (καί ῥ᾿); 2. VH 21× Il.

τὸν δ᾿ ὡς οὖν ἐνόησε: Die Formel signalisiert hier nicht nur die Sekundäre FokalisationP, sondern mit τόν auch den Anschluß an 35b (τόν ῥά ποτ᾿ …). — ποδάρκης δῖος Ἀχιλλεύς: ποδάρκης ist ein distinktives EpithetonP des Achilleus und findet sich nur in der hier vorl. VE-Formel im Nom. (s.o.; im 21. Gesang auch in 149 und 265). Das Kompositum zu ἀρκέω (RISCH 82) in der Bed. ‘ausreichen’ bed. wohl ‘mit den Füßen ⟨seiner Aufgabe⟩ gewachsen’ und muß sich auf Achilleus’ Schnelligkeit als Läufer beziehen (die am Ende des 21. Gesangs thematisiert wird, s. 563–565n.), ebenso wie ποδώκης in den komplementären Akk./Dat./Gen.-Formeln ποδώκεα Πηλείωνα/ποδώκεϊ Πηλείωνι/ποδώκεος Αἰακίδαο (10× Il./2× Il./8× Il., 2× Od.) und πόδας ὠκύς in der VE-Formel πόδας ὠκὺς Ἀχιλλεύς (30× Il., darunter 222): 1.121n.; LfgrE s.v. ποδάρκης; zum Nebeneinander von ποδάρκης und ποδώκης WEST 2001a, 132f.; allg. zur Formel-Flexion FOR 23; zu δῖος 39n.

50 ≈ ‘Hes.’ Sc. 417; 1. VH bis zur Zäsur A 4 ≈ 17.122, 17.693, 18.21, 22.510. — Der Vers erklärt, warum der Troer nicht kämpft und nur um Schonung bitten kann (64ff.); zu ähnlichen Fällen, in denen ein Krieger kampfunfähig wird, 16.331n.

γυµνόν: emphatisch am VA (Parallelen s.o.), i.S.v. ‘unbewaffnet’ (ebenso von Patroklos ohne Helm und Panzer in 16.815, von Achilleus ohne Waffen in 17.711, von Hektor als Bittflehendem in 22.124: LfgrE s.v. 184.56ff.), spezifiziert im anschließenden Präpositional-

50 ἄτερ: ‘getrennt von, ohne’ (mit Gen.).

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ausdruck und parenthetisch hinzugefügten Satz οὐδ᾿ ἔχεν ἔγχος: Ohne Helm, Schild und Lanze ist Lykaon schutz- und wehrlos.

51–52 2. VH v. 52 ≈ 270. — Schweiß | … Erschöpfung: Von Schweiß und Erschöpfung der Kämpfenden ist in der Ilias wiederholt die Rede (5.796f., 13.711, 16.106ff. u.ö), hier erklärt durch die Flucht aus dem Fluß, d.h. die Böschung hinauf in schwerer Rüstung. Zu einer entfernten oriental. Parallele für das Wegwerfen von Waffen wegen Erschöpfung WEST 1997, 392. — Knie: Ihre Beweglichkeit ermöglicht erst den Kampf und schnelles Rennen (hier in der Rückzugsphase), weshalb sie als Kraftzentrum betrachtet werden (19.166n.). χαµαὶ βάλε: flektierbare Junktur, immer vor der Zäsur C 2 (noch 5.588, 9.541, Od. 17.490, 22.188, h.Merc. 118, 298). — φεύγοντ᾿ ἐκ ποταµοῦ: 35a n. — κάµατος … ἐδάµνα: Das Impf. unterstreicht die Dauer; als log. Subj. von δάµνηµι erscheinen öfter Zustände (1.61 Krieg und Seuche, 6.74 Mangel an Widerstandsgeist, 14.316 und 14.353 Schlaf und Liebe): LfgrE s.v. 214.43ff.

53 = 11.403, 17.90, 18.5, 20.343, 21.552, 22.98, Od. 5.298, 5.355, 5.407, 5.464; 1. VH = Il. 23.143, Od. 21.248. — Rede-EinleitungsformelP (zur Genese PARRY [1934] 1971, 398), die einen inneren Monolog ankündigt (zu ähnl. Ansprachen ans Innere, wie z.B. in 17.200, 17.442, HENTZE 1904, 13; PELLICCIA 1995, 121–123. 200–203. 212f.; zu altoriental. Parallelen LESKY 1961, 9f.; WEST 1997, 199; DARDANO 2017, 799–807). Selbstgespräche finden sich in der Ilias fast nur in den Gesängen 17–22, wo die Hauptfigur Achilleus im Zentrum steht (vier Monologe, hier, 18.5ff., 20.343ff., 20.424ff.; HENTZE a.O. 14). Grundlegend zu allen Monologen HENTZE a.O.; eine Zusammenfassung davon bei FENIK 1968, 96f. Die vorl. Formel leitet hier wie in 18.5, 20.343, Od. 21.248 ausschließlich die Wiedergabe von Gedanken und Emotionen des Sprechers angesichts von etwas Unerwartetem ein (HENTZE a.O. 16; PELLICCIA a.O. 121). Meistens dient sie aber der Einführung eines klärenden Monologs vor einer Entscheidung in einer schwierigen Lage des Sprechers (552n.); hier steht aber Achilleus’ Entschluß von vornherein fest (60ff.; SCULLY 1984, 19f.). ὀχθήσας: ingressiver Aor.: bezeichnet eine innere Entladung unter Druck, wenn eine Person mit einer unerwarteten Zumutung, Provokation (1.517, 17.18) oder Bedrohung (552) konfrontiert ist (vgl. auch 18.5n.), ‘aufgebracht, empört, bedrängt’; fast immer wie hier in einer Einleitungs-Formel (s.o.). Hier wird damit Achilleus’ Gefühl der Empörung, vermischt mit Frustration (FAESI: ‘ergrimmt’), über Lykaons unerwartete Rückkehr ausgedrückt (54–59), ähnlich in 20.343 über Aineias’ Entrückung (LfgrE s.v. ὀχθῆσαι). — µεγαλήτορα θυµόν: VE-Formel; im Akk. Sg. außer an den Iteratstellen noch 2× Il., 2× Od., 1× ‘Hes.’; im Dat. Sg. nur 9.109. µεγαλήτωρ, Possessivkompositum zu ἦτορ (RISCH 185), ‘mit großer Energie,

51 µέν: ≈ µήν (R 24.6). — ἀπὸ … βάλε: zur sog. Tmesis R 20.2. 52 ὑπό: Adv., ‘unten’. 53 ἄρα (ϝ)εῖπε: zur Prosodie R 4.3. — ὅν: Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4).

Kommentar

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beherzt’ (LfgrE) ist generisches EpithetonP von versch. Handlungsfiguren und von θυµός (6.283n.).

54–63 Achilleus’ Monolog folgt auf eine für ihn unangenehme Überraschung und ist entsprechend ebenso strukturiert wie derjenige, als der Pelide aufgebracht nach Aineias’ Entrückung mit sich Zwiesprache hält (20.343–352): Einem Ausruf des Unwillens (54) folgen eine Darstellung des Empörenden (55–59, mit einer vorweggenommenen Folgerung 55f. [AH zu 55] und einer nachgeschobenen Erklärung 57–59) und eine Beschlußfassung (60–63). Der Monolog unterscheidet sich aber von der Rede im 20. Gesang durch seinen extremen Sarkasmus, der an Herausforderungsreden erinnert (zum Ton der Rede und ihrer Funktion mit einem Vergleich zu 20.344–352 kurz HENTZE 1904, 18. 21; DI BENEDETTO [1994] 1998, 165; zum Sarkasmus in Herausforderungsreden STOEVESANDT 2004, 319ff.). Während Achilleus Aineias’ Verschwinden auf einen Eingriff der Götter aus Sympathie zu dem Troer zurückführt (20.347f.), deutet er hier Lykaons für ihn überraschende Heimkehr ironisch zu einer Rückkehr von der Unterwelt um (57), eine undenkbare Vorstellung für die hom. Zeit (SACKS 1987, 73–76; MATIJEVIĆ 2015, 136f. mit Anm. 97. 157–159), und verallgemeinert sie als exemplum extremum (55f.: alle Troer, die er getötet hat; zu vergleichbaren Zuspitzungen in Reden, z.B. in 20.357, LOHMANN 1970, 128 Anm. 59; vgl. auch Achills brüske Abwehr des Gedankens an eine Auferstehung Hektors in 24.551: dazu BIERL 2019a, 62). Während er dort die Götter als Ursache einer Rettung betrachtet, beschwört er somit hier eine Welt, deren Anblick man nicht mehr trauen kann (54: ironisch als Wunder bezeichnet), weil sie Unglaubliches zuläßt (ähnlich KITTS 2005, 169): Das Meer “garantiert” nicht die übliche Gefahr (58f.), die Erde gilt es nun zu testen, ob sie die Toten unter sich bedeckt hält (62f.; LYNN-GEORGE 1988, 203). Mit dem Monolog wird so die mit der Tötung der Troer in Skamandros’ Wasser begonnene Herausforderung von Elementen fortgesetzt, die schließlich – u.a. auch weil Lykaons Leichnam im Fluß landet (136–138), also ironischerweise gar nicht in der Erde (RICHARDSON zu 63) – zu Skamandros’ Kampf gegen Achilleus führt. Mit dem Motiv ‘Rückkehr vom Tod’ und mit dem Beschluß, den wehrlosen Lykaon (50) zu töten, wird auch die Darstellung von Achilleus’ Fixierung auf Rache und Tod der Troer vertieft (viell. soll die Ironie einer ‘Auferstehung’ auch um so schärfer sein, als an den unumstößlichen Tod des Patroklos zu denken ist): Die Rede motiviert Achilleus’ anschließendes Verhalten, seinen Angriff (64–70) und seine alle in den Tod einschließende Reaktion auf Lykaons Flehen (98ff.). Der Priamos-Sohn Lykaon kann ebensowenig mit Milde rechnen wie sein Halbbruder Hektor (22.123–125; KIM 2000, 140).

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54 = 13.99, 15.286 (mit im folgenden Vers anschließendem οἷον δή wie in 57), 20.344, h.Merc. 219; ≈ Od. 19.36; 1. VH ≈ Il. 1.254, 7.124, Od. 4.663. — ὦ πόποι, ἦ: ὦ πόποι, immer in direkten Reden, meist am Anfang (29× Il., 22× Od., 2× h.Merc.), drückt überwiegend, wie hier, negative Überraschung und Unwillen aus: LfgrE s.v. πόποι. Hier ist es mit ironischem Unterton gebraucht, der noch durch ἦ betont wird (zur häufigen Verwendung von ἦ in ironischen Aussagen HUNT 1890, 49–51). — τόδ(ε): verstärkt ὁρῶµαι, deiktisch wie ὅδ(ε) in 57 (zu dieser Funktion von ὅδε DE JONG 2012a). — ὀφθαλµοῖσιν ὁρῶµαι: flektierbare VEFormel (neben Iteratversen noch 6× Il., 5× Od., 3× hom.h., z.T. mit ἐν erweitert); ὁράω/ἰδεῖν und (ἐν) ὀφθαλµοῖσιν werden auch in umgekehrter Reihenfolge am VE, außerdem am VA formelhaft verbunden (NUSSBAUM 2002, 184f.). ὁράω wird in der vorl. Ganzversformel i.S.v. ‘sehen müssen’ gebraucht (LfgrE s.v. ὁράω 755.9ff.); wie hier in der Formel steht (ἐν) ὀφθαλµοῖσιν oft emphatisch bei Verben des Sehens u.ä. (‘mit eigenen Augen’): AH zu 13.99; AH Anh. zu Od. 4.47. 55 ἦ µάλα δή: geläufige Partikelverbindung, immer in direkten Reden; oft in der Bed. ‘bestimmt, sicherlich’, hier ironisch wie in 5.422 (6.255n.). Das wiederholte ἦ betont Achilleus’ Verwirrung wie bei Aineias Rettung in 20.344/347 (dazu SCODEL 2012, 328). — µεγαλήτορες: zur Wortbildung 53n.; generisches EpithetonP von versch. männl. Handlungsfiguren und von Völkern, von den Troern (an ders. Versstelle) noch 8.523 (LfgrE); die metr. Variante ist µεγάθυµος, 7× Il. von den Troern (153n.). — ἔπεφνον: 21n.

56 Finsternis: ein Bild für das Negierende des Todes, beim Sterben in der Wendung ‘Dunkelheit umhüllte ihm die Augen’ und ähnlichen Formulierungen (16.316n.), und entsprechend auch für die Unterwelt, wie hier auch 15.191, 23.51, Od. 11.57 (LfgrE s.v. ζόφος mit weiteren Stellen; CLARKE 1999, 167f.; MATIJEVIĆ 2015, 79).

ἀναστήσονται: Zur Vorstellung, aus der Unterwelt nach dem Tod wieder aufzustehen, vgl. trans. ἀνίστηµι ‘wieder zum Leben erwecken’ in 24.551, 24.756, sowie ἀνίσταµαι von dem totgeglaubten Hektor i.S.v. ‘sich erholen’ (mit ähnl. Adverb, 15.287 ἐξαῦτις ἀνέστη) und, etwas anders, von einer unsterblichen Gottheit, die aus der Unterwelt wieder hinaufkommt (Persephone in h.Cer. 403): LfgrE s.vv. ἵστηµι 1242.58; 1247.26ff.; αὖτις 1614.29ff. — ὑπὸ ζόφου ἠερόεντος: flektierbare VE-Formel, im Gen. noch 2× Hes., im Dat. 1× Hes. (Variante h.Cer. 482), im Akk. 1× Il., 2× Od., 1× ‘Hes.’, 3× hom.h., mit ἀπό und Gen. 2× hom.h., ποτί und Akk. 1× Il., 1× Od., nur ὑπὸ ζόφον an ders. Versstelle 2× Od., ohne Präposition, nur ζόφον ἠερόεντα, 1× Il. ζόφος bed. ‘Dunkel’, das sich bei Sonnenuntergang ausbreitet, ‘Westen’ (12.240, 5× Od.), ‘Finsternis’ der Unterwelt als Ort der Toten, wie hier meistens mit einer Richtungsangabe und dem Epitheton ἠερόεις (zu ἀήρ, ‘dunstig, düster, trübe’), im hom. Epos immer in Figuren-SpracheP (LfgrE s.vv. ζόφος u. ἠερόεις).

57–59 Die Identifikation des Gegners, bei einem kriegerischen Zusammentreffen verbreitet (oft allerdings nur durch die Anrede in Herausforderungsreden: 6.123n.), ist hier in Achilleus’ Monolog durch eine Art Rückschau auf die Vergangenheit 54 πόποι, ἦ: zum Hiat R 5.6. — µέγα θαῦµα: prädikativ zu τόδ(ε). — ὁρῶµαι: Med. ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied zum Akt. (R 23). 55 περ: konzessiv (R 24.10). 56 αὖτις: = αὖθις. — ὑπὸ ζόφου: ‘unter dem Dunkel hervor’.

Kommentar

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ersetzt (ähnlich in der Rede an Aineias in 20.188ff.; PARKS 1990, 105f.). Die zweite externe AnalepseP von Lykaons Vorgeschichte dient dazu, das Ausmaß von Achilleus’ Erbitterung angesichts von Lykaons unerwartetem Erscheinen zu offenbaren (zur ersten Analepse mit der hier vorausgesetzten Information 35b–48n.; zu weiteren mehrfachen Analepsen des gleichen Sachverhalts DE JONG [1987] 2004, 277 Anm. 15; zu einer ähnlichen logisch motivierten Wiederholung 1.208–209n.): Der Sprecher, ohne Hintergrundwissen über die späteren Umstände (den Freikauf und die Heimkehr), deutet das Geschehen ironisch als Umkehr des von ihm selbst für Lykaon geschaffenen Schicksals (54–63n.; GIORDANO 1999, 115; man mag auch an die Vorstellung der Sklaverei als sozialen Tod denken: PATTERSON 1982, 38– 45). Die Versklavung und der Verkauf in Lemnos, die fern von der Heimat eine Rache des Kriegsgefangenen verhindern sollen (40–41n.), haben Lykaon nicht davon abgehalten, zurückzukehren (zu den Gefahren der Schiffahrt allg. GRAY 1974, 12–14). Die Vorstellung, daß Lykaons Wille gebrochen und er zum Opfer wird (36, 48), vertieft sich: Das Meer, sonst ein Grab für viele gegen ihren Willen (59), hätte auch Lykaon zurückhalten sollen (zum Motiv des Zurückhaltens 60–63n.). Dem ‘mitleidlosen Tag’ (57), dem Tod, soll er allerdings nicht lange entrinnen (60–63; im Kontext von Leben und Tod der ganzen Rede ist mit der Umschreibung sicher nicht die Versklavung gemeint: LfgrE s.v. νηλεής gegen WICKERT-MICKNAT 1983, 16 Anm. 3. 225; als Hypothese bei RICHARDSON zu 53–63). 57 2. VH = Od. 9.17. — οἷον δή: Das adverbiale οἷον leitet sowohl die Erklärung für den vorhergehenden Ausruf (54, s. bes. ἦ µέγα…) als auch für die ironische Feststellung ein (55f., eingeleitet mit ἦ µάλα δή): ‘⟨wenn ich sehe,⟩ wie’, ‘⟨nach dem zu urteilen,⟩ wie’ (WILLCOCK). Es entspricht einem ὅτι οὕτως (K.-G. 2.370f., vgl. 2.320n.) und leitet auch sonst eine Erklärung eines vom Sprecher vorher negativ beurteilten Sachverhalts ein: So führt es speziell in einem inhaltl. vergleichbaren Zusammenhang, aber unmittelbar nach dem Ausruf, in 15.287 eine Erklärung für Hektors überraschendes Überleben ein (54n.; 56n.), wie hier mit verstärkendem δή (auch in 13.633, 17.587); weitere Stellen s. LfgrE s.v. οἷος 608.44ff. — νηλεὲς ἦµαρ: νηλεής ist mit der Privativpartikel *n̥ gebildet (FORSSMAN 1966, 145–149; BEEKES 1969, 106–111); die Herkunft des Hinterglieds ist kontrovers (FORSSMAN a.O. 142): (1) Ableitung von ἐλεέω/ἔλεος, Bed. des Wortes ‘mitleidlos, erbarmungslos’ (BURKERT 1955, 22–27; LfgrE s.v. νηλεής 357.11ff.; DELG s.v. νηλεής), (2) Ableitung von ἀλέοµαι, Bed. ‘unentrinnbar’, teilweise später zu ‘mitleidlos’ umgedeutet (RISCH 82 Anm. 68) (3) zwei homonyme Wörter (hier zu ἀλέοµαι: ‘der Tod, dem dauernd niemand entrinnen kann’: SCHULZE [1888] 1966, 375; FRISK s.v. νηλεής; BEEKES s.v. νηλεής). Für (1) und gegen eine kompliziertere Entwicklung mit Umdeutungen und zwei Wörtern versch. Herkunft spricht, daß die Bed. ‘mitleidlos’ an allen Stellen paßt, ja teilweise sogar zwingend vorauszusetzen ist: wenn das Wort (Handlungs-)Figuren (16.33n.) oder Waffen charakterisiert (zur Formel νηλέϊ χαλκῷ 16.284n.) oder als Epitheton von ἦµαρ in der vorl. VE-Formel dient, sowohl wie hier nach φυγὼν ὕπο (noch Od. 9.17) bzw. nach Formen von ἀµύνειν/-εσθαι in 57 ἦλθε: ‘zurückgekehrt ist’. — φυγὼν ὕπο: = ὑποφυγών; zur sog. Tmesis R 20.2.

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Il. 11.484, 13.514, Od. 8.525; nach einem Imp. von ἀµύνειν wie in Il. 11.588, 15.375, 17.511, 17.615 ist die Bed. ‘erbarmungslos’ sogar einzig sinnvoll (BURKERT a.O. 24–26; zu sprachwiss. Argumenten gegen eine Ableitung von ἀλέοµαι BURKERT a.O. 23; FORSSMAN a.O. 142). Der ‘mitleidlose Tag’ umschreibt den Todestag, den Tod, das Verderben (LfgrE s.v. νηλεής 359.16ff.), ähnlich wie ὀλέθριον ἦµαρ (Il. 19.294, in umgekehrter Reihenfolge 19.409), αἴσιµον ἦµαρ (100, 22.212, Od. 16.280, h.Ap. 356 am VE, Il. 8.72 nach der Zäsur B 2) und µόρσιµον ἦµαρ (15.613, Od. 10.175), jeweils auch am VE bzw. nach der Zäsur B 2; vgl. auch κακὸν ἦµαρ Il. 21.374 (s.d.): LfgrE s.v. ἦµαρ 917.34ff.; SCHW. 2.177f. 58 1. VH = 79; ≈ 2.722; 2. VH von der Zäsur C 2 an ≈ 303, Hes. Op. 515. — ἠγαθέην: ‘hochheilig’, generisches EpithetonP von Toponymen (LfgrE); zum Anlaut 1.252n. mit Lit. — πεπερηµένος: Ptz. Perf. zu πέρνηµι, ἐπέρασα (40n.). Die einhellig überlieferte Form mit dem Stamm πεπερη- (s. app. crit. von WEST), die im Gegensatz zu den späteren ostion. u. att. Formen des schwundstufigen Perf.-Stammes πεπρη- nur hier in der gr. Lit. belegt ist, dürfte analogisch zu erklären sein (Analogie an den Präs.- u. Aor.-Stamm: HACKSTEIN 2002, 196; an den Stamm von περάω ‘überqueren’ [vgl. 40n.]: CHANTRAINE 1940, 14). — οὐδέ µιν ἔσχεν: bildet (allerdings über eine ungewöhnlich weite Distanz) zu ἦλθε (57) einen rhetorisch polaren AusdruckP (AH: “negativer Parallelismus”). 59 1. VH ≈ 1.350, 12.284, 13.682, 14.31, 23.374. — πόντος ἁλός πολιῆς: nur hier belegte Verbindung; πόντος bez. das Meer in seiner unheimlichen Tiefe (AH; BENVENISTE 1966, 297f.), meist wie hier als Verkehrsstraße (etym. verwandt mit πάτος ‘Pfad’, lat. pons) während der Gen. ἁλός wie in ἁλὸς ἐν πελάγεσσιν in h.Ap. 73 das salzige Meerwasser benennt (ἅλς hier nicht wie sonst häufig in der Bed. ‘Meer an der Küste’ im Gegensatz zu πόντος wie z.B. in 1.350): LfgrE s.v. ἅλς 580.30ff.; s.v. πόντος 1451.2ff.; BECKER 1937, 38. πολιός, häufig nur noch formelhaft verwendetes Epitheton bei Ausdrücken für das Meer (bei ἅλς 12× Il., 12× Od.), bezeichnete urspr. wohl den Farbeindruck der Brandung bzw. der Wellenkämme (‘schwarz-weiß-gesprenkelt, grau-meliert’): LfgrE s.v. πολιός 1344.21ff.; zu den Meeres-Epitheta allg. DÜNTZER (1864) 1979, 103f.; LESKY 1947, 162ff. — πολύς: Diese Form des Akk. Pl. von πολύς ist zwar nicht hier (s. app. crit. von WEST), aber für 1.559 und 2.4 überliefert und könnte ein Archaismus sein, der von späteren Formen, nämlich zweisilbig gemessenem ion. πολέας bzw. att. πολεῖς (hier in den Hss. und Pap.), in der Überlieferung verdrängt wurde und deshalb auch an der vorl. St. zu lesen ist (GT 8; WEST 1998, XXXIV; 2001, 28); anders WACHTER 2012, 73: eine dritte Form πολῡ́ς unklarer Herkunft neben πολλούς (ion.) und dreisilbigem πολέας (wohl äol.) zur Zeit des Iliasdichters ist nicht wahrscheinlich, die Form könnte im Gegenteil zur Unterscheidung ein- und zweisilbiger Endungen spät eingeführt worden sein (zu letzterem so schon WACKERNAGEL [1903] 1953, 964f.).

60–63 Die Ironie und der Sarkasmus der Rede erreichen einen besonderen Höhepunkt (schol. bT): Zuerst mit der sarkastischen Metapher des ‘Kostens’ (61 58 ἐς: = εἰς (R 20.1). — ἠγαθέην: zum -η- nach -ε- R 2. — οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — µιν: = αὐτόν (R 14.1). 59 πολιῆς: zum -η- nach -ι- R 2. — ὅ: demonstr.-anaphor. Pron. in der Funktion eines Rel.Pronomens (R 14.5). — ἀέκοντας: = ἄκοντας.

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géusetai), einem Bild für die Verwundung durch die Lanze (ebenso in 20.258, Od. 20.181, 21.98 von einem gewaltsamen Angriff; LfgrE s.v. γεύοµαι), das durch das Bild einer Mahlzeit (hier vom Opfer eingenommen) an die Vorstellung von einem hungrigen Schlund einer Waffe oder des Kampfes selbst erinnert, der ähnlich wie bei Raubtieren oder Aasfressern nach Sättigung lechzt (Il. 21.70, 21.168, auch 11.574, 15.317, 19.313 [s.d., mit weiteren Stellen]): NEAL 2006, 178; oriental. Parallelen bei GRIFFIN 1980, 34 Anm. 89). Den Ton steigert auch die wiederholte Umschreibung des ewigen Grabes in der Erde mit dem Verbum (kat-)erýkein ‘zurückhalten’ (62, 63), sonst nur mit katéchein, kalýptein, kéuthein ‘festhalten, verbergen’ belegt (2.699, 3.243, 6.464, 14.114, 16.629, 18.332, 5× Od.; vgl. Il. 21.58f.; eine Liste der Stellen bei SACKS 1987, 73ff.; zu einer Parallele im Gilgamesch-Epos WEST 1997, 236): Lykaon muß nun unter allen Umständen in der Unterwelt zurückbehalten werden. Mit der paradoxen Formulierung einer ‘Leben spendenden Erde’ als Grab für alle (63 gē physízoos) erreicht die Rede am Ende einen Höhepunkt der Ironie (KIRK zu 3.243–4; FLOYD 1988/89, 341). 60–61 1. VH v. 60 ≈ 4.418, 5.718, 21.221, 24.618. — Lanze: Achilleus hatte sie ans Ufer gelehnt, um im Wasser morden zu können (17f.); er hat sie, so ist vorausgesetzt, nach seiner Rückkehr ans Ufer wieder ergriffen (67; 17n.). ἄγε … | γεύσεται: ἄγε leitet hier nicht, wie sonst häufig (etwa in 221), mit Imp./Konj. der 1. oder 2. Pers. eine Aufforderung an einen Adressaten ein, allenfalls unter Einschluß des Sprechers (wie z.B. in 1.62), sondern drückt in Verbindung mit der 3. Ps. Ind. Fut. γεύσεται (61) die Bekräftigung des Entschlusses aus (Achilleus ruft sich zum Handeln zurück), ähnlich wie es am Ende des vergleichbaren Monologs von Achilleus nach Aineias’ Entrückung vom Schlachtfeld nach Äußerungen des Unmuts eine emphatische Selbstaufforderung mit einer futurischen Verbform einleitet (20.351f. ἀλλ᾿ ἄγε δὴ … | τῶν ἄλλων Τρώων πειρήσοµαι; ebenso mit Fut. in der 1. Ps. 1.524): LfgrE s.v. ἄγε 129.40f.; 133.26ff.; HENTZE 1868, 521. Diese Parallele spricht auch dagegen, daß γεύσεται als kurzvokal. Konj. zu verstehen ist (als Möglichkeit: LfgrE a.O. 133.26ff.; sehr zurückhaltend CHANTR. 2.207); zur Abgrenzung zwischen voluntativem Fut. und adhortativem Konj. mit weiteren Stellen HENTZE a.O. 519– 521; CHANTR. 2.201. 206f.; WILLMOTT 2007, 81f. — καί: “‘auch’, mit Bezug auf φυγὼν πεπερηµένος 57f.” (AH). — δουρὸς ἀκωκῆς: ἀκωκή ‘Spitze’ (einer Waffe), steht sonst immer am VE; nach δουρός nur hier vor der Zäsur C 2, sonst in einer flektierbaren VEFormel (6× Il., 1× Od.). — ἡµετέροιο: Der Gebrauch von ἡµέτερος i.S.v. ἐµός ist typisch für Achills Figuren-SpracheP (auch in 16.244, 19.73, 24.567); zu seiner emphatischen und metr. Funktion FLOYD 1969, 122f. — ὄφρα ἴδωµαι … δαείω: Kombination der flektierbaren Formel ὄφρα ἴδωµαι (nach der Zäsur A 3 wie hier insges. 3× Il., 1× Od., am VA 8× Il., 2× Od., am VE 6× Il., 4× Od., ‘Hes.’ fr. 204.61 M.-W. [ergänzt]) mit δαείω, das sonst mit ὄφρα

60 ἄγε: ‘auf, los!’ (urspr. Imp. zu ἄγω). — δουρός: zur Form R 12.5. 61 ὄφρα (ϝ)ίδωµαι: zur Prosodie R 4.3. — ὄφρα: final (R 22.5). — ἴδωµαι: vgl. 54n. zu ὁρῶµαι. — ἐνί: = ἐν (R 20.1). — ἠδέ: ‘und’ (R 24.4). — δαείω: Konj. zum defektiven Verb δαῆναι (Aor.), ‘durch Erfahrung herausbekommen, -finden’.

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in einer VE-Formel verbunden erscheint (ὄφρα δαείω 10.425, 16.423, Od. 9.280, Variante Il. 2.299; zur Form des Konj. Aor. mit Ersatzdehnung 16.83n.). Die bloße Wahrnehmung (ἴδωµαι) wie in 54 (ὁρῶµαι) ist so mit der praktischen Erfahrung (δαείω) verbunden (LfgrE s.v. δαείω). Die Ergänzung ἐνὶ φρεσίν intensiviert ἴδωµαι vergleichbar mit ὀφθαλµοῖσιν in 54 (s.d.) und betont die persönliche, selbständige Wahrnehmung, mit einer ähnlich prägnanten Funktion wie in 1.333 und wohl auch in 16.530 und 24.563 bei γιγνώσκω (s.dd.): “Diesmal will er [sc. Achilleus] sich aus eigenem Erleben […] ganz persönlich mit eigenen Augen davon überzeugen” (JAHN 1987, 238; zu vergleichbaren Stellen s. auch LfgrE s.v. ἰδεῖν 1118.34ff.; 1126.1ff.).

62–63 ebenso: d.h. wie Lykaon von Lemnos zurückkehrte. — von dort: von der Unterwelt (56 erwähnt), wohin Achilleus ihn senden will (AH).

ἐρύξει | … κατὰ … ἐρύκει: emphatische Wortwiederholung an ders. Versstelle, wobei auch ἐρύκει, ebenfalls am VE, von 59 wiederaufgenommen wird (LEAF; FEHLING 1969, 133). In Rel.-Sätzen werden öfter Verben wiederholt, so auch in 9.615, 11.475, 13.482, 19.265, in einem Temporalsatz Od. 6.326 (FEHLING a.O. 134). — γῆ φυσίζοος: φυσίζοος ist sonst als Epitheton von αἶα ‘Erde’ am VE belegt (im Nom. in 3.243, Od. 11.301, im Gen. in h.Ven. 125). Die nur hier vorkommende Verbindung mit γῆ (seltenere Variante von γαῖα) beruht deshalb viell. auf einer Übertragung und Anpassung der Junktur an den VA; zur Lesart γῆ φ. aller Hss. mit der auch sonst vorkommenden Verletzung des 1. ‘Meyerschen Gesetzes’ LEAF; JANKO 1982, 235f.; allg. zum Gesetz M 11.1. φυσίζοος ist ein Kompositum mit verbalem Vorderglied zu φύω und Hinterglied als Objekt zum Verbalbegriff (zum Typ RISCH 191f.); dieses wird überwiegend als Ablautform von ζειαί gedeutet, das eine Getreideart, wohl Emmer, bezeichnet (FRISK; DELG; BEEKES); das Epitheton bed. somit ‘Korn spendend’, wurde aber schon früh (Aisch. Suppl. 584) auf ζωή (ion. ζοή) bezogen und als ‘Leben spendend’ verstanden (vgl. die Lesart φυσίζωος, s. app. crit.; zur Diskussion um die Etymologie 3.243n.; LfgrE s.v. φυσίζοος). Da das Wort hier, in Il. 3.243 und Od. 11.301 im Kontext von Leben/Tod gebraucht wird und eine Assoziation an den Tod auch in h.Ven. 125 möglich ist, ist die Bed. ‘Leben spendend’ und damit verbunden auch eine kontextsensitive Funktion schon im hom. Epos wahrscheinlich (3.243n.).

64–73 Die Szene bildet den ersten Teil der Variante der Typisierten EreignissequenzP ‘Hikesie’ (Supplikation), eines typischen Motivs in Schlachtschilderungen: Ein Krieger bittet um Schonung, indem er an den Gegner herantritt (hier 64), mit einer Geste den physischen Kontakt zu ihm herstellt (71), seine Bitte vorträgt (73–96), worauf die Antwort und Reaktion des Adressaten erfolgt (99–135). In der Ilias sind die Bittflehenden im Schlacht-Kontext immer Angehörige der Troer-Partei, und ihr Versuch ist erfolglos (6.37–65n. mit Lit.). Lykaon ist nach Tros (20.468ff.) der zweite, von dem erzählt wird, wie er Achilleus anfleht (34–135n.), bevor dann sein Halbbruder Hektor schon im Sterben den Achaier vergeblich um ein Begräbnis an62 ἠ(έ), … ἦ: ‘ob … oder’. — ἠ(έ) ἄρ᾿: zum Hiat R 5.1. — ὁµῶς: ‘in gleicher Weise’. — κεῖθεν: 42n. — ἐλεύσεται: i.S.v. ‘zurückkehren’ wie ἦλθε in 57. 63 τε: ‘episches τε’ (R 24.11). — κατὰ … ἐρύκει: zur sog. Tmesis R 20.2. — περ: steigernd (‘auch, sogar’, R 24.10).

Kommentar

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fleht (22.337–354). Als wichtige Vorbereitung darauf ist die Szene gegenüber den früheren ‘Hikesie’-Szenen im Kampf (6.37–65, 10.354ff./372ff., 11.122–147, 20.468–472a), in denen nur die einzelnen Elemente aufgezählt werden, erweitert und variiert (THORNTON 1984, 138), was vertiefend wirkt: Während sonst das Motiv des Bittflehenden nur impliziert wird, wird hier die Todesangst betont: Lykaon ist starr vor Schreck (64b), er wünscht nichts mehr, als dem bitteren Tod zu entkommen (65f.), während Achilleus, in 20.467f. noch allgemein charakterisiert, nun von seinem Rachedurst geprägt erscheint (FENIK 1968, 83. 197): Er ist erregt und entschlossen zur Tat (64a, Gegensatz zu Lykaons Starrheit) und strebt danach, Lykaon zu töten (die parallele Formulierung in 65 u. 68 für den Drang der beiden Gegner unterstreicht die Gegensätzlichkeit) und mit seiner Lanze sich eines weiteren Troers zu entledigen (70: ausdrucksstarke Personifikation, s.d.). In einem anschaulichen, spannenden Bild (schon von bT zu 67–72 betont; SCHEIBNER 1939, 92) wird die Begegnung anders als sonst in ‘Hikesie’-Szenen ausgemalt. Die jeweiligen Bewegungen der Figuren spiegeln ihre Motive: Das ruhige Warten von Achilleus (64a) bis zum Angriff auf den schutzlosen Lykaon (50; AH) kontrastiert mit dem Entgegengehen voll Panik von Lykaon (64b; das Entgegengehen ist sonst nur in 20.463 kurz erzählt), das Hochheben und Zustoßen der Lanze (67 u. 69f.) mit Lykaons schnellem Bücken (68f., schneller als Tros in 20.469), seinem krampfhaften Festhalten der Lanze, das Achilleus daran hindern soll, sie aus dem Boden zu ziehen und erneut zuzustoßen (72; FAESI), und dem Griff mit der anderen Hand nach seinem Knie, als Geste (71; zur Geste 65n.; zu 71f. als Ausdruck der Panik REINHARDT 1961, 438f.; BURKERT 1955, 96 beobachtet eine “Spannung zwischen Tod und Erbarmen … in dieser Geste”). Die schnelle Reaktion verdeutlicht wohl, wie der Königssohn, der es schon verstanden hat, nach der Versklavung zurück nach Troia zu gelangen (44), nun mit allen Mitteln versucht, nochmals verschont zu werden (71f.), und sich Hoffnungen macht; daß sie ebenso vergeblich sind, wie diejenigen von Tros (Erzählerkommentar in 20.466ff.), wird in Achilleus’ Monolog schon vorher deutlich (54–63n.). Zur ganzen Szene (Erweiterungen der Ereignissequenz, Charakterisierung von Achilleus und Lykaon) PEDRICK 1975, 47. 49. 52f. 56f. 64 ≈ 22.131; 2. VH ≈ 23.499, Od. 4.439, 13.162, ‘Hes.’ Sc. 435. Der situationsbezogene Rede-AbschlußP in der 1. VH leitet zu der in der 2. VH einsetzenden weiteren Handlung über. ὣς ὥρµαινε: Verkürzung des SummaryP-Formelverses ἕως ὃ ταῦθ᾿ ὥρµαινε κατὰ φρένα καὶ κατὰ θυµόν (4× Il., 3× Od., verkürzte Variante Il. 10.507, Od. 6.118). ὁρµαίνω ist ein Denominativum zu ὁρµή auf -αίνω (FRAENKEL 1906, 9), das wie andere Verben mit diesem Suffix (z.B. χαλεπαίνω) eine erregte Stimmung bezeichnet (DEBRUNNER 1917, 111): es bed.

64 ὥς: = οὕτως. — ὅ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17; gemeint ist Lykaon. — δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1).

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‘geistig hin- und herbewegen’ i.S.v. ‘sich Gedanken machen’ (so auch in 137; LfgrE). — τεθηπώς: 29n.; die Bed. ‘starr’ (‘benommen’ gemäß LfgrE s.v. ταφών ist zu schwach) ist kein Widerspruch zu der zielstrebigen Bewegung (so ROTH 1989, 30 mit Anm. 5): Wie in 9.193/11.777/23.101 bezeichnet das Wort mehr die innere Lähmung, die eine reflexartige schnelle Bewegung nicht ausschließt.

65 Knie anzufassen: eine der gängigen Gesten eines Bittflehenden (neben dem Berühren des Kinns und dem Küssen der Hände, die hier nicht erwähnt und nicht anzunehmen sind). Der physische Kontakt ist für die ‘Hikesie’ konstitutiv: GOULD 1973, 75–77. Das Berühren gerade der Knie hat wohl mit der Tatsache zu tun, daß sie als Kraftzentrum betrachtet werden (52n.; GOULD a.O. 77 Anm. 16. 96f.), aber natürlich auch, daß so ein Weggehen des Angeflehten verhindert wird. — wollte: auktoriale Deutung wie z.B. in 1.56, 2.171, 24.236–237a (allg. dazu RICHARDSON 1990, 148f.); Lykaons unbändiger Lebenswille erklärt sein Verhalten in der Folge (64–73n.). γούνων ἅψασθαι: flektierbare VA-Formel (mit Inf. noch Od. 6.169, 22.339, mit Ptz. Il. 24.357); am VE ἥψατο γούνων 1.512, 15.76, ἥπτετο … γούνων 20.468. Das Erfassen der Knie wird auch mit anderen Verben ausgedrückt: mit λαµβάνω (68n.), αἱρέω, oft verbunden mit λίσσοµαι (71n.), und mit γουνοῦµαι (74n.); eine Liste aller Wendungen bei GIORDANO 1999, 230–232f.; s. auch die Stellensammlung in LfgrE s.v. γόνυ 174.6ff. — περὶ δ᾿ ἤθελε θυµῷ: = 24.236, von der Zäsur C 2 an = 177, 16.255, ‘Hes.’ fr. 204.54 M.-W. (ergänzt); ≈ Il. 9.177, 17.702, 7× Od. (θυµός Nom.). δ(έ) leitet eine Parataxe mit kausaler Funktion ein (RACE 2000, 218, mit weiteren Stellen; zur Parataxe s. auch 1.10n.). θυµῷ ist lokativisch wie φρεσί in 19 (s.d.; LfgrE s.v. θυµός 1088.12ff.) und neben ἤθελε (wie in 16.255, s.d.) zusätzlich zu περί (wie in 24.236) intensivierend.

66 entrinnen: zur häufig ausgedrückten Vorstellung, der Tod komme zum Menschen, CLARKE 1999, 244f.

θάνατόν τε κακὸν καὶ κῆρα µέλαιναν: emphatisch wirkende synonymische Doppelung (allg. dazu 1.160n.), mit einer Reihe bedeutungsähnlicher, aber in ihrer prosodischen Struktur unterschiedlicher Varianten wie φόνον καὶ κῆρα, θάνατον καὶ πότµον, θάνατόν τε µόρον τε (2.352n.; zu weiteren Verbindungen von θάνατος und κήρ 16.687n.); zu κήρ ‘Tod, Verhängnis’ s. 2.301–302n. mit Lit.; DIETRICH 1965, 243ff. Die Doppelung θάνατον καὶ κῆρα(ς) an derselben Versstelle, aber im Gegensatz zu hier nicht nach einer verbalen Form am VA (hier ἐκφυγέειν), sondern ihr vorangestellt vor dem VE, findet sich auch in 17.714, Od. 12.157 (mit φύγωµεν bzw. φύγοιµεν), Il. 21.565, 5× Od., h.Cer. 262 (mit einer Form von ἀλύσκω; außerdem 2× Od.), während sie wie hier mit dem Epitheton µέλαιναν am VE erweitert ist 4× Od., 2× ‘Hes.’ (an beiden Stellen ergänzt), verkürzt auf κῆρα µέλαιναν bzw. in der Variante φόνον καὶ κ. µ. 8× Il., 3× Od., 1× Hes. Zu der in µέλας zugrundeliegenden

65 γούνων: = γονάτων (R 12.5 und 4.2). — µεµαώς: Ptz. zum Perf. µέµονα (‘streben, den Drang haben’). — περί: Adv., ‘mehr (als alles andere), überaus, sehr’. — θυµῷ: Ortsangabe ohne Präp. (R 19.2). 66 ἐκφυγέειν: zur unkontrahierten Form R 6.

Kommentar

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Vorstellung einer dunklen Wolke, die sich über das Bewußtsein der Sterbenden senkt, 2.834n.; BREMER 1976, 42f.; vgl. auch das Dunkel in der Unterwelt (56n.). Die Formel wird an der vorl. Stelle durch die Einfügung von κακός erweitert (ebenso Od. 22.14, in Il. 16.47 ohne µέλαιναν), das wie andere negativ besetzte Epitheta öfters (sonst noch 3.173, 22.300, Od. 24.153) θάνατος als Epitheton beigegeben wird; allg. zu den Epitheta von θάνατος VERMEULE 1979, 39. 219 Anm. 65. Zum ganzen Formelsystem HAINSWORTH 1968, 83; VERMEULE a.O., 220 Anm. 66; O’NOLAN 1978, 29.

67 2. VH = 161. — Speer: 60–61n. ἤτοι ὃ µέν: VA-Formel (16× Il., 3× ‘Hes.’, davon 2× ergänzt); ἤτοι und µέν sind nahezu synonym (RUIJGH [1981] 1996, 519–526); ihre Verbindung wirkt hier wohl emphatisch, zur Markierung der Parallelhandlung (64–73n.), mit in einem der nächsten Verse folgenden ὃ δ(έ) (68) wie in 11.373, 13.614, 15.634, 17.193 (‘Hes.’ fr. 33a.5 M.-W. mit ἣ δέ [ergänzt]), sogar unmittelbar im gleichen Vers in 4.537, 14.391, 14.405. — δόρυ µακρὸν ἀνέσχετο: Das Erheben der Lanze zum Angriff wird ebenfalls mit ἀνέχοµαι im Iterathalbvers, in der VA-Formel δούρατ᾿ ἀνασχόµενοι (11.594, 15.298, 17.234) und in Od. 19.448 ausgedrückt, als Variante mit ἀνέσχετο an derselben Versstelle wie hier, aber mit µείλινον ἔγχος in Il. 5.655. — δόρυ µακρόν: flektierbare Nomen-Epitheton-Formel am VE und nach der Zäsur A 4 (Nom./Akk. insgesamt 9× Il.), metr. Variante zu δόρυ χάλκεον (vgl. χάλκεον ἔγχος 200, 393) und δόρυ µείλινον (178). Im Dat. δουρί τε µακρῷ 3× Il. u. 1× ‘Hes.’ (alle am VE), im Pl. δούρατα µακρά 1× Il., 3× Od. (nach der Zäsur A 3 und am VE). Zu den Speer/ Lanzen-Epitheta (im 21. Gesang noch 139 δολιχόσκιον, 172 µείλινον, 402 µακρῷ) PARASKEVAIDES 1984, 25–27. — δῖος Ἀχιλλεύς: 39n. 68 1. VH = Od. 19.449; 2. VH = Od. 10.323. — οὐτάµεναι: οὐτάω bed. ‘stoßen, stechen; aus der Nähe verwunden’ (6.64n., im Gegensatz zu βάλλω s. 21.576); viell. ist hier allerdings vorausgesetzt (wenn sich Lykaon unter die Lanze bückt), daß Achilleus die Waffe schleudert (LEAF; TRÜMPY 1950, 92; anders schol. T), ähnlich wie Sarpedon in 16.467 (s.d.). — µεµαώς: bez. oft in Verbindung mit einem Inf. der Bed. ‘kämpfen’ oder ‘töten’ den “energ. aggress. Drang” (LfgrE s.v. µέµονα 122.58ff.). — ὑπέδραµε: “‘lief darunter’, unter den erhobenen Arm, der die Lanze schwang” (AH). — λάβε γούνων: flektierbare VE-Formel (Imp. Il. 1.407, sonst wie hier 2× Il., 4× Od.); Varianten: λάβε γούνατα vor der Zäsur C 2 in Il. 24.465, 24.478, γοῦνα λαβόντι vor der Zäsur B 2 in Od. 6.147; außerdem Il. 6.45 λαβὼν … γ.).

69–70 69 ≈ 20.279; 1. VH v. 70 = 20.280; ≈ 15.543, 20.399. — Hom. Helden vermeiden einen Treffer oft, indem sie sich klein machen, d.h. ducken (13.405/408, 67 ἤτοι ὅ: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — ὅ: anaphorisch-demonstrativ (R 17), dazu δῖος Ἀχιλλεύς als Apposition. 68 οὐτάµεναι: zur Form R 16.4. — λάβε: zur augmentlosen Form R 16.1. — γούνων: gen. part. zur Bezeichnung des ergriffenen Körperteils (ebenso in 71). 69–70 ὑπὲρ νώτου … | ἔστη: ὑπὲρ νώτου unmittelbar (ohne Verbum der Bewegung) mit ἔστη zu verbinden, ‘blieb stecken’. — ἐγχείη: zum -η nach -ι- R 2. — ἄρ(α): ‘also’ (R 24.1). — νώτου ἐνί: zum Hiat R 5.6. — ἐνί: = ἐν (R 20.1). — γαίῃ: = γῇ. — ἔστη, ἱεµένη: zum Hiat R 5.6. — ἄµεναι: zur Inf.-Endung R 16.4; zum Stamm ­. — ἀνδροµέοιο: zur Flexion R 11.2.

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15.520f., 20.276ff.); hier hat sich Lykaon geduckt, um Achilleus an den Knien zu fassen und ihn anzuflehen (65, 68). Daß (hier über Lykaons Rücken hinweg) die Waffe in die Erde fährt, ist ein häufiges Motiv des Mißerfolgs (meistens nach einem Schuß); Stellen s. 168n.; DANEK 1988, 139f. — lechzte, … sättigen: In der rhetorischen ‘Vermenschlichung’ der Waffe wird die Intention des Angreifers Achilleus auf seine Waffe übertragen, ähnl. von Lanzen 5.661, 8.111, 14.455, 15.542, 16.75, 20.279f., von einem Pfeil 4.126; es ist nicht klar, ob eine alte animistische Vorstellung dahinterliegt (Lit. dazu, auch zu den Parallelen in idg. Dichtung: 16.75n.; KOKOLAKIS 1981, 107–113; DE JONG 2012, 36 mit Lit.). Die Vorstellung hier, daß eine Waffe nach Sättigung lechzt, aber ihr Ziel verfehlt und im Boden steckt, findet sich (formelhaft ausgedrückt) auch in 11.574, 15.317, 21.168 und liegt viell. der vorl. Formulierung zugrunde, deren Sprache auf hohes Alter deutet (HOEKSTRA 1981, 68 Anm. 13; zur Sättigung s. auch 60–63n.). χροὸς ἄµεναι: χρώς kann wie hier den (verletzlichen) ‘Leib’ in seiner Gesamtheit bezeichnen (19.27n.; GAVRYLENKO 2012). Die Wurzel von ἄµεναι geht wie diejenige des sigmat. Inf.-Aor. ἆσαι (168) auf idg. *seh2- zurück (dt. satt, lat. satur, satis) und bed. ‘sich sättigen, satt werden’ (LIV 520f.). Die nur hier belegte Form ἄµεναι ist wohl eher als Inf. eines Wurzelaor. als eines Präs. zu betrachten, das erst in ‘Hes.’ Sc. 101 belegt ist; nach ἱεµένη paßt der Aor. auch besser als das Präs. (ebenso ist ἕωµεν in 19.402 wohl ein Aor. [zur Form s.d.]): RÜSING 1962, 163f.; HARÐARSON 1993, 207; kurz SCHW. 1.755; FRISK s.v. ἆσαι; contra RISCH 255; CHANTR. 1.292; BEEKES s.v. ἆσαι. — ἀνδροµέοιο: Kompositum zu ἀνήρ mit dem Suffix -µεος, das wohl einem aind. Stoffadj.-Suffix -maya- entspricht (RISCH 131; FRISK; zur Diskussion s. LfgrE); es bed. ‘zum Mann/Menschen gehörig, menschlich’ und ist als Epitheton fast nur (außer in 11.538 zu ὅµιλος) vom menschlichen Körper belegt, von χρόος wie hier noch 17.571, 20.100, vom Blut Od. 22.19, ‘Hes.’ Sc. 256, von Fleisch Od. 9.297, 9.347, 9.374 (LfgrE). 71 ≈ Od. 10.264; 2. VH ≈ Il. 6.45. — ἐλλίσσετο γούνων: VE-Formel (s.o.); Varianten λισσέσκετο γ. 9.451, γ. λίσσοιτο vor der Zäsur B 2 Od. 6.142 (mit λαβών statt ἑλών), 22.337; ähnl. am VA γ. ἐλλιτάνευσα 10.481; zur Verbindung mit ἑλών und dem Gen. γούνων (wie bei λαβὲ γούνων in 68: CHANTR. 2.53) vgl. γούναθ᾿ ἑλών 14.279. 72 2. VH (von der Zäsur C 2 an) ≈ 15.716, 16.762. — ἑτέρῃ ἔχεν: Der Hiat erklärt sich wohl aus metr. Gründen (Hiatkürzung im longum ist nicht möglich): Hinw. WACHTER. — ἀκαχµένον: immer vor die Zäsur C 2 gestelltes Epitheton bei Lanzen, vorwiegend bei ἔγχος (im Formelvers 10.135, 14.12, 15.482, Od. 1.99, 15.551, 20.127, variiert in ‘Hes.’ Sc. 135), dazu in Il. 12.444, 17.412 bei δόρυ; seine Herkunft ist unklar, es muß aber ‘mit einer Spitze versehen, scharf’ bedeuten (14.12n.). Zu den Speer-Epitheta allg. 67n.

71 αὐτάρ: adversativ, ‘aber’ (R 24.2). — τῇ ἑτέρῃ: erg. χειρί. — ἐλλίσσετο: zur Doppelkonsonanz (-λλ-) R 9.1. 72 οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8).

Kommentar

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73 Der Vers ist zwar in allen Hss. und Pap. (mit einer Ausnahme) überliefert (app. crit. von WEST), stand aber nicht in Aristarchs Text (schol. AT). Er bildet nach 71 (ellísseto ‘er flehte’) eine redundante Rede-EinleitungP (zur Formel s. 1.201n.). Deshalb wird er von WEST athetiert, ähnlich wie 3.389, 4.369, 13.480, 17.326 (WEST 2001, 12). In den vergleichbaren ‘Hikesie’-Szenen in 6.45, 11.130 folgt auf das Verbum des Bittens auch gleich die Rede ohne ein weiteres Verbum des Sagens; außerdem hat der Einschub eines Verses zwischen dem Verbum des Bittens und der Rede, hier 72, Parallelen, z.B. in 16.231–233, 24.723–725: APTHORP 1980, 147f. Zum Alter des Verses (wohl nach Aristarch eingefügt) und zu den überlieferten Varianten ERBSE 1959, 294; APTHORP a.O. 148–150. — gefiederten Worte: Die ‘gefiederten Worte’ (gr. épea pteróenta) bilden die häufigste Nomen-EpithetonFormel des fgrE: DEE 2010, 285. Zur Deutung von ‘gefiedert’ i.S.v. ‘sicher dahinfliegend und daher treffsicher’ s. 1.201n. mit Lit.; ferner LfgrE s.v. πτερόεις; REECE 2009, 315–319. καί µιν φωνήσας: flektierbare VA-Formel (16.6n.). — ἔπεα πτερόεντα προσηύδα: flektierbare VE-Formel (16.6n.). Zum Anlaut von προσηύδα (ohne positionsbildendes πρ-) s. 1.201n.

74–96 Zweiter Teil der Typisierten EreignissequenzP ‘Hikesie’ (64–73n.): Bittrede, ähnlich wie in einem Gebet mit den Grundelementen Anrede (74 u. 75), performatives Verb (74 gounoumai ‘ich flehe an’), Legitimierung der Bitte (passim), Bitte selbst (74, s.d.; 95 mē me ktein’ ‘töte mich nicht’); zu den Bittreden allg. FINGERLE 1939, 195–201. Die Legitimation ist hier besonders ausgeprägt wie in Od. 6.149– 185 (Odysseus zu Nausikaa) oder 9.259–271 (Odysseus zu Polyphem) und enthält drei Teile: Erinnerung an die frühere Gefangenschaft, den Tod des Bruders Polydoros und den Hinweis, daß er nur ein Halbbruder Hektors ist. Im Gegensatz zu den anderen drei Reden in ‘Hikesie’-Szenen, in denen Kämpfer gleich um ihr Leben flehen (zōgrei(t’) ‘nimm/nehmt lebend gefangen’ in Il. 6.46, 10.378, 11.131) und nach dem Schema da et dabo reiches Lösegeld in Aussicht stellen (6.46–49, 10.378–380, 11.131–134), erscheint Lykaons Vorgehen umsichtiger: Er bittet zuerst nur darum, ihn als hikétēs, Schutzflehenden, zu betrachten, und begründet das mit der Erinnerung an die Speisegemeinschaft, die er als Gefangener mit Achilleus hatte (76–79; erneute AnalepseP der Gefangennahme Lykaons, hier aus der Sicht Lykaons: DI BENEDETTO [1994] 1998, 66f.). Er appelliert somit an Achilleus’ (religiöse) Scheu und Rücksicht (74n., 76n.) und erinnert an seine frühere Milde, die er wiederholen soll (Schema da, quia dedisti, dazu 16.236–238n.): ΜΠΕΖΑΝΤΑΚΟΣ 1996, 168. Wenn er die Höhe des damaligen Lösegelds hervorhebt, gibt er Achilleus nur indirekt zu verstehen, wieviel er jetzt für ihn erhalten könnte (80n.), vermutlich, so ist vorzustellen, weil er sich bewußt ist, daß Achilleus in seinem Rachedurst nach 73 µιν: = αὐτόν (R 14.1). — ἔπεα: zur unkontrahierten Form R 6.

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Patroklos’ Tod kein Interesse an Gütern als Kompensation hat (wie auch das Ende der Rede zeigt): SCODEL 2008, 88. Deshalb vermeidet er es, von Lösegeld zu reden (ápoina) und das Ganze als Geschäft darzustellen (PEDRICK 1975, 77), und stellt sich als todgeweiht dar. Ein resignierter, pessimistischer Ton wie in 92f. findet sich auch in anderen Bittreden, so z.B. in Leodes’ Flehen (Od. 22.318f.) oder in Odysseus’ Worten an Nausikaa (Od. 6.172–174): Mit dem Bekenntnis, völlig hilflos zu sein, wird an das Mitleid appelliert (FENIK 1974, 184 Anm. 86. 197), hier mit der Erwähnung der Entfernung von den Angehörigen (Il. 21.78), der leidvollen Rückkehr erst vor kurzer Zeit (80–82), der Aussicht der Mutter auf den Tod beider Söhne (89): DENTICE DI ACCADIA AMMONE 2012, 264f. Verschiedentlich ist 94–96 kritisiert und athetiert worden: Die eindringliche Aufforderung in 94 passe nicht zu einer Bittrede, der Hinweis auf die Verwandtschaft mit Hektor sei sinnlos nach der Erwähnung von der Tötung des Polydoros, und Achilleus gehe nachher in seiner Rede auf die Bitte nicht ein; außerdem passe Patroklos’ Charakterisierung als mild (96) nicht zu einem Troer und Lykaons Rede würde besser wie die parallel zu ihr gebaute Rede des Achilleus mit der resignierenden Aussicht auf den Tod enden (LEAF zu 94–96; LOHMANN 1970, 106). Der Hinweis auf das Verwandtschaftsverhältnis zu Hektor, bereits in V. 85 durch die Erwähnung der Mutter Laothoë vorbereitet, erlaubt aber die finale, verzweifelte, aber rational begründete Bitte, auf die alles hinausläuft (GRIFFIN 1980, 55; RICHARDSON zu 94–96); damit greift Lykaon das alles überragende Motiv der Rache für Patroklos’ Tod auf (“the main issue that separates them and the greatest obstacle to his own survival”: KELLY 2014, 159). Lykaon ist sich bewußt, daß Achilleus das Recht zur Rache hat (28n.). Achilleus geht im übrigen durchaus auf Lykaons Beziehung zu Hektor ein, wenn er darauf insistiert, daß er keinen von Priamos’ Söhnen schonen will (103–105; PEDRICK a.O. 133 mit Anm. 95). Die Erinnerung an Patroklos’ Milde soll ferner an ein entsprechendes Mitleid bei Achilleus appellieren (schol. bT; ZANKER 1994, 41), vielleicht auch Verständnis für das Ausmaß von Achilleus’ Verlust zeigen (DENTICE DI ACCADIA AMMONE a.O., 266). Die Rede charakterisiert im Ganzen Lykaon als zwar verzweifelten, aber durchaus geschickten Redner für seine Sache, der rational mit verschiedenen Argumenten für sein Leben kämpft und keineswegs zwischen Hoffnung und Verzweiflung haltlos schwankt (PEDRICK a.O. 77; DENTICE DI ACCADIA AMMONE a.O. 268; anders MARG 1976, 16). Es ist deshalb auch nicht (mit KULLMANN 1960, 293; [1965] 1992, 190f.) anzunehmen, daß Lykaon hier – wie schon in 20.79ff., anläßlich von Apollons Aufruf in Gestalt des Lykaon an Aineias, Achilleus anzugreifen, – als sich selbst überschätzender Mensch charakterisiert werden soll; die herabsetzenden Worte über Achilleus’ Herkunft in 20.106f. erklären sich bloß aus der Paränese des Gottes in der Gestalt eines Troers. Da die Hörer wissen, daß Achilleus Lykaons Tod beschlossen hat (54–63n.), wirkt die Voraussage (82ff., 89ff.) um so tragischer und ergreifender.

Kommentar

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74 ≈ Od. 22.312, 22.344; 1. VH ≈ Od. 6.149; 2. VH ≈ Il. 22.82, 22.419. — Hab Scheu … zeige … Mitleid: Die Wortfamilie aid- (an der vorl. St. im Verbum aidéomai; häufig Subst. aidōs) wird für einen zentralen Wert der Ilias verwendet, die Scheu und Rücksicht vor anderen; hier mit derjenigen von ele- verbunden (im Verbum eléomai) zur Bezeichnung des Impulses zum Handeln aus Mitleid, ‘sich erbarmen’, ebenso öfter in Kombination in den Gesängen 21–24, meist wie hier im Munde von Troern, die von Achilleus Schonung erbitten/erhoffen oder seine Schonungslosigkeit befürchten (22.82, 22.123f., 22.419, 24.44, 24.207f., 24.503; ebenso neben den Iteratversen Od. 19.253f.): 24.44n. mit Lit. Zu der vermutlichen Nachahmung der Szene im 22. Gesang der Odyssee USENER 1990, 131–140. γουνοῦµαι: denominale Bildung zum obliquen Stamm γουν- ( *-o[h]o > /ō/ ; anders MEIER-BRÜGGER 1992, 79f.: *-o-si̯ o > -oi̯ i̯ o > -οιο bzw. -οο; letzteres > /ō/ , später ; neue Theorie bei WILLI 2008, 249f.: viell. -οο eine spezielle Form der Diektasis). — ἐν χερσὶ βάλησιν: 47n. 105 καὶ πάντων Τρώων: καί verstärkt πάντων (LEAF: “‘even all’, i.e. ‘I will go so far as to say all’”); ebenso bei πᾶς in Od. 4.777, 20.156, 22.33, 22.41 (AH). Die partitiven Gen. πάντων Τρώων hängen wie das folgende παίδων von ὅς τις in 103 ab (AH). — πέρι δ᾿ αὖ: Das häufige δ᾿ αὖ (KLEIN 1988, 250) ist hier additiv und zugleich verstärkt es nach καί (in 10.108 davor gesetzt) das emphatische πέρι (LfgrE s.v. αὖ 1524.56ff.; KLEIN a.O. 259f.). — Πριάµοιό γε παίδων: 97n.

106 auch du: in 107ff. erklärt (99–113n.).

φίλος: Der Kasus, Nom. statt Vok., ist wohl aus metr. Gründen gewählt (ebenso in 4.189, s.d.). — τίη: zur Schreibung in einem Wort WEST 1998, XXIf. ἦ ist in der Verbindung mit τί wie in ἐπεὶ ἦ (1.156) zu einem bloßen Suffix mit der Funktion von δή geworden (DENNISTON 286). 107 2. VH = 7.114; ≈ 16.709; von der Zäsur C 2 an = 6.479, 11.787. — κάτθανε καὶ Πάτροκλος: erinnert an ἀλλὰ ̣ … θάνε καὶ σύ (106) und verstärkt so die Parallele (99– 113n.): RICHARDSON zu 106–7.

108 1. VH ≈ 15.555; bis zur Zäsur A 4 = 7.448, Od. 17.545. — schön …von … Größe: Ein schönes Aussehen, wie es von Achilleus auch in 2.674 hervorgehoben wird (KULLMANN 1960, 43), weist auf kämpferische Tüchtigkeit, ganz besonders auch eine bei Gegnern furchteinflößende Größe (3.166–170): 3.44–45n.; PATZER 1996, 166; kurz auch LfgrE s.v. µέγας 70.20ff. Die gedankliche Verbindung der besonders die Lebendigkeit betonenden Schönheit mit der Vorstellung der drohenden Hinfälligkeit wird gerade auch in solchen doppelten Charakterisierungen wie hier öfter zum Ausdruck gebracht (5.628, 6.8, 11.221, 20.457) und ist als Hinweis auf einen bevorstehenden Tod ein Thema (in 316 gegenüber Achilleus; 3.54f. gegenüber Paris): BERNSDORFF 1992, 21f. 105 πέρι: adv. (‘überaus, besonders’), vgl. 65n. u. R 20.2. 106 φίλος: ≈ φίλε. — τίη ὀλοφύρεαι οὕτως; zu den Hiaten R 5.6 bzw. R 5.5. — τίη: ‘warum?’. — ὀλοφύρεαι: zur unkontrahierten Form R 6. 107 κάτθανε: = κατέθανε (R 16.1; R 20.1). — ὅ: demonstr.-anaphor. Pron. in der Funktion eines Rel.-Pronomens (R 14.5). — περ: konzessiv (R 24.10). — σέο: = σοῦ (R 14.1). — πολλόν: Adv. 108 ὁράᾳς: zur ep. Zerdehnung R 8.

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Ilias 21

οὐχ ὁράᾳς, οἷος: Der VA-Formel οὐχ ὁράᾳς (s.o. zu den Iterata), die ‘du siehst doch selbst’ als Aussage gleichkommt, entspricht auf der akustischen Ebene οὐκ ἀΐεις in 10.160, 15.130, 15.248, Od. 1.298, 18.11 (BECHERT 1964, 375f.). οἷος in Verbindung mit einem präd. Adj. hat wie in Il. 15.94 und 24.376 nahezu die Bed. von ὡς. Nominalsätze mit einem zu ergänzenden Präd. in der 1. oder 2. Pers. sind selten (CHANTR. 2.4f.; 19.140–141n.). — καλός τε µέγας τε: flektierbare Formel am VE (Nom. noch Od. 6.276, Akk. 2× Od.) und am VA (Nom. 1× Il., 3× Od., Dat. 2× Od., Akk. 1× Od.), dazu im Versinnern µέγαν καὶ καλόν Od. 9.513; in der Ilias verbreitetere Variante ἠΰς τε µέγας τε (flektierbare VE-Formel, 8× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’).

109 1. VH ≈ 14.113, Od. 21.335; 2. VH ≈ Il. 1.280. — edlen: Die adlige Herkunft gilt in der Adels-Ideologie als selbstverständliche Voraussetzung, um sich zu bewähren (14.113, s.d., Od. 4.611, 21.334f., h.Cer. 214). — Göttin: Ungeachtet des immer wieder geschilderten übermenschlichen Kampf-Erfolgs eines Helden mit halbgöttlicher Abstammung wie Achilleus (6.100n.) kann auch er in der Ilias nicht dem Tod entrinnen (zum Motiv, mit Stellen und Lit., 16.441n., 18.117–121a n.; vielleicht soll man sich speziell auch an die paränetischen Worte Apollons in Gestalt des Lykaon erinnern [20.105–107]). Der Hinweis auf die Mutter, von Lykaon dazu verwendet, um seine Distanz zu Hektor zu betonen und so sein Leben zu retten (99– 113n.), wird so in Achilleus’ Mund zu einem Argument für die eigene und damit auch Lykaons Todesverfallenheit (LOWENSTAM 1993, 115). θεά: Apposition mit quasi-adjektivischer Funktion in chiastischer Stellung zu ἀγαθοῖο; entspricht dem Sinne nach ἀθανάτη τέκε µήτηρ in 17.78 und der Bez. der Sterblichkeit als Gegenstück in γυνὴ δέ µε/σε γ. µ. in h.Ven. 110/145 (LfgrE s.v. θεά 982.35ff.; zu solchen häufigen Appositionen allg. SCHW. 2.614). — γείνατο µήτηρ: VE-Formel (insges. 7× Il., Od. 6.25, h.Ven. 110, 145). Zu γείνατο 85n.

110–113 Die Prophezeiungen von Achilleus’ Tod, externe ProlepsenP, beginnen schon am Anfang des Epos (84n.), verdichten sich aber nach Patroklos’ Tod und der damit einhergehenden Verdüsterung von Achilleus (99–113n.) in den letzten Gesängen und werden immer konkreter (19.328–333n., 19.409–410n.; beide mit Lit.), hier aber in der Rede an Lykaon zur Betonung der Akzeptanz des eigenen frühen Todes relativ allgemein im Vergleich zu später, in 277f. (BURGESS 2009, 44. 53). Der im Gegensatz zu Prophezeiungen von Troias Untergang an einem Tag (4.164, 6.448) auf drei Tageszeiten erweiterte Ausdruck des Zeitpunktes (AH zu 111; ROTH 1989, 73), die Hervorhebung der eigenen Person (110, 112) und der die Kampfkraft voraussetzenden Nennung ausschließlich von Fernwaffen (AH; ebenso in 278) wirken besonders emphatisch. 110 2. VH = 5.83, 16.334, 16.853, 20.477, 24.132; ≈ 3.101, 17.478, 17.672, 22.436; von der Zäsur C 2 an = 5.629, 19.410, 24.209. — θάνατος καὶ µοῖρα: synonymische Doppelung; zu 109 πατρὸς … ἀγαθοῖο: gen. originis. 110 ἔπι: = ἔπεστι ‘steht bevor’. — τοι: zur Funktion der Partikel R 24.12.

Kommentar

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den vielfältigen bedeutungsähnlichen Junkturen 66n. — µοῖρα κραταιή: VE-Formel (s.o.), dazu ‘Hes.’ fr. 212(b).1 M.-W. (ergänzt) im Versinnern. Die Wortbildung von κραταιός ist nicht abschließend geklärt (Übersicht bei BREUIL 1989, 39 Anm. 51): Suffigierung mit -αι(wie χαµαί, πάλαι) und Adj.-Endung wie παλαιός (vorsichtig FRISK; DELG) oder sekundäre Bildung zu κρατύς, fem. κραταιά (als Hypothese bei RISCH 74). κραταιή ist das häufigste Epitheton von µοῖρα neben ὀλο(ι)ή (DIETRICH 1965, 194f.; vgl. 83n.).

111 Der Tag wird wie in 8.66–68 in drei Teile eingeteilt, so daß auch der Mittag eine Zeitdauer bezeichnet (LfgrE s.v. δείλη; anders h.Merc. 17f., wo die Dreiheit Zeitpunkte bezeichnet), kürzer als bei der ebenfalls belegten Zweiteilung wie in Od. 7.288 (zur antiken Zeiteinteilung mit Vergleichen aus anderen Kulturen NILSSON 1920, 23ff.; zu den Scholien SCHMIDT 1976, 198f.). Die sich über einen ganzen Vers erstreckende Benennung der Todeszeit mit der Dreiteilung, indem den zwei Nennungen des Anfangs und des Endes des Tages eine Mitte hinzugefügt wird, stellt eine wohl in der Umgangssprache wurzelnde Erweiterung einer polaren Ausdrucksweise dar und dient der Emphase (FEHLING 1969, 276f. mit Anm. 9; s. auch 110–113n.; die ausführliche Angabe mag auch mit Achilleus’ Stil zu tun haben: vgl. 184–199n.). Die Tageszeiten dürften aber darüber hinaus auch wie andere Zeitangaben im Schlachtgeschehen mit bestimmten Phasen assoziativ verbunden sein (AUSTIN 1975, 87 gibt die Verse frei wieder: “Perhaps as I go out to another battle in glad expectation of victory, perhaps it will be in the melee of battle as I strain every muscle under the burning sun, or perhaps just as the armies separate for another night, then death will seize me”; dem entspricht die narrative Funktion von Zeitangaben bei Kampfschilderungen, die eine Wende angeben: 16.777–780n.). ἔσσεται: emphatisch am VA wie in 4.164, 6.448, in explikativem Asyndeton (AH). — ἠώς: zur Bezeichnung der Zeitdauer zwischen Morgenröte und Mittag auch 8.66, 11.84, Od. 7.288, ebenfalls mit µέσον ἦµαρ am VE (SCHMIDT 1976, 199). — δειέλη: substantiviertes Adj. (erg. ἡµέρα) zu δείελος ‘nachmittäglich’ (Od. 17.606, Hes. Op. 810, 821): ‘Nachmittag’ (LfgrE s.vv. δείλη bzw. δείελος). Diese Konjektur anstelle der überlieferten Lesart mit Kontraktion, δείλη (app. crit. von WEST), vermeidet den ungewöhnlichen Hiat vor der Zäsur C 2 ohne Hiakürzung der langen Endsilbe -η und paßt zu den sonstigen Belegen des Wortstammes im fgrE (s.o., außerdem die Aor.-Form δειελιήσας Od. 17.599); dies wäre allerdings auch bei der konjizierten Mask.-Form wie in Il. 21.232 der Fall (LEAF; WEST 2001, 257, beide auch zur Lesart δείλης, die wohl auf falscher Interpunktion beruht). 112 1. VH ≈ 19.201, 24.374. — ἄρῃ: zu der hier in den Hss. überwiegend vokalstämmig überlieferten Form (app. crit. von WEST) G 53. Die Bed. ist nicht sicher zu bestimmen, es dürfte aber beides – Ares in persona (‘mit Hilfe von Ares’, ‘für Ares’) und als Metonymie (‘im/durch den Kampf’, ‘mit der Waffe von Ares’) – mitschwingen, ähnlich wie in anderen Umschreibungen für kriegerische Tätigkeiten (für ‘töten’ auch 9.532 u. Od. 20.50): LfgrE

111 ἔσσεται: = ἔσται (R 16.6). — ἠ(ὲ) ἠώς: zum Hiat R 5.1. — ἠώς: 80n. 112 ὁππότε: zum -ππ- R 9.1; in prospektivem Sinn, ohne ἄν (R 21.1). — ἐµεῖο: = ἐµοῦ (R 14.1). — ἐκ … ἕληται: zur sog. Tmesis R 20.2.

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Ilias 21

s.v. ῎Αρης 1261.52ff. Zur metonym. Verwendung von Götternamen allg. s. auch FG 28. — ἐκ θυµὸν ἕληται: flektierbare VE-Formel (noch 5× Il., 2× Od.), wie in der Variante mit ἀπό (6× Ιl., 2× Od.) nur in finalen, kupitiven, hypothetischen oder prospektiven Sätzen (Inf., Konj., Opt.). θυµός ist wie in anderen Umschreibungen für ‘töten’ bzw. ‘sterben’ i.S.v. ‘Lebenskraft, vitale Energie, Leben’ verwendet (16.410n.; zur Etymologie 3.294n.).

113 2. VH = 13.585. — Die zweite Alternative, die sich normalerweise in der Ilias als die zutreffende erweist (TAPLIN 1992, 245f.; ähnl. in Kombinationen von ‘falschen’ und ‘wahren’ Vorahnungen: MACLEOD zu 24.734–8; ebenso beim Erwägen zweier Möglichkeiten, 16.646b–655n.), entspricht wohl der Tradition, der Erzählung von Paris’ Pfeilschuß mit Hilfe von Apollon, die in der ‘Aithiopis’ erzählt war (Proklos Chrest. § 3 West; KULLMANN 1960, 312. 323; angekündigt in 22.359f.; eine Sammlung der Quellen bei BURGESS 2009; speziell z.St. 44. 47. 53). δουρὶ βαλών: an derselben Versstelle noch 20.458 und 20.462 (ebenso als Teil einer Antithese), am VA als zusätzliche Erklärung in 11.144, 11.321, 20.437 (VISSER 1987, 316).

114–119 Die Breite, mit der Lykaons Reaktion erzählt wird (114–116a), hebt mit jeder einzelnen Bewegung seinen körperlichen und seelischen Zusammenbruch unter der Wirkung von Achilleus’ Worten hervor: Er, der wiederholt ums Überleben und die Heimkehr nach Troia gekämpft hatte (74–96n.), gibt auf (schol. A u. bT zu 115; REUCHER 1983, 388: ‘es hat etwas Erschütterndes”; THORNTON 1984, 139; MPEZANTAKOS 1996, 168), anders als Dolon in 10.378–381/442f., Hippolochos 11.145 (KELLY 2014, 159 Anm. 34). Während so das Motiv der Unausweichlichkeit des Todes für alle Troer (99–113n.) weiter im Vordergrund steht, hebt die ebenso breit, aber in schnellem Tempo erzählte, rasch vollendete Tötung mit einem scharfen Schwert (116b–118a) Achilleus in seiner Handhabung mit dem Schwert hervor, bevor die bewegte Erzählung in einem ruhigen, dreigliedrigen Bild von dem Toten endet (118b f.), dessen Lage auf der Erde den Ausgangspunkt für Achilleus’ Schändung des in den Fluß geworfenen Leichnams markiert (120ff.). Der Eindruck von Lykaons Wehrlosigkeit und der mit dem Tod endenden Unterlegenheit aller Troer wird noch durch den Anklang der Tötung an ein Tieropfer verstärkt (der offenbar nahelag: vgl. 20.403–405: ein getroffener Kämpfer brüllt wie ein Stier beim Opfer), so durch den Stoß in die Halsgegend (89n.) und das auf die Erde tropfende Blut wie bei einer Libation (23.220). Dies fügt sich ein in die Reihe der vielen Tötungen als Rache, d.h. als Opfer für Patroklos, ganz besonders auch der Menschenopfer (26b– 33n.): KITTS 2005, 163f.; NEAL 2006, 249f. mit Anm. 56; DANEK 2016, 38. Die Enjambements heben die resignative Geste (116 ἀµφοτέρας), den schnellen Todesstoß des guten Schwertes (118, mit einsilbigem δῦ am VA: RICHARDSON zu 114–19) und das Daliegen des Toten hervor (119). 113 ἠ(έ) … ἤ: ‘entweder … oder’. — ἠ(ὲ) ὅ: zum Hiat R 5.1. — ὅ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); nimmt τις (112) auf. — ἀπὸ (ν)νευρῆφιν: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — νευρῆφιν: Gen. Sg. (R 11.4).

Kommentar

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114 = Od. 24.345; ≈ Il. 21.425, Od. 4.703, 23.205 (τῆς), 22.68 (τῶν); 2. VH = 5.297, 5.406, 22.147. — Der Vers bezeichnet eine psychosomatische Reaktion, wie sie sehr häufig in Bezug auf die Knie als Kraftzentrum (65n.) als Folge von starken Emotionen wie hier (114–119n.), tödlichen Verwundungen, starken Prellungen (425) oder Erschöpfung erwähnt wird (6.27n.): Die Muskelanspannung wird gelockert, die Knie (góunata) knicken ein, es kommt zum “körperliche[n] Zusammenbruch” und gleichzeitig wird auch die innere Festigkeit (ētor), der seelische Widerstand aufgegeben (JAHN 1987, 232f., das Zitat S. 232; zu den Knien auch KURZ 1966, 28). — Knie: Lykaons Knie werden schwach, und er setzt sich aus der wohl geduckten Stellung des Bittflehenden (69–70n.) auf die Unterschenkel (FRIEDRICH 1956, 101). ὣς φάτο: Rede-AbschlußformelP, leitet zu einer Reaktion des Angesprochenen über, wie sie gleich von Penelope in Od. 22.68 und den Freiern in 23.205 erzählt wird (zur Einführung von anderen Reaktionen nach dieser Formel allg. 2.142n.). — λύτο γούνατα: γούνατα und (ὑπο-)λύειν werden oft verbunden, in der vorl. Halbversformel (s.o.), mit medio-pass. λύω noch Od. 18.212 und h.Cer. 281, mit akt. in der flektierbaren Formel γούνατ᾿ ἔλυσ- (8× Il., 4× Od. am VE, Il. 22.335 im Versinnern). Ebenso häufig ist die Variante mit γυῖα + (ὑπο-) λύειν: mit medio-pass. λύω wie hier 6× Il., 2× Od. am VE, 1× Il., 2× Od. im Versinnern, akt. λῦσε/ὑπέλυσε δὲ γυῖα (10× Il. am VE, dazu λύε γυῖα 17.524 und ὑπέλυσε µένος καὶ φαίδιµα γυῖα 6.27. Zur Form λύτο 80n. — φίλον ἦτορ: VE-Formel (13× Il., 19× Od., 2× Hes.), außerdem im Versinnern (2× Il., 2× Od. nach der Zäsur A 4; 3× Il., 1× Od. nach der Zäsur C 1). ἦτορ bez. wie φρήν und θυµός eine seel.-geistige Instanz und ihren Sitz (19n.). φίλος ist hier, wo ἦτορ prägnant verwendet ist (s.o.), affektiv (zur häufigen Verblassung zum reinen Poss.-Pron. 3.31n.).

115 1. VH ≈ Od. 1.127, 17.29; 2. VH = Il. 14.495, ≈ Od. 9.417; von der Zäsur C 2 an = Od. 5.374, 24.397 (ebenfalls mit ἀµφοτέρας im folgenden Vers); vgl. Il. 4.523, 13.549. — Lanze: Lykaon hatte die Lanze ergriffen und hielt sie fest (72), um Achilleus daran zu hindern, sie aus dem Boden zu ziehen und ihn erneut anzugreifen (64–73n.). — breitete … aus: Die vorhergehenden Bewegungen (114n.) deuten darauf hin, daß dies ebenfalls primär als Geste der Resignation zu verstehen ist (114–119n.; in 4.522f., 13.548f., 13.653, 14.495f. Sterbegebärde nach der tödlichen Verwundung: 14.495b–496a n.); sie setzt voraus, daß Lykaon Achilleus’ Knie losgelassen hat, was diesem die Tötung erleichtert (ebenso, wenn Menelaos in 6.62f. den Bittflehenden von sich stößt, bevor ihn Agamemnon tötet), aber nicht eine Voraussetzung für die Tötung eines Bittflehenden ist (20.468f. wird Tros noch während der Umklammerung der Knie getötet, ebenfalls der Freier Leodes in 114 ὥς: = οὕτως. — φάτο: 3. Sg. Impf. zu φηµί; zum Medium R 23; zur augmentlosen Form R 16.1. — τοῦ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17; gemeint ist Lykaon. — αὐτοῦ: Adv., ‘auf der Stelle’ (zeitl.). — γούνατα: = γόνατα (R 12.5). 115 ῥ(α): = ἄρα (R 24.1). — ὅ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17). — χεῖρε: Akk. Dual., ‘Arme’. — πετάσσας: Ptz. Aor. zu πετάννυµι; zum -σσ- R 9.1.

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Od. 22.310f./326ff.; sehr oft wird der Kontakt gar nicht erwähnt): KURZ 1966, 27; ROISMAN 1982, 35; TAPLIN 1992, 224; dagegen mit mehr Gewichtung des Loslassens als ‘Spielregel’ des Rituals GOULD 1973, 80f. (6.61–65n.); Besprechung aller Stellen bei GRAJEW 1934, 25f. ἀφέηκεν: im fgrE häufig belegte Form mit syllabischem Augment (gegenüber ἧκα), beruht auf *e-i̯ ēk- (wie lat. ieci) > *ehēk- > heēk- (RIX [1976] 1992, 61), viell. schon in myk. a-pee-ke /ap-ehēke/ (MYK s.v. ἵηµι). 116 ≈ 14.496; 2. VH = 12.190, 20.284; ≈ 4.530. — ξίφος ὀξύ: ὀξύς ist ein häufiges Epitheton von ξίφος (am VE: s. Iterata, außerdem Od. 21.431, im Versinnern noch 11× Od.), sehr häufig mit ἐρυσσάµενος kombiniert (noch nach der Zäsur A 4 5× Od.); Varianten am VE: ἐρυσσάµενος ξίφος ἀργυρόηλον / ἄορ ὀξύ 3.361, 13.610 / ‘Hes.’ Sc. 457, im Versinnern: ἄορ / φάσγανον ὀξὺ ἐρυσσάµενος Il. 21.173, Od. 10.321, 11.24 / Il. 1.190.

117 Schlüsselbein: Das nur in Kampfszenen genannte Schlüsselbein, zwischen Schulter und Hals (näher lokalisiert wie hier auch in 5.146, 8.325f., 17.309, 22.324), “bezeichnet die Stelle, wo (durch abwärts in Richtung auf das Herz geführten Stich) tödliche Verletzung zugefügt werden kann” (LfgrE s.v. κληΐς 1444.15ff.), speziell geeignet bei niedergesunkenen, wehrlosen Bittflehenden (deutlich auch auf einem Vasenbild klass. Zeit: Achilleus tötet Penthesilea: LASER 1983, 28f.); zu etwas anderen Verletzungen am Hals bei Bittflehenden (20.469f. Stoß in die Leber, 10.455 und Od. 22.328 Stoß mitten in den Hals) FRIEDRICH 1956, 45; USENER 1990, 132. τύψε: ‘stieß’: Das damals gebrauchte Schwert wurde sowohl für Hiebe und Stiche verwendet; hier ist letzteres wie in 20, 4.531, 20.469, 21.180 gemeint (Stöße in die Eingeweide), 21.180 (zum archäol. Befund der sog. ‘Griffzungenschwerter’ FRANZ 2002, 68f.). — κληῗδα: mit Dental erweiterter ī-Stamm wie κνηµίς (zu κνήµη gebildet), verwandt mit lat. clavus, clavis (FRISK s.v. κλείς; MEIER 1975, 65f.), bez. alles mit der Form eines kurbelförmigen Stabs, bes. den ‘Riegel, Schlüssel’ (6.89n.), hier das ‘Schlüsselbein’ (LfgrE s.v. κληΐς 1442.39ff.).

117b–118a Die Darstellung, wie das Schwert ‘ganz eintaucht’, evoziert die Tiefe und Letalität der Wunde wie in 16.333f. 118 2. VH = 16.413; ≈ 15.543, 16.310, 16.579, 17.300. — ἄµφηκες: Possessivkompositum, aus ἀµφί und Hinterglied zur Wz. ἀκ- (ἄκρος oder ἠκή als Grundform), wie τανυήκης, ταναήκης u.a. (LfgrE, mit Lit. zur Wortbildung; FRISK s.v. ἠκή). Das Wort wird immer als Epitheton des Schwertes verwendet (ξίφος oder φάσγανον) und steht vor der Zäsur B 1 (hier, 10.256, Od. 21.341) oder C 1 (16.80); es bed. ‘mit einer Schneide auf beiden Seiten’, ‘beidseitig scharf’, was wohl die Wirksamkeit der Waffe an sich wie ὀξύ (Il. 21.116), aber spezifisch die der ganzen Kanten hervorhebt, ähnlich wie χάλκεον, ἀµφοτέρωθεν ἀκαχµένον (Od. 5.235, 22.80), und vergleichbar τανυήκης, das die Spitze der Waffe bezeichnet 116 Ἀχιλεύς: zum einfachen -λ- R 9.1. — δὲ (ϝ)ερυσσάµενος: zur Prosodie R 4.3. 117 δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). 118 δῦ: = ἔδυ; zur augmentlosen Form R 16.1. — ἄµφηκες(ς)· ὅ: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — γαίῃ: 69n.

Kommentar

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(16.473n.); es ist also i.S.v. ‘vorzüglich scharf’ zu verstehen: LfgrE a.O.; LORIMER 1950, 275; FOLTINY 1980, 238. Diese Eigenschaft ermöglicht ein besonders gutes Eindringen des gestoßenen Schwertes bis zum Griff (Il. 21.117) und hebt so auch Achilleus’ Leistung hervor (FRIEDRICH 1956, 102). — πρηνής: bezieht sich i.d.R. auf sterbende oder tote Krieger, die kopfüber zu Boden fallen bzw. (seltener) wie hier, 2.418 und 4.544, schon mit dem Gesicht nach unten daliegen (LfgrE); hier ist wohl gemeint, daß Lykaon auf den Unterschenkeln sitzend (115) nach vorne fällt (FRIEDRICH 1956, 101 Anm. 1).

119 = 13.655 (VE v. 13.654 = 118). — Der Blick auf den der Länge nach hingestreckten reglosen Toten markiert meist das Ende einer Kampfszene (16.485n.), hier der Tötung des Bittflehenden, zugleich als Grundlage für die anschließende Erzählung, wie Lykaon geschändet wird (KURZ 1966, 30. 33). Das Bild der vom Blut eines Toten befeuchteten Erde erinnert an das Bild der Blutströme auf der Erde (4.451, s.d.) und das bei Aischylos und in aind. und altengl. Epik belegte Motiv des Gefallenenblut trinkenden Bodens (WEST 2007, 491); vielleicht ist auch hier wie bei Verbindungen mit Wörtern, die sich auf die Fruchtbarkeit der Erde beziehen (62–63n.), an den Gegensatz zwischen Tod und Hervorbringen von Leben zu denken (MUELLER [1984] 2009, 84; vgl. in Aisch. Pers. 595–597 einen ähnl. Gegensatz: Hinw. BIERL). κεῖτο ταθείς: ebenso am VA 13.655, Variante am VE κεῖτο τανυσθείς (3× Il.), in Formelsprengung τανυσθεὶς | κεῖτο 18.26f., außerdem Od. 9.298 κ. … τανυσσάµενος; dasselbe wird mit bloßem medio-pass. τείνω in Il. 4.536, 4.544 bzw. nur mit κεῖµαι in 11.162 ausgedrückt. — αἷµα µέλαν: Nomen-Epitheton-Formel, am VA (2× Il., 1× ‘Hes.’), vor der Zäsur C 1 hier und 13.655, µέλαν αἷµα insgesamt 8× im fgrE am VE und vor den Zäsuren A 4 oder C 1 (6× Il., 1× Od., 1× hom.h.) sowie in Formelsprengung Il. 7.262. Die dunkle Farbe des Blutes, die den Kontrast zur helleren Haut und metaphorisch den düsteren Tod betont (16.529n.; anders 21, s.d.), wird auch ausgedrückt mit κελαινός (αἷµα κελαινόν: VE 2× Il., 3× Od., vor der Zäsur B 2: 2× Il., 2× Od.) und κελαινεφής (αἷµα κ. vor der Zäsur C 2: 2× Il., 2× Od., κ. αἷµα nach der Zäsur B 2: 3× Il.): Stellensammlung bei NEAL 2006, 296. — δεῦε δὲ γαῖαν: VE-Formel (noch 2× Il., 1× Od.).

120 Vgl. 10.490; 1. VH ≈ 23.794. — Das ruhige Bild des auf der Erde daliegenden Leichnams wird gleich durch Achills Bewegung aufgehoben, die die Szene wieder mit Skamandros und damit dem später folgenden Flußkampf verbindet (FRIEDRICH 1956, 101).

ποταµόνδε … ἧκε φέρεσθαι: φέρεσθαι ist finaler Inf. zu ἧκε, wie in Od. 12.442, 19.468 (zu προέηκε), als passivische Entsprechung zum Inf. in βῆ δ᾿/ῥ᾿ ἰέναι (LEAF; zum aktivischen Ausdruck allg. 6.296n.): entweder ‘schleuderte, daß er flog’ (LfgrE s.v. φέρω 852.17ff.) oder ‘let go, dropped’ + Inf. (LfgrE s.v. ἵηµι 1151.15ff.; LATACZ i.Vorb.), also ‘ließ ihn fallen, daß er trieb’; “φέρεσθαι means no more than ‘to go his way, drift’, expressing not so much

119 ταθείς: Ptz. Aor. Pass. zu τείνω, ‘ausgestreckt’. — ἐκ … ῥέε: zur sog. Tmesis R 20.2. 120 ποταµόνδε: ‘zum Fluß’ (R 15.3); auf φέρεσθαι bezogen. — λαβὼν ποδός: ‘nachdem er ihn am Fuß ergriffen hatte’ (Gen. des berührten Körperteils).

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the motion as the absence of guidance, and therefore of any care, on the part of the thrower” (LEAF). 121 ≈ 16.829 (πτερόεντα προσηύδα), 21.409 (fem.), 21.427 (fem., ἡ δ᾿ ἄρ᾿); 1. VH ≈ h.Ap. 370 (ὡς φάτ᾿), 2. VH = 22.377, 23.535, Od. 4.189, 17.349; ≈ Il. 3.155, 24.142, Od. 9.409, 13.165 (ἀγόρευον). — ἐπευχόµενος: (ἐπ)εύχοµαι ist das typ. Verb in der RedeEinleitungP von Triumphreden (FINGERLE 1939, 153f.). Als Ptz. präzisiert es die Rede-Absicht wie in 98 λισσόµενος (s.d.), hier den Hohn über den Toten (122–127) und die flüchtenden Troer (128–135). — ἔπεα πτερόεντ᾿ ἀγόρευεν: Diese Rede-EinleitungsformelP kündigt im Gegensatz zu dem an eine einzelne Person gerichteten ἔπεα πτερόεντα προσηύδα (73n.) eine vor mehreren Personen gehaltene Rede an (EDWARDS 1970, 10; KELLY 2007, 144 Anm. 1), im vorl. Fall vor Lykaon und den fliehenden Troern (129). Die Hss. bieten öfter wie hier beide Verben (s. app. crit. von WEST).

122–135 Achilleus’ Rede ist eine Triumphrede mit typischen Elementen: ironische Anrede an den Toten als fiktiven Adressaten und laute Verhöhnung durch den Hinweis auf die Schändung seiner Leiche (122–127); Anrede an die noch lebenden Gegner mit der Voraussage weiterer Siege und der Rächung Gefallener der eigenen Seite (128–135). Ähnliche Reden: Spott über einen Gefallenen 13.414–416, 14.454–457, 16.745–750 (s.dd., auch allg. dazu, mit Lit.), höhnische Anrede an den Toten 11.450–455, 13.374–382 und in der folgenden Szene, in 21.189ff. (allg. zu Anreden an Tote PELLICCIA 1995, 155f.; MPEZANTAKOS 1996, 146). Solche Reden dienen dem Sprecher, seinen Gefühlen des Triumphes und der Rachsucht Luft zu machen (PELLICCIA a.O. 159: “emotional purgation”; STOEVESANDT 2004, 312), und weisen so auf die innere Verfassung des Sprechers und der jeweiligen Kriegspartei hin. Hier sind die einzelnen Elemente bis ins Übermaß gesteigert (die Vorstellung einer Leichenschändung zu grotesken Bildern ausgemalt 122–125n., 126– 127n.; indirekte Herausforderung gegenüber Skamandros durch Betonung der ausbleibenden göttlichen Hilfe: 130–132n.), weil die Rede innerhalb einer allgemeinen Steigerung der Gewalt (22–24n.) die Funktion erfüllt, Skamandros’ Angriff gegen Achilleus noch stärker als bisher zu motivieren (FRIEDRICH 1956, 101; 136–138n.), und gleichzeitig den Höhepunkt in Achilleus’ Rachefeldzug, Hektors Tötung und die Schändung seiner Leiche, vorbereitet (AntizipationP). Die Rede erscheint so auch als logische Ergänzung zu Achilleus’ Rede an den bittenden Lykaon (99–113, s.d.): Hinter Achilleus’ Hohn steht sein übermäßiges Verlangen nach Rache seit Patroklos’ Tod (100–105; STOEVESANDT a.O. 155), wohl auch (bes. in 123b–124a faßbar) sein Bewußtsein eines nahenden eigenen Todes auf dem Schlachtfeld (108– 113), also fern von seinen Angehörigen in Thessalien. – Zur Ansicht, ab 126 stamm-

121 καί (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.4. — οἱ ἐπευχόµενος: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1), zu ἐπ-ευχόµενος ‘über ihn triumphierend’. — ἐπευχόµενος (ϝ)έπεα: zur Prosodie R 4.5. — ἔπεα: zur unkontrahierten Form R 6.

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ten einzelne Versgruppen oder gar alles nicht vom Iliasdichter, s. 126–127n., 128– 129n., 130–135n. 122–125 Achilleus kündigt eine Behandlung der Leiche an, die die einzelnen Rituale bei einer Bestattung pervertiert (122–123a, 124b–125), was durch das eingeschobene Negieren eines normalen Vorganges noch antithetisch unterstrichen wird (123b–124a): Das Liegen des (120) ins Wasser geworfenen Leichnams unter Fischen (122a) anstelle der Aufbahrung des Toten auf dem Totenbett (lechéessi) im Kreis der Angehörigen (123b–124a), das Ablecken der Wunden durch gefühllose Tiere (122b–123a) anstelle der Waschung vor der Aufbahrung und der klagenden Mutter (124a), das Eintauchen in die unergründliche Tiefe des Meeres (124b–125) anstelle der Beerdigung an einem sichtbaren Ort. Die Hervorhebung der Mutter bei der Klage (123b) entspricht der traditionellen Rolle der Frauen (24.719–776n.) und greift erneut (wie schon 109, s.d.) auf die in 84ff. geltend gemachte hohe mütterliche Herkunft Lykaons zurück, die ihm nun nichts mehr nützt (schol. bT zu 123– 4): Er gelangt durch Skamandros’ “Totengeleit” nicht in die bergende, mütterliche Erde, sondern in den kalten, jede Erinnerung löschenden weiten (euréa), wie ein Schoß umhüllenden Meerbusen (124b–125; zum Meer als jede Erinnerung löschenden Ort vgl. 59 [Grab], 19.267f. [Eidopfer, s.d.; mit einem zu weit gehenden Bezug zur hiesigen Stelle KITTS 2005, 165]). Zu den Elementen einer Bestattung 24.580–595n. mit Stellen und Lit.; ALEXIOU (1974) 2002, 5f.; zu einzelnen Elementen hier KURZ 1966, 36; RICHARDSON zu 123–5; SEGAL 1971, 40; DI BENEDETTO (1994) 1998, 35 Anm. 7; CIANI S. 920–922 Anm. 7 (zu 125); POSTLETHWAITE 2000, 260; NEAL 2006, 150. Die Pervertierung der Bestattungsrituale entspricht einer Leichenschändung, einer Horrorvorstellung homerischer Helden (1.4n.), denn sie impliziert die vollständige Vernichtung des Gegners und den Ausschluß aus der Gemeinschaft mit den übrigen Verstorbenen in der Unterwelt (SCHADEWALDT [1944] 1965, 323). Deshalb wird sie als Motiv zur Verhöhnung des Gegners in Triumphreden wie hier verwendet (auch 11.452–454 [Odysseus zum sterbenden Sokos], 22.335b–336 [Achilleus zu Hektor]; STOEVESANDT 2004, 312, mit Lit.), ebenso wie das Motiv ‘Klage der Angehörigen’ (14.501–505n. mit Lit.), deren Schmerz besonders groß ist, wenn der Leichnam nicht bestattet werden kann (22.86f., 22.386, 22.508–514): PELLICCIA 1995, 155 Anm. 87; CSAJKAS 2002, 45. Diese Motive der Triumphrede sind nun der Funktion der Rede innerhalb der Schilderung angepaßt, wie mit Patroklos’ Eintritt in den Kampf, seinem Tod und Achilleus’ Rachefeldzug die Gewalt eskaliert (22–24n.): In der typischen Mischung von Phantasie und Realismus, die Achilleus’ Sprache kennzeichnet (FigurenSpracheP, 1.354b–356n.), wird das Bild eines toten Körpers im Wasser noch mehr ausgemalt (FRIEDRICH/REDFIELD [1978] 1999, 242), eine Steigerung gegenüber dem Delphingleichnis in 22–24 (s.d.): Der flüchtende, leicht verschlungene Fisch wird zum widerlichen Aasfresser, der hier, im Rahmen des Flußkampfes (21n.: Blut

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im Wasser; 124b–125 Betonung von Skamandros’ Rolle; 122–135n. zum 2. Teil der Rede), wie in 126f. und 203f. Hunde und Vögel ersetzt (SEGAL 1971, 31f.; zur negativen Beurteilung von Fischen allg. BUCHHOLZ u.a. 1973, 131). Die Drohungen, eine Leiche zu schänden und zu verstümmeln (bes. grausam 18.176–179 Hektor gegen Patroklos), werden nun umgesetzt, hier nach einer schon vorgenommenen Handlung noch als vorgestellte Konsequenz in einer Figuren-RedeP als besonders eindrücklicher Hohn (GRIFFIN 1976, 170), dann in 203f. in der Erzählung (s.d.) bis zum schrecklichen Höhepunkt, der Mißhandlung von Hektors Leiche (22.345–354): SEGAL 1971, 30f. 40. 72. Die schonende Behandlung eines getöteten Gegners (6.416–419, 99–113n.) ist nicht mehr möglich (POSTLETHWAITE a.O.), der mehrmals dem Tode entronnene Lykaon wird der kompletten Auslöschung im Wasser ohne Grab anheimgegeben (LYNN-GEORGE 1988, 207), genauso wie sie auch Achilleus später im Kampf gegen den zornigen Flußgott droht (318–323; CIANI a.O.). 122–123 1. VH v. 122 ≈ Od. 18.105, 20.262, h.Ap. 363; 2. VH v. 123 ≈ Od. 15.515; vgl. Il. 22.352 (zur Hervorhebung der Mutter 122–125n.). — ἐνταυθοῖ: ‘da’, nur noch in den ähnl. Halbversen wie hier (s.o.) sowie im Att. belegt, zu ἐνταῦθα mit Lokativsuffix -οι wie in οἴκοι (CHANTR. 1.246). — κεῖσο: Ein Imp. am VA steht öfter in Triumphreden an Gegner, speziell an Tote mit besonders sarkastischem Ton (13.381, 22.365, Od. 22.288f., h.Ap. 363; PELLICCIA 1995, 158), wie hier zu Beginn einer Rede des Achilleus auch noch Il. 20.389, 21.184 von einer Form von κεῖµαι, das das ohnmächtige/tot Daliegen betont (vgl. 318 Skamandros von Achilleus: κείσεθ᾿, 8.537 κείσεται Hektor von Diomedes; SCHEIBNER 1939, 99), hier in Wiederaufnahme und Variierung von κεῖτο in 119 (s.d.). — σ᾿ ὠτειλήν | αἷµ᾿ ἀπολιχµήσονται: λιχµά(ζ)ω bed. ‘lecken’ (nur Hes. Th. 826, ‘Hes.’ Sc. 235; LfgrE); das Kompositum (‘ablecken’) wird hier in einer außergewöhnlichen Kombination mit drei Akkusativen verbunden: Akk. der Bez. im σχῆµα καθ᾿ ὅλον (σ(ε)) καὶ κατὰ µέρος (ὠτειλήν) sowie doppelter Akk. bei Verben, die ‘wegnehmen’ u.ä. bedeuten (σε/ὠτειλήν + αἷµα): SCHW. 2.78 Anm. 1. Eine elidierte Dat.-Form σ(οι) (wie z.B. in 1.170) als Korrektur für ein weniger eindeutiges τ(οι) ist allerdings nicht auszuschließen, während die Lesart ὠτειλῆς, Gen. zu αἷµα, nur eine lectio facilior darstellt (app. crit.; WEST 2001, 257). — ὠτειλήν: meistens am VE wie hier, bezeichnet die frische, blutende tödliche Wunde, oft an einem Leichnam (LfgrE). — ἀκηδέες: hier aktivisch (‘sorglos, unbekümmert’: 24.526n.) und durch die Stellung des Wortes vor der Zäsur C 2 im Sinne eines emphatischen Gegensatzes zur Sorge von Verwandten um das Bestattungsritual (123b–124a) gebraucht, in dessen Kontext der Wortstamm κηδ- verbreitet ist (ἀκηδής noch 24.554, Od. 24.187; Übersicht bei MAWET 1979, 372).

124 1. VH = 22.353. — Skamandros: 1–2n.

123 ἀκηδέες: zur unkontrahierten Form R 6. — οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). 124 λεχέεσσι: zum Plural R 18.2.

Kommentar

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λεχέεσσι: Dat. Pl. (G 70) zu λέχος ‘Liegestatt’, auch ‘Totenbett’: 24.589–590n. — Σκάµανδρος: wohl urspr. kleinasiatischer Name mit gräzisiertem Hinterglied -ανδρος (TISCHLER 1977, 137f.; RISCH 227 Anm. 42; etwas anders SZEMERÉNYI 1987, 349f. zum Hinterglied: anatol. Wort; s. auch 1–2n. zu Ξάνθος). Das anlautende σκ kann nicht positionsbildend wirken (M 4.5; WEST 1998, XXXV, auch zur Überlieferung). 125 2. VH ≈ 18.140, Od. 4.435. — δινήεις: 1–2n. — εἴσω: dem Akk. wie εἰς vorangestellt nur hier und h.Merc. 40, ἔσω aber in 24.155, 24.184, 24.199, Od. 23.24 (AH).

126–127 Die nach der Vorstellung des ‘Leichentransports’ ins Meer durch Skamandros unvermittelte Wiederaufnahme des Bildes von Fischen (122f.), diesmal als Aasfresser, mit dem grausigen Detail des weißlichen Fettes des Leichnams (126f.), wirkt nicht eben charakteristisch für den Iliasdichter, sondern erinnert an groteske Schilderungen, wie sie in der Dolonie, im pseudo-hesiodeischen Scutum und in geringerem Maße auch schon in der Odyssee vorkommen; ähnliches gilt auch von 18.535–538 (s.d.): LA ROCHE 1861, 124; WEST 2011, 49. Daher und wegen sprachlicher Auffälligkeiten (s.u.) vermuten manche eine Interpolation zum Zwecke der dramatischen Hervorhebung der Stelle (SHIPP [1953] 1972, 306: eine späte rhetorische Übung; WEST 2001, 12 Anm. 28; 2011, 49. 70 Anm. 4. 376). Auffällig ist auch, daß Lykaon plötzlich nicht mehr angesprochen wird, sondern daß von ihm die Rede in der 3. Ps. ist; ein solch unvermittelter Übergang ist ganz ungewöhnlich und hat keine Parallelen in anderen Triumphreden. Allerdings lassen sich die beiden Verse auch verteidigen: Die grausige Schilderung hier ist als Bestandteil einer Triumphrede anders zu beurteilen als Darstellungen im Erzählertext (dem es im übrigen auch nicht an grausigen Details fehlt, z.B. in 14.493–495), und sie hat hier vielleicht die Funktion, die Vorstellung von Achilleus’ Rachsucht und damit verbunden von den Troern als unterlegene Opfer zu vertiefen; die Details mögen einfach die Verhöhnung steigern (s. auch zur Funktion der ganzen Rede 122–135n.; zu den Details 127n.). Die plötzliche Abwendung von der Ansprache an Lykaon und das Ausmalen seines zukünftigen Zustandes könnte mit der anschließenden Hinwendung des Sprechers zu Gedanken über die Zukunft aller Troer zusammenhängen (128 Imp., 131 Fut.); Sprecher in Triumphreden äußern oft Zuversicht (128– 129n.). Zu Erklärungen für sprachliche Auffälligkeiten s. 126n., 127n. Alles in allem ist eine Interpolation der zwei Verse gut möglich, aber nicht zwingend anzunehmen. Die Häufung sprachlicher und metrischer Auffälligkeiten (u.a.: 126: Asyndese, Verstoß gegen ‘Wernickes’ Gesetz’, Bedeutung und Prosodie von ὑπαΐξει, 127: Wortstellung, Überlieferung [s.dd.]; Weiteres: LA ROCHE 1861, 145) mag eher für eine Interpolation sprechen (HOEKSTRA 1981, 19 Anm. 46; WEST 2001, 258).

125 εἴσω ἁλός: zum Hiat R 5.6. — εἴσω: » εἰς, mit κόλπον zu verbinden.

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126 Ein ähnliches Bild von einem Fisch in bewegtem, schwärzlich wirkendem Wasser, der aber nicht wie hier auf der Welle springt, um an dem an der Oberfläche treibenden Leichnam zu fressen (FAESI), sondern emporspringt, findet sich in einem Gleichnis (Faustkampf: 23.692). — θρῴσκων: auffällige Asyndese (statt z.B. ἔνθα δέ; app. crit. von WEST; WEST 2001, 258); viell. ist θρῴσκων betont (WEST a.O.), was aber von der eigtl. Aussage (der Leichnam wird gefressen) ablenkt. — µέλαιναν φρῖχ᾿: φρίξ bed. ‘Wellengekräusel’ des Meeres durch plötzlichen Wind, entweder die eigentliche Bewegung (7.63, 23.692) oder, wie hier und Od. 4.402, die gekräuselte Wasserfläche bezeichnend. Das Epitheton µέλας sowie µελάνει in Il. 7.64 beziehen sich vermutlich auf die größere Dunkelheit des bewegteren, weniger Licht reflektierenden Wassers (LfgrE; IRWIN 1974, 197f.; allg. zu den Epitheta, die die dunkle Farbe des Meeres bezeichnen, 24.79n., mit Lit.). Auffällig ist die Schließung der Endsilbe von µέλαιναν durch Position (vor φρ-), wie sie am Ende des vierten Metrons allg. vermieden wird (‘Wernickes Gesetz’: M 10 Anm. 12; kritisch dazu ERBSE 1972, 202–204): LEAF. Sie läßt sich vielleicht mit der engen syntaktischen Verbindung der zwei Wörter erklären (SOMMER 1909, 152, mit Hinweis auf ähnl. Fälle wie ἄλλον λαόν in 11.189, 11.204, 16.38, analogisch zu Verbindungen mit einsilbigen Wörtern wie in 9.481). — ὑπαΐξει: ὑπαΐσσω mit Akk. bed. wohl wie in 22.195 ‘sich schnell unter etw. hin bewegen’ (LfgrE s.v. ἀΐσσω 380.29ff.), was zum Springen auf der Welle (θρῴσκων … κατὰ κῦµα) paßt (LA ROCHE 1861, 123f.) sowie durchaus auch zur Tatsache, daß ein Leichnam mit der Zeit oben im Wasser treibt (weswegen die weniger wahrscheinliche Bed. ‘emporschnellen’ angenommen wurde: AH; FAESI; LEAF). Formen von ἀΐσσω und Komposita haben in den sehr häufigen Belegen im fgrE außer hier immer ein langes α. Dieses ist aber jeweils metr. erforderlich, so daß die Länge auf einer metr. Dehnung beruhen könnte und die hier vorl. Kürze alt wäre; dafür sprächen auch die nachhom. Belege (Lyrik, Tragödie: LSJ) mit einer Kürze (umgekehrt vermutet CHANTR. 1.110 hier eine metr. Kürzung; nach WYATT 1969, 180, sind die Formen mit einer Länge ein Archaismus, sein Vergleich mit den kurzen Wörtern δαήρ, αἰεί hilft aber nicht weiter). Wohl um die als auffällig empfundene Quantität zu vermeiden, hat man auch ὑπαλύξει gelesen (‘wird entrinnen’; app. crit. von WEST); das gibt aber keinen vernünftigen Sinn (WEST 2001, 258). Die Etymologie ist unklar: DELG s.v. ἀΐσσω.

127 Daß Fische gierig (126: sie bewegen sich schnell) an einem toten Körper eines Menschen fressen, ist in jedem Fall (auch wenn der Tote Schiffbruch erlitten hat: Od. 14.135, 24.291) eine schreckliche Vorstellung für das Publikum des Iliasdichters (122–125n.), die hier dazu dient, Achilleus’ Rachsucht zu verkörpern (SEGAL 1971, 30; NEAL 2006, 253), noch deutlicher Achilleus’ unmöglicher Wunsch nach Rohfleisch in Il. 22.346f. (Achilleus zum sterbenden Hektor; dazu BIERL 2016, 16). Das wird noch unterstrichen durch das grausige Detail des weißen Fettes (in farblichem Kontrast zum schwarzen Wasser, 126; RICHARDSON zu 126–7), das ebenfalls im Kontext einer Leichenschändung, aber nicht in einer Hohnrede, sondern in einer mitleid- und angstvollen Rede von Patroklos angeführt wird (11.818; 126 κατὰ κῦµα: zu θρῴσκων. 127 κε: = ἄν (R 24.5). — φάγησι: 3. Sg. Konj. (R 16.3); finaler Konj. mit Modalpartikel (R 21.1).

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SEGAL a.O.); es mag vor allem in Bezug auf Opfer verwendet sein (wie in Hes. Th. 541) und die Vorstellung von den Troern als Opfern vertiefen (Troer als Opfer: 26b–33n., Lykaon 114–119n., 130–132n..; NAGLER 1967, 297 Anm. 50; SEGAL a.O. 30 Anm. 2). ἰχθύς: Die Wortstellung (Trennung durch fünf Wörter von τις in 126) ist sehr auffällig (HOEKSTRA 1981, 19 Anm. 46). — ὥς κε φάγησι: Die Überlieferung schwankt wie sonst auch öfter (24.388n.) zwischen der Lesart ὅς (zur Einleitung eines Rel.-Satzes mit finalem Sinn; Aristarch, LEAF) und finalem ὥς (Aristophanes v. Byz.; app. crit. von West; WEST 2001, 258), das wohl den Zweck der Erwähnung, das Fressen des Leichnams, noch besser betont (ähnl. dazu Porphyrios, 37.10ff. Sodano, auf den WEST a.O. hinweist). — ἀργέτα δηµόν: δηµός bed. ‘Fett’ (LfgrE). Das Attribut ἀργής ‘weiß(lich)’ ist eine Ableitung von ἀργός (in der Bed. ‘weiß’ in Od. 15.161; dieselbe Wz. wie ἀργεννός) mit dem Suffix - ητ- /- ετ- wie γυµνής (Tyrtaios fr. 11.35 West) zu γυµνός; die kurzvokalische Form des Suffixes, im Gr. nur in diesem Wort hier im Akk. und 11.818 und Hes. Th. 541 im Dat. in der vorl. VE-Formel belegt, erklärt sich aus metr. Gründen (CHANTR. 1933, 267; DELG s.v. ἀργός; BEEKES s.v. ἀργής). Das Wort ist sonst nur noch nach der Zäsur C 1 belegt, als Attribut von κεραυνός (8.133, 4× Od.; ‘Hes.’ fr. 177.11 M.-W. ergänzt) außer in Il. 3.419 (von ἑανός): LfgrE s.v. ἀργῆτι, -ετι.

128–129 Der Wechsel von dem ursprünglichen Adressaten, dem toten Lykaon (122), zu den fliehenden Troern (129), ist zwar ungewöhnlich in einer Triumphrede (auch nach 126–127n., s.d.; der unmittelbare, an Zeus gerichtete Stoßseufzer in 13.631 ist nicht ganz vergleichbar), entspricht aber im Ton der oft in solchen Reden geäußerten Zuversicht nach einer Tötung (wie in 14.480f., unter Göttern 21.427ff.: STOEVESANDT 2004, 310): Das Leiden aller Troer soll weiter gehen (wie es Achilleus’ Rachsucht verlangt: 105; vgl. Poseidons Monolog über Odysseus im Meer in Od. 5.377–379): PELLICCIA 1995, 157 Anm. 91. 159. Das wird noch unterstrichen durch den emphatisch wirkenden Imp. phthéiresth’ (‘geht zugrunde’) am VA, der an den Imp. an Lykaon, kéiso (‘lieg da’) zu Beginn der Rede (122) anknüpft (solche besonders eindringlich wirkenden Imp. am VA finden sich auch in Achilleus’ Rede an den soeben gestorbenen Hektor, 22.365 und mit ganz anderer Funktion in einer Kampfparänese in 15.496). Die Ankündigung eines Massakers an den fliehenden Troern (129, durch den Parallelismus ‘ihr Troer – ich’ noch eindringlicher), läßt eine erneute Jagd über das Schlachtfeld wie am Ende des 20. Gesanges erwarten (SCHEIBNER 1939, 45); die erstmalige explizite Nennung des Zieles durch Achilleus seit seinem Wiedereintritt in den Kampf, Troias Zerstörung, und die folgende Herausforderung (130ff.) knüpfen aber direkt an das alte Kriegsziel an (2.12n.: ein Leitmotiv; WICKERT-MICKNAT 1983, 21), nehmen auch die vorherige Szene des 128 εἰς ὅ: ‘bis’. — κεν: = ἄν (R 24.5). — κιχείοµεν: kurzvokalischer Konj. (R 16.3 und ­); prospektiv. — ἱρῆς: = ἱερῆς; zum -η- nach -ρ- R 2. 129 ὄπιθεν: = ὄπισθεν.

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Massakers unter den Troern (1–33) auf und leiten zum Flußkampf über (SCHEIBNER a.o.). Eine Athetese wegen des unmittelbaren Adressatenwechsels von 128f. scheint deshalb unnötig (als Hypothese bei WEST 2001, 258, im Anschluß an Payne Knight, s. seinen app. crit.). κιχείοµεν: Konj. Aor. zu κιχάνω ‘erreiche’; -ει- in Analogie zu der 1. Sg. (-είω statt unmetr. -έω < -ήω): G 89; WERNER 1948, 22f. 28f. — Ἰλίου ἱρῆς: flektierbare VE-Formel (5× Nom., 3× Gen., 15× Akk., insges. 21× Il., 2× Od., teilweise mit Präp.; außerdem am VA Ἴλιον εἰς ἱερήν in 7.20); zum Anlaut von Ἰλίου 81n.; zur (urspr.) Bed. des Attributs ἱρή 4.46–47n.; zum metr. System zur Charakteristik von Städten (neben ἱρός/ἱερός auch δῖος, ἠγάθεος) BOWRA 1960, 17; LOCHER 1963, 36–52; SCULLY 1990, 16–23. 78f. 137–140. — κεραΐζων: κεραΐζω wird meist, wie z.B. in 16.830, mit unbelebtem Obj. in der Bed. ‘zerstören’ verwendet, hier und in 2.861 mit Menschen als Obj. bed. es ‘töten’ (LfgrE).

130–135 Die in einer höhnischen Triumphrede oft geäußerte Zuversicht (128–129n.) bezieht sich jetzt auch auf ausbleibende göttliche Hilfe an die Gegner (130–133), ähnlich wie sie Achilleus in seiner Herausforderungsrede an Aineias unterstellt (20.195; GRETHLEIN 2006, 133). Solche Schmähungen im Sinne, der Gegner habe naive Erwartungen, sind in derartigen Reden normal (STOEVESANDT 2004, 323– 325; vgl. 99n. zur Anrede an Lykaon). Hier liegt der Schwerpunkt allerdings sehr stark auf der Tatsache, daß der Flußgott Skamandros ungeachtet aufwendiger Opfer (131f.) die Stadt nicht vor seiner Rachsucht retten können wird. Dies stellt nach dem Massaker im Fluß (1–16n.) und der massiven Verhöhnung des in Skamandros’ Wasser treibenden Leichnams von Lykaon sozusagen als pervertiertes Opfer an den Flußgott (122–125) eine weitere, sehr starke Provokation der Gottheit dar (SCHEIBNER 1939, 95). Ob sie zusätzlich zu den in 122–125 wiedergegebenen höhnischen Worten Skamandros’ Zorn und die Unterstützung von Asteropaios motiviert (136ff.), ist aber seit der Antike umstritten (app. crit. von WEST, schol. A und T: Athetese von Aristophanes v. Byzanz, viell. auch von Aristarch [dazu LÜHRS 1992, 9 Anm. 31], in der Moderne gemäß app. crit. von WEST und AH Anh. u.a. von Payne Knight; BOLLING 1944, 171; für die Athetese, aber etwas zurückhaltender, auch WEST 2001, 258, mit dem zusätzlichen Hinweis auf mangelnde Kohärenz des Textes). Die Provokation paßt durchaus zu Achilleus’ selbstbewußter Triumphrede über dem toten Asteropaios (184–199, bes. 192), die mit der vorl. Rede auch sonst Gemeinsamkeiten hat (s.d.): ROEMER 1912, 105. Daß Skamandros sich nie im folgenden über Achilleus’ Provokationen beklagt (schol. A, T), spricht weder für noch gegen eine Interpolation, denn im eigentlichen Kampf von Skamandros gegen Achilleus ist kein Platz für einzelne Argumentationen. Es ist ferner zu bedenken, daß die Athetese in der Antike wohl einen religiösen Hintergrund hat, denn man stieß sich offenbar an dieser offenen Erklärung, wie nutzlos Opfer seien (Platon, Rep. 391b): RICHARDSON. Die Aussage entspricht jedoch der Darstellung von Achilleus insgesamt (130–132n.). Im übrigen ist nicht einzusehen, weshalb auch die letzten drei Verse der Rede athetiert werden sollen: Das Rachemotiv paßt sehr

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gut zu ihrer Funktion und zu der ganzen Szene (133–135n.). Insgesamt spricht deshalb vieles dafür, daß auch der zweite Teil der Rede vom Iliasdichter stammt. 130–132 Achilleus’ Behauptung, Skamandros, Troias Schutzgottheit (1–2n.) würde den Troern trotz aufwendiger Opfer nicht helfen, ist ungeheuer beleidigend für die Flußgottheit (WALSH 2005, 157). Es wird ihr unterstellt, daß sie aus Schwäche auf die großen Opfer nicht angemessen mit Hilfe reagieren und somit das do ut desPrinzip nicht beachten kann. Dieses ist zwar nicht automatisch, aber in der Mehrzahl der Fälle, wenn auch manchmal verzögert, wirksam (zum Prinzip 24.33–35n., mit Lit.; bes. auffällige nicht wirksame Opfer: die Eidopfer s. 3.302n.), und die Zurückweisung von Gebeten ist selten (6.311n., 16.249–252n., beide mit Stellen). Die Ausnahmen werden auch jeweils begründet: Göttliches Planen (letztlich ist es der Handlungsplan des Erzählers: 16.249–252n., zu Patroklos’ Tod) läuft dem menschlichen Wollen zuwider (deutlich auch in Od. 9.551–555: nach einem Opfer), was Göttern allerdings angesichts ihrer Verpflichtung durch Leistungen der Menschen schwerfallen kann (Erinnerung an die Opfer der Menschen: Il. 4.48f. Troia, viell. allerdings von Zeus nicht so ernst gemeint, s.d., 22.170–172 und 24.69f. Zeus über Hektor; vgl. Apollons Argumentation in 24.33f.; Opfer als Verpflichtung außerdem in 8.201–204 [Hera zu Poseidon], 20.298b–299 [Poseidon über Aineias]). Achilleus’ Verhalten grenzt somit an eine pietätlose Überheblichkeit: Er kann als sterblicher Mensch nicht in der Perspektive eines Gottes über die Verpflichtung für Opfer urteilen. In seiner Rachsucht beachtet er menschliche Grenzen nicht (BOLT 2019, 303; sein Verhalten paßt zu seiner Entfremdung vom Menschlichen überhaupt: HITCH 2009, 194). Die Beleidigung hier mag überdies noch dadurch unterstrichen werden, daß Lykaons Leiche wie zur Verhöhnung des Flusses wie ein getötetes tierisches Opfer der Troer in den Fluß geworfen wird (NEAL 2006, 251; zu Lykaon als Opfer 114–119n.; zu solchen Versenkungsopfern 132n.). Daß diese provokativen Worte voll dramatischer IronieP sind, ist schon deutlich nach der Erwähnung von Skamandros’ Eintritt in den Kampf im 20. Gesang (1–2n.) und wird dann durch die unmittelbar folgenden Erzählungen unterstrichen: Skamandros wird zu Achilleus’ gefährlichstem Gegner. Skamandros’ indirekte Beleidigung hier stellt nach den Tötungen im Fluß, die das silberne Wasser (130) rot färben und verstopfen (15–16, 21), und der Leichenschändung Lykaons (Leichnam ins Wasser geworfen, Hohn, 122–125n.) eine weitere Steigerung in Achilleus’ herausfordernder Geringschätzung des Flußes dar; sie wird anschließend durch den Tod des von Skamandros gestärkten Fluß-Sohnes Asteropaios und die Schändung seiner Leiche auf die Spitze getrieben (139–204n.; GRETHLEIN 2006, 133 mit Anm. 293). Die Verse passen deshalb sehr gut zum Kontext; eine Interpolation entbehrt der Begründung (130– 135n.). 130 2. VH ≈ 8 (s.d.), ‘Hes.’ fr. 229.18 M.-W. (ergänzt). — Die gekoppelten Beiwörter von Skamandros heben wohl ironisch seine eigentliche Schönheit hervor, die dem

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ohnmächtigen, mit blutenden Leichen verstopften Fluß nichts nützt (ELLIGER 1975, 54. 72 Anm. 4); der Hinweis auf das silberne Glitzern (argyrodínēs) mag dabei auch den Farbkontrast in 126f. weiterführen (NEAL 2006, 247 Anm. 50). ὕµιν: zum Akzent WEST 1998, XVIII. — περ: konzessiv, hebt das ihm vorangestellte ποταµός hervor (SCHW. 2.572; BAKKER 1988, 254. 257), nicht die nachfolgenden Epitheta (wie nach ELLIGER 1975, 54; CHADWICK 1996, 242).

131 Opfer für den Erfolg im Kampf werden immer wieder geschildert und erwähnt, auf achaiischer Seite z.B. in 2.400–403 für Zeus, auf troischer Seite in 6.286–312 für Athena. Es ist wohl eher an wertvolle Opfer zu Ehren des Flußgottes und an eine allgemeine Bitte um den Schutz der Stadt zu denken, als an Opfer ohne anschließende Mahlzeit wie sie vor Schlachten auf dem Feld (nachhom. Bsp.) und bei Bestattungen wie bei Patroklos’ Begräbnis (23.166–176) vollzogen wurden (zur Unklarheit LfgrE s.v. ἱερεύω; zu solchen Opfern allg. BURKERT [1977] 2011, 98f.; zur Funktion und tieferen Bed. solcher Opfer spez. vor Schlachten JAMESON 1991, 197– 227). Die hier erwähnten Stiere sind jedenfalls als besonders wertvolle Opfertiere genannt (wie zur Hervorhebung von Chryses in 1.41 genannt; in 1.316 als Sühne für Apollon erwähnt); normalerweise wurden die billigeren Schafe geopfert, für besondere Anlässe auch Rinder (zum verschiedenen Wert der Opfertiere 2.550n.). Neben Skamandros werden auch die Flüsse Alpheios auf der Peloponnes als Empfänger von Opfern genannt (11.728, ein Stier) sowie ausführlich der Spercheios in Thessalien (23.146ff.: im Gelübde für Achilleus’ glückliche Heimkehr werden ihm Haare, Rinder und Schafe versprochen); eine alemann. Parallele bei WEST 2007, 278 (Stiere, Pferde). Es ist zu vermuten, daß Stiere als Opfertiere für Flüsse mit der häufigen Personifikation von Flüssen als Stiere bzw. als Männer mit Stierköpfen in Verbindung zu bringen sind (LEAF zu 131; zur Personifikation allg. NILSSON [1940] 1967, 238–240; WEISS 1984, 13. 70–101; WEST a.O. 276; speziell zum Acheloïos ISLER 1970, 111–113; s. auch 237n.). Vgl. die auffällige Häufung der recht seltenen Stieropfer gerade für Poseidon als Empfänger, so 11.728 neben Alpheios, 20.403, Od. 1.25, 3.5f., 11.131, 23.278 (LfgrE s.v. ταῦρος; BURKERT [1977] 2011, 215 mit Anm. 139; Stellen zu Stieropfern allg. und zu Opfern für Flüsse überhaupt bei STENGEL 1910, 155; zu myk. Stieropfern PALAIMA 1988, 96f. 110. 116–118). ἀρκέσει: ‘wird abhalten, abwehren’, erg. ὄλεθρον (133 ὀλέεσθε), oder ohne Obj. ‘wird ein Schutz sein’ (LfgrE s.v. ἀρκέω 1309.5ff., 48ff.). — δηθά: von δήν ‘lange’ mit Suffix -θα abgeleitet (wie ἔνθα, oder das Gegenteil µίνυνθα ‘kurz’; RISCH 356), ‘lange’, oft wie hier ‘schon lange’ (LfgrE); die Wiederholung der ersten Silbe nach δή ist wohl emphatisch (ähnlich RICHARDSON zu 130–132), ähnlich wie in Od. 1.49, 7.152, 8.411, dort zur Betonung von Odysseus’ langem Leiden. — πολεῖς: zur vermutlich attischen Herkunft dieser Lesart (app. crit. von WEST) 59n.

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132 Die wertvollsten Opfertiere sind neben den Stieren (131n.) die Pferde (zum großen Aufwand für die Pferdezucht VERDAN/SIMON 2014, 16); entsprechend selten sind Pferdeopfer erwähnt, im hom. Epos nur noch als Bestattungsopfer für Patroklos (23.166–176; NILSSON 1906, 72, Anm. 1; SCHNAPP-GOURBEILLON 1981, 171). Sie lassen sich aber archäol. für Bestattungen seit der Bronzezeit in Griechenland und Zypern nachweisen (ANDRONIKOS 1968, 85–87; KARAGEORGHIS 1969, 60. 62. 64. 68; BURKERT [1977] 2011, 60. 294; VERDAN/SIMON a.O. 20) und sind literarisch weithin belegt, so als Opfer für Zeus in einem Amazonen-Mythos (PseudoCallisthenes 3.25) oder als Schwuropfer (Aristoph. Lys. 192), außer-griechisch u.a. bei den Skythen, Persern und Massageten (Hdt. 1.216, 4.61; Xen. Cyr. 8.3.24, Paus. 3.20.4): STENGEL 1880; 1910, 155f. Die hier erwähnten sog. Versenkungsopfer, in denen Tiere, Pferde und andere Tiere, lebend ins Wasser versenkt werden (meist als Opfer für Wassergottheiten, d.h. Quellen, Flüsse, Wasser in Mooren, das Meer), sind für schon sehr frühe Zeiten universal nachweisbar, so in Argos für eine Quelle (Paus. 8.7.2), für Poseidon (Arr. Anab. VI 19.5, Theophrast fr. 709 Fortenbaugh = Athenaios 261d, Plut. Mor. 163B), in Rhodos für Helios (Festus p. 190 ed. Lindsay), von Römern (Dio Cassius 48.48), von den Persern für einen Fluß (Hdt. 7.113, 8.138), von den Parthern (Tac. Ann. 6.37), von den Germanen (Funde in Mooren: STJERNQUIST 1970, 90), Illyrern (Servius zu Vergil Georg. 1.12), Russen, Chinesen (diese und weitere Bsp. in: STENGEL 1880; 1910, 155f.; FRAZER zu Paus. 8.7.2; NILSSON [1940] 1967, 236f.; BURKERT a.O. 60. 98. 216 mit Anm. 50, Anm. 152. 294; eine grundlegende Definition und Deutung der Versenkungsopfer bei KOCH PIETTRE 2005). Weil die Bsp. aus dem Orient zahlreicher sind als diejenigen aus Griechenland, hat man an Einflüsse aus dem Osten gedacht und gemeint, der Iliasdichter stelle in Achilleus’ Mund ein solches Opfer als typisch troianisch, also ungriechisch dar (STENGEL 1880, 182; AH zu 132). Auf die auch in der Vorstellung der Griechen verbreitete Versenkung deuten aber neben gr. Belegen für Opfer (s.o.; NILSSON 1906, 72 Anm. 1; DELEBECQUE 1951, 239f. 243) auch Versenkungen im Mythos hin (Erechtheus, Euenos: BURKERT a.O. 216 mit Anm. 150); zudem passen die Opfer gerade von Pferden für Wassergottheiten zur Verbindung von Pferden mit dem feuchten Element, wie sie z.B. im Kult für Poseidon greifbar sind (14.390– 391n.; STENGEL 1910, 155; DELEBECQUE a.O. 241f.). Vor allem aber spricht der Kontext der vorl. Stelle für Vertrautheit mit Versenkungen: Achilleus hebt den von Skamandros unbelohnten Aufwand der Troer hervor (130–132n.): Opfer von teuren Stieren (131n.) und von noch wertvolleren, in Troia seit alters gezüchteten Pferden (betont jeweils am VE 131 táurous ‘Stiere’, 132 híppous ‘Pferde’; zur Bed. der Pferde für Troia UERPMANN 2006, 284; KORFMANN/ZIDAROV 2006). Das betonte zoóus ‘lebendig’ am VA hebt wohl nicht nur den Gegensatz zur soeben erwähnten 132 δίνῃσι: zur Flexion R 11.1.

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einfacheren Schlachtung der Stiere hervor (131 hieréuete; CASABONA 1964, 20; und vielleicht auch noch zur Versenkung des toten Lykaon): auch noch die schwierige Versenkung ganzer Gespanne haben die Troer für Erfolg im Kampf vollbracht (vgl. den nachweisbaren Widerstand eines lebendig begrabenen Pferdes in einem Grab in Zypern: KARAGEORGHIS a.O., 62 Abb. 7; 64). Darüber hinaus: Ein lebendes Pferd zu vernichten – mit allem, was symbolisch-statusmäßig im Pferdebesitz eingeschlossen ist – ist in der homerischen Gesellschaft ein ganz starkes rituelles Symbol und paßt zu Achilleus’ rhetorischer Absicht (Hinweis GRAF). Der Aufwand der Troer für Skamandros mag noch durch das distinktive EpithetonP mṓnychas ‘einhufig’ betont sein, das vielleicht nicht nur wie sonst (19.424n.) den Wert der im Gegensatz zu Rindern (131) schnellen Pferde, sondern auch ihre Fähigkeit, vor der Versenkung zu fliehen, andeutet. µώνυχας ἵππους: flektierbare VE-Formel (Nom./Akk.): 19.424n., dort auch zur prosod. Alternative ὠκέας ἵππους und zur Wortbildung des Possessivkompositums µ.

133–135 Im Rahmen herausfordernder Voraussagen an die Gegner (128–129n.) wird häufig auch mit der Rache gedroht (14.479–485n.); im Rachemotiv in der vorl. Triumphrede nimmt die Rache an Patroklos einen vorrangigen Raum ein (134a), aber auch die Vergeltung für den Tod der übrigen Achaier (134b f.) in der Zeit von Achilleus’ Entfernung vom Kampf bis zu seinem im 19. Gesang angebahnten und im 20. Gesang eingetretenen Wiedereintritt wird aufgeführt. Der Rachedurst der Achaier nach Patroklos’ Tod ist denn auch groß (17.538f.: Automedons Genugtuung) und die Troer rechnen mit dem Zorn der Gegner über die Verluste (z.B. Glaukos in 16.546f., Andromache in 24.736–738). Die mit der Rache verbundene und durch seinen langen Rückzug vom Kampf verschärfte Verantwortung für den Tod seines Freundes und seiner Gefährten hatte Achilleus schon gleich nach der Benachrichtigung von Patroklos’ Tod übernommen (18.102f., 19.208) und in seinem Rachefeldzug begonnen, konkret zu vollziehen (20. Gesang und Beginn des 21. Gesangs: Tötungen auf dem Schlachtfeld und im Fluß; 3–16n., 28n., Gefangennahme für eine rituelle Tötung, 26b–33n.), um soeben in der Ablehnung von Lykaons Bitte seiner Absicht, Priamos’ Söhne und überhaupt alle Troer nicht zu schonen, Ausdruck zu verleihen (99–113n.; SCHEIN 1984, 115), dort in der Anrede an Lykaon allerdings nur mit dem Hinweis auf Patroklos (100), hier, an alle Troer gewendet, nun auch als Vergeltung für die übrigen Gefallenen der Griechen. Die zusätzliche Angabe zu den Umständen ihres Todes – fern von ihm (betont am Ende der Rede) – verrät Achilleus’ Qual über die Folgen seiner Entscheidung, sich als bester Kämpfer der Achaier vom Kampf abseits zu halten (1.409f.: Bitte um den Tod der Achaier), nicht nur wegen Patroklos’ Tod (SCHMITT 2012, 291); ihre Intensität (SCHADEWALDT [1944] 1965, 289) nach dem Tod des ‘kleinen Kämpfers’ Lykaon weist auf den Rachedurst gegenüber Hektor voraus (22.271f., 22.331ff.). Zusätzlich könnte der Hinweis auf die Erfolge der Troer während Achills Abwesen-

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heit die Drohung in der Triumphrede verstärken: Die Troer können sich jetzt seit seinem Eintritt in den Kampf nicht mehr durchsetzen (wie schon vor Achills Rückzug vom Kampf: 9.352–354; Hinweis DE JONG). 133 2. VH von der Zäsur C 2 an: ≈ Od. 11.351, 22.72, 22.443 (vgl. Il. 21.231, 21.531). — ἀλλὰ καὶ ὧς: VA-Formel (10× Il., 7× Od., 1× Hes.); zur Verwendung (i.S.v. ‘dennoch’) s. SCHMID 1964, 13f. — κακὸν µόρον: µόρος bed. ‘(zugeteiltes) Schicksal’, oft wie hier i.S.v. ‘Tod’, vgl. µοῖρα (110): LfgrE; JANKO, Introd. 5; SARISCHOULIS 2008, 77f. Entsprechend wird hier wie bei θάνατος (66n.) das negativ besetzte κακός als Epitheton beigegeben. κ. µ. ist inneres Obj. zum medialen (ἀπ-)όλλυµαι wie in Od. 1.166 und κακὸν οἶτον in Il. 3.417 (LfgrE s.v. ὄλλυµι 650.16ff.). 134 2. VH ≈ 14.140; von der Zäsur C 2 an ≈ 13.426. — τείσετε: zur Lesart τεισ- vs. τισ- (app. crit. von WEST), einer wohl itazistischen Schreibung, CHANTR. 1.13; WEST 1998, XXXV. — φόνον καὶ λοιγόν: φόνος hier einzelner ‘Totschlag, Mord’, in 137 und 249 allg. ‘Totschlagen, Morden’; λοιγός bez. den Untergang, das Verderben (LfgrE s.vv. φόνος bzw. λοιγός). Die beiden Begriffe sind mit den von ihnen abh. Gen. Πατρόκλοιο bzw. Ἀχαιῶν chiastisch verbunden, was sehr emphatisch wirkt; in 137f. werden beide nochmals aufgenommen, diesmal in Bezug auf die Troer. λοιγός kommt wiederholt im Zusammenhang mit Achilleus’ Boykott vor (16.32n.).

135 ≈ 16.547; 1. VH ≈ 13.84, 14.57, 16.201; 2. VH von der Zäsur C 2 an = 9.348. νηυσὶ θοῇσιν: Nomen-Epitheton-Formel (12× fgrE, außer nach der Zäsur A 3 auch am VE, meist Präp.); auch im Sg. und in weiteren Varianten (16.201n.). θοός ist das häufigste Schiffs-EpithetonP bei Homer (PARRY [1928] 1971, 109–112; KURT 1979, 47–50; 1.12b n.). — ἐπέφνετε: 21n.

136–204 Skamandros ist noch mehr erzürnt und ermutigt Asteropaios zum Kampf gegen Achilleus. Nachdem dieser den Peliden mit dem Hinweis auf seine Abstammung von einem Flußgott herausgefordert und im Kampf verwundet hat, wird er von ihm getötet. Achilleus erklärt in seiner Triumphrede den Sieg als Zeichen der Allmacht von Zeus über Skamandros und überläßt die Leiche den Aasfressern. 136–138 Überleitung: Der Aussage über die Steigerung des Zorns (136 mállon, ‘mehr’) läßt sich entnehmen, daß der Fluß schon in Zorn geraten war, als viele Troer, Skamandros’ Schutzbefohlene, von Achilleus getötet und manche für eine spätere Opferung gefangengenommen wurden (20. Gesang, 21.1–33) und immer mehr Leichen im Fluß trieben (146f.). Achilleus’ Überheblichkeit, die höhnische ‘Entsorgung’ des an Land getöteten Lykaon im Fluß (120–127) und die Provokation an die Adresse der Troer und von Skamandros (128–135) verstärkten seine Wut, die ihn nun zu einem ersten Eingreifen veranlaßt (NAGLER 1974, 148), ähnlich wie 133 ὧς: = οὕτως. 134 τείσετε: kurzvokal. Konj. Aor., prospektiv (128n.). — Πατρόκλοιο: zur Flexion R 11.2. 135 νηυσί: zur Flexion R 12.1. — νόσφιν ἐµεῖο: νόσφι(ν) Präp. mit Gen., ‘fern von’; ἐµεῖο = ἐµοῦ (R 14.1).

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nach einer Tötung im Kampf die Menschen voll Zorn reagieren und eingreifen (14.459–464n.; Intervention von Göttern, Poseidon und Ares, auch in 13.206 und 15.138: HORN 2014, 111): schol. bT zu 136; AH zu 136. Zu der Ansicht, Skamandros sei nur wegen der Tötungen und nicht wegen Achilleus’ Provokationen in 130–133 noch mehr erzürnt (diese Verse seien später hinzugefügt), 130–135n. Die kurze Erzählung, wie der Flußgott auf die Rede hin reagiert und Pläne für eine Intervention wälzt, bereitet auf die folgende Szene vor: zur gleichen Zeit, wie Skamandros überlegt (139 tóphra ‘unterdessen’), stürmt Achilleus gegen Asteropaios, so daß der Flußgott diesem Kraft einflößt (145f.). Zugleich weist aber Skamandros’ Reaktion auch auf die darauf folgende direkte lange Auseinandersetzung zwischen Achilleus und seinem göttlichen Gegner hin: 211ff. greift dieser mit einer Anrede an den Achaier persönlich ein (FENIK 1968, 56; 1974, 88; EDWARDS, Introd. S. 21). 136 2. VH = Od. 9.480, 17.458, 18.387, 22.224; ≈ Il. 9.300 (ἀπήχθετο), Od. 5.284 (ἐχώσατο); von der Zäsur C 2 an Od. 11.208, 15.370, ‘Hes.’ Sc. 85, h.Ap. 138. — ὣς ἄρ᾿ ἔφη: RedeAbschluß-FormelP (insges. 6× Il., 13× Od., 7× hom.h.): FINGERLE 1939, 362f. — κηρόθι: Ausweitung der Lokativ-Endung -θι mit Themavokal der o-Dekl. auf einen athemat. Stamm aus metr. Gründen: Variante am VE vor µάλλον (s.o. zu den Iterathalbversen) zum lokativischen κῆρι (meistens mit περί, im Versinnern und am VE: 24.61n.): CHANTR. 1.245; SHIPP (1953) 1972, 70. Zur Bed. von κῆρ 19n.; wie in den Iterathalbversen hat es eine intensivierende Funktion, die zu µάλλον paßt (JAHN 1987, 244). — µάλλον: zum Akzent WEST 1998, XX, s.v. ἄσσον. 137 1. VH ≈ 24.680; Od. 2.156; 2. VH ≈ Il. 21.249. — ὥρµηνεν: 64n. — ἀνὰ θυµόν: Formel vor der Zäsur B 2 (4× Il., 5× Od.) zur Angabe der seelisch-geistigen Instanz bei inneren Vorgängen (JAHN 1987, 266; zu Varianten wie κατὰ θυµόν/φρένα bei Verben des Nachdenkens 24.518n.; JAHN a.O. 191; vgl. 19n. u. 547–548n.). — φόνοιο: zur Bed. 134n. Die Überlieferung schwankt zwischen φόνοιο und πόνοιο (‘Mühsal des Kampfes, Kampf’, in 524f.: 6.77n.), ebenso in 249 (Iterathalbvers), 525 und 16.651 (s. app. crit. von WEST). πόνοιο wäre aber zu mitfühlend mit Achilleus, auf den Skamandros ja zornig ist, und φόνοιο (neben WEST von LEAF bevorzugt) paßt besser zu Achilleus’ Rachefeldzug gegen die Troer, erst recht in der Nähe von λοιγόν (138) wie in Achilleus’ provozierender Triumphrede in 134 (φόνον καὶ λοιγόν). 138 = 250; 2. VH ≈ 539. — δῖον Ἀχιλλῆα: 39n.; zu Bezeichnungen von Achilleus am VA im Akk. wie etwa auch Πηλείδην SHIVE 1987, 103–107. — Τρώεσσι δὲ λοιγὸν ἀλάλκοι: VEFormel (s.o.), Variante zur flektierbaren VE-Formel (ἀπὸ) λοιγὸν ἀµῦναι (14× Il., 1× Hes., außerdem Erweiterungen). Zur Bed. von λοιγός 134n. ἀλάλκοι ist redupl. Aor. wohl zu ἀλέξω (LIV 278 mit Anm. 1; 289; DELG u. BEEKES s.v. ἀλέξω) und bed. ‘abwehren, schützen’, hier und in 250 mit dat. commodi (Τρώεσσι) wie in 17.153, 19.30, 22.196, Od. 3.237, 13.319, Hes. Th. 527f., dagegen in Il. 22.348, Od. 10.288, 17.364 mit ablativischem

136 ἄρ(α): ‘also’ (R 24.1). — κηρόθι: zum Suffix R 15.2. 138 Ἀχιλλῆα: zur Flexion R 11.3.

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Gen. wie in Il. 21.539 mit ἀµῦναι (wohl die ältere Konstruktion: HILL 2002, 242–247): LfgrE s.v. ἀλέξω.

139–204 Die Konfrontation zwischen Achilleus und Asteropaios ist nach der Typisierten EreignissequenzP ‘Zweikampf’ (3.340–382n. mit Lit.) mit folgenden Elementen gestaltet: (1) Die beiden Gegner gehen aufeinander zu (139–147), (2) Herausforderungsreden (148–160), (3) Kampf (161–183); anschließend (6) Triumphrede des Siegers (184–199), woran Achilleus’ nächste Handlung und ein Bild, wie der Tote daliegt, angefügt sind (200–204): PARKS 1990, 50f. Innerhalb dieses Rahmens ist die Szene vor allem durch ihre Verzahnung mit dem bisher und anschließend Erzählten und ihre vielfältigen Funktionen bemerkenswert (die Kritik und die Athetese der ganzen Szene aufgrund von scheinbar bloß nachgeahmten Motiven anderer Szenen etc. [WILAMOWITZ 1916, 83f.; AH zu 139–210; AH, Anh. S. 83; LEAF, Introd. zu 21] sind deshalb nicht gerechtfertigt; zu einzelnem s.u.; eine Zusammenfassung der Argumente bei NIENS 1987, 133 Anm. 1). Die Szene ist ein Teil der Retardation vor Hektors Tod seit dem 19. Gesang (SCHADEWALDT [1938] 1966, 71; DE JONG 2007, 32) und schildert den letzten Zweikampf in Achilleus’ Aristie im 20./21. Gesang. Asteropaios, einer der hervorragenden Bundesgenossen (FM 10), ist der einzige Held, der sich mit Achilleus einen normalen Kampf liefert; die anderen werden wie Aineias (20.318ff.) oder Agenor (596ff.) von Göttern gerettet, schnell getötet oder kämpfen wie Lykaon gar nicht erst: STRASBURGER 1954, 91; WEST 2011, 377 (der Kampf dürfte Achilleus auch ablenken und die Flucht von Troern ermöglichen, was allerdings nicht erzählt wird: STOEVESANDT 2004, 226). Die Szene ist somit eine Vorstufe für den Kampf mit Hektor (STRASBURGER a.O. 91), was noch durch das Motiv der Leichenschändung (203f.) unterstrichen wird, das erst im 24. Gesang mit Hektors Lösung abgeschlossen wird (ausführlich PEIGNEY 2012, 110–113). – Die Nähe der jeweiligen Heimat der Kontrahenten zueinander, Thessalien und Paionien in Nordwestgriechenland, könnte dafür sprechen, daß ein traditioneller Lokal-Mythos der Erzählung speziell dieses Kampfes zugrunde liegt (MÜLDER 1910, 230; SCHEIBNER 1939, 118f. Anm. 1; ROBERT 1950, 290f.; STELLA 1978, 189 mit Anm. 26); Asteropaios’ Herkunft fern von Troia soll aber vielleicht auch nur erklären, weshalb Asteropaios später dazustößt (155f. [s.d.]) und erst jetzt in einem Zweikampf auftritt, und weshalb er sich gerade auf einen Fluß beruft (157), denn dieser Fluß in seiner Heimat ist besonders groß und bedeutend (141n.). Die Figur des Asteropaios könnte somit auch eine ad hoc-Erfindung des Iliasdichters sein (KULLMANN 1960, 174 Anm. 3). Nicht nur Asteropaios’ Herkunft, sondern auch die Anklänge an die Begegnung zwischen Diomedes und Glaukos im 6. Gesang (6.119–236) sind in der Forschung aufgefallen. Sie dürften vor allem auf typologische Entsprechungen von Bestandteilen der zwei Herausforderungsreden zurückgehen (153–160n.), aber auch dazu passen, daß Diomedes Züge mit Achilleus teilt (6.96–101n. mit Lit.; s. auch 211–327n.) und überhaupt der

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erste und der letzte Teil der Ilias Ähnlichkeiten zeigen (STRASBURGER a.O. 89; vgl. 383–514n. Abschn. (3)). Die Szene soll im übrigen vermutlich speziell an Achilleus’ Konfrontation mit Aineias denken lassen (20.79–352): Dieser wagt es, wie Asteropaios von einem Gott ermutigt (20.79ff.), mit Achilleus den Kampf aufzunehmen, wird aber von Poseidon gerettet (zur Bed. der Genealogie in beiden Szenen 153–160n.). Dadurch wird eine Steigerung fühlbar: Asteropaios, der Achilleus sogar verwundet (166f.), ist ein gefährlicherer Gegner als Aineias, es gibt eine zweite Kampfrunde (173–183) und keine Rettung des Vertreters der Troerpartei durch einen Gott. Das erlaubt es dem Erzähler, letzten Endes Achilleus’ überragende Kampfstärke inmitten seiner Aristie zu zeigen (STRASBURGER a.O. 90; REINHARDT 1961, 443), erst recht nach der Darstellung von Achilleus’ Charakter in der Begegnung mit dem wehrlosen Lykaon (34–135n.), die das Gewicht vielmehr auf seinen Rachedurst legt (fühlbar auch in der Szene mit Asteropaios: Kampfeifer 140, 170). Die verschiedenen Funktionen der Szenen, in denen Achilleus auf einzelne Gegner aus Troia trifft, erklären so deren unterschiedliche Gestaltung; die vorl. Szene ist deshalb nicht als “poetische Antiklimax” (VON DER MÜHLL 1952, 315; ähnl. AH, etwas differenzierter LEAF) zur Lykaon-Szene zu betrachten (STRASBURGER a.O. 90f.), sondern als Ergänzung (eine Zusammenstellung der gleichen und der unterschiedlichen Motive in der Lykaon- und der Asteropaios-Szene bei WIESSNER 1940, 110). Das zeigt sich auch darin, daß beiden Szenen die Anpassung an den Schauplatz der Erzählung gemeinsam ist (die Opfer kommen vom Fluß und liegen am Ende darin bzw. am Wasser), die Asteropaios-Szene aber noch stärker zum Flußkampf überleitet (SCHEIBNER a.O. 34. 95; SCHADEWALDT [1944] 1965, 289): Asteropaios wird von Skamandros ermutigt (145f.), seine Herkunft von einem Flußgott wird betont, indem der Genealogie in der Erzählung (141–143) und in der Herausforderungs- und Triumphrede (150–160, 184–199) breiter Raum gegeben wird, der Kampf wird gefährlicher für Achilleus, die Leichenschändung im Fluß muß Skamandros erneut empören (211ff.). In der Triumphrede wird mit der Vorstellung von dem immer sieghaften Zeus über alle Flußgötter (190f.) auch schon auf den Götterkampf (328–520a) vorausgedeutet, und viell. klingt mit der Erwähnung von Zeus’ Waffe, dem Blitz, der Einsatz des Hephaistos gegen Skamandros (Feuer gegen Wasser) an (328–382n.). 139–147 Szene im ABC-SchemaP: Teil A (139f.) antizipiert zusammenfassend (zumindest teilweise) das in Teil C (144–147) geschilderte Ereignis, Teil B (141–143) stellt die vom Ereignis betroffene Person (das Opfer) mit Hilfe eines typischen ‘Nachruf’-Motivs in Form einer Geneaologie näher vor (141–143n.): BEYE 1964, bes. 346–34; zum ‘Nachruf’ 35b–48n. Formal werden A- und C-Teil hier (wie oft) durch Wiederaufnahme eines mehr oder weniger synonymen Wortes ringkompositorischP miteinander verknüpft (140 épalto ‘sprang zu’, 144 epórousen ‘stürmte an’; oft auch durch dasselbe Wort: 36n.): VAN OTTERLO 1948, 42. Im Unterschied zu

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vielen anderen Kampf-Szenen erzählen die Teile A und C aber nicht die Tötung, sondern nur das Entgegentreten (PARKS 1990, 50, mit S. 197 Anm. 16; Element 1 der Kampfschilderung: 161–183n.), und in Teil A nur die Annäherung von Achilleus, während in Teil C diese nur kurz aufgenommen und Asteropaios’ Reaktion und deren Begründung breiter Raum gegeben wird. Dessen Mut zu aktivem Widerstand (kurz auch in 11.94 von Oileus als Agamemnons Gegner erwähnt) und dessen vom Fluß gestärkte Energie werden so hervorgehoben, erst recht durch den Gegensatz zur Haltung aller vorherigen Opfer Achills im 20. und 21. Gesang, besonders Lykaons: Der Priamide war erschöpft und waffenlos aus dem Fluß gekommen, um Achilleus anzuflehen (34f., 50–52), Asteropaios wird im Fluß gestärkt und geht ihm bewaffnet entgegen (144f.; Variation des ähnl. Themas; KURZ 1966, 91; WATHELET s.v. Asteropaios, S. 340; 1989, 48). 139 2. VH = 6.44; ≈ 11.256, 22.293, Od. 1.104, 2.10; vgl. die 1. VH v. Il. 21.393. — Peleus’ Sohn: einerseits wohl zur Variation gegenüber der Namensnennung in 138 (SHIVE 1987, 47), andererseits zur Abhebung gegenüber der respondierenden Abstammung seines Gegners (141). — Lanze: die besonders große, ererbte Lanze, die nur Achilleus schwingen kann (19.387n.). Sie ist einer der wichtigsten Teile von Achilleus’ Ausrüstung (zu der natürlich auch das Schwert gehört, 173; WILLENBROCK [1944] 1969, 30) und symbolisiert seine Bereitschaft zum Angriff. Zum Versbau (nach der Zäsur B 2 ἔχων + Akk.-Obj. wie in 11.256, 12.27, 19.18) HIGBIE 1990, 184f. — Πηλέος υἱός: flektierbare Formel vor der Zäsur B 2 (nur hier Nom., sonst 6× Il., 1× Od. Vok., mit vorangehendem Epitheton noch Od. 24.36). Zur kurzvokal. Form Πηλέος G 76; CRESPO 1994. — δολιχόσκιον ἔγχος: VE-Formel (20× Il., 4× Od.); ferner 6.126 nach der Zäsur B 1, in Formelsprengung und mit Umstellung Od. 22.97. δολιχόσκιος, metr. Variante zu bloßem δολιχός ‘lang’ (4.533 u.ö.) bed. vermutl. ‘einen langen Schatten werfend’ (Hinterglied σκιά): 3.346n. mit Lit. Zu den Speer-Epitheta 72n.

140 ≈ 170. — Asteropaios: als Bundesgenosse der Troer in 12.102 und 17.217 erwähnt, in 17.351–355 bei einem Versuch, sich für einen Landsmann zu rächen, kurz dargestellt; in 23.560ff. u. 23.807f. werden sein von Achilleus nach seinem Tod erbeuteter wertvoller Panzer und sein Schwert als Wettkampfpreise eingesetzt (FM 10; LfgrE).

Emphatischer Vier-Wort-Vers (28n.), der die Konfrontation zweier bedeutender Gegner hervorhebt. — Ἀστεροπαίῳ: Name mit dem Suffix -ιος (RISCH 127), abgeleitet von ἀστεροπή, das ‘Blitz’ bedeutet (v. KAMPTZ 118; dazu auch Zeus’ Epitheton ἀστεροπητής: 1.580n.), wohl v.a. als Lichterscheinung (LfgrE s.v. ἀστεροπή), und auch ‘Blitzen’ (von Metall, 19.363, dort in der Variante στεροπή). Vermutlich evoziert der Name den furchterregenden Glanz des Helden in seiner Rüstung, so wie möglicherweise auch der Name des anderen Anführers der Paioner, Πυραίχµης (zu πῦρ und αἰχµή): LfgrE s.v. Ἀστεροπαῖος. Zu blit139 τόφρα: ‘unterdessen’ (vgl. ὄφρα R 22.2). 140 κατακτάµεναι: Inf. Aor. (R 16.4) zu κατακτείνω.

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zenden Waffen s. auch 5n. zu φαίδιµος Ἕκτωρ und 12–14n. (Feuer als Metapher für Achilleus), 14.386n. (der Vergleich der Metallwaffen mit einem Blitz veranschaulicht ihre Gefährlichkeit). Der kampfbereite Held (144f.) erinnert auch an den wieder in die Schlacht ziehenden Idomeneus, der dem Blitz des Zeus gleicht (13.242–245): LfgrE a.O. — ἔπαλτο: athemat. Aor. zum Kompositum ἐφ-άλλοµαι (zur Schreibweise der Formen mit oder ohne Aspiration CHANTR. 1.184); zum Akzent und zur Vermischung von ἐπ-αλτο und ἐ-παλτο WEST 1998, XX. — κατακτάµεναι µενεαίνων: VE-Formel (nur hier nach ἔπαλτο; 3.379, 5.436, 20.442 nach ἐπόρουσε, 20.346 und 21.170 nach ἐφέηκα/ἐφῆκε; Variante κτάµεναι µ. in Od. 10.295, 10.322); zur Variante δαϊζέµεναι µ. und zur Bed. von µενεαίνων 33n.

141–143 Der ‘Nachruf’ auf das spätere Opfer (139–147n.) hat die Form einer erweiterten Geneaologie (Sohn – Vater, dazu Großeltern), ähnlich mit mehreren Angaben in 13.694–697/15.333–336, noch komplizierter in 6.21–28 (s.d.): STRASBURGER 1954, 21. Zu Lit. zu ‘Nachrufen’ allg. s. 6.12–19n.; Stellensammlungen bei RICHARDSON 1990, 44f. mit Anm. 14 [S. 215]; STOEVESANDT 2004, 128. Die Genealogie hat mehrere Funktionen: Sie informiert kurz über eine im Unterschied zu Achilleus bisher kaum erwähnte Figur, so daß auch die Bezüge auf die Verwandtschaft in den folgenden Reden verständlich sind (157–160, 184–186; DE JONG [1987] 2004, 89, mit S. 264 Anm. 93; PARKS 1990, 50), und verleiht Asteropaios durch den Hinweis auf den Großvater ein besonderes Gewicht als bedeutendem Gegner neben Achilleus, dem Sohn der Thetis und Nachfahren des Zeus (189; STRASBURGER a.O. 22; NIENS 1987, 132). Hohe (wenn nicht gar göttliche) Abkunft – hier vom Flußgott Axios, in 5.541ff. vom Alpheios, in 16.174–176 vom Spercheios – ist ein Charakteristikum des Adels. Im Epos dargestellte Genealogien heroisieren daher die betreffende Figur und dienen der Legitimation des von der Führungsschicht gebildeten Publikums (16.174–176n. mit Lit.). Darüber hinaus liegt es auch nahe, daß die Genealogie erklärt, warum Skamandros gerade Asteropaios hilft (145f.; SCHEIBNER 1939, 96): Die von Skamandros angestrebte Solidarität unter Flüssen (307ff.) wird sozusagen über einen Enkel eines Flußgottes vorbereitet. 141 2. VH ≈ 2.849, 16.288, 21.157. — Pelegon: nur in dieser Szene erwähnt (noch 152, 159). — Axios: einer der bedeutendsten Flüsse im Norden des heutigen Griechenland (heute Vardar: LfgrE s.v. Ἀξιός 973.60ff.); auf seine Größe, die im Bereich der südl. Balkan-Halbinsel bemerkenswert ist, weist der Zusatz ‘breit fließend’ hin (hier und in den ähnl. Halbversen, s.o., von dem nur ‘Fluß’ genannten Axios auch in 21.186). Πηλεγόνος: Der Name Πηλεγών stellt wohl eine metr. Variante zu Πελάγων dar (ein Pylier in 4.295, ein Lykier in 5.695): v. KAMPTZ 330; WATHELET s.v. Πηλεγών; LfgrE s.v. Πηλεγ(ών). Dazu würde passen, daß Πελάγων vermutlich urspr. ein Ethnikon ist und jeman-

141 υἱέϊ: zur Flexion R 12.3. — τόν: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); gemeint ist Pelegon.

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den aus einer Bevölkerung in der Nähe der Paioner bezeichnet, deren Anführer Asteropaios ist (140n.): 4.295n. Πηλεγών könnte allerdings auch eine Kurzform von *Πηλέγονος sein (wie Τηλέγονος in Hes. Th. 1014): RISCH 229f.; zum Deklinationswechsel EGLI 1954, 100. Der Name erinnert jedenfalls klanglich an das ebenfalls nach dem ersten Versfuß stehende Πηλέος in 139 und trägt so wie bei den folgenden Nennungen in 152 und 159 (s.dd.) zur motivisch wichtigen Abgrenzung der Herkunft beider Gegner bei (LfgrE a.O.). — Ἀξιός: Zum Schwanken der überlieferten Akzentuierung zwischen der Endbetonung und der ersten bzw. (in manchen Kasus) zweiten Silbe s. den app. crit. von WEST; LfgrE s.v. Ἀξιός 973.22– 41. — εὐρυρέεθρος: Kompositum zu ῥέεθρον wie καλλιρέεθρος (Od. 10.107, Hes. Th. 339, h.Ap. 240; RISCH 43) und wie dieses als Ergänzung (ε. nur hier, im Nom.) zu gleichbedeutenden Epitheta in anderen Kasus bzw. Versstellen verwendet (2.849, 16.288, 21.157, 21.186 am VE εὐρὺ ῥέοντος; καλλίρροος 3× Il., 2× Od., 3× Hes., 5× hom.h.); ‘mit breiten Fluten’ (LfgrE s.vv. εὐρυρέεθρος, καλλιρέεθρος, καλλίρροος). 142 1. VH = Od. 7.57; ≈ ‘Hes.’ fr. 137.2 M.-W. (γ. κ. ebenfalls vor einem Eigennamen im Nom.), Hes. Th. 928, 978 (letztere St. vor Eigennamen im Akk.). — Der Vers ist von der Zäsur A 4 an nach dem Schema (Eigenname im Nom./Akk.) + Gen. des Vatersnamens + flektierbares θυγατήρ gebaut (zwischen diese Elemente werden z.T. noch Epitheta, 1× Od. ein Prädikat eingefügt), wie in Od. 3.452, 11.260, 11.269, Hes. Th. 265, ‘Hes.’ fr. 60.4 M.W., h.Cer. 105 (vgl. Od. 11.421f.; MUREDDU 1983, 110). — γείνατο: 85n. — Περίβοια: Wie die sonst nicht erwähnte Großmutter des Asteropaios ist eine andere Frau des gleichen Namens durch einen Wassergott (nicht Axios, sondern Poseidon) zur Ahnherrin geworden (Od. 7.61); der Name wird überdies für die Mutter des Tydeus verwendet (‘Hes.’ fr. 12 M.W. = Thebais fr. 5 West). Er bed. ‘reich an Rindern’, als Possessivkompositum mit intensivierendem περί und einem Hinterglied zu βοῦς wie Ἠερίβοια (5.389; zu -βοιος 79n.; v. KAMPTZ 57), und bezieht sich wohl auf das Ansehen einer Frau, das mit hoch ausgehandelter Mitgift bzw. Brautgabe in Gestalt von Rindern stieg; in diesem Zusammenhang sind vermutlich auch Namen wie Πολυδώρη (16.175, s.d.), Πολυµήλη (16.180) und Epitheta wie ἀλφεσίβοιος (18.593, s.d.) und πολύδωρος (6.394, s.d.), entstanden (WICKERT-MICKNAT 1983, 91). Zur Bedeutung von Rindern als wertvollem Besitz 79n. — Ἀκεσσαµενοῖο: nur hier erwähnt; der Name ist im Zusammenhang mit der Herkunft der Figuren aus Makedonien eher eine Ableitung von einem Ortsnamen (Ἀκεσσαµεναί in Makedonien, vgl. Κλαζοµεναί; v. KAMPTZ 164f. 265) als eine Partizipialbildung (‘Heiler’, zu ἀκέοµαι) wie u.a. Κλύµενος in Od. 3.452 (myk. Ku-ru-meno) Κλυµένη in Il. 3.144, 18.47, Φέρουσα, Δυναµένη, Δεξαµένη in 18.43f.: RISCH 54; MYK s.vv. εὔχοµαι u. Κλυµένη. 143 πρεσβυτάτη: bez. bei Sterblichen den oder die Älteste(n) in einer Geschwisterreihe, was der betreffenden Person wie auch der Göttin Hera (4.59, s.d.) einen besonderen Rang verleiht (von einer verheirateten Tochter auch in 11.740, 13.429, Hes. Th. 234): LfgrE s.v. πρεσβύτερος, πρεσβύτατος 1532.29ff. Dieser Rang wird hier noch durch die Stellung des Wortes im integralen EnjambementP ähnlich wie in Hes. Th. 777 hervorgehoben, vielleicht auch durch die Bed. des Namens Περίβοια (142n.). — βαθυδίνης: 15n.; verstärkt zusam-

143 τῇ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17). — ῥα: = ἄρα (R 24.1). — µίγη: Aor. zu µείγνυµαι ‘sich vermischen, sich verbinden mit’; zur augmentlosen Form R 16.1.

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men mit εὐρυρέεθρος (141) den Eindruck eines mächtigen Stromes und Ahns von Asteropaios.

144–147 Im Strom der vor Achilleus flüchtenden Troer leistet wieder ein einzelner Widerstand (144b f.; vorher Hektor 20.419–441, nachher Agenor 544ff., dann wieder Hektor 22.5–363), was in den epischen Schilderungen der Fluchtphasen häufig erzählt wird (vor Achilleus’ Eintritt in den Kampf z.B. in 8.99ff. [Diomedes] und 16.419ff. [Sarpedon]; 4.422–544n.: Phase B 6 in der Typisierten EreignissequenzP ‘Ablauf der Feldschlacht’; LATACZ 1977, 214). Asteropaios’ mutiger Schritt begründet sich indirekt dadurch, daß er der Enkel eines Flußgottes (141–143n.) und ein hervorragender Kämpfer ist (von Sarpedon ausgewählt, 12.101ff.); direkt, daß er von Skamandros motiviert wird (145f.), der ihn stärkt, wie olympische Götter einen Helden stärken (eben erst Apollon den Troer Aineias in 20.79ff.). Zum ep. Motiv, daß eine Gottheit einem Helden Kraft – hier ménos i.S.v. ‘Energie, Elan’ – einflößt, und zur Doppelten MotivationP 16.529n. mit Lit. Die Stärkung des Kämpfers stellt Skamandros’ erste Maßnahme gegen Achilleus dar, bevor er nach Asteropaios’ Tod persönlich eingreift (211ff.). Die Motivation des Flußgottes wiederum wird gleichzeitig vom Erzähler gedeutet und aus Skamandros’ Sicht angegeben (146f.), ähnlich wie in anderen Fällen, so 16.255f., in denen sich die Deutung durch den Erzähler und die Sekundäre FokalisationP nicht strikt unterscheiden lassen (DE JONG [1987] 2004, 110–113; zu den Deutungen des Erzählers, mit Stellensammlung, RICHARDSON 1990, 147–149. 235 Anm. 15). Der Zorn erklärt sich aus der wachsenden Stauung des Flusses durch Leichen, einer Tatsache, auf die immer wieder von Beginn der Erzählung an, wie Achilleus am Fluß Troer tötet, hingewiesen wird (20f., 120ff.); sie wird der Gott später auch Achilleus vorwerfen (218–220) und sich dagegen wehren (234–237, 300–302, 324–327): NEAL 2006, 254. Diese Leichenberge im Fluß sind eine Folge von Achilleus’ Erbarmungslosigkeit (147 oud’ eléairen ‘hatte sich nicht erbarmt’: weniger der Affekt, das Mitleid, als der Impuls zum Handeln ist gemeint: 24.44n.; vgl. 74n.). Achilleus wird immer wieder als erbarmungslos bezeichnet, oft allerdings gegenüber den Achaiern (9.496f., 9.632, 11.665, 16.33 [s.d.], 16.204), und erst hier, und auch nur aus Skamandros’ Sicht, gegenüber den Troern, dann aber verstärkt speziell gegenüber Hektor (22.123; 24.207: schließlich gemäß allen Göttern), wenn seine Haltung mit der Rache für die getöteten Achaier (sozusagen einem verspäteten Erbarmen) verknüpft ist (133–135; KIM 2000, 51). Daß die Rache damit nicht an sich in Frage gestellt und das Erbarmen gegenüber Gegnern nicht zur Norm erhoben wird (wie gemäß schol. bT jemand gemeint und als nicht passend kritisiert hat), macht der Erzähler durch die Sekundäre Fokalisation deutlich: der Flußgott ist Partei (BURKERT 1955, 98), zudem noch gereizt neben dem Stau der Strömung durch Achilleus’ Provokation (133–138). Die Erklärung für Skamandros’ Unterstützung faßt somit alles bisherige Geschehen zusammen (die vielen Tötungen, speziell diejenige Lykaons, und

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den Hohn) und entspricht auch durchaus der sich steigernden Empörung des Flußgottes (anders AH Anh. zu 145–146, auch in Zusammenhang mit der Athetese von 130–135; s.d.). 144 1. VH ≈ 15.520; 2. VH ≈ Od. 19.445. — Nach der Genealogie in 141–143 Wiederaufnahme der Erzählung, wie Achilleus heranrückt (139f.), gefolgt von Asteropaios’ Reaktion (139–147n.). — Fluß: Asteropaios versuchte wie Lykaon (35) und andere Troer und ihre Bundesgenossen (7–16, 3–16n.), sich in Skamandros’ Wasser zu retten. ἐπόρουσεν: 33n. — ἀντίος: ‘zugewandt’, meist in Verbindung mit intrans. Verben der Bewegung, oft wie hier in Kampfsituationen zur Bez. eines Angriffs (‘entgegentreten’): LfgrE s.v. 945.12.ff.; KURZ 1966, 124f.

145 2. VH ≈ 16.529, Od. 1.89. — Speere: Wenn sonst zwei Speere erwähnt werden, dient der zweite Wurfspeer als Ersatz (3.18n. mit Lit.; FRANZ 2002, 65). Hier bereitet der Hinweis auf den gleichzeitigen Einsatz beider Waffen vor (162f.): AH. µένος … ἐν φρεσὶ θῆκεν: Die Aussage ‘Gottheit verleiht Energie’ weist im fgrE vielfältige Ausprägungen auf, hier mit τίθηµι und µένος als Obj. wie in Od. 1.89 und 1.321, oft mit (ἐµ- ) βάλλω wie in Il. 21.304 (ähnl. mit θάρσος 21.547) u. Verben ähnl. Bed.: 16.529n. mit Lit. Zu µένος 33n.; zu ἐνὶ φρεσί 19n. ἐν φρεσὶ θῆκεν ist eine flektierbare VE-Formel (auch mit ἐνί/ἐπί, noch 2× Il., 3× Od., 2× hom.h.); im Versinnern findet sich ἐπὶ φρεσὶ θῆκ(ε) vor der Zäsur B 2 bzw. B 1 (2× Il. [s. 1.55n.], 4× Od., dazu mit ἐνί Od. 6.140) und nach der Zäsur B 2 (mit ἐν Il. 13.121, mit ἐνί 2× Od., mit ἐπί h.Ven. 15 und Od. 16.282 bei WEST). — οἱ: formal zwar auch als Gen.-Form und als Attribut zu φρεσί aufzufassen möglich (allg. zur Form G 81; SCHW. 2.189); in den Verbindungen mit ἐν(ὶ)/ἐπὶ φρεσί + τίθηµι läßt sich jedoch kein Gen. eindeutig nachweisen, wohl aber ein Dat. (z.B. 1.55, 8.218, ähnl. Od. 1.320f.), was auch hier für einen Dat. spricht.

146 2. VH = 301. — Xanthos: 1–2n. δαῒ κταµένων: δαΐ ist ein isolierter Dat. mit unklarer Etymologie (‘im Kampf’), das Wort ist selten gebraucht (VE-Formel ἐν δ. λυγρῇ 2× Il., 2× Hes., Variante Il. 14.387): DELG s.v.; TRÜMPY 1950, 136. Ob die vorl. Wendung in einem Wort (RISCH 211: als Zusammenrückung mit Kasusform im Vorderglied) od. in zwei Wörtern zu schreiben ist, war bereits in der Antike unklar (s. app. crit. u. WEST 2001, 259). Formal vergleichbar ist ἄρηϊ κταµένῳ 22.72, wo die Schreibart mit zwei Wörtern mit einem prädikativen Ptz. besser paßt als ein Adj. der Bed. ‘im Kampf getötet’; zudem steht es dort chiastisch zu δεδαϊγµένῳ ὀξέϊ χαλκῷ (DE JONG z.St.; Hinw. FÜHRER; anders die Bildung mit einem Verbaladj. ἀρηϊφάτους 19.31 mit n.). — αἰζηῶν: bed. adjektivisch verwendet ‘rüstig, kräftig, stark’, als Subst. wie hier ‘Krieger, Mann’; die Etymologie ist unbekannt (LfgrE u. DELG s.v.).

144 Ἀχιλεύς: zum einfachen -λ- R 9.1. 145 δύο δοῦρε: Akk. Dual.; zu δοῦρε R 12.5. — δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). 146 κταµένων αἰζηῶν: gen. causae, abhängig von κεχόλωτο. — κταµένων: Ptz. Aor. Med. (mit pass. Bed.) zu κτείνω (vgl. 140n.).

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147 2. VH von der Zäsur C 2 an = Od. 23.313; ≈ Il. 6.407, 11.665, 22.123, 24.207; mit ἠδ(έ) 2.27, 2.64, 24.174, h.Cer. 76. — ἐδάϊζε: zur Bed. 33n.; nimmt im epexegetischen Rel.-Satz δαῒ κταµένων des vorhergehenden Verses emphatisch auf, indem es daran anklingt, vergleichbar 15.238 ὠκέϊ ̣… ὅς τ᾿ ὤκιστος; ähnl. sind solche Wortwiederholungen wie in 62f. (s.d.): FEHLING 1969, 134. — κατὰ ῥόον: ‘in den Fluten’ wie in Od. 12.204 (dagegen Il. 12.33 [κὰρ ῥόον], Od. 5.327, 5.461, 14.254 ‘flußabwärts, mit der Strömung’): LfgrE s.v. ῥόος; SCHW. 2.478.

148–160 Herausforderungsreden vor Zweikämpfen, in denen sich die Kombattanten miteinander messen und meistens in je einer Rede auf ihrem militärischen Rang bestehen, sind in der Ilias ebenso verbreitet wie in sonstiger idg. Dichtung (5.630ff. Tlepolemos/Sarpedon, 6.121ff. Diomedes/Glaukos, 20.176ff. Achilleus/Aineias, 22.248ff. Hektor/Achilleus; LÉTOUBLON 1983, 36; STOEVESANDT 2004, 305f.; zu idg. Parallelen WEST 2007, 476; zur fundamentalen Bedeutung der gegenseitigen Vergleiche im sozialen Leben SLATKIN [1991] 2011, 171). Dabei wird als epische Konvention vorausgesetzt, daß die unterschiedlichen Sprachen (auch von Bundesgenossen der Troer) die Verständigung nicht beeinträchtigen (dazu allg. 2.802– 806n.). 148 = 3.15, 5.14 u.ö. (insgesamt 11× Il.); » 23.816 (ἀλλ᾿ ὅτε); 1. VH » Od. 10.156, 12.368. Formelvers zur Einleitung von Zweikämpfen (3.15n.).

149 = 20.177; ≈ 24.668; 1. VH ≈ 24.378 u.ö. (s.d.). — τὸν πρότερος προσέειπε: VA-Formel (10× Il., 1× ‘Hes.’; Varianten: προτέρη προσέειπε(ν) / προτέρη … προσεφώνεε(ν): 1× Od. / 2× Od.; πρότερος προσέφη: 2× h.Merc.); markiert den Beginn eines Zwiegesprächs oder dessen Wiederaufnahme nach einer Unterbrechung (EDWARDS 1970, 8f.). προσ-έϝειπε ist reduplizierter thematischer Aor. aus dissimilertem *-e-u̯e-u̯qu̯- (SCHW. 1.745; RIX [1976] 1992, 216). — ποδάρκης δῖος Ἀχιλλεύς: 49n.

150–151 Nachdem alle Troer und ihre Bundesgenossen bei der Furt vor Achilleus geflohen sind, entweder in die Stadt oder in den Fluß und wieder hinaus (3–16n.), stellt sich ihm als einziger Asteropaios entgegen (144f.). Die Rede des Peliden widerspiegelt wohl seine Verwunderung angesichts eines solchen Wagnisses eines Gegners, ähnlich wie er sich in 20.178–198 gegenüber Aineias äußert. Da er diesen Troer aber kannte, kann er ausführlich auf ihn eingehen. Hier begnügt er sich gegenüber dem unbekannten Bundesgenossen der Troer mit einer Kurzrede wie in anderen Situationen, wenn er sehr betroffen ist (18.182n.). Die Frage nach der Identität des Gegners auf dem Schlachtfeld (150) hat nur eine Parallele in 6.123 (Erzählkonvention der Ilias, daß die Gegner einander kennen: DE JONG 2005, 14–17), ist aber in idg. Heldendichtung nicht selten (6.123n.; NEAL 2006, 252 Anm. 66; allg. 147 τούς: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). — κατὰ (ῥ)ρόον: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). 148 ἀλλήλοισιν: R 11.2. 149 προσέειπε: = προσεῖπε.

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zu Parallelen zwischen den zwei Szenen der Ilias BROCCIA 1963, 82f.; DI BENEDETTO [1994] 1998, 325 mit Anm. 16 u. 17; Parallelen zur Doppelfrage nach Identität und Herkunft bei WACKERNAGEL [1920] 1926, 299; SCHMITT 1967, 136; MUELLNER 1976, 123f.; WEST 2007, 430. 476). Die Frage hat mehrere Funktionen (DE JONG a.O. 17 Anm. 49): Sie erklärt sich aus der Verwunderung (s.o.; schol. bT), zielt aber nicht speziell nach dem Namen, sondern nach der Herkunft allg. (die Asteropaios auch nur nennt, nicht seinen Namen: 153–160n.), denn sie ist entscheidend für den Rang und damit den Vergleich der sich messenden Helden (141–143n.; zur Bedeutung der Verwandtschaft und Genealogie in dieser Szene 139–204n.). Die Frage impliziert, daß der Ruhm des Angesprochenen so gering ist, daß der Redner ihn nicht kennt, und wirkt so gleichzeitig mit der Insinuation (150b), es sei ein verrücktes Unterfangen, sich ihm entgegenstellen zu wollen (étlēs ‘du wagtest es’), herausfordernd und einschüchternd (PATZER 1996, 170; KELLY 2007, 122; DE JONG [1987] 2004, 163; zur Bedeutung des Ruhmes als eines Grundwertes 16.31n.). Dieser Effekt wird noch dadurch verstärkt, daß der Frage eine Kampfprognose folgt (151), ein Standard-Element von Herausforderungsreden (auch in 399, 487f., 588f.; vgl. die Hohnrede Achills nach Lykaons Tod, 130–135n.), das der Erzähler öfter seinen im Vergleich zu den Troern selbstbewußteren achaiischen Figuren in den Mund legt (6.127n.; STOEVESANDT 2004, 308; orient. und idg. Parallelen bei WEST 1997, 215; 2007, 476). Der Hinweis auf die zu erwartende Trauer der Angehörigen (151, mit betontem dystēnōn am VA: ‘unglücklich’ werden sie sein) verstärkt noch die Provokation (ebenso in 6.127; zwar von einem Toten, aber vergleichbar drohend 17.27f.; oft verbunden mit der Ankündigung von Leichenschändung, vgl. 122– 135n.): STOEVESANDT a.O. 312. Achilleus’ kurze Rede zeigt somit wie die vorhergehende Hohnrede (122–135) seine Leidenschaft, gegen jeden zu kämpfen und sich zu rächen (SCHEIBNER 1939, 96). 150 1. VH = Od. 1.170, 7.238, 10.325, 14.187, 15.264, 19.105, 24.298; ≈ h.Cer. 113. — τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν: Die Verbindung mehrerer Fragewörter in einem Satz, in dem das zweite Fragewort das erste spezifiziert (AH), ist natürlich und hat Parallelen in späterer gr. Lit. sowie in anderen idg. Sprachen (SCHW. 2.630; LEAF). πόθεν ist nicht lokal aufzufassen, sondern wie τίς mit ἀνδρῶν zu verbinden (in den Iterathalbversen folgt nachher die Frage nach der Heimat), entsprechend der Verwendung von πόθεν in Od. 17.373 und von ὅθεν in Il. 4.58 (FRÄNKEL 1925, 2; WACKERNAGEL [1920] 1926, 299f.; LEAF). — εἰς: Zur sprachl. Erklärung der Form s. HACKSTEIN 2002, 103–106 (ionische Umgangssprache?). — ὅ: leitet entweder einen Rel.-Satz mit konsekutiver Sinnfärbung (SCHADEWALDT) oder einen Kausalsatz ein (ὅ = ὅτι, AH; CHANTR. 2.10). Zu ähnl. Stellen, an denen beide Deutungen möglich sind, 16.835n.; CHANTR. a.O.; in jedem Fall erklärt der Satz die vorhergehende Frage. — ἀντίος ἐλθεῖν: flektierbare VE-Formel (insges. 10× Il., Varianten 7.98, 11.94, Od. 13.226). Zur Bed.

150 εἰς: = εἶ (vgl. R 16.6). — ὅ: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5) oder = ὅτι (­).

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von ἀντίος 144n.; zum Schwanken der Überlieferung zwischen ἀντίος und adv. ἀντίον (s. app. crit. von WEST) 19.70n. 151 = 6.127; 2. VH ≈ 21.431. — δυστήνων: emphatisch am Vers- und Satzanfang; von Angehörigen gefährdeter bzw. toter Krieger auch im Iteratvers und betont (vor Zäsuren) in 22.59 (Priamos von sich, zu Hektor), 22.477 (Andromache nach Hektors Tod über ihren Zustand). 152 2. VH = Od. 16.308, 24.243; ≈ Il. 6.144, 16.858, 21.97. — Rede-EinleitungP, mit den Elementen τόν/τήν am VA + προσεφώνεε vor der Zäsur C 2 wie in 3.413, 8.292, 14.242, 4× Od. (jeweils mit δέ + einem Partizip vor προσεφώνεε), 5× Od. (mit δ᾿ αὖτε/προτέρη ψυχή). — φαίδιµος υἱός: 97n. Die Formel mit Πηλεγόνος anstelle des Eigennamens unterstreicht wohl zusammen mit der in der folgenden Rede angegebenen Genealogie (153–160n.) und der Wiederholung des Vaternamens in 159 den Rang des Sprechers (DE JONG [1987] 2004, 198f.).

153–160 Zu einem das Publikum fesselnden Zweikampf einer Erzählung gehört, daß in den Herausforderungsreden der schwächere Gegner sich keine Blöße gibt und Beleidigungen erwidert (PARKS 1990, 36). Auf Achilleus’ provokative Frage und Drohung reagiert denn auch Asteropaios mit einer entsprechenden drohenden Herausforderung zum Kampf, die gleichzeitig Achilleus mit einer Genealogie, einem typ. Element solcher Reden (6.152–211n.; PARKS a.O. 106ff. mit german. Bsp.), eine Antwort gibt und dabei auch auf dem mindestens gleichwertigen Rang besteht, indem er auf die Abstammung vom Flußgott Axios verweist. Sein Selbstbewußtsein zeigt sich auch darin, daß er davon ausgeht, daß Achilleus ihn und seine Familie eigentlich kennen müßte (153; sein Vater ist berühmt, 159; seine Abstammung ist eine bekannte Tatsache 159b–160), und ungeduldig und in drohender Haltung zum Kampf aufruft (160f.). Daß Asteropaios tatsächlich ein ernstzunehmender Gegner ist (ganz anders als vorher Lykaon in 64–98), zeigt sich sowohl im folgenden Kampf (161–183) als auch in Achilleus’ Triumphrede, in der der Achaier selbst nach dem Tod des Paioners dessen Abstammung von einem göttlichen Großvater zu übertrumpfen versucht (184–199; PARKS a.O. 36; die vorl. Rede ist die Voraussetzung für die folgende: DE JONG 2005, 17 Anm. 49). Man hat den Dialog der beiden Gegner oft mit demjenigen von Glaukos und Diomedes im 6. Gesang verglichen, mit dem er ähnliche und gleiche Verse gemeinsam hat (150–151n., 152n., 153n., 157n., 159–160n.; eine Stellensammlung bei LOUDEN 2006, 30). Die Reden hier sind aber viel kürzer und die Genealogie ist ihrer reinen Funktion als ‘Trumpf’ in der Herausforderungsrede angepaßt (DI BENEDETTO [1994] 1998, 325f.). Das gilt auch für den in vielem noch ähnlicheren Wortwechsel zwischen Achilleus und Aineias, der es ebenfalls wagt, drohend vor dem Achaier aufzutreten (20.161), nicht nur seine, wie er unterstellt, dem Peliden bekannte göttliche Abstammung von Aphrodite Achilleus vorhält (20.206–241), sondern auch ähnlich un-

151 τε: ‘episches τε’ (R 24.11). — ἀντιόωσιν: zur ep. Zerdehnung R 8.

Kommentar

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geduldig zum Kampf mahnt (20.244–258; Vergleiche bei AH; SCHEIBNER 1939, 28; zur Diskussion s. auch 139–204n.). 153 ≈ 6.145. — Mit der Anrede macht Asteropaios einerseits klar, daß er Achilleus und seine Kampfkraft kennt, was natürlich keine ironische Anerkennung enthält, sondern eine Hervorhebung einer echten Rivalität zweier mehr oder weniger gleichwertiger Gegner bedeuten kann (PARKS 1990, 105f.). Die Frage ist denn auch nur rhetorisch: Asteropaios setzt provokativ seine Bekanntheit voraus (PADUANO/MIRTO zu 120–160), ist aber ungeduldig (anders als der Sprecher Glaukos im Iteratvers in 6.145); er will bald kämpfen (160b). Er nimmt aber die Herausforderung im Dialog doch an und beantwortet die Frage nach seiner Identität im folgenden (154– 160a): DE JONG (1987) 2004, 164. Diese wird durch den Herkunftsort und die Abstammung bestimmt, weshalb Asteropaios Achilleus nicht seinen Namen nennt, sondern nur diejenigen seines Großvaters und Vaters (157, 159). Zur Identifikation der hom. Helden über ihre Vorfahren 141–143n., 6.145n.; MUELLNER 1976, 73f. mit Anm. 9, mit Hinweis auf Abstammung und Herkunftsort als reguläre onomastische Kategorien. — Pelide: Patronymikon (Vatersname) des Achilleus, des Sohnes des Peleus (139). Πηλείδη µεγάθυµε: Anstelle von Πηλείδης (im 21. Gesang noch 173, 208, 251, 272, 288, 557, 595) werden auch die Varianten Πηλείων (im 21. Gesang 306, 327, 599) und das vokalisch anlautende Αἰακίδης zur Bezeichnung von Achilleus verwendet (178, 189): 1.1n.; LATACZ (1995) 2014, 304 Anm. 87. µεγάθυµος ‘mit großer Leidenschaftlichkeit, hochgemut’ ist ein generisches EpithetonP bei Heroen und Völkernamen (LfgrE; zu θυµός vgl. 2.196n.), in bezug auf Achill noch am VE 17.214, 18.226, 19.75 (µεγαθύµου Πηλείωνος), 23.168 (µεγάθυµος Ἀχιλλεύς), im Versinnern 20.498, Od. 3.189 (Ἀχιλλῆος µεγαθύµου). Der bloße Vok. ohne ὦ (statt etwa ὦ Ἀχιλεῦ wie in Il. 1.74) verrät viell. Ungeduld, wie sie sich auch später zeigt (160): SHIVE 1987, 119; zu den umstrittenen Erklärungen für die Hinzufügung oder Auslassung von ὦ allg. 1.442n., mit Lit. — τίη: 106n.

154 ≈ 17.350. — Paionien: das Gebiet der Paioner, eines wohl illyrischen Stammes, der an die äg. Nordküste einwanderte (2.848n.). Seine Distanz von Troia wird auch in 2.849 (s.d.) hervorgehoben, wo die Paioner als die am westlichsten siedelnden troischen Verbündeten aufgezählt werden. Wie Asteropaios betont auch der Lykier Sarpedon in 5.478f., daß er von weither nach Troia gekommen ist, dort, um seine Leistung für Troia zu unterstreichen. εἶµ(ι): zur Akzentuierung des betonten εἰµί am Satzanfang WEST 1998, XX (altererbte Orthotonese am Satzanfang). — ἐριβώλου: ‘mit großen Schollen’ (zu dem verstärkenden Präfix ἐρι- WILLI 1999), Epitheton von Landschaften (LfgrE); metr.-prosod. Variante von ἐριβῶλαξ (dazu 6.314b–315n.). — τηλόθ᾿ ἐούσης: flektierbare Formel (am VE auch

153 τίη: 106n. — ἐρεείνεις (+ Akk.): ‘fragen nach’. 154 Παιονίης: zum -η- nach -ι- R 2. — τηλόθ(ι): ‘fern’. — ἐούσης: = οὔσης (R 16.6).

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Od. 1.22, 5.55, 11.439, am VA h.Ap. 330; Variante τηλόθεν ἐσσί/ἐστίν Od. 6.312/7.194; vor der Zäsur B 2 Il. 8.285).

155–156 1. VH v. 155 vgl. Kallinos fr. 4.1 West Τρήερας ἄνδρας ἄγων (WEST 2011, 377); 2. VH v. 155 – 156 ≈ 80f. (s.d.); vgl. Od. 19.192; 2. VH v. 156 = Il. 5.204; ≈ 11.230. — Asteropaios wird als Anführer der Paioner im Troerkatalog neben dem dort (und nur noch bei seiner Tötung durch Patroklos in 16.284–293 erwähnten) Pyraichmes nicht genannt, obwohl er nach der Ilias-Chronologie zur Zeit des Aufmarsches bereits in Troia gewesen sein mußte. Das hat schon seit früher Zeit Anstoß erregt und zu einem Zusatzvers geführt (2.848a: 2.848n.; schol. bT zu 140, schol. A zu 155; zur ganzen Diskussion in der Antike NÜNLIST 2009, 72f. mit Anm. 15; WILAMOWITZ 1916, 85; VON DER MÜHLL 1952, 315). Dieser Aufmarsch stellt aber eine Einspiegelung in eine weiter zurückliegende Zeit dar (STR 22 [2]), und Asteropaios wird wohl eben deshalb nicht neben Pyraichmes im Troerkatalog erwähnt, weil er später zu den Paionern stieß (BASSETT 1938, 209). Das erklärt wiederum Achilleus’ Frage und gibt dem Erzähler Raum für eine Darstellung von Asteropaios’ Herkunft (REINHARDT 1961, 444). Das Motiv der kontinuierlich erneuerten Unterstützung der Troer durch dazustoßende Bundesgenossen ist verbreitet (2.130– 133, 10.434ff., 13.363ff., 13.792ff., im ep. Kyklos: Amazonen, Aithiopen): WEST 2011, 287 (zu 13.794). — elfte: 46n. δολιχεγχέας: Possessivkompositum, ‘eine lange Lanze habend, mit langen Speeren bewaffnet’ (RISCH 182), hapaxP (LfgrE), wohl metr. Variante zu ἐγχέσπαλος ‘speerschwingend’ (an ders. Versstelle in 2.131, 14.449, 15.605: RUIJGH 1957, 92); nicht als Hinweis auf eine für diesen Volksstamm charakteristische Kampftechnik zu verstehen, auch wenn die mit den Paionern verwandten Thraker in 4.533 als δολίχ᾿ ἔγχεα χερσὶν ἔχοντες bezeichnet werden (die Stelle bei LEAF zu 154). Einerseits wird das Epitheton δολιχός ‘lang’ in Bezug auf Speere allg. verwendet (139n.), und andererseits erhalten die Paioner auch die Epitheta ἀγκυλοτόξοι ‘mit geschweiften Bogen’ in 2.848 (s.d.; also kein Widerspruch zu dieser Stelle, wie nach schol. bT und KIRK 1962, 214), 10.428 und ἱπποκορυσταί ‘einen Helm tragend, der mit einem Busch aus Pferdeschwanzhaaren verziert ist’ in 16.287, 21.205. — ἠώς: 80n.

157 1. VH ≈ 187; 2. VH = 2.849, 16.288; ≈ 21.141. — Hinter der Formulierung der Antwort auf die in 150 gestellte (und in 153 wiederaufgenommene) Frage nach der Herkunft wie in 6.123/211, Od. 1.180, 14.187, 199/204, 15.423/425, h.Ap. 452/470 verbirgt sich idg. dichterische Konversation (MUELLNER 1976, 124 mit Anm. 58, mit einer awest. Parallele). — Axios: 141n. ἐµοί: mit stolzer Betonung (AH). — εὐρὺ ῥέοντος: 141n.

155 ἥδε δέ µοι νῦν: erg. ἐστι. 156 ἠώς: 80n. — ἐνδεκάτη, ὅτ(ε): zum Hiat R 5.6. — ἐς: = εἰς (R 20.2). — εἰλήλουθα: = ἐλήλυθα; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 157 αὐτάρ: adversativ, ‘aber’ (R 24.2).

Kommentar

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158 ≈ 2.850, Od. 11.239. Der Vers fehlt in den meisten Handschriften (s. app. crit. von WEST) und paßt nicht so ganz zur Kürze und der Funktion der Rede (153– 160n.); wahrscheinlich verdankt er sich einer Konkordanz-Interpolation aus 2.850 (LEAF; WEST 2001, 13 Anm. 31; RICHARDSON). — schönstes Wasser: beruht wohl nicht auf konkreter Anschauung des sonst immer als schlammig beschriebenen Flusses (2.850n.), sondern dürfte entweder wie in Od. 11.239, wo der Enipeus auf der Peloponnes so gerühmt wird, formelhaft oder aber schönfärberisch sein. Ἀξιοῦ: zum Enjambement und zur Epanalepse 86n.

159–160 so wird berichtet: Selbstbewußt gibt Asteropaios Achilleus zu verstehen, daß er und seine Familie ihm eigentlich bekannt sein dürften (der Vater Pelegon ist klytón éngcheï ‘speerberühmt, berühmt wegen seines Speers’) – und seine Genealogie genau stimmt – und insistiert somit abschließend nochmals darauf, daß Achilleus’ Frage überflüssig ist (153n.). Ebenso betonen Glaukos in 6.151 und Aineias in 20.206f. die gegenseitige Bekanntschaft (SCODEL 2002, 75). ὃς τέκε: Variante zur flektierbaren VA-Formel ἣ τέκε, einem traditionellen Element der Katalogdichtung (14.318n.). — κλυτὸν ἔγχεϊ: nur hier, Variante zum generischen EpithetonP δουρικλυτός verschiedener Helden (von Achilleus 233), ebenfalls nach dem Eigennamen zwischen den Zäsuren B 1 und C 2 (LfgrE s.v. δουρικλειτός, -κλυτός). — τὸν δ᾿ ἐµέ φασιν | γείνασθαι: Der erst nach der Zäsur C 2 beginnende Satz mit integralem EnjambementP betont abschließend nochmals die hohe Abkunft (weitere solche Sätze mit Emphase: 2.833f. = 11.331f., 6.281f., 9.336f., 9.376f., 11.362f. = 20.449f., 23.690f.: HIGBIE 1990, 116; CLARK 1997, 149–158). φασί(ν) bezieht sich öfter auf die Abstammung von Menschen und wie hier auf eine allgemein anerkannte Tatsache (6.100n.). Zur Form γείνασθαι 85n. — φαίδιµ᾿ Ἀχιλλεῦ: VE-Formel, noch 9.434, 21.583, 22.216, Od. 24.76 (Variante φ. Ὀδυσσεῦ 5× Od.); zu φαίδιµος 97n.

161–183 Die Schilderung der eigentlichen Konfrontation zwischen Achilleus und Asteropaios ist entsprechend der Typisierten EreignissequenzP ‘Zweikampf’ (139– 204n.) mit folgenden Elementen gestaltet: (3) erste, mit Lanzen ausgetragene Kampfrunde (161b–172): (3a) Asteropaios greift zuerst an (162b–168), (3b) Fehlschuß des Achilleus (169–172), (4) zweite, wie meist, mit einem Schwert ausgetragene Kampfrunde: Achilleus tötet Asteropaios (173–182a). Mehrere Besonderheiten heben die Kampfstärke der beiden Protagonisten und die Waffen des Achilleus hervor und bieten eine spannende Schilderung des letzten Zweikampfes vor der Auseinandersetzung mit Hektor (22. Gesang): Nur hier ist es nicht der Sieger, sondern der Besiegte, der anfänglich angreift, aber nicht mit der Waffe durch die Rüstung des Gegners dringt (164f.); Asteropaios zeigt sich so als mutiger, beinahe ebenbürtiger Widersacher des Achilleus, um so mehr, als er diesen mit zwei Speeren zugleich angreift und mit dem zweiten den zuletzt siegreichen Peliden verwundet (166f.). Der doppelte Angriff desselben Mannes stellt eine Steigerung gegenüber 159 ἔγχεϊ: zur unkontrahierten Form R 6.

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gleichzeitigen Angriffen zweier Gegner auf eine Person wie in 12.400 dar (Aias und Teukros gegen Sarpedon) und ist ein Zeichen für Asteropaios’ Geschicklichkeit; die Verwundung des Siegers hat nur eine Parallele in 5.655–667, wobei dort der verletzte Sarpedon nicht mehr weiterkämpft (zur Verwundung s. auch 166–168n.). Achilleus’ Fehlschuß dagegen mag mit der Verletzung zusammenhängen (169– 174a n.). Bemerkenswert ist auch, daß Asteropaios bei dem Versuch, sich Achilleus’ Lanze zu bemächtigen oder sie wenigstens unbrauchbar zu machen (174b– 178), getötet wird, was seine Hartnäckigkeit hervorhebt (daß er nicht zum Schwert greift, mag sich auch durch sein Vertrauen auf seine einseitige Geschicklichkeit im Speerwerfen (s.o.) erklären: REINHARDT 1961, 443). Achilleus’ Entschlossenheit hingegen, wenn er zuerst angreifen will (161f.) und die Wunde nachher nicht beachtet, und seine geschickte Ausnützung der Lage am Schluß entsprechen seiner überragenden Stellung im Achaierheer, und seine besonderen Waffen, insbesondere die Lanze, lassen ihn fast unangreifbar erscheinen; aber die Verwundung durch den von Skamandros Ermutigten und der Fehlschuß geben eine Ahnung von wachsenden Schwierigkeiten, die in den Flußkampf münden. Zu den Besonderheiten des Kampfes FENIK 1968, 67. 148; TSAGARAKIS 1982, 105f.; PATZER 1996, 171. 161 1. VH = 23.184; 2. VH = 67; ≈ 5.655. — Formelhafter Rede-AbschlußP mit ὣς φάτ(ο) / ἔφατ(ο) + Ptz. zur Präzisierung der Rede-Absicht (hier Drohung wie in 23.184; 11× Il., 8× Od. mit εὐχόµενος/εὐχοµένη, 8× Il. mit κλαίων/κλαίουσ(α), 3× Il. mit ἐποτρύνων, außerdem λισσόµενος Il. 16.46, νεικείων 2.243, δάκρυ χέων / χωόµενος / πειράζων / θαρσύνων Od. 24.438/2.80/9.281/16.448); vgl. Il. 21.97f. προσηύδα … | λισσόµενος (s.d.). Zum variantenreichen Typus der Rede-Abschlußformel insgesamt s. PATZER 1972, 15–22. Die Drohung entspricht Asteropaios’ Haltung vor dem Kampf und insbesondere seinem eben erst ausgesprochenen Aufruf zu kämpfen (160): AH. — ἀνέσχετο: 67n. — δῖος Ἀχιλλεύς: 39n.

162 vom Pelion: Gebirge in Thessalien, gilt als Heimat der Kentauren (2.744n.) und Ort, wo die Hochzeit von Achilleus’ Eltern Peleus und Thetis stattgefunden hat (Cypr. fr. 4 West). Der Kentaur Cheiron hatte die Lanze Peleus zur Hochzeit geschenkt (19.387–391); zu ihrem Gewicht 139n. Die emphatisch am VA gesetzte Bezeichnung der Herkunft der Lanze und damit deren Qualität (sie ist ein wertvolles Geschenk des Kentauren) betont vielleicht auch Achilleus’ Stärke sogar gegenüber einem Sohn eines besonders hervorragenden Lanzenkämpfers (159; kurz dazu REINHARDT 1961, 314).

161 ὥς: = οὕτως. — φάτ(ο): 3. Sg. Impf. zu φηµί; zum Medium R 23; zur augmentlosen Form R 16.1. — ὅ: anaphorisch-demonstrativ (R 17), dazu δῖος Ἀχιλλεύς als Apposition. 162 Πηλιάδα (µ)µελίην: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — µελίην: zum -η- nach -ι- R 2. — ὃ δ(έ): Asteropaios. — δούρασιν ἀµφίς: erg. ‘warf’. — δούρασιν: zur Flexion R 12.5.

Kommentar

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Πηλιάδα µελίην: formelhafte Bez. für Achills von seinem Vater ererbte Lanze (am VA auch 16.143. 19.390, nach der Zäsur A 3 in 22.133; Nom. mit Formelsprengung 20.277): LfgrE s.v. Πηλιάς). Zur Adj.-Bildung Πηλιάδ- von Πήλιον (‘vom Pelion stammend’) s. RISCH 147; MEIER 1975, 61f. µελίη (‘Esche’), eigtl. das wegen seiner Zähigkeit und Elastizität besonders geeignete Material des Lanzenschafts (DNP; vgl. µείλινον ἔγχος 172, δόρυ µείλινον 178), ist oft metonymisch für die Lanze verwendet (ebenso wie das Material Bronze, χαλκός, oft für ein Gerät gebraucht wird: 37–38n.; vgl. χάλκεον ἔγχος in 200); in der Ilias von Achills Waffe noch (neben den oben erwähnten Stellen) in 20.322, 21.169, 21.174, 22.225, 22.328 und den Lanzen der Abanter (2.543): LfgrE s.v. µελίη; SHANNON 1975, 71f.; zu idg. Parallelen zu Waffen aus Eschenholz WEST 2007, 460 Anm. 37. Aus den oben genannten Stellen der Asteropaios-Szene (162, 169, 172, 174, 178, 200) geht die große Variation der Bezeichnungen für Achilleus’ Lanze und ihre Epitheta hervor (Eust. 1229.39ff.). — ἁµαρτή: zum Adv. erstarrter instrumentalis eines Verbaladjektivs mit der Bed. ‘zugleich, gleichzeitig’ (hier zu Achills Erheben der Lanze) bestehend aus ἅµα und ἀρ- (vgl. ἀραρίσκω), noch 5.656, 18.571, Od. 22.81: 18.571–572n. mit Lit., dort auch zur Überlieferung mit ὁµ- (s. app. crit.). — ἀµφίς: ‘beiderseits’, d.h. mit beiden Händen, mit jeder Hand (AH). Nach der Erklärung, warum Asteropaios dies konnte (163), wird entsprechend jeder Wurf in seiner Wirkung beschrieben (164f. u. 166–168): LEAF.

163 Heros: hier wie auch sonst öfter mit der Konnotation ‘Krieger’ (WEST zu Hes. Op., S. 370f.). Als generisches EpithetonP im Nom. unmittelbar am VA auch von Agamemnon (1.102 u.ö.), Idomeneus (13.384 u.ö.), Meriones (13.575), Protesilaos (2.708) und Automedon (24.474). Weiteres zum Gebrauch des Begriffs 6.34–35n. — beidhändig: Beide Speere gleichzeitig zu werfen setzt Geschicklichkeit in beiden Händen voraus (in geringerem Maße auch, wenn die Speere wie in 6.104 beidhändig nur geschwungen werden; BUCHHOLZ u.a. 1973, 83), eine Eigenschaft, die wohl auch im AT (1. Chronik 12.2) mit dem Hinweis auf beidhändiges Schleudern von Steinen und Schießen von Pfeilen gemeint ist (KOENEN 2014). Die Beidhändigkeit von Asteropaios hebt so seine kriegerische Stärke hervor, mit der es ihm denn auch als einzigem gelingt, Achilleus zu verwunden (LfgrE s.v. περιδέξιος). Möglicherweise steckt hinter diesem frühen literar. Zeugnis für die im realen Leben seltene Beidhändigkeit (LASER 1983, 15; WILSON 2000, 161ff.) ein Mythos von einem vielgliedrigen Wesen, ähnlich den hundertarmigen Riesen in 1.402f. (s.d.) und Hes. Th. 147ff. (dazu WEST zu Hes. Th. 147): SCHEIBNER 1939 118 Anm. 1; WATHELET s.v. Asteropaios S. 341 u. Anm. 23 u. 24. (S. 1241). περιδέξιος: Determinativkompositum, ‘rundum rechts’, i.S.v. ‘beidhändig geschickt’, hom. hapaxP, wohl Ersatz für unmetr. ἀµφιδέξιος (erst in klass. Zeit belegt: LSJ): LfgrE. 164 δουρὶ σάκος βάλεν: Kombination der formelhaften Verbindung von δουρί + flektierbarem βάλλω (βάλε δουρί 8× Il. am VE, außerdem 3× Il. nach A 4, 1× Il. nach C 1, mit

163 ἦεν: = ἦν (R 16.6). 164 ῥ(α): = ἄρα (R 24.1). — δουρί: zur Flexion R 12.5. — οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8).

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Ilias 21

Sperrung 2× Il., darunter 21.91, 2× Od., δουρὶ βαλών/βάλεν/βάλῃ 5× Il. am VA, nach A 3, darunter 21.113, 3× Il., vor C 1: 1× Il.) und βάλλω + Obj. σάκος (σάκος βάλεν wie hier nach B 2 noch 11.545, in Sperrung 4× Il.): HIGBIE 1990, 168. — διάπρο: adv., ‘hindurch nach vorne’ (CHANTR. 2.146), ‘ganz hindurch’ (AH); oft zur Beschreibung von Verwundungen durch Geschosse (CHANTR. a.O.). In der Junktur mit οὐδέ am VE noch 12.404, nach der Zäsur A 3 in 13.607, 13.647; vgl. ἣ δὲ διάπρο am VE in 5.66 und 7.260. Zur Zusammenschreibung und zum Akzent WEST 1998, XVIIIf.

165 = 20.268; ≈ ‘Hes.’ Sc. 415; von der Zäsur C 2 an ≈ Hes. Th. 103. — Der Schild, der wirksam den Speer vor dem Durchdringen abhält, wird mehrfach hervorgehoben: durch die Wiederholung von sákos ‘Schild’ (nach 164), die Nennung seines Materials, des Goldes, und durch den Hinweis auf seine Herkunft, die wiederum das Material erklärt: Das weiche Gold ist an sich nicht geeignet für Waffen und wird in der Schildbeschreibung nur als Dekorationselement auf der äußeren Schicht des Schildes aufgezählt (18.474–475n.); durch seine Eigenschaft, nicht zu rosten, und seinen Glanz verkörpert es aber unsterblichen Reichtum und Prestige und wird deshalb oft mit Dingen von Göttern ohne Rücksicht auf ihre reale Brauchbarkeit verbunden (1.37n.; LfgrE s.v. χρυσός 1276.44ff.; MACLEOD zu 24.20; PATZEK 1992, 191f.; BUCHHOLZ 2012, 202–206; vgl. auch den märchenhaft wirkenden goldenen Schild des Nestor in 8.192f.; das übliche Material für Schilde im hom. Epos ist Leder, manchmal verstärkt mit Metallauflagen: 18.481n.). Hier kann mit dem Gold beides gemeint sein, der ganze Schild oder nur seine äußerste, undurchdringliche Schicht (schol. bT; WILLCOCK; EDWARDS zu 20.268–72, dort auch zu dem Problem der dem Iteratvers folgenden Verse, die eine goldene Schicht im Inneren des Schildes voraussetzen). Der Schild ist ein Teil der neuen Rüstung, die Hephaistos auf Bitten von Thetis, Achills Mutter, für ihren Sohn geschmiedet hat (18.468–617); Patroklos hatte sich mit der alten – außer mit der Lanze – gerüstet, und nach seinem Tod hatte sie ihm Hektor abgenommen (16.124–144; 17.122– 131). Auf diese Gabe des Gottes wird auch sonst in für Achilleus gefährlichen Situationen hingewiesen, wenn sie sich bewährt (gegen Aineias: 20.265, 20.268: der Schild; gegen Agenor in 21.594: die Beinschienen, gegen Hektor 22.291 der Schild, vgl. auch 22.316 über den Helm): SCHEIBNER 1939, 80 Anm. 2. 112. Die Rüstung schützt zwar effektiv (zum bisweilen angedeuteten Motiv der Undurchdringlichkeit von göttlichen Schutzwafffen 18.464–467n.), nimmt aber Achilleus nichts von seinem Ruhm (NEAL 2006, 284), sondern erhöht ihn noch als von göttlicher Seite unterstützten besten Kämpfer der Achaier im Glanz seiner Aristie (bes. deutlich in den Gleichnissen in 22.25–32, 22.317–319; 19.374–383n.). Der Schutz durch eine Defensivwaffe wirkt wie anderswo auch nicht übernatürlich (EDWARDS 1987, 137), und dies paßt zur Beschreibung der anschließenden Verwundung (166f.).

165 θεοῖο: zur Flexion R 11.2.

Kommentar

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ἐρύκακε: thematischer Wurzelaorist zu ἐρύκω ‘zurückhalten’ mit wurzelauslautender Reduplikation; ebenso ist der Aor. ἠνίπαπον zu ἐνίπτω/ἐνίσσω gebildet (SCHW. 1.648, mit aind. Parallele). Diese Art Reduplikation ist im Gr. zwar nur bei diesen zwei Verben belegt, es sprechen aber versch. Gründe dafür, daß dieses Prozedere alt und akzeptiert war: 1) die Zahl der Belege (14× Il., 4× Od. ἐρύκακ-/ἠρύκακ- gg. 4× Il., 3× Od. Formen mit sigmatischem Aor., ἤρυξ-/ἔρυξ-; 4× Il., 2× Od., 1× hom.h. ἠνίπαπε gg. 4× Il., 10× Od. einer Form mit Reduplikation der Silbe am Anfang der Wurzel, ἐνένιπε(ν)). 2) die (teilweise) formelhafte Verwendung (ἐρύκακε(ν) hier und im Iteratvers, außerdem 15.450 = 17.292; ἠνίπαπε immer in der VE-Formel ἠ. µύθῳ) 3) damit verbunden die Tatsache, daß die Aor.-Formen mit und ohne Reduplikation des Wurzelauslauts mit wenigen Ausnahmen an je versch. Stellen im Vers stehen, also den Eindruck von etablierten Varianten machen. 4) ein semantischer Grund: Die vom Idg. her ererbte intensivierende/iterative Funktion der Reduplikation (SCHW. 1.646) passt zur Bed. dieser zwei Verben (‘zurückhalten, festhalten’ bzw. ‘tadeln’) und kann bei allen Belegen mit wurzelauslautender Reduplikation festgestellt werden (hier wie in 20.268, 11.352 und 21.594 geht es um den intensiven, dauernden Schutz einer Defensivwaffe gegen einen Angriff; vgl. CHANTR. 1.348 zu ἐρύκακ-/ἠρύκακ-: “aoriste expressif”). — δῶρα: wohl wie bei anderen Verwendungen von δῶρα als Apposition oder als Prädikatsnomen zu einem Sg. (χρυσός) fast als Abstraktum (‘Gabe’) und als poetischer Plural, hier emphatisch nach der Zäsur C 2, zu verstehen (14.238n. mit Lit.; der Bezug des Pl. auf die einzelnen goldenen Teile des Schildes, so LEAF zu 20.268, ist nicht sehr wahrscheinlich, da es hier nicht um die Dekoration geht).

166–168 Der Speer trifft Achilleus am rechten Unterarm (166f.), den er zum Angriff mit der Lanze erhoben hatte (161; AH); er bildet einen der von der Rüstung ungeschützten Körperteile. Die starke Blutung (167 sýto ‘quoll/schoß hervor’) paßt eigentlich nicht zu einer oberflächlichen Ritzung (LASER 1983, 38), gibt jedoch der Verwundung ein besonderes Gewicht: Das Blut verkörpert die Lebenskraft (14.518–519a n.; HOLMES 2007, 63, mit Lit.), und wer einen großen Blutverlust übersteht, ist besonders kampftüchtig (NEAL 2006, 53. 171). Dementsprechend wird eine solche nicht-tödliche Verwundung fast nur von bedeutenden Helden, vor allem von Achaiern, erzählt (4.140 Menelaos, 5.113 Diomedes, 7.262 Hektor, 11.266 Agamemnon, 11.458 Odysseus, 11.583/11.813 Eurypylos) und hebt Achilleus noch dadurch zusätzlich hervor, weil im Gegensatz zu den Schilderungen anderer Verwundungen nichts von seiner Reaktion erwähnt wird (z.B. Schmerzen, Behinderung beim Kampf, Rückzug wie etwa auch von Diomedes 11.398–400): HORN 2014, 219. Das mag aber nicht nur auf seine überragende Stärke, sondern auch auf seine Konzentration auf die Rache an den Troern und seine Gleichgültigkeit gegenüber seiner eigenen Gefährdung im Kampf deuten (99–113n.): HOLMES a.O. 54 mit Anm. 15. So stellt das Bild des Blutes in gewisser Hinsicht eine Fortsetzung der besonders blutigen Tötungen seit Achilleus’ Aristie dar (20.470f., 20.476, 20.494, 20.499ff., 21.21, 21.119/122f.; in diesem Zusammenhang auch bes. eindringlich 20.77f.: Achilleus ist gierig danach, Hektors Blut zu vergießen). Andererseits ist die Verwundung auch ein Signal dafür, daß Achilleus ungeachtet dieser fast über-

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menschlichen Reaktion als sterblicher Mensch an seine Grenzen kommen wird (NEAL a.O. 258–261): Asteropaios, von Skamandros gestärkt, ist der einzige Gegner, der es vermag, Achilleus eine Wunde zuzufügen (139–204n.); schließlich wird ihn der Flußgott in Todesangst versetzen (272–283) und später wird er von Paris getötet (113n.). Zu der erst nachhom. bezeugten Unverwundbarkeit Achills und seiner verwundbaren Ferse 18.464–467n. und WEST 2007, 445f.; zur Vermeidung der expliziten Nennung magischer Phänomene in der Ilias 16.793–804n. Vielleicht deutet auch das Motiv des immer noch “hungrigen” Speers (168; REINHARDT 1961, 444: er hat nicht genug) auf kommende Gefährdungen des Helden hin (allg. zum Motiv 69–70n.). 166 bis zur Zäsur A 4 = Od. 9.430; von der Zäsur C 2 an: ≈ Il. 15.468, Od. 2.37, 18.103, 18.396 (mit δεξιτερήν in 18.397 am VA). — πῆχυν … χειρός: πῆχυς bed. ‘Unterarm’, dazu χειρός ‘des (ganzen) Arms’ (LASER 1983, 12f., mit einer Übersicht über die verschiedenen Begriffe der oberen Gliedmaßen). — ἐπιγράβδην: ‘oberflächlich ritzend’, hapaxP, zur Wortbildung 20n.; deverbativ, zu ἐπιγράφω in seiner Grundbed. ‘ritzen’ (γράφω verwandt mit dt. kerben), öfter in Verwundungsbeschreibungen (4.139, 11.388, 13.553, 17.599, Od. 22.280); ähnlich βάλε … | λίγδην Od. 22.277f., ἐπιλίγδην ‘streifend’ Il. 17.599: LfgrE s.vv. ἐπιγράβδην u. γράφω; AH.

167–168 Der Speer fliegt über Achilleus hinweg und in die Erde (167f., d.h. über seine Schulter, ähnlich wie in 10.373f., 16.611f., 17.527f. und in verfehlten Angriffen durch Achilleus in 20.279f., 21.68–70, 22.275f.; AH); letzteres ist ein Motiv für den Mißerfolg (69–70n.).

167 αἷµα κελαινεφές: Nomen-Epitheton-Formel (119n.). κελαινεφής bed. eigtl. ‘mit dunklen (Gewitter-)Wolken’ und ist als Epitheton des Zeus verwendet, bei αἷµα im übertragenen Sinn als “metr. Verlängerung” für αἷµα κελαινόν (s. LfgrE s.v. κελαινεφής, mit Lit.; zur Diskussion über die Bed. in der Antike NÜNLIST 2019, 210). Zur Bez. des Bluts als ‘dunkel’ 119n. — ἥ: zu erg. αἰχµή ‘Speer’, wohl v.a. i.S.v. ‘die Spitze’ des schon erwähnten Speers (δουρί 164, τῷ δ᾿ ἑτέρῳ 166), die im Boden steckenbleibt und potentiell gefährlich ist (168); ein ähnl., aber umgekehrter Wechsel des Bezugswortes in 11.238 (τό, erg. δόρυ i.S.v. ‘Schaft’, nach αἰχµή): FAESI; CHANTR. 2.21. 168 ≈ 11.574, 15.317. — ἐνεστήρικτο: στηρίζω bed. akt. intrans. und med.-pass. ‘stehend Halt haben’, hier im Plpf. mit γαίῃ ‘blieb in der Erde stecken’ (LfgrE). Der Fall der Waffe zur Erde und ihr Haften darin wird sonst mit ἐν/ἐνὶ/ἐπὶ γαίῃ / κατὰ γαίης / οὔδει + ἵσταµαι (11.574, 15.317, 20.279f., 21.69f.), (κατα)πήγνυµαι (10.374, 11.378, 22.276, 23.876f.), οἴχοµαι (13.504f. [= 16.614f., von West athetiert]) oder ἐνισκίµπτοµαι (16.612, 17.528) ausgedrückt, immer wie hier in integralem EnjambementP zur emphatischen Hervorhebung

166 µιν … πῆχυν: σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ κατὰ µέρος (R 19.1). — µιν: = αὐτόν (R 14.1). 167 σύτο: Aor. zu σεύοµαι ‘herausschießen, hervorschießen’. — ἥ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); gemeint ist Asteropaios’ zweiter Speer (­). 168 γαίῃ ἐνεστήρικτο: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — χροός: Gen. zu χρώς ‘Haut, Körper’.

Kommentar

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des Resultats eines Fehlschusses. — λιλαιοµένη χροὸς ἆσαι: formelhaft (s.o.); zu χροὸς ἆσαι 69–70n.

169–174a Zweiter Fehlschuß in der Kampfhandlung, wobei hier eine mögliche, aber unwichtige Ausweichbewegung des Gegners nicht erzählt ist, jedoch das Haften der Waffe in der Erde, das eine spezielle Wendung der Handlung zur Folge hat (174b– 178n.; ein Vergleich der Folgen eines fehlgehenden Wurfes hier und in Od. 6.115– 117 bei BANNERT 1988, 40; zu Fehlschüssen allg. 16.611–612n., mit Stellen und Lit.). Die Tatsache, daß Achilleus nicht trifft, mag sich durch seine Verletzung am rechten Arm erklären (Il. 21.166f.; TSAGARAKIS 1982, 105 Anm. 9; NEAL 2006, 261 Anm. 89); beide Motive heben jedenfalls die Dramatik (schol. T zu 171). Zum Griff nach dem Schwert in der Kampfabfolge 161–183n.; weitere Bsp. bei SHEAR 2000, 190 Anm. 369.

169 1. VH = 20.273. — δεύτερος αὖτ(ε): VA-Formel (noch 6× Il. [1× davon mit αὖθ᾿], nur δεύτερος 21.596; am VE 7.248), meistens vom Wechsel des Angreifenden bei einem Zweikampf (16.402n.). — ἰθυπτίωνα: denominativ (RISCH 57) zu ἰθύ-πτ-ιος mit aus metr. Gründen gedehntem -ι- (SCHULZE 1892, 309), somit zu ἰθύς und πέτοµαι: ‘geradeaus’ (d.h. geradewegs ins Ziel) ‘fliegend’, also treffsicher. Die Bed. des Epithetons wird auch verbal ausgedrückt, in 17.631f. (Zeus richtet die Geschosse der Troer gerade und treffsicher) und bes. ähnl. 20.99 (Aineias über Achilleus’ Lanze: τοῦ γ᾿ ἰθὺ βέλος πέτετ᾿): LfgrE. Das Epitheton, ein hapaxP, ist am ehesten mit ὠκύµορος ‘schnelltötend’ von Pfeilen in 15.441 vergleichbar und charakterisiert nicht, wie sonst üblich, das Aussehen oder spez. das Material von Lanzen. Daß es im Kontext ausgerechnet eines Fehlschusses steht (171), hat eine Konjektur hervorgerufen: ἰθυκτίωνα ‘geradfaserig’ (s. app. crit. von WEST). Zu der besonderen Lanze des Besten aller Achaier paßt aber ihre metaphorische Hervorhebung (s. zur Bed. schol. bT und vgl. die rhetorische ‘Vermenschlichung’ der Waffe in 70, s.d.), die zur Variation der Epitheta beiträgt (162n.) und viell. kontextsensitiv gebraucht ist: Der ausgezeichnete Schütze mit seiner speziellen Lanze läßt einen Treffer erwarten (169–174n.).

170 ≈ 140 (s.d.), 20.346. 171 1. VH = 8.119, 8.302; ≈ 4.491, 15.430. — ἀφάµαρτεν: (ἀφ)αµαρτάνω wird formelhaft mit Gen. τοῦ + µέν wie hier am VA (s.o.) auch im Versinnern nach der Zäsur A 4 in 15.521, mit αὐτοῦ in 16.466, und am VE in 17.609 verbunden. — τοῦ µέν ῥ᾿ ἀφάµαρτεν, ὃ δ(έ) … βάλεν ὄχθην: Zu erwarten wäre eigentlich nach τοῦ µέν als Gegensatz ὄχθην δέ; bei gleichbleibendem Subjekt wird δέ jedoch öfter zu einem zusätzlichen ὅ ‘verschoben’, das gerade auch in Beschreibungen von Fehlschüssen (sonst mit Ersatztötung) den Schützen und seine Reaktion in den Mittelpunkt rückt (4.491, 8.119, 8.302, 15.430, über mehrere Verse 15.521– 523, 17.609f.): K.-G. 1.656f., 2.268; SCHW. 2.208; CHANTR. 2.159; BAKKER 1997, 83. — ὑψηλὴν … ὄχθην: 9n.; zum Haften eines Geschosses im Boden 168n.

169 Ἀχιλεύς: zum einfachen -λ- R 9.1. 170 κατακτάµεναι: Inf. Aor. (R 16.4) zu κατακτείνω.

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172 Die Übertreibung – daß die besonders schwere, große Lanze (139n.) bis zur Mitte in der Uferböschung verschwindet – hebt ähnlich wie Aias’ Wurf eines ungeheuer schweren Steines in 5.304 die Stärke des Helden hervor (FRANZ 2002, 73) und erklärt vorbereitend Asteropaios’ vergebliche Versuche (174–178): LfgrE. µεσσοπαγές: verbales Rektionskompositum zu µέσος und πήγνυµι, ‘bis zur Mitte hineingetrieben’ (LfgrE), mit ἔθηκε ‘machte bis zur Mitte feststeckend’, d.h. der Speer drang in das sumpfige Ufer hinein (FAESI). Das Wort ist zwar nur hier im fgrE, aber auch in später Dichtung, u.a. bei Nonnos, belegt (LSJ); zu Aristarchs Lesart µεσσοπαλές (app. crit. von WEST) und den damit verbundenen Problemen LEAF. — κατ᾿ ὄχθης: “das Ufer hinab, d.i. in das Ufer hinein” (AH), ähnl. κατά b. Gen. ‘von oben herab und hinein’ von einem Geschoß in 13.504 (CHANTR. 2.113). — µείλινον ἔγχος: VE-Formel (noch 5× Il., außer hier immer nach einer Verbform). Im Unterschied zur gleichwertigen Formel χάλκεον ἔγχος (200n.) nie bei Verben der Bed. ‘treffen’ u. ‘verletzen’, also auch bei einem Fehlschuß wie hier verwendet (da µείλινος auf den Eschenholz-Schaft, χάλκεον auf die Spitze bezogen ist): LfgrE s.v. µείλινος (mit Lit. auch s.v. µελίη). Zudem fällt hier der Blick besonders auf den Schaft, der halb im Ufer steckt (SCHMIEL 1984, 35). Zu µείλινος s. auch 162n. 173 ≈ Od. 10.321, 11.24, vgl. ‘Hes.’ Sc. 457; 2. VH = Il. 1.190 (davor φάσγανον ὀξύ), Od. 9.300, 10.126, 10.294, 10.535, 11.48 (jeweils davor ξίφος ὀξύ). — παρὰ µηροῦ: VEFormel, stets vom Ziehen des Schwerts mit Ptz. ἐρυσσάµενος wie hier (weitere Stellen s.o.), oder σπασσάµενος in 16.473, Od. 10.439, 11.231. Das Schwert in der Scheide wird also auf Schenkelhöhe getragen (LfgrE s.v. µηρός; LASER 1983, 15; zu Abbildungen der geometr. Zeit, die eine weitere Trageweise auf Höhe des Brustkorbes oder sogar knapp unter der Achsel zeigen, FOLTINY 1980, 247 Anm. 1491, mit Lit.). 174 1. VH ≈ 11.239. — ἄλτ(ο): 140n. — ἐπί οἱ: Zum überlieferten anaphorischen οἱ als Enklitikon auch nach einer Präp. (hingegen reflexiv und akzentuiert in 11.239) s. app. crit. von WEST; ERBSE 1960, 352. — µεµαώς: 68n.

174b–178 Der dreimalige Versuch (drei ist eine typ. ZahlP) ist ein gerne verwendetes Motiv in Kampfszenen (18.155n. mit Stellen und Lit.); oft wird die wiederholte Bemühung beim vierten Mal zunichte gemacht. Das Motiv steigert die Dramatik und kennzeichnet einen markanten Wendepunkt in der Handlung (16.702–711n.), hier den Übergang von den Fehlwürfen der beiden Gegner zur Tötung des Asteropaios durch Achilleus (ebenso bereitet es die Tötung des Patroklos durch Hektor in 16.702–711 und Hektors Tod durch Achilleus in 22.165–212 vor: KELLY 2007, 196f.). Der dreimalige Versuch, Achilleus’ Lanze herauszuziehen, ist mit dem Motiv ‘ein anderer kann nicht oder nur mit Mühe, was der Held mit Leichtigkeit kann’ verbunden (19.388–389n., mit Lit.; zur Nachahmung der Stelle in Od. 21.125–129 BANNERT 1988, 55f.): Nur Achilleus vermag die große, schwere Lanze 172 µεσσοπαγές: zum -σσ- R 9.1. — ἄρ(α): ‘also’ (R 24.1). 173 ὀξὺ (ϝ)ερυσσάµενος: zur Prosodie R 5.4. — ἐρυσσάµενος: zum -σσ- R 9.1. 174 ἐπί (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: αὐτῷ (R 14.1). — µεµαώς: 65n. — ἄρα (μ)µελίην: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8).

Kommentar

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zu bewegen (139n.; das Herausziehen der Lanze aus der Böschung wird denn auch in 200 vermerkt). Die Erzählung betont somit einerseits Achilleus’ fast göttliche Überlegenheit, um so mehr, als meistens ein Gott den Wendepunkt beim vierten Mal herbeiführt (KELLY a.O. 195; BOLT 2019, 301) und hier Achilleus, erbittert über den Fehlschuß (sein Drang [174] ist wohl so zu erklären), Asteropaios’ Versuchen ein Ende macht (179); diese Wende hat aber auch Achilleus’ Konfrontation mit dem Troia unterstützenden Flußgott und letztlich den Kampf zwischen Hephaistos und Skamandros zur Folge. Andererseits ist der dreimalige Versuch ein Zeichen für Asteropaios’ Heroismus in seiner von vornherein aussichtslosen und ihn gefähdenden Verzweiflungstat (176f.; REINHARDT 1961, 443; POSTLETHWAITE 2000, 261: “an air of nightmare”), und wenn hier der vierte Versuch abgeändert erscheint (nun die Lanze zu biegen und dann zu brechen), steigert das noch Asteropaios’ Verteidigungswillen (wenn er die Lanze nicht selbst gebrauchen kann, will er sie auch für Achilleus unbrauchbar machen; BANNERT a.O. 165). Achilleus’ Lanze, die Patroklos nicht benützen konnte, wird somit nicht unschädlich gemacht; ihre große Bedeutung zeigt sich bei Achills Verteidigung und Hektors Tod durch eben diese Waffe (BANNERT a.O. 49). 175 ≈ 200. — κρηµνοῖο: 26a n. — χειρὶ παχείῃ: VE-Formel (13× Il., 5× Od., h.Ap. 340), fast immer wie hier nach einer Verbform, in Il. 21.403 nach εἵλετο. παχύς ‘stämmig, muskulös’ hat emphat. Bed.: “kräftiger Körperbau […] als Voraussetzung für kraftvolle Aktion” (LfgrE s.v. παχύς 1082.18f.); die Festigkeit des Griffs wird noch betont durch die Schilderung von Asteropaios’ hartnäckigen Versuchen, den Speer aus der Erde zu ziehen (176–178). 176 = Od. 21.125; 1. VH ≈ Il. 18.155. — τρὶς µέν: formelhafter VA (16× fgrE), meist gefolgt von τρὶς δέ (hier 177) im gleichen oder nächsten Vers (10× Il., 4× Od.): KELLY 2007, 194– 197. — πελέµιξεν: ‘zum Zittern, Beben bringen’ (16.107–108n.), hier speziell zur Entfernung der Lanze aus dem Boden, ‘lockern’ (und dabei hin- und herbewegen), ‘erschüttern’: LfgrE s.v. πελεµίζω; AH. — ἐρύσσασθαι: Lesart mit Inf. Aor. (app. crit. von WEST), weil dieser viel häufiger als der ebenfalls überlieferte Inf. Fut. nach Verben steht, die einen Willen ausdrücken, hier und in 170 nach µενεαίνω oder nach ähnl. µέµονα (65; LfgrE; CHANTR. 2.310). 177 1. VH = Od. 21.126. — µεθῆκε βίης: µεθίηµι mit Gen. bed. ‘nachlassen, ablassen’ (4.234n.); Asteropaios verlor also langsam die Kraft (AH). — τὸ δὲ τέτρατον: ebenfalls nach der Zäsur B 1, nach τρίς im gleichen Vers, 13.20, Hes. Op. 596 (nach τρίς im vorhergehenden Vers ‘Hes.’ Sc. 363). — ἤθελε θυµῷ: 65n.

178 Aiakiden: Aiakos, Sohn des Zeus, ist Vater des Peleus und Großvater des Achilleus (FM 2). 175 κρηµνοῖο (ϝ)ερύσσαι: zur Prosodie R 4.3. 176 µιν: = αὐτήν (R 14.1). 177 τέτρατον: = τέταρτον. — θυµῷ: Ortsangabe ohne Präp. (R 19.2). 178 ἆξαι: Aor. zu ἄγνυµι ‘brechen’. — Αἰακίδαο: zur Flexion R 11.1.

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ἆξαι: zur Länge des α WEST 1998, XX mit Lit.; WYATT 1969, 79. — δόρυ µείλινον: Nomen-Epitheton-Formel zwischen den Zäsuren B 1 und C 2 (5× Il.), am VE µείλινα δοῦρα in 13.715, 19.361. Zu µείλινος 162n. (hier besonders passend, da der Schaft, nicht die Spitze, der Lanze zerbrochen werden soll: SCHMIEL 1984, 36), zu einer Variante der Formel am VE 172n.; zu den Speer-Epitheta allg. 67n. — Αἰακίδαο: 16× Il., 2× Od. am VE (3× Il. vor der Zäsur B 2); Variante zu anderen Patronymika (153n., 2. 860n.).

179 1. VH bis zur Zäsur A 4 = 8.500, Od. 11.632; 2. VH = Il. 20.290; ≈ 16.828, 20.378, 20.462. — Die Schilderung von Asteropaios’ Versuchen wird beim vierten mit einem kurzen ‘zuvor’ (prin) abgebrochen, das wie ein kleiner Hinweis auf eine ‘Wenn nicht’-SituationP wirkt (wenn nicht Achill vorher zugestoßen hätte, hätte Asteropaios seine Absicht ausführen können…; AH); gleichzeitig wird dabei das Ergebnis des folgenden Angriffs von Achilleus vorweggenommen (in 180f., eingeleitet mit explikativem gár, ‘nämlich’ näher geschildert); in 201 wird es nochmals rückblickend wiederholt (JAHN 1987, 201). πρίν: im fgrE bald kurz, bald wie hier u. 340 lang gemessen (DELG; Stellen LA ROCHE 1869, 256). — θυµὸν ἀπηύρα: flektierbare VE-Formel (7× Il., 2× Od., ‘Hes.’ Sc. 428). ἀπηύρα (auch in 201) ist 3. Sg. vom Wurzelaorist eines defektiven Verbums (< *ἀπ-ή-ϝρα; ‘er nahm weg’; zum Augment η- SCHW. 1.653; CHANTR. 1.380; zur athematischen Endung SCHW. 1.740; CHANTR. 1.356; allg. zur Formenbildung LfgrE s.v. ἀπηύρων); seine Formen stehen fast immer am VE (im 21. Gesang noch das Ptz. ἀπούρας 296, insges. 9× Il., 1× Od.). Zu θυµός ‘Lebenskraft, Leben’ 112n.; in 201 steht die Variante ἦτορ (JAHN 1987, 199. 201), ebenfalls ohne (leicht zu ergänzendes) zweites Objekt.

180–181 Der Unterleib, in den Asteropaios gestochen wird, war auch für einen Panzerträger besonders gefährdet (4.531n.; BUCHHOLZ 2010, 216). Deshalb wurde wohl ein Metallgurt (oder eine Metallplatte) verwendet, der am unteren Ende des Panzers die Weichteile schützen sollte (4.137n.) und vielleicht, so soll man sich vorstellen, hier fehlt, ähnlich wie bei einem tödlich verwundeten Lykier (16.419n. a.E.; zu Asteropaios’ Panzer 183n.). Der Schild ist wohl auf dem Rücken gehängt zu denken (LORIMER 1950, 205), damit er beim Versuch des Paioners, Achilleus’ Lanze aus dem Boden zu ziehen (174f.), nicht hinderlich ist. Die ausgefallene Beschreibung der herausquellenden Eingeweide gleicht Schilderungen in 4.525f., 13.507f., 14.517, 16.504 [s.d.], 17.314f., 20.416ff. (dort sind wie hier Kämpfer der Troerpartei verletzt, aber nach Angriffen mit der Lanze). Sie steht hier – wie z.B. die Bewegung des Kopfes in 8.302ff., 13.543 – in drastischerer Form stellvertretend für das Motiv des Sturzes eines Getroffenen (KURZ 1966, 26f.; zum Fall vgl. 119n.). Die Details entsprachen wohl dem Interesse der kampferfahrenen Hörer (PATZER 1996, 171); im Gegensatz zu denjenigen in den sehr ähnl. formulierten Vv. 4.525f. (Lanzenstoß, s.d.) dürften sie wie beim Tod des Tros, der ebenfalls durch ein

179 πρίν: Adv., ‘vorher’.

Kommentar

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Schwert tödlich verletzt wird (20.469f., Heraustreten der Leber), auch realistisch sein (FRIEDRICH 1956, 71; SAUNDERS 2003, 151). 180 1. VH ≈ 4.531; vgl. das VE von 17.313; 2. VH = 4.525; von der Zäsur C 2 an: ≈ 20.5, 23.167, ‘Hes.’ fr. 204.85 M.-W. (ergänzt), h.Ap. 134. — γαστέρα … µιν: Normalerweise geht der Akk. der Person im σχῆµα καθ᾿ ὅλον καὶ µέρος voran (SCHW. 2.81; CHANTR. 2.42), an zweiter Stelle (sonst nur noch in ‘Hes.’ Sc. 41) hier wohl, weil γαστέρα als die gefährdete Körperstelle (180–181n.) besonders betont werden soll (AH). — παρ᾿ ὀµφαλόν: also in die Mitte des Unterleibs (als solcher in 4.531, 13.372, 13.398, 13.506, 17.313 bezeichnet); der Nabel dient der Lokalisierung auch 4.525, 13.568 (LASER 1983, 33 mit weiteren Begriffen für Verwundungsstellen im Unterleib; eine Liste der tödlichen Bauchverletzungen bei MORRISON 1999, 144). παρά wird sehr häufig zur Angabe des verwundeten Körperbereichs verwendet (CHANTR. 2.122). Zur Verwandtschaft von ὀµφαλός mit lat. umbilicus und dt. ‘Nabel’ s. DELG u. BEEKES s.v. 181–183 Die Enjambements in jedem Vers tragen zur Lebhaftigkeit der Schilderung bei (180– 181n.). 181 = 4.526; 2. VH = 4.461, 4.503, 6.11, 13.575, 14.519, 15.578, 16.316, 20.393, 20.471; ≈ 16.325, h.Ap. 370. — χύντο χαµαὶ χολάδες: Die Alliteration unterstreicht wohl die Drastik des Bildes. Die lautmalerische Häufung von kh-Lauten in Verbindung mit dem Wortstamm χαµα- ist nicht selten (weitere Stellen 16.118n.); zur Alliteration allg. 2.50–52n. — τὸν δὲ σκότος ὄσσ᾿ ἐκάλυψεν: formelhafter Ausdruck für das Eintreten des Todes (s. Iterata; metr. gleichwertige Varianten 6.11n.; weitere Wendungen und Lit. 16.316n.; HIGBIE 1990, 162– 165).

182 1. VH ≈ 10.496, 24.456; 2. VH ≈ 2.142, 3.395, 4.208, 11.804, 13.468, Od. 17.150. — Asteropaios’ Röcheln, das einen Todeskampf andeutet, verstärkt den dramatischen Effekt der detailreichen Tötung: Die Hilflosigkeit des Sterbenden, typischerweise eines Angehörigen der Troerpartei, wird im Gegensatz zum anschließenden Triumph des Gegners herabsetzend betont (STOEVESANDT 2004, 122f.); die Atemnot wie die eines geopferten Tieres (3.293–294) setzt die Darstellung der von Achilleus getöteten Troer als Opfer fort (114–119n.). Der erbärmliche Tod wirkt noch stärker durch den speziellen Triumph des Achaiers: Achilleus tritt wie sonst andere Sieger in einem Kampf auf die Brust des Toten (5.620, 6.65, 13.618, 16.503, 16.863), allerdings hier entsprechend der Situation nicht, um die Lanze, sondern um das Schwert herauszuziehen und so – wie oft, zusammen mit der Abnahme der Rüstung (183) und einer Triumphrede (184–199) – die Überwindung des Gegners zu verdeutlichen. Achilleus’ schnelle Bewegung, sein Sprung, offenbart seine besondere Kampfwut, in der Szene mit Asteropaios nach einem auch für ihn nicht ungefährlichen Ringen, und seine Rachsucht, wie sie sich seit

180–181 γαστέρα … µιν: σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ κατὰ µέρος (R 19.1); ebenso τὸν … ὄσσ(ε) 181. — ἐκ … | χύντο: zur sog. Tmesis R 20.2. — ὄσσ(ε): Akk. Dual, ‘Augen’. 182 ἐνί: = ἐν (R 20.1). — στήθεσσιν: zur Flexion R 11.3; zum Pl. R 18.2.

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seinem Wiedereintritt in den Kampf zeigen (s.o. die Einleitung zum 21. Gesang): SCHEIBNER 1939, 96; KURZ 1966, 35. ἀσθµαίνοντ(α): ἀσθµαίνω bed. ‘schwer atmen, nach Luft ringen, keuchen’, in der Todesszene eines Einzelnen wie hier ‘(sein Leben aus)röcheln’ (auch 5.585, 10.496, ebenfalls im emphatischen EnjambementP, 13.399, h.Ap.359, von mehreren Sterbenden Il. 10.521): LfgrE. — ἐνὶ στήθεσσιν ὀρούσας: zu ἐν + Dat. bei Richtungsangaben SCHW. 2.455f.; zu ὀρούσας 33n.

183 = 13.619, 17.537; 1. VH ≈ 6.417, 7.146, 22.376, 24.205, 24.521, Od. 22.264, Hes. Th. 289; 2. VH = Il. 10.461, 11.379, 14.500, 20.424; ≈ 6.54, 10.377, 12.163, 15.114, 15.398, 17.119, 24.307, Od. 13.199. — Die Abnahme der Rüstung, die Spoliierung, ist ein regelmäßig wiederkehrendes Element hom. Kampfschilderungen; das Erbeutete stellt einen materiellen Wert für den Sieger dar und symbolisiert seine Tapferkeit (Il. 6.480f., 13.260ff.; VAN WEES 1996, 54–56), wie auch Achilleus’ Hinweise auf Wettkampfpreise – den wertvollen Panzer und das schöne Schwert, von Asteropaios erbeutet (23.560–562, 23.807f.), – zeigen. Die laut einsetzende Rede (zur Lautstärke 122–135n.: typ. für Triumphreden; PELLICCIA 1995, 159) steht in einem ähnlichen Gegensatz zum Röcheln des Sterbenden (182) wie in 4.450 der Jubelruf zum Wehruf der Besiegten (KRAPP 1964, 268).

τεύχεά τ᾿ ἐξενάριξε: (ἐξ)εναρίζειν, eine denominative (aber jüngere) Bildung zu ἔναρα wie ἐναίρω (26b–27n.), bed. hier wie öfters im engeren Sinne ‘einem getöteten Gegner die Rüstung (ἔναρα) nehmen’, häufiger einfach ‘töten’ (224, 280; in 280 ist auch die eigentliche Bed. enthalten): LfgrE. Analog zu anderen Verben mit eigtl. redundantem τεύχεα wie hier und in Iterat(halb)versen (s.o.) verbunden; zum Formelsystem für Spoliierungsszenen mit τεύχεα als Obj. versch. Verben HOEKSTRA 1981, 21f. — καὶ εὐχόµενος ἔπος ηὔδα: Variante zur Einleitung von Triumphreden, neben καί οἱ ἐπευχόµενος ἔπεα πτερόεντα προσηύδα (121n., dort auch speziell zu (ἐπ)ευχόµενος), ὁ δ᾿ ἐπηύξατο + Name + Epitheton (3× Il.; h.Ap. 362: + Epitheton + Name), Name + ἔκπαγλον ἐπηύξατο µακρὸν ἀΰσας (4× Il.): LfgrE s.v. εὔχοµαι 822.49ff.

184–199 Achilleus’ zweite Triumphrede im 21. Gesang ist rhetorisch ausgefeilt: Nach der typischen Anrede an den Toten (184a, 122–135n.) folgt die Erklärung für den Sieg, die unterschiedliche Herkunft der beiden Gegner (184b–189), erweitert zu einer ausladenden Darstellung von Zeus’ Überlegenheit (190–199). Dem liegt die in Herausforderungs- und Triumphreden verbreitete Vorstellung zugrunde, daß die (allenfalls sogar göttliche) Herkunft und die Kampfkraft miteinander verknüpft sind (besonders auch in der Herausforderungsrede des Ainieias an Achilleus in 20.203ff.; allg. zum Argument FENIK 1968, 67; zur Bedeutung der Genealogie s. auch 153–160n.). Sie wird hier nach der kurzen Feststellung, daß Asteropaios als Sohn eines Flußgottes gegen einen Nachkommen des Zeus chancenlos war (184b– 185), näher ausgeführt (186–189): Analog zur herausfordernden Erklärung des 183 τεύχεα: zur unkontrahierten Form R 6. — εὐχόµενος (ϝ)έπος: zur Prosodie R 4.5.

Kommentar

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Asteropaios (157–160a) offenbart sich Achilleus als Zeus-Nachkomme (zur Antithese MPEZANTAKOS 1996, 147; die Aussage kommt einem typ. Vorwurf der Naivität nahe, dazu STOEVESANDT 2004, 321–324), worauf vielleicht schon Achills Bezeichnung diogenḗs ‘von Zeus abstammend’ in 17 weist (s.d.). Während Achilleus gegenüber Lykaon die mütterliche Abstammung hervorhebt und dabei seine Sterblichkeit betont (109n.), dient ihm hier die letzlich noch höhere Abstammung väterlicherseits zur Bestätigung seiner Überlegenheit über den Gegner (zu einem auch sonst deutlichen besonderen Verhältnis zwischen Zeus und Achilleus 16.227n.). Der Sieg wird zu einem Zeichen der Allmacht des Zeus, wobei in klimaktischer Reihung erst die Flüsse (190) und ihre Nachkommen (191, in Wiederaufnahme von 184b f.), dann der große Fluß, der Skamandros bezeichnen muß (192f.; LEAF; REINHARDT 1961, 440), der Fluß Acheloïos (194) und schließlich der Okeanos (195– 199) genannt werden; dessen Bedeutung als Urquelle (196f.) wird die furchtbare Macht des Blitze schleudernden Zeus entgegengestellt (198–199), wohl ein KeimP des kosmischen Kampfes der Elemente (Feuer gegen Wasser: WHITMAN 1958, 141; 328–382n.; eine Anspielung auf den Namen Asteropaios [SHANNON 1975, 80; LOWENSTAM 1993, 115] ist wohl nicht gemeint, s. zur Bed. des Namens 140n.; zu dem für Achilleus’ typischen ausladenden Stil GRIFFIN 1986, 54). In dieser außergewöhnlich selbstbewußten Triumphrede (zu anderen mit solchem Ton 16.830– 842n.) setzt sich Achilleus beinahe mit Zeus gleich als Gegner des Asteropaios und des ihn ja nur ermutigenden Skamandros (192f.; AH zu 193), ein Verhalten, das zu seiner Überheblichkeit nach Lykaons’ Tod paßt (130–132n.; DE ROGUIN 2007, 155); seine Grenzen wird er bald nach der erneuten Provokation des Flusses (192f., nach 130ff.) in der Auseinandersetzung mit dem troischen Flußgott finden (REINHARDT a.O. 315), der nicht wie Achilleus ein halbgöttlicher Urenkel, sondern ein Sohn des Zeus ist (1–2n.). Die Aussage, niemand sei einem Kampf mit einem stärkeren Gott oder dessen Nachkommen gewachsen (184f., 190, 193), findet dann ihre Bestätigung (vgl. 264: AHRENS 1937, 35); es ist vielleicht auch daran zu denken, wie Apollon Aineias gegen Achilleus aufwiegelt, indem er ihn auf seine höhere Abkunft mütterlicherseits hinweist (20.105–107; WEST 2011, 377). Allg. zu Helden mit göttlicher Abkunft und zu ihrer Sterblichkeit 16.441n., 16.448–449a n. 184–185 des … Kronion | Söhnen: verallgemeinernder Pl., in 188f. näher erklärt: gemeint ist die Abstammung von Kronos über Zeus (FG 24; Zeus als Kronos-Sohn auch 216, 230, 508, 570 genannt). κεῖσ᾿ οὕτω: zum durativen κεῖσ(ο) 122–123n. οὕτω ist deiktisch, viell. mit einer Handbewegung des Siegers zu denken, der auf den Toten gesprungen ist (183): DE JONG zu 22.498. — τοι: im verallgemeinernden Satz (s.o. zum Pl. παισίν) wohl eher als Partikel aufzufassen

184 χαλεπόν: erg. ἐστί. — ἐρισθενέος: zur unkontrahierten Form R 6. 185 ἐριζέµεναι: zur Form R 16.4. — περ: konzessiv (R 24.10). — ἐκγεγαῶτι: Ptz. Pf. zu ἐκγίγνοµαι.

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(AH) denn als Personalpronomen (LEAF zu 185). — ἐρισθενέος Κρονίωνος: auch in Od. 8.289, Hes. Th. 4 im Gen., in ‘Hes.’ fr. 25.33, 229.13 M.-W. im Akk. (ergänzt), ebenfalls am VE; alterniert mit Διὸς νεφεληγερέταο (zu dem Epitheton νεφεληγερέτα 1.511n.) ähnlich, wie ὑπερµενέϊ/α mit κελαινεφέϊ/Κρονίωνι/α abwechselt (LfgrE; zu den Formeln 2.350n., 1.397n.). Das Possessivkompositum ἐρισθενής bed. ‘überaus stark, gewaltig’ (RISCH 185; zum verstärkenden Vorderglied ἐρι-, urspr. ‘hoch oben’, 154n. zu ἐριβώλου); es ist Epitheton von Zeus (s.o.), auch in anderen Verspositionen (nach der Zäsur B 2 in Il. 13.54, 19.355, nach A 2 in Hes. Op. 416, ‘Hes.’ fr. 204.123 M.-W. [ergänzt]), dazu in ‘Hes.’ fr. 150.27 M.-W. (ergänzt) von Poseidon (LfgrE). — ἐκγεγαῶτι: ergänzt χαλεπόν (ἐστι), ‘selbst für einen der…’ (AH). 186 2. VH ≈ Od. 24.269. — φῆσθα: eher Impf. als Präs. (bezogen auf 157; CHANTR. 1.470); Anschluß an den folgenden Teil (bis 199) mit explikativem Asyndeton (AH). — γένος: wohl wie das folgende γενεήν eher Akk. der Beziehung als Nom. (LfgrE s.v. γένος 131.34ff.), Gen. ποταµοῦ … εὐρὺ ῥέοντος und in 187 µεγάλου Διός gen. originis zu ἔµµεναι bzw. εἶναι (FAESI zu 187). — εὐρὺ ῥέοντος: 141n.

187 großen Zeus: mégas ‘groß’ ist Epitheton versch. Götter (‘mächtig’), v.a. des Zeus; dazu und zu idg. Parallelen SCHMITT 1967, 155f.

µεγάλου Διός: auch in Hes. Th. 29 und 76 vor der Zäsur C 2, Variante zu Διὸς µεγάλου (1× Il., 5× Od., 1× Hes., 1× ‘Hes.’), Διὸς µεγάλοιο (4× Il., 5× Od., 3× Hes., 1× ‘Hes.’) und µεγάλοιο Διός (1×Il., 1× hom.h.) in anderen Verspositionen (LfgrE s.v. µέγας 71.2ff.; SCHMITT 1967, 156; HOEKSTRA 1969, 50). — εὔχοµαι εἶναι: flektierbare VE-Formel (15× Il., 18× Od., 3× hom.h.; außerdem öfter an anderen Versstellen; auch mit ἔµµεναι). εὔχοµαι bed. hier ‘mit Stolz von sich sagen’ (zu dieser Bed. 1.91n. mit Lit.), und zwar zur Bezeichnung einer offiziellen Tatsache, und steht emphatisch im Gegensatz zu bloßem φῆσθα ‘sagen’, einer einfachen Behauptung einer unüberprüfbaren Angelegenheit durch Asteropaios (186, vgl. 159 φασιν). Ein ähnl. Parallelismus findet sich in 20.206–209 (MUELLNER 1976, 76–78; DI BENEDETTO [1994] 1998, 325).

188–189 188: ≈ Od. 15.240; 2. VH ≈ Il. 19.124, 24.536. — Angabe von vier Generationen zur stolzen Hervorhebung der Abstammung, wie in 6.153–155 (Glaukos), 13.449–452 (Idomeneus); wegen dieser Verwandtschaft mit Aiakos tragen in der Ilias sowohl Peleus (wie hier noch 16.15, 18.433) als auch vor allem Achilleus (16.134n.) das Patronymikon Aiakídēs. Achilleus ist also ein Urenkel des Zeus (FM 2). Zur Aussage über Peleus paßt, daß er in verschiedenen Erwähnungen des Achilleus als begüterter und starker Herrscher über die Myrmidonen dargestellt wird (7.125f., 9.400, 24.534–536, s.d.). τίκτε µ(ε): “Impf.: mich hatte zum Sohn, ‘mein Vater war’” (AH); zur Genese des Ausdrucks mit Bezug auf den Vater HOEKSTRA 1981, 92–96 (vgl. 1–2n. zum Aor.). — ἀνήρ: Die Ver-

186 ἔµµεναι: = εἶναι (R 16.4). 187 αὐτάρ: adversativ, ‘aber’ (R 24.2). — γενεήν: zum -η- nach -ε- R 2. 188 πολλοῖσιν: zur Flexion R 11.2. 189 ἦεν: = ἦν (R 16.6).

Kommentar

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bindung von generischem ἀνήρ + Attribut (ἀνάσσων) mit präzisierendem Eigennamen zu Beginn des nächsten Verses (EnjambementP, hier 189 Peleus) ist eine rhetorisch wirkungsvolle epische Stilfigur (19.122n.). — Πηλεὺς Αἰακίδης: am VA auch ‘Hes.’ fr. 211.3 M.-W. (ergänzt), im Dat. in umgekehrter Reihenfolge Il. 18.433. — ἐκ Διὸς ἦεν: flektierbare VE-Formel (noch 1.63, Od. 14.93, h.Cer. 323).

190–191 191: Von der Zäsur C 1 an vgl. 4.84, 16.589, 19.224, 24.317, Od. 8.544. — Die emphatische Anapher kréssōn ‘stärker’ betont die Parallelität der zwei parataktisch gebauten Verse (FEHLING 1969, 313), die logisch eigentlich durch eine Analogie zwischen der größeren Stärke des Zeus gegenüber den Flüssen und dem Kräfteverhältnis unter den jeweiligen Nachkommen verknüpft sind (AH). τώ: Dem.-Adv. mit alter Abl.- oder Instrumental-Endung, bed. ‘so … denn, darum, in dem Falle’ (vgl. οὕτω(ς) SCHW. 2.579; RIX [1976] 1992, 170); zum Akut WEST 1998, XXII; von FÜHRER/SCHMIDT 2001, 20 Anm. 111, wird Zirkumflex bevorzugt. Wie in 2.254 (s.d.) hier nur lose logische Verknüpfung, etwa ‘so, schau, es ist auf der Hand’ (RICHARDSON zu 190: “so there!”); zu den Schwierigkeiten mit dem überwiegend überlieferten (app. crit.) relativischen τῷ LEAF zu 190. — µὲν … | … αὖτε: αὖτε steht recht häufig nach µέν, manchmal mit δέ, meistens adversativ, mehrfach aber wie in 1.237, 3.241 ohne δέ, nur überleitend (K.G. 2.278f.). — ἁλιµυρηέντων: nur noch Od. 5.460; Wortbildung und Bedeutung sind unsicher (LfgrE; RISCH 154); wohl Kompositum mit lokativischem Vorderglied ἁλι- und µυρήεις als (ungewöhnlicher) deverbativer Ableitung zu µύρεσθαι ‘weinen, zerfließen’ (in hellenist. Zeit auch von Flüssen), in Analogie zu δινήεις (1–2n.): ‘im Meer zerfließend’ als Beiwort von Flüssen, die ins Meer münden. — γενεή: viell. Nachkommenschaft einer bestimmten Person gemeint, ‘Sproß’, ähnl. Κρονίωνος | παισίν 184f. (LfgrE s.v. γενεή 127.23ff.). — ποταµοῖο: elliptisch für γενεῆς ποταµοῖο, ähnl. im Vergleich 1.163, 17.51, Od. 2.121 (AH; WEST zu Od. 2.121). 192–193 1. VH v. 193 ≈ 3.45; 2. VH v. 193 = 8.210. — εἰ … | χραισµεῖν: Kondizionalsatz mit illokutivem (sarkastischem) Sinn, das die Relevanz von µέγας betrifft (WAKKER 1994, 253): “‘wenn er dir (nur) wirklich etwas helfen kann’” (AH). — δύναται … | χραισµεῖν: δύναµαι und χραισµεῖν werden immer mit einem Enjambement verbunden (von der Zäsur C 2 an, wie häufig bei Enjambements, auch 11.116f., außerdem 1.241f., 1.588f., 15.651f.; dagegen in demselben Vers δύναµαι + χραισµῆσαι in 11.120, 18.62, 18.443): HIGBIE 1990, 160f.; CLARK 1997, 149. — Διὶ Κρονίωνι: flektierbare Formel nach der Zäsur B 2 (insges. Dat. 6× Il., 1× Hes.; Akk. 4× Il., 1× Od.; Od. 24.472 Ζῆνα Κρ.), vor der Zäsur B 2 noch 2× Il., 2× ‘Hes.’; zu den formelhaften Verbindungen von Ζεύς und Κρονίων / Κρονίδης DEE 1994, 62–65.

190 κρέσσων: = κρείττων. 191 τέτυκται: 3. Sg. Perf. Pass. von τεύχω (‘machen’), hier verblaßt ‘ist’. 192 καί: ‘auch’, bezogen auf die ganze Aussage. — γάρ: ‘ja’. — πάρα (µ)µέγας: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — πάρα: = πάρεστι, ‘steht zur Seite’. — τι: Akk. der Beziehung (R 19.1).

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194 Acheloïos: in fgrE nur noch erwähnt in Hes. Th. 340 als Sohn des Okeanos und der Tethys (24.616, s.d. u. WEST 2001, 280: Name eines Flusses am Sipylos, Konjektur von WEST mit anderem Namen); Fluß in Akarnanien, der längste in Griechenland (DNP s.v. Acheloos; BREWSTER 1997, 12–14 mit Abb. 1–5; auch Name kleinerer Flüsse: RE s.v. Acheloos Sp. 213f.; ISLER 1970, 110 mit 201 Anm. 430); als Flußgott sehr wichtig im Kult an vielen Orten (wohl von Dodona aus verbreitet: LEAF; DNP; viele Bildzeugnisse spätestens vom 6. Jh. an: ISLER a.O. passim) und im Mythos (Herakles’ Kampf gegen den Fluß: frühester Beleg Archilochos fr. 276, 286, 287 West; dann Soph. Trach. 1–27); metonymisch auch für Wasser in Tragödie und Komödie gebraucht (z.B. Eur. Andr. 167, Aristoph. Lys. 381); Etymologie unklar, viell. altes Appellativum. Lit.: LfgrE; DNP u. LIMC s.v. Acheloos; NILSSON (1940) 1967, 238; ISLER a.O., bes. 109–113. οὐδέ: ‘nicht einmal’ (AH), gefolgt von kopulativem οὐδέ ‘auch nicht’ (195) wie auch in att. Prosa (K.-G. 2.294). — κρείων: generisches EpithetonP, ‘herrschend, gebietend’ (1.102n.). — ἰσοφαρίζει: ‘sich mit jm. gleichstellen’, auch 6.101, 9.390, Hes. Op. 490; zur Bildung 6.101n.; FRISK.

195–197 Okeanos als Ursprung allen Wassers paßt zu seiner kosmogonischen Bezeichnung als Stammvater aller Götter und Gewässer (14.201, 14.246 [s.dd.], Hes. Th. 337–370) und zu seiner Funktion als Ringstrom um die Erde (14.200n.). Damit lassen sich wohl auch oriental. Vorstellungen von Wasser in der Tiefe als Quelle von allem vergleichen (WEST 1997, 144f.). V. 195 hat in der Antike und in der Moderne allerdings Anstoß erregt: Er ist zwar mit einer Ausnahme in allen Hss. überliefert, war aber bei frühalexandrin. Gelehrten (Megakleides, Zenodot) sowie bei Paus. 8.38.10 nicht existent; von Aristarch wurde er verteidigt (app. crit. von WEST; schol. A, T und Ge zu 195). Die Auslassung von V. 195 hat zur Folge, daß Acheloïos (194) die Rolle einer Urquelle erhält. In der Moderne hat man dies in Beziehung mit der großen Bedeutung des Acheloïos in Kult und Mythos (194n.) gebracht und die Stelle insbesondere als Hinweis auf eine ursprüngliche Herkunft des fast direkt anschließenden Flußkampfes vom Kampf des Zeus-Sohnes Herakles mit Acheloïos betrachtet; Achilleus’ Betonung der Nachkommenschaft zu Zeus in der ganzen Rede (184–199n.) würde sich dann vor dem Hintergrund dieses Mythos erklären (MÜLDER 1910, 233f.; als Hypothese bei STAMATOPOULOU 2017, 929). 195 wäre somit in hellenist. Zeit interpoliert worden (WILAMOWITZ [1931] 1959, 91 mit Anm. 1; PASQUALI 1934, 225–227; daß der Vers zu athetieren sei, wird auch z.B. im LIMC s.v. Acheloos vorausgesetzt; Hinzufügung in arch. Zeit: ausführlich D’ALESSIO 2004, mit Hinweis auf oriental. Parallelen). Eine Steigerung von Acheloïos, der hier im hom. Epos überhaupt das einzige Mal wegen seiner relativen Bedeutung genannt wird, zum Okeanos mit seiner überragenden Rolle (s.o.) ist aber viel sinnvoller und eine Auslassung des Verses aus u.a. antiquarischen Gründen in 194 τῷ οὐδέ: zum Hiat R 5.6. — τῷ: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5).

Kommentar

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frühhellenist. Zeit wahrscheinlicher (LESKY 1947, 81; VAN DER VALK 1964, 363– 36; SCHMIDT 1976, 111–120, der S. 114 auch auf die nachhom. faßbare Identifizierung von Acheloïos und Okeanos hinweist, die in schol. T zu 195 erwähnt wird; NICKAU 1977, 55–57). Was den Herakles-Mythos betrifft, so läßt sich die Hervorhebung von Zeus mit der Funktion der Rede erklären (184–199n.), abgesehen davon, daß Achilleus nicht wie Herakles im Mythos über den Fluß siegt (SCHEIBNER 1939, 119–121, auch zu weiteren Unterschieden). 195 2. VH = 18.607; ≈ 23.827, ‘Hes.’ fr. 204.56 M.-W. (ergänzt). — βαθυρρείταο: nur noch ebenfalls im Gen. und vom Okeanos in Hes. Th. 265, Variante von βαθύρροος (8n.); wohl unter dem Einfluß von ἀκαλαρρείτης ‘sanft fließend’ entstanden (nur in 7.422 und Od. 19.434 ἐξ ἀκαλαρρείταο βαθυρρόου Ὠκεανοῖο). Zur Kombination mit µέγας (µέγα σθένος) vgl. Il. 21.329 µέγας ποταµὸς βαθυδίνης von Skamandros (LfgrE s.v. βαθυρρείτης, βαθύρροος). — µέγα σθένος Ὠκεανοῖο: Umschreibung des Namens mit σθένος (s.o. die Iterathalbverse) wie mit βίη oder µένος (18.486n.), noch eindrücklicher mit dem Epitheton und der Verneinung wirkend (LEAF).

196–197 Brunnengewässer: Das Epitheton makrós ‘tief’ deutet auf einen Schachtbrunnen, der wie im Orient vereinzelt, aber noch nicht zu einem Gehöft gehörig vorkam (Od. 6.40/59/85ff.: Nausikaa wäscht außerhalb der Siedlung): RICHTER 1968, 32. πάντες … πᾶσα … | … πᾶσαι: Die Anapher πᾶς ist typisch für Prädikationen von Göttern (vgl. 3.277, Od. 11.109, 12.323, Hes. Th. 121, Op. 267): FEHLING 1969, 92. — φρείατα: Nom. Pl., mit -ει- für *φρήατα (WERNER 1948, 68) < *φρήϝατα, Sg. att. (mit quantitativer Metathese, s. G 40) φρέᾱρ (Bildung wie πεῖραρ, πείρατος: RISCH 62), von ders. idg. Wurzel wie das gleichbedeutende dt. ‘Brunnen’; in fgrE nur hier u. h.Cer. 99 (LfgrE s.v. φρέαρ). — µακρά: µακρός bez. eine eindimensionale Länge, meist horizontal, hier vertikal, ‘tief’, ähnl. ‘hoch, steil’ von einer Treppe in Od. 10.558, 11.63 (LfgrE). — νάουσιν: νάω ‘fließen’, sonst im fgrE nur noch in Od. 6.292 belegt, in Od. 9.222 in der Variante ναίω (LfgrE).

198–199 2. VH v. 198: ≈ 14.417. — Der Donner ist nur eine erschreckende Begleiterscheinung des potentiell tödlichen Blitzes, den Zeus im fgrE auch sonst als Waffe gegen ungehorsame Götter einsetzt (noch 8.405/419, 15.117, Hes. Th. 690ff., 845ff.): 14.414n. mit Lit. Vielleicht ist diese Macht auch ein Motiv idg. Hymnen auf den Donnergott (mögl. aind. und lat. Parallelen bei WEST 2007, 309).

δείδοικε … | δεινήν: Bei unheimlichen Geräuschen steht δεινός auch sonst in der Umgebung von Wörtern der gleichen Wortfamilie (zur Etymologie von δεινός DELG s.v. δείδω), so noch 4.420f. (δέος); 20.56/61 (δείδω); 8.133/135 wird das Wort wiederholt (KAIMIO 1977, 60). — Διὸς µεγάλοιο: 187n. — κεραυνόν | … τε βροντήν: κεραυνός bed. ‘Blitz, Blitzstrahl’; viell. ist es urspr. der Name eines idg. Gewitter-Gottes, dessen Funktion Zeus übernahm (LfgrE; WEST 2007, 243f, mit Lit.). βροντή ist abgeleitet von βρέµω ‘tosen, brau-

196 περ: konzessiv (R 24.10). 198 ὅς: demonstrativ. — δείδοικε: = δέδοικε (δείδοικε < *δέδϝοικε: R 4.2). 199 οὐρανόθεν: zur Form R 15.1.

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sen’ (LfgrE) und bed. ‘Donner’, in Verbindung mit Διός/Ζηνός, noch 13.796 (bei einem Sturm), Od. 20.121 (als Vorzeichen zur Bestrafung der Freier). Als Waffe des Zeus in Hes. Th. 72, 141, 504, ‘Hes.’ fr. 30.18 M.-W. ist es ebenfalls mit κεραυνός kombiniert (βρ. vor der Zäsur B 1 und κ. am VE), in Hes. Th. 690f. (κ. ebenso am VE), 707, 854, z.T. mit semantisch nahem (ἀ)στεροπή (‘Blitz als Lichterscheinung: LfgrE) verstärkt; dagegen steht bloßes κεραυνός kombiniert mit στεροπή in Hes. Th. 699 am VE, einfaches βροντή mit στεροπή in Hes. Th. 286, 845 am VA: LfgrE. — ἀπ᾿ οὐρανόθεν: ebenso, an ders. Versstelle, 8.365, Od. 11.18, 12.381, Variante ἐξ οὐρανόθεν Il. 8.19, 8.21; οὐρανόθεν vermeidet das unmetr. οὐρανοῖο (G 66; CHANTR. 1.243) und das nur mit Hiatkürzung des Auslauts mögliche häufige οὐρανοῦ. — σµαραγήσῃ: onomatopoet., ‘dröhnen’, ingr. Aor., hier wohl einprägsam am Schluß der Rede vom Donner (βροντή), in 2.210 und 2.463 in Gleichnissen zur Veranschaulichung des Lärms, den die Sammlung des Heeres macht, in Hes. Th. 679 von der Titanenschlacht (LfgrE; RICHARDSON zu 199).

200–204 Die Triumphrede wird zwar wie sonst von einer kurzen Rede-AbschlußformelP abgeschlossen (200), aber ohne daß sie von einer der üblichen Schilderungen gefolgt wäre (Bsp. bei FINGERLE 1939, 155), etwa einer Spoliierung oder ihrem Versuch (wie in 13.640, 13.383, 16.751, 17.540; das Abziehen der Waffen ist schon 183 erwähnt), oder dem Herausziehen der Waffe aus dem Leichnam (11.456f.; hier nicht erzählt): Der Sieger wendet sich im Gegenteil vom Leichnam ab (201). Das erlaubt, nochmals Achills überragende Kraft zu unterstreichen (WEST 2011, 377), wenn er die schwere Lanze problemlos herauszieht (200; 174b–178n.), und ihn so im Gegensatz zu dem Toten zu zeigen, dessen Lage in einem ruhigen Bild (202– 204) konträr zur folgenden Erzählung von Achilleus’ Aufbruch zu weiteren Tötungen (205) entfaltet ist (KURZ 1966, 33). Daß Leichenfraß geschildert wird (203f.), ist absolut singulär in der Ilias (SEGAL 1971, 31); sonst dient er nur als Motiv in Drohungen oder als Horrorvision (122–125n.). Die Norm ist eine Bergung der Leichen am Ende des Tages unter dem Schutz eines Waffenstillstandes (1.4n.; z.B. 7.375ff.). Daß gerade hier in Achilleus’ Aristie so etwas erzählt wird, dazu in sachlichem Ton mit vielen Details (z.B. wird das Nierenfett erwähnt; GRIFFIN 1980, 117), dürfte die gesteigerte Gewalt im Zuge von Achilleus’ Rachefeldzug verdeutlichen (22–24n.; SEGAL a.O. 31f.); hier läßt er den toten Asteropaios halb im Wasser liegen, so daß er den Aasfressern ausgesetzt wird, später schändet er selbst Hektors Leichnam unsäglich (22.395ff.). Die Verse dürften deshalb nicht einfach von einem auf makabre Effekte zielenden Interpolator stammen (anders WEST a.O. 49. 377, mit Hinweis auf 126–135, s.d.), um so mehr, als die Wahl des Ortes und der Aasfresser (Fluß, Wasser, Fische) die früheren Tötungen am und im Fluß durch Achilleus und die Verunreinigungen des Flußgottes evozieren (1–33 Troer, 34–135 Lykaon; SEGAL a.O. 72: Klimax), der Asteropaios unterstützt hatte (145f.), und so eine weitere Steigerung bis zum fast unmittelbar bevorstehenden Flußkampf bewirken (233ff.).

Kommentar

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200 ≈ 22.367; vgl. 175. — ἦ ῥα, καί: formelhafter Rede-AbschlußP bei gleichbleibendem Subj. (ebenso ἦ, καί 233, 324): 24.302n. — κρηµνοῖο: 26a n. — χάλκεον ἔγχος: VE-Formel (Nom./Akk. 17× Il., 5× Od., 2× ‘Hes.’; außerdem in 393 am VA). Das Attribut bezieht sich auf die bronzene Lanzenspitze (HÖCKMANN 1980, 315); zum Gebrauch der Formel 172n. 201 2. VH = 24.50; von der Zäsur C 2 an = 11.115. — φίλον ἦτορ ἀπηύρα: zu ἦτορ und zu ἀπηύρα 179n. φίλον ἦτορ ist eine formelhafte Verbindung (114n.); zur umstrittenen Frage, ob φίλον in solchen Wendungen affektive oder rein possessive Bedeutung hat, 3.31n.; vgl. 114n.; im Kontext von Bedrohung der Gesundheit und des Lebens ist es wohl prägnant i.S.v. ‘lieb, geliebt’ verwendet.

202 Asteropaios ist aus dem Fluß gestiegen (144n.) und am Rand des sandigen Flußbettes gefallen (AH); dort beginnt auch der steile Abhang, in dem die Lanze steckte (200; die Angabe hier muß also nicht widersprüchlich sein [anders AH Anh. 84; WEST 2011, 377: Hinweis auf eine Interpolation, vgl. 200–204n.]). Asteropaios bleibt im Gegensatz zu Lykaon, der ins Wasser hineingeworfen wird (120), am Ufer liegen, wird aber ebenso vom Fluß umspült, eine Voraussetzung für den folgenden Leichenfraß (203f.). Süßwasser wird wiederholt als ‘dunkel, schwarz’ bezeichnet, auch in 257 (zum Meerwasser 126n.). Es werden viele verschiedene Gründe dafür vermutet (16.3n., mit Lit.). Möglicherweise hat die Farbe hier mit dem um den Leichnam wirbelnden Wasser zu tun (IRWIN 1974, 198); vielleicht ist aber auch an die Vermischung von Blut und Wasser zu denken, die Achilleus’ Tötungen zur Folge hatten (21, 119/123): SEGAL 1971, 32. κείµενον ἐν: flektierbare VA-Formel (Il./Od. 9× Akk., 1× Gen.; außerdem 1× Il. im Versinnern), öfter wie hier von tot daliegenden Kriegern (16.660, 18.236, 24.702). — µέλαν ὕδωρ: VE-Formel (noch 1× Il., 4× Od.), Variante ὕδωρ µέλαν vor der Zäsur C 2 in 2.825.

203–204 Aale sind die einzige namentlich genannte Spezies von Fischen im hom. Epos; sie scheinen allerdings nicht zu den Fischen gezählt zu sein, viell. wegen ihres schlangenförmigen Körpers (s.u. zur gr. Bezeichnung): AH u. LEAF zu 203; ant. Quellen s. RE u. DNP s.v. Aal; weitere Lit. s. BUCHHOLZ u.a. 1973, 133 Anm. 595. Ihre Hinzufügung zu den Fischen als Aasfressern (122–125n., 127n.) verstärkt noch die Schändung (SEGAL 1971, 31). Demgegenüber tritt die Frage nach einem naturgemäßen Verhalten in den Hintergrund (GRIFFIN 1980, 117); daß Aale frisch getötete Köder fressen ist jedenfalls belegt (TESCH 1999, 162). Das anatomische Detail des Nierenfettes gegenüber dem bloßen weißen Fett in der Lykaon-Szene (127), ebenso wie die Anschaulichkeit von zwei Verben für den Fraß (hingegen in 123 nur 200 ἦ: 3. Sg. Impf. zu ἠµί ‘sagen’. — ῥα: = ἄρα (R 24.1). — κρηµνοῖο (ϝ)ερύσσατο: zur Prosodie R 4.3. 201 τόν: den toten Asteropaios. — κατ(ὰ) … λεῖπεν: zur sog. Tmesis R 20.2. — αὐτόθι: ‘ebendort’ (R 15.2). 202 µιν: = αὐτόν (R 14.1). 204 ἐρεπτόµενοι ἐπινεφρίδιον: zum Hiat R 5.6.

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lecken, in 127 fressen) tragen zu einer präzisen Vorstellung des Horrors bei (SEGAL a.O. 31; RICHARDSON 1987, 170). V. 204 ist ein typischer Vier-Wort-Vers, “adding picturesque details” (BASSETT 1919, 224) in der Form einer kunstvollen Konstruktion mit zwei Partizipien mit jeweils vorangestelltem Nomen (Nomen, dazugehöriges Adj.), welche die Gier der Fische ausmalen (LfgrE s.v. κείρω; SEGAL a.O. 31). — τὸν µὲν ἄρ(α): VA-Formel (insgesamt 7× Il., 4× Od., darunter mit ἀµφεπένοντο wie hier am VE Od. 19.455, 2× Hes. Th.): 16.597n. — ἐγχέλυες: im fgrE nur hier u. 353 (an ders. Versstelle ἐγχέλυές τε καὶ ἰχθύες), wird etymologisch mit ἔχις ‘Schlange’ in Verbindung gebracht (ähnl. wie lat. anguilla zu anguis): DELG, BEEKES s.v. ἔγχελυς. — ἀµφεπένοντο: sonst öfter bei Verwundeten ‘pflegen’ (4.220, 13.656, 16.28), hier ironisch von Tieren als Subj. wie in Bezug auf den toten Hektor in 23.184 ‘waren geschäftig um, machten sich eifrig her um ihn’ (AH). — ἐρεπτόµενοι … κείροντες: ἐρέπτω (im Simplex nur im Ptz. Med. belegt) bed. ‘rupfen, fressen’ (verwandt mit lat. rapio: LIV 507), sonst von pflanzenfressenden Tieren (2.776, 5.196, 8.564, Od. 9.97 [von Menschen, wohl verächtlich wie von Tieren], 19.553, h.Merc. 107; LfgrE), daher hier wohl besonders makaber (RICHARDSON 1987, 170). κείρω hier ‘schneiden’ i.S.v. ‘abbeissen, abfressen’ verwendet, wie in Il. 11.560 (Esel), Od. 11.578 (Geier von Tityos’ Leber): LfgrE. Die Bedeutung der beiden Verben ist ähnlich (κείρω urspr. komplementär zu ἐρέπτοµαι? LfgrE s.v. κείρω); dies macht es schwierig, die syntaktische Beziehung der unverbundenen Partizipien zueinander zu bestimmen (LEAF); viell. ist ἐρεπτόµενοι modal zu κείροντες zu verstehen (AH). — ἐπινεφρίδιον: hapaxP, Adj. auf -ίδιος zu dem im fgrE nicht belegten νεφροί ‘Nieren’ (RISCH 123; urverwandt mit lat.-dialekt. nefrones, nebrundines, dt. ‘Niere’ usw.: DELG und BEEKES s.v. νεφροί): ‘auf den Nieren gelegen’.

205–210 Achilleus tötet sieben Paioner, die mit ihrem Anführer Asteropaios an den Fluß gelangt waren. 205–210 Schock und Flucht nach dem Tod eines Anführers werden wiederholt erzählt (16.284–305n. mit Lit.; ein bibl. Bsp., die Reaktion der Philister nach Goliaths Tod durch David, AT 1. Samuel 17.51, bei LOUDEN 2006, 177). Hier ist der Schrecken umso größer, als die Paioner denjenigen verlieren, der nach der Tötung ihres Anführers Pyraichmes durch Patroklos (16.287–292) als Ersatz nach Troia gekommen war (155f.). Die Erzählung von den Massentötungen rahmt zwar abschließend die Schilderung von Achills Auseinandersetzung mit den Menschen am Fluß (1–210n.); sie leitet aber auch zu der folgenden Darstellung des Flußkampfes über, denn die Tötungen lösen die direkte Intervention des Flußgottes aus (211ff.). 205 1. VH = 10.73, 20.484. — Zur Ausrüstung der Paioner gehören u.a. Helme, an denen oben ein Busch aus Pferdeschwanzhaaren befestigt ist. Solche Helmbüsche ließen den Träger des Helmes imposanter erscheinen und trugen zum Schutz vor Schwerthieben bei (3.337n., mit Lit.). αὐτὰρ ὁ βῆ: VA-Formel (insges. 11× Il., 4× Od.). — βῆ ῥ᾿ ἰέναι: zum Inf. 120n.; flektierbare Formel, emphatischere Wendung gegenüber bloßem βῆ (6.296n.). — βῆ … µετά: ‘ging auf … los’, von einem Angreifer, wie in der formelhaften Verbindung βῆ δὲ µετ(ά) in 6.21 u.ö.

Kommentar

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(LfgrE s.v. βαίνω 10.60; 11.3ff.); zur Bed. von µετά SCHW. 2.485. — ἱπποκορυστάς: immer formelhaft am VE nach einem Nomen, ebenso nach Παίονας in 16.287, außerdem in 2.1, 10.431, 24.677, ‘Hes.’ fr. 10(a).52 M.-W.; zu anderen Epitheta der Paioner 155–156n. Das Possessivkompositum zu ἵππος und κόρυς bed. ‘mit roßigem’, d.h. ‘mit roßhaarigem Helm’ (das Zwischenglied ‘Haar’ ist ausgelassen ähnl. wie bei ἱπποδασύς ‘roß(haar)dicht’); das Hinterglied auf -τής ist viell. eine metr. bedingte Erweiterung für den Gebrauch des Kompositums am VE und überhaupt im Vers, da von *-κόρυς nur gerade der Nom. Sg. verwendbar gewesen wäre; dasselbe gilt für χαλκοκορυστής, das mit kons. Anlaut eine metr. Variante darstellt (6.199 u.ö.): LfgrE; FRISK 1940, 36–41; DELG s.v. κόρυς; zur Variante 16.358n. Die Suffigierung des Hinterglieds erklärt sich aber viell. auch durch Anlehnung an κορυστής ‘helmtragend’ (unter dessen Einfluss das Kompositum sekundär oxyton wurde: LEUKART 1994, 135 Anm. 26; zu κορυστής s. auch 277n.). 206 1. VH ≈ 2.522; vgl. den ganzen Vers mit der 2. VH v. Od. 6.89, h.Bacch. 4, hom.h. 21.2. — πεφοβήατο: ‘aufgeschreckt auf der Flucht waren’ (LfgrE s.v. φοβέω 967.51ff.); zur Bed. s. auch 4n. Das Plpf. drückt eine dauernde Wirkung aus, “daher mit ἔτι verbunden, obwohl ὡς εἶδον auf den Anfang der Flucht weist” (AH). — δινήεντα: 1–2n.

207–208 Kleiner Rückwärtsschritt in der erzählten Zeit, wie öfter, wenn das Schicksal eines Kämpfers von einer Partei beobachtet wird (ebenso z.B. 14.440f., 15.484f.); zu solchen ‘Verstößen’ gegen das sog. Sukzessiongesetz, d.h. gegen eine sukzessive Darstellung, NÜNLIST 1998, 5f. 207 Beste: emphatisch in Sekundärer FokalisationP wie öfter zur Bezeichnung sterbender Krieger (6.7–8n.); es trägt zur Erklärung des Schocks und der Flucht der Paioner bei (205–210n.; ähnl. 16.292 vom toten Pyraichmes, dem ersten Anführer der Paioner) und erinnert gleichzeitig an Achilleus’ Herausforderung durch einen guten Kämpfer (139–204n.), bevor noch eine größere Bedrohung durch Skamandros folgt (211ff.). Asteropaios wird so als echter Heros gewürdigt (16.292n.); viell. erinnerte das die Hörer auch an Bestattungen, in denen die Toten ebenfalls als die Besten gerühmt wurden (zur Stelle mit Beispielen von entsprechenden Grabinschriften vom Ende des 7. Jh.s und später HOWIE 1995, 157–159; zur Nähe von 7.89f. mit einem Grabepigramm s.d., mit Lit.).

ὡς εἶδον: Junktur am VA (noch 2× Il., 1× Hes.) und im Versinnern in h.Cer. 172; Variante ὡς εἴδοντο nach der Zäsur A 3 (2× Il.). — κρατερῇ ὑσµίνῃ: flektierbare VE-Formel, im Dat. (mit u. ohne ἐνί) 11× Il., 1× Od. (16.447n.); ὑσµίνῃ ist ein idg. Wort für ‘(Kampf-)Getümmel’ (DELG s.v.: ‘mêlée’; LfgrE s.v.: ‘Kampf als Aktion’; weitere Lit. 16.306n. a.E.). Der Hiat geht auf die Modifikation der Formel zurück, die häufiger in Kasus mit konsonantischer Endung belegt ist (insges. 20× Akk., 2× Gen.): M 14.

206 πάρ: = παρά (R 20.1). — πεφοβήατο: 3. Pl. Plpf. Med. (R 16.2). 207 ἐνί: = ἐν (R 20.1). — κρατερῇ ὑσµίνῃ: zum Hiat ­. — κρατερῇ: zum -η- nach -ρ- R 2.

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208 χέρσ᾿ ὕπο … δαµέντα: ὑπὸ χερσί + δάµνηµι/δαµνάω werden sehr häufig miteinander verbunden (eine Übersicht über die versch. Verspositionen bei ALIFFI 2002, 422f.); hier stehen χέρσ᾿ ὕπο am VA und eine passivische Form von δάµνηµι am VE, ebenso wie in 16.420 und 16.452, aber im Gegensatz zu diesen Versen mit einer Variation des Versinnern: χέρσ᾿ ὕπο ist erweitert mit καὶ ἄορι, und δάµνηµι ist formelhaft mit ἶφι ergänzt (ἶφι δαµῆναι flektierbare VE-Formel, insges. 2× Il., 2× Od., ‘Hes.’ Sc. 11 = fr. 195.11 M.-W.); ähnl. (metr. gleichwertige) Erweiterungen finden sich in Od. 18.156 Τηλεµάχου ὑπὸ χερσὶ καὶ ἔγχεϊ ἶφι δαµῆναι (ALIFFI a.O. 412 Anm. 18). Zu ὑπό + Dat. in der Bed. ‘unter der Wirkung von’ (≈ Instrumentalis) s. SCHW. 2.526; CHANTR. 2.140; häufig wie hier in der Verbindung ‘durch js. Hände’ (vgl. 47n. zu χερσίν i.S.v. ‘Gewalt’) und bei Verben, die kriegerische Unterlegenheit ausdrücken, hier δάµνηµι in der Bed. ‘bezwingen, besiegen’ (LfgrE s.v. δάµνηµι 216.18ff.; JANKUHN 1969, 67f.). Zu ἄορι s. 21n.

209–210 Androktasie-Szene: Katalog von 7 Erschlagenen, einer Anzahl, die vom Publikum beim Hören im Gedächtnis behalten werden konnte (Listen mit jeweils 6 bis 9 Figuren; JANKO zu 16.415–18). Solche Kataloge bilden Teil einer Aristie, die den Kämpfer auf dem Höhepunkt seiner Kampfkraft zeigt; oft sind sie auch ein Signal für eine Wendung der Geschehnisse, hier für die Intervention des Flußgottes (211ff.; sehr ähnlich 5.677ff.: Odysseus tötet 7 Lykier, bevor Hektor eingreift): BROCCIA 1963, 31f.; weitere Stellen s. 16.399–418n., mit Lit. Die Figuren treten als bloße Statisten auf, die (viell. mit einer Ausnahme) nur hier vorkommen; ihre Namen, von denen vier nur hier im hom. Epos belegt sind, dürften aus einem Vorrat des Erzählers an Namen geschöpft sein (zur Mehrfachbenennung von Namen 16.345n.; BROCCIA a.O. 32 Anm. 36; zusammenfassend zu den Namen hier WATHELET s.v. Αἴνιος 238).

209 ἔνθ᾿ ἕλε: flektierbare VA-Formel (noch 5.144, 7.8, 11.328). ἔνθα kann einen Neueinsatz der Erzählung markieren, ist jedoch oft in seiner Funktion von einer satzverbindenden Partikel wie δέ kaum zu unterscheiden (16.306n.). ἑλεῖν bed. im Kampfkontext oft ‘überwältigen’, hier in der Formel und im Katalog ohne weitere Schilderungen ‘töten’ (LfgrE s.v. αἱρέω 348.13ff.; zur Versstruktur VISSER 1987, 211. 245f.). — Θερσίλοχον: wird auch in 17.216 erwähnt (viell. als die gleiche Figur), als Bundesgenosse Hektors ebenso wie Asteropaios (17.217). Der auch histor. belegte Name ist ein Possessivkompositum, mit dem Vorderglied zu θάρσος (äol. θέρσος) ‘Mut’, das wohl auch im Namen Θερσίτης enthalten ist (2.212n.); vor dem Hinterglied λόχος ‘Mannschaft’ wurde es adjektivisch, der Name bedeutet somit ‘mit kühner Mannschaft’; zum Calandschen Suffix -ι- und zur ganzen Wortbildung RISCH 218f.; v. KAMPTZ 68. 89. 198. — Μύδωνα: Den Namen trägt auch ein Wagenlenker des Paphlagonenführers Pylaimenes, der von Antilochos getötet wird (5.580f.). Der histor. unbelegte Name ist wohl fremder Herkunft und steht viell. in Beziehung zu dem am Fluß Axios gelegenen Ort Ἀµυδών im Land der Paioner (2.849, 16.288; v. KAMPTZ 135. 309). —

208 χέρσ᾿ ὕπο: = ὑπὸ χερσί (R 20.2). — ἄορι (ϝ)ῖφι: zur Prosodie R 5.4. — ἶφι: ‘Instrumentalis’ (-φι: R 11.4) zu (ϝ)ίς (vgl. lat. vis), ‘mit Macht, Kraft, Gewalt’. 209 τε (ϝ)αστύπολον: zur Prosodie R 4.3.

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Ἀστύπυλον: Der Name ist zu ἄστυ und πύλη gebildet (wohl Possessivkompositum mit der Bed. ‘der das Tor der Stadt hält’: WATHELET s.v.) und ist vermutlich eine Verwendung eines poet. Appellativums als Eigenname (v. KAMPTZ 91); Namen mit dem Element ἄστυ sind sehr häufig auch im Mythos und schon im Myk. belegt (Troer: Ἀστύαλος, Ἀστυάναξ, Ἀστύνοος, dazu myth. Frauennamen): LfgrE s.v. Ἀστύαλος; MYK s.v. Ἀστυόχη. 210 Μνῆσον: Kurzname zu häufig belegten Komposita wie Μνήσαρχος, Μνήσιππος, mit dem schon in myk. Namen belegten Element Μνησι- von der Wurzel µνη- in µιµνήσκω, ἔµνησα usw. (LfgrE; WATHELET s.v.; MYK s.v. µνήσασθαι). — Θρασίον: histor. belegte Kurzform zu θρασύς ‘kühn’ (zu Namen wie Θρασυµήδης, Θερσίλοχος): v. KAMPTZ 117. 199; WATHELET s.v. — Αἴνιον: einer der wenigen daktylischen Namen (VISSER 1987, 113; die Herkunft ist unklar: v. KAMPTZ; WATHELET s.v.). — Ὀφελέστην: Den Namen trägt auch ein von Teukros getöteter Troer (8.274, ebenfalls am VE nach ἠδ(έ)); er ist eine Ableitung von ὄφελος, vgl. myk. O-pe-re-ta (DMic II 33): LfgrE.

211–327 Zweite Phase des Flußkampfes: Kampf mit dem Wasser: Der Fluß Skamandros greift direkt ein und wehrt sich gegen Achilleus. Es gelingt ihm beinahe, ihn zu überwältigen. Der eigentliche Flußkampf (2. Phase: 1–327n.) wird durch einen Wendepunkt eingeleitet: Skamandros interveniert nun (nach dem indirekten Eingriff 145f.) direkt, zuerst mit Worten (211–232, mit einem gewissen Entgegenkommen von Achilleus), dann indem er ihn konkret angreift (233–271). Der Angriff wird so bedrohlich, daß Achilleus Zeus anruft und Poseidon und Athene ihn stärken (272–304). Darauf bittet der Flußgott seinen Bruder, den Fluß Simoeis, ihm zu helfen, und greift Achilleus noch stärker an (305–327; zur Struktur STANLEY 1993, 206). Diese Steigerung steht an Stelle der Elemente (6) und (7), ‘Verwundung’ und ‘Genesung’, der Typisierten EreignissequenzP ‘Aristie’ (1–327n.). Denn diese hätten nicht zu Achills göttlicher Rüstung gepaßt (die leichte Verletzung, die Asteropaios dem Peliden in 166–168 zufügt, weist denn auch nur proleptisch auf die spätere Gefährdung hin; s.d., auch zur Unverwundbarkeit des Helden allg.). Der den Helden an seine äußersten Grenzen bringende Kampf erhöht ihn entsprechend Achilleus’ überragender Rolle im Epos (WILLCOCK zu 234–327; KRISCHER 1971, 27, mit einem Vergleich mit Ersatzmotiven in der Ereignissequenz ohne diese steigernde Funktion in Diomedes’ Aristie im 5. Gesang). Daß der halbgöttliche Achilleus gerade mit einem Gott auf diese Weise kämpft und überlebt, ist ebenso ein Hinweis auf seine Einzigartigkeit (NEAL 2006, 262). Von Helden aus Generationen vor ihm sind zwar Kämpfe gegen Götter überliefert (Dione weist in 5.392–394 u.a. auf den ebenfalls halbgöttlichen Herakles hin), in der Ilias aber greift sonst nur Diomedes die schwache troerfreundliche Göttin Aphrodite an und verwundet sie; dies geschieht jedoch auf Anstiftung von Athene (5.121ff.), und Diomedes ist sich seiner Grenzen bewußt 210 ἠδ(έ): ‘und’ (R 24.4).

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(5.443f., 5.606, 5.815–824; TREU [1955] 1968, 23–25; ERBSE 1961, 158. 161. 166f., 184; RUTHERFORD 1982, 146 Anm. 9). Achilleus dagegen verhält sich provokativ (122–135n., 184–199n.) und ist ganz in seinem Rachefeldzug gefangen (das zeigt sich auch in seiner Antwort auf Skamandros’ Bitte in 223–227). Deswegen ist ihm trotz aller Hervorhebung ein eigener ruhmreicher Sieg über Skamandros nicht möglich (Hinweis schon in 264b; SCHEIBNER 1939, 32). Es wird ihm nur allgemein ein Nachlassen des Ansturms des Gottes prophezeit (292), das später durch Hephaistos bewirkt wird, so daß sich das Schicksal erfüllt (277f.; zu Achilleus im Vergleich mit Diomedes STAMATOPOULOU 2017, 928f.; die Unterlegenheit von Achilleus betont BOLT 2019, 303). Allerdings hat auch nur Achilleus im hom. Epos einen solchen Gott als Gegner (SCHEIN 1984, 150; zum erst später belegten Kampf des Herakles gegen den Acheloïos 194n.). Die Intervention des Flußgottes bedeutet eine Ausweitung des Kampfes auf Naturelemente (Wasser, später das Feuer des Hephaistos): SCHÄFER 1990, 129. Dabei besteht weiterhin eine Einheit zwischen dem Gott mit anthropomorphen Zügen und seiner Naturkraft, dem Wasser (1–2n., 9–10n., 136–138n.). “The rushing river-water and the raging river-god are one” (CLARKE 1999, 274–276, Zitat S. 275; ebenso schon VERMEULE 1974, 94): 1) Skamandros’ Kampf erklärt sich aus der Verschmutzung und Besudelung und überdies Blockierung seines Elements (21n., 218–220), aber auch aus der Sorge des Gottes um seine Schutzbefohlenen, die Troer (130–132n., 231, 250, 309f.), und seiner Betroffenheit über Achills Verhalten (Leichenschändung, 122–125n., 200–204n.): 144–147n.; HOLMES 2015, 32; ausführlich zum Schutz der Troer 42–51. Zeus hatte bei der Versammlung der Götter, an der Skamandros teilnahm (20.40), den Parteien der Götter erlaubt, temporär in den Kampf einzugreifen (20.25). 2) Skamandros reagiert zunächst wie andere Götter (Zorn: 136–138n., 144–147n.), er flößt einem Menschen Mut ein (145f. [s.d.]) und spricht Achilleus zuletzt direkt an (eine Art Epiphanie, 212–221; NAGLER 1974, 149). Erst dann verwendet er sein Element (233–327). Die Bewegungen des Wassers entsprechen dabei seinem Gefühl, dem immer mehr gesteigerten Zorn (136, 146, 212, 306; Gefühle und Zustände werden öfters wie bewegliche Flüssigkeiten dargestellt, so in 2.19 [s.d.], 14.315f., 18.109f.; PADEL 1992, 78–98, bes. 86; CLARKE a.O. 90–97, bes. 92; HOLMES a.O. 41). Die Wellen sind die Waffe (BONNAFÉ 1984, 86); die Wirbel des Wassers hatten ihre Dynamik schon vorher ahnen lassen (1–16n.). Das Wasser des Skamandros wirkt sich hier in der Haupterzählung noch schlimmer als die zerstörerischen Sturzbäche oder Flüsse in den Gleichnissen aus, die die Aggressivität von Kämpfern illustrieren (4.452–456, 5.87–94, 5.597–600, 11.492–497: BOUVIER 1986, 255f.): Der Skamandros verläßt sein Flußbett und überschwemmt die ganze Ebene, kennt also ebenfalls keine Grenzen mehr (zu Skamandros als Achilleus’ Spiegelung HOLMES a.O. 38. 49; vgl. auch die Anklänge an eine Triumphrede in Skamandros’ Rede an Simoeis, 308–323n., und im Gegensatz dazu Apollons Rückzug angesichts des vom

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Schicksal festgelegten Todeszeitpunktes von Hektor in 22.213): REINHARDT 1961, 442; HOLMES a.O. 42. 47f. Der Kampf des Gottes wird zur Naturkatastrophe (vgl. 20.57b–60, wo Poseidon ein gewaltiges Erdbeben verursacht). Dadurch wird das vom Schicksal vorbestimmte Geschehen in Frage gestellt (Hektors Tod, Achilleus’ Tod und später die Eroberung der Stadt) und so die Intervention der Götter und der Kampf der Elemente Feuer gegen Wasser hervorgerufen (Beginn der Kämpfe von Göttern, 328ff.; schol. pap. col. XII, 20ff., zu 240, p. 101 Erbse). In der gesamten Schilderung des Flußkampfes, die mit derjenigen des Götterkampfes, aber auch mit den vorherigen Einzelkämpfen zusammenhängt (Lykaon, Asteropaios), gibt es scheinbare Widersprüche, die Vertreter der Analyse als Spuren einer nachhom. Bearbeitung erklärt haben; allg. dazu SCHEIBNER a.O. 27–38; REINHARDT a.O. 423–456, bes. 445 u. 449; etwas anders WEST 2011, 58: 232–514 (Flußkampf und Götterkampf) sei eine spätere Erweiterung durch den Iliasdichter selbst. Die anstoßerregenden Stellen lassen sich aber anders als mit der Analyse erklären (214–221n., 229–232n., 233n., 289n.). Man hat die Schilderung der Überschwemmungen mit den realen Überschwemmungen des Flusses Skamandros im Winter und Frühling in Beziehung gebracht (REINHARDT a.O. 424; SALOWEY 2017, 163–171) und eigene Anschauung des Iliasdichters vermutet (WEST 2011, 25. 363; zu diesen Überschwemmungen JABLONKA 2014, 228 mit Lit.; SALOWEY a.O. 159–163, auch allg. zu den Flüssen im Mittelmeerraum). Darüber hinaus ist die ganze Schilderung des Flußkampfes auf verschiedene Weise gedeutet und mit anderen Erzählungen verglichen worden: (1) Aus der griechischen Tradition mit dem Mythos von Herakles und seinem Kampf mit dem Fluß Acheloïos (MÜLDER 1910, 233–237, bes. 236). Zu den einzelnen Vergleichspunkten 195–197n. u. 237n.; es ist keine einfache Übertragung aus diesem Mythos anzunehmen, dessen Alter unklar ist (SCHEIBNER a.O. 119; ähnl. USENER 1990, 146 mit Anm. 24). (2) Der Flußkampf wird auch als Kampf zwischen Süßwasser (Skamandros) und Salzwasser (Achilleus als Sohn der Meeresgöttin Thetis, Poseidon als Helfer der Achaier) verstanden (FENNO 2005, 498–503). Dagegen spricht u.a. der Umstand, daß Skamandros vom Feuer des Hephaistos besiegt wird und nicht von Poseidon, der nur eine kleine Rolle hat (284ff.); ebenso, daß Achilleus Okeanos’ (eines “Vertreters” des Salzwassers) untergeordnete Stellung unter dem Göttervater Zeus betont (195–199). (3) Zu weiteren Deutungen 328– 382n. Abschn. (3) und (4). – Der Flußkampf ist später wiederholt nachgeahmt worden; zur röm. Lit. s. JUHNKE 1972, 11–44; zusammenfassend zur Rezeption in der Antike BIGGS 2019.

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211–232 Skamandros fährt unmittelbar dazwischen: Er bittet Achilleus, nicht mehr im Fluß zu morden; Achill sagt zu. Skamandros wirft Apollon vor, den Troern nicht zu helfen. 211–213 Die ‘Wenn nicht’-SituationP hebt nochmals die Kampfkraft und Rachsucht des Helden hervor, der problemlos weitere Paioner getötet hätte (SCHEIBNER 1939, 52; DE JONG [1987] 2004, 79); gleichzeitig markiert sie auch den Wendepunkt. Umschwünge finden sich öfters nach Androktasie-Szenen, um die Verschonung weiterer Kämpfer darzustellen, hier durch Skamandros’ Intervention (212ff.; FENIK 1968, 68; NESSELRATH 1992, 11; weitere Stellen: 5.677ff./679, 5.703ff./711, 11.299ff./310, 16.415ff./419, 16.692ff./698). Der Zorn des Flußgottes ist immer weiter gestiegen; mit dem Tod des Asteropaios und Tötungen weiterer Paioner ist nun ein Wendepunkt erreicht (136–138n.). Durch seine menschliche Reaktion ist die Personifizierung des Flusses betont (vgl. auch personifizierende Elemente in 9f., 136–138); er spricht wie andere Götter einem Menschen gleich Achilleus an (allerdings nur hier als Gegner), auch wenn seine Worte aus dem tiefen Strudel mit seinem Element verbunden sind (213; CLARKE 2004, 106; HOLMES 2015, 32; andere Ansprachen von Göttern, die Menschen gleichen, wie hier einem unbestimmten Menschen in 285 [Poseidon und Athene], 2.280 [Athene wie Herold], 13.357 [Poseidon], meistens einem bestimmten Menschen, was Vertrauen weckt [16.715– 726n., mit Lit.], etwa in 13.216 Poseidon [Stimme wie die von Thoas], 16.716f., 20.81 [Apollon, gleicht Asios bzw. Lykaon], 22.227 [Athena gleicht Deiphobos]; Stellensammlung zum fgrE: FUCHS 1993, 266–269). 211 1. VH = 5.679; ≈ Od. 12.54. — καί νύ κ(ε): häufige Einleitung einer ‘Wenn nicht’-Situation, gefolgt von einem Nebensatz mit εἰ µή (212): 2.155–156n.; νυ hat einerseits eine temporale Bed. (abgeschwächtes ‘jetzt, nun’), andererseits markiert es ähnlich wie ἔνθα einen Neueinsatz der Erzählung (RUIJGH 1957, 59f.; [1992] 1996, 684; zu ἔνθα 16.306n.). — ὠκὺς Ἀχιλλεύς: kürzere Form der häufigeren VE-Formel πόδας ὠκὺς Ἀχιλλεύς, wie hier auch 19.295, 22.188, 22.229 im Kontext ‘Kampf’, außerdem 23.218, 24.621, ‘Hes.’ fr. 204.92 M.-W. Zur längeren Form und zu Achilleus’ Schnelligkeit im Kampfgeschehen 49n. 212 2. VH = 228. — βαθυδίνης: 15n. 213 1. VH = 16.716, 17.73; ≈ 5.785, 20.224, Od. 11.241, h.Ap. 449. — Der Vers fehlt in manchen Hss. (app. crit. von WEST), vermutlich wegen des Homoioteleutons 212 -δίνης/213 δίνης (APTHORP 1980, 28). — βαθέης: zur Kürzung des Diphthongs -ει- zu -ε- G 39; CHANTR. 1.73; 252. — δ(έ): Fortsetzung des εἰ-Satzes (212) wie in 2.261/263, 15.123f., Od. 24.529f., leitet hier eine nähere Charakterisierung von προσέφη ein (FAESI). — ἐκφθέγξατο: φθέγγοµαι bed. ‘einen Laut geben, sich bemerkbar machen’; außer hier ist mit 211 κ(ε): = ἄν (R 24.5). — κτάνε: Aor. zu κτείνω ‘töten’; zur augmentlosen Form R 16.1. 213 ἀνέρι (ϝ)εισάµενος: zur Prosodie R 5.4. — ἀνέρι: = ἀνδρί; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). — εἰσάµενος: zu εἴδοµαι ‘js. Gestalt annehmen, jm. gleichen’. — βαθέης: = βαθείας (vgl. R 2).

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φθέγγοµαι ohne zusätzliches Verbum des Sagens nie ein artikuliertes Sprechen gemeint, aber auch da ist “wohl nicht an natürliches Sprechen, viell. an ein tiefes Blubbern aus dem Wasser” zu denken (LfgrE s.v. φθέγγοµαι 907.62f.).

214–221 Wie oft bei einer ‘Wenn nicht’-SituationP, etwa auch in 2.157ff., 6.73ff., bildet hier die Rede die eigentliche Intervention (DE JONG [1987] 2004, 79). Skamandros’ Rede und Achilleus’ Erwiderung darauf (223–226) ersetzen dabei mit ihrem Dialog die Herausforderungsreden vor Zweikämpfen (PARKS 1990, 67). Skamandros’ Rede stellt, wie es schon die Einleitung klarmacht (212), eine Scheltrede dar (FINGERLE 1939, 32), mit den Elementen Anrede (214), Kritik (214f.), der Darstellung des Fehlverhaltens (218–220) und der Handlungsaufforderung (216f., 221; zu den Elementen einer Scheltrede 2.225–242n., mit Lit.). Skamandros anerkennt zwar die Tatsache, daß Achilleus im Verein mit göttlicher Unterstützung sehr mächtig ist, aber er stellt doch klar, daß die Rache des Peliden übermäßig ist. Die Rede ist damit auch indirekt eine Warnung eines Gottes (REINHARDT 1961, 441). Man hat sich gefragt, ob die Vorwürfe einer persönlichen Schädigung in der Anklage des Flusses zu seinem Zorn über die getöteten Troer in 136–138 passen, um so mehr, als er Achilleus das Morden außerhalb des Flusses in der Ebene zugesteht (216f.): AH Anh. 85. Die Konzentration auf die Stauung des Wassers dürfte aber der Funktion der Rede geschuldet sein, den eigentlichen Kampf von Achilleus gegen den Fluß vorzubereiten. Skamandros’ spätere Rede an Apollon zeigt denn auch Sorge um die Troer (231). Es ist auch nicht ganz auszuschließen, aber sehr unwahrscheinlich, daß Skamandros’ Bitte, sein Flußbett mit Toten zu verschonen, als listige Bitte gemeint ist, die bezweckt, Achilleus in den Fluß zu locken und ihn dann anzugreifen (schol. Ge zu 217; SCHEIBNER 1939, 36). Der Hörer wird nirgends auf ein solches Ansinnen des Flusses hingewiesen (der bloße Zorn in 212 genügt nicht; anders MÜLDER 1910, 231), wie es sonst bei hinterlistigen Reden üblich wäre (AH Anh. 89; LEAF, Introd. S. 383; zu 223; vgl. z.B. Heras List in 14.197, s.d.; ablehnend auch VON DER MÜHLL 1952, 318; RICHARDSON zu 216–7). 214–217 2. VH v. 215 ≈ Od. 1.384. — Der Gedanke, daß Achilleus übergewaltig über alle anderen ist (hier betont durch wiederholtes perí ‘überaus’ in 214), kehrt immer wieder, auch später in einer Rede von Skamandros in 315, und spiegelt sich im Selbstbewußtsein des Achaiers (vgl. 108ff. und zur Lanze 139n.; 1.244, 18.105f. [s.d. mit weiteren Stellen in Achilleus’ Reden und Lit.], 24.454–456): Er ist der stärkste und der beste Kämpfer (CLASSEN 2008, 26 Anm. 89). Die Aussage wird nicht durch den Hinweis auf die Unterstützung durch die Götter herabgesetzt (215); der Held wird dadurch als noch mächtiger und unangreifbarer dargestellt, wie 5.603 (Diomedes über Hektor), 20.98 (Aineias zu Achilleus). Man kann damit die Dar214 ὦ Ἀχιλεῦ: zum Hiat R 5.7. — Ἀχιλεῦ: zum einfachen -λ- R 9.1. — κρατέεις: zur unkontrahierten Form R 6. 215 αἰεί: = ἀεί. — τοι ἀµύνουσιν: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — τοι: = σοι (R 14.1).

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stellung von Diomedes’ Kampf mit der Verwundung der Aphrodite und seiner Unterstützung durch Athene in seiner Aristie im 5. Gesang vergleichen (NEAL 2006, 256; zu Ähnlichkeiten zwischen Achilleus und Diomedes allg. 139–204n.; vgl. auch 18n., 21n.). Achilleus hat, so Skamandros, vielleicht sogar den mächtigsten Gott auf seiner Seite (vgl. Achilleus’ Triumphrede, 184–199n.); die Aussicht auf eine Tötung aller Troer (216) ist allerdings wohl als rhetorische Übertreibung zu betrachten. Die Allmacht des Kronos-Sohnes Zeus (216) wird immer wieder betont und anerkannt (2.348f., 18.115f., 22.365f., Od. 3.119; BIANCHI 1953, 82; DIETRICH 1965, 325). Es zeigt sich aber auch, daß Achilleus auf die Hilfe der Götter angewiesen ist, wenn er gegen den Gott Skamandros kämpft (Il. 21.273ff. Gebet an Zeus, 284ff. Hilfe von Athene und Poseidon zugesagt): 211–327n. Zudem wird mit dem formelhaften Ausdruck áisyla rhézeis (‘du tust Verderbliches’) in 214 wie in 220f. ein negativ bewertetes Verhalten bezeichnet, das Normen verletzt; die Formel wird auch in Bezug auf Herakles verwendet, der sogar die Götter angreift (5.403), und für das Benehmen der Freier in der Odyssee (Od. 2.232, 5.10). Nicht nur die vielen Tötungen, sondern auch die Tatsache, daß die Leichen unbestattet wie Aas im Fluß landen, ist damit gemeint (Il. 21.218–220): SEGAL 1971, 31. ὦ Ἀχιλεῦ: Ob der Vok. mit ὦ eine emotionale Beteiligung signalisiert und höflicher ist (so SHIVE 1987, 119), ist umstritten (vgl. 153n. zur Deutung von ὦ). — περὶ … περὶ … | ἀνδρῶν: Das erste περί ist adverbiell zu κρατέεις (‘überaus’), wobei bei ἀνδρῶν in 215 der partitive Gen. bei κρατέω mitschwingen kann (FEHLING 1969, 195f.; BREUIL 1989, 27); das zweite περί ist als Präp. damit zu verbinden (‘mehr als (andere) Menschen’), in demselben Sinn wie in der Formel περὶ πάντων ‘mehr als alle’ (LEAF; 18.81–82a n.). Ebenso werden die Gebrauchsweisen in Od. 1.66 gewechselt (AH; SCHW. 2.502). Die Anapher mit περί sowie das am VA v. Il. 21.215 emphatisch stehende ἀνδρῶν, das mit θεοὶ αὐτοί den Vers rahmt, geben der Aussage Gewicht (RICHARDSON zu 214–215; weitere Stellen mit anaphorischem περί bei FEHLING a.O.). — κρατέεις: wie in anderen direkten Reden (etwa 315, s.o.) pejorativ (16.424n.; LfgrE s.v. κρατέω). — αἴσυλα ῥέζεις: Die Bed. von αἴσυλος ist nicht klar, da die Etymologie nicht bekannt ist. Das Wort ist immer im Neutr. Pl. belegt, wie hier mit ῥέζειν in einer flektierbaren VE-Formel noch 5.403 (Herakles handelt gegen Hades), Od. 2.232, 5.10 (Verhalten in Odysseus’ Abwesenheit), vor µυθήσασθαι am VE Il. 20.202, 20.433 (Aineias bzw. Hektor von Achilleus’ Schmährede), mit εἰδέναι (h.Merc. 164: kleines Kind mit Unarten), in der Variante ἀήσυλος Il. 5.876 (Ares klagt über Athene); das legt eine Bed. wie ‘verderblich, frevelhaft, ungebührlich, schlecht’ nahe (LfgrE s.v. αἴσυλος). 216 1. VH ≈ 22.285. — εἰ … : folgerndes Asyndeton (AH; zu solchen Asyndeta allg. K.-G. 2.342). — Κρόνου παῖς: immer nach der Zäsur B 2 (fast immer nach einer Aor.-Form wie hier), meistens in der VE-Formel Κρ. πάϊς (zweisilbig) ἀγκυλοµήτεω (7× Il., 1× Od.), sonst noch wie hier 4× Il. Zur metr. Flexibilität HIGBIE 1995, 67 Anm. 35; zum einsilbigen παῖς WEST 1998, XXV. Zu weiteren Formeln für ‘Zeus’ 16.88n. — πάντας ὀλέσσαι: flektierbare

216 ὀλέσσαι: zum -σσ- R 9.1.

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Formel am VE (Od. 2.284, 2.330, mit ἀπό Il. 24.609, Od. 19.81, ähnl. 2.49), im Versinnern Od. 24.528.

217 von mir raus: d.h. aus dem Flußbett (AH). µέρµερα ῥέζε: ebenso am VE 11.502 µέρµερα ῥέζων. µέρµερος, immer im Neutr. Pl. µέρµερα belegt (noch 8.453, 10.48, 10.289, 10.524, Hes. Th. 603), ist eine intensive Reduplikationsbildung, vermutlich zu derselben Wurzel *(s)mer- wie µέριµνα ‘Sorge’, µερµηρίζω ‘überlegen, grübeln’; es bed. wohl eigtl. ‘Sinnen, Sorgen verursachend’, später verstanden als ‘kummervoll, furchtbar’ (FRISK; LfgrE).

218–220 Das Motiv, daß die Flußbetten mit Leichen gefüllt werden, wird schon als interne ProlepseP in 2.860f. und 16.71f. verwendet. Es findet sich auch in oriental. und idg. Quellen und wird bei Archilochos in einer Erzählung eines Mythos von Telephos (neues elegisches Fragment P.Oxy. 4708) und bei Alkaios fr. 395 Voigt aufgenommen (WEST 1997, 392; 2007, 491; 2011, 378). Die Stauung des ‘schönfließenden’ Wassers der Flußgottheit (eyrrhéios, 1–2n.), die zugleich die Schutzgottheit der Troer ist, nimmt in einem gewissen Maß den Angriff auf Troia vorweg (NEAL 2006, 254); es ist hier aber wohl nicht an eine religiöse Befleckung durch die Leichen zu denken (PARKER 1983, 66, mit Verweis auf auch sonst im hom. Epos fehlenden Abscheu von Menschen oder Göttern vor Leichen; leicht zurückhaltender ECK 2012, 108), sondern an die Verhinderung der natürlichen Strömung (HOLMES 2015, 38: “flow expressing riverine life as a form of intentionality, here blocked”). Das generische EpithetonP erateinós, ‘lieblich’, das hier in 218 zum Wasser wie sonst zu geographischen Begriffen hinzugefügt wird, ist nicht bloß ornamental, es verstärkt den Kontrast (schol. bT; RICHARDSON 1987, 171; FRIEDRICH 2007, 72. 124): Die natürliche Schönheit von Skamandros’ Fluten ist ein Leitmotiv im 21. Gesang (kalá rhéethra, schöne Wasserfluten, in 238, 244, 352, 354, 361, 365, 382; dazu paßt auch das Epitheton argyrodínēs ‘mit silbernen Wirbeln’ in 8 u. 130); die Verunreinigung seines schönen Wassers, das sich durch das Blut der Getöteten gerötet hat (21), erzürnt den Flußgott (durch moi ‘mir’ in 218 noch betont). Achilleus ändert die natürliche Ordnung durch seinen Angriff. 219 εἰς ἅλα δῖαν: VE-Formel (insges. 6× Il., 5× Od., 1× ‘Hes.’, 1× hom.h.), in 15.223 im Versinnern. Die Bed. von δῖος ist nicht ganz klar (‘scheinend, glänzend’?, s. 14.76n. mit Lit.; vgl. 39n.). 220 δέ: begründend (AH; zu δέ i.S.v. γάρ allg. DENNISTON 169). — ἀϊδήλως: ἀ-ΐδηλος dürfte ein Verbaladj. mit α privativum zur Wurzel von ἰδεῖν mit dem Suffix -ηλο- sein (RISCH 109). 217 ἐµέθεν: = ἐµοῦ (R 14.1). — ἐλάσας: Objekt Τρῶας. — πεδίον κάτα: = κατὰ πεδίον (R 20.2). 218 πλήθει: ‘sind voll’. — δή: ‘schon’. 219 οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — οὐδέ τί πῃ: ‘und nicht irgendwie, durchaus nicht’. 220 νεκύεσσι: zur Flexion R 11.3; dat. instr. zu στεινόµενος ‘beengt’.

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Die Grundbed. ist schwer faßbar, möglicherweise ‘was man nicht sehen kann’, dann ‘nicht anzusehen, für den Augenblick unerträglich, abscheulich’ (nur hier als Adv.; sonst von Göttern, Menschen und ihren Handlungen 5.880, 5.897, 4× Od.; LfgrE; DELG); in Verbindung mit πῦρ viell. ‘zerstörerisch’ (2.455n.). 221 1. VH ≈ 4.418, 5.718, 21.60, 24.618. — ἔασον: Absolutes ἐάω ist bei Homer nicht selten (LfgrE s.v. ἐάω); hier bed. es ‘laß ab’ (AH). Zu den antiken Versuchen, faßbar in der Überlieferung, diese Verwendung von ἐάω zu vermeiden, s. LEAF; 24.558n. — ἄγη µ᾿ ἔχει: ebenfalls nach der Zäsur B 2 in Od. 3.227 (Telemachos nach Nestors Worten, Odysseus komme viell. wieder, er werde von Athene unterstützt), 16.243 (Telemachos als Reaktion auf Odysseus’ Pläne, die Freier zu töten), ähnl. θάµβος / σέβας + ἔχει / ἔχε(ν) + Akk. (24.482n.). ἄγη ist eine nominale Ableitung zu ἄγα-, wie ἄγαν und wohl ἄγαµαι (FRISK); es bezeichnet das “Gefühl, daß der Gesprächspartner etwas Außerordentliches, das Maß Überschreitendes tut oder sagt” (LfgrE s.v. ἄγη 62.76f.); hier bedeutet es viell. so etwas wie ‘Entsetzen’ (AH). Zur verbreiteten Vorstellung, daß eine emotionale Regung eine Figur ‘im Griff hat’ und festhält, und zu den entsprechenden Umschreibungen s. PORZIG 1942, 130–134. — ὄρχαµε λαῶν: generisches EpithetonP, außerdem von Menelaos (17.12 u. 6× Od.), Agamemnon (14.102) und Odysseus (Od. 10.538); VE-Formel (4× Il., 7× Od., 1× ‘Hes.’), Vok.-Variante der flektierbaren VE-Formel ὄ. ἀνδρῶν. ὄρχαµος bed. ‘Anführer’ (zur Etymologie 2.837n.); zu λαοί ‘Männer unter Waffen, Krieger’ 1.10n. 222 = 1.84, 9.307, 9.606, 9.643, 19.145, 19.198; ≈ 1.215, 24.138 (τήν). — Rede-Einleitung τὸν / τὴν / τοὺς δ᾿ ἀπαµειβόµενος προσέφη mit Nomen-Epitheton-Formel 36× Il., 68× Od., 1× h.Ap. Zu πόδας ὠκὺς Ἀχιλλεύς s. 49n.

223–227 In seiner kurzen Erwiderung geht Achilleus nicht auf Skamandros’ Kritik ein; er reagiert nur auf seine Aufforderung, die Troer nicht mehr im Fluß zu morden (223; AH). An der Fortsetzung des Rachefeldzuges hält der Pelide jedoch fest: Er will weiterhin das Ziel verfolgen, wie er es schon gegenüber Lykaon deutlich machte (100–105): die Troer zu töten, die ihm seit Patroklos’ Tod zu persönlichen Feinden geworden sind (224 herabsetzend charakterisiert: STOEVESANDT 2004, 30), sie in die Stadt zu treiben und mit Hektor auf Leben und Tod zu kämpfen (226 die eigene Person und der gegnerische Anführer antithetisch betont). Seine Worte nehmen so die weitere Entwicklung in 21.520b–22.330a vorweg (interne ProlepseP). Sein erbittertes Losstürmen ebenso wie seine Charakterisierung als ‘einem Gott gleich’ (227), ähnlich wie in 20.493 und 18f., unterstreichen seine Entschlossenheit; der Vergleich mit einem Gott deutet aber an, daß er nun bald an seine Grenzen kommen wird (18n.). 223 ≈ 24.669. — ἔσται ταῦτα: nachhomerisch meist floskelhafte Zustimmung, im fgrE dagegen entschiedene Zusicherung, ebenso Achilleus zu Priamos 24.669 (s.d.) ἔσται τοι καὶ ταῦτα und Telemachos zu Eumaios ἔσσεται οὕτως Od. 16.31/17.599. — διοτρεφές: zur 221 ἄγε: urspr. Imp. zu ἄγω; zu einer Partikel erstarrt, die Aufforderungen Nachdruck verleiht: ‘auf, los’. 222 τόν: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17; gemeint ist Skamandros.

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Bed. als generisches Epitheton von Heroen 75n.; Skamandros als Zeus-Sohn (1–2n.) wird hier viell. als solcher respektvoll angesprochen (LfgrE s.v. διοτρεφής). — ὡς σὺ κελεύεις: VE-Formel (insges. 4× Il., 3× Od., h.Merc. 169), ähnl. ὡς ἐκέλευες, flektierbare Formel (auch im Aor.) am VE (5× Il., 10 × Od., h.Cer. 210) und im Versinnern (1× Il., 3× Od., h.Ap. 510). κελεύω kann im fgrE neben ‘befehlen’ auch abgeschwächt ‘auffordern, drängen, bitten’ u.ä. bedeuten (LfgrE s.v. κελεύω 1376.2ff.). 224 πρίν: Negierte πρίν-Sätze stehen öfter im Zusammenhang mit Achill und den Bedingungen für sein Handeln bzw. seine Passivität, z.B. 9.650ff., 16.839 (WILSON 1991). — ὑπερφιάλους: bed. ‘übermäßig, übermütig’, meistens negativ konnotiert; in der Ilias Epitheton der Troer in dir. Reden (immer in Sekundärer FokalisationP, noch 414 [Athene], 459 [Poseidon], ferner 13.621 [Menelaos], speziell von Priamos’ Söhnen 3.106 [Menelaos]), ausserdem von den Freiern (Od. 1.134 u.ö.), Kyklopen (9.106) u. den Giganten (‘Hes.’ fr. 43a.65 M.-W.): LfgrE s.v.; DE JONG zu Od. 1.134; STOEVESANDT 2004, 30f. u. 313. Das Adj. wird seit der Antike zu φιάλη ‘Kessel’ in bezug gesetzt (‘über den Kesselrand hinausgehend’, d.h. nicht innerhalb der angemessenen Grenzen verbleibend: FORSSMAN 1969, 29ff.), oder aber wie ὑπερ-φυής u. lat. super-bus als Ableitung zur Wurzel von φύοµαι ‘wachsen’ gedeutet (FRISK, BEEKES s.v.). — ἐναρίζων: 183n.

225 Hektor: erinnert an das Ziel von Achilleus’ Rachefeldzug und bereitet so auch die Erzählung des Zweikampfes zwischen Achilleus und Hektor und seines Todes als Zielpunkt vor (zur Retardation s.o. die Einleitung zum 21. Gesang).

πρὶν ἔλσαι … καὶ … πειρηθῆναι: πρίν wird auch nach neg. Hauptsatz mit Inf. konstruiert, so z.B. ebenfalls nach οὐ λήξω in 19.423 (SCHW. 2.654f.; CHANTR. 2.315). — Ἕκτορι πειρηθῆναι: πειράω ‘auf die Probe stellen’, hier medial i.S.v. ‘sich messen, die Kräfte messen’, in Verbindung mit ἀντιβίην (226) mit Dat. analog zu Verben des Kämpfens (LfgrE s.vv. πειράω u. ἀντίβιος; AH; SCHW. 2.161).

226 2. VH von der Zäsur C 2 an = 8.533, Od. 11.565. — Das Motiv ‘entweder überwindet A mich/uns oder ich/wir überwinden A’ und ähnliche Formulierungen sind in direkten Reden verbreitet, so noch etwa 11.432f., 12.172, 13.326f., 13.486, 15.511–513, 15.557f., 18.308, 22.244–246, 22.253 (WEST 2011, 255; DE JONG zu Il. 22.108–10); idg. Parallelen s. WEST 2007, 476f.

ἀντιβίην: erstarrter Akk., ‘Kraft gegen Kraft’, d.h. ‘Mann gegen Mann’, mit πειρηθῆναι auch in 5.220 (1.278n.). — ἤ κεν … δαµάσσεται, ἦ κεν …: Schon in der Antike diskutiert (schol. A): Entweder nach einem Komma angehängte indirekte Doppelfrage abhängig von πειρηθῆναι mit kurzvokal. Konj. δαµάσσεται (Text von WEST; RICHARDSON; SCHW. 2.351; CHANTR. 2.295) oder aber nach Strichpunkt parataktisch disjunktive Fallsetzungen mit Ind. Fut. (AH; AH Anh.; LEAF); eindeutige Fälle mit Ind. Fut. mit κεν sind allerdings relativ selten (SCHW. a.O.; zur funktionalen Nähe von Fut. und Konj. s. auch 587–588n.). — µε … ἐγὼ

224 πρίν: Adv. ‘vorher’ (225 Konjunktion ‘bevor’). 225 πρὶν (ϝ)έλσαι: zur Prosodie R 4.5. — ἔλσαι: Inf. Aor. zu εἰλέω ‘zusammendrängen’. — κατὰ (ϝ)άστυ: zur Prosodie R 4.3. 226 ἀντιβίην: zum -η- nach -ι- R 2. — κεν … κεν: = ἄν … ἄν (R 24.5).

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τόν: reziproke Form der Antithese, wobei im Gegensatz zu 4.63 ein Pronomen fehlt (FEHLING 1969, 304f., mit weiteren Bsp.). 227 1. VH = 17.183; 2. VH = 5.438, 5.459, 5.884, 16.705, 16.786, 20.447 (von WEST athetiert). — ὣς εἰπών: flektierbare VA-Formel (Nom. mask./fem., Akk.), meist Nom. (insges. 74× Il., 42× Od., 3× Hes., 11× hom.h.); Rede-AbschlußP von direkter Rede. — δαίµονι ἶσος: 18n. 228 ≈ 15.220, 16.666; 21.435; ähnl. Versstruktur 7.405, Od. 7.178, 13.49, 23.247; 2. VH = Il. 21.212. — καὶ τότ(ε): öfter Auftakt zu göttlichen Aktivitäten oder Interventionen (in der Ilias noch 1.426, 1.494, 8.69, 13.206, 15.220, 16.666, 17.593, 20.375, 22.209, 24.32). — βαθυδίνης: 15n.

229–232 Achilleus’ Entschlossenheit, sich weiterhin an den Troern zu rächen (224– 226), und seine Kampfwut (227) lassen Skamandros um seine Schutzbefohlenen bangen. Er wendet sich deshalb an den größten Beschützer der Stadt; zu dieser Rolle Apollons 435–469n. Skamandros’ Appell an Apollon enthält die typischen Elemente einer vorwurfsvollen Klage (FINGERLE 1939, 173), mit den Elementen (1) Rede-Einführung (228), (2) Anrede (229) und (4) Schilderung der Situation, die zur Klage Anlaß gibt (229–232; zu solchen Klagereden von Männern allg. 3.364– 368n.). Sie bildet die Einleitung zur eigentlichen Auseinandersetzung von Skamandros mit Achilleus, in deren Verlauf dieser sich entsprechend mit einer Klage an Zeus wendet (273–283; GRETHLEIN 2006, 134 Anm. 300). Apollon ist zuletzt bei der Rettung des Hektor aufgetreten (20.443b–454). Daß er hier unvermittelt angesprochen wird und nichts über seine Reaktion erzählt wird, ist aufgefallen und verurteilt worden (AH zu 228–232 und AH Anh. 86; REICHEL 1994, 312f.). Er hilft aber später tatkräftig den Troern und Hektor (515ff.). Die Rede erinnert an ihn als den wichtigsten göttlichen Gegner der Achaier und damit an die Parteinahme der anderen Götter, zu deren Kampf der anschließende Flußkampf überleitet. Gleichzeitig dient die vorwurfsvolle Klage aber entsprechend ihrem Charakter dazu, die Verzweiflung des Sprechers, hier des Flußgottes, zu offenbaren, ohne daß eine Erwiderung des Angesprochenen nötig wäre (LEAF; SCHEIBNER 1939, 36f.; VAN DER VALK 1964, 411; RICHARDSON zu 229–232; vgl. auch Skamandros’ Rede an Simoeis ohne dessen Antwort oder sonstige Reaktion, s. 308–323n.). Es wirkt unmittelbar, als ob mit den Beschlüssen (gr. boulás 229) des Zeus die allgemeinen Anweisungen gemeint seien, die der oberste Gott in 20.20–30 allen Göttern gegeben hat, ihren jeweiligen Kriegsparteien zu helfen und eine Zerstörung Troias unter dem Ansturm Achills zu verhindern (schol. bT zu 229–230). Es ist aber wegen des Adressaten der Rede sicher auch an Zeus’ individuellen Aufruf an Apollon am vorherigen Tag zu denken, den Troern und Hektor zu helfen, ins Schiffslager vorzudringen (15.220–235; zur zeitl. Abfolge STR 21 Abb. 1). Der Bezug auf den aktuellen Tag und die genaue zeitliche Begrenzung in 231f. im Gegensatz zu

227 ὥς: = οὕτως. — ἐπέσσυτο: Aor. zu ἐπισεύοµαι ‘losstürzen, anstürmen’. — δαίµονι (ϝ)ίσος: zur Prosodie R 5.4.

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15.232–235 scheinen dem zu widersprechen (AH a.O.; zu dem Problem auch WILLCOCK zu 230–232). Die Verknüpfung eines vorherigen Geschehnisses mit dem des aktuellen Tags “kann man [aber] als Ergebnis der Verzweiflung des Sprechers ansehen” (ERBSE 1986, 169; ähnl. LEAF); und was die zeitliche Grenze betrifft, so setzt Zeus sie in 11.193f., 11.208f., 17.454b (WILLCOCK a.O.), und es ist anzunehmen, daß sie hier vom Sprecher als etwas Normales für die Instruktionen an Apollon vorausgesetzt wird (ERBSE a.O. mit Parallelen zu LeerstellenP; ähnl. LEAF); vielleicht ist sie auch schlicht als Übertreibung bzw. Erfindung von Skamandros’ zu betrachten (Hinweis NÜNLIST). Die präzisen Angaben geben im übrigen einen Rahmen, innerhalb dessen die Stadt tatsächlich nicht zerstört wird (Hektor wird noch am gleichen Tag getötet): WEST 2011, 378. 229 Silberbogner: Der Bogen ist neben der Kithara das wichtigste Attribut Apollons; er ist silbrig, also aus kostbarem Material, weil er ein Gegenstand eines Gottes ist (1.37n.). ὦ πόποι: 54n. — Ἀργυρότοξε: distinktives EpithetonP des Apollon, hier stellvertretend für den Eigennamen (1.37n.); Possessivkompositum (RISCH 182) mit der Bed. ‘mit einem Silberbogen’. — Διὸς τέκος: immer nach der Zäsur B 2 (insges. 10× Il., 2× Od., 2× hom.h.). τέκος ist die v.a. in Formeln verwendete ältere prosod. Variante neben τέκνον (JANKO, Introd. 14 Anm. 19, mit einer Statistik zum Abnehmen der Form bis zu Hesiod). — οὐ σύ γε: emphatische Voranstellung der Negation nach der Zäsur C 2 und Hervorhebung des Personalpronomens durch γε, ähnl. Penelopes vorwurfsvolle Frage an Eumaios οὐ σύ γ᾿ ἄγεις Od. 17.576 (AH).

230 Kronos-Sohnes: 184–185n. µάλα πόλλ᾿ ἐπέτελλεν: Formel am VE (noch 6.207, Od. 12.268/273) und nach der Zäsur A 1 (Il. 4.229; nur π. ἐ. Od. 3.267, mit ἐπέτελλον Il. 11.782); sie steht für eine nachdrückliche Ermahnung (‘eindringlich einschärfen’): 6.207n. 231 ≈ 15.255, 17.563 (παρεστάµεναι καὶ ἀµύνειν am VE); von der Zäsur C 2 an = 14.77, Hes. Op. 630; ≈ 10.62. 232 δείελος: ‘nachmittäglich’ (111n.), hier substantiviert ‘Nachmittag’, mit Eingrenzung ὀψὲ δύων ‘spät herabsinkend’, zur Bezeichnung der Zeit unmittelbar vor Sonnenuntergang (Hdt. 8.9 δείλη ὀψία); die wegen der Verbindung mit ὀψὲ δύων schon in der Antike versuchten Deutungen als Abendstern mit Hinweis auf ὀψὲ δύοντα in Od. 5.272 (von Bootes) oder als untergehende Sonne (schol. bT mit Test. Erbse; LEAF) passen weder zu ἔλθῃ, das z.B. auch Il. 14.77f. von einer Tageszeit gebraucht ist, noch zu σκιάσῃ (LfgrE). — σκιάσῃ: iliad. hapaxP, ‘überschatten’, i.S.v. ‘verdunkeln’ (LfgrE; BREMER 1976, 57). — ἐρίβωλον ἄρουραν: zu ἐρίβωλος 154n.; das generische Epitheton ist auch in Verbindung mit ἄρουρα ‘Ackerland’, wohl nur formelhaft (noch h.Cer. 471), ähnlich wie in der flektierbaren VEFormel ζείδωρος ἄρουρα (3× Il., 9× Od., 3× Hes., 1× hom.h.). Die Vorstellung ist wohl, daß

230 εἰρύσαο: Aor. zu ἔρυµαι ‘bewahren’; zur unkontrahierten Form R 6. — ὅ: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5), bezogen auf Κρονίωνος. — τοι: = σοι (R 14.1). 231 παρεστάµεναι: = παρεστάναι, Inf. Perf. (R 16.4). — εἰς ὅ: ‘bis’. — κεν: = ἄν (R 24.5).

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es nach Sonnenuntergang in der Ebene (wo die Äcker sind, viell. hier mit Bezug auf das Schlachtfeld) zuerst nach Sonnenuntergang dunkel wird (LfgrE s.v. ἄρουρα 1339.55ff.).

233–271 Achilleus springt in den Fluß, Skamandros greift ihn an. Achilleus versucht, dem Wasser zu entkommen, aber der Flußgott überschwemmt die Ebene und ist daran, ihn zu überwältigen. Beginn des eigentlichen Kampfes mit dem Flußgott (211–327n.). Wie bei einem normalen Zweikampf zwischen zwei Menschen ist die Erzählung so strukturiert, daß sie von einem Gegner zum andern hin und her wechselt, schildert aber entsprechend den besonderen Umständen mehr als die ein oder zwei üblichen Kampfrunden (zum Schema der Typisierten EreignissequenzP ‘Zweikampf’ 161–183n.): 233–234a: Achilleus springt ins Wasser, 234b–241a: erster Angriff des Flusses, 241b–248a: Achilleus versucht, zu stehen und über einen Baum als Brücke aus dem Fluß zu fliehen, 248b–250: zweiter Angriff von Skamandros, 251–256a: Achilleus flieht auf die Ebene, 256b–264: der über die Ufer getretene Fluß verfolgt ihn und holt ihn immer wieder ein, 265–267: Achilleus versucht, fest dazustehen, 268–269a: Wellen stoßen ihn zurück, 269b–270a: Achilleus springt in die Höhe, 270b–271: der Strom schwächt seine Beine und zieht ihm den Sand unter den Füßen hinweg (zur Struktur kurz SCHEIBNER 1939, 97). Dieses Erzählschema läßt den Kampf abwechslungsreich, spannend und – auch durch die immer rascheren Wechsel – je länger, je intensiver wirken (BONNAFÉ 1984, 85). Das wird auch dadurch erreicht, daß nach einer scheinbar dramatischen Wendung (Versuch zur Flucht; Mißerfolg) ein längerer Zustand geschildert wird, der unweigerlich zu Achilleus’ Tode führen muß, durch Ertrinken. Die äußerste Gefährdung des Peliden wird dadurch unterstrichen: Auch seine hervorragende Eigenschaft, die Schnelligkeit der Füße, kann ihm im Wasser nicht helfen, er ist blockiert (265–271n.); der Fluß rächt sich direkt für die Stauung seines Elements, des Wassers, durch Leichen, indem er sich endlich davon befreit und so Energie gewinnt (235b–237). Achilleus’ wachsende Gefährdung zeigen auch die Erwähnungen seiner immer hilfloseren Versuche (zuerst zu flüchten, dann wenigstens sich aufrecht zu halten), ein Vergleich und ein Gleichnis (er wird mit dem schnellsten der Vögel verglichen, 251–254a, dann mit einem vom Wasser überraschten Kanalbauer, 257–263) und die Hinweise auf seine Angst (248a) und Verzweiflung (Hoffnung auf Hilfe wenigstens eines Gottes: 266f.; nachher die Klagerede 272–283). Gleichzeitig hat die Schilderung aber auch etwas Märchenhaftes durch die übernatürlichen Fähigkeiten des Helden (242–246a: er reißt einen Baum aus; 251: er springt enorm weit). Die Erzählung wirkt sehr anschaulich durch eine Vielzahl von Bezeichnungen für Bewegungen und räumliche Beziehungen, Geräusche und Farben, Quantität und Intensität (5× mégas ‘groß’, in 239, 243, 248, 256, 268 und wenig später in 282), die den außergewöhnlichen Kampf illustrieren (eine nicht erschöpfende Liste bei BONNAFÉ a.O. 86). Zu diesen und

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weiteren Mitteln, mit denen in der Ilias große Anschaulichkeit erreicht wird, ALLAN u.a. 2017. Daß Achilleus’ Konfrontation mit dem Flußgott wie ein überhöhter Zweikampf wirkt, wird durch zahlreiche Ausdrücke und Wendungen von Kampfbeschreibungen erreicht, die Skamandros’ Angriff in die Nähe eines Ansturms eines gewöhnlichen Kämpfers rücken, so ἐπέσσυτο (234n.), ὦρτο (248, s.d. die Iteratstellen und LfgrE s.v. ὄρνυµι 800.38ff.): BOUVIER 1986, 255, mit weiteren Begriffen; dazu s. die folgenden Kommentare zu einzelnen Versen. Zur Vorstellung eines wechselhaften und intensiven Kampfes tragen zahlreiche Enjambements bei (235–239n., 241– 248n., 249–250n., 265–271n.), einmal noch verstärkt durch die Wiederholung eines Wortstammes, δει- (240 δεινόν, 248 δείσας, beide emphatisch am VA). 233 Achilleus’ Sprung in den Fluß ist seit der Antike immer wieder als unmotiviert und widersprüchlich zur vorherigen Erzählung empfunden worden (schol. bT zu 223; zur modernen Forschung AH Anh.; WEST 2011, 378: “the most bafflingly illogical transition in the whole poem”): Nachdem er Skamandros zugesagt habe, die Troer nicht mehr im Fluß zu töten (223), und gegen sie auf der Ebene stürme (227), springe er plötzlich doch wieder ins Wasser (WEST a.O.). Man hat verschiedene Erklärungen versucht: (a) Achilleus meine seine Zusage ironisch oder zumindest nicht so ernst (LORIMER 1950, 489; Richardson zu 223–227; vgl. schol. T zu 223: zweideutig); darauf weist aber nichts im Text hin (LEAF zu 223; VON DER MÜHLL 1952, 318). Achilleus’ Sprung ist nur verständlich, wenn er der Zusage entspricht, die Troer aus dem Fluß zu treiben (SCHEIBNER 1939, 34). Man hat auch gemeint, (b) Skamandros wolle mit der Bitte Achilleus in eine Falle locken und erreiche das. Auch hier fehlt aber eine Andeutung auf eine solche List (214–221n.); außerdem wäre dann trotzdem nicht verständlich, wenn sich Achilleus zuerst anders verhielte (227). Wegen dieser Schwierigkeiten wird deshalb öfter angenommen, daß 233ff. ein später eingefügtes Stück ist und die Erzählung nach Skamandros’ Rede ursprünglich anders weiterging (AH Anh. mit Lit.; LEAF a.O.; WEST a.O. 58. 378: dazu passen auch Auffälligkeiten in 233). Es ist aber undenkbar, daß die ganze sorgfältige Vorbereitung des Flußkampfes bis hierher (1–16n., 17–33n., 34–135n., 136–138n., 205–210n.; kurz andeutend RICHARDSON zu 205–327) nun nicht in der eigentlichen Konfrontation zwischen dem besten Kämpfer der Achaier und der Schutzgottheit der Troer, in einem richtigen Zweikampf, gipfelt (211–327n., 233– 271n.); und dafür ist es notwendig, nach der Annäherung und den Reden, daß die beiden Gegner sich nahe kommen, d.h., daß Achilleus wieder im Wasser ist: Der Sprung signalisiert nach der raschen Bewegung des Helden (227) den Beginn des Kampfes, es folgt gleich die Gegenaktion von Skamandros (Ansturm, Herauswerfen der Toten, Bergen der noch Lebenden, Stoß gegen Achilleus). Überdies muß 233 ἦ: 3. Sg. Impf. zu ἠµί ‘sagen’. — ἔνθορε: 3. Sg. Aor. zu ἐνθρῴσκω ‘hineinspringen’.

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der Ansturm des Helden (227) nicht notwendigerweise die Verfolgung der Troer über die Ebene bedeuten: Er signalisiert nur die Kampfwut gegen die Troer, wie sie schon in 224–226 zum Ausdruck gekommen ist (223–227n.); gegen diese wendet sich nun der Fluß in 234ff. (RICHARDSON a.O.; deshalb schützt er die lebenden Troer in seinen Wirbeln, 238f.). Es mag auch sein, daß vorzustellen ist, wie Achilleus in seiner speziellen Verfassung nur noch das Ziel der Tötung im Auge hat und sich nicht mehr an die Zusage erinnert. Es ist deshalb gut denkbar, daß der Sprung ins Wasser an Achilleus’ ersten Sprug ins Wasser erinnern soll (18), in dem sich dieser voll Kampfwut und Rachsucht auf die Troer stürzt und ein Blutbad anrichtet (19ff.): Nun ist aber die “rote Linie” überschritten, und der Sprung hat die ernsthafte Bedrohung des Peliden zur Folge (Hinweis auf die Parallele bei NAGLER 1974, 163). ἦ̣· καί: formelhafter Rede-AbschlußP, ermöglicht sonst Überleitung zur Handlung des gleichbleibenden Subjekts, so daß das Wort gleich in die Tat umgesetzt wird; hier wird gedanklich noch die Handlung eines anderen Subj. (Achilleus) dazwischengeschoben und so fast untergeordnet, bis 234b mit ὃ δ᾿ ἐπέσσυτο die Handlung des redenden Flußgottes wieder einsetzt, ähnlich wie in 10.454f., 11.446ff. (AH zu 10.454; vgl. auch den Subjektswechsel als Ausnahme nach ἦ ῥ(α) in 24.643 [24.302n.]: FAESI). — δουρικλυτός: generisches EpithetonP mehrerer Helden zwischen den Zäsuren B 1 und C 2, dem Eigennamen jeweils nachgestellt (159–160n.). Zur Zusammenschreibung WEST 1998, XXVIII. — µέσσῳ: sc. ποταµῷ. Normalerweise steht ein Nomen bei µέσος oder ist aus den vorhergehenden Versen zu ergänzen (LfgrE s.v. µέσ(σ)ος 160.65ff.; nach WEST 2011, 378, neben dem Wechsel des Subjekts nach ἦ· καί [s.o.] eine weitere Auffälligkeit des Verses, die mit dem merkwürdigen Übergang zusammentrifft [s.o.]).

234 2. VH ≈ 601. — Der Anklang an Achilleus’ Reaktion nach dessen Rede (227) mit der Wiederholung von epéssyto, das auch die innere Bewegung charakterisiert, unterstreicht, daß es nun der Flußgott ist, der sich zum Herausforderer von Achilleus aufstellt: Der Zweikampf beginnt (NEAL 2006, 261). κρηµνοῦ: 26a n. — οἴδµατι θυίων: flektierbare VE-Formel (noch 23.230, Hes. Th. 109, 131), Variante λαίλαπι θυίων Od. 12.400/408/426. οἶδµα ist zu οἰδέω ‘(an)geschwollen sein’ gebildet: ‘(An)schwellung’, nur vom Wasser, vgl. κῦµα zu κυέω ‘Schwellung, Welle’ (LfgrE). θυίω, fast immer am VE, ist ein poetischer, viell. äol. Archaismus; es bed. ‘toben, wüten’, von Naturkräften (Wasser: Stellen s.o.; Wind: 3× Od.); davon abgeleitet ist θύελλα ‘Sturmwind’; es wird auch von Kriegern, die durch feindliche Reihen stürmen, gebraucht Il. 11.180, 16.699, 22.272; LfgrE). Zur weniger gut bezeugten Überlieferung θύων s. CHANTR. 1.41, 372; WEST 1998, XXXI. 235–239 Die Gegensätzlichkeit der Handlungen (Ausstoßen der Leichen der Troer, Rettung der lebenden Troer) wird durch Antithesen unterstrichen (WIESSNER 1940, 110): νεκρούς, betont am VE v. 235 und mit verstärkter Emphase durch πολλούς im Enjambement (236),

234 ὅ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); gemeint ist der Skamandros. — ἐπέσσυτο οἴδµατι: zum Hiat R 5.6.

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steht antithetisch zu ζώους, das durch seine Position nach der Zäsur A 4 hervorgehoben wird (238); ὦσε und ἔκβαλλε (235/237) werden σάω und κρύπτων (238/239) entgegengestellt, wobei alle Verbformen nach/vor Zäsuren stehen. Vielleicht spiegelt auch der Rhythmus die Gegensätzlichkeit: Er ist bewegter in 235–238a und unterstreicht möglicherweise damit die wilde Bewegung des Flusses, der sich endlich von den Toten befreien will, während im Vergleich dazu in 238b–239 mit relativ vielen Spondeen die ruhig fließende, schützende Bewegung angedeutet wird.

235–237 Als Schutzgottheit der Troer nahm der Fluß zwar von vornherein Partei für sie (20.73f.), aber Achilleus hatte insbesondere seinen Zorn erregt, weil er seinen Strom mit unzähligen Leichen gestaut und verunstaltet hatte (136–138n., 144– 147n., 218–220n.). Deshalb besteht seine erste persönliche Intervention darin, die Toten ‘nach draußen’ in die Ebene zu schleudern; gr. thýraze (237) i.S.v. ‘aus dem Wasser heraus’, eigtl. ‘zur Tür hinaus’, aus seinem eigenen Territorium, mag im Zusammenhang mit dem Stoß aus dem Flußbett auch noch an ein Hinauswerfen aus dem eigenen Haus denken lassen (WALSH 2005, 157, allerdings mit zu weit gehenden Assoziationen an Szenen mit den Freiern oder dem Kyklopen in der Odyssee). Die Handlung des Gottes bewirkt, daß die Leichen in der später von Skamandros überschwemmten Ebene umherschwimmen (302, 325), bis sie Hephaistos verbrennt (343f.). 235 von der Zäsur C 2 an ≈ 343. — Mit dem Hinweis darauf, daß das Wasser nun überall bewegt wird (gr. pánta betont am VA: alle Fluten), wird die Energie des Flußgottes verdeutlicht, mit der er sich der Leichen entledigt (235–238a), die noch lebenden Troer schützt (238b–239) und Achilleus zu bedrängen beginnt (240ff.): schol. T. Der daktylische Rhythmus mit Worttrennung nach den Trocheen veranschaulicht wohl als besonders auffälliges Beispiel für die bewegte Passage (235–239n.) die Lebhaftigkeit von Skamandros’ Reaktion, ähnlich wie später in 244 die unmittelbare Wirkung des umgestürzten Baumes auf die Umgebung mit vielen Daktylen hervorgehoben wird (AH; MAGNIEN 1925, 244). — κυκώµενος: wiederaufgenommen in 240; κυκάω bed. ‘mischen’, medial ‘in Turbulenzen sein, strudeln’ (s. bes. Od. 12.238 von Charybdis, verglichen mit kochendem Wasser im Kessel): LfgrE. 236 = 344. — ἅλις: ‘gedrängt, in Mengen, zahlreich’, zu εἰλέω ‘zusammendrängen, einschließen’ und ἀολλής ‘gedrängt, gemeinsam’ (LfgrE; DELG). — οὓς κτάν᾿ Ἀχιλλεύς: Bezugswort νεκρούς, ähnl. νεκρὸν …, τὸν ἔκτανε in 24.151 (s.d.) und auch hier als komprimierter Ausdruck mit effiziertem Obj. oder als epexegetischer Rel.-Satz zu deuten.

237 1. VH ≈ 29; 2. VH ≈ Od. 21.48. — Stier: Der Vergleichspunkt ist die Lautstärke des Gebrülls (ähnlich wird das Schreien eines getroffenen Kriegers in 20.403ff. mit dem Gebrüll eines Stieres beim Opfer verglichen), es ist jedoch nicht an eine Vor236 ῥα: = ἄρα (R 24.1). — ἅλις(ς) ἔσαν: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — ἔσαν: zur augmentlosen Form R 16.1. — κτάν(ε): 211n. 237 θύραζε: 29n. — ἠΰτε: ‘wie’.

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stellung eines stiergestaltigen Skamandros zu denken, dessen Überwindung Achilleus doch leichter gefallen wäre (SCHEIBNER 1939, 120f.). Der Vergleich mit einem Stier lag nur nahe: Stiere wurden wohl wegen ihrer Fruchtbarkeit und Stärke seit alters mit Wassergottheiten in Verbindung gebracht (und als Opfer dargebracht: 131n.): schol. A; LESKY 1947, 132; WEISS 1984, 13. 100f.; CLARKE 1999, 276; Belege auch bei NILSSON (1940) 1967, 238–240. Die theriomorphen Vorstellungen sind erst in der späteren Literatur und dort nicht von Skamandros, sondern vor allem vom Fluß Acheloïos belegt (dieser kämpft mit Herakles als Stier: Archilochos fr. 287 West; Soph. Trach. 11; SCHEIBNER a.O. 120 Anm. 2; NILSSON a.O. 240); in der Ikonographie werden allerdings von der archaischen Zeit an öfter lokale Flußgötter als Stiere bzw. als Männer mit Stierköpfen oder nur mit Stierhörnern dargestellt (ausführlich WEISS a.O. 13–101; LIMC s.v. Fluvii S. 139. 146f.). Die Verbindung von Stieren mit dem Wasser hat idg. und oriental. Parallelen (NAGLER 1974, 150 mit Anm. 26; WEISS a.O. 101; WEST 2007, 275; KITTS 2013, 102; in einer oriental. Erzählung von einer Sintflut ist sogar derselbe Vergleich belegt: WEST 1997, 392). θύραζε: 29n. — µεµυκώς: onomatopoet. Verb, auch in 18.580 von einem brüllenden Stier; dt. ‘muhen’ etym. verwandt (LfgrE s.v. µυκάοµαι; TICHY 1983, 37f.). — ἠΰτε: 29n. 238 χέρσονδε: nähere Bestimmung zu θύραζε (FAESI). — σάω: 3. Sg. Impf., wohl zu athematischem *σάωµι ‘retten, am Leben erhalten’, noch 16.363 (s.d.). — καλὰ ῥέεθρα: Junktur an versch. Versstellen (am VE wie hier insges. 4× Il., 1× Od., 2× Hes.; vor der Zäsur B 2: 3× Il.); sie erscheint in der Ilias nur im 21. Gesang, als Leitmotiv des Flußkampfes (sog. Formel‘cluster’; Stellen 218–220n.): FRIEDRICH 2007, 72.

239 Der Fluß kann sein Potenzial, Menschen in sich zu bergen, wie hier schützend einsetzen (indem er die Troer in seinem Wasser verbirgt) oder aber vernichtend (wenn er Achilleus im Schlamm zu begraben droht: 321): BREMER 1976, 84. Wie realistisch der Schutz und eine damit gleichzeitige Vernichtung sind, ist für die Erzählung, die anschaulich und zugleich auf den Zweikampf konzentriert sein soll, nicht von Belang. Die sonst gefährlichen Strudel (11n.) sind hier jedenfalls hilfreich. Ähnlich kann das Meer/Poseidon sich und die Geliebte mit einer Woge verbergen (Od. 11.244). Die Bergung der noch lebenden Troer durch das Wasser, das Element des Flußgottes, ist mit dem Schutz von Kriegern, etwa Bogenschützen unter einem Schild, vergleichbar (4.113b–115n.; FENNO 2005, 502); in der Erzählung wird durch die abschließende Bemerkung zu den Troern (indem sie aus dem Blickfeld verschwinden) eine Konzentration auf die beiden Gegner Achilleus und Skamandros erreicht, so daß ihre Auseinandersetzung einem Zweikampf zwischen zwei Menschen gleicht (MÜLDER 1910, 233).

238 χέρσονδε: Richtungsangabe ohne Präp. (zum Suffix R 15.3); ‘zum Trockenen’, d.h. aus dem Fluss. 239 δίνῃσι …: zur Flexion R 11.1.

Kommentar

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δίνῃσι βαθείῃσι µεγάλῃσιν: Nach schol. T und Eustath. 1233.64 und später FAESI (zu 239f.) unterstreicht das dreifache Homoioteleuton die breite Ausdehnung des die Troer rettenden Flusses. 240 δεινόν: wohl adverbial zu κυκώµενον, wie in Od. 5.314 zu ἐπεσσύµενον (AH; ROTH 1989, 136); deutet wohl Achilleus’ Gefühle an (Sekundäre FokalisationP) und bereitet auf δείσας in 248 vor. — ἵστατο: ‘erhob sich, stieg empor’, von einer Welle auch in 327, aktivisch 313 (AH; LfgrE s.v. ἵστηµι 1239.15ff.). 241–248 Die Schilderung von Skamandros’ erstem Angriff auf Achilleus ist sprachlich besonders kunstvoll: Wie in anderen Kampfszenen und insbesondere in Erzählungen von Achilleus’ Aristie im 20. Gesang (20.279–287, 20.471–476) verdeutlicht die Folge von mehreren aufeinanderfolgenden Enjambements die lebhaften Bewegungen, d.h. die Angriffswut des Flusses und die verzweifelten Versuche des Peliden, ihr zu entkommen, hier am Anfang in einem Wechsel von integralem (242, 244) und progressivem EnjambementP (243, 245), wobei die ersten drei Sätze mit Enjambement an Länge zunehmen (241b–244a), und der dritte mit zwei Sätzen mit demselben Subjekt mit zweimaligem progressivem Enjambement hintereinander über drei Verse hin erweitert ist (244b f., 245f.), bevor ein relativ kurzer Satz folgt (246b–248a). Auffällig ist, wie wenig Formelhaftes in diesem Abschnitt verwendet zu werden scheint (von häufigeren Formeln nur καλὰ ῥέεθρα in 244 und ποσὶ κραιπνοῖσι in 247), während einige speziellere, sonst nicht oder kaum verwendete Wörter gebraucht werden (γεφύρωσεν 245, ἀκροκελαινιόων 249), die zu dem besonderen Thema ‘Flußkampf’ passen (zur sprachl. Gestaltung von 241–248 insges. HIGBIE 1990, 118f.).

241–242 Der gewaltige Druck von Flußwasser wird andernorts in Gleichnissen thematisiert, in denen die Hochwasser führenden Flüsse als Motiv zur Veranschaulichung von alles mitreißenden Bewegungen dienen (13.137ff., 16.384ff.; zum Vergleich mit Kämpfern 211–327n. mit weiteren Stellen): MUGLER 1963, 11; ELLIGER 1975, 78. Mit dem ‘Fall’ in den Schild (píptōn ‘fallend’) ist wohl gemeint, daß das Wasser von oben (die Welle hatte sich erhoben, 240) in die Wölbung des Schildes drang und durch den Druck von innen das Vorwärtskommen und den Halt erschwerte; möglich wäre aber auch, daß der Aufprall des Wassers auf die Vorderseite des Schildes gemeint ist (AH; ROBERT 1901, 72). Der Druck des Wassers auf den Schild wirkt jedenfalls wie ein erster Schlag eines Kriegers mit einem Speer, einer Lanze oder einem Stein (etwa in Achilleus und Asteropaios’ Zweikampf: 164f.; ROBERT a.O. 72). Darüber hinaus mag die Erwähnung gerade des Schildes auch an die Tatsache erinnern, daß er ein immer wieder besonders hervorgehobenes Werk des Hephaistos ist (165n.), Skamandros’ Gegner im Götterkampf (schol. T; 20.73f., 21.330ff.). – Ulmen lieben feuchte Standorte (RE s.v. Ulme Sp. 544f.), und der auch in 350 genannte Baum dürfte zu den Pflanzen gehören, die zu hom. Zeit tatsächlich an Skamandros’ Ufer wuchsen (z.T. noch heute: FELLNER 1897, 19; LUCE 1998, 183ff. mit Abb. 5.21; zu den Tamarisken 18n.) und viell. vom Iliasdichter selbst dort gesehen wurden (WEST 2011, 25). 241 σάκεϊ: zur Prosodie ↑.

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σάκεϊ: Die Dat.-Endung -ι ist bei Homer bei s-Stämmen gelegentlich lang gemessen, manchmal wie hier vor einer Zäsur, ebenso bei σάκεϊ noch 8.267, 20.259 (CHANTR. 1.49f.; HARTEL 1873, 56–60). — οὐδὲ πόδεσσιν | εἶχε στηρίξασθαι: οὐδὲ πόδεσσιν ebenfalls am VE mit einem folgenden Enjambement in 23.622. Die Lesart εἶχε der meisten Hss. mit der Bed. ‘konnte’ (mit Achilleus als Subj.) entspricht anderen Stellen von verneintem ἔχω im Impf. + Inf. wie 7.217, 16.110f., vor allem aber derjenigen in ähnl. Kontext (Odysseus angesichts der Gefahr der Charybdis), Od. 12.433f. οὐδέ πῃ εἶχον | οὔτε στηρίξαι ποσὶν ἔµπεδον οὔτ᾿ ἐπιβῆναι; zur Lesart εἴα (von Skamandros: ‘ließ nicht zu’; AH; WILLCOCK) s. app. crit. von WEST (parallele Schwankungen in der Überlieferung); LEAF. Zur Bed. von στηρίζω 168n.; hier im Aor. ‘Halt finden, gewinnen’ (LfgrE s.v. στηρίζω; AH zu 241). — πτελέην: myk. pte-re-wa /ptelewās/ (DMic; s. MYK s.v. πτελέα), ‘Ulme’, hier sehr wahrscheinlich ulmus campestris (LfgrE). — ἕλε χερσίν: Flektiertes αἱρέω wird relativ oft mit χερσί(ν) verbunden, in χερσὶν ἑλέσθαι am VE (1× Il., 3× Od.), häufiger im Versinnern in beiden Wortfolgen (z.T. mit einem Wort am VA/VE und im Hyperbaton), manchmal mit Präp. (3× Il., 10× Od., 1× Hes., 2× hom.h.).

243–244 Daß Achilleus den Baum entwurzeln kann, zeigt seine unerhörte Kraft, die ihn in die Nähe eines Riesen oder Halbgottes rückt (Hinweis FÜHRER). Bäume ausreißen zu können ist märchenhaft (z.B. im Märchen ‘Starker Hans’, s. EM s.v.). 243 εὐφυέα: ‘gut gewachsen’, noch 4.147 von Menelaos; hier neben µεγάλην (‘stattlich’) wohl eher i.S.v. ‘mit großer Krone und tief verwurzelt’ (LfgrE s.v. πτελέη) als ‘robust’ (LfgrE s.v. εὐφυής). — ἐκ ῥιζέ͜ων: Die Form mit Synizese ist nur konjiziert (überliefert ist ῥιζῶν: app. crit. von WEST); die kontrahierten Formen des Gen.-Pl. der a-Dekl. sind selten überliefert, diejenigen mit Synizese dagegen recht häufig (G 45, 46 u. 68). — ἐριποῦσα: wiederaufgenommen in 246; im thematischen Aor. ist (ἐξ)ερείπω intransitiv und bed. ‘(heraus)fallen von’, von einem Baum auch 13.389, 14.414, ‘Hes.’ Sc. 421 (LfgrE s.v. ἐρείπω). Hier in Verbindung mit ἐκ ῥιζέων ist gemeint, daß der Baum entwurzelt wird (AH); und weil der Baum mächtig ist (εὐφυέα µεγάλην), muß er große Wurzeln haben, so daß mit dem Hinweis erklärt wird, weshalb er durch den Fall den ganzen Abhang aufreißt (244): schol. bT zu 243 u. 244.

244–245 Wenn der Abfluß des Wassers durch einen großen Baum gestaut wird, erinnert die Dämmung daran, wie die Troer auf der Flucht vor Achilleus dicht gedrängt das Flußbett füllen (8ff.) und nach den Tötungen des Achaiers die im Wasser schwimmenden Toten den Strom hemmen (218–220). Achilleus’ Handlungen greifen jedesmal in den natürlichen Lauf des Flusses ein (NAGLER 1974, 158), aber der Flußgott wehrt sich nun: Nachdem er sich der Toten entledigt hat (235–237), sprengt er die Ufer (248ff.). 244 ἐπέσχε: ‘erstreckte sich über, bedeckte’ (ähnl. vom Feuer 23.238, 24.792; von Ares 407 [s.d.], in demselben Sinn ἐτανύσθη in Hes. Th. 177): LfgrE s.v. ἔχω 848.35ff.; AH. Möglich 243 εὐφυέα (µ)µεγάλην: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — εὐφυέα: zur unkontrahierten Form R 6. — ῥιζέ͜ων: Gen. zu ῥίζη ‘Wurzel’; zur Flexion R 11.1; zur Synizese R 7. 244 διῶσεν: ‘riß auf’.

Kommentar

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ist, daß die Konsequenzen der Bedeckung des Wassers gemeint sind (‘hielt zurück, hemmte’; AUTENRIETH/KAEGI s.v. ἐπέχω; SCHADEWALDT); allerdings fehlen Parallelen im fgrE für eine solche Bedeutung des Kompositums (am nächsten kommt Od. 20.266, mit ablativischem Gen., ἐπίσχετε θυµὸν ἐνιπῆς). — καλὰ ῥέεθρα: 238n.

245 Der Baum ermöglicht Achilleus die Flucht (schol. D; FAESI zu 244f.), wobei primär an die Dämmung des Wassers gedacht ist, die den Peliden vor den andringenden Wassermassen schützt (244f.), sekundär aber wohl auch an die Überbrückung des reißenden Wassers, durch die er auf dem Stamm einen Halt findet und aus dem Fluß, in den er gesprungen ist, flüchten kann (ähnl. WILLCOCK zu 244– 245; als zwei einander ausschließende Möglichkeiten angeführt in LfgrE; LEAF; KIRK zu 5.87f.). Der Baum bewirkt ein Vorwärtskommen, ähnlich wie Apollon, der in 15.357 die Abhänge einreißt und so den Graben vor dem Schiffslager auffüllt, um den Troern den Zugang zum Wall zu ermöglichen. ὄζοισιν πυκινοῖσι: ὄζος ist verwandt mit dem gleichbedeutenden dt. ‘Ast’ (LfgrE). Ulmen haben eine kompakte Erscheinung, erst recht besonders große, mit weiter Krone (243n.); der Hinweis auf die dichten Äste verstärkt hier die Vorstellung einer vollständigen Dämmung des Wasserlaufs (244). — γεφύρωσεν: denominativ zu γέφυρα ‘Damm’ (zu dieser Bed. 4.371n.), mit faktitiver/instrumentaler Bedeutung wie andere oft etw. technische Verben auf -όω (παχνόω ‘gefrieren lassen’ 1× Il., ῥιζόω ‘einwurzeln, pflanzen’ 2× Od. u.a.; SCHW. 1.731; RISCH 330): ‘einen Damm machen, abdämmen’, noch 15.357 i.S.v. ‘zum Damm machen’ (s.o.; LfgrE). — µιν αὐτόν: “‘the very river’, seems to imply ‘wide though it was’” (LEAF). 246 2. VH ≈ 10.519. — δίνης: Die Lesart λίµνης (app. crit. von WEST) läßt sich leicht aus der Verschreibung des Anfangsgroßbuchstabens erklären (LABARBE 1949, 56 Anm. 4) und paßt nicht zu dem bewegten Wasser von Skamandros, dessen Wirbel eben erst in 239 und überhaupt, besonders im 21. Gesang, immer wieder hervorgehoben werden (insges. 5× δίνη, 8× δινήεις, 6× βαθυδίνης, 2× ἀργυροδίνης verwendet), ganz im Gegensatz zu 317, wo mit λίµνη die überschwemmte Landfläche gemeint ist (LEAF). 247 1. VH ≈ Od. 15.183. — πεδίοιο: partitiver Gen., abhängig von πέτεσθαι (‘ein Stück weit durch die Ebene’: SCHW. 2.111f.; CHANTR. 2.58f.). — ποσὶ κραιπνοῖσι: Junktur immer nach der Zäsur B 2, mit πεποιθώς am VE in 6.505, 22.138, mit µετασπών 17.190, Od. 14.33, mit der Variante ποσσί nach der Zäsur B 1 und πέλοιτο Il. 23.749; Varianten ταχέεσσι πόδεσσιν am VE 564, Od. 13.261. π. τ. nach der Zäsur B 2 insges. 5× Il.; ποσὶ καρπαλίµοισιν am VE 1× Il., h.Merc. 225, πόδεσσί τε κ. 1× Il., κ. πόδεσσι am VA in Il. 22.166; fast die Hälfte aller Stellen mit solchen Junkturen (insges. 9×) stehen im 20.–22. Gesang und beziehen sich auf Achilleus. — πέτεσθαι: finaler Inf. zu ἤϊξεν, wie in 13.62 ὦρτο πέτεσθαι (CHANTR. 2.301); zur Verbindung mit ἤϊξεν vgl. 15.150 ἀΐξαντε πετέσθην (Iris und Apollon schnell zu Zeus). ‘Fliegen’ als Metapher für die rasche Fortbewegung kommt auch sonst vor, von dem

245 ὄζοισιν: zur Flexion R 11.2. — µιν αὐτόν: ‘ihn selbst’ (R 14.1). 246 ἄρ(α): signalisiert Evidenz (R 24.1). — ἀνορούσας: ‘nachdem er hinausgesprungen war’. 247 πεδίοιο: zur Flexion R 11.2.

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schnellfüßigen Achill besonders noch 22.143, 22.198 (LfgrE s.v. πέτοµαι 1196.27ff.; zu Achills Schnelligkeit s. 49n., 233–271n.). Zur Metapher paßt auch das bald folgende Gleichnis, in dem sein Schwung mit dem eines Adlers verglichen wird (252f.).

248 von der Zäsur C 2 an ≈ 5.590, 11.343. — Die einzige Stelle im ganzen Epos, an der erzählt wird, daß Achilleus sich fürchtet (SEGAL 1971, 32): déisas ‘erschrocken’ steht emphatisch im Enjambement, ähnlich wie 20.279 (von Aineias im Kampf gegen Achilleus), Od. 4.792 (ein Löwe), 21.367 (Eumaios vor den Freiern); die Stärke seines Gegners, der nun zum zweitenmal zum Angriff übergeht (233–271n.), wird entsprechend mit mégas ‘mächtig’ hervorgehoben. οὐδέ τ(ε): selten (DENNISTON 531 mit Anm. 1; RUIJGH 703–708), oft wie hier durch die Lesung οὐδ᾿ ἔτ(ι) zu beseitigen möglich (ebenfalls überliefert: s. app. crit. von WEST; CHANTR. 2.343; von MONRO [1882] 1891, 303 und RUIJGH 705f. aus syntaktischen Gründen bevorzugt); sie würde gut zu ἔληγε passen (‘hörte nicht mehr auf’). — θεὸς µέγας: flektierbare Junktur im Versinnern, noch 5.434, in umgekehrter Wortfolge 8.200, 16.531, 24.90, hom.h. 22.1, θεός τε µέγας Il. 19.410, µεγάλη θεός ‘Hes.’ Sc. 259. Zu µέγας 187n. u. 233–271n.

249–250 2. VH v. 249 ≈ 137; 250 = 138 (s.d.); 2. VH v. 250 ≈ 539. — Die Wiederholung der Verse, die Skamandros’ Reaktion auf Lykaons Tod und Achilleus’ Triumphrede beschreiben, verstärkt den Eindruck eines nunmehr gefestigten Entschlusses des Flußgottes, den er unerbittlich in die Tat umzusetzen versucht (Sekundäre FokalisationP unterstrichen: DE JONG [1987] 2004, 268 Anm. 32): SCHEIBNER 1939, 97.

V. 250 wird von einigen Hss. ausgelassen und von einigen als mögliche Konkordanzinterpolation betrachtet (WEST 2011, 379; LEAF zu 349); der Interpolator hätte dann zur Angleichung an den hinzugefügten Vers ein redundantes µιν in 249 eingeschoben (LEAF). µιν paßt aber sehr gut (s.u.), und es ist nicht einzusehen, weshalb ursprünglich die Absicht des Gottes mit ὅπως παύσειε φόνοιο nur verkürzt hätte wiedergegeben sollen (s.o.). — ἀκροκελαινιόων: Das Verbum (-άω, mit diektasis, G 48) ist hapaxP (nur noch Nonnos 18.156, -όωσα), wohl Ableitung von *ἀκροκέλαινος, zur Bezeichnung der Färbung, wie φαληριόων (s.u.), γλαυκιόων ‘funkelnd’ (20.172, ‘Hes.’ Sc. 430), alle mit metr. bedingtem -ι- (RISCH 321); bed. ‘an der Oberfläche sich schwarz färbend’, von dem angeschwollenen Strom; ähnl. von der Oberfläche und auch am VA 13.798f. κύµατα … | κυρτὰ φαληριόωντα ‘Wogen … gewölbte, weiße Schaumkronen bildende’. Wellen werden auch sonst als dunkel bezeichnet: κῦµα κελαινόν in 9.6, h.Ap. 27, ‘Hes.’ fr. 204.60 M.-W., µέλαν … κῦµ(α) Il. 23.693, Od. 5.353, µέλαιναν φρῖχ᾿ / µελαίνῃ φρικί Il. 21.126 (s.d.), Od. 4.402 (LfgrE). — µιν: hier nicht nur anaphorisch, sondern auch vorausweisend-demonstrativisch wie ὁ/ἡ/τό, zur emphatischen Betonung von δῖον Ἀχιλλῆα (250) am VA im Enjambement; mit derselben Funktion in Od. 1.194f. (Telemachs Vater), 6.48f. (Nausikaa), auch in Il. 13.315f. (allerdings fehlt 13.316 teilweise in der Überlieferung und wird von WEST athetiert): SCHW. 2.20 Anm. 5; LABARBE 1949, 86. — φόνοιο: 137n.

248 ὦρτο: zu ὄρνυµαι ‘sich erheben’.

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251–256 Die Flucht des Besten der Achaier ist etwas Einmaliges und entsprechend erhält sie ein großes Gewicht. Achilleus’ Beginn der Flucht wird mit einem VergleichP (251) und einem kurzen GleichnisP (252f.) anschaulich gemacht, bevor die eigentliche Flucht und Verfolgung ein längeres Gleichnis illustriert (257–262). Die Weite des Sprunges des Peliden aus dem Fluß wird mit dem geläufigen Maß eines Speerwurfs angegeben (ca. 40–80 Meter; Speerwürfe sind ein Bestandteil des Krieges, aber auch des Sports; 16.589–592n.), während seine charakteristische, kraftvolle Schnelligkeit (247) mit der eines Adlers verglichen wird (KURZ 1966, 148). Das Ausmaß des Sprunges ist märchenhaft; vgl. die enormen Schritte, die Götter machen können (14.225–230n.). Vogel-Gleichnisse sind recht häufig (alle Stellen s. 2.459–466n.). Greifvögel und Falken sind ein typisches Vergleichsmotiv zur Beschreibung von Kriegern (ein Geier 13.531, 16.428–430 [s.d., mit Lit.], 17.459f., ein Falke 16.582–585 und ein Habicht 17.755–759, 22.138–144). Der Adler ist als Vogel des Zeus besonders hervorgehoben und wird entsprechend als Inbegriff eines Beutejägers mit meist (wie hier in 253) superlativisch ausgedrückten Eigenschaften genannt: Es sind neben ausgezeichnetem Sehvermögen (17.674f.) vor allem Kraft und Schnelligkeit (hier, zusammen mit thērētḗros ‘Jäger’ in 252, ein Hinweis auf den Sturzflug, das schnelle Herabschießen auf die Beute; außerdem 15.690f., 22.308f., 24.292f., [s.d., mit Lit.], Od. 24.538; eine aind. Parallele bei SCHMITT 1967, 236). In 15.690f. und 22.308f. ist so der Angreifer mit einem Adler verglichen. Hier ist der Held auf der Flucht (READY 2011, 192), und der Vergleich und das Gleichnis verdeutlichen, daß der Fluß, der wie ein Stier brüllen kann (Il. 21.237), kein wehrloses Opfer und keine leichte Beute verfolgt (eine Konstellation von Gegnern wie etwa im Gleichnis in 493–495), sondern immer noch einen wehrhaften Kämpfer, wie es auch das Dröhnen seiner Rüstung veranschaulicht (254f.); entsprechend wird auch Aias bei seinem Rückzug in 11.548–555 mit einem Löwen verglichen: SCHEIBNER 1939, 97; PADUANO/MIRTO zu 251–297. Wie der Adler der schnellste und stärkste Vogel ist (253), so ist Achilleus der schnellste und stärkste Held (FRÄNKEL 1921, 81; JOHANSSON 2012, 185); das Gleichnis paßt so zu den früheren Gleichnissen in Achilleus’ Kampf (20.164–175: Löwe; 22–26: Delphin; schol. T zu 252). – Die genaue Art des Adlers ist schwer zu bestimmen; vielleicht entspricht sie derjenigen des Adlers, der in 24.315f. geschildert ist (s.d.), und/oder der Art des von Aristoteles HA 9.32, 618b26 beschriebenen schwarzen Adlers, der der stärkste sein soll (RICHARDSON zu 252–253; JOHANSSON a.O. 184f. 208f.: aquila verreauxii, Schwarzadler). 251 1. VH ≈ 5.20, 5.297, 11.145, 17.483, 22.138, Od. 22.95; 2. VH = Il. 15.358; ≈ 23.529. — ἀπόρουσεν: ‘er sprang hinweg’, fast immer vor der Zäsur B 2 (s. Iterathalbverse; LfgrE s.v. ὀρούω 814.28ff.); wiederaufgenommen mit ἤϊξεν in 254 und präzisiert mit ὕπαιθα δὲ τοῖο 251 ὅσον … ἐπί: = ἐφ᾿ ὅσον (R 20.2), ‘wie weit’, d.h. ‘so weit wie’, erg. ἐστί oder γίνεται. — τ(ε): ‘episches τε’ (R 24.11). — δουρός: zur Flexion R 12.5.

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λιασθείς in 255 (AH; KURZ 1966, 148). — ὅσον τ᾿ ἐπὶ δουρὸς ἐρωή: ἐρωή, immer am VE, bed. ‘Schwung, Drang’ (von einer Axt 3.62, von einem Angreifenden 14.488, von Geschossen 4.542, 11.357), hier und in den Iterathalbversen mit δουρός als Abstandsmaß in der Bed. ‘Speerwurf’ (LfgrE; vgl. auch 10.357 δουρηνεκές ‘so weit ein Speer trägt’: BUCHHOLZ u.a. 1973, 81). Zu Distanzvergleichen allg. 3.12n.; weitere Vergleiche, die mit ὅσον τ(ε) eingeleitet werden, bei CHANTR. 2.124. 252 αἰετοῦ οἴµατ᾿ ἔχων: Gleichniseinleitung ohne Vergleichspartikel, ebenso 16.752ff. οἶµα λέοντος ἔχων … ὥς, 17.570/573 (καί οἱ µυίης θάρσος … ἐνῆκεν / τοίου µιν θάρσεος πλῆσε (LEE 1964, 64). Zu weiteren metapherähnlichen Wendungen s. 16.752n. οἶµα bed. ‘Schwung, Elan, Dynamik’, nur noch in 16.752, von einem Löwen (s.o.), der auch auf seine Beute losschießt; der Pl. hier steht zur Hiatvermeidung (LfgrE; AH). Der Ausdruck einer Eigenschaft mittels (eines Gen. +) eines Abstraktums + ἔχων vor der Zäsur B 1 wie hier und in 16.752 findet sich auch mit anderen Abstrakta, so mit θυµόν in 5.670, 5.806, ἦτορ Hes. Th. 456, ὕβριν in Od. 16.418; vgl. Il. 1.225, 8.349 und und 16.266 (RUIJGH 865). — [†µέλανος τοῦ† θηρητῆρος] µέλανος τοῦ θηρητῆρος: θηρητήρ wird nur hier und 24.316 von einem Tier, sonst immer von Menschen verwendet. µέλανος τοῦ in der Hauptüberlieferung hat schon in der Antike Probleme bereitet (s. app. crit. von WEST). Die Stellung des Pronomens ὅ, ἥ, τό (hier τοῦ), nach einem Substantiv (hier αἰετοῦ) und anschließenden Adj. ist tatsächlich etwas ungewöhnlich; aber die Verwendung des Artikels zur Spezifikation eines Attributs (hier in Gestalt der Apposition θηρητῆρος), die durch den Relativsatz (253) vervollständigt wird, ist durchaus verbreitet (BASSET 2006, 109. 111–113). Hier wird der Typ des Adlers bestimmt (‘des schwarzen Jägers’), der demjenigen in 24.316 zu entsprechen scheint (dort wohl irgendwie dunkelfarbig, s.d.); CHANTR. 2.163; RICHARDSON zu 252–253; zum Artikel-Gebrauch bei Attributen s. auch 16.358n., mit Lit.). Andere Lesarten passen weniger (in µέλανός του entspricht die Form des Gen. Sg. des indefiniten Pron. nicht den sonstigen hom. Belegen, τέο, τεῦ, s. G 84; µελανόστου ‘schwarzknochig’ ist unsinnig), am besten µελανόρσου ‘mit schwarzem Hinterteil’ von Ahrens (app. crit. von WEST), zu dem u.a. Archil. fr. 178 West µελάµπυγον von einem Adler passen würde. Zur ganzen Diskussion LEAF; RICHARDSON a.O.; WEST a.O.; CASSIO 2002, 130; zur Lesart µελανόστου MAYHEW 2017. 253 2. VH ≈ 15.238. — κάρτιστός τε καὶ ὤκιστος: Das Homoioteleuton verstärkt die Emphase, ähnlich wie in religiösen Anrufungen: 2.412n.; FEHLING 1969, 258. — πετεηνῶν: denominativ auf -νος zu πέτοµαι (RISCH 100), metri causa zerdehnte Form von πετηνός; primär wohl ‘flugfähig’, dann generisches EpithetonP zu Vogel, substantiviert wie hier ‘Vogel’ (LfgrE). 254 1. VH ≈ 4.78; 2. VH ≈ 9.490, 13.497, 23.727; vgl. 4.420, 12.151 (χαλκὸς ἐπὶ στήθεσσι ἄνακτος/φαεινός). — εἰκώς: nur hier statt ἐοικώς, mit der sonst nur im Fem. bewahrten älteren schwundstufigen Wurzel (< ϝε-ϝικ-); wohl nach dem formelhaften τῷ εἰκυῖ᾿ ἤϊξεν (< ϝε-ϝικ-υῖα) in 4.78 gebildet: RISCH 345; LEUMANN (1955) 1959, 254f. mit Anm. 1 (anders CHANTR. 1.425: Ptz. mit e-Stufe ohne Reduplikation; DELG u. BEEKES s.v. ἔοικα: beide 253 κάρτιστος: = κράτιστος. — ὤκιστος: Superlativ zu ὠκύς ‘schnell’. 254 στήθεσσι: zur Flexion R 11.3; zum Pl. R 18.2.

Kommentar

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Thesen aufgeführt). — χαλκός: steht hier für den ehernen Harnisch wie 4.420, 14.25, 12.151 u.ö. (LfgrE s.v. χαλκός 1125.3ff.).

255 1. VH = 2.466, 13.498, Od. 10.399; ≈ Il. 2.334, 15.648, 16.277, 21.593, Od. 17.542, Hes. Th. 840, h.Merc. 54, 420, 502; 2. VH ≈ Il. 15.520. — Das furchterregende Gedröhne der Rüstung, wenn man sie bewegt, wird auch sonst hervorgehoben (4.420, 13.497f., 15.647f., 19.13b, 21.593): WILLE 2001, 42.

σµερδαλέον: ‘schrecklich, furchtbar’, vom akustischen oder optischen Eindruck, stets am VA (LfgrE; KAIMIO 1977, 63). — κονάβιζεν: Diese Impf.-Form und die Aor.-Formen κονάβησε(ν)/σαν (SCHW. 1.105. 736; CHANTR. 1.339f.), fast immer mit σµερδαλέον verbunden, bedeuten ‘krachen, klirren, dröhnen, widerhallen’ (s. Iterathalbverse): LfgrE. Wie andere Geräuschbezeichnungen endigt die Wurzel auf β (ἀραβέω ‘poltern, [mit den Zähnen] knirschen’, φλοῖσβος ‘Lärm, Rauschen’, ὄτοβος ‘Lärm’, nachhom. θόρυβος ‘Lärm’); sie ist wohl onomatopoetisch: RISCH 172; FRISK s.v. κοναβέω. — ὕπαιθα: Adv. zu ὑπαί, der ep. Variante von ὑπό; hier und in 18.421 als Präp. mit Gen. (τοῖο, gemeint ist Skamandros) mit der Bed. ‘(von) unten (her weg)’, oft für Fluchtbewegungen gebraucht, wie an der vorl. St. für die Bewegung eines mit einem fliehenden Vogel verglichenen Subjekts auch 493, in einem Gleichnis 22.141 von einem Vogel (LfgrE). Hier ist viell. eine schnelle Wegbewegung unter einer sich aufbäumenden Welle vorzustellen. ὕπαιθα ist mit wohl äol. -θα gebildet (auch in ἔνθα, ἐνταῦθα, δηθά, µίνυνθα: RISCH 356), dem -θεν entspricht (deshalb erwägt WEST im app. crit. eine Schreibung mit Spiritus lenis, also mit äol. Psilose). — λιασθείς: Die Grundbed. von λιάζοµαι ist unsicher, wohl etwa ‘sich entfernen’ als Reaktion auf etw. Negatives (vgl. ἀλίαστος ‘unentrinnbar’); hier viell. ‘ausweichen’ in Nachahmung von Beschreibungen wie in 15.520 (Ausweichbewegung seitwärts bei einem Angriff mit dem Speer; LEJEUNE 1939, 346); das Partizip steht immer am VE (LfgrE). 256 2. VH ≈ ‘Hes.’ Sc. 232. — µεγάλῳ: ‘laut’, d.h. mit lautem Rauschen/Tosen; zur Bezeichnung µέγας für die Intensität eines Lautes 10n. — ὀρυµαγδῷ: expressives Nomen zur Bezeichnung eines Geräuschs mit dem Suffix -δος wie χρόµαδος ‘Knirschen’, κέλαδος (davon abgeleitet κελαρύζω 261) und ὄµαδος ‘Lärm, Tumult’ (RISCH 173); ‘großer Lärm, Getöse’, von Schlachtlärm (in einer VE-Formel 2.810, s.d.), von einem Fluß auch in 313, hier in komitativem Dat. und mit µέγας, am VE, entspricht der Schilderung von menschlichen Angriffen mit µεγάλῳ ἀλαλητῷ in 12.138, 14.393 (KAIMIO 1977, 24).

257–264 Das Gleichnis führt sehr anschaulich die Arbeit der Bewässerung vor Augen: Mithilfe einer Hacke wird ein Graben von einer Quelle bis zur Pflanzung gezogen (257f.); am Schluß werden noch vorhandene Hindernisse ausgeräumt (259), während das Wasser auf dem abschüssigen Gelände schon abwärts drängt und dabei Kies mit sich reißt (260–262). Auf solch abfallendem Gelände wurden Baum- und Weinpflanzungen angelegt, die im Sommer bewässert werden mußten. Diese Tech-

255 τοῖο: demonstrativ-anaphorisch (R 17; zur Flexion R 11.2), auf den Skamandros zurückweisend. 256 ὅ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); gemeint ist der Skamandros. — ὄπισθε: Adv., ‘hinterdrein’. — ἕπετο (µ)µεγάλῳ: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — µεγάλῳ ὀρυµαγδῷ: zum Hiat vgl. M 12.2.

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nik der Bewässerung, deren schon damalige Verbreitung wohl auch ein t.t. für den Kanalbauer verrät (257), wird ebenfalls in 18.564 (s.d.) und für die Gärten des Alkinoos (Od. 7.129f.) vorausgesetzt; später belegen sie bes. röm. Quellen; vgl. auch den Mythos von Herakles’ Reinigung des Augiasstalles durch die Umlenkung zweier Flüsse (RIEDENAUER 1873, 73; RICHTER 1968, 105). Durch das Gleichnis mit der Bewässerung wird die Gewalt und Schnelligkeit des Wassers rings um Achilleus illustriert. Es ist zwar nicht so gefährlich wie Skamandros für Achilleus – vielleicht auch unterstrichen durch die unterschiedlichen Geräusche, Rauschen (Il. 21.261) gegenüber dem Getöse des Flusses (256) –, wirkt aber doch zerstörerisch: Wenn der Bauer nicht alle Kiesel herausnehmen kann (260–262) und das Wasser sie mit sich reißt, gelangen sie auf die Felder und schaden den Pflanzungen; ob der Bauer selbst letzten Endes gefährdet wird, ist offen gelassen. Auf diese Weise markiert das Gleichnis den Moment, in dem der Überlegene den Gegner in die Schranken weist, genau wie später die Gleichnisse beim Eingriff des Hephaistos (345–348, 361–366; SCHEIBNER 1939, 98; POSTLETHWAITE 2000, 262; es ist also nur bedingt ein “Bild friedlicher Arbeit”, so KRISCHER 1971, 57). Hier wird die im Gegensatz zu dem Zerstörungspotenzial der Wassermassen im Gleichnis viel stärkere eigentliche Überwältigung allerdings erst nach dem Gleichnis erzählt, das so auch auf die Steigerung vorausweist (263–271: die Wellen holen Achilleus ein, hindern ihn mit ihrer Wucht am Gehen und entziehen ihm den Boden unter den Füßen; RICHARDSON 1990, 65 mit Anm. 51 auf S. 220, mit Parallelen zu dieser Erzählweise in 11.67–69, 11.113–119, 13.137–142, 15.271–276, 17.725–729; READY 2011, 193). Für Achilleus’ speziellen Kampf innerhalb seiner Aristie, den Kampf mit dem Fluß, wurde so ein schon in der Antike wegen seiner Anschaulichkeit geschätztes passendes Gleichnis gewählt, das wie andere Kampfgleichnisse dem Landleben, und zwar der besonderen Arbeit der Bewässerung, entnommen ist (ähnliche Anpassung in 15.362ff.: Zerstörung der Mauer um das Schiffslager durch Apollon mit der Zerstörung eines Sandhaufens durch ein Kind verglichen; zur antiken Beurteilung des Gleichnisses ALLAN u.a. 2017, 39f.; s. auch 233–271n. zur Anschaulichkeit). Zu einer oriental. Parallele zum Motiv der Ableitung von Wasser NAGLER 1974, 153; die Darstellung im Gleichnis ist von Vergil in Georg. 1.106ff. nachgeahmt worden (MYNORS 1990 z.St.). Entsprechend den Anforderungen einer präzisen Schilderung werden sehr viele Wörter nur hier oder nur sehr selten im fgrE gebraucht (ὀχετηγός 257, µάκελλαν, ἀµάρης 259, ψηφῖδες 260, ὀχλέονται 261, προαλεῖ 262): RICHARDSON 1987, 259f.; KEIL 1998, 60.

257 1. VH bis Zäsur A 4 = 5.597, 15.679, 17.389, Od. 9.391, 13.31, ‘Hes.’ Sc. 42 = ‘Hes.’ fr. 195.42 M.-W.; ≈ Il. 24.480; 2. VH = 16.160. — scharzwäßrigen: zur Bezeichnung des Wassers als ‘schwarz’ 202n.

ὡς δ᾿ ὅτ(ε): geläufige Gleichnis-Einleitung, mit Ind. oder Konj. (mit u. ohne Modalpartikel): RUIJGH 627ff.; EDWARDS, Introd. 26f. — ἀνὴρ ὀχετηγός: ὀχετηγός ist ein hom. hapaxP, zu dem im fgrE nicht belegten ὀχετός ‘Kanal’ (LSJ) und ἄγω; es bed. ‘einen Graben/Kanal

Kommentar

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ziehend’ (schol. D: ὑδραγωγός); wohl t.t. bei der Wasserregulierung von Feldern; eine ähnliche Funktion wie der Mann im Gleichnis bekleidet Dolios, der den Garten des Odysseus besorgt (Od. 4.737 καί µοι κῆπον ἔχει πολυδένδρεον): RICHTER 1968, 105; ECKSTEIN 1974, 31. Zur Bed. und Funktion der Junktur mit ἀνήρ wie etwa auch bei ἁρµατοπηγὸς ἀνήρ in Il. 4.485 (vgl. dt. ‘Zimmermann’ usw.) s. LfgrE s.v. ἀνήρ 862.20ff., die vorl. St. 862.64. — ἀπὸ κρήνης µελανύδρου: κρήνη µελάνυδρος ist flektierbare VE-Formel (Nom. 9.14, 16.3, Gen. mit ἀπό hier und im Iterathalbvers 16.160, Dat./Akk. mit ἐπί hom.h. 19.20/Od. 20.158), in der Ilias immer in Vergleichen und Gleichnissen. 258 κήπους: κῆπος ‘Garten’ hat eine idg. Wurzel und ist verw. mit dt. ‘Hufe’, einem Stück Land von einem gewissen Maß (FRISK); es wird vor allem in der Odyssee von den intensiv gepflegten Baumgärten des Odysseus und Laertes (Od. 4.737, 24.247, 24.338) und des Alkinoos (7.129) gebraucht. Die Verbindung mit φυτά ‘Pflanzen’ ist als ἓν διὰ δυοῖν zu verstehen (‘die Pflanzen in den Gärten’, vgl. Od. 7.129: ἀνὰ κῆπον ἅπαντα): RICHTER 1968, 96 mit Anm. 692. — ὕδατι ῥόον ἡγεµνοεύῃ: Dat. analogisch zu ὁδὸν ἡγεµονεύειν mit Dat. (Od. 24.225, ohne Dat. 7.30, 6.261, 10.501, h.Merc. 303), “‘dem Wasser die Strömung weist’, d.i. den Weg, auf dem es sich ergießen soll” (AH). 259 1. VH ≈ Od. 11.575; Hes. Op. 470. — µάκελλαν: hom. hapaxP; sonst im fgrE nur noch Hes. Op. 470 µακέλην, ‘Hacke’, Bildung auf -ελλα wie ἄελλα, θύελλα (RISCH 139), Herkunft der Wurzel sowie die Beziehung des Wortes zu δίκελλα ‘zweizinkige Hacke’ sind ungeklärt (LfgrE s.v. µακέλη, µάκελλα). Zum archäol. Befund von Hacken s. SCHIERING 1968, 152–154. — ἔχων: βάλλων untergeordnet (LEAF: ‘with a mattock in his hand’). — ἀµάρης: nur hier im fgrE, ‘(Bewässerungs-)Graben’: LfgrE s.v. ἀµάρη. — ἔχµατα: zu ἔχω, ‘was hält’, Stütze (14.410–411n.; LfgrE), hier ‘Hindernis, Hemmnis’ (schol. bT: τὰ κωλύµατα; LfgrE), d.h. das, was den Lauf des Wassers aufhält (AH; WILLCOCK). 260 1. VH bis zur Zäsur A 4 = 5.139, 23.519, Od. 19.333. — τοῦ µέν τε προρέοντος ὑπό: ὑπό wohl zum Ausdruck des Agens zum passivischen ὀχλέονται, Präp. (als Postposition) mit Gen. τοῦ … προρέοντος ‘unter der Einwirkung von’ (schol. bT; SCHW. 2.528; CHANTR. 2.142f.); möglich wäre aber auch adv. ‘unten’, mit τοῦ … προρέοντος als gen. abs. (AH; beide Möglichkeiten, ähnlich wie in 2.95f., 15.574f.: CLASSEN 1867, 167). In τοῦ µέν τε … | …, τὸ δέ τ(ε) (260f.) stellt µέν mit dem Vorherigen die Verbindung her und bereitet zugleich das Folgende vor, wobei das beiden Sätzen vorangestellte Demonstrativum (τοῦ 260/τό 261) auf das gleiche Substantiv verweist (ὕδατι in 258); τε signalisiert eine ständige Tatsache, bes. häufig in Verbindung mit δέ am Ende des Wie-Teils von Gleichnissen (ebenso auch in 262; 2.90n.; RUIJGH 656. 748). — ψηφῖδες: ψηφίς ist eine Ableitung auf -ίς von ψῆφος (seit Hdt. belegt) mit der Bed. ‘Kieselstein’, wohl diminutiv ‘Kieselsteinchen’, nur hier im fgrE (LfgrE; RISCH 144). 261 ὀχλέονται: nur hier, denominativ zu erst nachhom. belegtem ὄχλος, metr. Variante wohl (µετ)οχλίζειν ‘von der Stelle bewegen’ (12.448, 24.567; 2× Od.), bed. ‘in (rollende) Bewe258 ἄµ: = ἀνά (R 20.1). — ὕδατι (ῥ)ρόον: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). 259 ἐξ ̣… βάλλων: = ἐκβάλλων; zur sog. Tmesis R 20.2. 260 τε: ‘episches τε’ (R 24.11), ebenso in 261, 262 und 264.

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gung gesetzt werden, beiseite geräumt werden’ (LfgrE s.vv. ὀχλέοµαι u. ὀχλίσσαι). — κελαρύζει: onomatopoet. Schallverbum auf -ύζω wie ὀλολύζω (RISCH 296), zu κελάδων (16n.), καλέσαι (FRISK), ‘rauschen, plätschern, rieseln’, eindeutig vom Geräusch nur hier, viell. auch in hom.h. 7.36 (von Wein), dagegen nur auf eine Bewegung bezogen in Il. 11.813 (von Blut), in Od. 5.323 (von Meerwasser): LfgrE. Vielleicht verstärkt das Wort die Wirkung der zahlreichen Gutturale in diesem Vers (RICHARDSON zu 257–64 zählt die Gutturale auf). 262 1. VH bis zur Zäsur B 1 ≈ 13.473, 17.54, Hes. Th. 731, Op. 599; 2. VH ≈ 9.506. — προαλεῖ: wohl ‘abschüssig’, hom. hapaxP, zu προάλλοµαι, vgl. die Wortbildung von προπετής ‘abschüssig’ (LfgrE). Zum seltenen Vorkommen der kontrahierten Dat. Sg.-Endung von bestimmten s-Stämmen im longum, wo auch eine Hiatkürzung nicht möglich ist, CHANTR. 1.49; ERBSE 1972, 222. — φθάνει: ‘überholt’; wie in 9.506 mit im Gegensatz zum Att. langem α (φθᾱ́νω < *φθᾰ́νϝω): LfgrE. — τὸν ἄγοντα: Das Demonstrativpronomen substantiviert das Partizip und wird dabei fast schon zum Artikel (3.138n., mit Lit.). 263 1. VH bis zur Zäsur A 4 = 17.752, 21.605, Od. 17.218. — κιχήσατο: immer vor der Zäsur C 2 (4× Il., 2× Od.); der Aor. steht bei wiederholter Handlung (hier verdeutlicht durch αἰεί), wenn nur der Abschluß betont wird (konstatierend): AH z. vorl. St. u. 102; SCHW. 2.278. — κῦµα ῥόοιο: am VE auch in 21.306, Od. 11.639, vgl. κῦµα … ποταµοῖο in Il. 21.268.

264 2. VH ≈ Od. 4.379, 4.468, 10.306. — Die Gnome über die Allmacht der Götter, die Skamandros’ Überlegenheit gegen Achill trotz dessen Schnelligkeit begründet (233–271n.), stellt einen der seltenen Kommentare des Erzählers zum Geschehen dar (im Ganzen 3× Il., 2× Od.); in allen geht es um die Beziehung zwischen Gott und Mensch (LARDINOIS 1997, 230–232; allg. zu Erzähler-Kommentaren 4.104n.). Der in Reden verbreitete Gedanke, daß die Götter den Menschen überlegen sind, entspricht den immer wieder im 21. Gesang geäußerten Aussagen (190f., 193, [184– 199n.], vgl. die Ironie in 498f. [s.d.]), daß der Kampf eines Gottes mit einer mächtigeren Gottheit aussichtslos ist (AHRENS 1937, 35); vgl. auch die Betonung des Abstands zwischen Göttern und Menschen in ihrer Vergänglichkeit in 462–469 (s.d.; DI BENEDETTO [1994] 1998, 36f.). Nirgends ist der Mensch stärker als ein Gott (im 5. Gesang wird Diomedes bei der Verwundung der Aphrodite und des Ares von Athene unterstützt) und der einem Gott gleichende Achilleus (18n.) kann nicht gegen den Flußgott ankommen; er braucht den Zuspruch von Athene und Poseidon und die Rettung durch Hera und Hephaistos (284ff.): SCHEIBNER 1939, 32.

φέρτεροι: φέρτερος ist weitgehend synonym mit ἀµείνων (1.186n.), das allerdings nicht von Göttern gebraucht wird (LfgrE s.v. ἀµείνων 625.1ff.).

265–271 Der Höhepunkt des Kampfes zwischen den zwei mit Epitheta hervorgehobenen Gegnern ist erreicht (265 Achilleus, 268 Skamandros), markiert mit dem sonst oft den Wendepunkt einer Schlacht bezeichnenden gr. Verb phobéin ‘in die 262 χώρῳ ἔνι: = ἐν χώρῳ (R 20.1, R 20.2). — καί: ‘sogar’. 263 ὥς: = οὕτως. — αἰεί: = ἀεί, ‘immer’ von neuem. — ῥόοιο: zur unkontrahierten Form R 6. 264 ἐόντα: = ὄντα (R 16.6).

Kommentar

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Flucht schlagen’ (267; ebenso von Göttern 15.230, 17.596 [Apollon/Zeus gegen die Achaier]: LfgrE s.v. φοβέω 965. 54ff., mit weiteren Stellen). Achilleus kann nicht mehr fliehen und kaum noch stehen: Der Fluß ist daran, ihn zu überwältigen (270f.). Die Hinweise auf die Dauer (alle Verben im Impf.) sowie die Wucht des Flusses (eine große Welle, gleichsam seine Waffe: 268; das Wasser ist reißend: 271) unterstreichen die Intensität der Auseinandersetzung (SCHEIBNER 1939, 98). Jeder Versuch des Helden, Widerstand zu leisten, wird durch einen größeren Gegenschlag von oben und unten erwidert (BONNAFÉ 1984, 87): Wenn er sich anstrengt (266), wie Odysseus in Od. 5.413f. einen Halt im Wasser zu finden und sich der Strömung entgegenzustellen, ähnlich wie ein Einzelkämpfer in einem normalen Kampf Widerstand leistet (Il. 17.490; KURZ 1966, 81), drückt eine Welle von oben seine Schultern weg (269), der Sprung nach oben (269) wird in seiner Wirkung von der starken Strömung unten zunichtegemacht, die seine Beine schwächen, insbesondere seine Knie lahmlegen (270), und seinen Füßen die Standfestigkeit entziehen und ihn sinken läßt (271). Damit greift der Fluß Achilleus’ in seinem Wesenskern an: Neben den bei allen Kämpfern die Energie verkörpernden Knien (51–52n.) werden nun seine schnellen Füße gelähmt, durch die er sich besonders auszeichnet (MUELLER [1984] 2009, 61; das Epitheton podárkēs ‘schnellfüßig’ in 265 ist wahrscheinlich nach laipsērón ‘schnell’ in 264 prägnant; ausdrückliche Nennung der Füße in 269 u. 271). Den bewegten Kampf spiegeln wohl die zahlreichen EnjambementsP (266, 267, 269, 270, 271). 265 1. VH = 22.194; 2. VH 21× Il. — ὁσσάκι: ‘sooft’, in Korrelation mit τοσσάκι (268) wie sonst im fgrE (22.194/197, Od. 11.585f.); abgeleitet von ὅσσος mit dem gleichen DistributivSuffix -ά-κι(ς) wie in πολλάκις (LfgrE; RISCH 367). — ποδάρκης δῖος Ἀχιλλεύς: 49n.

266–267 Die gegensätzlichen Bewegungen – sich entgegenstellen (266) und in die Flucht schlagen (267) – sind äußerlich und innerlich gemeint: Der Aufgabe der in 256 genannten Flucht und dem eigenen Widerstand mit der Hoffnung auf göttliche Hilfe ist das allgemeine Agieren der Götter gegen Achilleus gegenübergestellt (LfgrE s.v. φοβέω 966.28ff.; schol. bT; AH); dieses ist natürlich sekundär fokalisiert, Achilleus kämpft ja tatsächlich nur mit einem einzigen Gott, Skamandros. Das am VE v. 266 stehende hápantes ‘alle ohne Ausnahme, sämtliche’ sowie das in Enjambement gesetzte athánatoi ‘Unsterbliche (Götter)’ (267a), das zusammen mit der nachdrücklich wirkenden Charakterisierung der Götter (267b) fast einen ganzen Vers füllt (PUCCI 2012, 432), betonen die Macht und Anzahl der Götter, erst recht nach der gnomischen Aussage über ihre Überlegenheit (264). Entsprechend der verzweifelten Lage hat sich Achilleus’ Hoffnung auf die Rettung durch wenigstens einen Gott reduziert; deshalb wendet er sich gleich trotz seiner Enttäuschung über seine fortdauernde Bedrängnis (270) mit einer Klage an Zeus (273f.). 265 ὁρµήσειε: ‘sich anschickte’, mit final-konsek. Inf. στῆναι (266).

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266 1. VH = Od. 17.439. — ἐναντίβιον: von ἀντιβίην (226n.) unter Einfluß von ἐναντίον abgeleitet (LEUMANN 1950, 338, mit Hinweis auf die Nähe von ἐναντίον und ἀντίβιον in 3.433/5); bed. wohl wie ἀντιβίην urspr. ‘Kraft gegen Kraft’, d.h. ‘Mann gegen Mann’ (von Skamandros als personifiziertem Gegner); hier mit στῆναι ‘entgegentreten, standhalten’ i.S.v. ‘Gewalt entgegensetzen’ (AH) wie in 17.490 ἐναντίβιον στάντες µαχέσασθαι. ἐναντίβιον steht fast immer entweder vor der Zäsur B 1 (wie hier u. noch 2× Il., 2× Od.) oder in einer VE-Formel vor πτολεµίξων/-ειν bzw. µαχέσασθαι (insges. 7× Il.): LfgrE.

267 ≈ Od. 1.67, 4.378, 4.479, 7.209, 11.133, 23.280, Hes. Th. 373; 2. VH = Il. 20.299, 7× Od.; ≈ 3× Od., h.Ap. 325 (οἳ οὐρ. εὐρ. ἔ.). — Mit der Vorstellung des Himmels als Wohnsitz der Götter ist ein wesentlicher Unterschied zu den die räumlich begrenzte Erde bewohnenden Menschen bezeichnet (idg. Parallelen bei WEST 2007, 120. 124–126).

φοβέουσι: 4n. — οὐρανὸν εὐρύν: nur in der hier vorl. VE-Formel (s. Iterata) und in Hes. Th. 517 in der 1. VH nach einem anderen Wort, sonst direkt am VE (Nom. 1× Hes./Akk. 6× Il., 1× Od., 1× Hes.); Variante dieser Charakterisierung der Götter durch ihren Wohnsitz ist die flektierbare VE-Formel Ὀλύµπια δώµατ᾿ ἔχοντες (10× Il., 3× Od., 11× Hes., 5× hom.h.: 1.18n.). Die Menschen dagegen werden als οἳ ἐπὶ χθονὶ ναιετάουσιν in Od. 6.153, Hes. Th. 564 u. mit Varianten davon sowie mit ἐπιχθόνιος bezeichnet: 1.266n.; LfgrE s.v. ἄνθρωπος 890.3ff. 268 1. VH bis zur Zäsur A 4 = 22.197; 2. VH = 326. — τοσσάκι: 265n. — µέγα κῦµα: NomenEpitheton-Formel, wie hier vor der Zäsur B 2 noch 15.381, 17.264, 21.313, 7× Od., h.Ap. 74, nach der Zäsur C 1 außerdem 4× Od., am VE Od. 13.99. — διιπετέος ποταµοῖο: VE-Formel (4× Il., 3× Od., 1× ‘Hes.’); das Adj. ist im fgrE noch in h.Ven. 4 belegt (von Vögeln); metr.prosod. Variante ἐϋρρεῖος ποταµοῖο (1–2n.). Die Etymologie und die Bedeutung des Kompositums διιπετής sind unklar. Alle Hypothesen bereiten Probleme (Forschungsüberblick: LfgrE s.v.; HOOKER [1979] 1996, 439–441; STEFANELLI 1995, 229–236). Das Hinterglied dürfte zu πέτοµαι ‘fliegen’ gebildet sein, von Flüssen i.S.v. ‘rasch dahineilend, fließend’ (zu metaphor. πέτοµαι 247n.); die Bildung entspräche dann ὑψιπέτης, ὠκυπέτης (auch EN), παλιµπετής im fgrE; Komposita auf -πετής zu πίπτω sind dagegen erst im Laufe des 5. Jh.s sicher verbreitet (SCHMITT 1967, 232f.; BATTEZZATO 2000 passim, bes. 146f.). Das Vorderglied wird verschieden gedeutet: 1) διῑ- ist Dat. Διί mit metr. Dehnung im hom. Epos, die wohl teilweise die alte Dat.-Form Διϝεί (Dat.) fortsetzt (so myk.), und bed. “Jovis iussu et opera decurrens” (SCHULZE 1892, 238, an dat. auctoris denkend); in h.Ven. 4 hingegen passt der alte (frühgr.) Lok. διϝί mit metr. Dehnung besser. Zur Bed. ‘am Himmel fliegend/fließend/eilend’ werden aind. und ägypt. Vorstellungen von Flüssen am Himmel und der Vergleich mit der Milchstraße angeführt (SCHMITT a.O. 221; GRIFFITH 1997; WEST 2007, 350; speziell zu h.Ven. 4 FAULKNER z.St.; Bedenken bei HUMBACH 1967, 278; RISCH 83 Anm. 69; 1969, 326; GRIFFITH a.O. 356). – 2) Ähnlich wird Διί erklärt als ‘von Zeus herab-

266 γνώµεναι: Inf. Aor. (R 16.4). — µιν: = αὐτόν (R 14.1). 267 φοβέουσι: zur unkontrahierten Form R 6. — τοί: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 14.3) in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). 268 διιπετέος: zur unkontrahierten Form R 6.

Kommentar

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gefallen’, d.h. von Zeus als Wettergott mit Regen genährt (u.a. schol. D zu 21.326; AH zu Od. 4.477; LEUMANN 1950, 311; JANKO zu 16.173–5; weitere antike Zeugnisse bei STEFANELLI a.O. 232f.; zögernd FRISK). Doch ist ein separativischer Sinn von Διϝί/Διϝεί nicht zu rechtfertigen, und ‘fallen’ für das Hinterglied ist unwahrscheinlich (s.o.): SCHULZE a.O. 238; TREU 1958, 264f.; JANKO a.O. Diese Erklärung des Wortes hat aber sicher auf seine Verwendung in der Zeit nach dem fgrE gewirkt (LEUMANN a.O.). – 3) διι- gehört zu διερός ‘rasch’: διερός verhält sich zu διειπετής wie µιαρός zu µιαίφονος (-ι- nach Caland-Wackernagel), die Bed. des Epithetons wäre dann urspr. ‘rasch dahinfliegend, -eilend dahinschießend’ gewesen (HUMBACH a.O. 279; zustimmend u.a. HOOKER a.O. 441; ebenso mit spekulativen Rechtfertigungen STEFANELLI a.O. 242ff.). Doch sind Grundbed. und Etymologie von διερός, das in Hes. Op. 460 ‘feucht’ bedeutet, nicht klar (LfgrE s.v. διερός; SCHMITT a.O. 221 Anm. 1296). – 4) διι- steht für διά analog zu den an der gleichen Versstelle stehenden διηνεκής ‘fortlaufend’, διαµπερές ‘durchdringend’ (von Geschossen), zur metr. Dehnung vgl. auch διαί (öfter bei Aisch.), διαιπετής (von einer Sternschnuppe) in Alkman fr. 26.67 Calame (überliefert: ἀστήρ … διαιπετής). Die Bed. wäre dann ‘hindurchfliegend’, von Flüssen ‘durchfließend’ (TREU 1958; RISCH 82. 220; 1969, 326), und das Epitheton würde als metr. Variante zu dem ebenfalls am VE stehenden ἐϋρρεής/ἐΰρροος passen. Doch ist die Bed. des Wortes an der Alkman-Stelle umstritten, auch ‘am Himmel’ (Lok., s.o.) würde gut passen, und διαι- könnte analog zu χαµαι- (s. klass. χαµαιπετής) gebildet worden sein und sich ausgebreitet haben (SCHMITT a.O. 228f. 234; RENEHAN 1975, 65).

269 2. VH ≈ 302. — Um sich vor dem Wasser zu retten, das bis zu den Schultern reicht (269), springt Achilleus in die Höhe, wobei hier die Füße, in 302 die Knie, die kraftvolle Bewegung veranschaulichen (schol. bT; KURZ 1966, 137; AH). πλάζ(ε): Der Präsensstamm von πλάζω ist wie der Aor. ἔπληξα eine Neubildung zu einer wohl onomatopoetischen Wurzel mit der Bed. ‘schlagen’, zu der πλάγχθη ‘prallte ab, ging in die Fremde, wurde verschlagen’ und lat. plangere gebildet sind (LIV 484; TICHY 1983, 49–55. 249). Wie hier ist das Subj. häufig eine Wassermasse (im Kompositum προσπλάζω 12.285, Od. 11.583, im Aor. des Simplex πλῆξα 5.431), die gegen/auf jm./etw. schlägt, hier anschaulich mit καθύπερθεν verstärkt ‘schlug von oben seine Schultern weg’; ähnl. in Il. 17.751 von einem Bergrücken, der das Wasser zurücklenkt (LfgrE s.v. πλάζω 1274.14ff.). 270 1. VH = Od. 22.87; 2. VH ≈ 52 (s.d.). — θυµῷ ἀνιάζων: ἀνιάζω, metr. Variante zu ἀνιάω, ist Denominativum zu ἀνίη ‘Ärgernis, Unlust, Verdruß’; im Akt. meistens intrans. mit der Bed. ‘unlustig sein, sich belästigt fühlen’ verwendet (mit demselben Sinn wie lat. moleste ferre). Auch in der Wendung θυµῷ ἀνιάζων dürfte das Verbum so zu verstehen sein: Sie muß etwa ‘im Herzen gekränkt, indigniert’ bedeuten, was zu dem Gefühl, von den Göttern im Stich gelassen zu werden, paßt (266f., 273f.). An der einzigen Belegstelle sonst, in Od. 22.87 (von einem sterbenden Freier), ist andererseits viell. an eine Analogie zu Ausdrücken wie ἀχνύµενοι κῆρ zu denken (LfgrE s.v. ἀνιά(ω), ἀνιάζω). Zum lokativischen θυµῷ 19n. — ἐδάµνα: zur Verwendung v. δάµνηµι mit einem Begriff für Strapazen als

269 ποσσίν: zum -σσ- R 9.1. 270 θυµῷ: Ortsangabe ohne Präp. (R 19.2). — ὑπό: Adv., ‘unten’. — γούνατ(α): = γόνατα (R 12.5).

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Subj., hier verkörpert vom Fluß, 52n.; hier ist das ‘Bezwingen’ wohl im Sinne eines mächtigen Drucks zu verstehen, der die Knie erschlaffen läßt, also lahmlegt und so eine Kontrolle über sie verunmöglicht.

271 Der weggespülte Sand läßt Achilleus immer weiter sinken (schol. bT) und wirkt im wohl deutlichen Gegensatz zu den im Gleichnis fortgerollten Kieselsteinen (260f.) lebensbedrohlich (LfgrE s.v. ὀχλέοµαι). λάβρος: wohl zu λάζοµαι/λαβεῖν, also urspr. ‘zupackend’; bed. ‘heftig, ungestüm, reißend’, im fgrE nur von Naturkräften (von Wassermassen auch 15.625, 16.385): LfgrE. — ὕπαιθα: 255n. — ὑπέρεπτε ποδοῖιν: ὑπέρεπτε zu ἐρέπτω (203–204n.); mit κονιήν als Obj. und genitivischem ποδοῖιν ‘fraß/schlürfte den Sand unter den Füßen weg’ (LfgrE s.v. ἐρέπτω). Zur Gen./Dat. Dual-Endung -οιιν in ποδοῖιν, das immer am VE steht, 14.228n. (Belege, Entstehung).

272–304 Achilleus betet verzweifelt zu Zeus; Poseidon und Athene sichern ihm ihre Hilfe zu. Achilleus fühlt sich gestärkt. 272–283 Achilleus’ Hinwendung zu Zeus enthält Elemente der Typischen SzeneP ‘Gebet’ (1.37–42n.): die (1) Gebetshaltung (das Aufblicken zum Himmel) in 272 und die (5) Anrufung der Gottheit in 273a. Gleichzeitig ist seine Rede als typische Klagerede eines Mannes gekennzeichnet, sowohl durch die (1) Rede-Einführung, 272, als auch durch die (2) Anrede, 273a, und die (4) Schilderung der Situation, die zur Klage Anlaß gibt (273b–283). Eine eigentliche Aufforderung fehlt (Element 5), wie oft in solchen Klagereden, die sich an die Götter richten, aber die Einräumung eines späteren Todes in 274b kommt ihr nahe, und ebenso enthält die Feststellung der unterlassenen Hilfe eigentlich eine indirekte Aufforderung. Ähnliche Klagereden von Männern finden sich u.a. in 1.352–356, 3.364–368 (s.d.), 8.236–244, 12.164–172, Od. 20.201–225; zum Typus FINGERLE 1939, 173–183; vgl. auch 229– 232n. Die Schilderung der Situation ist speziell durch ihre Länge und ihre Gestaltung in Form von Vorwürfen (allg. gegenüber den Göttern, Il. 21.273b–274, insbes. dann gegenüber der Mutter Thetis, 275f.) und deren Begründung (277f.), an die sich ein Wunsch (279f.) und dann die eigentliche Darstellung der Situation (281), verdeutlicht mit einem Vergleich (282f.), anschließen. Der Wunsch paßt aber zu beidem, zu Gebeten und Klagen (ein Bsp. für eine Wunschbitte, Element 7 in Gebeten, Od. 20.61ff. [PELLICCIA 1995, 269f.]; Wünsche als Bestandteil einer Klage Il. 1.415f., 18.86f., Od. 13.204f., spez. Wünsche, tot zu sein, Il. 4.182b, 18.98f.). Die einzelnen Elemente der Rede insgesamt und ihre Gewichtung unterstützen ihre Funktion, eine kritische Situation zu beleuchten, eine Funktion vieler Reden – Gebete, Klagereden von Männern, Kampfparänesen – insbesondere im Kampfkontext (zu den Gebeten STOEVESANDT 2004, 284), etwa in 3.364–368 (Menelaos im 271 λάβρος: prädikativ zu ῥέων. — ποδοῖιν: Gen. Dual (R 18.1).

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Zweikampf gegen Paris), 8.236–244 (Agamemnon vor dem Schiffskampf), 12.164– 172 (der Troer Asios wegen eines unerwarteten Widerstands vor den Schiffen), 17.645–647 (Aias angesichts der schwierigen Rettung von Patroklos’ Leiche). Wenn in der Aristie des Diomedes der Held nach ersten Erfolgen verwundet wird und Athene um Hilfe bittet (5.115–120), so ist hier der Protagonist in seiner Aristie einer ungleich größeren Gefährdung ausgesetzt, da er dank seiner Rüstung kaum verwundet werden kann und stattdessen mit einem Flußgott als Gegner zu ertrinken droht (KRISCHER 1995, 498; zur Aristie und zur Ersetzung der Verwundung 211– 327n.); ähnlich wirkt in einer Erinnerung der Athene die Lage des wie Achilleus halbgöttlichen Herakles, der die Götter anflehte und Hilfe von Athene benötigte, um die Styx zu überqueren (8.362–369; MATIJEVIĆ 2015, 75). Entsprechend Achilleus’ überragender Rolle und der ungewöhnlichen Situation “läßt sich” seine Rede “als eine emotionale Steigerung der Bitte um Hilfe verstehen”, d.h. mit einer besonderen klagenden “Tonlage” (KRISCHER a.O.): (1) Der Adressat ist, wie sonst oft bei solchen Bitten, Zeus, und dies hat sicher auch mit der besonderen, engeren Beziehung des größten Kämpfers der Achaier mit dem obersten Gott zu tun (184–199n.). Zeus wird aber auch als oberster Gott angesprochen, der andere Götter zur Kooperation, also auch zur Hilfe, entsenden kann (273b–274a; zu Zeus’ Macht über die anderen Götter TSAGARAKIS 1977, 31, mit Hinweis auf 20.191f.: Zeus und Athene helfen gemeinsam Achilleus; 21.284–298 [s.d.]). Die verzweifelte Hoffnung auf den Beistand irgendeines Gottes, aus 266f. wiederaufgenommen, entspricht einem Eingeständnis, daß nur noch göttliche Hilfe retten kann, nach vergeblichen Rettungsversuchen aus eigener Kraft (die Überlegenheit der Götter, insbesondere des Flußgottes, in 264 vom Erzähler konstatiert [s.d.], hier implizit wie häufig in einer Figuren-Rede). Die Klage über fehlende göttliche Unterstützung bei der Abwehr eines Kämpfers (3.365, 13.633) ist durch den stärkeren Vorwurf, nicht vom Tod im Fluß gerettet zu werden, ersetzt und unterstreicht Achilleus’ Isolation (die sich auch in der Tatsache zeigt, daß der überwiegende Teil von Achills Reden zwischen Patroklos’ und Hektors Tod Monologe sind oder wie hier Reden, die sich an Götter/unsterbliche Pferde/sterbende oder tote Menschen richten: PELLICCIA a.O. 218 Anm. 196): Allein ohne andere Kämpfer ringsum, nur mit dem Flußgott, fühlt er sich auch von den Göttern verlassen. (2) Der Vorwurf, von einer Vorhersage getäuscht worden zu sein (276f.), ist nicht unerhört (auch in 12.164–166 von dem Troer Asios gegenüber Zeus vorgebracht, bezogen auf eine Voraussage an Hektor [dazu LOWENSTAM 1981, 41]; das Bewußtsein einer solchen Täuschung ist auch deutlich in einer Aussage von Agamemnon in 9.18–21). Aber das allgemeine Gefühl der Frustration ist besonders kennzeichnend für Achilleus; im 1. und 9. Gesang wegen Agamemnons Wegnahme seines Ehrgeschenks und dessen als unaufrichtig empfundener Wiedergutmachung, nach Patroklos’ Tod dadurch, daß er immer wieder um sein Ziel, Hektor zu töten, ge-

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bracht worden ist, zuletzt getäuscht von Apollon (20.449–451); zum Thema der Täuschung NANNINI 1995, 12. Speziell und die Wirkung der Rede steigernd ist auch, daß die Vorhersage hier sich nicht auf das Übergewicht der jeweiligen Kriegspartei des Sprechers bezieht, auch nicht auf seinen Tod, sondern auf die als erbärmlich empfundenen Umstände des Todes (schol. bT zu 276). (3) Das heroische Ideal, das eine kämpferische Tüchtigkeit, einen allen sichtbaren Tod im offenen Kampf gegen einen Gegner und entsprechenden Nachruhm, auch erkennbar durch ein Grabmal, umfaßt, wird beim Ertrinkungstod verfehlt (man verschwindet; zum Ideal 16.31n.; HORN 2014, 139–144, mit Lit.; zum fehlenden Grab s. auch 122–125n., 316–323n.). Ebenso fürchtet auch Odysseus in Od. 5.299–312 den Tod im Meer (zu wörtl. Entsprechungen und weiteren Vergleichen USENER 1990, 143–145; PUCCI 2012, 434–437; vergleichbar ist auch Aias’ Bitte um einen Kampf und einen Tod ohne Nebel in Il. 17.645–647). Angesichts der bei anderen Helden nicht thematisierten Wahl eines solchen heroischen Lebens, die Achilleus im Bewußtsein des damit verbundenen frühen Todes getroffen hatte (1.352, 9.411– 416, 18.114–126), wird der Held aber nun ganz besonders tief getroffen und mit dem völligen Versagen seiner physischen und psychischen Fähigkeiten konfrontiert: Er findet keinen Halt mehr mit den Füßen (265–271n.), er kann sich nicht mehr auf sein Ziel, viele Troer und dann Hektor zu töten (18.114–126n.), konzentrieren (verzweifelter Wunsch nach einem Sieg Hektors in 279f. kurz nach dem offen gelassenen Ausgang des Zweikampfs in 225f.). Es bleibt ihm nur noch, sich seiner Frustration mit einer Klagerede Luft machen (zum fehlenden Halt COLLOBERT 2011, 47; zur “tiefste[n] Erniedrigung” von Achilleus SCHADEWALDT [1944] 1965, 290; MUELLER [1984] 2009, 61). Durch die Situationsschilderung in der Rede wird so wieder ein alternativer Ausgang des Flußkampfes vorgeführt (MORRISON 1992, 47; 308–323n.). Achills Orientierung an einem heroischen Tod auch in der größten Gefährdung und in dem Gefühl der Erniedrigung (273 Selbstbezeichung als eleeinón ‘erbarmungswürdig’) sowie das Bewußtsein und die Akzeptanz der eigenen Sterblichkeit zeichnen ihn auch hier wieder als besondere Figur aus (wie in 108– 113 [99–113n.]; zur Vertiefung seiner Charakterisierung durch das Motiv ‘früher Tod’ BURGESS 2009, 54f.). 272 ≈ 3.364; 2. VH = 7.178, 7.201, 19.257; ≈ 5.867. — Wie das (hier Achilleus wohl nicht mögliche) Erheben der Hände übliche Haltung eines Betenden mit der Funktion, den Kontakt zum Gott zu schaffen (3.364n. mit Lit.), hier Zeus zum Zeugen anzurufen (272–283n.: Element 4 der Klage). Zum Himmel als Wohnsitz der Götter 267n.; es mag auch speziell an Zeus als Himmelsgott gedacht sein (zu der schon idg. Verbindung der Hauptgottheit mit dem Himmel DUNKEL 1988–1990, 2f.; WEST 2007, 168). Die Weite des Himmels ist vielleicht sekundär fokalisiertP (sie wirkt unergründlich) und könnte so die scheinbare Gleichgültigkeit ihrer Bewohner gegenüber dem Kampf des Menschen im weiten tödlichen Wasser des Flußgottes

Kommentar

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widerspiegeln. Dann würde der Hinweis auf den Blick die Emphase der Klage verstärken, wie an den Iteratstellen (s.o.): PUCCI 2012, 427. 432. 436. ᾤµωξεν: bez. den Aufschrei von Männern bei körperl. od. seel. Schmerz (24.591n.). — οὐρανὸν εὐρύν: flektierbare VE-Formel (267n.), nach ἰδών und einer Variante davon, s. Iterata, sonst 1× Od., 2× Hes.; Variante zur Kombination mit ἰδών am VA οὐρανὸν εἰσανιδών 16.232, 24.307.

273 ‘Zeus Vater’ ist eine sowohl von Menschen als auch von Göttern benutzte Anrede; zu idg. und oriental. Parallelen der Kombination des Götternamens mit der Bez. ‘Vater’ (vgl. lat. Iu-piter) und ihrer Bed. s. 83n.; SCHMITT 1967, 150–152; WEST 1997, 108f. Die Formel stammt wohl aus ererbter hymnischer Götterdichtung (SCHMITT a.O. 152).

Ζεῦ πάτερ: VA-Formel (21× Il., 11× Od., 1× Hes., 1× hom.h.); vgl. die VE-Formel πατὴρ ἀνδρῶν τε θεῶν τε (1.544n.). — ὡς: exklamativ (wörtl. ‘wie’, d.h. ‘daß’: AH); eine der seltenen Stellen (noch Od. 2.233, 16.364, 22.319), in denen ὡς in dieser Funktion nicht mit einem Adj. oder Adv. verbunden ist (wie in Il. 21.441): LEAF; SCHW. 2.668. — ἐλεεινόν: Wie in 74 (s.d.) und 24.309 (über Priamos) bezeichnet der Stamm ἐλε- den Impuls zum Handeln; das Adj. ist mit mehr konzessiver als kausaler Sinngebung mit der Bed. ‘erbarmungswürdig’ verwendet (PAUL 1969, 7; KIM 2000, 63 Anm. 56). — ὑπέστη: ‘es unternahm, auf sich nahm’, in 457 im Sinne eines Versprechens (LfgrE s.v. ἵστηµι 1245.34ff.). 274 2. VH ≈ Od. 15.378. — ἔπειτα: d.h. nach der Rettung aus dem Fluß (schol. T). — καί τι πάθοιµι: konzessiver Opt., mit καί ‘auch’ (AH: ‘mag mich auch Leid treffen’; CHANTR. 2.216). πάσχω wird öfters mit τι im euphemistischen Sinne von ‘Tod’ verbunden, so auch in Befürchtungen und Absichtserklärungen (5.567, 10.26, 11.470, 13.52, 20.126): LfgrE s.v. πάσχω 1035.55ff.

275–278 Von den Prophezeiungen von Achilleus’ Tod (110–113n.) gehen verschiedene explizit auf Informationen durch Thetis zurück (1.352, 1.415–418, 9.410–416, 18.95f. in der Ilias; wohl auch in 16.36 vorausgesetzt, s.d., mit weiteren Stellen außerhalb der Ilias und Lit.). Da wiederholte Prophezeiungen vorausgesetzt sind (17.408 ‘denn das hatte er oft von der Mutter erfahren’, ausnahmsweise im Erzähler-Text), jedoch von Beginn weg von Figuren nur angedeutet werden, sollen die Hörer wohl annehmen, daß Thetis schon vor Achilleus’ Kampf vor Troia, etwa beim Auszug aus Griechenland, ihren Sohn informiert hatte (externe ProlepsenP; REINHARDT 1961, 33f.; BURGESS 2009, 44. 47–49; KULLMANN 1960, 269: Einflüsse aus traditionellen Erzählungen vor dem hom. Epos vermutet); daß gewisse Details – hier der Tod durch Pfeile Apollons – , erst in späteren Gesängen wie diesem erwähnt werden, hat mit der Funktion dieser Details zu tun, vornehmlich die Gefühlslage der davon Sprechenden zu kennzeichnen (hier Frustration über einen unheroischen 273 ἐλεεινόν: zu µε. 274 ποταµοῖο: zur Form R 11.2. — σαῶσαι· ἔπειτα: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — σαῶσαι: zur unkontrahierten Form R 6.

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Tod: 272–283n., 278n.; vgl. auch das allg. Prinzip des ‘Ad Hoc-Erzählens’P). Die ‘(indirekte) Rede in der Rede’ (‘embedded speech’) steht auch nicht im Widerspruch zu derjenigen in 9.410–416: Die dort von Achilleus als von Thetis vorgebrachte und erneut als möglich dargestellte Wahl zwischen einem langen, aber ruhmlosen, oder einem ruhmvollen kurzen Leben hat Achilleus, so wird vom Erzähler im 9. Gesang klargemacht, eigentlich schon längst zugunsten letzterem entschieden (sicher vor der Abfahrt nach Troia zu denken; 1.352n.) – es sei denn, die Wahl sei als “Augenblickserfindung” und als rhetorisches Argument zu betrachten (WILLCOCK 1977, 49; zu einem ähnl. Fall 16.36n.). Eine an die Entscheidung anschließende entsprechende Prophezeiung über die Umstände des Todes nach dem kurzen Leben, wie sie hier vorausgesetzt ist, ließe sich dann jedenfalls gut vorstellen (DE JONG [1987] 2004, 280f. Anm. 59; BURGESS a.O. 50–52; allg. Lit. zu ‘Reden in Reden’: 16.203–206n.). 275–276 1. VH v. 275 ≈ h.Ap. 53; 1. VH v. 276 = Od. 2.88. — οὐ τόσον … | ἀλλά: Statt der Nennung des Urhebers durch eine gegenüberstellende Verneinung wie in Od. 8.311f. ἀτὰρ οὔ τί µοι αἴτιος ἄλλος, | ἀλλά, 11.558f./22.154ff./h.Cer. 77f. οὐδέ τις ἄλλος | αἴτιος, (ἀλλά/εἰ µή) (Stellen bei ROTH 1989, 136) wird mit οὐ τόσσον eine Gewichtung vorgenommen, die die Schuld der Götter im Vergleich zu derjenigen von Thetis nicht als ganz bedeutungslos abtut. Die Adversativpartikel ἀλλά (‘sondern/als vielmehr’) ersetzt dabei wie in Il. 8.423, Od. 14.144 korrelatives ὅσον/ὡς. Weitere solche Gewichtungen: 6.335–336n.; KELLY 2007, 329–331. — Οὐρανιώνων: immer am VE und im Pl., im Nom. in der VEFormelP θεοὶ οὐρανίωνες (1.570n., dort auch zur Ableitung von οὐράνιος, dessen Synonym es meistens ist). Hier wie überwiegend zur Bezeichnung aller Götter (entsprechend der Umschreibung in 267), kaum i.S.v. ‘der Himmlischen, Bewohner des Himmels’ als Abgrenzung gegenüber Achills Mutter Thetis (276), der Tochter des Meeresgottes, die in der See lebt (1.358/18.36; FG 20; schol. T zu 275). — φίλη µήτηρ: Der Kontext erfordert hier klar eine possessive Bedeutung von φίλος, wie in 9.555 (Meleager grollt seiner Mutter): KAKRIDIS 1963, 5; zu den beiden Nuancen von φίλος 101n. — ψεύδεσσιν ἔθελγεν: ψεύδεσσιν ‘falsche Versprechungen’ ist wie in Od. 14.387 mit θέλγω ‘betören’ verbunden (LfgrE s.vv. ψεῦδος, θέλγω), ein Verb, das die absichtliche Falschheit ausdrückt; da dieses Wort in der Ilias nur von Göttern verwendet wird, klingt darin auch Magie an (KULLMANN 1956, 679). Die damit bewirkte Emphase wird dadurch verstärkt, daß auch von der enttäuschten Hoffnung die Rede ist (Il. 21.277f.); ebenso in 604, Od. 14.387, h.Cer. 37 (LfgrE s.v. θέλγω).

277 Mauer: in der Ilias erste Erwähnung des Ortes, an dem Achilleus fällt; später ebenso in 23.81, präzisiert in 22.360 (am Skäischen Tor); zu nachhom., auch ikonographischen, Quellen für einen Tod während der Belagerung von Troia BURGESS 2009, 38f. Zu Apollon als Beschützer von Troias Mauern und Toren 435–469n.

276 ψεύδεσσιν: zur Flexion R 11.3. 277 ἥ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἔφατο: 3. Sg. Impf. zu φηµί; zum Medium R 23. — τείχεϊ: zur unkontrahierten Form R 6. — θωρηκτάων: zur Flexion R 11.1.

Kommentar

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θωρηκτάων: ‘Gepanzerter’, entweder denominativ von θώρηξ abgeleitet (LEUKART 1994, 139f., mit Doxographie; REDARD 1949, 232 Anm. 8) oder wie andere Bezeichnungen für den Krieger deverbativ, da offenbar als Ableitung von θωρήσσω empfunden (mit Adv. πύκα in 12.317, 15.689, 15.739; RISCH 34; TRÜMPY 1950, 15); immer am VE als Apposition zu einem Ethnikon (wie hier, ebenfalls mit Τρώων, vor der Zäsur B 1 in 15.689, 15.739), im Gen. Pl. außer in 429 (LfgrE). Eine ganze Reihe von Wörtern auf -(τ)ής wird im hom. Epos synonym, aber z.T. als Varianten in versch. Formeln und Versstellen in der Bed. ‘Krieger’ verwendet, so noch ἀσπιστής/ἀσπιδιώτης (2.1–2a n., 4.90n.), αἰχµητής (3.49n.), κορυστής (18.163n.), µαχητής (3× Il., 3× Od.), πολεµιστής (16.492n.): RISCH a.O.

278 schnellen: die schnell fliegen und sofort töten (schol. bT): Apollon und seine Schwester sind als Bogenschützen allg. Bringer eines unvermittelten Todes (1.43– 52n.; zu Apollon als Bogenschütze s. 229n.). Der Tod durch einen Pfeil hebt die Bedeutung eines Kämpfers hervor: Achilleus kann nur aus einer sicheren Warte im Fernkampf überwältigt werden (MACKIE 2008, 126; zur ambivalenten Bewertung der Bogenschützen 3.17n. mit Lit.; GRAF 2009, 14f.; weitere Lit. s. KELLY 2007, 263 Anm. 1). — Apollons: Schon Achills Pferd Xanthos hatte den Tod durch einen Gott geweissagt (19.416b–417); der sterbende Hektor wird Achills Tötung durch Paris und Apollon ankündigen (22.359f.), die auch in der Aithiopis berichtet wurde (Aithiopis, Prokl. Chrest. § 3 West). Die bloßen Anspielungen im hom. Epos machen eine traditionelle Erzählung wahrscheinlich (BURGESS 2009, 38. 43. 46f.). Apollons Rolle erklärt sich durch seine Parteinahme für Troia und seine Funktion als Bogenschütze (s.o.) sowie durch die Tatsache, daß er Epheben beschützt, aber auch tötet (435–469n.; der Gott wird selbst auch als jugendlich dargestellt, deshalb BURKERT [1977] 2011, 227f.: “hier ist eine geheimnisvolle Fast-Identität von Gott und Opfer im Spiel, wie bei Artemis und Iphigenie; gerade der erblühte Jüngling, noch unverheiratete, noch im Schmuck des langen Haars, fällt durch eben diesen Gott”; zum Gegensatz zwischen Apollon und Achilleus s. auch NTHS 52). Daß Paris hier nicht erwähnt wird (im Gegensatz zu 22.359; in 19.417 ist die Rede von einem Gott und einem Menschen), hat mit dem Kontext zu tun, der Hervorhebung in der Rede, daß ein heroischer Tod nun entgegen den Voraussagen verwehrt scheint: Dieses Ende wäre durch die Erwähnung von Paris nicht noch mehr erhöht; ein göttlicher Gegner dagegen, der mit einem im Vergleich zum Gott viel unbedeutenderen Menschen zusammenwirkt, wird nur besonderen Kämpfern zuteil (ebenso noch Apollon gegen Patroklos in 16.784ff. und Athene gegen Hektor in 22.215ff.), und der olympische Apollon steht überdies weit über dem Flußgott Skamandros, ein Tod durch ihn wäre gemäß dem Sprecher vorzuziehen (FAESI zu 277: er wäre ehrenvoll). Zu Apollon mit dem Bogen als Partner des Bogenschützen Paris, viell. in einer vorhom. Tradition als dessen Lehrer und Beschützer, ERBSE 1986, 189f.

278 ὀλέεσθαι: zur unkontrahierten Form R 6.

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Ilias 21

Zur Ausgestaltung der einzelnen Voraussagen von Achilleus’ Tod je nach Kontext s. allg. auch BURGESS 2009, 54. Emphatischer Vier-Wort-Vers (28n.), der wie in anderen solchen Versen mit Inf. (Liste: BASSETT 1919, 221f.) einen bestimmten Inhalt, hier die Todesart, hervorhebt; die Emphase wird noch durch die Wortstellung (Hyperbaton) von λαιψηροῖς und βελέεσσιν am VA bzw. am VE verstärkt (RICHARDSON zu 276–8).

279–280 Hektor, der im 21. Gesang öfter erwähnt wird (vorher in 5, 95, 225 [s.d.]), ist der beste Kämpfer und Anführer der Troer (6.77–79, 17.513; 6.402–403n., mit Stellensammlung und Lit.). Wie grundsätzlich die Beziehung zwischen Kämpfenden von einer gewissen Anerkennung des Gegners geprägt ist, so würdigt auch hier Achilleus Hektors Leistungen, allerdings mit der Einschränkung, daß Hektors Bedeutung nur relativ, bezogen auf die Gruppe der Troer, sehr hoch ist (279 entháde ‘hier’, d.h. bei den Troern), und – implizit – seinen Rang nicht erreicht (auch wenn er in 280 Hektor ebenso wie sich selbst als agathós ‘tüchtig’ bezeichnet; zu Achills Selbstbewußtsein s. auch 108): STOEVESANDT 2004, 90. 346f. Der tatsächliche Unterschied, schon von Hektor selbst in 20.434 eingestanden und von Priamos als Mahnung an seinen Sohn in 22.40 hervorgehoben (s. DE JONG z.St.), bestätigt sich dann in der Erzählung von Hektors Tod im 22. Gesang (bes. deutlich in 22.158). Daß ein Kampf und auch der Tod nach einer Auseinandersetzung mit einem möglichst ebenbürtigen Gegner natürlicherweise am ruhmvollsten gilt, zeigen viele Stellen (Erzählung: 16.428–430, 16.756–761 Gleichnisse für die Ebenbürtigkeit der zwei Gegner [s.dd.], 16.744: Patroklos als würdiger Gegner Hektors [16.745–750n. a.E.]; Rede: in 13.238 Hervorhebung der eigenen Tüchtigkeit; damit verbunden ist die Bedeutung der Genealogie als Ausweis: 141–143n., 153–160n.; COLLOBERT 2011, 175 Anm. 6). 279 1. VH bis zur Zäsur A 3 = 6.345; 2. VH ≈ 23.348, Od. 2.51; vgl. ‘Hes.’ fr. 165.11 M.-W. (ἄριστοι … ἔτραφεν). — ὥς … ὄφελ(ε): unerfüllbarer Wunsch der Vergangenheit, ebenso 3.173, 3.428, 6.345 (s.o.) u.ö. (SCHW. 2.346). ὡς unterstreicht wie εἴθε das Bedauern (‘wie sehr’, ähnl. ‘ach!’; CHANTR. 2.228). — ἐνθάδε γ(ε): ‘hier wenigstens’ (in Troia, und als Mensch): FAESI. — ἔτραφ(ε): Der starke Aor.-Akt. wird bei Homer intransitiv gebraucht (‘ist aufgewachsen’; wie im ähnl. Halbvers 23.348, s.o.): CHANTR. 1.390. Zu den besser überlieferten Formen ἐτράφ(η) (mit ungewöhnlicher – aber notwendiger – Elision von -η) und Perf. τέτραφ᾿ (statt Perf. τέτροφε(ν) wie in Od. 23.237: SCHW. 1.769) s. app. crit. von WEST u. LEAF. 280 1. VH ≈ ‘Hes.’ fr. 25.37 M.-W. — τώ: ‘dann’ (190–191n.). — ἀγαθὸς … ἀγαθόν: Polyptoton; häufig mit einem Adj. wie hier, ähnl. in zwei Sätzen in 1.267 oder hom.h. 10.2f. (FEHLING 1969, 217; weitere Lit. s. 19.290b n.). — ἔπεφν(ε) ̣… ἐξενάριξεν: Irrealis mit Modalpartikel κ(εν) nach einem unerfüllbaren Wunsch (279) wie in 22.427 (CHANTR. 2.227;

279 κτεῖναι: = ἀποκτεῖναι. 280 κ(ε) …, … κεν: = ἄν (R 24.5).

Kommentar

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die Wiederholung der Partikel ist üblich, etwa auch in Od. 4.733f.: DIHLE 1970, 79). Zur Form ἔπεφν(ε) 21n.; zur Bed. von ἐξενάριξεν 183n.

281 = Od. 5.312; ≈ 24.34; VA bis zur Zäsur A 3 = Il. 6.337. — war es mein Los: wörtl. ‘war … zugeteilt’: Dahinter steht der Glaube, daß das Schicksal eines Menschen – bes. der Moment seines Todes – von der Geburt an festgelegt ist; jeder Mensch erhält seinen Anteil (móira ‘Anteil’, dann ‘das vom Schicksal Zugeteilte’, meist i.S.v. ‘Todesschicksal’: LfgrE s.v.); weitere Stellen und Lit. s. 2.155n.; 6.487– 488n. Hier ist vor allem die Todesart gemeint, die Umstände des Todes (wie im Iteratvers; DIETRICH 1965, 264): Er ist jämmerlich (leugaléō), denn das Ertrinken im Fluß ist eines Helden nicht würdig (272–283n.; ANASTASSIOU 1973, 175). Dabei wird der Tod wie ein mythischer Sieger gesehen, der das Werk eines menschlichen oder wie hier göttlichen Angreifers vollendet; man muß vor ihm fliehen (66n.), aber er läßt einen wie der Fluß nicht entkommen (hier halōnai ‘sich erwischen lassen’): CLARKE 1999, 243–247; TSAGALIS 2004, 182; vgl. auch das Bild von den Händen des Todes in der Hauptüberlieferung von 548 (s.d.). νῦν δέ: führt normalerweise einen wirklichen Sachverhalt ein (2.82n.); hier aber nur eine eigentlich unzutreffende Meinung über die Wirklichkeit (ebenso in Od. 1.166). Die Wendung ist charakteristisch für Achills Sprache in ihrer Kombination von Vorgestelltem (277–280) und der aktuellen Situation (1.354b–356n.). — λευγαλέῳ: von der gleichen Wurzel wie λυγρός (und verwandt mit lat. lugere), mit Erweiterung durch ein Calandsches Suffix als Adj. auf -αλέος gebildet (ein ebensolches Paar: ἐρευθαλέος neben ἐρυθρός): DELG s.v. λευγαλέος; RISCH 104; MAWET 1979, 272 mit Anm. 35. Das Suffix bezeichnet wie bei anderen Adj., z.B. ἀργαλέος, σµερδαλέος, einen Affektzustand (RISCH a.O.): Mit λευγαλέος wird etwas charakterisiert, das Abscheu einflößt, d.h. eine Mischung aus Leid, Mitleid und Widerwillen erregt; es gehört zur Figuren-SpracheP. Das Wort wird weitgehend synonym mit λυγρός verwendet. In seiner Bedeutung als Epitheton von θάνατος (an ders. Versstelle noch Od. 5.312, am VA in 15.359) ist es deshalb vergleichbar mit derjenigen von λυγρός bei ὄλεθρος (formelhaft am VE und nach der Zäsur A 3, insges. 6× Il., 10× Od.), aber es bezieht sich mehr auf eine konkrete Todesart und deren Schilderung und enthält eine Nuance der Würdelosigkeit (‘jämmerlich’): ATHANASSIOU 1973, 173–176. Damit gehört es in eine Reihe von negativen Wertungen des Todes (66n.) und wird entsprechend überwiegend in direkter Rede gebraucht (LfgrE). — εἵµαρτο: Plpf. Pass. der schwundstufigen Wurzel von µείροµαι ‘Anteil erhalten’ (< *sé-smr̥-to, auch im Iteratvers Od. 5.312 und der Variante davon in 24.34, außerdem in Hes. Th. 894; sonst sind von diesem Verbum im fgrE nur 1× Il., 2× Hes. eine Präsens-Form und 2× Il., 2× Od., 4× Hes., 1× hom.h. das Pf. ἔµµορε belegt: LfgrE; DELG u. BEEKES s.v. µείροµαι. Die Wurzel ist dieselbe wie in µοῖρα ‘Anteil, Schicksal’. Das Verbum ist immer unpersönl. vom Schicksal mit der Bed. ‘es war zugeteilt’ mit AcI gebraucht, im hom. Epos in direkter Rede und hier wie im Iteratvers vom Sprecher auf eine von ihm nicht bemerkte, doch feststehende Todesart bezogen (deshalb Plpf.): LEITZKE 1930, 11; DIETRICH 1965, 264f. (AH: das Plpf. entspricht dem Tempus im unerfüllbaren Wunsch-

281 θανάτῳ εἵµαρτο: zum Hiat R 5.6. — εἵµαρτο (ϝ)αλῶναι: zur Prosodie R 4.3.

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satz in 279, dem Impf. ὄφελε). — ἁλῶναι: Wurzel-Aor. (nachhom. mit erweitertem Präs. ἁλίσκοµαι: SCHW. 1.359, 741) mit der Bed. ‘in eine ausweglose (d.h. tödliche) Situation geraten, dran glauben müssen, sich erwischen lassen’; oft Synonym von ‘fallen’ (im Kampf), hier in Verbindung mit θανάτῳ Wiederaufnahme des aktivischen, neutralen κτεῖναι in 279 in einem passivischen, subjektiveren Ausdruck (LfgrE s.v. ἁλῶναι).

282–283 Achilleus’ VergleichP mit einem Schweinehirten ist einer der seltenen Belege für die Schweinehaltung in der Ilias (sonst werden nur Wildschweine erwähnt oder Schweine als Opfertiere, dazu 19.196–197n.), stimmt aber in dem, was an Kenntnissen der Hörer davon vorausgesetzt ist, mit den ausführlicheren Schilderungen in der Odyssee rund um die Gestalt des Schweinehirten Eumaios an Odysseus’ Hof überein. Schweine wurden als Schlachttiere gezüchtet und gemästet, in kleinen Betrieben immer in Koben gehalten (Od. 10.238/320/389), in großen tagsüber wie Schafe und Rinder von jeweils einzelnen Hirten in die Wälder zur Mast mit Eicheln, Bucheckern etc. getrieben (Od. 13.407–410, 14.24–26, 14.410–412; zum Futter der Schweine vgl. auch Kirkes Mast in Od. 10.242f.; RICHTER 1968, 64– 69). Hirten werden auch sonst in GleichnissenP und Vergleichen in ihrem schwierigen Einsatz in den Bergen gezeigt, bei ungünstiger Witterung – wie hier im Winter, wenn die Flüsse in der Regenzeit viel Wasser führen – auch in Il. 3.10ff., 4.275, 4.452–456 (3.11n. mit Lit.; HAUBOLD 2000, 18–20; zur Regenzeit schol. bT zu 283). Daß der Schweinehirt noch nicht erwachsen ist (282), unterstreicht noch die Schwäche des Hirten im Fluß, viell. auch seine Unvorsichtigkeit und mangelnde Umsicht, wohl ähnlich wie im Gleichnis in 11.558ff. (Kindern gelingt es kaum, einen Esel von einem Saatfeld zu vertreiben; SCOTT 2009, 69, meint, hier in dem Vergleich sei ein Fehler des Kindes vorausgesetzt). Kinder werden im hom. Epos allg. oft als schwach, unverständig und unfähig dargestellt (etwa auch in 2.289f., 2.337f., 11.389f., 13.470, Od. 4.32; FRÄNKEL 1921, 90; SCOTT 1974, 74; INGALLS 1998, 17. 20) und sind so ein Bild für den unkriegerischen, weichlichen Menschen (16.7–11n., mit Lit.). Der Vergleich des Sprechers Achilleus, der sich eben noch selbst als innerlich und äußerlich hervorragenden Kämpfer bezeichnet hat (Il. 21.108), gerade mit einem noch nicht erwachsenen Schweinehirten illustriert auf diese Weise noch zusätzlich den eigentlichen Vergleichspunkt, den als unheroischen, erniedrigend empfundenen Tod im reißenden Wasser, das weder Halt noch Flucht ermöglicht (283 apoérsē ‘fortreißt’ entspricht der Schilderung 270f.). Ausgerechnet Achilleus, der vorher unzählige Troer in kurzer Zeit im Flußbett getötet hat (17ff.) und selbst wie andere Kämpfer einem reißenden Strom glich, droht nun der Ertrinkungstod (schol. bT zu 282; zu den Gleichnissen mit reißenden Strömen 211–327n.; zum Vergleich der Bewegung von Kämpfern mit Wasser gehören auch die Wellengleichnisse, 4.422–432n.), und die an den immer schwierigeren Kampf mit dem Wasser angepaßten Bilder von ihm (Adler 251–254a, Kanalbauer 257– 282 ἐρχθέντ(α): Ptz. Aor. Pass. zu ἔργω ‘einschließen’.

Kommentar

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263, Schweinehirt) offenbaren, wie er nun das höchste Maß an Hilflosigkeit erreicht hat; die Situation des Hirten allein in den Bergen symbolisiert wohl auch Achilleus’ Isolation in seinem einsamen Kampf auf dem besonderen Schlachtfeld (READY 2011, 197; zur Einsamkeit in den Bergen allg. ELLIGER 1975, 89). Vergleiche wie hier und Gleichnisse sind relativ selten in direkten Reden, aber überproportional häufig in Achilleus’ Reden (2.289n.; MOULTON 1977, 100f.): Das spiegelt das Bestreben des Dichters, dieser FigurP einen individuellen Sprachstil zu verleihen (16.7–11n. mit Lit.). So zeigen sich auch ähnliche Bilder von Achilleus in seinen Reden in 9.323ff. (Vogelmutter) und 16.7–11 (Mutter), die trotz unterschiedlichem Ton jeweils “an eye for the helpless and the vulnerable” verraten (GRIFFIN 1986, 53). Es ist auch nicht ganz auszuschließen, daß ebenso wie in diesen anderen Vergleichen Achilleus’ Verantwortungsgefühl für seine Leute bzw. seinen Freund Patroklos, hier gleich dem eines Hirten für seine Tiere, angedeutet ist (ob die Distanz zwischen dem elenden und dem heroischen Tod auch den sozialen Abstand zwischen dem Schweinehirten und dem Helden umfaßt, ist im übrigen nicht klar: wir wissen nur von Königssöhnen, die Rinder oder Schafe, nicht aber von solchen, die Schweine hüten; s. die Stellen bei 6.424n. u. die oben erwähnte Lit. zur Schweinezucht). ὡς: seltene Stellung vor einem Subst. ohne finites Verbum (Parallelen 17.4, Od. 12.433, 15.479); viel häufiger nachgestellt und akzentuiert oder aber vorangestellt, jedoch gefolgt von τε, wie in Il. 21.493 (LEAF; LEE 1964, 18; RUIJGH 600). — συφορβόν: verbales Rektionskompositum, zu σῦς ‘Schwein’ und φέρβω ‘nähren’ (2× Hes., 3× hom.h.), ‘Schweinehirt’ (RISCH 196 [mit Anm. 16 zum Akzent]. 199). Es gibt im fgrE drei versch. Bezeichnungen für den Schweinehirten: das weitaus häufigste συβώτης (70× Od.) und, weniger häufig, ὑφορβός (21× Od., fast immer am VE) und seine Variante mit anderem Anlaut συφορβός (noch 7× Od.): MOUSSY 1969, 34f. Der Anlaut mit Sigma in σῦς und seinen Ableitungen ist unerklärt (ὗς lautgesetzlich aus idg. *suH-s, entsprechend lat. sus; s- aber schon in myk. su-qo-ta = συβώτης belegt, s. MYK): LEJEUNE (1972) 1987, 92 Anm. 2; DELG u. BEEKES s.v. σῦς. συφορβός bezeichnet fast immer Odysseus’ alten Hirten, Eumaios; hier dient es als Apposition zu παῖδα (sinngemäß dt. ‘junger Schweinehirt’). Der Akk. im Vergleich erklärt sich wahrscheinlich durch eine Anpassung an µε (281) und entspricht ὡς παῖς συφορβὸς ἐέρχθη: RUIJGH 580. 600. 283 ὅν ῥά τ(ε) … ἀποέρσῃ: Einfache VergleicheP wie hier oder GleichnisseP werden oft durch Appositionen oder Relativsätze erweitert (LEE 1964, 10f.; EDWARDS, Introd. 26), letztere öfter mit ῥά τε nach dem Rel.-Pron. und mit Konj. (noch 10× Il.). Zu ῥα als metr. Füllsel RUIJGH 438; zur Wahl des Konj. statt des Ind. aus metr. Gründen RUIJGH a.O. 443; vgl. 2.147–148 die wechselnden Modi in Gleichnissen. — ἔναυλος: nur hier nicht am VE; entspricht im Vergleich ποταµῷ (282) und bed. ‘Gießbach, reißender Bergbach, Fluß’, ebenso in 312, viell. mit dieser Bed. auch in 16.71 (dort mögl. auch ‘Flußbetten’); die Etymologie ist unsicher, auch weil das Verhältnis zur Bed. ‘Graben, Schlucht, Revier’ des gleichlauten-

283 ῥά: = ἄρα (R 24.1). — τ(ε): ‘episches τε’ (R 24.11).

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den Wortes in Hes. Th. 129, h.Ven. 74, 124, hom.h. 14.5, 26.8 nicht geklärt ist (LfgrE; eine möglicherweise analoge Bedeutungsentwicklung bei χάραδρα s. bei FRISK s.v. ἔναυλος). — ἀποέρσῃ: s-Aor. zur Wurzel *uert- (‘drehen’, vgl. lat. a-vert-ere); das Kompo-situm bed. ‘fortreißen’ (FORSSMAN 1980, 192; LIV 692; leicht zögernd BEEKES s.v. ἀπόερσε; anders DELG s.v. ἀπούρας, mit Lit.: zur Wurzel von ἀπ-ηύρα ‘wegnehmen’); zur Prosodie: metr. Dehnung ἀπο̄έρσῃ od. ‘Positionslänge’ bei etymologisch eigtl. unberechtigtem Doppeldigamma ἀπο(ϝϝ)έρσῃ, ebenso ἀποέρσειε in 329 (G 41 mit Anm. 22), Normalmessung mit einfachem ϝ in ἀπόερσε 6.348. — περῶντα: zu περάω (40n.).

284–298 Entsprechend den Gebetselementen der vorhergehenden Rede (272–283n.) folgt eine göttliche Reaktion (Element 9 der Typischen Szene ‘Gebet’, 1.37–42n.; PELLICCIA 1995, 270). Sie ist positiv, wie meist; auch sonst erhört der speziell angerufene Zeus Gebete (8.245f., 15.377f., 17.648–650; ein besonderer Fall ist 16.249–252, s.d.). Allerdings erfolgt der Zuspruch an Achilleus nur indirekt, mit Zeus’ Zustimmung (s.u.). Achilleus’ Klagerede in einer großen Notlage bewirkt eine eigentliche Intervention, mit einer bezeichnenden Schnelligkeit (284; solche Eingriffe erfolgen allg. meistens rasch, etwa auch in 1.401f., 2.244). Die ganze Abfolge – Klage, Zuspruch und die Fortsetzung, d.h. erneute Bedrängnis und dann endgültige Rettung (324ff.), – entspricht auch in wörtlichen Anklängen derjenigen einer Szene mit Odysseus im Meer in Od. 5.299ff. (USENER 1990, 141–147). Die Intervention selbst wird mit Elementen erzählt, die teilweise naturgemäß zur Typischen Szene ‘Ankunft’ bzw. ‘Botengang’ (Elemente ‘Herangehen’ und ‘Rede’: 1.320–348n., 1.496b–502n., 2.172n.) und allg. zur Epiphanie einer Gottheit gehören (dazu DE JONG zu Od. 96–124): Herbeitreten (Il. 21.284b–285a), Erscheinung (285b), Ergreifen der Hand (286a), angekündigte Wirkung der Rede (286b), RedeEinleitung (287), Rede (288–297 mit der Enthüllung der Identität in 290b), RedeAbschluß und Abgang (298), Wirkung der Rede (299–304). Die Abfolge entspricht damit weitgehend anderen Ermutigungs- und Trostreden von Göttern nach Klagen, ebenso die Struktur der Rede selbst – Ermutigung (288), Begründung (289–292), Aufforderung (293–297); ähnl. Reden 14.139–146, 19.8–11, Od. 4.543–547, 10.457–465; vgl. Hektors Rede in 6.486–493 (FINGERLE 1939, 185ff. 190f.; KURZ 1966, 108). Hier soll die Rede Achilleus jeden Zweifel an der Wahrheit von Thetis’ Prophezeiung nehmen und ihm bestätigen, daß er das Ziel seines Rachefeldzugs, Hektors Tötung, erreicht (SCHEIBNER 1939, 73). Dabei antwortet der Göttervater Zeus wie nach anderen an ihn gerichteten Klagen oder Gebeten (Il. 3.364ff., 8.245ff.) nicht direkt, aber während er sonst durch Vorzeichen reagiert oder einen Vertreter schickt, intervenieren hier wohl wegen der besonderen Notlage des hervorragenden Helden zwei Götter (schol. bT zu 284–286), Poseidon und Athene als Vertreter der Achaierpartei (20.33f.; zu Poseidons Parteinahme 435–469n., 14.135– 152n.; zu Athene als Gegnerin Troias aufgrund des Paris-Urteils 391–433n., 4.7– 19n., 19.342n.). Athene erscheint Achilleus wiederholt (1.199n.) und wird ihm insbesondere im Kampf gegen Hektor helfen (22.214ff.); ihre Wirkung auf Achilleus

Kommentar

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wird auch besonders hervorgehoben (304b). Damit wird auch Heras Wunsch erfüllt, Poseidon und Athene sollten Achilleus unterstützen (vorerst gegen Aineias, aber auch später; deshalb ist 20.120b ff. wohl eine ProlepseP der vorl. Stelle): WEST 2011, 378. Nach der tiefsten Erniedrigung beginnt so mit Hilfe der Götter, auf die Achilleus angewiesen ist (272–283n.), wieder seine Erhöhung, zunächst mit der Prophezeiung 291–297, dann direkt durch Stärkung seiner Widerstandskraft (299ff.), parallel zur Stärkung von Asteropaios durch den Gott Skamandros (145f.) und schließlich, als letztem Mittel und auf der letzten Stufe des Flußkampfes, durch Intervention von Hera und ihre Entsendung von Hephaistos (328–342; VAN DER VALK 1964, 410; BONNAFÉ 1984, 88). 284 2. VH ≈ 1.400, 12.17, 12.34, 20.115, ‘Hes.’ fr. 235.5 M.-W., h.Ven. 24. — ὣς φάτο: RedeAbschlußP (114n.), hier nicht von einer Reaktion des direkt Angesprochenen, aber einer Intervention ihm nahestehender Figuren gefolgt (284–298n.).

285 1. VH ≈ 4.496, 5.611, 11.429, 11.577, 12.457, 17.347. — Die Nähe zu Achilleus signalisiert Vertrautheit (6.75n.). Zum Auftritt in Menschengestalt, die Poseidon und Athene auch sonst einnehmen, 211–213n. Die häufigere Erscheinung in Gestalt eines bestimmten Menschen wäre angesichts von Achilleus’ Verlassenheit nicht glaubwürdig (272–283n.). Wie man sich die Erscheinung der beiden Götter vorzustellen hat, ist dem Rezipienten überlassen; es ist jedenfalls klar, daß Athene und Poseidon Achilleus nicht noch mehr erschrecken wollen, als sie es in einer Epiphanie sowieso tun. Zur Erscheinung der Götter in Epiphanien und der Reaktion der Menschen allg. RICHARDSON zu h.Cer. 188–190 u. 275ff. δέµας: ‘Körperbau, Statur’, oft als “Merkmal für Ähnlichkeit bzw. Identität” (LfgrE s.v. δέµας 244.65), entsprechend dem Thema der Wiedererkennung besonders oft in der Odyssee; mit Formen von ἔοικα in der 2. VH in derselben Reihenfolge wie hier (δέµας + Personenbezeichnung + Verbalform) noch 17.323, h.Ap. 400, h.Ven. 55, in anderer Reihenfolge und z.T. erweitert 1× Il. 5× Od., am VA 1× Il., 2× Od., mit Sperrung 1× Il., über zwei Verse 2× Od., h.Ap. 464f.; mit einer Form von εἴδοµαι 2× Il., 7× Od.; mit ὁµοῖος 3× Il.

286 Das Ergreifen der rechten Hand ist Teil des Grundmusters ‘A geht auf B zu, ergreift dessen Hand, spricht B an’. Die Geste drückt allgemein eine freundliche Haltung aus (24.361n. zu den verschiedenen Funktionen, mit Lit.). Hier bedeutet sie einen konkreten Halt für Achilleus, der zu ertrinken droht (272–283n.), und eine Versicherung, daß er Hilfe erhält, wie die Götter anschließend mit Worten erklären (286b): HENTZE 1902, 329 Anm. 4. In dem sehr ähnlichen Vers 6.233 besiegelt der gegenseitige Handschlag dagegen eine Vereinbarung (s.d.).

284 τῷ: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); gemeint ist Achilleus. — ὦκα: Adv., ‘schnell’. — Ποσειδάων: zur unkontrahierten Form R 6. 285 στήτην … ἰόντε, … ἐΐκτην: Duale (R 18.1); ἐΐκτην 3. Pers. Plpf. Med. zu ἐΐσκω, ‘gleichen’. — δέµας: Akk. der Beziehung (R 19.1).

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χειρὶ δὲ χεῖρα: Mit χειρί ist die jeweils rechte Hand von Poseidon bzw. Athene gemeint (AH). Die Wortwiederholung wirkt anschaulich (FEHLING 1969, 222f.). Das Ergreifen der Hände wird wie hier auch in 6.233 mit λαµβάνω, aber für einen Handschlag ausgedrückt (s.o.), mit anderen Worten und für unterschiedliche Funktionen mit den Formelversen ἔν τ᾿ ἄρα οἱ φῦ χειρὶ ἔπος τ᾿ ἔφατ᾿ ἔκ τ᾿ ὀνόµαζεν (herzliche Begrüßungsgeste, 19.7n.), δεξιτερὴν ἕλε χεῖρ᾿ und Varianten (teilnehmend und ermutigend, 14.137–138n.), χειρί τέ µιν κατέρεξεν (Trost und Zuneigung 1.361n.): HENTZE 1902, 327–332; MARTIN 1989, 19. — ἐπιστώσαντ(ο): zu πιστόοµαι, ‘machten sich (ihm) zuverläßig, verpflichteten sich’ (AH; schol. D: πίστιν τῆς σωτηρίας ἔδωκαν). 287 = 7.445. — τοῖσι δὲ µύθων ἦρχε: VA-Formel (insges. 7× Il., 10× Od., Variante mit τῇσι 1× hom.h.) zur Rede-EinleitungP; mit dem Lokativ τοῖσι ‘unter diesen’ wird normalerweise das den Redner umgebende Publikum von mehr als zwei Personen bezeichnet (1.68n.; EDWARDS 1970, 8 mit Anm. 16). Hier kann der schon in der Antike vermerkte Plural (schol. A) sich nur auf Athene und Poseidon beziehen und ist wohl einfach wegen der Formel auf die Situation hier übertragen, genauso wie in Od. 5.202 und 7.47 (Kalypso bzw. Athene zu Odysseus): LEAF. — Ποσειδάων ἐνοσίχθων: VE-Formel (insges. 14× Il., 10× Od., 4× Hes.); ἐνοσίχθων bed. wie die metr. Variante ἐννοσίγαιος ‘die Erde erschütternd’ (14.135n., dort auch zu weiteren metr.-prosod. Varianten); zum Vorderglied mit dem gleichen Wortstamm wie ἔνοσις ‘Erschütterung’ und zur Wortbildung DELG u. BEEKES s.v. ἔνοσις; RISCH 192.

288 Der göttliche Zuspruch ‘fürchte dich nicht!’ ist typisch in Situationen, in denen unvermutet ein Gott erscheint, vor allem wenn die Epiphanie in einer den Menschen ängstigenden Lage erfolgt (5.827f. [Athene zu Diomedes], 24.171 [Hermes zu Priamos, s.d. zu weiteren Stellen und zu Lit. zu oriental. Parallelen]; ähnl. 15.254 [Apollon zu Hektor]). Achilleus’ Bewegung aus Furcht (mēt’ … trée ‘schrecke nicht zurück’) paßt zu seinen vorherigen angstvollen Fluchtversuchen (247f., 265ff.): LfgrE s.v. τρέω.

Πηλείδη: Der bloße Vokativ ist wohl nicht ein Zeichen der Ungeduld wie möglicherweise in 153 (s.d.), sondern der Dringlichkeit, Achilleus in seiner Not zu beruhigen (SHIVE 1987, 119). — µήτ᾿ ἄρ τι … µήτέ τι: emphatische doppelte Negation, ebenso mit µήτε und Indefinitpronomen in 7.400f., 10.249, 24.337, mit οὔτε ohne Indefinitpronomen 5.89f., 6.352, 20.205, h.Merc. 346f. ἄρ(α), hier bei einem Befehl, deutet wie in Aussagesätzen (3.183, 17.142) oder rhetorischen Fragen (8.236) auf die vom Sprecher vorgefundene Situation (“‘Zittere doch nicht!’ d.h. ‘Du zitterst ja. Tu das nicht!’”: GRIMM 1962, 11 Anm. 1). — τρέε: ‘zurückschrecken’, hier wie in 17.332, 19.15 ohne Fluchtbewegung i.S.v. ‘zusammenzucken’, da Achilleus sich ja nicht mehr groß bewegen kann (233–271n.): LfgrE s.v. τρέω 613.58ff.; LA ROCHE 1861, 136 Anm. 5. — τάρβει: ‘erschrecken, verzagen’, aus Furcht um die eigene Sicherheit, ebenso am VE nach einer Negation und τι im Akk. der Beziehung in 24.171 (in ders. Umgebung das Subst. τάρβος in 24.152, 24.181), im Enjambement in 4.388, 13.285, 21.575, Od. 7.51, 18.331, 18.391: LfgrE 318.8ff.; 39ff. ταρβέω unterscheidet sich in seiner Bedeutung von φοβοῦµαι und δείδω, das in Il. 21.248 (δείσας) mehr die überlegte

287 τοῖσι: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 17); zur Flexion R 11.2. 288 τι: Akk. der Beziehung (R 19.1).

Kommentar

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Befürchtung bezeichnet, nicht mehr aus dem Flußbett hinaussteigen zu können; der negierte Imp. entspricht etwa θάρσει (8× Il., 7× Od., 3× hom.h., öfter in rhetorisch Polarem Ausdruck: 24.171n.). Zum Wortfeld 1.331n.

289 ≈ 4.390, 5.808, 5.828 (wie hier nach einer doppelten Verneinung); 2. VH ≈ 11.366, 20.453, Od. 24.182. — Göttliche Hilfe wird wiederholt in ähnlicher Form zugesichert (24.153n.). Daß Poseidon und Athene nicht mehr helfen können und Skamandros Achilleus nochmals ernsthaft bedroht (324ff.), hat Anstoß erregt (AH Anh. S. 91; LEAF, Einf. S. 384f.). Schon früh hat man aber auf Hephaistos’ Rolle eines erfolgreichen Gegners von Skamandros im folgenden Götterkampf (328ff.) hingewiesen (Aristoteles: schol. pap. col. XIV, 30ff., zu 288–290, p. 107 Erbse, schol. bT zu 288–291; FAESI; SCHEIBNER 1939, 38 Anm. 2; RICHARDSON zu 284– 6). Achilleus kann sich einerseits nicht allein gegen den Flußgott durchsetzen (211– 327n.), andererseits zeigt sich aber auch die Bedeutung dieses Achaierhelden dadurch, daß er mehrfache Unterstützung erhält (Zeus indirekt; Athene und Poseidon; Hera und Hephaistos): RICHARDSON zu 205–327. τοίω: betont oft die Macht der Götter (4.390n.). — ἐπιταρρόθω: ἐπιτάρροθος ist wohl eine metr. bedingte Erweiterung von dem nur in 4.390, 23.770 und Hes. Op. 560 belegten ἐπίρροθος (erweitert mit -θα- wie z.B. in ὕπαιθα, hauchdissimiliert): FORSSMAN 1980, 182– 184. Es steht immer, 7× Il., 1× Od., nach der Zäsur C 1 vor einer zweisilbigen Form von εἰµί und bedeutet ‘heranbrausend’, von einem göttlichen Helfer (4.390n.).

290 2. VH = 20.314; ≈ 7.452. — Zeus: Damit wird klar, daß der Beistand der beiden Götter auch eine indirekte Reaktion auf Achilleus’ Klage an Zeus bedeutet (ähnl. WEST 2011, 379). Ob gemeint ist, daß Zeus Poseidon und Athene zu Achilleus schickte (LeerstelleP; schol. T und schol. pap. col. XV, 23f. zu 288–290, p. 108 Erbse, kommentiert von NÜNLIST 2009, 169f.) oder ob nur an Zeus’ allgemeine Erlaubnis zu einem Eingriff zu denken ist (20.25; WEST a.O.), bleibt offen. Bemerkenswert ist jedenfalls ein immer größerer Konsens zwischen Poseidon und anderen Göttern und Zeus (ELMER 2013, 171f.). Zu Zeus’ Macht 272–283n. — ich: Der Vers wurde u.a. von Aristarch athetiert (s. app. crit. von WEST), weil der Sprecher in der Gestalt eines Mannes (285) ohne Angabe seines Namens Poseidon nicht erkennbar sei (schol. A). Tatsächlich weisen Gottheiten oft auf ihre Identität hin, wenn sie sich offenbaren (wie in h.Cer. 268, s. RICHARDSON z.St.), aber der Hinweis auf göttliche Herkunft in 289 und Zeus’ Zustimmung in demselben Vers genügen, damit die Göttlichkeit des Sprechers erkannt werden kann (schol. pap. col. XV, 19ff. zu 288–290, p. 108 Erbse, kommentiert von NÜNLIST 2009, 169). Außerdem kann Achilleus als Halbgott manchmal die Götter gleich identifizieren (18.182n.).

289 τοίω … ἐπιταρρόθω: Dualformen. — νῶϊ: Personalpron. der 1. Pers. Dual im Nom. (R 14.1). — τοι: = σοι (R 14.1). — εἰµέν: = ἐσµέν (R 16.6). 290 Ζηνὸς ἐπαινήσαντος: gen. abs. — Ζηνός: = Διός (R 12.5).

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Παλλὰς Ἀθήνη: VE-Formel (23× Il., 18× Od., 4× Hes.), daneben Παλλὰς Ἀθηναίη als flektierbare VA-Formel (4× Il., 8× Od., 1× ‘Hes.’, 3× hom.h.); die Bed. von Παλλάς ist unklar (Lit. 1.200n.; BURKERT [1977] 2011, 217; LfgrE).

291–292 Erste der zwei internen ProlepsenP (die zweite 294–297), die der Erzähler Poseidon in den Mund legt (WEST 2011, 379). Sie bezieht sich auf die Überwindung von Skamandros, einerseits auf die ungebrochene Widerstandskraft des Achilleus (291, die Stärkung dieser Kraft wird in 299f., 302b–304 erzählt, in 304b speziell auf Athene zurückgeführt) und andererseits auf den siegreichen Kampf des Hephaistos gegen Skamandros, wodurch der Pelide gerettet wird (328–382; SCHEIBNER 1939, 32). 291 ὡς: “folgernd: ‘wie denn’, daher denn’” (AH), ähnlich wie in 9.444 (in manchen Hss.; dagegen akzentuiert bei WEST), Od. 8.239: AH; FAESI; weitere Bsp. K.-G. 2.461. — οὔ τοι ποταµῷ γε: Die Voranstellung der Verneinung und γε weisen emphatisch auf 281f. zurück (AH). — αἴσιµόν ἐστιν: flektierbare VE-Formel (9.245, 15.274, 21.495, Od. 15.239, ‘Hes.’ Sc. 336). Zu αἴσιµος ‘vom Schicksal bestimmt’ 100n.; hier im unpersönl. Ausdruck wie µόρ(σ)ιµόν ἐστι/ἦεν (3× Il.) entspricht es εἵµαρτο in Il. 21.281 (LEITZKE 1930, 31). Zu einer möglichen semantischen Abgrenzung gegenüber αἶσά (ἐστι), 3× Il., 8× Od., in Il. 16.707 ebenfalls mit emphatischer Verneinung οὔ τοι, DIETRICH 1965, 250 (αἴσιµόν ἐστιν vielleicht weniger mit einer bestimmten Handlung verbunden). 292 2. VH ≈ 14.145; Od. 2.40. — ὅδε: deutet an, daß Poseidon auf Skamandros blickt oder auf ihn zeigt; bereitet so εἴσεαι vor (Hinweis DE JONG). – λωφήσει: λωφάω ist wahrscheinlich deverbative Ableitung zu verlorenem *λέφω wie u.a. νωµάω zu νέµω, τρωπάω zu τρέπω (18.585), bed. hier ‘aufhören, zur Ruhe kommen’ (schol. D), sonst nur noch im Kompositum in Od. 9.459f. (κὰδ δέ κ᾿ ἐµὸν κῆρ | λωφήσειε κακῶν) und in klass. Att. (LfgrE; DELG u. BEEKES s.v. λωφάω). — εἴσεαι: ‘du wirst es körperlich spüren’ (LfgrE s.v. οἶδα 541.60ff.), von der Erfahrung an sich selbst (AH).

293 ≈ Od. 1.279. – Die Mahnung bezieht sich vor allem auf den Rückzug nach Hektors Tod (296f.), der eigentlich nicht Achilleus’ Impuls zur weiteren Rache entspricht, wie sich später zeigt (22.381–384; schol. bT). πυκινῶς: πυκινός, eigtl. ‘dicht, kompakt’ (245), hier und im Iteratvers Adv. ‘sehr’ (LfgrE s.v. πυκινός 1630.60ff.), in ähnl. Kontext, mit metaphorisch gebrauchtem Adj. (‘überlegt, durchdacht’, dazu 2.55n.) mit ὑποτίθεσθαι 11.788; ebenfalls im Zusammenhang mit einer Warnung 18.216 (LfgrE a.O. 1633.5ff.). — ὑποθησόµεθ(α): ‘einen Rat geben’, ebenfalls von Gottheiten im Iteratvers (Athene zu Telemachos), Od. 5.143 (Kalypso zu Hermes, von einem Rat an Odysseus): LfgrE s.v. τίθηµι 494.25ff. Das Fut. von ὑποτίθηµι steht im fgrE fast immer wie hier vor der Zäsur C 2. — αἴ κε πίθηαι: VE-FormelP (wie hier 1.207, 23.82,

291 δαµήµεναι: Inf. Aor. Pass. zu δάµνηµι ‘bezwingen’ (R 16.4). 292 τάχα: Adv., ‘bald’. — δὲ (ϝ)είσεαι: zur Prosodie R 4 3. — εἴσεαι: zur unkontrahierten Form R 6. 293 αὐτάρ: progressiv, ‘und’ (R 24.2). — αἴ κε: = ἐάν (R 22.1, R 24.5). — πίθεαι: Konj. Aor. zu πείθοµαι.

Kommentar

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Od. 1.279, 3. Sg. Il. 1.420, 11.791). Höflich vorgebrachter Rat und Mahnung, hier wie in 1.207 (Athene an Achilleus) und ähnl. Od. 1.279 von Göttern, die erwarten können, daß der Mensch seine Freiheit vernünftig nutzt (1.207n.; LESKY 1961, 33).

294–297 Nochmalige interne ProlepseP, diesmal von Geschehnissen, die am Ende des 21. und v.a. im 22. Gesang erzählt werden: Die Zurückdrängung aller Troer in die Stadt außer ihrem Anführer Hektor (294–296a; entspricht 21.520b ff.), sein Tod durch Achilleus (296b, entspricht 22.1–363) und dessen Rückkehr ins Schiffslager (297a, entspricht 22.381ff., 23.1ff.). Damit wird auf Figuren-Ebene Achilleus versprochen, seine Ziele zu erreichen (zu diesen 223–227n.; wörtl. Anklänge in 295 an 225, s. FAESI zu 225f.): WILSON 1991, 178. Achilleus anerkennt auch nach Hektors Tod entsprechend den Willen der Götter (22.379) und nach einer kurzen Erwägung, weiter gegen die Stadt zu stürmen (22.381–384), zieht er sich mit Berufung auf die unbestattete Leiche von Patroklos zurück (22.385–394). Mit dem Rückzug erfüllt sich das Schicksal, auch das seines frühen Todes bald nach Hektors Fall (272– 283n.), denn so wird die Eroberung Troias durch den Peliden verhindert, die vom Mythos nicht vorgesehen ist (s. auch 544–549n.) und die der Erzähler in Zeus’ Worten an die Götter als nicht schicksalhaft darstellt (20.30; AH zu 297; zum hier anklingenden Leitmotiv der Eroberung und Zerstörung Troias SCHEIBNER 1939, 48; allg. dazu 6.447–449n., mit Stellen und Lit.). Die Anordnung, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuziehen, erinnert an Achilleus’ Mahnung gegenüber Patroklos, die allerdings aus ganz anderen Gründen erfolgt und nicht von einem Gott ausgeht, aber mit einem göttlichen Eingriff rechnet (16.87ff., s.d.): POSTLETHWAITE 2000, 262; zum Eindruck von Patroklos als alter ego des Achilleus 16.165n. – Zur Erwähnung von Hektor 225n.; sein Tod wird häufig vorausgesagt (18.92n., mit Stellen und Lit.), von göttlicher Seite wie hier mit Ausnahme von Thetis in 18.95f. und 18.132f. von den beiden Göttern Zeus (15.68, 17.201–208) und Athene (22.216–221), die auch hier indirekt an der Prophezeiung teilhaben (284–298n.) und vor dem Zweikampf zwischen Achilleus und Hektor in einen Dialog über Hektors Schicksal treten (22.166ff.), bevor Athene den Peliden unterstützt (22.214ff.). Neben Hektors Tod wird Achilleus auch der Siegesjubel gegönnt (297b; zum Gedanken, daß die Götter Ruhm verleihen, KULLMANN 1956, 61). Die Aussicht auf Ruhm, hier wirkungsvoll an den Schluß der Rede gesetzt, rückt u.a. die Rede in die Nähe von Kampfparänesen (zum Ruhm als positivem Gedanken in Kampfparänesen und etwa auch in 22.216f. [Athene stellt Achilleus Ruhm in Aussicht] STOEVESANDT 2004, 301). Der Triumph, in 22.330ff. erzählt, bestätigt so Achills Überlegenheit über den Troer (279–280n.; REYNEN 1983, 162). Die enge Verzahnung von Hektors und Achilleus’ Schicksal (s.o.; EDWARDS 1984, 72–76) zeigt sich somit auch sprachlich in der Einreihung von Hektors Tod (296b) in das vorher (Zurückdrängen der Troer) und nachher erwähnte Geschehen (Rückzug, Siegesjubel) um Achilleus.

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294 ≈ Od. 24.543. — µὴ πρίν: 224n. — παύειν: ‘laß ruhen’, mit Akk.-Obj. χεῖρας und Gen. separativus wie öfters bei παύειν (LfgrE s.v. παύειν 1076.9ff.). Der imperativische Inf., auch in 297 (ἴµεν), enthält im Gegensatz zum Imp. eine mehr indirekte Anweisung zu einem bestimmten Vorgehen in einer (oft sozial wiederkehrenden, erwartbaren) Situation, häufig wie hier im Zusammenhang mit Temporalsätzen (hier in 295): ALLAN 2010; 4.42n., auch zu älteren Theorien. — ὁµοιΐοο πτολέµοιο: VE-Formel (6× Il., 2× Od.). πτόλεµος bed. im fgrE meist (wie hier) ‘Kämpfen, Kampf’, seltener ‘Krieg’ (LfgrE s.v. πόλεµος 1335.41ff.; PORZIG 1942, 38.76; TRÜMPY 1950, 129f. 135f.). Zur Bed. von ὁµοίῐος ‘gemeinschaftlich’ i.S.v. ‘keinen verschonend’, zur Aspiration und zur rekonstruierten Gen.-Endung auf -οο s. den app. crit. von WEST und 18.242n.; zur Endung s. auch 104n. Die Verwendung der VE-Formel im vorl. Vers steht in Kontrast zur metrisch gleichwertigen Formulierung in 3.112 (ἐλπόµενοι παύσασθαι ὀϊζυροῦ πολέµοιο, Hoffnung der Troer bei der Ankündigung des Zweikampfes): LfgrE s.v. ὁµοίιος. 295 πρίν: zur Verwendung mit Inf. 225n. — Ἰλιόφι: Die Endung -φι, vereinzelt etwa auch in Od. 12.45 für den adnominalen Gen. verwendet (hier zu κλυτὰ τείχεα; G 66; RISCH 361), vermeidet wie in zahlreichen anderen Fällen einen Kretikus, Ἰλίου (CHANTR. 1.238). Es ist deshalb nicht nötig, Ἰλίοο zu rekonstruieren (app. crit. von WEST), eine Form, die sowieso zur Zeit der Verschriftlichung der Ilias viell. gar nicht geschrieben wurde (104n.). — κλυτὰ τείχεα: Das generische EpithetonP κλυτός ‘berühmt’ steht auch sonst von Gebautem (9× fgrE mit δώµατα ‘Palast’): LfgrE s.v. κλυτός. Die nur hier im fgrE belegte Verbindung mit τείχεα mag an κλυτὰ τεύχεα anklingen (6× Il., 1× Od., an ders. Versstelle). Zum Mythos um die von Göttern gebaute Stadtmauer von Troia 446–447n. — ἐέλσαι: Inf. Aor., nur hier belegte, wohl aus metr. Gründen erfolgte Form von (ϝ)ειλέω ‘(sich) zusammendrängen, zurückdrängen’ mit prothet. Vokal (in 225 dagegen Inf. Aor. ἔλσαι an anderer Versstelle): CHANTR. 1.181; allg. zu prothet. Vokalen als Ersatz von Digamma G 25. 296 Τρωϊκόν: im fgrE nur 5× belegt, als Epitheton von λαόν und im Enjambement auch 16.369 (s.d. zu Varianten) und 17.724. — ὅς κε φύγησι: Der Relativsatz hat die Funktion eines Akk. des Teils zum Ganzen (295 λαόν): LEAF. — Ἕκτορι θυµὸν ἀπούρας: zu θυµὸν ἀπούρας 179n. Der Akzent des Partizips ἀπούρας auf der Stammsilbe (Barytonese) beruht auf äol. Einfluß (WACKERNAGEL [1914] 1953, 1158). Neben dem häufigeren Akk. der Person bei ἀπηύρα wie bei anderen Verben, die ‘Wegnehmen’ u.ä. bedeuten (122–123n.), steht auch der Dat. (Ἕκτορι), wie hier noch 17.236, Od. 3.192, 13.132, oder der Gen. (Il. 19.89, Od. 18.273): LfgrE s.v. ἀπηύρων 1022.36ff. Zum Dat. bei Verben des Wegnehmens generell (dativus sympatheticus) 6.234n. mit Lit.; TZAMALI 1996, 390, mit aind. Parallelen. 297 2. VH ≈ 2.15, 7.81, 7.154, 16.725; Od. 9.317, 21.338. — ἂψ ἐπὶ νῆας ἴµεν: ähnl. νῆας ἔπ᾿ ἂψ ἰέναι in 18.14 (Hauptüberlieferung: s.d.), ἂψ πάλιν εἶσ᾿ ἐπὶ νῆας in 18.280; bloßes 294 πρίν: Adv., ‘vorher’ (295 Konjunktion). — ὁµοιΐοο: zur Flexion R 11.2. — πτολέµοιο: zum Anlaut R 9.2. 295 κατὰ (ϝ)ιλιόφι: zur Prosodie R 4.3. 296 κε: = ἄν (R 24.5). — φύγησι: 3. Sg. Konj. (R 16.3). 297 ἄψ: ‘zurück’. — νῆας: zur Flexion R 12.1. — ἴµεν: Inf. (R 16.4) mit Imperativfunktion. — ἀρέσθαι: final-konsekutiver Inf. Aor. von ἄρνυµαι ‘erlangen’.

Kommentar

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ἂψ ἐπὶ νῆας auch am VA in 16.395, im Versinnern 17.432. — δίδοµεν … εὖχος ἀρέσθαι: εὖχος ἀρέσθαι ist flektierbare VE-Formel (noch 2.15, 7.203, 11.290, Hes. Th. 628); häufiger sind Verbindungen von ἄρνυµαι mit κῦδος und κλέος (542–543n.; LfgrE s.v. ἄρνυµαι 1328.67ff.). εὖχος, ein Wort der Figuren-SpracheP, bed. ‘Gelegenheit zum εὔχεσθαι ›sich rühmen‹, Ruhmesrede, Siegesjubel’ (16.625n.). Das Wort wird oft formelhaft als Obj. von διδόναι (überwiegend wie hier naturgemäß mit einem Gott als Subjekt) verbunden (s. oben zu den ähnl. Halbversen); zur erweiternden Kombination hier mit dem Inf. ἀρέσθαι wie in 7.203 HIGBIE 1990, 176–178.

298 1. VH ≈ 15.405 (τὸν … εἰπόντα), ferner 8× Il., 4× Od. (ἣ … εἰποῦσ(α)); vgl. Od. 24.361 ὣς ἄρα φωνήσαντε βάτην. — die beiden: Zwar hat nur Poseidon gesprochen (287, ähnl. formal auf mehrere Sprecher bezogener Rede-AbschlußP eines Einzelredners in 10.349), aber auch in Athenes Namen (Verbalformen in der Rede im Pl., 289, 293, 297; vor der Rede Dual in 285, Pl. in 286): DANEK 1988, 137. Die Wirkung der Rede ist im Gegensatz zu anderen Rede-Abschlüssen (bei Trostreden etwa in 1.595, 15.262, Od. 4.758, 16.448) erst nach dem Szenenwechsel in Il. 21.299 angegeben (FINGERLE 1939, 187). — Unsterblichen: Der Abgang der beiden Götter ist hier ausdrücklich erwähnt: sie verlassen das Schlachtfeld und kehren wieder zurück zu den Göttern, die, entsprechend ihrer Parteinahme gruppiert, das Kampfgeschehen beobachten (20.132–155). τὼ µὲν ἄρ’ ὣς εἰπόντε: flektierbare Halbversformel (s. Iterata; zur flektierbaren Variante: ὣς ἄρα φωνήσασ᾿ ἀπέβη/ἀπεβήσετο 1.428n.), davon 6× Il., 4× Od. gefolgt von ἀπέβη/ἀπεβήσετο/ἀπεβήτην und der Fortsetzung der Handlung mit αὐτάρ/δέ im folgenden Vers, hier dem parallelen Aufbruch Achills in Richtung Ebene (299 αὐτὰρ ὃ βῆ): KURZ 1966, 105.

299–304 Die Tatsache, daß Achilleus nun plötzlich aus dem Fluß steigen kann (299a, 300a), nachdem er wegen der reißenden Strömung, die ihm die Knie lahmlegte, seine Beine nicht mehr hatte gebrauchen können (269b–271, 282a), ist auf die beiden Götter zurückgeführt, s. die Wiederholung von gr. méga gar … 299b/304b (‘denn mächtig …/denn gewaltige …’). Die Wirkung ihrer Intervention auf Achills psychische und physische Verfassung ist zweigeteilt beschrieben, wobei die eine der beiden Gottheiten mit Worten (in beider Namen) agiert, die andere durch die Tat: Poseidons Auftrag (die Troer in die Stadt zu drängen 294–296a) und seine Verheißung (Aussicht auf Ruhm 297b) treiben Achilleus innerlich an (299); Athene flößt ihm Kraft ein, sodaß er sich gegen die Gewalt des Wassers behaupten kann (303f.). – Die Kampfschilderung wird ganz kurz unterbrochen (PauseP), indem der Erzähler mit der Rückkehr Achills auf das Schlachtfeld (es pedíon 300) die dortige Situation mittels einer ‘Panorama-Szene’ aus der Vogelschau beschreibt (300– 298 τὼ … εἰπόντε … ἀπεβήτην: Dualformen, auf Poseidon und Athene bezogen (vgl. 284f.). — τώ: Nom. Dual des demonstrativ-anaphorischen Pron. (vgl. R 17). — ὥς: = οὕτως. — µετ(ά) (+Akk.): ‘mitten unter, zu’. — ἀθανάτους: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).

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302a: s. 300 gr. pan [‘ganz’], 301 pollá [‘viele’]): allg. dazu DE JONG/NÜNLIST 2004, 69f; weitere Lit. 3.1–14n. Er greift das Bild der von Skamandros überschwemmten Ebene auf, in der nun Waffen und Leichen schwimmen, als Folge von Achills Wüten und Skamandros’ Reaktion darauf (235–237n.). 299 αὐτὰρ ὃ βῆ: 205n. — ἐφετµή: ‘Auftrag, Geheiß’, meist eines Gottes an eine rangtiefere Figur (LfgrE); bezieht sich hier auf Poseidons Ermahnung 293–296a. 300 πλῆθ’: Impf. πλῆθε zu πλήθω (‘war erfüllt von, gefüllt mit’: AH; WILLCOCK), vgl. 218 πλήθει und die Impf.-Formen der Beschreibung πλῶον, ἐπήδα (302) u. ἴσχεν (303); nicht medialer Wurzelaor. πλῆτο zu πίµπληµι (‘wurde voll von’) wie 16 (s.d.). 301 1. VH = 17.760; ≈ 11.798, 13.241, 18.466, 21.317; Od. 22.162; 2. VH = 146. — τεύχεα καλά: Formel vor der Zäsur B 2 (6× Il., 2× Od., s. Iterata), außerdem am VA (2× Il.) und VE (8× Il., 2× Od., 1× ‘Hes.’ Sc.; weitere Varianten 18.84n.). — δαῒ κταµένων: 146n. — αἰζηῶν: 146n.

302 2. VH ≈ 269 (vgl. 269f.: Achill kämpft gegen die Wasserflut). — Knie: Die Intervention der beiden Götter macht sich in Achills Knien bemerkbar. Die Knie gelten als ein Kraftzentrum des Menschen, da sie die Bewegung gewährleisten; wird ein Kämpfer niedergerungen, wird oft beschrieben, daß seine Knie ‘sich lösen’ oder einbrechen (424–425n., 19.166n.). Die Bemerkung, daß Achills Knie in die Höhe springen, veranschaulicht, daß er nach seinem Einbrechen in der Strömung des Skamandros (270f.) nun wieder Kraft und Beweglichkeit zurückerlangt hat; diese neue Situation ist verdeutlicht durch den rhetorisch Polaren AusruckP 302b– 304a.

303 VE ≈ 58 (s.d.). — πρὸς ῥόον ἀΐσσοντος: Achilleus vermag ‘gegen die Strömung’ des Flusses anzustürmen, d.h. die Gefahr (270 ποταµὸς δ’ ὑπὸ γούνατ’ ἐδάµνα) ist aufgehoben. — ἀν’ ἰθύν: bed. ‘geradeaus, geradewegs’: ἡ ἰθῡ́ς, abgeleitet vom Adj./Adv. ἰθύς (‘geradeaus’), bed. urspr. ‘gerade Richtung’ (LfgrE s.v. ἰθῡ́ς; FRISK u. DELG mit Lit.; RISCH 41).

304 2. VH ≈ 10.366, 11.11, 14.151. — Energie: Daß eine Gottheit einem Helden Kraft od. Stärke einflößt, ist ein typisches ep. Motiv in Kampfschilderungen (hier physische Energie [gr. sthénos], ferner psychische Energie, Elan [ménos] 144–

299 αὐτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). — ὅ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — βῆ: zur augmentlosen Form R 16.1. — µέγα: adverbial, ‘sehr’. — ῥα: = ἄρα (R 24.1). 300 ἐς: = εἰς (R 20.1). — πᾶν: prädikativ. — ἐκχυµένοιο: Ptz. des medialen Wz.-Aor. zu ἐκχέω, ‘sich ergießen’ (vgl. 181n.), näml. heraus aus dem Flußbett; zur Flexion R 11.2. 301 τεύχεα: zur unkontrahierten Form R 6. — κταµένων: Ptz. Aor. Med. (mit pass. Bed.) zu (κατα)κτείνω. 302 πλῶον: Impf. zu πλώω ‘schwimmen, im Wasser treiben’. — γούνατ(α): = γόνατα (R 12.5; zur Elision R 5.1). 303 ῥόον: zur unkontrahierten Form R 6. — ἀΐσσοντος: zu ἀΐσσω ‘sich heftig bewegen’, hier ‘losstürmen’; dazu τοῦ 302. — οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — µιν: = αὐτόν (R 14.1). — ἴσχεν: ‘hielt zurück, hielt auf’. 304 ἔµβαλ(ε): = ἐνέβαλε (R 16.1, vgl. auch 20.1).

Kommentar

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147n. und Mut, Kühnheit [thársos] 547); zur vorl. Stelle SCHEIN 1984, 94f.; NEAL 2006, 93. εὐρὺ ῥέων ποταµός: Die Beschreibung knüpft an 240–269a an, wo der mächtig strömende Skamandros Achilleus angreift; s. dagegen im Formel-System für die Bez. des Flusses die VE-Formel εὐρὺ ῥέοντος und VE mit εὐρυρέεθρος (141n.; RICHARDSON, Introd. 53f.). — σθένος ἔµβαλ(ε): Für die Aussage ‘eine Gottheit verleiht Kraft/Energie’ finden sich im fgrE vielfältige Wendungen, neben (ἐµ-)βάλλω auch die Verben τίθηµι, ἐνίηµι, ἐµπνέω, ὄρνυµι (145n.; zur vorl. St. s. KULLMANN 1956, 73).

305–327 Skamandros sucht die Unterstützung seines Bruders Simoeis und greift den nun wieder gestärkten Achilleus mit voller Energie an; er bringt ihn erneut in Todesgefahr. 305–306 Seit Beginn des 21. Gesangs wächst im Flußgott Skamandros Zorn gegen Achilleus, der den Fluß mit Leichen füllte und die Toten und den Fluß verhöhnte (136–138n.): nach Lykaons Tötung 136 (gr. cholṓsato … mállon) u. 146 (kechólōto), nach der Tötung des Asteropaios u. anderer 212 (chōsámenos). Skamandros hatte zunächst wirksam gegen Achilleus eingegriffen (234–283), nun, nach dessen Wiedererstarken und der neuen Gegenwehr, läßt er nicht nach, sondern zürnt dem Peleus-Sohn noch stärker (rhetorisch Polarer AusdruckP gr. oudé … élēge … ménos, all’ éti mállon | chṓeto). Skamandros’ Kampfwut (ménos) wird erst durch Hephaistos’ Gegenangriff eine Ende finden (383a). Zum Zorn des Flußgottes und zur Vermischung von wogendem Fluß und Flußgott mit anthropomorphen Zügen s. 211–327n. — baute einen helmartigen … (gr. kórysse): Nun wird der Flußgott zum Kämpfer. Indem er seiner Woge (gr. kýma) den Helm (kórys) aufsetzt, also denjenigen Teil der Rüstung, zu dem ein sich rüstender Kämpfer zuletzt greift (s. 3.328–338n. zur Typ. SzeneP ‘Rüstung’), ist er bereit zum Kampf und wird sich drohend aufgerichtet (307a, 324) auf den Feind ergießen (326f.): FRISK 1940, 40. Der Wendung liegt viell. die Vorstellung zugrunde, daß bedrohlich heranrollende Wogen mit Schaum ‘behelmt’ sind, vgl. den Schaum 325 und den Vergleich des kampfbereit heranrückenden Heeres mit heranrollenden Wogen des Meeres 4.422– 424 (4.424n.). ἔληγε … µένος: transitives λήγω (‘etw. aufhören lassen’) im fgrE nur hier u. 13.424 (Obj. µένος), ferner Od. 22.63 (χεῖρας … φόνοιο), intrans. dagegen z.B. 248 (CHANTR. 2.172); entspricht (ἀπο-)παύω µένος (340n.); zu µένος (Bez. für aggressive Energie, den aggressiven Drang zu kämpfen) 1.103n. — ἀλλ’ ἔτι µάλλον: = 9.678, VE mit ὄφρ’ ἔ. µ. 2× Il., 2× Od.; zum Akzent von µάλλον WEST 1998, XX, s.v. ἄσσον. — Πηλείωνι: 153n. — κῦµα ῥόοιο: 263n.

305 τὸ (ϝ)όν: zur Prosodie R 4.3; ὅς ist Possessivpron. der 3. Person (R 14.4).

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307 1. VH ≈ 23.501, Od. 12.249, 13.83. — Simoeis: Bruder des Skamandros (308a) und daher viell. implizit ebenfalls ein Sohn des Zeus (FG 34). Er spielt in der Ilias – im Gegensatz zu Skamandros – nur eine untergeordnete Rolle und ist auch hier nicht weiter in die Handlung involviert, denn der Erzähler will die Aufmerksamkeit ganz auf den Kampf zwischen Skamandros und Hephaistos lenken (WEST 2011, 379). Aber indem Skamandros vor dem erneuten Angriff eine Kampfparänese an den Bruder mit Bitte um Unterstützung richtet, zeigt sich, daß gegen den nun gestärkten Achilleus die Koalition zweier Flüsse notwendig ist (zum Zweck der Rede 308–323n.). So wird das Motiv ‘Unterstützung im Kampf’ (vorausgehend: 145f. Skamandros stärkt Asteropaios; 284–304 Poseidon und Athene stärken Achilleus) zumindest durch die Aufforderungen in der folgenden Rede aufgenommen. – Simoeis und Skamandros sind die Hauptflüsse in der Ebene vor Troia; sie bilden viell. die seitlichen Begrenzungen des Schlachtfeldes (zum Topographischen und Lit. dazu s. 6.4n.; Appendix topographica im Kommentar zum 14. Gesang, S. 252f. mit Anm. 6). ὑψόσ’ ἀειρόµενος: flektierbare VA-Formel (s. Iterata), variiert in 327. Das Bild des kampfbereiten, zum Angriff sich aufbauenden Flusses läßt die Spannung ansteigen, während mit der in einem einzelnen Papyrus überlieferten v.l. πάντοθεν ἐξ ὀρέων lediglich auf die Herkunft der Wassermassen verwiesen wird, vgl. bei Simoeis 312a (WEST 2001, 259f.). — κέκλετ’ ἀΰσας: = 4.508 (Subj. Apollon), bed. ‘trieb an laut schreiend’; Rede-Einleitungsformel für (Kampf-)Paränesen, meist in der VE-Formel ἐκέκλετο µακρὸν ἀΰσας (9× Il.; zur Angriffsintensivierung); zur Etymologie von κέλοµαι s. 16.268n. (mit Lit.).

308–323 Skamandros’ Rede besteht aus zwei Teilen gleichen Umfangs: Der erste Teil ist eine eigentliche Kampfparänese an den Bruder Simoeis mit der Bitte um Hilfe beim Angriff (308–315); typisch für solche Reden sind Rede-Einleitungsformeln wie ‘er rief laut’ (307), Kampf-Appell (311–314a), Beschwörung der erfolgreichen Kampfgemeinschaft (308b–309a/314b); zum Sprachlichen s. 307n., 311n.; allg. zu Kampfparänesen s. 16.268–277n. (mit Lit.). Der Name Achilleus fällt nicht, stattdessen spricht Skamandros von dem ‘Mann’, also einem Menschen als Gegner (308n.). Die vorl. Aufforderung zum Beistand gegen den gestärkten Achilleus ist vergleichbar mit 5.455ff. (Apollon zu Ares wegen Diomedes), 13.47ff. (Poseidon als Kalchas zu den beiden Aias wegen Hektor), 13.481ff. (Idomeneus zu seinen Gefährten wegen Aineias); weitere Stellen s. STOEVESANDT 2004, 289 Anm. 861 u. 862. Der zweite Teil ist eine indirekt an Achilleus gerichtete Ankündigung, ihn zu vernichten und seine Überreste im Schlamm zu begraben; er werde ihn mit Geröll überschütten und so ein Grabmal schaffen, sodaß keine reguläre Bestattung durch die Achaier mehr erfolgen könne (316–323). Diese Äußerungen sind mit Triumphreden vergleichbar, die siegreiche Kämpfer dem besiegt daliegenden 307 ἀειρόµενος: = αἰρόµενος. — κέκλετ(ο) (+ Dat.): reduplizierter Wurzelaor. zu κέλοµαι ‘zurufen, ermahnen, antreiben’.

Kommentar

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Gegner widmen (316–323n.; SCHEIBNER 1939, 99 mit Anm. 2; RICHARDSON zu 305–27); Ähnliches hatte auch Achilleus dem getöteten Lykaon angekündigt (122– 135 [122–125n.]; 201.–204 beschrieben beim Tod des Asteropaios). Skamandros’ Drohung wirkt wie eine höhnische Reaktion auf Achills vorausgehende Rede in höchster Bedrängnis; dessen Furcht, in den Wassermassen fortgerissen zu werden und so elendiglich zugrunde zu gehen (281–283) ist aufgenommen durch das Grab unter dem Geröll des Flusses. – Im Gegensatz zu sonstigen Äusserungen von Göttern werden die in dieser Rede gegebenen Handlungsimpulse im weiteren Handlungsablauf nicht umgesetzt: weder wird beschrieben, daß der Flußgott Simoeis in Aktion tritt, noch wird Skamandros’ Drohung gegen Achill wahr werden – was das Publikum aus der Erzähltradition auch weiß (zu Achills regulärer Bestattung s. Od. 24.57–84). Aber die erkennbare Folge der Rede ist, daß Skamandros dadurch sich selbst stärkt, Kräfte bündelt und Achilleus wieder in Todesgefahr bringt (324–327; zur umstrittenen Frage, ob der Simoeis in den Skamandros münde und so dessen Wasserflut vermehre, s. 5.773f. vs. 12.19–22; Appendix topographica zum 14. Gesang S. 252 Anm. 6). Ferner wird in der Rede die vorausgehende Schilderung von Achills Kampf gegen das Wasser des Flusses konsequent fortgesetzt und abgeschlossen: auf den Beinahe-Tod durch Ertrinken (265–283) folgt die (nur angedrohte) Bestattung im Flußbett. Skamandros’ Rede ist nach derjenigen Achills (273– 283) eine weitere Variante von Reden, in denen FigurenP sich eine alternative Möglichkeit des Kampfausgangs vorstellen (MORRISON 1992, 47; zu diesem Phänomen im Erzähler-Text vgl. 2.155–156n.). Insgesamt zeigt der Erzähler die Gefährdung Achills, der zwar übermenschlich überhöht erscheint (315), aber todgeweiht ist (277f.), der strahlend wie der Sonnengott in die Schlacht gezogen ist (19.397f.), aber der Vergänglichkeit unterworfen ist (wie er 108–113 selbst zu Lykaon sagt) und jetzt von der Naturgewalt des Flusses mit seinem Schlamm (316–321) bedroht wird, vor dem ihn nur noch Götter (328–330) retten können (BREMER 1976, 84f.). – Zum sprechenden Fluß, der mit der Naturgewalt Wasser agiert, vgl. 211–213n.; DE JONG 2012, 36. 308 1. VH = 4.155, 5.359. — des Mannes: Achilleus wird in der Ilias – v.a. in Direkten RedenP – mehrfach mit ‘Mann’ (gr. anḗr) umschrieben, gelegentlich auch, wie 314 und in Priamos’ Rede 536, mit pejorativem Attribut (Lit. 24.204n.; Stellensammlungen bei SHIVE 1987, 140ff.; DEE 2000, 134). Der Flußgott stellt damit klar, daß der Angreifer ein sterblicher Mensch ist, auch wenn er wie ein Gott kämpft (314f., s.d.); zum Motiv ‘Mann kämpft gegen Gott’ s. 211–327n. φίλε: hat hier die Bed. ‘lieb’; kann in weniger exponierter Stellung, auch bei Verwandtschaftsbezeichnungen, als reines Possessivpronomen fungieren (vgl. 1.20n., 3.31n.); zur Kürze im longum des 1. Metrums s. CHANTR. 1.103; WEST 2018, 368f.; zur metr. Lizenz in dieser Position s. auch M 15. — περ: Die Funktion der Partikel hier ist umstritten: ἀµφότεροι

308 ἀνέρος: = ἀνδρός; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).

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betonend (DENNISTON 482; AH: “‘beide doch’, da ich allein es nicht vermag”; konzessiv CHADWICK 1996, 242: “even if it takes both of us to do it”) od. als metrischer Versfüller (Hinweis DE JONG) ohne ‘skalare’ Bedeutung (vgl. BAKKER 1988, 259–262).

309–310 Die Eroberung und Zerstörung Troias ist ein wiederkehrendes Motiv in Figuren-Reden der Ilias (Stellensammlung s. SCHADEWALDT [1938] 1966, 156f. Anm. 4; weitere Lit. 18.265n.). Die Befürchtung, daß die Troer nun von Achilleus überrannt werden, hat auch Zeus zu Beginn dieser Schlacht geäußert und die Götter aufgefordert, sich in den Kampf der Menschen einzumischen (20.23b–30). In Skamandros’ Kampfparänese ist die Aussage, Achilleus werde bald schon Troia zerstören, wohl eher eine rhetorische Übertreibung (s. 216 seine Übertreibung, Achilleus werde möglicherweise alle Troer töten): Skamandros beschwört diese Gefahr herauf, um seinen Aufruf nach Gegenwehr umso dramatischer erscheinen zu lassen. 309 von der Zäsur A 4 an ≈ 7.296, 17.160, Od. 3.107. — ἄστυ … ἄνακτος: Die Formel (s. Iterata) ist eine Variante der Halbversformel πόλις Π. ἄ. (3× Il.). ἄστυ µέγα Πριάµοιο ist Formel an versch. Vers-Positionen: im Innern (5× Il., 1× Od.; ferner 2× Il. ἄ. µ. Πριάµου) und am VA (2× Il.): 2.332n. mit Lit. 310 κατὰ µόθον: bed. ‘durch das/im Kampfgetümmel’, Formel vor der Zäsur C 2 (3× Il., 1× ‘Hes.’): LfgrE s.v. µόθος. 311 1. VH = 333. — ἀλλ’ ἐπάµυνε: ἀλλά markiert beim Imp. den Übergang von der Argumentation zur Aufforderung und steht sonst meist kurz vor dem Ende der Rede (DENNISTON 14). (ἐπ-)ἀµύνω (‘zu Hilfe kommen’) ist eines der häufigen Stichwörter in Kampfparänesen (z.B. 333, 13.465, 16.540/556/561, 18.171): FINGERLE 1939, 125; zum Motiv des solidarischen Einstehens der Kämpfer für einander s. 16.363n., 18.98–99n. — τάχιστα: oft in (ungeduldigen) Aufforderungen (s. 333, 466: LfgrE s.v. ταχύς 341.12ff.); Eile ist in dieser Situation zwingende Notwendigkeit, s. 309f. (ἐπεὶ τάχα … | ἐκπέρσει). — ῥέεθρα: meist am VE (25× fgrE), ferner vor der Zäsur B 2 (4× in Il. 21); bed. ‘die Wasser(fluten), das strömende Wasser’ (neben ῥόον 303): RICO 1999, 7; anders LfgrE s.v. ῥέεθρα: auch ‘Flußbett’, so hier mit ὕδατος (312) und 382 neben κῦµα. 312 ὀρόθυνον: Objekt sind in der Ilias außer hier immer Menschen (‘antreiben’, näml. zum Kampf); Naturgewalten s. noch Od. 5.292 (ἀέλλας: ‘erregen’), Cypr. fr. 10.9 West (πόντον: ‘anschwellen lassen’): LfgrE s.v. ὀροθύνω. — ἐναύλους: hier Bez. für Gießbäche, die aus den Quellen gespeisten Zuflüsse des Simoeis (AH; LfgrE s.v.; s. auch 283n.), nicht ‘Flußbett’; (schwankend schol. D zur vorl. St.: τὰς τῶν ποταµῶν διώρυγας. ἢ τοὺς διὰ στενοῦ ῥέοντας ποταµούς; ähnlich schol. bT). 309 σχῶµεν: ‘zurückhalten, aufhalten’. — τάχα (ϝ)άστυ … Πριάµοιο (ϝ)άνακτος: zur Prosodie R 4.3. 310 ἐκπέρσει: Fut. zu ἐκπέρθω (‘austilgen, zerstören’). — κατὰ (µ)µόθον: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — µενέουσιν: absolut gebraucht: ‘standhalten’; zur unkontrahierten Form R 6. 311 καὶ ἐµπίµπληθι: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. 312 ὕδατος: ist von ἐµπίµπληθι abhängig. — πηγέ͜ων: zur Flexion R 11.1; zur Synizese R 7. — ὀρόθυνον: Imp. Aor. zu ὀροθύνω (‘laß anschwellen!’).

Kommentar

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313 2. VH ≈ 2.810, 4.449, 8.59, 8.63, Od. 24.70, ‘Hes.’ Sc. 401. — µέγα κῦµα: 268n. — πολὺν δ’ ὀρυµαγδὸν ὄρινε: Variante der intrans. VE-Formel πολὺς δ’ ὀρυµαγδὸς ὀρώρει (Iterata; KELLY 2007, 105f.), die das Aufkommen von lautem Kampflärm beschreibt; hier geht es um ‘lautes Krachen’ von mitgerissenem Geröll und Holz (314a). Die Quantität ‘viel’ bez. die Intensität des Tons (WILLE 2001, 75; LfgrE s.v. πολύς 1413.7ff.; vgl. µεγάλῳ ὀρυµαγδῷ 256n.).

314a 1. VH = 12.29 (Baumaterial der Mauer der Achaier). — Das Holz und die Steine in der gewaltigen Strömung erinnern leise an das Gleichnis des Bewässerungsgraben, in dem Kiesel von der Strömung mitgerissen werden (260–262). Holz und Steine sind u.a. auch Materialien bei Bestattungen, für den Bau des Scheiterhaufens bzw. das Bedecken der Grabgrube (23.123, 24.797f., Od. 12.11); im folgenden spricht Skamandros von seinem Geröll als Material für eine Bestattung Achills im Fluß (318b–321).

φιτρῶν: bed. ‘Baumstamm, Klotz’; ist im hom. Epos nur verwendet als Bez. für Baumaterial (12.29 für die Lagermauer, 23.123, Od. 12.11 für Scheiterhaufen); etymologisch gehört es viell. zur idg. Verbalwurzel ‘schlagen’ (*bheiH-): BEEKES. — λάων: Zum Schwanken zwischen themat. und athemat. Formen in der Flexion von λᾶας s. 3.12n. (mit Lit.).

314b–315 1. VH von 315 ≈ 5.175 (Diomedes), 16.424 (Patroklos); VE von 315 (ab der Zäsur C 2) = Od. 11.304, 11.484, h.Ven. 214. — Mann | … Göttern: Die Formulierung läßt die Diskrepanz zwischen Achills menschlicher Existenz und seinem gottähnlichen Kampfdrang anklingen und läßt eine gewisse Anerkennung des Sprechers für den Gegner erkennen: Die Charakterisierung eines Kriegers als ágrios (‘wild’) verweist auf seinen furor, s. Achills Kampfwut 542f., 9.629, 22.312f., außerdem 6.96f. = 6.277f. (Helenos bzw. Hektor über Diomedes), 8.96 (Diomedes über Hektor): CAMEROTTO 2009, 144f.; vgl. auch 19.88n. (Attribut unkontrollierbarer Wesen u. Kräfte). Auch ist Achills physische Überlegenheit (gr. hos … kratéei ‘der gewaltig, überlegen ist’) hier, anders als 214f., nicht explizit in Relation zu anderen Sterblichen gesetzt, und mit der Formulierung ‘gleich den Göttern’ (gr. ísa theóisin) gesteht Skamandros dem Gegner Kampfwut zu, die das menschliche Maß übersteigt (s.u. und vgl. 18n.). Der Kampf rückt in die Nähe eines Götterkampfes. Im Folgenden jedoch verhöhnt Skamandros seinen sterblichen Gegner (316ff.), indem er dessen Anspruch auf ein Grabmal pervertiert (zum Grabmal und zum Kult des Heros s. 322–323n.). – An den beiden Iterat-Stellen der Ilias, 5.175 und 16.424, ist die Situation ähnlich wie hier: Nachdem ein Grieche (dort 313 ἵστη: 2. Sg. Imp. Präs. zu trans. ἵστηµι (‘stelle auf, laß sich erheben!’). — δὲ (µ)µέγα: zur Prosodie M 4.6 und M 8. 314 λάων: Gen. Pl. von λᾶας ‘Stein’ (R 11.3). — παύσοµεν: kurzvokalischer Konj. Aor. (R 16.3). 315 κρατέει: zur unkontrahierten Form R 6. — γε (ϝ)ῖσα: zur Prosodie R 4.3. — θεοῖσιν: zur Flexion R 11.2.

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Diomedes bzw. Patroklos) zahlreiche Troer getötet hat, ruft ein Verbündeter der Troer (dort Aineias bzw. Sarpedon) dazu auf, dem überlegenen Gegner – der nicht namentlich genannt wird – Einhalt zu gebieten. µέµονεν δ’ ὅ γε ἶσα θεοῖσιν: Steigerung zu κρατέει, durch ὅ γε “mit nachdrücklicher Hervorhebung des Subjekts” (AH; vgl. 453–455n.). µέµονα (Perf. mit Präs.-Bed.: ‘streben, den Drang haben’) gehört etymologisch zu µένος (‘Erregtheit, unbändige Energie, aggressiver Drang’: LfgrE s.v. µένος 137.27ff.). Die Intensität von Achills aggressivem Streben ist durch ἶσα (adverbieller Akk.) θεοῖσιν ins Übermenschliche gehoben; diese Wendung ist sonst zwar neutral verwendet (Od. 11.304, 11.484, h.Ven. 214), hier aber vom Kontext her nicht nur anerkennend, sondern ein Übermaß signalisierend (eine Steigerung gegenüber der häufigeren VE-Formel δαίµονι ἶσος [im Erzähler-Text 18, s.d.]), vgl. die ähnlich formulierte Warnung Apollons an Diomedes µηδὲ θεοῖσιν | ἶσ’ ἔθελε φρονέειν (Il. 5.440f.): LfgrE s.vv. ἶσος 1229.38ff. u. µέµονα.

316–323 Der zweite Teil der Rede ist vergleichbar mit den – in der Ilias kaum jemals umgesetzten – Drohungen von Kämpfern, den Leichnam des unterlegenen Gegners den Tieren zum Fraß zu überlassen oder durch Verstümmelungen die ordentliche Bestattung zu verhindern, s. bes. Achills Drohungen gegen Hektor 18.334f., 22.335f., 22.348, 22.354 und seine Haltung gegenüber Lykaon 122–135 (122– 125n.; weitere Stellen und Lit. 24.22n.). Skamandros’ Drohung besteht aus einer Perversion der Bestattungszeremonie (317b–323n., 322–323n.; zu den Bestattungsriten im hom. Epos s. bes. 16.666–683n. [Sarpedon], 18.343–355n. [Patroklos], 24.580–595n. [Hektor], ferner Od. 24.43–84 [Agamemnons Schilderung von Achills Bestattung]); darin dominieren Wendungen für das Bedecken von Achills Waffen und Körper mit Schlamm und Schwemmgut (bes. 318–321). Skamandros versteigt sich zur ironisch gefärbten Ankündigung, daß Achills Kraft sowie sein Aussehen und die schönen Waffen ihm nun nichts nützen würden (316–317a); er werde alles von ihm aus dem Blickfeld verschwinden lassen (317b–321), sodaß man keine Bestattung mit Grabhügel brauchen werde (322f.). Somit droht Skamandros ihm das an, wovor ein Heros sich besonders fürchtet, nämlich daß die Erinnerung der Menschen an ihn und damit sein Nachruhm ausgelöscht wird, und verzichtet darauf, den Tod durch Ertrinken auszumalen (s. Achills Furcht davor 277–283 [272–283n.]). Zur Vorstellung, daß von Menschen Erschaffenes und Menschen selbst durch Überschwemmung vernichtet werden, s. HAUBOLD 2013, 65–70 (mit Hinweis auf 7.454ff. u. 12.24ff.: die Zerstörung der Lagermauer der Griechen).

Die Passage enthält (a) sprachliche Anklänge an Bestattungsszenen (s. nn. zu 318–321, außerdem bereits 314a n.); (b) eine auffällige Häufung von selten belegten hom. hapax legomena zur Beschreibung, wie Achilleus gleichsam ‘begraben wird’: 317 νειόθι (hom. hapaxP, noch Hes. Th. 567, ferner νειόθεν Il. 10.10), 318 ἰλύς (‘Schlamm’; nur hier im fgrE), 319 χέραδος (s.d), 321 ἄσις (s.d.), 323 τυµβοχοῆς (322–323n.): NAGLER 1974, 156f.; RICHARDSON 1987, 174f.; LfgrE s.v. χέραδος.

Kommentar

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316–317a In den Augen des Gegners zeichnen Achill drei Dinge aus, die nun aber nutzlos seien (gr. Trikolon mit Anapher und wachsender Silbenzahl): zunächst ‘Körperkraft’ (gr. bíē) und ‘Aussehen, Erscheinung’ (gr. éidos, posit. gewertet; vgl. 108 Achill über sich [s.d.], dagegen Aussagen über Paris 3.44f., 13.769f.: zwar schönes Aussehen, aber keine Körperkraft), als drittes seine besonderen Waffen, die vom Schmiedegott Hephaistos persönlich für ihn geschaffen worden waren (dieser hatte aber bereits angedeutet, daß sie den Träger nicht vor dem Tod bewahren können: 18.464–467). Eine ähnliche Formulierung findet sich 3.54f. als Warnung in Hektors Scheltrede an Paris: Im Staub des Schlachtfeldes würden ihm Kitharis, Gaben der Aphrodite, Haarpracht und Aussehen nichts nützen. φῆµι: am Satzanfang stark betont (daher orthotoniert: WEST 1998, XX). — τὰ τεύχεα καλά: präsentierender Gebrauch des Artikels und Hervorhebung des Adj.: ‘diese Waffen da, die schönen’ (AH; LEAF; vgl. G 99; CHANTR. 2.161f. u. 166; BASSET 2006, 113; etwas anders SCHW. 2.22: “lediglich determinierend … ‘die schönen Waffen, von denen man weiß’”). Zur Formel τεύχεα καλά s. 301n.

317b–323 ironisch-sarkastische Modifikationen von Vorgängen des Bestattungsritus: 318–320a die Aufbahrung des Leichnams (sog. ‘Prothesis’), für die der Tote in ein Tuch eingehüllt und zugedeckt wird, s. bes. 19.211f., 24.600f. (zum Vorgang 18.352–353n., 24.588n.), im Falle Achills auch die Waffen; 320b–321 das Einsammeln des Leichenbrandes nach dem Verbrennen des Leichnams (s. etwa 23.252f., 24.792–794, Od. 24.72–76): die Überreste wurden in ein Gefäß gelegt und dieses anschließend unter einem Grabhügel bestattet (Details und Lit. s. 24.777–804n., 24.795n., 24.797–798n.); 322f. der Grabhügel (s.d.). Die Besonderheit der angedrohten ‘Bestattung’ ist sprachlich herausgestellt durch eine Art von rhetor. Polarem AusdruckP in zweifacher Ausführung: ‘ich werde … (318b–320a/321b und 322a), die Achaier nicht …’ (320b–321a und 322b–323). 317b που: ‘irgendwo’ mit ironischem Unterton: neben der Ortsangabe νειόθι λίµνης lokal wie 5.193, Od. 8.255 (LfgrE s.v. 1505.5ff.), nicht modal zur subjektiven Abschwächung der Aussage (‘denk ich, wohl’: so AH; Lit. zu diesem Gebrauch 19.323n.). — νειόθι λίµνης: νειόθι ist Adverb (G 66) mit Bed. ‘unten in der Tiefe’ (s. noch Hes. Th. 567 δάκεν δ’ ἄρα νειόθι θυµόν), hier wie eine Präposition m. Gen. verbunden (vgl. ἀγχόθι, τηλόθι + Gen.); etymologisch gehört es zum Subst. νειός (‘niederes, d.h. abgeerntetes Feld’: 18.541n.) und νείατος (‘der unterste’): DELG s.v. νειός. λίµνη bed. eigtl. ‘(stehendes) Gewässer’, hier vom Flußwasser, mit dem Skamandros die Ebene überschwemmt hat (AH; LfgrE s.v. λίµνη).

316 βίην: zum -η- nach -ι- R 2. — χραισµησέµεν: Inf. Fut. zu χραισµέω (‘als Schutz, Abwehr dienen, schützen’); als Objekt ist Achilleus zu ergänzen; zur Form R 16.4. — τι: Akk. der Beziehung (R 19.1), verstärkt οὔτε: ‘und gar nicht, und überhaupt nicht’. — τι (ϝ)εῖδος: zur Prosodie R 5.4. 317b τά: demonstr.-anaphor. Pronomen in der Funktion eines Relativpron. (R 14.5). —νειόθι λίµνης: ‘tief unten im Wasser’ (vgl. R 15.2).

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318 κείσεθ’ ὑπ’ ἰλῦος κεκαλυµµένα: Auch die göttlichen Waffen werden verborgen sein unter Schlamm und somit unsichtbar werden; vgl. das Einhüllen des Leichnams (καλύπτω mit instr. Dat.) 18.352, 23.254, 24.796 (LfgrE s.v. καλύπτω). 319 εἰλύσω: Im fgrE sind sonst nur Formen des Mediopass. von ε(ἰ)λύω (≈ lat. volvo) belegt (Perf. εἴλυ-, Aor. ἐλυσθ-); das Fut. ist sekundär zum Perf. gebildet (CHANTR. 1.131 u. 442). — χέραδος: ‘Geröll’, Bez. für das Schwemmgut eines Baches od. Flusses (schol. A, D). Das hom. hapaxP ist nachhom. nur selten belegt (Sappho fr. 145 Voigt, Alkaios fr. 344.1 Voigt, Pind. Pyth. 6.13, Apoll. Rhod. Argon. 1.1123), seine Etymologie ist unbekannt; es gilt als Neutr. Sg., wurde aber auch als Gen. aufgefaßt (geschrieben χεράδος u. σχεράδος: app. crit.; vgl. schol. T [mit ERBSE z.St.]; LEUMANN 1950, 161f.; DELG s.v.; weitere Lit. s. LfgrE). — περιχεύας: Aor. zu *περι-χέ(ϝ)ω mit Fehlen des -s- (G 63; LIV 179; weitere Lit. 3.10n.); χέω bez. u.a. auch das Aufschütten des Grabhügels (z.B. 6.419, 23.256f., 24.799/801, Od. 3.258): LfgrE s.v. χέω 1193.7ff.

320 Skamandros, der nun vor Selbstbewusstsein strotzt, gerät ins Übertreiben bei der Mengenangabe seines Schwemmgutes (s.u.) und mit der Ankündigung, daß die Achaier seine Überreste gar nicht mehr finden werden.

µυρίον: bed. ‘immens viel’, ist auf χέραδος (319) bezogen (‘Geröll in unzählbarer Menge’) und verstärkt ἅλις; als Numerale ist es erst ‘Hes.’ fr. 278.10 M.-W. belegt (LfgrE; SCHW. 1.593: Ausdruck für Unzählbarkeit). 321 οἱ ἄσιν καθύπερθε καλύψω: Wiederaufnahme von κεκαλυµµένα 318 und Anspielung auf das Zudecken mit Erde als Grabhügel, s. χυτὴ κατὰ γαῖα καλύπτοι 6.464 ≈ 14.114 (LfgrE s.v. καλύπτω 1317.15ff.); zur vorl. Konstruktion (‘jm. etw. darüber decken’) vgl. 5.315 (πρόσθε δέ οἱ … πτύγµ’ ἐκάλυψεν), 22.313 (πρόσθεν δὲ σάκος στέρνοιο κάλυψεν). — ἄσιν: nur hier im fgrE, nachhom. ganz selten belegt (Nic. Th. 176, Charito 2.2: LSJ s.v.; s. auch Aisch. Suppl. 31 ἀσώδης); ist nach ἰλύς (‘Schlamm’), ψάµαθοι (‘Sand’) und χέραδος (‘Geröll’) eine weitere Bez. für Schwemmgut des Flusses (‘Kies’ od. ‘Schlick’?), wurde von ant. Erklärern mit ἰλύς gleichgesetzt (schol. D; LfgrE u. DELG s.v.).

318–319 κείσεθ’: = κείσεται, mit Elision (R 5.1) und Hauchassimilation. — ὑπ’ ἰλῦος κεκαλυµµένα: ‘unter Schlamm zugedeckt’ (ἰλῦος ist Gen. zu ἰλύς). — κὰδ δέ … | εἰλύσω: Fut. zu κατ-ειλύω (‘einhüllen, bedecken’); zur sog. Tmesis R 20.2 (apokopiertes u. assimiliertes κατά: R 20.1). — µιν αὐτόν: ‘ihn selbst, seinen Leib’. — ἅλις: ‘in Mengen, zahlreich’; ist auf περιχεύας (‘rings herumschütten’) zu beziehen. 320 οὐδέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3; οἱ = αὐτῷ (R 14.1), ebenso 321 und 322; zu οὐδέ 303n. — ὀστέ’ ἐπιστήσονται: zum Hiat nach Elision R 5.1. — ἐπιστήσονται: ‘sie werden fähig sein, vermögen’ (Fut. zu ἐπίσταµαι). 321 ἀλλέξαι: = ἀνα-λέξαι (apokopiertes u. assimiliertes ἀνα-: R 20.1). — τόσσην: zum -σσR 9.1.

Kommentar

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322–323 Der Grabhügel (gr. týmbos) gilt als sichtbares Zeichen der Erinnerung (gr. sḗma) an den Toten und seinen Ruhm, s. z.B. 4.177, 23.245f., Od. 1.239ff., 1.291f. (für den verschollenen Odysseus), 4.584, 5.299–312 (Odysseus’ Furcht, beim Ertrinken im Meer keine Grabstätte und somit keinen Nachruhm zu erhalten), 24.80– 84; genau dies will hier Skamandros seinem Gegner verweigern (SOURVINOUINWOOD 1995, 122–136; Lit. zu Grabmälern in der Troas und zur Kontroverse um das Phänomen des Heroenkults im hom. Epos s. 6.419a n., 7.86n., 24.16n., NTHS 50–53). Dieses Ende seiner Rede ist besonders passend, da Achilleus dem langen und ruhmlosen Leben das kurze und ruhmvolle Leben vorgezogen hat (Hinweis NÜNLIST; s. 275–278n.). Indem Skamandros ankündigt, Achilleus mit seinem Schwemmgut einen Grabhügel zu schaffen, nimmt er ihm zugleich die Möglichkeit, durch einen ordentlichen Grabhügel für die Nachwelt sichtbar zu bleiben, schafft ihm also ein Anti-sḗma (eine Art Oxymoron: SOURVINOU-INWOOD a.O. 131f. mit Anm. 70). Somit schließt er seine Rede mit der Pervertierung der großzügigen Geste eines überlegenen oder sich überlegen gebenden Kämpfers gegenüber dem Feind; denn Achilleus errichtete einst für den von ihm getöteten Vater Andromaches einen Grabhügel (Il. 6.414–420), und Hektor stellte in Aussicht, im Falle seines Sieges seinen Zweikampfgegner den Griechen zur Bestattung mit Grabhügel in der Troas zu überlassen – allerdings als ein Erinnerungsmal seines eigenen Ruhmes (7.84– 91). τετεύξεται: redupliziertes Fut. zur Betonung der Fortdauer (‘wird für alle Zukunft bereitet sein’: SCHW. 2.289; vgl. CHANTR. 1.448); zur Bildung (auf Fut. τεύξ- zurückgehend) SCHW. 1.783. — οὐδέ τί µιν χρε͜ώ: = Od. 4.707, Variante der VE-Formel οὐδέ τί σε/µε χρή (9× Il., 8× Od., 3× hom.h.). — µιν χρε͜ώ | ἔσται τυµβοχοῆς: χρε͜ώ ist ein indeklinables Nomen der ep. Sprache mit der Bed. ‘Not, Bedürfnis’, meist ähnlich wie χρή verwendet, hier mit zusätzlichem Prädikat im Fut. und mit Akk. der Person und gen. obiectivus (LEAF; CHANTR. 2.40); der Formulierung am ähnlichsten ist Od. 4.634 (ἐµὲ δὲ χρε͜ὼ γίνεται αὐτῆς), weitere Stellen s. LfgrE s.v. χρεώ. Das sonst nicht belegte Substantiv τυµβοχοή ist ein Kompositum zu χοή (‘Weiheguß’ für die Toten) mit der Bed. ‘Grabaufschüttung’ (vgl. 319n. zu περιχεύας); zur Auffassung als endbetontes Subst. s. AHRENS 1879, 55 Anm. 90; WEST 2001a, 135; anders LEAF; RICHARDSON; RISCH 197. 212 (τυµβοχόης im Anschluß an Krates, analog zu οἰνοχόος/οἰνοχόη ‘Wein-Eingießer’/‘Weinkrug’ [6× fgrE] und τυµβοχόα χειρώµατα Aisch. Sept. 1022). Die von einigen (u.a. AH) im Anschluß an Aristarch bevorzugte v.l. mit Inf. Aor. τυµβοχοῆσ’ zu einem bei Hdt. belegten Verb τυµβοχοέω (‘einen Grabhügel aufschütten’; analog zu οἰνοχοέω) läßt sich nicht halten: Elision bei Inf. Aor. ist sonst nicht belegt (s. auch CHANTR. 1.86), µιν als Akk.-Obj. dazu ist problematisch (s. auch LEAF u. LA ROCHE 1893, 97; dagegen AH: ‘ihm einen Grabhügel aufzuschütten’; zur ant. Diskussion schol. A und

322 αὐτοῦ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.4. — αὐτοῦ: ‘da, dort, an Ort und Stelle’. — τι: 316n. — µιν: = αὐτόν (R 14.1). — χρε͜ώ: zur Synizese R 7; zur Konstruktion ↑. 323 ὅτε … θάπτωσιν: Temporalsatz mit prospektivem Konj., bei Homer auch ohne Modalpartikel (R 21.1).

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app. crit.). — θάπτωσιν: hier allgemeiner verwendet i.S.v. ‘Bestattungsriten durchführen’, bez. sonst konkret den Vorgang des Beisetzens (LEAF; LfgrE).

324–329 Die Bitte an den Bruder Simoeis um Unterstützung scheint Wirkung zu zeigen. Das gewaltige Bild des brodelnd sich aufbäumenden Flusses voll von schäumendem Blut und Leichen zeigt den Höhepunkt des Angriffs, Heras Reaktion 328f. signalisiert höchste Gefahr für Achilleus. Sprachliche Anklänge verweisen auf den Beginn dieses Angriffs 305–307 (324 ὑψόσε und 327 ἀειρόµενον auf 307 ὑφόσ’ ἀειρόµενος; 306 u. 326 κῦµα) und zeigen eine Steigerung gegenüber dem vorausgehenden Angriff (324 ὑψόσε θυίων gegenüber 234 οἴδµατι θυίων; 326f. κῦµα … | ἵστατ’ ἀειρόµενον gegenüber 240 ἵστατο κῦµα und 268f. µέγα κῦµα … | πλάζ’): Hinweis FÜHRER. 324–325 1. VH von 325 ≈ 5.599, 18.403 (Okeanos). — ἦ, καὶ …: kurzer, formelhafter RedeAbschlußP bei gleichbleibendem Subjekt, ermöglicht die Weiterführung der Handlung noch im gleichen Vers (1.219n.); das Wort wird sogleich in die Tat umgesetzt (324–327). — κυκώµενος, … θυίων, | µορµύρων: Häufung asyndetischer Partizipien zur lebhaften Gestaltung der Handlung (K.-G. 2.103f.; SCHW. 2.701): (1) κυκώµενος bed. ‘strudelnd’ (235n.) s. bes. Od. 12.238 von kochendem Wasser im Kessel; (2) θυίω bed. ‘toben, wüten’, von Naturkräften (Wasser, Wind) und von Kriegern, die durch die feindlichen Reihen stürmen, hier mit Richtungsangabe ὑψόσε ‘in die Höhe’ (also ‘tobte hoch auf’), die Verbindung als Bez. für das Anschwellen des tobenden Flusses (vgl. οἴδµατι θυίων 234, mit n.): LfgrE s.v.; zur Schreibweise θυίω mit ι CHANTR. 1.51, 372; WEST 1998, XXXI; (3) µορµύρω, ein onomatopoetisches Verb (vgl. lat. murmurare), ist immer mit ἀφρῷ verbunden (s. Iterata, hier nachgestellt zur Bildung eines Polysyndetons), bez. das Rauschen eines kraftvoll fließenden und schäumenden Flusses (KRAPP 1964, 176f.; TICHY 1983, 278). — αἵµατι καὶ νεκύεσσιν: an den vorausgehenden Flußkampf angepasste Variation der Formel αἵµατι καὶ κονίῃσι(ν) (VE 15.118, 16.639, Od. 22.383; VA Il. 16.796); ist Teil eines Trikolons mit wachsender Silbenzahl.

326 1. VH = Od. 11.243; 2. VH = Il. 21.268. — Das gr. Adj. porphýreos kann (ebenso wie das Verb porphýrō) zweierlei bezeichnen: (1) eine Bewegung (‘[auf-]wallend, wogend’; s. AH u. RICHARDSON z.St.); (2) eine Farbe (‘purpurn’, von Bedrohlichem auch ‘dunkel’; ist u.a. Attribut von ‘Tod’). Dieser Sachverhalt wird verschieden erklärt (1.482n.: bez. viell. den Sinneseindruck ‘[dunkel] changierend’; DELG s.v. πορφύρα: zwei Homonyme; weitere Lit. 16.333–334n. [zu πορφύρεος θάνατος], 24.645n., 14.16n.). In Verbindung mit Gewässern sind beide Bedeutungen nachweisbar; meistens wird so das Meer beschrieben (1.481f., 14.16, 16.391, Od. 13.84f., hom.h. 28.11f.), an der vorl. Stelle (sowie Od. 11.243) die Woge des Flusses, die sich in wundersamer Weise in die Höhe erhebt (LfgrE s.v. πορφύρεος), 324 ἦ: 3. Sg. Impf. zu ἠµί ‘sagen’. — ἐπῶρτ(ο): Wurzelaor. zu ἐπόρνυµαι (+ Dat.) ‘sich erheben, losbrechen gegen’. — Ἀχιλῆϊ: zur Flexion R 11.3; zum einfachen -λ- R 9.1. 325 νεκύεσσιν: zur Flexion R 11.3. 326 πορφύρεον … διιπετέος: zu den unkontrahierten Formen R 6.

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wobei durch die vorausgehenden Begriffe ‘Schaum’ und ‘Blut’ die Assoziationen in beide Richtungen gelenkt wird: das Wasser ist sowohl ‘dunkelrot’ vom Blut der Leichen (vgl. vom Boden Il. 17.360f.) als auch mit Schaum ‘wogend’ durch das wütende Toben des Flußgottes (NEAL 2006, 262f.; ECK 2012, 189f.). διιπετέος ποταµοῖο: 268n. 327 1. VH ≈ 2.151, 23.366 (jeweils fem., zu κονίη). — Πηλείωνα: 153n.

328–514 Die Kämpfe der Götter (‘Theomachie’). I. Struktur: Mit Hephaistos’ Eintritt in den Kampf zur Rettung Achills beginnt die letzte Phase des Flußkampfes und zugleich die erste Phase der Götterkämpfe, die im 20. Gesang in die Wege geleitet wurden; s. bes. zum folgenden Kampf zwischen Hephaistos und Skamandros 20.36f./40 (beide mischen sich auf dem Schlachtfeld unter ihre jeweilige Kriegspartei) und 20.73f. (sie stehen einander gegenüber), zu den weiteren Kampfszenen die Aufstellung der Gegner 20.67–72 (dazu EDWARDS zu 20.31–74 u. 20.67–74). Insgesamt läßt sich in der Beschreibung der Götterkämpfe als Grundlage das Schema der Typisierten EreignissequenzP ‘Ablauf der Feldschlacht’ erkennen (s. dazu ausführlich 4.422–544n. Abschn. II.). Aber der Erzähler spielt mit der Erzählstruktur einer Schlachtschilderung: Das Schema ist aufgelöst durch fließende Übergänge von den Kämpfen der Menschen, in die sich Götter einmischen, zu den Kämpfen der Götter selbst. Die Zweikämpfe zwischen olympischen Göttern bilden die eigentliche sog. ‘Theomachie’ (383–514 mit n.): In deren Schilderung spielt der Erzähler mit dem Schema des typischen Zweikampfes; denn er führt das ‘normale’ Kämpfen der Menschen in der Schlacht bei den Kämpfen der Götter von Szene zu Szene immer mehr ad absurdum und läßt das Kampfgeschehen schließlich sich auflösen. Das Ganze erweckt den Eindruck, als ob der ErzählerP zwar die traditionelle Erzählweise übernimmt, aber zugleich auch spielerisch damit umgeht. A. Vorbereitung der Frontbildung 1. Anfeuerungsrede (Zeus in der Götterversammlung 20.4–31 [sein Kampfverbot 8.2– 27 ist damit aufgehoben]). 2. Sammlung der beiden Kampfparteien der Götter bei den von ihnen unterstützten Heeren der Menschen (20.32–40). Einschub: Die Situation auf dem Schlachtfeld unter den Menschen (20.41–46). 3. Anmarsch der Götter auf den Kampfplatz und Eingliederung unter die kämpfenden Menschen, die dann von ihnen angetrieben werden (20.47–66; erstes feindliches Aufeinanderlosgehen, begleitet von Donnern und Erdbeben, erzeugt von Zeus und Poseidon 20.56–66). 327 ἵστατ(ο) …· κατὰ δ’ ᾕρεε: durativ-konatives Impf., ‘richtete sich auf, stieg empor’ und ‘war dabei, niederzureißen’; zur sog. Tmesis R 20.2. — ἀειρόµενον: 307n.

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4. Frontbildung: Zusammensetzung der beiden Kampfformationen der Götter (20.67– 74). B. Kampf-/Schlacht-Ablauf 1. Gegeneinander-Vorrücken (20.75a). Einschübe: (1) Achilleus gegen Aineias; dieser wird von Apollon angetrieben (20.75b–111); (2) Gespräche unter den Göttern; sie können sich nicht entschließen zu kämpfen, bleiben Zuschauer (20.112–155); (3) Kämpfe der Menschen (20.156– 21.327), v.a. Aristie des Achilleus, in die einzelne Götter eingreifen (Poseidon warnt und rettet Aineias 20.288–342; Apollon und Athene unterbinden den Zweikampf Achilleus–Hektor 20.375–378, 20.438b–444; Skamandros beginnt sich gegen Achilleus zu wehren 21.136ff. und bringt ihn schließlich in Todesgefahr 21.233ff.; Poseidon und Athene bzw. Hera stehen Achilleus bei 21.284–298 bzw. 21.328–341). 3. Eintritt der Götter in den Nahkampf: Einzelkampfschilderungen (Kampfpaarungen gemäß Abschn. A. 4. oben): Hephaistos bezwingt Skamandros (21.342–382), Überleitung und allg. Kampfbeginn (21.383–390), weitere Zweikämpfe: (a) Ares attackiert Athene, wird von ihr niedergeschlagen, ebenso Aphrodite, die ihm helfen will; beide sind kampfunfähig (391–433); (b) Poseidon fordert Apollon heraus: dieser verweigert den Kampf, wird von Artemis deswegen gescholten (435–478); (c) Hera schlägt Artemis: diese flieht und läßt ihre Waffen fallen (479–496); (d) Hermes überläßt Leto, die gar nicht angegriffen hat, kampflos das Feld; sie sammelt Artemis’ Waffen ein (497–504). 7. Abbruch der Schlacht: Artemis weint sich bei Zeus aus (505–514), Apollon eilt nach Troia, die übrigen Götter auf den Olymp (515–520a). Resultat: Alle griechenfreundlichen Götter gehen unversehrt vom Platz, troerfreundliche Götter sind geschlagen (Skamandros, Ares, Aphrodite, Artemis) oder haben nicht gekämpft (Apollon, der noch eine gewisse Zeit als Beschützer der Troer auftreten wird [515–517 u.ö.], Leto); schlagkräftig und siegreich sind Hephaistos, der strikt nach Heras Anweisungen agiert, Athene und Hera. Zum Ablauf des zweiten Teils der Götterkämpfe und den Verbindungen zur Schlachtschilderung des 5. Gesanges s. 383–514n. Abschn. (3); SCHEIBNER 1939, 33f. 68–71. 99–102; REICHEL 1994, 313–316; KELLY 2007, 102f.; zu den Verbindungen zur Götterhandlung des 8. Gesangs s. SCHADEWALDT (1938) 1966, 116f. In der Schilderung der Götterschlacht fehlen themabedingt die Elemente 2. (Wurfkampf) und 4.–6. (Zurückweichen einer Formation, Nachdrängen der Gegner, neue Frontbildung).

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II. Einbettung und Aufbau: Die Schilderung der Kämpfe, in denen Götter paarweise gegeneinander antreten, besteht aus zwei in Dramatik und Dynamik unterschiedlichen Teilen; zur ausführlicheren Charakterisierung dieser beiden s. 328–382n. und 383–514n. Grundsätzlich sind folgende Punkte bemerkenswert: Diese Götterkämpfe, die schon früh vorbereitet wurden (20.4–75a), setzen erst nach langer Verzögerung mit dem Kampf Skamandros–Hephaistos ein, wobei Skamandros kein Olympier ist, sondern ein lokaler Flußgott, der die Troer im Kampf unterstützt. Seine tragende Rolle ergibt sich aus seinem vorausgehenden Kampf gegen Achilleus, Hephaistos wiederum wird zu dessen Rettung aufgeboten. Nur diese Szene bietet einen hochdramatischen Kampf mit konkretem Bezug zu den kämpfenden Menschen, und sie endet mit der Unterwerfung des Beschützers der Troer, der den Gegner um Abbruch des Kampfes bittet (359f.) und ankündigt, sich aus diesem Krieg zurückzuziehen (REINHARDT 1961, 446–450). Die nachfolgende Schlacht der Olympier hingegen wird zwar imposant eingeleitet (385 –388a), die Erwartungshaltung der Rezipienten dadurch hochgeschraubt, aber die Kämpfe erweisen sich eher als eine Balgerei zwischen Streithähnen, von denen einige (v.a. pro-troianische Götter) geradezu lächerlich wirken. Und während in der Götterversammlung zu Beginn dieses Tages der Kampf der Menschen und deren Unterstützung im Vordergrund gestanden hatte (20.4–31), ist die Motivation der Olympier, jetzt gegeneinander anzutreten, nicht durch ihren Wunsch gegeben, die eine oder andere Kriegspartei der Menschen zu unterstützen – in der Götterrunde ist man sich schon längst einig geworden, daß Troia letztlich verloren ist (s. etwa 4.30– 72 und bes. 15.213–235) –, sondern wird mit plötzlich aufflammendem Streit begründet (385ff.: ‘éris [‘Streit, Kampf’] fiel unter die übrigen Götter’). Dabei sind die Götter getrieben von Zorn über das Verhalten und die Einstellung des Gegners, aber das Ausmaß an Gewalttätigkeit bleibt im Vergleich zu früheren Kämpfen unter Göttern eher gering (ULF 2012, 477–479). Nur der erste Zusammenstoß ist in der Form eines Zweikampfs beschrieben: Ares, der erste Angreifer, will sich in erster Linie für die von Athene erlittene Demütigung in der ersten, im 5. Gesang geschilderten Schlacht rächen (5.825–867; weitere Bezüge zur Götterhandlung im 5. Gesang 383–514n. Abschn. (3)). Alles weitere entwickelt sich aus diesem Zusammenstoß (vgl. zum Katalog von Einzelkämpfen 4.457–544n.), v.a. die letzten Szenen (c) und (d) sind fließend miteinander verwoben. Die einen Götter treten aufgrund persönlicher Animositäten (aggressiv Hera, Athene und Artemis) und verwandtschaftlicher Verbindungen (helfend Aphrodite und Leto) in Aktion, andere verweigern schlichtweg den Kampf (Apollon und Hermes); nur Poseidon argumentiert mit Konventionen heroischen Verhaltens. Und wie der Kampf unter den Olympiern unvermittelt ausbricht, ebenso unvermittelt flaut er auch wieder ab (515ff.), ohne daß eine gewaltige Schlacht im Ausmaß einer Titanomachie stattgefunden hätte. In diesem zweiten Teil der Götterkämpfe, in der ‘Theomachie’, klingt nur in den Reden der Athene und des

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Poseidon an, daß die Götter im Hinblick auf die beiden Kriegsparteien streiten; beide schelten den Gegner, weil er die Troer, also die falsche Partei, unterstütze (413f., 458– 460a). Ein Bezug zum Schicksal der Menschen fehlt, mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Apollon erklärt seine Weigerung, gegen Poseidon anzutreten, damit, daß es sich nicht lohne, um der vergänglichen Menschen willen zu streiten, und offenbart so den tiefen Graben, der Götter und Menschen trennt (462–466). Weiteres dazu s. 383– 514n. Abschn. (2) und (3). 328–382 Erster Kampf unter Göttern, ein höchst dramatischer, mit Hilfe der Naturgewalten Feuer und Wasser ausgetragener Zweikampf: Hera holt Hephaistos zu Hilfe, um Achilleus zu retten; Hephaistos kämpft gegen Skamandros und zwingt ihn zur Kapitulation. Nachdem Poseidon und Athene Achilleus gestärkt haben (284–298), wird mit Heras und v.a. Hephaistos’ Eingreifen das Motiv der göttlichen Hilfe für Achilleus verdoppelt; durch den spektakulären Kampf zwischen den Göttern Skamandros und Hephaistos, durch den Achilleus sich endgültig aus der gefährlichen Lage retten kann, wird er selbst besonders aus den Sterblichen herausgehoben (SCHEIBNER 1939, 98– 100; RICHARDSON zu 205–327; Element (7) ‘Genesung’ der Typisierten Ereignissequenz ‘Aristie’: 1–327n., 211–327n.). Hephaistos ist in der Ilias noch nicht oft als Sympathisant einer Kriegspartei aufgetreten (FG 15; s. seine Zurückhaltung 1.574f.); er hat einen Sohn seines Priesters in Troia vom Schlachtfeld gerettet (5.9–24) und auf Thetis’ Bitten die neue Rüstung für ihren Sohn Achilleus geschmiedet (18.462–613). Jetzt agiert er als gehorsamer Sohn gemäß der Aufforderung seiner Mutter Hera (330– 333, 337b–341, 369, 378–381). Sein Kampf gegen Skamandros entwickelt sich zu einem Kampf der Elemente Feuer gegen Wasser (348–356, 361–365). Denn einerseits sind Hephaistos und Skamandros Personifikationen dieser Naturgewalten, sie vermögen zu sprechen und ihre Elemente gezielt und kontrolliert als Waffen einzusetzen (324–327 u. 372 bzw. 342ff. u. 381); andererseits sind sie selbst geradezu mit ihrem Element gleichgesetzt, s. 355/366f. Hephaistos’ Gluthauch (metonymische Verwendung des Namens Hephaistos 2.426, sonst φλόξ Ἡφαίστοιο 9.468, 17.88, 23.33) und 356/361/365f./369 das brennende Wasser des Flußgottes; s. dazu auch FG 28 u. 34; 211–327n. Feuer ist in der Ilias allgegenwärtig, sowohl als Metapher für den heftigen Kampf der Menschen (z.B. 11.596, 13.673, 14.396f., 17.366, 18.1) als auch in Gleichnissen und Vergleichen zur Veranschaulichung des Zerstörungspotentials eines Kriegers; ganz besonders deutlich wird dies bei Achilleus (s. etwa 18.207–214, 19.16f., 19.365f., 19.376–380a, 20.371f.; weitere Stellen s. 19.16b–17n.), aus dessen Kopf Athene beim ersten Auftreten vor dem Feind eine Flamme aufsteigen läßt (18.205f.) und der in Gleichnissen geradezu selbst zu einem Feuer wird. Bei seinem Angriff gleicht er einem Waldbrand (20.490–494), die Troer fliehen vor ihm wie Heuschrecken vor dem

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Feuer (21.12–16) (WHITMAN 1958, 129ff.; TAPLIN 1992, 226ff.; ROLLINGER 1996, 159ff.). An der vorl. Stelle ist der Höhepunkt der Dramatik erreicht: Der Kampf Achills gegen Skamandros wird auf die Götter-Ebene versetzt, Hephaistos übernimmt dabei die Rolle Achills, das Feuer kämpft nun selbst (WHITMAN a.O. 140; KITTS 2013, 106f. [“Hephaistos is posed as a surrogate for Achilles”]). Bemerkenswert ist dabei, (a) daß in der Kampfschilderung 342ff. nicht mehr von Achills Rettung die Rede ist (er tritt erst 520ff. wieder auf), sondern von einem Kampf zwischen zwei Göttern, die jeder eine der beiden menschlichen Kampfparteien unterstützen (s. 331b–332, 336, 357–360, 369–376, 379f.); (b) daß entgegen der konkreten irdischen Erfahrung das Feuer das Wasser bezwingt; denn es geht nicht in erster Linie um einen Kampf von Elementen oder kosmischen Kräften, sondern zunächst um einen Kampf zwischen Göttern (s. Heras Anordnungen 331f. und 379f.), dessen Ausgang ganz der Hierarchie in der Götterwelt entspricht: der Sohn der Hera ist stärker als der Flußgott, ähnlich wie der Zeus-Sohn Herakles stärker ist als der Flußgott Acheloos (Hinweis GRAF); zudem ist in Skamandros’ Überwältigung durch Hephaistos die Bezwingung Troias vorweggenommen (WHITMAN a.O. 139f. 207; NAGLER 1974, 147–149; BREMER 1987, 39; TAPLIN 1992, 228). Von vielen Interpreten ist darauf hingewiesen worden, daß der Erzähler in dieser Episode Motive und Einflüsse aus verschiedenen gr. und nicht-gr. Erzähltraditionen von Kämpfen mit Naturgewalten verarbeitet haben könnte. Manches davon erscheint jedoch bei genauerer Überprüfung zu weit hergeholt. Denn insgesamt handelt es sich um eine hom. Version, wie Achilleus durch göttliches Einschreiten vor dem Tod bewahrt wird und ins Kampfgeschehen zurückkehrt (s. die Typisierte Ereignissequenz ‘Aristie’ 1–327n.), nämlich durch den Zweikampf von Göttern anstelle der Unverwundbarkeit Achills, die erst in nachhom. Literatur bezeugt ist (dazu 166–168n., 568n.). Mit seiner Version erweckt der Erzähler durchaus auch den Eindruck, er habe verschiedene Einzelmotive verwendet und sie zu etwas Neuem zusammengesetzt. Allerdings dürften ihm dabei altoriental. Erzählungen mehr allgemein als Anregungen denn als konkrete Vorlagen gedient haben; s. ROLLINGER 1996, 194, zum möglichen Einfluß altorientalischer Texte (s.u. Abschn. (2): “Es soll an dieser Stelle keinesfalls behauptet werden, der Iliasdichter hätte einen der hier angeführten Texte als direkte Vorlage benutzt. Vielmehr wird klar, daß er Eigenständiges geleistet hat und die Szenerie in einen völlig neuen Kontext gestellt hat. Wichtige Anregungen, motivgeschichtliche Einzelbausteine dürfte er aber doch in diesem Zusammenhang aus dem Orient erfahren haben.” Noch zurückhaltender HAUBOLD 2013, 73: “The similarities between Greek and Akkadian epic […] are best seen in terms not of literary borrowing but of a shared understanding of the universe and the place of human beings in it.”; s. dazu auch HAUBOLD 2019; Diskussion und kritische Würdigung der Parallelen von homerischen und altorientalischen Erzählmotiven, insbesondere des Vergleichs von

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Achilleus mit Gilgamesch, bei SZLEZÁK 2012, 221–233; weitere Lit. bei MATIJEVIĆ 2015, 177–179. In der hom. Darstellung von Achills Aristie, seiner Gefährdung und seiner Rettung durch einen Zweikampf von Göttern, sind folgende Parallelen gesehen worden: (1) der Mythos von der Überwindung des Typhoeus durch Zeus, wie er in Hesiods Theogonie überliefert ist (Th. 853–868): An Ähnlichkeiten finden sich das Brennen der Erde und des Wassers Th. 844–847, 859–867 – hier Vv. 343, 348–352, 356–367a – und das hilfreiche Wirken der Winde Zephyros, Notos und Boreas Th. 870f. (s. auch 846 mit WEST z.St.) – hier nur angedeutet 334f., 346f. (NAGLER 1974, 160 mit Anm. 40; NIMIS 1987, 80–82; weiter gehend O’BRIEN 1993, 101–104: Rekonstruktion eines urspr. Hera-Mythos [ihre Verteidigung gegenüber Zeus durch den Kampf des Typhoeus, hier ersetzt durch Hephaistos, gegen Zeus, hier ersetzt durch den Flußgott]); Lit. zum Typhoeus-Mythos s. 2.781–783n.; (2) Motive in Erzählungen vom sog. ‘Chaoskampf’ (oriental. Quellen s. NAGLER 1974, 147– 156; KITTS 2013; vorsichtig NIMIS 1987, 79f.): Charakteristisch sind Schilderungen der Gewalt, die von Naturkräften ausgeht, und das Auftreten von Wasser-Dämonen, welche die kosmische Ordnung erschüttern (KITTS a.O. 89–91). Stürme kämpfen gegen das Wasser (hier nur in Heras Rede an Hephaistos 334–337a, wobei die Winde mit dem Feuer zusammenwirken sollen; Wind wird nachher nur im Gleichnis 346f. erwähnt); ein Gott dämmt Wasser ein, welches das Land überflutet (insbesondere der Schmiedegott Kothar in ugaritischen Texten; hier Hephaistos 345– 349): KITTS a.O. 99–106; weitere Parallelen in babylon. Texten: Feuer im Fluß (hier 361, 365f.), im kochend-heissen Wasser leidende Fische (hier 353–355), Aggressivität des Wassers und seine Eindämmung (hier 366f.): ROLLINGER 1996, 190–194. Dazu ist aber mit ROLLINGER festzuhalten (a.O. 192): “Doch sind diese “Übereinstimmungen” immer noch sehr vage, was hier nicht verschwiegen werden soll”. In der hom. Version ist ein ‘Chaoskampf’, ein Kampf von Naturgewalten, noch erkennbar; Achills Aristie, sein Wüten unter den Troern und schließlich gegen den Fluß Skamandros führt in den Auswirkungen zumindest partiell in eine Chaosstufe (Wasser muß eingedämmt werden). Die Kampfbeschreibung jedoch bewegt sich im Rahmen der ep. Erzählkonvention. In den Kampfparänesen wird der Kampf Feuer-gegen-Wasser von den Figuren wie ein Kampf Manngegen-Mann als Hilfsaktion für einen bedrängten Gefährten eingeleitet (zum Sprachlichen 311n., 333n.). Wenn die Gewalt des Wassers durch das Feuer eingedämmt und bezwungen wird (345b, 366), verdeutlicht der Erzähler die Vorgänge durch Gleichnisse aus dem Alltagsleben: das sofortige Austrocknen der überfluteten Ebene (345ff. trocknender Wind über der Flur) und das Kochen des Flußwassers bis zu seiner Kapitulation (362ff. kochendes Schweinefett), (SCHEIBNER 1939, 101 Anm. 3: “Was über menschliche Begriffe hinausgeht, macht er durch Gleichnisse aus der kleinen Welt deutlich”). (3) Sintflutmythos (Lit. zu den Quellen: CADUFF 1986 [gr. und lat.]; BREMMER 2008, 101–116; CHEN 2013 [altoriental.]): Die Gefährdung des Heros durch die Wassermassen und die Überschwemmung der Ebene (240–271, 299–307, 324–329), Skamandros’ Drohung, er werde Achilleus ganz unter sich begraben und aus der Welt verschwinden lassen (316–323), könnten vielleicht auch vom Sintflutmythos angeregt sein (NAGLER 1974, 149–156); auch der Vergleich des brüllenden Flusses mit einem Stier (237) findet sich in einer Schilderung der Sintflut (s. aber 237n. zum weiteren Hintergrund des Vergleichs). In den babylonischen Erzählungen

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schickt der Gott Enlil eine Sintflut, um die zu zahlreich gewordenen Menschen, die mit ihrem lärmigen Treiben die göttliche Ordnung stören, zu vernichten (s. dazu MAUL 2007, 178–181). In der Ilias ist es allerdings anders gestaltet: In der ersten Phase des Flußkampfes füllt Achilleus in seiner Kampfwut das Wasser des Flusses mit Leichen an und blockiert dadurch die Strömung (15f., 218–220 [mit n.]), bis der Fluß die ganze Ebene überschwemmt und sich anschickt, auch Achilleus selbst unter seinen Wassermassen zu begraben – ein eindrückliches Bild für die tödliche Bedrohung des Heros. Denn in der zweiten Phase wird der Fluß zu einer todbringenden Naturgewalt, die den Heros in Todesgefahr bringt und zu vernichten droht und die nur noch durch das Eingreifen des Schmiedegottes, der das Feuer kontrolliert einsetzt und die Leichen verbrennt (343–349), in die Schranken gewiesen werden kann (356–376); die natürliche Ordnung wird kurzzeitig gestört, aber am Ende ist – auf Heras Anordnung hin (379f.: Götter sollten sich nicht um der Menschen willen gegenseitig so heftig schlagen) – das Gleichgewicht zwischen Feuer und Wasser und damit die Ordnung wieder hergestellt (381f.): REDFIELD (1975) 1994, 274f. Anm. 15. In erster Linie wird mit der ganzen Schilderung gezeigt, welche gewaltigen, geradezu übermenschlichen Ausmaße diese Schlacht durch Achills Teilnahme am Kampf und durch seine Rache für Patroklos annimmt, als besondere Gestaltung seiner ‘Aristie’: als Gegner und Retter des Heros agieren nicht mehr Menschen, sondern Götter, die sich bekämpfen (vgl. Typisierte EreignissequenzP ‘Aristie’ Elemente (6) ‘Verwundung’ und (7) ‘Genesung’: 1– 327n.). Für die Ilias-Handlung ist zusätzlich die Tatsache von Bedeutung, daß die Kampfwut des Flußgottes, eines Vertreters der Troer-Partei, nun bezwungen ist (382). Als weitere mögliche Auswirkung des Sintflutmythos wird 12.17–33 angesehen (Apollon und Poseidon überfluten und zerstören am Ende des Krieges um Troia die Mauern des Schiffslagers; sie sind daher für die Nachwelt nicht mehr sichtbar). Insgesamt entspricht jedoch dem Untergang der Menschen durch die Sintflut, wie er in der altoriental. Literatur beschrieben ist, in der Ilias der Untergang in Kampf und Krieg. Zu Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen altoriental. und gr. Erzählweisen im Zusammenhang mit Kosmogonie und Untergang s. HAUBOLD 2013, 56– 72 (bes. 65–71). (4) Erzählstruktur ‘Tod des Heros–Abstieg in die Unterwelt–Rückkehr’: Im Verlaufe des Flußkampfes sind auch der Beinahe-Tod und das Wieder-Erstarken des Achilleus gestaltet (272– 304, 520b–525: s. bes. 272–283 Todesgefahr und Furcht vor dem Ertrinken, 316–323 das Grab im Flußbett), eine Verarbeitung der Elemente (6) ‘Verwundung’ und (7) ‘Genesung’ der Typisierten EreignissequenzP ‘Aristie’: (1–327n., 211–327n.). Darin ist aber auch eine Verarbeitung der Erzählstruktur ‘Tod des Heros – Abstieg in die Unterwelt – Rückkehr’ gesehen worden, wiederkehrende Motive in epischer Dichtung seit dem Gilgamesch-Epos (MACKIE 1999; 2008 [passim], dessen Interpretation aber nicht in allen Punkten zu überzeugen vermag [s.u. Abschn. (4b)–(4d)]; BIERL 2012, 160f.; mit anderer, nicht restlos überzeugender Deutung WATHELET 2000, 144–147: Achills symbolischer Tod im Fluß als “une épreuve initiatique” [144]; zu Achills Todeserfahrung s. bes. 308–323n.; allg. zur Verarbeitung solcher Mythen-Muster in Ilias und Odyssee s. NTHS 45–46 u. 48). Folgende Punkte werden dafür als Indizien herangezogen, die aber nicht alle gleichermaßen überzeugend sind: (4a) ein Fluß wird oft als Grenze im Übergangsbereich vom Leben in den Tod interpretiert, so auch Skamandros: In 14.433 (s.d.) wird Hektor – schwer verwundet, bewusstlos und dem Tode nah – an der Skamandros-Furt verarztet; am selben Ort rastet Priamos (24.351) auf seiner nächtlichen Fahrt ins Lager

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des Feindes, die auch als Abstieg in die Unterwelt gedeutet wird (vorsichtig 24.328n. [engl. Version mit neuerer Lit. zur Kontroverse]); (4b) daß Skamandros mit Leichen angefüllt ist (324–329) und ankündigt, auch Achill tot aufzunehmen, lege nahe, ihn als Parallele zu Hades zu interpretieren (MACKIE 1999, 493–495); – die Parallele geht nicht auf, denn es ist Achilleus selbst, der den Fluß mit Toten anfüllt und erst so dessen Zorn entfacht (1–210); (4c) die Vorstellung einer Katabasis, d.h. eines zeitl. begrenzten Abstiegs in die Unterwelt, werde durch das Bild des brennenden Skamandros unterstützt (356ff.), der dem Unterweltsfluß mit dem Namen Phlegethon, ‘der Brennende’, gleiche (MACKIE 1999, 496–499; 2008, 183–186); – dies scheint nicht überzeugend, denn hier ist der brennende Fluß Teil einer Kampfschilderung, in der Feuer als Waffe zur Bezwingung des Flusses eingesetzt wird (361–367n.; MATIJEVIĆ 2015, 75 Anm. 44); s. auch oben zu Feuer in Kampfschilderungen der Ilias und v.a. in Gleichnissen für Achills Kampfkraft; (4d) daß Achilleus durch Hephaistos, d.h. durch dessen Feuer, beschützt wird, entspreche dem Eintauchen in Feuer (MACKIE 2008, 186; ähnlich schon 1999, 496 mit Anm. 28); – auch dies überzeugt nicht, denn der Erzähler scheint hier die Vorstellung, Achilleus befinde sich im brennenden Fluß, geradezu vermeiden zu wollen, da er nirgends von ihm spricht: Achills Anwesenheit ist ausgeblendet, die Götter sind unter sich.

328 1. VH ≈ 14.147; 2. VH ≈ 15.123. — Hera, die in der Ilias von Anfang als Beschützerin der Achaier auftritt (1.55f., s. auch 6n.), ist auch im Hinblick auf diese Schlacht besonders um Achilleus besorgt (19.407–417: seine mentale Stärkung beim Auszug durch die Gewissheit der heilen Rückkehr; 20.112–131: seine Sicherheit während der Schlacht). Ihre Angst mag begründet erscheinen, denn ein Sterblicher ist einem Unsterblichen immer unterlegen (264b). Aber der Rezipient weiß, daß Achilleus bereits von Poseidon und Athene unterstützt wird, daß er die gefährliche Situation überleben und erst Paris und Apollon zum Opfer fallen wird. Indem der Erzähler nun von Heras Furcht spricht, Achilleus könnte von Skamandros’ Fluten überwältigt werden (329), bereitet er die nächste Stufe der göttlichen Intervention vor (330). µέγ’ ἄϋσε: ἀΰω bez. hier einen unartikulierten Angstschrei, der von der folgenden Rede 330ff. abgesetzt ist (LfgrE s.v. 1691.13ff.), an anderen Stellen auch das Erheben des Schlachtrufs (307n.); µέγα bez. wie oft in der hom. Sprache die Intensität des Tons (‘laut’: LfgrE s.v. µέγας 74.20ff. und 76.25ff.; vgl. 10n.). 329 2. VH = 20.73. — ἀποέρσειε: bed. ‘fortreißen’; zur Etymologie und Prosodie von ἀπο̄έρσειε 283n. — ποταµὸς βαθυδίνης: formelhafte Junktur (am VE: Nom. 5× Il. [davon 4× im 21. Gesang], Dat. ποταµῷ βαθυδινήεντι h.Bacch. 4; ferner Akk. ποταµὸν βαθυδινήεντα Il. 21.603 nach der Zäsur A 4). Das Epitheton (‘mit tiefen Strudeln’ od. ‘tief strudelnd’) ist hier kontextsensitiv verwendet; zu seiner Bildung und den metr. bequemen Varianten βαθυδίνης/βαθυδινήεις s. 15n.

330 ≈ 378; 1. VH (bis zur Zäsur C 2) ≈ 11.510, 17.484; 2. VH = Od. 18.214, 24.505. — Hephaistos: Sohn von Zeus und Hera, der eine enge Verbundenheit mit seiner 328 Ἥρη: zum -η nach -ρ- R 2. — δὲ (µ)µέγ(α): adverbiell, ‘laut’; zur Prosodie M 4.6 und M 8. — περιδδείσασ(α): = περιδείσασα (‘um jn. fürchtend’); -δδ- < -δϝ- (R 4.5). — Ἀχιλῆϊ: 324n. 329 µιν: = αὐτόν (R 14.1). 330 ὅν: Possessivpron. der 3. Person (R 14.4).

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Mutter zeigt (1.571–596, 14.238–241), obwohl er als Kind von ihr verstoßen worden war (18.395–400). Er tritt in der Ilias hauptsächlich als göttlicher Schmied auf, sein Element ist das Feuer (vgl. 2.426), das er im folgenden Kampf als Waffe einsetzt (342, 349, 355, 365–367a, 381): FG 15; GRAZ 1965, 200ff. Bei Hesiod (Th. 927f.) ist er ohne Zeugung durch Zeus aus Hera entstanden (WEST zu Hes. Th. 927). ὃν φίλον υἱόν: betont die Mutter-Sohn-Beziehung (s. hier noch die Anreden ἐµὸν τέκος 331, τέκνον 379, außerdem σὸς υἱός 369, ὃν φίλον υἱόν 378). φίλον υἱόν ist flektierbare Formel (Nom./Akk.) an versch. Verspositionen (VE: 8× Il., 16× Od., 1× ‘Hes.’), die Junktur ὃν φίλον υἱόν ist auch beim Verhältnis Thetis–Achilleus (19.4), Hektor–Astyanax (6.474) und Penelope/Odysseus–Telemachos (Od. 18.214, 24.505) verwendet. φίλος hat hier viell. eher possessive Bed. ‘eigen’ (pleonastisch zu ὅν), s. 331 ἐµὸν τέκος, (LANDFESTER 1966, 24; NUSSBAUM 1998, 110 Anm. 44: ὃν φίλον υἱόν als ‘Streckform’ von ἑὸν/ὃν υἱόν 16.192, Od. 11.142), kann aber auch zusätzlich eine gewisse Vertrautheit zwischen Mutter und Sohn signalisieren (prägnant affektive Bed. ‘lieb’); zum Problem dieser Differenzierung allg. LfgrE s.v. φίλος 932.56ff.

331–341 Heras Rede an den Sohn entspricht inhaltlich derjenigen des Skamandros an den Bruder: Anrede an familiär vertraute Person (308/331), Aufforderung zur Hilfe im Abwehrkampf (311a/333a), Anweisung, sein Element (Wasser/Feuer) als Waffe zu aktivieren (311b–314/333b u. 337b ff.), eigenes Mittun (318b ff./334ff.). Die von ihr erteilten Anweisungen führt Hephaistos alle aus: Hilfe für den Bedrängten 333 → angedeutet im GleichnisP 345–348a (s.d.); Feuer in der mit Leichen angefüllten Ebene 336–337a → 342b–344 u. 348b–349a; Feuer am und im Fluß selbst 337b–338 → 349b–356a; vergebliches Bitten des Skamandros 338c–339 → 356b–367a; Heras Signal für das Ende 340f. → 377–382. Als eigene Mithilfe kündigt sie an, für einen ‘schweren Sturm’ zu sorgen (335 gr. khalepḗn … thýellan), der zerstörerische Gluthitze antreibt (337 gr. phlégma kakón); dies wird sich im zielstrebigen Vorwärtsstürmen der Feuersbrunst auswirken, die die Leichen in der Ebene und das Leben im Fluß verbrennt (343f., 349ff.; s. auch 346 den Nordwind im Gleichnis). Sie selbst wird im Folgenden nicht erwähnt, ebensowenig wie Simoeis; denn zentral ist die Kampfpaarung Skamandros–Hephaistos (20.73f.) und damit das Aufeinanderprallen der Elementargewalten Wasser–Feuer (331–332n.; BREMER 1976, 85f.). 331–332 1. VH von 332 ≈ 14.434 (= 24.693, Konkordanz-Interpolation), 21.2. — Den Appell an Hephaistos leitet Hera mit dem Hinweis ein, daß von der Seite der Götter her die Kampfpaarung Skamandros gegen Hephaistos und damit der Kampf zwischen Wasser und Feuer als passend vorgesehen war (1. Pl.: ‘wir [sc. die Götter] 331–332 ὄρσεο: themat. Imp. Aor. zu ὄρνυµαι ‘sich erheben, sich aufmachen’. — ἄντα σέθεν … | … ἠΐσκοµεν εἶναι: ‘dir gegenüber zu sein (d.h.: als deinen Gegner) hielten wir … für gleich(wertig)’; σέθεν = σοῦ (R 14.1); zu ἠΐσκοµεν ↑. — µάχῃ: Ortsangabe ohne Präp. (R 19.2).

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achteten für gleichwertig’), wie es auch in der ursprünglichen Aufstellung der Götter 20.73f. vorbereitet wurde, also nicht der Kampf des Flußgottes gegen einen Mensch, wie er jetzt im Gange ist (AH; LEAF; WHITMAN 1958, 140). — Krummfuß: Übername des Hephaistos, der nur in der Ilias verwendet ist (18.371 u. 20.270, jeweils im Erzählertext); auf Vasenbildern ist der Gott mit nach hinten verdrehten Füssen dargestellt, die sein Hinken verursachen, s. z.B. 20.36f. beim Aufmarsch der Götter in die Schlacht (Lit. 18.370–371n.); zum Phänomen des hinkenden Schmiedegottes s. FG 15; 18.369–381n. Im folgenden Kampf ist seine körperliche Behinderung unwichtig, denn Hephaistos agiert mit seiner Waffe, dem Feuer, schnell und überlegen. Die Anrede ‘Krummfüßiger’ wurde seit der Antike von manchen Interpreten an der vorl. Stelle für unpassend gehalten (u.a. von Aristarch: schol. A), kann aber auch als Zeichen familiärer Vertrautheit gedeutet werden (RICHARDSON; vgl. 330n.). — Xanthos: Hera verwendet (hier u. 337) den in der Welt der Götter gebräuchlichen Namen des Flußgottes Skamandros, s. auch 20.40 und 20.73f. in der Einleitung zum Götterkampf, 383 am Ende dieses Zweikampfes (ferner V. 2 als Sohn des Zeus, 146 als Gottheit, die einem Gegner Achills Kraft einflößt (zu den beiden Namen des Flusses s. auch 1–2n. [zu Ξάνθου]; EDWARDS zu 20.73–4). ὄρσεο: typische Aufforderung am Rede-Anfang, steht jeweils am VA, gefolgt von einer Anrede (3.250, 16.126, 18.170, Od. 6.255, h.Ven. 177); der Nachdruck liegt auf der Eile, mit der die Handlung ausgeführt werden soll (333 τάχιστα): LfgrE s.v. ὄρνυµι 799f.54ff.; zur Form (wohl eine Erweiterung zum Wurzel-Aor. ὄρσο) 19.139n. — Κυλλοπόδιον: ‘mit verdrehten Füssen’; Possessivkompositum, bestehend aus einem Vorderglied, das wohl zur gleichen Wurzel wie πέλοµαι gehört (*ku̯elh1- ‘eine Drehung machen’), und einem Hinterglied ποδ- mit Suffix -ίων zur Bildung eines Anthroponyms (Lit. 18.370–371n.). — ἄντα: urspr. adverbialer Akk. eines Wurzelnomens mit der Bed. ‘Gesicht’, mit Gen. ‘gegen jn.’, so z.B. auch in der Kampfaufstellung der ‘Theomachie’ 20.69, 20.73, 20.75 (LfgrE s.v. ἄντα 915.50ff.). — δινήεντα: 1–2n., 15n. — ἠΐσκοµεν: ἐΐσκω (‘gleich machen, für gleich achten’) ist sekundäres (faktisches) Präs. zum Perf. ἔοικα (RISCH 276; LIV 669f.); die vorl. Form ist dazu das Impf. (SCHW. 1.653 Anm. 8: *ἐϝεϝίσκ-; anders CHANTR. 1.317: Impf. zur Präs.Bildung ἐ(ϝ)ίσκω mit prothet. Vokal, so Od. 9.321, 11.363). 333 1. VH = 311. — Gleicher Versbau wie 311 (s.d.): in der 1. VH ἐπάµυνε, das Hilfestellung im Nahkampf suggeriert; am VE die Waffe (ῥέεθρα ‘strömendes Wasser’ bzw. φλόγα ‘Flamme’), deren Einsatz konkretisiert wird (313 ἵστη δὲ µέγα κῦµα bzw. 338 ἐν δ’ αὐτὸν ἵει πυρί). — πιφαύσκεο: redupliziertes σκ-Präs., zur gleichen Wurzel wie φάος (< φαϝ-) gehörig; hat kausative Bed. ‘zum Leuchten bringen, leuchten lassen’, dann auch ‘zeigen’ (verbal ‘darlegen’); in 12.280 und h.Ap. 444 ist das Objekt die Waffe eines Gottes (Zeus’ Schneeflocken bzw. Apollons Geschosse): LfgrE s.v. πιφαύσκω; DELG s.v. φάε; GRAZ 1965, 200f. — φλόγα: ‘Flamme’, hier und 349 die Waffe des Hephaistos (Hes. Th. 692, h.Ap. 444 Waffe des Zeus bzw. Apollon); s. auch die Junktur φλογὶ εἴκελος in der Beschreibung der Kampftüchtigkeit von Kämpfern (GRAZ 1965, 200).

Kommentar

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334–335 Zephyros, der Wind aus westlicher u. nordwestlicher Richtung, ist im fgrE ein gefährlicher (4.276–278), kalter und stürmischer Wind (2.147f.), der von Thrakien her kommt (9.5f.) und als der schnellste der Winde gilt (19.415f.): GRAY 1974, 9–12. Der Südwind Notos wird in der Antike als wolken- und regenbringender Sturmwind charakterisiert (s. bes. Hes. Op. 675ff.; weitere Stellen 2.395n.; GRAY a.O. 10. 12). Ihr Zusammenspiel soll zu einem außergewöhnlichen, durch Feuerglut bes. zerstörerischen Wirbelwind führen (LfgrE s.v. θύελλα; DUBAN 1980, 187f.; allg. zu Bed. und Kult der Winde s. FG 37). Die Verbreitung von Feuer durch Winde findet sich auch in Gleichnissen in Schlachtbeschreibungen, z.B. 11.155–159, 20.490–493 (Agamemnon bzw. Achilleus wütet unter den Troern). ἀργεστᾶο: Das Epitheton von Winden (hier und 11.306 von Νότος, Hes. Th. 379 u. 870 von Ζέφυρος: WEST zu Hes. Th. 379) ist ein Denominativum mit der gleichen Wurzel wie in ἀργός (FRISK, DELG s.v. ἀργός; BEEKES s.v. ἀργής). Seine Bed. schwankt zwischen ‘schnell, heftig’, und ‘hell, aufklarend’, an der vorl. Stelle dominiert das Moment der Bewegung (s. 335 χαλεπὴν … θύελλαν u. 337 φλέγµα … φορέουσα); Forschungsüberblick zur Wortbildung und zum Zusammenhang von ‘schnell’ u. ‘hell’ s. WODTKO u.a. 2008, 317f. mit Anm. 1. 320 Anm. 14; zur ant. Diskussion SCHMIDT 1976, 151–154. — εἴσοµαι: Fut. zu (ϝ)ῑ́εµαι, hier ‘eilen’, vgl. 11.367 ἐπι(ϝ)είσοµαι und die Aor.-Bildung ἐπι(ϝ)εισαµένη 424; aufgrund der semantischen Nähe könnten diese Formen auch sekundär (nach dem Verlust des Digamma) als Fut. bzw. Aor. zu εἶµι ‘gehen’ aufgefaßt worden sein (CHANTR. 1.293f., 412; LÉTOUBLON 1985, 80f.; KÖLLIGAN 2007, 148). — ἐξ ἁλόθεν: ἁλόθεν nur hier im fgrE (zum lokalen Suffix -θεν G 66; RISCH 357); üblicher sind Verbindungen mit ἐξ/παρέξ/ἔξω + ἁλός.

336 Ob mit den Häuptern der Troer, die durch die Gluthitze versengt werden sollen, von Hera auch lebende oder nur bereits getötete Kämpfer gemeint sind (s. dann im Erzähler-Text 343f. und 348f.), bleibt offen. Ihre in der Formulierung ‘die Häupter und Waffen …’ enthaltene Drohung, die Feinde würden durch Feuerglut ganz zum Verschwinden gebracht, entspricht derjenigen von Skamandros gegen Achilleus 317–321.

ἥ κεν ἀπὸ … κήαι: In final-konsekutiven Rel.-Sätzen mit κε(ν) + Opt. ist eine erwartete Folge betont, die auch wahrscheinlich scheint (CHANTR. 2.249). Zur Aor.-Bildung ἔκηα (fehlendes -s- nach geschwundenem -ϝ-, dagegen att. ἔκαυσα) s. G 63; LIV 345. Die Verbindung ἀπό + καίω (‘ab-, wegbrennen’) ist nur hier im fgrE belegt (LfgrE s.v. ἀπό 1080.74ff.), s. dagegen κατα-καίω (‘ganz verbrennen’) 348f. od. καίω 343, 7.376f./395f. (Obj. νεκρούς), 23.222/224 (Obj. ὄστεα). — κεφαλάς: ‘Kopf’ kann als repräsentativer Körperteil den ganzen Menschen umschreiben, vgl. bes. von Kämpfern, die im Begriff sind zu

334 ἀργεστᾶο: Gen. Sg. m. zu ἀργεστής (R 11.1). 335 ἐξ ἁλόθεν: ‘vom Meer her’; zur Form R 15.5. — ὄρσουσα: Ptz. Fut. zu ὄρνυµι ‘erregen’. 336 κεν: = ἄν (R 24.5). — κεν ἀπὸ … κήαι: ‘abbrennen soll ’, Opt. Aor. Akt. zu ἀπο-καίω (final ↑); zur sog. Tmesis R 20.2.

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fallen: πολλὰς ἰφθίµους κεφαλὰς Ἄϊδι προϊάψειν (11.55) u. πίπτε κάρηνα | Τρώων φευγόντων (11.158f.): AH, LEAF; zum Phänomen u. Lit. 24.276n. 337 VE = 12.313. — φλέγµα: Ableitung zu φλέγω (‘entflammen, sengen’: 13n.), nur hier im fgrE belegt; bed. eigtl. ‘Entflammung, Brand’, hier ‘Gluthitze, Glutwind’, als Bestandteil des Wirbelsturmes (θύελλα), ähnlich wie 5.864f. καῦµα (PORZIG 1942, 280 [φλέγµα als Gegenstück zu χεῖµα ‘Schneesturm’]); ist später in medizinischen Schriften der t.t. für Entzündung und den daraus entstehenden Schleim, dann auch für einen der vier Körpersäfte (LSJ s.v. φλέγµα; DELG s.v. φλέγω). — παρ’ ὄχθας: VE-Formel mit vorausgehendem Gen. (5× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’; Varianten s. 18.533n.). 338b–339 ≈ 20.108b–109. — πάµπαν: ‘ganz und gar’ (< παν-παν ‘ganz ganz’), dient oft als metrisch bequeme ‘Streckform’, mit der sich VE od. die Zäsur B 2 erreichen läßt (LfgrE s.v. 951.57). — µειλιχίοις ἐπέεσσιν … καὶ ἀρειῇ: µειλιχίοις ἐπέεσσιν ist Junktur an versch. Versstellen, u.a. VA-Formel (2× Il., 8× Od.); µειλίχιος bed. ‘sanft, süß’ (volksetymologisch mit µέλι verbunden), hier ‘besänftigend, einschmeichelnd’ (LfgrE s.v. µείλιχ(ι)ος; 6.214n.; weitere formelhafte Junkturen mit ἐπέεσσι zur Charakterisierung von derartigen Reden s. µαλακοῖς ἐπέεσσιν 6.337n., ἀγανοῖς ἐπέεσσιν 2.164n.; MARTIN 1989, 20f.; WALSH 2005, 159 Anm. 19). Der Gegensatz dazu ist hier ἀρειή, ein nur im Dat. Sg. und nur in der Ilias belegtes Subst. zur Bez. verbaler Drohungen, das etymologisch viell. zu ἀρῆς/ἀρήν (‘Schaden, Verderben’: 24.489n.) und zu ἄρος (‘Unheil, Verderben’, nur bei Hesych belegt) gehört (LfgrE, DELG u. BEEKES s.v. ἀρείη). Das Gegensatzpaar findet sich noch 17.431 für Worte, mit denen man Pferde antreibt (πολλὰ δὲ µειλιχίοισι … πολλὰ δ’ ἀρειῇ). Der erste Teil des Gegensatzpaares ist 357–360 mit der besänftigend-unterwürfigen Rede umgesetzt, mit der Skamandros dem Gegner signalisiert, daß er den Kampf beenden möchte. Mit ἀρείη sind Drohreden gemeint, mit denen der Gegner zum Aufgeben gebracht werden soll, s. Achills Drohrede 20.178–198 gegen Aineias, der vorher mit der Aufforderung µηδέ σε πάµπαν | λευγαλέοις ἐπέεσσιν ἀποτρεπέτω καὶ ἀρειῇ (20.108f.) in den Kampf gegen jenen getrieben worden war. 340 2. VH ab der Zäsur C 2 = 16.62. — µηδὲ πρὶν … ἀλλ’ ὁπότ’ ἂν δή: ‘nicht eher …, sondern erst, wenn’, mit emphatischem Wechsel der Konstruktion (statt zweimal πρίν) wie 16.62 (AH; zu δή BAKKER 1997, 76: Signal für Interaktion zwischen Sprecher und Adressat, Herstellen einer gemeinsamen Grundlage für das weitere Vorgehen; ähnlich WAKKER 1997, 212f. 216f.; 1997a, 239 mit Anm. 50). — µηδὲ πρὶν ἀπόπαυε: Imp. statt Inf. bei πρίν (so 294f. µὴ πρὶν παύειν …, | πρὶν … ἐέλσαι) unter Einfluß der Imperative καῖ(ε) und ἵει in 338 (AH). πρίν ist im fgrE bald kurz, bald (wie hier u. 179) lang gemessen (DELG; Stellen LA ROCHE 1869, 256). — ἀπόπαυε τεὸν µένος: die gleiche Junktur (ἀπο-)παύειν τεὸν µένος an der gleichen Versstelle (vor der Zäsur C 2) auch 1.207 u. 1.282 von Achills wütendem

337 φορέουσα: ‘tragend, mit sich führend’, Frequentativum zu φέρω. 338 δένδρεα: = δένδρα. — ἐν δ’ αὐτὸν ἵει πυρί: ‘ihn selbst setz in Feuer!’, d.h.: ‘setz ihn in Brand!’; ἵει ist Imp. zu ἵηµι (zur sog. Tmesis R 20.2). 339 ἀποτρεπέτω: 3. Sg. Imp. Präs., das Subj. ist aus 337f. zu erschließen. 340 τεόν: Possessivpron. der 2. Person (R 14.4).

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Drang, auf Agamemnon loszugehen (vgl. 305–306n.); der Vorgang entspricht σχεῖν … πῦρ 341 u. κατέσβεσε … πῦρ 381 (GRAZ 1965, 265f.). 341 φθέγξοµ’ … ἰάχουσα: ‘mich durch einen Schrei bemerkbar mache’ (KAIMIO 1977, 82; LfgrE s.v. φθέγγοµαι; vgl. auch 213n.). Hera wird sich mit einer konkreten Anweisung an Hephaistos wenden (378–381). — σχεῖν: ‘hemmen, zum Aufhören bringen’, wie 309 von Achills σθένος. Zum imperativischen Inf. nach Temporalsatz (Instruktion zu “proper procedure” in best. Situation) s. 294n.; ALLAN 2010, 207. 212ff. 225. — ἀκάµατον πῦρ: VEFormel zur Bez. der Energie des Feuers (13n.); ἀκάµατος ist Epitheton von πῦρ und von Körperteilen (16.122–123n.), das VE ist eine prosod. Variante zum Vers 342 (s.d.; GRAZ 1965, 103; allg. zum Formelsystem mit Bezeichnungen für ‘Feuer’ PARASKEVAIDES 1984, 74f.).

342–367a Die Feuersbrunst wirkt zunächst wie ein riesiger Scheiterhaufen zur Verbrennung der Leichen jener Feinde, die Achilleus bisher in der Ebene getötet hatte (343–349a). Die überlebenden Troer werden erst wieder 520b–525 erwähnt, wenn sie vom wieder erstarkten Achilleus gejagt werden. – Insgesamt werden der Einsatz und die Wirkung des Feuers als Waffe und das Brennen des Gegners schrittweise vorgeführt: (1) Ausrichtung des Feuers auf ein Ziel (342), (2) sein Wüten in der Ebene (343–349a Verbrennen der Leichen), (3) Ausrichtung auf den Fluß (349b– 355 Verbrennen von Pflanzen und von Lebewesen im Wasser); (4) der Fluß selbst brennt (356a, fortgesetzt 361–367a): RICHARDSON zu 343–56 u. zu 350–6; zum Sprachlichen s.u.; zu vergleichbaren Motiven in altoriental. Quellen s. 328–382n. Abschn. (2) und (3). Die Beschreibung, in der zwischen dem Wüten des Feuers (343 Subj. πῦρ, 358/361/365 πυρί) und Hephaistos’ Kontrolle über den Einsatz dieser Waffe (342b, 349b, 355, 366f., 381b) gewechselt wird, ist sprachlich sorgfältig gestaltet, Begriffe sind wiederholt und variiert: (a) Ἥφαιστος … θεσπιδαὲς πῦρ 342/381 und 342f. θεσπιδαὲς πῦρ. | … πῦρ δαίετο, καῖε …; (b) 345/348 ἐξηράνθη und 347 ἀγξηράνῃ; (c) emphatische Stellung von Formen des Verbs καίω am VA 349–351 u. 356, variiert am VA 353 (τείροντ(ο)), wiederaufgenommen in 355 (τειρόµενοι) und 366 (τεῖρε); (d) 349 VA u. VE κῆεν … φλόγα παµφανόωσαν; (e) paralleler Versbau in 342/381, in 350/351 und in der 1. VH 352/354; zu weiteren Phänomenen s. 343n., 350–356n., 350–351n., 361n., 363n. 342 ≈ 381. — ὣς ἔφαθ’: vgl. 114n. — τιτύσκετο: τιτύσκοµαι (< *τιτύκσκοµαι od. *τιτύχσκοµαι) ist etymologisch zu τετυκεῖν bzw. τυχεῖν/τυγχάνειν/τεύχω gehörig (DELG, BEEKES s.v. τιτύσκοµαι; LIV 148f. u. 640). Es bed. ‘auf ein Ziel ausrichten’, mit Akk.-Obj. ‘etw. arrangieren, bereit machen’ (hier; 8.41 u. 13.23 vom Einspannen der Pferde), häufiger mit Gen.-Obj. ‘sich auf ein Ziel richten, (ab)zielen auf’ (konkret mit einer Waffe, z.B. 582, übertr. im Geist 13.558 und v.a. in der Odyssee): LfgrE s.v.; TRÜMPY 1950, 110f.; GIANNAKIS

341 φθέγξοµ(αι): kurzvokal. Konj. Aor. (R 16.3). — ἐγών: = ἐγώ. — τότε: korrespondiert mit 340 ὁπότ(ε): ‘erst wenn …, dann’. — ἀκάµατον: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 342 ὥς: = οὕτως. — ἔφαθ’: = ἔφατο, Impf. von φηµί, mit Elision (R 5.1) und Hauchassimilation; zum Medium R 23. — τιτύσκετο: zur augmentlosen Form R 16.1 (ebenso 343f. u.ö.).

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1997, 251–254. — θεσπιδαὲς πῦρ: VE-Formel (noch 381, insgesamt 7× Il., 1× Od.), prosod. Variante zum Vers 341 (s.d.; GRAZ 1965, 87f.). θεσπιδαές (‘gewaltig lodernd’), ein nur bei Homer in der vorl. Formel belegtes EpithetonP bei πῦρ, bez. die Intensität des Feuers (GRAZ 1965, 104–108, bes. 107): das Vorderglied θεσπι- bed. ‘göttlich’, das Hinterglied gehört wohl zu δαίω ‘anzünden’ (DELG, BEEKES s.v. θεσπέσιος). 343 2. VH (von der Zäsur C 2 an) ≈ 235. — πρῶτα µέν: Die Fortsetzung ist 349b nur durch ὃ δ(έ) signalisiert (‘zuerst … dann …’), erkennbar durch die respondierenden Ortsangaben (ἐν πεδίῳ, ἐς ποταµόν). Die erste Stufe (343–349a) ist durch RingkompositionP mit chiastischen Anordnungen umrahmt: 343/348–349a (καίω + νέκρους) und 345/348 (πᾶν + πεδίον). 344 = 236 (s.d.). — αὐτόν: Der ganze Vers erscheint auch in der Schilderung von Achills Kampf im Fluß (236); dort steht αὐτόν für den Fluß (234 ὅ bezieht sich auf 228 ποταµός), hier jedoch für πεδίον, denn der Fluß hatte die Leichen an Land geworfen (237) (AH); zum Formalen (αὐτόν auf ntr. bezogen) vgl. WACKERNAGEL (1910) 1953, 834 Anm. 1: ntr. αὐτό ist im fgrE außer ‘Hes.’ Sc. 139 nicht belegt; LEAF u. RICHARDSON: hier viell. Konkordanzinterpolation (würde aber den Aufbau von 343–349/350–356 [2× 7 Vv.] stören).

345–348a Die Wirkung der Feuerglut ist durch emphatische Wiederholung des Stichwortes ‘(aus)trocknen’ in der Erzählung und im GleichnisP (dreimal an der gleichen Versstelle: 345/348 exēránthē, 347 anxēránē) hervorgehoben. Solche Wortwiederholungen in Gleichnis und Erzählung sind häufig in der Ilias, ebenso die ringkompositorischeP Anlage von Gleichnissen (LEE 1964, 14; FEHLING 1969, 145f.; EDWARDS, Introd. 27f. u. 31; Stellen u. Lit. s. auch 16.7n.). Im vorl. Gleichnis wird eine friedliche Szenerie aus dem Landleben als Kontrast zur kriegerischen Situation der Handlung entworfen: die auch positive Wirkung (346–347n.) des kräftigen Herbstwindes, der nasses Kulturland trocknet, gegenüber der zerstörerischen, alles versengenden Gewalt des Glutwindes; beides stellt den erwünschten Zustand wieder her. Dieses Bild aus dem Landleben erinnert an das vorausgehende Gleichnis 257–264, in dem das in einem Bewässerungsgraben schnell strömende und Kiesel mitreissende Wasser den Wassermassen des Skamandros gegenüber gestellt ist, die Achilleus einholen und in Lebensgefahr bringen. Beide Gleichnisse signalisieren den Moment, in dem der Überlegene den Ansturm des Gegners eindämmt, s. hier 345b (257–264n.; SCHEIBNER 1939, 101 Anm. 2; TAPLIN [1980] 2001, 361). Zu weiteren Gleichnissen mit dem Kontrast zwischen Kampf und friedlichen Szenen s. 2.455–483n. (Punkt 4), 16.633–637n. 345 1. VH ≈ 348. — ἐξηράνθη: ξηραίνω nur hier u. 348 im fgrE (ebenso das Kompos. mit ἀνα- 347), nachhom. häufiger (LSJ). — σχέτο: ‘hielt ein, hörte auf’, d.h.: durch den Brand kann das Wasser nicht weiter vordringen in der Ebene, s. auch 366 (AH; LfgrE s.v. ἔχω 343 δαίετο, καῖε: ‘loderte’, ‘verbrannte’; Subj. ist πῦρ. 344 ῥα: = ἄρα (R 24.1.). — κατ’ αὐτόν: ‘über sie hin, auf ihr’ (der Ebene; αὐτόν greift πεδίον auf: ↑). — ἅλις(ς) ἔσαν: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — ἔσαν: = ἦσαν (R 16.6). — κτάν(ε): Aor. zu κτείνω ‘töten’; zur Elision R 5.1. 345 ἐξηράνθη: Aor. Medio-Pass. zu ξηραίνω ‘austrocknen’ (intrans.).

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846.39ff. [zur vorl. St. 58f.]). — ἀγλαὸν ὕδωρ: VE-Formel (noch 2.307, Od. 9.140) zur Beschreibung von klarem Wasser (vgl. VE-Formel ὕδατι λευκῷ Il. 23.282, Od. 5.70, Hes. Op. 739); hier ist das Epitheton ornamental, s. vom Flußwasser πορφύρεον … κῦµα 326. Zu Gebrauch u. Etymologie von ἀγλαός ‘glänzend, schimmernd’ s. 1.23n.; DELG.

346–347 1. VH von 346 bis zur Zäsur C 1 = Od. 5.328. — Boreas: Der Nordwind, der von Thrakien her weht (9.5, Hes. Op. 553), bringt Hagel, Kälte und Schnee (Il. 15.170f., 19.357f., 23.692, Hes. Op. 504–556) und erscheint als dominant unter den Winden (Il. 5.524f., 14.394f.). Im vorl. Gleichnis illustriert er als bes. kräftiger Wind – die Angabe ‘herbstlich’ verweist auf den Beginn der stürmischen Jahreszeit – die Wucht der über die Ebene fegenden Feuerglut. An anderen Stellen illustriert ein (meist stürmischer) Wind den Lärm und die Intensität eines Angriffs (Stellen 14.398–399n.). — freut sich: Die Reaktion eines Beobachters auf ein Naturereignis verdeutlicht in einem Gleichnis die Stimmung, s. noch 4.275–279, 8.555–559, 13.492f., 14.414–417 (Lit. 14.415–417n.). Der Freude darüber, daß der Herbstwind Nässe (wohl Staunässe durch Regengüsse) auf besonders gehegtem Kulturland (zu gr. alōḗ s.u.) zum Verschwinden bringt und günstige Bedingungen schafft, entspricht der Erleichterung, weil das Austrocknen der Ebene Achilleus hilft, dem Angriff der Wassermassen (299–304, 324–327) zu entkommen und den Kampf gegen die Troer wieder aufzunehmen (520b–525); die Erzählung kommt wieder in die alte Bahn (FRÄNKEL 1921, 46; BONNAFÉ 1984, 89; zum gr. Verb cháirein [‘lustvolle Freude empfinden, sich freuen’] s. LATACZ 1966, 51f. u. 66–78 [zur vorl. St. 75f.]).

ὡς δ’ ὅτ’ … | … ἀγξηράνῃ: ὡς δ’ ὅτε ist geläufige Gleichnis-Einleitung, mit Ind. od. Konj. (mit u. ohne Modalpartikel): Lit. 257n. Für die Verbform bietet die Überlieferung versch. Varianten, von denen das sonst nicht belegte, hier metr. bedingte Kompos. ἀγξηρᾱ́νῃ (nach Aristarchs ἀνξηρᾱ́νῃ) den anderen Vorschlägen mit ἂν + Simplex (s. app. crit.) vorzuziehen ist (RUIJGH 632). Gemäß schol. T wurde die ion. Form mit -ρη- aus klanglichen Gründen gemieden (διὰ τό κακόφωνον; vgl. auch den Gleichklang mit ἐξηράνθη 345/348; CHANTR. 1.17: -ρᾱ- als Attizismus). — νεοαρδέ(α): ‘frisch bewässert’, ein hapax legomenonP; Kompositum mit Hinterglied zu ἄρδω ‘tränken, bewässern’, vgl. ἀρδόµενοι h.Ap. 263 u. ἀρδµός ‘Tränke’ Il. 18.521, Od. 13.247 (DELG s.v. ἄρδω). — ἀλωήν: bez. bepflanztes Kulturland (v.a. Obstgarten od. Weinberg), das z.T. von einer Einfriedung umgeben ist (LfgrE s.v. ἀλωή; RICHTER 1968, 97f.). — µιν: ist Obj. zu ἐθείρῃ; nach idg. Wortstellungsregel stehen Enklitika unabhängig von den syntaktischen Bezügen möglichst weit vorne im Satz (AH; WACKERNAGEL [1892] 1953, 3). — ἐθείρῃ: ist ein hapax legomenonP (die Verbform ἐθείρεται in Orphica Argonautica 929 φολίδεσσιν ἐθείρεται [von einer mit Schuppen bedeckten

346 Βορέης: zum -η- nach -ε- R 2. — νεοαρδέ’ ἀλοήν: zum Hiat nach Elision R 5.1. — νεοαρδέ(α): zur unkontrahierten Form R 6. 347 ἀγξηρᾱ́νῃ: Konj. Aor. Akt. zu ἀναξηραίνω (apokopiertes und assimiliertes ἀνα-: R 20.1), ‘austrocknen’ (trans., vgl. 345n.). — µιν: = αὐτήν (R 14.1), sc. ἀλωήν. — ὅς τις: = ὅστις. — ἐθείρῃ: verallgemeinernder Konj. ohne Modalpartikel (R 21.1).

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Schlange] ist eine Ableitung zu ἔθειραι ‘Mähne’). Seine Bed. und Etymologie sind unbekannt (FRISK, DELG s.v. ἐθείρω); der Kontext mit Obj. ἀλωήν legt ‘hegen’ od. konkret ‘bearbeiten’ nahe (Hesych s.v.: ἐπιµελείας ἀξιώσῃ; vgl. schol. D: ἐξ ἔθους ἐπιµελοῖτο). 348 1. VH ≈ 345 (s.d.). 349 κῆεν: 336n. — ὃ δ(έ): 343n. — φλόγα παµφανόωσαν: = VE von 18.206 (vgl. 333n.). Das Epitheton παµφανόωσαν, oft Bezeichnungen für Waffen beigestellt, ist eigtl. eine reduplizierte Ableitung zu φαίνω, die Vorsilbe παµ- wurde aber wohl als Neutr. von πᾶς verstanden (DELG; LfgrE; weitere Lit. 2.458n.).

350–356 Durch die sprachliche Gestaltung werden die Örtlichkeit (Aufzählungen) und der Vorgang überaus anschaulich und eindringlich in einer Klimax vor Augen geführt (Anapher am VA von 350/351/356, Prädikat u. Ptz. in 353/355): Gehölze und Pflanzen, die zum Ökosystem des Flusses gehören, brennen (3 Vv.), die Lebewesen im Wasser leiden unter der Gluthitze (3 Vv.), der Fluß selbst brennt (356a): AH zu 356; SCHEIBNER 1939, 101; zur engen Verbindung des Ökosystems des Flusses Skamandros mit der Stadt Troia s. HOLMES 2015, 46f. (“a topocosm”). 350–351 KatalogP von Ufergewächsen in zwei parallel gebauten Versen, die durch Anapher des Verbs miteinander verbunden sind: (1) drei Bäume, die an feuchten Stellen und in Wassernähe wachsen, nämlich Ulmen (gr. pteléai: 241–242n. a.E.), Weiden (gr. itéai, wohl Silberweide, salix alba; Od. 10.509f. im Hain der Persephone in der Unterwelt) und Tamarisken (gr. myríkai: 18n.): HERZHOFF 1984, 268 mit Anm. 46; LUCE 1998, 157f. mit Abb. 5.20 u. 245 Anm. 30; weitere Aufzählungen von jeweils drei Baumarten: Il. 13.389f., 16.482f., 16.767 (in Gleichnissen), Od. 5.64, 5.239; (2) drei Gewächse (vgl. drei Blumen Il. 14.348), von denen nicht alle eindeutig identifizierbar sind: (2a) gr. lōtós ist Bez. für verschiedene Pflanzen, hier wohl für das gelb-blühende Scharbockskraut (ranunculus ficaria: 14.348n.; HERZHOFF a.O.); (2b) gr. thrýon (ein hapax legomenonP) wird als Binse oder auch Schilf gedeutet, (2c) kýpeiron (auch Od. 4.603 und h.Merc. 107 zusammen mit lōtós genannt) als ein Zypergras (HERZHOFF a.O. Anm. 47; LfgrE s.vv. θρύον, κύπειρον).

Die Aufzählung ist mit lautmalerischen Elementen und sprachl. Variationen gestaltet (PERCEAU 2002, 130): (a) Homoioteleuton πτελέαι, ἰτέαι, µυρῖκαι (zur Deutung von Reimen 16.174n. mit Lit.); (b) τε καὶ … ἠδέ neben τε ἰδὲ … ἠδέ (ἰδέ [‘und’] ist metr. Variante zu ἠδέ, καί, τε [Lit. 2.511n.]); (c) Wechsel von Pl. (350) zu Sg. (351); (d) Pflanzennamen in allen drei Geschlechtern.

348–349 ὥς: 342n. — ἐξηράνθη: 345n. — κὰδ δ’ … | κῆεν: Aor. zu κατα-καίω; zur sog. Tmesis R 20.2 (apokopiertes u. assimiliertes κατά: R 20.1); Subj. ist πῦρ (vgl. 343). — ὅ: gemeint ist Hephaistos (342); zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἐς: = εἰς (R 20.1). — παµφανόωσαν: zur ep. Zerdehnung R 8. 350 καὶ ἰτέαι: zur sog. Hiatkürzung R 5.5; der Digamma-Anlaut von ἰτέαι ist nicht berücksichtigt (R 4.6). — ἠδέ: ‘und’ (R 24.4). 351 δὲ (λ)λωτός: zur Prosodie M 4.6 und M 8. — τε ἰδέ: zum Hiat R 5.6.

Kommentar

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352 1. VH ≈ 354. — schönen: Kontrast zwischen der Schönheit der Natur und der Brutalität dieses Kampfes, s. hier die Häufung der gr. Wendung kalá rhéethra 354, 361, 365, 382 (218–220n.). τά: zur Kürze im longum 308n. (zu φίλε). — καλὰ ῥέεθρα: 238n.

353 — Aalen … Fischen: Bereits im Verlauf von Achills Kampf im Fluß sind Fische und auch Aale erwähnt, nämlich im Zusammenhang mit Leichenfraß: zuerst 122– 127 in Achills Drohung gegen Lykaon, analog zu Drohungen, Hunde und Vögel würden die Leichen auf dem Schlachtfeld fressen (122–125n.); dann 201–204 bei Achills Sieg über Asteropaios: er läßt ihn am Ufer im Wasser liegen, wo Fische und Aale beginnen, am Leichnam zu fressen, eine im hom. Epos singuläre Schilderung von Leichenfraß (200–204n.; zu Aalen 203–204n.). Nun leiden diese im Wasser unter der Glut des Feuers, das auch die Leichen der Troer verbrennt. τείροντ(ο): zu τείρω ‘aufreiben’ (vgl. lat. terere), auch ‘zusetzen, quälen’, stets im Präs.Stamm verwendet (mit Bezug zu lange dauerndem Zustand); oft auch vom Leiden eines verwundeten Kriegers, 8.81 eines vom Pfeil getroffenen Pferdes (LfgrE). — ἐγχέλυές τε καὶ ἰχθύες: ebenso 203 (s.d.). — οἳ κατὰ δίνας: sc. ἦσαν, vgl. αἳ περὶ δίφρον 11.535, 20.500 (LEAF; MONRO (1882) 1891, 245f.; CHANTR. 2.4 [“relatives qui constituent une sorte de parenthèse”]; anders AH u. K.-G. 1.580: demonstrativ-anaphorisch als Apposition; zu diesem Gebrauch mit Adverbien s. CHANTR. 2.163). 354 1. VH ≈ 352 (s.d.). — κυβίστων: Die genaue Bed. ist nicht ganz klar, an der vorl. St. etwa ‘sich drehend sprunghaft bewegen’. Der Vorgang ist vergleichbar mit jenem in V. 11: dort wirbeln die von Achill in den Fluß gedrängten Troer unkontrolliert im Wasser herum (ἔνθα καὶ ἔνθα ἑλισσόµενοι κατὰ δίνας), hier bewegen sich die Fische panisch im Wasser, da sie von der Hitze gequält werden; das Ganze ist expressiver formuliert als das Emporspringen eines Fischs unter Einwirkung des Boreas (23.692f. ἀναπάλλεται): PÖTSCHER 1994, 109. Der Kontext weiterer Belegstellen für die Wortfamilie κυβιστ- läßt an akrobatische Sprünge und Drehfiguren (auch Purzelbäume) denken (16.745–750 von einem sich kopfüber herabstürzenden Taucher, 18.605f. = Od. 4.18f. von Springtänzern: 18.605b–606n.; KURZ 1966, 22. 137); hinsichtlich der Etymologie wird u.a. eine Verbindung zu κύβος erwogen (FRISK s.v. κυβιστάω; zurückhaltend DELG u. BEEKES). — ἔνθα καὶ ἔνθα: 11n. 355 Der Vier-Wort-Vers (1.75n.) mit Variation der VE-Formel πολύµητις Ὀδυσσεύς (14× Il., 66× Od.) macht nachdrücklich auf Hephaistos’ Überlegenheit aufmerksam (s. auch πολύφρονος 367); Sammlung und Statistik der Vier-Wort-Verse s. BASSETT 1919 (vorl. St.: 224 Anm. 2). — πνοιῇ: ist meist Bez. für einen Windstoß, hier Hephaistos’ Feuerhauch (LfgrE). — πολυµήτιος: Das Adjektiv, das auf praktische Klugheit und strategisches Denken verweist (LfgrE s.v. µῆτις), ist nur hier auf Hephaistos bezogen verwendet, an allen anderen

352 τά: demonstr.-anaphor. Pronomen in der Funktion eines Relativpron. (R 14.5); Neutr. Pl. auf mehrere Pflanzennamen in versch. genera bezogen. — ποταµοῖο: abhängig von ῥέεθρα; zur Flexion R 11.2. — πεφύκει: zur augmentlosen Form R 16.1. 354 κυβίστων: Impf. zu κυβιστάω (↑). 355 πνοιῇ: zum -η- nach -ι- R 2.

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Stellen in Ilias und Odyssee ist es Epitheton des Odysseus (2.169n., 3.200n.), in den hom. Hymnen auch der Athene (hom.h. 28.2) und des Hermes (h.Merc. 319). V.a. im Zusammenhang mit seiner Schmiede-Arbeit wird wiederholt auf Hephaistos’ ‘kundigen Verstand’ hingewiesen (ἰδυίῃσι πραπίδεσσιν Il. 1.608, 18.380, 18.482, 20.12, Od. 7.92; περίφρονος Ἡφαίστοιο ‘Hes’ Sc. 297 ≈ 313; zu den bes. Fähigkeiten des Schmiedegottes s. FG 15; 18.369–381n.); er gleicht darin dem ugaritischen Schmiedegott Kothar (KITTS 2013, 105). Die weiteren Epitheta des Hephaistos verweisen meist auf seinen Ruhm (ἀγακλεής [379], ferner κλυτοτέχνης, κλυτοεργός, [ἀγα-/περι-]κλυτός) und seine Behinderung (331–332n.). 356 VA ≈ 351; 2. VH (Rede-EinleitungP) = 17× Il., 26× Od., 2× h.Ven. — ἲς ποταµοῖο: Die Wendung kann als Periphrastische BenennungP des Skamandros aufgefaßt werden (AH), aber ἴς ist hier wohl auch prägnant für den Kämpfenden verwendet (s. auch LfgrE s.v. 1223.49ff.: ἴς “im Kontext relevant”), ähnlich wie 23.720 im Ringkampf (κρατερὴ δ’ ἔχεν ἲς Ὀδυσῆος) und Hes. Th. 332 (ἲς ἐδάµασσε βίης Ἡρακληείης). Denn die ‘Gewalt des Flusses’ mit seiner Strömung wird durch die Waffe eines Gegners niedergerungen (πυρί 361, 365f., ferner 383 Ξάνθοιο δάµη µένος), der sich durch Kraft (βίηφι 367) und durch Klugheit (πολυµήτιος 355, πολύφρονος 367) auszeichnet (RICHARDSON; NAGY [1979] 1999, 321f. u. 346 Anm. 28; TAPLIN 1992, 228 Anm. 43; RICO 1999, 8). – ἴς + Gen. ist im fgrE auch für die Kraft des Windes verwendet (ἀνέµου/ἀνέµοιο 15.383, 17.739, Od. 9.71, 13.276, 19.186, Hes. Op. 518), ferner als Benennung von Telemachos (Halbvers-Formel 7× Od.) und Herakles (Hes. Th. 951); in der Ilias hingegen sind die Periphrastischen Benennungen von FigurenP sonst mittels σθένος (195n.), µένος (16.189n.) od. βίη (2.658n.) gebildet. — ἐκ τ’ ὀνόµαζεν: Die Wendung wird formelhaft gebraucht, ihre urspr. Bed. (‘js. Namen [heraus-] nennen’, s. 357) ist an vielen Stellen verblaßt (1.361n. [Lit.]; LfgrE s.v. ὀνοµάζω 715.19ff.).

357–360 Der erste Kampf zwischen Unsterblichen endet damit, daß der lokale Flußgott die Überlegenheit des olympischen Gottes anerkennt, eines Gottes, dem auch die anderen Götter nicht standhalten können, und ihn auffordert, den Kampf zu beenden. Seine Einschätzung des Gegners ist durchaus realistisch. Außerdem gibt er zu verstehen, daß er sich ab sofort vom Kampf fernhalten werde – also Achilleus nicht weiter bedrängen werde –, auch wenn Achilleus jetzt gleich die Stadt erstürmen sollte (gr. autíka ‘auf der Stelle, sofort’). Mit diesem Rückzug eines Beschützers der Troer (s. 238f.) rückt das Ende Troias näher, auch wenn Achilleus Troia nicht selbst erobern wird (TAPLIN 1992, 228f.). Aber Skamandros’ Eingeständnis der Unterlegenheit markiert die erste Niederlage einer troerfreundlichen Gottheit im Götterkampf (s. 383), auf die weitere folgen werden (406–433 Ares und Aphrodite, 489–496 Artemis); als Helfer gegen Achilleus bleibt nur noch Apollon übrig (538f., 545ff.): SCHEIBNER 1939, 46f.; WHITMAN 1958, 272. Darüber hinaus signalisiert Skamandros mit der rhetorischen Frage 360b, daß er eigentlich mit Kämpfen nichts zu tun habe wolle, ein Motiv, das sich ähnlich auch in den folgenden Götterkämpfen wiederholen wird (461–469, 497–501: Apollon und Hermes 356 καίετο δ’ ἴς: zur Prosodie R 4.6 (keine Berücksichtigung des ϝ, vgl. lat. vis). — ποταµοῖο, (ϝ)έπος: zur Prosodie R 4.3. — ἔφατ(ο): 342n.

Kommentar

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verzichten auf den Zweikampf). In der ganzen Passage der Götterkämpfe wird mehrfach gezeigt, wie schnell Götter dafür plädieren, sich zurückzuhalten und gleichgültig zu bleiben, wenn es um Belange der Menschen geht, so Skamandros noch 370f., 373b–376, ferner Hera 379f. und Apollon 462–467. 357 ἀντιφερίζειν: ‘sich messen mit’ (noch 411, 488, Hes. Th. 609, Op. 210), ist semantisch mit ἰσοφαρίζειν vergleichbar (‘sich mit jm. gleichstellen’ [zum -α- vgl. 6.101n.]; v.l. hier u. 411), die Bildungsweise ist umstritten (DELG s.v. φέρω: Denominativum zu *ἀντιφερής [analog zu Kompos. mit -φερής]; RISCH 299: Deverbativum zu ἀντιφέρεσθαι [‘antreten gegen, sich messen’: Il. 1.589, 5.701, 21.482, Od. 16.238]; SCHW. 1.736 Anm. 5: Angleichung von *ἀντιφαρίζω an φέρω). 358 2. VH ≈ 365, 23.197. — ὧδε: läßt beim Rezipienten die Vorstellung einer Geste des Skamandros entstehen, der auf das lodernde Feuer zeigt, s. die Schilderungen 342–356a (allg. dazu DE JONG 2012a). — πυρὶ φλεγέθοντι: φλεγέθω ist Erweiterung von φλέγω (‘[ver-] brennen’), z.T. wie hier als Abhilfe gegen unmetrische Formen verwendet (G 60). Die ganze Wendung (‘mit Feuer lichterloh flammend’) betont Hephaistos’ Waffe, s. deren Wirkung auf den Fluß πυρὶ καιόµενος/πυρὶ φλέγετο 361/365 (GRAZ 1965, 248. 252f.). Die Verbindung ist als Zusammenrückung auch Name des Unterweltsflusses Πυριγλεγέθων (Od. 10.513): LfgrE s.v. φλεγέθω; s. dazu auch 328–382n. Abschn. (4), 361–367n.; allg. zum Suffix -εθund seiner Bed. 2.303–304n. mit Lit. 359 δῖος Ἀχιλλεύς: 39n. 360 ἐξελάσειε: konzessiver Optativ, mit καί 359 (dt. ‘mag er doch heraustreiben’): AH; CHANTR. 2.216. — τί µοι ἔριδος καὶ ἀρωγῆς: singuläre Ausdrucksweise mit der Bed. ‘was hab ich zu schaffen mit …?’; gen. partitivus (SCHW. 2.109; CHANTR. 2.57), mit Differenzierung des Kämpfens in Aggression (ἔρις: ‘Streit, Konfrontation’) und Defensive (ἀρωγή: ‘Beistand’).

361–367 Da Hephaistos nur auf Heras Anordnung den Kampf beenden darf (340f.), läßt er sein Feuer ungerührt weiter wirken. Der brennende Fluß (361/365) mag Assoziationen mit dem Unterweltsfluß Phlegéthōn wecken (‘der Brennende’, Od. 10.513 Pyriphlegéthōn), der in nachhom. Quellen in Zusammenhang mit Feuer gestellt wird (Belege s. DNP s.v. Phlegethon; zum Sprachlichen 358n.). An der vorl. Stelle ist er jedoch Teil einer Kampfschilderung: Daß der Fluß brennt, sein Wasser durch die Hitze aufbrodelt und nicht mehr zu fließen vermag (361, 365f.), ist Folge einer Kampfhandlung und Zeichen seiner Niederlage (zu einer babylon. Parallele s. ROLLINGER 1996, 191ff.). Weitergehende Interpretationen sind daher nicht überzeugend (s. dazu 328–382n. Abschn. (4c)). 361 φῆ: ungewöhnlicher Rede-AbschlußP (ebenso φῆ ῥα Hes. Th. 550, h.Cer. 145, h.Merc. 212); häufiger sind ἦ (s. app. crit.; 233n.) od. VA-Formeln wie ὣς ἄρ’ ἔφη (136n.) und ὣς 357 δύνατ(αι): zur Elision R 5.1. 358 φλεγέθοντι: auf σοί zu beziehen, dies abh. von µαχοίµην. 360 ἄστεος: = ἄστεως. — µοι ἔριδος: zum Hiat R 5.7. 361 φῆ: = ἔφη. — ἀνὰ δ’ ἔφλυε: ‘sprudelten auf’ (Subj. καλὰ ῥέεθρα); zur sog. Tmesis R 20.2.

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φάτο/ὣς ἔφαθ’ (114n.): LfgrE s.v. φηµί 886.4ff. — πυρί: vgl. 358n. — ἀνὰ δ’ ἔφλυε: ἔφλυε wirkt im vorl. Kontext lautmalerisch (Eust. 1240.60ff.; TICHY 1983, 137–139; zur Etymologie [verwandt mit lat. fluo] s. auch DELG s.v. φλύω; LIV 90 mit Anm. 2). Das Verb ist nur hier im fgrE belegt, nachhom. Archil. fr. 45 West ἀπέφλυσαν; seit Aischylos ist das Simplex im übertr. Sinn verwendet (‘[mit Worten] überfließen, übersprudeln’). — καλὰ ῤέεθρα: 238n.

362–365 Das GleichnisP mit dem Kessel, der über dem Feuer erhitzt wird, läßt zunächst an kochendes Wasser denken (so Od. 12.237f. mit Bezug auf Charybdis, die mit großer Wucht Wasser emporspeit). Aber mit dem Erhitzen und Schmelzen von Fett in einem Kessel greift der Erzähler zu einem anderen, drastischeren Bild aus dem Alltagsleben zur Illustration des vor Hitze brodelnden Flußwassers: es lärmt beim Erhitzen und spritzt empor (FRÄNKEL 1921, 46f.; SCHEIBNER 1939, 101 mit Anm. 3). 362 VE ≈ Od. 12.237, h.Cer. 248. — Kessel: Der (Koch-)Kessel wurde auf einem Dreifuß über dem Feuer aufgestellt; beide waren i.d.R. aus Bronze (Lit. 19.243– 244n.). ζέει: zur Überlieferung (ζέει u. ζεῖ) s. app. crit. u. vgl. G 43 u. 45.

363 Fett (gr. knísē), das hier im Gleichnis wohl zum Kochen erhitzt wird, ist in der Odyssee im Zusammenhang mit einer Art Blutwurst erwähnt (mit Fett und Blut gefüllte Ziegenmägen: Od. 18.44f., 18.118f., 20.25f.); gutgenährte Schweine gelten als beliebter Bestandteil eines Mahles (s. etwa Il. 9.208, 9.467f., 23.32f., Od. 14.14ff., 14.41f., 14.81, 14.414–438): BRUNS 1970, 59; zur Schweinezucht zwecks Gewinnung von Fleisch und Fett s. RICHTER 1968, 64–69. Darüber hinaus taucht Fett (in der Ilias immer außer hier) im Zusammenhang mit Opfern und Schlachtfesten als Anteil der Götter auf (s. Il. 4.48f. = 24.69f.): es wird zusammen mit den Knochen verbrannt (1.460–463.: 1.460–461n., 1.463n.), der Fettduft steigt dabei zum Himmel empor. Vier-Wort-Vers (355n.), mit Häufung von lautmalerischen Sibilanten und Nasal- u. Liquidlauten (RICHARDSON 1987, 175 [dort auch zur Wortwahl in diesem Gleichnis]). — κνίσην µελδόµενος: so die von WEST (u.a.) bevorzugte Lesart (s. app. crit.). Das mediale Ptz. (‘schmelzend’), ein hom. hapaxP, hat intrans. Bed., trans. µέλδω ist erst bei den hellen. Dichtern Kallimachos und Nikandros belegt (LfgrE s.v.; LIV 431; RENGAKOS 1993, 124; zu den versch. Lesarten [u.a. κνίσῃ u. µελδοµένου] und Erläuterungen der antiken Kommentatoren [schol. bT, Ge und schol. pap. XII col. XVII, 20ff. zu 363, p. 113f. Erbse] s. ausführlich ERBSE z.St. u. ders. 1960, 40–42; VAN DER VALK 1963, 442–445; SCHMIDT 1976, 188–190). Wie in V. 362 die Metonymie (das Subj. ‘Kessel’ steht für seinen Inhalt, s. VE 365) durch 362 λέβης ζέει ἔνδον: gemeint ist der 363 genannte Inhalt (ζέω ‘sieden, brodeln’); zur sog. Hiatkürzung bei ζέει ἔνδον R 5.5. — ἐπειγόµενος: ‘bedrängt, angegriffen’ (konkret: ‘erhitzt’), dazu der instr. Dat. πυρὶ πολλῷ. 363 κνίσην: Akk. der Beziehung (R 19.1, ↑). — µελδόµενος(ς) ἁπαλοτροφέος: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — ἁπαλοτροφέος: zur unkontrahierten Form R 6.

Kommentar

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den Zusatz ἔνδον bei ζέει signalisiert ist, so hier beim Partizip durch den Zusatz κνίσ-, in dem der Inhalt, d.h. die Substanz, die schmilzt, präzisiert ist (SCHMIDT 1987, bes. 68f. [bevorzugt die Lesart κνίσῃ]). — σιάλοιο: bereits im Myk. belegt (MYK; DMic s.v. si-a2-lo; DELG s.v. σίαλος), im hom. Epos Bezeichnung für ein gut gemästetes, zum Verzehr bereitetes Schwein (s. bes. 9.208 συὸς σιάλοιο ῥάχιν τεθαλυῖαν ἀλοιφῇ, Od. 14.19 ζατρεφέων σιάλων) (LfgrE; RICHTER 1968, 66; MEISSNER 2019). Das Epitheton ἁπαλοτρεφέος (‘mit Zartem genährt’, nur hier im fgrE), ein Hinweis auf die sorgfältige Mästung, hebt die hochwertige Qualität seines Fetts und Fleisches hervor. 364 2. VH ≈ Od. 18.308, h.Merc. 136. — ἀµβολάδην … κάγκανα: sind iliad. hapax legomenaP: ἀµβολάδην ist Ableitung zum Kompositum ἀναβάλλοµαι (zur Wortbildung RISCH 365f.), das im fgrE nur in der Bed. ‘aufschieben’ belegt ist (2.436, Hes. Op. 410, 412: LfgrE s.v. ἀνά 754.28ff.), und bed. hier, mit der Angabe πάντοθεν und als Ergänzung zu ζέει 362, etwa ‘emporschießend’ (vgl. 361 ἀνὰ δ’ ἔφλυε); zum weiteren Gebrauch von ἀµβολάδην u. ἀµβλήδην s. LfgrE s.vv.; DE JONG zu Il. 22.476. Das Adj. κάγκανος ist immer im Kontext von Brennholz verwendet (s. Iterata u. h.Merc. 112) und wird daher als ‘trocken, dürr’ (s. Il. 11.642 πολυκαγκέα δίψαν) od. ‘zum Brennen geeignet’ gedeutet (schol. D; LfgrE, FRISK, BEEKES s.v. κάγκανος). 365 Der Vers erfaßt mit wörtlichen Anklängen den Hauptvergleichspunkt, vgl. 361 und VA/VE von 362. — καλὰ ῥέεθρα: 238n. — πυρὶ φλέγετο: 358n.

366a Zu möglichen altoriental. Parallelen für die Beschreibung, wie gefährlich überströmendes Wasser eingedämmt wird, s. 328–382n. Abschn. (2).

οὐδ’ ἔθελε … ἴσχετο: rhetor. Polarer AusdruckP (Subj. ist ὕδωρ): ‘und es war nicht bereit, wollte nicht’ (LfgrE s.v. ἐθέλω 417.1ff. u. 34f.; zu negiertem ἐθέλειν s. 6.522–523a n.: oft Ausdruck für mangelnden Kampf-Einsatz), fortgesetzt mit ἀλλ’ ἴσχετο ‘sondern es stockte’ (LfgrE s.v. ἴσχω).

366b–367 2. VH von 367 (ab der Zäsur C 2) ≈ 5.308, 5.327, 8.268, 10.154, 11.483, 13.164, 23.896 (ἥρως). — Da Skamandros’ Kapitulationserklärung nichts bewirkt hat, wendet er sich hilfesuchend an Hephaistos’ Mutter Hera. Der Flußgott kann aber lediglich vermuten, daß sie das Handeln ihres Sohnes lenkt und gnädig gestimmt werden muß (372–376); das Wissen des Rezipienten, daß Hephaistos ihrem Befehl folgen muß (330–332, 337b–341), scheint hier auf die FigurP übertragen (vgl. ‘transference’: DE JONG zu Od. S. xviii).

τεῖρε: 353n. — ἀϋτµή | Ἡφαίστοιο βίηφι πολύφρονος: ἀϋτµή ist Bez. für eine Luftbewegung, hier für den durch Hephaistos verursachten Gluthauch, s. 355 πνοιῇ (LfgrE s.v.; GRAZ 1965, 308f.). – Die Endung von βίη-φι (urspr. Instr. Pl.) steht v.a. für ablativischen

364 παντόθεν: zur Form R 15.1. — ὑπό: adverbiell, ‘unten, darunter’. 365 ὥς: 342n. — τοῦ: demonstr.-anaphor. (R 17). 366 οὐδ(έ): konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — προρέειν: zur unkontrahierten Form R 6. 367 βίηφι: instrumentaler Dat. Sg. (↑); zur Form 11.4. — αὐτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). — ὅ: demonstr.-anaphorisch (R 17). — Ἥρην: zum -η- nach -ρ- R 2.

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Gen. und für instrumentalen u. lokativischen Dat. (Sg. u. Pl.); ihre Verwendung als ‘echter’ Gen. ist eher selten (G 66; SCHW. 1.551; CHANTR. 1.234–241, allg. zu βίηφι 236: “type pseudo-adverbial”). Auch an der vorl. Stelle ist die instrumentale Deutung (‘es quälte der Hauch durch die Kraft des vielverständigen Hephaistos’) derjenigen als Gen. zur Umschreibung der Figur (‘der Hauch der Kraft des vielverständigen H.’) vorzuziehen: die Aussage τεῖρε … πολύφρονος ist eine gesteigerte Variation von 355 (πνοιῇ τειρόµενοι πολυµήτιος Ἡηφαίσοιο): THOMPSON 1998, 225; vgl. auch SCHADEWALDT z.St.; s. auch zu ἲς ποταµοῖο 356n.; dagegen für Gen.: MONRO (1882) 1891, 150; AH u. LEAF; LfgrE s.v. βίη 61.19ff. (allg. zur formelhaften Titulatur a.O. 60.71ff.); unentschieden RICHARDSON u. SCHW. 2.172 Anm. 2. — πολύφρονος: bed. ‘vielverständig’ (LfgrE s.v.: ‘having much mental capacity’), ist auch in der Odyssee Epitheton von Hephaistos in der VE-Formel πολύφρονος Ἡφαίστοιο (Od. 8.297, 8.327, variiert ‘Hes.’ Sc. 297 ≈ 313 περίφρονος Ἡ.), im Zusammenhang mit seinen raffinierten Hilfsmitteln bei der Überwältigung von Ares und Aphrodite (s. auch zu πολυµήτιος Ἡφαίστοιο 355n.). Es ist ferner Epitheton von Odysseus (Ὀδυσῆα πολύφρονα im Formelvers Od. 1.83, insgesamt 5× Od.) und Sisyphos (‘Hes.’ fr. 43a.18 M.-W.), erscheint außerdem in den generalisierenden Aussagen Il. 18.108 ≈ Od. 14.464. — ὅ γ(ε): signalisiert den Wechsel beim Agens vom Wasser (365–366a) zum Flußgott.

368 ≈ Od. 22.311, 22.343, 22.366, h.Ven. 184; 1. VH ≈ Il. 5.358, 22.91. — Die RedeEinleitung gibt mit dem Zusatz ‘inständig bittend’ (gr. lissómenos) den Ton und das Ziel der Rede an (97–98n.); die Rede selbst enthält zwar keine direkt vorgebrachte Bitte (sie ist 373a nur indirekt formuliert), entfaltet aber durchaus die angestrebte Wirkung, s. 377–380 (zur Kennzeichnung des illokutionären Akts gemäß Sprechakttheorie bei Homer s. DE JONG [1987] 2004, 200–203). ἔπεα πτερόεντα προσηύδα: 73n.

369–376 Skamandros spielt nur indirekt auf die durch ihn ausgelöste Not Achills an, die den Zusammenstoß zwischen ihm und Hephaistos ausgelöst hatte (328ff.). Vielmehr spricht er von Hilfe für die Troer allgemein (370f.), von der er sich aber sogleich distanziert, s. bes. 374ff. (vgl. 360). Mit seinem Versprechen, nicht mehr für diese einzustehen, auch wenn die Achaier Troia niederbrennen sollten (373b– 376), geht er viel weiter als bei seiner Kapitulation vor Hephaistos (357–360 mit n.). Er scheint damit zu rechnen, daß seine Chancen auf ein Einlenken Heras steigen, wenn er nicht nur seinen Angriff auf Achilleus, sondern auch seine Hilfe für Troia aufgibt (zum Vergleich solchen Verhaltens mit der Selbsterniedrigung von Kämpfern, v.a. der troischen Kriegspartei, s. STOEVESANDT 2004, 150 mit Anm. 473).

368 πολλὰ (λ)λισσόµενος: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — πολλά: adverbiell, ‘inständig’ (bez. die innere Intensität). — λισσόµενος (ϝ)έπεα: zur Prosodie R 4.5. — ἔπεα: zur unkontrahierten Form R 6.

Kommentar

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369 τίπτε σὸς υἱὸς …: vorwurfsvolle Frage anstelle einer Bitte, er möge das nicht tun, s. auch 373a. τίπτε (= τί ποτε: ‘was denn, warum denn’) kann Unmut od. Befremden signalisieren (LfgrE s.v. τίπτε). — ἔχραε κήδειν: χρα(ϝ)εῖν ist isolierter Aor. mit der Bed. ‘anfallen’, hier mit Akk.-Obj. und Erläuterung durch den Inf. κήδειν (‘um Leid zuzufügen’), ähnliche Konstruktion Od. 21.68f. (τόδε δῶµα | ἐχράετ’ ἐσθιέµεν …), an den übrigen Stellen mit Dat.Obj. (Od. 5.396, 10.64, ἐπ- Il. 16.352, 16.356, Od. 2.50): LfgrE s.v. χραεῖν; zur Etymologie CHANTR. 1.393; DELG u. BEEKES s.v. χραεῖν; LIV 202.

370 so sehr schuldig: Das gr. Adjektiv áitios (‘wer jm. etw. angetan hat’) bez. zunächst ohne moralische Wertung den Urheber eines Übels, mit Negation oft denjenigen, der keinen Vorwurf verdient. Skamandros kann sein Tun nicht abstreiten, er muß es also kleinreden, auch wenn er nicht überzeugend klingt. Denn nachdem er Achilleus heftig zugesetzt hat und dafür jetzt im Gegenzug ja nicht zu Unrecht von Hephaistos in arge Bedrängnis gebracht wird, mault er (369–370a) und relativiert seine Teilnahme am Kampf auf der Seite der troerfreundlichen Götter, indem er die anderen Götter vorschiebt (371: ‘ich nicht so sehr wie alle anderen …’, d.h.: ‘die anderen alle viel mehr als ich’). Diese die eigene Schuld abschwächende Argumentation wirkt eher selbst schwach, ist aber der einzige Weg, wie er sich unter den gegebenen Umständen bei Hera Gehör verschaffen und ihre Hilfe gewinnen kann (369–376n.; LfgrE s.v. αἴτιος; SCODEL 2008, 107f.). οὐ µέν τοι: bekräftigend, meist zu Beginn der Rede (im ersten Vers nach dem Vokativ 23.795, 24.300, Od. 7.159; unmittelbar am Rede-Anfang Od. 1.222, 4.836, 16.267), wie hier nach vorausgehender Frage auch Il. 8.294 (ähnlich Od. 23.266; ferner im Rede-Innern 18.233).

371 ≈ 428; 2. VH ≈ 8.205 (Δαναοῖσιν). — Die anderen Helfer der Troer sind Ares, Aphrodite, Apollon, Artemis und Leto. 372–373 372 ≈ 8.35; 1. VH von 372 = 20.22, 23.279, 24.462, Od. 19.594, 23.359; VE von 372 (von der Zäsur C 2 an) = 10.443. — ἀλλ’ ἤτοι µέν: geläufige Partikel-Verbindung (VAFormel 8× Il., 4× Od.), steht meist in Ankündigungen oder Aufforderungen (DENNISTON 389; allg. zum Gebrauch RUIJGH [1981] 1996, 523–532; CUYPERS 2005, 63f.); leitet hier die Abkehr von der Haltung der in V. 371 Genannten ein und bereitet die Gegenüberstellung 373a vor. — µὲν ἐγὼν ἀποπαύσοµαι … | παυέσθω δὲ καὶ οὗτος: Wiederholung des gleichen Verbs als Mittel der Emphase ist öfters anzutreffen (s. z.B. 350f., 376, 395f.), wenn auch seltener mit der Wiederaufnahme des Kompositums durch das Simplex (FEHLING 1969, 152. 254f.; RENEHAN 1976, 11–27, bes. 13f.). Aber die in einem Papyrus überlieferte Variante ἐγὼ λήξω µένος (s. app. crit. zu 372) ist wohl aus dem Bedürfnis entstanden, an 305 anzu369–370 ἐµὸν ῥόον… | ἐξ ἄλλων: ‘meine Strömung’ (d.h. mich) ‘… vor den anderen’ (d.h. den anderen Unterstützern der Troer, s. 371). — µέν: ≈ µήν (R 24.6). — τοι: = σοι (R 14.1), vgl. auch R 24.12. 371 ὅσσον: korreliert mit τόσον 370 (‘so sehr … wie’); zum -σσ- R 9.1. — Τρώεσσιν: R 11.3. 372 ἤτοι: R 24.4. — ἐγών: = ἐγώ. 373 ἐπί: ‘dazu’ (sc. zusätzlich dazu, daß ich jetzt aufhöre).

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knüpfen. — ὀµοῦµαι: Zum Fut. in Absichtserklärungen s. CHANTR. 2.202; CHRISTENSEN 2010, 553. 559–567 (“performative future”).

374–377a = 20.315–318a (Hera referiert den Schwur, den sie und Athene mehrfach ausgesprochen haben [20.316f. ist nach WEST 2011, 380, Konkordanzinterpolation aus der vorl. St.]). 374 2. VH ≈ 9.251, Od. 10.269, 10.288. — µή ποτ(ε): Verstärkung der beim Eid üblichen Negation µή durch ποτε, ebenso 9.133/275, 9.455 (Fluch), 19.128, 19.176, 20.315, h.Merc. 522. — κακὸν ἦµαρ: VE-Formel (4× Il., 3× Od.); weitere Formeln für die Umschreibung des unheilvollen Tages 57n.

375–376 In Skamandros’ Versprechen, einen Untergang Troias in Feuer nicht zu verhindern, häufen sich in auffälliger Weise Wendungen für ‘brennen’. Vielleicht knüpft hier Skamandros an seine eigene Situation an und will zugleich die Aufmerksamkeit auf ein anderes mögliches Opfer von Feuer (und damit von Hephaistos) lenken, das Hera genehm sein könnte (vorsichtiger Hinweis NÜNLIST). Der ErzählerP ruft mit dem Bild das von der Tradition vorgegebene Erzählziel, den Untergang Troias, in Erinnerung (TAPLIN 1992, 228f.; WHITMAN 1958, 140. 207. 270). Solche proleptischen Hinweise auf die Eroberung und Zerstörung Troias ziehen sich leitmotivisch durch die Ilias, der erste erfolgt 2.12f., der letzte 24.728f.; sie kommen v.a. in Beratungen und Reden an Gegner vor (Ausnahmen: explizite Vorhersage 12.13ff.) und stehen meist in futurischen oder modalen Ausdrucksformen (Zerstörung Troias im Feuer: 2.415 Gebet des Agamemnon, 6.331 Hektors Wunsch, es möge nicht geschehen; 22.410f. im Vergleich angedeutet): DUCKWORTH 1933, 30–32. 54 Anm. 120; Stellensammlungen KULLMANN 1960, 343–349; HAFT 1990, 39. 56; Wendungen bei SCULLY 1990, 69–77; vgl. externe ProlepseP. 375 µαλερῷ: distinktives EpithetonP bei πῦρ, immer im Kontext einer Ankündigung von Zerstörung durch Feuer (noch 9.242, 20.316; ‘Hes.’ Sc. 18 im Hyperbaton); Etymologie und Bed. sind unsicher, es bed. wohl am ehesten ‘verzehrend, zerstörerisch’ (schol. D: τῷ πάντα µαραίνοντι; GRAZ 1965, 126f.; versch. Vorschläge zur Erklärung s. DELG u. BEEKES s.v. µαλερός). 376 2. VH = 4.114, 11.800, 16.42, 18.200, 20.317, Od. 23.220. — καιοµένη, καίωσι … υἷες: Wortwiederholung zur Ergänzung od. Erläuterung der partizipialen Aussage ist ein gängiges episches Stilmittel, bei dem oft wie hier auf ein intrans. Mediopass. eine aktivische Formulierung mit Agens-Angabe folgt, s. besonders 8.215f., 18.227, 22.464f. (AH u. KIRK zu 8.215; FEHLING 1969, 144; JANKUHN 1969, 109–111; zur vorl. St. s. auch GRAZ 1965, 157f.). Zudem steht das Verb als Ergänzung neben dem poet. Verb δάηται am VE von 375, ähnlich bereits 343 (δαίετο, καῖε). — ἀρήϊοι: generisches EpithetonP (‘mit Ares verbunden, kriegerisch’), 7× ergänzt durch die vorl. VE-Formel (s. Iterata), ferner von versch. Kriegern und 374 ἐπὶ … ἀλεξήσειν: ‘abwehren’ (Inf. Fut.); zur sog. Tmesis R 20.2. — ἦµαρ: = ἡµέραν. 375 Τροίη: zum -η nach -ι- R 2. — δάηται: ‘lodert, brennt’; (prospektiver) Konj. Aor. Med. zu δαίω. 376 υἷες: zur Flexion R 12.3.

Kommentar

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von Rüstungen. — υἷες Ἀχαιῶν: flektierbare VE-Formel (Nom./Akk.: 53× Il., 11× Od.), periphrastische Kollektiv-Bezeichnung für die Achaier, vermutlich ein alter Semitismus, vgl. die biblische Wendung ‘die Söhne Israel’ (LfgrE s.vv. Ἀχαιοί, υἱός; GRAZIOSI/HAUBOLD zu 6.255; weitere Lit. 1.162n.). 377 1. VH = 20.318, 23.161, Od. 8.446, 13.159, 15.92, h.Cer. 334, h.Ap. 107; ≈ Od. 7.167, 8.143 (2. VH jeweils Subjektbenennung mit Nomen-Epitheton-Formel); 2. VH = 19× Il., 3× Hes. — λευκώλενος Ἥρη: flektierbare VE-Formel (24× Il., 3× Hes., 5× hom.h.); das generische EpithetonP λευκώλενος (‘mit weißen Ellbogen’) ist am häufigsten bei Hera gebraucht (Statistik u. Lit. 1.55n.), die Formel ist meist durch θεά erweitert (s. Iterata). Ob die Wahl zwischen den metr. gleichwertigen Halbvers-Formeln θεὰ λευκώλενος Ἥρη und βοῶπις πότνια Ἥρη (hier v.l. in einem Papyrus) kontextbezogen erfolgt, läßt sich nicht für jede Stelle entscheiden (die Formel mit λευκώλενος sei in Szenen verwendet, die von Einverständnis zwischen Hera und ihrem Gegenüber geprägt sei: BECK 1986, 484; THOMAS 2002, 3–7; FRIEDRICH 2007, 79; Diskussion zu den beiden Halbvers-Formeln s. 14.159n.). 378–381 Die Kampfschilderung wird mit wörtlichen Anklängen an 330–342 (Iterata von 378 u. 381, σχέο 379 u. σχεῖν 341) ringkompositorischP abgeschlossen. 378 ≈ 330 (s.d.). — αὐτίκ’ ἄρ(α): αὐτίκα betont den unmittelbaren Anschluß der Handlung, hier in der Form einer Anweisung, die in der vorausgehenden Rede erbeten wurde (LfgrE s.v. αὐτίκα 1606.42ff., bes. 47ff.; ERREN 1970, 35ff.); dieser Zusammenhang ist hier mit ἄρα nach Hypotaxe (anstelle des parataktischen δέ von 330) deutlich hervorgehoben (LfgrE s.v. ἄρα 1157.46ff.; anders BONIFAZI 2012, 275: “discourse marker”, der neben αὐτίκα zur “vividness of visualization” beitrage).

379–380 VE von 379 ≈ 436 (s.d.); 380 ≈ 24.464; 2. VH ≈ 8.428, 21.463. — Hera bringt ein Argument vor, mit dem auch andere Götter Kampf und Streit untereinander zu unterbinden suchen (1.573–575: Hephaistos will Streit zwischen Zeus und Hera verhindern; 15.138–141: Athene hält Ares davon ab, sich in den Kampf zu stürzen; ähnlich 20.133–137: Poseidon plädiert vor Hera dafür, daß die Götter sich noch nicht bekämpfen sollten) oder auch den eigenen Kampf-Verzicht begründen (462–469). Das Argument scheint nicht so ganz zu ihrem Verhalten zu passen, denn sie selbst hatte Hephaistos gegen Skamandros in den Kampf getrieben (331ff.) und wird später gegen Artemis vorgehen (479ff.). Aber sie taxiert es als unpassend (gr. ou gar éoiken ‘denn es gehört sich nicht’: 436–438n.), daß ein ‘unsterblicher Gott’ um der ‘Sterblichen’ willen (hier Achilleus) mit solcher Heftigkeit (gr. hṓde ‘derartig’) mißhandelt wird. Ἥφαιστε … τέκνον ἀγακλεές: ἀγακλεής (‘hochberühmt’) ist generisches EpithetonP, von Hephaistos nur hier (17.716 u. 23.529 von Menelaos, 16.738 von Priamos); metrisch-prosodische Varianten sind ἀγάκλυτος und ἀγάκλειτος. Die doppelte Anrede mit Ἥφαιστε und τέκνον ἀγακλεές aus dem Mund der Mutter anstelle der häufiger belegten Erweiterungen

377 αὐτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). — τό: demonstr.-anaphorisch (R 17). 378 ὅν: Possessivpron. der 3. Person (R 14.4). 380 ἀθάνατον: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).

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von τέκνον/τέκος durch ἐµόν (s. 331) od. φίλον wirkt förmlich, ist hier aber passend angesichts seines Erfolgs (schol. bT); sonst steht die Anrede Ἥφαιστε im fgrE allein (18.392, 18.429, 21.357, Od. 8.355, hom.h. 20.8). — σχέο: ‘halt dich zurück! halt inne!’, also ‘hör auf!’ sc. mit Kämpfen (LfgrE s.v. ἔχω 846.48ff.). — βροτῶν: ‘sterblich, Mensch’ (vgl. lat. mortuus, ved. mṛtá-: G 15; DELG, BEEKES s.v.), kennzeichnet öfter den Menschen als Mängelwesen im Gegensatz zu den Göttern (Stellen LfgrE s.v. βροτός). Der verallgemeinernde Pl. statt Sg. für Achilleus (vgl. 328, wie θνητῶν 1.574 nach 1.558) verleiht der Aussage größeren Nachdruck. — στυφελίζειν: bed. eigtl. ‘hart schlagen’ (vgl. die erst nachhom. belegten Adjektive στυφελός/στύφλος [‘hart’]), dann auch im weiteren Sinn ‘Brachialgewalt anwenden gegen jn.’ (LfgrE s.v.; zur Etymologie [denominatives Verbum od. deverbatives Adj.?] s. DELG vs. BEEKES s.v. στυφελίζω).

381–382 381 ≈ 342 (s.d.). — Sobald Hephaistos das Feuer auslöscht, kehrt auch das wogende Wasser in geordnete Bahnen zurück und fließt wieder in ‘schönen Fluten’ (schol. T; zu gr. kalá rhéetra s. 218–220n.). Der chaosartige Zustand, der mit Vers 342 durch den Kampf zwischen den Elementen Feuer und Wasser einsetzte, ist beendet, die Ordnung ist wieder hergestellt.

Vers 381 ist eine beinahe wörtliche Wiederholung des Einleitungsverses zu Beginn von Hephaistos’ Kampf: 342 das Ausrichten des Feuers auf das Ziel hin (τιτύσκετο), hier das Löschen (κατέσβεσε). — ἄψορρον: ‘zurückgehend’; Kompositum, bestehend aus ἄψ (‘zurück’, nämlich zum Ausgangspunkt: LfgrE s.v. ἄψ 1782.4ff.) und dem Bestandteil ὀρρ-, wohl zu ἔρρω ‘weggehen’ (FORSSMAN 1980, 185ff.; BEEKES s.v. ἄψορρος; anders DELG s.v. ἄψ u. FRISK s.v. ἄψορρος: zu ὄρρος ‘Hinterteil’, das aber eine att. Form ist, s. dagegen die hom. Form παλίνορσος 3.33). — κῦµα κατέσσυτο … ῥέεθρα: κατ-έσσυτο hier mit Akk.Obj. (‘die Woge stürzte sich die Fluten hinab’), vgl. 12.32f. ποταµοὺς δ’ ἔτρεψε νέεσθαι | κὰρ ῥόον, ᾗ περ πρόσθεν ἵεν καλλίρροον ὕδωρ (von der Rückkehr der Flüsse in ihr Flußbett nach dem Überschwemmen der Ebene): AH; LfgrE s.v. σεύοµαι 102.47ff. Das Kompositum κατασεύοµαι ist nur selten und dann in anderer syntakt. Konstruktion belegt (Quint. Smyrn. 4.270 κατεσσύµενος absolut; Nonn. Dion. 5.353 κατεσσεύεσθε λεόντων: LSJ s.v.), daher die Nebenüberlieferung mit κατέσχετο (‘senkte sich’), das aber viel schwächer ist (in einem Pap. ergänzt durch einen Zusatzvers ≈ 12.33: app. crit.; schol. D; VAN DER VALK 1964, 564f.; WEST 1967, 156). — καλὰ ῥέεθρα: 238n.

383–514 Die eigentliche ‘Theomachie’: Die übrigen Götter treffen aufeinander. (1) Erzählstruktur, (2) Charakterisierung, (3) Parallelen zwischen Ilias 5 und Ilias 21, (4) Vergleich mit der Titanomachie.

381 ὣς ἔφαθ’: 342n. — κατέσβεσε: Aor. zu κατασβέννυµι ‘zum Verlöschen bringen’. 382 κατέσσυτο: Aor. zu κατασεύοµαι ‘hinabstürzen’.

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(1) Erzählstruktur Bei der Beschreibung dieser Götterkämpfe spielt der Erzähler mit verschiedenen Erzählelementen, Motiven und Stoffen von innerhalb und außerhalb der Ilias. Erkennbar ist das Schema der Typisierten Ereignissequenz ‘Ablauf der Feldschlacht’, darin eingebettet vier Szenen, die Kontrahenten entsprechend der in 20.67–72 geschilderten Aufstellung der Götter (328–514n.; SCHEIBNER 1939, 102–106; SCHÄFER 1990, 135; WEST 2011, 365. 380–382): (a) Ares gegen Athene, dazu Aphrodite, nicht als Kämpferin, sondern als Helferin des verwundeten Ares (391–433): Athene schlägt beide nieder; (b) Poseidon gegen Apollon (435–478): Apollon zieht sich zurück; (c) Hera gegen Artemis (479–496): Artemis flieht; (d) Hermes und Leto (497–504): Hermes gibt sich ironisch von Leto geschlagen. Danach Abschluß der ‘Theomachie’: die Götter verlassen das Schlachtfeld (Artemis flieht auf den Olymp zu Zeus und weint sich aus 505–514; Apollon eilt nach Troia 515–517, die übrigen Götter auf den Olymp zu Zeus 518–520a). (2) Charakterisierung In dieser Partie der Götterkämpfe ist der Ton der Erzählung völlig anders als in der vorausgehenden Kampfszene zwischen Hephaistos und Skamandros. Zu Beginn der Schilderung spielt der Erzähler mit der Erwartungshaltung der Rezipienten, indem er durch den Lärm von Himmel und Erde eine große Götterschlacht ankündigt (387– 388a), sogleich aber auch den Hinweis gibt, daß nun ein Schauspiel folgt, das bei Zeus Heiterkeit und Lachen auslöst (388b–390n.); denn mit dem Ende des vorausgehenden Kampfes Feuer–Wasser ist die Ordnung in der Welt wieder hergestellt. Tatsächlich beschreibt der Erzähler danach eine Schlacht mit slapstick-artigen Szenen von Schlägereien zwischen Göttern. Nur die erste Begegnung Ares–Athene, also die Konfrontation der Götter des Kampfes und der Kriegsführung, ist eine wirkliche Kampfszene (391–433), durchsetzt mit typ. Elementen und Motiven traditioneller Kampfschilderungen, aber auch mit komischen Elementen (391–415n., 416–426n.). In den darauf folgenden Szenen wird nicht wirklich gekämpft, sondern allenfalls geprügelt. In allen Szenen dominiert das Beschimpfen des Gegners, also der verbale Kampf. Im weiteren Verlauf dieser Kämpfe nehmen die komischen Elemente zu, und die ‘Theomachie’ klingt in humorvoll gestalteten Szenen aus (489ff. Artemis erhält von Hera Ohrfeigen, 497ff. Hermes erklärt Leto kampflos zur Siegerin). Insgesamt wird in dieser ‘Theomachie’ die Dekonstruktion einer Schlacht mit ihren Zweikämpfen sichtbar. Seit der Antike ist daher der Vorwurf erhoben worden, diese ‘Theomachie’ sei schlechte Dichtung, eine der Götter unwürdige, lächerliche Farce, s. z.B.: Porphyrios (MacPhail) zu 20.67–75; AH zu 383–520 u. Anh. S. 95f. (als schlecht gemachte Interpolation verworfen); LEAF Introd. 382 (“poetically bad” und “In place of the imposing conflict of the divine powers which we were led to expect at the beginning of ⟨book⟩ XX, we are

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presented with a ridiculous harlequinade.”). Aber diese Kritiken werden ihrem Gegenstand nicht gerecht, s. etwa OWEN 1946, 213 Anm. 1, zu Leaf: “A good description, this last phrase, of its effect, but if Leaf was led to expect an imposing conflict, that is his fault. For when you come down to actual details, how can a battle between immortal beings be anything than a farce?”; ferner auch BETHE 1914, 62. 302 (gegen subjektive Urteile im Hinblick auf eigenes Geschmacksempfinden); weitere antike und moderne Kritiken s. GRAZIOSI 2016, 49–52; vgl. auch die ähnlichen Kritiken an der sog. Diós apátē im 14. Gesang: 14.153–353n. (bes. S. 74). Denn diese Partie mit ihrer überbordenden Komik hat durchaus Funktionen im Ablauf der Erzählung: (a) Sie bietet Auflockerung und Unterhaltung inmitten von Schilderungen höchst dramatischer Situationen, nach harten Kämpfen des Achilleus (20.75ff., 21.233ff.) und tragischen Begegnungen (21.34–135 mit Lykaon, 21.139–204 mit Asteropaios) und vor dem mit Spannung erwarteten Aufeinandertreffen von Achilleus und Hektor im 22. Gesang (RetardationP; vgl. die vorausgehenden Annäherungen der beiden 20.75ff., 20.364b ff., 20.419ff.); Dramatik spart der Erzähler für den Kampf der Menschen auf; (b) sie zeigt nach Skamandros’ Niederlage gegen Hephaistos weitere Szenen, die geprägt sind von der Machtlosigkeit und von Niederlagen pro-troianischer Götter, und bringt so weitere deutliche Vorverweise auf Troias Untergang; (c) sie zeigt Zeus’ Machtposition unter den Göttern, wenn er mit heiterer Gelassenheit den Kämpfen und Streitereien der Götter zuschaut (388b–390); (d) in ihr werden die Götter menschlich agierend vorgeführt, aber zugleich der tiefe Graben zwischen Göttern und Menschen mit ihren bitteren Erfahrungen im Kampf geradezu schmerzlich verdeutlicht, zumal diese Götterschlacht eingebettet ist zwischen zwei Szenen, in denen menschliche Kämpfer in Lebensgefahr geraten und nur durch göttliche Intervention gerettet werden (233–382 Achilleus, 544–598 Agenor). Zur Einbettung in den Ablauf der im 20. und 21. Gesang beschriebenen Schlacht, wobei sich der Götterkampf aus dem ‘Flußkampf’ entwickelt (Achilleus gegen den Flußgott Skamandros), s. 1–327n., 328–514n.; STANLEY 1993, 206f. Kurze Charakterisierungen und Würdigungen der ‘Theomachie’ s. bei FRIEDLÄNDER 1934, 213f. 225f.; SCHADEWALDT (1944) 1965, 291f.; SEIDENSTICKER 1982, 56–59; RICHARDSON zu 383–513; HE s.v. Theomachy. Anders als bei der vorausgehenden Kampfschilderung, dem Zweikampf zwischen Skamandros und Hephaistos, handelt es sich bei dieser ‘Theomachie’ also eher um die Travestie einer Götterschlacht (KRAPP 1964, 326; SCHÄFER 1990, 134f. mit Anm. 340; LEAF zu 390: Zeus schätze diesen Kampf als “a parody of serious fighting” ein). Die unterliegenden Götter leiden nicht in kosmischem Ausmaß (wie zuvor Skamandros’ Wasser unter Hephaistos’ Feuer), sondern allenfalls unter Beschimpfung und Handgreiflichkeit. Die Zusammenstöße entwickeln sich immer mehr zu Szenen mit gewalttätigem Familienzank, in denen die Figuren v.a. innerhalb ihrer familiären Rolle gesehen werden (412 Hera als Ares’ Mutter; 468f. Poseidon als Apollons Onkel;

Kommentar

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470 Artemis als Apollons Schwester; 479, 512 Hera als Zeus-Gemahlin [und indirekt als Stiefmutter der Artemis: schol. D zu 20.74]; 498f. Leto als eine von Zeus’ Frauen, 504 als Artemis’ Mutter). Dabei werden einzelne weibliche Mitglieder (Athene, Hera, Artemis) in ihrem Auftreten auffällig aggressiver gezeichnet als die männlichen (mit Ausnahme von Ares): GRAZIOSI 2016, 52–55. 57. Diese Travestie reiht sich ein in die homerischen Götterszenen voller Humor, “als kontrastive Götterszenen”, in denen “erhabener Unernst” zutage tritt (REINHARDT [1938] 1960, 25; GRIFFIN 1980, 199; zum hohen Alter solcher humorvoller Göttererzählungen und Lit. dazu s. 1.571– 611n., 14.153–353n.; JANKO zu 14.153–353). Auch die ‘Theomachie’ bietet oberflächlich gesehen unterhaltsame Auflockerung, enthält aber auch tiefgründige Themen: Der ErzählerP zeichnet durch das Auftreten und Reden ein Bild von den Göttern, in dem vertraute menschliche Verhaltensweisen gespiegelt sind: s. die Herausforderungsreden von Ares (394–399), Poseidon (436–460) und Hera (481–488), die Kampfabsagen von Apollon (462–467) und Hermes (498–501), die Triumphreden Athenes (410–414, 428–433) und die Scheltrede der Artemis (472–477); zu den RedeTypen in Gesprächen unter Göttern MINCHIN 2011, 27–34. Die Götter agieren menschlich (aufbrausend, verhöhnend, hämisch lachend, weinend u.a.) und wirken teilweise gar lächerlich, sind aber als Unsterbliche (518) verschont von Alter und Tod und damit weit entfernt von der Tragik der Menschen in ihrem zeitlich begrenzten Leben (ADKINS 1975, 247–249). Und gerade in der Begegnung zwischen Poseidon und Apollon (435–469), in welcher der Ton in den Reden der FigurenP und ihr Gebaren etwas ernsthafter ist, distanziert sich Apollon explizit vom Kämpfen und von den vergänglichen Menschen (462–467). Insgesamt spielt das Schicksal der Menschen in dieser Schlacht der olympischen Götter eine untergeordnete Rolle; denn sie kämpfen nicht ihretwegen (s. bereits 1.573–575), sondern streiten untereinander und leben in erster Linie ihre persönlichen Animositäten aus. Indem dabei das kompetitive Prinzip ad absurdum geführt wird (zum Motiv des Sich-Messens s. 410f., 482, 488, 498–501) und das Thema ‘Streit’ (gr. éris 385, 390, 394, 513) fast schon als Spiel vor Augen geführt wird, über das Zeus lachen kann, entsteht ein starker Kontrast zu den Auswirkungen von ‘Streit’ auf der menschlichen Ebene (s. Achilleus über éris 18.107, 19.56– 64). Dieser Gegensatz ist auch im 1. Gesang gestaltet: Dort bricht auf der menschlichen Ebene ein Konflikt mit weitreichenden Folgen aus (éris zwischen Achilleus und Agamemnon 1.6–8, 1.173–177, 1.210f., 1.277–279, 1.318f.), während sich Mißstimmung unter den Göttern (1.536–570) dank Hephaistos in Lächeln (der Hera 1.595f.) und allgemeines Gelächter (1.599f.) auflöst (REINHARDT [1938] 1960, 24f.; SCHEIBNER 1939, 102–105; BURKERT [1982] 2003, 110. 114f.; BREMER 1987, 39–41; ULF 2012, 479f.; AHRENSDORF 2014, 65f.; GRAZIOSI 2016, 59–61 [Die Götter mit ihrem Zanken von v.a. aggressiven weiblichen Familienmitgliedern, dem Zeus mit Gelassenheit und Humor begegnen kann, taugen nicht als Vorbild für die Bewältigung des Konflikts unter den Menschen, deren Streit nicht eine reine Familienangelegenheit

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Ilias 21

ist.]; zu weit gehende Deutung bei STANLEY 1993, 211 [zu V. 501, Hermes gesteht Leto zu, sie dürfe sich auch kampflos als Siegerin über ihn rühmen: “Seen against this mythic paradigm, Achilleus’ preoccupation with euchos – like the squabbles between the gods – becomes grotesque, even irrelevant.”]). Ein möglicher Weg, das agonistische Gebaren auf der menschlichen Ebene in geordnete Bahnen zu lenken, wird dann durch die Wettkämpfe der Leichenspiele im 23. Gesang vorgeführt (dazu BIERL 2019). (3) Parallelen zwischen Ilias 5 und Ilias 21 Indem der ErzählerP an Episoden im 5. Gesang erinnert, in denen Götter am Kampf der Menschen teilgenommen haben, stellt er Bezüge zwischen der ersten und der letzten in der Ilias geschilderten Schlacht her; die Szenen sind jeweils eingebettet in die Aristie des Diomedes bzw. – im weiteren Rahmen – in diejenige des Achilleus (BALTES [1987] 2005, 284. 286f.; RICHARDSON, Introd. 10; STANLEY 1993, 209–212; REICHEL 1994, 315f.; CURRIE 2016, 196f.): 21.396ff.

21. Gesang: Ares erinnert explizit an seine Verwundung: →

5.826ff.

21.412ff.

Athene wirft Ares vor, auf der falschen Seite zu kämpfen.

5.831ff.

21.416f.

Aphrodite hilft dem verwundeten Ares. Hera stachelt Athene an, etwas gegen Aphrodite zu unternehmen. Aphrodite wird während ihrer Hilfeleistung zu Boden geworfen. Poseidon erinnert Apollon an Laomedons Wortbruch nach dem Bau der Mauern Troias.

5.357ff.

21.418ff.

21.423ff.

21.441ff.

21.462ff.

Apollon besteht darauf, Götter sollen sich nicht um der

5.711ff.

5.841ff.

5.638ff. 5.648ff.

5.440ff.

5. Gesang: Ares wird von Diomedes bzw. Athene angegriffen und verwundet. Athene empört sich über Ares, der einen Seitenwechsel zur Partei der Achaier versprochen aber nicht eingehalten habe. Die verwundete Aphrodite erbittet Hilfe von Ares. Hera stachelt Athene an, etwas gegen den Aggressor Ares zu unternehmen. Ares wird nach seiner Hilfeleistung verwundet. Tlepolemos und Sarpedon erwähnen Laomedons Wortbruch gegen Herakles und dessen Zerstörung Troias. Apollon verweist Diomedes warnend auf die Verschie-

Kommentar

21.481ff.

21.489ff.

Menschen willen bekämpfen. Hera hält Artemis vor, sie tauge nicht zum Kampf, ihr sei das Töten von Frauen und Tieren gegeben. Artemis wird verprügelt, flieht weinend zu Zeus auf den Olymp und klagt ihm über Hera; ihre Mutter Leto kümmert sich um die zurückgelassenen Waffen.

5.427ff.

5.330ff.

5.868ff.

211 denheit von Göttern und Menschen. Zeus erklärt Aphrodite, ihr seien nicht die Werke des Krieges, sondern der Hochzeit gegeben. Aphrodite wird verwundet, flieht auf den Olymp; sie wird von ihrer Mutter Dione getröstet; der verwundete Ares klagt auf dem Olymp bei Zeus über Athene und Diomedes.

Zur letzten Szene s. detailliert 489–513n.; zu altoriental. Parallelen von gewissen Motiven s. 504–514n. Der bereits im 5. Gesang thematisierte Sachverhalt, daß ein tiefer Graben die Menschen von den Göttern trennt, wird im 21. Gesang mit Apollons Äußerung auf den Punkt gebracht: Die Menschen sind hinfällig, leidend und sterblich, aus der Sicht des Gottes eine unbedeutende Masse (463–466a). Davon sind die Götter, selbst wenn sie leiden müssen, weit entfernt. Für sie können diese Kämpfe nicht gefährlich sein, da sie zwar ein bisschen leiden, aber nicht sterben müssen, während die Menschen im Krieg wirklich leiden und zugrunde gehen. Daß auch die Götter leiden, ist im 5. Gesang mehrfach durchaus mitfühlend geschildert (5.339–343, 5.376–402, 5.858–887), im 21. Gesang v.a. im vorausgehenden Kampf Skamandros–Hephaistos (356–376), in den folgenden Szenen eher in ironisierender Weise (489–496, 505–513): TAPLIN 1992, 229f. Das Auftreten der olympischen Götter erscheint gegenüber demjenigen im 5. Gesang verändert: In den Vordergrund rücken Bilder von kampfunfähigen und kampfunwilligen troer-freundlichen Göttern (Ares, Apollon, Artemis, Hermes) und die große Distanz der Götter zu den Menschen, deren Anliegen hier keine Rolle spielen (s.o. Abschn. (2)); alles läuft unter dem zufriedenen Blick des Zeus ab (388b– 390); obwohl es Sieger und Verlierer gibt, versammeln sich am Ende alle Beteiligten wieder auf dem Olymp und sitzen vereint bei Zeus (518–520a; vgl. 5.906–909); ihre Gemeinschaft erscheint gefestigt, auch wenn jetzt die einen zürnen und die anderen triumphieren (ULF 2012, 478f.). – Parallelen zwischen der ersten und der letzten Schlacht der Ilias finden sich auch auf der menschlichen Ebene: Stärkung des Helden durch Athene vor der Aristie (Diomedes 5.1ff.; Achilleus 19.352ff., s. außerdem 18.203ff.: 18.205–206n.); Elemente in den Begegnungen Diomedes–Glaukos (6. Gesang) und Achilleus–Asteropaios (139–204n.); Rettungsmanöver Apollons (Aineias 5.443ff.; Agenor 21.596ff.: 597n.): BALTES (1987) 2005, 284–287; STANLEY 1993,

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Ilias 21

209f.; zu weiteren Verbindungen zwischen dem ersten und dem letzten Teil der Ilias s. 24.31n. a.E.; DE JONG zu Il. 22, Introd. 11f. (4) Vergleich mit der Titanomachie Zwar sind motivische Übereinstimmungen mit der Beschreibung der ‘Titanomachie’ in der Version Hesiods erkennbar, nämlich v.a. die kosmischen Begleiterscheinungen (von Meer, Himmel, Erde, Unterwelt) beim Zusammenstoß der Götter (vgl. Hesiod Th. 678b–683); diese sind in der Ilias aber nur zu Beginn der Kämpfe erwähnt (20.56– 66, dann nochmals 21.387f. vor den Kampfszenen mit den olympischen Göttern), wo der Lärm von Erde und Himmel dem typischen Motiv des Lärms bei Heeresbewegungen und Götterbewegungen entspricht (387–388a n.) und suggeriert, hier werde ein Höhepunkt mit heftigen Kämpfen von Göttern in den Gesängen 20 und 21 angekündigt; in den Kampfszenen nach dem Kampf zwischen Hephaistos und Skamandros (d.h.: 391ff.) erscheint jedoch nichts mehr davon (EDWARDS zu 20.54–66; REINHARDT 1961, 446f.; zu den Unterschieden der Gestaltung von Lärm in Ilias und Hesiods Theogonie s. KAIMIO 1977, 116–119). Die nun folgende ‘Götterschlacht’ ist weit entfernt von Götterkämpfen, wie sie in den Erzählungen über die Titanomachie beschrieben sind, in der es um das Überleben einer Götterdynastie geht. Für die kämpfenden Götter der Ilias besteht nie ein Risiko, und alles geschieht von Anfang bis Ende unter den Augen des lachenden Zeus (389f./508). 383–390 Überleitung zum allg. Kampf der Götter: Abschluß des vorausgehenden Zweikampfes (383f.); Charakterisierung der Stimmung unter den übrigen Göttern, wobei beim Rezipienten die Erwartung einer Schlacht aufgebaut wird (385–390), die sich aber in eine andere Richtung entwickeln wird; Angabe der nun einsetzenden Handlung, in der die Götterschlacht mit gr. éris (‘Streit, Konflikt’) bezeichnet wird (385/390), wie bereits bei der ersten Einleitung 20.55 und 20.66. Es folgen Einzelkampfschilderungen (391–504), die mit dem gleichen Motiv wie hier schließen: Zeus lacht (389f./508). Ähnlich aufgebaut sind die Präliminarien 4.223–231 (Heeresmusterung vor der ersten Schlacht der Ilias) und 23.257–261 (Wettkämpfe der Leichenspiele für Patroklos): NICOLAI 1973, 119f. 383 Xanthos: 331–332n. µένος: 305–306n.

383 αὐτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). — Ξάνθοιο: zur Flexion R 11.2. — δάµη: zur augmentlosen Form R 16.1. — οἵ: sc. Xanthos und Hephaistos; zur demonstrativ-anaphorischen Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17.

Kommentar

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384 Zorn: Der Erzählerkommentar hebt Heras grundsätzliche Stimmung hervor, von der sie auch im nun folgenden Kampf unter den olympischen Göttern getrieben ist: von Zorn auf die Troer und damit auf diejenigen, die deren Seite unterstützen, v.a. Ares (412–414), aber auch Aphrodite (421f.) und Artemis (479–492); Ähnliches kommt auch in Artemis’ Klage bei Zeus zum Ausdruck: Hera als treibende Kraft (512f.). παυσάσθην … ἐρύκακε: Die Bitte 373a erfüllt sich. Zu ἐρύκακε s. 165n.

385–386 2. VH von 386 ≈ 10.232, 24.321, Od. 15.165, 15.486, Hes. Th. 239, 549. — Die Spaltung der Göttergemeinschaft am Ende der vorausgehenden Götterversammlung war der Ausgangspunkt der ‘Theomachie’ (20.32, nach Zeus’ Aufforderung 20.23b–25), und sie wird auch am Ende des nun offen ausbrechenden Konflikts (gr. éris) nicht völlig beendet sein (519), wenn Achills Ansturm nicht mehr aufzuhalten ist und Hektors Ende naht (ELMER 2013, 165f.). In Analogie zu Formulierungen in der Ilias, in denen Kampf und Krieg unter den Menschen negativ beurteilt werden, ist auch das Sich-Bekämpfen der Götter als ‘drückend’ und ‘beschwerlich’ bezeichnet (zum gr. Adjektiv argaléos 4.470b–471a n.; weitere Stellen 11.3f., 11.278, 14.87, 17.384f.), ähnlich 20.154f., wo die Götter das Kämpfen hinauszögern (Stellen u. Lit. dazu s. 4.15n., 16.436n. s.v. δακρυοέσσης). — stürmisch drängender Leidenschaft: Der gr. Begriff thymós (verwandt mit lat. fumus) bez. teils den Sitz von Emotionen, teils, wie hier, diese selbst; hier etwa eine Willensregung, ‘das Sinnen, Trachten’ (BÖHME 1929, 70f. Anm.1). Die gespaltene Göttergemeinschaft ist in stürmischer Erregung (CLARKE 1999, 82; ELMER 2013, 154); zur Wind-Metapher (gr. thymós áēto) s.u. ἐν δ’ ἄλλοισι θεοῖσιν ἔρις πέσε βεβριθυῖα | ἀργαλέη: Steigerung gegenüber 20.55 (ἐν δ’ αὐτοῖς ἔριδα ῥήγνυντο βαρεῖαν [Subj. θεοί]), wo die Götter als Antreiber der menschlichen Kriegsparteien aufeinander treffen (s. auch 20.48 Eris als personifizierte Kampf-Erregerin); ἔρις ist doppelt charakterisiert, als ‘schwer drückend’ (βεβριθυῖα wie βαρεῖαν 20.55 u. Hes. Op. 16) und als ‘beschwerlich’ (ἀργαλέη wie Il. 11.3f., 17.384f.). Mit der singulären Verbindung ἐν … ἔρις πέσε ist sowohl der plötzliche Wechsel der Aktivität (vom Zuschauen zum Handeln: 390 ἔριδι ξυνιόντας) als auch der emotionale Aspekt von ἔρις (das plötzliche Auftreten von ‘Kampf-, Streitlust’, s. 386) beschrieben, vgl. die Wendung ἔµπεσε θυµῷ mit einer emotionalen Regung als Subj. (χόλος: 9.436, 14.207, 14.306, 16.206; δέος: 17.625): GRUBER 1963, 51; vgl. auch TRÜMPY 1950, 140. — δίχα … ἐνὶ φρεσὶ θυµὸς ἄητο: ἄητο ist Med. zu ἄηµι (‘wehte’), außer hier immer mit Winden als Subj. (AH; RICHARDSON; SCHW. 1.680; JANKUHN 1969, 57; eher pass. Bed. ‘wurde geweht’: LEAF u. LfgrE s.v. ἄηµι); ἐνὶ φρεσί bez.

384 παυσάσθην: 3. Dual Aor. Med.; zum Subj. im Plural (οἵ) R 18.1. — Ἥρη: zum -η nach -ρ- R 2. — ἐρύκακε: reduplizierter Aor. zu ἐρύκω (‘zurückhalten’), als Obj. sind Hephaistos od. auch beide Kontrahenten zu denken. — περ: konzessiv (R 24.10). 385 ἐν … πέσε: zur augmentlosen Form R 16.1; zur sog. Tmesis R 20.2. — ἄλλοισι θεοῖσιν: zur Flexion R 11.2. — βεβριθυῖα: ‘schwer (beladen), drückend’, Ptz. Perf. zu βρίθω. 386 ἀργαλέη: zum -η nach -ε- R 2. — σφιν: = αὐτοῖς (R 14.1). — ἐνί: = ἐν (R 20.1).

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die seelisch-geistige Instanz zur Lokalisierung ‘im Innern’ (JAHN 1987, 14f.). Mit der vorl. Formulierung entsteht ein anschauliches Bild für das auseinanderdriftende Trachten der beiden Götterparteien, s. die sachlicheren Wendungen δίχα θυµὸν ἔχοντες (20.32 bei ihrer Aufteilung in die beiden Kampfparteien) vs. ἕνα θυµὸν ἔχοντες vom übereinstimmenden Handeln von Kämpfenden (z.B. 15.710) od. πάντες δὲ θεοὶ δίχα θυµὸν ἔθεντο | ἐξ ἔριδος (‘Hes.’ fr. 204.95f. M.-W.; s. auch διὰ δ’ ἄνδιχα θυµὸν ἔχουσιν Hes. Op. 13 [über die Ausrichtungen der guten und der schädlichen Eris]): LfgrE s.v. δίχα; weitere Lit. 16.219n.

387–388a 387 ≈ 9. — Die Natur, hier Himmel und Erde, harmoniert mit dem Handeln der Götter (s. etwa auch 5.775–777 beim Weiden von Heras Pferden, 13.27– 29 bei Poseidons Aufbruch aus dem Meer, 14.347–349 beim Zusammensein von Zeus und Hera: BONNAFÉ 1984, 78f.). Die außergewöhnliche Beschreibung des sich im Kosmos ausbreitenden Lärms bereitet mit Klimax (Lärm der Waffen, der Erde, des Himmels; gr. Trikolon mit wachsender Silbenzahl), mit onomatopoetischen Klangwörtern (gr. megálō patágō ‘mit lautem Getöse’; bráche ‘krachte’) und mit der Metapher der Trompete (gr. esálpinxe ‘trompetete’) auf den Götterkampf vor; durch den Einbezug der ‘breiten’ Erde und des ‘großen’ Himmels wird die maximale räumliche Ausdehnung des Schalls in der Höhen- und Breitendimension angegeben. Dadurch wird auch die Erwartung eines Kampfes mit kosmischem Ausmaß genährt. Etwas anders gestaltet ist die Klangbeschreibung zu Beginn der Schlacht 20.56–66 (Zeus donnert, Poseidon erschüttert die Erde, Hades in der Unterwelt schreit), ohne kosmische Auswirkungen Vv. 9f. vor Achills Kampf am und im Fluß (9–10n.; WILLE 2001, 57; KAIMIO 1971, 101. 116). Daß akustische Phänomene die aufeinander losstürzenden Götter begleiten, ist vergleichbar mit dem Lärm und dem Dröhnen der Erde beim Aufmarsch zweier Heere (2.465f., 2.780–785, 20.157f.; in einem Gleichnis veranschaulicht 4.452–456; ferner beim Sich-Rüsten 19.362f.); Bewegungen von Göttern lösen sonst v.a. Erschütterungen in der Natur aus (Zeus: 8.442f., Hes. Th. 842f.; Poseidon: Il. 13.18f.; Hera: 8.199, 14.284f. [mit Hypnos]; Artemis: hom.h. 27.6f.; Athene: hom.h. 28.9ff.): SCHEIBNER 1939, 70 mit Anm. 1; KRAPP 1964, 139f. — ließ … erschallen: Die Trompete als Angriffssignal (gr. sálpinx) wird auch in einem Gleichnis für Achills Kampfschrei bei seinem ersten Auftritt auf dem Schlachtfeld erwähnt (18.219–221), in nachhom. Lit. mehrfach als Signalinstrument (z.B. Aisch. Eum. 567f., Xen. Anab. 4.4.22), nicht jedoch in hom. Kampfbeschreibungen, wo die Signalübermittlung durch Rufen erfolgt (s. auch 340f.; Archaisierungstendenz des Erzählers: schol. A, T, Ge; Lit. 18.219n.). An der vorl. Stelle ist die Metapher des Angriffssignals aus dem Himmel eine Variation des Donnern des Zeus 20.56f., s. auch das donnerartige Geräusch von Hera und Athene bei Agamemnons Eintritt in den Kampf 11.45 und die Kampfrufe von Athe-

387 σὺν δ’ ἔπεσον: zur sog. Tmesis R 20.2. 388 ἀµφί: adverbiell., ‘ringsum’. — ᾱ̓́ιε: Aor. zu ἀίω ‘hören’.

Kommentar

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ne und Ares 20.48–53, mit denen sie die Menschen antreiben (RICHARDSON, dort auch zur ant. Diskussion über die Angemessenheit des vorl. Bildes). Die metr. Struktur von 387 (lauter Daktylen und schweres VE mit Spondeiazon) ist zwar recht häufig anzutreffen (Liste s. DEE 2004, 464–469), dieser Rhythmus und der Klang der Wörter untermalen aber hier akustisch passend den Vorgang (AH; RICHARDSON). — σὺν δ’ ἔπεσον: vom Aufeinanderlosstürzen außer hier noch beim Zweikampf (7.256) und beim Faustkampf (23.687), ferner von Winden (Od. 5.295); s. dagegen ξυνιόντας 389–390n. und συµβάλλω/-βάλλοµαι für das Aufeinanderlosgehen von Heeresfronten Il. 4.447 (s.d.), 8.61, 12.181, 12.377, 16.565); zu den versch. Verben für Angriffsbewegungen s. KURZ 1966, 140f. — µεγάλῳ: i.S.v. ‘laut’ (328n.). — πατάγῳ: Das onomatopoetische Subst. bez. “ein vom Ton her helles, scharfes […] Geräusch, verursacht durch wiederholtes Aufeinanderschlagen […] harter Gegenstände”, hier kosmische Getöse, außerdem Zähneklappern (13.283) und Krachen von Ästen (16.769): LfgrE s.v. πάταγος. Die meisten Hss. haben an der vorl. St. das zwar gebräuchlichere, aber inhaltlich weniger passende Subst. ὁµάδῳ, eine Bez. für Lärm und Tumult von Massen od. Schlachtengetümmel (s. app. crit.). — βράχε: nur im Aor. gebräuchliches onomatopoetisches Verb für das Einsetzen eines Tons von erheblicher Lautstärke, beschreibt meist Waffenlärm, hier von der Erde ‘erdröhnte, krachte’ (KRAPP 1964, 98f.; TICHY 1983, 57). — εὐρεῖα χθών: VE-Formel (4× Il., 2× Hes., 3× hom.h.); zu den Wendungen für ‘breite Erde’ in idg. Dichtung SCHMITT 1967, 181; WEST 2007, 178f.; zu Entsprechungen im Akkad. WEST 1997, 221.

388b–390 Zur Freude von Zeus beginnt nun der Kampf unter den Göttern, der trotz seiner Aufforderung unterbrochen worden war (20.153–155); warum der Konflikt jetzt ausbricht, ist nirgends begründet. Zeus’ Rolle als Zuschauer (20.22–25 von ihm selbst angekündigt; s. EDWARDS zu 20.20–30) wird deutlich gemacht anhand der Sinneseindrücke Hören und Sehen, seiner äußeren Haltung (über allem auf dem Olymp sitzend, ebenso 20.23, 20.155) und seiner inneren Befindlichkeit beim Zuschauen (Heiterkeit, innere Genugtuung und Zufriedenheit: 389–390n.; ähnlich 20.23 vergnügt genießend). Dies alles ist ein Zeichen dafür, daß Zeus alles unter Kontrolle hat und alles nach seinem Wohlgefallen abläuft (LOVATT 2013, 33f.). Zeus’ Heiterkeit dient auch der Hörerlenkung; denn damit ist der Ton für die folgende Götterschlacht gegeben (s. auch 408b, 491, 508b) und der Eindruck vermittelt, daß keine Gefahr für die Götter besteht, es sich also nicht um einen dramatischen Kampf handeln wird (RICHARDSON; TAPLIN 1992, 229f.; allg. zu den Göttern als “divine audience” s. GRIFFIN 1980, 179–204, bes. 183); die folgende Kampfschilderung wird ein unterhaltsames Kunstwerk sein (vorsichtig GRAZIOSI 2016, 49–52). Für diese – auf manche Interpreten befremdlich wirkende – Heiterkeit des Zeus wurden weitere Erklärungen gesucht: ERBSE 1986, 215f.; ähnlich HALLIWELL 2008, 68f.; GRAZIOSI a.O. 57: Das Bild des mit seinen balgenden Kindern nachsichtigen Vaters passe zu Zeus’ Rolle als Familienoberhaupt, das immer die Kontrolle über den Ablauf dieses Krieges behält; weniger überzeugend ELMER 2013, 153f.: Zeus’ Heiterkeit entspringe der Erkenntnis, daß der Konflikt unter den Göttern ein Abbild seiner eigenen früheren Zerrissenheit sei (mit Hinweis

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auf Zeus’ Aussagen 4.43 [s. dazu aber 4.43–49n.: ist ein rhetorisches Manöver gegenüber Hera] und 16.435–438 [s. dazu aber 16.431–461n.: hat eine erzähltechnische Funktion, nämlich Emotionalisierung vor Sarpedons Tod]). 389–390 2. VH von 389 ≈ Od. 7.269; VE = Il. 5.670; 2. VH von 390 ≈ Il. 20.66, Hes. Th. 705. — ἐγέλασσε δέ οἱ φίλον ἦτορ | γηθοσύνῃ: Die Formulierung umschreibt ein Lachen, das von Herzen kommt, ausgelöst durch die Tatsache, daß die Dinge sich nach Wunsch entwickeln; γηθοσύνη bez. Freude, frohe Genugtuung und Zufriedenheit, wobei hier ein gewisser zufriedener Stolz des Familienoberhauptes anzuklingen scheint, vergleichbar dem Stolz eines Vaters 11.683f. od. einer Mutter Od. 6.106 (LATACZ 1966, 154f. u. 234; HALLIWELL 2008, 67 mit Anm. 39; etwas anders JAHN 1987, 233: rein innerliches Lachen wie Od. 9.413 ἐγέλασσε φίλον κῆρ; WEST 2007, 89, mit Parallelen in germ. Dichtung). — φίλον ἦτορ: formelhafte Verbindung an versch. Versstellen (114n.); das Attribut φίλος fungiert bei ἦτορ und ähnlichen Begriffen wie κῆρ, θυµός meist als Ausdruck der Zugehörigkeit (zum Possessivpron. verblaßt). — ὅ θ’: nach WEST (s. app. crit. u. vgl. WEST 1998, XXIX) mit ὅ τε eingeleiteter Nebensatz zur Begründung der Freude, vergleichbar mit Od. 8.78 (χαῖρε νόῳ, ὅ τ’ …) und 11.540 (γηθοσύνῃ, ὅ οἱ υἱὸν ἔφην …); zu ὅ τε (kausal ‘da’ od. faktisch ‘daß’) s. SCHW. 2.645; CHANTR. 2.288f.; dagegen AH: temporales ὅτε; grundsätzlich kritisch gegenüber der getrennten Schreibung: RUIJGH 810ff. — ξυνιόντας: t.t. für die Angriffsbewegung zweier Heere (4.446 = 8.60, 14.393), von Göttern 20.66, Hes. Th. 686, 705 (Titanomachie): LfgrE s.v. εἶµι 468.57ff.; zum Dat. ἔριδι 394n.

391–433 Erste Kampfszene: Die Eröffnung des Götterkampfes zeigt mit Ares denjenigen als Aggressor, der bei der Vorstellung der Kampfparteien als erster auf der Seite der Troer genannt ist (20.38; auf der Seite der Griechen seine Mutter Hera 20.33, die von Anfang an in den Kampf von Göttern eingreift: 328ff., 418ff.) und entspricht der Ankündigung durch Poseidon (20.138ff.: erst beginnen, wenn Ares oder Apollon angreifen). Die Szene mit den beiden Göttern, zu denen Kampf und Krieg gehört, enthält als einzige einen echten Zweikampf, beschrieben mit Elementen und Motiven aus Schilderungen von Kämpfen unter Sterblichen, die auf Götter übertragen eine komische Wirkung entfalten können, sodaß der Eindruck einer Parodie eines Zweikampfes entsteht; s. bes. Ares’ Herausforderungsrede (394– 399n.), Ares’ Fall (mit wörtlichen Anklängen an Tötungsszenen: 406–409n.), Aphrodites misslungenen Hilfsakt (416–426n., 424–425n.), das Daliegen der Unterlegenen (426n.). Die Figuren werden dabei fast überzeichnend charakterisiert: (1) Ares zeigt ungeschicktes Vorgehen, Naivität und Selbstüberschätzung (394– 399n., 399n., 400–401n.) und wird von Athene ausgelacht (408ff.); (2) Hera und Athene sind, getrieben von Haß gegen alle Angehörigen der Troer-Partei, höchst 389 Οὐλύµπῳ: Ortsangabe ohne Präp. (R 19.2); Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). — Οὐλύµπῳ, ἐγέλασσε: zum Hiat R 5.6; zum -σσ- R 9.1. — δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3; οἱ = αὐτῷ (R 14.1). 390 γηθοσύνῃ: dat. causae. — ὁρᾶτο: Med. ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied zum Akt. (R 23).

Kommentar

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aggressiv und sehr effizient im Ausschalten von Gegnern (418–433, 479–496); (3) Aphrodite ist zwar hilfsbereit, aber schwach, ihr Agieren wirkungslos (424–425n.). Die Kräfteverhältnisse in dieser ersten Kampfszene entsprechen denjenigen des vorausgehenden Kampfes, die Niederlage von Helfern der Troer setzt sich nach Skamandros’ Kapitulation fort. – Die Parteinahme der involvierten Göttinnen läßt sich als Folge des ‘Paris-Urteils’ erklären, das in der Ilias nur im 24. Gesang erwähnt ist (REINHARDT [1938] 1960, 27f.; KULLMANN 1960, 242f.; s. auch 24.27– 30n., 4.7–19n. a.E.): Aphrodite unterstützt Paris und die Troer-Partei, Hera und Athene verbindet der Haß auf die Troer (20.309–317) sowie auf Aphrodite (421, 423; s. auch 5.418–425). Ares’ Beweggrund für die Parteinahme bleibt unklar (412– 414n.), er ist neben Apollon der starke Gegner der Allianz Hera–Athene–Poseidon. 391–415 Die ersten Zweikampfgegner, Ares und Athene (vgl. 20.69), sind die kampfeifrigsten unter den Göttern (s. auch 5.765f.: Zeus hält Athene für die geeignetste Gegnerin des Ares); beide pflegen auch die Kampfparteien der Menschen in die Schlacht zu treiben (4.439 mit n.; auf dem Schild des Achilleus abgebildet: 18.516 mit n.). Ares’ Motivation, Athene anzugreifen, ist v.a. persönliche Rache für eine erlittene Schmach (396–399). In der Schilderung versieht ihn der Erzähler mit Epitheta, die ihn als starken und effizienten Kämpfer charakterisieren (392 ‘Schildtierhautdurchbohrer’ [s.d.], 402 ‘mordbefleckt’ [s.d.]), die aber im Widerspruch zum Kampfverlauf stehen; denn sein Lanzenwurf scheitert an der Schutzkleidung der Athene, der undurchdringbaren Aigis (400–402), der ‘ungestüme Ares’ (406) wird ausgeschaltet (407f., 426). Die Art, wie der riesige Gott durch einen einzigen Steinwurf fällt und daliegt, entbehrt nicht der Komik (FRIEDLÄNDER 1934, 212f.). Sein Vorgehen wirkt in jeder Phase dieses Zweikampfes roh und ungestüm, sein Auftreten ist in einer Art und Weise geschildert, die Naivität und Selbstüberschätzung herausstellt (bes. 396–402), wie sie auch öfter bei menschlichen Helden auf der Troer-Seite beschrieben wird (Stellen STOEVESANDT 2004, 168–170. 340– 342). Aber seine Aggressivität entspricht seiner Funktion als Verkörperung des Krieges schlechthin; dabei zeigt er einen blindwütig-zerstörerischen Charakter und ein ungestümes Wesen, wofür er innerhalb der Ilias von seinen Eltern Zeus (5.889ff.) und Hera (5.757ff.) und v.a. von Athene (15.128ff., 21.412ff.) verabscheut und verachtet wird (s. auch 15.115–127): FG 6; WATHELET 1992, bes. 117ff. 123. – Der kurze Kampf ist mit einigen wenigen Elementen der Typisierten EreignissequenzP ‘Zweikampf’ gestaltet (dazu 3.340–382n., 7.1–312n.; s. auch FENIK 1968, 6f.): (1) die Gegner gehen aufeinander zu, hier Angriff des Ares (391–393a); (2) seine Herausforderungsrede (393b–399); (3) erste Kampfrunde: (3aβ) Ares’ Lanze prallt ab (400–402); (3c) Gegenangriff der Athene mit einem den Kampf entscheidenden Steinwurf: Ares fällt (403–408a); (6) Triumphrede der Siegerin (408b–415). Die geradezu parodistische Umgestaltung und Fragmentierung solcher Kampfszenen macht die Absurdität der Gewalt besonders deutlich.

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391–392 Der Beginn der Einzelkämpfe der olympischen Götter ist markiert durch den rhetorisch Polaren AusdruckP 391 (s. im Schema des Schlacht-Ablaufs 328– 514n. B.1. und B.3.). — als erster: Der Kampfbeginn des Kriegsgottes löst eine Kettenreaktion aus, s. 436f. Poseidons Aufforderung an Apollon (vgl. 20.138) und 470ff. die daraus resultierenden weiteren Aktionen. In hom. Kampfschilderungen ist die ‘als erster’-Formel (gr. prṓtos) das Signal für den Beginn der Detail-ErzählungP in einer bestimmten Kampfphase (nach Frontbildung und Anmarsch: 4.457n., mit Stellen und Lit.; weitere Lit. 16.284n.). ῥινοτόρος: ungewöhnliches Epitheton des Ares (hom. hapaxP), nur noch Hes. Th. 934 (ferner belegt bei Nonnos: LSJ s.v.); es bed. ‘Hautdurchbohrer’, wohl i.S.v. ‘Schilddurchbohrer’ (schol. D; zur Verwendung hier s. 391–415n.). Das Vorderglied des Kompositums, ῥινός, ist eine Bez. für Haut, meist für Tierhaut (‘Leder’) od. für Gegenstände aus diesem Material, v.a. Schilde (4.447, 8.61, 16.636), die zu einem großen Teil aus Leder bestanden (dazu 18.481n. mit Lit.), seltener (und v.a. in der Odyssee) auch für menschliche Haut (LfgrE s.v. ῥινός); das Hinterglied ist vom Verb τορεῖν (‘durchbohren’) abgeleitet, das zur gleichen Wz. wie τρώω/τιτρώσκω (‘verletzen’) gehört (LIV 634 mit Anm. 2), s. im Kontext von Kampf 11.236 (οὐδ’ ἔτορε ζωστῆρα παναίολον [Agamemnons Schutzkleidung]) u. 5.337 (δόρυ χροὸς ἀντετόρησεν [Aphrodites Haut]): schol. D; LfgrE s.v. τορεῖν. — Ἀθηναίῃ: metr. bequeme Variante zu Ἀθήνη; zu dieser auch inschriftlich belegten Form WACHTER 2001, 263. — ἐπόρουσεν: 33n. 393 1. VH ≈ 16.734 (σκαιῇ ἔγχος ἔχων); 2. VH = 471. — χάλκεον ἔγχος: außer hier immer VE-Formel (200n.); am VA steht sonst ἔγχος ἔχων (17.604, Od. 17.62, 20.145) od. die DativFormel ἔγχεϊ χαλκείῳ (7× Il.). — ὀνείδειον φάτο µῦθον: φάτο µῦθον ist VE-Formel (4× Il., 6× Od., 1× h.Ap.), hier erweitert um die Angabe des in der folgenden Rede vorherrschenden Tons. Dies ist eine bemerkenswerte Einleitung einer Herausforderungsrede (ähnlich nur 480, aber s.d.; ferner 470f. als Einleitung einer Scheltrede, s. aber 471n.); denn meist sind deren Einleitungen neutral gehalten (FINGERLE 1939, 132–137) od. verweisen auf Drohen und Einschüchtern (z.B. 7.225).

394–399 Ares’ Rede, in der sich Charakterzüge wie Rachsucht und Selbstüberschätzung spiegeln (RICHARDSON zu 394–9), gehört zum Typus der Herausforderungsreden, zu deren Elementen Beschimpfung und Schmähung, Preis der eigenen Fähigkeiten und Leistungen, Prophezeiung der Niederlage des Gegners und Drohungen zählen (148–160n.; STOEVESANDT 2004, 305–335 [bes. 308f.]. 424–427 [Liste der Herausforderungsreden]). Indem in der vorl. Rede Beschimpfen und Drohen dominieren, gleicht sie einer Scheltrede (mit den Elementen Anrede, Kritik, Darstellung des Fehlverhaltens [2.225–242n.], s. auch die Rede-Einleitung 393; zur 391 οὐκέτι δηρόν: δηρόν adverbiell: ‘nicht mehr lange, nicht noch länger’. — ἀφέστασαν: ‘standen fern’, sc. von einander. 392 Ἀθηναίῃ: = Ἀθήνῃ; zum -ῃ nach -ι- R 2. — Ἀθηναίῃ ἐπόρουσεν: zum Hiat vgl. M 12.2. 393 χάλκεον: zur unkontrahierten Form R 6. — καὶ ὀνείδειον: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — φάτο: Impf. von φηµί (vgl. R 16.1; zum Med. R 23).

Kommentar

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Nähe dieser Rede-Typen s. FINGERLE 1939, 202). Die Rede besteht zur Hauptsache aus zwei ironischen Fragen, auf die Ares keine Antwort erwartet: Die maliziöse Frage 394f. ist geprägt von Verachtung und Unterstellung (394n.); die zweite Frage 396–398 und der ironisch gefärbte Nachsatz 399 (s.d.) wirken drohend. Aber während Rache ein geläufiges Motiv in Herausforderungsreden ist (STOEVESANDT a.O. 313ff.), entfaltet seine Verwendung hier eine entlarvende Wirkung: Ares erinnert an eine Tat der Athene, die ihn zum Rückzug aus der Schlacht gezwungen hatte, und benutzt den Vorfall als Grund seines Angriffs, denn er will die frühere Schmach auswetzen (396–399n.; schol. bT; STOEVESANDT a.O. 318. 346 mit Anm. 105); nun droht er Athene, er werde diese offene Rechnung begleichen (399), wird jedoch wieder scheitern (400–402, 406–411). Insgesamt entsteht der Eindruck, daß Ares nichts aus dem früheren Vorfall gelernt hat und daß er Athene nicht ernst nimmt als Gegnerin dieses Zweikampfs (s. Athenes Reaktion 410f.). Üblicherweise hebt ein Herausforderer in seiner Rede die eigene Kampfleistung und die daraus resultierende Niederlage des Gegners hervor (s. etwa Heras Rede 481–488); und wo an frühere Vorfälle erinnert wird, handelt es sich um Ereignisse, bei denen der Adressat in arge Bedrängnis geriet (etwa 15.18ff., 20.188ff.). 394 2. VH ≈ 20.134. — Warum schon wieder: Ares’ Frage, eingeleitet mit der gr. Verbindung típt’ áut(e), kann als indignierte, aber auch als rhetorische und affektiv übersteigerte Frage verstanden werden (ebenso 1.202, 20.16, Od. 11.93, 20.33); sein Vorwurf ist eine reine Unterstellung (LfgrE s.v. αὖτε 1583.55ff.; BONIFAZI 2012, 245 mit Anm. 178). Zu Übertreibungen und Generalisierungen (‘schon wieder’; ‘immer’) als zeitloses Mittel der Streitrhetorik s. 1.106–108n., 24.63n. — Hundsfliege: Das mit dem gängigsten Schimpfwort der Ilias, ‘Hund/Hündische(r)’, gebildete Kompositum kyná-myia ist eine Steigerung vergleichbar etwa dem dt. ‘Schweinehund’ (als Bez. für ein reales Insekt ist das Wort erst nachhom. bezeugt). Die Kombination ‘Hund’–‘Fliege’ steht für Frechheit und Dreistigkeit, signalisiert zudem Verachtung für ein freches und lästiges Gegenüber, das man leicht unschädlich machen kann, so auch 421 Hera über Aphrodite, die sich erdreistet, ins Kampfgeschehen einzugreifen; zum Schimpfwort ‘Hund’ 481n. (Schamlosigkeit); zu ‘Fliege’ s. z.B. die Gleichnisse 2.469–473 (Aufdringlichkeit von Fliegen für die Kampfgier des Heeres: 2.469–473n.) und 17.570–572 (unstillbarer Kampfwille der Stechfliege): FRÄNKEL 1921, 72; DAVIES/KATHIRITHAMBY 1986, 155–157. τίπτ’: 369n. — ὦ: signalisiert bei Vokativ nicht zwingend gesteigerte emotionale Beteiligung (DICKEY 1996, 199–206; anders SCHW. 2.61; CHANTR. 2.37); in einer Beschimpfung nur noch 1.158 (ὦ µέγ’ ἀναιδές), Od. 22.35 (ὦ κύνες), dagegen Il. 11.362, 20.449, 22.345 κύον. — κυνάµυια: Kompositum aus zwei Substantiven, wohl i.S.v. ‘eine (dreiste) Fliege, die gleichsam wie ein (schamloser) Hund ist’ (RISCH [1949] 1981, 59 [“eine hundsfreche Fliege”]; vgl. schol. A Ge u. b); die Form κυνα-, im nachhom. Insektennamen zu κυνό-µυια analogisch

394 τίπτ(ε): = τί ποτε, ‘was, warum?’. — τίπτ(ε) αὖτ(ε): zur Elision R 5.1.

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umgeformt, ist schwer zu erklären (DELG s.v. κύων; Diskussion zur Bildung des Kompositums bei SCHW. 1.440; RISCH 215. 220; BEEKES s.v. κυνάµυια). — ἔριδι: ist direkt-finaler Dativ zu ξυνελαύνεις ‘zum Streit (zusammentreiben)’, ebenso 20.134 (ἔριδι ξυνελάσσαι), bei ξυνίηµι 1.8 (ἔριδι ξυνέηκε): SCHW. 2.140; CHANTR. 2.68. 395 2. VH = 7.25 (Apollon zu Athene). — θάρσος: ist meist pos. verwendet (‘Mut’), bisweilen, wie etwa hier, durch den Kontext leicht neg. konnotiert (‘[Toll-]Kühnheit, Verwegenheit’ bis ‘Dreistigkeit’), s. µυίης θάρσος im Gleichnis mit einer Stechfliege 17.570–574 u. vgl. 6.125f. (LfgrE; s. auch 2.212n. zum wohl pejorativ verwendeten Namen ‘Thersites’). — ἄητον: Etymologie und Bed. sind seit der Antike umstritten (schol. bT, D mit µέγα umschrieben), ebenso das Verhältnis zu αἴητος (LfgrE s.v. ἄητος, αἴητος; SABBADINI 1967; s. auch 18.410n.): es wird teils als Ableitung zu ἄηµι ‘wehen’ aufgefaßt, also ‘stürmisch’ (LEAF; AH z.St. u. AH Anh. S. 109; LfgrE; vorsichtig SABBADINI a.O. 80ff.), dann viell. ein Nachhall von ἄητο 386, teils wird es in bezug zu ἄµεναι, ἆσαι gesetzt, also ‘unersättlich’, passend zur dreisten Gier einer Fliege (≈ ἄατος: FRISK s.v. ἄητος; SCHW. 1.502 Anm. 6); unentschieden DELG u. BEEKES s.v. ἄητος. — θυµὸς ἀνῆκεν: flektierbare Formel am VE (7× Il.) und vor der Zäsur B 2 (1× Il., 1× ‘Hes.’). θυµός ist öfters handelndes Subjekt bei Verben des Antreibens, des Begehrens u.ä. (LfgrE s.vv. θυµός 1084.7ff. u. ἵηµι 1152.30ff.; weitere Lit. 2.276n.), hier µέγας θυµός als Bez. für das heftige Temperament der Athene (vgl. µεγάθυµος ‘mit großer Energie/Leidenschaftlichkeit’).

396–399 explizite Erinnerung an einen Vorfall am ersten Kampftag der Ilias (RICHARDSON: “marks the link between these two episodes”) als interne repetitive AnalepseP: Athene hatte den bereits verwundeten Diomedes in den Kampf gegen Ares getrieben (5.800–813 u. 5.826–834; s. auch 5.881f. Ares’ Klage bei Zeus) und Diomedes’ Lanzenstoß so gut gelenkt, daß Ares verwundet wurde (5.855–861). Dieser Vorfall, an den sich auch der Rezipient errinnern soll, erscheint hier aus der Sicht des davon Betroffenen. Ares präsentiert die Fakten konzis und interpretiert das Geschehen zutreffend, alles auf die Rolle der Athene ausgerichtet (s. 397 gr. autḗ ‘du selbst’), denn die Erinnerung daran benutzt er vorwurfsvoll anklagend und leise drohend; der Vorfall ist ihm Vorwand für seinen jetzigen Angriff (394–399n.; ANDERSEN 1990, 26; weitere Bspe. für solch anklagendes Erinneren bei DE JONG 2004, 20). In der Ilias finden sich mehrere Stellen, an denen ein Sprecher jemanden auffordert, sich an ein vergangenes Erlebnis zu erinnern; oft sind dies Ereignisse, die der Ilias-Handlung vorausgehen (s. etwa 441–457 mit n.). 396 Diomedes: Anführer eines Achaier-Kontingents aus der Gegend von Argos und Tiryns (2.559–563) und bedeutendster Kämpfer der Achaier nach Achilleus. Er hatte diesen bis zu dessen Wiedereintritt in den Kampf zeitweise ersetzt und sich in der ersten in der Ilias beschriebenen Schlacht besonders hervorgetan, unterstützt und gestärkt durch Athene (Aristie im 5./6. Gesang): FM 3; 6.96–101n.; HE s.v. Diomedes.

396 ἦ͜ οὐ: zur Synizese R 7. — µέµνη’, ὅτε: zur Elision (µέµνηαι) und zum Hiat R 5.1.

Kommentar

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ἦ͜ οὐ µέµνη’, ὅτε: = 15.18, 20.188, Od. 24.115, ähnlich Il. 8.362, 21.441f. (CURRIE 2016, 141 Anm. 191: viell. “a‘colloquial formula’”). Zu ἦ s. SCODEL 2012, 330: signalisiert den Versuch, “to establish a shared understanding between speaker and interlocutor”; Ares setzt also Zustimmung voraus. Zur Schreibweise µέµνη’ mit unkontrahierter Form µέµνη(αι) (s. 442) anstelle von µέµνῃ s. WEST 1998, XXII u. app. crit. zu 15.18; CHANTR. 1.57; vgl. auch G 43. Zu ὅτε nach Verben des Erinnerns und Wissens (etwa Il. 14.71, Od. 16.424) s. K.-G. 2.368f. — Τυδείδην Διοµήδε(α): flektierbare Formel an versch. Versstellen (insgesamt 11× Il.); bei der vorl. Position von Τυδείδη- vor der Zäsur C 1 ist andernorts die 2. VH durch κρατερὸς Διοµήδης aufgefüllt (8.532, 11.660 = 16.25); zum Formelsystem s. LfgrE s.v. Τυδείδης (mit Lit.). 397 οὐτάµεναι: athem. Wurzelaor. zum Präs. οὐτά(ζ)ω (neben wohl jüngerem sigmat. Aor. οὔτασε/οὔτησε, s. 400, 402: FRISK s.v.; TUCKER 1990, 211f.); bed. ‘stoßen, stechen, (im Nahkampf) verwunden’, s. 398 (ὦσας) u. 5.858f. (im Gegensatz zu βάλλω [mit Speer/Pfeil] treffen’): TRÜMPY 1950, 92f. 104–107; LATACZ 1977, 205; LfgrE s.v. — πανόψιον: ist nur hier verwendet und wird allg. als Kompositum aus παν- und einer Ableitung zu ὄψ- erklärt und als ‘ganz sichtbar’ oder gar ‘allen sichtbar’ gedeutet, adjektivisch auf ἔγχος bezogen (die Lanze des Diomedes: 5.855–859), als Gegensatz zur Göttin, die sich mit der Hades-Kappe auch für Ares unsichtbar gemacht hatte (5.844f.): schol. A (dazu NÜNLIST 2019, 215f.), schol. D; LEAF; RICHARDSON; LfgrE s.v. πανόψιον (eher prädikativ als adverbiell); zu den Adj. mit παν- HOENIGSWALD 1940; LEUMANN 1950, 101ff. Auch wenn infolgedessen seit der Antike im ganzen Vorwurf gegen Athene ein Widerspruch zur Schilderung im 5. Gesang empfunden wurde, ist diese Deutung durchaus haltbar. Ares hatte bereits damals vermutet, daß Athene hinter der Attacke stecke (5.875–887), und gibt sich jetzt, bei seiner wütenden Erinnerung daran, ganz sicher (AH). Denn jetzt dient die empörte Aussage zur Begründung seines Anspruch, dieses frühere Erlebnis zu sühnen. Daneben gibt es Versuche, den vermeintlichen Widerspruch zu eliminieren: (1) die Lesart δ’ ὑπονόσφιον (‘heimlich’, vgl. νοσφίδιος ‘Hes.’ fr. 124.2 M.-W.), erscheint als Konjektur in einem Pap. zur vorl. St. und bei Antimachos (fr. 173 Matthews), ist sonst nicht belegt (schol. T; WEST 1967, 157; von WACKERNAGEL 1916, 42 bevorzugt); (2) die Deutung des Hintergliedes -οψ- zu ἑψιάοµαι (Od. 17.530, 21.429) mit der Bed. ‘sich amüsieren’ (WEST 2001a, 132: “the spear in which is all your sport”; s. auch 3.42n. zu ἐπόψιον). — ἔγχος ἑλοῦσα: doppelt flektierbare VEFormel (noch 14.373, Od. 14.220, 22.25, 22.271).

398 2. VH ≈ 5.858. — Die gr. Formulierung diá de chróa kalón édapsas (wörtl. ‘hindurch durch die schöne Haut bissest du’) ist eine Reminiszenz an die Schilderung von Ares’ Verwundung durch Diomedes/Athene 5.856b–858. Das gr. Verb dáptō bed. eigtl. ‘verzehren’ (vgl. lat. daps: DELG s.v. δάπτω) und ist im hom. Epos v.a. mit Tieren als Subj. verwendet (‘fressen, zerreißen’; s. bes. im Gleichnis für Kämpfer 16.156b–159 [Wölfe], ferner 11.480f. [Löwe]); 13.830f. ist es ebenfalls im 397 οὐτάµεναι, αὐτή: zum Hiat R 5.6. — οὐτάµεναι: final-konsekutiver Inf. abhängig von ἀνῆκας; zur Form ↑, R 16.4. 398 ἐµεῖ(ο): = ἐµοῦ (R 14.1). — ὦσας: Aor. zu ὠθέω. — διὰ … ἔδαψας: zur sog. Tmesis R 20.2.

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Kontext einer Verwundung verwendet, wobei die Waffe Subjekt ist. Ares überträgt den Vorgang des Hindurch-Beissens von der Waffe auf Athene, viell. auch im Anschluß an die Anrede 394 ‘Hundsfliege/-mücke’ (Hinweis NÜNLIST); das Adj. kalón (‘schön’) wirkt dabei zusätzlich kontrastierend – wie in den Verwundungsszenen 5.354, 5.858 – und verstärkt das Drastische des Bildes (LfgrE s.vv. δάπτω u. χρώς 1283.50ff.; s. auch JANKO zu 13.830–2 (chróa leirióenta | dápsei). ἰθὺς ἐµεῖ(ο): ‘geradewegs gegen mich’; ἰθύς (eigtl. prädikatives Adj.) wird auch als Adv. od. Präposition verwendet (mit Gen. des Bereichs): SCHW. 1.620; LfgrE s.v. ἰθῠ́ς.

399 1. VH ≈ 15.138. — Ares beendet die Rede mit einer Drohung, der er mit ironischem understatement Nachdruck verleiht: gr. oíō (‘ich nehme an, ich denke’) ist eigentlich ein Ausdruck von Selbstgewißheit in dieser Drohung (i.S.v. ‘ich garantiere, prophezeie’: LfgrE s.v. ὀΐω 628.26ff.).

τώ: ‘darum, so’ (190–191n.). — αὖ: markiert den Wechsel von ‘du’ zu ‘ich’ (BONIFAZI 2012, 222. 241; ähnlich AH: “von der Wechselbeziehung zwischen Buße und Vergehen”). — ἀποτεισέµεν: Zur Schreibung τεισ- vs. τισ- s. 134n.; LfgrE s.v. τίνω 531.5ff., 28ff. — ὅσσα µ’ ἔοργας: so die Hauptüberlieferung mit Vernachlässigung des Digamma (wie 22.347 οἷά µ’ ἔοργας), s. dagegen die v.l. ohne µ’ (wie 3.57) und die flektierbare VE-Formel πολλὰ ἔοργ(16.424n.): app. crit.; zum zusammenfassenden Perf. (des erreichten Zustands) neben den Aor.-Formen 396–398 s. SCHW. 2.263; CHANTR. 2.198f.; RUIJGH (1991) 1996, 669; RIJKSBARON (1984) 2002, 37 Anm. 3 (“a ‘totalizing’ value”).

400–401 400 ≈ 11.434, 17.43. — Ares’ Stoß gegen Athenes Schutzkleidung ist ineffizient, bietet doch gerade dieser Teil ihrer Rüstung, die Aigis des Zeus, die sie auch in der ersten Schlacht getragen hat (5.733–747), absoluten Schutz, denn sie ist unzerstörbar. Sie schützt sogar vor Zeus’ Blitz, seiner Waffe, deren Schlagkraft sonst jeden Gott außer Gefecht setzen kann (Stellen u. Lit. 198–199n.). Athene hingegen zielt jeweils mit Erfolg auf besonders heikle Körperstellen des Ares (406 seinen Hals, 5.856–858 seinen Unterleib). – Funktion und Aussehen der Aigis sind je nach Kontext unterschiedlich beschrieben, oft erscheint sie als eine Art Schild oder schützender Umhang, umsäumt von Troddeln (2.448n.); sie ist von wunderbarem Aussehen und ganz besonderer Wirkkraft (2.446b–454n. mit Lit.), gilt als Werk des Hephaistos (15.309f.) und ist geschmückt mit beeindruckend-erschreckenden Darstellungen von Phänomenen des Krieges (5.739–742 Phobos, Eris, Alkḗ, Iokḗ, Gorgo; dazu FG 31). Sie wird von Zeus (4.166f., 17.593, s. auch 15.309f.), Athene (s. noch 2.446f., 5.738, 18.204, Od. 22.297) und Apollon (Il. 15.307ff., 24.18b–21)

399 ὀΐω: = οἴοµαι/οἶµαι; Akt. ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied zum Med. (R 23). — σ(ε) … ἀποτεισέµεν: AcI; ἀποτεισέµεν ist Inf. Fut. zu ἀποτίνω ‘büßen, bezahlen’ (zur Form R 16.4). — ὅσσα: zum -σσ- R 9.1. — ἔοργας: Perf. zu ἔρδω. 400 ὥς: = οὕτως. — οὔτησε κατ(ά): ‘tat einen Stoß gegen …’. 401 οὐδέ: ‘nicht einmal’.

Kommentar

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benutzt, oft um einer Kriegspartei Angst einzujagen oder Mut einzuflößen, z.T. auch als besonders wirksame Schutzhülle (für Menschen: 18.204, 24.20f.). κατ’ αἰγίδα θυσανόεσσαν: αἰγίδα θυσανόεσσαν ist VE-Formel (noch 5.738, 15.229, 17.593, 18.204) mit dem distinktiven EpithetonP θυσανόεις ‘mit Quasten versehen’. Die ganze Wendung resultiert aus der Adaption der Halbvers-Formel κατ’ ἀσπίδα παντόσ’ ἐΐσην (9× Il.), die im gleich aufgebauten Vers 11.434 = 17.43 verwendet ist. An der vorl. Stelle ist aber die Lesart αἰγίδα dem als Bez. für die Aigis merkwürdig und blass wirkenden ἀσπίδα (so die Mehrheit der Hss. und eines Pap.) vorzuziehen (VAN DER VALK 1964, 26; WEST 1967, 158). — σµερδαλέην: ‘schrecklich, furchtbar’, vom akustischen (255n.) od. wie hier optischen Eindruck (s. auch 20.260 Achills Schild); stets am VA, hier im emphatischen EnjambementP, vgl. dazu δεινήν 5.738f. (LfgrE). — οὐδέ: Zur Negation οὐ in generalisierenden Nebensätzen (in denen att. µή zu erwarten wäre) s. CHANTR. 2.332 (“un fait donné”; z.B. 2.36, 5.761 u.ö.).

402 mordbefleckte: Ares’ Epitheton miaiphónos erinnert an seine Charakterisierung als Gott des zerstörerischen, blutigen Kriegshandwerks im 5. Gesang: 5.31/455 in Anreden durch Athene bzw. Apollon, ferner 5.844 (Ares nimmt einem Getöteten die Rüstung ab). οὔτησε: Zur Wiederaufnahme der Erzählung (400) nach kurzer Digression s. FEHLING 1969, 148; ähnliche Beispiele s. VAN OTTERLO 1948, 46. — µιαιφόνος: bed. ‘mordbefleckt’, ist distinktives EpithetonP des Ares und steht immer nach der Zäsur B 2: 5.31 = 5.455 in Anreden mit weiteren Epitheta, 5.844 in einem Vers mit ähnlicher Struktur wie der vorl. Vers. Das Possessivkompositum besteht aus einem Vorderglied zum Verbalstamm von µιαίνοµαι (‘befleckt werden’; vgl. µιηφόνου Archil. fr. 18 West u. µιαρός ‘besudelt’) und dem Hinterglied φόνος (‘Totschlag, Gemetzel’): NUSSBAUM 1986, 56 (‘mit befleckendem Mord’ > ‘mordbefleckt’); NEUMANN 1992, 73. — ἔγχεϊ µακρῷ: VE-Formel (5× Il., 2× Od., 2× ‘Hes.’); weitere Nomen-Epitheton-Formeln s. 67n.

403–404 ≈ 7.264f. (Zweikampf Aias–Hektor). 403 1. VH ≈ 7.264, 13.740, 16.819, 17.47, Od. 7.280, ‘Hes.’ Sc. 336; 2. VH = Il. 7.264; ≈ 10.31 (δόρυ), Od. 22.326 (ξίφος). — wich zurück: einerseits aus Vorsicht vor einem weiteren Schlag, andererseits, um den Stein zu ergreifen und Anlauf für den Wurf zu nehmen (KURZ 1966, 145). — Stein: Im Nahkampf werden für gewöhnlich eher Stoßlanzen eingesetzt (3.18n.), so etwa auch von Athene (5.745– 747). Steine werden meist von stärkeren Helden als Waffe benutzt (v.a. von Aias, Agamemnon, Patroklos und Diomedes bzw. Hektor und Aineias), und zwar dann, wenn Speere und Lanzen verschossen sind (s. zur Typisierten EreignissequenzP ‘Zweikampf’ 3.340–382n.: Elemente (3c) Gegenangriff, (4) zweite Kampfrunde, meist mit anderen Waffen [Schwertern, Steinen u.a.] ausgetragen); solche Steinwürfe führen zu schweren Verletzungen oder gar zum Tod (3.80n.; PRITCHETT 402 τῇ: ‘da’ (sc. κατ’ αἰγίδα). — µιν = αὐτήν (R 14.1). — ἔγχεϊ: zur unkontrahierten Form R 6. 403 ἥ: demonstr.-anaphorisch (R 17). — ἀναχασσαµένη: zum -σσ- R 9.1.

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1991, 1–6; SAUNDERS 2003, 163f. Anm. 10; NEAL 2006, 25f.). Daß eine Gottheit einen Stein als Waffe benutzt, erscheint nur noch in Hesiods Schilderung der ‘Titanomachie’ (die Hekaton-Cheiren Hes. Th. 674f.). Der Steinwurf durch Athene als erste Reaktion ist auffällig und entfaltet eine eindrückliche Wirkung: Die Schilderung, wie Athene mit einem gezielten Wurf kurzen Prozeß macht, zeigt ihre Schlagkraft und Effizienz. χειρὶ παχείῃ: VE-Formel (175n.). παχύς bed. ‘dick, stämmig’, als Ausdruck von Kraft ‘muskulös’, also etwa ‘mit kräftiger, starker Hand’; meist von den Händen männlicher Heroen od. Götter in Aktion, von weiblichen außer hier u. 424 noch Od. 21.6 (Penelope; die Interpretation ist umstritten), h.Ap. 340 (Hera): LfgrE s.v. παχύς 1082.27ff.; TURKELTAUB 2014 (zur vorl. St. 106: maskuliner Aspekt der Göttin).

404–405 404 = 7.265; 1. VH von 404 = Od. 3.260. — Die im Kampf verwendeten Steine werden oft ausführlich beschrieben, v.a. im Hinblick auf ihre Größe und kantige Oberfläche (Stellen 16.735n.), s. bes. die Steine von Diomedes bzw. Hektor (5.302b–304/308, 7.264f.). Zusätzlich zu diesen Eigenschaften zeigt sich bei demjenigen der Athene eine weitere Dimension: Ein aus früherer Zeit stammender Grenzstein, mit dem die Menschen ihren Landbesitz geordnet und markiert haben – ein allfälliger Streit um Grenzsteine wurde durch genaues Ausmessen zu regeln versucht, s. das Gleichnis 12.421–423 (RICHTER 1968, 13) –, verliert hier seine Funktion und fällt dem Kampf der Götter zum Opfer (GRIFFIN 1980, 24; ähnlich FORD 1992, 145; GARCIA 2013, 148f.). ῥ(α): suggeriert hier über die metrische Funktion hinaus auch Bekanntheit des Objektes (GRIMM 1962, 31). — οὖρον: bereits im Myk. belegter Begriff für ‘Grenze’ (att. ὅρος: MYK s.v. οὖρος; DMic s.v. wo-wo), hier der Grenzstein für ihre Markierung, s. 12.421f.

406–409 Die Schilderung läßt Struktur und Elemente erkennen, die typisch für die Darstellung von Tötungen sind (LOWENSTAM 1981, 84–87; MORRISON 1999, 138; NEAL 2006, 165f. mit Anm. 43. 180; PURVES 2019, 60f.), hier aber als Signale für Ares’ knock-out verwendet werden: (a) Verletzungen am Hals sind naturgemäß bes. gefährlich, in Zweikämpfen der Menschen meistens, aber nicht immer, tödlich (Stellen: MORRISON a.O. 143 Anm. 65; weitere Lit. 16.332n.); (b) die Wendung ‘löste die Glieder’ ist meist eine Umschreibung für ‘tötete’ (406n.); (c) die Bewegung des Fallens, das ausgestreckt Daliegen und Staub stehen oft im Zusammenhang mit tödlich verletzten Menschen – ausgenommen Hektor nach Steinwürfen des Aias 7.270–272 u. 14.414–418 (16.289–290n.; Stellen s. FENIK 1968, 163; LfgrE s.v. κονίη; PURVES 2006, 182–185; HORN 2018, 363–366); des weiteren gehören (d) verunstaltete Haare (z.B. 17.51f., 22.401f.), (e) das Lärmen der Rüstung 404 µέλανα: Akk. Sg. mask., auf λίθον 403 bezogen (‘dunkel’ von der Verwitterung). — τρηχύν: hier ‘scharfkantig’. 405 τόν: demonstr.-anaphor. Pronomen in der Funktion eines Relativpron. (R 14.5). — ῥ(α): = ἄρα (R 24.1). — ἔµµεναι: = εἶναι (R 16.4), final-konsekutiver Inf. abhängig von θέσαν.

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(408n.) und (f) die Triumphrede über dem Gefallenen (409–414) dazu; zu den Elementen von hom. Tötungsszenen allg. s. 16.284–290a n. Insgesamt entsteht dadurch eine Steigerung gegenüber der Schilderung von Ares’ Verwundung im 5. Gesang (die dortigen Folgen: Brüllen [5.859b–863]; Blut, das er unter Wehklagen seinem Vater zeigt [5.870f.]). 406 ≈ 16.465; VA ≈ 5.305, 7.266; 2. VH ≈ 11.240. — Zur Struktur des Verses vgl. die Beispiele mit dem Verb βαλεῖν in Tötungsszenen bei VISSER 1987, 292–294. 297f. — θοῦρον Ἄρηα: flektierbare Nomen-Epitheton-Formel, insgesamt 11× Il., davon 7× im 5. Gesang (steht am häufigsten am VE: 7×); θοῦρος bed. ‘stürmisch, ungestüm’ (zu θορεῖν ‘springen’: FRISK; LfgrE). — λῦσε δὲ γυῖα: VE-Formel (7× Il.; Formelvarianten u. Lit.: 114n., 24.498n.), bed. ‘löste die Glieder’, d.h. ‘ließ die Glieder schlaff werden, zusamenbrechen’ und ist außer hier i.d.R. ein Euphemismus für ‘nahm das Leben, tötete’ (HAINSWORTH zu Il., Introd. 12f.; MORRISON 1999, 131; SAUNDERS 2004, 10f. [Tod an zwei Stellen nicht explizit erwähnt]).

407 sieben Hufe: Sieben ist eine Typ. ZahlP. Das gr. Substantiv pélethron ist ein Längenmaß, eigtl. die Strecke einer Ackerfurche, bestimmt als 100 Fuß, ein Sechstel eines Stadions (ca. 30 m): RICHTER 1968, 13f. mit Anm. 58; RICHARDSON; LfgrE s.v. πέλεθρον). Dieser mehr als riesenhaften Körpergröße des Ares entspricht sein übermenschlicher Schrei bei der Verwundung durch Diomedes/Athene 5.859b–861 (wie neun- od. zehntausend Krieger). Von ähnlich riesiger Größe ist nur noch Tityos, der in der Unterwelt büßende Sohn der Gaia (Od. 11.577: neun pélethra, ebenfalls eine Typ. ZahlP). Auf die übermenschliche Größe von Göttern wird im hom. Epos auf verschiedene Arten hingewiesen: Auf Hephaistos’ Schild für Achilleus sind sie größer als die Menschen abgebildet (Il. 18.518f. [s.d.] Ares und Athene); bei Epiphanien wirken sie in menschlicher Behausung übergroß (h.Ven. 173f.; h.Cer. 188f.); sie bewegen sich mit riesigen Schritten vorwärts (Il. 13.10–21 Poseidon) und können von Gipfel zu Gipfel schreiten (14.225–230 [mit n.] Hera; ähnlich h.Ap. 30–45 Leto). ἐπέσχε: bed. hier ‘nahm ein, bedeckte’, i.S.v. ‘erstreckte sich über…’ (ähnlich 23.190 ὅσσον ἐπεῖχε νέκυς, 24.792 ὁπόσσον ἐπέσχε πυρὸς µένος u. Hes. Th. 176f. µέγας Οὐρανός, ἀµφὶ δέ Γαίῃ | … ἐπέσχετο): vgl. 244n. — πέλεθρα: Bez. für ein Längen- und Flächenmaß (nachhom. πλέθρον); die Etymologie ist unsicher, u.a. wird ein Zusammenhang mit πέλοµαι ‘drehen, wenden’ vorgeschlagen, nämlich beim Pflügen, vgl. semantisch ähnlich lat. iugerum, dt. die Juchart od. Hufe (FRISK, DELG u. BEEKES s.v.). — πεσών: Das ‘Fallen’ von Kriegern im Kampf signalisiert meist ihren Tod 406–409n.; LfgrE s.v. πίπτω.

406 τῷ : instrumental (demonstrativ-anaphorisch: R 17). — βάλε: ‘traf’. — Ἄρηα: zur Flexion R 12.4. 407 ἐκόνισε: trans. ‘machte staubig’.

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408 Athenes Lachen ist gepaart mit Schadenfreude und ähnlich bösartig wie Heras Lächeln, wenn sie Artemis verprügelt (491 [s.d.]). τεύχεα δ’ ἀµφαράβησε: singuläre Wendung neben der Halbvers-Formel ἀράβησε δὲ τεύχε’ ἐπ’ αὐτῷ in Tötungsszenen (2. VH: 9× Il., 1× Od., davon 6× mit 1. VH δούπησεν δὲ πεσών). ἀµφί bei Geräuschverben bezeichnet oft den Widerhall, hier also einen hallenden od. dröhnenden Ton (schol. b; LfgrE s.v. ἀραβέω; KRAPP 1964, 233; anders AH: “an seinem Leibe”, als Ersatz für ἐπ’ αὐτῷ). — Παλλὰς Ἀθήνη: 290n. 409 ≈ 121 (s.d.), 427; 2.VH = 73 u.ö. (s.d.). — Rede-EinleitungP von Triumphreden über dem besiegten Gegner. Der Wechsel zwischen den Prädikaten προσηύδα (409) und ἀγόρευεν (427) ist durch den Adressatenkreis bedingt: hier wendet sich Athene an eine Einzelperson, den unterlegenen Ares; 427 spricht sie zu Ares, Aphrodite und den Unterstützern der TroerPartei insgesamt (vgl. 121n.).

410–414 Athenes Reden in dieser Szene, hier und 428–433, sind die einzigen von Göttern gehaltenen Triumphreden in Ilias und Odyssee (MINCHIN 2011, 32; Stellensammlungen von Triumphreden: FINGERLE 1939, 151; STOEVESANDT 2004, 424ff.). Solche Reden werden i.d.R. nach dem Fall des Gegners zur Stärkung des Selbstbewußtseins oder – wie hier – zur Verhöhnung des Gegners und Einschüchterung der gegnerischen Partei gehalten, ihre wesentlichen Elemente sind Schmähungen und Drohungen (zum Rede-Typus 122–135n.); in der vorl. Rede dominiert das Schmähen, s. die spöttische Anrede mit dem Vorwurf der Naivität und den Hinweis auf die getäuschte Erwartung des Unterlegenen (FINGERLE a.O. 157f.; STOEVESANDT a.O. 306f. u. 322f.). Athenes Rede, in der sich nicht nur ihr Überlegenheitsgefühl, sondern ihre tiefste Verachtung zeigt, präsentiert eine bittere Charakterisierung des Kriegsgottes Ares, der in dieser Szene zum letzten Mal in der Ilias als Handlungsfigur auftritt: Er ist unterlegen im Kampf und unfähig, die Kräfteverhältnisse richtig einzuschätzen (s. den Unterschied zu Skamandros, der die Überlegenheit des Gegners anerkannt hatte [357f., 369ff.]). Die ganze Schilderung dieses Zweikampfes zwischen den beiden Göttern, zu deren Bereichen Kampf und Kriegsführung gehören, führt die grausame Absurdität von Gewalt und Krieg vor Augen (Hinweis BIERL). 410–411 2. VH von 411 = 488; VE von 411 ≈ 482, 6.101. — Ein solches explizites Selbstlob in Form eines stolzen Hinweises auf die eigene allgemeine Überlegenheit findet sich nicht häufig in hom. Triumphreden; in gleicher Weise wie Athene äußert 408 τεύχεα: zur unkontrahierten Form R 6. — γέλασσε: zum -σσ- R 9.1. 409 καί (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.4; οἱ = αὐτῷ (R 14.1), abh. von ἐπ-ευχοµένη, ‘über ihn triumphierend’. — ἐπευχοµένη (ϝ)έπεα: zur Prosodie R 4.4. 410 περ: betont das vorangehende Wort (R 24.10). — ἐπεφράσα(ο): unkontrahierte (R 6) 2. Sg. Aor. zu ἐπιφράζοµαι ‘merken, einsehen’; zur Elision R 5.1. — ὅσσον: zum -σσ- R 9.1. — ἀρείων: ≈ ἀµείνων (R 13). 411 ἐγών: = ἐγώ. — ἔµεναι: = εἶναι (R 16.4). — µένος: Akk. der Beziehung (R 19.1).

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sich nur Achilleus (22.331–336 zu Hektor, weniger deutlich 184ff. zu Asteropaios), ähnlich Hektor (16.830–842 zu Patroklos), beide als Sieger gegenüber Sterbenden (FINGERLE 1939, 157; STOEVESANDT 2004, 329; s. auch DE JONG zu Il. 22.331–6). Mit der Charakterisierung als nḗpios/nēpútios verweist der Sprecher i.d.R. darauf, daß der Adressat in seiner Naivität die Situation zu optimistisch eingeschätzt und sich daher falsche Hoffnungen gemacht hat (99n.; STOEVESANDT a.O. 321–323), so hier Ares im Hinblick auf die Stärke der Kampfgegnerin. Wenn nun Athene Ares verhöhnt, weil er trotz der früheren Niederlage (396–398) ihre Überlegenheit bis jetzt nicht erkannt hat, mag das zwar unfair wirken angesichts der Tatsache, daß sie unsichtbar agiert hatte (5.844f.), paßt aber in diese Triumphrede als Antwort auf Ares’ Drohung 399. νηπύτι(ε): νηπύτιος (insgesamt 9× Il.) findet sich außer 13.292 nur im 20. Gesang (4× am VE, nach der Zäsur C 2) und im 21. Gesang (4× am VA als Anrede: 410 u. 441 [mit Fortsetzung bzw. VE οὐδέ νύ πώ/τῶν περ] Ares und Apollon, 474 [τί νυ] Apollon, 585 Achilleus, davon 3× in Herausforderungsreden): JANKO zu 13.292–4: “a clear case of ‘clustering’”; ders. zu 13.97–8 “it is striking how often a phrase clusters in a limited portion of the epic and then vanishes”, hier in zwei aufeinander folgenden Gesängen. Es ist bereits im Myk. belegt (DMic s.v. na-pu-ti-jo; DELG s.v. νήπιος), bei Homer eine metr. bequeme Variante zur – wohl dazu retrograd gebildeten und häufigeren – Form νήπιος; beide bed. eigtl. ‘kindlich’, auf Erwachsene bezogen ‘töricht, Tor’ (LfgrE s.vv. νηπύτιος u. νήπιος). — οὐδέ νύ πώ περ: singuläre Partikel-Kombination (πώ περ ist in einem ptolemäischen Pap. durch häufiger belegtes πώ ποτ’ ersetzt: WEST 1967, 159), s. noch οὐδέ νύ πω 12.262, 22.9 (dagegen die VE-Formel οὐδέ νυ τῶν περ: 441n.); bed. ‘nicht einmal jetzt’, d.h. ‘noch immer nicht’, wie 22.9 in verhöhnendem Ton (DE JONG z.St.: mit temporalem νυ ‘not even now’; LfgrE s.v. πω 1672.32ff.: ‘not even yet’; zu enklitischem νυ als Kurzform von νῦν RUIJGH 1957, 57–62). — ἐπεφράσα(ο): so WEST nach Nauck, gegen die Hss. mit kontrahierter Form ἐπεφράσω (zur noch seltenen Kontraktion in der hom. Sprache s. G 43; CHANTR. 1.54). — ἀρείων | εὔχοµ’ ἐγὼν ἔµεναι: integrales EnjambementP mit singulärer Variation der formelhaften Wendungen bestehend aus Komparativ/Superlativ + einer Form von εὔχεσθαι + εἶναι und der flektierbaren VE-Formel εὔχ. εἶναι (εὔχοµαι in der Bed. ‘mit Stolz von sich sagen’), die oft in bezug auf die Abstammung od. wie hier auf die physische Überlegenheit gestellt sind (187n.; MUELLNER 1976, 79f.), dann aber mit Formen von ἀµείνων (4.405, 5.173) bzw. χερείων (Od. 5.211) od. Formen von ἄριστος (MUELLNER a.O.). Vielleicht ist an der vorl. Stelle der Komparativ ἀρείων als iron. Anklang an den Namen Ares gewählt, i.S.v. “Ich bin der bessere Ares!” (Hinweise BIERL, DE JONG, VAN DER MIJE); Beispiele für solche Wortspiele aufgrund des Klanges s. MACLEOD, Introd. 51; LOUDEN 1995, 29–31. — ὅτι … ἀντιφερίζεις: ebenso 488 Hera zu Artemis; der Kausalsatz (‘da du …’) zeigt den Grund für die Anrede und die Feststellung 410–411a (AH). Zu µένος s. 305–306n., zu ἀντιφερίζεις 357n.

412–414 Athene nimmt ein Element aus Ares’ Herausforderungsrede auf, die Ankündigung, der Gegner zahle nun Buße für etwas (gr. 412 exapotínois greift auf 399 apoteisémen zurück: Catchword-TechnikP). Anders als in Ares’ Rede und in manchen Triumphreden (s. bes. 122–135) kann es Athene nicht um persönliche Rache

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gehen; stattdessen bringt sie Hera ins Spiel: Ares könne vielleicht (gr. Potentialis) ‘so’, d.h. durch Erleiden dieser demütigenden Niederlage, der Hera Genugtuung verschaffen und ihren Zorn besänftigen. Diese zürnt eigentlich hauptsächlich den Troern (angedeutet 414), aber nach Athenes Ansicht auch ihm wegen seiner Parteinahme für die Troer; denn als ihr Sohn sollte er doch auf ihrer Seite stehen (ANDERSEN 1990, 32; s. ihren gehorsamen Sohn Hephaistos 330–382). Anders ist die Situation im 5. Gesang: Dort hatte Athene gegenüber Diomedes geäußert, Ares habe ihr und Hera zuerst signalisiert, er unterstütze die Seite der Achaier, sich dann aber auf die Seite der Troer gestellt (5.831–834; viell. eine ad hoc-Erfindung Homers: KIRK zu 5.832–4). Diese Wankelmütigkeit des Ares spiegelt wohl das wechselnde Kriegsglück (WEST 2011, 170), vgl. dazu die sprichwörtlich gewordene Wendung über den Kriegsgott 18.309 (Ares unter seinem Beinamen Enyalios): “Parteilos ist Enyalios!” 412 Die gr. Rachegöttinnen, die Erinýes, treten u.a. im Zusammenhang mit der Verletzung der Ordnung innerhalb der Familie auf und werden dabei teils explizit durch Verwünschungen (gr. erinýes) aktiviert (hier viell. impliziert durch Heras Zürnen 413), s. bes. die Verwünschungen der Mutter bzw. des Vaters gegen den Sohn 9.565–572 (Althaia–Meleagros), Od. 2.134–136 (Penelope–Telemachos) und Il. 9.453–457 (Amyntor–Phoinix), teils agieren sie nach ungebührlichem Verhalten gegenüber der Mutter (Od. 11.279f.: sie bringen Oidipus nach Epikastes Tod Übles) od. dem älteren Bruder (Il. 15.204): DIETRICH 1965, 237f.; JOHNSTON 1999, 251– 253; MATIJEVIĆ 2015, 128 mit Anm. 36. Sie werden in enger Beziehung zur verletzten Person gesehen, daher auch als ‘die erinýes der Mutter/des Vaters’ bezeichnet (s. noch Od. 11.280, Hes. Th. 472): FG 13; WEST zu Hes. Th. 472 (“someone who is wronged has his own personal erinyes”). τῆς µητρός: Artikel in demonstrativer Funktion mit emphatischer Wirkung, ‘der Mutter’ i.S.v. ‘deiner Mutter’ (SCHW. 2.22; CHANTR. 2.164; NUSSBAUM 1998, 112f., gegen Brugmans Konjektur ἧς [refl. Possessivpron., hier für die 2. Person] und die Lesart ἑῆς eines Pap., s. dazu WEST 1967, 159f.). — ἐρινύας ἐξαποτίνοις: Das hapax legomenonP ἐξ-απο-τίνω ist eine Erweiterung von ἀπο-τίνω, das mit Akk.-Obj. entweder ‘(ein Entgelt) zahlen’ od. ‘(für etw.) bezahlen, büßen’ bed. (s. 399, 18.93 [ἕλωρα] u. 22.271f. [κήδεα] drohend, ferner Od. 13.193 [ὑπερβασίην]); ἐκ- dient der Verstärkung (SCHW. 2.462; CHANTR. 2.97, mit Belegsammlung), also ‘vollständig abzahlen, gänzlich abbüßen’ (LfgrE s.v. τίνω 536.1ff.; Bspe. für Doppelkomposita s. SCHW. 2.428f. u. CHANTR. 2.144f.). ἐρινύας als Obj. dazu ist etwas ungewöhnlich; es kann hier ‘Flüche, Verwünschungen’ bedeuten (schol. bT [κατάρας]; AH; LEAF; DIETRICH 1965, 238 mit Anm. 4; LfgrE s.v. τίνω a.O.), od. auch ‘Rachegöttinnen’ (schol. D; FAESI; HEUBECK 1986, 149–151), wobei die Rachegöttinnen als Verkörperung des Fluches gesehen werden können, als Handlungsträger für den verbalen Fluch (BURKERT [1977] 2011, 279. 302; LfgrE s.v. Ἐρινύς 700.15ff.; ähnlich Eust. 1244.27ff.), s. die explizite

412 κεν: = ἄν (R 24.5).

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Verbindung von Flüchen und Ἐρινύς (Nom. Sg.) bzw. Ἐρινῦς (Akk. Pl.) Il. 9.453f. (πατὴρ … | πολλὰ κατηρᾶτο, στυγερὰς δ’ ἐπεκέκλετ’ Ἐρινῦς), 9.566f. (ἐξ ἀρέων µητρὸς … , ἥ ῥα … | … ἠρᾶτο u. 9.571f. ἠεροφοῖτις Ἐρινύς | ἔκλυεν), Od. 2.135 (µήτηρ στυγερὰς ἀρήσετ’ Ἐρινῦς); nachhom. werden dann ἀραί und ἐρινύες als identisch betrachtet, s. Aisch. Eum. 417 die Sprecherin der Erinyen: Ἀραὶ δ’ ἐν οἴκοις γῆς ὑπαὶ κεκλήµεθα (LSJ s.v. ἀρά). Die vorl. Wendung bed. also etwa ‘die Flüche (und damit die Rachegöttinnen) der Mutter vollständig abzahlen’ (vgl. WEST zu Hes. Th. 472: τείσαιτο δ’ ἐρινῦς πατρὸς ἑοῖο: ‘and that she might make him pay her father’s erinyes’; etwas anders HEUBECK a.O. 150f.: die Erinyen der Mutter ‘versöhnen, beschwichtigen, begütigen’).

413 zürnend: 384n. 414 ὑπερφιάλοισιν: bed. ‘übermäßig, übermütig’, meistens negativ konnotiert (224n.); in der Ilias Epitheton der Troer in dir. Reden (Sekundäre FokalisationP), hier als leise Anspielung auf die Kriegsschuld.

415 1. VH (bis zur Zäsur C 2) = 8.432; ≈ 8.157, 18.138, 21.468; 2. VH (ab der Zäsur B 2) = 13.3; ≈ 13.7. — Indem Athene den Blick von Ares abwendet, zeigt sie ihre Abneigung und Verachtung für ihn (LOVATT 2013, 73f.); zugleich erklärt dies, warum sie Aphrodites Auftreten nicht selbst sieht (418–422). ὣς ἄρα φωνήσασα: Rede-AbschlußP mit flektierbarer VA-Formel (35× Il., 27× Od., 2× hom.h.). — πάλιν τρέπεν ὄσσε: πάλιν bed. hier ‘weg’, also ‘wandte die Augen ab’ (sc. weg von Ares), ebenso 13.3 (Zeus, der kein Interesse mehr am Kampf vor Troia hat), ähnlich 3.427 (ὄσσε πάλιν κλίνασα Helena weicht Paris’ Blick aus [s.d.]): LfgrE s.v. πάλιν). — ὄσσε φαεινώ: VE-Formel (s. Iterata, ferner 14.236, 16.645, 17.679; insgesamt 4× von Zeus: 14.236n.), außerdem ὄσσε φαεινά vor der Zäsur B 2 (13.435).

416–426 Die Bergung eines Verwundeten vom Schlachtfeld ist ein wiederkehrendes Motiv in hom. Kampfschilderungen (VAN WEES 1996, 16. 64 Anm. 42; STOEVESANDT 2004, 232; KELLY, 2007, 296–298). Aphrodite tritt hier nicht als Kämpferin auf, sondern nur als Helferin des im Zweikampf Unterlegenen; ebenso ist sie zu Beginn der Schlacht nur als Helferin der Troer-Partei erwähnt (20.40), fehlt jedoch bei der Vorstellung der Kampfpaare (20.67–74). Bei dieser Aktion hier hat sie die gleiche Rolle wie bei ihrem Auftritt in der Schlacht im 5. Gesang, in der Arestie des Diomedes. Damals hatte sie ihren verwundeten Sohn Aineias vor Geschossen geschützt und so vor dem Tod bewahrt und danach versucht, ihn vom Schlachtfeld zu retten (5.311–318), wurde aber selbst von Diomedes verwundet (5.319–343) und musste Hilfe von Iris und Ares in Anspruch nehmen (5.353–363), um das Schlachtfeld verlassen zu können; Diomedes hatte dabei sogleich die Schwäche der Göttin erkannt (5.331–533; s. auch 5.428–430 Zeus’ Empfehlung an sie, sich nicht im

413 τοι: = σοι (R 14.1). — οὕνεκ(α): Krasis für οὗ ἕνεκα (R 5.3), ‘(deswegen,) weil’. 414 κάλλιπες: = κατέλιπες, Aor. zu κατα-λείπω (apokopiertes u. assimiliertes κατα-: R 20.1); zur augmentlosen Form (ebenso 416 u.ö.) R 16.1. 415 ὥς: 400n. — ὄσσε φαεινώ: Dual; ὄσσε ‘Augen’.

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Kämpfen zu versuchen). Der Erzähler weckt durch parallele Gestaltung beider Szenen die Erinnerung an diese Ereignisse im 5. Gesang (REICHEL 1994, 315f.): (1) A (Diomedes/Athene) verwundet B (Aphrodite/Ares); (2) B (Aphrodite/Ares) erhält Hilfe von C (Ares/Aphrodite); (3) C (Ares/Aphrodite) wird seinerseits von A (Diomedes/Athene) verwundet. Im Gegensatz zur Schilderung im 5. Gesang legt der Erzähler in der vorl. Szene das Gewicht nicht auf eine spektakuläre Verwundung, sondern darauf, daß die Geschlagenen außer Gefecht gesetzt worden sind. Zudem betont er hier das Groteske der Situation durch den doppelten Sturz der von einem einzigen Schlag getroffenen Götter (FRIEDLÄNDER 1934, 213: “da doch die Wiederholung […] von je zu den Mitteln der Komödie gehört.”). – Die in beiden Szenen gezeigte enge Verbindung Aphrodites mit Ares (bes. V. 426 [s.d.]) wird als leiser Hinweis auf die andernorts beschriebene intime Beziehung der beiden interpretiert (s. das Lied des Demodokos Od. 8.266–366 und Hes. Th. 933–937), wobei in der Ilias allerdings v.a. die geschwisterliche Verbindung erwähnt ist, s. bes. 5.357/359 (in der vorl. Szene indirekt durch ihre Benennung als Zeus-Tochter 416): schol. A zu 416; BURKERT, (1960) 2001, 107 Anm. 6; RICHARDSON zu 416; WEST 2011, 381; s. auch FG 4; vgl. ferner das typ. epische Motiv von gemeinsam kämpfenden u./od. einander rächenden Brüderpaaren 11.248–263, 11.426–429, 14.476f., 16.317–329 (s.d. mit Lit.). 416 1. VH ≈ 11.646, 11.778; 2. VH = 3.374, 5.131, 5.312, 5.820, 14.193, 14.224, 23.185, Od. 8.308, h.Ven. 81, 107, 191; ≈ h.Ap. 195. — χειρὸς ἑλοῦσα: formelhafte Junktur, vor der Zäsur B 2 noch Od. 12.33, 15.465, ferner am VA (Il. 4.542, 5.30) und VE (15.126); im Mask. (Nom./Akk.) insgesamt 4× Il., 2× Od. — Διὸς θυγάτηρ Ἀφροδίτη: Im Gegensatz zur metr. gleichwertigen Formel φιλοµµειδής Ἀφροδίτη mit distiktivem EpithetonP, das auf ihre Macht als Göttin der Liebe verweist (hier inhaltlich nicht passende v.l.; insgesamt 5× Il., 1× Od., 4× h.Ven., 2× Hes.; u.a. zu Beginn der Schlacht 20.40), verweist die vorl. Wendung hier auf die familiäre Verbindung zum Zeus-Sohn Ares (Hilfe unter Halbgeschwistern): BOEDEKER 1974, 31–42; FRIEDRICH 2007, 111f.; FAULKNER zu h.Ven. 81. — Διὸς θυγάτηρ: formelhaft von Aphrodite (Nom. in der 2. VH, s. Iterata; Vok. vor der Zäsur B 1 in 5.348); ferner von Athene (2.548, 4.128, 4.515 u.ö.), den Musen (2.491f.), Ate (19.91) und weiteren Göttinnen/Frauen (Od. 4.227, 11.217, 20.61); die Wendung stammt aus der idg. Dichtersprache (SCHMITT 1967, 169–172; WEST 2007, 186).

417 1. VH ≈ 18.318; 2. VH ≈ 15.240. — Stöhnen und Schreien von Verwundeten und v.a. von Sterbenden ist häufiges Motiv in Massenkampfschilderungen (VAN WEES 1998, 12. 46 Anm. 9; STOEVESANDT 2004, 122–126 [Stellenliste 122f.]); bei seiner Verwundung im 5. Gesang stößt Ares einen übermenschlichen Schrei aus (5.860–863). Hier ist er durch den Steinwurf Athenes handlungsunfähig, ein Hinweis auf ihre tatsächliche Überlegenheit (s. ihre Drohung 410f.). πυκνὰ … στενάχοντα: inhaltlich verstärkte Variante der flektierbaren Formel βαρὺ στενάχων (8× Il. nach der Zäsur A 2) und der VE-Formel βαρέα στενάχοντα (4× Il., 4× Od.); πυκ(ι)νά bez. die zeitlich ‘dichten’ Laute, hier das anhaltende Stöhnen des Verwundeten,

Kommentar

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18.318 des trauernden Achilleus (ähnlich von Agamemnon 10.9 πυκίν’ … ἀνεστενάχιζ(ε)): LfgrE s.v. πυκινός 1630.64ff.; KRAPP 1964, 30–33; KAIMIO 1977, 37. 52. — ἐσαγείρετο θυµόν: ebenso 15.240 νέον δ’ ἐσαγείρετο θυµόν (der durch einen Steinwurf schwer verwundete Hektor), ähnlich θυµὸς ἀγέρθη nach einem Schock durch eine Verwundung (4.152) und als Formulierung für das Erwachen aus einer Ohnmacht (22.475, Od. 5.458, 24.349). θυµός bez. im vorl. Kontext die vitale Energie, die ganze Wendung die langsame Erholung nach dem heftigen Schlag, durch den Ares sich kaum ohne Hilfe auf den Beinen halten kann (BÖHME 1929, 100 Anm. 7. 101; LfgrE s.v. θυµός 1080.48ff.; DE JONG zu Il. 22.475). Das Impf., die Lesart Aristarchs (schol. bT), paßt besser (konativ) als der Aor. der Hauptüberlieferung (AH; LEAF; RICHARDSON).

418–425 eine der vielen Gemeinschaftsaktionen von Hera und Athene, bei der Hera – wie meistens – die Initiative ergreift, aber Athene das Handeln überläßt oder gar wie hier ihr Anweisungen erteilt, s. bes. 2.156ff., 5.711ff. (1.195n.); denn Hera greift ähnlich wie Zeus nur selten persönlich in die Handlung ein, im Kampf der Götter erst 479–492 infolge des forschen Auftretens ihrer Stieftochter Artemis. 418–420 418 ≈ 5.711 (τούς); 419–420 = 5.713f., ≈ 8.351f. — Die Verse enthalten formelhafte Wendungen (s. Iterata zu den jeweiligen Vv.) und finden sich in der gleichen Zusammenstellung auch 5.711–714, als Vorbereitung der Szene Diomedes/Athene gegen Ares (die Achaier werden von Ares und Hektor in die Enge getrieben, Hera fordert Athene zum Eingreifen auf). 418 1. VH ≈ 49 u.ö. (s.d.); 2. VH = 377 (s.d.). — Der Vers kündigt den Auftritt Heras an, durch die Aphrodites’ Handlung (416) sekundär fokalisiertP wird (HalbversFormel der 1. VH). 419 = 4.69, 5.713, ≈ 8.351, 19.341; 2. VH = 73 u.ö. (s.d.). — αὐτίκ(α): oft in RedeEinleitungen zur engen Verknüpfung der Handlung verwendet (LfgrE s.v. 1601.22ff.; BONIFAZI 2012, 277f. mit Anm. 35; s. auch 378n.).

420 = 2.157, 5.714, ≈ 8.352, 8.427; von der Zäsur A 3 an = 5.115, Od. 4.762, 6.324. — aigishaltenden: Hier trägt Athene die Aigis (400 mit n.); zum Epitheton des Zeus s.u. ὦ πόποι: Ausdruck der (meist negativen) Überraschung (Figuren-SpracheP): 54n., 1.254n.; LfgrE s.v. πόποι). — αἰγιόχοιο Διὸς τέκος: Formel nach der Zäsur A 3 (8× Il., 2× Od.), nur von Athene und nur im Vok.; αἰγίοχος ist distinktives EpithetonP des Zeus, Etymologie und Bed. sind umstritten (entweder ‘Aigis-haltend’ od. evtl. urspr. ‘auf einer Ziege reitend’): 1.202n. τέκος ist die v.a. in Formeln verwendete prosodische Wechselform neben τέκνον (229n.). — Ἀτρυτώνη: bei Homer nur nach der Formel (αἰγιόχοιο) Διὸς τέκος (s. Iterata [außer 8.352, 8.427] u. 10.284) in Aufforderungsreden der Hera od. in Gebeten Sterblicher, ferner Hes. Th. 925. Die Etymologie und die urspr. Bed. sind unsicher, es wurde in der Antike als Ableitung zu ἄτρυτος ‘unermüdlich’ verstanden (schol. D zu 2.157: ἄτρυτε καὶ ἀκαταπόνητε; 2.157n.; LfgrE s.v.; WEST zu Od. 4.762).

418 τήν: sc. Aphrodite. — ὡς: nachgestellte Konjunktion, ‘als’.

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421 Die Periphrastische BenennungP der Aphrodite mittels eines Schimpfwortes ist Echo von 394 (s.d.; vgl. Catchword-TechnikP): Nicht Athene, sondern Aphrodite ist die wahre Hundsfliege! — wieder: bezieht sich auf Aphrodites’ Eingreifen im 5. Gesang (416–426n.); auch damals ereiferten sich Hera und Athene über Aphrodite (5.418–425). καὶ δὴ͜ αὖθ’: ‘jetzt schon wieder’, meist ein ungeduldiger, indignierter Ausruf (DENNISTON 250; LfgrE s.v. αὖτε 1583.55ff.; Stellen s. 14.364n.); hier wohl eher in spöttischem Ton (Hinweis NÜNLIST). — ἡ κυνάµυια: ἡ deiktisch, mit “valeur affective” (CHANTR. 2.163; vgl. SCHW. 2.22; G 99); zu κυνάµυια 394n. — βροτολοιγόν: distinktives EpithetonP des Ares, von den 12 Belegen der Ilias sind fünf im 5. Gesang (s. bes. die Anrede 5.31/455, ferner 5.908f.); Kompositum aus βροτο- mit eigtl. nominalem Hinterglied λοιγός (‘Verderben’), das aber verbal verstanden wurde (‘menschenvernichtend’: schol. D zu 5.31; RISCH 198). Metr. gleichwertiges πολύδακρυν ἄρηα steht bei metonymischer Verwendung von ἄρης (FRIEDRICH 2007, 120). 422 1. VH = 7.119, 7.174, 17.189, 19.73, ≈ 4.281 (ἐς), 5.117 (ἐν). — δηΐου … κλόνον: formelhafte Wendungen, außer hier auf den Kampf und das Kampfgewühl der Menschen bezogen, s. Iterata und die Junktur κατὰ κλόνον (‘durch das Gewühl’) vor der Zäsur C 2 (noch 16.331, 16.713, 16.789, dazu ἀνὰ κλ. 5.167, 20.319): LfgrE s.v. κλόνος. Diese Formulierungen müssen nicht bedeuten, daß Menschenmassen zugegen sind, sondern suggerieren hier eine heftig ablaufende Schlacht. — δηΐου: bei Homer als Epitheton bei πόλεµος (s. Iterata), πῦρ und ἀνήρ gebraucht, bed. hier ‘zerstörerisch’. Als Grundbed. wird teils ‘zerstörerisch’ (vgl. δηϊόω) teils ‘brennend’ (zu δαίω) angenommen, Etymologie und Bed.-Entwicklung sind umstritten (2.415n. mit Lit.). — ἀλλὰ µέτελθε: ἀλλά bei Imp. markiert den Übergang von der Argumentation zur Handlungsanweisung (DENNISTON 14); beide Teile sind in dieser Rede äußerst kurz gehalten, als Ausdruck empörter Ungeduld. – Zu den Komposita mit µετα-, die das Verfolgen bezeichnen (423 µετ-έσσυτο), s. KURZ 1966, 132f.

423 ≈ 22.224, Od. 24.545 (andere Satzstruktur); 1. VH bis zur Zäsur B 2 = Od. 22.224; bis zur Zäsur B 1 = Il. 4.104, Od. 2.296, 24.533. — Athenes Verhalten in diesen Götterkämpfen wirkt, ähnlich wie dasjenige der Hera, insgesamt hämisch bis niederträchtig: s. hier ihre unverhohlene Freude, jetzt gegen Aphrodite losschlagen zu dürfen, zuvor ihr schadenfreudiges Lachen über Ares (408).

Variante des Rede-Abschlußschemas ὣς φάτο + Reaktion des Adressaten (u.a. γήθησεν δέ / µείδησεν δέ; dazu 114n., weitere Lit. 24.200n.); zu den formelhaften Wendungen des SichFreuens s. FINKELBERG 1989, 182f. 184. Im vorl. Vers folgt (anders als an den Iteratstellen) sogleich die blitzschnelle, gezielte Aktion der Adressatin; die nachträglich (am VE) erwähnte emotionale Regung bezieht sich nicht so sehr auf die Rede selbst, sondern auf die dadurch gegebene Gelegenheit und die nun ausgelöste Handlung (LATACZ 1966, 66. 72f.). — χαῖρε 421 δὴ͜ αὖθ’: = δὴ͜ αὖτε; zur Synizese R 7. — κυνάµυια ἄγει: zum Hiat R 5.6. — Ἄρηα: 406n. 422 δηΐου ἐκ: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. 423 ὥς: 400n. — φάτ(ο): 393n. — µετέσσυτο: Aor. zu µετα-σεύοµαι ‘hinterhereilen, hinterherstürzen’.

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δὲ θυµῷ: VE-Formel (3× Il., 3× Od.); Ausdruck für lustvolle Erregung (LATACZ 1966, 52f. [‘empfand tiefe Lust’]).

424–425 2. VH von 425 nach der Zäsur A 3 = Od. 4.703, 23.205, ≈ Il. 21.114, Od. 24.345 (τοῦ), 22.68 (τῶν); nach der Zäsur B 1 = Od. 5.297, 5.406, 22.147. — Die Art, wie Aphrodite außer Gefecht gesetzt wird, ähnelt dem Motiv ‘Treffer in die Brust’ in Kampfschilderungen (s.u. s.v. πρὸς στήθεα), wobei Athene die bloße Hand als Waffe ausreicht, ebenso Apollon, wenn er Patroklos auf den Rücken schlägt (16.791f.). — lösten sich … Knie … Herz: Die formelhafte Wendung umschreibt eine psychosomatische Reaktion, nämlich den totalen körperlichen (die Muskelspannung löst sich: die Knie knicken ein) und mentalen Zusammenbruch und infolge dessen Kraft- und Mutlosigkeit bis zur Selbstaufgabe, an den Iteratstellen ausgelöst durch starke Emotionen (meist Furcht) oder Erschöpfung (114n.; RUSSO zu Od. 18.212), hier viell. auch durch eine kurze Betäubung infolge des Schlags (BÖHME 1929, 107). Durch diese Formulierung, die bei Sterblichen lebensbedrohliche Situationen markiert und hier beinahe übertrieben wirkt, wird die Wehrlosigkeit der Göttin deutlich vorgeführt (FOLEY 1999, 30f. mit 283 Anm. 52. 228f.). Vgl. zu Ares 406–409n. ἐπιεισαµένη: ‘drauflos gehend, angreifend’; zur Formbildung 334–335n. — πρὸς στήθεα: Variation der formelhaften Wendung πρὸς στῆθος (vor der Zäsur B 2: 11.144, 15.250, Od. 9.301, 22.286; auf ein Tier übertragen: Il. 4.108, 16.753) bei Treffern vorn an der Brust (weitere Formulierungen LfgrE s.v. στῆθος 215.26ff.). — χειρὶ παχείῃ: 403n. — ἤλασε: bed. in Nahkampfschilderungen ‘schlagen, (mit einem Hieb) treffen’, wobei als Waffen v.a. Schwert und Lanze genannt werden, vom Faustschlag Od. 18.90–97a (Odysseus gegen Iros); s. dagegen Apollons Schlag gegen Patroklos Il. 16.791f. πλῆξεν … | χειρὶ καταπρηνεῖ (TRÜMPY 1950, 95f.; LfgrE s.v. ἐλαύνω 517.71ff.). — λύτο γούνατα: Die mediopass. Wendung ist außer in der vorl. Halbversformel noch Od. 18.212, h.Cer. 281 belegt; sie klingt an die variierbare VE-Formel mit γυῖα + (λε)λυντ- im Kontext von Erschöpfung od. Sterben und an Formeln mit aktivischem γούνατα/γυῖα + (ὑπο-)λύω als Umschreibung für ‘töten’ an (406n.). Der Wurzel-Aor. λύτο (nur in der vorl. Halbversformel u. Il. 24.1) ist sowohl medial als auch passivisch auffassbar (80n. [zu ἐλύµην]; ALLAN 2003, 83f. u. 170). — φίλον ἦτορ: 114n.

426 ≈ 3.195; 2. VH = 3.89, 6.213, 8.73, 12.158, Od. 12.191, Hes. Op. 157, 252, ≈ Il. 3.265, 11.619, Hes. Th. 531, h.Cer. 305 (Akk.). — Abschluß der ersten Kampfszene und letzter Auftritt des Ares als Handlungsfigur in der Ilias: Das Bild mit Ares und Aphrodite, die nebeneinander liegen, weckt Assoziationen mit ihrer erotischen

424 ῥ(α): = ἄρα (zur Hiatvermeidung: R 24.1). — στήθεα: zum Plural R 18.2. 425 τῆς: demonstrativ-anaphorisches Pron. (R 17). — αὐτοῦ: ‘auf der Stelle’ (zeitl.). — γούνατα: zur Flexion R 12.5. 426 τώ … ἄµφω κεῖντο: zwei Duale in Kombination mit einer Pluralform (R 18.1). — τώ: Nom. Dual des demonstrativ-anaphorischen Pron. (vgl. R 17). — κεῖντο ἐπί: zum Hiat R 5.6. — πουλυβοτείρῃ: Angangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).

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Beziehung, wie sie durch den Sänger Demodokos in der Odyssee erzählt wird (Od. 8.266–299: 416–426n.; RICHARDSON); wenn sie gemeinsam in der Falle des Hephaistos gefangen auf dem Bett liegen, löst dies Gelächter unter den herbeigerufenen Göttern aus (zum Komischen der Szene s. BIERL 2012a, 124–128). Das Daliegen der beiden besiegten Götter ähnelt aber auch dem Daliegen von Verwundeten und Besiegten in Tötungsszenen der Ilias, s. bes. Il. 4.536–538, 13.392, 16.485, 20.483, 21.118f. (LfgrE s.v. κεῖµαι 1360.5ff. u. 52ff.; KURZ 1966, 18f. 33f.). Durch die Beschreibung mit der Gegenüberstellung von Besiegten und Siegerin 426f. (gr. tō men ar’ ámphō kéinto … | hē d’ ar’ epeuchoménē …: ‘die beiden lagen da … | sie aber sprach stolz …’) wird das Bild von Helfern der Troer gezeichnet, die nicht mehr handlungsfähig sind (BREMER 1987, 40: Ares stehe für den von den Troern geführten Krieg, Aphrodite für Verführung, den Auslöser dieses Krieges). Anders ist die Darstellung des verwundeten Ares im 5. Gesang: Er bleibt handlungsfähig und kann sich aus eigener Kraft vom Schlachtfeld entfernen und über Athene beklagen (5.858–867, 5.871–887). κεῖντο: diese (im Att. gebräuchliche) Form nur hier und Od. 6.19, hom. sonst κείατο (SCHW. 1.679; CHANTR. 1.476). — χθονὶ πουλυβοτείρῃ: flektierbare VE-Formel (Dat./Akk.: 12× Il., 2× Od., 4× Hes., 2× hom.h.): ist insgesamt 13× im fgrE abh. von ἐπί (s. Iterata), hier Lesart einzelner Handschriften, Lesart der Vulgata ist ποτὶ (nur noch Od. 8.378): app. crit. – πουλυβότειρα, Epitheton bei χθονί/-ά und Ἀχαιΐδα, bed. ‘viele ernährend’ (LfgrE s.v.).

427 ≈ 121 (s.d.), 409 (s.d.). 428–433 Zweite Triumphrede Athenes (410–414n.), an Ares und Aphrodite und die Unterstützer der Troerpartei gerichtet (zur Rede-Einleitung 427 s. 409n.). Den größten Raum nimmt das Verhöhnen der Gegner ein, durch die indirekte Feststellung ihrer Niederlage (428f.) und die völlige Verzerrung der Tatsachen mit ironischem Lob der Tapferkeit der unterlegenen Gegnerin (die gar nicht zum Kämpfen angetreten war) anstelle eines Selbstlobs (430f.): STOEVESANDT 2004, 321. Und sie endet mit einem weiteren Element von Triumphreden, der zuversichtlichen Kampfprognose (dazu STOEVESANDT a.O. 310–312): Athene stellt die Zerstörung Troias und das Ende der Kämpfe in Aussicht (432f.), schiebt aber beides zeitlich noch hinaus, denn Bedingung ist, daß der vorausgehende Wunsch (mit dem Vergleich: alle Helfer der Troer mögen sein [428f.] wie Aphrodite [430f.]) sich insgesamt erfüllt. Dies dient auch der Hörerlenkung, denn es läßt sogleich die Frage aufkommen: Wie wird sich nach Skamandros und Ares der weitere Helfer der Troer, Apollon, schlagen? Wird auch er sich blamieren? Der Erzähler läßt ihn denn auch sogleich in Aktion treten (435). 428 ≈ 371; 2. VH ≈ 8.205 (Δαναοῖσιν). — τοιοῦτοι: mit Nachdruck am Satz- und Redeanfang; die Eigenschaften sind 430 erklärt.

428 Τρώεσσιν: zur Flexion R 11.3.

Kommentar

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429 Das Ethnikon ‘Argeier’ ist neben ‘Achaier’ (4 u.ö.) und ‘Danaer’ (517) eine der hom. Bezeichnungen für die Griechen (1.2n.; FOR 24; LATACZ [2001] 2010, 191– 194; [2011] 2014, 490–492). εἶεν, ὅτ’ … µαχοίατο: Kupitiv im Hauptsatz und potentialer Opt. im Nebensatz (der Zeitpunkt ist ungewiß): SCHW. 2.330; WAKKER 1994, 186 Anm. 117; s. auch CHANTR. 2.248. — Ἀργείοισι … θωρηκτῇσιν: θωρηκτής (‘Gepanzerter’) ist eines der im fgrE weniger häufig verwendeten Deverbativa und Denominativa auf -της zur Bezeichnung des Kriegers (277n.); es steht immer am VE als Ergänzung zu einem Ethnikon, außer hier immer Gen. Pl., in der Ilias außer hier immer in Versen der Struktur Τρώων ⏑ ⏑ – ⏑ ⏑ θωρηκτάων (15.689, 15.739, 21.277) bzw. Λυκίων ⏑ ⏑ θ. (12.317), ferner ‘Hes.’ fr. 280.26 M.-W. Ἀθηναίων – – ⏑ ⏑ θ. 430 τε θαρσαλέοι καὶ τλήµονες: θαρσαλέος ist in der Ilias immer positiv konnotiert (‘mutig, tapfer’) und immer im milit. Kontext verwendet, s. z.B. 589 (LfgrE). In der Verbindung mit τλήµων (‘standhaft’) sind die Qualitäten im Offensiv- und Defensivkampf umfaßt (LfgrE s.v. τλήµων).

431 2. VH ≈ 151, 6.127. — Dies ist eine völlige Verzerrung der Tatsachen (s. 416f.), 430f. insgesamt eine ironische Übertreibung (428–433n.).

ἦλθεν Ἄρῃ ἐπίκουρος: Variation der Verbindung ἦλθεν ἀµύντωρ (VE 13.384, 14.449, 15.540), mit Dat. commodi u. Prädikativum zur Angabe der spezifischen Tätigkeit; die Formulierung entspricht Kampfschilderungen, in denen mit ἦλθε … eine weitere Figur in eine bereits ablaufende Kampfhandlung eingeführt wird (KURZ 1966, 122). ἐπίκουρος wird in der Ilias immer mit Bezug auf die Troer-Partei verwendet (LfgrE s.v. ἐπίκουρος). — Ἄρῃ: vokalstämmige Formen nur noch 112, 5.757 u. 5.909 (G 53). 432 τώ κεν δὴ … ἄµµες: ‘so (hätten) wir sicher …’; zu τώ 190–191n.; ἄµµες betont die Partei der Troer-Feinde; die äol. Form nur hier in der Ilias (ferner 3× Od., 1× ‘Hes.’ Sc.): G 11. – Mit δή suggeriert die Sprecherin, daß ihre Folgerung evident ist und von den Adressaten sicher geteilt wird (vgl. BAKKER 1997, 75; CUYPERS 2005, 55f.), an der vorl. St. allerdings nicht so sehr von den Unterstützern der Troer; das Ganze ist also eine kleine Stichelei der Athene. — πτολέµοιο: kann hier, wie oft im fgrE, sowohl ‘Kampf, Kämpfen’ als auch ‘Krieg’ bedeuten (294n.; LfgrE s.v. πόλεµος 1335.8ff.).

433 ≈ 4.33, 8.288 (ἐξαλαπάξαι), 2.133, 13.380 (εὖ ναιόµενον πτ.), vgl. außerdem 2.113, 2.288, 5.716, 9.20 (Ἴλιον ἐκπέρσαντ’ εὐτείχεον ἀπονέεσθαι). — Passend zu einer Triumphrede (428–433n.) stellt Athene die baldige Zerstörung Troias als Werk der Götter selbst dar, während es eigentlich um göttliche Unterstützung für

429 µαχοίατο: 3. Pl. Opt. Med. (R 16.2; ↑). — θωρηκτῇσιν: zur Flexion R 11.1. 430 ὧδε … τλήµονες: Apposition zu 428 τοιοῦτοι. 431 Ἄρῃ: zur Flexion R 12.4. — Ἄρῃ ἐπίκουρος: zum Hiat R 5.6. — ἀντιόωσα: zur ep. Zerdehnung R 8. 432 τώ: ‘dann, so’ (↑). — κεν: = ἄν (R 24.5). — ἄµµες: = ἡµεῖς (R 14.1). — πτολέµοιο: zum πτ- R 9.2. 433 ἐκπέρσαντες: Aor. zu ἐκπέρθω (‘austilgen, zerstören’). — πτολίεθρον: ep. Wort, Erweiterung zu πόλις/πτόλις (zum Anlaut R 9.2).

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die menschlichen Eroberer geht. — Ilios: der andere Name für Troia (1.71n.; FOR 24; LATACZ [2001] 2010, 369–374); zu den ProlepsenP von Troias Ende s. 6.447– 449n. Vier-Wort-Vers mit epexegetischer Funktion; das Ptz. enthält die Hauptaussage (BASSETT 1919, 224). — Ἰλίου ἐκπέρσαντες: flektierbare VA-Formel (8× Il.); zum explikativen Gen. des Ortsnamens bei πτολίεθρον SCHW. 2.121f.; CHANTR. 2.62. — ἐϋκτίµενον πτολίεθρον: VE-Formel zur Umschreibung verschiedener Städte (7× Il. [davon 4× im Schiffskatalog], 4× Od., 2× ‘Hes.’): VISSER 1997, 66–68; zum Wurzelpräsens ἐϋκτίµενον 40n., G 91.

434 = 1.595; ≈ 14.222; 1. VH = 5.426, 15.47, 23.555, Od. 4.609, 5.180, 13.287, 16.476, 23.111, ‘Hes.’ Sc. 115, h.Cer. 357; 2. VH = 377 (s.d.). — Der Satz ‘So sprach sie, aber es fing an zu lächeln die Göttin, die weißarmige Hera’ ist an der vorl. Stelle nur in einigen Hss. enthalten (s. app. crit.) und gilt manchen Herausgebern als interpoliert, d.h. als Konkordanz-Interpolation aus dem 1. Gesang, die den scheinbar abrupten Übergang zur Szene mit der Konfrontation von Apollon und Poseidon mildern sollte (LEAF; RICHARDSON; WEST 2001, 13 mit Anm. 31). Als Abschlußvers nach einer Triumphrede ist er insofern untypisch, als bei diesem Redetyp allenfalls die Reaktion der gegnerischen Seite erwähnt wird (etwa 13.417, 14.458, 14.486, 14.506, 21.136): FINGERLE 1939, 154 mit Anm. 9 (der vorl. V. sei daher “überraschend” und “der Variationslust dieser Partie” zuzuschreiben). Allerdings erführe man durch den Vers an der vorl. Stelle, daß Athene Heras Anweisung (VE von 422) zu ihrer vollsten Zufriedenheit ausgeführt hat; vgl. auch KELLY 2007, 388, zur Formel der 1. VH (“is used where the status or self-conception of the smiler is positively reinforced by the interlocutor’s speech or action”). Außerdem bewirkt das Szenenende mit der bösartig lächelnden Hera einen stärkeren Kontrast zur Ernsthaftigkeit in der folgenden Szene zwischen Poseidon und Apollon. ὣς φάτο· µείδησεν δέ: Zu diesem Rede-Abschlußschema s. 423n., 1.595n.; das Schema der v.l. mit ὣς ἔφαθ’· ἣ δ’ ἐγέλασσε ist sonst nicht belegt. Anders als Zeus’ Lachen (389 ἐγέλασσε … ἦτορ; 508 ἡδὺ γελάσσας angesichts der weinenden Artemis) ist Heras Lächeln in dieser Götterschlacht hämisch und bösartig, hier ebenso wie 491 (µειδιόωσα), wenn sie Artemis Schläge erteilt (HALLIWELL 2008, 68).

435–469 Die zweite Kampfszene (Poseidon–Apollon) ist frei von jeglicher Kampfhandlung: sie besteht nur aus Rede (435–460 Kampfaufforderung, neutral eingeleitet) und Gegenrede (461–467 Ablehnung) und endet mit dem Rückzug des Herausgeforderten (468f.). Die Dialogszene ist ringkompositorischP angeordnet: im Zentrum steht die Schilderung eines gemeinsamen Erlebnisses in der Vergangenheit (442b–457: Leiden der beiden Götter unter den Menschen; die Mauern Troias); in den äußersten Ringen entsprechen sich auf der einen Seite (A) Poseidons Aufforderung zum Zweikampf (436–440) und (B) seine Schelte, Apollon sei töricht (441a), auf der anderen Seite Apollons Argumentation, (B’) er handle vernünftig (462f.) und (A’) werde nicht gegen ihn kämpfen (466f.): LOHMANN 1970, 151f. Der Ton zwischen den Kontrahenten ist hier, im Zentrum dieser Phase der ‘Theo-

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machie’, etwas anders als in den übrigen Szenen. Es besteht ein gewisser Kontrast zu den geradezu humorvollen Kampfschilderungen mit aggressivem und z.T. wenig würdevollem Auftreten von Göttern in der vorausgehenden wie auch in den folgenden Szenen mit angriffig-keifenden Göttinnen (470–492) bzw. dem höchst ironisch begründeten Kampfverzicht des Hermes (497–502): SCHEIBNER 1939, 102–104; RICHARDSON zu 435–69. Poseidon und Apollon agieren ohne Feindschaft und Rachegelüste gegeneinander: Poseidon tritt zwar recht herablassend gegenüber Apollon auf (439–445), erweckt aber auch den Eindruck, es wäre ihm lieber, Apollon sähe seinen Irrtum ein und sie müssten sich nicht bekämpfen (vgl. 20.134: Poseidon möchte keinen Kampf unter den Göttern). Apollon wiederum schlägt ein Handgemenge mit Poseidon auch aus Respekt vor dem Onkel aus (468f. [s.d.]). Die offene Kampfverweigerung führt die Schlacht der Götter ad absurdum. Apollons Begründung, die Menschen seien es nicht wert, daß sie beide sich ihretwegen bekämpften (463–467), bereitet auch das Ende der ‘Theomachie’ vor (498–503, 518– 520a). – Wie Hera und Athene ist Poseidon ein leidenschaftlicher Feind der Troer (s. etwa 15.213–217) und daher Unterstützer der achaiischen Seite (v.a. in den Gesängen 13, 14 u. 20, ferner 21.284–297; alle drei gemeinsam: 20.112–116, 24.25– 28). Den Grund dafür nennt er selbst, nämlich die üble Erfahrung mit Priamos’ Vater Laomedon (441–457 mit n.; ERBSE 1986, 102–104); zudem wurde sein Enkel Amphimachos von Hektor getötet (13.183–189/206–209): LfgrE s.v. Ποσειδάων 1479.9ff. Charakteristisch für den Poseidon der Ilias ist, daß er seine Würde behält, vorsichtig und besonnen gegenüber anderen Göttern agiert (z.B. 15.184–217: pocht zuerst auf sein Recht als dem Zeus Gleichgestellter, gibt dann nach) und nicht blind und undifferenziert wütet (z.B. 20.288–340: rettet Aineias; dazu EDWARDS zu 20.292–320): LfgrE s.v. Ποσειδάων 1479.48ff.; weitere Lit. 435n. Sein Gegner Apollon ist der wichtigste Beschützer der Troer (s. bes. 15.229–262); er sorgt dafür, daß Troias Mauer nicht vor der Zeit zerstört (515–517) und die Stadt erstürmt wird, indem er Patroklos’ Ansturm beendet (16.698–711, 16.788–804) und Achilleus ablenkt (21.544–22.24); zu Apollons Rolle in der Ilias s. 16.94n. (mit Lit.), FG 5; GRAF 2009, 9–25. Ein Grund dafür, daß Apollon als Helfer der Troer fungiert, wird nirgends genannt. Trotz der Mißachtung des Apollon-Priesters durch Agamemnon im 1. Gesang (s. sein Zürnen 1.43–47) kann nach der gemeinsam mit Poseidon erlittenen früheren Erfahrung mit Laomedon seine Parteinahme für die Troer unverständlich wirken (441–455), zumal der Erzähler ihn nicht auf Poseidons Schelte eingehen läßt. Apollon erscheint weniger nachtragend und rachsüchtig als Poseidon. Aber der Erzähler benötigte neben Ares (und der wenig kämpferischen Aphrodite) einen weiteren Helfer der Troer-Partei und starken Gegenspieler der Allianz Poseidon–Hera–Athene. Zur Erklärung wurde auch die Hypothese aufgestellt, Apollon – dessen Name in Linear-B nicht belegt ist – sei ein urspr. lykischer od. gar allg. kleinasiatischer Gott (er wird im 1. Gesang als Lokalgott der Troas ange-

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rufen: 1.37–38n., 1.39n.): Lit. pro und contra lykische Herkunft s. 16.513n., 4.101– 102n.; zur vermuteten Verbindung mit dem hethitischen Theonym Appaliunas aus dem Vertrag zwischen Muwattalli III und Alaksandus von Wilusa s. die Diskussion bei BEEKES 2003; BACHVAROVA 2016, 245–248; BLAŽEK 2017, bes. 647f.; dt. Version des Vertrags bei LATACZ [2001] 2010, 161–166). Ganz anders BURKERT 1975; [1977] 2011, 224f., dessen Herleitung des Namens aus dor. apélla umstritten ist (Lit. 1.14n.). Das Problem bleibt unentschieden (s. CG 5). Vielleicht ist aber der Grund für Apollons Helfer-Rolle weniger in seiner Herkunft als vielmehr in seiner Rolle in Geschichten und Ritualen zu suchen (GRAF 2009, 12): (a) Als Gott der Bogenschützen (s. seine Beinamen ‘der mit dem silbernen/berühmten Bogen’: 229n., 4.101–102n.) paßt seine Parteinahme für den Bogenschützen Paris und dessen Seite (ERBSE 1986, 188–190). (b) Er ist derjenige Gott, der Epheben beschützt, aber auch mit seinem Pfeil tötet, und erhält daher die Rolle des Beschützers jener Kriegspartei, die verlieren wird: deren Hauptverteidiger Hektor wird von ihm beschützt (7.271f., 11.363f., 15.254–257, 20.443f.), stirbt aber, sobald Apollon ihn verläßt, s. 22.202–204 u. 22.213 (GRAF a.O. 11–14). Er paßt auch gut als Gegenspieler des Epheben Achilleus (Lit. zur Theorie der Verbindung zwischen Achilleus und Apollon s. NTHS 52); (c) Darüber hinaus kann Apollon in seiner Funktion als Hüter der Tore und der Haustüre (nachhom. Apollon Propýlaios u. Aigyiéus; dazu GRAF a.O. 93) als idealer Beschützer der Mauern Troias (515–517) angesehen werden, an deren Bau er – zumindest gemäß einer Version der Erzähltradition – selbst beteiligt war, s. 446–447n. und 7.452f. (NILSSON [1940] 1967, 562f. [mit Hinweis auf archäologische Funde in Troia, die von einigen als Pfeiler des Apollon Aigyiéus gedeutet wurden]; KORFMANN 1998, bes. 475f.; 1998a, 374–377 [zu Funden von Stelen an den Toren Troias und einer möglichen Verbindung zum anatolischen Gott Appaluwa-/Appaliunas]; dazu vorsichtig LATACZ a.O. 88. 405 Anm. 54; zum archäologischen Befund s. auch KLINKOTT 2004, 57f.). 435 1. VH (bis zur Zäsur C 1) ≈ 15.220, 16.666, 21.228 (καὶ τότ’ …); 2. VH (von der Zäsur B 1 an) = 8.208, 13.215. — Erderschütterer: Zeus’ Bruder Poseidon hat zwar bei der Herrschaftsaufteilung das Meer zugeteilt bekommen (15.190), ist aber auch der Herr der Erdtiefe und Erdbeben (er läßt zu Beginn der Schlacht die Erde gewaltig erbeben: 20.57b–65); er gilt als kraftvoll und steht als zweitstärkster der Götter hinter Zeus in einer gewissen Rivalität mit diesem (7.446–458, 15.158–228); zu seiner Rolle in der Ilias und zum Poseidonkult s. 14.135n. (Lit. a.E.); FG 23; LfgrE s.v. Ποσειδάων. – Distinktive EpithetaP und Beinamen können selbständig für den Gottesnamen stehen, vgl. 436 Phoibos.

435 αὐτάρ: progressiv (R 24.2).

Kommentar

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αὐτὰρ … προσέφη: Rede-Einleitung als unvermittelter Beginn einer neuen Kampfszene. — κρείων Ἐνοσίχθων: VE-Formel (6× Il., 2× Od.), bestehend aus dem generischen EpithetonP κρείων (194n.) und Ἐνοσίχθων (s. die VE-Formel Ποσειδάων ἐνοσίχθων (287n.).

436–460 Poseidons Rede ist eine eher untypische Herausforderungsrede, in Ton und Inhalt völlig anders als die vorausgehende des Ares, eher von oben herab belehrend und dadurch provozierend (RICHARDSON zu 435–69): Poseidon begründet seine Beschimpfung ausführlich damit, daß Apollon nach der gemeinsam erlebten Erfahrung mit Laomedon die falsche Seite unterstütze (441–460); seine Überlegenheit demonstriert er, indem er Apollon großzügig und gönnerhaft den ersten Schlag überläßt und dies damit begründet, daß er selbst älter sei und damit größere Erfahrung habe (439f.); eine Drohung fehlt (zum Element des Drohens STOEVESANDT 2004, 308f.). Provokativ kann der tadelnde Hinweis wirken, fehlender Kampfwille bedeute Schande (436–438), wobei der Sprecher sich aber einbezieht (1. Pers. Pl.) und auf den Kodex heroischen Verhaltens verweist (436–438n.; vgl. die tadelnden Kampfparänesen 16.421–425n.). Bemerkenswert ist auch, daß Poseidon den Bau der Mauer Troias für sich allein beansprucht (446–447n.). 436–441 Die zahlreichen Enjambements tragen dazu bei, daß die ganze Rede äußerst lebhaft wirkt (bes. 437, 440, 442, 445, 451, 454), s. auch den Rede-Einstieg mit ähnlichem Versbau in den Vv. 436, 439, 441: Appell (Vokativ bzw. Imperativ), vollständiger Satz, Neueinsatz nach der Zäsur C 2 (Negation) und Enjambement.

436–438 Daß nun, da die ersten begonnen haben zu kämpfen, auch für Poseidon der Moment gekommen ist, paßt zum Gespräch zu Beginn der Schlacht 20.138ff.: Poseidon hatte Heras Aufforderung einzugreifen mit dem Argument abgelehnt, er mische sich erst ein, wenn Ares oder Apollon den Kampf eröffneten oder Achilleus behinderten. Seine Aufforderung zum Kampf erfolgt weniger aggressiv, als vielmehr nachlässig herablassend (‘die anderen haben schon angefangen, wir sollten nun auch’). Dabei läßt der Erzähler Poseidon mit sozialen Konventionen argumentieren: gr. éoike (‘es ist passend, angemessen, es gehört sich’) ist einer der Ausdrücke für den gemäß “common opinion or social precedent” sanktionierten “standard of appropriateness” (LONG 1970, 135f.); ähnlich sind Formen des gr. Adjektivs aischrόs (hier Komparativ áischion ‘schimpflicher, schmählicher’) verwendet, s. bes. 2.119 u. 2.298 über die Schande der Achaier bei Abbruch des Feldzugs und Heimkehr ohne Eroberung Troias (LONG a.O. 132f.; CAIRNS 1993, 58–60; YAMAGATA 1994, 233). 436 1. VH ≈ 12.310; VE ≈ 379. — Phoibos: Herkunft und Bedeutung von Apollons Beinamen sind unklar (steht viell. in Zusammenhang mit spartanischen Initiationsriten an einem ‘Phoibaion’ genannten Kultort): BURKERT 1975, 14f. Anm. 56. οὐδὲ ἔοικεν: VE-Formel (5× Il., 5× Od.).

436 τίη: ‘warum?’ — νῶϊ: Personalpron. der 1. Pers. Dual im Nom. (R 14.1); zum Prädikat im Pl. R 18.1. — διέσταµεν: Perf. zu δι-ίσταµαι: ‘wir stehen auseinander, stehen getrennt (von

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437 ἀρξάντων ἑτέρων: eines der eher seltenen Beispiele eines gen. absolutus bei Homer (CHANTR. 2.324); ἑτέρων (‘die anderen’) steht anstelle von τῶν ἄλλων (LfgrE s.v. ἕτερος 757.75ff. — ἀµαχητεί: hom. hapaxP, bed. ‘ohne zu kämpfen, kampflos’, eine Adverbbildung auf -ει (viell. urspr. ein Lokativ) zum Verbaladj. ἀ-µάχητος (RISCH 366; CHANTR. 1.249f.; ANGHELINA 2007 [bes. 7]).

438 1. VH ≈ 15.133, 20.142; 2. VH = 1.426, 21.505, ≈ 14.173; vgl. auch Od. 8.321, 13.4. — zurückkehrten zum Olymp: So wird die ‘Theomachie’ enden (518– 520a); nur Apollon wird nach Troia gehen (515–517: in Sorge um die Stadtmauer). ποτὶ χαλκοβατὲς δῶ: VE-Formel, in der Ilias immer nach Διός (s. Iterata). Das Epitheton, gebildet zu χαλκός und βαίνω, bed. ‘wo man auf Erz schreitet’ (LfgrE s.v. χαλκοβατές; RISCH 83f.: der s-Stamm -βατές nach dem Vorbild ὑψερεφὲς δῶ) und bezieht sich wohl eher auf die Schwelle als auf den Fußboden (vgl. die Junktur χάλκεος οὐδός 8.15, Od. 7.83, 7.89, Hes. Th. 749f., 811 und die Verbindung von (ὑπερ-)βαίνω und ‘Schwelle’ in der Odyssee: ROUGIER-BLANC 2005, 144). Das Epitheton signalisiert in erster Linie Pracht und Beständigkeit von Götterbehausungen (s. zum Metall in Palästen von Hephaistos u. Poseidon 18.370– 371n.) bzw. des märchenhaften Palastes des Alkinoos; ein Bezug zur Realität muß nicht gegeben sein (14.173n. mit Lit.). – δῶ (‘Haus’) gehört zur Wz. von δέµω/δόµος/δῶµα (FRISK; DELG s.v. δῶ 1290; weitere Lit. 1.426n.; BEEKES s.v.).

439 Fange an!: Indem Poseidon den Vorteil der Kampferöffnung dem Gegner überläßt, demonstriert er sein Überlegenheitsgefühl. Derartiges Auftreten kann herablassend, gönnerhaft und damit provozierend wirken, vgl. 7.232 Aias im Duell mit Hektor und 7.235f. Hektors heftige Reaktion auf die Herausforderungsrede (dagegen Losverfahren im zeremoniellen Zweikampf 3.314–317): STOEVESANDT 2004, 328 Anm. 976. Zudem erklärt Poseidon, dies sei das angemessene Verhalten des Älteren und daher Überlegenen dem Jüngeren gegenüber (440 ‘schön’ gr. kalón; dazu LfgrE s.v. καλός 1312.33ff.; YAMAGATA 1994, 228–230).

σὺ … νεώτερος: Zur Ellipse des Prädikats s. 108n. — γενεῆφι: bed. eigtl. ‘Abkunft, Familie’, ist in Verbindung mit νεώτερος/-τατος (noch 14.112) od. ὁπλότερος/-τατος (2.707, 9.58) u.ä. zur Angabe des relativen Lebensalters verwendet (LfgrE s.v. γενεή).

440 ≈ 19.219; 2. VH (ab πρότερος) ≈ 13.355. — da ich … weiß: Höheres Alter wird sowohl mit Überlegenheit und Dominanz in Verbindung gebracht, s. 15.162–167 (Zeus drohend gegenüber Poseidon, dessen Einsicht 15.206–211), als auch mit Le-

einander’, d.h. kämpfen nicht). — οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — οὐδὲ (ϝ)έ(ϝ)οικεν: zur Prosodie R 4.3. 437 τό: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — µέν: ≈ µήν (R 24.7). — αἴσχιον: sc. ἐστι . — αἴ κ(ε): αἰ = εἰ (R 22.1), κεν = ἄν (R 24.5); zur Elision R 5.1. 438 ἴοµεν: kurzvokalischer Konj., hier prospektiv. — Οὔλυµπόνδε: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1); zum Suffix -δε R 15. — ποτί: = πρός (R 20.1). 439 γενεῆφι: zur Form R 11.4. 440 γενόµην: zur augmentlosen Form R 16.1. — πλείονα: = πλέονα (vgl. R 13). — πλείονα (ϝ)οῖδα: zur Prosodie R 4.3.

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benserfahrung und daher größerem praktischem Wissen, s. noch 19.218f. (Odysseus über sich zu Achilleus), ähnlich 11.786–789 (Nestor über Achilleus und den älteren Patroklos), 13.355 (Erzähler über Zeus im Vergleich zu Poseidon), 4.310/322f. (Nestors Kampferfahrung). πλείονα οἶδα: flektierbare VE-Formel (s. Iterata u. Od. 12.188).

441–457 Auch der Herausforderer der zweiten Kampfszene will, daß sich der Gegner an ein gemeinsames Erlebnis erinnert. Während Ares daraus seinen Anspruch auf Rache herleitet (394–399n.), dient Poseidon das Erinnern dazu, seine Schelte zu erklären und indirekt seinen Angriff auf Apollon, den jüngeren Gott, zu rechtfertigen (WEST 2011, 381; vgl. DE JONG 2004, 20). Im Vordergrund steht für ihn, daß der Vorfall eine gemeinsam erlittene üble Erfahrung in Troia war; sprachlich verdeutlicht ist dies durch: das gr. Pronomen der 1. Pers. Dual, nṓi (‘wir/uns beide’) in den Vv. 443 (erlittenes Übel), 451 (um Lohn geprellt) und 456 (Heimkehr mit Ingrimm); gr. amphotérōn (‘beiden’) V. 455 (körperliche Gewalt angedroht); gr. ḗtoi egṓ … sy d’ ‘ich … du’ Vv. 446/448 (die vertraglich vereinbarten Arbeiten). Er beschreibt v.a., wie der Troer-König Laomedon gewaltsam (451) und massiv drohend (452f., 455) auftrat und wortbrüchig wurde (457), sie beide daher zornig und voll Ingrimm zurückkehrten (456f.); dem wird Apollon nicht widersprechen. Poseidon geht es also nicht darum, Apollon einzuschüchtern, sondern evident zu machen, daß er auf der falschen Seite steht (vgl. Argument-FunktionP). – In diesem Erinnern zeigt sich die in der Ilias auch sonst häufige Technik der bruchstückhaften und verstreuten Anspielungen auf Mythen aus der Vorgeschichte Troias und aus anderen Sagenkreisen (s. bes. zum Herakles-Mythos 19.133n., FM 6); zum vorl. Mythos und den versch. Versionen s. 443n. (Laomedon), 444n. (Auftrag des Zeus), 446–447n. (Mauerbau). Die expliziten Aufforderungen an eine FigurP, sich zu erinnern, weisen vielleicht auch den Hörer/Leser auf Bekanntes hin (so MORAN 1975, 201–203; CURRIE 2016, 140f.; vorsichtig SCODEL 2002, 149). 441 VE ≈ 8.201, 15.553, 24.235, Od. 1.59. — νηπύτι(ε): Das Schimpfwort ist hier Ausdruck der Empörung über Apollons Haltung, für den die gemeinsam erlebte üble Erfahrung jetzt offenbar keine Rolle mehr spielt; anders dagegen in der ersten Herausforderungsrede (410– 411n.). — ἄνοον κραδίην: κραδίη ist eine der seelisch-geistigen Instanzen, in der sich u.a. eine best. Gesinnung od. ein Charakterzug zeigt; die vorl. Verbindung ist singulär. Poseidon wirft Apollon eine innere Haltung vor, die nicht vom Verstand gelenkt sei (LfgrE s.vv. ἄνοος u. κραδίη 1516.44ff.). — ἔχες: Das Impf. umfaßt den Zeitraum von dem Moment an, als Apollon sich für Unterstützung der Troerpartei entschied, bis in die Gegenwart (AH; WILLCOCK; vgl. schol. bT: ἀντὶ τοῦ ἔχεις). — οὐδέ νυ τῶν περ: VE-Formel mit wechselndem 441–442 ὡς: ‘wie …!’ (Ausruf). — ἄνοον: zur unkontrahierten Form R 6. — κραδίην: = καρδίαν; zum -η- nach -ι- R 2. — ἔχες: Impf. von ἔχω (R 16.1). — οὐδέ νυ τῶν περ | µέµνηαι: ‘nicht einmal daran erinnerst du dich’; περ betont das vorangehende Wort (R 24.10). — µέµνηαι, ὅσα: zum Hiat R 5.6; zur unkontrahierten Form R 6. — κακὰ (ϝ)ίλιον: zur Prosodie R 4.3. — Ἴλιον ἀµφί: = ἀµφὶ Ἴλιον (R 20.2); örtlich.

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Pronomen (s. Iterata) und teilweise γε anstelle von περ (6× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’); vgl. auch 410–411n.

443 Laomedon: Vater des Priamos, Besitzer berühmter Pferde, die sein Urahn Tros von Zeus bekommen hatte (5.265–267; die Genealogie der Dardaniden s. 20.215– 240; Lit. dazu FM 8, 24.349n.). In der Ilias erscheint Priamos’ Vorgänger als mehrfacher Wortbrecher – ein Charakterzug, der wohl im Mythos vorgegeben war: Zuerst betrog er Poseidon und Apollon um den versprochenen Lohn, indem er sie nach einjährigem Arbeitsdienst ohne Entgelt fortjagte (450–457); als danach Herakles Laomedons Tochter Hesione vor dem Meeresungeheuer rettete, das Poseidon daraufhin gesandt hatte (Anspielung 20.145–148), enthielt er ihm die als Lohn versprochenen Pferde vor, worauf Herakles die Stadt eroberte (5.638–651, 14.250f.); zum Mythos und seinen nachhom. Quellen s. KlP u. DNP s.v. Laomedon; WEST 2011, 32. Die Geschichte erscheint wie ein Mythos über vererbte Schuld, als ein weiteres Glied in der Kette von schuldhaftem Verhalten der Troer, das den Zorn von Göttern heraufbeschworen hat (LOUDEN 2006, 183–187). Der ErzählerP vermeidet es aber, diese Ursachenreihe (Wortbruch des Laomedon – Urteil des Paris – Raub der Helena) explizit vorzuführen, sondern begnügt sich mit leisen, verstreuten Anspielungen darauf (vgl. RICHARDSON zu 441–57); in seiner Erzählstrategie steht der Eidbruch durch den Schuß des Pandaros (4.86–222) und damit die Entwicklung des Krieges aus der Ilias-Handlung selbst im Vordergrund (SCHADEWALDT [1938] 1966, 154f. Anm. 1). ἀγήνορι: Kompositum mit Hinterglied zu ἀνήρ, das Vorderglied wird entweder zu ἄγω gestellt (‘Männer antreibend’) od. als ἀγα- (‘über das Normalmaß hinausgehend, sehr’) gedeutet (LfgrE, DELG u. BEEKES s.v.; GRAZIOSI/HAUBOLD 2003, 61f.). Das Adj. dient der Qualifizierung von Heroen (in der Ilias noch von Achilleus 9.699 und den Troern 10.299, in der Odyssee v.a. von den Freiern) und von θυµός (2.276n.); die Eigenschaft ist je nach Kontext positiv (‘kühn, mutig, stolz’) od. wie hier negativ (‘übermütig, frech’) gewertet.

444 von Zeus: deutet lediglich an, daß sie den Arbeitsdienst auf Anordnung von Zeus und somit nicht freiwillig ausführten. Von verschiedenen Interpreten wird dieser auferlegte Arbeitsdienst als Strafe für eine Revolte gegen Zeus aufgefaßt und eine Verbindung zur 1.397–400 erwähnten Revolte von Hera, Poseidon und Athene hergestellt (schol. T; KULLMANN 1956, 17f.; LANG 1983, 147f.). Diese Hypothese ist aber nicht zwingend und führt zu mehreren Unstimmigkeiten (Apollon ist an der im 1. Gesang erwähnten Revolte nicht beteiligt; es handelt sich um Lohnarbeit). Den Grund für diesen Arbeitsdienst nennt Poseidon nicht, denn der spielt hier keine Rolle; viel wichtiger ist der Umstand, daß es um Auftragsarbeit gegen vereinbarten Lohn ging, s. 444f., 450–452, 457 (PRIESS 1977, 42 Anm. 4; SCODEL 2002, 148f.; s. auch 1.400n. [zu Παλλὰς Ἀθήνη]). 443 µοῦνοι: = µόνοι (µόνϝοι: R 4.2). — νῶϊ: 436n. — ὅτ(ε): ‘als’. 444 πάρ: = παρά (R 20.1).

Kommentar

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θητεύσαµεν: ‘als Lohnarbeiter dienen, um Lohn arbeiten’ (i.d.R. als Tagelöhner und für eine begrenzte Zeit), Ableitung zu θής, der Bez. für den freien Lohnarbeiter, s. Od. 18.357–359, Hes. Op. 600–603 (schol. D; LfgrE s.v. θητεύω; WEST zu Hes. Op. 602; WICKERT-MICKNAT 1983, 155. 174–176). — εἰς ἐνιαυτόν: VE-Formel (2× Il., 3× Od., 4× Hes., 3× hom.h.), meist erweitert durch τελεσφόρον (dazu 19.32n.).

445 Vereinbarungen mit Lohnarbeitern und -arbeiterinnen (hier noch 450f., 457) werden auch an anderen Stellen explizit erwähnt: Od. 18.357–361, Hes. Op. 370, h.Cer. 172f., vgl. h.Cer. 166–168 ≈ 221–223 (WICKERT-MICKNAT 1983, 173–176).

µισθῷ ἔπι ῥητῷ: zur Formulierung vgl. h.Cer. 173 (ἐπ’ ἀπείρονι µισθῷ), ferner Il. 10.304 (δώρῳ ἔπι µεγάλῳ). µισθός ist idg. Erbwort zur Bezeichnung sowohl der Belohnung für eine bes. Leistung (10.304) als auch wie hier des Lohnes für geleistete Arbeit (s. bes. noch 12.435, Od. 10.84f., 18.357f., h.Cer. 173); das hom. hapaxP ῥητός (‘besprochen’, Verbaladj. zu εἴρω), ist hier der Hinweis auf eine mündlich festgelegte Vereinbarung über den Lohn, s. 457 und vgl. Hes. Op. 370 (µισθὸς … εἰρηµένος): schol. D; WICKERT-MICKNAT 1983, 176 (mit Lit.). — σηµαίνων: bed. absolut gebraucht ‘das Kommando, die Leitung innehaben’, vgl. Od. 17.21, 22.450 (LfgrE s.vv. σηµαίνω, σηµάντωρ).

446–447 Über den Bau der ‘gotterbauten’ Mauer Troias (8.519, s. auch 526) gibt es in der Ilias zwei Versionen, beide aus dem Munde des Poseidon: hier baute er sie allein, 7.452f. zusammen mit Apollon. Dies muß nicht als Widerspruch gedeutet werden, vielmehr läßt der Erzähler Poseidon reden, wie es seiner Argumentation am meisten dient: In der vorl. Rede stellt er die spezifischen Arbeiten in den Vordergrund (446f., 448f.), für die ihnen der vereinbarte Lohn vorenthalten wurde, um zu zeigen, wie töricht Apollon sei, wenn er jetzt auf der Seite der Troer zu stehe; viell. soll zusätzlich provozierend wirken, wenn Poseidon seine Leistung für Troia hervorhebt (alleiniger Erbauer der Mauer) und Apollons Verdienst um die Wehrhaftigkeit Troias schmälert; in der Rede 7.446–453 empört er sich über die mögliche Geringschätzung der Mauer durch die Menschen und legt das Gewicht darauf, daß sie doch ein Werk von Göttern sei (RICHARDSON zu 441–57; DI BENEDETTO [1994] 1998, 70f.; vgl. 7.451–453n.). Eine weitere, erst nachhom. belegte Version, in der Aiakos, ein Sterblicher, beim Bau mitgeholfen hat, verbirgt sich viell. in Andromaches Hinweis auf eine Schwachstelle in der Mauer (6.433f.: vorsichtig 6.433– 434n.). Antike Quellen zu den versch. Versionen über den Mauerbau s. GUNNING 1924, 750–752. – Auf die Mauern Troias wird im Verlauf von Achills Ansturm des öftern verwiesen (s. noch 277f. [Achills Tod durch Apollon], 295, 516f., 530, 534, 536, 540, 557, 608), ebenso im 22. Gesang (Hektors Tod). ἄρρηκτος: ‘nicht einzureißen’ (zu ῥήγνυµι); ist sonst eine Eigenschaft der Mauer (vgl. 14.55f., 14.68 [Mauer des Schiffslagers], Od. 10.3f.), hier auf die ganze Stadt übertragen.

445 µισθῷ ἔπι: = ἐπὶ µισθῷ (R 20.2); zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — ἔπι (ϝ)ρητῷ: zur Prosodie R 4.5. — ὅ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. 446 ἤτοι: R 24.4. — Τρώεσσι: zur Flexion R 11.3. — πόλιν πέρι: = περὶ πόλιν (R 20.2).

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448 In der Ilias findet sich eine weitere Anspielung auf einen Hirtendienst des Apollon, nämlich bei Admetos (2.766 mit n.; FG 5; zu den nachhom. Hinweisen auf Apollons Funktion als Beschützer von Herden s. NILSSON [1940] 1967, 536–538). – Das Hüten von Herden wird oft auch von Angehörigen der Führungsschicht übernommen, Beispiele s. 6.424n., 24.29n. (Priamos-Söhne), 14.445n.; zu den Beschreibungen des Hirtenlebens (in entlegenen, menschenleeren Gegenden) s. 282–283n. Φοῖβε, σὺ δ(έ): Zur Position von δέ bei Satzbeginn mit Vokativ (oft hinter das erste Wort des folgenden Satzes verschoben, ebenso 498) s. DENNISTON 189. — εἰλίποδας … βουκολέεσκες: Die VE-Formel εἰλίποδας ἕλικας βοῦς (9.466, 23.166, ferner 3× Od., 2× Hes.) ist hier mit βουκολέεσκες um eine figura etymologica erweitert (HOEKSTRA 1965, 67f.). Die beiden Adjektive – die u.a. auch in den VE-Formeln ἕλικας βοῦς (1× Il., 2× Od., 1× h.Merc.) und εἰλίποδας βοῦς (1× Il., 1× Od., 2× h.Merc.) verwendet werden – sind distinktive EpithetaP von βοῦς, beide wohl mit der Wurzel von εἴλω/ἑλίσσω ‘drehen’ gebildet; Etymologie und Bed. sind allerdings unsicher: εἰλίπους mit Bezug auf den Gang der Rinder, bei dem die Hinterbeine – anders als bei dem der Pferde – im Halbkreis nach vorne bewegt werden (‘schleppfüßig’: 6.424n. mit Lit.), ἕλιξ viell. mit Bezug auf die Hörner (‘krummhörnig’: 18.524n. mit Lit.); ausführliche Diskussion der Deutungen von der Antike bis in die Gegenwart bei LE FEUVRE 2015, 445–463.

449 ≈ 22.171, Hes. Th. 1010; 1. VH = Il. 2.821, 11.105; ≈ 21.559. — Idagebirgs: Gebirgskette im Südosten Troias, reich an Quellen (heute Kazdağɩ; s. Karte im Kommentar zum 14. Gesang, Appendix Abb. 1; zu ihren versch. Gipfeln 14.292n.). An ihren Hängen ließen in Friedenszeiten die Bewohner das Vieh weiden (4.475n.); auf einem ihrer Gipfel hält sich Zeus des öftern auf und beobachtet das Geschehen (14.157–158n.). An der vorl. Stelle dominieren Angaben zum landschaftlichen Charakter (ELLIGER 1975, 55: zusammen mit V. 448 “ein ‘bukolisches’ Miniaturbild”; vgl. auch LUCE 1998, 37). κνηµοῖσι: viell. von κνήµη ‘Wade’ abgeleitet (DELG s.v. κνηµός), die Bed. ist unsicher: viell. ‘Abhang’, als Bez. für den oberen Teil des Berges “entsprechend dem Verhältnis von Fuß und Wade” (vgl.Ἴδης ἐν κορυφῇσι 4× Il., 1× Hes.): VISSER 1997, 138 Anm. 81. — πολυπτύχου: ‘reich an Falten’, d.h. Höhen und Schluchten; Epitheton auch des Olymp (8.411, 20.5, Hes. Th. 113). — ὑληέσσης: generisches EpithetonP, meist von Gebirgen od. von bergreichen Inseln (z.B. Samos 13.12, Zakynthos Od. 1.246 u.ö.): LfgrE.

450 Das gr. Substantiv hṓrē bez. einen Zeitabschnitt des Jahres (die Jahreszeiten Frühling [2.471 mit n.], Sommer/Herbst [Hes. Op. 584], Winter [Od. 5.485]). Daneben tritt das Kollektiv der Hṓrai als Personifikation des richtigen Zeitpunkts auf (in der Ilias in der Funktion von Dienerinnen auf dem Olymp: FG 35). An der vorl. Stelle umschreibt der ganze Ausdruck polygēthées hṓrai (‘viel Freude bereitende 448 εἰλίποδας (ϝ)έλικας: zur Prosodie R 4.5. — βουκολέεσκες: Iterativ-Form (-σκ-: R 16.5) zu βουκολέω ‘(Rinder) weiden, hüten’. 449 κνηµοῖσι: zur Flexion R 11.2. 450 µισθοῖο: zur Flexion R 11.2. — πολυγηθέες: zur unkontrahierten Form R 6.

Kommentar

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Jahreszeiten’) den Ablauf des Jahres (vgl. bes. Od. 10.469, 11.295, 14.294, Hes. Th. 58, h.Ap. 350), der hier Zufriedenheit und Genugtuung bringt v.a. im Hinblick auf das Ende der Arbeit (LfgrE s.v. ὥρη; RICHARDSON).

ἀλλ’ ὅτε δή: 1–2n. — µισθοῖο τέλος: bez. wohl dynamisch ‘die Vollendung (d.h.: die Bezahlung) des Lohnes’ (verbal 457 µισθοῦ …, τὸν … οὐκ ἐτέλεσσεν: AH; RICHARDSON; WAANDERS 1983, 55f.; GUNDERT 1983, 116–118), nicht statisch ‘das Ende (der Arbeit), das in der Lohnzahlung besteht’ (so LfgrE s.v. τέλος 388.27ff.). Der Temporalsatz ὅτε … ὧραι | ἐξέφερον verweist auf den Zeitpunkt der Auszahlung. — πολυγηθέες: iliad. hapaxP, auch Epitheton des Dionysos (Hes. Th. 941, Op. 614, ‘Hes.’ fr. 70.6 [ergänzt]). 451 ἐξέφερον: ‘herausbrachten, zur Vollendung brachten’, vgl. die Wendung τελεσφόρος ἐνιαυτός (LEAF; LfgrE s.v. φέρω 853.30ff.). — νῶϊ βιήσατο µισθόν: bed. ‘er zwang uns den Lohn ab’; dopp. Akk. wie bei Verben des Wegnehmens (v.a. bei ἀφαιρεῖσθαι: z.B. 1.182), bei βιάζοµαι allerdings nur hier, als “gewagtere poetische Konstruktion” (SCHW. 2.82; CHANTR. 2.43).

452 Zu Laomedons Gebaren vgl. 443n. ἔκπαγλος: zu ἐκπλήσσω/ἐκπλαγῆναι ‘erschrecken’ (DELG s.v. ἔκπαγλος: aus *ἔκ-πλαγλος); ist hier viell. wegen des Klangeffekts mit den folgenden Wörtern gewählt (RICHARDSON). — ἀπειλήσας δ’ ἀπέπεµπεν: Alliteration zur Betonung des Wegjagens, vgl. z.B. 9.309 ἀπηλεγέως ἀποειπεῖν, 15.31 ἵν’ ἀπολλήξῃς ἀπατάων.

453–455 In der Ilias finden sich weitere Erzählungen von Sterblichen, die Göttern gegenüber gewaltsam auftreten – s. bes. 5.383–400: Dione versucht, damit die verwundete Aphrodite zu trösten (s. u.a. 5.383–391: Fesselung des Ares durch Otos und Ephialtes) – oder von Sterblichen, die es wagen, sich mit ihnen zu messen (Liste der Mythen s. 6.130–140n.). Aus der vorl. Stelle wird nicht deutlich, ob Laomedon wusste, wer seine Lohnarbeiter sind; gemäß nachhom. Quelle sind die beiden Götter in Menschengestalt aufgetreten, um Laomedon auf die Probe zu stellen (schol. Ge zu 444; ‘Apollod.’ Bibl. 2.5.9), vielleicht ein Versuch, das Ungeheuerliche des Vorfalls plausibel zu machen. Ähnliches Vorgehen findet sich in der Odyssee, wo nicht nur das Verfrachten in die Fremde (Od. 17.249f., 20.381–383, 21.307b–309), sondern auch das zusätzliche Abschneiden der Ohren (und weiterer Gliedmaße) angedroht (18.84–87, 18.115f. von Antinoos dem Bettler Iros) und sogar als Strafe ausgeführt wird (22.475–477 an Melanthios; ferner 21.300f. [Rede des Antinoos] durch die Lapithen am Kentauren Eurytion); die derartig Traktierten stehen aber auf einer tiefen sozialen Stufe. Allg. zum Menschenhandel s. 40–41n.; zu Belegen für das Abschneiden von Nase und Ohren als Strafe in altorientalischen Monarchien s. WEST 1997, 430.

451 νῶϊ: Personalpron. der 1. Pers. Dual im Akk. (R 14.1).

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ὅ γ’ … | … | ὅ γ(ε): betont die Identität des Subjekts in der Aufzählung der Untaten 450ff. (AH zu 455; weitere Stellen K.-G. 1.656f.). 454 2. VH = 22.45. — περάαν: Inf. Futur (zur Zerdehnung G 48), parallel zu δήσειν; das asigmatische Fut. steht neben dem Nasal-Präsens περνα- (18.292 περνάµεν(α), 22.45 περνάς, ferner 24.752 πέρνασχ’; dazu Aor. ἐπέρασα) wie δαµάᾳ 22.271 neben δαµνα(CHANTR. 1.354 Anm. 2; HAURI 1975, 16; TUCKER 1990, 207; BEEKES s.v. πέρνηµι; allg. zu asigmatischem Fut. auf -άω SCHW. 1.784; CHANTR. 1.448). Das Verb bed. im fgrE ‘(in die Fremde) verkaufen, exportieren’ (s. auch 40f., 58, 78f., 102 von Kriegsgefangenen), wobei der Umstand im Vordergrund steht, daß jd. weit weg übers Meer verfrachtet wird und damit für die Angehörigen nicht mehr erreichbar ist und auch nicht leicht flüchten und zurückkehren kann (WICKERT-MICKNAT 1983, 138f.; SCHEID-TISSINIER 1994, 74–77); zur gegenseitigen semant. Beeinflussung der idg. Wurzeln *perh2- (‘verkaufen’) u. *per- (περάω ‘durchqueren, übersetzen’) s. 40n. — τηλεδαπάων: ‘fern, in der Ferne’, in der Ilias Epitheton von Inseln (s. Iteratvers), in der Odyssee Bez. für ‘Fremde’ (LfgrE); die inhaltlich schwächere v.l. θηλυτεράων wurde in der Antike u.a. mit ‘fruchtbar’ erklärt (schol. T zu 22.45; RENGAKOS 1993, 142f.). 455 στεῦτο: athemat. episches Verb mit der Bed. ‘deutlich sein, deutlich machen’, hier als verbum dicendi ‘er machte deutlich, daß er … (LfgrE s.v. στεῦται). — ἀπολεψέµεν: bed. eigtl. ‘abschaben, wegschälen’, nur hier und 1.236 (περὶ … ἔλεψεν: Blätter und Äste vom Holzstab), ein drastischer und etwas gesuchter Ausdruck für das Abschneiden der Ohren (vgl. ἀπὸ … τάµνω Od. 18.86, 22.475f., ἀπὸ … ἀµάω 21.300f.): LfgrE s.v. λέπω; vgl. auch schol. A u. b; zu den vv.ll. ἀποκοψέµεν (Vulgata), ἀπολοψέµεν (Pap., zu ὀλόπτω ‘ausreißen’, Verb der alexandrinischen Dichtung) und ἀπολουσέµεν (Eust. 1246.26) s. WEST 2001, 260. — χαλκῷ: meton. für Waffe (37–38n.). 456 von der Zäsur A 3 an ≈ Od. 9.501. — δέ τ(ε): signalisiert in der Mehrheit der hom. Belege “un fait permanent” (RUIJGH 650ff.), was für die vorl. Stelle jedoch als unzutreffend empfunden wurde (DENNISTON 531; CHANTR. 2.342; s. auch v.l. nur mit δέ); τ’ wurde daher als Hiatvermeidung erklärt od. durch Konjekturvorschlag δ’ ἔτ(ι) korrigiert (MONRO [1882] 1891, 304; präferierte Lesart bei RUIJGH 697. 699; Vorbehalte u. Diskussion DENNISTON a.O.). Die ganze Aussage hat deutlich durativen Charakter, s.u. — ἄψορροι: 381–382n. — κίοµεν κεκοτηότι θυµῷ: Formen des defektiven Verbs ἔκιον sind oft als metr.-prosod. Varianten zum Impf. von εἶµι verwendet (LÉTOUBLON 1989, 86f.; KÖLLIGAN 2007, 162f.). Durativer Aspekt zeigt sich jedenfalls in den beiden Partizipien, die den Gemütszustand beschreiben (κεκοτηότι … | … χωόµενοι), der zumindest für den Sprecher immer noch gilt. κεκοτηότι θυµῷ ist VE-Formel (noch Od. 9.501, 19.71, 22.477), eine Steigerung zu τετιηότι θυµῷ ([‘bedrückt’] 3× Il., s. bes. Il. 11.555 = 17.664 von einem Löwen, dem die erlegte Beute

453–454 σύν … | δήσειν: dazu πόδας καὶ χεῖρας als Obj.; zur sog. Tmesis R 20.2. — µὲν ὅ γ(ε): fortgesetzt in 455 δ’ ὅ γ(ε) (↑). — νήσων ἔπι: = ἐπὶ νήσων (R 20.2). — τηλεδαπάων: zur Flexion R 11.1. 455 ἀπολεψέµεν: Inf. Fut. (R 16.4) zu ἀπο-λέπω ‘wegschaben’. — οὔατα: = ὦτα (Akk. Pl. von οὖς ‘Ohr’). 456 νῶϊ: 436n. — κίοµεν: defektives Verb mit der Bed. ‘gehen’.

Kommentar

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verwehrt wird). κοτέω bez. eine anhaltende Abneigung, hier im Ptz. Perf. als dauerhaften Gemütszustand den schwelenden Groll, den Ingrimm (etwa ‘voll von Ingrimm’, vgl. 1.81– 82n.; CAIRNS 2003, 31: κότος als “long-term consequence of an offense”; WALSH 2005, 37f.). Die Wendung mit θυµῷ kann die Tiefe einer Empfindung signalisieren, ist hier aber viell. eher versfüllend anstelle des einfachen Partizips eingesetzt (WALSH a.O. 54f.; vgl. JAHN 1987, 204 mit Anm. 36: θυµός ohne semantischen Eigenwert; zu den metr. gleichwertigen VE-Formeln mit θυµῷ s. FRIEDRICH 2007, 109f.). 457 ὑποστὰς … ἐτέλεσσεν: vgl. 445n., 450n.

458–460 Poseidon schließt seine Rede mit Sarkasmus und offenbart seine ungestillte Rachsucht: Diesen Leuten erweise Apollon immer noch Gunst (zum gr. Ausdruck s.u.) anstatt jetzt endlich die Gelegenheit zur Vergeltung zu nutzen. Allerdings werden nach hom. Kriegsbrauch bei der Eroberung einer Stadt nur die erwachsenen Männer getötet, die Frauen und Kinder dagegen am Leben gelassen und versklavt (s. 4.238f., 9.593f., 24.732ff., Od. 14.264f.): 6.57b–60n. (mit Lit.). So zeigt sich in Poseidons Worten 459f. zusätzlich ein hohes Maß an Brutalität, ähnlich wie in Agamemnons wütendem Wunsch, alle Troer, sogar die ungeborenen Knaben im Mutterleib, mögen zugrunde gehen (Il. 6.57–60). 458 λαοῖσι: bez. die Vielzahl zusammengehöriger Menschen (‘Leute’), in der Ilias – themabedingt – meist die ‘Männer unter Waffen, Kämpfer’ (1.10n.); an der vorl. Stelle umfaßt der Ausdruck τοῦ … λαοῖσι (‘dessen Leuten’) zunächst die Kämpfer jener einst von Laomedon beherrschten Stadt, denen Apollon auf dem Schlachtfeld nun beisteht (so LfgrE s.v. λαός 1640.27ff.), dann auch insgesamt die Bevölkerung mit Frauen und Kindern, s. 460 (HAUBOLD 2000, 40f.). — φέρεις χάριν: ‘Gunst erweisen’, allg. einen Gefallen, einen Freundschaftsdienst erweisen, dann auch spezieller als Ausdruck für Parteinahme und Hilfeleistung, hier und 5.873f. für göttliche Unterstützung v.a. im Kampf (LfgrE s.v. χάρις; LATACZ 1966, 89f.). — µεθ’ ἡµέ͜ων: µετά ist bei Homer selten mit Gen. konstruiert (häufiger mit Dat.), hier mit der Bed.‘mit’ (CONTI 2003, 111f.: Kooperation; SCHW. 2.483f. u. CHANTR. 2.119: vom Standort, also ‘mitten unter uns, auf unserer Seite’). 459 πειρᾷ, ὥς κεν: πειρᾷ ist die bei Homer seltene Kontraktionsform der 2. Sg. Med. (aus *πειράεαι: *πειράε’ ὥς κεν), noch 24.390/433 πειρᾷ ἐµεῖο mit Hiatkürzung (CHANTR. 1.57; zum Hiat M 8); davon abhängig ist ein Finalsatz: ‘versuchen’ i.S.v. ‘sich bemühen, daß …’ (CHANTR. 2.297; LfgrE s.v. πειράω). — Τρῶες ὑπερφίαλοι: Anklang an 414 (s.d.). 460 2. VH ≈ 6.250, Od. 10.11 (παρ’). — πρόχνυ: eigtl. ‘vorn auf die Knie’ (Ableitung zu γόνυ: DELG s.v. γόνυ; BEEKES s.v. πρόχνυ), konkret 9.570 πρόχνυ καθεζοµένη, übertragen

457 µισθοῦ: gen. causae, inhaltlich durch den folgenden Rel.-Satz erläutert. — τόν: demonstr.anaphor. Pronomen in der Funktion eines Relativpron. (R 14.5). — ὑποστάς: Ptz. Aor. zu ὑφίσταµαι ‘versprechen’. — ἐτέλεσσεν: zum -σσ- R 9.1. 458 τοῦ: von λαοῖσι abhängiger gen. possessivus, gemeint ist Laomedon (demonstrativ-anaphorisches Pron.: R 17). — ἡµέ͜ων: = ἡµῶν (R 14.1); zur Synizese R 7. 459 ὡς: final (+ Modalpartikel: R 21.1). — κεν: = ἄν (R 24.5). 460 αἰδοίῃς: zur Flexion R 11.1.

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bei (ἀπ)ολέσθαι hier u. Od. 14.68f. (SCHW. 1.328: vgl. dt. ‘in die Knie zwingen’; LE FEUVRE 2015, 283–287). — αἰδοίῃς: hat als Epitheton von Frauen zugleich akt. und pass. Bed., “die weibliche αἰδώς üben und denen man αἰδώς erweist”, also etwa ‘ehrbar, ehrwürdig’ (LfgrE s.v. 269.69ff.; s. auch CAIRNS 1993, 120f.). 461 = 15.253, ≈ 7.37, 20.103; 1. VH = insgesamt 34× Il., 46× Od., 2× Hes., 1× h.Merc.; ≈ (τήν) 8× Il., 11× Od., 1× h.Cer.; 2. VH = Od. 8.323, h.Ap. 357, 382, 420, 440, h.Merc. 333, 500. — Zu diesem Typus der Rede-EinleitungsformelP PARRY (1928) 1971, 10ff.; EDWARDS 1970, 5f. — αὖτε: Adversativpartikel zur Verdeutlichung des Sprecherwechsels (Lit.: 3.58n.). — προσέειπε: 149n. — ἄναξ ἑκάεργος Ἀπόλλων: mit der VE-Formel ἑκάεργος Ἀπόλλων (insgesamt 9× Il., 1× Od., 8× hom.h.) gebildete Halbvers-Formel (2× Il., 1× Od., 6× hom.h.); metr.-prosodisches Äquivalent zu ἄναξ Διὸς υἱὸς Ἀπόλλων (u.a. Iterata 7.37, 20.103, insgesamt 4× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’, 4× hom.h.). Zur vorl. Formel mit ἑκάεργος s. PARRY (1928) 1971, 178 (“is undoubtedly the older”). – Das distinktive EpithetonP ἑκάεργος (ein Possessivkompositum mit Hinterglied ἔργον) bed. wohl urspr. soviel wie ‘mit Wirkung nach eigenem Willen’ (Vorderglied zu ἑκών: RISCH 220; DELG u. BEEKES s.v. ἑκάεργος), wurde aber wohl als ‘mit Wirkung aus der Ferne’ verstanden (zu ἑκάς), auf das Bogenschießen des Gottes bezogen und als metr. Variante neben ἑκηβόλος und dessen Ableitungen verwendet (dazu 1.14n., 1.147n.).

462–469 Der Gedanke, daß es für Götter nicht der Mühe wert ist, um der Sterblichen willen zu streiten, wird auch andernorts von Göttern als Argument vorgebracht: wenn sie sich wie hier aus dem Kampf heraushalten wollen (8.427–431 Hera zu Athene wegen Zeus’ Verbot zu kämpfen); wenn sie andere zur Zurückhaltung auffordern (379f. Hera zu Hephaistos [s.d.]; 1.573–575a Hephaistos zu Hera; 15.138– 141 Athene zu Ares; ähnlich Poseidon zu Hera 20.133–137). Hier scheint das Argument dazu zu dienen, den eigentlichen Grund für den Rückzug zu kaschieren, denn der ErzählerP gibt Apollon zwei Motive für seine Absage an den Herausforderer, den Anlaß (Kampf wegen Angelegenheiten der Menschen) und Scheu oder gar Furcht vor dem Gegner, s. den Erzähler-Kommentar 468f. und betontes ‘mit dir’ (gr. soi ge) in V. 463 (SCHÄFER 1990, 139–141; WEST 2011, 381, zu 461–9: “a professed and a psychological motive”). So vermeidet er es, diese beiden Götter gegeneinander kämpfen zu lassen; beide können unversehrt und unbesiegt bleiben, v.a. Apollon, der sich weiterhin für den Schutz der Stadt einsetzen wird (515–517, 538f., 545–611) (SCHEIBNER 1939, 47; WEST a.O.). Zugleich legt der Erzähler Apollon eine Kernaussage zu dieser Schlacht der Götter in den Mund: der Gott offenbart, welch große Distanz zwischen den unsterblichen Göttern und den Menschen in ihrer Vergänglichkeit besteht (464–466a; s. bereits 5.440–442 Apollon in seiner Warnung an Diomedes): ERBSE 1986, 187; zu Apollon als “Gott der Ferne” s. BURKERT (1977) 2011, 230; s. auch 383–514n. Abschn. (3). Dagegen steht Apollons emotionale Parteinahme für Sterbliche 7.24–32, 24.33–54 (jeweils mit n.).

461 προσέειπεν: = προσεῖπεν.

Kommentar

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462 bei gesundem Verstand: Das gr. Adjektiv saόphrōn bed. ‘gesund denkend, vernünftig’ und hat im fgrE (noch Od. 4.158 Telemachos, h.Bacch. 49 ein Steuermann, ferner Od. 23.13, 23.30 das Subst. saophrosýnē) v.a. eine intellektuelle und noch nicht, wie später, eine ethische Komponente. Apollon wehrt sich so gegen Poseidons Vorwurf 441a; denn mit Recht könnte dieser sagen, den Kampf gegen den älteren (d.h. erfahreneren: 439f.) und stärkeren Gott, den Bruder des eigenen Vaters Zeus (469), nur um der Sterblichen willen zu wagen, wäre kein vernünftiges Verhalten. Dies zu erkennen ist ein Zeichen von Klugheit und der Fähigkeit, die eigene Position und die eigenen Interessen einzuschätzen, vgl. die Aufforderung gnṓthi sautón des delphischen Apollon (NORTH 1966, 2–8 [zur vorl. St.: 4f.: “prudential element” und “first traces of self-knowledge as a component of sophrosyne”]; ERBSE 1986, 186–188; SCHÄFER 1990, 139f.; RADEMAKER 2005, 42f. mit Anm. 2 [“prudential ‘self-interest’”, betont aber zu stark “moral considerations”, die im Kontext relevant seien]. 53f. [im Vergleich zu αἰδώς “a rather more ‘cognitive’ or ‘rational’ quality”]; COLLOBERT 2011, 119f.). Ἐννοσίγαι(ε): 287n.

463–466a In der Aussage ist konzis das Typische der Menschen und ihres Daseins erfaßt. Einige Formulierungen erinnern zwar an solche im Dialog zwischen Glaukos und Diomedes 6.141–149 (RICHARDSON; DI BENEDETTO (1994) 1998, 319–322; GRETHLEIN 2006, 88f.; GARCIA 2013, 240f.), dienen hier aber in erster Linie dazu, den großen Kontrast zum Dasein der Götter zu evozieren (THALMANN 1984, 90f.): Der Vergleich mit Blättern ist einerseits ein Bild für die Hinfälligkeit und Vergänglichkeit der Menschen (Lit. s. 6.146–149n.) mit ihrer nur kurzen Lebensdauer (464– 466 gr. állote … | … | állote … ‘bald …, bald schon…’), das hier durch den Bogen von ‘feurig-lebenskräftig’ (465 gr. zaphlegées) zu ‘leblos’ (466 gr. akḗrioi) verdeutlicht ist; andererseits kann damit auch die große Menge an Menschen veranschaulicht werden (Aufmarsch von Heeren: 2.468, 2.799–801 [aus dem Mund der Iris], Od. 9.51). Sie erscheinen so als vergängliche, endliche Wesen und insgesamt als unbedeutende Masse (FRÄNKEL 1921, 40f.; FORNARO 1992, 38f.). Auch durch ihre Nahrung (465b, ebenso Il. 6.142 [s.d.]; ähnlich 13.322, Od. 8.222, 9.89, 10.101) unterscheiden sie sich von den Göttern, die sich von Nektar und Ambrosia ernähren (Il. 5.339b–342, Od. 5.92f., 5.195–199). Dies ist kaum als schlechte Nachahmung von Il. 6.142–149 zu verstehen, die sich nur als Parodie jener Stelle erklären lasse (so LEAF; dazu RICHARDSON: “a totally unfair verdict”). 463 2. VH ≈ 8.428 (Hera zu Athene). — εἰ δὴ … πτολεµίξω: ‘wenn ich wirklich …’, die Gründe für 462 hervorhebend (σοί γε βροτῶν ἕνεκα); in der futurischen Formulierung (statt potentialer Opt.) liegt die Skepsis gegenüber Poseidons Aufforderung zum Kämpfen 436– 462–463 οὐκ ἂν … µυθήσαιο | … εἰ πτολεµίξω: gemischte kondizionale Periode (Potentialis – Realis im Fut.). Zum πτ- R 9.2. — σαόφρονα: = σώφρονα (R 6). — ἔµµεναι: = εἶναι (R 16.4).

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439a: σαόφρων genannt zu werden setzt voraus, jetzt nicht zu kämpfen (HENTZE 1908, 142 mit Anm. 1; vgl. WAKKER 1994, 167f.; PULLEYN 2000, 261; zu den verschiedenen Nuancen von εἰ δή s. WAKKER a.O. 351–357). — σοί γε: betont, im Erzählertext 468f. erläutert. — βροτῶν: 379n. 464 VE ab der Zäsur C 2 ≈ Hes. Th. 830 (γάρ); ≈ 5× Il., 3× Od., 2× Hes. (δ’ αὖτε). — δειλῶν: Das Bedeutungsspektrum reicht von ‘schwächlich, minderwertig’ bis ‘beklagenswert, elend’ (LfgrE; HOFFMANN 1914, 8: ‘erbärmlich’). Das progressive EnjambementP mit Hyperbaton (s. dagegen die VE-Formel δειλοῖσι βροτοῖσιν 3× Il., 3× Od., 1× Hes.) ermöglicht das Hinzufügen von erläuternder Information, wobei das runover word, Ausdruck von Apollons Geringschätzung der Menschen, großes Gewicht erhält (EDWARDS 1966, 142). — φύλλοισιν ἐοικότες: ebenso 2.800; eine Version von Vergleichsformeln bestehend aus -σιν ἐοικότ- vor der Zäsur C 2 (16× Il., 4× Od., 2× Hes. Th.): HOEKSTRA 1981, 49f. 465–466 2. VH von 465 ≈ 6.142. — ζαφλεγέες τελέθουσιν … | … φθινύθουσιν ἀκήριοι: komprimierte Beschreibung des menschlichen Daseins im Gegensatz zu demjenigen der Götter, eingerahmt von chiastisch angeordneten Ausdrücken für das Werden und Vergehen. ζαφλεγέες ist hom. hapaxP, gebildet aus ζά (äol. für διά, ebenso ζατρεφής, ζάθεος u.a.) ‘durch und durch, sehr’ und -φλεγής zu φλέγω ‘brennen’ (RISCH 216), also ‘heftig flammend, feurig’ hinsichtlich Lebenskraft, Vitalität (schol. D; nachhom. von Gestirnen, s. bes. von den πῶλοι des Planeten Mars im neuplaton. Hymnus an Ares h.Mart. 7f.). Antithetisch dazu steht ἀκήριοι, ein Kompositum mit α privativum, das in der Ilias mit der Bed. ‘ohne Herz/Lebenskraft, leblos’ verwendet ist (etymologisch zu κῆρ ‘Herz’), ähnlich wie hier noch 7.100, 11.392 (ferner bei δέος 5.812/817, 13.224); hingegen bed. es Od. 12.98, 23.328 ‘ohne Todeslos, dem Todeslos entronnen’ (wohl zu κήρ; ebenso Hes. Op. 823, h.Merc. 530): LfgrE s.v. ἀκήριος; zur Etymologie SOMMER 1948, 152. – τελέθω ist eine Ableitung mit der gleichen Wurzel wie πέλοµαι (*kṷelh1-: LIV 386 mit Anm. 18), steht semantisch näher bei γίγνοµαι als bei εἶναι und bed. hier ‘auftreten, in Erscheinung treten’ (LfgrE s.v. τελέθω; CHANTR. 1.327). Den Gegensatz dazu bez. φθινύθω (intrans. ‘dahinschwinden, allmählich zugrunde gehen’: Il. 2.346, 6.327 u.ö.). Zum Verbalsuffix -θ- s. CHANTR. 1.326ff.; RISCH 278 (häufig “bei Verben, die einen physiologischen Vorgang bezeichnen”). — ἀλλὰ τάχιστα: Zu ἀλλά und zu τάχιστα (hier ‘schnellstens’ i.S.v. ‘sofort’) s. 311n. 467 δηριαάσθων: Das Denominativum zu δῆρις (‘Streit, Kampf’, urspr. ‘Zerspaltung, Zwietracht’: FRISK; BEEKES) bed. ‘streiten’ mit Worten od. auch mit Waffen, im kriegerischen Kontext bedeutungsgleich zu µάχεσθαι, aber mit der Konnotation ‘sich im Kampf abmühen’ (TRÜMPY 1950, 142f.).

464 ἄλλοτε µέν τε: fortgesetzt in 466 ἄλλοτε δέ. — τε: ‘episches τε’ (R 24.11). 465 ζαφλεγέες: zur unkontrahierten Form R 6. — ἀρούρης: zum -η- nach -ρ- R 2. 467 παυσώµεσθα: zur Endung R 16.2. — αὐτοί: ‘selbst’, d.h.: ohne uns Götter. — δηριαάσθων: 3. Pl. Imp. zu δηριάοµαι (‘streiten, kämpfen’); zur ep. Zerdehnung R 8.

Kommentar

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468–469 1. VH von 468 (bis zur Zäsur C 2) ≈ 415 (s.d.); 2. VH von 468 (ab der Zäsur C 2) bis 1. VH von 469 ≈ Od. 6.329f. (v.l. αἴδετο); 2. VH von 469 ≈ Il. 13.286, Hes. Th. 306. — denn er …: Der ErzählerP gibt bisweilen eine Erklärung für die vorher beschriebene Handlung der FigurP, hier dafür, daß Apollon Poseidon eine Abfuhr erteilt und sich sogleich abwendet, ohne dessen Reaktion abzuwarten (RICHARDSON 1990, 148f. u. 235 Anm. 16f. [Stellensammlung]). Zudem erfährt der Rezipient hier einen weiteren Grund für Apollons Verhalten, den dieser nicht zugeben möchte (DE JONG [1987] 2004, 111–114. 269 Anm. 38). Dabei läßt der Erzähler offen, ob Apollon sich bereits jetzt seinem Einsatz zum Schutze Troias zuwendet (s. 515ff.). — empfand Scheu: Der gr. Begriff aidéomai (‘aidṓs empfinden, scheuen’) bez. die Achtung, den Respekt vor dem Status oder dem Alter des anderen, sowie die Scheu, den anderen zu verletzen oder sein Mißfallen zu erregen (zur Wortfamilie bei Homer 1.23n., 6.442n.; CAIRNS 1993, 48ff.). An der vorl. Stelle ist es der Respekt vor dem ‘Vaterbruder’, viell. auch verbunden mit dem Mißfallen an der Vorstellung, mit ihm handgemein zu werden (gr. Vier-Wort-Vers 469). Zudem schwingt sicher auch der Respekt vor der Stärke des Gegners mit (s. 439f.); zu diesem Verhalten vgl. das Verhältnis Zeus–Poseidon 13.355–357 u. 15.222–228 (Poseidon vermeidet eine Konfrontation mit Zeus) und Poseidon–Athene Od. 6.328–330, 13.341f. (SCHÄFER 1990, 140; RICHARDSON z.St.; zur Verbindung von aidṓs und Furcht CAIRNS a.O. 49 [der allerdings die vorl. St. nicht vermerkt]). πάλιν ἐτράπετ(ο): zu πάλιν vgl. 415n. — πατροκασιγνήτοιο: Die Bez. ‘Vaterbruder’ (‘Oheim’, lat. patruus) ist bei Homer nur für Poseidon verwendet, außer hier noch Od. 6.330, 13.341f. in ähnlichem Kontext (Athenes Respekt vor einer Konfrontation mit Poseidon), außerdem Hes. Th. 501, h.Cer. 31; das lange Wort vor der Zäsur B 2 wirkt gewichtig (LfgrE). — µιγήµεναι ἐν παλάµῃσιν: singuläre Wendung für den Einzelkampf (eigtl. ‘sich in die Hände des … vermischen, begeben’, i.S.v. ‘handgemein werden mit’); vgl. dagegen die Wendungen 14.386f. τῷ (sc. Poseidons Schwert)… µιγῆναι | ἐν δαῒ λευγαλέῃ (‘sich mischen mit, treffen auf etw.’), ferner vom Nahkampf 13.286 µιγήµεναι ἐν δαῒ λυγρῇ und weitere Stellen mit µίσγοµαι + Dat. der Pers. (‘sich im Kampf mischen [unter], treffen [auf]’), außerdem 23.687 σὺν δέ σφι βαρεῖαι χεῖρες ἔµιχθεν (von Faustkämpfern): LfgrE s.v. µίσγω 227f.44ff. u. 228.61ff.

470 Artemis unterstützt wie ihr Zwillingsbruder Apollon und ihre Mutter Leto die Troer-Partei (20.38–40, s. auch 5.445–448: alle drei kümmern sich um den verwundeten Aineias). Bemerkenswert ist hier der Graben zwischen den Geschwistern (470–478), die andernorts im fgrE in enger Verbundenheit gezeigt sind (20.39, 24.605f., Od. 15.410, Hes. Th. 14, 918, h.Ap. 15, 158f., 165, 199, hom.h. 27.1–3). Artemis spielt in der Ilias und der Odyssee keine große Rolle, denn sie steht in enger 468 ὥς: = οὕτως. — ῥα: = ἄρα (R 24.1). 469 µιγήµεναι: Inf. Aor. zu µείγνυµαι ‘sich mischen’ (R 16.4). — παλάµῃσιν: zur Flexion R 11.1.

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Verbindung zu Frauen (im Zusammenhang mit ihren Tänzen Il. 16.183 [s.d.], dem Tod von Frauen 6.205 u.ö. [s.d.]) und zu wilden Tieren (5.51f., 9.538ff.): FG 7; ERBSE 1986, 190–192. Diese Wirkungsbereiche läßt der Erzähler Hera nennen, um sie in ihrer Schimpftirade als kampfuntauglich zu verhöhnen (483b–486). — Herrin der Tiere: Die Benennung der Artemis als ‘Herrin der wilden Tiere’ (gr. pόtnia thērṓn), die in dieser Form nur hier bezeugt ist (s.u.), verweist auf ihre Hauptfunktion als eine Göttin, die sich v.a. in der Wildnis bewegt, als Göttin der Jagd, welche die wilden Tiere sowohl hegt als auch tötet, s. auch 5.51f., Od. 6.102–106, h.Ven. 16–18, hom.h. 27.4–10 (FG 7; BURKERT [1977] 2011, 231f.; OLSON 142 [zu 18]; Lit. zu bildlichen Darstellungen der ‘Herrin der Tiere’ s. LfgrE s.v. πότνια 1500.1ff.; zur assyrischen Parallele des Titels bei Ischtar s. WEST 1997, 56). πότνια θηρῶν: singuläre Bezeichnung für Artemis (bei Anakreon fr. 348.3 Page wird sie als δέσποιν’ Ἄρτεµι θηρῶν angerufen: schol. bT; RICHARDSON), mit Anklang an das VE µητέρα θηρῶν (das Ida-Gebirge) in einem Formelvers (4× Il., 1× h.Ven.: 14.283n.) und an formelhafte Titel wie etwa πότνια Ἥρη (25× Il., 4× h.Ap.: 1.551n.) und πότνια µήτηρ (21× Il., 13× Od., 3× h.Cer.: 16.37n.); zu πότνια als titelähnlicher Bez. für verschiedene Göttinnen s. LfgrE s.v. (mit Liste der Göttinnen 1502.18ff.); im Mykenischen s. DMic s.v. po-ti-ni-ja. 471 2. VH = 393 (s.d.). — Der Vers ist in allen Hss. und Papyri überliefert, mag aber nach der Rede-EinleitungP 470 redundant wirken. Daher hielten ihn antike Erklärer wie Aristarch u. Aristonikos für ‘überflüssig’ (schol. A u. T z.St. und zu 511; zu Aristarchs Athetese LÜHRS 1992, 68f.) und deuten ihn moderne Interpreten als interpolierte Glosse, mit der die Umschreibung der Göttin erklärt werden soll (AH; LEAF; WEST 2001, 13 Anm. 30). Der Fall ist allerdings nicht gleich wie etwa 71–73 od. 4.336f., wo mittels eines Formelverses nur ein verbum dicendi nachträglich hereingebracht wird (73n.); νείκεσε allein würde zwar ausreichen (s. z.B. 5.471), aber mit Ἄρτεµις ἀγροτέρη bringt der Vers eine Präzisierung analog 20.70f. (daher unentschieden: RICHARDSON; APTHORP 1999, 18f.). — ἀγροτέρη: bed. ‘im Freien lebend, wild’; ist eine Kontrastivbildung mit dem Suffix -τερο- (SCHW. 1.534 [Gegensatz zu ὀρέστερος]; CHANTR. 1.257; WITTWER 1970, 59f.; LfgrE s.v. ἀγρότερος), im fgrE v.a. Epitheton von wild-lebenden Tieren (486) im Gegensatz zu solchen in Gehegen und Ställen, hier der Artemis als Göttin der Wildnis, des ‘Draußen’ und als πότνια θηρῶν (470), die in Distanz zum Leben der geordneten Polis agiert (DNP s.v. Artemis; BURKERT [1977] 2011, 283; zur nachhom. kultischen Verehrung der Ἄρτεµις Ἀγροτέρα s. RE s.v. Agrotera und s.v. Artemis 1378f.).

472–477 Artemis’ Schelte ist aufgrund der Situation mit tadelnden Kampfparänesen vergleichbar (s. bes. Agamemnon vor der Schlacht 4.242–249, 4.338–348, 4.370– 400), die geprägt sind von empörten Fragen, Appellen an das Ehrgefühl und Vorwürfen wegen Feigheit (vgl. 16.421–425n., 16.626–632n.; STOEVESANDT 2004, 298–301. 304 mit Anm. 904). In Inhalt und Aufbau entspricht sie der Grundstruktur von ‘Scheltreden’ (2.225–242n. [mit Lit.]; MINCHIN 2007, 23ff. [bes. 30]. 150ff. [zur vorl. St.: 153–155]): (1)–(2) Anrede, Kritik (472a/474 in der Form von empör471 φάτο: Impf. von φηµί (vgl. R 16.1; zum Med. R 23).

Kommentar

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ten Fragen); (3) Darstellung des Fehlverhaltens (472b–473); (4) Handlungsaufforderung (475–477). Dabei hält Artemis in ihrem heftigen Wutausbruch nicht mit übertriebenen Spitzen zurück (RICHARDSON: “we return to a more petty level”). So ist etwa der Bogen (474) zwar Apollons Waffe (20.68), aber viell. nicht so geeignet in dieser Zweikampf-Situation; für Apollon ist er in der Ilias in erster Linie das Werkzeug, mit dem er den Menschen den plötzlichen Tod oder Seuchen bringt (1.43–52: 1.43–52n.; GRAZIOSI 2016, 54; vgl. BURKERT [1977] 2011, 225). Und Artemis’ Aufforderung (475–477) enthält nicht eine Ermutigung zum Standhalten u./od. Kämpfen (s. etwa 8.94–96), sondern einen weiteren Vorwurf, nämlich die Diskrepanz zwischen seiner früheren Prahlerei und dem jetzt fehlenden Kampfeinsatz. 472 Der Beginn mit einer entrüsteten Frage ist typ. für Scheltreden (FINGERLE 1939, 210) und tadelnde Kampfparänesen (Liste u. Lit. s. STOEVESANDT 2004, 299f. Anm. 894). Artemis unterstellt Apollon Mutlosigkeit, ein indirekter Appell, Poseidons Kampfaufforderung anzunehmen (vgl. die Appelle zum Standhalten STOEVESANDT a.O. 300f. Anm. 898). Ἑκάεργε: Das Epitheton (‘aus der Ferne Wirkender’: 461n.) ersetzt öfter wie hier den Eigennamen (als Anrede noch 7.34, 22.15, h.Ap. 242, h.Merc. 307, 464, 472, 492). Ob seine Verwendung hier in Verbindung mit der Erwähnung von Apollons Bogen 474 zu sehen ist (so FRIEDRICH 2007, 96), bleibt fraglich. 473 µέλεον: bed. ‘inaktiv, wirkungslos’, auf εὖχος bezogen hier geradezu ‘leer, nichtig’, da kampflos und somit unverdient erhalten (schol. D: µάταιον; AH; CORLU 1966, 178; RICHARDSON; vgl. Eust. 1247.29ff.: ἀπ’ ἐναντίας ἐστὶ πρὸς τὸ µέγα εὖχος). — εὖχος ἔδωκας: εὖχος verweist auf die Gelegenheit zum εὔχεσθαι (‘sich rühmen’) nach dem Sieg über den Gegner (s. 501 und die Triumphreden 409, 427), bed. also ‘Ruhmesrede, Siegesjubel’ (16.625n. mit Lit.). Die Junktur von εὖχος u. διδόναι ist geläufig, an gleicher Versstelle wie hier noch 5.285 ≈ 11.288 (ἐµοὶ δὲ µέγ’ εὖχος ἔδωκας/-κε); Übersicht über die formelhaften Wendungen bei MUELLNER 1976, 108f. 474 νηπύτιε: vgl. 410–411n. (Athene zu Ares); zur kurzen Endsilbe des Vokativs im longum vor der Zäsur vgl. die ähnlichen Fälle 24.88n. (Θέτι); WEST 2018, 367f. — τί νυ: ‘warum nur? wozu nur?’, hier die Frage in ungehaltenem Ton (ebenso 4.31, 16.859: 1.414n.; zu νυ vgl. 410–411n.). — ἀνεµώλιον: bed. eigtl. ‘windig, windartig’ (zu ἄνεµος, die Wortbildung ist unklar: FRISK u. DELG s.v. ἄνεµος), von Waffen metaphorisch ‘nutzlos’ (noch 5.216 Bogen u. Pfeile des Pandaros, vgl. 5.205; außerdem 20.123 von den Göttern der TroerPartei), ferner von Worten ‘aus der Luft gegriffen, haltlos’ (4.355n.; LfgrE s.v. ἀνεµώλιος). — αὔτως: ‘nur so, einfach so’, hier i.S.v. ‘umsonst’ (K.-G. 1.655; LfgrE s.v. αὔτως 27ff.; BONIFAZI 2012, 285ff., bes. 287f.).

475–477 Artemis’ Behauptung dient der Provokation, unabhängig davon, ob es sich um eine Erfindung handelt (so WILLCOCK 1977, 49f.) oder nicht. Der tadelnde 472 δή, (ϝ)εκάεργε: zur Prosodie R 4.4. — Ποσειδάωνι: zur unkontrahierten Form R 6. 473 δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3; οἱ = αὐτῷ (R 14.1).

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Hinweis auf frühere Prahlerei ist ein typ. Motiv in Kampfparänesen und ähnlichen Reden, s. bes. 20.83ff. (Apollon als Lykaon zu Aineias), ferner etwa 2.286ff., 3.430f., 8.228ff., 13.219f., 16.200ff. (STOEVESANDT 2004, 304 mit Anm. 904; weitere Lit. in 16.200–201n.). 475–476 Der gr. Begriff mégaron kann u.a. ‘Halle’ bedeuten (v.a. als Gemeinschaftsraum eines Hauses) od. allg. ‘Wohnung, Haus’ (LfgrE s.v. µέγαρον 63.33ff.). Die gr. Wendung en megárois(in) (‘in den Hallen’) ist daher gleichbedeutend mit ‘im Haus’ (Lit. 24.209a n.), der Zusatz ‘des Vaters’ (patrós) läßt sogleich an eine Familienszene denken. πατρὸς … | εὐχοµένου: ≈ 1.396f. — εὐχοµένου: bed. ‘(mit Stolz) von sich sagen, angeben’, hier geradezu ‘prahlen’ (CORLU 1966, 46f.; vgl. 410–411n.). — ἐνὶ µεγάροισιν: formelhaft nach der Zäsur B 2 (12× Il., 46× Od., 1× Hes., 2× hom.h.) und zwischen A 2 u. B 1/2 (31× Il./Od.): 1.396n. — ἀθανάτοισι θεοῖσιν: VE-Formel (8× Il., 8× Od., 9× Hes., 13× hom.h.), wird auch mit den Präpositionen ἐν, µετ(ά) (500), ἐπ(ί), ὑπ(ό) erweitert; die Wendung ἐν/ µετ’ ἀ. θ. hat hier u. 500 die Konnotation ‘öffentlich’. 477 2. VH ≈ 10.451, 15.179, 20.85. — ἄντα: 331–332n. — ἐναντίβιον: bed. soviel wie ‘Mann gegen Mann’, d.h. ‘in offener Konfrontation’, urspr. wohl wie ἀντιβίην u. ἀντίβιον ‘Kraft gegen Kraft’ (226n.; unterschiedliche Erklärungen zur Wortbildung und zum Verhältnis zu ἐναντίον bei DELG s.v. βία; FRISK s.v. ἐναντίβιον); bildet eine flektierbare VE-Formel mit πτολεµίξων/-ξειν (s. Iterata) und mit µαχέσασθαι (8.168, 8.255, 22.223).

478 1. VH bis zur Zäsur C 1 = 1.511; ≈ 4.401, 5.689, 6.342, 8.484, Od. 20.183; VE = 461 (s.d.). — Die ausdrückliche Erwähnung, daß eine Gegenrede ausbleibt, findet sich in ganz unterschiedlichen Situationen (6.342n.; KIRK zu 6.342; weitere Stellen 1.511n.). Hier leitet der Erzähler nahtlos zur nächsten Kampfszene über, indem er anstelle des Adressaten eine dritte Figur auf die Rede reagieren läßt (Szenenablauf ‘A spricht zu B, C interveniert’): KIRK zu 6.342; SCHÄFER 1990, 141f.; WALSH 2005, 145f. Der Grund dafür, daß Apollon in keiner Weise reagiert, liegt wohl darin, daß er jeglichen Streit vermeiden will: Er verweigert sich nicht nur Poseidon, dessen Herausforderung zu Handgreiflichkeiten er explizit ablehnt, sondern auch Artemis, indem er ihre Provokation ignoriert, sich nicht verteidigt und so die verbale Auseinandersetzung mit ihr vermeidet (ähnlich KELLY 2007, 348f.). 479–496 In der dritten Kampfszene, in der sich Hera und Artemis gegenüber stehen, zeigen sich Rivalität und Aggressivität der älteren Göttin und Beschützerin der Ehefrauen gegenüber der ungebundenen und unverheirateten jungen Frau, die ebenfalls 475–476 µὴ … ἀκούσω: µή + Konj. ‘daß nicht …’ (drohend). — σεο … | εὐχοµένου: GcP, abhängig von ἀκούσω; σεο = σοῦ (R 14.4). — εὐχοµένου, ὠς: zum Hiat R 5.6. — ἐνί: = ἐν (R 20.1). — ἐνὶ (µ)µεγάροισιν: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). — ἐν: ‘unter, bei’. — ἀθανάτοισι: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 477 ἄντα Ποσειδάωνος: ‘gegen Poseidon’. — πτολεµίξειν: zum πτ- R 9.2. 478 ὥς: 468n. — φάτο: 471n. — προσέφη (ϝ)εκάεργος: zur Prosodie R 4.4.

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für Bereiche von Frauen zuständig ist (483f.; FG 16). Das Ganze gleicht einer Familienszene, in der ein Kind gezüchtigt wird (hier von der Stiefmutter), in Tränen ausbricht und beim anderen Elternteil Trost sucht (489–496, fortgesetzt 505–514): BURKERT (1982) 2003, 110f.; (1991), 2001, 82; SCHÄFER 1990, 141–144; vgl. Familienszenen mit einem gewalttätigen Zeus 14.256–261n.; zur Parallele im 5. Gesang, wo Aphrodite Ähnliches von Diomedes widerfährt, s. 482–486n., 489–513n. – Zur Parteinahme der Göttinnen im Krieg um Troia s. 391–433n., 470n. 479 2. VH ≈ 18.184, Od. 11.580, Hes. Th. 328. — αἰδοίη παράκοιτις: flektierbare VE-Formel (Nom./Dat. Sg.: 1× Il., 3× Od., 3× ‘Hes.’). Zu αἰδοίη s. 460n.; παρά-κοιτις ist ein Possessivkompositum (‘das Lager daneben habend’; zur Wortbildung RISCH 32) mit der Bed. ‘BeiSchläferin, Lagergenossin, Gattin’.

480 ≈ 2.277; 1. VH ≈ 20.71, h.Ap. 199, h.Dian. 2; 2. VH = Il. 1.519, 16.628, Od. 18.326. — Der Vers ‘sie schalt die Pfeilausgießende mit höhnischen Worten’ fehlt in der Mehrzahl der Hss. und in zwei Papyri, ebenso bei Eust. (1247.30ff.), Aristonikos und wohl auch in Aristarchs Text (vgl. schol. A zu 479 u. ERBSE z.St.): app. crit.; LÜHRS 1992, 23. Wahrscheinlich wurde er als Übergang zur folgenden Rede eingeführt, um ein verbum dicendi zum 479 neu eingeführten Subj. zu ergänzen (LEAF; APTHORP 1980, 183f. Anm. 69; 1999, 17 Anm. 18; WEST 2001, 12 mit Anm. 29). Ein Subjektswechsel, der mit 478f. vergleichbar ist (Subjektswechsel bei gleichem, zu ergänzendem Prädikat), findet sich etwa 7.476f., 11.320–322, 20.1–3 (LEHRS [1833] 1882, 338), allerdings nirgends im hom. Epos beim vorl. Prädikat proséphē ‘sprach zu …’ (VAN DER VALK 1964, 493–495). Ohne Vers 480 fehlt zwar der Hinweis auf den Ton der folgenden Rede (s. dagegen 393 mit n.), aber die Dynamik der Handlung ist eindrücklicher; zudem rückt die Gemütsverfassung der Sprecherin in den Vordergrund (479 gr. Ptz. cholōsaménē ‘wutentbrannt’). νείκεσεν … ὀνειδείοις ἐπέεσσιν: Vier-Wort-Vers (355n.), formelhafte Rede-EinleitungP mit doppelter Ankündigung einer Invektive: in der 1. VH durch eine Form von νεικείω/ νεικέω (‘tadeln, beschimpfen’), am VE durch eine Nomen-Epitheton-Formel (hier mit Attribut ‘tadelnd’, des weiteren finden sich Attribute wie ‘schmähend’ od. ‘zornig’: 3.38n.; Liste von Formeln bei DE JONG (1987) 2004, 286 Anm. 20; WALSH 2005, 159 Anm. 19; LfgrE s.v. ἔπος 662.2ff.). Die VE-Formel ὀνειδείοις ἐπέεσσιν (s. Iterata; außer hier und Od. 18.326 in dir. Rede) steht wohl für urspr. ὀνειδείοισι (ϝ)έπεσσι (G 70; CHANTR. 1.133f.; WEST 1998, XXXIII). — Ἰοχέαιραν: distinktives EpithetonP der Artemis (insgesamt 26× fgrE), meist in der flektierbaren Formel Ἄρτεµις/-ν ἰοχέαιρα/-ν (VA im Nom.: 20.71, h.Ap. 199; VE im Nom.: 5× Il., 2× Od., 1× h.Cer.; VE im Akk.: 2× Hes., 2× h.Ap.). Bed. und Etymologie sind umstritten: ἰο-χέαιρα wird verstanden als ‘die Pfeile ausschüttet, entsendet’ (zu χέω), hier also passend zum folgenden Ablauf gewählt (490–492); es bed. aber urspr. wohl ‘die Pfeile in Händen hält’ (zu χείρ): 6.428n. mit Lit.; ferner HAGEN 2000.

481–488 Heras Rede ist im gleichen gehässigen Ton gehalten wie die vorausgehende Scheltrede der Artemis und die Herausforderungsrede ihres Sohnes Ares in der ersten Szene der Götterkämpfe (393–399), und sie enthält einige Elemente einer typ.

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Herausforderungsrede (dazu 394–399n.): Beschimpfung (481), Hinweis auf die eigene überlegene Kampfkraft und Drohung (482–483a u. 487f.), Herabsetzung der Kampfkraft der Gegnerin (483b–486) (STOEVESANDT 2004, 308 Anm. 927. 320f. 327f.). Heras Rede erscheint zwar als unmittelbare Reaktion auf Artemis’ verbalen Angriff gegen Apollon, sie nimmt aber keinen Bezug darauf (einzig durch die Erwähnung von Artemis’ Vater Zeus 475 u. 484). Die Empörung darüber, daß Artemis sich erfreche, ihr entgegenzutreten und die Kräfte mit ihr messen zu wollen (Vorwand für die Schläge 489ff.), entbehrt jeder Grundlage, da Artemis nichts dergleichen getan hat. Wie bei Ares basiert Heras Wut auf einer grundsätzlichen Rivalität (479–496n.). – Sprachlich erinnert die Formulierung 481f. an die erste Aufstellung der Götter 20.70f. (Hera stellt sich Artemis gegenüber auf), die Drohungen 482b und 487b–488 an Athenes Triumphrede 410f. (nach der Überwältigung des Ares). 481 Hündin: ‘Hund/Hündin’ und ‘hundsäugig’ sind im hom. Epos gängige Schimpfwörter, wobei der Hund oft die Schamlosigkeit versinnbildlicht (1.159n.). In Kampfsituationen wird das Schimpfwort auch allgemeiner verwendet, z.B. hier u. 8.423 (Iris zu Athene, eine Botschaft des Zeus überbringend) im Hinblick auf die Frechheit einer Göttin, der vorgeworfen wird, sich unangemessen zu verhalten, da sie sich in den Kampf einmischen wolle (GRAVER 1995, 49; STOEVESANDT 2004, 319 mit Anm. 953; vgl. 394n.). πῶς δέ: δέ nach Fragewörtern enthält oft einen Ton der Überraschung od. Empörung (K.-G. 2.262f.; DENNISTON 173f.). — κύον ἀδδεές: Formel nach der Zäsur B 1 (noch 8.423, Od. 19.91). ἀ-δδεής ist Adjektivbildung mit α privativum zur Wurzel von δείδω (*δϝει-; RISCH 82 Anm. 68; DELG s.v. δείδω 245 u. 1285; zur Schreibweise -δδ- für *-δϝ- G 24; CHANTR. 1.163), bed. also ‘furchtlos’, in der Verbindung mit κύων ‘frech, unverschämt’. — ἀντί’ ἐµεῖο: adverbiell gebrauchtes ἀντία (ntr. Pl. zu ἀντίος), mit abhängigem Gen. ‘jm. entgegen’; s. hier die weiteren mit αντ- gebildeten Bezeichnungen der Konfrontation im Kampf: 482 ἀντιφέρεσθαι, 488 ἀντιφερίζεις.

482–486 Nach der empörten Frage läßt Hera eine erste leise Drohung mit einem understatement folgen: Es ist nicht nur gefährlich, gegen sie anzutreten, sondern für Artemis aussichtslos. Die Verhöhnung, Artemis sei ihr im offenen Kampf nicht gewachsen und tauge nur zum Töten von Frauen und von Tieren der Wildnis, hat eine Parallele im 5. Gesang: Dort wird der verwundeten Aphrodite von Diomedes (triumphierend-drohend: 5.347–352) und von Zeus (tröstend: 5.426–430) erklärt, nicht das Kriegshandwerk, sondern Frauen (5.349) und Hochzeit (5.429) seien ihre Domäne. Zu altoriental. Parallelen in Zügen von Artemis’ und Aphrodites Auftreten s. BURKERT (1982) 2003, 110–112; s. dazu auch 504–514n. Im 5. Gesang ist zudem davon die Rede, daß Artemis’ Kunst, mit Pfeil und Bogen zu jagen, im Kampf nicht immer nützt: Den von ihr unterwiesenen Jäger Skamandrios vermag weder sie 481 µέµονας: Perf. mit Präs.-Bed., ‘(energisch) streben, den Drang haben’. — ἀντί(α): zur Elision R 5.1. — ἐµεῖο: = ἐµοῦ (R 14.1).

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selbst noch seine Schießkunst vor dem Tod in der Schlacht zu bewahren (5.49–58, bes. 53f.). 482 2. VH ≈ 411, 488. — χαλεπή … ἀντιφέρεσθαι: ἀντιφέρεσθαι bed. wie ἀντιφερίζειν (357n.) ‘antreten gegen, sich messen mit’ (LEAF); zur Aussage mit persönlicher Konstruktion (χαλεπή τοι ἐγώ) vgl. 1.589 (Hephaistos über Zeus: ἀργαλέος … ἀντιφέρεσθαι). Nominalsätze mit zu ergänzendem Prädikat in der 1. Pers. sind selten (108n.; SCHW. 2.623). — µένος: vgl. 305–306n.

483–484 Hera spielt darauf an, daß Artemis trotz ihrer Bewaffnung für sie nicht gefährlich sei, sondern höchstens für sterbliche Frauen (und allenfalls für Tiere, s. ihre ironische Empfehlung 485f.), denn diesen bringt sie durch einen Pfeilschuß den plötzlichen Tod, vgl. 6.205, 6.428, 19.59, 24.605ff. (Niobe-Mythos), Od. 11.172f., 11.198f.; der einzige Mann, den Artemis auf diese Weise getötet hat, ist der Jäger Orion Od. 5.123f. (FG 7; DNP s.v. Artemis; NILSSON [1940] 1967, 482; BURKERT [1977] 2011, 234; CLARKE 1999, 257 mit Anm. 58). Für diese todbringende Artemis verwendet Hera die Metapher der Löwin (im fgrE wird ‘Löwe’ und ‘Löwin’ lexikalisch nicht unterschieden: 18.318b n.), jener Raubkatze, die für Tiere und Menschen höchst furchterregend und gefährlich ist (s. etwa Il. 11.113–119, 11.172– 176, 15.630–636, 17.61–67; s. ferner zu den Vergleichen und Gleichnissen mit Löwen 3.23n., 24.41b–44n., jeweils mit Lit.). τοξοφόρῳ περ ἐούσῃ, ἐπεί …: Der ἐπεί-Satz erklärt τοξοφόρῳ inhaltlich; Hera verhöhnt Artemis, da ihr Waffengebrauch auf sterbliche Frauen beschränkt sei, ihr also jetzt keinen Vorteil bringe (AH; LEAF; RICHARDSON). Das Adj. (ein hom. hapaxP) ist h.Ap. 13/126 Epitheton des Apollon (s. 474 τί νυ τόξον ἔχεις); häufig gebrauchte Epitheta der Artemis mit Bezug zu ihrer Waffe sind ἰοχέαιρα (480n.) und χρυσηλάκατος (16.183n.). — ἐθέλῃσθα: zur Endung G 89. 485 2. VH ≈ h.Ven. 18. — κατ’ οὔρεα: ‘über die Berge hin’, mit κατά zur Angabe der räumlichen Erstreckung (SCHW. 2.476f.). — ἐναίρειν: bez. eigentlich das Töten und Spoliieren von Menschen im Kampf (26b–27n.), von Tieren nur hier und h.Ven. 18 (Artemis), hom.h. 19.13 (Pan): LfgrE. 486 ἀγροτέρας: ‘im Freien lebend’ (471n.); Epitheton von Tieren, die in der Wildnis leben (Hirsche, Wildschweine) oder frei im Gefilde ohne Stall und Unterstand weiden (Maultiere, Ziegen): LfgrE s.v. ἀγρότερος. — ἶφι µάχεσθαι: ἶφι ist ‘Instrumentalis’ der Nominalwurzel (ϝ)ίς ‘mit Macht, Kraft, Gewalt’ (G 66), das Ganze eine VE-Formel (7× Il.) mit der Bed. ‘in

482 χαλεπή τοι ἐγώ …: persönliche Konstruktion (‘es ist schwierig, gefährlich für dich…’); τοι: = σοι (R 14.1). — µένος: Akk. der Beziehung (R 19 1). 483 περ: konzessiv (R 24.10). — ἐούσῃ: = οὔσῃ. 484 κατακτάµεν: Inf. Aor. Akt. zu κατακτείνω (R 16.4). — κ(ε): = ἄν (R 24.5). — ἐθέλῃσθα: 2. Sg. Konj. (R 16.2). 485 ἤτοι: R 24.4. — οὔρεα: Nom. Pl. von ὄρος, Anfgangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 486 κρέσσοσιν: = κρείττοσιν.

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voller Konfrontation seine ἴς mit der des Gegners messen’ (LfgrE s.v. ἴς 1224.8ff.). Artemis hat allerdings bisher keine Absichten gezeigt, dies zu tun.

487–488 487b–488a ≈ 1.185f. — Hera tritt zum Schluß höchst herablassend auf, wenn sie davon spricht, Artemis könne von ihr das Kämpfen lernen und dabei erleben, wieviel stärker sie sei; sie wird es ihr sogleich demonstrieren (489–492a). Ihr Überlegenheitsgefühl erinnert an Athenes Triumph über Ares in der ersten Kampfszene (410f.). Mit der gleichen Überzeugung sprechen auch Zeus (15.165f. gegenüber Poseidon) und Agamemnon (1.185f. gegenüber Achilleus) von ihrer Dominanz (LOWENSTAM 1993, 73f. mit Anm. 41). 487 ≈ 6.150, 20.213. — Verschiedentlich findet sich die Vorstellung, daß das Kriegshandwerk erlernbar ist, so etwa 9.440–443 (Phoinix über Achilleus), 11.717b–719 (Nestor über Neleus), 16.811 (Erzähler über Euphorbos), ferner in versch. Formulierungen für ‘kundig im Kampf’ (Stellen s. READY 2011, 131f.); vgl. auch Hektors Herausforderungsrede mit einem Katalog seiner Kampffertigkeiten 7.235–243 (STOEVESANDT 2004, 308 Anm. 927). εἰ δ’ ἐθέλεις πολέµοιο δαήµεναι …: Anstelle einer Apodosis (etwa ‘dann greif mich an!’) folgt die indirekte Drohung und danach (489–492) sogleich die konkrete Demonstration (s. die ähnliche syntaktische Struktur 1.135f., 6.150; dazu CHANTR. 2.275; RICHARDSON; vgl. 6.150n.). Dagegen erscheint die von einigen angesetzte Interpunktion nach ἐθέλεις mit imperativischem Inf. (so schol. A, bT, Ge) eher schwach in dieser von Zorn geprägten Rede. — πολέµοιο δαήµεναι: zur Konstruktion vgl. διδασκόµενος πολέµοιο 16.811; zum partitiven Gen. bei Ausdrücken des Lernens und Wissens s. SCHW. 2.107f.; CHANTR. 2.55f. — ὄφρ’ εὖ εἴδῃς: flektierbare VE-Formel (5× Il., 8× Od., 1× h.Ap.); zum Akzent von εἴδῃς WEST 1998, XXXIII. 488 1. VH ≈ 1.186 (mask.); 2. VH = 411, ≈ 482 (s.dd.). — φερτέρη: φέρτερος wird nahezu synonym zu ἀρείων/ἀµείνων verwendet, s. 264, 410 (264n.). — ὅτι … ἀντιφερίζεις: enthält die Begründung für die indirekte Drohung 487b–488a, die aber – anders als 411 – völlig aus der Luft gegriffen ist. Zum Sprachlichen s. 410–411n.

489–513 Die ganze Szene ist stark kontrastierend aufgebaut: Artemis wird von der Jagdgöttin und Herrin der Wildnis (470), von der Löwin (483) zum gezüchtigten und weinenden Mädchen degradiert (493, 496, 506), dessen Handgelenke Hera leicht mit einer Hand umfassen kann (489f.): schol. Ge zu 491; RICHARDSON zu 489–513. – Der Handlungsablauf erinnert an Szenen im 5. Gesang (5.330–431), wo Aphrodite von Diomedes verwundet wird und sich mit Hilfe des Ares und der Iris vom Schlachtfeld auf den Olymp rettet; im Unterschied zu Aphrodite kann Artemis sich ohne fremde Hilfe vor der Gegnerin retten und zu Zeus auf den Olymp fliehen

487 δαήµεναι: Inf. zum Aor. ἐδάην, ‘erfahren, lernen’ (R 16.4). — ὄφρ(α): final (R 22.5). — εὖ (ϝ)είδῃς: zur Prosodie R 4.4. 488 ὅσσον: zum -σσ- R 9.1. — µένος: Akk. der Beziehung (R 19.1).

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(FENIK 1968, 40f., mit Betonung des Typischen in der Schilderung des 5. Gesangs; weitere Bezüge zum 5. Gesang s. 383–514n. Abschn. (3)): Artemis 21.489ff. wird von Hera geprügelt, nachdem sie den Bruder Apollon gescholten hat, 21.492ff. läßt ihre Waffen fallen und flieht; 21.502ff. ihre Mutter Leto sammelt sie ein; 21.505f. Artemis setzt sich weinend auf den Schoß ihres Vaters Zeus 21.509 und wird von ihm gefragt, wer von den Göttern ihr das angetan habe; 21.512f. sie gibt Auskunft.

Aphrodite 5.330ff. wird von Diomedes verwundet, während sie versucht, ihren verwundeten Sohn Aineias wegzutragen, 5.343, 352ff. läßt Aineias fallen und flieht; 5.344ff. Apollon rettet Aineias; 5.370f. Aphrodite setzt sich auf den Schoß ihrer Mutter Dione 5.373f. und wird von ihr gefragt, wer von den Göttern ihr das angetan habe; 5.376ff. sie gibt ausführlich Auskunft. 5.382ff. Sie wird von Dione getröstet 5.428ff. und von Zeus an ihre Bestimmung erinnert.

Weitere Parallelen s. 482–486n., 504–514n. 489 1. VH ≈ 5.416, Od. 17.356; 2. VH ≈ Il. 18.594, 24.671, h.Ap. 196. — ἦ ῥα, καὶ …: 200n. — ἐπὶ καρπῷ χεῖρας: formelhafte Junktur, mit welcher der Körperteil χείρ (‘Arm’ od. ‘Hand’) präzisiert wird (LfgrE s.v. χείρ 1161.63ff.), häufiger mit Sg. χεῖρ(α) (24.671 u. VEFormel χεῖρ’ ἐπὶ καρπῷ [4× Il., 2× Od.]); der Pl. χεῖρας an der vorl. Stelle (noch von Reigentänzern 18.594 u. h.Ap. 196) ist ein Ausdruck für Heras übermächtige Dominanz, indem sie mit einer Hand beide Handgelenke festhält (zu dieser Geste der Kontrolle über die Person und ihr Handeln s. LATEINER 1995, 57).

490 1. VH = 1.501, Hes. Th. 179. — Im gr. Epos wird mit wenigen Ausnahmen die linke vor der rechten Hand genannt, mit der die weiterführende Handlung ausgeübt wird, hier die Schläge, nach denen Artemis die Flucht ergreifen wird (vgl. WEST zu Hes. Th. 179; LfgrE s.v. σκαιός). ἀπ’ ὤµων αἴνυτο τόξα: Variation der Formeln ἀπ’ ὤµων τεύχε’ ἐσύλα/ἕλοντο (insgesamt 5× Il.) und αἴνυτο/λύντο δὲ τεύχε’ ἀπ’ ὤµων (3× Il.), die meist die Spoliierung des getöteten Gegners beschreiben; zum Formelsystem 16.559–560n. mit Lit. – Der Pl. τόξα umfaßt hier

489 ἦ: 3. Sg. Impf. zu ἠµί ‘sagen’. — ῥα: = ἄρα (R 24.1). — καὶ ἀµφοτέρας: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. 490 σκαιῇ, δεξιτερῇ: ergänze χειρί; zum -η nach -ι- bzw. -ρ- R 2. — ἄρ’: = ἄρα (R 24.1). — αἴνυτο: von αἴνυµαι ‘nehmen’; zur augmentlosen Form R 16.1.

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den Bogen sowie Zubehör wie den Köcher mit Pfeilen (s. 492 und 502–504), die beide über den Schultern getragen wurden, s. 1.45 (AH; RICHARDSON; LfgrE s.v. τόξον).

491 Während Heras Worte 487f. die Erwartung weckten, es folge nun ein Kräftemessen zwischen ihnen beiden, überzieht sie Artemis mit demütigender Züchtigung; dabei zeigt ihr Lächeln ihre hämische Freude über diese Aktion und ihre Verachtung gegenüber Artemis. Heras Lächeln in dieser Götterschlacht ist bösartig, ganz im Gegensatz zu demjenigen ihres Gatten Zeus 389f. und 508 (HALLIWELL 2008, 68). ἔθεινε: ‘hieb, schlug’ (< *ἔ-θεν-σε, sigmatischer Aor. zu θείνω; zur gleichen Wz. gehört der reduplizierte themat. Aor. ἔπεφνον ‘tötete’: 21n.); beschreibt in Kampfschilderungen meist einen tödlichen Schwerthieb (TRÜMPY 1950, 97).

492 1. VH ≈ 6.496, 11.547, 17.109; 2. VH ≈ Od. 22.3, 24.178. — fielen … Pfeile: ist viell. eine humoristische Auslegung von Artemis’ Epitheton iochéaira, das im fgrE sehr gebräuchlich ist und als ‘die Pfeile ausschüttet’ gedeutet wurde (480n.). ἐντροπαλιζοµένην: Deverbativum zu τρέπω/τροπέω (RISCH 300), 4× Il. (s. Iterata); hier von Artemis, die sich unter den Schlägen windet und versucht, dem Klammergriff zu entkommen (‘sich hin und her wenden’), in anderen Kampfschilderungen von Kämpfern, die sich auf dem Rückzug nach den Verfolgern umdrehen (11.547, 17.109: ‘sich immer wieder umwenden’): LEAF; LfgrE s.v. τροπαλίζοµαι.

493–496 Die Flucht der Artemis ist eine Steigerung gegenüber Apollons Rückzug vor Poseidon; auch sie, die doch den Bruder gescholten hat, entzieht sich widerstandslos und unter weit unwürdigeren Umständen dem Kampf (‘floh weinend’ 493 und 496; zu Motiven und zur Handlungsstruktur in Schilderungen von Flucht in der Ilias s. 16.278–418n.; PAGANI 2008, 393f. [tabellarische Übersicht]. 399). — wie …: Gleichnisse und Vergleiche von Kriegern mit Vögeln sind typisch für das Epos; geschildert werden Flucht und Verfolgung, wobei teils die Greifvögel im Mittelpunkt stehen (15.690–694, 16.582f., 17.460, 22.139–144, Od. 22.302–309) teils auch – wie hier und Il. 17.755–759 (Achaier fliehen vor Hektor und Aineias) – die Beutevögel (s. ferner 251–256n.: Schnelligkeit des Fliehenden): WEST 1997, 248; weitere Lit. 16.582–583n. Das vorl. GleichnisP illustriert die panische Flucht der Artemis und verdeutlicht zugleich den Unterschied in der Kampfkraft der beiden Göttinnen: Der von Hera eben noch spöttisch als Löwin bezeichneten (483), sichtlich schwächeren Artemis (der Taube), bleibt nur die Flucht vor der schnellen, aggressiven und überlegenen Angreiferin (dem Falken: 494n.). Natürlich wird die Göttin den Angriff überleben (505–514 nimmt sie Zuflucht bei ihrem Vater Zeus); die Taube wiederum kommt mit dem Leben davon, da sie sich in einen Felsspalt rettet (FRÄNKEL 1921, 80f.; SCOTT 2009, 70. 219 Anm. 73; JOHANSSON 2012, 189f.). Eine vergleichbare Konstellation ohne Ausgang mit Rettung findet sich im

491 αὐτοῖσιν: ‘mit eben diesen’ (dat. instrumenti), d.h. mit ihren eigenen Waffen; zur Flexion R 11.2. — οὔατα: = ὦτα (Akk. Pl. von οὖς ‘Ohr’). — µειδιόωσα: zur ep. Zerdehnung R 8. 492 ταχέες: zur unkontrahierten Form R 6.

Kommentar

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Vogel-Gleichnis 22.139–144 (Achilleus verfolgt Hektor wie der Falke die Taube), wo Achills Schnelligkeit und Unermüdlichkeit bei der Verfolgung seiner Beute im Zentrum steht (DE JONG zu Il. 22.138–44). 493 Artemis’ Reaktion auf die Schläge der Hera ist eher ungewöhnlich; ihr Weinen entspricht den Schmerzensschreien verwundeter pro-troianischer Götter im 5. Gesang (5.343 Aphrodite ‘laut schreiend’, 5.859 Ares ‘brüllte’): STOEVESANDT 2004, 122–126. ὕπαιθα: ‘von unten her weg’, von einer Fluchtbewegung wie 22.141, ähnlich 255 (s.d.; LfgrE; RICHARDSON zu 493–6). — ὥς τε πέλεια: πέλεια ist im fgrE die allg. Bez. für ‘Taube’, oft versehen mit dem distinktiven EpithetonP τρήρων (‘ängstlich, schreckhaft’: 5.778, 22.140, 23.853, 23.855, 23.874, Od. 12.62f., 20.243, h.Ap. 114): LfgrE s.vv. πέλεια und τρήρων; vgl. schol. D zu Il. 2.502 (τρήρωνες γὰρ καλοῦνται αἱ περιστεραὶ ἀπὸ τοῦ τρεῖν καὶ εὐλαβεῖσθαι). Zu ὥς τε als Einleitung von Vergleichen und Gleichnissen s. LEE 1964, 18f. 62; RUIJGH 567–600.

494 Der gr. als írēx bezeichnete Greifvogel zeichnet sich im hom. Epos durch Schnelligkeit (15.237f. der schnellste Vogel, 13.62 ‘schnellbeschwingt’; ferner 13.819, Od. 13.86f.) und Aggressivität aus (Il. 13.62–64, 16.582f.). Im Hinblick auf das von ihm gejagte Opfer, die im Felsen Schutz suchende Felsentaube (columba livia, gr. péleia, s. 494f.), könnte es sich hier um einen Wanderfalken handeln (falco peregrinus): LfgrE s.vv. ἴρηξ u. πέλεια; ARNOTT 2007, 66; JOHANSSON 2012, 188f.

ἥ ῥά θ’ … εἰσέπτατο: Die Kombination von ἄρα und τε kann Relativsätze kennzeichnen, die eine charakteristische, generell gültige Erfahrungstatsache enthalten (Prädikat im Präs.: GRIMM 1962, 10f.; RUIJGH 439f. [Stellen]), hier im Gleichnis mit augmentiertem Aor., der das Zeitlose zum Ausdruck bringt (sog. gnomischen Aor.: CHANTR. 2.185f.; anders BAKKER [2001] 2005, 131–135: Zeichen für das Bestreben des Erzählers, den Sachverhalt zu vergegenwärtigen). — ὑπ’ ἴρηκος: vgl. 22f. (15n.); ἴρηξ (att. ἱέραξ) wird als übergreifende Bez. für den Habicht, verschiedene Falkenarten und weitere kleinere Greifvögel aufgefaßt (LfgrE; weitere Lit. 16.582n.). 495 ≈ 15.274; VE = Od. 15.239; ≈ Il. 9.245, 21.291, ‘Hes.’ Sc. 336. — χηραµόν: hom. hapaxP mit unbekannter Etymologie; bez. gemäß der Beschreibung 494 eine Höhlung im Felsen (ist nachhom. eine Bez. für Höhlung od. Loch als Tierbehausung: LSJ s.v.). — οὐδ’ ἄρα … ἦεν: In hom. Gleichnissen wird üblicherweise zeitlos gültige Handlung im Präs. od. Aor. beschrieben (494n.), im Impf. nur hier und 15.274, als Kommentar zum Ende einer Verfolgungsjagd (hier: die Taube überlebt, da sie Schutz findet in ihrem natürlichen Lebensraum, den Felsen):

493 τε: ‘ep. τε’ (R 24.11), ebenso θ’ in 494. 494 εἰσέπτατο: Aor. zu εἰσπέτοµαι (+ Akk.: ‘hineinfliegen in …’). 495 οὐδ(έ): konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — τῇ: zur demonstr.-anaphorischen Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — γε (ϝ)αλώµεναι: zum Hiat R 4.3; ἁλώµεναι = ἁλῶναι (R 16.4), Inf. Aor. zu ἁλίσκοµαι ‘gefangen werden’. — ἦεν: = ἦν (R 16.6).

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WACKERNAGEL (1920) 1926, 185; HOOKER (1992) 1996, 720; vgl. DENNISTON 36; WEST zu Hes. Th. 560 (zu οὐκ ἄρα m. Impf.); K.-G. 1.146. — αἴσιµον ἦεν: 291n.

496 erfaßt knapp das Wichtigste von 492b–493 als Abschluß dieser Kampfszene. 497–503 In der letzten ‘Kampfszene’ tritt nach Apollon und Artemis auch ihre Mutter Leto auf, deren Gegner gemäß der ersten Aufstellung der Götter (20.72) Hermes ist; wider Erwarten sind aber beide Kontrahenten frei von Kampfwillen oder Aggression. Kampfhandlungen bleiben wie beim Zusammentreffen von Poseidon und Apollon (435–469) aus. Stattdessen greift der ErzählerP einige Phänomene aus den vorausgehenden Szenen in ironisierter Weise auf: (a) die Kampfpaarung ‘Gott greift Göttin an’ der ersten Kampfszene (Ares gegen Athene), die hier ad absurdum geführt ist; (b) die verschiedenen Herausforderungsreden und Apollons Absage ans Kämpfen durch den Rückzug des witzig-spielerischen Hermes, der – im Gegensatz zu Apollon und Poseidon – Konventionen (wie Kampfethos, ehrlich erworbenen Ruhm, Respekt vor der älteren Gottheit) nicht ernst nimmt (498–501n.; SCHÄFER 1990, 144f.; RICHARDSON zu 497–501; s. auch BURKERT [1960] 2001, 112 (Hermes durchbreche “die Spielregeln des Götterkampfes” mit einer “unbefangen-leichtfertigen Geste”; vgl. ferner Od. 8.328–345 im Lied des Demodokos, wo Hermes ebenfalls Konventionen durchbricht); (c) das Motiv der fürsorglichen Hilfe für einen verwundeten Mitkämpfer (416f. Aphrodite hilft Ares) durch die Aktion der Leto, die keine Reaktion auf Hermes’ Rede zeigt, sondern sich um das Equipment der Tochter kümmert (STOEVESANDT 2004, 232 Anm. 684). – Grund für die Parteinahme der beiden Götter im Kampf um Troia: Leto wird in der Ilias v.a. in ihrer Funktion als Mutter von Apollon (1.9 u.ö.) und Artemis (504, 24.605–609) erwähnt, eine Rolle, die auch hier zum Tragen kommt (502–504); daher agiert sie zusammen mit ihren beiden Kindern zu Gunsten der Troer (20.39f.: 470n.; FG 18; DNP s.v. Leto). Der bereits myk. belegte, gemäß myth. Tradition aus Arkadien stammende Gott Hermes gehört zwar zur Partei der griechenfreundlichen Götter (15.214 [nach WEST interpoliert], 20.35), eine konkrete Aktion zu deren Gunsten wird aber nirgends erwähnt; im 24. Gesang begleitet er Priamos auf seinem nächtlichen Gang ins Lager des Feindes, entsprechend seiner Funktion als ‘Geleiter’ (gr. diáktoros 497n.): FG 17; 24.153n. (mit Lit.); HE s.v. Hermes. 497 ≈ 24.378, 24.389, 24.410, 24.432, Od. 5.145 (τὸν/τὴν δ’ αὖτε); 1. VH ≈ Il. 1.224, 10.81, 16.432, Od. 8.334 (PN im Akk.), Il. 22.278 (PN im Nom.). — Zu diesem Szenen-Beginn mit Rede-Einleitung vgl. 435 und 478f. — διάκτορος Ἀργειφόντης: flektierbare VE-Formel (meist im Nom.; insgesamt 8× Il., 7× Od., 2× Hes. Op., 1× h.Ven.); zu weiteren NomenEpitheta-Formeln von Hermes 24.24n. Die Etymologie der beiden Kulttitel ist umstritten: διάκτορος läßt sich am ehesten als Erweiterung des nomen agentis διάκτωρ (zu διάγω) erklären, als Bezeichnung für seine Funktion als ‘Begleiter’, s. bes. 24.334–469a als Begleiter 496 ὥς: = οὕτως. — αὐτόθι: ‘ebenda, an Ort und Stelle’ (vgl. R 15.2). 497 προσέειπε: = προσεῖπε.

Kommentar

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des Priamos (darin 6× διάκτορος), Od. 24.1–100 (als Geleiter der Seelen); es wurde nachhom. aber auch als ‘Bote’ verstanden (JANKO 1978; WEST zu Od. 1.84; andere Herleitungen s. FRISK u. DELG s.v.; weitere Lit. BEEKES s.v.; FAULKNER zu h.Ven. 147; OLSON zu h.Ven. 147–148). Gänzlich unsicher ist die Etymologie von Ἀργειφόντης: Es wurde zwar bereits in der Antike als ‘Argos-Töter’ verstanden (2.103n.; *ἀργοφοντ- ist unmetrisch, somit war eine Form wie ἀργειφοντ- nicht anstößig); dazu und zu weiteren Deutungsversuchen s. WEST zu Od. 1.37ff.; FAULKNER zu h.Ven. 117.

498–501 Hermes’ Rede ist voll von Witz und Ironie: (a) anstelle einer Aufforderung zum Kampf distanziert er sich gleich von vornherein vor dem Kräftemessen mit der ironischen Begründung, mit Zeus’ Lagergenossinnen sei nicht zu spaßen, schiebt also einen allg. Respekt vor Zeusgemahlinnen vor; (b) mit der Erlaubnis, sie dürfe sich als Siegerin über ihn rühmen, gesteht er ihr scheinbar Ruhm zu. Das Ganze erscheint als witzige Form einer Herausforderungsrede, die durch die “gönnerhafte Großzügigkeit” zugleich auch sehr herablassend wirkt (STOEVESANDT 2004, 306). 498–499 Durch den verallgemeinernden Pl. ‘mit Lagergenossinnen des Zeus’ (gr. alóchoisi Diós) hebt Hermes pauschalisierend eine besondere Gruppe von Göttinnen hervorhebt, die u.a. auch Hera mit einschließt (AH; LEAF; s. auch 14.212f. Aphrodites Respekt vor Hera); beide, Leto und Hera, nennt Zeus, den Katalog seiner Bettgefährtinnen abschließend (14.317–327), zusammen (zur Wirkung auf Hera s. 14.327n.). Das Argument erinnert entfernt an Formulierungen in vorausgehenden Kampfschilderungen, in denen davor gewarnt wird, wie aussichtslos der Kampf gegen Zeus und dessen Nachkommen sei (184f., 190f., 193–199). 498 2. VH ab der Zäsur C 2 = 15.140, 23.791, Od. 2.244. — ἐγὼ δέ: betont den Gegensatz zur vorausgehenden Szene (AH). — ἀργαλέον δέ: Parataxe mit kausaler Funktion (DENNISTON 169; RACE 2000, 211f. [mit Hinweis auf 1.589]); zu ἀργαλέον vgl. 385–386n.; zu δέ am VE vgl. 7n. 499 2. VH = 5.631, 5.736, 8.387, 15.154, 20.10, Hes. Th. 730, 944, Hes. Op. 99, ‘Hes.’ fr. 204.115 M.-W., h.Ap. 96. — Vier-Wort-Vers (355n.), durch den bes. Emphase auf den genannten Akt gelegt wird. — πληκτίζεσθ’: ist im fgrE nur hier belegt, mit Dat. comitativus wie bei Verben des Kämpfens u. Streitens, bed. also ‘sich mit jm. schlagen’ (CHANTR. 2.75; ALLAN 2003, 85f. mit Anm. 137). — ἀλόχοισι: Kompositum (< *ἁ-λοχος mit hauchdissimiliertem α copulativum [ha- < *sm̥- ‘ein und derselbe’]) mit der Bed. ‘die das gleiche Lager hat’ (RISCH 198. 216); die Grundbed. ist also gleich wie bei παρά-κοιτις, nämlich ‘Lagergenossin’ (von Leto noch Od. 11.580 Διὸς κυδρὴν παράκοιτιν, andernorts von Hera: 479 mit n.). — Διὸς νεφεληγερέταο: flektierbare VE-Formel (Gen. s. Iterata; Nom. 22× Il., 8× Od., 3× Hes., 2× hom.h.), gebildet mit dem häufigsten Epitheton des Zeus (Statistik s. 1.354n.; zu metrisch äquivalenten Formeln 16.298n.). Zu Zeus als ‘Wolkensammler’ s. bes. 5.522f.

498 Λητοῖ, ἐγὼ … τοι οὔ: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — τοι: = σοι (R 14.1). — τι: Akk. der Beziehung (R 19.1), verstärkt οὐ: ‘gar nicht, überhaupt nicht’. — νεφεληγερέταο: zur Flexion R 11.1.

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(Gleichnis), 14.342–345 (als Sichtschutz bei der Vereinigung mit Hera); zu nahöstlichen Parallelen WEST 1997, 115.

500–501 2. VH von 500 = Od. 8.348, 8.352, 11.602, 13.128; ≈ Il. 21.476. — Was Artemis ihrem Bruder vorgeworfen hatte (472–477: den Sieg kampflos dem Gegner überlassen, prahlerisches Auftreten), ist in Hermes’ Rede ironisiert wieder aufgenommen. Sich damit zu rühmen, den Gegner ‘mit übermächtiger Kraft’ (501) besiegt zu haben, würde aus dem Mund der Göttin Leto lächerlich wirken (AH zu 501). Aber Hermes rechnet offenbar von Anfang an damit, daß Leto dies nicht tun wird, und macht ihr daher scheinbar großzügig dieses Zugeständnis. Sie wiederum zeigt keine Reaktion auf diese Provokation und sammelt kommentarlos die Waffen ihrer Tochter ein (502f.). πρόφρασσα: ep. Fem. zu πρόφρων (noch 10.290, 3× Od.), analogisch gebildet zur Femininbildung von -ντ-Stämmen auf -ασσα (RISCH 136; HAINSWORTH zu Il. 10.290); bed. eigtl. ‘nach vorn, geradeaus denkend’, dann auch ‘gerade heraus, unverbrämt, nach Herzenslust’ (1.77n.; LfgrE s.v. πρόφρων 1579.28 u. 1581.31ff.). — ἀθανάτοισι θεοῖσιν: 475–476n. — εὔχεσθαι: ‘prahlen’ (vgl. 475–476n.), entspricht inhaltlich dem µέλεον εὖχος 473; zum imperativischen Inf. 294n. — κρατερῆφι βίηφιν: ebenso Od. 9.476, 12.210 von der überlegenen Körperkraft des Kyklopen; zur Betonung der Stärke s. ferner κρατερὴ … ἴς (Il. 23.720 von Odysseus im Ringkampf) und ἰσχὺς … κρατερή (Hes. Th. 153 von den Hekatoncheiren): LfgrE s.v.; zu βίηφιν 366b–367n. 502 ὣς ἄρ᾿ ἔφη: 136n. — συναίνυτο καµπύλα τόξα: Anklang an 490 (s.d.), hier mit hapax legomenonP συν-αίνυµαι; die Formel καµπύλα τόξα (VE: 5× Il., 2× hom.h.; vor der Zäsur B 2: 2× Od.) ist hier trotz der Bed. von καµπύλος (‘krumm, gebogen’) für den Bogen und die Pfeile verwendet (s. 503 u. 492): AH; RICHARDSON. 503 2. VH ≈ 16.775, Od. 24.39 (ἐν). — πεπτε͜ῶτ’: Ptz. Perf. zu πίπτω mit der Bed. ‘liegend’, mit Quantitätenmetathese (dazu G 40), ebenso πεπτε͜ῶτας Od. 22.384 (zur Formbildung CHANTR. 1.428, 430; HACKSTEIN 2002, 242f.); weitere Formen des Perf. von πίπτω sind erst nachhom. belegt, die Partizipienform πεπτηώς/-ῶτες gehört etymologisch wohl zu πτήσσω (FERNÁNDEZ-GALIANO zu Od. 22.362–3; HACKSTEIN a.O. Anm. 81). — µετὰ στροφάλιγγι κονίης: ‘mitten im Staubwirbel’, außer hier an den zwei Iteratstellen, und zwar von tot Daliegenden (Kebriones bzw. Achilleus) als pathetische Formulierung gegenüber häufigerem ἐν κονίῃσ(ι) (16.775–776n.).

504–514 Leto ist zwar ihrer Tochter nicht gegen Hera zu Hilfe geeilt, gleicht aber nun einer fürsorglichen Mutter, die sich um die Sachen ihres Kindes kümmert. Die Szene bei Zeus auf dem Olymp wiederum ähnelt solchen, in denen Mütter voll von

500 πρόφρασσα: prädikativ zum imperativischen Inf. εὔχεσθαι 501. — ἀθανάτοισι: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 501 εὔχεσθαι ἐµέ: zum Hiat R 5.6. — κρατερῆφι βίηφιν: instrumentaler Dat.; zur Form R 11.4. 502 ὥς: 496n. — συναίνυτο: vgl. 490n. 503 πεπτε͜ῶτ(α): = att. πεπτῶτα, πεπτωκότα; zur Synizese R 7; zur Elision R 5.1.

Kommentar

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Empathie ihr trauriges Kind nach dessen Kummer befragen (bes. Dione–Aphrodite 5.372–374, ferner Thetis–Achilleus 1.361–363, 18.71–73, 24.127–130a, Hekabe– Hektor 6.253f.; weitere Stellen mit Motiv ‘Kind wird umsorgt/getröstet’ s. 506– 508n.). Der ErzählerP besetzt die Rolle der Mutter durch den Vater und schließt diesen Teil der ‘Theomachie’ mit dem Bild des Zeus, der lachend zu Artemis spricht (508) – passend zu dessen Stimmung während der Beobachtung der Götterkämpfe 389f.; etwas anders ist es im 5. Gesang gestaltet: Zeus lächelt zuerst, wenn er zu Aphrodite spricht (5.426), ist aber zornig auf Ares nach dessen Klagen (5.888ff.): SCHÄFER 1990, 145f.; HALLIWELL 2008, 67f. – Für das Motiv ‘plaint in heaven’ gibt es Parallelen in vorderoriental. Quellen (CURRIE 2016, 193–198). In der Ilias taucht es außer hier noch im 5. Gesang auf (Aphrodite u. Ares), wobei deutlich ist, daß der ErzählerP die Szenen als Verbindungselement zwischen 5. und 21. Gesang gestaltet (489–513n.); inwiefern dabei Abhängigkeit od. Übernahme eines typ. Motivs vorliegt, wird kontrovers diskutiert (zur Diskussion BURKERT [1982] 2003, 110–112; ANDERSEN 1997, 32f.; weitere Lit. s. CURRIE 2012, 563 Anm. 107). 504 πάλιν κίε θυγατέρος ἧς: πάλιν bed. ‘zurück (in die andere Richtung)’, bei Verben der Richtungsänderung ‘(sich) abwenden’ (415 [s.d.], 468), mit Gen. ‘sich abwenden (weg) von’ (18.138, 20.439). πάλιν κίε kann also ‘ging zurück’ od. ‘ging weg’ bedeuten (ebenso als Szenenabschluß 15.149, Od. 16.177, 23.295), d.h.: Leto sammelt Bogen und Pfeile ein und geht von ihrem Kampfgegner weg, ohne etwas auf dessen Rede zu erwidern. Für den Gen. θυγατέρος ἧς werden zwei Möglichkeiten erwogen (LEAF): (a) mit Hyperbaton von τόξα abhängig (AH; LfgrE s.v. πάλιν 943.20), (b) zu πάλιν κίε als Gen. des Ziels (RICHARDSON: ‘went after her daughter’ “which seems more likely”; zu dieser Verwendung des partitiven Gen. SCHW. 2.104f.; CHANTR. 2.52f.). Die ambivalente Formulierung kann im Rezipienten durchaus die Erwartung wecken, Leto werde nun die Tochter trösten wie im 5. Gesang Dione ihre Tochter Aphrodite (506n.). Plausibler erscheint dennoch (a), denn: inhaltlich wird 504f. durch ἣ µὲν …, | ἣ δ(έ) … das Handeln der beiden Figuren aufgeteilt, 505ff. ist Artemis allein bei Zeus, 518ff. kommen alle übrigen Götter außer Apollon ins Haus des Zeus; sprachlich wird ‘jm. nachgehen, nachsetzen’ eher mit µετεκίαθε od. mit ἰθὺς κίε + Gen. ausgedrückt (16.685n.; LfgrE s.v. κίε). Zur Versstruktur mit Hyperbaton vgl. Od. 19.400 (παῖδα … θυγατέρος ἧς). 505 2. VH = 438 (s.d.).

506–508 Ähnlich suchen im 5. Gesang Aphrodite (auf den Schoß ihrer Mutter Dione fallend) und Ares (sich neben Zeus setzend) Trost nach Verwundung im Kampf (5.370f., 5.869–871: 489–513n., 504–514n.). In der vorl. Szene ist durch die dreifache Verwendung des Begriffs ‘Vater’ (506, 508, 512) die intim-familiäre Atmosphäre betont, das Weinen verstärkt den Eindruck von Artemis als kleinem Mädchen (gr. kóurē bed. ‘junge Frau’, aber auch ‘Mädchen’, vgl. 16.7–10). Die Situa504 κίε: defektives Verb mit der Bed. ‘gehen’. — θυγατέρος (ϝ)ῆς: zur Prosodie R 4.5. — ἧς: Possessivpron. der 3. Person (R 14.4). 505 ποτί: = πρός (R 20.1).

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tion erinnert an das mehrfach vorkommende Bild eines Kindes, das auf den Knien von Eltern oder Vertrauten sitzt (5.408, 9.455f., 9.488, 22.500, Od. 16.442f., 19.400f., h.Cer. 263f.: LfgrE s.v. γόνυ).

506 δακρυόεσσα: knüpft nach der Unterbrechung durch die Szene mit Hermes und Leto an 493/496 an (Artemis’ Flucht).

507–508 1. VH von 507 ≈ 14.178. — zitterte … das Kleid: Durch die ungewöhnliche Formulierung ist deutlich gemacht, in welcher Verfassung Artemis bei ihrem Vater ankommt, nämlich am ganzen Körper zitternd; Zeus fragt auch sogleich nach der Ursache ihres Zustands (509). In der vergleichbaren Szene im 5. Gesang ist Aphrodites Zustand nach ihrer Verwundung durch Diomedes ausführlicher beschrieben (5.352–362), bevor sie zu ihrer Mutter Dione kommt und sogleich umsorgt wird (5.370–374). — lachend: 504–514n. ἀµβρόσιος: bed. ‘zu den Unsterblichen gehörig, göttlich’, Ableitung zum Verbaladjektiv ἄµβροτος (‘unsterblich’): RISCH 124; zur äol. Form G 15. — ἑανός: zu ἕννυµι (myk. we-hano), Bez. für Frauenbekleidung, deren Form und Material unklar sind (3.385n.). — τὴν δὲ προτὶ οἷ | εἷλε: ≈ Od. 24.347f.; mit urspr. Positionslänge προτὶ (ϝϝ)οῖ (< *hw- < *sw-): G 22; CHANTR. 1.146; zu πρός mit Dat. des Ziels bei Bewegungsverben SCHW. 2.513. — ἡδὺ γελάσσας: flektierbare VE-Formel (2.270, 11.378, 23.784, Od. 20.358, 21.376); bez. ein herzhaftes Lachen, das in den anderen Szenen der Ilias gepaart ist mit Schadenfreude und Belustigung über das, was dem Gegenüber geschehen ist: 2.270 über den von Odysseus geprügelten Thersites; 11.378 Paris über seinen gelungenen Schuß auf Diomedes; 23.784 über Aias, der im Wettlauf in Rindermist zu Fall gekommen ist.

509–510 = 5.373f. — An der Parallelstelle im 5. Gesang ist dies die Frage von Aphrodites Mutter Dione, die sich sorgsam um ihre Tochter kümmert, die an der Hand blutet, und die besorgt wissen möchte, was ihr zugestoßen ist (5.370–417). An der vorl. Stelle jedoch ist es anders: Als Zuschauer (398f.) weiß Zeus, was vorgefallen ist; er scheint eher belustigt zu sein und mit ironischem Unterton nachzufragen, s. die Rede-Einleitung 508. – Zu Vers 510 (‘ohne Grund, als hättest du etwas Schlimmes getan, ganz offen’) und seiner Überlieferung s.u. φίλον τέκος: Formel vor der Zäsur C 2 (12× Il., 4× Od., 1× h.Cer.); zu den prosod. Varianten τέκος/τέκνον 229n. — Οὐρανιώνων: ‘Götter’, Denominativum zum Adj. οὐράνιος (‘Himmlische’, seltener als Patronymikum ‘Uranos-Nachkommen’); am VE im Nom./Gen. Pl. (9× Il., 3× Od., 2× h.Cer., 5× Hes.): 275–276n. — Vers 510 (= 5.374: µαψιδίως, ὡς εἴ τι κακὸν ῥέζουσαν ἐνωπῇ) fehlt in den meisten Hss. Er ist hier vielleicht eine Konkordanzinterpolation aus 5.373f., wo er auf Aphrodite bezogen sehr gut paßt, denn dort ist auch in der Folge (5.418–426) von einer möglichen Untat der Verführerin Aphrodite die Rede (WEST 2001, 13

506 γούνασι: zur Flexion R 12.5. — κούρη: zur Form R 2, R 4.2. 507 ἀµφί: adverbial, ‘rings herum’, d.h. ‘um sie’, um den Körper. — ἀµβρόσιος (ϝ)έανος: zur Prosodie R 4.5. — προτί: = πρός (R 20.1). — οἷ: = αὐτῷ (R 14.1), hier reflexiv. 508 Κρονίδης: ‘Kronos-Sohn’ = Zeus. — ἀνείρετο (ϝ)ηδύ: zur Prosodie R 4.3. — γελάσσας: zum -σσ- R 9.1.

Kommentar

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Anm. 31). Der Vers ist auch an der vorl. Stelle in Zeus’ Rede nicht unpassend, in der ein ironischer Unterton mitzuschwingen scheint (zur Schwierigkeit der Entscheidung s. auch KIRK zu 5.373–4). — µαψιδίως: noch Od. 2.58; ist eine Weiterbildung zu µάψ (dazu 2.120n.) und bed. hier etwa ‘einfach so, drauflos’, zur Bezeichnung einer spontanen, nicht motivierten Handlung (vgl. 2.214n.). — ὡς εἴ τι … ῥέζουσαν: ‘als ob du etwas … tätest’; ὡς εἰ + Ptz. wie 16.192, 24.328, ‘Hes.’ Sc. 198 (24.328n. mit Lit.). — ἐνωπῇ: bed. ‘im Angesicht, öffentlich’, ist im fgrE nur in diesem Vers belegt.

511 1. VH = 461 (s.d.). — Artemis’ Benennung mittels ihres Epithetons Keladeinḗ (‘Rauschende, Lärmende’) hängt v.a. mit ihrem Wesen als Göttin des Draußens und der Wildnis zusammen (470n.); es steht im Hinblick auf den Lärm in der Natur (s.u.) und auf Artemis’ Auftreten bei der Jagd od. zusammen mit tanzenden Frauen, s. h.Ven. 16–20 (KRAPP 1964, 212; DUE 1965, 2f.; FAULKNER zu h.Ven. 16 [“Artemis is generally a noisy goddess”]). ἐϋστέφανος: Ableitung zu στεφάνη (‘Helmkranz, Diadem’) od. στέφανος (‘Kranz’): LfgrE s.vv. ἐϋστέφανος, στέφανος u. στεφάνη; steht immer in einer Nomen-Epitheton-Formel nach der Zäsur B 2 (2× Il., 4× Od., 9× Hes., 7× hom.h.), in der Ilias außer hier noch 19.99 als Epitheton der Stadt Theben (‘mit gutem Mauerkranz’), sonst der Göttinnen Aphrodite u. Demeter (ferner von menschlichen Frauen): 19.98–99n. — Κελαδεινή: bed. ‘die Rauschende, Lärmende’ (zu κέλαδος/κελάδων/κελαδέω vom Lärmen von Winden und Flüssen: 18.576n.), im fgrE Epitheton von Zephyros (23.208) u. von Flöten (h.Merc. 95), v.a. aber von Artemis (außer hier als Epitheton in der flektierbaren Halbvers-Formel χρυσηλάκατος κελαδεινή, u.a. Il. 16.183, 20.70 [weitere Stellen 16.183n.]).

512–513 2. VH von 513 ≈ Od. 20.267, ‘Hes.’ fr. 43a 36 M.-W. — Mit der Betonung, seine eigene Gattin sei an allem schuld, sucht Artemis Trost und Unterstützung bei ihrem Vater. Ihre Anschuldigung, sie sei auch Ursache der ganzen Streitereien unter den Göttern, erinnert an den Ablauf der Götterkämpfe, in denen Hera die bei weitem aktivste Gottheit ist: Hera ruft die Götter dazu auf, in den Kampf einzugreifen, der Aufruf wird von Poseidon unterbunden (20.112–137); sie dirigiert Hephaistos im Kampf gegen Skamandros (328–341, 378–380), ist danach weiterhin zornentbrannt (d.h. wohl auch kampflustig: 384), treibt auch Athene an (418–423) und greift schließlich Artemis an (479–492). Ihr Zorn und ihre Streitlust sind mehrfach Thema in der Ilias, v.a. in Äußerungen von Zeus (s. bes. 1.518–521, 4.31–38, 5.892f.). Am vorliegenden Punkt der Erzählung jedoch – nach Abschluß der ‘Menis’-Handlung (1.247–19.75, s. auch 20.19–31: STR 22 Abb. 2) und am Ende der ‘Theomachie’ – ist Zeus’ Reaktion anders, denn er ist wie seit Beginn der Götterkämpfe in heiterer Stimmung (389f./508) und bleibt gelassen (RICHARDSON zu 512–13). ἄλοχος: 499n. — στυφέλιξε: 379n. — λευκώλενος Ἥρη: 377n. — ἔρις καὶ νεῖκος: synonymische Doppelung (ebenso Iterata u. 2.376, 20.251, Hes. Th. 782); zum Phänomen (häufig versfüllend in der 2. VH) s. 1.160n.; mit diesen beiden Begriffen für ‘Streit’ werden auch

511 προσέειπεν: = προσεῖπεν. 513 ἐξ ἧς: ‘auf Grund derer’. — ἀθανάτοισι: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).

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die Vorgänge der ‘Theomachie’ umschrieben: zu ἔρις s. die Ankündigungen 20.55, 20.66, 21.385, 21.390, 21.394; zu νεῖκ- s. 20.140 (Poseidon zu Hera: Kampfbeginn der Götter), 21.470 (Artemis’ verbale Attacke gegen Apollon). — ἐφῆπται: Das Perf. zu ἐφάπτοµαι ist außer hier in VE-Formeln verwendet, die sich auf das Schicksal von Menschen beziehen (‘sind verhängt, bestimmt’: κήδε’ ἐφ. 2.32n.; πείρατ’ ἐφ. 7.402n.); die urspr. Bed. und Herkunft des Bildes sind unklar (LfgrE s.v. ἅπτω 1123.54ff.). VE-Formeln mit νεῖκος haben als verbale Ergänzung ἐτύχθη (11.671, Od. 21.303, ‘Hes.’ fr. 43a 36 M.-W., h.Merc. 269; s. auch schol. T u. ERBSE zur vorl. St.) od. Formen von ὄρνυµι/-µαι (3.87n.).

514 = 5.274, 5.431, 7.464, 8.212, 13.81, 16.101, 18.368 sowie 16× Od. — RedeAbschlußformelP in der Form eines SummaryP: es impliziert einen längeren Dialog mit Reden ähnlichen Inhalts und bereitet einen Szenenwechsel zu einer gleichzeitig laufenden Handlung vor; hier entfernen sich die Götter vom Schlachtfeld (515 Apollon nach Troia, 518 die anderen auf den Olymp), die ‘Theomachie’ endet, die Handlung verschiebt sich von den Göttern zu den Menschen (520b–611 Achills Ansturm): DE JONG (1987) 2004, 206. 287 Anm. 28; RICHARDSON 1990, 31f. 213 Anm. 37). Man würde vielleicht noch eine Antwort von Zeus erwarten, wie in den Szenen des 5. Gesangs, wo er seine sich beklagenden Kinder Aphrodite und Ares freundlich bzw. ungehalten zurechtweist (5.426–430 bzw. 5.888–899). Aber hier ist solche Zurechtweisung bereits durch Hera erfolgt (481–488); der Erzähler führt die Handlung sogleich weg vom Gespräch (WEST 2011, 382). 515–611 Flucht der Troer in die Stadt: Während die fliehenden Troer sich in die Stadt retten, verhindert Apollon die Erstürmung Troias. Er bedient sich des Troers Agenor, um Achilleus aufzuhalten. Apollon (515–517, 538f.) ist das Bindeglied beim Wechsel von der göttlichen zurück auf die menschliche Ebene, wo sich mit der Bezwingung des Flußgottes Skamandros die Lage geändert hat (zum Szenenwechsel mittels Ortswechsel einer Figur s. DE JONG/NÜNLIST 2004, 73f.): Achilleus kann wieder unter den Troern wüten (520b– 525, illustriert durch ein Gleichnis) und löst eine Massenflucht aus; das ganze troische Heer flieht nun kampflos auf die Stadt zu und zieht sich hinter die Mauern zurück, gibt also seine Stellung außerhalb der Stadtmauern auf, an der es an den beiden vorausgehenden Tagen noch festgehalten hatte (s. die Heeresversammlungen am Ende der beiden letzten Schlachttage 8.489–548 und 18.246–314a). Diese Flucht wird vom Erzähler kurz beschrieben (540–543, 606–22.4) und zusätzlich veranschaulicht durch die emotionale Reaktion des Priamos beim Anblick Achills (526–536). Die Ängste der Troer sind auch erfahrbar gemacht durch das Selbstgespräch des Troers Agenor (553–566), der sich allein Achilleus entgegenstellt. Diese Szene enthält das konventionelle Motiv des Widerstandsversuchs eines Einzelnen in Schilderungen von Flucht514 ὥς: = οὕτως. — οἳ µέν: fortgesetzt in 515 (αὐτὰρ Ἀπόλλων) und 518 (οἱ δ’ ἄλλοι). — ἀγόρευον: zur augmentlosen Form R 16.1.

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phasen (zum Motiv 144–147n.); zu Kampfschilderungen mit Rückzug und Flucht s. auch 16.278–418n. 515–517 Der ErzählerP steuert die Handlung, indem er bereits hier Apollons Eingreifen in 538f., 544–549 und 595–605 vorbereitet; denn durch den göttlichen Eingriff wird plausibel, daß trotz Achills Ansturm (520b–525, 532b–536) nicht geschieht, was nicht sein darf, nämlich daß Troia zu früh erobert wird (517, ‘Wenn nicht’SituationP 544–546), ebenso 16.698–701, 17.319–332 (16.698–701n.; SCHEIBNER 1939, 39. 47; FENIK 1968, 175f.; RICHARDSON zu 516–17; zu dieser hom. Erzähltechnik s. schol T mit NÜNLIST 2009, 28f.; zu Apollon s. auch 16.94n.). – Zur These, 515–517 habe urspr. direkt an 232 angeschlossen und 518–520 sei ein Textteil, mit der die später eingefügte ‘Theomachie’ abgeschlossen und an die urspr. Erzählung angeschlossen werde (s. auch WEST 2011, 382: versch. Entstehungsphasen des Werks durch den Iliasdichter), s. 211–327n., 233n. 515 Ἀπόλλων Φοῖβος: Nomen-Epitheton-Formel zwischen den Zäsuren A 2 und B 2 (noch 16.700, 20.68, 21.545, ‘Hes.’ fr. 307.1 M.-W.), mit Wortende von Ἀπόλλων an einer Versstelle, an der Wortende i.d.R. vermieden wird (M 11.1); häufiger sind die VE-Formel Φοῖβος Ἀπόλλων und ihre flektierten Varianten am VA (16.527n.; HIGBIE 1990, 183–186, bes. 185f.). – In der in einem Pap. überlieferten v.l. mit οἶος anstelle von Φοῖβος ist das Motiv ‘A als einziger … x, alle anderen …y’ verdeutlicht, s. 518 οἱ δ’ ἄλλοι (app. crit.; LEAF; zum Motiv 1.198n.). — ἐδύσετο: δύοµαι i.S.v. ‘in einen Wirkungsbereich eindringen’, hier vom Eintauchen der Schutzgottheit in den Bereich der Stadt (LfgrE s.v. δύνω 358.50ff.; KURZ 1966, 108 mit Anm. 38. 148); zum themat. s-Aor. 3.262n. (zu βήσετο), 19.36n. (zu δύσεο). — Ἴλιον ἱρήν: 128–129n.

516 ≈ ‘Hes.’ fr. 235.4 M.-W. — Die Stadtmauer als Gegenstand der Sorge Apollons steht hier für die ganze Stadt und ihre Eroberung; zu den Mauern Troias s. 446– 447n.

µέµβλετο: mediale Plpf.-Bildung zu µέλει (noch Od. 22.12) mit Impf.-Bedeutung (‘ihn kümmerte’ i.S.v. ‘er dachte an’): LfgrE s.v. µέλω; Lit. zur Perfektbildung µεµβλ-ε- 19.343n. — ἐϋδµήτοιο: ἐΰδµητος ist generisches EpithetonP von soliden Bauwerken, in der Ilias v.a. bei τεῖχος und πύργος/-οι (12.36, 12.137, 12.154 Lager der Achaier; 16.700, 22.195 Troia), nur hier bei πόλις und wohl ebenfalls im Hinblick auf Troias Bollwerke (Mauern und Tortürme) verwendet; vgl. auch die weiteren Epitheta Troias εὐτείχεος (1.129n.), εὔπυργος (7.71–72n.) und ὑψίπυλος (544), die alle die Wehrhaftigkeit der Stadt hervorheben, deren Mauern von Göttern erbaut wurden (VISSER 1997, 86. 131; zu den Epitheta Troias s. SCULLY 1990, 69– 80, bes. 77f.).

515 αὐτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). — ἐδύσετο (ϝ)ίλιον: zur Prosodie R 4.3. — Ἴλιον ἱρήν: Richtungsangabe ohne Präp. (R 19.2); ἱρήν = ἱεράν. 516 γάρ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.5. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). — ἐϋδµήτοιο: zur Flexion R 11.2. — πόληος: Gen. zu πόλις (R 11.3, R 3).

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517 Der ErzählerP berichtet öfter davon, daß etwas beinahe ‘über den zugewiesenen Anteil hinaus’ (d.h. gegen das Schicksal) geschehen wäre oder daß Handlungsfiguren solche Befürchtungen hegen (2.155n., dort auch zum iliadischen Schicksalsbegriff), insbesondere die Befürchtung, Troia werde demnächst od. zu früh erobert (vgl. die ‘wenn nicht’-SituationP 544f.); die gleiche Überlegung findet sich auch 20.26–30, wo Zeus den Göttern erlaubt einzugreifen, da Achilleus wieder am Kampf teilnimmt (anders äußert sich Apollon 16.707–709: Troia wird nicht durch Achilleus erobert werden); weitere Stellen 18.265n.; SCHADEWALDT (1938) 1966, 156f. Anm. 4. So kann der Erzähler mit Handlungsmöglichkeiten spielen, die im Widerspruch zur Erzähltradition stehen (SCHADEWALDT a.O. 153 Anm. 3; MORRISON 1992, 60; neuere Lit. s. GARCIA 2013, 19 Anm. 42). — Danaer: 429n. ὑπὲρ µόρον: ebenso 20.30, Od. 1.34f., 5.436; s. ferner die metr. Varianten ὑπέρµορα (Il. 2.155: s.d., mit Lit.; CHANTR. 2.45), ὑπὲρ µοῖραν (20.336), ὑπὲρ αἶσαν (16.780 [s.d.]). — ἤµατι κείνῳ: VE-Formel (5× Il., 2× Hes.), bezieht sich auf die für den Sprecher, hier den ErzählerP, entfernte Vergangenheit (‘an jenem Tag’): DE JONG [1987] 2004, 235f.

518–520a Nach den ausgetragenen Streitereien begeben sich die ewig Lebenden (518b) wieder auf den Olymp und sitzen vereint beisammen bei Vater Zeus (520a), auch wenn die Göttergemeinschaft immer noch gespalten ist, s. die antithetische Formulierung 519 zur Beschreibung der Stimmungslage. Ähnlich wie am ersten Kampftag der Ilias (5.907–6.1 mit 6.1n.) verlassen also die Götter das Schlachtfeld und überlassen die Sterblichen sich selbst – mit Ausnahme Apollons (545–22.213), der den unvermeidlichen Zusammenstoß von Achilleus und Hektor hinauszögern wird (RetardationP) und Athene (22.186f., 22.214–277), die Achilleus unterstützen und Hektor täuschen wird. 518 ≈ 1.494. — θεοὶ αἰὲν ἐόντες: flektierbare VE-Formel (Nom.: 4× Il., 4× Od., 1× Hes.; Akk.: 1× h.Cer.); zum Formelsystem für die ‘ewig seienden Götter’ s. GARCIA 2013, 162 Anm. 10; 2.400n. (θεῶν αἰειγενετάων). 519 κυδιόωντες: ‘im Gefühl des Erhobenseins, in Hochstimmung seiend’; Ableitung zu κῦδος, das etwa ‘Herausgehobenheit’, auch ‘Hochgefühl’ bed. (6.184n.; LATACZ 1966, 130f.). 520a 1. VH ≈ 23.28. — κελαινεφεῖ: ‘mit dunklen (Gewitter-)Wolken’, Wetter-Epitheton des Zeus, häufig in der flektierbaren VE-Formel κελαινεφέϊ Κρονίωνι (1.397n.; s. auch 499n.).

517 µὴ … πέρσειαν: Ausdruck der Besorgnis (abhängig von µέµβλετο), mit Opt. Aor. zu πέρθω ‘zerstören’. — ἤµατι κείνῳ: ≈ ἐκείνῳ τῷ ἤµατι (τὸ ἦµαρ ‘Tag’). 518 ἴσαν: = ᾖσαν (‘sie gingen’); zur augmentlosen Form R 16.1. — αἰέν: = ἀεί. — ἔοντες: = ὄντες (R 16.6). 519 δὲ (µ)µέγα: zur Prosodie M 4.6 und M 8. — µέγα: adverbiell., ‘sehr, stark’. — κυδιόωντες: Ptz. zu κυδιάω (zur ep. Zerdehnung R 8). 520a κὰδ δ’ ἷζον: Impf. zu καθ-ίζω ‘sich niedersetzen’; zur sog. Tmesis R 20.2 (apokopiertes u. assimiliertes κατά: R 20.1).

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520b–525 Durch das GleichnisP mit Rauch, der den ‘weiten Himmel’ erreicht (d.h.: maximale Höhe), der den Bewohnern der brennenden Stadt Leid oder gar Tod gebracht hat, also das gut sichtbare Zeichen einer Katastrophe ist, wird die Aufmerksamkeit auf Achills Agieren gelenkt und das Unheil illustriert, das durch dessen Wüten über die Troer gekommen ist: zum einen in den Begleiterscheinungen der Feuersbrunst (524), denn ebenso hat Achilleus den Troern Mühsal und Leid gebracht (525), indem er ihre Kämpfer und Pferde getötet hat (521), s. auch die Folgen einer Feuersbrunst in einer Stadt im Gleichnis 17.737–739; zum anderen durch den Rauch als weithin sichtbares Zeichen des Unglücks (522), denn ebenso ist der Anblick des heranstürmenden Achilleus, der die Troer vor sich hertreibt (527f.), für Priamos das Zeichen höchster Gefahr für die Stadt (532b–533): LEAF zu 523; FRÄNKEL 1921, 51f.; zu Achilleus und Gleichnissen mit Feuer s. 12–14n. Mit der starken Betonung von Leid und Tod, die über die Menschen hereingebrochen sind (524f.), wird auch ein Kontrast zu den Göttern geschaffen (518–520a), die sich nach ihren Kämpfen wieder unversehrt auf dem Olymp versammeln (SCOTT 2009, 70f.). Daß das Feuer und das Leid in der Stadt auf eine Kriegssituation zurückzuführen ist, wird vom Erzähler nirgens angedeutet; allenfalls können der Ausgang der ‘Theomachie’ und die verschiedenen Hinweise, daß Troias Schicksal endgültig besiegelt ist (375–376n., 428–433n.), die Assoziation mit Troias Untergang wecken. So ist mehrfach auf die Ähnlichkeit mit dem Gleichnis bei Achills Auftritt am vorausgehenden Tag am Rand des Schlachtfeldes hingewiesen worden, in dem weithin sichtbarer Rauch aus einer belagerten Stadt aufsteigt (18.207–214 [s.d.]): MOULTON 1974, 394; 1977, 110f.; EDWARDS 1987, 106; READY 2011, 259; vorsichtig LEAF zu 523; zur Beziehung zwischen diesen Gleichnissen s. auch DE JONG zu Il. 22.410–11 (zum einzigen Gleichnis, in dem explizit der Bezug zu Troia hergestellt wird). Vereinzelt ist auch der Hinweis herangezogen worden, Ursache der Feuersbrunst sei Götterzorn (523); denn Hera, Athene (Parisurteil) und Poseidon (Laomedons Frevel) hegten ja auch Groll gegen Troia. Wenn man aber die brennende Stadt mit Troia gleichsetzt, würde Achilleus der Feuersbrunst als dem Instrument des Götterzorns entsprechen. Aber Achilleus wird nicht Vollstrecker einer solchen Strafe für die Stadt sein (NÜNLIST 2020, 41. 54 Anm. 31); auch sollte dies alles nicht als Ausdruck einer moralisierenden Haltung des Erzählers verstanden werden (gerechte Strafe für die Troer: so MOULTON 1977, 110), denn Troias Untergang ist zumindest auch bedingt “durch die gnadenlose Härte, mit der sich einzelne Götter […] rächen” (so STOEVESANDT 2004, 247–249 [Zitat 248]; zur Diskussion über moralisierende Deutungen s. auch 4.160–168n., 16.384–393n. [Massenflucht der Troer und Gleichnis mit Überschwemmung und Zerstörung als göttliche Strafe]).

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520b αὐτὰρ Ἀχιλλεύς: VE-Formel nach der Zäsur C 2, wo häufig Szenenwechsel einsetzt, (17× Il., ferner VA-Formel 5× Il.); zur Verwendung der Formel (erneutes Einblenden der zentralen Figur Achilleus) und von αὐτάρ bei Szenenwechsel s. 24.3n. 521 ≈ 11.708. — αὐτούς: betont die Menschen neben den Pferden, ähnlich 11.707f. (SCHW. 2.164; LfgrE s.v. 1654.20ff., zur vorl. St. 1654.34f.). Die über die Vershälften verteilten Objekte (Menschen, Pferde) signalisieren: Achilleus tötet dem Gegner alles Lebende, das ihm in die Quere kommt. — ὄλεκεν: im fgrE nur im Präs.-Stamm belegt, als komplementäre Formen zu meist nicht-präsentisch verwendetem ὄλλυµι (LfgrE); die Präs.-Bildung mit κSuffix betont wohl “ den ‘erfolgreichen’ Abschluß des Verbalvorgangs” (1.10n., mit Hinweis auf SCHW. 1.702 u. CHANTR. 1.329). — µώνυχας ἵππους: flektierbare VE-Formel (Nom./ Akk.: 33× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’) nach vokalischem Wortende (prosod. Variante: ὠκέας ἵππους): 19.424n. (dort auch zur Bed. ‘einhufig’). 522 ≈ 18.207; 2. VH ≈ Od. 8.74, 12.73, 19.108. — ὡς δ’ ὅτε: 257n. — εἰς οὐρανὸν εὐρὺν ἱκάνει: variierbare Halbvers-Formel (s. Iterata), Erweiterung der flektierbaren VE-Formel (εἰς) οὐρανὸν ἵκει (6× Il., 3× Od., 1× h.Ap.; weitere Formeln s. 2.153n.); die v.l. ἵκηται ist wohl aus 18.207 übernommen (zur Syntax des Gleichnisses 18.207–212n.). – οὐρανὸν εὐρὺν ist formelhafte Junktur an versch. Versstellen (267n.; an gleicher Versstelle wie hier insgesamt 5× Il., 20× Od., 3× h.Ap.). 523–525 δέ … | … δ(έ) … δέ …: parataktische Fortsetzung des Gleichnisses mit Wiederholung der Verben in den Sätzen des ‘Wie-’ und des ‘So-Teils’, mit 3× Gleichklang ab der Zäsur C 2 (µῆνις ἀνῆκεν, | … κήδε’ ἐφῆκεν, | … κήδε’ ἔθηκεν.|) und Chiasmus von Prädikat und Akk.-Obj. in 524 (ἔθηκε πόνον … κήδε’ ἐφῆκεν); s. auch 524–525n.

523 Die Tatsache, daß Groll von Göttern (zu gr. mḗnis s. 1.1n.: in der Ilias nur von Göttern und von Achilleus) der Grund für die Feuersbrunst ist, legt nicht zwingend eine Kriegssituation nahe (LEAF; Hinweis NÜNLIST; s. auch 520b–525n.). Ähnlich wird 16.384–393 eine bestimmte Situation in der Schlachtbeschreibung durch ein GleichnisP illustriert, in dem die Menschen – losgelöst von einer Kriegssituation – eine Katastrophe erleben, da Zeus als Vergeltung für menschliches Fehlverhalten ein Unwetter schickt; weitere Beispiele für göttlichen Groll od. Zorn als Ursache für menschliches Leiden: 1.75n., 4.160–168n. (mit Bezug zu Troia), 16.711n. (dort weitere Stellen u. Lit.), 18.292n.; zu altoriental. Parallelen für göttlichen Zorn, der zum Untergang einer Stadt führt, s. WEST 1997, 127 Anm. 110. 393.

ἄστεος αἰθοµένοιο: ablativischer Gen., vgl. 18.207 καπνὸς ἰὼν ἐξ ἄστεος (AH). — θεῶν … µῆνις ἀνῆκεν: wohl als Parenthese aufzufassen (LEAF; RICHARDSON); denn als Subjekt der Verben in 524 ist καπνός stellvertretend für die Feuersbrunst zu denken (AH; LEAF: i.S.v. “the conflagration”, od. noch allgemeiner “the state of the things”) und nicht µῆνις (so MUELLNER 1996, 48 [mit Hinweis auf 1.2]). – Zum VE vgl. die Formeln θυµὸς ἀνῆκεν (395n.) und ὕπνος ἀνῆκεν (1× Il., 2× Od.).

521 ὁµῶς: = ὁµοίως ‘gleichermaßen’, näml. Τρῶας … αὐτούς τ(ε) … καὶ … ἵππους. 523 ἄστεος: zur unkontrahierten Form R 6. — ἑ: = αὐτόν (R 14.1); der Rauch steht für das Feuer.

Kommentar

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524–525 2. VH 524 ≈ 6.241; VE 524 = 1.445; VE 525 = Od. 23.306. — πόνον … κήδε(α): die Koppelung der Begriffe auch 22.488 (Mühsal und Jammer erwarten den vaterlosen Astyanax), ähnlich auch πόνος … καὶ ὀϊζύς 14.480 (s.d.). πόνος (‘Mühsal’) kann bei Homer u.a. auch speziell die Mühsal des Kampfes bezeichnen, so z.B. 16.568, 17.41; κήδεα bed. ‘Tod(esfall), Leid’, auch ‘Trauer’ um Angehörige (LfgrE s.vv. κῆδος 1399.43ff. u. πόνος 1446f.42ff.). — κήδε’ ἐφῆκεν, | … κήδε’ ἔθηκεν: Spiel mit klangassoziierten VE-Formeln, s. Iterata und vgl. κήδε’ ἐφῆπται/-το (4× Il. [2.32n.], ferner v.l. 524 [app. crit.]) u. ἄλγε’ ἔθηκεν (1.2, 22.422); zum Phänomen 1.445n. (mit Lit.), FOR 25. Die Verben im Aor. zeigen das Agieren des Feuers bzw. Achills (schafften Mühsal, Leid und Tod), während in der Einleitung des Gleichnisses V. 522, mit Prädikat im Präs., das Bild des aus der Ferne sichtbaren Zeichens der Katastrophe präsentiert wird (FRÄNKEL 1921, 51). – Zu ἐφῆκεν (‘auferlegte’) mit abstractum als Obj. s. noch πότµον ἐφ. 4.396, Od. 4.339f., 17.130f. 19.550 (LfgrE s.v. ἵηµι 1154.55ff.).

526–536 Mit einem unvermittelten Ortswechsel nach Troia wird die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf Priamos’ Situation und Perspektive gelenkt, auf seine angespannte Haltung (stehend) und – in dessen Wahrnehmung – auf die Gefährlichkeit der vorher beschriebenen Situation (zur Einführung einer Figur, die die Handlung beobachtet, 19.340n.). Zum ersten Mal in der Ilias wird geschildert, wie Troias Herrscher Achilleus erblickt und wie dessen Auftreten im Kampf auf ihn wirkt (527, 529). Dabei steuert der ErzählerP durch einzelne Punkte auf den Höhepunkt von Achills Aristie zu: (a) die panische Massenflucht der Troer ohne jede Gegenwehr bis in die Stadt (527–529a; beschrieben 540–542a, 608–22.4), wodurch die Bühne für den Showdown zwischen Hektor und Achilleus frei wird (22.5f.): SCHEIBNER 1939, 108; OWEN 1946, 213f.; WEST 2011, 383); (b) die gefährliche Nähe Achills zur Mauer Troias (532b–533, 536, 22.15f., 22.21ff.; vgl. dazu die Aristien von Agamemnon [11.181–182a], Diomedes [6.94b–101, 8.130–136] und bes. Patroklos [16.698–711, mit 16.702–711n.]): SCHEIBNER a.O. 49f.; (c) das Öffnen des Tores für die Fliehenden als äußerst riskantes Unterfangen (534–536 u. 22.1–4): ALBRACHT 1886, 50f.

526–529 ἑστήκει … | ἐς δ’ ἐνόησ’ …, αὐτὰρ … | … κλονέοντο …, οὐδέ … | γίνεθ’: Priamos’ Haltung während der Beobachtung und der Inhalt seiner Wahrnehmung sind in Parataxe ausgedrückt. In der Beschreibung dessen, was Priamos sieht, finden sich mehrere sprachliche Hinweise auf Sekundäre FokalisationP: s. zu πελώριον 527n. und zu ἄφαρ 528n., vgl. κλονέοντο πεφυζότες mit Priamos’ Rede 532 (πεφυζότες) und 533 (κλονέων), dazu 5282n.; die negierte Wendung οὐδέ τις ἀλκή | γίνεθ’ könnte Signal sein, daß dies Priamos’ Schlußfolgerung ist, während er die Szene betrachtet (Hinweis DE JONG). Der Fokus der Wahrnehmung liegt ganz auf Achilleus, was den Eindruck verstärkt, dieser agiere allein auf der Seite der Griechen (zu 527f. Ἀχιλῆα πελώριον, αὐτὰρ ὑπ’ αὐτοῦ | Τρῶες … vgl. 520f. αὐτὰρ 524 ἔθηκε … ἐφῆκεν: als Subj. ist κάπνος aus 522 zu ergänzen. — κήδε᾿ ἐφῆκεν: zum Hiat nach Elision R 5.1. 525 ὥς: = οὕτως. — Ἀχιλεύς: zum einfachen -λ- R 9.1. — Τρώεσσι: zur Flexion R 11.3.

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Ilias 21

Ἀχιλλεύς | Τρῶας … und 525 ὣς Ἀχιλεὺς Τρώεσσι): AH zu 527f.; KURZ 1966, 66. 160f.; BONIFAZI 2012, 139.

526 göttlichen: vgl. 446–447n. — Turm: Türme in der Mauerflucht, versehen mit einer Plattform, die durch eine Brustwehr mit Zinnen geschützt ist, dienen oft als Ausguck, v.a. den nicht mitkämpfenden Frauen und Greisen (3.146ff., 6.371ff.; ferner 18.514f. dargestellt auf Achills Schild), so auch im folgenden Gesang Hektors Eltern und zum Schluß Andromache, die alle den Zweikampf Achilleus–Hektor beobachten (22.25–465): 3.149n. Bei diesem Turm mit gutem Ausblick auf das Schlachtfeld handelt es sich um denjenigen am ‘Skäischen Tor’ (s. 22.5f.), dem Haupttor Troias, an dem sich Hektors Schicksal erfüllen wird (6.373n., Appendix topographica zum 14. Gesang S. 251). ὁ γέρων Πρίαµος: γέρων ist in der Ilias meist mit bestimmtem Artikel verwendet (G 99, 24.164n.). γέρων Πρίαµος ist Junktur an versch. Versstellen: mit Artikel und nach der Zäsur A 4 wie hier noch 24.777, ferner 13.368, 22.25 (nach der Zäsur A 1), ohne Artikel in der VEFormel γ. Π. θεοειδής (7× Il.). 527 Ἀχιλῆα πελώριον: Das Adj. πελώριος, zu πέλωρ ‘Monstrum, Ungeheuer’ (s. dazu 18.410n.), ist Epitheton versch. Heroen und Götter; es wird mit Bezug auf ihre Körpergröße (‘riesenhaft, gewaltig’) und v.a. meist im Hinblick auf die Wirkung auf andere verwendet (Figuren-RedeP od. in Sekundärer FokalisationP), s. Priamos’ emotionale Reaktion (529– 536) auf seine Wahrnehmung (3.166n.; DE JONG [1987] 2004, 130. 142); mit der gleichen Wendung ist Achill 22.92 aus der Sicht Hektors zu Beginn des Zweikampfs beschrieben (s. dagegen ebenfalls vor der Zäsur C 2 die Wendungen Ἀ. πόδας ταχύν [3× Il.] u. Ἀ. δαΐφρονα [1× Il.]: SHIVE 1987, 102f.; FRIEDRICH 2007, 100f.). Ebenso eindrucksvoll wirkt die Erscheinung des Agamemnon auf Priamos (3.166) und die des Aias auf Helena und auf seine Gegner (3.229 [s.d.] u.ö.). — ὑπ’ αὐτοῦ: eigtl. ‘unter der Einwirkung von ihm’; bei Ausdrücken für ‘fliehen’: “le sens approche de la valeur de complément d’agent” (CHANTR. 2.142; vgl. 15n.).

528 Mit der negierten Formulierung ‘es gab keine Gegenwehr’ wird die Abweichung vom Standard benannt, d.h. von der Haltung, die auch Priamos von den troischen Verteidigern erwartet hätte (zur “presentation through negation” s. DE JONG [1987] 2004, 61–68). Es kündigt sich eine Katastrophe an, die Priamos nun verhindern will. ἄφαρ: Adv., hier mit Bed. ‘im selben Augenblick’, s. Priamos’ Beschreibung 532f. (LfgrE); wird etymologisch zu ἄφνω ‘plötzlich’ gestellt (DELG u. BEEKES s.v., jeweils mit Lit.). — κλονέοντο: ‘sich zusammenballen, verknäueln’ (zu κλόνος 422n.), beschreibt das anhaltende Gedränge in der panischen Flucht (18.7n. mit Lit.), s. auch 554, 556, dazu kausatives Aktiv κλονέων 533 (‘jn. zusammendrängen, durcheinanderwirbeln’). — πεφυζότες: zusammen mit κλονέοντο expressiver Ausdruck für diese ungeordnete Flucht der Troer in Richtung Stadttor (‘sie ballten sich in wilder Flucht’), s. noch 532f. (Figuren-RedeP) und abschließend 22.1 (Erzählertext); zur Wortbildung 6n. — οὐδέ τις ἀλκή: variierbare VE-Formel (οὐδέ/

527 ἐς δ’ ἐνόησ(ε): zur sog. Tmesis R 20.2 (ἐς = εἰς: R 20.1). — Ἀχιλῆα: zur Flexion R 11.3; zum -λ- 525n. 528 οὐδέ: 495n.

Kommentar

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οὔτέ τις ἀλκή: 4× Il., 2× Od.), außer hier u. Od. 22.305 immer in dir. Rede; ἀλκή bed. ‘Abwehr, Verteidigung; Wille sich/etw. zu verteidigen’ (3.45n., 19.36n.), der mit Enjambement erweiterte Ausdruck οὐδέ … | γίνεθ’ (ebenso Od. 22.305f., anders Il. 4.245) soviel wie ‘ohne Gegenwehr’ (AH; LfgrE s.v. ἀλκή 496.42f.). 529 οἰµώξας: 272n. — βαῖνε χαµᾶζε: Das Impf. ist viell. metri gratia in Analogie zu VEFormeln mit zweisilbigen Aor.-Formen ἄλτο/ὦσε/ἧκε/θῆκε χαµᾶζε gesetzt, bes. zu jenen mit ἀφ’/ἐξ ἵππων ἄλτο/ὦσε χ. (vgl. 24.459n.; zum Formelsystem 24.469n.); oder es schildert Hintergrundhandlung (LfgrE s.v. βαίνω 13.71ff.); die Haupthandlung ist jedenfalls die durch das Partizip ὀτρύνων eingeleitete Instruktion der Torwächter 530–536 (530n.). 530 ὀτρύνων: ὀτρύνω ist eigtl. kein verbum dicendi, wird dennoch gelegentlich wie hier als Rede-EinleitungP verwendet, allerdings in der Form des Prädikats (3.249, 8.398 u.ö.): LfgrE s.v. 848.44ff.; FINGERLE 1939, 321. Eine Rede-Einleitung mit verbum dicendi ausschließlich in der Form eines Partizips ist überhaupt eher selten, stets in der Form des Ptz. Präs. (4.6 ἀγορεύων, 5.528 κελεύων, 24.238 ἐνίσσων: 3.350n.; FINGERLE a.O. 316f. 319–321), weshalb auch hier das Ptz. Präs. der Hauptüberlieferung mit ὀτρυνέων vorzuziehen ist (schol. A, T; AH; LEAF). — ἀγακλειτοὺς πυλαωρούς: Zur Wichtigkeit der Torwächter und ihres Amtes vgl. die Wendung ἱεροὺς πυλαωρούς 24.681 (mit n.) für Wächter des Schiffslagers. – ἀγακλειτός ist generisches EpithetonP, immer nach der Zäsur B 2 (5× Il., 6× Od., 3× Hes., 1× hom.h.); zu den metr.-prosod. Varianten ἀγακλυτός s. 6.436–437n., ἀγακλεής s. 16.738n. Zur Bildungsweise von πυλᾰωρός (mit ep. Zerdehnung aus *πυλη-ορός > *πυλεωρός > πυλωρός) s. LEUMANN 1950, 222f. Anm. 20; weitere Lit. s. LfgrE s.v. πυλαωρός.

531–536 Die beiden knappen Anweisungen (531–532a, 534f.) sind gut durchdacht (‘haltet … in den Händen’, um sie gleich wieder schließen zu können) und begründet (532b–533, 536: denn Achilleus ist da). Die Klugheit und Umsicht, die Priamos hier im Augenblick höchster Gefahr zeigt, wird auch in anderen Situationen der Iliashandlung deutlich gemacht, s. bes. in Reden von Freund und Feind 3.105–110, 20.183, 24.201f. (24.201n.). Darin unterscheidet sich Priamos, der die Staatsgeschäfte Troias leitet (2.796–806n., mit Lit.), von seinem Sohn Hektor, der den militärischen Oberbefehl inne hat, s. bes. die Einschätzung durch Hektors Freund Polydamas 13.726–734. 531 πεπταµένας … ἔχετε: ‘haltet in den Händen ausgebreitet, offen’, den Zustand betonend (ebenso 12.122 ἀναπεπταµένας ἔχον ἀνέρες in vergleichbarem Kontext), neben Aor. πετασθεῖσαι 538 (AH; LfgrE s.v. πίτνηµι). — λαοί: 458n. 532–533 VE 532 = 24.779; 2. VH von 533 ≈ 23.310. — πεφυζότες: 528n. — ἦ γὰρ Ἀχιλλεύς | ἐγγὺς ὅδε κλονέων: Mit ἦ γάρ (‘denn wirklich, in der Tat’), einem Ausdruck der Figuren529 γίνεθ’: = γίγνετο. — χαµᾶζε: Adv., ‘zu Boden’. 531 πεπταµένας: Ptz. Perf. Pass. zu πετάννυµι. — πύλας: ‘die Torflügel’ (vgl. lat. fores). — εἰς ὅ κε (+ Konj.): ‘bis’ (κε = ἄν: R 24.5). 532 προτὶ (ϝ)άστυ: zur Prosodie R 5.4; προτί = πρός (R 20.1). — ἦ γάρ: emphatisch; v.a. in direkten Reden (R 24.4). 533 οἴω: = οἴοµαι/οἶµαι; Akt. ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied zum Med. (R 23).

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SpracheP, betont der Sprecher, daß er den Sachverhalt nicht in Zweifel zieht, seine Einschätzung der Lage (533b: eine Katastrophe bahnt sich an) richtig sei (vgl. SCODEL 2012, 320f.). Die Reihenfolge in Priamos’ Aussage (Achilleus! – ganz nah hier! – er reibt die Unsrigen auf!) entspricht seiner Wahrnehmung 527–528 (ἐνόησ’ Ἀχιλῆα πελώριον, αὐτὰρ ὑπ’ αὐτοῦ | … ἄφαρ κλονέοντο πεφυζότες). Der Nominalsatz besteht aus dem Subjekt Ἀχιλλεύς und den zwei Prädikativen ἐγγύς ὅδε, die beide die Nähe betonen: zu prädikativischem ἐγγύς vgl. 14.110 ἐγγὺς ἀνήρ, 20.425 ἐγγὺς ἀνήρ, ὅς … (LfgrE s.v. ἐγγύς; GUIRAUD 1962, 199; vgl. auch SCHW. 2.414f.); prädikativisches ὅδε ist mit ‘hier’ zu übersetzen (AH; CHANTR. 2.9) und läßt die Vorstellung einer Geste des Priamos entstehen (vgl. DE JONG 2012a, bes. 67–69); anders LANÉRÈS 1992, 203f.: Ἀχιλλεύς als Prädikativ mit Subjekt im Enjambement (“celui-ci, tout près, qui les bouscule est Achille”). — κλονέων: 528n.; das Ptz. ist als lectio difficilior der v.l. κλονέει vorzuziehen (RICHARDSON). — λοίγι(α): Wort der Figuren-SpracheP; subjektiv wertendes Adj. (‘schlimm, katastrophal’) zu λοιγός (dazu 134n.), immer prädikativ gebraucht (LfgrE s.v. λοίγι(ος)). Zur Verbindung von Achilleus und λοιγός s. 138, 250, 539. 534 ἀλέντες: εἴλοµαι ist ein Ausdruck für den Belagerungszustand Troias (16.714, 18.286f. [mit n.], 22.47, 24.662), bed. hier mit ἐς τεῖχος ‘sich hinter die Mauer drängen’ als direkte Folge der Massenflucht, s. auch 607, 22.12.

535 2. VH ≈ 18.275, Od. 2.344, 22.128. — Die in die Tore eingefügten Türflügel (gr. sanídes ‘Bretter’) waren durch Querbalken und Riegel (gr. ochḗes) gesichert, s. 537, ferner 12.120–122 und 12.453–456 vom Schiffslager der Achaier (zur Technik der Verriegelung s. HAINSWORTH zu Il. 12.120–1 und 12.455–6; WILLETTS 1977; ROUGIER-BLANC 2005, 150. 154–157; weitere Lit. 24.446n.). αὖτις ἐπ’ ἂψ θέµεναι: so die Lesart der Hss., mit ἐπι-τιθέναι ‘anlegen, schließen’ (wie 5.751, 14.169, Od. 22.157, 22.201, h.Ven. 60, 236 [θύρας/θύρην]: LfgrE s.v. τίθηµι 489.31ff.), während sonst im fgrE die Wortfolge ἂψ (δ’) αὖτις üblich ist (VA 2× Il., 4× Od., 1× hom.h.). Aristarch las mit Doppelkompositum αὖτις ἐπανθέµεναι (app. crit.; schol. A; aufgrund des Wohlklangs von LEAF, RICHARDSON u.a. bevorzugt; kritisch WACKERNAGEL [1902] 1953, 147: nicht befriedigend deutbar). Zur Abfolge ἐπ’ ἄψ vgl. 18.14n.; zum imperativischen Inf. s. 294n.; zur vorl. Stelle ALLAN 2010, 207f. — πυκινῶς ἀραρυῖας: flektierbare VE-Formel, erweitert entweder mit σανίδες/-ας (noch Od. 2.344) od. θύρας (Il. 9.475, Od. 21.236/382).

536 Priamos’ Befürchtung, Achilleus könnte durch das offene Tor eindringen, ist realistisch angesichts der Massenflucht der Troer und fehlender Gegenwehr. Die Situation ist also viel gefährlicher als bei früheren Versuchen von Achaiern, über die Mauer in die Stadt einzudringen, wie etwa 6.433–439 die besten Kämpfer (6.433– 534 κ(ε): 531n. — ἀναπνεύσωσιν: zu ἀναπνεύω ‘aufatmen’ i.S.v. ‘gerettet sein’. — ἐς τεῖχος: zu ἀλέντες (zu ἐς vgl. 527n.). — ἀλέντες: Ptz. Aor. Medio.-Pass. zu εἰλέω (‘zusammengedrängt’). 535 ἐπ(ὶ) … θέµεναι: zur sog. Tmesis R 20.2. — θέµεναι: imperativischer Inf. (zur Form R 16.4). 536 µὴ οὖλος: zum Hiat R 5.6. — ἐς: = εἰς (R 20.1).

Kommentar

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434n. a.E.), 16.702–710 Patroklos (16.702n.); bereits am Vortag ist Vorsorge im Hinblick auf Achills Ansturm ein Argument in Polydamas’ Rede gewesen (18.261– 265). Es wäre zwar ein selbstzerstörerischer Akt Achills, ganz allein in die Stadt hineinzustürmen; aber genau das traut Priamos diesem Mann zu, den er als óulos anḗr (‘der Verderben bringende Mann’) umschreibt (ebenso Apollon 24.39, ähnlich Poseidon 14.139: ‘Achills Verderben bringendes Herz’). Das Adjektiv ‘Verderben bringend’, ein Wort der Figuren-Sprache P, ist meist als Attribut von zerstörerischen Kräften verwendet, von Personen nur in bezug auf Achilleus und auf Ares (5.461, 5.717, ‘Hes.’ Sc. 192, 441, fr. 10a.69 M.-W.): 24.39n.; LfgrE s.vv. οὖλος III u. οὔλιος; weitere Lit. s. 16.567n. (zu νύκτ’ ὀλοήν). Zur Umschreibung Achills mit dem Begriff ‘Mann’ (ebenso 308, 314) s. 24.204n. (meist in Direkter RedeP). δείδια: Perf.-Form (*δε-δϝι-α, schwundstufig in Analogie zu Pl.-Formen), hier am VA, wo sonst δείδω steht (SCHW. 1.769; CHANTR. 1.425; JANKO zu 14.43–8; zum Schwund des Digamma G 27). — ἐς τεῖχος ἄληται: so WEST, Herodian folgend (zur Überlieferung s. app. crit.), mit der Deutung von ἄληται als Konj. Aor. zu εἰλέω/εἴλοµαι in Anlehnung an ἐς τεῖχος … ἀλέντες/ἀλῆναι 534 (s.d.) u. 16.714: Priamos will verhindern, daß Achill sich zusammen mit den Flüchtenden hinter die Mauer ‘drängt’ (schol. AT; WEST 2001, 261; vgl. ders. 2011, 383 [zu 538–9]). Andere bevorzugen ἅληται als themat. Konj. Aor. zu ἅλλοµαι ‘springen’ (s. att. ἡλόµην: SCHW. 1.740; LEAF; RICHARDSON), mit Hinweis auf das Kompositum εἰσ-άλλοµαι 12.438 = 16.558 (ἐσήλατο τεῖχος Ἀχαιῶν ‘stürmte die Mauer der Achaier’); zu diesem Verb ist im fgrE der Wurzelaor. ἄλτο üblich (zum sigmat. Aor. HAINSWORTH zu Il. 12.438), und dazu gehört der kurzvokalische Konj. ἄλεται (11.192/207 εἰς ἵππους ἄλεται); allerdings wäre auch der langvokalische Konj. möglich (vgl. G 89).

537 2. VH ≈ 24.446. — Riegel: 535n. ὣς ἔφαθ’: vgl. 114n.

538–539 In den hom. Kampfschilderungen ist ‘Licht’ (gr. pháos) eine Metapher für ‘Rettung’ in höchster Bedrängnis (6.6n.; aind. Parallelen bei WEST 2007, 482); an der vorl. Stelle schaffen die geöffneten Torflügel Licht und damit v.a. den rettenden Durchgang für die Fliehenden (BREMER 1976, 62f.). Allerdings muß Apollon in Aktion treten, um der Gefahr bei diesem riskanten Vorgehen entgegenzuwirken, d.h. um zu verhindern, daß Achilleus in die Stadt eindringt (s. Priamos’ Befürchtung 533b, 536 und den sprachlichen Anklang VE 533/539 gr. lóigi’ ésesthai bzw. loigón amýnai). Apollon wird sich nicht direkt Achilleus entgegenstellen, sondern durch den Troer Agenor auf das Kampfgeschehen Einfluß nehmen, bis alle Troer – außer dem Hauptverteidiger Hektor – in der Stadt sind (544–611n.). Die Verse wurden von Zenodot athetiert, aus welchem Grund, ist umstritten (schol. A; RICHARDSON; zu Zenodots Athetesen s. aber GT 10); auch wurde seit der Antike das Ver537 ἔφαθ’: = ἔφατο, Impf. von φηµί, mit Elision (R 5.1) und Hauchassimilation; zum Medium R 23. — οἵ: demonstr.-anaphorisch (R 17), auf πυλαωρούς 530 zurückweisend. — ἄνεσαν: Aor. zu ἀν-ίηµι, hier ‘loslösen’, d.h. ‘öffnen’. — ἀπῶσαν: Aor. zu ἀπ-ωθέω ‘wegstoßen, wegschieben’. — ὀχῆας: Akk. Pl. von ὀχεύς ‘Riegel’.

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hältnis zwischen dem Öffnen des Tores und dem Auftritt Apollons diskutiert (ausführlich NICKAU 1977, 195–197, mit älterer Lit.). Die Verse fügen sich aber problemlos in den weiteren Handlungsablauf, denn in ihnen wird in knapper Form angedeutet, daß die Situation, die sowohl für die Fliehenden als auch für die Menschen in der Stadt höchst gefährlich ist, durch das Öffnen des Tores und Apollons Intervention ausserhalb der Mauern entschärft werden wird (vgl. DUCKWORTH 1933, 22 mit Anm. 58). 538 τεῦξαν φάος: singuläre Verbindung mit der metaphor. Verwendung von φάος, dazu eine Sache als Subj., andernorts dagegen φάος + τιθέναι/γενέσθαι/ἦλθεν mit Subj. Mensch od. Gottheit (s. aber 15.741 ἐν χερσὶ φάος). Die vorl. Wendung ist vergleichbar mit der dt. Redewendung ‘(sich) Luft schaffen’ i.S.v. ‘(sich) Raum schaffen’: indem die geöffneten Tore Licht schaffen, schaffen sie für die Fliehenden Raum und Rettung (BREMER 1976, 63f. Anm. 125; LfgrE s.v. φάος). — αὐτὰρ Ἀπόλλων: VE-Formel (2× Il., 3× h.Merc.), vgl. 520b n. zur Versstruktur; am VA 515 u. im Akk. 435. 539 ἀντίος: bed. ‘entgegen’; bildet zusammen mit einem Verb der Bewegung oft eine Bez. für Angreifen (144n.) und wird auch hier von einigen in diesem Sinne aufgefaßt (AH: “dem Achill entgegen”), was allerdings nicht mit der folgenden Handlung 545–549 übereinstimmt (daher LA ROCHE: “den fliehenden Troern oder dem Achill”). An der vorl. Stelle drückt es eher die allg. Gegenbewegung Apollons aus, der heraus aus der Stadt in Richtung der Heranfliehenden und ihres Verfolgers stürmt, um die Katastrophe abzuwenden (vgl. KURZ 1966, 124: Entgegengehen im “Sinn einer Gegenbewegung […], mit der eine Aktion verhindert oder beendet werden soll” [mit Hinweis auf 6.54 ἀντίος ἦλθε θέων]; etwas anders LfgrE s.v. 946.32ff.: ‘vorwärts’, ähnlich wie 15.693f. ἴθυσε … | ἀντίος ἀΐξας). — λοιγὸν ἀµύναι: so WEST (app. crit.; s. auch schol. A, T), mit flektierbarer VE-Formel (14× Il.) neben dem ablativischen Gen. Τρώων, analog zu ἀµύνω mit Gen. 4.11, 12.402f., 13.109f., 15.731, 16.522 (als v.l., s.d.), vgl. auch ἀµύνοµαι mit Gen. ‘sich wehren für’ (LfgrE s.v. ἀµύνω 652.29ff.). Andere bevorzugen die besser bezeugte Lesart λοιγὸν ἀλάλκοι wie 138 (s.d.), die dort aber mit dem dat. commodi Τρώεσσι verbunden ist (AH; LEAF; VAN DER VALK 1964, 163 Anm. 349); der Gen. ist bei ἀλάλκ- seltener bezeugt (beim Simplex nur Od. 10.288 [κρατός], sonst beim Kompositum ἀπαλαλκ-: τί τινος Il. 22.348 [σῆς … κεφαλῆς], 24.371 [σεῖ(ο)], τινά τινος Od. 17.364 [κακότητος]).

540–543 SummaryP der Flucht- und Verfolgungsszene vor der detaillierten Beschreibung der Intervention Apollons: Das Gewicht liegt auf dem Fliehen (542 gr. phéugon ‘sie waren auf der Flucht’ als betontes runover word) und der Kampfwut Achills (542b–543): RICHARDSON; vgl. RICHARDSON 1990, 16f. Das Motiv des Durstes (541) taucht beim Abschluß der Fluchtphase 22.2 wieder auf; zum Staub als Kennzeichen der Dynamik von Massenbewegungen s. 2.150n.; KURZ 1966, 155.

540 ἰθὺς πόλιος …: vgl. 398n. — τείχεος ὑψηλοῖο: Nomen-Epitheton-Formel am VE (4× Il.) und VA (1× Il.), von Troias Stadtmauer hier und 16.397, 16.702 (16.397n.).

538 πετασθεῖσαι: Ptz. Aor. Pass. zu πετάννυµι. 539 ἐξέθορε: ‘sprang heraus’, Aor. zu ἐκθρῴσκω. — Τρώων: ablat. Gen. abhängig von ἀµύνοι. 540 πόλιος: zur Flexion R 11.3.

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541 καρχαλέοι: hom. hapaxP, erst wieder bei Apollonios Rhodios belegt (Argon. 3.1058, 4.1442); es bed. hier wohl ‘staubtrocken’, v.a. in bezug auf die Kehle durch Durst, Hast und Staub (LfgrE u. LSJ s.v.; LEAF, mit Hinweis auf Verg. Georg. 3.434 asper siti; vgl. schol. bT: ξηραίνει γὰρ καὶ τραχύνει τὴν γλῶσσαν ἡ δίψη ἡ πολλή.); es ist besser bezeugt als die Nebenüberlieferung καρφαλέοι (‘trocken’, noch 13.409 καρφαλέον) und wohl auch als lectio difficilior zu betrachten (RICHARDSON). Die Etymologie und v.a. die Beziehung zu κάρχαρος (‘scharf, spitz’, vgl. καρχαρόδοντα [‘scharfzähnig’] 10.360, 13.198 u. 3× Hes.) und zu καρφαλέος sind jedoch umstritten (BEEKES s.v. καρχαλέος; LE FEUVRE 2015, 515 mit Anm. 53). — κεκονιµένοι: ‘staubig gemacht’ (vgl. 22.405, Hes. Op. 481); die 2. VH ist Variation der VE-Formel κονίοντες πεδίοιο (3x Il., 1x Od., 1x Hes.).

542–543 VE von 542 (ab der Zäsur C 2) ≈ Od. 7.82, 18.344, 23.85. — Der gr. Begriff lýssa umschreibt in der Ilias die durch den Kämpfer nicht mehr kontrollierbare Raserei in der Schlacht, den Kampfrausch (HERSHKOWITZ 1998, 147–149; CAMEROTTO 2009, 136f. mit Anm. 210; ECK 2012, 140f.: “le délire du champs de bataille”), nachhom. zudem eine Art Tollwut von Hunden (DELG s.v. λύσσα). Der Begriff dient außer hier zur Charakterisierung Hektors in Reden der Gegner und ist daher dort eher negativ gewertet (9.237–239, 9.304–306, 13.53f.; ferner 8.299 in der Metapher des tollwütigen Hundes [gr. kýna lyssētḗra; zu Hektors furor s. 15.605–609 die Beschreibung des Kämpfenden mit Schaum vor dem Mund): LfgrE s.v. λύσσα; zu Kampftrupps im furor s. das Wolfsgleichnis 16.155–167 und den Vergleich 4.471b (beide mit nn.); allg. zur Kampfwut von Kriegern in idg. Literatur s. LINCOLN 1975, 101–103; WEST 2007, 449f. Mit der Bezeichnung lýssa für Achills Kampfwut ist viell. auch hier eine gewisse Wertung verbunden, sicher aber eine Steigerung gegenüber den vorausgehenden Stellen, an denen davon die Rede ist, daß Achilleus ‘einem Gott gleich’ kämpft (18, 314b–315 [mit n.]). Der Erzähler beschreibt, wie sehr nun Achilleus besessen ist von solcher Raserei, die ihm auch Antrieb ist, sein angestrebtes Ziel zu erreichen, nämlich den Sieg über Hektor (s. gr. kýdos ‘Hochgefühl, Prestige’ 543 und 22.393): schol. bT; HERSHKOWITZ a.O. 149.

σφεδανόν: ‘heftig’, zur gleichen Wz. wie σφοδρῶς (att. σφόδρα) gehöriger adverbieller Akk., ist stets in Verfolgungsszenen verwendet: noch 11.165 ≈ 16.372 (Subj. + δ’ ἕπετο σφεδανόν), wenn Agamemnon bzw. Patroklos die Troer bis unter die Stadtmauer verfolgen (16.372n.). — λύσσα … | αἰὲν ἔχε κρατερή: Die Wendung beschreibt λύσσα als emotionalen Zustand (s.o.), der jn. unnachgiebig (αἰεί) im Griff hat und beherrscht (LfgrE s.v. ἔχω 843.72ff.); s. noch 9.238f. Agamemnon über Hektor (µαίνεται ἐκπάγλως … | … κρατερὴ δέ ἑ λύσσα δέδυκεν): LINCOLN 1975, 101. Die Etymologie von λύσσα ist umstritten (zur Wz. von λύκος od. von λευκός gehörig?): DELG u. BEEKES s.v. λύσσα; LINCOLN a.O. 98f. (mit Lit.). — µενέαινε ... ἀρέσθαι: ≈ 20.502 (ebenfalls Achilleus), mit Steigerung gegenüber

542 ὅ: sc. Achilleus. — σφεδανὸν(ν) ἔφεπ(ε): zur Prosodie M 4.6 und M 8. — δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3; οἱ = αὐτῷ (R 14.1). 543 αἰέν: = ἀεί. — ἔχε: zur augmentlosen Form R 16.1.

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ἵετο; denn µενεαίνω bez. in der Ilias meist den aggressiven Drang zu kämpfen und zu töten (LfgrE s.v. µενεαίνω 126.30ff.). – κῦδος ἀρέσθαι ist flektierbare VE-Formel (11× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’), außerdem am VA (18.294) u. nach der Zäsur A 3 (16.88, 22.207). Zu κῦδος (‘Erfolg, Prestige’), Bez. für das Hochgefühl infolge eines milit. Erfolgs, s. 19.204n.; DE JONG zu Il. 22.205–7; weitere Lit. 3.373n. Zu Achills Impuls s. auch 18.121 νῦν δὲ κλέος … ἀροίµην (18.121–125n.).

544–611 Die Szene, in der Agenor, von Apollon gestärkt, den Zweikampf mit dem verfolgenden Achilleus wagt und von Apollon gerettet wird (544–598), fügt sich ein in eine Serie von Zweikämpfen an diesem Schlachttag, in denen sich einzelne Kämpfer bewußt Achilleus stellen, und bereitet das lange erwartete, im 22. Gesang folgende Aufeinandertreffen von Hektor und Achilleus vor: (a) Aineias fordert, von Apollon angetrieben, trotz anfänglichen Bedenken (20.79–111) Achill zum Kampf heraus und wird von Poseidon gerettet (20.158b–352); (b) Hektor will ihn herausfordern, wird von Apollon aber zunächst daran gehindert (20.364–380) und beim nächsten Zusammenstoß von ihm gerettet (20.419–454); (c) Asteropaios stellt sich, von Xanthos gestärkt, dem Angreifenden und wird getötet (21.139–204); (d) Hektor stellt sich nach vorausgehender Flucht dem Verfolger und wird getötet (22.25–367). Diese letzte Kampfszene der Ilias wird in mehreren Punkten durch die vorl. Szene vorbereitet (vgl. Antizipation von Szenen/MotivenP): beide, Agenor und Hektor, stehen allein vor Achilleus und entscheiden sich im Selbstgespräch für den Kampf (552–570); ihre Lanzen prallen an Achills Rüstung ab (591–594); Achills Gegner flieht, eine Verfolgungsjagd schließt sich an (602–605); eine Gottheit (Apollon bzw. Athene) führt den Kämpfer (Achill bzw. Hektor) hinters Licht (21.599–22.20 [s.u.] bzw. 22.226–247, 22.276b–277, 22.296–305): 599–611n.; SCHEIBNER 1939, 107–111; FENIK 1968, 214; 1978, 79–81; BANNERT 1988, 49–51; DI BENEDETTO (1994) 1998, 223–225; s. auch RICHARDSON zu 514–611. Durch die eindrückliche Schilderung, wie sehr sich Agenor vor Achilleus fürchtet und sich trotzdem – gestärkt durch Apollon – zum Zweikampf mit ihm durchringt (Entscheidungsmonolog 552–570n. und Gleichnis 573–580n.), wird deutlich, daß dessen Kampfkraft, nachdem er von den Wassermassen des Flußgottes Skamandros überwältigt wurde, jetzt wieder völlig hergestellt ist. In der Gestaltung der vorliegenden Szene mit Agenor läßt sich die Verbindung zweier geläufiger Motive erkennen: eine Gottheit veranlaßt einen Menschen, eine gefährliche Situation in der Schlacht durch eigenen Einsatz zu entschärfen (8.218f. Hera–Agamemnon, 12.292f. Zeus–Sarpedon, 17.322f. Apollon–Aineias); eine Gottheit rettet den Kämpfer aus lebensgefährlicher Situation im Kampf und bringt ihn weg vom Schlachtfeld (Beispiele 597n.). Hier macht Apollon beides (ERBSE 1986, 298f.): er flößt Agenor Mut ein (547a), beobachtet ihn (547b–551) und entrückt ihn rechtzeitig (596–598), nimmt dann seine Gestalt an, lenkt so Achilleus weg von den Mauern und entschärft die Situation am Stadttor Troias und verhöhnt diesen am Schluß (600–22.13); so fügt der Erzähler anstelle einer direkten Konfrontation zwischen Achilleus und Apollon die Figur des Agenor

Kommentar

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ein, in dessen Herausforderungsrede Apollons Absichten erkennbar sind (583– 589n.; BANNERT a.O. 50). Die erzähltechnische Funktion der Szene ist die Isolierung der Kontrahenten Achilleus und Hektor vom Rest der Heere (vorbereitet 224– 227): Die übrigen Kämpfer der Achaier sind schon seit längerem aus dem Blickfeld verschwunden (mit Ausnahme von 517 und 544) und werden erst wieder 22.3f. erwähnt, wenn sie sich der Mauer nähern; später bleiben sie auf Achills Anweisung hin bloße Zuschauer (22.205–207); der Erzähler konzentriert also das Geschehen auf den allein vorwärtsstürmenden Achilleus, der nun durch Apollon von den fliehenden Troern (und damit auch von den sie verfolgenden Achaiern) weggelenkt wird; Hektor wiederum wartet allein auf Achilleus, nachdem die Troer sich in die Stadt gerettet haben (606–22.6, 22.91f.): PELLICCIA 1995, 141f. Anm. 60; s. auch die Einleitung S. 11. 544–549 Nachdem der ErzählerP verschiedene Götter die Befürchtung hegen ließ, Troia könnte vorzeitig eingenommen werden (20.29f. Zeus, 21.309f. Skamandros, 21.516f. Apollon: vgl. 309–310n.), setzt er diese Reihe mit einer ‘Wenn nicht’SituationP fort. Eine solche markiert meist einen dramatischen Moment im Verlauf einer Schlacht, bei dem ein Gott selbst eingreift oder ein von einer Gottheit angetriebener Held das Schlimmste verhindert, so daß die Gefahr der Massenflucht gebannt oder die Flucht durch neu geweckten Widerstand abgebrochen wird; so bewirkt etwa 17.319–343 Apollons Eingreifen, daß Aineias den Zusammenbruch der Verteidigung verhindern kann (6.73–76n.). In der vorl. Situation will der ErzählerP lediglich den Verfolger Achilleus ausbremsen lassen, läßt dies aber über drei Stufen geschehen und durch Apollons Intervention plausibel erscheinen: Der Gott (1) treibt den Troer Agenor an, flößt ihm ‘Kühnheit’ ein (547 gr. thársos) und wacht höchstpersönlich (547 gr. autós) über ihn; (2) er rettet ihn (596–598) und (3) agiert dann selbst in Agenors Gestalt (599–605/22.7–19). Die Tatsache, daß nur so in dieser Massenpanik ein Troer sich Achilleus entgegenstellt und eine verfrühte Eroberung Troias verhindert wird, unterstreicht mit Nachdruck die Gefahr, die von Achilleus in seinem furor ausgeht (s. auch 538f.): ERBSE 1986, 298f. Vergleichbar ist die ähnliche, aber nicht gleich gefährliche Situation mit Apollons Intervention gegen Patroklos 16.698–701 (mit n.; DE JONG [1987] 2004, 74. 79); zu Apollons tatkräftigem Eingreifen gegen achaische Aggressoren (bes. Diomedes, Patroklos, Achilleus) s. auch 16.700n., 16.702–711n. 544 = 16.698; 2.VH ≈ 16.56. — ἔνθά κεν: übliche Einleitung einer ‘Wenn nicht’-SituationP (2.155–156n., mit Lit.); zur Akzentsetzung s. WEST 1998, XVIII; zu ἔνθα als Selektionssignal in Kampfschilderungen (Fokussierung auf einzelne Kämpfer) s. 16.306n. — ὑψίπυλον: generisches EpithetonP von Städten (3× Il., davon 2× Troia), durch das die Befestigungsanlagen betont werden (vgl. 516n.). — υἷες Ἀχαιῶν: 376n. 544 κεν: = ἄν (R 24.5). — Τροίην: zum -η- nach -ι- R 2. — ἕλον: zur augmentlosen Form R 16.1. — υἷες: zur Flexion R 12.3.

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545 = 1. VH 16.700, ‘Hes.’ fr. 307.1 M.-W.; ≈ Il. 21.515. — Agenor: troischer Unteranführer, dessen Vater Antenor dem troischen Ältestenrat angehört. Agenor bildet zusammen mit Hektor, Polydamas und Aineias die militärische Führungselite der Troer (16.535–536n.); er hat in der ersten Schlacht der Ilias als erster Troer einen Gegner getötet (4.463–472), des weiteren den Boioter-Anführer Klonios (15.340), und er half bei der Rettung des verwundeten Hektor (14.424f.): FM 9 mit Anm. 35; STOEVESANDT 2004, 174f. Der Name Agenor taucht auch 20.474 auf: Dort handelt es sich um den Vater des von Achilleus getöteten Troers Echeklos; daß er mit dem hier erwähnten Agenor vom Erzähler als identisch gedacht ist, ist wenig wahrscheinlich; denn in der vorl. Szene würde Agenors Auftreten nicht dazu passen, zumal er auch nicht von einem getöteten Sohn spricht (EDWARDS zu 20.472–5: Agenor erscheine als zu jung um einen aktiven Kämpfer als Sohn zu haben). Ἀπόλλων Φοῖβος: 515n. — Ἀγήνορα δῖον: Nomen-Epitheton-Formel, außer hier immer am VE (3× Il., im Nom. δῖος Ἀγήνωρ 3× Il.: 16.535–536n.); zum generischen EpithetonP δῖος s. 39n.

546 1. VH bis zur Zäsur C 2 ≈ 4.194, bis zur Zäsur B 2 ≈ 579, 11.262; 2. VH ab υἱόν = 4.89, 5.169, 18.55, h.Ap. 100; ab ἀµύµονα = Hes. Th. 1013, ‘Hes.’ fr. 141.14, 171.6 M.-W. — Die Füllung eines ganzen Verses mit der Benennung einer FigurP (s. auch 579) – hier mit der Angabe des familiären Hintergrundes als Ergänzung zu V. 545 (kürzere Version 11.59) – signalisiert ihre Bedeutsamkeit für die weitere Erzählung (1.36n.), s. 550ff. φῶτ’ … υἱόν: Appositionen zum PN in 545 (LfgrE s.v. φῶς 1082.2ff.). — ἀµύµονα: “eines der häufigsten generischen EpithetaP der ep. Sprache” (1.92n.), wird konventionell als ‘vortrefflich’ verstanden (6.22–23n., dort auch zur umstrittenen Etymologie).

547–548 2. VH von 548 ≈ 1.89. — Zu den Überlieferungsvarianten ‘die schweren Arme des Todes’ und ‘die schweren Göttinnen des Todes’ [so u.a. SCHADEWALDT]) s.u.; zum Tod als Feind, dem man nicht entkommt, s. 281n. Der Umstand, daß es gegen Achilleus nun dringend ein beherztes Agieren Agenors braucht, ist sprachlich auffällig gestaltet, beginnend mit explikativem Asyndeton und Anapher ἐν µέν οἱ … πὰρ δέ οἱ: (a) innere Stärkung: ἐν … κραδίῃ θάρσος βάλε ist singuläre Wendung für die Aussage ‘Gottheit verleiht Energie/Mut’ (zu θάρσος ‘Kühnheit, Verwegenheit’ s. 395n.); häufiger belegt sind ἐµβάλλω mit Obj. µένος od. σθένος (304n., 16.529n.) bzw. θάρσος als Obj. zu τίθηµι (3× Od.), δίδωµι od. ἐνίηµι (Il. 5.2 bzw. 17.570), ferner die Ergänzungen θυµῷ, ἐν(ὶ) φρεσί (145n.) od. ἐν(ὶ) στήθεσσι; (b) Beistand auf dem Schlachtfeld durch persönliche Anwesenheit: πὰρ δέ οἱ αὐτός | ἔστη mit Emphase mittels Enjambement, vgl. 545 µὴ Ἀπόλλων: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. 547–548 ἐν … βάλε: zur sog. Tmesis R 20.2. — µέν (ϝ)οι … δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.5 u. R 4.3; οἱ = αὐτῷ (R 14.1). — οἱ κραδίῃ: σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ κατὰ µέρος im Dat. (vgl. R 19.1). — πὰρ … | ἔστη: zur sog. Tmesis (R 20.2); zur Apokope (πάρ = παρά) R 20.1. — ὅπως: final. — Θανάτοιο: zur Flexion R 11.2.

Kommentar

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dagegen das VE von 6.43 πὰρ δέ οἱ ἔστη (LfgrE s.v. αὐτός 1635.71ff.). — κραδίῃ: seelischgeistige Instanz bei göttlichen Impulsen, mit φρένες (145), θυµός (16.529) und στήθεα (5.513) austauschbar (JAHN 1987, 186. 191. 265). — Θανάτοιο βαρείας χεῖρας ἀλάλκοι: so die Hauptüberlieferung, mit einem ausdrucksstarken Bild (CLARKE 1999, 247: “Death’s hands are reaching out to seize his foe”; zum Problem der Personifikation s. FG 29); es ist viell. nach λοιµοῖο βαρείας χεῖρας ἀφέξει 1.97 gestaltet (s. aber 1.97n. zur Textkritik); weitere Formulierungen für ‘vor dem Tod retten’ s. 16.442n. – βαρείας χεῖρας ist flektierbare Formel nach der Zäsur B 2 (7× Il., ferner χ. βαρ. am VE 2× Il., 1× Od.), das Adjektiv charakterisiert dabei die schlagkräftige Kampfhand (LfgrE s.v. βαρύς). Die Verbindung Θανάτοιο χεῖρας hingegen ist singulär, häufiger belegt ist die Junktur κῆρες/κῆρα(ς) … θανάτοιο, eine Umschreibung für ‘Tod’, s. bes. 22.202 (2.301–302n., 16.687n.; s. auch 66n.). Aber an der vorl. St. ist die Lesart κῆρας anstelle von χεῖρας nur schwach bezeugt (app. crit.; LEAF; RICHARDSON; WEST 2001, 261).

549 2. VH ≈ 3.381, 11.752, 20.444, 21.597, Hes. Th. 9. — gelehnt: Apollon ist in Wartestellung, aber bereit zum Eingreifen (FENIK 1968, 95; WEST 2011, 383). – Bei der Eiche handelt es sich viell. um die Eiche vor dem Skäischen Tor (9.354, 11.170; s. auch 7.22 u. 7.59f.: Apollon und Athene beim Zweikampf Aias–Hektor), eine der Landmarken in der troischen Ebene, die zur Veranschaulichung des Schlachtfeldes dienen (dazu 2.793n. [mit Lit.], 7.22n.; CLAY 2011, 103–105). — Nebel: Formulierungen wie ‘mit Nebel (gr. ēḗr/aḗr) umhüllt’ od. ‘mit einer Wolke umhüllt’ sind im fgrE ein Bild für ‘unsichtbar’ (WEST zu Th. 9; LfgrE s.v. καλύπτω 1317.1ff.), von Göttern noch 14.282 (Hera und Hypnos unterwegs zum Berg Ida), 14.343 (Zeus und Hera beim Beischlaf), 16.790 (Apollon, während er Patroklos auf den Rücken schlägt), ferner von Helden, die durch Götter vom Schlachtfeld entrückt werden, so auch Agenor (597 mit n.; 16.790n. [mit Lit.]). Apollon wird Agenor also nicht in einer Epiphanie oder in einer ihm vertrauten Gestalt auftretend zum Kampf antreiben, wie er dies etwa 16.715–725, 17.319–332, 17.582–590, 20.79–85 tut (Lit. dazu 16.715–726n.), sondern er bleibt unbemerkt; erst später wird er in Erscheinung treten, aber in Gestalt von Agenor selbst, um Achilleus zu täuschen (596ff.). φηγῷ κεκλιµένος: ≈ 11.371 στήλῃ κεκλιµένος (Paris, an die Stele beim Grabmal des Ilos gelehnt, zielt mit dem Bogen auf Diomedes und verletzt ihn am Fuß).

550–598 Die Szene mit Agenors Selbstgespräch beim Anblick des heranstürmenden Achilleus ist vergleichbar mit drei ähnlich gestalteten: 11.401ff. Odysseus gegenüber einer Überzahl an Troern, 17.83ff. Menelaos gegenüber Hektor und einer Überzahl an Troern, 22.98ff. Hektor angesichts Achills; alle Szenen enthalten folgende Elemente (FENIK 1968, 96–100. 163f.; 1978 [bes. 77–81]): (a) ein Kämpfer steht isoliert einem übermächtigen Feind gegenüber (550f.), (b) schwankt zwischen Flucht und Widerstand und trifft in einem Selbstgespräch eine Entscheidung (552– 549 φηγῷ κεκλιµένος: dat. loci, ‘gelehnt an …’. — κεκάλυπτο: zur augmentlosen Form R 16.1. — ἄρ’: = ἄρα (R 24.1). — ἠέρι: = ἀέρι.

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570, s. 571f.); (c) Gleichnis (573–580); (d) er kämpft und wird gerettet (581–598; ebenso Odysseus) bzw. entkommt, indem er Verstärkung holt (Menelaos), oder er wird nach der Flucht getötet (Hektor). Zu sprachlichen bzw. inhaltlichen Parallelen s. 552n., 553n., 562n., 563–565n., 573–580n. Die vorl. Szene hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Typischen SzeneP ‘Erwägen zweier Möglichkeiten’, in der sich eine FigurP, oft durch göttlichen Einfluß, für die zuletzt genannte entscheidet (1.188b– 194n., 16.646b–655n., 14.20–24a n.: (1) Figur erwägt hin und her, ob sie (2) die mögliche Handlung A oder (3) die mögliche Handlung B wählen soll; (4) sie entscheidet sich für B, (5) durch göttliche Intervention beeinflußt [hier in 545–547 vorausgehend]). 550 2. VH = 8.372, 15.77; ≈ 24.108 (Dat.). — Städtezerstörer: Das generische EpithetonP ‘Stadtzerstörer’ (gr. ptolíporthos, u.a. auch von Odysseus) läßt sich hier prägnant auffassen: Achilleus hat bereits zahlreiche Städte in der Umgebung Troias zerstört (9.328f., 18.341f.; dazu 1.366n., 6.394–399n.) und wird hier auch von Priamos (536) und von Agenor (583f.) als künftiger Zerstörer Troias gesehen (RICHARDSON; SCHEIBNER 1939, 47; OKA 1990, 21; SCHMITT 1990, 197; FRIEDRICH 2007, 101). Ἀχιλλῆα πτολίπορθον: flektierbare VE-Formel (Dat./Akk.: 4× Il., s. Iterata), häufiger belegt sind die VE-Formeln ἀµύµονα Πηλεΐωνα (7× Il., 3× Od.) und ποδώκεϊ/-α Πηλεΐωνι/-α (12× Il.); πτολίπορθος ist in der Ilias generisches EpithetonP (auch von Odysseus, den Kriegsgottheiten Ares u. Enyo, den Heroenvätern Oileus u. Otrynteus), in der Odyssee distinktives EpithetonP des Odysseus, durch den schließlich die Eroberung Troias zustande kam (2.278b–279n.; SHIVE 1987, 100; FRIEDRICH 2007, 85f. 101). Die Diskussion antiker Erklärer, ob bei Homer dieses Epitheton tatsächlich auch Achilleus zugeteilt wurde, läßt sich nicht mehr genau rekonstruieren (schol. A u. v.l. Ἀχιλλέα Πηλείωνα [app. crit.], schol. A zu 15.56; ERBSE z.St.; NÜNLIST 2009, 305 Anm. 23). 551 ≈ Od. 4.427, 4.572, 10.309 (ἤϊα … µοι … κιόντι). — ἔστη … µένοντι: Daß Agenor stehen bleibt und abwartet und sich damit von den fliehenden Troern absondert (Apollons Einfluß 547 scheint zu wirken), ist durch die Plazierung der Verben am VA und VE hervorgehoben; s. auch die Verwendung der beiden Verben in bezug auf Hektor am VA von 22.36 (ἑστήκει) und 22.92 (ἀλλ’ ὅ γε µίµν’): KURZ 1966, 82f.; PELLICCIA 1995, 141. — κραδίη πόρφυρε: κραδίη ist eine der seelisch-geistigen Instanzen, die u.a. beim Vorgang des Erwägens und des Vollziehens von Entscheidungen als Agens aufgeführt werden, s. κραδίη µέµονε 16.435, κραδίη θυµός τε κελεύει 13.784 u.ö. (16.435n.; LfgrE s.v. κραδίη 1516.17ff.; JAHN 1987, 191). Die vorl. Verbindung verstärkt die formelhafte Rede-Einleitung eines Selbstgesprächs (552) durch ein kühnes Bild, v.a. auch im Vergleich mit Formulierungen wie διχθὰ δέ µοι κραδίη µέµονε (16.435), ἐν δέ οἱ ἦτορ | … µερµήριξεν (1.188f.)

550 αὐτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). — ὅ: weist auf Agenor (545f.) zurück; zur demonstrativanaphorischen Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — Ἀχιλλῆα: zur Flexion R 11.3. — πτολίπορθον: zum πτ- R 9.2. 551 δέ (ϝ)οι: 547–548n.

Kommentar

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od. πολλὰ δέ οἱ κῆρ | ὥρµαιν(ε) (Od. 7.82f. u.ö.): Das Verb πορφύρω (‘wogen, wallen’) ist im fgrE außer in der vorl. Wendung nur noch Il. 14.16 belegt, wo das Brodeln im Innern Nestors, der mit einer Entscheidung ringt, mit dem Wogen des Meeres im Sturm verglichen wird (14.16–20 ὡς δ’ ὅτε πορφύρῃ πέλαγος µέγα κύµατι κωφῷ | 3 Vv. | ὣς ὁ γέρων ὥρµαινε); Lit. zur Wortbildung und zum Verhältnis von πορφύρω zu πορφύρεος s. 326n.

552–570 Agenors Selbstgespräch gehört zum Typus der Entscheidungsmonologe (dazu HENTZE 1904; weitere Lit.: 18.3–5n.; PELLICCIA 1995, 121f. u. 200–213 [zur sog. ‘θυµός-Speech’]; DE JONG zu Il. 22.91–137; ACETI 2008, 103 Anm. 227; s. auch 53n.). Für den Rezipienten ist von Anfang an klar, daß die darin durchgespielten Möglichkeiten mit Flucht und Untergang nicht eintreten werden und der Sprecher sich zum Kampf entschließen wird, da Apollon das Geschehen lenkt (545– 548). Aber durch den Monolog läßt der ErzählerP seine Rezipienten den inneren Konflikt Agenors miterleben: seine Furcht und Aufgewühltheit beim Anblick des Gegners (vgl. 550f.), sein Schwanken zwischen den Möglichkeiten, sich dem heranstürmenden Achilleus durch Flucht zu entziehen oder zum Kampf zu stellen, und seine Gedankengänge beim Abwägen der eigenen Überlebenschancen, v.a. im Falle der Flucht. Den instinktiven Impuls zu fliehen, sei es in der Masse in Richtung Stadt (553–554), sei es allein in geplanter Flucht in Richtung Ida-Gebirge (556–561), schiebt er als aussichtslos beiseite (555, 562–565); seine Gedanken sind dominiert von Achills Überlegenheit (553, 566). Den nur halbherzig formulierten Entschluß zum Kampf (567 Kondizionalsatz mit Aposiopese) verknüpft er als Selbstermutigung mit der Hoffnung auf Schwachstellen des Gegners (568–570), die einzige Möglichkeit zu überleben; denn von seiner göttlichen Unterstützung weiß Agenor nichts (549: Apollon ist unsichtbar). Details zum Aufbau der Rede s. unten. Agenor erscheint getrieben vom Mut des Verzweifelten, der sich wehrlos dem Verfolger ausgeliefert fühlt, der aber die Flucht nach vorne ergreift, getrieben von der Vorstellung, daß Achills ungebremster Ansturm auch das Ende Troias bedeuten würde (s. 583–585): FENIK 1978, 70f. 77–81; SCHMITT 1990, 196–198; SARISCHOULIS 2008, 185–188. Daß sich in ihm trotz der Furcht vor dem stärkeren Gegner der Wille zur Gegenwehr regt (571f., Gleichnis 573–578), ist mit Apollons Einflußnahme zusätzlich plausibel gemacht (Doppelte MotivationP; FENIK a.O. 80; ERBSE 1986, 198f.; TAPLIN 1992, 234). – Agenors Monolog entspricht v.a. im Aufbau denjenigen der drei Heroen in ähnlicher Lage (550–598n.), des Odysseus (11.403–411), des Menelaos (17.90–106) und Hektors (22.98–131): Ausruf (553a = 17.91a, 22.99a, ≈ 11.404a); Möglichkeit A und Rückweisung (553b–555: 11.404b–405a, 17.91b–93, 22.98b–110 [erster Entschluß zum Zweikampf]); Möglichkeit B (556–561: 11.405b–406, 17.94–96, 22.111–121); Abbruch (562 = 11.407, 17.97, 22.122) und Rückweisung der zweiten Möglichkeit (563–566: 11.408, 17.98–101, 22.123–128); Möglichkeit C und Entscheidung, und zwar bei allen außer Menelaos zum einsamen Kampf mit dem stärkeren Gegner (567–570: 11.409f., 17.102–105, 22.129f. [zweiter Entschluß zum Zweikampf]): RICHARDSON zu 550–70; HENTZE 1904, 14–16;

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VOIGT 1934, 87–97; FENIK 1968, 98f.; 1978, 79f.; LOHMANN 1970, 37–40; DI BENEDETTO (1994) 1998, 162–164; PAGANI 2008, 338–340. Inhaltlich stehen sich die Monologe von Agenor und Hektor am nächsten: Alleiniger Gegner ist Achilleus, erwogen und zurückgewiesen werden zwei Möglichkeiten der Kampfvermeidung, am Ende fällt die Entscheidung für den Zweikampf (Agenors Monolog ist die Vorbereitung auf Hektors Agieren, vgl. Antizipation von Szenen/MotivenP; OWEN 1946, 214). In der Argumentation hingegen unterscheidet sich Agenors Rede von allen dreien: Die Ehre des Kriegers und möglicher Gesichtsverlust (11.404–405a, 11.409f., 17.94f., 17.98–101, 22.105–110) spielen in seinen Überlegungen keine Rolle; sie sind dominiert vom Einschätzen, wie wahrscheinlich es für ihn ist, zu überleben (555, 563–566, indirekt 568–570), Ausdruck seiner Furcht vor dem Ende (FENIK 1978, 77f.; GILL 1996, 80–82). Die Struktur der Rede zeigt sich in Wortwiederholungen, welche die parallele syntaktische Struktur und in Teil I die Motive ‘Flucht’ und ‘Überlegenheit Achills’ verdeutlichen (s. auch CHANTR. 2.363f.; VOIGT 1934, 94–96): (I) Zwei Möglichkeiten, sich Achilleus durch Flucht zu entziehen (553–566): (Aa) εἰ µέν κεν ὑπὸ κρατεροῦ Αχιλῆος | φεύγω zusammen mit den anderen in Richtung Stadt (553f.): (Ab) sicherer Tod (555, Futur); (Ba) εἰ δ’ ἄν … ὑποκλονέεσθαι ἐάσω | … Ἀχιλῆϊ, … | φεύγω getrennt von den anderen in Richtung Ebene und Ida-Gebirge (556–559): (Bb) mögliche Heimkehr abends (560f., Potentialis): (Bc) Rückweisung (562–565) und abschließende Begründung mit Einschätzung des Gegners (566: λίην γὰρ κρατερός …). (II) Die Möglichkeit, sich ihm im Kampf zu stellen (567–570): (Ca) εἰ δέ κε … ἔλθω in offener Konfrontation (567): (Cb) Aposiopese und (Cc) Selbstermutigung durch vorsichtig-hoffnungsvolle Einschätzung des Gegners (καὶ γάρ θην τούτῳ τρωτὸς χρὼς … 568–570). 552–553a bis zur Zäsur B 2 = 17.90f., 22.98f.; bis zur Zäsur B 1 ≈ 11.403f., Od. 5.464f.

552 = 11.403, 17.90, 18.5, 20.343, 21.53, 22.98, Od. 5.298, 5.355, 5.407, 5.464; 1. VH = 23.143. — Formelvers, der einen inneren Monolog einleitet (53n.). ὀχθήσας … θυµόν: ὀχθήσας bed. hier ‘(seelisch) unter Druck, bedrängt’ durch den im Inneren ausgebrochenen Konflikt (LfgrE s.v. ὀχθῆσαι); µεγαλήτορα θυµόν ist flektierbare VE-Formel (Dat./Akk.: 11× Il., 6× Od., 1× ‘Hes.’). Dazu und zu θυµός als Adressat (und Träger: 562) intellektueller Prozesse, v.a. der Selbstreflexion, vgl. 53n.; LfgrE s.v. θυµός 1085.26ff. 553 1. VH = 17.91, 22.99. — ᾤ µοι ἐγών: VA-Formel (8× Il., 6× Od.), Ausdruck von Verzweiflung u./od. Trauer, oft am Anfang von Monologen (PATTONI 1998); zur Orthographie (ᾤ mit ι subscriptum) WEST 1998, XXXVII. — ὑπὸ κρατεροῦ Ἀχιλῆος: ist wie in 22f. (ὑπὸ δελφῖνος … | … φεύγοντες) mit φεύγω (554) zu verbinden (vgl. 527n.); κρατερός ist generi-

552 ἄρα (ϝ)εῖπε: zur Prosodie R 4.3. — ὅν: Possessivpron. der 3. Person (R 14.4). 553 ἐγών: = ἐγώ. — µοι: dat. ethicus. — εἰ … κεν: = ἐάν (κεν = ἄν: R 24.5). — Ἀχιλῆος: zur Flexion R 11.3, R 3; zum einfachen -λ- R 9.1.

Kommentar

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sches EpithetonP verschiedener Heroen (s. 546; am häufigsten bei Diomedes: 16.25n.), bei Achilleus nur hier und prägnant verwendet, s. 566. 554 ab der Zäsur A 3 ≈ 6.41, 21.4; 2. VH ≈ 14.59. — ἀτυζόµενοι κλονέονται: diese Junktur (‘sie drängen sich in Panik zusammen’) auch 18.7 (in umgekehrter Reihenfolge); zu ἀτυζόµενοι 4n., zu κλονέονται 528n. Die Mehrzahl der Hss. überliefert ἀ. φοβέονται wie an den Iteratstellen, wo in vergleichbarem Kontext mit φοβέοντο mehr die subjektive Motivierung der Flucht betont ist (4n.); an der vorl. Stelle hingegen ist die konkrete Situation beschrieben, die Flucht in der Enge der Masse, in Gegenüberstellung mit der Flucht getrennt von ihr, s. 556f. 555 eher Apodosis zu 553f. (vgl. im Monolog Hektors 22.99f. (εἰ µέν κε … | … ἀναθήσει) und nicht ein parataktischer Nachsatz (so AH); s. aber die ähnliche Frage zur Syntax bei der zweiten Hypothese 560–561n. und die Aposiopese bei 567. — ἀνάλκιδα δειροτοµήσει: Der Ausdruck erfaßt Agenors Vorstellung, in der panischen Flucht wäre er Achilleus wehrlos ausgeliefert: Das Adj. verweist auf das Fehlen von Kampf- und Widerstandsgeist in der momentanen Situation, vgl. 528f. (s.d.; ferner 6.74n.; LEAF), δειροτοµήσει betont das brutale Ende von Achills Hand (vgl. 89n.), vergleichbar dem Tod eines Opfertieres (18.336–337n.). Dies ist ein kleiner Hinweis in der Rede, daß Agenor auch über einen ehrlosen Tod im Falle seiner Flucht nachdenkt.

556–566 Daß die Natur des Ida-Gebirges Schutz bieten und danach ein Bad im Fluß von Schweiß und Staub reinigen könnte (558–561) ist eine schöne, aber unrealistische Wunschvorstellung im Augenblick höchster Bedrohung; der Sprecher schiebt sie sogleich beseite (562), da er Achills physische Überlegenheit realistisch einschätzt (Schnelligkeit und Kampfstärke: 563–566). Mit dem Gedankengang vergleichbar ist Hektors höchst unrealistische Wunschvorstellung, durch Verhandeln mit Achilleus und durch Rückgabe der Helena und weitere Angebote ließe sich der Konflikt immer noch friedlich beilegen (22.111–121); Hektor ruft sich zur Besinnung, indem er Achills Gemütszustand durchaus realistisch einschätzt (22.122– 128): DIETERICH 1963/64, 31–34 (dessen Schlußfolgrungen aber zu weit gehen); DE JONG zu Il. 22.111–30. 556–557 εἰ δ’ ἂν ἐγώ …: Zur Fortsetzung s. 560–561n. — ὑποκλονέεσθαι … | Πηλείδῃ Ἀχιλῆϊ: Der Dat. (Instrumentalis) ist Angabe des Urherbers (JANKUHN 1969, 102f.; vgl. 208n.). Das Kompositum ὑποκλονέεσθαι ist nur hier belegt, s. dagegen 5.93 ὑπὸ Τυδείδῃ … κλονέοντο, mit Gen. 527f. ὑπ’ αὐτοῦ | … κλονέοντο (s.d.), und vgl. 553f. ὑπὸ κρατεροῦ Ἀχιλῆος | φεύγω; zur Diskussion über den Unterschied zwischen ὑπό mit Dat. od. Gen. und über die Deutung als Agens s. JANKUHN a.O. 101–109; GEORGE 2005, 61–67. – Πηλείδῃ 554 φεύγω: Konj. Präs. — τῇ περ: ‘ebendort, wo (auch)’, τῇ relativisch (vgl. R 14.5); περ betont das vorangehende Wort (R 24.10). — κλονέονται: zur unkontrahierten Form R 6. 555 καὶ ὧς: ‘auch so, gleichwohl’; ὧς = οὕτως. 556 τούτους: sc. οἱ ἄλλοι in V. 554. 557 Πηλείδῃ Ἀχιλῆϊ: zum Hiat R 5.6; zu Ἀχιλῆϊ 553n. — ἄλλῃ: ‘anderswohin’ (s. 558 πρὸς πεδίον).

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Ἀχιλῆϊ ist flektierbare Halbvers-Formel (in der 1. VH 10× Il., in der 2. VH 1× Od.); zu Πηλείδῃ 153n.

558–561 Durch die topographischen Angaben in Agenors Rede läßt der ErzählerP vor dem Auge des Rezipienten eine imaginäre Landschaft entstehen (dazu 2.793n.; Appendix topographica im Kommentar zum 14. Gesang Abschn. (I 1), mit Abb. 1 und 4): (a) ‘Ileische Ebene’ (558) ist wohl wie ‘Skamandros-Ebene’ (2.465) pars pro toto für die ‘Troische Ebene’ (10.11, 23.464), die meistens bloß mit dem Begriff ‘Ebene’ (gr. pedíon) bezeichnet wird, z.B. 563, 602 (LfgrE s.v. πεδίον 1087.41ff.); (b) das im Südosten von Troia gelegene Ida-Gebirge (559) ist auch andernorts durch Schluchten und Wälder charakterisiert, s. bes. 23.117–122 (449n.; 14.287–288n. [s.v. Tanne]; ELLIGER 1975, 55); (c) mit der Bezeichnung ‘Fluß’ (560) ist meist Skamandros gemeint, so wohl auch hier, s. 603 (s. auch 2.861, 24.351 [mit n.]). So läßt Agenor in seinem Inneren das Bild der weiten Landschaft von Ebene und dichtbewachsenem Gebirge entstehen, das im Kontrast zur beklemmenden Enge in der Massenflucht vor der Stadt steht (554, 556).

558–559 1.VH von 559 ≈ 449 (s.d.). — Ἰλήϊον: Das Adjektiv gehört zwar vom Bildungstyp her zum PN Ἰλεύς (zum Typus RISCH 127f.; SCHW. 2.176f.); gemäß ‘Hes.’ fr. 235 M.-W. hatte Apollon seinem Sohn, den er zur Zeit des Mauerbaus von Troia (s. 443ff.) gezeugt hatte, diesen Namen gegeben (WEST 2001, 261f.); aber es könnte auch eine ad hoc-Bildung mit Anklang an Ἴλιος zur Bez. der troischen Ebene sein (schol. A: ἀντὶ τοῦ Ἰλιακόν; SOMMER 1934, 55f.: analog zur Bildungsweise bei πεδίον τὸ Ἀλήϊον 6.201 [s.d.]). Inhaltlich weniger passend ist die Herleitung vom PN Ἶλος (schol. bT, D), dem Namen des Gründerheros von Troia, des Vaters von Laomedon, da die Richtungsangabe zum Grab des Ἶλος hin eher Nähe zur Stadt signalisiert, s. 11.166–168 (24.349n.; CLAY 2011, 104f.), während Agenor an Flucht weg von der Stadt denkt, s. 563 (zur Diskussion s. LfgrE s.vv. Ἰλήϊον u. Ἰλεύς). — ὄφρ’ ἂν ἵκωµαι | … δύω: beschreibt das Ziel dieser Fluchtvariante in chiastischer Anordnung (Bewegung – Ziel – Ziel – Bewegung); zum Bild des ‘Eintauchens’ für den Rückzug eines Kämpfers in eine sichere Position vgl. bes. Hektor 22.99 εἰ µέν κε πύλας καὶ τείχεα δύω, ferner häufiger ἐς/καθ’ ὅµιλον δῦναι (KURZ 1966, 148). – ὄφρ’ ἂν ἵκωµαι ist flektierbare VE-Formel (10.325, 15.23, Od. 6.304, 7.319); κατά τε ῥωπήϊα δύω ≈ 13.199, 23.122, Od. 14.473, hom.h. 19.8 (ἀνὰ/διὰ/κατὰ ῥ. πυκνά).

560–561 1. VH von 561 ≈ 22.2; 2. VH von 561 ≈ 3.313, 14.46, 24.330. — Das Baden des nach der Schlacht heimgekehrten Kämpfers zur Reinigung von Schweiß und Blut findet sich ähnlich 10.572–576 (zuerst Bad im Meer, dann in der Wanne), 558 πεδίον (ϝ)ιλήϊον: zur Prosodie R 4.5. — ὄφρ(α): ‘bis’ (R 22.2). 559 τε (ῥ)ρωπήϊα: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). 560 ἑσπέριος: prädikatives Adj., ‘am Abend’. — δ(έ): kann bei Homer den Übergang zum Hauptsatz signalisieren (apodotisches δέ: R 24.3); zur Syntax ↑. — λοεσσάµενος: zur unkontrahierten Form λο(ϝ)ε- R 6; zum -σσ- R 9.1. 561 προτὶ (ϝ)ίλιον: zur Prosodie R 5.4; προτί = πρός (R 20.1). — ἀπονεοίµην: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1); unkontrahiert (R 6).

Kommentar

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ferner das Bad in erhitztem Wasser 14.6f., 22.442–444 (von Andromache für Hektor in Unwissenheit vorbereitet), 23.39–41 (für Achilleus angeordnet, der es verweigert), angedeutet 5.905 (für Ares); auch die Überlebenden der Verfolgungsjagd durch Achilleus erfrischen sich nach ihrer Rückkehr in die Stadt (22.2): 14.6–7n.; LASER 1983, 138f.; zur narrativen Funktion dieses Bades s. GRETHLEIN 2007; zum Motiv des Bades als abschließendes Element der ep. Erzählung von der Rückkehr des Helden s. DUÉ/EBOTT 2010, 378–381. In Agenors Überlegung erscheint das Motiv verändert, indem er sich vorstellt, er werde vor der Heimkehr in die Stadt, allein, ein Bad im Fluß nehmen können; die Flucht und das Sich-Verbergen vor Achilleus nehmen darin ein gutes Ende in reinigendem Flußwasser, das Bad macht die unversehrte Heimkehr möglich. Beim Fluß ist möglicherweise an Skamandros zu denken (558–561n.), der in der Ilias öfters die Grenze zwischen sicherem und gefährlichem Bereich signalisiert (14.433n.). ἑσπέριος δ(έ) …: wird von den meisten Interpreten als inhaltliche Fortsetzung der Hypothese von 556 εἰ δ’ ἂν …(+ Konj.) aufgefaßt (AH zu 556: 560f. sei “nur eine weitere Ausführung der Fallsetzung”; CHANTR. 2.364: ἑσπέριος δ’ ἂν ἔπειτα … korrespondiere mit τούτους µὲν … 556; ähnlich LEAF u. WILLCOCK zu 556; RICHARDSON zu 556–61; SCHW. 2.702; LOHMANN 1970, 38 mit Anm. 62). Die Apodosis zur Hypothese 556 würde somit fehlen, vergleichbar mit der Aposiopese bei der dritten Hypothese 567 und in Hektors Monolg 22.111–121. Zumindest entsteht bei der zweiten Hypothese 556–559 der Eindruck, die Fortführung bleibe “in der Schwebe” (VOIGT 1934, 95), auch wenn bei zwei koordinierten Kondizionalsätzen (hier 553 εἰ µέν … und 556 εἰ δ’ …) “die Apodosis des ersten häufig weggelassen” wird (1.135–137n., mit Hinweis auf K.-G. 2.484f.; CHANTR. 2.274f.). Die Verse 560f. lassen sich aber auch als Apodosis zu 556 verstehen, als erfreulich aufleuchtende Möglichkeit (Opt.) für den Fall, daß die Rettung ins Gebirge gelingen sollte (apodotisches δέ: R 24.3; vorsichtig DENNISTON 180: δέ dann meistens nach betontem Pronomen). — λοεσσάµενος ποταµοῖο: partitiver Gen. der Ortsangabe, bei λούοµαι noch 5.6, 6.508, Hes. Th. 5f. (SCHW. 2.112; CHANTR. 2.52); zum Lautbestand des Verbums (idg. Wz. *leṷh3-, mit Metathese *leṷo- > λο(ϝ)ε-, s. LIV 418 u. vgl. 18.346n. [myk. Belege]). — ἱδρῶ ἀποψυχθείς: Das Verb ψύχω (‘blasen, kühlen’) wird etymologisch mit ψυχρός/ψῦχος und ψυχή in Verbindung gebracht (CLARKE 1999, 144f.; weitere Lit. s. LfgrE s.v. ψύχω; BEEKES s.v. ψυχρός). Die Junktur ἱδρῶ ἀπο-ψύχοµαι bed. ‘sich den Schweiß abkühlen’, ebenso 22.2 (ἱδρῶ ἀπεψύχοντο) von den Troern in der Stadt, 11.621f. (ἱδρῶ ἀπεψύχοντο χιτώνων durch eine Meeresbrise), anders 10.574f. (κῦµα … ἱδρῶ … | νίψεν … καὶ ἀνέψυχθεν φίλον ἦτορ).

562 = 11.407, 17.97, 22.122, 22.385; 1. VH = Hes. Th. 35. — Formelvers, mit dem der Sprecher den Abbruch des Gedankenganges und die Hinwendung in eine neue Richtung signalisiert (s. Iterata). Agenor weist die zuletzt genannte und damit insgesamt die Möglichkeit zurück, sich dem Kampf mit Achilleus zu entziehen, ebenso Hektor 22.122 (HENTZE 1904, 19f. u. 27; zur Gliederung der Rede 552–570n.).

562 τίη: ‘warum?’

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φίλος … θυµός: φίλος hat einerseits poss. Bed. ‘mein’ (vgl. 2. VH von 552 ὃν … θυµόν), kann aber auch eine emotionale Verbundenheit signalisieren (affektiv ‘lieb’: ROBINSON 1990, 106; vgl. 330n.; zu θυµός s. 552n.; LfgrE s.v. θυµός 1085. 43ff.). — µοι: Dat. der Beteiligung (dazu SCHW. 2.147; CHANTR. 2.71 [“valeur possessive”]).

563–565 Man kann sich fragen, ob Agenors Befürchtung, Achill werde dann ausgerechnet ihn vor allen anderen Troern verfolgen und einholen, berechtigt ist. Aber diese Vorstellung bereitet Ereignisse im 22. Gesang vor, wo sich diese Befürchtung für den fliehenden Hektor beinahe erfüllen wird (22.136ff., bes. 22.157–166, 188– 201, 229–231). Und beide, Agenor und später Hektor, sehen ein, daß der Plan, den Kampf zu vermeiden, an Achilleus scheitern wird; für Agenor ist der Grund dessen Schnelligkeit und Kampfkraft, für Hektor seine Erbarmungslosigkeit im Kampf (22.123–128); zur Schnelligkeit als Achills herausragende Grundeigenschaft in der Ilias s. 24.138n. µή …: unabhängiger Befürchtungssatz zum Ausdruck der Besorgnis (‘daß nur ja nicht …’: SCHW. 2.674; weitere Stellen K.-G. 1.224), gefolgt von asyndetisch angefügtem HS im Fut. (ἔσται), ebenso 22.123f., Od. 5.415f. (CHANTR. 2.208). 563 ἀπαειρόµενον: ἀείροµαι beschreibt das Abheben vom Boden, vgl. 307, 327 von der aufsteigenden Woge und die ausführlichere Formulierung ἀπὸ χθονὸς ὑψόσ’ ἀείρας/ἀερθείς (20.325 Poseidon, der Aineias vom Boden abheben und fliegen läßt, bzw. Od. 8.375 ein Tänzer-Artist im Sprung); das Kompositum wird von antiken Erklärern mit dem Auslaufen eines Schiffes in Verbindung gebracht (att. ἀπαίρω): schol. T; Porph. [MacPhail] z.St.; LEAF. u. RICHARDSON (“to take off”). An der vorl. St. umschreibt es viell. den schnellen Lauf des Flüchtenden, bei dem die Füsse kaum mehr den Boden berühren (vgl. LfgrE s.v. ἀείρω II, αἴρω 169.77f.: “in Sprüngen weglaufen?”). 564 µεταΐξας: ‘nachstürmend, hinterher stürmend’ (zum Präfix µετα- 422n.). — µάρψῃ: bed. eigtl. ‘packen, ergreifen’, ist in der Wendung µε … µάρψῃ … πόδεσσιν i.S.v.‘(einholen und) erwischen’ verwendet, s. noch 22.201 (τὸν οὐ δύνατο µάρψαι ποσίν), ferner 5.65, 16.598 (κατέµαρπτε διώκων) in Kampfszenen mit tödlichem Ausgang (anders 14.228 οὐδὲ χθόνα µάρπτε ποδοῖιν ‘den Boden berühren’). — ταχέεσσι πόδεσσιν: = VE 20.189 (von Achill), Od. 13.261, variiert wieder aufgenommen 22.8, 22.173, 22.230 (ποσὶν ταχέεσσι διώκ-); vgl. ferner die Formeln 49n.

565 2. VH = h.Cer. 262; ≈ Od. 2.352, 5.387, 17.547, 19.558, 22.66. — Der gr. Begriff kḗres (Sg. kēr) ist im fgrE meist als Appellativum mit Bed. ‘Tod, Verhängnis, Verderben’ verwendet, z.T. aber auch als Bezeichnung für todbringende Wesen; diese sind nicht mit einer konkreten Gestalt oder als Persönlichkeiten fassbar, sondern werden als Mächte im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod auf dem Schlachtfeld gesehen (FG 29/31, 18.535n., 18.536–537n.; DIETRICH 1965, 245; weitere Lit. 2.301–302n.). 563 ἀπαειρόµενον …: = ἀπ-αιρόµενον … (↑), davon abhängig πόλιος als gen. separativus (‘weg von der Stadt’); zu dessen Flexion R 11.3. — πεδίονδε: ‘zur Ebene’ (R 15.3). 564 µάρψῃ: Konj. Aor. zu µάρπτω. — ταχέεσσι πόδεσσιν: zur Flexion R 11.3.

Kommentar

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θάνατον καὶ κῆρας: 66n. — κῆρας ἀλύξαι: flektierbare VE-Formel (3× Il., 6× Od., 1× h.Cer.; Variante κῆρας ἀµυν- 2× Il.). 566 περὶ πάντων …: ‘über alle … hinaus’, gibt κρατερός eine superlativische Nuance (zu dieser Verwendung von περί + Gen. SCHW. 2.502; CHANTR. 2.129; s. auch 214–217n.); ist Formel zwischen den Zäsuren B 1 u. C 2 (5× Il., 3× Od.) od. am VE (1.417n.).

567–570 Agenor schließt seine Rede, indem er auf die Möglichkeit setzt, einen Kampf gegen Achilleus überstehen zu können, obwohl er nicht an dessen Überlegenheit zweifelt (566) und zudem davon ausgeht, daß dieser Zeus’ Protektion genießt (570). Die Möglichkeit, Achilleus zu besiegen, wagt er aber nicht auszusprechen. Im Vergleich dazu äußert sich Hektor, der ja der stärkste Kämpfer der Troer ist (279–280n.), zuversichtlicher, als er von Achilleus zum Kampf herausgefordert wird, und später, wenn er sich überlegt, ihm entgegenzutreten (20.434–437 bzw. 22.129f.: Die Möglichkeit des Sieges liege in der Hand der Götter bzw. des Zeus). Es zeigt sich, wie vorsichtig sich Agenor, von Kühnheit erfüllt (gr. thársos 547), nun selbst ermutigt. Anstelle eines Hauptsatzes, der den Gedanken des Kondizionalsatzes zu Ende führt, werden in einem parataktisch angefügten Kausalsatz Gründe für einen möglichen Erfolg angeführt (ähnlich 1.580f., Od. 21.260f.): AH; CHANTR. 2.275; zu Aposiopese als Zeichen von Scheu, etwas auszusprechen, und von erregter, leidenschaftlicher Rede s. K.-G. 2.484; SCHW. 2.702. 567 πόλι͜ος: Die ungewöhnliche Synizese in dieser Gen.-Form läßt sich möglicherweise auf eine alte zweisilbige Gen.-Form von πόλις zurückführen (2.811n.; WEST 2001, 183). — κατ’ ἐναντίον: ‘entgegen’ zum Kampf (vgl. ‘Hes.’ Sc. 73), Verstärkung von adverbiellem ἐναντίον (z.B. 11.129, 20.164, mit Gen. 574) zur Betonung der offenen Konfrontation ‘Mann gegen Mann’ (LfgrE s.v. ἐναντίος; zur schwankenden Schreibweise s. app.crit.).

568 verwundbar: Tatsächlich ist es Asteropaios gelungen, Achilleus eine blutende Wunde am Arm zuzufügen (166–168 [s.d.]). Die in der nachhom. Literatur bezeugte Unverwundbarkeit Achills (und seine verwundbare Ferse) wird in der Ilias nirgends erwähnt; vielmehr spielt gerade der Umstand eine große Rolle, daß er verwundbar und sterblich ist (GRIFFIN 1977, 40; BURGESS 2009, 9–15; zur Undurchdringlichkeit seiner göttlichen Schutzwaffen s. 164f. [Schild: 165n.], 592–594 [Beinschienen: s.d.]); allg. zum Mythos des Helden mit unverwundbarer Haut s. WEST 2007, 444– 446.

θήν: bed. soviel wie ‘gewiß, in der Tat’; stets in dir. Rede als “Ausdruck fester subj. Überzeugtheit” (LfgrE s.v.; ferner SCHW. 2.566). — τούτῳ: Das deiktische Pronomen unterstreicht die Identität mit dem in V. 557 zuletzt namentlich Genannten in dieser für die Argumentation wichtigen Feststellung (vgl. DE JONG 2012a, bes. 71ff.); s. dagegen bloßes ana-

566 ἔστ’: = ἐστί; zur Elision R 5.1. 567 εἰ δέ κέ (ϝ)οι: εἰ … κε = ἐάν (κε = ἄν: R 24.5); die Apodosis zum Kondizionalsatz fehlt (Aposiopese). Zur Prosodie von κέ (ϝ)οι R 4.3; οἱ = αὐτῷ (R 14.1). —— πόλι͜ος: zur Synizese R 7. 568 καί: mit τούτῳ zu verbinden. — ὀξέϊ: zur unkontrahierten Form R 6.

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phorisches οἱ/ἑ 567, 569f. — τρωτὸς χρώς: τρωτός ist hom. hapaxP; zur Formulierung ‘verwundbar’ vgl. 4.510f. χρώς bez. sowohl die Haut als auch den Leib (Haut mit Fleisch): LfgrE s.v. χρώς 1284.44–50. — ὀξέϊ χαλκῷ: 37–38n. 569 1. VH ≈ 9.319. — ἴα: hier ‘nur éin’, die Unität (im Gegensatz zur Zwei- od. Mehrzahl) betonend, an anderen Stellen die Deckungsgleichheit (‘ein und derselbe’, z.B. 4.437, 9.319, 18.251); die Etymologie, v.a. der Bezug zu µία (Dialektvariante?), ist umstritten (LfgrE u. BEEKES s.v. ἴα; DELG s.v. ἰός). — ψυχή: bed. ‘Leben’ im Gegensatz zum Tod, der ganze Ausdruck ἐν δὲ ἴα ψυχή ist eine Umschreibung für ‘sterblich sein’ (LfgrE s.v. ψυχή; BÖHME 1929, 111–113; CLARKE 1999, 58f.; MATIJEVIĆ 2015, 163 mit Anm. 15; zum hom. Konzept von ψυχή s. 1.3n.; DE JONG zu Il. 22.362–3). — φασ’ ἄνθρωποι: φασί markiert allg. anerkannte Tatsachen, die der Sprecher verifizieren (so hier) od. falsifizieren will (DE JONG [1987] 2004, 237f.); der Zusatz ἄνθρωποι (‘die Leute’) im vorl. Vers verleiht der Tatsache Nachdruck, daß es sich um die öffentliche Meinung handelt (LfgrE s.v. ἄνθρωπος 892.67ff. u. 893.7ff.).

570 2. VH ab der Zäsur B 1 = 8.141; ab der Zäsur C 1 = 17.566; ≈ 1.279, 8.216, 11.300, 19.204 (ἔδωκεν); 5.33 (ὀρέξῃ). — aber …: Die Äußerung muß nicht als Widerspruch zum Vorangehenden angesehen werden; den Vers als Interpolation zu deuten (so Aristarch: schol. A; danach AH, LEAF, WILLCOCK u.a.; vorsichtig RICHARDSON) ist also nicht nötig (VAN DER VALK 1964, 511; WEST 2001, 262). Denn sie ist Ausdruck dafür, welch starke Furcht Agenor bei diesem Gegner überwinden muß (vgl. 17.565f. Menelaos angesichts Hektors), und ein Hinweis des Erzählers darauf, mit welcher Kühnheit er nun handelt; viell. steckt zusätzlich auch die Vorstellung dahinter, daß der Sieg im Kampf ganz von Zeus’ Wohlwollen abhängig sei, der es zuteilt und auch wieder entzieht (WEST a.O.), s. 8.141f. und vgl. 3.439f., 5.224f., 11.317–319, 22.130 (mit DE JONG z.St.). κῦδος ὀπάζει: flektierbare VE-Formel (7× Il., 3× Od., 1× Hes.; ferner 1× Il. im Versinnern; intrans. Version κῦδος ὀπηδεῖ 1× Il., 1× Hes.); vgl. κῦδος ἀρέσθαι 542–543n.; zu ὀπάζω ‘zuteil werden lassen, verleihen’ (Kausativum zu ἕποµαι) s. LfgrE s.v.; DELG s.v. ὀπάων. 571–572 572 ≈ 13.74. — ὣς εἰπὼν … µένεν: ὣς εἰπών ist Rede-AbschlußP mit flektierbarer VA-Formel (Nom. mask./fem., Akk.: 74× Il., 42× Od., 3× Hes., 11× hom.h.), die Formulierung insgesamt als Rede-Abschluß eines Selbstgesprächs eher untypisch; das Hauptgewicht ist hier auf µένεν gelegt, vgl. dagegen ὣς ὥρµαινε µένων 22.131, ferner ἕως ὃ ταῦθ’ ὥρµαινε 11.411, 17.106 (64n.). – µένω kann im Kontext von Kampfgeschehen auch ‘standhalten’ bed. (s. bes. 3.52, 5.527, 13.471f./476, 15.406) und ist ein Schlüsselwort in Kampfschilderungen und Kampfparänesen (LfgrE s.v. µένω 149.8ff.; AH; LATACZ 1977, 195f.);

569 ἐν: = ἔνεστι. — δὲ ἴα: zum Hiat R 5.6. — δέ (ϝ)ε: zur Prosodie R 4.3; ἑ = αὐτόν (R 14.1). 570 ἔµµεναι: = εἶναι (R 16.4). — αὐτάρ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.5; οἱ = αὐτῷ (R 14.1). 571 ὥς: = οὕτως. — Ἀχιλῆα (ϝ)αλείς: zur Prosodie R 4.3; zum einfachen -λ- bei Ἀχιλῆα R 9.1; ἀλείς ist Ptz. Aor. zu εἰλέοµαι (↑). — µένεν: zur augmentlosen Form R 16.1. — δέ (ϝ)οι: vgl. 567n. 572 πτολεµίζειν: zum πτ- R 9.2. — ἠδέ: ‘und’ (R 24.4).

Kommentar

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anders 551 (s.d.). — ἀλείς: εἰλέοµαι in der Bed. ‘sich ducken’, vom (angegriffenen od. angreifenden) Kämpfer ‘sich (köperl. u. geistig) sammeln, zusammenziehen’ vor dem Angriff, um die Kraft zu bündeln, ebenso 22.308 Hektor (mit DE JONG z.St.), 20.168 in einem Gleichnis ein verwundeter, aber dennoch weiterkämpfender Löwe (AH; LfgrE s.v. εἰλέω I). — ἐν δέ οἱ ἦτορ | ἄλκιµον ὡρµᾶτο: Häufiger ist die Junktur ἄλκιµον ἦτορ (5× Il., 1× hom.h.: 16.209n.); mit der vorl. Formulierung wird jedoch durch das EnjambementP die Emphase auf Agenors Kampfgeist gelegt (VE ἐν δέ οἱ ἦτορ noch 1.188, 19.366). Zur Bed. von ἄλκιµος vgl. 528n. zu ἀλκή; zur Austauschbarkeit von ἦτορ, κραδίη (547 κραδίῃ) und θυµός (574 θυµῷ, ferner Subj. θυµός bei ἐφορµᾶται 13.73f., Od. 1.275) s. JAHN 1987, 191. 193f. u. vgl. 1.188n. (zu 1.188/193). — πτολεµίζειν ἠδὲ µάχεσθαι: VE-Formel (9× Il.; Stellen 3.67n.) mit synonymischer Doppelung; solche dienen oft wie hier der Emphase, z.T. auch zur Versfüllung (1.160n.). Diese redundante Ausdrucksweise ist häufig bei Wörtern aus dem Bereich Kampf/Krieg (TRÜMPY 1950, 122f.).

573–580 In allen vier Szenen mit einem Entscheidungsmonolog von Kämpfern, die sich einem überlegenen Feind gegenüber sehen (550–598n.), finden sich TierGleichnisse, die deren Verhalten illustrieren: Odysseus ist von Troern eingekreist und wehrt sich wie ein von Jägern und Hunden umzingelter Eber (11.414–420a); Hektor ist innerlich bereit für den Kampf gegen den heranstürmenden Achilleus wie eine aggressive Schlange, die vor ihrem Loch auf einen Mann trifft (22.93–97 mit DE JONG z.St.); Menelaos weicht zurück wie ein Löwe, der von Hunden und Hirten vom Gehöft vertrieben wird (17.109–113). Die Jagdszene des vorl. Gleichnisses illustriert v.a. die nach dem Selbstgespräch veränderte Gemütsverfassung Agenors, der nun entschlossen ist, zu kämpfen (571f., 580). Der Leopard, der, als er das Hundegebell hört, dem Jäger und seiner Hundemeute furchtlos aus dem Dickicht entgegentritt (573–575), der bereit ist, falls der Jäger ihm beim Angriff mit dem Wurfgeschoß zuvorkommt, auch verwundet bis zum Letzten zu kämpfen (576–578), verdeutlicht, wie sehr Agenor jetzt durchdrungen ist von Tapferkeit und Widerstandsgeist (gr. alkḗ) und vom Willen zum Standhalten trotz der Bedrohung durch einen übermächtigen Feind; siehe bes. die Betonung der Furchtlosigkeit (mittels synonymischer Doppelung: 574b–575 mit 575n.) und des ungebremsten Willens des Tieres, sich zu wehren (577f. gr. ouk apolḗgei | alkḗs), und die entsprechende innere Verfassung Agenors, der den ersten Flucht-Impuls überwunden hat (571f. ḗtor | álkimon; 580 ouk éthelen phéugein); wie der Leopard (578) ist auch Agenor zum Kampf bereit und nimmt es in Kauf, dabei getötet zu werden (FRÄNKEL 1921, 61; LONSDALE 1990, 36–38; CLARKE 1995, 147f.; STOEVESANDT 2004, 256. 419; NEAL 2006, 40–42; READY 2011, 250f.; zur alkḗ von Tieren LONSDALE a.O. 133f.; allg. zu menschlichen Verhaltensweisen bei Tieren in Gleichnissen s. 2.87n.; HEATH 2005, 42–51). Das Gleichnis verdeutlicht auch Agenors Situation als Jagdbeute Achills: Der Jäger (Achill) nähert sich der Beute (Agenor), die Hunde könnten sie aufspüren (Agenors Befürchtung 563–565), auch wenn sie im Dickicht verborgen bleibt (Agenors Vorstellung 559); als einziger Ausweg bleibt, den Verfolger

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anzugreifen (Agenors Entschluß 567), aber der Ausgang ist ungewiß (sein leiser Zweifel 568–570): NAIDEN 1999, 194–196. – In Gleichnissen der Ilias wird das Standhalten von Kriegern im Kampf entweder mit festverwurzelten Gegenständen (Fels, Baum, Hügel) oder mit einem Tier illustriert, das keinen Fluchtimpuls zeigt und sich aufs heftigste verteidigt (KRISCHER 1971, 67–69): Oft ist dies ein Eber, der mit seinen gefährlichen Hauern den Jäger und seine Hunde angreift (12.146–153, 13.470–477) oder sie in Schach hält (11.414–420a), oder ein Löwe, der, obwohl verwundet, unbeirrt weiterkämpft (s. bes. 5.136–143 Diomedes, 16.751–754 Patroklos im Kampf um den Leichnam des Kebriones, 20.167–175 Achilleus gegen Aineias: 16.751–754n.); vereinzelt wird durch den Hinweis auf den Tod des Tieres auf den nahenden Untergang des Kämpfers vorverwiesen (bes. 16.752f. Patroklos; ferner 12.41–50 Hektor). Im vorl. Fall bleibt der Hinweis auf den Ausgang auffällig unbestimmt (578). 573 1. VH bis zur Zäsur B 2 ≈ 2.87; 2. VH (εἶσι …) = 11.415. — Mit dem gr. Begriff párdalis wurde in der Antike sowohl der Leopard wie auch der Panther bezeichnet. In Kleinasien ist von der Antike bis heute – wenn auch nur noch selten – die kleinasiatische/anatolische Variante des persischen Leoparden nachgewiesen (Panthera pardus tulliana [Valenciennes 1856]), die in der Türkei (bis Ende des letzten Jhs. u.a. im Ida-Gebirge) und im Südkaukasus vorkommt (HERZHOFF 2017 brieflich, mit Hinweis auf AMIGUES 2017, 211; s. auch BASKAYA/BILGILI 2004, bes. 1f.). In den hom. Epen ist er nur selten erwähnt, ganz im Gegensatz zum beeindruckenden Löwen (3.23n.). Vielleicht wurde die Raubkatze párdalis als weniger passend für die Welt der Heroen empfunden, da das Wort im Griechischen ein generisches Femininum ist (LSJ s.v. πάρδαλις). Das gefleckte Fell des Leoparden, das seiner Tarnung dient, wenn er auf der Lauer liegt und aus dem Dickicht angreift, wird von Paris (3.17) und Menelaos (10.29f.) getragen; bei Paris wird dies als Zeichen seiner auffälligen, fast unmännlichen Schönheit und seines Agierens als Bogenschütze aus dem Hinterhalt gedeutet (3.17n. zu παρδαλέην; DUÉ/EBOTT 2010, 251f.). Jedoch zeigt der Leopard in den wenigen Vergleichen der Ilias gleichen Kampfdrang (gr. ménos) wie Löwe und Eber (17.20f.), seine Beute ist die gleiche wie die von Wölfen und Schakalen (13.102f.: Hirschkühe); ferner gehören Leoparden zusammen mit Wölfen, Löwen und Bären zum Gefolge der Aphrodite im Ida-Gebirge (h.Ven. 70f.; s. auch Od. 4.456f.: eine der Verwandlungsgestalten von Proteus), in bildlichen Darstellungen erscheinen Leoparden auch bei Kybele und bei Dionysos (FAULKNER u. OLSON zu h.Ven. 70–71; KlP s.v. Panther). ἠΰτε: archaische Vergleichspartikel (29n.), als Konjunktion (7× Il. mit Ind., 1× Il. mit Konj.) stets am VA und in asyndetischem Satzanfang (RUIJGH 853–855). — πάρδαλις: wird als Lehnwort aus dem Iranischen erklärt (DELG s.v.); zum Schwanken der Überlieferung

573 ἠΰτε: ‘wie’ (R 22.4).

Kommentar

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zwischen παρδ- und πορδ- (app.crit.) s. WEST 1998, XXXIV; weitere Lit.: LfgrE s.v. πάρδαλις. 574 1. VH ≈ 12.170. — ἀνδρὸς θηρητῆρος: typ. Verbindung von Gattungsbegriff und Funktionsbezeichnung (2.474n. mit Lit.); ähnlich ἀνήρ mit θηρευτής (12.41, ‘Hes.’ Sc. 303, 388) u. θηρήτωρ (Il. 9.544). — οὐδέ τι θυµῷ: variierbare VE-Formel (οὐδέ/µηδέ: 5× Il., 4× Od., ferner 1× Od. mit Akk. θυµόν), wie hier mit folgendem VA ταρβε- Od. 7.50f., 18.330f., 18.390f.; θυµός betont die innere Komponente eines Vorgangs, s. ebenfalls bei Furcht 24.778f. µηδέ τι θυµῷ | δείσητ’ (vgl. JAHN 1987, 227–229). 575 1. VH = 12.46. — ταρβεῖ: ‘erschrecken, verzagen’, das Gegenteil zu θαρσέω 24.171, Od. 7.50f., h.Ven. 182/193 (288n.). — φοβεῖται: wird bei Homer meist in der Bed. ‘fliehen’ verwendet (vgl. schol. A), enthält aber im Gegensatz zu φεύγειν (s. 580 οὐκ ἔθελεν φεύγειν) auch eine psychologische Komponente (‘in Panik geraten, aufgeschreckt fliehen’) und zeigt hier Ansätze zur späteren Bed. ‘sich fürchten’, ebenso 6.135 (φοβηθείς | δύσεθ’), 12.45f. (κῆρ | ταρβεῖ, οὐδὲ φοβεῖται [Eber u. Löwe in Gleichnis]), vgl. auch die dämonische Macht Φόβος (‘Schrecken, der fliehen macht’: 4.440n.) 13.299f. Φόβος … ἀταρβής | … ὅς τ’ ἐφόβησε (LfgrE s.v. φοβέω; TRÜMPY 1950, 221, GRUBER 1963, 28f.; KURZ 1966, 142; s. auch 4n.). — ἐπεὶ κυνύλαγµον: Die Hss. überliefern ἐπεί κεν ὑλαγµόν, mit dem nicht so häufigen Fall von Wortende zwischen den Kürzen des 4. Metron (Verletzung der ‘Hermannschen Brücke’: M 9; s. bes. noch 1.168, 2.475, 22.509, außerdem 483) und dem erst wieder bei Xenophon u. Aristoteles belegten nomen actionis ὑλαγµός (LSJ s.v.). ὑλαγµός entspricht dem auch bei anderen Schallwörtern auftretenden Bildungstyp eines nomen actionis auf -µος (bei Homer sind Verbformen von ὑλάω und ὑλακτέω belegt), bei dem Komposita selten anzutreffen sind (RISCH 45. 212; SCHW. 1.706; PORZIG 1942, 238–240. 288; NICKAU 1977, 34f. mit Anm. 3). WEST bevorzugt wie VAN LEEUWEN die Lesart Zenodots mit dem Determinativkompositum κυν-ύλαγµον (‘Hundegebell’), das nach ant. Quellen auch Stesichoros verwendet haben soll (fr. 255 Davies ἀπειρεσίοιο κυνυλαγµοῖο): WEST 2001, 262 (an der vorl. St. lectio difficilior; proparoxytonon gemäß “the usual rule for nouns with a modifying prefix”; zu diesem Bildungstyp RISCH 114f.); s. auch LEAF; MONRO (1882) 1891, 268 (“strongly supported by the metre”); Aristarch lehnte die Kompositum-Bildung als Verdeutlichung ab (app. crit.; schol. A, T, bT; NICKAU a.O. 34 Anm. 2). Zur Diskussion über das Gewicht von außerhom. Belegen für hom. Textvarianten s. NICKAU a.O. 34–36 (zur vorl. St. a.O. 35: Textvariante ἐπεὶ κυνυλαγµόν ein mögliches Vorbild für Stesichoros); RENGAKOS 1993, 28–31. 576–577 εἴ περ … | ἀλλά τε: εἴ περ konzessiv, mit iterativem Konj. (HENTZE 1907, 358; RUIJGH 519f.; CHANTR. 2.279); zur kondizionalen Periode mit folgendem ἀλλά τε CHANTR. 574 οὐδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — τι: Akk. der Beziehung (R 19.1), verstärkt οὐδέ: ‘und ganz und gar nicht, und überhaupt nicht’. — θυµῷ: prapositionsloser dat. loci (R 19.2). 575 ταρβεῖ οὐδέ: zum Hiat R 5.6. — ἐπεὶ … ἀκούσῃ: prospektiver Konj. Aor. (iterativ), ‘sooft er …’ (ohne Modalpartikel, vgl. R 21.1). 576–577 εἴ περ … | ἀλλά τε: ‘wenn auch’ … | so doch’ (R 24.10 u. 24.3). — φθάµενος … βάλησιν: sc. der Jäger. — µιν: = αὐτήν (R 14.1), sc. πάρδαλιν. — ἢ οὐτάσῃ ἠέ: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — ἢ … ἠέ: = ἢ …ἤ ‘entweder … oder’. — βάλησιν: Konj. Aor. (R 16.3).

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2.344. — µιν: Das Enklitikon steht hier nicht wie sonst oft direkt nach εἴ περ γάρ (vgl. MONRO [1882] 1891, 337), sondern in der Versmitte, sodaß es zu beiden Vershälften als Akk.-Obj. gezogen werden kann (vgl. 2. VH 13.387, Od. 19.449 ὃ δέ µιν φθάµενος + Verb: LfgrE s.v. φθάνω). — οὐτάσῃ … βάλησιν: Mit den Begriffen für Zustoßen u. Werfen wird auch hier im Gleichnis differenziert zwischen Nahkampf und Fernkampf (schol. A zu 576; zu diesen typ. Bezeichnungen in Kampfschilderungen vgl. 397n.). — περὶ δουρὶ πεπαρµένη: Bei Beschreibungen, wie ein Kämpfer von einer Waffe durchbohrt wird, steht meist neben einer akt. Form von πείρω der durchbohrte Körperteil mit Präposition διά od. ἀµφί (Beispiele s. 16.405n.). An der vorl. Stelle ist es der ganze Körper des Tieres, der die Waffe umgibt, vergleichbar mit 13.570 σχόµενος περὶ δουρί (von einem getroffenen Kämpfer), 8.86 κυλινδόµενος περὶ χαλκῷ (von einem getroffenen Pferd): AH zu 13.570; SCHW. 2.501; WEST zu Hes. Op. 205–6.

578 Der Ausgang des Zusammenstoßes zwischen dem Leoparden und dem Jäger bleibt zwar offen, die Formulierung ‘bis er zusammentrifft oder bezwungen wird’ suggeriert jedoch eher, daß das Tier unterliegen wird; so dürfte es also auch Agenor ergehen (vgl. 573–580n. a.E.). Dagegen wird in den beiden Gleichnissen 12.299– 306 (ein hungriger Löwe sucht in menschlicher Umgebung nach Vieh) und 20.164– 173) (ein bereits verwundeter Löwe treibt sich in den Abwehrkampf) der Ausgang beim Zusammenstoß des Löwen mit Menschen in der Formulierung eindeutig offen gelassen: entweder der Löwe tötet beim Angriff oder er wird getötet (12.305f., 20.172b–173): NÜNLIST 2020, 43. 55 Anm. 44. ἀλκῆς: 528n. — πρίν … ξυµβλήµεναι … δαµῆναι: πρίν wird auch nach negiertem Hauptsatz mit Inf. konstruiert (SCHW. 2.654f.; CHANTR. 2.315). Das Aktiv συµβάλλω ist hier intrans. gebraucht in der Bed. ‘zusammentreffen’ (i.S.v. ‘kämpfen’), ebenso noch 16.565 (σύµβαλον … µάχεσθαι), Od. 21.15 (LfgrE s.v. βάλλω 35.29ff.; zur Form CHANTR. 1.380). 579 1. VH ≈ 546 (s.d.). — ἀγαυοῦ: generisches EpithetonP von Menschen und Göttern; die Bed. ist unsicher, am ehesten ‘bewundernswert, erhaben’ (3.268n.). — δῖος Ἀγήνωρ: VE = 14.425, 15.340 (545n.). 580 πρὶν πειρήσαιτ(ο): nimmt 578 wieder auf; πρίν als Konjunktion ist bei Homer sonst mit Konj. verbunden, mit Opt. nur hier: Der Satz mit opt. obliquus gibt Agenors Gedanken wieder (K.-G. 2.548; SCHW. 2.334 u. 2.655: kupitiv ‘vorher will ich Achill versucht haben’, d.h.: ‘will ich mich mit A. messen’, s. οὐκ ἔθελεν …; vorsichtig CHANTR. 2.223 u. 2.264f.; vgl. Sekundäre FokalisationP); zu πειράοµαι 225n.

581 ≈ 12.294. — Zur Diskussion um die Formen der hom. Schilde (Rundschild und Langschild) s. 18.478–608n. (Abschn. B.2.a.), 7.219n.

— πεπαρµένη: Ptz. Perf. Pass. zu πείρω (‘durchbohren’), das Fem. bezieht sich auf πάρδαλις 573. — δουρί: zur Flexion R 12.5. 578 ἠὲ … ἠέ: 576n. — ξυµβλήµεναι: Inf. Aor. Akt. (vgl. R 16.4) zu intrans. συµβάλλω ‘zusammentreffen’ (vgl. R 20.1). 580 Ἀχιλῆος: 553n. 581 µέν: ≈ µήν (R 24.7). — πρόσθ’ ἔσχετο: ‘hielt vor sich’. — ἐΐσην: = ἴσην.

Kommentar

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ἄσπιδα … πάντοσ’ ἐΐσην: Hyperbaton mit Sprengung der flektierbaren Halbvers-Formel (diese insges. 15× Il. in der 2. VH). – πάντοσ’ ἐΐση (‘in alle Richtungen gleich’, d.h.: ‘rund’) ist das häufigste Epitheton von Schilden (3.347n.; LfgrE s.v. ἶσος 1230.10ff.); ἐΐση, die Nebenform des Fem. zu ἶσος, ist entweder durch prothetischen Vokal ε- od. durch falsche Trennung von πάντοσε ϝίση entstanden (1.306n. mit Lit.). 582 τιτύσκετο: 342n. — µέγ’ ἀΰτει: als Rede-Einleitung nur hier, mit bes. Hervorhebung der Lautstärke, vgl. die Einleitung von Kampfrufen durch µακρὸν ἄϋσεν (3.81n.) od. von Drohreden durch ὀµοκλήσας + verbum dicendi , s. bes. 16.706 = 20.448 (6.54n.): EDWARDS 1970, 26f.; KAIMIO 1977, 22.

583–589 Anders als in Agenors Argumentation im Entscheidungsmonolog liegt in seiner Herausforderungsrede das Hauptgewicht auf der Verteidigung der gefährdeten Stadt – ganz im Einklang mit Apollons Ziel 544ff. (SCHMITT 1990, 197; STOEVESANDT 2004, 175. 305). Die Rede enthält einerseits typ. Elemente einer Herausforderungsrede mit Beschimpfung 585a und Prophezeiung der Niederlage des Gegners 585b–589 (STOEVESANDT a.O. 321f. 427; s. auch 394–399n.), andrerseits ähnliche Elemente wie die Triumphrede Hektors über Patroklos, vgl. 583–585a und 16.830–833a die Vokative und den Vorwurf der Naivität, 588b und 16.836b den drohenden Hinweis auf den Tod des Gegners, der an diesem Ort erfolgen werde (SCHEIBNER 1939, 51; 16.830–842n. mit Lit.). Das Motiv der Befürchtung, Achilleus werde Troia jetzt erobern (517n., 536n.), wird im Mund Agenors zu einer gegen Achill gerichteten Schmähung (583–585a). Die prophezeiend-drohende Ankündigung des Todes des Gegners ist insofern abgeschwächt, als Agenor ihn nicht explizit als Ausgang dieses Zweikampfs androht, sondern als eine Gefahr, die von allen Verteidigern Troias ausgeht (585b–589). In dieser vagen Drohung läßt der Erzähler Agenor unwissentlich eine zutreffende, dem Publikum vertraute Prognose machen: Achilleus wird ‘hier’ (gr. entháde 588: Troia, s. 22.359f.: am Skäischen Tor) den Tod finden (BURGESS 2009, 45; vgl. externe ProlepseP). Zu den eher vorsichtigen Kampfprognosen der Troer allg. s. STOEVESANDT a.O. 308f. und 346 Anm. 1048. 583–584 584 ≈ 16.708. — Daß Achilleus hoffe, heute Troia zu zerstören, ist eine Unterstellung Agenors (s. dagegen 18.79–126: Achills Ziel ist Rache an Hektor). Mit ähnlichen Worten wurde Patroklos von Apollon gewarnt, er werde Troia nicht erobern (16.707–709). ἦ δή που µάλ’ ἔολπας ἐνὶ φρεσί: Der Sprecher unterstellt dem Adressaten eine bestimmte Hoffnung, die dieser insgeheim gehegt habe, um diese sogleich (585ff.) für vermessen zu erklären (JAHN 1987, 235); ähnlich 16.830–833 ἦ που ἔφησθα …| … | … | νήπιε (Hektor zu Patroklos: Eroberung Troias), ferner 22.331–233 που ἔφης … | … | νήπιε (Achilleus zu Hektor: Patroklos zu töten, ohne an Konsequenzen für sich selbst zu denken), in etwas

582 µέγ(α): adverbiell, ‘laut’. 583 ἦ: emphatisch ‘wirklich, sicherlich’ (R 24.4). — ἐνί: = ἐν (R 20.1). 584 ἤµατι τῷδε: ≈ τῷδε τῷ ἤµατι (τὸ ἦµαρ ‘Tag’). — πέρσειν: Fut. zu πέρθω ‘zerstören’.

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anderer Formulierung 13.813f. ἦ θήν πού τοι θυµὸς ἐέλπεται ἐξαλαπάξειν | νῆας (Aias zu Hektor): DE JONG zu Il. 22.331–3. — ἦ δή που: Partikel-Verbindung mit stark affirmativem ἦ δή (‘wirklich, gewiß’, immer am Rede-Anfang: 1.518n.) und mit modalem που (‘wohl’; LfgrE s.v.), hier viell. leicht ironisch (vgl. WAKKER 1997a, 229f.; DE JONG zu Il. 22.331; weitere Lit. 16.830n.). — ἔολπας: Perf. mit Intensiv-Bed. (‘zuversichtlich hoffen, erwarten’): zu dieser Verwendung des Perf. s. RIJKSBARON (1984) 2002, 38 (“so-called intensive perfect”); das ϝ (< *ṷe-ṷolp-: LIV 680) ist nicht berücksichtigt (dazu G 26). — ἐνὶ φρεσί: 94n. — φαίδιµ’ Ἀχιλλεῦ: 159–160n. — ἤµατι τῷδε: ‘am heutigen Tag’ (zur Vorstellung, die Erstürmung erfolge jetzt gleich, s. 533 u. 544f.); in dieser Bed. noch 11.444, 15.252, Od. 20.116 (vgl. DE JONG [1987] 2004, 234. 236). — Τρώων ἀγερώχων: VE-Formel (5× Il.); die Bed. des generischen EpithetonsP von Völkern und Heroen ist umstritten, es wird meist mit ‘hochgeehrt’ od. ’stolz’ wiedergegeben (zu γέρας und ἔχω: 2.654n.; DELG s.v. ἀγέρωχος; ausführliche Diskussion u. weitere Erklärungsversuche s. LE FEUVRE 2015, 481–530, bes. 498ff.).

585 Naivling!: ein zweiter, emphatischer Vokativ mit Beschimpfung, am RedeAnfang wie 16.204 (‘Erbarmungsloser!’) und 22.261 (‘Verhaßter!’), im Innern der Rede 17.150 (‘Rücksichtsloser!’): HIGBIE 1990, 47. Zur Charakterisierung als nḗpios/nēpútios s. 99n., 410–411n. νηπύτι(ε): 410–411n. — ἦ τ(ε): Fortsetzung von ἦ δή 583 zur Anfügung eines Gegensatzes (‘und doch’): AH; RUIJGH 798–800. — τετεύξεται: 322–323n.; Formulierung in der 3. Person analog 12.345/358 τετεύξεται αἰπὺς ὄλεθρος und 24.742 λελείψεται ἄλγεα λυγρά. — ἐπ’ αὐτῇ: ‘ihretwegen, um sie’ (πόλιν 584): CHANTR. 2.109 (‘à propos de’); FRITZ 2005, 126. 586 πολέες τε καὶ ἄλκιµοι: ähnlich 11.483; zum Problem der Wehrkraft der Troer s. 528, 572. 587–588 κεν … | … εἰρυόµεσθα: so die Lesart der Hss., im Gegensatz zu derjenigen Aristarchs mit καί (app. crit.): εἰρυόµεσθα ist prospektiver Ind. Fut. (v.l. εἰρυσόµεθα) zu εἴρυµαι mit Modalpartikel (CHANTR. 1.295 [“futur (ou subjonctif à voyelle brève?)”] u. 1.452 [Hinweis auf 22.66f. ἂν … | … ἐρύουσιν]; VAN DER VALK 1964, 102f. mit Anm. 89) und steht anstelle von prospektivem Konj. (zum Phänomen 1.139n.; SCHW. 2.351f.; CHANTR. 2.226; zur funktionalen Nähe von Fut. und Konj. 6.459n.; G 100). Mit Aristarchs Lesart καί würde die Zuversicht in der Aussage 586 verstärkt (s. RICHARDSON: “adding emphasis to Agenor’s confident assertion” und “seems preferable”). — τοκέων ἀλόχων τε καὶ υἱῶν: Aufzählung der drei Generationen, beginnend mit den Eltern wie in Tyrtaios’ Kampfparänese fr. 10.5f. West (Mutter u. Vater, Kinder u. Gattin), umgekehrte Reihenfolge bei Nestor

585 ἦ τ(ε): anaphorisch zu ἦ 583 (s.d.). — ἄλγε’ ἐπ(ί): zum Hiat nach Elision R 5.1. 586 ἐν: adverbiell, ‘drinnen’. — γάρ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.5; οἱ = αὐτῇ (R 14.1). — πολέες: zur Flexion R 12.2; zur unkontrahierten Form R 6. — ἀνέρες: = ἄνδρες; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). — εἰµέν: = ἐσµέν (R 16.6). 587 κεν = ἄν (R 24.5; s. auch R 21). — πρόσθε … υἱῶν: ‘vor …, zum Schutze von …’. — υἱῶν: zur Flexion R 12.3. 588 εἰρυόµεσθα: zur Endung R 16.2.

Kommentar

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15.663 (παίδων ἠδ’ ἀλόχων καὶ κτήσιος ἠδὲ τοκήων), häufiger sind Zweiergruppen mit Gattin und Kindern (24.729b–730n.): VAN DER VALK 1964, 103; zu τοκέων (noch 15.660 im Versinnern) neben τοκήων (18× fgrE am VE) s. G 40; CHANTR. 1.72 u. 1.224. — πότµον ἐφέψεις: ≈ Od. 24.471, Futur-Version der flektierbaren VE-Formel mit Aor. ἐπέσπ-/ἐπισπ(insgesamt 7× Il., 16× Od.). Die Junktur bed. ‘sein Todeslos erreichen’, urspr. viell. ‘an sein Schicksal rühren’ (zu gr. ἕπω ‘halten, handhaben’, idg. *sep-: LIV 534; 6.412n.; FORSSMAN 2006, 114; weitere Wendungen s. 2.358–359n.). 589 2. VH ≈ 5.602, 16.493, 22.269 (Akk.). — ὧδ’ … ἐὼν …: Die konzessiv aufzufassende Äußerung mit verstärkendem ὧδε (‘mags du auch so schreckerregend sein und …’) schließt die Ankündigung des bevorstehenden Todes mit ironischer Spitze (Hinweis NÜNLIST). Zum Inhaltlichen vgl. Agenors Einschätzung 566. — ἔκπαγλος: 452n. — θαρσαλέος: 430n. — πολεµιστής: vgl. 277n. zu θωρηκτάων.

590–598 Der Zweikampf ist durch die Intervention Apollons schnell zu Ende, denn er sollte nur dazu dienen, Achilleus aufzuhalten (RICHARDSON zu 590–8). Weitere, aus unterschiedlichen Gründen früh oder schon vor dem ersten Zusammenstoß abgebrochene Zweikämpfe: Paris und Menelaos (3.15–37, mit n.), Glaukos und Diomedes (6.119–236), Aineias und Achilleus (20.288–340), Hektor und Achilleus (20.438–446); bei diesen vorzeitig beendeten Zweikämpfen kann der Erzähler jeweils das Kräfteverhältnis zwischen den Kontrahenten deutlich machen, ohne daß einer von ihnen Schaden nimmt (STOEVESANDT 2004, 172).

590 2. VH ≈ 13.410. — ἦ ῥα, καί: 200n. — ὀξὺν ἄκοντα: formelhafte Junktur, wie hier nach der Zäsur A 3 noch Od. 14.531, 21.340, hom.h. 28.9, am VE Il. 10.335. — παχείης χειρός: Die Junktur ist außer hier nur als VE-Formel im Dat. belegt (χειρὶ παχείῃ), die meist als Ausdruck für den festen Griff beim Zupacken od. Festhalten (175n., 403n.), aber auch für die kraftvolle Hand beim Zuschlagen (424) od. beim Werfen (Od. 20.299) verwendet ist (vgl. LfgrE s.v. βαρύς 39.32ff.). An der vorl. Versstelle findet sich sonst die flektierbare Formel mit βαρείη (547–548n.), so auch Il. 13.410 βαρείης χειρὸς ἀφῆκεν und hier als v.l. (s. app.crit.).

591–594 Daß die Lanze an Achills Rüstung abprallt und dieser unverwundet bleibt, wird sich im Kampf zwischen Achilleus und Hektor wiederholen (22.289–291; ebenso bereits beim Lanzenwurf des Aineias 20.267f. und des Asteropaios 21.162b–165: Antizipation von Szenen/MotivenP). Agenor trifft die Beinschiene, die als Produkt aus der Hand des Hephaistos problemlos standhält, ohne daß der Lanzenschuß Achilleus ins Wanken bringt (NEAL 2006, 284f. mit Anm. 29; zur Schutzwirkung von Achills göttlichen Defensivwaffen s. 18.464–467n.; zu den gr. Begriffen knḗmē ‘Schienbein’ u. gónu ‘Knie’ s. LASER 1983, 9. 16).

589 ἐών: = ὤν (R 16.6). 590 ἦ: 3. Sg. Impf. zu ἠµί ‘sagen’. — ῥα: = ἄρα (R 24.1), ebenso ῥ’ 591. — καὶ ὀξύν: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — παχείης: zum -η- nach -ι- R 2.

300

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591 1. VH ≈ 13.651, 15.445, 16.586; bis zur Zäsur A 4 ≈ 4.459, 6.9, 14.465, 15.433 (τόν ῥ’ ἔβαλε(ν)). — ἔβαλε … οὐδ’ ἀφάµαρτεν: rhetorisch Polarer AusdruckP, ebenso 11.350, 13.160, 22.290 (wobei der Treffer immer wirkungslos bleibt: 14.403n.). – οὐδ’ ἀφάµαρτεν ist VE-Formel (4× Il., ferner 11.350, 13.160 im Versinnern).

592–593 Beinschiene … Zinn: Achills Beinschienen aus Zinn sind eine Exklusivität, denn im hom. Epos wird als deren Material hauptsächlich Bronze genannt (18.613n.); zur Verwendung von Zinn in der Ilias (bes. Farbeffekt) s. 18.474–475n. (dort auch Lit. zum gr. Wort kassíteros) und 18.565n. Mit dem Epitheton ‘neu gearbeitet’ (gr. neotéuktou) ist auf die Szene im 18. Gesang hingewiesen, in der Hephaistos für Achilleus eine neue Rüstung geschmiedet hat, beginnend mit dem Schild, zuletzt die Beinschienen (18.478–613). ἀµφὶ δέ µιν κνηµὶς … | σµερδαλέον κονάβησε: Zur Satzstruktur vgl. die formelhafte Wendung ἀµφὶ δὲ + Subj. | σµερδαλέον κονάβησε/-σαν 2.333f., 15.647f., 16.276f., Od. 17.541f., Hes. Th. 839f. und Od. 10.398f. (κονάβιζε); σµερδαλέον κονάβησε ist variierbare VA-Formel (255n.). Die Hauptüberlieferung µιν (sc. κνήµην) paßt inhaltlich besser als die v.l. οἱ (sc. Achilleus; s. app. crit.; RICHARDSON), die dem Formelvers in Tötungsszenen mit ἀµφὶ δέ οἱ βράχε τεύχεα ποικίλα χαλκῷ ähnelt (12.396 u.ö.: 14.420n.). Zum Schwanken zwischen Wendungen mit ἀµφί + Akk. u. Dat. ohne Bed.-Unterschied (vgl. 16.414/580 u. 13.544) s. SCHW. 2.437f.; LfgrE s.v. ἀµφί 661.57ff. — νεοτεύκτου: zu τεύχω, hom. hapaxP mit der Bed. ‘neu gearbeitet’, evtl. Mischbildung aus νεοτευχέες (5.194) und dem schwundstufigen τυκτός (RISCH 21. 211). — χαλκός: steht hier wie öfters für die Lanze als Ganzes oder für deren bronzenen Vorderteil (Spitze mit Tülle): 3.348n.; LfgrE s.v. χαλκός 1126f. (bes. 1126.42ff.).

594 2. VH ≈ 20.265. — Wie in 20.264–266 wird auch hier darauf angespielt, daß Achills Rüstung als Geschenk des Hephaistos undurchdringbar ist und jedes Geschoß abwehrt, wobei die reale Härte des Metalls keine Rolle spielt; so besonders vom Schild 20.267f., 21.164f. (165n. [zum Material Gold]; GRAY 1954, 9; EDWARDS zu 20.264–7). βληµένου: Ptz. Aor. zum medialen Wz.-Aor. βλῆτο mit pass. Bed. ‘getroffen’ (CHANTR. 1.380; ALLAN 2003, 169f.). — ἠρύκακε: 165n. — δῶρα: sc. die κνηµίς, poet. Pl. wie beim Schild 165 (s.d.; K.-G. 1.63).

595–596 Pelide: 153n. Πηλείδης δ’ ὡρµήσατ’ … | δεύτερος: Variation der Formulierung für den Gegenangriff in einem Zweikampf mit δεύτερος + Form von ὁρµάοµαι od. ὄρνυµαι (3.349, 5.855, 16.467, 17.45) oder von einem Verb des Werfens (16.402n.). Zu Πηλειδής und Varianten s. 153n. — ὡρµήσατ’ Ἀγήνορος: Gen. des angestrebten Zieles (‘stürmte gegen Agenor, griff Agenor

591 γούνατος: zur Flexion R 12.5. — οὐδ(έ): konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — ἀφάµαρτεν: zur augmentlosen Form R 16.1. 592 µιν: = αὐτήν (R 14.1). — κασσιτέροιο: zur Flexion R 11.2. 593 ἀπὸ … ὄρουσεν: zur sog. Tmesis R 20.2. 596 οὐδ(ὲ) ἔτ(ι): zur Elision R 5.1.

Kommentar

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an’) wie 14.488 bei ὡρµήθη u. 4.335 bei ὁρµήσειε (K.-G. 1.351; SCHW. 2.104). — ἀντιθέοιο: ‘göttergleich’, generisches EpithetonP verschiedener Heroen (z.B. 91 Polydoros) und Völker (LfgrE s.v.; DEE 2000, 497; zu metrisch äquivalenten Varianten 16.321n.). — οὐδ’ ἔτ’ ἔασεν: ‘ließ ihn nicht weiter …’ (ebenso 11.437); diese v.l. mit οὐδ’ ἔτ(ι) ist der Hauptüberlieferung mit οὐδέ τ(ε) vorzuziehen, da es sich nicht um eine generalisierende Aussage handelt (MONRO [1882] 1891, 303; RUIJGH 706f.; WEST 2001, 213. 262; s. auch 248n.); zu ἔτι ‘noch weiter’ SCHW. 2.564. — κῦδος ἀρέσθαι: 542–543n.

597 2. VH ≈ 3.381, 11.752, 20.444, 21.549, Hes. Th. 9. — Daß Apollon den Kämpfer durch Nebel unsichtbar macht (549n.) und ihn vor Achilleus rettet, ist ein weiteres Motiv dieses Zweikampfs, das die Figur des Agenor mit derjenigen Hektors verbindet, s. 20.441–454 bei Hektors letztem Auftritt vor dem Show-down im 22. Gesang. Ebenso werden die Troer Paris (3.380f. durch Aphrodite), Idaios (5.22ff. durch Hephaistos) und Aineias (5.344ff. durch Apollon) in Nebel oder einer Wolke vor dem Tod im Kampf gerettet (weitere Beispiele für Entrückung und Rettung durch eine Gottheit s. MORRISON 1992, 56f.; STOEVESANDT 2004, 222 Anm. 653; WEST 2007, 484; Zusammenstellung der Rettungsszenen in der Ilias bei KELLY 2007, 296–298). Zu Nebel auf dem Schlachtfeld s. 6n. µιν ἐξήρπαξε, κάλυψε δ’ ἄρ’ ἠέρι πολλῇ: Vgl. dazu die längeren Versionen für das Entrücken aus dem Zweikampf 3.380b–381 und 20.443b–444: τὸν δ’ ἐξήρπαξ’ Ἀφροδίτη | bzw. ἐξήρπαξεν Ἀπόλλων | ῥεῖα µάλ’ ὥς τε θεός, ἐκάλυψε δ’ ἄρ’ ἠέρι πολλῇ.

598 Auf welche Weise und wohin genau Agenor von Apollon gebracht wird, läßt der Erzähler hier offen, denn es spielt für den Fortgang der Handlung keine Rolle (anders etwa 3.380–382, 5.344f., 5.445–448). Viel wichtiger ist, daß Apollon sich nun der Gestalt Agenors bedient, um vor Achilleus in Aktion zu treten (600–605): PELLICIA 1995, 44 Anm. 69. 141f. Anm. 60.

ἡσύχιον: hom. hapaxP mit Bed. ‘in Ruhe gelassen’, zusammen mit νέεσθαι ein Ausdruck für ‘unversehrt zurückkehren’, vgl. 16.252 (σόον), 17.497 (ἀναιµωτεί): LfgrE s.v. ἡσύχιος. — ἔκπεµπε νέεσθαι: VE ≈ Od. 4.8, 13.206, 21.374, 23.23; s. 48n.

599–611 Die Beschreibung der List Apollons erstreckt sich über die (wohl nachhom. Buchgrenze) hinaus (dazu 611n.): sie besteht darin, in Agenors Gestalt in angepaßter Geschwindigkeit weg von der Stadt vor Achilleus herzulaufen, so daß dieser ihm auf den Fersen bleibt, ohne ihn einzuholen (603–605); unterdessen sollen sich die Troer durch das geöffnete Tor in die Stadt retten (608–22.4), ohne daß Achilleus ebenfalls hineinstürmen kann (Priamos’ Furcht 536). Dieser durchschaut Apollons Täuschungsmanöver erst dann, als der Gott sich ihm zu erkennen gibt und ihn verhöhnt (22.7–13, Achills wütende Reaktion 22.14–20; zu 22.16–18 s. 596: Achill bleibt der Ruhm bis jetzt noch verwehrt). Für die Gestaltung der List läßt der

597 µιν: = αὐτόν (R 14.1). — ἠέρι: = ἀέρι. 598 πολέµου ἔκπεµπε: zum Hiat R 5.6 (ebenso 599). — νέεσθαι: zur unkontrahierten Form R 6.

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ErzählerP Achilleus schon seit längerem ganz alleine agieren und das Heer der Achaier aus dem Blickfeld verschwinden; ihm gegenüber steht schließlich Hektor als einziger Gegner (22.5f., 22.35f., 22.91f.): SCHEIBNER 1939, 39. 56f. 110f.; zu dieser Funktion der Szene s. auch 544–611n. (a.E.). Apollons Trick, den vom Tod bedrohten Kämpfer vom Schlachtfeld zu entfernen und in eigener Person zu ersetzen, ähnelt einer Szene in der ersten Schlacht der Ilias (5.445–453), in der Apollon den verwundeten Aineias durch ein Abbild (gr. éidōlon) ersetzt, um das nun gekämpft wird (s. aber die Diskussion um die Echtheit der Verse bei CLARKE 1999, 196 Anm. 78; WEST 2001, 193). – Insgesamt sind an der vorl. Stelle also mehrere Motive verarbeitet: (a) Entrückung eines gefährdeten Kriegers (Beispiele 597n.); (b) Gott nimmt auf dem Schlachtfeld menschliche Gestalt an (211–213n. a.E.; RICHARDSON zu 599–601), wobei in solchen Szenen üblicherweise beim Gegenüber Vertrauen geweckt werden soll, indem die Gottheit in Gestalt eines Verwandten od. Bekannten auftritt (16.715–726n.); (c) Täuschungsmanöver eines Gottes, s. dazu bes. noch 22.226–247 Athene, die Hektor in Gestalt von dessen Bruder Deïphobos manipuliert (DE JONG z.St.). 599 1. VH ≈ 22.7; 2. VH ab der Zäsur C 1 ≈ Od. 21.221. — Trugmanöver: Das Agieren von Göttern gegenüber Menschen wird nur hier – Vv. 599 u. 604 – vom Erzähler als ‘List’ (gr. dólos) bezeichnet (3.405 Helena zu Aphrodite); unter Göttern ist es v.a. ein Mittel Heras, gegen Zeus zu agieren (LUTHER 1935, 116). Bei Auseinandersetzungen unter Menschen wird ‘List’ im hom. Epos unterschiedlich bewertet; in der Ilias erscheint sie v.a. als Mittel, den Gegner zu überwinden, ohne daß dieser seine besondere Qualität einsetzen kann (gilt eher als unheroisch): 7.142 im Kampf ‘durch List, nicht durch Stärke’, 23.515 im Wagenrennen ‘mit List, nicht mit Schnelligkeit’ (7.142n. [mit Lit.]). Πηλείωνα: 153n. — ἀποέργαθε: unkontrahiertes ἀποεργ- noch 8.325, Od. 3.296, 21.221, h.Ven. 47; an der vorl. St. viell. als Anklang an Ἑκάεργος 600 (MACLEOD S. 51; RICHARDSON; vgl. WortspielP); die Bed. des Suffixes -αθ- ist umstritten (hier Aor.-Funktion: CHANTR. 1.328; vgl. SCHW. 1.703 mit Anm. 6; s. ferner 2.303–304n. zu ἠγερέθοντο u. 14.36n. zu συνεέργαθον). — λαοῦ: bez. in der Ilias – themabedingt – meist das (männliche) Volk unter Waffen, ‘Kriegsvolk’ (1.10n.; s. auch MYK s.v. λαός), hier die fliehenden Troer (vgl. 531, 606). 600 2. VH ≈ 5.181, 11.613, Od. 4.654, 24.446. — αὐτῷ: betont die Identität mit einer vorher bei einer anderen Handlung erwähnten Figur. Hier betont es die Identität mit Agenor, der soeben entrückt wurde (597f. 2× µιν), vgl. 5.450 αὐτῷ τ’ Αἰνείᾳ ἴκελον nach 5.445–448 (AH; FAESI; LgrE s.v. αὐτός 1649.25ff., bes. 39ff.), und nicht diejenige mit Achilleus, der

599 αὐτάρ: ‘aber, doch’ (R 24.2). — ὅ: sc. Ἀπόλλων (596); zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἀποέργαθε (+ Gen): ‘drängte weg von’, zu ἀπο(ϝ)έργω; zur unkontrahierten Form R 6. 600 γὰρ (ϝ)εκά(ϝ)εργος: zur Prosodie R 4.5. — πάντα (ϝ)ε(ϝ)οικώς: zur Prosodie R 4.3.

Kommentar

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jetzt abgelenkt wird (so WILLCOCK: Dat. sei abh. von 601 ἔστη πρόσθε ποδῶν, eine sonst nicht belegte Konstruktion). — Ἑκάεργος: 461n. 601 1. VH ≈ 16.742, Od. 22.4 (αὐτοῦ). — ἔστη πρόσθε ποδῶν: nicht, um ihn abzuwehren, sondern um sich ihm als Gegner anzubieten, den er verfolgen kann, s. 601b–602 (KURZ 1966, 92 Anm. 37. 133; LfgrE s.v. πρόσθε(ν) 1567.43ff.; zum Motiv ‘stellt sich vor …’ s. KELLY 2007, 141–143 mit Anm. 18).

602–611 Der Gesang endet ähnlich, wie er begonnen hat (1–16), nämlich mit der Flucht der Troer, die jetzt aber durch Apollons Intervention nicht mehr von Achilleus gejagt und getötet werden (SCHEIBNER 1939, 110f.; RICHARDSON; TSAGALIS 2008, 198–202). 602–607 Die Erwähnung der Ebene und des Flusses Skamandros erinnert an Agenors Gedanken über Flucht weg von der fliehenden Masse und der Stadt 556ff. (558– 561n.; LUCE 1998, 34), aber auch an Achills Verfolgungsjagd zu Beginn des Gesangs (3–16n.). Mit der Formulierung ‘weizentragende Ebene’ (602) öffnet sich vor dem Auge die Weite des Raums, den die Verfolgungsjagd einnimmt, ein Signal für den Zeitgewinn für die fliehenden Troer (Hinweis FÜHRER). ἕως … : explizite Kennzeichnung von Handlungen, die gleichzeitig ablaufen und gleichlang dauern (dazu RICHARDSON 1990, 95. 227 Anm. 16; RENGAKOS 1995, 30 [Bspe. für ἕως … τόφρα und ὄφρα … τόφρα]): nämlich die Verfolgungsjagd mit Verfolger und Verfolgtem (602 ὃ τὸν … und 603–604a τρέψας … | … ὑπεκπροθέοντα), die wahre Rolle Apollons ist in Parenthese erwähnt (604b–605; Lit. zu Parenthesen bei Homer s. 6.242–253n.); und im Hauptsatz die Rettung der Troer in die Stadt (606f. τόφρ’ ἄλλοι Τρῶες … ἦλθον …). 602 VE ab der Zäsur C 2 = 12.314. — ἕως: trochäisch (– ⏑) zu lesen (< *ἧος): 1.193n. (mit Lit.; dort auch zu den Konjekturen); CHANTR. 1.11; diese in den Hss. überlieferte prosodische ‘Irregularität’ steht meist am VA, an dem besondere Freiheiten erlaubt sind (M 15). — πεδίοιο … πυροφόροιο: partitiver Gen. wie 247 (s.d.), abh. von διώκετο. πυροφόρος/πυρηφόρος, Kompositum aus πυρός + φέρω mit der Bed. ‘Weizen tragend’, ist Epitheton bei ἄρουρα (12.314, 14.122f.) u. πεδίον (Od. 3.495, h.Ap. 228): LfgrE s.v. πυροφόρος; zum Weizen im hom. Epos s. RICHTER 1968, 109–111 mit Anm. 810. — διώκετο: Die mediale Form von διώκω (nur noch Od. 18.8 διώκετο οἷο δόµοιο |) ist eine metrisch bequeme Variante zur aktivischen Form mit gleicher Bed.; diese Verwendung medialer Formen findet sich öfter vor der bukolischen Dihärese (4.331n.; CHANTR. 1.97; MEISTER 1921, 19f.; s. auch ALLAN 2003, 207f.). 603 τρέψας: Ptz. Aor. koinzident mit διώκετο (‘wendend’), ähnlich 22.15f. (AH). — ποταµὸν βαθυδινήεντα Σκάµανδρον: bemerkenswert lange, fast versfüllende Benennung des Flusses

601 ἐπέσσυτο: Aor. zu ἐπισ(σ)εύοµαι ‘heranstürmen’. — ποσσί: zum -σσ- R 9.1. — διώκειν: final-konsekutiver Inf. abhängig von ἐπέσσυτο. 602 ἕως: ‘während, solange’ (R 22.2); zur Prosodie ↑. — ὃ τόν: demonstr.-anaphorisch (R 17), sc. Achilleus (601) den Agenor/Apollon (600). — διώκετο: Med. ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied zum Akt. (R 23). 603 πάρ: = παρά (R 20.1). — βαθυδινήεντα Σκάµανδρον: zur Prosodie M 4.5.

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Skamandros (s. auch 1f. und 8), der in den Vv. 211–384 eine tragende Rolle gespielt hat und nun wieder in seinem Flußbett dahinfließt (RICHARDSON, Introd. 53f.; zu ποταµὸς βαθυδινήεις 329n., zu βαθυδινήεις 15n.).

604–605 Apollon manipuliert Achilleus (gr. éthelge ‘er betörte, täuschte’; in der Ilias nur mit Göttern als Subj., z.B. 276 [s.d.]): Er gibt ihm das Gefühl, den Fliehenden erreichen zu können, sodaß er sich von der Stadt abwendet (603) und sein Hauptziel vergißt (vgl. 22.11f.). Durch den dosierten Vorsprung zieht der Gott die Verfolgungsjagd in die Länge, bis die Troer sich gerettet haben. Auch der spätere Wettlauf zwischen Achilleus und Hektor (22.157–204) ist mit Apollons Hilfe eine Weile ausgeglichen (22.199–204), bis der Zeitpunkt für Hektors Ende gekommen ist (22.208ff.); zum Motiv des Wettlaufens und des Jagens in den Kampfszenen s. PURVES 2019, 69–91 (bes. 71f. u. 76f.). ὑπεκπροθέοντα: bed. ‘voraus und davonlaufen’, immer mit der Angabe des Vorsprungs (hier τυτθόν ‘wenig’), s. noch 9.506 (πολλόν) von Ate gegenüber den Litai, Od. 8.125 (τόσσον) von einem Wettläufer (LfgrE s.v. θέω). Zum Mehrfach-Kompositum vgl. 44n. zu ὑπεκπροφυγών. 607 ἀσπάσιοι: ‘froh, erleichtert’, Deverbativum zu ἀσπάζοµαι (RISCH 114), vgl. ἀσπασίως im Zusammenhang mit Flucht 7.118, 11.327, 18.270, 19.72. — ἄστυ· πόλις: Beide werden bei Homer als topographische Begriffe grundsätzlich ohne Bedeutungsunterschied verwendet (in der vorl. Fluchtszene: ἄστυ noch 531f., 22.1, 22.11–12a; πόλις noch 608b, 610f.), aber viell. zeigt sich in der Verwendung eine Nuance: tendenziell scheint πόλις bisweilen der objektivere, ἄστυ der emotionalere Begriff zu sein und enger in bezug auf die Bewohner gesetzt zu sein (LfgrE s.v. πόλις 1351–1353, zur vorl. St. 1362.59ff.; weitere Lit. 24.327n.). — ἀλέντων: 534n.

608–611 Der Erzähler skizziert mit wenigen Strichen die ungeordnete Massenflucht der Troer: keiner achtet mehr auf den anderen (609f.; s. dagegen die Zurufe der fliehenden Achaier 8.345f., 15.367f.), und keiner – auch nicht Hektor – versucht, einen geordneten Rückzug zu dirigieren (s. die Paraphrase bei ALBRACHT 1886, 50f.; LATACZ 1977, 214; zur hom. Beschreibung von Fluchtphasen s. 6.1–72n., 16.278–418n. (jeweils mit Lit.); PAGANI 2008, 401–406 (bes. 405). Dieser vollständige Rückzug hinter die Mauern der Stadt ist zweifach vorbereitet worden, in Polydamas’ Warnung in der Versammlung der Troer am Ende des vorausgehenden Kampftages (bes. 18.254–256 und 18.268–272) und in Achills Drohung in der Versammlung der Achaier vor Beginn der jetzigen Schlacht (19.71–73). 605 αἰεί: = ἀεί. — αἰεὶ (ϝ)έλποιτο: zur Prosodie R 4.4. — οἷσιν: Possessivpron. der 3. Person (R 14.4). 606 τόφρ(α): ‘unterdessen’ (vgl. 602n.). 607 προτὶ (ϝ)άστυ: zur Prosodie R 5.4; προτί = πρός (R 20.1). — ἔµπλητο (ϝ)αλέντων: zur Prosodie R 4.3; ἀλέντων Ptz. Aor. zu εἰλέοµαι ‘sich (zusammen)drängen’. 608 τοι: R 24.12. — ἔτλαν: = ἔτλησαν (R 16.2). — πόλιος: zur Flexion R 11.3. — τείχεος: zur unkontrahierten Form R 6.

Kommentar

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609–610 γνώµεναι, ὅς τε πεφεύγοι | ὅς τ’ ἔθαν(ε): Der Optativ kennzeichnet eine erhoffte Möglichkeit, der Indikativ die bittere Realität (LEAF). Zur Nähe von Relativsätzen und indirekten Fragesätzen s. CHANTR. 2.238, 293; SCHW. 2.643; zum Perf.-Stamm πέφευγ- (noch Od. 1.12 πεφευγότες) neben πεφυγ-µένος s. SCHW. 1.771; HACKSTEIN 2002, 194f. — ἐσσυµένως: Das Adverb (zum Ptz. Perf. zu σεύοµαι ‘eilen, sich stürzen’) bed. im fgrE meist ‘voll Elan, eifrig’ (vom Gehorchen od. von Tätigkeiten, die schwer fallen), bei Verben der Bewegung etwa ‘eilig, drängend, zielstrebig’, s. hier u. h.Merc. 150, 215, 320, hom.h. 28.8, 32.10 (LfgrE s.v. ἐσσυµένως). An der vorl. St. bieten jedoch die meisten Hss. ἀσπασίως (app. crit.; von AH, VAN DER VALK 1964, 625f., u. WILLCOCK bevorzugt), das aber wie eine Nachahmung von 607 wirkt (LEAF; RICHARDSON). Dort, in 606f., paßt ἀσπάσιοι (‘froh, erleichtert’) gut zur Schilderung, die einen Hinweis auf die Gefühlslage der Fliehenden gibt: s. auch πεφοβηµένοι mit psychologischer Komponente ‘aufgeschreckt fliehend’ (575n.; s. auch ἀσπασίως in den emotionalen Reden 18.270f. u. 19.71–73); an der vorl. St. hingegen paßt ἐσσυµένως besser zur Beschreibung einer Massenbewegung. — ἐσέχυντο: ‘sie ergossen sich, strömten hinein’; ebenso 12.469f. von den Troern, die ins Schiffslager der Achaier eindringen. Zu ‘strömen’ als Ausdruck für Massenbewegung vgl. 6n. 611 2. VH ≈ 15.269, 22.24, 23.444. — σαώσαι: so der Text nach Aristarch (app. crit.; schol. AT) mit Opt. (iterativ: AH; vgl. SCHW. 2.335f.; CHANTR. 2.224f.) und Sg. in Kongruenz mit dem unmittelbar vorausgehenden Subj. γοῦνα (LEAF; CHANTR. 2.18f.; allg. dazu SCHW. 2.610f.); dies ist die lectio difficilior gegenüber der Hauptüberlieferung mit Ind. σάωσαν/ σάωσεν. – Die Buchgrenze 21.611/22.1 fällt mitten in die ab 602ff. explizit gleichzeitig ablaufenden Handlungen, die beide zu Beginn des 22. Gesangs wieder aufgenommen werden: Die anderen Troer retten sich in die Stadt, die Achaier und Hektor bleiben außerhalb der Mauern (606–611 τόφρ’ ἄλλοι Τρῶες … und 22.1–6 ὣς οἳ µέν … | … | … αὐτὰρ Ἀχαιοί | … | Ἕκτορα δ’ …); Apollon täuscht Achilleus und deckt sein Täuschungsmanöver auf (599– 605 αὐτὰρ ὃ Πηλείωνα … und 22.7–24 αὐτὰρ Πηλείωνα … Ἀπόλλων· | …). Aber die Formulierung ὣς οἳ µέν … (22.1) zur Einleitung eines SummaryP wird öfters als Schnittstelle für die (erst nachhom. gesetzte) Buchgrenze verwendet, v.a. in Kombination mit Szenenwechsel (16.1n. [mit Lit.], 18.1n.); hier wird damit die rettende Flucht der Troer vor den Achaiern abgeschlossen (22.1–4), es folgt die Vorbereitung der Kampfszene zwischen Achilleus und Hektor außerhalb der Stadtmauern (s. auch DE JONG zu Il. 22.1–4).

609 γνώµεναι: = γνῶναι (R 16.4). 610 ἐσέχυντο: ἐσ- = εἰσ- (R 20.1), ebenso 611. 611 γοῦνα: Nom. Pl. zu γόνυ (R 12.5). — σαώσαι: = σώσειε (R 6).

BIBLIOGRAPHISCHE ABKÜRZUNGEN

1. Ohne Jahreszahl zitierte Literatur (Standard-Werke) AH

Homers Ilias. Erklärt von K.F. Ameis und C. Hentze, Leipzig/Berlin 11868– 1884 (Gesang 1–6 von Ameis, bearb. von Hentze; 7–24 von Hentze); letzte veränd. Aufl.: Bd. 1.1 (Gesang 1–3) 71913, bearbeitet von P. Cauer; Bd. 1.2 (4–6) 61908; Bd. 1.3 (7–9) 51907; Bd. 1.4 (10–12) 51906; Bd. 2.1 (13–15) 4 1905; Bd. 2.2 (16–18) 41908; Bd. 2.3 (19–21) 41905; Bd. 2.4 (22–24) 4 1906. Nachdruck Amsterdam 1965. AH, Anh. Anhang zu Homers Ilias. Schulausgabe von K.F. Ameis, Leipzig 11868– 1886 (Erläuterungen zu Gesang 1–6 von Ameis, bearb. von Hentze; 7–24 von Hentze); in diesem Band zitiert: 2. Heft (zu Il. 4–6) 21882. AH zu Od. Homers Odyssee für den Schulgebrauch erklärt von K.F. Ameis (und, von der 5. Auflage an, C. Hentze), Leipzig 11856–1860; letzte veränd. Aufl. (bearbeitet von P. Cauer): Bd. 1.1 (Gesang 1–6), Leipzig/Berlin 131920 = 14 1940; Bd. 2.1 (Gesang 13–18) 91910 (Nachdruck 1928); Bd. 2.2 (Gesang 19–24) 101911 (Nachdruck 1928). Nachdruck Amsterdam 1964. AH, Anh. zu Od. Anhang zu Homers Odyssee. Schulausgabe von K.F. Ameis, Leipzig 1 1865–1868; letzte veränd. Auflage (besorgt von C. Hentze): 1. Heft (1–6) 4 1890; 2. Heft (7–12) 31889; 3. Heft (13–18) 31895; 4. Heft (19–24) 31900. ArchHom Archaeologia Homerica. Die Denkmäler und das frühgriechische Epos. Im Auftrage des DAI hrsg. von F. Matz und H.-G. Buchholz, Göttingen 1967– 2015. Autenrieth/Kaegi Autenrieth, G. / Kaegi, A.: Wörterbuch zu den Homerischen Gedichten, Stuttgart/Leipzig 141999 (= Nachdruck von 131920, mit einem Geleitwort von J. Latacz und einer Einleitung von A. Willi; 1. Aufl. Leipzig 1873). Beekes Beekes, R.: Etymological Dictionary of Greek, with the assistance of L. van Beek, 2 Bde. (Leiden Etymological Dictionary Series, 10), Leiden/Boston 2010. CG Graf, F.: Cast of Characters of the Iliad: Gods, in: Prolegomena (engl. Ausgabe) 122–139. Chantr. Chantraine, P.: Grammaire homérique, Paris 61986–1988 (11942–1953) (2 Bde.). Ciani Iliade di Omero, a cura di Maria Grazia Ciani e Elisa Avezzù (Classici Greci), Turin 1998.

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310 Prolegomena RE Richardson zu h.Cer. Richardson zu Il. 21–24 Risch

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Bibliographische Abkürzungen

311

2. Textausgaben* Alexis in: Poetae Comici Graeci (PCG), edd. R. Kassel et C. Austin, Bd. 2, Berlin/New York 1991. Alkaios (Voigt) in: Sappho et Alcaeus. Fragmenta ed. E.-M. Voigt, Amsterdam 1971. Alkman (Calame) Alcman. Fragmenta edididt, veterum testimonia collegit C. Calame, Rom 1983. Anakreon (Page) in: Poetae Melici Graeci, ed. D.L. Page, Oxford 1962. Antimachos (Matthews) Antimachus of Colophon. Text and Commentary by V.J. Matthews (Mnemosyne, Suppl. 155), Leiden u.a. 1996. Archilochos (West) in: Iambi et Elegi Graeci ante Alexandrum cantati, ed. M.L. West, Bd. 1, Oxford 21989 (11971). Archilochos (P. Oxy.) in: The Oxyrhynchus Papyri, Bd. 69, ed. and transl. by N. Gonis and D. Obbink et al. (Graeco-Roman Memoirs, 89), London 2005. Cypria (West) in: Greek Epic Fragments. From the Seventh to the Fifth Century BC, ed. and transl. by M.L. West (Loeb Classical Library, 497), Cambridge, Mass./London 2003. ‘Epischer Kyklos’ • Epicorum Graecorum Fragmenta, ed. M. Davies, Göttingen 1988. • Poetarum epicorum Graecorum testimonia et fragmenta, pars I, ed. A. Bernabé, Stuttgart/Leipzig 21996 (11987). • Greek Epic Fragments. From the Seventh to the Fifth Century BC, ed. and transl. by M.L. West (Loeb Classical Library, 497), Cambridge, Mass./London 2003. Festus (Lindsay) in: Sexti Pompei Festi De verborum significatu quae supersunt cum Pauli epitome, Thewrewkianis copiis usus ed. W.M. Lindsay, Leipzig 1913 (Nachdruck Hildesheim 1965). ‘Hesiod’, Fragmente (M.-W.) • in: Hesiodi Theogonia, Opera et dies, Scutum, ed. F. Solmsen; Fragmenta selecta, edd. R. Merkelbach et M.L. West, Oxford 31990 (11970). • in: Fragmenta Hesiodea, edd. R. Merkelbach et M.L.West, Oxford 1967. Kallinos (West) in: Iambi et elegi graeci ante Alexandrum cantati, ed. M.L. West, Bd. 2, Oxford 21992 (11972).

* Angeführt sind nur Ausgaben von Werken, bei denen die Vers-, Paragraphen- oder Fragmentzählung von Ausgabe zu Ausgabe differiert.

312

Ilias 21

Porphyrios (MacPhail) Porphyry’s Homeric Questions on the Iliad. Text, Translation, Commentary by J.A. MacPhail Jr. (Texte und Kommentare, 36), Berlin/New York 2011. Porphyrios (Sodano) in: Porphyrii quaestionum Homericarum liber I. Testo critico a cura di A.R. Sodano, Neapel 1970. Proklos (West) in: Greek Epic Fragments. From the Seventh to the Fifth Century BC, ed. and transl. by M.L. West (Loeb Classical Library, 497), Cambridge, Mass./London 2003. Sappho (Voigt) in: Sappho et Alcaeus. Fragmenta ed. E.-M. Voigt, Amsterdam 1971. Scholien zur Ilias • Scholia Graeca in Homeri Iliadem (scholia vetera), rec. H. Erbse, Berlin 1969–1988 (7 Bde.). • Scholia D in Iliadem. Proecdosis aucta et correctior. Secundum codices manu scriptos, ed. H. van Thiel, 2014 http://kups.ub.uni-koeln.de/5586/ (12000) (Stand: 25.05.2021). • schol. pap. (Erbse), in: Scholia Graeca in Homeri Iliadem (scholia vetera), rec. H. Erbse, Bd. 5, Berlin 1977, 78–121. Stesichoros (Davies) in: Poetarum Melicorum Graecorum Fragmenta, post D.L. Page ed. M. Davies, Bd. 1, New York 1991. Thebais (West) in: Greek Epic Fragments. From the Seventh to the Fifth Century BC, ed. and transl. by M.L. West (Loeb Classical Library, 497), Cambridge, Mass./London 2003. Theophrast (Fortenbaugh) in: Theophrastus of Eresus: Sources for his Life, Writings, Thought and Influence, ed. and transl. by W.W. Fortenbaugh et al. (Philosophia Antiqua, 54), Part 2, Leiden u.a. 1993. Tyrtaios (West) in: Iambi et elegi graeci ante Alexandrum cantati, ed. M.L. West, Bd. 2, Oxford 21992 (11972).

3. Monographien und Aufsätze Die Zeitschriften sind nach der Année Philologique abgekürzt.* Aceti 2008 Adkins 1975 Ahrens 1937

Aceti, C.: Sarpedone fra mito e poesia, in: Eroi nell’Iliade. Personaggi e strutture narrative, hrsg. von Lara Pagani, Rom 2008, 1–269. Adkins, A.W.H.: Art, Beliefs, and Values in the Later Books of the Iliad, in CPh 70, 1975, 239–254. Ahrens, E.: Gnomen in griechischer Dichtung (Homer, Hesiod, Aeschylus), Diss. Halle 1937.

*Eine kumulierte Liste findet sich unter: https://adwgoe.de/fileadmin/dokumente/forschungsprojekte/lexikon_fruehgriech_epos/APh_List.pdf (Stand: 25.05.2021).

Bibliographische Abkürzungen Ahrens 1879

313

Ahrens, H.L.: Beiträge zur griechischen und lateinischen Etymologie, Erstes Heft, Leipzig 1879. Ahrensdorf 2014 Ahrensdorf, P.J.: Homer on the Gods and Human Virtue. Creating the Foundations of Classical Civilization, Cambridge 2014. Albracht 1886 Albracht, F.: Kampf und Kampfschilderung bei Homer. Ein Beitrag zu den Kriegsaltertümern (Beilage zum Jahresbericht der Königl. Landesschule Pforta 1886), Naumburg a.S. 1886 (engl. Übers.: Battle and Battle Description in the Iliad. A Contribution to the History of War. Translated by P. Jones, M. Willcock and G. Wright, London 2005). Aldrete u.a. 2013 Aldrete, G.S. / Bartell, S. / Aldrete, A.: Reconstructing Ancient Linen Body Armor. Unraveling the Linothorax Mystery, Baltimore 2013. Alexiou (1974) 2002 Alexiou, M.: The Ritual Lament in Greek Tradition (Greek Studies), Lanham u.a. 22002 (11974). Aliffi 2002 Aliffi, M.L.: Le espressioni dell’agente e dello strumento nei processi di ‘morte violenta’, in: Montanari 2002, 409–423. Allan 2003 Allan, R.J.: The Middle Voice in Ancient Greek. A Study in Polysemy (Amsterdam Studies in Classical Philology, 11), Amsterdam 2003. Allan 2010 Allan, R.J.: The infinitivus pro imperativo in Ancient Greek. The Imperatival Infinitive as an Expression of Proper Procedural Action, in: Mnemosyne 63, 2010, 203–228. Allan u.a. 2017 Allan, R.J., de Jong, I.J.F., de Jonge, C.C.: From Enargeia to Immersion. The Ancient Roots of a Modern Concept, in: Style 51, 2017, 34–51. Aly 1909 Aly, A.: Karer und Leleger, in: Philologus 68, 1910, 428–444. Amigues 2017 Amigues, S. (Hrsg.): Théophraste, les causes des phénomènes végétaux, tome III, livres V et VI, hrsg. und übers. von S. Amigues, Paris 2017. Anastassiou 1973 Anastassiou, I.: Zum Wortfeld ‘Trauer’ in der Sprache Homers, Diss. Hamburg 1973. Andersen 1990 Andersen, Ø.: The Making of the Past in the Iliad, in: HSPh 93, 1990, 25– 45. Andersen 1997 Andersen, Ø.: Diomedes, Aphrodite, and Dione: Background and Function of a Scene in Homer’s Iliad, in: C&M 48, 1997, 25–36. Andersen/Dickie 1995 Andersen, Ø. / Dickie, M. (Hrsgg.): Homer’s World. Fiction, Tradition, Reality (Papers from the Norwegian Institute at Athens, 3), Bergen 1995. Anderson 1997 Anderson, M.J.: The Fall of Troy in Early Greek Poetry and Art, Oxford 1997. Andronikos 1968 Andronikos, M.: Totenkult, in: ArchHom Kap. W, Göttingen 1968. Anghelina 2007 Anghelina, C.: On Some Adverbs with Variable Endings in Ancient Greek, in: Glotta 83, 2007, 1–12. Apthorp 1980 Apthorp, M.J.: The Manuscript Evidence for Interpolation in Homer (Bibliothek der Klass. Altertumswiss., N.F. 2.71), Heidelberg 1980. Apthorp 1999 Apthorp, M.J.: Homer’s Winged Words and the Papyri: Some Questions of Authenticity, in: ZPE 128, 1999, 15–22. Arnott 2007 Arnott, W.G.: Birds in the Ancient World from A to Z, London/New York 2007.

314 Austin 1975

Ilias 21

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Bibliographische Abkürzungen Beekes 2003 Benveniste 1966 Benveniste 1969 Bernsdorff 1992 Bethe 1914 Beye 1964 Bianchi 1953 Bierl 2012 Bierl 2012a

Bierl 2016 Bierl 2019

Bierl 2019a Biggs 2019 Blažek 2017 Boedeker 1974 Böhme 1929 Bolling 1944 Bolt 2019 Bonifazi 2012

315

Beekes, R.S.P.: The Origin of Apollo, in: Journal of Ancient Near Eastern Studies 3, 2003, 1–21. Benveniste, É.: Problèmes de linguistique générale (Bibliothèque des Sciences Humaines), Paris 1966. Benveniste, É.: Le vocabulaire des institutions indo-européennes. Bd. 1: Économie, parenté, société, Paris 1969. Bernsdorff, H.: Zur Rolle des Aussehens im homerischen Menschenbild (Hypomnemata, 97), Göttingen 1992. Bethe, E.: Homer. Dichtung und Sage, erster Band: Ilias, Leipzig/Berlin 1914. Beye, C.R.: Homeric Battle Narrative and Catalogues, in: HSPh 68, 1964, 345–373. Bianchi, U.: Διὸς αἶσα. Destino, uomini e divinità nell’epos, nelle teogonie e nel culto dei Greci (Studi pubblicati dall’Istituto italiano per la storia antica, 11), Rom 1953. Bierl, A.: Orality, Fluid Textualization and Interweaving Themes. Some Remarks on the Doloneia: Magical Horses from Night to Light and Death to Life, in: Montanari u.a. 2012, 133–174. Bierl, A.: Demodokos’ Song of Ares and Aphrodite in Homer’s Odyssey (8.266–366): An Epyllion? Agonistic Performativity and Cultural Metapoetics, in: Brill’s Companion to Greek and Latin Epyllion and its Reception, hrsg. von M. Baumbach und S. Bär, Leiden/Boston 2012, 111–134. Bierl, A.: Lived Religion and the Construction of Meaning in Greek Literary Texts: Genre, Context, Occasion, in: Religion in the Roman Empire 2, 2016, 10–37. Bierl, A.: Agonistic Excess and Its Ritual Resolution in Hero Cult: the Funeral Games in Iliad 23 as a mise en abyme, in: Eris vs. Aemulatio. Valuing Competition in Classical Antiquity, hrsg. von C. Damon und Chr. Pieper (Mnemosyne, Suppl. 423), Leiden 2019, 53–77. Bierl, A.: Lösung in der Schwebe durch Provokation: Metanarrative Überlegungen zum Aufschub und Ende der Erzählung in den Lytra (Ilias XXIV), in: Maia 71, 2019, 49–74. Biggs, Th.: River Battles in Greek and Roman Epic, in: Reitz/Finkmann 2019, Bd. II.2, 355–390. Blažek, V.: Apollo the Archer, in: Ancient Greek Linguistics. New Approaches, Insights, Perspectives, hrsg. von F. Logozzo und P. Poccetti, Berlin/Boston 2017, 643–661. Boedeker, D.D.: Aphrodite’s Entry into Greek Epic (Mnemosyne, Suppl. 32), Leiden 1974. Böhme, J.: Die Seele und das Ich im homerischen Epos, Leipzig/Berlin 1929. Bolling, G.M.: The Athetized Lines of the Iliad, Baltimore 1944. Bolt, T.J.: Theomachy in Greek and Roman Epic, in: Reitz/Finkmann 2019, Bd. II.1, 283–316. Bonifazi, A.: Homer’s Versicolored Fabric. The Evocative Power of Ancient Greek Epic Word-Making, Cambridge, Mass. / London 2012.

316 Bonnafé 1984

Ilias 21

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Bibliographische Abkürzungen

317

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Ilias 21

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345

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